Johannes Röring
        (A) (C)
        (B) (D)
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15613
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 1
        Liste der entschuldigten Abgeordneten
        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Albsteiger, Katrin CDU/CSU 25 .02 .2016
        Barley, Dr . Katarina SPD 25 .02 .2016
        Bartol, Sören SPD 25 .02 .2016
        Bartsch, Dr . Dietmar DIE LINKE 25 .02 .2016
        Beckmeyer, Uwe SPD 25 .02 .2016
        Bergner, Dr . Christoph CDU/CSU 25 .02 .2016
        Binder, Karin DIE LINKE 25 .02 .2016
        De Ridder, Dr . Daniela SPD 25 .02 .2016
        Dörmann, Martin SPD 25 .02 .2016
        Drobinski-Weiß, Elvira SPD 25 .02 .2016
        Eberl, Iris CDU/CSU 25 .02 .2016
        Engelmeier, Michaela SPD 25 .02 .2016
        Fabritius, Dr . Bernd CDU/CSU 25 .02 .2016
        Gröhe, Hermann CDU/CSU 25 .02 .2016
        Höger, Inge DIE LINKE 25 .02 .2016
        Holzenkamp, Franz-
        Josef
        CDU/CSU 25 .02 .2016
        Jüttner, Dr . Egon CDU/CSU 25 .02 .2016
        Kaczmarek, Oliver SPD 25 .02 .2016
        Karawanskij, Susanna DIE LINKE 25 .02 .2016
        Klare, Arno SPD 25 .02 .2016
        Kömpel, Birgit SPD 25 .02 .2016
        Kühn (Dresden),
        Stephan
        BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        25 .02 .2016
        Maizière, Dr . Thomas
        de
        CDU/CSU 25 .02 .2016
        Müller, Dr . Gerd CDU/CSU 25 .02 .2016
        Schäuble, Dr . Wolfgang CDU/CSU 25 .02 .2016
        Schlecht, Michael DIE LINKE 25 .02 .2016
        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Steffel, Dr . Frank CDU/CSU 25 .02 .2016
        Steinbach, Erika CDU/CSU 25 .02 .2016
        Tank, Azize DIE LINKE 25 .02 .2016
        Thönnes, Franz SPD 25 .02 .2016
        Veit, Rüdiger SPD 25 .02 .2016
        Wagenknecht, Dr . Sahra DIE LINKE 25 .02 .2016
        Wicklein, Andrea SPD 25 .02 .2016
        Zimmermann
        (Zwickau), Sabine
        DIE LINKE 25 .02 .2016
        Anlage 2
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Martin Gerster, Kerstin Griese,
        Gabriela Heinrich, Wolfgang Hellmich, Dr. Birgit
        Malecha-Nissen, Michelle Müntefering, Detlev
        Pilger, Bernd Rützel,  Johann Saathoff, Elfi Scho-
        Antwerpes und Bernd Westphal (alle SPD) zu
        der namentlichen Abstimmung über den von den
        Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
        Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleu-
        nigter Asylverfahren (Tagesordnungspunkt 3 a)
        Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu
        uns kommen, ist es uns wichtig, den vielen Ehrenamt-
        lichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort enga-
        gieren, Flüchtlinge willkommen heißen, Kleidung spen-
        den, Essen ausgeben, sie medizinisch versorgen, mit den
        Kindern spielen, Sprachkurse anbieten, sie zu Ämtern
        begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch denje-
        nigen in kommunalen Ämtern, bei Wohlfahrtsverbänden,
        Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen, die sich un-
        ermüdlich einsetzen, um gute Bedingungen für die zu uns
        geflohenen Menschen zu schaffen. Die Hilfsbereitschaft
        der Menschen ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleich-
        zeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in
        den Kommunen und das zivilgesellschaftliche Engage-
        ment zu unterstützen und nicht dauernd durch neue Ver-
        schärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt
        jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommen-
        den zügig vorangeht, dass Asylverfahren beschleunigt
        werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere
        Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration,
        damit diejenigen, die hier bleiben können, schnell durch
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615614
        (A) (C)
        (B) (D)
        Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in
        Arbeit unterstützt werden können . Hier wird Handlungs-
        fähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben die Bür-
        gerinnen und Bürger ein Anrecht .
        In dem vorliegenden „Asylpaket II“ können wir
        deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren be-
        schleunigen und die Registrierung verbessern sowie den
        Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht ei-
        nes erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und
        Helfer vorsehen . Insbesondere begrüßen wir, dass da-
        durch der unsinnige und inhumane Vorschlag von „Tran-
        sitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist .
        Uns bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den
        Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
        zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese
        Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht-
        linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt
        nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer-
        den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
        Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von
        Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das
        wir aus humanitären Gründen nicht für richtig halten . Die
        Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind
        ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Wir
        finden das mit christlichen Werten schwer vereinbar. Wir
        gehen fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen
        Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen
        wird, wie es das Gesetz vorsieht .
        Wir begrüßen, dass vereinbart wurde, dass für unbe-
        gleitete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Ein-
        zelfallprüfung zum Familiennachzug stattfinden wird,
        und setzen darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskon-
        vention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen
        ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen .
        Außerdem begrüßen wir, dass vereinbart wurde, dass in-
        nerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Fami-
        liennachzug zu bereits in Deutschland lebenden Flücht-
        lingen vorrangig berücksichtigt werden soll .
        Positiv sehen wir die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine drei-jährige Aus-
        bildung machen, ein zwei-jähriges Bleiberecht danach
        haben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für aus-
        bildungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
        hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
        henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
        mit in unsere Gesellschaft .
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
        rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
        und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
        schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
        schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
        ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Wir be-
        grüßen, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von
        CDU, CSU und SPD vom 5 . 11 . 2015 festgehalten ist:
        „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dau-
        erhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die
        Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erler-
        nen der deutschen Sprache und ihre Integration in den
        Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
        Land, das durch den demografischen Wandel dringend
        auf junge Menschen angewiesen ist . Wir setzen uns da-
        für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
        tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
        Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
        Freunde werden .
        Wir stimmen deshalb trotz der oben genannten schwe-
        ren Bedenken, die wir auch in weiteren Debatten wie-
        der einbringen werden, dem Gesetz zur Einführung be-
        schleunigter Asylverfahren zu .
        Anlage 3
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Bärbel Bas und Frank Junge
        (beide SPD) zu der namentlichen Abstimmung
        über den von den Fraktionen der CDU/CSU und
        SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
        Einführung beschleunigter Asylverfahren (Tages-
        ordnungspunkt 3 a)
        Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu
        uns kommen, ist es uns wichtig, den vielen Ehrenamt-
        lichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort enga-
        gieren, Flüchtlinge willkommen heißen, Kleidung spen-
        den, Essen ausgeben, sie medizinisch versorgen, mit den
        Kindern spielen, Sprachkurse anbieten, sie zu Ämtern
        begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch denje-
        nigen in kommunalen Ämtern, bei Wohlfahrtsverbänden,
        Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen, die sich un-
        ermüdlich einsetzen, um gute Bedingungen für die zu uns
        geflohenen Menschen zu schaffen. Die Hilfsbereitschaft
        der Menschen ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleich-
        zeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in
        den Kommunen und das zivilgesellschaftliche Engage-
        ment zu unterstützen und nicht dauernd durch neue Ver-
        schärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt
        jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommen-
        den zügig vorangeht, dass Asylverfahren beschleunigt
        werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere
        Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration,
        damit diejenigen, die hier bleiben können, schnell durch
        Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in
        Arbeit unterstützt werden können . Hier wird Handlungs-
        fähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben die Bür-
        gerinnen und Bürger ein Anrecht .
        In dem vorliegenden „Asylpaket II“ können wir
        deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren be-
        schleunigen und die Registrierung verbessern sowie den
        Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht ei-
        nes erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und
        Helfer vorsehen . Insbesondere begrüßen wir, dass da-
        durch der unsinnige und inhumane Vorschlag von „Tran-
        sitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist .
        Uns bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den
        Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
        zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15615
        (A) (C)
        (B) (D)
        Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht-
        linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt
        nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer-
        den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
        Antragssteller subsidiären Schutz und nur 105 Fälle von
        Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das
        ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Wir
        gehen fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen
        Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen
        wird, wie es das Gesetz vorsieht . Wir begrüßen, dass ver-
        einbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im
        subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien-
        nachzug stattfinden wird, und setzen darauf, dass hierbei
        die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach
        der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge-
        trennt werden dürfen . Außerdem begrüßen wir, dass ver-
        einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für
        Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch-
        land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt
        werden soll .
        Positiv sehen wir die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
        dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
        ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
        dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
        hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
        henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
        mit in unsere Gesellschaft .
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
        rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
        und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
        schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
        schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
        ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
        Wir begrüßen, dass im Beschluss der Parteivorsitzen-
        den von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015
        festgehalten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich be-
        fristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden,
        wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das
        schnelle Erlernen der deutschen Sprache und ihre Inte-
        gration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
        Land, das durch den demografischen Wandel dringend
        auf junge Menschen angewiesen ist . Wir setzen uns da-
        für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
        tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
        Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
        Freunde werden .
        Wir stimmen deshalb trotz der oben genannten schwe-
        ren Bedenken, die wir auch in weiteren Debatten wie-
        der einbringen werden, dem Gesetz zur Einführung be-
        schleunigter Asylverfahren zu .
        Anlage 4
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Petra Crone und Sönke Rix (bei-
        de SPD) zu der namentlichen Abstimmung über
        den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD
        eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ein-
        führung beschleunigter Asylverfahren (Tagesord-
        nungspunkt 3 a)
        Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Kompromiss
        zwischen den Koalitionsparteien . Die SPD konnte den
        Ursprungsentwurf in wesentlichen Bereichen verbessern .
        Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ha-
        ben uns in wichtigen Punkten durchgesetzt . Es wird kei-
        ne „Transitzonen“ an deutschen Grenzen geben . Damit
        verhindern wir, dass Menschen unter Haftbedingungen
        auf ihr Verfahren warten müssen . Stattdessen werden
        wir dezentrale Registrierzentren einrichten, die nötig
        sind, um ein effektives Verfahren für die Asylsuchenden
        durchführen zu können .
        Wir werden für verschiedene Gruppen die Verfahren
        beschleunigen . Über den Asylantrag entscheidet zu-
        künftig das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
        (BAMF) innerhalb von einer Woche, Rechtsbehelfsver-
        fahren sollen in zwei Wochen abgeschlossen werden .
        Grundsätzlich ist der Familiennachzug bei Flüchtlin-
        gen eine wichtige Maßnahme zur Integration und eine
        Frage der Humanität . Die jetzt verabredete Einschrän-
        kung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit nicht
        langfristiger Bleibeperspektive darf nun nicht im Ge-
        genzug dazu führen, dass die Vergabe der subsidiären
        Schutzbedürftigkeit ausgedehnt wird . Wir Sozialdemo-
        kratinnen und Sozialdemokraten haben dieser Regelung
        zugestimmt, weil der Familiennachzug auf zwei Jahre
        befristet ausgesetzt wird und ansonsten das gesamte
        Asylpaket infrage gestanden hätte . Wir gehen davon aus,
        dass der Elternnachzug zu minderjährigen Flüchtlingen
        möglich bleibt und in jedem Einzelfall geprüft wird .
        Eine gute Maßnahme stellt die Pflicht zur Vorlage ei-
        nes erweiterten Führungszeugnisses bei Beschäftigung
        oder regelmäßig Engagierten in einer Flüchtlingsunter-
        kunft dar . Das kann jedoch nur ein Baustein eines umfas-
        senden Schutzkonzeptes sein . Bedauerlicherweise sind
        keine weiteren bindenden Schutzbestimmungen vorgese-
        hen . Die Länder werden nun noch weitere Maßnahmen
        folgen lassen . Wir wollen zusätzlich darauf hinwirken,
        dass auch der Bund sein Schutzkonzept erweitert .
        Positiv sehen wir die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
        dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
        ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
        dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
        hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
        henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
        mit in unsere Gesellschaft .
        Nach den Asylpaketen muss es jetzt darum gehen, ei-
        nen umfassenden Integrationsplan zu erarbeiten . Daher
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615616
        (A) (C)
        (B) (D)
        begrüßen wir, dass jetzt in Abstimmung zwischen den
        Ministerien Maßnahmen für ein Integrationsgesetz er-
        arbeitet werden . Dazu gehören unter anderem auch ein
        ausreichendes Angebot von Integrationskursen, aber
        auch Investitionen in Schule, Kitas und den Wohnungs-
        bau sowie Erleichterungen für den Zugang auf den Ar-
        beitsmarkt .
        Ein besonderer Dank gilt den hauptamtlichen und eh-
        renamtlichen Kräften, die sich mit großem Engagement
        in den Unterkünften, in Sprachkursen, bei der Begleitung
        zu Ämtern, in Integrationsmaßnahmen und in unzähligen
        weiteren Bereichen betätigen .
        Wir begrüßen, dass im Beschluss der Parteivorsitzen-
        den von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015
        festgehalten ist:
        „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder
        dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir
        die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Er-
        lernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den
        Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Trotz der gravierenden Bedenken bezüglich des Fa-
        miliennachzugs und für uns nicht ausreichend vorhande-
        ner Schutzbestimmungen und Integrationsmaßnahmen
        stimmen wir dem „Gesetz zur Einführung beschleunigter
        Asylverfahren“ – auch unter Einbeziehung unserer poli-
        tischen Gesamteinschätzung – zu .
        Anlage 5
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Bernhard Daldrup und Ulrich
        Hampel (beide SPD) zu der namentlichen Abstim-
        mung über den von den Fraktionen der CDU/CSU
        und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
        zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (Ta-
        gesordnungspunkt 3 a)
        Mit dem Gesetz werden verschiedene Maßnahmen zu
        Verfahren der Anerkennung, Unterbringung von Flücht-
        lingen und Asylbewerbern sowie deren Lebensbedingun-
        gen geregelt . Auch wenn wir die Zielsetzung des Geset-
        zes in wesentlichen Bereichen unterstützen und darin das
        Ergebnis eines Kompromisses sehen, der weitergehende
        Verschärfungen wie etwa die Einrichtung von Transit-
        zonen verhindert hat, bestehen weiterhin erhebliche Be-
        denken gegen die Wirksamkeit einzelner Regelungen des
        Gesetzentwurfes .
        Dies gilt vor allem für die deutliche Verschärfung der
        medizinischen Gründe, die einer Abschiebung entgegen-
        stehen, sowie die aus unserer Sicht wirkungslosen Redu-
        zierungen von Geldleistungen in einzelnen Fällen .
        Flüchtlinge, die Asyl erhalten oder Schutz nach der
        Genfer Flüchtlingskonvention bekommen, können ihre
        Familien weiter nachholen – das trifft für die meisten
        Flüchtlinge zu .
        Wir sind aber im Kern anderer Auffassung bei der
        vorgesehenen zweijährigen Aussetzung des Familien-
        nachzuges für Personen mit subsidiärem Schutz . Wir
        befürchten damit vielleicht sogar eine gegenteilige Wir-
        kung als beabsichtigt: Durch die Aussetzung des Fami-
        liennachzuges werden die Lebensbedingungen zumeist
        unbegleiteter Jugendlicher verschärft . Deren Unterbrin-
        gung und Betreuung verursachen höhere Kosten als eine
        Familienzusammenführung und erschweren ihre Integra-
        tion (während die dennoch nachziehenden Angehörigen
        auf unsichere Wege gedrängt werden könnten) .
        Ein relevanter quantitativer Beitrag zur Reduzierung
        der Flüchtlingszahlen wird offenbar auch durch den In-
        nenminister selbst angesichts der konkreten Zahlen und
        damit verbundenen Entwicklungen nicht ernsthaft er-
        wartet . 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
        Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von
        Familiennachzug fanden statt .
        Die Stellungnahmen der Kirchen, ihrer Hilfswer-
        ke und vieler Organisationen der Flüchtlingshilfe sind
        ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Wir
        erwarten, dass die für unbegleitete Minderjährige im
        subsidiären Schutz vorgesehene Einzelfallprüfung zum
        Familiennachzug unter Berücksichtigung der UN-Kin-
        derrechtskonvention erfolgt, nach der Kinder nicht gegen
        ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen .
        Wir gehen davon aus, dass die erst zum 1 . August
        2015 eingeführte Möglichkeit des Familiennachzuges
        für subsidiär geschützte Personen nach der Aussetzung
        für einen Zeitraum von zwei Jahren wieder reibungslos
        ermöglicht wird .
        Wir haben unsere ablehnende Haltung zur Aussetzung
        des Familiennachzuges im Rahmen der Willensbildung
        bis zur Entscheidung des Deutschen Bundestages auch
        in der eigenen Fraktion deutlich gemacht . Da wir im
        Abstimmungsprozess unterlegen waren, gehört es zu
        unserem parlamentarischen Verständnis, eine Mehrheits-
        entscheidung mitzutragen, wenn die eigene Position ge-
        genwärtig nicht durchsetzbar ist .
        Wir erwarten darüber hinaus und werden uns massiv
        dafür einsetzen, dass nach den gesetzlichen Änderun-
        gen des Asylrechts bei Unterbringung und Anerkennung
        deutlich größere Anstrengungen zur Integration der Men-
        schen mit Bleiberechtsperspektive unternommen werden .
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
        rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
        und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen .
        Anlage 6
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Ralf Kapschack und René
        Röspel (beide SPD) zu der namentlichen Abstim-
        mung über den von den Fraktionen der CDU/CSU
        und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
        zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (Ta-
        gesordnungspunkt 3 a)
        Wir haben dem „Entwurf eines Gesetzes zur Einfüh-
        rung beschleunigter Asylverfahren“ nicht zugestimmt .
        Dabei haben wir selbstverständlich nichts gegen eine
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15617
        (A) (C)
        (B) (D)
        Beschleunigung der Registrierungs- und Anerkennungs-
        verfahren . Diese hätten allerdings schon längst über eine
        Aufstockung des Personals beim BAMF erfolgen kön-
        nen . Wäre es nach dem Willen der SPD gegangen, hätte
        es auch bei Sprach- und Integrationskursen längst eine
        deutliche Aufstockung gegeben .
        Die Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf
        war für uns nicht möglich, vor allem wegen der von der
        Union geforderten Verschärfungen bei gesundheitlichen
        Abschiebehindernissen und beim Familiennachzug .
        Nach dem Kompromiss der Parteivorsitzenden im
        November 2015 wäre davon nur eine kleine Zahl von
        schätzungsweise 1 700 subsidiär Schutzberechtigten be-
        troffen gewesen . Nach Intervention aus der Union, vor
        allem nach dem Beschluss der CSU – kurz vor Weih-
        nachten 2015! –, den Familiennachzug „größtmöglich“
        zu beschränken, ist nun von einer deutlich höheren Zahl
        von Kindern, Jugendlichen, Vätern oder Müttern auszu-
        gehen, denen es verwehrt wird, ihren Ehepartner, ihre El-
        tern oder ihr Kind nachholen zu dürfen . Dabei sind nach
        Angaben der Bundesregierung – Antwort auf die Kleine
        Anfrage 18/7200 – bis Ende September 2015 für Staats-
        angehörige aus Syrien 18 400 Visa zum Familiennachzug
        erteilt worden – eine aus unserer Sicht verträgliche Zahl
        von Fällen .
        Völlig unakzeptabel ist für uns die Vorstellung, Kinder
        von ihren Eltern getrennt zu lassen – und umgekehrt –,
        vermutlich ist es sogar ein Verstoß gegen Artikel 6 des
        Grundgesetzes und Artikel 8 der Europäischen Men-
        schenrechtskonvention .
        Sehr beeindruckt haben uns Diskussionen im letzten
        November mit Kindern und Jugendlichen in Schulen in
        unseren Wahlkreisen über die Rechte und Wünsche von
        Kindern, in denen auch deutlich wurde, wie wichtig es
        für Kinder ist, nicht von ihren Eltern getrennt zu sein .
        Mit einer Zustimmung zum sogenannten Asylpaket II
        würden wir unser Versprechen brechen, uns für die in
        der UN-Kinderrechtskonvention verbrieften Rechte von
        Kindern einzusetzen . Wir fühlen uns gegenüber den Kin-
        dern im Wort .
        Wir erkennen ausdrücklich an, dass die SPD-Führung
        und allen voran Sigmar Gabriel in den letzten Wochen
        auch in Nachverhandlungen versucht hat, wenigstens Er-
        leichterungen und Härtefallregelungen zu erzielen .
        Deshalb finden wir es umso bedauerlicher, dass die
        sogenannten christlichen Parteien auf weitgehend sym-
        bolischen und populistischen Forderungen beharren und
        damit einen breiten Konsens verhindert haben, den wir
        mittragen könnten .
        Wir sind dankbar für das unglaubliche Engagement
        vieler Menschen in unserem Land, die sich für einen
        menschlichen Umgang mit Flüchtlingen einsetzen und
        diesen jeden Tag leben . Sie brauchen dabei nicht nur mo-
        ralische, sondern auch materielle Unterstützung, genauso
        wie die Kommunen . Integration gelingt nur, wenn unsere
        Städte und Gemeinden in der Lage sind, vor Ort die Vo-
        raussetzungen dafür zu schaffen . Dazu ist eine deutliche
        größere Hilfe durch den Bund unerlässlich .
        Anlage 7
        Erklärungen nach § 31 GO
        zu der namentlichen Abstimmung über den
        von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD
        eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
        Einführung beschleunigter Asylverfahren
        (Tagesordnungspunkt 3 a)
        Heike Baehrens (SPD): Angesichts der großen Zahl
        der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig,
        den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die
        sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen,
        Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver-
        sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten,
        sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank
        gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohl-
        fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisati-
        onen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingun-
        gen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die
        Hilfsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger ist unge-
        brochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der Po-
        litik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das
        zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen und
        die ordnende und steuernde Funktion des Staates bewusst
        und mit Sorgfalt wahrzunehmen . Es kommt jetzt darauf
        an, die vollständige Registrierung der Ankommenden zu
        gewährleisten und die Verfahrensabläufe zu beschleuni-
        gen und zu optimieren . Schnellere Verfahren sind auch
        Voraussetzung für gute Integration, damit diejenigen,
        die hier bleiben können, konkret durch Sprachkurse,
        Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unter-
        stützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des
        Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und
        Bürger ein Anrecht .
        In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
        den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
        und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
        in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
        Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
        hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsin-
        nige und inhumane Vorschlag von „Transitzonen“ an den
        Grenzen vom Tisch ist .
        Allerdings habe ich auch Bedenken, die mir die Ab-
        stimmung für dieses Gesetz nicht leicht gemacht haben .
        So mache ich mir Sorgen bezüglich der Änderungen im
        Aufenthaltsgesetz, die sich auf Abschiebungshindernis-
        se aus gesundheitlichen Gründen beziehen . Zwar ist es
        richtig, Missbrauch entgegenzuwirken . Die getroffenen
        Regelungen könnten aber in der Praxis schutzbedürftigen
        Kranken schaden . Denn gesetzlich wird zukünftig erst
        einmal davon ausgegangen, dass eine Erkrankung einer
        Abschiebung nicht im Wege steht . Personen, die abge-
        schoben werden sollen, müssen nicht nur ihre Krankheit
        nachweisen, sondern diese muss dann auch tatsächlich
        als Abschiebungshindernis anerkannt werden . Außerdem
        müssen die Betroffenen – die vermutlich häufig weder
        über Sprachkenntnisse noch über soziale Anbindung ver-
        fügen – den Nachweis einer schwerwiegenden Erkran-
        kung innerhalb einer sehr kurzen Frist erbringen . Diese
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615618
        (A) (C)
        (B) (D)
        knappe Frist ist gerade bei der Behandlung und Diagno-
        se von posttraumatischen Belastungsstörungen, von der
        insbesondere Kriegsflüchtlinge häufig betroffen sind, nur
        schwer einzuhalten .
        Nur mit großen Bedenken kann ich die Regelung mit-
        tragen, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberech-
        tigte für zwei Jahre auszusetzen, zumal diese Regelung
        auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten
        soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr weni-
        ge Personen davon betroffen sein werden – 2015 erhiel-
        ten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller sub-
        sidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennachzug
        fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus humanitä-
        ren Gründen nicht für richtig halte . Die Stellungnahmen
        der Kirchen und ihrer Hilfswerke nehme ich sehr ernst,
        die vor dieser Maßnahme warnen. Ich finde diese Rege-
        lung mit christlichen Werten schwer vereinbar . Ich gehe
        fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Ausset-
        zung der Familiennachzug wieder aufgenommen wird,
        wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass vereinbart
        wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidi-
        ären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familiennach-
        zug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die
        UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach der
        Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt
        werden dürfen . Außerdem begrüße ich die Vereinbarung,
        dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der
        Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden
        Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll .
        Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
        dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
        ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
        dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
        hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
        henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
        mit in unsere Gesellschaft .
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
        rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
        und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
        schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
        schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
        ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
        Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
        von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
        halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
        oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
        wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
        Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
        den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
        Land, das durch den demografischen Wandel dringend
        auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
        für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
        tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
        Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
        Freunde werden .
        Ein demokratisches Staatswesen kann nur funktio-
        nieren, wenn seine politischen Verantwortungsträger zu
        Kompromissen bereit sind . Da der Gesetzentwurf zur
        Einführung beschleunigter Asylverfahren vor dem Hin-
        tergrund der aktuellen großen Herausforderungen viele
        notwendige Regelungen enthält, stimme ich ihm trotz der
        oben genannten schweren Bedenken zu .
        Dr. Matthias Bartke (SPD): Angesichts der großen
        Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wich-
        tig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken,
        die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen
        heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizi-
        nisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse
        anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr .
        Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen
        Ämtern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr
        und Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen,
        um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Men-
        schen zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen
        ist ungebrochen . Das ist großartig .
        Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die
        Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftliche
        Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch
        neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten .
        Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der
        Ankommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be-
        schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden .
        Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute
        Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können,
        schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und
        Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier
        wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf
        haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht .
        In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
        den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
        und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
        in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
        Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
        hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
        ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
        Grenzen vom Tisch ist .
        Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den
        Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
        zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese
        Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht-
        linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt
        nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer-
        den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
        Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von
        Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das
        ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Die
        Stellungnahmen der Wohlfahrtsverbände, der Kirchen
        und ihrer Hilfswerke sind ernst zu nehmen, die vor dieser
        Maßnahme warnen .
        Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijähri-
        gen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenom-
        men wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass
        vereinbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im
        subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15619
        (A) (C)
        (B) (D)
        nachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei
        die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach
        der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge-
        trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver-
        einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für
        Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch-
        land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt
        werden soll .
        Positiv ist die zwischen den Koalitionspartnern ge-
        troffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        nach der Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbildung ma-
        chen, ein zweijähriges Bleiberecht danach haben . Ebenso
        ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbildungsunterstüt-
        zende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen .
        Alles das dient der Integration von geflohenen jungen
        Menschen in unseren Arbeitsmarkt und damit in unsere
        Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asyl-
        recht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz
        zur Verbesserung des Zugangs zu Sprachkursen, Bil-
        dung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den
        Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt
        dafür, dass die Menschen, die zu uns geflohen sind, so
        schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdie-
        nen können .
        Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
        von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
        halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
        oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
        wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
        Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
        den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
        Land, das durch den demografischen Wandel dringend
        auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
        für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
        tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
        Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
        Freunde werden .
        Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe-
        ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder
        einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu-
        nigter Asylverfahren zu .
        Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Was würde
        ich wohl von mir denken? Was würde ich von mir den-
        ken, wenn ich flüchten müsste, wenn ich meine Heimat,
        Deutschland, in großer Angst hektisch verlassen müss-
        te, um einem Bombenangriff zu entkommen, um meine
        Frau der Folter oder unsere Kinder dem Hungertod zu
        entreißen? Was würde ich von mir denken, wenn ich dem
        Asylkompromiss, genannt „Asylpaket II“, nicht zuge-
        stimmt hätte?
        Ich käme in ein Land mit einer unvorstellbaren Hilfs-
        bereitschaft . Ehrenamt . Aber auch hauptamtlich ist die
        Hilfsbereitschaft in Verbänden und Verwaltungen der
        Städte und Dörfer groß . Hilfe, Verständnis, Empathie,
        Nächstenliebe, Verantwortung, Engagement – alles zu-
        sammen genommen nennen wir Willkommenskultur .
        Dies ist eine Kulturleistung vieler Männer und Frauen in
        Deutschland . Diese Kulturleistung Menschlichkeit zeigt
        sich auch in den Mahnungen vieler Verbände wie des
        Bundesverbandes der AWO (Arbeiterwohlfahrt), der Di-
        akonie, der Caritas, des Paritätischen Gesamtverbandes,
        Amnesty International, des Deutschen Instituts für Men-
        schenrechte, das Asylpaket II im Bundestag abzulehnen .
        Das ist die eine Seite .
        Auf der anderen Seite brennen Asylbewerberheime .
        Christliche Parteien wie die CSU sowie Teile der CDU
        wollen riesige Auffanglager bzw . Transitzentren an den
        Außengrenzen, bevorzugt außerhalb Deutschlands . Es
        wird über Grenzzäune und von kulturlosen, radikalen Po-
        litikern sogar über bewaffnete Grenzsicherung an diesen
        Zäunen schwadroniert . Der Vorsitzende der CSU, Herr
        Seehofer, fordert gar eine Obergrenze für Asylbewer-
        ber, also praktisch eine Begrenzung des Grundrechts auf
        Asyl . Das ist Angriff auf unsere Verfassung . Gleichzeitig
        fordert auch Herr Palmer, grüner Oberbürgermeister der
        Stadt Tübingen in Baden-Württemberg, im Spiegel dazu
        auf, Zäune an den EU-Außengrenzen zu errichten und
        diese von bewaffneten Grenzbeamten kontrollieren zu
        lassen . Er fordert eine „klare Grenzpolitik“ .
        All diese primitiv-populistischen „Vorschläge“ sind
        nicht nötig . Ein Blick in die jüngere Geschichte hilft . Seit
        1990 sind viele Millionen Flüchtlinge nach Deutschland
        gekommen . Viele von ihnen haben Deutschland wieder
        verlassen und kehrten zumeist in ihre Heimat zurück .
        Menschen lieben ihre Heimat . Schauen wir mit Carl
        Zuckmayer noch einige Jahre weiter zurück:
        „Und jetzt stellen Sie sich doch mal Ihre Ahnenrei-
        he vor – seit Christi Geburt . Da war ein römischer Feld-
        hauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie ne reife Olive,
        der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht . Und
        dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, das
        war ein ernster Mensch, der ist noch vor der Heirat Christ
        geworden und hat die katholische Haustradition begrün-
        det . Und dann kam ein griechischer Arzt dazu, oder ein
        keltischer Legionär, ein Graubündner Landsknecht, ein
        schwedischer Reiter, ein Soldat Napoleons, ein deser-
        tierter Kosak, ein Schwarzwälder Flözer, ein wandernder
        Müllerbursch vom Elsaß, ein dicker Schiffer aus Hol-
        land, ein Magyar, ein Pandur, ein Offizier aus Wien, ein
        französischer Schauspieler, ein böhmischer Musikant –
        das hat alles am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen und ge-
        sungen und Kinder gezeugt – und – und der der Goethe,
        der kam aus demselben Topf, und der Beethoven und
        der Gutenberg, und der Matthias Grünewald und – ach
        was, schau im Lexikon nach . Es waren die Besten, mein
        Lieber! Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die
        Völker dort vermischt haben . Vermischt – wie die Was-
        ser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu
        einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen . Vom
        Rhein – das heißt: vom Abendland . Das ist natürlicher
        Adel . Das ist Rasse . Seien Sie stolz darauf, Hartmann –
        und hängen Sie die Papiere Ihrer Großmutter in den Ab-
        tritt . Prost .“
        Auch durch gravierende Fehler der Bundeskanz-
        lerin sehen wir in Europa die Gefahr von Renationali-
        sierung und Rückentwicklung . Deutschland hat unter
        schwarz-gelber Regierung die südlichen Länder Euro-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615620
        (A) (C)
        (B) (D)
        pas mit den vielen Flüchtlingen alleingelassen . Heute
        gibt in vielen anderen Ländern Europas wenig Neigung,
        Deutschland zu helfen .
        Diese Entwicklung, gepaart mit der Berichterstattung
        bestimmter Medien und aufkeimenden radikalen Partei-
        en, lässt wenig Raum für symbolische Politik . Es gibt im
        Bundestag keine Mehrheit in der Regierungskoalition für
        ein Einwanderungsgesetz, keine Mehrheit für ein Reset-
        tlement-Programm (also die Möglichkeit zur dauerhaften
        Neuansiedlung mit Integrationsprogramm, analog zu den
        USA, Kanada oder Australien), keine Mehrheit für einen
        Kompromiss ohne die Einschränkungen im Asylpaket II .
        Mit Blick auf diese Gemengelage besteht größte Ge-
        fahr, dass jegliche weitere Verhandlung über das Asyl-
        paket II eine Verschlechterung für die in Deutschland
        Schutzsuchenden bedeutet und radikale Kräfte gestärkt
        würden . Wir haben mit dem Kompromiss eine untere (!)
        Linie gefunden, die uns, die die gesamte Bevölkerung
        davon abhält, nach rechts abzudriften . Deshalb unter-
        stütze ich den gefundenen Kompromiss – mit Blick auf
        die drohenden anderen Szenarien und halte ihn für einen
        Verhandlungserfolg .
        Kritisch bleiben die Änderungen im Familiennach-
        zug und die Vereinfachung der Abschiebung kranker
        Menschen . Rechtlich bedenklich sind die beschleunigten
        Verfahren. Kontraproduktiv finde ich die Gebühren für
        Integrationskurse .
        Wenigstens soll es für unbegleitete Minderjährige mit
        „subsidiärem Schutz“ eine Einzelfallprüfung beim Fami-
        liennachzug geben . Das Bundesamt für Migration und
        Flüchtlinge erklärt:
        „Auf subsidiären Schutz kann ein Drittstaatsangehöri-
        ger oder Staatenloser Anspruch haben, dem weder durch
        die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch durch
        das Asylrecht Schutz gewährt werden kann . Er wird als
        subsidiär Schutzberechtigter anerkannt, wenn er stichhal-
        tige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm
        in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht .
        Als ernsthafter Schaden gilt:
        – die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstra-
        fe,
        – Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Be-
        handlung oder Bestrafung oder
        – eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens
        oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge
        willkürlicher Gewalt im Rahmen eines interna-
        tionalen oder innerstaatlichen bewaffneten Kon-
        flikts.“
        Manche sprechen hier von einem „Pulleffekt“ oder
        von einer „Sogwirkung“ und vergessen dabei, in welch
        verzweifelter Lage Familien sein müssen, die ihr min-
        derjähriges Kind auf die Flucht schicken müssen, um es
        zu retten . Sie leben mit der absoluten Ungewissheit, ihr
        Kind jemals wieder zu sehen . Auch die Möglichkeit für
        Flüchtlinge, nach einer dreijährigen Ausbildung weitere
        zwei Jahre in Deutschland bleiben zu dürfen, ist ein gutes
        Ergebnis .
        Würde ich nach alldem von mir denken: „Gut ge-
        macht, ich habe denen, die der Bevölkerung Angst ma-
        chen, abgetrotzt, was möglich war“? Oder würde ich
        denken: „Hätte ich den faktisch wahrscheinlich sowieso
        fast unwirksamen Asylkompromiss, den Asylpakt II, ab-
        gelehnt, ginge es mir nun formal und kurzfristig besser –
        aber das Damoklesschwert unberechenbarer Verschlech-
        terungen schwebt weiter über mir“? Ich weiß es nicht .
        Jedenfalls werden wir zerstören, was uns wichtig ist,
        wenn wir es weiterhin so schützen wie bisher .
        Marco Bülow (SPD): Durch das Asylpaket II, über
        das wir heute im Deutschen Bundestag abstimmen, sol-
        len die Asylverfahren beschleunigt und Abschiebungen
        erleichtert werden, um die Zahl der Flüchtlinge zu re-
        duzieren . Auch der Familiennachzug von Menschen mit
        subsidiärem Schutz wird für zwei Jahre ausgesetzt .
        Ich glaube, dass diese Maßnahmen keine wirkliche
        Wirkung zeigen und nur zur Beruhigung beitragen sol-
        len . Die Regierung hat damit einen Formelkompromiss
        geschlossen, der nicht funktionieren wird . Vor allem,
        weil die eigentlich notwendigen Maßnahmen damit nicht
        einhergehen .
        In erster Linie bräuchten wir ein Integrationspaket I,
        wie es die SPD einfordert . Wir benötigen deutlich mehr
        Anstrengungen zur Integration der angekommenen
        Flüchtlinge . Dazu brauchen wir mehr Investitionen vor
        allem in Schule, Kitas und den Wohnungsbau sowie Er-
        leichterungen für den Zugang auf den Arbeitsmarkt .
        Wir benötigen deutlich mehr Geld für die Kommunen,
        als bisher zugesagt wurde . Ein Hauptaugenmerk sollte
        dabei neben der Integrationsleistung auch auf Maßnah-
        men für Langzeit- und Jugendarbeitslose gelegt werden .
        Wir müssen den sozialen Frieden wahren . Das funktio-
        niert aber nicht, wenn in einigen Regionen viele Men-
        schen keine Perspektive haben .
        Zudem müssen wir endlich klarere Maßnahmen gegen
        den zunehmenden Terror von rechts gegen Flüchtlinge
        ergreifen . Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte gibt es
        mittlerweile täglich . 2015 wurden in Deutschland bis
        Mitte November 1 610 überwiegend rechtsmotivierte
        Delikte gezählt, die im Zusammenhang mit der „Unter-
        bringung von Asylbewerbern“ stehen . 2014 lag die Zahl
        bei 895 Taten, 2013 bei 399 und 2012 bei 62 Delikten .
        Diese Entwicklung ist dramatisch .
        Es ist positiv zu erwähnen, dass die SPD in den Ver-
        handlungen mit der Union dafür gesorgt hat, dass Flücht-
        linge nach der Ausbildung in Deutschland zwei Jahre
        arbeiten dürfen . Zudem entfällt die jährliche Neugeneh-
        migung des Aufenthalts während der Ausbildungszeit .
        Beides führt zu deutlich mehr Rechtssicherheit für Aus-
        zubildende und Unternehmer und dient damit einer bes-
        seren Integration .
        Es ist ebenfalls gut, dass der Bundesjustizminister
        Heiko Maas durchgesetzt hat, dass in Härtefällen auch
        bei Minderjährigen mit eingeschränktem Schutz ein
        Nachzug der Eltern möglich sein kann . Insgesamt halte
        ich die Einschränkungen aber immer noch für mangel-
        haft . Die beschlossene Einzelfallprüfung bedeutet eine
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15621
        (A) (C)
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        hohe Belastung für die minderjährigen Flüchtlinge und
        übrigens auch eine zusätzliche Bürokratisierung . Das
        Kindeswohl darf nicht unter der aktuellen politischen Si-
        tuation leiden .
        Bei der Aussetzung des Familiennachzugs für Min-
        derjährige verstoßen die Regelungen auch gegen die
        UN-Kinderrechtskonvention, weil unbegleitete, minder-
        jährige Flüchtlinge von ihren Eltern und Erziehungsbe-
        rechtigten getrennt werden . Diese Entscheidung ist umso
        weniger nachzuvollziehen, wenn man bedenkt, wie we-
        nig neue Flüchtlinge damit ins Land kommen würden .
        Weitere Kritikpunkte:
        Leider gibt es neben der Einschränkung des Famili-
        ennachzugs noch weitere Punkte, die ich an diesem Ge-
        setz kritisiere. Zum Beispiel die vereinbarte finanzielle
        Beteiligung von Flüchtlingen an Integrationskursen . In
        Zukunft werden 20 Euro von den Leistungen an Flücht-
        linge als Eigenbeitrag zu Sprach- und Integrationskursen
        einbehalten . Durch einen Eigenbetrag wird die Integrati-
        on nicht gefördert . Im Gegenteil, das wird lediglich dazu
        führen, dass weniger Menschen die Kurse besuchen wer-
        den .
        Auch die Ausweitung der Liste sicherer Herkunfts-
        staaten auf Algerien, Marokko und Tunesien sehe ich
        skeptisch . Zum einen ist das Instrument der sicheren
        Herkunftsstaaten generell problematisch, weil es den
        individuellen Anspruch auf eine einzelne Prüfung des
        Asylantrags untergräbt . Zum anderen sind die Berichte
        von Menschenrechtsorganisationen über die drei Länder
        bedenklich und sprechen nicht dafür, dass man allgemein
        von der Einhaltung von Menschenrechten sprechen kann .
        Gesamtbetrachtung statt Symbolpolitik: Keine Frage,
        die Situation ist problematisch . Genau deshalb müssten
        die verschiedenen Aspekte der Flüchtlingspolitik in ei-
        ner Gesamtdiskussion zusammenfließen, von der Außen-
        und Sicherheitspolitik über die soziale Lage – vor allem
        in einigen Regionen in Deutschland – bis hin zur Innen-
        politik und Integration . Beim Asylpaket I habe ich mich
        mit Bauchschmerzen noch enthalten können, weil vor al-
        lem auch die Kommunen entlastet wurden . Diesmal kann
        ich – trotz intensiver Abwägung – das Gesamtpaket nur
        ablehnen, nicht nur wegen dessen, was im Gesetz steht,
        sondern auch wegen dessen, was fehlt .
        Dr. Karamba Diaby (SPD): Bei Abstimmungen mit
        erheblicher Reichweite oder auch bei Gewissensfragen
        nehme ich für mich das Recht eines jeden Abgeordneten
        nach Artikel 38 (1) des Grundgesetzes in Anspruch . In
        Abwägung der getroffenen Verschärfungen im Entwurf
        zum Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfah-
        ren unter anderem beim Familien- und Elternnachzug für
        subsidiär geschützte Geflüchtete und unter Berücksich-
        tigung der Menschen- und Grundrechte stimme ich mit
        Nein .
        1 . Die Einschränkung des Familien- und Eltern-
        nachzuges bei subsidiär Schutzbedürftigen ist mit dem
        Grundrecht auf Schutz der Familie (Artikel 6 GG) und
        der Europäischen Menschenrechtskonvention (Arti-
        kel 8 EMRK) nicht zu vereinbaren .
        2 . Innerhalb von drei Wochen soll ein komplettes
        Asylverfahren für unter anderem Geflüchtete aus siche-
        ren Herkunftsstaaten in besonderen Aufnahmezentren
        durchgeführt werden . Hier besteht die Gefahr, dass ein
        ausreichender Zugang zur unabhängigen Rechtsberatung
        in den Aufnahmeeinrichtungen nicht gegeben sein kann .
        3 . Die Absenkung der Leistungen für Asylsuchende ist
        nicht nachvollziehbar . Das Existenzminimum darf nicht
        weiter herabgesetzt werden . Das hat auch das Bundes-
        verfassungsgericht in seinem Urteil vom 18 . Juli 2012
        zum AsylbLG bekräftigt .
        Unter Berücksichtigung dieser aufgeführten Argu-
        mente stimme ich dem Gesetz zur Einführung beschleu-
        nigter Asylverfahren nicht zu .
        Sabine Dittmar (SPD): Der Deutsche Bundestag
        stimmt heute über das von den Fraktionen der CDU/CSU
        und der SPD eingebrachte Gesetz zur Einführung be-
        schleunigter Asylverfahren ab . Nach den Verhandlungen
        innerhalb der Regierungskoalition und nach intensiven
        Diskussionen über die Inhalte des Gesetzentwurfs stim-
        me ich diesem zu .
        Zugleich mache ich von meinem Recht Gebrauch, zu
        den gesundheitspolitischen Aspekten, die ich aufgrund
        meiner langjährigen ärztlichen Tätigkeit sehr kritisch be-
        werte bzw . ablehne, Stellung zu beziehen:
        Der Gesetzentwurf regelt, dass lebensbedrohliche
        und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die
        Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die
        Abschiebung eines Ausländers verhindern . Die Ein-
        schränkung bezieht sich somit auf erhebliche konkrete
        Gefahren für Leib und Leben . Dies muss durch ein quali-
        fiziertes ärztliches Attest nachgewiesen werden.
        Die diesbezüglich im Gesetzentwurf formulierte Prä-
        zisierung der Rahmenbedingungen für die Erstellung
        qualifizierter ärztlicher Atteste gemäß § 60 a Absatz 2 c
        erachte ich als sinnvoll . Allerdings möchte ich betonen,
        dass ich eine verbindliche Einbeziehung der psychologi-
        schen und psychotherapeutischen Diagnostikkompeten-
        zen jenseits der Einschränkung auf approbierte Ärzte für
        notwendig erachte .
        Darüber hinaus halte ich die Pauschalität der Aussage
        in der Gesetzesbegründung, dass eine PTBS im Regelfall
        keine schwerwiegende Erkrankung darstellt, für medizi-
        nisch falsch . Die Diagnose des „Schweregrades“ einer
        PTBS ist komplex und sollte hierfür ausgebildeten Spe-
        zialisten vorbehalten sein Aus dem Begründungsteil ist
        weiter unterschwellig eine unterschiedliche Bewertung
        und Gewichtung somatischer und psychischer Erkran-
        kungen herauszulesen, was abzulehnen ist .
        Ein weiterer Kritikpunkt ist für mich die Frage der
        angemessenen medizinischen Versorgung im Zielland .
        Durch die Änderung des § 60 Absatz 7 Aufenthaltsgesetz
        soll geregelt werden, dass ein Ausländer, der an einer Er-
        krankung leidet, auch dann in einen Zielstaat abgescho-
        ben werden kann, wenn eine ausreichende medizinische
        Versorgung nur in einem Teil dieses Zielstaats gewähr-
        leistet werden kann . Dass die medizinische Versorgung
        mit der Versorgung in Deutschland im Regelfall nicht
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615622
        (A) (C)
        (B) (D)
        gleichwertig ist, ist unbestritten . Problematisch ist jedoch
        der Verweis in der Begründung darauf, dass dem Aus-
        länder zumutbar ist, sich in einen bestimmten Teil des
        Zielstaats zu begeben, in dem für ihn eine ausreichende
        medizinische Versorgung gewährleistet ist, ohne zu wür-
        digen, ob diese Versorgung für ihn erreichbar ist oder er
        regelhaften Zugang zur Versorgung hat .
        Mit Blick auf die jeweiligen regionalen Gegeben-
        heiten in den Zielstaaten und dem patientenabhängigen
        medizinischen Bedarf ist jedoch zu differenzieren, ob
        eine angemessene medizinische Versorgung tatsächlich
        gewährleistet ist . Hier ist aus meiner Sicht eine weite-
        re Präzisierung durch die zuständigen Ministerien nötig .
        Die einschränkende Formulierung „in der Regel“ im
        § 60 Absatz 7 gibt hoffentlich den zuständigen Gerichten
        den notwendigen Entscheidungsspielraum, um die medi-
        zinische Versorgung im Zielstaat genauer unter die Lupe
        zu nehmen . Der Spielraum für Einzelfallentscheidung ist
        zu begrüßen .
        Darüber hinaus bereitet mir die Zustimmung zu der
        Regelung, den Familiennachzug für subsidiär Schutzbe-
        rechtigte für zwei Jahre auszusetzen, große Probleme,
        zumal diese Regelung auch für unbegleitete minderjäh-
        rige Flüchtlinge gelten soll . Ich begrüße daher die Ver-
        einbarung, für unbegleitete Minderjährige im subsidiären
        Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familiennachzug zu-
        zulassen . Ich setze darauf, dass hierbei die UN-Kinder-
        rechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht
        gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden dür-
        fen . Außerdem befürworte ich die Regelung, dass inner-
        halb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familien-
        nachzug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen
        vorrangig berücksichtigt werden soll .
        Eine Evaluierung der in diesem Gesetz beschlossenen
        Regelungen nach einem angemessenen Zeitraum ist drin-
        gend geboten .
        Trotz meiner Bedenken stimme ich dem Gesetzent-
        wurf zu, da er mit Blick auf die aktuellen großen Heraus-
        forderungen in der Asylpolitik viele notwendige Rege-
        lungen und Konkretisierungen beinhaltet .
        Angelika Glöckner (SPD): Angesichts der großen
        Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wich-
        tig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken,
        die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen
        heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medi-
        zinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkur-
        se anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr .
        Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Äm-
        tern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und
        Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen,
        um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Men-
        schen zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen
        ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von
        der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen
        und das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstüt-
        zen und nicht permanent durch neue Verschärfungsvor-
        schläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an,
        dass die Registrierung der Ankommenden zügig voran-
        geht, dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass
        Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind
        auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejeni-
        gen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse,
        Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unter-
        stützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des
        Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und
        Bürger ein Anrecht .
        In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
        den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
        und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
        in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
        Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
        hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
        ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
        Grenzen vom Tisch ist .
        Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Fa-
        miliennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei
        Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese Rege-
        lung auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
        gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr
        wenige Personen davon betroffen sein werden – 2015 er-
        hielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller
        subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennach-
        zug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus huma-
        nitären Gründen nicht für richtig halte . Die Stellungnah-
        men der Kirchen und Hilfsorganisationen, die vor dieser
        Maßnahme warnen, sind ernst zu nehmen . Ich halte das
        weder mit christlichen noch humanitären Werten schwer
        vereinbar . Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der
        zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder
        aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich be-
        grüße, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete Min-
        derjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung
        zum Familiennachzug stattfinden wird, und setze darauf,
        dass hierbei die UN-Kinderrechtskonvention angewandt
        wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren
        Eltern getrennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich,
        dass vereinbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontin-
        gente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in
        Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berück-
        sichtigt werden soll .
        Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
        dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
        ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
        dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
        hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
        henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
        mit in unsere Gesellschaft .
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
        rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
        und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
        schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
        schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
        ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
        Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
        von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15623
        (A) (C)
        (B) (D)
        halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
        oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
        wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
        Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
        den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
        Land, das durch den demografischen Wandel dringend
        auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
        für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
        tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
        Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
        Freunde werden .
        Ich stimme deshalb trotz der oben genannten Beden-
        ken dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylver-
        fahren zu .
        Dirk Heidenblut (SPD): Angesichts der großen Zahl
        der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig,
        den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die
        sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen,
        Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver-
        sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten,
        sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank
        gilt auch denjenigen in kommunalen Mandaten und Äm-
        tern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und
        Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen,
        um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Men-
        schen zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen
        ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird
        von der Bundespolitik jetzt erwartet, die Arbeit in den
        Kommunen und das zivilgesellschaftliche Engagement
        zu unterstützen und nicht andauernd durch neue Ver-
        schärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt
        jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommen-
        den zügig vorangeht, das Asylverfahren beschleunigt
        und Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren
        sind Voraussetzung für gute Integration, damit diejeni-
        gen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse,
        Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unter-
        stützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des
        Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und
        Bürger ein Anrecht .
        In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
        den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleuni-
        gen, die Registrierung verbessern, die Kommunen entlas-
        ten sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch
        die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Hel-
        ferinnen und Helfer vorsehen . Insbesondere begrüße ich,
        dass dadurch der unsinnige und inhumane Vorschlag von
        „Transitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist .
        Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Fa-
        miliennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei
        Jahre auszusetzen, große Probleme, ganz grundsätzlich,
        weil es Integration erschwert, besonders aber, weil diese
        Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht-
        linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt
        nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer-
        den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
        Antragssteller subsidiären Schutz –, und nur 105 Fälle
        von Familiennachzug fanden statt, ist das ein Zeichen,
        das ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte .
        Ich begrüße, dass vereinbart wurde, dass für unbeglei-
        tete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzel-
        fallprüfung zum Familiennachzug stattfinden, wird und
        setze darauf, dass diese im Interesse des Kindeswohls
        erfolgt . Außerdem begrüße ich, dass vereinbart wurde,
        dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge
        der Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden
        Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll – das
        muss in besonderem Maße für Angehörige unbegleiteter
        Minderjähriger gelten .
        In gleicher Weise bereiten mir die Einschränkungen
        bei der Einbeziehung gesundheitlicher Gründe als Ab-
        schiebungshindernis massiv Probleme, insbesondere
        die Regelungen zur Berücksichtigung posttraumatischer
        Belastungsstörungen (PTBS) . Ich begrüße zwar, dass es
        gelungen ist, auch hier bei schwerwiegenden, massiv die
        Gesundheit beeinträchtigenden Erkrankungen, insbe-
        sondere wenn diese Eigengefährdung erwarten lassen,
        Regelungen zu finden. Dennoch halte ich die in der Be-
        gründung genannte pauschale Herunterstufung der psy-
        chischen Erkrankung für falsch, weil sie einer individu-
        ellen, medizinisch fundierten Klärung bedarf .
        Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
        dung machen, im Anschluss ein zweijähriges Bleiberecht
        erhalten . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für aus-
        bildungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
        hochzusetzen. All das dient der Integration von geflohe-
        nen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und damit
        in unsere Gesellschaft .
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
        rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
        und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
        schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
        schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
        ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
        Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
        von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
        halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
        oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
        wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
        Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
        den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
        Land, das durch den demografischen Wandel dringend
        auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
        für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
        tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
        Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
        Freunde werden .
        Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe-
        ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder
        einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu-
        nigter Asylverfahren zu .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615624
        (A) (C)
        (B) (D)
        Rudolf Henke (CDU/CSU): Der Deutsche Bundestag
        stimmt heute über das von den Fraktionen der CDU/CSU
        und der SPD eingebrachte Gesetz zur Einführung be-
        schleunigter Asylverfahren ab . Nach den Abstimmungen
        in den Fraktionen der Koalition und in den Ausschüssen
        folge ich den dort getroffenen Entscheidungen und stim-
        me dem Gesetz zu . Ich will damit auch das Wirken und
        Engagement der Bundeskanzlerin unterstützen .
        Zugleich mache ich von der nach der Geschäftsord-
        nung des Deutschen Bundestages gegebenen Möglich-
        keit Gebrauch, zu einzelnen Punkten in der Sache Stel-
        lung zu nehmen, die die gesundheitliche Versorgung von
        Asylbewerben betreffen .
        Der Gesetzentwurf stellt klar, dass eine Abschiebung
        auch dann erfolgen kann, wenn der Ausländer an einer
        Erkrankung leidet . In der Gesetzesbegründung ist fest-
        gehalten, dass sie jedoch nicht dazu führen darf, „dass
        sich die schwerwiegende Erkrankung des Ausländers
        mangels Behandlungsmöglichkeit in einem Ausmaß
        verschlechtern wird, dass ihm eine individuell konkre-
        te, erhebliche Gefahr an Leib oder Leben droht“ . Der
        Bundesminister des Inneren hat bei der ersten Lesung im
        Plenum davon gesprochen, dass es für eine Abschiebung
        eine solide medizinische Versorgung im Zielstaat geben
        muss, ausreichend und angemessen . Die medizinischen
        Standards in den Herkunftsländern müssen so sein, dass
        dem Menschen auch nach der Rückkehr gut geholfen
        werden kann . Diese Anforderungen unterstütze ich un-
        eingeschränkt .
        Durch die Änderung des Aufenthaltsgesetzes soll in
        § 60 Absatz 7 geregelt werden, dass ein Ausländer, der
        an einer Erkrankung leidet, auch dann in einen Zielstaat
        abgeschoben werden kann, wenn eine ausreichende me-
        dizinische Versorgung nur in einem Teil dieses Zielstaats
        gewährleistet werden kann .
        Ich habe Bedenken, ob diese Kriterien ausreichen,
        um die Möglichkeit einer (Weiter-)Behandlung der be-
        troffenen Person in jedem Einzelfall zuverlässig genug
        sicherzustellen . Genauso, wie wir keine Gleichwertigkeit
        der medizinischen Versorgung im Zielland mit den hohen
        deutschen Standards erwarten können, werden die Infra-
        struktur, die Mobilität, die sozialen und die regionalen
        Gegebenheiten nicht mit denen in Deutschland gleich-
        zusetzen sein . Das kann den Zugang zu einer medizini-
        schen Behandlung erschweren oder unmöglich machen .
        Deshalb habe ich mich während der parlamentarischen
        Beratung in meiner Fraktion dafür eingesetzt, dass diese
        Passage um den Aspekt der „Zugänglichkeit“ erweitert
        wird – leider ohne Erfolg .
        Auch nach einer Gesetzesänderung werden Ausfüh-
        rungsvorschriften notwendig sein, die die Existenz einer
        ausreichenden medizinischen Versorgung im Zielstaat in
        den Blick nehmen müssen . Dazu müssen das Auswärti-
        ge Amt bzw . das Bundesministerium für wirtschaftliche
        Zusammenarbeit die notwendigen Feststellungen zu den
        örtlichen Gegebenheiten treffen .
        Die im Gesetzestext enthaltene einschränkende For-
        mulierung „in der Regel“ im ergänzten Absatz 7 des
        § 60 Aufenthaltsgesetz ermöglicht den zuständigen Ge-
        richten bei Einzelfallentscheidungen einen Entschei-
        dungsspielraum, der es ihnen weiterhin ermöglicht, die
        medizinische Versorgungssituation im betroffenen Ziel-
        land gesondert in den Blick zu nehmen . Das ist sicher zu
        begrüßen .
        Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Tauglichkeit
        der jetzt verfolgten Maßnahmen zur Verfahrensbeschleu-
        nigung, die der Notwendigkeit folgen, die Flüchtlings-
        zahlen zu reduzieren, in regelmäßigem Abstand darauf-
        hin überprüft werden muss, ob eine Anpassung an eine
        neue Situation möglich ist, zum Beispiel an eine Redu-
        zierung der Anzahl Asylbegehrender .
        Auch wenn die aktuelle Flüchtlingssituation uns vor
        große Herausforderungen stellt, ist die solide medizini-
        sche Versorgung von erkrankten Menschen eine Sorge,
        der wir angemessen entsprechen müssen . Ich hoffe sehr,
        dass die heute beschlossenen Regelungen an dem Be-
        wusstsein, dieser Verpflichtung nachzukommen, nichts
        ändern werden .
        Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Aktuell erreichen
        Deutschland so viele Flüchtlinge wie noch nie in seiner
        jüngeren Geschichte . Die Aufnahme und Versorgung der
        Geflüchteten ist eine große gesellschaftliche Aufgabe.
        Das stellt den Bund, die Länder und Kommunen und
        die gesamte Gesellschaft vor große Herausforderungen .
        Ohne die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer
        und den Einsatz vieler weiterer Menschen bei den Wohl-
        fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr, den Hilfsorgani-
        sationen und den Behörden vor Ort wäre dies nicht zu
        schaffen . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet,
        die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftli-
        che Engagement zu unterstützen . Angesichts der großen
        Zahl von teils lange andauernden Asylverfahren ist es
        für die Geflüchteten selbst, aber auch für alle Beteiligten
        wichtig, die Verfahren zu beschleunigen . Leider müssen
        immer noch Hunderttausende Asylbewerberinnen und
        Asylbewerber Monate warten, bis sie den Antrag über-
        haupt stellen können . Es kommt daher jetzt darauf an,
        dass die Registrierung der Ankommenden zügig vor-
        angeht, dass Asylverfahren beschleunigt und Verfahren
        optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch eine
        wichtige Voraussetzung für gute Integration, damit die-
        jenigen, die hierbleiben können, schnell durch Sprach-
        kurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit
        unterstützt werden können . Hier wird die Handlungsfä-
        higkeit des Staates erwartet – sowohl von den Bürgerin-
        nen und Bürgern als auch von den Geflüchteten.
        In dem vorliegenden sogenannten Asylpaket II, dessen
        Hauptübereinkunft bereits am 5 . November 2015 statt-
        gefunden hat, kann ich deshalb den Punkten zustimmen,
        die die Verfahren beschleunigen und die Registrierung
        verbessern sowie den Minderjährigenschutz in den Ein-
        richtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungs-
        zeugnisses für dort Beschäftigte sowie Helferinnen und
        Helfer vorsehen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch
        der unsinnige und inhumane Vorschlag von „Transitzen-
        tren“, also Massenlagern an den Grenzen, vom Tisch ist .
        Mir bereitet jedoch die Zustimmung zu der Regelung,
        den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
        zwei Jahre auszusetzen, große Probleme . Auch wenn in
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15625
        (A) (C)
        (B) (D)
        der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon
        betroffen sein werden (2015 entfielen nur 0,6 Prozent
        aller Entscheidungen auf subsidiären Schutz), halte ich
        dies nicht für richtig . Ich gehe fest davon aus, dass nach
        Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug
        wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht .
        Ich begrüße die Vereinbarung, dass für unbegleitete Min-
        derjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfall- bzw .
        Härtefallprüfung zum Familiennachzug stattfinden wird,
        und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskon-
        vention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen
        ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen .
        Außerdem begrüße ich die Vereinbarung, dass innerhalb
        künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennach-
        zug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vor-
        rangig berücksichtigt werden soll .
        Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine Regelung für mehr Rechtssicher-
        heit und Verfahrensvereinfachungen für auszubildende
        Flüchtlinge und ausbildende Betriebe umgesetzt wird .
        Auszubildende sollen für die Dauer ihrer Ausbildung
        (drei Jahre) und weitere zwei Jahre danach ein Aufent-
        haltsrecht bekommen . Ebenso ist vereinbart, die Alters-
        grenze für ausbildungsunterstützende Maßnahmen von
        21 auf 25 Jahre hochzusetzen . Dies dient der Integration
        von geflohenen jungen Menschen in unseren Arbeits-
        markt und damit in unsere Gesellschaft .
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir jetzt vorrangig ein Integrationspaket zur Verbesse-
        rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
        und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
        schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
        schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
        ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Ich be-
        grüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden zum so-
        genannten Asylpaket II von CDU, CSU und SPD vom
        5 . November 2015 festgehalten ist:
        „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder
        dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir
        die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Er-
        lernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den
        Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Am 28 . Januar 2016 wurde bei der Ministerpräsiden-
        tenkonferenz zudem ein zwischen Bund und Ländern ab-
        gestimmtes Integrationskonzept vereinbart . Dazu wurde
        eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gebildet, die bis Ende
        Februar 2016 Eckpunkte und bis Ende März 2016 ein
        Konzept erarbeitet . Es besteht Einigkeit, dass es einer
        kontinuierlichen Anpassung der Regelsysteme und der
        Infrastruktur, vor allem in den Bereichen Sprachförde-
        rung, Integrationskurse, Bildung, Ausbildung, Studium
        und Arbeitsmarkt sowie beim Wohnungsbau, bedarf .
        Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
        Land, das durch den demografischen Wandel dringend
        auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
        für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
        tun können, damit aus Geflüchteten unsere Nachbarn,
        Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
        Freunde werden .
        Ich stimme deshalb in der Gesamtabwägung der
        getroffenen Vereinbarungen trotz der obengenannten
        schweren Bedenken dem Gesetz zur Einführung be-
        schleunigter Asylverfahren zu .
        Petra Hinz (Essen) (SPD): Im zurückliegenden Jahr
        haben unsere Gemeinden, Kommunen und Städte über
        eine Million Menschen aufgenommen . Die vielen ehren-
        amtlichen Helferinnen und Helfer haben Großartiges für
        Deutschland geleistet . Die Kommunen und die ehren-
        amtlichen Helferinnen und Helfer tragen jeden Tag zum
        sozialen Frieden bei . Richtig ist aber auch, dass nach die-
        ser so großen Anstrengung klar ist: so viele Menschen
        können wir in einem Jahr nicht noch einmal aufnehmen .
        In dieser Geschwindigkeit überfordern wir die Kommu-
        nen und werden den Herausforderungen nicht gerecht .
        Um den Zuzug von Flüchtenden zu reduzieren, stehen
        deshalb die Lösung des Syrien-Konflikts und die Besei-
        tigung von Fluchtursachen im Zentrum der SPD Politik .
        Es reicht also nicht aus, nur zu sagen „Wir schaffen
        es“, sondern wir müssen den ehrenamtlichen Kommu-
        nalpolitikern und den Bürgerinnen und Bürgern sagen,
        wie und was wir verlässlich auf den Weg bringen . Die
        Kanzlerin und auch der Innenminister haben bisher die
        Situation nicht wirklich nachhaltig gestaltet . Der bayri-
        sche Ministerpräsident ist Teil der Regierung und gleich-
        zeitig Opposition . Es ist nicht nur die Tatsache, dass er
        eine Verfassungsklage anstrebt, sondern seine Politik und
        seine Forderungen begünstigen das Erstarken der rechten
        Parteien und Rechtsextremismus .
        Meine große Hoffnung sind die vielen zivilgesell-
        schaftlichen Initiativen, die sich dagegenstellen, und eine
        demokratische Kultur, die stark genug ist, damit sich
        extremistische Gedanken nicht weiter ausbreiten . Dazu
        aber brauchen wir eine nachhaltige Flüchtlingspolitik
        über alle föderalen Ebenen . In den zurückliegenden Wo-
        chen haben wir zahlreiche Gesetze im Deutschen Bun-
        destag beschlossen, die vor Ort noch nicht angekommen
        sind bzw . noch nicht wirken können . Die Kanzlerin und
        CDU-Vorsitzende verfolgt eine Politik, die von ihrer
        Union nicht getragen wird . Der Koalitionspartner ver-
        folgt mehrheitlich eine Politik, die Flüchtenden rauszu-
        halten . Wir aber müssen uns jetzt auf die Integration und
        auf die Unterstützung der Kommunen konzentrieren .
        Wir haben über lange Zeit, und das ging gerade von
        der Kanzlerin, vom Finanzminister und vom Innenmi-
        nister aus, eine Europapolitik in kurzsichtigem nationa-
        len Interesse Deutschlands praktiziert . Das ist der Hin-
        tergrund der aktuellen Situation, in der wir den Mangel
        an Solidarität erkennen müssen . Deswegen ist es nun so
        schwer, die Solidarität unserer EU-Partner zu erhalten .
        Richtig ist auch: Es fehlt eine moralisch-politische Auto-
        rität. Deswegen befinden wir uns in dieser sehr schwieri-
        gen, ja fast hoffnungslos scheinenden Krise .
        Ich bin davon überzeugt, dass eine Schließung der
        Grenzen Europa nachhaltig belasten würde, und andere
        beschreiben sogar, dass wir den europäischen Gedanken
        zerstören würden . Ich halte dies für eine falsche Antwort .
        Die Schließung der Grenzen wird es zu chaotischen Zu-
        ständen in Europa kommen lassen . Meiner Meinung nach
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615626
        (A) (C)
        (B) (D)
        kann nur eine solidarische Aktion helfen, beispielsweise
        einen Hilfsfonds für die Länder aufzulegen, die in Euro-
        pa Flüchtlinge aufnehmen . Eine Verteilung der Flücht-
        linge in Europa ist ohne eine gemeinsame und solidari-
        sche Politik nicht möglich . Was bei den Befürwortern der
        Grenzschließung übersehen wird, ist: Die Flüchtenden
        kommen auch, wenn die Grenzen dicht sind . Wir haben
        das Problem lange vor uns hergeschoben, aber nun hat
        uns die Realität eingeholt .
        Es geht doch nicht um die reine Zahl . Es geht darum,
        wie wir den Zugang der Menschen nach Deutschland und
        Europa ordnen . Wir haben in den 50er-Jahren 50 Millio-
        nen Deutsche in Westdeutschland gehabt und 8 Millio-
        nen Vertriebene . Auch diese wurden nicht als wunderbare
        Deutsche in Empfang genommen, sondern als Fremdlin-
        ge angesehen . Und damals waren die Bedingungen noch
        viel armseliger .
        Kurt Schumacher sagte einst: „dass Politik mit dem
        Betrachten der Wirklichkeit beginnt“ . Haben wir tatsäch-
        lich unsere Wirklichkeit vergessen, was 1945 bis 1949
        für Not und Elend in Deutschland herrschte?! Das tägli-
        che Brot war knapp, und seitdem haben Quäkerspeisen
        und CARE-Pakete aus den USA für die Generation mei-
        ner Eltern und Großeltern ein legendäres Image . Haben
        wir vergessen, dass das Deutsche Rote Kreuz (DRK) bis
        heute nach Vermissten sucht, dass Frauen ihre Männer,
        Männer ihre Frauen und Kinder, Kinder ihre Eltern und
        Angehörigen gesucht haben? Mein Vater ist als junger
        Erwachsener in den Krieg eingezogen worden und mit
        schweren Verwundungen, die sein ganzes Leben be-
        stimmten, nach Hause gekommen . Meine Mutter musste
        ihre Heimat verlassen, sie war ein Flüchtling, eine Ver-
        triebene . Sie hat auf der Flucht ihren kleinen Bruder ver-
        loren, und sie haben natürlich alles unternommen, damit
        sie alle wieder als Familie zusammen sein konnten . Fes-
        tes Schuhwerk zu haben, Holz zum Heizen, im Winter ei-
        nen dicken Mantel, zu essen und zu trinken war Lebens-
        ziel dieser Generation – haben wir dies alles vergessen?
        In dem Gesetz heißt es, dass diese Regelung nur für
        subsidiär Schutzberechtigte gilt . Im Jahr 2015 wurde
        137 136 Menschen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt .
        Demgegenüber erhielten lediglich 1 707 Menschen sub-
        sidiären Schutz . Das bedeutet: Der Familiennachzug
        bleibt für die allermeisten Geflüchteten weiterhin mög-
        lich . Wenn es so ist, dann stellt sich doch die Frage: Wa-
        rum sollen wir einem Gesetz zustimmen, welches den
        angedachten Zweck verfehlt?!
        Wie können wir den jetzigen Flüchtenden den Wunsch
        auf Familienzusammenführung bzw . Familiennachzug
        verwehren? Wir sollen heute eine weitere unbefristete
        Verschärfung des Asylrechts beschließen, nur weil die
        CDU/CSU nicht bereit ist, ein modernes Einwanderungs-
        gesetz zu beschließen?!
        Wir brauchen jetzt eine Entscheidung über ein Ein-
        wanderungsgesetz, leider schiebt die Kanzlerin, aber
        auch die CSU, diese Entscheidung auf die lange Bank
        und verweist auf den Koalitionsvertrag . Mit einem Ein-
        wanderungsgesetz kann gesteuert werden, wie groß der
        Zuzug pro Jahr nach Deutschland ist . Dadurch würden
        die Asylverfahren tatsächlich entlastet .
        Darüber hinaus vermisse ich auf der EU-Ebene eine
        überzeugende und nachhaltige Einwanderungsstrategie .
        Nationale Alleingänge werden nichts bewirken .
        Das Asylrecht ist eine Schlussfolgerung der Völkerge-
        meinschaft und der „Väter und Mütter“ des Grundgeset-
        zes aus der Verfolgung durch den deutschen Faschismus .
        Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich
        dem vorgelegten Gesetzentwurf (Bundestags-Drucksa-
        che 18/7538) der Koalitionsfraktionen nicht zu .
        Christina Jantz-Herrmann (SPD): Angesichts der
        großen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es
        mir wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu
        danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge will-
        kommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie
        medizinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprach-
        kurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr .
        Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Äm-
        tern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und
        Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen, um
        gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen
        zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist un-
        gebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der
        Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und
        das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen
        und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvorschläge
        Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die
        Registrierung der Ankommenden zügig vorangeht, dass
        Asylverfahren beschleunigt werden und dass Verfahren
        optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Vo-
        raussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die
        hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bil-
        dungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt
        werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staa-
        tes erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bür-
        ger ein Anrecht .
        In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
        den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
        und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
        in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
        Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
        hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
        ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
        Grenzen vom Tisch ist .
        Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Fa-
        miliennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei
        Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese Rege-
        lung auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
        gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr
        wenige Personen davon betroffen sein werden – 2015
        erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragsstel-
        ler subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familien-
        nachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus
        humanitären Gründen für problematisch halte . Ich be-
        grüße, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete Min-
        derjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung
        zum Familiennachzug stattfinden wird, und setze darauf,
        dass hierbei die UN-Kinderrechtskonvention angewandt
        wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren
        Eltern getrennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich,
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15627
        (A) (C)
        (B) (D)
        dass vereinbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontin-
        gente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in
        Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berück-
        sichtigt werden soll .
        Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
        dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
        ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
        dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
        hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
        henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
        mit in unsere Gesellschaft .
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
        rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
        und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
        schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
        schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
        ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
        Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
        von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
        halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
        oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
        wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
        Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
        den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
        Land, das durch den demografischen Wandel dringend
        auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
        für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
        tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
        Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
        Freunde werden .
        Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe-
        ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder
        einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu-
        nigter Asylverfahren zu .
        Helga Kühn-Mengel (SPD): Nachdem ich bisher
        allen gesetzlichen Änderungen in diesem Bereich zuge-
        stimmt habe, habe ich beim Asylpaket II so starke Be-
        denken, dass ich dem Gesetzespaket meine Zustimmung
        nicht geben kann . Dazu möchte ich folgende Gründe an-
        führen:
        Der Gesetzesentwurf enthält Einschränkungen beim
        Familiennachzug . Diese Bestimmungen halte ich für In-
        tegrationshemmnisse: Ein Aussetzen des Familiennach-
        zugs zerreißt und belastet Familien, deren Schutz laut
        Grundgesetz ein besonders hohes Gut ist . Das wirkt sozi-
        al destabilisierend und ist gegenüber Kindern und Eltern
        unter menschlichen und psychosozialen Aspekten eine
        schwer zu ertragende Härte. Als jemand, der beruflich
        26 Jahre lang mit Kindern und Familien gearbeitet hat,
        kann ich diese Härte nicht mittragen .
        Es ist sehr wahrscheinlich, dass die in den Heimatlän-
        dern zurückgebliebenen Familienangehörigen nun ihrer-
        seits die gefährliche Flucht nach Europa antreten, um mit
        ihren Ehemännern, Ehefrauen, Müttern, Vätern und Kin-
        dern wieder zusammenzukommen . Die aktuellen Zahlen
        des UNHCR bestätigen, dass inzwischen rund 60 Pro-
        zent aller Flüchtlinge Frauen und Kinder sind . Deshalb
        ist es nicht verantwortbar, die Familien auf diese Wei-
        se zu trennen. Zu unterstellen, die Geflüchteten würden
        kollektiv ein Geschäftsmodell mit dem Familiennachzug
        betreiben, halte ich für unangemessen .
        Daneben sehe ich weitere Einschnitte in den geplan-
        ten Verschärfungen der Abschiebebedingungen . Diese
        sollen dazu dienen, dass Abschiebungen nur verhindert
        werden, wenn lebensbedrohliche und schwerwiegende
        Krankheiten vorliegen, die sich bei einer Abschiebung
        wesentlich verschlechtern würden . Konkret heißt das,
        dass auch Asylbewerber abgeschoben werden sollen, bei
        denen eine unmittelbar lebensbedrohliche Krankheit dia-
        gnostiziert wurde . Die medizinische Versorgung im Ab-
        schiebeland gilt als theoretisch gegeben, auch wenn diese
        nicht vergleichbar mit der in Deutschland ist . Es reicht
        aus, wenn irgendwo im Herkunftsland eine „ausreichen-
        de“ medizinische Versorgung vorherrscht . Damit wird
        meines Erachtens billigend in Kauf genommen, dass es
        zu menschenrechtsunwürdigen Abschiebungen kommen
        kann .
        Genauso fragwürdig sind die weiteren Bestimmungen
        zu medizinischen Abschiebegründen . In der Begründung
        des Gesetzentwurfes wird verdeutlicht, dass posttrauma-
        tische Belastungsstörungen nicht als eine schwerwiegen-
        de oder lebensbedrohliche Erkrankung angesehen wer-
        den und somit auch kein Abschiebehindernis darstellen .
        Dieses pauschale Urteil ist in meinen Augen weder medi-
        zinisch noch politisch gerechtfertigt . Zudem soll „unver-
        züglich“ ein Attest eines approbierten Arztes vorgelegt
        werden . Eine Wartezeit zum Beispiel von zwei Wochen
        wird laut Begründung nicht als unverzüglich angesehen .
        Angesichts dessen, dass psychische und psychosomati-
        sche Erkrankungen kaum unverzüglich in ihrer Schwere
        abschließend diagnostiziert werden können und womög-
        lich kurzfristig kein Termin bei einem qualifizierten Arzt,
        also einem für das Fachgebiet zuständigen Mediziner,
        möglich ist, ist diese Regelung für mich nicht akzeptabel .
        Der Gesetzentwurf erhebt einen Eigenanteil für Asyl-
        bewerber für Sprach- und Integrationskurse . Dies ist
        neben der finanziellen Belastung ein starkes Integrati-
        onshemmnis, das auch von vielen Lehrkräften in diesem
        Bereich abgelehnt wird .
        Wirklich helfen würden umfangreiche Integrations-
        maßnahmen, wie sie die SPD nun bereits mehrfach vor-
        geschlagen hat. Diese finden sich im Asylpaket II leider
        nur als Ankündigung wieder . Meine Hoffnung ist, dass
        diese nun rasch und energisch umgesetzt werden, um
        endlich zu zeigen, dass Aufnahmebereitschaft und Inte-
        gration in diesem Land gelingen kann .
        Meiner Meinung nach werden die im Gesetzesentwurf
        vorgeschlagenen Maßnahmen zum Großteil das erklärte
        Ziel einer Reduzierung der Asylbewerber in Deutschland
        nicht erreichen, sondern führen stattdessen in der Abwä-
        gung zwischen Grundrechten zu nicht gerechtfertigten
        Einschnitten im Asylrecht .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615628
        (A) (C)
        (B) (D)
        Ich halte es für sinnvoller, statt Symbolpolitik die bis-
        her beschlossenen Maßnahmen umzusetzen und auf der
        Grundlage der erhofften Wirkungen die nächsten Schritte
        anzugehen .
        Hiltrud Lotze (SPD): Tagtäglich erreichen mehrere
        Tausende schutzsuchende Menschen Deutschland, im
        gesamten Januar waren es knapp 92 000 . Es kommen
        Menschen, das ist Leitbild meines Handelns! Dass sie
        gut aufgenommen werden, ist den vielen Ehrenamtlichen
        zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge will-
        kommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie
        medizinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprach-
        kurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr .
        Dieser Dank gilt auch den Mitarbeiterinnen und Mitar-
        beitern in den Kommunalverwaltungen, bei Wohlfahrts-
        verbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen,
        die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingungen
        für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die
        Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist
        großartig .
        Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die
        Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftliche
        Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch
        neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten .
        Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der
        Ankommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be-
        schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden .
        Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute
        Integration, damit diejenigen, die hierbleiben können,
        schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und
        Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier
        wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf
        haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht .
        In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
        den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
        und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
        in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
        Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
        hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
        ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
        Grenzen vom Tisch ist .
        Probleme bereitet mir die Zustimmung zu der Rege-
        lung, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberech-
        tigte für zwei Jahre auszusetzen, zumal diese Regelung
        auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten
        soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr we-
        nige Personen davon betroffen sein werden – 2015 er-
        hielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller
        subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennach-
        zug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus hu-
        manitären Gründen nicht für richtig halte . Die Kirchen
        und ihre Hilfswerke warnen vor dieser Maßnahme; ich
        teile diese Auffassung, weil diese Maßnahme mit christ-
        lichen Werten schwer vereinbar ist . Ich gehe fest davon
        aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der
        Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das
        Gesetz vorsieht . Auch gehe ich davon aus, dass auch in
        Zukunft nur eine sehr kleine Minderheit der Flüchtlinge
        subsidiären Schutz erhält . Ich begrüße, dass vereinbart
        wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidi-
        ären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familiennach-
        zug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die
        UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach der
        Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge-
        trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver-
        einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für
        Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch-
        land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt
        werden soll .
        Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
        dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
        ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
        dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
        hochzusetzen. All das dient der Integration von geflohe-
        nen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
        mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen
        beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrati-
        onsgesetz zur Verbesserung des Zugangs zu Sprachkur-
        sen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende
        auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und
        sorgt dafür, dass die Menschen, die zu uns geflohen sind,
        so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst
        verdienen können . Ich begrüße, dass im Beschluss der
        Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 . No-
        vember 2015 festgehalten ist:
        „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder
        dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir
        die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Er-
        lernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den
        Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Herausforderung
        für unser Land, aber auch eine Chance, denn aufgrund
        des demografischen Wandels sind wir dringend auf junge
        Menschen angewiesen . Ich setze mich dafür ein, dass aus
        Flüchtlingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kolle-
        gen und unsere Freundinnen und Freunde werden .
        Ich stimme deshalb trotz der obengenannten Beden-
        ken dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylver-
        fahren zu .
        Kirsten Lühmann (SPD): Angesichts der großen
        Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es die Auf-
        gabe der Bundesregierung und der sie tragenden Frak-
        tionen im Bundestag, sicherzustellen, dass Ordnung,
        Fairness und Verlässlichkeit im Verfahren und für die
        Menschen sichergestellt werden . Zuerst aber ist es mir
        wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu
        danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge will-
        kommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie
        medizinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprach-
        kurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr .
        Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Äm-
        tern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und
        Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen, um
        gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen
        zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist un-
        gebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15629
        (A) (C)
        (B) (D)
        Politik erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das
        zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen und
        nicht dauernd durch neue Verschärfungsvorschläge Un-
        ruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die
        Registrierung der Ankommenden zügig vorangeht, dass
        Asylverfahren beschleunigt werden und die Verfahren
        optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Vo-
        raussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die
        hier bleiben können, umgehend durch Sprachkurse, Bil-
        dungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt
        werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staa-
        tes erwartet und darauf haben die Bürgerinnen und Bür-
        ger ein Anrecht .
        In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
        den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleuni-
        gen und die Registrierung verbessern sowie den Kin-
        derschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines
        erweiterten Führungszeugnisses für Helfende vorsehen .
        Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinnige
        und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
        Grenzen vom Tisch ist .
        Erschwerend für eine Zustimmung ist für mich die
        neu geschaffene Regelung zum Familiennachzug bei
        subsidiär Schutzberechtigten . Dieser soll für zwei Jahre
        ausgesetzt werden . Das gilt auch für unbegleitete Min-
        derjährige, die dann ohne Eltern und Familie hier zu-
        rechtkommen müssen . Die Stellungnahmen der Kirchen
        und ihrer Hilfswerke sind ernst zu nehmen, die vor dieser
        Maßnahme warnen. Ich finde das mit christlichen Wer-
        ten schwer vereinbar . Ich gehe fest davon aus, dass nach
        Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug
        wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht .
        In der Realität sind zwar zur Zeit nur sehr wenige Per-
        sonen davon betroffen – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent
        der entschiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, da-
        von waren nur 105 allein reisende Minderjährige –, al-
        lerdings sehe ich die Gefahr einer deutlichen Erhöhung
        dieser Zahlen durch die auch veröffentlichte Rechtsauf-
        fassung namhafter CDU-Abgeordneter im Deutschen
        Bundestag, nach der eigentlich fast alle Menschen aus
        Syrien nur subsidiären Schutz beanspruchen können .
        Wenn wir einer erheblich größeren Zahl von Flüchten-
        den den Familiennachzug – auch nur zeitweise – unter-
        sagen, würde dies meines Erachtens nicht zu weniger
        Flüchtenden führen, sondern eher zu mehr illegaler
        Einwanderung und damit zu mehr Chaos für unser po-
        litisches System und mehr Leiden für die Flüchtenden,
        denn niemand wird seine Familie jahrelang mit unbe-
        stimmter Perspektive in unsicheren Ländern zurücklas-
        sen . Die Flüchtlinge werden ihre Familien wenn nötig
        auf illegalem und gefährlichem Wege, zumeist über das
        Mittelmeer, zu uns nach Deutschland holen . Wir riskie-
        ren damit, dass es anstelle geordneter Asylverfahren zu
        unübersichtlichen und ungeordneten Verfahren kommen
        wird . Das kann nicht im Interesse unserer Politik sein .
        Tatsächlich benötigen wir Regelungen und Maßnahmen,
        die dazu beitragen, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren,
        ohne menschliches Leben zu gefährden .
        Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
        dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
        ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
        dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
        hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
        henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
        mit in unsere Gesellschaft .
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
        rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
        und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
        schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
        schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
        ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
        Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
        von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
        halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
        oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
        wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
        Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
        den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Auch aufgrund der klaren Aussage des Bundesinnen-
        ministers in dieser Woche, dass es zu keiner deutlichen
        Anhebung der Zahl subsidiär Schutzbedürftiger kommen
        wird, und in der Erwartung der zügigen Umsetzung des
        oben zitierten Papiers der drei Parteivorsitzenden werde
        ich trotz meiner schweren Bedenken, die ich auch in wei-
        teren Debatten einbringen werde, dem Gesetz zur Ein-
        führung beschleunigter Asylverfahren zustimmen .
        Hilde Mattheis (SPD): Die im Gesetzentwurf vor-
        geschlagenen Maßnahmen werden zum Großteil das
        erklärte Ziel einer Reduzierung der Asylbewerber in
        Deutschland meiner Meinung nach nicht erreichen,
        sondern führen stattdessen in der Abwägung zwischen
        Grundrechten zu nicht gerechtfertigten Einschnitten im
        Asylrecht .
        Dies betrifft folgende Punkte:
        Einschränkung der Abschiebehindernisse
        Einschränkung des Familiennachzugs
        Einführung eines Eigenanteils für Sprach- und Integ-
        rationskurse
        Die geplanten Verschärfungen der Abschiebehinder-
        nisse sollen dazu dienen, dass Abschiebungen nur verhin-
        dert werden, wenn lebensbedrohliche und schwerwiegen-
        de Krankheiten vorliegen, die sich bei einer Abschiebung
        wesentlich verschlechtern würden . Konkret heißt das,
        dass auch Asylbewerber abgeschoben werden sollen, bei
        denen eine unmittelbar lebensbedrohliche Krankheit dia-
        gnostiziert wurde . Die medizinische Versorgung im Ab-
        schiebeland gilt als theoretisch gegeben, auch wenn diese
        nicht vergleichbar mit der in Deutschland ist . Es reicht
        aus, wenn irgendwo im Herkunftsland eine „ausreichen-
        de“ medizinische Versorgung vorherrscht . Damit wird
        meines Erachtens billigend in Kauf genommen, dass es
        zu grund- und menschenrechtsunwürdigen Abschiebun-
        gen kommen kann .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615630
        (A) (C)
        (B) (D)
        Genauso fragwürdig sind die weiteren Bestimmungen
        zu medizinischen Abschiebegründen . In der Begründung
        des Gesetzentwurfes wird verdeutlicht, dass posttrauma-
        tische Belastungsstörungen nicht als eine schwerwie-
        gende oder lebensbedrohliche Erkrankung – und somit
        auch kein Abschiebegrund – angesehen werden . Dieses
        pauschale Urteil ist weder medizinisch noch politisch ge-
        rechtfertigt . Zudem soll „unverzüglich“ ein Attest eines
        approbierten Arztes vorlegt werden . Eine Wartezeit zum
        Beispiel von zwei Wochen wird laut Begründung nicht
        als unverzüglich angesehen . Angesichts dessen, dass
        psychische und psychosomatische Erkrankungen kaum
        unverzüglich in ihrer Schwere abschließend diagnos-
        tiziert werden können und womöglich kurzfristig kein
        Termin bei einem qualifizierten Arzt, also einem für das
        Fachgebiet zuständigen Mediziner, möglich ist, ist diese
        Regelung für mich nicht akzeptabel .
        Des Weiteren enthält der Gesetzentwurf Einschrän-
        kungen beim Familiennachzug und erhebt einen Eigenan-
        teil für Asylbewerber für Sprach- und Integrationskurse .
        Diese Bestimmungen sind Integrationshemmnisse . Ein
        Aussetzen des Familiennachzugs zerreißt Familien, de-
        ren Schutz laut Grundgesetz ein besonders hohes Gut ist,
        es wirkt sozial destabilisierend ist schlicht unmenschlich
        gegenüber Kindern und Eltern . Zumal ist es sehr wahr-
        scheinlich, dass die in den Heimatländern zurückgeblie-
        benen Familienangehörigen nun ihrerseits die gefährliche
        Flucht nach Europa antreten, um mit ihren Ehemännern,
        -frauen, Müttern, Vätern und Kindern vereint zu sein .
        Die aktuellen Zahlen des UNHCR bestätigen, dass in-
        zwischen rund 60 Prozent aller Flüchtlinge Frauen und
        Kinder sind . Es ist nicht verantwortbar, die Familien auf
        diese Weise zu trennen. Zu unterstellen, die Geflüchteten
        würden kollektiv ein Geschäftsmodell mit dem Familien-
        nachzug betreiben, halte ich für zynisch .
        Statt die bisher beschlossenen Maßnahmen umzuset-
        zen und deren Wirkung abzuwarten, wird mit dem Asyl-
        paket II versucht, politisches Handeln zu demonstrieren .
        Wirklich helfen würden umfangreiche Integrations-
        maßnahmen, wie sie die SPD nun bereits mehrfach vor-
        geschlagen hat. Diese finden sich im Asylpaket II leider
        nur als Ankündigung wieder . Meine Hoffnung ist, dass
        diese nun rasch und energisch umgesetzt werden, um
        endlich zu zeigen, dass Aufnahmebereitschaft und Inte-
        gration in diesem Land gelingen kann .
        Daher kann ich dem Asylpaket II nicht zustimmen .
        Ulli Nissen (SPD): Heute entscheidet der Deutsche
        Bundestag über ein Gesetz, an dem es erhebliche Kri-
        tikpunkte von Menschenrechtsverbänden gibt, die ich
        teile . Im Mittelpunkt der Kritik steht der Familiennach-
        zug . Aber auch die Bestimmungen zum Gewaltschutz für
        Frauen und Kinder sind unzureichend . Darüber hinaus
        kann es durch die Neuregelung zu medizinischen Ab-
        schiebungshindernissen zu grund- und menschenrechts-
        widrigen Abschiebungen kommen .
        Einschränkungen beim Familiennachzug . Der Ge-
        setzentwurf sieht Verschärfungen beim grund- und men-
        schenrechtlich verbrieften Schutz des Familienlebens
        vor: So soll der Familiennachzug für subsidiär Schutz-
        berechtigte für einen Zeitraum von zwei Jahren ausge-
        setzt werden . – Das Recht auf Familienleben ist nicht
        nur im Grundgesetz, sondern auch in der Europäischen
        Menschenrechtskonvention und zahlreichen weiteren
        Menschenrechtskonventionen verbrieft, wie etwa der
        UN-Flüchtlingskonvention . Die Verschärfungen beim
        Familiennachzug verstoßen gegen dieses verbriefte
        Recht .
        Die Bestimmungen zum Gewaltschutz sind unzurei-
        chend: Gewalt gegen Frauen und Kinder in Flüchtlings-
        unterkünften wird befördert durch die Rahmenbedin-
        gungen der Unterbringung . Enge, fehlende Privatsphäre,
        Bewegungseinschränkungen und Stress führen zu Aus-
        einandersetzungen . Hinzu kommt Partnergewalt . Es
        ist daher dringend notwendig, dass in Deutschland die
        EU-Aufnahmerichtlinie umgesetzt wird . Dazu liegen
        Untersuchungen und Empfehlungen für Maßnahmen
        vor, die die Verpflichtung aus Artikel 18 Absatz 4 der
        EU-Aufnahmerichtlinie, geschlechtsspezifische Gewalt,
        sexuelle Belästigungen und Übergriffe zu verhindern,
        umsetzen . Bauliche Maßnahmen wie abschließbare
        und getrennte sanitäre Anlagen, abschließbare Zimmer,
        Schutzräume für Kinder und Frauen in den Unterkünften
        sollten Standard sein . Der Kinderschutzbeauftragte emp-
        fiehlt darüber hinaus die Benennung von Ansprechperso-
        nen und einen Notfallplan für den Verdachtsfall .
        Es ist möglich, diese Mindeststandards gesetzlich zu
        definieren, insbesondere im Hinblick auf die besonderen
        Aufnahmeeinrichtungen für beschleunigte Asylverfah-
        ren . Das ist leider mit dem Gesetzentwurf zur Einführung
        beschleunigter Asylverfahren nicht geschehen, obwohl
        das Deutsche Institut für Menschenrechte und der Kin-
        derschutzbeauftragte der Bundesregierung hier dringen-
        de Nachbesserungen angemahnt hatten .
        Hinzu kommt, dass die im Gesetzentwurf vorgeschla-
        gene Regelung zur Vorlage eines erweiterten Führungs-
        zeugnisses eine Sollvorschrift ist . Hier brauchen wir
        dringend eine Mussvorschrift . Kinderschutz muss auch
        bei geflüchteten Kindern voll angewandt werden.
        Ausnahmen aus gesundheitlichen Gründen müssen
        bei Abschiebungen möglich sein . Schutz vor Abschie-
        bung liegt nach dem Gesetzentwurf nur bei lebensbe-
        drohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die
        sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern
        würden . Allein die Tatsache einer „lebensbedrohlichen“
        Erkrankung reicht demnach nicht aus, um Abschiebe-
        schutz zu erhalten .
        Zusätzlich ist im Gesetzentwurf vorgesehen, dass
        ärztliche Bescheinigungen über eine Erkrankung unter
        Umständen keine Beachtung bei behördlichen Entschei-
        dungen über Abschiebeschutz finden dürfen, wenn diese
        nicht zeitgerecht vorgelegt werden . Behördliche Ermes-
        sensspielräume gibt es nicht mehr . Mit dieser Regelung
        wird in Kauf genommen, dass es zu grund- und men-
        schenrechtswidrigen Abschiebungen kommen kann . Das
        lehne ich ab .
        Darüber hinaus bin ich der Auffassung, dass es nicht
        nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Er-
        krankungen einen Abschiebestopp geben muss, sondern
        auch zum Beispiel bei Schwangerschaft .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15631
        (A) (C)
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        All diese Gründe wären ausreichend gewesen, um mit
        Nein zu stimmen . Ich werde mich jedoch bei der Abstim-
        mung über das Gesetz zur Einführung beschleunigter
        Asylverfahren enthalten, weil ich nicht gegen einen Ge-
        setzentwurf stimmen möchte, den CDU/CSU und SPD
        gemeinsam in den Deutschen Bundestag eingebracht
        haben . In meinem bisherigen Abstimmungsverhalten
        habe ich bis auf eine Ausnahme stets die Große Koaliti-
        on unterstützt, in diesem Fall aber weicht mein Abstim-
        mungsverhalten ab, weil ich die Europäische Menschen-
        rechtskonvention und unser Grundgesetz für wichtige
        demokratische Errungenschaften halte, die nicht einge-
        schränkt werden dürfen .
        Markus Paschke (SPD): Angesichts der großen Zahl
        der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig,
        den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die
        sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen,
        Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver-
        sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten,
        sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank
        gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohl-
        fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisati-
        onen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingun-
        gen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die
        Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist
        großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet,
        die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftli-
        che Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch
        neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es
        kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der An-
        kommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be-
        schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden .
        Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute
        Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können,
        schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und
        Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier
        wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf
        haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht .
        In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
        den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
        und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
        in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
        Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
        hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
        ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
        Grenzen vom Tisch ist .
        Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den
        Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
        zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese
        Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht-
        linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt
        nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer-
        den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
        Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von
        Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das
        ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Die
        Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind
        ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Ich
        finde das mit christlichen Werten schwer vereinbar. Ich
        gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen
        Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen
        wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass ver-
        einbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im
        subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien-
        nachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei
        die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach
        der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge-
        trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver-
        einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für
        Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch-
        land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt
        werden soll .
        Wichtig war mir insbesondere die Zusage des Bundes-
        innenministers de Maiziere, die bisherige Anerkennungs-
        praxis und die Kriterien für die Gewährung von Asyl und
        Anerkennung nach der Genfer Flüchtlingskonvention
        nicht zu ändern .
        Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
        dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
        ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
        dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
        hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
        henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
        mit in unsere Gesellschaft .
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
        rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
        und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
        schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
        schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
        ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
        Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
        von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
        halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
        oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
        wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
        Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
        den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
        Land, das durch den demografischen Wandel dringend
        auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
        für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
        tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
        Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
        Freunde werden .
        Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe-
        ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder
        einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu-
        nigter Asylverfahren zu .
        Martin Patzelt (CDU/CSU): Ich stimme dem Gesetz
        zur Einführung beschleunigter Asylverfahren am heu-
        tigen Tag zu, da ich die Intention des Gesetzentwurfs
        teile, die Asylverfahren zu beschleunigen, den Schutz
        von Minderjährigen in Aufnahmeeinrichtungen und Ge-
        meinschaftsunterkünften zu verbessern und den Bezug
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615632
        (A) (C)
        (B) (D)
        von Leistungen mit der Registrierung der Asylsuchenden
        zu verknüpfen . Auch die Aussetzung des Familiennach-
        zuges ist vertretbar und unter der Berücksichtigung der
        praktischen Erfahrungen mit kriminellen Schleuserban-
        den kaum vermeidbar .
        Große Bedenken habe ich allerdings gegen den Zeit-
        punkt des Inkrafttretens der veränderten Regelungen
        des Familiennachzuges für unbegleitete minderjährige
        Flüchtlinge .
        Die Verabschiedung des Gesetzes in dieser Form führt
        dazu, dass der Familiennachzug auch bei denjenigen
        Minderjährigen eingeschränkt wird, die die Flucht aus
        dem Heimatland im Vertrauen auf die damals geltenden
        Regelungen zum Familiennachzug begonnen haben .
        Der Familiennachzug hängt nun von vielen Zufäl-
        ligkeiten ab, etwa dem Zeitpunkt der Einreichung des
        Asylantrags durch den Vormund oder Jugendamtsmit-
        arbeiter und Unwägbarkeiten bei der Bearbeitung im
        Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (zum Beispiel
        aufgrund krankheits- oder urlaubsbedingter Abwesenhei-
        ten) . Nicht nur für die jungen Menschen hat dies erheb-
        liche psychologische Folgen: Wenn sie ständig in Angst
        um ihre Familie leben müssen, ist eine Integration kaum
        möglich, und die Verweigerung einer Perspektive für den
        Familiennachzug der Eltern wird viele der Eltern selbst
        zur Flucht veranlassen .
        Eltern in den eigentlichen Kriegsgebieten besitzen ei-
        nen eigenen Anspruch auf Schutz und machen sich jetzt
        wieder selbst mit kleinen Kindern auf den gefährlichen
        Weg . Bereits jetzt sind erstmals seit Beginn der Flücht-
        lingskrise im Sommer 2015 mehr Frauen und Kinder auf
        dem Weg nach Europa als Männer . Im Vergleich zur Si-
        tuation vor einem halben Jahr hat sich der Anteil der Kin-
        der verdreifacht . Bei der Flucht über das Mittelmeer sind
        allein im Januar 368 Menschen ums Leben gekommen,
        darunter viele Kinder .
        Es wäre deshalb sachgerecht, wenn das Aussetzen des
        Familiennachzuges an den Tag der Einreise geknüpft und
        damit erst für künftige Einreisen wirksam wird .
        Dr. Simone Raatz (SPD): Tagtäglich begegnen mir
        Menschen aus Syrien, Nordafrika oder dem Balkan, die
        bei uns in Deutschland Schutz suchen . Alle tragen eine
        Bürde mit sich: die Bürde, ihre Heimat, Freunde, Fami-
        lie, Haus – schlicht ihr bisheriges Leben – verlassen zu
        haben . Bei diesen Begegnungen treffe ich Menschen, die
        sich ein neues Leben wünschen . Dafür gibt es verschie-
        dene Gründe . Manche haben ihr Zuhause wegen Krieg
        verlassen, andere aus wirtschaftlicher Not . Sie alle ver-
        bindet die Angst um ihr eigenes Überleben und das ihrer
        Angehörigen, Freunde und früheren Nachbarn . Ich erle-
        be Menschen, die sich seit vielen Monaten ehrenamtlich
        engagieren, um denen, die zu uns kommen, zu helfen . Ih-
        nen ist es egal, woher die Menschen kommen . Dieses En-
        gagement war in der Vergangenheit so nicht gefragt und
        daher eher selten, doch jetzt ist das anders und zeigt mir,
        dass es die gesellschaftliche Wärme noch immer gibt .
        Gleichzeitig kommen zu mir Menschen, die Angst da-
        vor haben, was gerade passiert . Es sind Menschen, die
        sich um ihre eigene Existenz Sorgen machen und be-
        fürchten, ihnen würde etwas weggenommen . Sie haben
        in den vergangenen Jahren ihre eigenen Erfahrungen mit
        Politik gemacht . Immer wieder wurde von „Gürtel enger
        schnallen“ gesprochen . Auch die Sozialdemokratie hat
        ihnen gesagt, man könne sich den Sozialstaat in der Form
        nicht mehr leisten .
        Und mir begegnen Menschen, die politische Verant-
        wortung in unseren Kommunen tragen und berichten,
        dass sie nicht wissen, wie sie auf die Schnelle ausrei-
        chend Kitaplätze und Klassenzimmer bereitstellen sol-
        len . Es sind Menschen, die über kommunale Haushalte
        beschließen müssen und die die Aufgabe haben, Voraus-
        setzungen zu schaffen, damit Integration in die Gesell-
        schaft und das Arbeitsleben gelingen kann .
        Zwischen all diesen unterschiedlichen Gruppen müs-
        sen wir als Politik vermitteln – das ist im Moment schwer
        genug – und Antworten auf die drängenden Fragen fin-
        den . Hinzu kommen Wertvorstellungen, die uns einen,
        gelegentlich aber auch deutlich unterscheiden . Für mich
        ist die Abstimmung zum sogenannten Asylpaket II äu-
        ßerst schwierig . Einerseits ist es mir wichtig, den Staat
        in eine aktivere Rolle zu bringen und wieder zum aktiven
        Gestalten zu bekommen . Es muss eine Politik gemacht
        werden, die agiert, statt immer nur zu reagieren . Daher
        freue ich mich zunächst, dass es nun endlich verbindliche
        Regeln für ein längeres Aufenthaltsrecht während und
        nach einer Ausbildung gibt und wir Stück für Stück zu
        einer Strategie kommen, die über die schnelle Registrie-
        rung, dezentrale Unterbringung, Bildung und Ausbildung
        bis hin zur Arbeitsaufnahme zu einer wirklichen Integra-
        tion führt .
        Es ist nach wie vor richtig, dass wir dringend Maßnah-
        men zur Beseitigung von Fluchtursachen ergreifen müs-
        sen . Andererseits kann es keine Lösung sein, faktisch un-
        sichere Staaten als sicher zu erklären, weil eine verrückte
        Menge auf der Domplatte in Köln den Ruf von Millionen
        anderer Flüchtlinge beschädigt . Ich halte es für wichtig,
        dass Staaten, in denen man sicher leben kann, auch zu si-
        cheren Herkunftsstaaten erklärt werden . Das ist aber bei
        den Staaten Nordafrikas nur bedingt der Fall .
        Es ist für mich ein falscher Schritt, das Zusammen-
        führen von Familien zu verhindern, um die Zahl der Ge-
        flüchteten in unserem Land zu senken. Gerade mit Blick
        auf die Menschen aus den Krisenregionen der Erde ist
        es wichtig, traumatische Erlebnisse mit den Angehörigen
        gemeinsam zu verarbeiten . Daher kann ich den Ansatz
        dieser Maßnahme nicht unterstützen .
        Die Beteiligung an den Kosten für Sprach- und Inte-
        grationskurse ist nicht zielführend . In Mittelsachsen
        erlebe ich, dass nur ein geringer Teil der Flüchtlinge
        regelmäßig an den Kursen teilnimmt . Dafür gibt es un-
        terschiedliche Gründe . Zum einen gibt es nicht genug
        Angebote, zum anderen scheint es keinen ausreichenden
        Anreiz zum Spracherwerb zu geben . Viele, die sich für
        Kurse anmelden, bleiben nach wenigen Sitzungen fern .
        Gerade unsere ehrenamtlichen Sprachlehrer klagen darü-
        ber und verlieren zunehmend ihre Motivation . Es gelingt
        uns momentan noch nicht ausreichend, zu vermitteln,
        dass der Spracherwerb für die Arbeitsaufnahme und die
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15633
        (A) (C)
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        Integration sehr wichtig ist . Besonders in Gemeinschafts-
        unterkünften, wo die Kommunikation unter den Bewoh-
        nern ausreicht, den Alltag zu bestreiten, ist es schwierig,
        zu vermitteln, dass das Erlernen der deutschen Sprache
        wichtig ist . Daher denke ich nicht, dass die Erhebung
        von Gebühren für Sprachkurse der richtige Weg ist, um
        die Menschen zu motivieren, Sprachkurse regelmäßig zu
        besuchen .
        Das Asylpaket beinhaltet allerdings auch Ansatz-
        punkte, die ich als wichtig empfinde. So soll jetzt sicher-
        gestellt werden, dass Kinder in den Flüchtlingsunterkünf-
        ten besser vor möglichen Übergriffen geschützt werden .
        Alle Personen, die sich in den Aufnahmezentren und
        Unterkünften um die Beaufsichtigung, Betreuung oder
        Ausbildung minderjähriger Migranten kümmern, müssen
        künftig ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen .
        Doch nach Abwägung aller genannten Argumente und
        nach einem langen Abwägungsprozess habe ich mich
        dazu entschieden, dem Gesetzesvorhaben nicht zuzu-
        stimmen .
        Mechthild Rawert (SPD): Als Mitglied des den
        „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter
        Asylverfahren“ mitberatenden Gesundheitsausschusses
        nehme ich aus gesundheitspolitischer Sicht Stellung zum
        obigen Gesetzentwurf . Ich stimme mit Nein .
        Der vorliegende Gesetzentwurf erfährt aus gesund-
        heitspolitischer Sicht erhebliche Kritik vonseiten der
        Bundesärztekammer, der Bundespsychotherapeutenkam-
        mer und der Diakonie Deutschland . Er enthält erhebliche
        qualitative und zeitliche Einschränkungen bei der Glaub-
        haftmachung krankheitsbedingter Abschiebungshinder-
        nisse (unverzügliche Vorlage der Bescheinigung allein
        von approbierten Ärztinnen und Ärzten) und beim Zu-
        gang zur medizinischen Versorgung im Zielstaat .
        Für mich ist klar, Ärztinnen und Ärzte müssen auch
        bei einem beschleunigten Verfahren ausreichend Zeit
        haben, Asylbegehrende auf körperliche und seelische
        Krankheiten hin zu untersuchen und diese im begrün-
        deten Fall geltend zu machen . Ob Erkrankungen bereits
        in ihrem Heimatland bestanden oder erst auf der Flucht
        bzw . in Deutschland aufgetreten sind, ist aus ärztlicher
        Sicht unerheblich . Für medizinische Gutachten, Stel-
        lungnahmen und Untersuchungen von Geflüchteten und
        Asylsuchenden in aufenthaltsrechtlichen Verfahren und
        vor der Abschiebung sind ausschließlich Ärztinnen und
        Ärzte und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
        zu beauftragen, die über eine entsprechende Qualifikati-
        on verfügen .
        Lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkran-
        kungen können auch psychische Krankheiten sein . Die
        EU-Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU, die mit Frist zum
        Juni 2015 von allen EU-Mitgliedstaaten umgesetzt
        werden sollte, enthält in Kapitel IV Bestimmungen für
        schutzbedürftige Personen . Nach Artikel 21 der Richt-
        linie haben die Mitgliedstaaten die spezielle Situation
        von schutzbedürftigen Personen, wie beispielsweise
        Menschen mit psychischen Störungen und Personen,
        die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere For-
        men psychischer, physischer oder sexueller Gewalt er-
        litten haben, zu berücksichtigen . Die Richtlinie ist in
        Deutschland bisher nicht in nationales Recht umgesetzt
        worden . Nur mit der Umsetzung der EU-Aufnahmericht-
        linie kann den medizinischen und psychologischen Be-
        dürfnissen besonders schutzbedürftiger Geflüchteter und
        Asylbegehrender zu allen Zeitpunkten ihres Aufenthaltes
        in Deutschland Rechnung getragen werden . Es bedarf
        verpflichtender Gewaltschutzkonzepte für Betreiberin-
        nen und Betreiber von Erstaufnahmeeinrichtungen und
        Gemeinschaftsunterkünften .
        Ein Abschiebungsverbot bei drohender Gefahr für
        Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen soll nicht
        mehr gelten, wenn eine ausreichende medizinische Ver-
        sorgung nur in einem Teil des Zielstaats der Abschiebung
        gewährleistet ist . Die geplante Regelung widerspricht
        jedoch der Rechtsprechung, nach der es bei der Beur-
        teilung der schwerwiegenden Gesundheitsgefahr auf die
        Zugangsmöglichkeit im jeweiligen Einzelfall ankommt
        und nicht pauschal der Zugang zu ausreichender Versor-
        gung angenommen werden kann .
        Bei ausreisepflichtigen Personen, insbesondere abge-
        lehnten Asylantragstellerinnen und Asylantragstellern,
        wird eine gesetzliche Vermutung aufgestellt, dass der
        Gesundheitszustand einer Abschiebung grundsätzlich
        nicht entgegensteht . Der Generalverdacht, dass diese
        Personen ihre Symptome lediglich vortäuschen, um nicht
        abgeschoben zu werden, ist empirisch nicht belegt . Dies
        gilt insbesondere für psychische Erkrankungen – vor al-
        lem für die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) .
        Psychische Erkrankungen sind aber als schwerwiegende
        und lebensbedrohliche Erkrankungen zu berücksichti-
        gen .
        In der Herkunftsregion, wo das Trauma gesetzt wur-
        de, gibt es in der Regel keine Voraussetzungen für eine
        erfolgreiche psychotherapeutische Behandlung . Die
        S3-Leitlinie Posttraumatische Belastungsstörung legt
        zudem dar, dass eine traumaspezifische Psychotherapie
        nicht allein durch eine Psychopharmakotherapie ersetzt
        werden kann . Zudem muss eine angemessene psychiatri-
        sche und psychotherapeutische Begutachtung von Asyl-
        suchenden gewährleistet sein . Die Einschränkung, dass
        eine medizinische Versorgung auch dann vorliegt, wenn
        sie nur in einem Teil des Zielstaates gewährleistet ist,
        muss dahin gehend präzisiert werden, dass das Erlangen
        der medizinischen Versorgung im konkreten Einzelfall
        realistisch möglich sein muss .
        Laut der geplanten Regelung soll künftig nur noch ein
        „qualifiziertes ärztliches Attest“ zu einer „Beeinträchti-
        gung“ der Abschiebung führen können . Es ist sachlich
        nicht nachvollziehbar, warum ein Attest nur durch einen
        approbierten Arzt oder Ärztin vorgelegt werden darf .
        Dies verstößt außerdem gegen das Psychotherapeuten-
        gesetz, welches die statusmäßige Gleichstellung von
        Psychologinnen und Psychologen und Psychotherapeu-
        tinnen und Psychotherapeuten mit den ärztlichen Berufs-
        gruppen vorsieht . Für die Bescheinigung psychischer
        Erkrankungen sollte allein fachlich spezialisiertes Perso-
        nal wie ärztliche Psychotherapeutinnen und Psychothe-
        rapeuten, Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie
        und Psychotherapie sowie Fachärztinnen und Fachärzte
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615634
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        für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder
        psychologische Psychotherapeutinnen und Psychothera-
        peuten zugelassen werden .
        Ohne Sprachverständigung wird es regelhaft nicht
        möglich sein, eine ärztliche Bescheinigung nach den
        im Gesetzentwurf genannten Kriterien zu erstellen . Zur
        Erstellung einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung
        müssen qualifizierte Dolmetscherinnen und Dolmetscher
        oder Dolmetscherdienste in ausreichender Zahl zur Ver-
        fügung stehen . Zudem muss gewährleistet sein, dass
        Ärztinnen und Ärzte auch im beschleunigten Verfahren
        ausreichend Zeit für das Ausstellen einer qualifizierten
        ärztlichen Bescheinigung zur Verfügung steht .
        Die Anforderung, eine Bescheinigung einer Posttrau-
        matischen Belastungsstörung (PTBS) unverzüglich nach
        der Abschiebungsandrohung vorzulegen, widerspricht
        Erkenntnissen der Wissenschaft, wonach eine PTBS teil-
        weise erst nach erheblichen Zeiträumen erkannt werden
        kann . Wird ein Gutachten nicht unmittelbar nach Erhalt
        der Abschiebungsandrohung vorgelegt, soll es keine Be-
        rücksichtigung mehr finden können. Dies ist nicht sachge-
        recht, insbesondere ist bei den geplanten beschleunigten
        Verfahren eine Berücksichtigung von Abschiebungshin-
        dernissen bei einer gesamten Verfahrensdauer innerhalb
        von zwei Wochen nahezu ausgeschlossen .
        In der Flüchtlingshilfe wurden aufgrund der unzurei-
        chenden Versorgung von Geflüchteten im gesundheitli-
        chen Regelsystem psychosoziale Zentren aufgebaut, da
        sie trotz dringender Behandlungsbedürftigkeit teilweise
        als Leistungsbeziehende nach dem Asylbewerberleis-
        tungsgesetz keinen Zugang zur Regelgesundheitsver-
        sorgung haben . Hier bestehen regelmäßig Wartezeiten
        von einem halben Jahr, teilweise von über einem Jahr .
        Aufgrund dieser Überlastung ist es umso schwieriger,
        zeitnah Gutachten zu erstellen, die eine Aussetzung der
        Abschiebung bewirken könnten .
        Petra Rode-Bosse (SPD): Angesichts der großen
        Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommt, ist es mir wich-
        tig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken,
        die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen
        heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medi-
        zinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkur-
        se anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr .
        Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Äm-
        tern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und
        Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen, um
        gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen
        zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist un-
        gebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der
        Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und
        das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen
        und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvorschläge
        Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die
        Registrierung der Ankommenden zügig vorangeht, dass
        Asylverfahren beschleunigt werden und dass Verfahren
        optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Vo-
        raussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die
        hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bil-
        dungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt
        werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staa-
        tes erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bür-
        ger ein Anrecht .
        In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
        den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
        und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
        in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
        Führungszeugnisses für Helfer und Helferinnen vorse-
        hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
        ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
        Grenzen vom Tisch ist .
        Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Fa-
        miliennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei
        Jahre auszusetzen, Probleme, zumal diese Regelung auch
        für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten soll .
        Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige
        Personen davon betroffen sein werden – 2015 erhielten
        nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller subsi-
        diären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennachzug
        fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus humanitä-
        ren Gründen nicht für richtig halte . Die Stellungnahmen
        der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind ernst zu nehmen,
        die vor dieser Maßnahme warnen . Ich gehe fest davon
        aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der
        Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das
        Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass vereinbart wurde, dass
        für unbegleitete Minderjährige im subsidiären Schutz
        eine Einzelfallprüfung zum Familiennachzug stattfin-
        den wird, und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinder-
        rechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht
        gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden
        dürfen . Außerdem begrüße ich, dass vereinbart wurde,
        dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge
        der Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden
        Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll .
        Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
        dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
        ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
        dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
        hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
        henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
        mit in unsere Gesellschaft .
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
        rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
        und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
        schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
        schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
        ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
        Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
        von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
        halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
        oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
        wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
        Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
        den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
        Land, das durch den demografischen Wandel dringend
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15635
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        auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
        für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
        tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
        Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
        Freunde werden .
        Ich stimme deshalb trotz der oben genannten Beden-
        ken, die ich auch in weiteren Debatten wieder einbringen
        werde, dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asyl-
        verfahren zu .
        Dr. Martin Rosemann (SPD): Angesichts der gro-
        ßen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir
        wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu
        danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge will-
        kommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie
        medizinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprach-
        kurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr .
        Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Äm-
        tern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und
        Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen, um
        gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen
        zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist un-
        gebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der
        Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und
        das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen
        und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvorschläge
        Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die
        Registrierung der Ankommenden zügig vorangeht, dass
        Asylverfahren beschleunigt werden und dass Verfahren
        optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Vo-
        raussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die
        hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bil-
        dungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt
        werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staa-
        tes erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bür-
        ger ein Anrecht .
        Das vorliegende „Asylpaket II“ ist ein Kompromiss .
        Für wesentlich halte ich diejenigen Punkte, mit denen
        Verfahren beschleunigt werden und die Registrierung
        verbessert wird . Wichtig ist auch die Verbesserung des
        Kinderschutzes in den Einrichtungen durch die Pflicht
        eines erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen
        und Helfer . Insbesondere begrüße ich, dass durch die
        jetzt gefundenen Regelungen der unsinnige und inhuma-
        ne Vorschlag von „Transitzentren“ an den Grenzen vom
        Tisch ist .
        Die Regelung, den Familiennachzug für subsidiär
        Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, halte ich
        für fragwürdig, zumal diese Regelung auch für unbe-
        gleitete minderjährige Flüchtlinge gelten soll . Allerdings
        betrifft sie lediglich eine kleine Zahl von Flüchtlingen .
        Ich begrüße in diesem Zusammenhang, dass vereinbart
        wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidi-
        ären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familiennach-
        zug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die
        UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach der
        Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge-
        trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver-
        einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für
        Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch-
        land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt
        werden soll .
        Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
        dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
        ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
        dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
        hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
        henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
        mit in unsere Gesellschaft .
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
        rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
        und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
        schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
        schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
        ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
        Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
        von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
        halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
        oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
        wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
        Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
        den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Der Zuzug von Flüchtlingen ist auch eine Chance
        für unser Land, das durch den demografischen Wan-
        del dringend auf junge Menschen angewiesen ist . Über
        50 Prozent sind unter 25 Jahren, 70 Prozent sind unter
        35 Jahren, mehr als ein Viertel sind Kinder . Jetzt gilt es,
        die notwendigen Investitionen dafür zu tätigen, aus mög-
        lichst vielen von ihnen die Fachkräfte von morgen zu
        machen . Ich setze mich dafür ein, dass die Menschen in
        unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flücht-
        lingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und
        unsere Freundinnen und Freunde werden .
        Ich stimme deshalb trotz einiger Bedenken in Ein-
        zelpunkten dem Gesetz zur Einführung beschleunigter
        Asylverfahren zu .
        Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Der vorliegende
        Gesetzentwurf ist ein Kompromiss zwischen den Koali-
        tionsparteien . Die SPD konnte den Ursprungsentwurf in
        wesentlichen Bereichen verbessern .
        Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ha-
        ben uns in wichtigen Punkten durchgesetzt . Es wird kei-
        ne „Transitzonen“ an deutschen Grenzen geben . Damit
        verhindern wir, dass Menschen unter Haftbedingungen
        auf ihr Verfahren warten müssen . Stattdessen werden
        wir dezentrale Registrierzentren einrichten, die nötig
        sind, um ein effektives Verfahren für die Asylsuchenden
        durchführen zu können .
        Wir werden für verschiedene Gruppen die Verfahren
        beschleunigen . Über den Asylantrag entscheidet zu-
        künftig das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
        (BAMF) innerhalb von einer Woche, Rechtsbehelfsver-
        fahren sollen in zwei Wochen abgeschlossen werden .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615636
        (A) (C)
        (B) (D)
        Grundsätzlich ist der Familiennachzug bei Flüchtlin-
        gen eine wichtige Maßnahme zur Integration und eine
        Frage der Humanität . Die jetzt verabredete zeitlich be-
        fristete Einschränkung des Familiennachzugs für Flücht-
        linge mit nicht langfristiger Bleibeperspektive darf nun
        nicht im Gegenzug dazu führen, dass die Vergabe der
        subsidiären Schutzbedürftigkeit ausgedehnt wird . Ich
        vertraue hier auf das Wort des Bundesinnenministers,
        das er der SPD-Bundestagsfraktion am 23 . Februar 2016
        zum Verfahren und Vorgehen seiner Person gegeben hat .
        Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben
        dieser Regelung zugestimmt, weil der Familiennachzug
        auf zwei Jahre befristet ausgesetzt wird und ansonsten
        der gesamte Kompromiss mit der CDU/CSU in Frage ge-
        standen hätte . Ich gehe davon aus, dass der Elternnach-
        zug zu minderjährigen Flüchtlingen möglich bleibt und
        in jedem Einzelfall geprüft wird .
        Eine gute Maßnahme stellt die Pflicht zur Vorlage ei-
        nes erweiterten Führungszeugnisses bei Beschäftigung
        oder regelmäßig Engagierten in einer Flüchtlingsunter-
        kunft dar . Das kann jedoch nur ein Baustein eines umfas-
        senden Schutzkonzeptes sein . Bedauerlicherweise sind
        keine weiteren bindenden Schutzbestimmungen vorgese-
        hen . Die Länder werden nun noch weitere Maßnahmen
        folgen lassen . Ich will zusätzlich darauf hinwirken, dass
        auch der Bund sein Schutzkonzept erweitert .
        Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
        dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
        ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
        dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
        hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
        henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
        mit in unsere Gesellschaft .
        Nach den Asylpaketen muss es jetzt darum gehen, ei-
        nen umfassenden Integrationsplan zu erarbeiten . Daher
        begrüße ich, dass jetzt in Abstimmung zwischen den Mi-
        nisterien Maßnahmen für ein Integrationsgesetz erarbei-
        tet werden . Dazu gehören unter anderem auch ein aus-
        reichendes Angebot von Integrationskursen, aber auch
        Investitionen in Schule, Kitas und den Wohnungsbau
        sowie Erleichterungen für den Zugang auf den Arbeits-
        markt .
        Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
        von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 fest-
        gehalten ist:
        „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder
        dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir
        die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Er-
        lernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den
        Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        In Abwägung und Bewertung dieser Sachverhalte
        stimme ich dem Gesamtpaket zu .
        Ein besonderer Dank gilt den hauptamtlichen und eh-
        renamtlichen Kräften, die sich mit großem Engagement
        in den Unterkünften, in Sprachkursen, bei der Begleitung
        zu Ämtern, in Integrationsmaßnahmen und in unzähligen
        weiteren Bereichen betätigen .
        Annette Sawade (SPD): Angesichts der großen Zahl
        der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig,
        den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die
        sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen,
        Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver-
        sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten,
        sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank
        gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohl-
        fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisati-
        onen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingun-
        gen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die
        Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist
        großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet,
        die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftli-
        che Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch
        neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es
        kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der An-
        kommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be-
        schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden .
        Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute
        Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können,
        schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und
        Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier
        wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf
        haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht .
        In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
        den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
        und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
        in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
        Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
        hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
        ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
        Grenzen vom Tisch ist .
        Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den
        Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
        zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese
        Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht-
        linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt
        nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer-
        den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
        Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von
        Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das
        ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Die
        Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind
        ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Ich
        finde das mit christlichen Werten schwer vereinbar. Ich
        gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen
        Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen
        wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass ver-
        einbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im
        subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien-
        nachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei
        die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach
        der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge-
        trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver-
        einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für
        Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15637
        (A) (C)
        (B) (D)
        land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt
        werden soll .
        Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
        dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
        ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
        dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
        hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
        henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
        mit in unsere Gesellschaft .
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
        rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
        und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
        schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
        schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
        ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
        Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
        von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
        halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
        oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
        wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
        Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
        den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
        Land, das durch den demografischen Wandel dringend
        auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
        für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
        tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
        Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
        Freunde werden .
        Deshalb ist es dringend erforderlich, über die bereits
        genannten Verbesserungen der Integration hinaus weite-
        re konstruktive und vor allem schnell umsetzbare Inte-
        grationsmaßnahmen rasch und mit weniger Bürokratie
        umzusetzen . Der Zwölf-Punkte-Plan vom 1 . Dezember
        2015 der SPD-Politikerinnen Malu Dreyer, Manuela
        Schwesig, Andrea Nahles, Barbara Hendricks und Aydan
        Özoğuz ist ein erster Schritt, dem konkrete Vorgaben fol-
        gen müssen .
        Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe-
        ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder
        einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu-
        nigter Asylverfahren zu .
        Dr. Nina Scheer (SPD): Den heutigen Entscheidun-
        gen zum Asylpaket II kann ich mich in vielen Punkten
        nicht anschließen . So halte ich es sowohl aus humanitä-
        ren als auch integrationsspezifischen Gründen prinzipiell
        für verfehlt, den Familiennachzug zu subsidiär Geschütz-
        ten auszusetzen . Ferner vermisse ich in den betreffenden
        Neuerungen über zu beschleunigende Verfahren, dass
        Aufklärung und Informationen über Rechtsschutz si-
        chergestellt werden . Zudem halte ich den Umgang mit
        psychisch Erkrankten für verfehlt . Die betreffenden Re-
        gelungen setzen meines Erachtens eine zu große Hürde,
        um Menschen mit Traumata in einer human vertretbaren
        Weise gerecht zu werden .
        Bereits die genannten Fragen wären für mich Grund,
        den vorliegenden Gesetzesänderungen nicht zuzustim-
        men .
        Die Neuregelungen enthalten allerdings auch Maß-
        nahmen, die meines Erachtens im Gesamtgefüge drin-
        gend erforderlich sind . Hierzu zählen Regelungen über
        in Aufnahmeeinrichtungen zu beschäftigende Personen,
        die deren Rechtstreue gewährleisten, auch um das Risiko
        von sexuellen Übergriffen auf Minderjährige zu reduzie-
        ren. Zudem erachte ich es für sinnvoll, die Identifizierung
        von Flüchtlingen besser zu gewährleisten und besser zu
        koordinieren .
        In einer Abwägung käme ich nach meiner rein per-
        sönlichen Überzeugung mit Blick auf die Punkte, die ich
        für sich genommen für nicht vertretbar halte, zu einer
        Ablehnung . Eine solche Abwägung entspräche meiner
        sozialdemokratischen, humanistischen sowie einer auf
        die Ordnungsstrukturen unseres Rechtsstaates bedachten
        Grundhaltung .
        Eine solche Abwägung ließe aber das demokratische
        Gestaltungsgefüge und eine politische Gesamtbetrach-
        tung außer Acht . Eine Entscheidung innerhalb einer Koa-
        lition setzt immer auch die Bereitschaft für eine Einigung
        beider Seiten voraus . In der Asyl- und Flüchtlingspoli-
        tik sind die Grundhaltungen der Koalitionspartner sehr
        unterschiedlich . Dies verunmöglicht geradezu eine ge-
        meinsame Haltung und gesetzliche Fortentwicklung des
        betreffenden Rechtsrahmens – und dies in einer für die
        Stabilität unseres Landes so zentralen Frage . Eben dies
        spiegelt sich auch im Asylpaket II wider . Insofern muss
        auch die eigene Erwartung an asylgesetzliche Regelun-
        gen die gegebenen divergierenden Grundhaltungen ein-
        beziehen .
        Somit muss auch erkannt werden: Die vorliegenden
        Regelungen enthalten nicht die Einrichtung von Transit-
        zonen . Sie enthalten auch keine Festlegung von Ober-
        grenzen . Sie enthalten ferner nicht ein Aussetzen des Fa-
        miliennachzuges für Bürgerkriegsflüchtlinge.
        Angesichts der gesamtpolitischen Bedeutung der be-
        treffenden Fragen erkenne ich in Bezug auf die anstehen-
        den Entscheidungen in einem Nein oder einer Enthaltung
        in der gegenwärtigen Situation zugleich eine Einfallstür
        für Vorhalte von Populisten und volksverhetzenden Stim-
        men . Uneinigkeit in den Asyl- und Flüchtlingsfragen
        wird von Rechtspopulisten instrumentalisiert, um die
        Regierungsfähigkeit der Bundeskanzlerin und der Regie-
        rungskoalition infrage zu stellen und auf dem Wege der
        Angstmacherei Stimmen zu gewinnen . Zu Ende gedacht
        können in ebendieser Uneinigkeit Mandate der AfD bei
        den anstehenden Landtagswahlen liegen oder aber im
        Bundestag, sollte es über einen Bruch der Großen Koali-
        tion zu Neuwahlen kommen . Dies muss in der gegenwär-
        tigen Situation insbesondere mit Blick auf die gesamteu-
        ropäische Perspektive vermieden werden .
        Mein Ja ist kein Ja zum Asylpaket II . Mein Ja ist von
        der Erwägung getragen, welche politische Folge ein Nein
        oder eine Enthaltung meiner Fraktion in letzter Konse-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615638
        (A) (C)
        (B) (D)
        quenz mit Blick auf das derzeitige – auch europäische –
        Gesamtgefüge nach sich zöge . Ein Nein im Vertrauen
        darauf, dass meine Fraktion dies mit mehr Jastimmen
        ausgleicht, ist dabei wohlgemerkt für mich und mein Po-
        litikverständnis kein gangbarer Weg .
        Udo Schiefner (SPD): In der aktuellen Situation
        kommt es darauf an, dass die Registrierung ankom-
        mender Flüchtlinge schnell geht, dass Asylverfahren
        beschleunigt werden und dass Verfahren optimiert wer-
        den . Schnellere Verfahren sind Voraussetzung für gute
        Integration, damit diejenigen, die hierbleiben können,
        schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und
        Integration in Arbeit unterstützt werden können .
        Aus dem vorliegenden „Asylpaket II“ ist wichtig, jetzt
        schnell die Punkte durchzusetzen, die die Verfahren be-
        schleunigen und die Registrierung verbessern sowie den
        Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht ei-
        nes erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und
        Helfer vorsehen .
        Große Probleme hingegen habe ich mit der Zustim-
        mung zu der Regelung, den Familiennachzug für subsi-
        diär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, zu-
        mal diese Regelung auch für unbegleitete minderjährige
        Flüchtlinge gelten soll . Das ist ein Zeichen, das ich aus
        humanitären Gründen für nicht richtig halte .
        Ich begrüße aber, dass vereinbart wurde, dass für un-
        begleitete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Ein-
        zelfallprüfung zum Familiennachzug stattfinden wird,
        und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskon-
        vention angewandt wird . Außerdem begrüße ich, dass
        vereinbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingen-
        te für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in
        Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berück-
        sichtigt werden soll .
        Positiv sehe ich zudem die zwischen den Koalitions-
        partnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren
        Gesetzgebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umge-
        setzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijäh-
        rige Ausbildung machen, ein zweijähriges Bleiberecht
        danach haben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze
        für ausbildungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf
        25 Jahre hochzusetzen . Alles das dient der Integration
        von geflohenen jungen Menschen in unseren Arbeits-
        markt und damit in unsere Gesellschaft .
        Ich stimme trotz meiner benannten Bedenken dem
        Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren zu .
        Die wichtigen und jetzt notwendigen Schritte überwie-
        gen die zu kritisierenden am gefundenen Kompromiss .
        Dr. Dorothee Schlegel (SPD): Angesichts der gro-
        ßen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns gekommen sind, ist
        es mir wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich
        zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge will-
        kommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie
        medizinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprach-
        kurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr .
        Dieser Dank gilt auch den Hauptamtlichen in kommu-
        nalen Ämtern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuer-
        wehr und Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich ein-
        setzen, um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen
        Menschen zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Men-
        schen ist ungebrochen . Das ist großartig .
        Gleichzeitig wird von der Politik erwartet, die Arbeit
        vor Ort in den Kommunen und das zivilgesellschaftli-
        che Engagement zu unterstützen und nicht durch weite-
        re neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten .
        Dringender denn je kommt es jetzt darauf an, dass die
        Registrierung der Ankommenden zügig geschieht, dass
        die Bearbeitung von Asylverfahren beschleunigt wird
        und die Verfahrensabläufe vor allem optimiert werden .
        Schnellere Verfahren sind die beste Voraussetzung für
        gute Integration, damit diejenigen, die hierbleiben kön-
        nen, zeitnah durch Sprachkurse, Bildungs- und Ausbil-
        dungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt
        werden können . Hier wird von den Bürgerinnen und
        Bürgern zu Recht die Handlungsfähigkeit des Staates er-
        wartet .
        In dem nun vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich
        deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren be-
        schleunigen und die Registrierung verbessern sowie den
        Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht ei-
        nes erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und
        Helfer vorsehen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch
        der unsinnige und inhumane Vorschlag von „Transitzen-
        tren“ an den Grenzen vom Tisch ist .
        Große Probleme bereitet mir jedoch die Zustimmung
        zu der Regelung, den Familiennachzug für subsidi-
        är Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen . Denn
        diese Regelung soll auch für unbegleitete minderjäh-
        rige Flüchtlinge gelten . Auch wenn in der Realität ins-
        gesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein
        werden – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der bereits ent-
        schiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, und es fan-
        den nur 105 Fälle von Familiennachzug statt –, ist das
        ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen absolut
        nicht für richtig halte und für mich mit meinen christli-
        chen Werten nicht vereinbar ist . Die Stellungnahmen der
        Kirchen und ihrer Hilfswerke, die vor dieser Maßnahme
        warnen, nehme ich hierbei sehr ernst . Ich gehe fest da-
        von aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung
        der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es
        das Gesetz vorsieht . Ich begrüße die Vereinbarung, dass
        für unbegleitete Minderjährige im subsidiären Schutz
        eine Einzelfallprüfung zum Familiennachzug stattfinden
        wird . Ich setze ebenso darauf, dass hierbei die UN-Kin-
        derrechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder
        nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt wer-
        den dürfen . Außerdem begrüße ich die Vereinbarung,
        dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge
        der Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden
        Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll . Denn
        unser Staat hat sich per Grundgesetz dazu verpflichtet,
        Familien zu fördern, und nicht, Familien zu verhindern .
        Vielleicht wird ein Familiennachzug kurzfristig zu einer
        Belastung führen . Langfristig wird er aber die Integration
        ganz sicher deutlich erleichtern . Ich bin der festen Über-
        zeugung, dass ein legaler Familiennachzug vor allem ein
        Zeichen der Mitmenschlichkeit gegenüber Menschen in
        großer Not ist .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15639
        (A) (C)
        (B) (D)
        Sehr positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspart-
        nern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren
        Gesetzgebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umge-
        setzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijäh-
        rige Ausbildung absolvieren, danach ein zweijähriges
        Bleiberecht erhalten . Ebenso ist vereinbart, die Alters-
        grenze für ausbildungsunterstützende Maßnahmen von
        21 auf 25 Jahre hochzusetzen . Alles das dient der Inte-
        gration von geflohenen jungen Menschen in unseren Ar-
        beitsmarkt und damit in unsere Gesellschaft .
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir jetzt umgehend und vorrangig ein förderndes und
        forderndes Integrationsgesetz zur Verbesserung des Zu-
        gangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit
        für Asylsuchende auf den Weg bringen . Dies schafft so-
        ziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Menschen, die zu
        uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebens-
        unterhalt selbst verdienen können .
        Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
        von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
        halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
        oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
        wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
        Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
        den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
        Land und unsere Kommunen, die durch den demogra-
        fischen Wandel dringend auf junge Menschen angewie-
        sen sind . Ich setze mich dafür ein, dass die Menschen in
        unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flücht-
        lingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und
        unsere Freundinnen und Freunde werden .
        Ich stimme, trotz der oben genannten für mich schwer-
        wiegenden Bedenken, dem Gesetz zur Einführung be-
        schleunigter Asylverfahren zu .
        Stefan Schwartze (SPD): Die große Zahl an Hilfe-
        suchenden, die vor Krieg, Unterdrückung und Vertrei-
        bung zu uns nach Europa flüchten, stellt unser Land vor
        eine der größten Herausforderungen, die wir bisher in der
        Bundesrepublik Deutschland zu bewältigen haben . Seit
        Wochen und Monaten ist sowohl die Außen- als auch die
        Innenpolitik aktiv tätig, um die Situation zu entspannen .
        Manche Entscheidung wirkt sofort und bringt messbaren
        Erfolg, andere Maßnahmen wirken verzögert und sind
        nicht unmittelbar sichtbar, wieder andere Handlungen
        werden erst in Monaten oder Jahren ihre volle Wirkung
        entfalten .
        Außenpolitisch werden Maßnahmen in Zusammen-
        arbeit mit der Türkei zur Sicherung der EU-Außengren-
        zen ergriffen, um einen Rückgang der Flüchtlingszahlen
        zu erreichen . Erst dann können wir die Aufnahme von
        Flüchtlingen durch Kontingente steuern . Ganz wesent-
        lich sind die unermüdlichen Bemühungen von Frank-
        Walter Steinmeier, zu einer Waffenruhe in Syrien zu
        kommen . Der andauernde Einsatz zur Verbesserung der
        Lebenssituation in den Flüchtlingslagern ist ein weiterer
        Schritt zur Bekämpfung der Fluchtursachen .
        Innenpolitisch erweitern wir mit dem Gesetz zur Ein-
        führung beschleunigter Asylverfahren Maßnahmen mit
        dem Ziel, mehr Ordnung bei der Aufnahme von Flücht-
        lingen zu erreichen . Dies kann nur erfolgreich sein, wenn
        wir schnellere Asylverfahren haben und auch die, die
        keine Bleiberechtsperspektive haben, zügig in ihre Hei-
        matländer rückführen . Dies gilt insbesondere für Men-
        schen aus sicheren Herkunftsstaaten, für Menschen mit
        Wiedereinreisesperren oder für diejenigen, die keine Be-
        reitschaft zeigen, bei der Prüfung der Asylberechtigung
        wahrheitsgetreu mitzuwirken . Für diesen Personenkreis
        gilt auch eine verschärfte Residenzpflicht, und eine
        Rückführung soll unmittelbar aus der Aufnahmeeinrich-
        tung erfolgen . Ich bin froh, dass wir in der politischen
        Diskussion verhindern konnten, dass an unseren Gren-
        zen riesige Auffanglager für mehrere Tausend Flüchtlin-
        ge entstehen . Dies hat die SPD mit der Schaffung dieser
        besonderen Aufnahmeeinrichtungen verhindert .
        Ein weiterer Bestandteil des Gesetzes ist die Ausset-
        zung des Familiennachzuges für subsidiär Schutzberech-
        tigte befristet für zwei Jahre . Dieser Regelung stehe ich
        ablehnend gegenüber . Der Aufschub gilt nur für eine
        relativ kleine Gruppe der subsidiär Schutzberechtigten,
        nicht aber für Flüchtlinge, die als Asylbewerber oder als
        Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention an-
        erkannt werden . Einer gesonderten Regelung bedürfte es
        nach meiner Meinung nicht . Daher bin ich froh, dass wir
        für minderjährige Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz
        eine Härtefallklausel durchsetzen konnten . In dringen-
        den humanitären Fällen bleibt der Nachzug der Eltern
        möglich und wird in einer Einzelfallbetrachtung durch
        das Auswärtige Amt im Einvernehmen mit dem Bundes-
        innenministerium entschieden .
        Die Länder und insbesondere die Kommunen und Eh-
        renamtlichen leisten einen außerordentlichen Beitrag bei
        der Unterbringung der Flüchtlinge . Die Veränderungen
        im Asylverfahren erfolgen auch, um insbesondere die
        Kommunen zu entlasten . Sie brauchen die Möglichkeit,
        ihre Ressourcen bündeln zu können, um in einem weite-
        ren Schritt die nächste große Aufgabe angehen zu kön-
        nen – die Integration für diejenigen Menschen zu bieten,
        die bei uns bleiben werden .
        Das ist eine enorme Aufgabe, die unser Land nachhal-
        tig prägen wird . Ich bin überzeugt, dass wir es schaffen,
        die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden . Das bedeu-
        tet: Wir müssen von Anfang an unsere volle Konzentrati-
        on auf Spracherwerb, Schulbildung und Eingliederung in
        den Arbeitsmarkt richten . Daher begrüße ich, dass zwi-
        schen den Koalitionspartnern die Vereinbarung getroffen
        wurde, in einem weiteren Gesetzgebungsverfahren ein
        zweijähriges Bleiberecht für diejenigen Menschen umzu-
        setzen, die eine dreijährige Ausbildung absolviert haben .
        Zudem wollen wir die Altersgrenze für ausbildungsun-
        terstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochset-
        zen . Dies und weitere Maßnahmen sind der Grundstein
        für eine erfolgreiche Integration . Deswegen werde ich
        mich als Sozialdemokrat auch für ein Integrationsförd-
        ergesetz einsetzen .
        Nach Abwägung aller aufgeführten Aspekte werde ich
        dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Verfahren zu-
        stimmen .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615640
        (A) (C)
        (B) (D)
        Norbert Spinrath (SPD): Angesichts der großen Zahl
        der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig,
        den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die
        sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen,
        Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver-
        sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten,
        sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank
        gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohl-
        fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisati-
        onen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingun-
        gen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die
        Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist
        großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet,
        die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftli-
        che Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch
        neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es
        kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der An-
        kommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be-
        schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden .
        Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute
        Integration, damit diejenigen, die hierbleiben können,
        schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und
        Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier
        wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf
        haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht .
        In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
        den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
        und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
        in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
        Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
        hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
        ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
        Grenzen vom Tisch ist .
        Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den
        Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
        zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese
        Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht-
        linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt
        nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer-
        den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
        Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von
        Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das
        ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Die
        Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind
        ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Ich
        finde das mit christlichen Werten schwer vereinbar. Ich
        gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen
        Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen
        wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass ver-
        einbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im
        subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien-
        nachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei
        die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach
        der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge-
        trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver-
        einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für
        Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch-
        land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt
        werden soll .
        Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
        dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht nach Ab-
        schluss der Ausbildung haben . Ebenso ist vereinbart, die
        Altersgrenze für ausbildungsunterstützende Maßnahmen
        von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen . Alles das dient der
        Integration von geflohenen jungen Menschen in unseren
        Arbeitsmarkt und damit in unsere Gesellschaft .
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
        rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
        und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
        schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
        schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
        ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
        Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
        von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
        halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
        oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
        wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
        Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
        den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
        Land, das durch den demografischen Wandel dringend
        auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
        für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
        tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
        Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
        Freunde werden .
        Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe-
        ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder
        einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu-
        nigter Asylverfahren zu .
        Sonja Steffen (SPD): In dem Gesetz gibt es einige
        Punkte, die ich begrüße: beispielsweise die Beschleuni-
        gung der Verfahren, die Erweiterung der Aufgaben der
        Bundespolizei, die Einführung polizeilicher Führungs-
        zeugnisse für Beschäftigte in Flüchtlingsunterkünften
        und der Leistungsbezug erst nach Registrierung .
        Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den
        Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
        zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese
        Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlin-
        ge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur
        sehr wenige Personen davon betroffen sein werden (2015
        erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragsstel-
        ler subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familien-
        nachzug fanden statt), ist das ein Zeichen, das ich aus
        humanitären Gründen nicht für richtig halte . Ich gehe fest
        davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung
        der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es
        das Gesetz vorsieht . Im Übrigen habe ich auch verfas-
        sungsrechtliche Zweifel an der Regelung .
        Ich begrüße, dass vereinbart wurde, dass für unbeglei-
        tete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzel-
        fallprüfung zum Familiennachzug stattfinden wird, und
        setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskonven-
        tion angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15641
        (A) (C)
        (B) (D)
        Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen . Außer-
        dem begrüße ich, dass vereinbart wurde, dass innerhalb
        künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennach-
        zug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vor-
        rangig berücksichtigt werden soll .
        Gleichermaßen Schwierigkeiten bereitet mir die Ver-
        schärfung der gesundheitlichen Abschiebehindernisse .
        Hier gehe ich jedoch davon aus, dass die Ärztinnen und
        Ärzte ihre Aufgabe der Feststellung bedrohlicher Erkran-
        kungen sehr ernst nehmen werden .
        Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
        dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
        ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
        dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
        hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
        henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
        mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen
        beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrati-
        onsgesetz zur Verbesserung des Zugangs zu Sprachkur-
        sen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende
        auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und
        sorgt dafür, dass die Menschen, die zu uns geflohen sind,
        so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst ver-
        dienen können .
        Ich stimme deshalb trotz der obengenannten schwe-
        ren Bedenken dem Gesetz zur Einführung beschleunigter
        Asylverfahren zu .
        Kerstin Tack (SPD): Angesichts der großen Zahl der
        Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig, den
        vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die sich
        vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen,
        Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver-
        sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten,
        sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank
        gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohl-
        fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisati-
        onen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingun-
        gen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die
        Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist
        großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet,
        die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftli-
        che Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch
        neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es
        kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der An-
        kommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be-
        schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden .
        Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute
        Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können,
        schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und
        Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier
        wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf
        haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht .
        In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
        den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
        und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
        in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
        Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
        hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
        ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
        Grenzen vom Tisch ist .
        Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den
        Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
        zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese
        Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht-
        linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt
        nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer-
        den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
        Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von
        Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das
        ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Die
        Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind
        ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Ich
        gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen
        Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen
        wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass ver-
        einbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im
        subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien-
        nachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei
        die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach
        der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge-
        trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver-
        einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für
        Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch-
        land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt
        werden soll .
        Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
        dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
        ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
        dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
        hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
        henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
        mit in unsere Gesellschaft .
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
        rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
        und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
        schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
        schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
        ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
        Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
        von CDU, CSU und SPD vom 5 .11 .2015 festgehalten ist:
        „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dau-
        erhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die
        Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erler-
        nen der deutschen Sprache und ihre Integration in den
        Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
        Land, das durch den demografischen Wandel dringend
        auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
        für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
        tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
        Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
        Freunde werden .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615642
        (A) (C)
        (B) (D)
        Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe-
        ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder
        einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu-
        nigter Asylverfahren zu .
        Michael Thews (SPD): Angesichts der großen Zahl
        der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig,
        den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die
        sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen,
        Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver-
        sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten,
        sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank
        gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohl-
        fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisati-
        onen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingun-
        gen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die
        Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist
        großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwar-
        tet, durch die Gesetzgebung die Arbeit in den Kommunen
        und das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstüt-
        zen und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvor-
        schläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an,
        dass die Registrierung der Ankommenden zügig voran-
        geht, dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass
        Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind
        auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejeni-
        gen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse,
        Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unter-
        stützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des
        Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und
        Bürger ein Anrecht .
        In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
        den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
        und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
        in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
        Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
        hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
        ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
        Grenzen vom Tisch ist .
        Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Fa-
        miliennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei
        Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese Rege-
        lung auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
        gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr
        wenige Personen davon betroffen sein werden – 2015 er-
        hielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller
        subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennach-
        zug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus huma-
        nitären Gründen nicht für richtig halte .
        Ich hätte mir gewünscht, dass im Verfahren die Stel-
        lungnahmen der AWO, ProAsyl und anderen mehr Be-
        achtung gefunden hätten .
        Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijähri-
        gen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenom-
        men wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass
        vereinbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im
        subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien-
        nachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei
        die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach
        der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge-
        trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver-
        einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für
        Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch-
        land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt
        werden soll .
        Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
        dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
        ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
        dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
        hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
        henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
        mit in unsere Gesellschaft .
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesserung
        des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
        und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
        schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
        schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
        ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können
        Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
        von CDU, CSU und SPD vom 5 .11 .2015 festgehalten
        ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder
        dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir
        die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Er-
        lernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den
        Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
        Land, das durch den demografischen Wandel dringend
        auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
        für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
        tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
        Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
        Freunde werden .
        Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe-
        ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder
        einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu-
        nigter Asylverfahren zu .
        Dr. Karin Thissen (SPD): Angesichts der großen
        Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wich-
        tig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken,
        die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen
        heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizi-
        nisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse
        anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Die-
        ser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern,
        bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfs-
        organisationen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute
        Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen zu
        schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist unge-
        brochen . Das ist großartig .
        Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die
        Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftliche
        Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch
        neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten .
        Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15643
        (A) (C)
        (B) (D)
        Ankommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be-
        schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden .
        Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute
        Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können,
        schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und
        Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier
        wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf
        haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht .
        In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
        den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
        und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
        in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
        Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
        hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
        ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
        Grenzen vom Tisch ist .
        Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den
        Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
        zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese
        Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht-
        linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt
        nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer-
        den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
        Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von
        Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das
        ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Die
        Stellungnahmen der Vereine und Verbände aus den Be-
        reichen Menschenrechte, Asyl und Migration, die vor
        dieser Maßnahme warnen, nehme ich sehr ernst . Ich gehe
        jedoch fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen
        Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen
        wird, wie es das Gesetz vorsieht .
        Ich begrüße, dass vereinbart wurde, dass für unbeglei-
        tete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzel-
        fallprüfung zum Familiennachzug stattfinden wird, und
        setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskonven-
        tion angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren
        Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen . Außer-
        dem begrüße ich, dass vereinbart wurde, dass innerhalb
        künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennach-
        zug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vor-
        rangig berücksichtigt werden soll .
        Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
        dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
        ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
        dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
        hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
        henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
        mit in unsere Gesellschaft .
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
        rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
        und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
        schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
        schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
        ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
        Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
        von CDU, CSU und SPD vom 5 .11 .2015 festgehalten ist:
        „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dau-
        erhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die
        Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erler-
        nen der deutschen Sprache und ihre Integration in den
        Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
        Land, das durch den demografischen Wandel dringend
        auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
        für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
        tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
        Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
        Freunde werden .
        Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe-
        ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder
        einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu-
        nigter Asylverfahren zu .
        Carsten Träger (SPD): Angesichts der großen Zahl
        der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig,
        den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die
        sich vor Ort engagieren . Mein Dank gilt auch denjenigen
        in kommunalen Ämtern, bei Wohlfahrtsverbänden, Po-
        lizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen, die sich uner-
        müdlich einsetzen, um gute Bedingungen für die zu uns
        geflohenen Menschen zu schaffen. Die Hilfsbereitschaft
        der Menschen ist ungebrochen . Das ist großartig .
        Von der Politik wird erwartet, die Arbeit in den Kom-
        munen und das zivilgesellschaftliche Engagement zu un-
        terstützen und nicht dauernd durch neue Verschärfungs-
        vorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf
        an, dass die Registrierung der Ankommenden zügig vor-
        angeht, dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass
        Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind
        auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejeni-
        gen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse,
        Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unter-
        stützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des
        Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und
        Bürger ein Anrecht .
        In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
        den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
        und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
        in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
        Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
        hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
        ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
        Grenzen vom Tisch ist .
        Bedenken habe ich zu der Regelung, den Familien-
        nachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre
        auszusetzen, zumal diese Regelung auch für unbegleite-
        te minderjährige Flüchtlinge gelten soll . Auch wenn in
        der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon
        betroffen sein werden – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent
        der entschiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, und
        nur 105 Fälle von Familiennachzug fanden statt –, ist das
        ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen nicht für
        richtig halte . Die Stellungnahmen der Kirchen und ihrer
        Hilfswerke sind ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnah-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615644
        (A) (C)
        (B) (D)
        me warnen. Ich finde das mit christlichen Werten schwer
        vereinbar . Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der
        zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder
        aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich be-
        grüße, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete Min-
        derjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung
        zum Familiennachzug stattfinden wird, und setze darauf,
        dass hierbei die UN-Kinderrechtskonvention angewandt
        wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren
        Eltern getrennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich,
        dass vereinbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontin-
        gente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in
        Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berück-
        sichtigt werden soll .
        Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
        getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
        gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
        das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
        dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
        ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
        dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
        hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
        henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
        mit in unsere Gesellschaft .
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
        rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
        und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
        schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
        schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
        ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
        Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
        von CDU, CSU und SPD vom 5 .11 .2015 festgehalten ist:
        „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dau-
        erhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die
        Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erler-
        nen der deutschen Sprache und ihre Integration in den
        Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
        Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
        Land, das durch den demografischen Wandel dringend
        auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
        für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
        tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
        Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
        Freunde werden .
        Ich stimme deshalb trotz der genannten Bedenken dem
        Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren zu .
        Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Das von der Bundesregierung und der Koalition vorge-
        legte Asylpaket II wird die bestehenden Probleme kaum
        lösen . Es bleibt in den meisten Punkten Symbolpolitik
        und wagt sich an die grundlegenden Probleme nicht he-
        ran . Die Beschränkung beim Familiennachzug für Per-
        sonen mit sogenanntem subsidiärem Schutz wird nur
        wenige betreffen und damit kaum Entlastung schaffen .
        Gleichzeitig werden die Betroffenen darunter leiden,
        wenn sie über Jahre von ihren Familien getrennt bleiben .
        Es ist damit zu rechnen, dass sich viele der Angehörigen
        dann auf den Weg über das Meer machen werden . Das
        kann nicht das Ziel unserer Politik sein, weil wir diese
        Menschen schließlich dennoch bei uns aufnehmen müs-
        sen . Unter anderem deswegen kann ich den Vorschlägen
        im Gesamtpaket nicht zustimmen, auch wenn ich Teile
        davon richtig finde.
        Sinnvoll sind zentrale Aufnahmeeinrichtungen, in de-
        nen Gruppen von Asylbewerbern mit geringer Erfolgs-
        aussicht Schnellverfahren durchlaufen sollen . Angesichts
        der großen Zahl an Asylbewerbern ist es dringend nötig,
        Möglichkeiten zu schaffen, welche die Verfahren be-
        schleunigen und die Kommunen entlasten . Es hat wenig
        Sinn, alle Ankommenden gleich auf die Kommunen zu
        verteilen und den kommunalen Einrichtungen dann bei
        Nichtanerkennung des Flucht- oder Asylgrundes die
        Rückführung in die Heimatländer aufzuerlegen . Da es
        in Deutschland keine funktionierende Möglichkeit zur
        legalen Einwanderung gibt, weichen viele auf das Asyl-
        verfahren aus . Das überlastet die Behörden und verzögert
        die Anerkennung und Integration von denjenigen, denen
        wir Schutz gewähren müssen . Wo Leben oder Freiheit
        im Herkunftsland bedroht sind, wollen und müssen wir
        helfen . Dieses Recht auf Schutz müssen wir durchsetzen
        und dafür sorgen, dass diese Menschen so schnell wie
        möglich integriert werden . Gleichzeitig müssen wir je-
        doch denen, die nachweisbar keinen Anspruch auf Schutz
        haben, diesen auch wirksam verwehren können . Zentrale
        Aufnahmeeinrichtungen mit beschleunigten Verfahren
        können hierzu sinnvoll sein .
        Das Grundproblem der derzeitigen Asylpolitik wird
        jedoch mit dem gesamten Gesetzespaket nicht gelöst .
        Weil es in Deutschland kein modernes Einwanderungs-
        recht gibt, werden alle, die in ihren Herkunftsländern kei-
        ne Perspektive sehen, auf lebensgefährliche Fluchtrouten
        und schließlich bei uns in ein Asylverfahren gedrängt .
        Die derzeitige chaotische Situation bei der Flüchtlings-
        aufnahme ist vor allem der Ignoranz der Bundesregie-
        rung in den vergangenen Jahren geschuldet . Seit Jahren
        ertrinken Menschen im Mittelmeer . Jahrelang wurden
        Länder wie Italien und Griechenland mit den Problemen
        allein gelassen . Schon lange hätte deswegen etwas ge-
        schehen müssen, um den Flüchtlingen Alternativen zu
        bieten . Auch zukünftig werden Menschen zu uns kom-
        men wollen, weil sie in ihren Ländern keine Perspektive
        sehen . Solange es keine legale Möglichkeit zur Einwan-
        derung gibt, wird kein Meer und kein Stacheldraht Men-
        schen daran hindern, sich auf den Weg zu machen und ihr
        Glück zumindest zu versuchen .
        Wir brauchen deswegen ein modernes Einwande-
        rungsrecht . Damit könnte zum einen eine Alternative zur
        lebensgefährlichen Flucht geschaffen werden . Gleichzei-
        tig könnte man festlegen, aus welchen Ländern welche
        Anzahl von Menschen mit welcher Qualifikation zu uns
        kommen und hier leben, lernen, arbeiten und Steuern
        zahlen dürfte . Statt Chaos in Aufnahmeeinrichtungen und
        allen Probleme, die mit Abschiebungen verbunden sind,
        könnten wir Zuwanderung so steuern und lenken, wie
        es unsere Gesellschaft braucht . Statt immer neue Debat-
        ten über sichere Herkunftsländer zu führen, müssen wir
        ein brauchbares Einwanderungsrecht schaffen . In vielen
        Ländern besteht eine sehr zweifelhafte Menschenrechts-
        situation . Daran wird sich auch nichts ändern, wenn wir
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15645
        (A) (C)
        (B) (D)
        immer mehr davon als sichere Herkunftsländer deklarie-
        ren . Immer wieder wird es Menschen geben, die zu Recht
        bei uns um Asyl bitten und denen wir es gewähren müs-
        sen . Wer kein Recht auf diesen Schutz hat, der wird sich
        aber ganz sicher nicht von einer Liste im Anhang eines
        Gesetzes aufhalten lassen, sondern hoffen, dass das Asyl-
        verfahren dauert, die Abschiebung verzögert wird oder
        sogar den illegalen Aufenthalt ohne Papiere in Erwägung
        ziehen . Ein Einwanderungsgesetz mit klaren Regeln zur
        legalen Zuwanderung könnte dagegen eine echte Alter-
        native zu lebensgefährlicher Flucht, horrenden Preisen
        für Schleuser, erschreckender Rechtlosigkeit und oft jah-
        relanger Trennung von der Familie sein .
        Statt Symbolpolitik brauchen wir ein neues Einwan-
        derungsgesetz .
        Gülistan Yüksel (SPD): Mit dem Gesetz werden ver-
        schiedene Maßnahmen zu Verfahren der Anerkennung,
        Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern so-
        wie deren Lebensbedingungen geregelt . Auch wenn ich
        die Zielsetzung des Gesetzes in wesentlichen Bereichen
        unterstütze und darin das Ergebnis eines Kompromisses
        sehe, der weitergehende Verschärfungen wie etwa die
        Einrichtung von Transitzonen verhindert hat, kommt es
        jetzt darauf an, dass die Registrierung zügig vorangeht,
        dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass Ver-
        fahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch
        Voraussetzung für gute Integration, damit diejenigen,
        die hierbleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bil-
        dungsmöglichkeiten und Integration in den Arbeitsmarkt
        unterstützt werden können . Hier wird Handlungsfähig-
        keit des Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerin-
        nen und Bürger ein Anrecht .
        In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
        den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleuni-
        gen und die Registrierung verbessern sowie den Kin-
        derschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines
        erweiterten Führungszeugnisses für Helfer und Helferin-
        nen vorsehen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch
        der unsinnige und inhumane Vorschlag von Transitzonen
        an den Grenzen vom Tisch ist .
        Allerdings habe ich erhebliche Bedenken gegen die
        Wirksamkeit einzelner Regelungen des Gesetzentwurfes .
        Dies gilt vor allem für die deutliche Verschärfung der
        medizinischen Gründe, die einer Abschiebung entgegen-
        stehen, sowie die zweijährige Aussetzung des Familien-
        nachzugs für subsidiär Schutzbedürftige . Sorgen bereitet
        mir, dass die Regelung zum Familiennachzug auch für
        unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten soll . Ich
        befürchte, dass durch die Aussetzung des Familiennach-
        zuges die Lebensbedingungen dieser Jugendlichen ver-
        schärft werden, Integration erschwert wird und nachzie-
        hende Angehörige auf unsichere Wege gedrängt werden .
        Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige
        Personen davon betroffen sein werden (2015 erhielten
        nur 0,6 Prozent der Antragssteller, über die entschieden
        wurde, subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Fami-
        liennachzug fanden statt), ist das ein Zeichen, das ich aus
        humanitären Gründen nicht für richtig halte . Ich begrü-
        ße deshalb, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete
        Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprü-
        fung zum Familiennachzug stattfinden soll.
        Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
        wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
        rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
        und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
        schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
        schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
        ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
        Die Stellungnahmen von Verbänden, Hilfswerken,
        Kirchen und vielen weiteren Organisationen sind in
        meine Entscheidung mit eingeflossen. Trotz der obenge-
        nannten Bedenken werde ich dem Gesetz zur Einführung
        beschleunigter Asylverfahren – auch unter Einbeziehung
        meiner politischen Gesamteinschätzung – zustimmen,
        denn was wir jetzt brauchen, sind schnellere und bessere
        Verfahren zur Unterbringung und Anerkennung .
        Zu guter Letzt: Mein besonderer Dank gilt den
        hauptamtlichen und ehrenamtlichen Kräften, die sich mit
        großem Engagement in den Unterkünften, in Sprachkur-
        sen, bei der Begleitung zu Ämtern, in Integrationsmaß-
        nahmen und in unzähligen weiteren Bereichen betätigen .
        Anlage 8
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Axel Knoerig (CDU/CSU) zu
        der namentlichen Abstimmung über den von den
        Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
        Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleu-
        nigter Asylverfahren (Tagesordnungspunkt 3 a)
        Die Auszählung hat ergeben, dass ich bei dem oben
        genannten Gesetzentwurf mit Nein gestimmt habe .
        Dazu möchte ich erklären:
        Ich habe versehentlich mit Nein gestimmt . Mein Vo-
        tum lautet Ja .
        Anlage 9
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Klaus Brähmig (CDU/CSU) zu
        den Abstimmungen über
        – den von den Fraktionen der CDU/CSU und
        SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
        Einführung beschleunigter Asylverfahren und
        – den von den Fraktionen der CDU/CSU und
        SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
        erleichterten Ausweisung von straffälligen Aus-
        ländern und zum erweiterten Ausschluss der
        Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asyl-
        bewerbern (Tagesordnungspunkt 3 a und 3 b)
        Im Rahmen der namentlichen Abstimmung am
        25 . Februar 2016 werde ich den oben genannten von
        den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
        Gesetzen zustimmen . Wie auch schon in meiner Erklä-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615646
        (A) (C)
        (B) (D)
        rung vom 15 . Oktober 2015 weise ich erneut mit allem
        Nachdruck darauf hin, dass meiner Überzeugung nach
        dieses Maßnahmenpaket nur ein – wenn auch sehr wich-
        tiger – weiterer Schritt sein kann, um die gesellschaftli-
        chen, wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen der
        Flüchtlingsströme in unserem Land besser zu bewältigen .
        Zugleich bitte ich die Bundesregierung, den Weg der
        Restriktion von illegaler und ungesteuerter Zuwanderung
        beherzt weiterzugehen . In vielen Gesprächen mit Bürge-
        rinnen und Bürgern aus meinem Wahlkreis wird grund-
        sätzliche Hilfsbereitschaft für wirkliche Flüchtlinge und
        politisch Verfolgte deutlich . Allerdings wird zunehmend
        auch Unzufriedenheit über eine Art Wagenburgmentalität
        der etablierten Parteien deutlich . Wenn wir es nicht schaf-
        fen, eine offene Diskussion über die Frage zu führen,
        ob, inwieweit und in welcher Form unsere Bevölkerung
        eigentlich Zuwanderung will, werden wir die Spaltung
        der Gesellschaft vertiefen . Viele Menschen sehen den
        sozialen Frieden und die politische Statik Deutschlands
        gefährdet . Wer diese Menschen mit Verachtung und Vor-
        verurteilung straft, handelt auch nicht christlich . Wer
        Empathie für die Flüchtlinge fordert, sollte auch Empa-
        thie für die eigene Bevölkerung zeigen, die sich teilweise
        für den Kampf um Arbeitsplatz, Wohnraum etc . nicht so
        gut gerüstet fühlt .
        Anlage 10
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Frank Heinrich (Chemnitz)
        (CDU/CSU) zu den Abstimmungen über
        – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD
        eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ein-
        führung beschleunigter Asylverfahren und
        – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD
        eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur er-
        leichterten Ausweisung von straffälligen Aus-
        ländern und zum erweiterten Ausschluss der
        Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asyl-
        bewerbern
        (Tagesordnungspunkt 3 a und 3 b)
        Es ist in weiten Teilen der Bevölkerung und der Po-
        litik unstrittig, was Bundespräsident Joachim Gauck in
        seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit 2015 so for-
        muliert hat: „Unser Herz ist weit . Aber unsere Möglich-
        keiten sind endlich .“
        Seit diesen im Oktober formulierten Worten hat sich
        die Flüchtlingssituation außen- und innenpolitisch wei-
        ter verschärft . Die EU und ihre Anrainerländer streiten
        um die Festlegung von Kontingenten und die Schlie-
        ßung von Grenzen, die Bundesrepublik dringt auf eine
        gemeinsame Strategie . Im Inneren geht es uns vor allem
        um eine Beschleunigung von Verfahren, zudem haben
        insbesondere die Ereignisse der Silvesternacht in Köln
        die Notwendigkeit zu einer Verschärfung von Maßnah-
        men bei der Kriminalitätsbekämpfung und zugleich zu
        einer Intensivierung von Integrationsangeboten deutlich
        gemacht .
        Angesichts dieser Situation halte ich die zügige Verab-
        schiedung des sogenannten Asylpakets II, welches lange
        zwischen den Koalitionspartnern verhandelt wurde, für
        ein notwendiges politisches Signal und stimme diesem
        schwierigen Kompromiss auch zu .
        Dennoch gibt es innerhalb der Summe von Maßnah-
        men, die ich für richtig halte, einige Punkte, die mir
        Bauchschmerzen machen und bei denen ich mich für
        Änderungen einsetzen werde . Dies sind in zwei Fällen
        humanitäre Gründe, in einem Fall habe ich rechtliche
        Bedenken:
        Erstens . Zur Aussetzung des Familiennachzugs: Der Fa-
        miliennachzug für subsidiär Schutzberechtigte wird für
        zwei Jahre ausgesetzt (subsidiär Schutzberechtigte sind
        Menschen, die keinen Anspruch auf Asyl oder Schutz-
        status nach der Genfer Flüchtlingskonvention haben,
        gleichwohl aber im Land bleiben dürfen, weil ihnen bei
        der Rückkehr Gefahr durch Krieg, Folter oder Todesstra-
        fe droht) . Hier halte ich es für unbedingt notwendig, den
        Familiennachzug zu ermöglichen, wenn Kinder der Ge-
        flüchteten betroffen sind. Hier sollte in der Diskussion
        deutlich gemacht werden, dass die Genfer Flüchtlings-
        konvention eben nicht unterlaufen wird . Ich begrüße al-
        lerdings die im Asylpaket ausdrücklich veranlagte Ein-
        zelfallprüfung . Ich wünsche und arbeite darauf hin, dass
        dies möglichst bald – aus humanitären Gründen – wieder
        der Regelfall und nicht die Ausnahme ist .
        Zweitens . Abschiebehindernisse aus gesundheitlichen
        Gründen: In Zukunft sollen grundsätzlich nur noch le-
        bensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen die
        Abschiebung verhindern können . Dem kann ich grund-
        sätzlich zustimmen . Zukünftig sollen feste Kriterien
        formuliert werden, denen eine ärztliche Bescheinigung
        genügen muss . Aber auch hier muss es, insbesondere bei
        psychischen Erkrankungen, die Möglichkeit zu Einzel-
        fallprüfungen und Zweitgutachten geben .
        Drittens . Juristisch sauber geregelt werden muss der
        Verlust des Schutzstatus und die Ausweisung verurteil-
        ter Flüchtlinge . Wie die öffentliche Anhörung des In-
        nenausschusses ergab, führt ein Verlust des Schutzstatus
        und selbst eine Ausweisung nicht notwendig zu einer
        Abschiebung . Wie ist dann aber die Duldung zu gestal-
        ten, ohne eine weitere Marginalisierung (oder Krimina-
        lisierung) bei den Betroffenen zu bewirken? Hier gilt es,
        aufzupassen, wie die Umsetzung (auch in den Verwaltun-
        gen) in den Bundesländern geschieht . Möglicherweise
        muss dann auch gesetzlich reagiert werden .
        Zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass auch der be-
        kannte Aktivist und Gründer der Flüchtlingshilfsorgani-
        sation Cap Anamur, Rupert Neudeck, dem man wahrlich
        nicht nachsagen kann, dass er die Not von Flüchtlingen
        nicht kenne, die Einschränkung des Familiennachzugs,
        auch bei Minderjährigen, für vertretbar hält und zudem
        als notwendige Voraussetzung für eine Reduzierung
        des Flüchtlingszustroms sieht, gerade im Hinblick auf
        Schlepperorganisationen, die von der Schleusung von
        Jugendlichen und Kindern profitieren.
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15647
        (A) (C)
        (B) (D)
        Anlage 11
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Saskia Esken (SPD) zu den Ab-
        stimmungen über
        – den von den Fraktionen der CDU/CSU und
        SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
        Einführung beschleunigter Asylverfahren und
        – den von den Fraktionen der CDU/CSU und
        SPD eingebrachten Entwurf eines
        Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffäl-
        ligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss
        der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asyl-
        bewerbern (Tagesordnungspunkt 3 a und 3 b)
        Ich habe heute dem sogenannten Asylpaket II zuge-
        stimmt . Diese Entscheidung ist mir, wie vielen meiner
        Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen auch, sehr
        schwer gefallen . Die Kolleginnen und Kollegen in meiner
        Fraktion, die sich entschieden haben, anders abzustim-
        men, haben dabei meinen allergrößten Respekt . In Sit-
        zungen der Bundestagsfraktion, in meiner Landesgruppe,
        mit Kolleginnen und Kollegen, meinem Team und auch
        seit Wochen mit den Genossinnen und Genossen vor Ort
        in meinem Wahlkreis habe ich intensiv über die bisheri-
        gen Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik diskutiert und
        darüber, was wir uns für die Zukunft wünschen und was
        wir erwarten .
        Mein Anspruch an meine Arbeit als Bundestagsabge-
        ordnete ist es, keine Spiele (mit-) zu spielen – populisti-
        sche Scheinlösungen und reine Symbolpolitik sind mir
        zuwider, ich will wirksame politische Entscheidungen
        treffen . Es ist mir deshalb ein Anliegen, mich offen und
        verständlich dazu zu erklären, was das Asylpaket II bein-
        haltet und was eben noch nicht damit beschlossen wurde,
        aber durchaus schon zwischen den Koalitionspartnern
        CDU, CSU und SPD vereinbart wurde .
        Im Deutschen Bundestag wurde heute über den Ent-
        wurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asyl-
        verfahren und den Entwurf zur erleichterten Auswei-
        sung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten
        Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen
        Asylbewerbern abgestimmt .
        Ziele des Gesetzes zur Einführung beschleunigter
        Asylverfahren sind mehr Ordnung bei der Aufnahme von
        Flüchtlingen, schnellere Asylverfahren und eine raschere
        Rückführung von Menschen, die kein Bleiberecht haben .
        Das bedeutet, Asylsuchende mit geringen Chancen auf
        Anerkennung werden künftig in besonderen Aufnahme-
        einrichtungen untergebracht, in denen die Asylverfahren
        in rund drei Wochen abgeschlossen sein sollen . Ich hal-
        te diese Maßnahme für sinnvoll und bin mir sicher, dass
        sie auch Wirkung entfalten wird . Die Regelung betrifft
        Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten, mit Wiederein-
        reisesperren oder solche, die keine Bereitschaft zeigen,
        ihre wahre Herkunft aufzudecken . Für diesen Personen-
        kreis gilt auch eine verschärfte Residenzpflicht, das heißt
        sie dürfen den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde
        nicht verlassen . Ihre Rückführung soll unmittelbar aus
        der Aufnahmeeinrichtung erfolgen . Wer sich diesem Ver-
        fahren verweigert, dem drohen künftig Sanktionen wie
        etwa Wegfall des Leistungsanspruchs .
        Außerdem sieht das geplante Gesetz vor, den Famili-
        ennachzug für subsidiär Schutzberechtige ab Inkrafttre-
        ten des Gesetzes befristet für zwei Jahre auszusetzen . Die
        Zustimmung zu dieser Regelung bereitet mir große Pro-
        bleme . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr we-
        nige Personen davon betroffen sein werden (nach Zahlen
        des Bundesministerium des Inneren erhielten 2015 nur
        1 707 Personen, das heißt 0,6 Prozent der entschiedenen
        Antragssteller, subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von
        Familiennachzug fanden statt), ist das ein Zeichen, das
        ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Ich
        bin überzeugt: Integration gelingt besser, wenn ganze
        Familien nach Deutschland kommen . Und ich gehe fest
        davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung
        der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es
        das Gesetz vorsieht .
        Ich bin sehr froh, dass wir uns vehement dafür einge-
        setzt haben, dass für minderjährige Flüchtlinge mit subsi-
        diärem Schutzstatus eine Härtefallregelung gelten wird .
        Wie diese Kompromisslinie der Einzelfallprüfung durch
        Auswärtiges Amt und Innenministerium im Einzelfall
        wirkt und wie die Bürokratie mit diesen Fällen überhaupt
        zurechtkommt, das muss man dann in der Praxis sehen,
        aber die Zahl der Betroffenen liegt im niedrigen dreistel-
        ligen Bereich und ist damit auch hier recht gering .
        In Rahmen des Gesetzentwurfs zur erleichterten
        Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum er-
        weiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei
        straffälligen Asylbewerbern soll die Ausweisung straf-
        fälliger Ausländer erleichtert werden . Straftaten gegen
        das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle
        Selbstbestimmung, das Eigentum oder der Widerstand
        gegen Vollstreckungsbeamte begründen zukünftig ein
        sogenanntes schwerwiegendes Ausweisungsinteresse,
        sofern ein Ausländer hierfür zu einer Freiheits- oder Ju-
        gendstrafe, unabhängig von deren Höhe, verurteilt wur-
        de . Dies gilt auch, wenn die Strafe zur Bewährung ausge-
        setzt wurde . Bislang musste die verhängte Freiheitsstrafe
        mindestens ein Jahr betragen, um ein schwerwiegendes
        Ausweiseinteresse zu begründen . Allerdings erfolgt stets
        eine Einzelfallabwägung aller Interessen, was ich sehr
        begrüße . Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, dass Asyl-
        bewerbern, die Straftaten begehen, trotz Vorliegen von
        Fluchtgründen leichter als bislang die rechtliche Aner-
        kennung als Flüchtling versagt werden kann .
        Mir ist es aber auch wichtig, deutlich zu machen: In
        den Verhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD wur-
        den weitere Vereinbarungen getroffen, die in einem künf-
        tigen Gesetzgebungsverfahren umgesetzt werden sollen,
        das die bessere Integration derer zum Ziel hat, die eine
        Bleibeperpektive haben . Ich werde mich gemeinsam mit
        meiner SPD-Bundestagsfraktion dafür einsetzen, dass
        dies schnell geschieht .
        Dazu gehört es beispielsweise, dass wir für Ausbil-
        dungsbetriebe und Geflüchtete Planungssicherheit schaf-
        fen, weil Auszubildende unabhängig von ihrem Status für
        die Dauer einer dreijährigen Ausbildung ebenso Bleibe-
        recht erhalten wie für die zwei Jahre danach . Ebenso ist
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615648
        (A) (C)
        (B) (D)
        vereinbart, die Altersgrenze für ausbildungsunterstützen-
        de Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre anzuheben . All das
        dient der Integration von geflohenen jungen Menschen in
        unseren Arbeitsmarkt und damit in unsere Gesellschaft .
        Eines muss ich aber ganz deutlich sagen: Ich werde
        jede weitere Verschärfung des Asylrechts ablehnen, die
        Spirale von Beschlüssen, die stets weitere Forderungen
        nach sich zogen, muss jetzt beendet werden . Wir müssen
        uns jetzt endlich damit beschäftigen, die Registrierung,
        die Unterbringung und die Integration der Geflüchteten
        gut zu bewältigen und dabei unsere Gesellschaft in ihrer
        humanitären und offenen Grundhaltung zusammenzuhal-
        ten .
        Was jetzt folgen muss, das ist ein Integrationsgesetz
        zur Verbesserung des Zugangs zu Sprachkursen, Bil-
        dung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende, das sozi-
        ale Teilhabe schafft und dafür sorgt, dass die Menschen,
        die zu uns geflohen sind, als Teil unserer Gesellschaft ihr
        Leben selbst in die Hand nehmen und gestalten können .
        Anlage 12
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD)
        zu den Abstimmungen über
        – den von den Fraktionen der CDU/CSU und
        SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
        Einführung beschleunigter Asylverfahren und
        – den von den Fraktionen der CDU/CSU und
        SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
        erleichterten Ausweisung von straffälligen Aus-
        ländern und zum erweiterten Ausschluss der
        Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asyl-
        bewerbern und
        – die Beschlussempfehlung des Ausschusses
        für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu
        dem Antrag der Abgeordneten Katja Dörner,
        Dr. Konstantin von Notz, Dr. Franziska
        Brantner, weiterer Abgeordneter und der Frak-
        tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
        Besonders gefährdete Flüchtlinge in Erstaufnah-
        meeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften
        besser schützen (Tagesordnungspunkt 3)
        Mit diesem Gesetz sollen die Verfahren von Asylbe-
        werberinnen und Asylbewerbern mit geringer Bleibe-
        perspektive vereinfacht und beschleunigt werden . Das
        soll für eine dringend notwendige Entlastung sorgen und
        mehr Ordnung und Steuerung bei der Aufnahme und Re-
        gistrierung schaffen . Jedoch halte ich das Kriterium si-
        cherer Herkunftsstaaten für unzureichend .
        Ich begrüße ausdrücklich, dass mit dem sogenann-
        ten Asylpaket II Kernforderungen der CSU und anderer
        Gruppierungen rechts davon verhindert werden konnten .
        Sie forderten unter anderem große Auffanglager unter
        haftähnlichen Bedingungen an den deutschen Grenzen,
        eine Aussetzung des Mindestlohnes für Flüchtlinge und
        eine Flüchtlingsobergrenze .
        Stattdessen konnten wesentliche Forderungen der
        SPD durchgesetzt werden:
        – Kontingente für Flüchtlinge aus der Türkei, dem
        Libanon oder Jordanien vorrangig für Ehegatten
        und Kinder von hier bereits lebenden Geflüchteten.
        – Schutz minderjähriger Geflüchteter; Beschäftigte
        und regelmäßig ehrenamtlich tätige Personen in
        Flüchtlingsunterkünften, die in Kontakt zu Min-
        derjährigen stehen, dürfen nicht durch Gewalt- und
        Sexualdelikte aufgefallen sein und müssen daher
        ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen .
        – Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetzge-
        bungsverfahren Regelungen für mehr Rechtssi-
        cherheit und Verfahrensvereinfachungen für aus-
        zubildende Flüchtlinge und ausbildende Betriebe
        geschaffen werden . Auszubildende sollen für die
        Dauer ihrer Ausbildung – drei Jahre – und weite-
        re zwei Jahre danach ein Aufenthaltsrecht bekom-
        men .
        In einem weiteren Schritt gilt es, mit umfassenden
        Maßnahmen die gesellschaftliche Integration geflüchte-
        ter Menschen erfolgreich zu gestalten .
        Ich sehe jedoch das beschleunigte Asylverfahren
        aufgrund des Kriteriums sicherer Herkunftsstaaten als
        problematisch an . Das Bundeskabinett hat beschlossen,
        Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunfts-
        staaten einzustufen . Zwar erhalten die Menschen aus die-
        sen Ländern auch weiterhin das Recht auf individuelle
        Prüfung ihres Asylgesuchs und erhalten Asyl, wenn ihr
        Gesuch begründet ist . Jedoch halte ich es für nicht gesi-
        chert, dass Menschen dort nicht weiter Diskriminierung,
        Verfolgung und Gewalt ausgesetzt werden aufgrund ihrer
        sexuellen Identität . Es besteht weiterhin ein hoher Grad
        an Diskriminierung und Gewaltbereitschaft gegenüber
        homo-, bi-, trans- oder intersexuellen Menschen . Die
        Justiz unternimmt wenig, um vor gewaltsamen Übergrif-
        fen zu schützen, Menschenrechte werden allein durch die
        sexuelle Identität infrage gestellt . Solange dies der Fall
        ist, bleibt der Wunsch vieler Menschen, nach Deutsch-
        land zu fliehen, verständlich.
        Mit dieser persönlichen Erklärung bringe ich meine
        Sorge an der Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten zum
        Ausdruck . Dem Gesetzespaket werde ich aufgrund der
        Koalitionsvereinbarung zustimmen . Die Regierung hat
        damit einen auch für mich gangbaren Weg gefunden,
        Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen, ohne das
        Recht auf Asyl zu schleifen .
        Anlage 13
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU)
        zu der Abstimmung über den von der Bundesregie-
        rung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Um-
        setzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und
        verwandte Erzeugnisse (Tagesordnungspunkt 4)
        Ich stimme dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
        zur Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15649
        (A) (C)
        (B) (D)
        verwandte Erzeugnisse – Drucksache 18/7218 – nicht zu,
        da der Gesetzesentwurf keine Verlängerung der Fristen
        für die tiefgreifenden Umstellungen aller auf dem Markt
        befindlichen Verpackungen für Tabakprodukte beinhal-
        tet .
        Die Industrieverbände, wie auch Gutachten externer
        Sachverständiger, haben seit Monaten darauf hingewie-
        sen, dass es für die Hersteller faktisch unmöglich ist, die
        von der EU gesetzte Frist – 20 . Mai 2016 – zu erfüllen,
        da die technischen Vorgaben seitens der EU erst im No-
        vember 2015 vorgelegt wurden . Dass eine Verlängerung
        der Frist für die Umstellung der Produktion zwingend
        notwendig ist, unterstreicht zudem die Tatsache, dass
        am 17 . Februar 2016 die Kommission nochmals die ab
        Mai zu verwendenden Textwarnhinweise für sechs Spra-
        chen – darunter auch Deutsch – für mehrere Tabakpro-
        duktkategorien geändert hat . Dies bedeutet, dass die in
        Deutschland produzierenden Tabakunternehmen keiner-
        lei Rechtssicherheit für die notwendigen umfangreichen
        Investitionen haben .
        Anlage 14
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Ulrike Bahr, Dr. Ute Finckh-
        Krämer, Martin Gerster, Gabriele Groneberg, Rita
        Hagl-Kehl, Metin Hakverdi, Ulrich Hampel, Frank
        Junge, Daniela Kolbe, Dr. Hans-Ulrich Krüger,
        Hiltrud Lotze, Kirsten Lühmann, Hilde Mattheis,
        Susanne Mittag, Ulli Nissen, Markus Paschke,
        Andreas Rimkus, Dr. Hans-Joachim Schabedoth,
        Dr. Dorothee Schlegel, Matthias Schmidt (Berlin),
        Svenja Stadler, Martina Stamm-Fibich, Kerstin
        Tack und Stefan Zierke (alle SPD) zu der nament-
        lichen Abstimmung über den Antrag der Abge-
        ordneten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich
        Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Frakti-
        on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
        zu dem Vorschlag für eine Durchführungsverord-
        nung der Kommission zur Erneuerung der Zulas-
        sung von Glyphosat
        SANTE/10026/2016 (Entwurf)
        hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregie-
        rung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grund-
        gesetzes
        Voreilige Neuzulassung von Glyphosat stoppen
        (Tagesordnungspunkt 26 a)
        Seit langem warnen Ärzte, Wissenschaftler, Umwelt-
        und Verbraucherverbände vor den gesundheitlichen und
        ökologischen Folgen des übermäßigen Glyphosateinsat-
        zes . Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den
        Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft .
        Vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung und
        der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit
        werden diese Bedenken nicht geteilt . Eine europaweite
        erneute Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat ist damit
        ziemlich wahrscheinlich .
        Die widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurteilun-
        gen haben in der Gesellschaft zu einer großen Besorgnis
        geführt . Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
        nehmen wir diese Sorgen sehr ernst . Auch wir sehen die
        erneute Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat äußerst kri-
        tisch . Wenn wir den Antrag der Grünen heute nicht un-
        terstützen, dann tun wir dies, weil wir der Meinung sind,
        dass wir für den Glyphosateinsatz in der Landwirtschaft
        zunächst eine gesundheits- und umweltverträgliche Al-
        ternative brauchen . Forschung und Entwicklung müssen
        gestärkt werden, damit wir gemeinsam mit der Landwirt-
        schaft den Ausstieg aus dem Glyphosateinsatz und den
        Umstieg auf solche Alternativen organisieren können .
        Bis dahin wollen wir die Anwendung von Glyphosat
        in der Landwirtschaft auf ein Mindestmaß reduzieren
        und effizienter gestalten. In vielen Fällen ist die Anwen-
        dung schon heute überflüssig, wie zum Beispiel bei der
        Stoppelbearbeitung nach der Ernte und vor der Aussaat
        der Folgekultur .
        Am größten ist die Gefahr der Fehlanwendung und
        Überdosierung jedoch bei der privaten Nutzung . Wir set-
        zen uns deshalb in der Großen Koalition für ein Verbot
        von glyphosathaltigen Herbiziden in Haus- und Klein-
        gärten und auch im kommunalen Bereich ein . Wir wol-
        len verhindern, dass auf Spielplätzen und in öffentlichen
        Gärten Glyphosat gespritzt wird .
        Denn solange die Auswirkungen auf die menschliche
        Gesundheit unklar sind, wollen wir Sozialdemokraten
        und Sozialdemokratinnen dem Vorsorgeprinzip folgen
        und sicherstellen, dass die Menschen so wenig wie mög-
        lich damit in Berührung kommen .
        Die großen Baumarktketten haben bereits verantwor-
        tungsvoll gehandelt und Unkrautvernichtungsmittel mit
        Glyphosat aus ihrem Sortiment genommen . Auch in ih-
        rem Interesse kann es nur sein, wenn wir zügig eine Re-
        gelung schaffen, die für den gesamten Handel gilt .
        Wir erwarten, dass die Bundesregierung die Bedenken
        in der Wissenschaft und in der Bevölkerung gegenüber
        Glyphosat ernst nimmt und einen konkreten Ausstiegs-
        plan für die Anwendung in der Landwirtschaft erarbeitet,
        der dann auch anderen EU-Mitgliedstaaten als Vorbild
        dienen kann .
        Anlage 15
        Erklärungen nach § 31 GO
        zu der namentlichen Abstimmung über den Antrag
        der Abgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch,
        Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und
        der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
        zu dem Vorschlag für eine Durchfüh-
        rungsverordnung der Kommission zur Er-
        neuerung der Zulassung von Glyphosat
        SANTE/10026/2016 (Entwurf)
        hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregie-
        rung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grund-
        gesetzes
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615650
        (A) (C)
        (B) (D)
        Voreilige Neuzulassung von Glyphosat stoppen
        (Tagesordnungspunkt 26 a)
        Marco Bülow (SPD): Seit Jahrzehnten ist Glyphosat
        auf dem Markt. Es ist das weltweit am häufigsten ein-
        gesetzte Herbizid . Mittlerweile stuft die Internationale
        Krebsforschungsagentur IARC der WHO Glyphosat als
        „wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“ ein . Auch
        das Umweltbundesamt (UBA) hat in einer Untersuchung
        vor kurzem festgestellt, dass bei bis zu 60 Prozent der
        Probanden eine eindeutige Anreicherung von Glypho-
        sat im Urin nachweisbar ist . Das UBA kommt zu dem
        Schluss, dass das Herbizid problematisch ist, und ruft
        zum Umdenken auf . Spätestens jetzt ist es Zeit, zu han-
        deln .
        Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich daher mit Gly-
        phosat befasst und setzt sich dafür ein, dass das Mittel
        nicht mehr für Privatkunden im freien Handel, wie zum
        Beispiel in Baumärkten oder im Internet, verfügbar ist,
        da es besonders im privaten Bereich häufig zu Fehlan-
        wendungen und Überdosierungen kommt . Das Verbot
        soll auch für den kommunalen Bereich gelten . Glyphosat
        hat auf Spielplätzen und öffentlichen Grünflächen nichts
        zu suchen . Zudem muss es eine deutliche Reduktion
        der Anwendung in der Landwirtschaft geben . Da, wo
        der Einsatz überflüssig ist, sollte er sofort unterlassen
        werden . Die nächste Zeit muss dringend dafür genutzt
        werden, sehr viel intensiver die Folgen von Glyphosat
        zu untersuchen und sichere Alternativen zu erforschen .
        Wenn Landwirte statt auf Glyphosat auf schon bestehen-
        de, ebenso schädliche oder noch gefährlichere Herbizide
        zurückgreifen, ist nichts gewonnen .
        Ich habe grundsätzlich Verständnis für das Anliegen
        von Bündnis 90/Die Grünen, Glyphosat auf EU-Ebene
        nicht wieder zuzulassen . Allerdings lag mir der nament-
        lich abzustimmende Antrag auch am Mittwochvormittag
        immer noch nicht vor . Dieses Vorgehen der Opposition
        ist leider kontraproduktiv . Ich werde den Antrag ohne
        die Möglichkeit einer Debatte ablehnen, unterstütze aber
        die Fachpolitiker meiner Fraktion, das Thema Glyphosat
        weiterhin aktiv und kritisch im Bundestag zu behandeln .
        Ziel muss auch hier ein eigener Antrag sein .
        Bernhard Daldrup (SPD): Ärzte, Wissenschaft-
        ler, Umwelt- und Verbraucherverbände warnen vor den
        gesundheitlichen und ökologischen Folgen eines über-
        mäßigen Glyphosateinsatzes . Die Weltgesundheitsorga-
        nisation (WHO) hat den Wirkstoff als „wahrscheinlich
        krebserregend“ eingestuft . Vom deutschen Bundesinsti-
        tut für Risikobewertung und der Europäischen Behörde
        für Lebensmittelsicherheit werden diese Bedenken zwar
        nicht geteilt, doch haben die widersprüchlichen wissen-
        schaftlichen Beurteilungen in der Gesellschaft zu einer
        großen Besorgnis geführt .
        Ich nehme diese Sorgen ernst und sehe die erneute
        Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat äußerst kritisch .
        Vor einem generellen Verbot des Glyphosateinsatzes in
        der Landwirtschaft rege ich eine intensive Prüfung aller
        gesundheits- und umweltverträglichen Alternativen an .
        Forschung und Entwicklung müssen gestärkt werden, da-
        mit wir gemeinsam mit der Landwirtschaft den Ausstieg
        aus dem Glyphosateinsatz und den Umstieg auf solche
        Alternativen organisieren .
        Bis dahin muss die Anwendung von Glyphosat in der
        Landwirtschaft auf ein Mindestmaß reduziert und effizi-
        enter gestaltet werden . In vielen Fällen ist die Anwen-
        dung schon heute überflüssig, wie zum Beispiel bei der
        Stoppelbearbeitung nach der Ernte und vor der Aussaat
        der Folgekultur .
        Am größten ist die Gefahr der Fehlanwendung und
        Überdosierung bei der privaten Nutzung . Ich setze mich
        deshalb für ein Verbot von glyphosathaltigen Herbiziden
        in Haus- und Kleingärten und auch im kommunalen Be-
        reich ein .
        Ich erwarte, dass die Bundesregierung aufgrund der
        nicht ausschließbaren Risiken einen konkreten Ausstiegs-
        plan für die Anwendung von Glyphosat in der Landwirt-
        schaft entwickelt, der dann auch anderen EU-Mitglied-
        staaten als Vorbild dienen kann .
        Sabine Dittmar (SPD): Seit langem warnen Exper-
        ten vor den gesundheitlichen und ökologischen Folgen
        des übermäßigen Einsatzes des Breitbandherbizids Gly-
        phosat . Die Internationale Agentur für Krebsforschung
        (IARC) hat den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebser-
        regend“ eingestuft . Vom deutschen Bundesinstitut für
        Risikobewertung und der Europäischen Behörde für
        Lebensmittelsicherheit werden diese Bedenken jedoch
        nicht geteilt . Eine europaweite erneute Zulassung des
        Wirkstoffes Glyphosat ist damit absehbar . Ich sehe diese
        jedoch kritisch .
        Die widersprüchlichen Risikobeurteilungen sind be-
        denklich, insbesondere wenn Meldungen kursieren, dass
        in Lebensmitteln Glyphosat nachgewiesen wurde . Als
        Sozialdemokratin und Gesundheitspolitikerin nehme ich
        die diesbezüglichen Sorgen der Bevölkerung sehr ernst .
        Am größten ist die Gefahr bei der privaten Nutzung .
        Dort kommt es immer wieder zu Fehlanwendungen und
        Überdosierungen . Wir setzen uns deshalb innerhalb der
        Großen Koalition für ein Verbot von glyphosathaltigen
        Herbiziden in Haus- und Kleingärten und im kommuna-
        len Bereich ein . Unser Ziel muss es sein, dass Glypho-
        sat auf Spielplätzen und in öffentlichen Bereichen nicht
        mehr zum Einsatz kommt .
        Ein weiteres Problem ist der Einsatz des Wirkstoffs
        in der Landwirtschaft . Dort müssen wir mit Nachdruck
        für eine gesundheits- und umweltverträglichere Alterna-
        tive sorgen . Ich erwarte, dass die Bundesregierung die
        Bedenken der Wissenschaft und der Bevölkerung gegen-
        über der Nutzung von Glyphosat ernst nimmt und einen
        konkreten Ausstiegsplan für die Anwendung in der Land-
        wirtschaft erarbeitet .
        Da die gesundheitlichen Auswirkungen von Glypho-
        sat unklar sind, müssen wir dafür sorgen, dass die An-
        wendung auf ein Mindestmaß reduziert bzw. effizienter
        gestaltet wird, damit Menschen und Tiere so wenig wie
        möglich mit dem Wirkstoff in Berührung kommen . Die
        großen Baumarktketten haben bereits verantwortungs-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15651
        (A) (C)
        (B) (D)
        voll gehandelt und Unkrautvernichtungsmittel mit Gly-
        phosat aus ihrem Sortiment genommen .
        Dem vorliegenden Antrag werde ich nicht zustimmen .
        Ich erwarte jedoch, dass die Bundesregierung sich mit
        Nachdruck für eine Alternative einsetzt, damit Glyphosat
        zeitnah nicht mehr zum Einsatz kommt .
        Josef Göppel (CDU/CSU): Ich werde dem Antrag
        „Voreilige Neuzulassung von Glyphosat stoppen“ zu-
        stimmen .
        Begründung:
        Die Bewertungsprozesse der europäischen Behörde
        für Chemikalien, ECHA, zu Glyphosat sind noch nicht
        abgeschlossen . Dennoch strebt die Generaldirektion Ge-
        sundheit und Lebensmittelsicherheit eine Abstimmung
        über die Zulassung glyphosathaltiger Pestizide für weite-
        re 15 Jahre im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere,
        Lebensmittel- und Futtermittel an . Eine nach der Euro-
        päischen Chemikalienverordnung zur Registrierung,
        Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer
        Stoffe (REACH) erteilte Zulassungsverlängerung für
        Glyphosat läuft Ende Juni 2016 aus .
        Als Berichterstatter hatte das Bundesamt für Risi-
        kobewertung (BfR) 2015 eine positive Stellungnahme
        zur Zulassungsverlängerung von Glyphosat abgegeben .
        Allerdings lag die Einschätzung der Krebsforschungs-
        agentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC), deren
        Arbeitsgruppe von unabhängigen Wissenschaftlern Gly-
        phosat im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“
        eingestuft hatte, noch nicht vor .
        Außerdem hatte das BfR nur den reinen Wirkstoff
        Glyphosat untersucht, nicht aber fertige Herbizidmi-
        schungen mit Träger- und Zusatzstoffen . Die Kombina-
        tionswirkungen der verschiedenen Stoffe und Anreiche-
        rungen bei Langzeitexposition wurden ebenfalls nicht
        untersucht . Die Zulassung bezieht sich auf 33 glypho-
        sathaltige Herbizide unter 95 Handelsbezeichnungen für
        470 Anwendungsgebiete .
        Mit dem europäischen Vorsorgeprinzip ist eine vorzei-
        tige Erneuerung der Zulassung von Glyphosat für weitere
        15 Jahre nicht vereinbar .
        Bettina Hagedorn (SPD): Heute stimmt der Deut-
        sche Bundestag in namentlicher Abstimmung über ei-
        nen extrem kurzfristig vorgelegten Antrag der Fraktion
        Bündnis 90/Die Grünen ab, auf dessen öffentliche Aus-
        sprache im Plenum die Grünen ausdrücklich verzichtet
        haben . Dieses Vorgehen ist unparlamentarisch und ent-
        larvt den Antrag mit namentlicher Abstimmung als ein
        Showinstrument zu Wahlkampfzwecken . Damit aber
        wird diesem ernsten Thema objektiv nicht angemessen
        Rechnung getragen, weil nur in einer öffentlichen De-
        batte im Bundestagsplenum die Gründe für eine Zustim-
        mung oder Ablehnung darlegt werden können . Ich kri-
        tisiere dieses Verfahren ausdrücklich und möchte daher
        meine Auffassung zum Thema Glyphosat jedenfalls in
        einer schriftlichen Erklärung zur Abstimmung darlegen .
        Seit langem warnen Ärzte, Wissenschaftler, Umwelt-
        und Verbraucherverbände vor den gesundheitlichen und
        ökologischen Folgen des übermäßigen Glyphosateinsat-
        zes . Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den
        Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft .
        Vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung und
        der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit
        werden diese Bedenken nicht geteilt . Eine europaweite
        erneute Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat ist damit
        ziemlich wahrscheinlich .
        Die widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurtei-
        lungen haben in der Gesellschaft zu einer großen Be-
        sorgnis geführt . Als Sozialdemokratin nehme ich diese
        Sorgen sehr ernst . Auch ich sehe die erneute Zulassung
        des Wirkstoffs Glyphosat äußerst kritisch . Wenn ich
        den Antrag der Grünen heute nicht unterstütze, dann
        tue ich dies, weil ich der Meinung bin, dass wir für den
        Glyphosat einsatz in der Landwirtschaft zunächst eine ge-
        sundheits- und umweltverträgliche Alternative brauchen .
        Forschung und Entwicklung müssen gestärkt werden, da-
        mit wir gemeinsam mit der Landwirtschaft den Ausstieg
        aus dem Glyphosateinsatz und den Umstieg auf solche
        Alternativen organisieren können .
        Bis dahin wollen wir die Anwendung von Glyphosat
        in der Landwirtschaft auf ein Mindestmaß reduzieren
        und effizienter gestalten. In vielen Fällen ist die Anwen-
        dung schon heute überflüssig, wie zum Beispiel bei der
        Stoppelbearbeitung nach der Ernte und vor der Aussaat
        der Folgekultur .
        Am größten ist die Gefahr der Fehlanwendung und
        Überdosierung jedoch bei der privaten Nutzung . Wir set-
        zen uns deshalb in der Großen Koalition für ein Verbot
        von glyphosathaltigen Herbiziden in Haus- und Klein-
        gärten und auch im kommunalen Bereich ein . Wir wol-
        len verhindern, dass auf Spielplätzen und in öffentlichen
        Gärten Glyphosat gespritzt wird . Denn solange die Aus-
        wirkungen auf die menschliche Gesundheit unklar sind,
        wollen wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen
        dem Vorsorgeprinzip folgen und sicherstellen, dass die
        Menschen so wenig wie möglich damit in Berührung
        kommen .
        Die großen Baumarktketten haben bereits verantwor-
        tungsvoll gehandelt und Unkrautvernichtungsmittel mit
        Glyphosat aus ihrem Sortiment genommen . Auch in ih-
        rem Interesse kann es nur sein, wenn wir zügig eine Re-
        gelung schaffen, die für den gesamten Handel gilt .
        Ich erwarte, dass die Bundesregierung die Bedenken
        in der Wissenschaft und in der Bevölkerung gegenüber
        Glyphosat ernst nimmt und einen konkreten Ausstiegs-
        plan für die Anwendung in der Landwirtschaft erarbeitet,
        der dann auch anderen EU-Mitgliedstaaten als Vorbild
        dienen kann .
        Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Erstens . Mit
        allergrößtem Befremden nehme ich die Tatsache wahr,
        dass hier im Parlament ein Antrag zur namentlichen
        Abstimmung gestellt wird, ohne dass es hierzu eine
        parlamentarische Aussprache gegeben hat, in der auch
        differenzierte Positionen zum Sachverhalt eingenom-
        men und ein Votum in der Sache bzw . ein Sachverhalt
        hätten erklärt werden können . Ich halte dieses für einen
        unmöglichen parlamentarischen Stil, unabhängig davon,
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615652
        (A) (C)
        (B) (D)
        ob dieses nun durch Bündnis 90/Die Grünen bewusst
        herbeigeführt worden ist, weil deren Fraktion zwar die
        namentliche Abstimmung, aber nicht die inhaltliche Aus-
        sprache und differenzierte parlamentarische Behandlung
        wichtig gewesen ist, oder ob dieses im Einvernehmen al-
        ler Fraktionen im Ältestenrat so entschieden worden ist .
        Gute parlamentarische Arbeit sieht für mich jedenfalls
        anders aus .
        Zweitens . So bleibt mir an dieser Stelle nur die Möglich-
        keit, der differenzierten politischen Position beizutreten,
        die von den dafür zuständigen und kompetenten Abge-
        ordneten der SPD-Bundestagsfraktion erarbeitet und von
        der SPD-Bundestagsfraktion in einem Positionspapier
        beschlossen worden ist . Diese Position bietet zumindest
        die Perspektive einer konsequenten Rückführung der
        Nutzung von Glyphosat in Deutschland und muss jetzt
        auch Schritt für Schritt angegangen werden .
        Drittens . Seit langem warnen Ärzte, Wissenschaftler,
        Umwelt- und Verbraucherverbände vor den gesundheitli-
        chen und ökologischen Folgen des übermäßigen Glypho-
        sateinsatzes . Die Weltgesundheitsorganisation (WHO)
        hat den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“
        eingestuft . Vom deutschen Bundesinstitut für Risikobe-
        wertung und der Europäischen Behörde für Lebensmit-
        telsicherheit werden diese Bedenken nicht geteilt . Eine
        europaweite erneute Zulassung des Wirkstoffes Glypho-
        sat ist damit ziemlich wahrscheinlich .
        Die widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurteilun-
        gen haben in der Gesellschaft zu einer großen Besorgnis
        geführt . Als Sozialdemokrat nehme ich diese Sorgen sehr
        ernst . Auch ich sehe die erneute Zulassung des Wirk-
        stoffs Glyphosat äußerst kritisch . Wenn ich den Antrag
        der Grünen heute nicht unterstütze, dann tue ich dies,
        weil ich der Meinung bin, dass wir für den Glyphosa-
        teinsatz in der Landwirtschaft zunächst eine gesundheits-
        und umweltverträgliche Alternative brauchen . Forschung
        und Entwicklung müssen gestärkt werden, damit wir ge-
        meinsam mit der Landwirtschaft den Ausstieg aus dem
        Glyphosateinsatz und den Umstieg auf solche Alternati-
        ven organisieren können .
        Bis dahin wollen wir die Anwendung von Glyphosat
        in der Landwirtschaft auf ein Mindestmaß reduzieren
        und effizienter gestalten. In vielen Fällen ist die Anwen-
        dung schon heute überflüssig, wie zum Beispiel bei der
        Stoppelbearbeitung nach der Ernte und vor der Aussaat
        der Folgekultur .
        Am größten ist die Gefahr der Fehlanwendung und
        Überdosierung jedoch bei der privaten Nutzung . Wir set-
        zen uns deshalb in der Großen Koalition für ein Verbot
        von glyphosathaltigen Herbiziden in Haus- und Klein-
        gärten und auch im kommunalen Bereich ein . Wir wol-
        len verhindern, dass auf Spielplätzen und in öffentlichen
        Gärten Glyphosat gespritzt wird . Denn solange die Aus-
        wirkungen auf die menschliche Gesundheit unklar sind,
        wollen wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen
        dem Vorsorgeprinzip folgen und sicherstellen, dass die
        Menschen so wenig wie möglich damit unmittelbar in
        Berührung kommen .
        Die großen Baumarktketten haben bereits verantwor-
        tungsvoll gehandelt und Unkrautvernichtungsmittel mit
        Glyphosat aus ihrem Sortiment genommen . Auch in ih-
        rem Interesse kann es nur sein, wenn wir zügig eine Re-
        gelung schaffen, die für den gesamten Handel gilt .
        Ich erwarte, dass die Bundesregierung die Bedenken
        in der Wissenschaft und in der Bevölkerung gegenüber
        Glyphosat ernst nimmt und einen konkreten Ausstiegs-
        plan für die Anwendung in der Landwirtschaft erarbeitet,
        der dann auch anderen EU-Mitgliedstaaten als Vorbild
        dienen kann .
        Dr. Nina Scheer (SPD): Seit einigen Jahren war-
        nen Ärzte, Wissenschaftler, Umwelt- und Verbraucher-
        verbände vor den gesundheitlichen und ökologischen
        Folgen des übermäßigen Einsatzes von Glyphosat . Die
        Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Wirkstoff
        als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft . Vom
        deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung und der
        Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit wer-
        den diese Bedenken nicht geteilt . Eine europaweite er-
        neute Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat ist somit
        wahrscheinlich .
        Glyphosat ist ein Wirkstoff, der als sogenanntes To-
        talherbizid als Pflanzenschutzmittel eingesetzt wird. Die
        widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurteilungen sei-
        ner krebserregenden Wirkung haben in der Gesellschaft
        zu großer Besorgnis geführt . Dies muss auch politische
        Konsequenzen nach sich ziehen . Vor dem Hintergrund
        des Vorsorgeprinzips halte ich die erneute Zulassung des
        Wirkstoffs Glyphosat für unverantwortlich .
        Ich erwarte, dass Wege gefunden werden, um mit den
        gegebenen Mehrheiten die Anwendung von Glyphosat
        baldmöglichst auszuschließen .
        Dr. Karin Thissen (SPD): Voreilige Neuzulassung
        von Glyphosat stoppen:
        Seit einigen Jahren warnen Ärzte, Wissenschaftler,
        Umwelt- und Verbraucherverbände vor den gesundheit-
        lichen und ökologischen Folgen des übermäßigen Ein-
        satzes von Glyphosat . Die Weltgesundheitsorganisation
        (WHO) hat den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebser-
        regend“ eingestuft . Vom deutschen Bundesinstitut für
        Risikobewertung und der Europäischen Behörde für Le-
        bensmittelsicherheit werden diese Bedenken hingegen
        nicht geteilt, und eine europaweite erneute Zulassung des
        Wirkstoffes Glyphosat ist somit wahrscheinlich .
        Glyphosat ist ein Wirkstoff, der als sogenanntes To-
        talherbizid als Pflanzenschutzmittel eingesetzt wird. Die
        widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurteilungen sei-
        ner krebserregenden Wirkung haben in der Gesellschaft
        zu großer Besorgnis geführt . Als Sozialdemokratin neh-
        me ich diese Sorgen sehr ernst . Auch ich sehe die er-
        neute Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat sehr kritisch .
        Fehlanwendungen im privaten Bereich in Haus- und
        Kleingärten und Überdosierungen wie auch der Einsatz
        im kommunalen Bereich müssen verhindert werden .
        Wenn ich den Antrag der Grünen heute jedoch nicht
        unterstütze, dann tue ich dies, weil ich neben dem Er-
        fordernis gesicherter wissenschaftlicher Faktenlage und
        Erkenntnisse auch für die Landwirtschaft in einer Zu-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15653
        (A) (C)
        (B) (D)
        lassungsverweigerung keine augenblickliche, aber auch
        noch keine langfristige Alternative sehe . Forschung und
        Entwicklung müssen daher gestärkt werden, damit wir
        gemeinsam mit der Landwirtschaft den Ausstieg aus dem
        Glyphosateinsatz und den Umstieg auf ökologisch nach-
        haltige Wege organisieren können .
        Bis dahin wollen wir die Anwendung von Glyphosat
        in der Landwirtschaft auf ein Mindestmaß reduzieren
        und effizienter gestalten. In vielen Fällen ist die Anwen-
        dung schon heute überflüssig, wie zum Beispiel bei der
        Stoppelbearbeitung nach der Ernte und vor der Aussaat
        der Folgekultur .
        Solange die Auswirkungen auf die menschliche Ge-
        sundheit unklar sind, wollen wir Sozialdemokraten und
        Sozialdemokratinnen dem Vorsorgeprinzip folgen und
        sicherstellen, dass die Menschen so wenig wie möglich
        mit Glyphosat in Berührung kommen . Beim derzeitigen
        Stand der Wissenschaft stehe ich deshalb für eine diffe-
        renzierte Betrachtung der Einsatzgebiete zwischen priva-
        ten und kommunalen Bereichen und der Landwirtschaft .
        Während wir es auf der einen Seite umgehend verbieten
        müssen, müssen wir in der Landwirtschaft nach Wegen
        suchen, es einerseits zu reduzieren, und andererseits
        langfristig andere Wahlmöglichkeiten nutzbar machen .
        Für den privaten Sektor haben große Baumarktketten
        bereits verantwortungsvoll gehandelt und Unkrautver-
        nichtungsmittel mit Glyphosat aus ihrem Sortiment ge-
        nommen . Auch in ihrem Interesse kann es nur sein, wenn
        wir zügig eine Regelung schaffen, die für den gesamten
        Handel gilt .
        Ich erwarte, dass die Bundesregierung die Bedenken
        in der Wissenschaft und in der Bevölkerung gegenüber
        Glyphosat ernst nimmt und einen konkreten Ausstiegs-
        plan für die Anwendung in der Landwirtschaft erarbeitet,
        der auch anderen EU-Mitgliedstaaten als Vorbild dienen
        kann .
        Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Seit langem
        warnen Ärzte, Wissenschaftler, Umwelt- und Verbrau-
        cherverbände vor den gesundheitlichen und ökologi-
        schen Folgen des übermäßigen Glyphosateinsatzes . Die
        Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Wirkstoff
        als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft . Vom
        deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung und der
        Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit wer-
        den diese Bedenken nicht geteilt . Eine europaweite er-
        neute Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat ist damit
        ziemlich wahrscheinlich .
        Die widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurteilun-
        gen haben in der Gesellschaft zu einer großen Besorgnis
        geführt . Auch ich sehe die erneute Zulassung des Wirk-
        stoffs Glyphosat äußerst kritisch . Wenn ich den Antrag
        der Grünen heute nicht unterstütze, dann tue ich dies,
        weil wir für den Glyphosateinsatz in der Landwirtschaft
        zunächst eine gesundheits- und umweltverträgliche Al-
        ternative brauchen . Forschung und Entwicklung müssen
        gestärkt werden, damit wir gemeinsam mit der Landwirt-
        schaft den Ausstieg aus dem Glyphosateinsatz und den
        Umstieg auf Alternativen organisieren können .
        In vielen Fällen ist die Anwendung schon heute über-
        flüssig, wie zum Beispiel bei der Stoppelbearbeitung
        nach der Ernte und vor der Aussaat der Folgekultur .
        Am größten jedoch ist die Gefahr der Fehlanwendung
        und Überdosierung bei der privaten Nutzung . Wir setzen
        uns deshalb in der Großen Koalition für ein Verbot von
        glyphosathaltigen Herbiziden in Haus- und Kleingärten
        und auch im kommunalen Bereich ein . Wir werden ver-
        hindern, dass auf Spielplätzen und in öffentlichen Gärten
        Glyphosat gespritzt wird .
        Wir wollen dem Vorsorgeprinzip folgen und sicher-
        stellen, dass die Menschen so wenig wie möglich damit
        in Berührung kommen .
        Die großen Baumarktketten haben bereits verantwor-
        tungsvoll gehandelt und Unkrautvernichtungsmittel mit
        Glyphosat aus ihrem Sortiment genommen . Auch in ih-
        rem Interesse kann es nur sein, wenn wir zügig eine Re-
        gelung schaffen, die für den gesamten Handel gilt .
        Ich erwarte, dass die Bundesregierung die Bedenken
        in der Wissenschaft und in der Bevölkerung gegenüber
        Glyphosat ernst nimmt und einen konkreten Ausstiegs-
        plan für die Anwendung in der Landwirtschaft erarbeitet,
        der dann auch anderen EU-Mitgliedstaaten als Vorbild
        dienen kann .
        Anlage 16
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des von der Bundesregierung einge-
        brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
        des Designgesetzes und weiterer Vorschriften des
        gewerblichen Rechtsschutzes (Tagesordnungs-
        punkt 15)
        Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Das Design
        spielt heute eine erhebliche Rolle bei der Kaufentschei-
        dung . Es gibt Impulse und weckt Emotionen . Nachdem
        funktionale Unterschiede zwischen den einzelnen Pro-
        dukten weniger werden, ist das Design der Punkt, an dem
        sich ein Produkt von anderen abheben kann . Durch das
        Design können Unternehmer ihren Produkten einen ein-
        zigartigen Charakter geben und so den Kunden an sich
        binden .
        Zunächst möchte ich uns die Unterschiede zwischen
        den einzelnen Schutzvorschriften nochmals kurz ins Ge-
        dächtnis rufen:
        Das Patentrecht schützt als einziges Schutzrecht eine
        bloße Idee, wie zum Beispiel das von iPhone und iPad
        bekannte „Wischen“ und die dahinter stehenden techni-
        schen Abläufe . Voraussetzung für den Patentschutz ist
        die Neuheit einer Idee und die Lösung eines technischen
        Problems durch sie .
        Durch das Markenrecht werden die Unterscheidung
        von Produkten verschiedener Hersteller und der Schutz
        vor Verwechselungen gewährleistet . Solche Kennzei-
        chenmittel können zum einen drei Streifen an einem
        Sportschuh, das auffällige Design einer Cola-Flasche
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615654
        (A) (C)
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        oder das Jingle eines Radiosenders sein . Das Marken-
        recht schützt das Design daher nur mittelbar – aber es
        ist ein höchst effektives Schutzrecht, das ohne zeitliche
        Grenze besteht .
        In Anlehnung an das Design kann man sich auch eine
        dreidimensionale Marke eintragen lassen . Diese dreidi-
        mensionale Marke erlangt man, wenn die Marke oder
        das Produkt nicht die übliche Form hat, sondern eine be-
        sonders einprägsame Form für den Verbraucher vorliegt,
        welche direkt auf den Hersteller schließen lässt . Dies
        liegt unter anderem bei der Verpackung der berühmten
        dreieckigen Schweizer Schokolade oder der unverwech-
        selbaren Flasche eines großen amerikanischen Soft-
        drink-Herstellers vor . Dies zeigt, dass nicht nur Produkte,
        sondern auch ihre Verpackungen eine Marke ausmachen
        können .
        Das Urheberrecht schützt jedes geistige Eigentum,
        das über dem handwerklichen Durchschnitt liegt . Die
        Anforderungen beim Urheberrecht sind durchaus hoch;
        der Schutz des Urheberrechts geht aber bis 70 Jahre nach
        dem Tod des Urhebers hinaus .
        Eingetragene Designs schützen die Farb- und Form-
        gebung von nahezu allen handwerklich herzustellenden
        Erzeugnissen, wie zum Beispiel Bekleidung .
        Durch die Eintragung eines Designs wird ein zeitlich
        begrenztes Monopol auf die Form und die Gestaltung
        eines Produkts gesichert . Die mit einer Anmeldung ein-
        gereichten Darstellungen des Designs legen Gegenstand
        und Umfang des Rechts fest und sind daher von zentraler
        Bedeutung . Die Eintragung kann durch jeden erfolgen,
        durch Privatpersonen und durch Unternehmen .
        Wenn sich ein Designer seine Rechte hat eintragen
        lassen, besitzt ausschließlich er das Recht, dieses De-
        sign zu benutzen . Der Rechtsinhaber kann es anderen
        verbieten, sein Design zu benutzen – sei es zur Herstel-
        lung oder zum Verkauf von anderen Gütern . Das heißt,
        als Designinhaber kann man gegen jedes nachgemachte
        Design vorgehen, das beim informierten Benutzer keinen
        anderen Gesamteindruck hinterlässt als das eingetragene
        Design .
        Durch die Neuerungen nehmen wir technische Anpas-
        sungen im Designgesetz und in weiteren Gesetzen des
        gewerblichen Rechtsschutzes vor . Neben der Anpassung
        deutschen Rechts an diverse EU-Verordnungen vereinfa-
        chen und beschleunigen wir dabei die Verfahrensabläufe
        im Deutschen Patent- und Markenamt, etwa hinsichtlich
        des elektronischen Rechtsverkehrs und der Vermeidung
        aufwendiger Nichtigkeitsverfahren .
        Ziel des Gesetzes zur Änderung des Designgesetztes
        und der weiteren Vorschriften des gewerblichen Rechts-
        schutzes ist es, weitere Vereinfachungen und Beschleuni-
        gungen der Prozesse im Deutschen Patent- und Marken-
        amt (kurz DPMA) zu erreichen . Durch die Änderungen
        wird auch der Rechtsverkehr beim DPMA erheblich
        erleichtert . Hinzu kommt, dass es Verbesserungen im
        Nichtigkeitsverfahren vor dem DPMA gibt und eine An-
        passung an geändertes Recht zur Beschlagnahme rechts-
        verletzender Waren an den Grenzen sowie zum Schutz
        geografischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen.
        Diese genannten Änderungen sollen und werden zum
        Abbau von Bürokratie beitragen .
        Im Nichtigkeitsverfahren zum Beispiel kann der Inha-
        ber durch die Änderung des § 33 Designgesetz nun auch
        bei absoluten Nichtigkeitsgründen in die Löschung ein-
        willigen und somit ein Nichtigkeitsverfahren vermeiden
        oder einvernehmlich beenden . Dies führt zu erheblichen
        Kosten- und Zeitersparnissen .
        Durch die Änderungen kann auch im Klageverfahren
        der Einwand der Nichtigkeit eines eingetragenen Designs
        nur durch Erhebung der Widerklage oder durch Stellung
        eines Nichtigkeitsantrags beim DPMA geltend gemacht
        werden . Dies führt zu überaus sinnvollen Vereinfachun-
        gen im Prozessrecht und bei den Kosten im Nichtigkeits-
        verfahren .
        Dieser Gesetzentwurf dient der wirtschaftlichen Zu-
        kunftsvorsorge und somit einer nachhaltigen Entwick-
        lung im Sinne der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie .
        Durch die Zustellung von Dokumenten über den
        elektronischen Verkehr entstehen erhebliche Effizi-
        enzgewinne und Kosteneinsparungen: So können zum
        Beispiel 37,5 Prozent der Patentanmeldungen die elek-
        tronische Zustellung an das DPMA nutzen . Und bei den
        durchschnittlich 2 500 Paketsendungen pro Tag werden
        durchschnittlich 350 förmlich zugestellt . Durch die Neu-
        erungen kann eine elektronische Zustellung daher in
        130 Fällen pro Tag erfolgen . Das ergibt ein Einsparpo-
        tenzial von bis zu 316 000 Euro pro Jahr .
        Die einheitliche Zustimmung aller Fraktionen gestern
        im Ausschuss sowie das Lob der Markenverbände zeigen
        die hohe Praxistauglichkeit und die Vorteile, die dadurch
        entstehen .
        Ich bitte daher um Zustimmung .
        Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Es ist selten,
        aber es kommt vor, dass wir einen Gesetzentwurf der
        Bundesregierung beraten, bei dem wir keinen Ände-
        rungsbedarf sehen .
        Sogar der Bundesrat wie auch zum Beispiel der Mar-
        kenverband und die GRUR, die Deutsche Vereinigung
        für gewerblichen Rechtschutz und Urheberrecht, haben
        keine Einwände gegen den Gesetzentwurf erhoben . Das
        ist auch für mich ein Novum .
        Insofern möchte ich mal die – leider viel zu seltene –
        Gelegenheit nutzen und das Bundesjustizministerium
        loben . Es wäre schön, wenn ich das auch bei Entwürfen
        mit größerer rechtspolitischer Relevanz und Substanz
        machen könnte . Ich denke etwa an das Mietrecht, wo ja
        demnächst auch ein Referentenentwurf aus Ihrem Hause
        kommen soll . Ich bin skeptisch gespannt und freue mich
        auf Überraschungen, die Hoffnung stirbt ja bekanntlich
        zuletzt!
        Bei dem heutigen Gesetzentwurf zur Änderung des
        Designgesetzes und weiterer Vorschriften des gewerb-
        lichen Rechtsschutzes sprechen wir in erster Linie über
        eine Vielzahl von technischen Verfahrensfragen . Dabei
        geht es im Wesentlichen um Modernisierungsmaßnah-
        men, Anpassungen an das europäische Recht und redak-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15655
        (A) (C)
        (B) (D)
        tionelle Änderungen . Die Änderungen dienen vor allem
        der Erleichterung des elektronischen Rechtsverkehrs
        beim Deutschen Patent- und Markenamt, einer Verbesse-
        rung des Nichtigkeitsverfahrens in Designsachen sowie
        der Modernisierung von Verfahrensabläufen insgesamt .
        Die Änderungen leisten insoweit einen wichtigen Bei-
        trag nicht nur zur Umsetzung des Koalitionsvertrags, in
        dem wir uns auch zum Abbau von unnötiger Bürokratie
        verpflichtet haben, sondern sie dienen auch der Vereinfa-
        chung und Beschleunigung der Prozesse im DPMA .
        Unter dem Stichwort „Law made in Germany“ dis-
        kutieren wir derzeit die Frage, wie wir unnötige Wett-
        bewerbsnachteile des Rechtsstandorts Deutschland be-
        seitigen können . Insofern begrüße ich mit Blick auf den
        Wettbewerb der Rechtsordnungen die Zielsetzung des
        Gesetzentwurfes .
        Denn der Abbau von Bürokratie stärkt die Wettbe-
        werbsfähigkeit insbesondere kleiner und mittlerer Un-
        ternehmen . Eine leistungsfähige öffentliche Verwaltung
        und ein geringer Erfüllungsaufwand sind dabei ein we-
        sentlicher Standortvorteil für unser Land .
        Die konsequente Umsetzung und Weiterentwicklung
        des elektronischen Rechtsverkehrs ist hierbei ein bedeu-
        tender Faktor . Bereits heute besteht die Möglichkeit, im
        Schutzrechtsverfahren vor dem DPMA Dokumente elek-
        tronisch zu übermitteln . Um den elektronischen Rechts-
        verkehr jedoch weiter zu erleichtern, soll insbesondere
        eine virtuelle Poststelle als ein sicherer Übermittlungs-
        weg für eine elektronische Zustellung etabliert werden .
        Als zusätzliche Transportsicherung sollen dabei für die
        Übermittlung sämtlicher elektronischer Dokumente fort-
        geschrittene elektronische Signaturen eingesetzt werden .
        Zu diesem Zweck wird das BMJV im Patent- und Mar-
        kengesetz ermächtigt, in einer Rechtsverordnung nähere
        Bestimmungen dazu zu erlassen .
        Weiterhin ist im Gesetzentwurf beabsichtigt, dass eine
        Bekanntmachung einer Eintragung in das DPMA-Regis-
        ter künftig auch in elektronischer Form erfolgen kann .
        Das begrüße ich an dieser Stelle ausdrücklich . Dies dient
        nicht nur der Verfahrensbeschleunigung, sondern es wer-
        den bisher bestehende Wettbewerbsnachteile zum „Har-
        monisierungsamt für den Binnenmarkt“ beseitigt .
        Einziger Punkt, über den man hier hätte nachdenken
        können, ist, dass bei einigen absoluten Eintragungshin-
        dernissen im Markengesetz die Notwendigkeit der Ver-
        öffentlichung im Bundesgesetzblatt entfallen soll . Dies
        betrifft zum Beispiel geschützte Wappen, Siegel und
        Zeichen zwischenstaatlicher Organisationen . Insofern
        verweist die Gesetzesbegründung darauf, dass man die-
        se Zeichen auch bei der Weltorganisation für geistiges
        Eigentum recherchieren könne . Deren Datenbank dient
        jedoch lediglich der einfachen Recherche von Eintra-
        gungshindernissen . Ihr kommt in Bezug auf das deutsche
        Recht keine konstitutive, sondern nur eine deklaratori-
        sche Wirkung zu . Im Einzelfall muss also geprüft wer-
        den, ob zum Beispiel ein Zeichen, das nicht in der Daten-
        bank vorhanden ist, ein absolutes Eintragungshindernis
        darstellen kann .
        Hier wird sich zeigen, inwieweit dies in der Praxis
        nicht doch zu Rechtsunsicherheiten führt . Das BMJV
        hat mir jedenfalls mitgeteilt, dass bei anderen absolu-
        ten Eintragungshindernissen, wo keine Veröffentlichung
        im Bundesgesetzblatt erfolgt, dies bisher nicht der Fall
        sei . Insofern besteht zwar kein akuter Handlungsbedarf,
        dennoch sollten wir diesen Punkt nicht aus den Augen
        verlieren .
        Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen . Das
        ist die im Gesetzentwurf vorgesehene Änderung des
        Nichtigkeitsverfahrens in Designsachen . Sie ermöglicht
        künftig die Einwilligung des Designinhabers in die Lö-
        schung des eingetragenen Designs auch für Fälle absolu-
        ter Nichtigkeitsgründe – zum Beispiel wenn von Anfang
        an gar kein Design, also eine Farb- und Formgestaltung
        von hergestellten Produkten, vorgelegen hat . Damit soll
        nun auch in diesen Fällen ein Nichtigkeitsverfahren ver-
        mieden oder einvernehmlich beendet werden können .
        Bisher war es nur bei relativen Nichtigkeitsgründen
        möglich, in eine Löschung einzuwilligen . Es verzögert
        jedoch ungemein das Verfahren, wenn trotz Einverständ-
        nis des Designinhabers zwingend ein Löschungsverfah-
        ren durchzuführen ist . Insofern ist diese Änderung eben-
        falls zu begrüßen . Sie macht das Verfahren schneller und
        effektiver . Das ist gut .
        Insgesamt ist der Gesetzentwurf mit seinen Rege-
        lungsansätzen überzeugend – viele Verfahrensfragen vor
        dem DPMA werden erleichtert . Insbesondere vollzieht
        der Gesetzentwurf sinnvolle Anpassungen im Rahmen
        des Löschungsverfahrens und schafft verschiedene Vo-
        raussetzungen für den elektronischen Rechtsverkehr,
        sodass meine Fraktion und ich ihm guten Gewissens zu-
        stimmen können .
        Christian Flisek (SPD): Gutes Design macht unser
        Leben schöner! Ich würde jetzt gerne behaupten, dass wir
        mit den vorgelegten Änderungen zum Designgesetz dazu
        beitragen, dass es in Zukunft nur noch geschmackvolles
        Design geben wird, dass unser Leben auch tatsächlich
        schöner wird .
        Aber das wäre natürlich zu viel der Ehre für ein sol-
        ches Gesetz, und vor allem würde es nicht der Wahrheit
        entsprechen . Denn – so wünschenswert es wäre – das De-
        signgesetz schützt nicht gutes Design, sondern nur „De-
        sign an sich“ bzw . eine bestimmte „Eigenart“ – egal ob
        gut oder schlecht . Oder wie es das Deutsche Patent- und
        Markenamt – das DPMA – ausdrückt: „Ein besonderes
        Gestaltungsniveau ist nicht erforderlich“ . Voraussetzung
        für den Schutz ist – laut Deutschem Patent- und Mar-
        kenamt – vielmehr der durch das Design hervorgerufene
        Gesamteindruck bei einem sogenannten „informierten
        Benutzer“ .
        Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass gutes Design
        häufig besonders schutzwürdig ist. Nicht umsonst wer-
        den hochwertige Produkte häufig mit dem Präfix wie
        zum Beispiel „Design-Möbel“, „Designer-Taschen“ oder
        gar „Design-Klassiker“ versehen .
        Ganz besonders deutlich wird der Wert von gutem De-
        sign zum Beispiel an den Produkten der früheren deut-
        schen Firma „Braun“, die es so heute leider nicht mehr
        gibt . Ihre Produkte genießen aber bis heute Kultstatus,
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615656
        (A) (C)
        (B) (D)
        der sich alleine aus der Tatsache speist, dass es diese Fir-
        ma verstand, Form und Funktion bis zu Perfektion zu ver-
        binden . Sogar bis in das MOMA in New York (Museum
        of Modern Art) haben es die Braun-Produkte geschafft .
        Ein aktuelles Beispiel für den ökonomischen Wert
        von gutem Design ist die Firma Apple, die – wie früher
        Braun – eine richtige Fan-Gemeinde hat . Auch die Ap-
        ple-Produkte genießen heute Kultstatus . Und das haben
        wir nur dem akademischen Scheitern von Steve Jobs,
        dem Gründer von Apple, zu verdanken . Hätte Jobs 1972
        nicht sein Physik- und Literaturstudium geschmissen,
        hätte er nach eigener Aussage nie einen Kalligrafie-Kurs
        besucht . Zehn Jahre später nutzte Jobs sein Wissen über
        Formen für das Design des ersten Mac und für die auf
        dem Mac verfügbaren Schriftarten . Damit begann der
        steile Aufstieg der Marke „Apple“ .
        Viele Menschen kaufen bis heute nur teure Apple-Pro-
        dukte, obwohl diese nicht mehr – aber auch nicht weni-
        ger – können als viel günstigere Handys anderer Herstel-
        ler . Viele Konsumenten sind bereit, für gutes Design tief
        in die Tasche zu greifen . Das trifft nicht nur auf Kultmar-
        ken wie Apple oder Braun zu, sondern auf nahezu jedes
        bessere Produkt, das etwas auf sich hält . Ohne gutes De-
        sign lässt sich kein Produkt erfolgreich verkaufen .
        Aus diesem Grund ist der Schutz von Design not-
        wendig, und aus diesem Grund benötigen wir auch ein
        modernes Designgesetz . Und wir benötigen es dringen-
        der denn je! Design wird für den Erfolg von Produkten
        immer wichtiger und damit natürlich auch, dass Design
        effektiv geschützt werden kann .
        Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung
        des Designgesetzes werden wir das Designgesetz zwar
        nicht revolutionieren, aber durch Verfahrensvereinfa-
        chungen an entscheidender Stelle verbessern .
        Insbesondere erleichtern wir den elektronischen
        Rechtsverkehr, das heißt, in naher Zukunft wird eine vir-
        tuelle Poststelle als sicherer Übermittlungsweg für elek-
        tronische Zustellungen beim DPMA eingerichtet . Damit
        werden Verfahrensabläufe modernisiert und der Bürokra-
        tieaufwand erheblich reduziert . Für die Wirtschaft wer-
        den Einsparungen von rund 300 000 Euro prognostiziert .
        Außerdem verbessern wir das Nichtigkeitsverfahren
        vor dem DPMA in Designsachen . Dadurch kann ein
        Nichtigkeitsverfahren in Zukunft vermieden oder ein-
        vernehmlich – mit dem Inhaber eines eingetragenen De-
        signs – beendet werden .
        Nicht zuletzt passen wir das deutsche Recht an die eu-
        ropäische Verordnung zur Durchsetzung der Rechte des
        geistigen Eigentums durch die Zollbehörden und an die
        europäische Verordnung über Qualitätsregelungen für
        Agrarerzeugnisse und Lebensmittel an .
        Ich bin mir sicher, dass wir das Designgesetz mit
        diesen Änderungen ein gutes Stück modernisieren . Da
        selbst die Opposition kein Haar in der Suppe findet und
        sich im Ausschuss enthalten hat, kann man getrost von
        einem parlamentarischen Konsens sprechen . So etwas
        kommt ja auch nicht alle Tage vor .
        Die Anpassung des Designgesetzes in dieser Legisla-
        tur ist – neben der Modernisierung des Urheberrechts –
        aber auch ein weiterer wichtiger Baustein zur Stärkung
        der Rechte am geistigen Eigentum in Deutschland .
        Gutes Design ist nicht einfach . Ein gutes Designgesetz
        ebenso wenig . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird
        das Designgesetz weiter verbessert . Kultstatus – wie ein
        Apple iPhone – wird unser Gesetz wohl nicht erlangen .
        Aber das muss ja nicht sein . Es reicht, wenn wir damit –
        gutes – Design mithilfe digitaler Verfahren in Zukunft
        effizienter schützen können.
        Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Gesetz
        zur Änderung des Designgesetzes und weiterer Vor-
        schriften des gewerblichen Rechtsschutzes – abgesehen
        davon, dass der Titel des Gesetzes den durchschnittlichen
        Politik-Verbraucher wahrscheinlich in eine völlig falsche
        Richtung schickt, schlägt der Gesetzentwurf, über den
        wir heute hier abschließend beraten und beschließen wer-
        den, selbst die richtige Richtung ein .
        Mit dem Gesetz vereinfachen sich vor allem die An-
        meldung und die Löschung von Patenten, Verfahren
        beim Deutschen Patent- und Markenamt können zügiger
        und vereinfachter stattfinden, bürokratischer Aufwand
        wird verringert, nicht mehr notwendige Regelungen in
        einzelnen Gesetzen werden aufgehoben oder notwendi-
        ge Verweise angepasst, und das Gesetz soll dabei helfen,
        Kosten zu sparen . Gut so! Und da all diejenigen, die
        heutzutage ein Patent anmelden wollen, in der Regel sehr
        technikfreundliche und mit den Tücken und Klippen von
        Internet und elektronischem Post- und Rechtsverkehr
        bestens vertraute Menschen sind, wird das Gesetz ihnen
        wahrscheinlich wirklich nützen . Dies ist der wichtigste
        Grund, warum Die Linke dem Gesetzentwurf in der vor-
        liegenden Fassung zustimmen wird .
        Aber um Ihre Euphorie, verehrte Kolleginnen und
        Kollegen der Koalition, über unsere Zustimmung nicht
        ins Uferlose wachsen zu lassen, möchte ich wenigstens
        daran erinnert haben, dass trotz aller gesetzlichen Rege-
        lungen darüber, eine virtuelle Poststelle (VPS) – diesmal
        die des Deutschen Patent- und Markenamtes – als einen
        sicheren Übermittlungsweg für eine elektronische Zu-
        stellung zu etablieren, diese Sicherheit aus unserer Sicht
        nicht absolut gegeben sein wird . Alle Erfahrungen über
        Datensicherheit, die wir bisher sammeln durften und
        sammeln mussten, bestätigen das . Wir sollten uns dieser
        Tatsache bewusst bleiben und schon mal mit der Suche
        nach weiteren alternativen und sicheren Übermittlungs-
        wegen beginnen, die trotzdem zügig und unbürokratisch,
        einfach und kostensparend funktionieren und dabei nicht
        gehackt werden können .
        Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das
        sogenannte Designgesetz soll unter anderem nationales
        Recht an die EU-Verordnungen beim Kampf gegen Pro-
        duktpiraterie und dem Schutz geografischer Herkunftsan-
        gaben anpassen . Außerdem sollen Prozesse im Marken-
        und Patentamt vereinfacht und beschleunigt werden . Um
        eine elektronische Zustellung realisieren zu können, soll
        die virtuelle Poststelle des Deutschen Patent- und Mar-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15657
        (A) (C)
        (B) (D)
        kenamtes (DPMA) als sicherer Übermittlungsweg für
        elektronische Zustellungen etabliert werden .
        Mit dem Gesetz soll also auch der elektronische
        Rechtsverkehr beschleunigt werden . Dagegen ist erst
        einmal nichts einzuwenden; sinnvolle Vereinfachungen
        und Beschleunigungen begrüßen wir . Deutschland kann
        von zügiger und vertrauenswürdiger Kommunikation
        über das Internet erheblich profitieren, sowohl bei der
        Verwaltung als auch bei Firmen oder bei der privaten
        Kommunikation .
        Die zunehmende Digitalisierung unseres Alltags be-
        deutet aber auch, dass wir dem Datenschutz und der
        Datensicherheit immer mehr Rechnung tragen müssen;
        denn gerade wenn jemand zum Beispiel seine Erfindung
        patentieren lassen möchte, handelt es sich doch um ei-
        nen besonders sensiblen und schützenswerten Bereich .
        Deshalb muss die Kommunikation mit dem zuständigen
        Patent- und Markenamt vertraulich und vor allem sicher
        erfolgen . Genau das hat der Gesetzgeber aber bisher im-
        mer versäumt . Ich erinnere an das Beispiel „De-Mail-Ge-
        setz“ . Hier wurde eine besonders unsichere Technologie
        ohne verpflichtende „Ende-zu-Ende-Verschlüsselung“
        eingeführt und quasi per Gesetz als sicher erklärt und
        damit die Datensicherheit ad absurdum geführt . Ich be-
        fürchte, Ähnliches droht uns nun beim sogenannten De-
        signgesetz, weswegen wir diesem Gesetz nicht zustim-
        men, sondern uns enthalten .
        Im Gesetz steht in Artikel 2 „Änderung des Patentge-
        setzes“, Absatz 4 b – ich zitiere –: „Für die Zustellung
        von elektronischen Dokumenten ist ein Übermittlungs-
        weg zu verwenden, bei dem die Authentizität und Inte-
        grität der Daten gewährleistet ist und der bei Nutzung
        allgemein zugänglicher Netze die Vertraulichkeit der zu
        übermittelnden Daten durch ein Verschlüsselungsverfah-
        ren sicherstellt . Das Bundesministerium der Justiz und
        für Verbraucherschutz erlässt durch Rechtsverordnung,
        die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nä-
        here Bestimmungen über die nach Satz 1 geeigneten
        Übermittlungswege sowie die Form und den Nachweis
        der elektronischen Zustellung .“ Das ist nicht gerade das,
        was wir Grünen uns unter Datenschutz vorstellen; denn
        hier verlässt man sich mal eben auf eine nachgeordnete
        Verordnung, um Datensicherheit zu gewährleisten, und
        das könnte dann wieder in so einem Desaster wie dem
        „De-Mail-Gesetz“ enden .
        Wir können daher nur dringend an die Bundesregie-
        rung appellieren: Ziehen Sie die richtigen Schlüsse aus
        der jahrelangen Debatte um das „De-Mail-Gesetz“ und
        der IT-Sicherheit in den letzten Jahren . Sorgen Sie da-
        für, dass der elektronische Rechtsverkehr im Umgang
        mit dem Deutschen Patent- und Markenamt verschlüsselt
        und absolut sicher erfolgt und für die Verbraucherinnen
        und Verbraucher trotzdem anwendbar ist .
        Leider gehe ich aufgrund der Vergangenheit davon
        aus, dass hier Skepsis angebracht ist . Wir werden daher
        den Umsetzungsprozess genau beobachten und, wo nö-
        tig, den Finger in die Wunde legen .
        Anlage 17
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
        Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener-
        gie zu der Verordnung der Bundesregierung: Ver-
        ordnung zur Modernisierung des Vergaberechts
        (Vergaberechtsmodernisierungsverordnung –
        VergRModVO) (Tagesordnungspunkt 17)
        Dr. Herlind Gundelach (CDU/CSU): Das Vergabe-
        recht enthält alle Regeln und Vorschriften, die die öffent-
        liche Hand bei der Beschaffung von Gütern und Leistun-
        gen zu beachten hat . Mir ist durchaus bewusst, dass das
        erst mal sehr trocken klingt . Was den meisten aber nicht
        bewusst ist: Wir beschaffen nicht nur Papier und Büro-
        stühle . Auch Weiterbildungsmaßnahmen, neue Quartiere
        oder die Versorgung von Flüchtlingen unterliegen dem
        Vergaberecht . Jährlich vergibt die öffentliche Hand Auf-
        träge in Höhe eines dreistelligen Milliardenbetrages! Wie
        hoch dieser dreistellige Milliardenbetrag genau ist, kann
        bisher nur grob geschätzt werden .
        Nach der Verabschiedung des Modernisierungsgeset-
        zes bringen wir mit der Vergabeverordnung die Novellie-
        rung des deutschen Vergaberechts zu einem erfolgreichen
        Abschluss . Ich bin davon überzeugt, dass wir damit einen
        substanziellen Fortschritt für eine moderne, transparente
        sowie wirtschafts- und mittelstandsfreundliche Vergabe-
        rechtspraxis erreichen . Außerdem geben wir den öffentli-
        chen Auftraggebern in vielen Bereichen endlich Rechts-
        sicherheit . Nur um ein Beispiel zu nennen: Zukünftig
        können beispielsweise der Aspekt der Nachhaltigkeit und
        die Qualität mehr Gewichtung erfahren; der Preis allein
        ist nicht mehr das ausschlaggebende Kriterium .
        Wir haben mit der Novellierung des Vergaberechts
        eine Strukturreform vollzogen: Ab sofort werden neben
        den grundlegenden Regelungen im Gesetz die Details
        des oberschwelligen Vergabeverfahrens nur noch in der
        Vergabeverordnung – VgV –, der Sektorenverordnung –
        SektVO –, der Verordnung über die Vergabe in den Be-
        reichen Verteidigung und Sicherheit – VSVgV – sowie
        in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen –
        VOB/A – geregelt . Die VOL und die VOF wurden integ-
        riert . Dies führt zu mehr Anwenderfreundlichkeit .
        Große Teile der alten Verordnungen wurden ins Gesetz
        gezogen . Da aber auch weiterhin Punkte mit politischer
        Relevanz in der Vergabeverordnung geregelt werden,
        haben wir uns dazu entschieden, einen Zustimmungs-
        vorbehalt des Parlaments für die Verordnung im Gesetz
        zu verankern . Und genau deshalb können wir heute hier
        über die Vergabeverordnung diskutieren .
        Die Verordnung begleitet das Gesetz und regelt wich-
        tige Details . So werden zum Beispiel bei der Vergabe
        von Arbeitsmarktdienstleistungen und Qualifizierungs-
        maßnahmen Qualitätskriterien genauer definiert. Erfreu-
        licherweise bringt die Verordnung in diesem Bereich eine
        gute Ergänzung der Bewertungskriterien . Als frühere
        Bildungssenatorin begrüße ich dies sehr .
        Ein anderer aus meiner Sicht großer Fortschritt ist –
        vor allem auch für die Weiterentwicklung des Verga-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615658
        (A) (C)
        (B) (D)
        berechts – die Statistikverordnung . Selbstverständlich
        bedeutet dies einen gewissen Aufwand für die Auftrag-
        geber, jedoch bekommen wir so zum ersten Mal tragfä-
        hige Daten über die Anzahl und das Volumen von Ver-
        gaben in Deutschland . Bisher haben wir diese ja nicht,
        wie eingangs erwähnt . Wir schätzen, dass jedes Jahr ein
        dreistelliger Milliardenbetrag vergeben wird . Aber ob
        es jetzt 200, 300 oder 400 Milliarden sind, weiß keiner .
        Durch die Statistikverordnung wird zukünftig auch im
        unterschwelligen Bereich ab 25 000 Euro gemeldet wer-
        den müssen .
        Ich möchte noch einmal auch in dieser Debatte beto-
        nen, dass wir zwar mit der Novellierung viele strukturelle
        Änderungen beschließen, jedoch die Systematik des Ver-
        gaberechts nicht grundlegend verändern . Denn auch das
        Kaskadensystem bleibt in Teilen bestehen . Zwar haben
        wir manches ins Gesetz und manches in die hier vorlie-
        gende Verordnung gezogen, aber bei Bauleistungen wer-
        den auch weiterhin wesentliche Details in der VOB, der
        Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, gere-
        gelt . Dies bedeutet nach meiner Auffassung einen Bruch
        in der Systematik, den wir bei der nächsten Novellierung
        des Vergaberechts beseitigen sollten .
        Das hier heute abschließend zu beratende Gesetzes-
        werk beschränkt sich ausschließlich auf die Vergaben
        im sogenannten Oberschwellenbereich, die meisten Ver-
        gaben finden aber im Unterschwellenbereich statt. Und
        auch dort brauchen wir Veränderungen .
        Lassen Sie mich deshalb in Anlehnung an Marcus
        Porcius Cato den Älteren, der seine Reden vor dem rö-
        mischen Senat immer mit dem gleichen Satz beendete –
        Ceterum censeo Crathaginem delendam esse –, weil es
        ihm ein Anliegen war, auch meine letzte Rede im Zu-
        sammenhang des Modernisierungsprozess des deutschen
        Vergaberechts wie immer mit meinem Appell an die
        Länder schließen, sich im Interesse vor allem der klei-
        nen und mittleren Unternehmen auf eine Angleichung
        der 15 Ländervergabegesetze zu verständigen . Die Un-
        ternehmen werden es ihnen danken . Dies müsste den
        Ländern ja umso leichter fallen, als sie in das bisherige
        Verfahren zur Modernisierung des Bundesrechts intensiv
        eingebunden waren . Der sich abzeichnende Trend zur
        elektronischen Vergabe in allen Ländern könnte hierfür
        ein geeigneter Anlass sein .
        Barbara Lanzinger (CDU/CSU): Mit der heutigen
        Debatte über die Verordnung zur Modernisierung des
        Vergaberechts schließen wir die parlamentarischen Bera-
        tungen zur Reform des Vergaberechts ab . Diese Debatte
        können wir dank des sogenannten Parlamentsvorbehalts
        führen, den wir im Vergaberechtsmodernisierungsgesetz
        verankert haben .
        Die Verabschiedung des Gesetzes zur Modernisierung
        des Vergaberechts im vergangenen November war die
        erste Etappe auf dem Weg zu einem effizienteren, an-
        wenderfreundlicheren und flexibleren Vergaberecht. Mit
        der heute zur Beratung stehenden Verordnung führen wir
        die Reform des Vergaberechts konsequent zu Ende . Ich
        denke, wir haben viel erreicht .
        Wir sorgen für ein mittelstandsfreundlicheres Verga-
        berecht . Der Zugang zu Ausschreibungen wird für klei-
        nere Wettbewerber noch weiter erleichtert .
        Wir haben die komplexe Rechtsstruktur des Vergabe-
        rechts verschlankt, indem wir die Vergabeordnungen für
        Leistungen und freiberufliche Leistungen in die Vergabe-
        verordnung integriert haben .
        Um den spezifischen Anforderungen für Planungs-
        leistungen der Architekten und Ingenieure Rechnung zu
        tragen, gibt es für sie zusätzliche Regelungen . Ebenso für
        soziale und andere besondere Dienstleistungen .
        Von besonderem Interesse für Architekten und In-
        genieure ist die Frage der Auftragswertberechnung bei
        Planungsleistungen (in § 3 Absatz 7 VgV) . Hier ist es
        uns dank unseres Mitspracherechts schon im Vorfeld ge-
        lungen, eine mittelstandsfreundliche Lösung zu erzielen .
        Die Auftragswertberechnung sollte nämlich zunächst
        unter Berücksichtigung eines sogenannten funktionalen
        Zusammenhangs erfolgen . Dies hätte bedeutet, dass der
        Gesamtwert der auf ein Projekt bezogenen, aber teils sehr
        unterschiedlichen Planungsleistungen im Rahmen der
        Auftragswertermittlung hätte zusammengerechnet wer-
        den müssen . Die Folge wäre gewesen, dass der maßgeb-
        liche EU-Schwellenwert bereits bei kleineren Projekten
        erreicht würde und eine europaweite Projektausschrei-
        bung erfolgen müsste .
        Mit der jetzigen Formulierung halten wir an der bisher
        geltenden Regelung zur Auftragswertberechnung fest . Es
        wird klargestellt, dass nur die Werte gleichartiger Pla-
        nungsleistungen zusammenzurechnen sind . Maßgeblich
        für die Gleichartigkeit ist ihre wirtschaftliche oder tech-
        nische Funktion .
        Die Beteiligung kleinerer und mittlerer Büros bei der
        Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen haben
        wir zentral in der Verordnung verankert (§ 75 Absatz 4) .
        Wenn die Aufgabenstellung dafür geeignet ist, müssen
        Eignungskriterien so bestimmt werden, dass kleinere
        Büroorganisationen und Berufsanfänger sich beteiligen
        können . Damit stellen wir sicher, dass kleine und mittlere
        Büros nicht durch zu große Anforderungen faktisch von
        der Vergabe ausgeschlossen werden .
        Wir stärken das Instrument des Planungswettbewerbs
        (§§ 78 bis 80 VgV): Planungswettbewerbe dienen der
        Förderung der Baukultur und sind insbesondere für klei-
        ne und „junge“ Planungsbüros eine gute Möglichkeit, ihr
        Kreativpotenzial zu entfalten . Die Vergabeverordnung
        hebt die Bedeutung von Planungswettbewerben expli-
        zit hervor und geht damit über die EU-Vorgaben hinaus .
        Öffentliche Auftraggeber müssen bei Ausschreibun-
        gen in der Stadt- und Freiraumplanung nun prüfen, ob
        ein Planungswettbewerb durchgeführt werden soll; ihre
        Entscheidung müssen sie dokumentieren . Dies geht über
        das bisher geltende Recht hinaus und wird künftig einen
        Anreiz geben, verstärkt Planungswettbewerbe durchzu-
        führen .
        Ich weiß, dass es teilweise Wünsche gegeben hat, die
        wir nicht erfüllen konnten . Dazu muss ich sagen, dass
        uns die europäischen Vorgaben keinen Spielraum gelas-
        sen haben . Das betrifft zum Beispiel die Mindestfristen
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15659
        (A) (C)
        (B) (D)
        für die Interessenbekundungen oder die Referenzzeiträu-
        me bei den Eignungsnachweisen .
        Ich denke aber, dass wir insgesamt nun ein gut hand-
        habbares Vergaberecht vorliegen haben . Es gibt den öf-
        fentlichen Auftraggebern ein hohes Maß an Spielräumen,
        das geeignete Verfahren für die jeweilige Aufgabenstel-
        lung zu wählen . Gleichzeitig haben wir an vielen Stellen
        dafür gesorgt, dass der Zugang auch junger oder kleiner
        Bieterbüros gewährleistet wird .
        Ich möchte betonen, dass es nun in der Hand der Auf-
        traggeber liegt, dieses flexible Rechtsinstrument mit Le-
        ben zu füllen . Ob die Spielräume des Vergaberechts gut
        genutzt werden, liegt auch an der Güte der Leistungsbe-
        schreibungen, an der Wahl der Eignungskriterien, also
        generell an der Gestaltung des Vergabeverfahrens .
        Wir haben uns bewusst zurückgehalten, hier allzu
        starre Vorgaben zu machen . Umso mehr möchte ich nun
        an die ständischen Berufsorganisationen appellieren, im
        Zusammenspiel mit den Auftraggebern, den Kommunen,
        dafür zu sorgen, dass die Vergabeverfahren zweckmäßig
        ausgestaltet werden .
        Dr. Matthias Bartke (SPD): Wir haben in das Gesetz
        zur Modernisierung des Vergaberechts einen Parlaments-
        vorbehalt eingefügt . Damit können wir die vorliegende
        Vergabeverordnung ändern oder ablehnen .
        Aber als Sozialpolitiker sage ich Ihnen: Aus arbeits-
        markt- und sozialpolitischer Sicht besteht dazu keinerlei
        Anlass! Denn die neue Verordnung ist ein großer Erfolg .
        Wir haben schon das neue Vergabegesetz intensivst
        vorbereitet und beraten . Ich selber habe unter anderem
        ein Regionales Einkaufszentrum der Bundesagentur für
        Arbeit besucht, um mich über die Vergabepraxis zu infor-
        mieren . Wir haben uns von Problemen und Befürchtun-
        gen berichten lassen und Lösungsvorschläge diskutiert .
        Das Resultat sind ein komplett reformiertes und weg-
        weisendes Vergabegesetz und eine ebensolche Verord-
        nung . Soziale Aspekte werden künftig bei der Vergabe
        verstärkt berücksichtigt . Vergaberecht ist künftig nicht
        mehr nur klassisches Wirtschaftsrecht, sondern auch ar-
        beitsmarkt- und sozialpolitisches Umsetzungsrecht .
        Ein Schwerpunkt der Vergaberechtsnovelle liegt in
        dem neuen Sonderregime für soziale und andere be-
        sondere Dienstleistungen . Hier geht es vor allem um
        Arbeitsmarktdienstleistungen, für die wir deutliche Ver-
        besserungen durchgesetzt haben . Dort werden zukünftig
        Rahmenvereinbarungen mit Laufzeiten von bis zu sechs
        Jahren mit weiterer Verlängerungsoption möglich sein .
        Die Bundesagentur für Arbeit hat bereits angekündigt,
        dass sie verstärkt längerfristige Rahmenverträge mit
        breiterer Produktpalette abschließen wird . Das bietet gro-
        ße Vorteile für die Träger: Sie gewinnen deutlich mehr
        Planungssicherheit, und sie haben weniger Aufwand
        durch kleinteilige Vergabeverfahren . Noch viel wichtiger
        ist aber die Qualität . Arbeitsmarktdienstleistungen lassen
        sich nämlich nicht allein über den Preis bestimmen . Hier
        treffen ganz verschiedene Menschen mit ganz verschie-
        denen Bedürfnissen aufeinander . Darauf muss die Quali-
        tät der Dienstleistung abgestimmt sein .
        Es ist daher genau richtig, die Gewichtung der Quali-
        tät zukünftig nicht mehr auf 25 Prozent zu beschränken .
        Im Vergleich zum Referentenentwurf haben wir konkre-
        te Qualitätskriterien durchgesetzt . Die Verordnung stellt
        nun klar, dass über die Integrationsquoten hinaus auch
        Abbruchquoten, Bildungsabschlüsse und die Zufrieden-
        heit des Auftraggebers in die Bewertung einfließen kön-
        nen . So vermeiden wir auch eine Bestenauslese bei den
        Teilnehmenden, den sogenannten Creaming-Effekt .
        Wir haben den positiven Rahmen für das Vergaberecht
        gesetzt . Nun muss die Bundesagentur für Arbeit diesen
        mit Leben füllen . Ich habe keinen Zweifel, dass sie das
        tun wird .
        Herr Keck von der Bundesagentur für Arbeit hat bei
        der Anhörung letzte Woche gesagt: Das ist aus unserer
        Sicht der richtige Weg, hier in die Arbeitsmarktdienst-
        leistungen mehr Qualität hineinzubringen . – Dem ist
        nichts hinzuzufügen!
        Marcus Held (SPD): Heute behandeln wir abschlie-
        ßend die Verordnung zur Modernisierung des Vergabe-
        rechts .
        Bereits Ende Dezember haben wir hier im Deutschen
        Bundestag das Vergaberecht beschlossen . Die weiteren
        parlamentarischen Beratungen zur Vergabeverordnung
        waren nötig, weil wir uns in der Koalition darauf ver-
        ständigt haben, dass es zu der Verordnung einen Parla-
        mentsvorbehalt geben soll . Deswegen gab es auch noch
        einmal eine öffentliche Anhörung, bei der alle Argumen-
        te vonseiten der Architektenverbände, Industrieverbän-
        de, Sozialverbände und Umweltverbände ausgetauscht
        werden konnten .
        Es kann nun keiner behaupten, dass die Modernisie-
        rung des Vergabegesetzes nicht gründlich vorgenommen
        wurde . Wir haben uns intensiv damit beschäftigt, viele
        Gespräche geführt und gründlich abgewogen . Meiner
        Meinung nach ist das Gesetz nicht nur äußerst gelungen,
        sondern es ist auch Vorbild und Anreiz für die Bundes-
        länder, ebenfalls ihre Vergabegesetze zu modernisieren .
        Die Verordnung zur Modernisierung des Vergabe-
        rechts regelt übersichtlich und leicht handhabbar die
        Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen .
        Für Unternehmen ebenso wie für die öffentliche Hand
        und Kommunen wird es zukünftig einfacher und unbüro-
        kratischer werden, die für sie einschlägigen Vorschriften
        genau zu ermitteln und anzuwenden .
        So hatten wir es vorgehabt, so haben wir es auch
        umgesetzt . Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben un-
        ser Versprechen gehalten, das Vergaberecht anwender-
        freundlicher, unbürokratischer und einfacher zu machen .
        Besonders stolz bin ich darauf, dass wir im Gesetz, das
        im Dezember beschlossen wurde, den Personalübergang
        beim Schienenpersonennahverkehr sichergestellt haben .
        Damit müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in
        diesem Sektor keine Angst mehr vor dem Verlust ihres
        Arbeitsplatzes haben, nur weil ein neuer, möglicherweise
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615660
        (A) (C)
        (B) (D)
        privater Anbieter eine Strecke übernimmt . Wir durchbre-
        chen somit Sozialdumping durch diese wichtige neue Re-
        gelung im Vergaberecht .
        Die Kriterien für Vergaben liegen uns durch Gesetz
        und Verordnung ohnehin sehr stark am Herzen . Deshalb
        freuen wir uns, allen Vergabestellen für die Zukunft er-
        möglicht zu haben, soziale und ökologische Aspekte zum
        Vergabekriterium zu machen .
        Und wer nach diesen Tatsachen immer noch der Mei-
        nung sein sollte, das neue Vergaberecht sei nicht sozial
        genug, den möchte ich auf § 36 der heute zu beschlie-
        ßenden Verordnung hinweisen . Denn hier kann künftig
        der öffentliche Auftraggeber in der Auftragsbekanntma-
        chung das Unternehmen auffordern, bei Angebotsabgabe
        nicht nur die Teile des Auftrages, die im Wege der Un-
        terauftragsvergabe an Dritte vergeben werden sollen, zu
        benennen, sondern auch das beabsichtigte Unternehmen
        anzugeben . Gleichsam ist es möglich, dass der Nachweis
        erbracht wird, dass dieser Unterauftragsnehmer auch die
        nötigen sozialen Kriterien erfüllt .
        Wichtig war uns in der Diskussion des Weiteren, dass
        gerade soziale Dienstleistungen mit einem hohen Qua-
        litätsniveau versehen werden können . Dies regelt in der
        Verordnung nun ganz explizit der § 65, indem er öffent-
        lichen Auftraggebern bereits verschiedene Vergabever-
        fahren ermöglicht, die zu einem viel engeren Kontakt
        zwischen Auftraggebern und dem künftigen Beauftrag-
        ten führen . Hier wollen wir in den kommenden Jahren
        ganz genau hinschauen und prüfen, ob gerade die großen
        Auftraggeber, die im Eigentum des Bundes stehen, diese
        Möglichkeiten der Qualitätssicherung auch nutzen .
        Bevor ich zum Ende komme, möchte ich nun an die
        Länder appellieren, ihr jeweils geltendes Vergaberecht
        ebenfalls zu modernisieren und unseren Regelungen in
        Gesetz und Verordnung möglichst schnell anzupassen,
        nicht zuletzt deshalb, weil dies zu einer Vereinfachung
        für die Bieter und damit für die Wirtschaft wird .
        Zum Schluss meiner Rede möchte ich noch danken:
        nicht nur meinen beiden Berichterstatterkolleginnen von
        der Union für die gute Zusammenarbeit, sondern auch
        den zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im
        Bundeswirtschaftsministerium, zu guter Letzt auch mei-
        nen Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Bundes-
        tagsfraktion für ihre Anregungen und unserem Bundes-
        wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der sich für diese
        mittelstandsfreundliche Modernisierung starkgemacht
        hat .
        Jutta Krellmann (DIE LINKE): Was hat das Verga-
        bemodernisierungsgesetz samt Verordnung mit den Men-
        schen in diesem Land zu tun? Der Staat vergibt Aufträge
        in Höhe von 400 Milliarden Euro, und viele Menschen
        könnten da gute Arbeit finden. Die vorliegende Verord-
        nung verbessert nun, was im Gesetz von der Bundes-
        regierung noch verpennt wurde . So könnte ein erster
        Schritt zu einer fairen öffentlichen Auftragsvergabe mög-
        lich sein . Selbst die EU hat dazu Spielräume eröffnet, um
        die öffentliche Auftragsvergabe unter anderem nach so-
        zialen Kriterien zu gestalten . Und Deutschland hat das
        nicht genutzt .
        Leider fehlen in der vorliegenden Verordnung Rege-
        lungen, die möglich und wichtig gewesen wären . Jetzt
        müssen Sie hier alle ganz tapfer sein, denn ich erkläre
        Ihnen das jetzt ganz kurz anhand von sechs Beispielen .
        Erstens: Es geht um einen fairen Wettbewerb, und
        der findet nicht über den Preis, sondern über die Quali-
        tät statt . Das heißt, soziale Standards müssen zwingend
        berücksichtigt werden . Nur so entsteht Wettbewerb ohne
        Lohndumping . Wir fordern eine „Muss“- statt einer
        „Kann“-Regelung
        Zweitens: Öffentliche Aufträge dürfen nur an tarif-
        gebundene Unternehmen vergeben werden . Das allein
        stärkt die Tarifautonomie .
        Drittens: Auch Subunternehmer müssen die Kriterien
        der Auftragsvergabe einhalten . Das fehlt ebenfalls in der
        Verordnung .
        Viertens: Alle Subunternehmen müssen selbstver-
        ständlich dem öffentlichen Auftraggeber genannt wer-
        den, und nicht nur „wenn zumutbar“, so wie es in der
        Verordnung steht .
        Da komme ich auch direkt zu Fünftens: Dieses ganze
        „Sub-Sub-Sub-Unternehmertum“ muss auf eine über-
        schaubare Anzahl von Ebenen begrenzt werden . So ma-
        chen es beispielsweise längst die Spanier . Grenze liegt
        bei vier Subunternehmer-Ebenen . Warum geht das nicht
        auch in Deutschland?
        Jetzt haben Sie so lange durchgehalten, und jetzt kom-
        me ich auch schon zu Sechstens: Bei sozialen Dienstleis-
        tungen, wie zum Beispiel der Alten- oder Krankenpflege,
        muss die Weitergabe an Subunternehmer grundsätzlich
        verboten werden . Hier muss der Auftraggeber die direkte
        Kontrolle über die Leistung behalten .
        Und für all das braucht es selbstverständlich wirksa-
        me Kontrollen und Sanktionsmöglichkeiten . Davon steht
        nichts in der Verordnung . Ich rede hier von Vertragsstra-
        fen . Bis zur fristlosen Kündigung des Auftrags muss bei
        Verstößen alles möglich sein .
        Aber alles in allem – das gebe ich zu – gibt es in der
        Verordnung schon eine kleine Verbesserung gegenüber
        dem Gesetz . Aus diesem Grund wird sich die Linke bei
        der Abstimmung enthalten .
        Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Kurz vor Weihnachten haben wir hier im Bundestag Ihr
        Gesetz zur Vergaberechtsreform debattiert . Wir hatten an
        Ihrem Gesetzentwurf einiges auszusetzen und haben Sie
        dafür kritisiert, dass Sie die sehr gelungene Vorlage der
        Europäischen Union so unentschlossen umgesetzt haben .
        In einem Punkt waren wir uns aber einig: Weil in die-
        ser Verordnung so viele wichtige Fragen für die Vergabe
        geregelt werden, müssen wir uns die Verordnung genau-
        so wie das Gesetz ansehen und darüber am Ende auch
        abstimmen . Hier waren wir einer Meinung, und es ist gut,
        dass der Bundestag sich in den Ausschüssen und im Rah-
        men einer Anhörung mit dieser Verordnung befasst hat .
        Allerdings haben wir mit diesem Verfahren natürlich
        auch die Hoffnung verbunden, dass Sie dem Gesetz mit
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15661
        (A) (C)
        (B) (D)
        der Verordnung zumindest eine präzisere und passendere
        Ausgestaltung geben und auf die Kritikpunkte eingehen,
        die von vielen Gruppen an Sie herangetragen wurden .
        Denn schon im Gesetzgebungsverfahren gab es deut-
        liche und fundierte Kritik an Ihrer Umsetzung . Diese
        Kritik hat sich nun anhand der Vergabeverordnung – ich
        muss wirklich sagen: leider! – beinahe deckungsgleich
        wiederholt .
        Die Anhörung im Wirtschaftsausschuss in der letzten
        Woche war in einigen Teilen ein echtes Déjà-vu . Dort
        trugen Vertreter von Gewerkschaften, der freien Wohl-
        fahrt und der Sozialverbände und Experten für Entwick-
        lungszusammenarbeit viele der Kritikpunkte vor, die sie
        bereits in der Anhörung zum Gesetz genannt hatten .
        Und genau wie beim Gesetz hat die Bundesregierung
        auch hier viele der wichtigen und sinnvollen Hinweise
        und Vorschläge einfach in den Wind geschlagen:
        – Es ist unverständlich, wenn Sie auf der der einen
        Seite eine Eins-zu-eins Umsetzung der EU-Richtlinien
        ankündigen, dann aber wichtige Bausteine ignorieren .
        So sieht die Richtlinie zum Beispiel vor, dass die Qua-
        lität von Leistungen im sozialen Bereich besonders gesi-
        chert werden muss . Qualität ist der entscheidende Faktor,
        wenn es um Dienstleistungen am Menschen geht – in
        Ihrem Gesetz und in Ihrer Verordnung finden wir dazu
        aber nichts .
        – Die richtigen und überfälligen Ansätze der EU-Richt-
        linie, mehr Transparenz in die Lieferketten in der Verga-
        be zu bringen, schwächen Sie mit Ihrer Verordnung . Sie
        stellen das Angeben von Informationen über Unterauf-
        tragnehmer unter den Vorbehalt der Zumutbarkeit . Damit
        lassen Sie zu, dass weniger, nicht mehr Transparenz ge-
        schaffen wird . Das ist ein Schritt in die falsche Richtung .
        – Die Regeln zum Umgang mit Gütezeichen, die Sie
        erarbeitet haben, sind geeignet, etablierte und gerade für
        die Verbesserung der humanitären Situation in Entwick-
        lungsländern wichtige Gütezeichen wie das Fair- Trade-
        Siegel in ihrer Bedeutung einzuschränken und zu schwä-
        chen . Auch das ist das Gegenteil von dem, was eigentlich
        nötig wäre .
        Die Vorlagen der EU waren wirklich gut . Was Sie
        daraus gemacht haben, ist einfach zu wenig . Ja, es gibt
        gute Ansätze . Aber angesichts der großen Bedeutung,
        die die Regeln der öffentlichen Auftragsvergabe für die
        Art und Weise unseres Wirtschaftens haben, reicht das
        nicht . Auch mit Ihrer Verordnung vergeben Sie eine gro-
        ße Chance, und das werden wir nicht mittragen .
        Anlage 18
        Zu Protokoll gegebene Rede
        zur Beratung:
        – der Beschlussempfehlung und des Berichts des
        Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenar-
        beit und Entwicklung zu dem Antrag der Frak-
        tionen der CDU/CSU und SPD: UN-Ziele für
        nachhaltige Entwicklung – 2030-Agenda konse-
        quent umsetzen
        – des Antrags der Abgeordneten Claudia Roth
        (Augsburg), Dr. Valerie Wilms, Uwe Kekeritz,
        weiterer Abgeordneter und der Fraktion
        BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nachhaltige Ent-
        wicklungsziele in Deutschland konsequent um-
        setzen
        (Tagesordnungspunkt 18 a und b)
        Stefan Rebmann (SPD): 2015 war ein Jahr zahlrei-
        cher Konferenzen, die für uns Entwicklungspolitiker von
        großer Bedeutung waren – Elmau Addis Abeba, New
        York, Paris –, und ich finde, im Großen und Ganzen kann
        man mit ein paar Abstrichen schon sagen: Es waren er-
        folgreiche Konferenzen und Gipfel .
        Die Entwicklungspolitik kommt ja – auch wegen der
        aktuellen Situation und der enormen weltweiten Flucht-
        und Wanderungsbewegungen – immer mehr in den öf-
        fentlichen und vor allem politischen Fokus . Nun sind die
        großen Gipfel aber vorbei; jetzt geht es darum, das Er-
        reichte auch umzusetzen .
        Dazu brauchen wir das langfristige Engagement vieler
        Akteure und aller Politikbereiche und Ressorts, denn die
        SDGs beinhalten einen ganzen Katalog an Arbeitsaufträ-
        gen – für uns alle .
        Und im Gegensatz zu den MDGs, den Millenniums-
        zielen, gelten die UN-Nachhaltigkeitsziele, die SDGs,
        für alle Staaten gleichermaßen, egal ob es sich um Ent-
        wicklungs- oder Industrieländer handelt .
        Mit den neuen Nachhaltigkeitszielen verabschieden
        wir uns also von der klassischen Geber-Nehmer-Struktur .
        Es ist die Abkehr von der Annahme, dass sich die soge-
        nannten Entwicklungsländer – die Länder des Globalen
        Südens – zwangsweise nach dem Vorbild der Industrie-
        nationen entwickeln müssen .
        Die SDGs haben eine wesentliche Eigenschaft: Sie
        umfassen alle Lebens- und Politikbereiche .
        Und das bedeutet auch:
        Erstens . Wir müssen auch vor unserer eigenen Haustü-
        re kehren; auch wir sind Entwicklungsland .
        Zweitens. Entwicklungszusammenarbeit findet in Zu-
        kunft auf Augenhöhe statt .
        Drittens . Es bedarf eines hohen Maßes an Kohärenz
        und Kommunikationsbereitschaft zwischen den ver-
        schiedenen Politikbereichen und den handelnden Akteu-
        ren – und das ist, glaube ich, eine enorme kommunikati-
        ve Herausforderung und leichter gesagt als getan .
        Bei aller – zum Teil ja auch berechtigter – Kritik an
        den SDGs kann nicht geleugnet werden: Die SDGs stel-
        len einen Paradigmenwechsel innerhalb der Entwick-
        lungszusammenarbeit dar, und der ist auch bitter nötig .
        In einer zunehmend globalisierten Welt hängt alles mit
        allem zusammen .
        Das gilt für den Klimaschutz wie für Krankheiten und
        Seuchen, die nicht an Grenzen haltmachen .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615662
        (A) (C)
        (B) (D)
        Und deshalb ist es auch notwendig, dass wir das SDG
        Gesundheit und das Ziel, Aids, Tuberkulose und Malaria
        bis 2030 endgültig zu besiegen, ernsthaft angehen . Es ist
        möglich; dazu müssen wir aber jetzt und nicht morgen
        oder übermorgen investieren, und wir dürfen es nicht
        zulassen, dass Krieg und Fluchtbewegungen zum Pull-
        faktor für diese Krankheiten werden . Deshalb müssen
        wir jetzt die Ressourcen zur Verfügung stellen, wenn es
        darum geht, in den Aufnahmeländern rund um Syrien
        die entsprechenden Strukturen, zum Beispiel durch den
        GFATM, zu schaffen . Auch das ist konsequente Umset-
        zung der SDGs .
        Alles hängt mit allem zusammen . Das gilt für ver-
        fehlte Städtebau- und Kommunalpolitiken, für verfehlte
        Arbeitsmarkt- und Integrationspolitik in vielen Staaten .
        Das gilt für das Auseinanderdriften von Arm und Reich,
        für die wachsende Zahl der Armen, der Arbeitslosen, der
        von der Gesellschaft abgehängten, verstoßenen, ungebil-
        deten, perspektivlosen und verzweifelten Menschen, die
        dann oftmals als Rekrutierungszielgruppen im Fokus von
        allen möglichen wirren Gruppierungen, wie „Angst für
        Deutschland“, AfD, Extremisten und Rattenfängern die-
        ser Welt bis hin zum IS stehen .
        Das gilt für unser Konsumverhalten und die Gier
        nach immer günstigeren Produkten, die Unternehmen
        dazu verleiten, zu menschenunwürdigen Arbeitsbedin-
        gungen zu produzieren, und damit zu Ausbeutung von
        Menschen und nicht selten auch von Kindern führt . Wir
        können nicht von menschenunwürdiger Arbeit profitie-
        ren und gleichzeitig abfällig von Wirtschaftsflüchtlingen
        sprechen und uns wundern, wenn sich Menschen auf den
        Weg machen .
        Die Liste der Wechselwirkungen könnte ich fortfüh-
        ren – nur helfen würde es niemandem . Fragen wir lieber:
        Was können wir, was kann Deutschland tun? – Ich finde,
        eine ganze Menge!
        Deutschland muss die Leitprinzipien der Vereinten
        Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte ehrgeizig
        in nationales Recht umsetzen . Mit unserem NAP sind wir
        unter Beteiligung vieler Ressorts gerade dabei, Regeln zu
        schaffen . Aus meiner Sicht müssen das übrigens Regeln
        sein, die aus einem intelligenten Mix aus freiwilligen und
        sanktionierbaren verbindlichen Regeln bestehen, die die
        Unternehmen in die Pflicht nehmen, die Menschenrechte
        entlang ihrer gesamten Lieferkette zu wahren . Ich hoffe,
        wir schaffen das, auch wenn ich hin und wieder geneigt
        bin, dem Eindruck nachzugeben, dass in der einen oder
        anderen Ministeriumsamtsstube verbindliche Regeln als
        Todsünde und Teufelszeug betrachtet und entsprechend
        bekämpft werden .
        Deutschland muss die SDGs konsequent umsetzen,
        anwenden, und wir müssen Fehlentwicklungen nicht als
        Niederlagen begreifen, sondern als Lernprozess verste-
        hen, Fehler erkennen und korrigieren .
        Wir müssen uns auch mit dem Thema Steuerflucht
        auseinandersetzen. Steuerflucht und Steuervermeidung
        sind nicht nur hier bei uns ein großes Problem, son-
        dern es ist auch ein riesiges Entwicklungshemmnis .
        Den Entwicklungsländern gehen dadurch jährlich min-
        destens 100 Milliarden US-Dollar an Steuereinnahmen
        verloren – Mittel, die für eine nachhaltige Entwicklung
        dringend notwendig sind . Deshalb müssen wir Steuer-
        flucht und Steuervermeidungsmodelle bei uns und in den
        EZ-Ländern bekämpfen . Ich meine, das ist eine reizvolle
        Aufgabe als angewendete SDG-Politik, nicht nur für Ent-
        wicklungspolitiker, sondern auch und gerade für Finanz-
        politiker, denn alles hängt mit allem zusammen .
        Lassen Sie uns gemeinsam die SDGs umsetzen! All
        jenen, die wieder mit Unkenrufen um die Ecke kommen,
        alles schlechtreden, jetzt schon wissen, was alles falsch
        ist, und sagen: „Wo kommen wir da denn hin, wenn wir
        das so und so machen?“, sage ich: Ja, genau! Wo kommen
        wir da hin, wenn jeder nur sagen würde: „Wo kommen
        wir da hin?“, ohne dass einer ginge, um nachzusehen, wo
        wir denn hinkönnen? Wo kommen wir denn da hin?!
        Anlage 19
        Neudruck: Antwort
        des Parl . Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Fra-
        ge des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE)
        (Drucksache 18/7603, Frage 10):
        Sieht sich die Bundesregierung als Gesellschafterin der
        Flughafen Berlin Brandenburg GmbH veranlasst, aufgrund
        der Feststellungen bezüglich des Verfahrens der Prüfung der
        Organhaftung (Abschnitt F) in der Mitteilung des Landesrech-
        nungshofes Brandenburg über die „Prüfung der Betätigung
        des Landes Brandenburg als Gesellschafter der FBB GmbH
        im Zusammenhang mit den Kostensteigerungen und Verzöge-
        rungen beim Bau des Flughafens BER“ eine erneute Prüfung
        der Organhaftung vorzunehmen, und wird sie diesbezüglich
        gegenüber den Mitgesellschaftern, den Ländern Berlin und
        Brandenburg, Initiative ergreifen?
        Die Bundesregierung sieht sich nicht zu einer erneuten
        Prüfung der Organhaftung veranlasst . Die an der Flugha-
        fen Berlin Brandenburg GmbH beteiligten Gebietskör-
        perschaften unterliegen jeweils einer eigenen Finanzkon-
        trolle durch ihre Rechnungshöfe . Für die Finanzkontrolle
        der Bundesregierung ist der Bundesrechnungshof zustän-
        dig . Der Bundesrechnungshof hat die Haftungsprüfung
        nicht beanstandet .
        (157 . Sitzung, Anlage 7)
        Anlage 20
        Neudruck: Antwort
        der Parl . Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf
        die Frage des Abgeordneten Dr. André Hahn (DIE LIN-
        KE) (Drucksache 18/7603, Frage 13):
        Welche Aktivitäten im Zusammenhang mit dem 30 . Jah-
        restag der atomaren Katastrophe von Tschernobyl finden im
        Jahr 2016 unter Mitwirkung oder Unterstützung der Bundes-
        regierung statt (bitte die einzelnen Aktivitäten und das jeweils
        zuständige Bundesministerium nennen), und welche weiteren
        Aktivitäten mit deutscher Beteiligung sind der Bundesregie-
        rung darüber hinaus bekannt?
        In Zusammenhang mit dem 30 . Jahrestag der Reaktor-
        katastrophe von Tschernobyl plant das Bundesministeri-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15663
        (A) (C)
        (B) (D)
        um für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
        im Jahr 2016 folgende Aktivitäten, die sich in das 30-jäh-
        rige Jubiläum des Bundesministeriums für Umwelt, Na-
        turschutz, Bau und Reaktorsicherheit einreihen:
        – Reise der Bundesministerin für Umwelt, Natur-
        schutz, Bau und Reaktorsicherheit nach Tscherno-
        byl vom 20 . bis zum 22 . März 2016,
        – Öffentliche Fachkonferenz „Den Atomausstieg
        vollenden – 30 Jahre nach Tschernobyl“ am 6 . Ap-
        ril 2016,
        – Magazin „30 Jahre nach Tschernobyl“, Veröf-
        fentlichung als Zeitungsbeilage im April des Jah-
        res 2016 .
        (157 . Sitzung, Anlage 8)
        Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
        Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de
        Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
        158. Sitzung
        Inhaltsverzeichnis
        TOP 3 Einführung beschleunigter Asylverfahren
        TOP 4 Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse
        TOP 5 Integrationspolitik
        TOP 25, ZP 2 Überweisungen im vereinfachten Verfahren
        TOP 26 Abschließende Beratungen ohne Aussprache
        TOP 6 Intelligente Mobilität im Verkehrssektor
        TOP 7 Wasser- und Schifffahrtsverwaltung
        TOP 8 Befristungen im öffentlichen Dienst
        TOP 9 Europäisches Einlagenversicherungssystems
        TOP 10 Gedenken an den Völkermord an den Armeniern
        TOP 11 Umsetzung der Richtlinie zu Zahlungskonten
        TOP 12 Bahnhofsprojekt Stuttgart 21
        TOP 13 Änderung des Bundesstatistikgesetzes
        TOP 14 Private Altersvorsorge
        TOP 15 Änderung des Designgesetzes
        TOP 16 Medizinische Versorgung für Geflüchtete
        TOP 17 Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts
        TOP 18 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung – 2030-Agenda
        ZP 3 Änderung des Düngegesetzes
        Anlagen
        Anlage 1
        Anlage 2
        Anlage 3
        Anlage 4
        Anlage 5
        Anlage 6
        Anlage 7
        Anlage 8
        Anlage 9
        Anlage 10
        Anlage 11
        Anlage 12
        Anlage 13
        Anlage 14
        Anlage 15
        Anlage 16
        Anlage 17
        Anlage 18
        Anlage 19
        Anlage 20