Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet . Nehmen Sie bitte Platz .Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor wir in unsereTagesordnung eintreten, habe ich Ihnen eine interfraktio-nelle Vereinbarung mitzuteilen, nämlich:Die Unterrichtung der Bundesregierung zu der Stel-lungnahme des Bundesrates auf der Drucksache 18/6447zu dem bereits überwiesenen Entwurf eines ZweitenNachtragshaushaltsgesetzes 2015 soll an den federfüh-renden Haushaltsausschuss überwiesen werden . Ich ver-mute, das wird Ihnen einleuchten .Des Weiteren soll die Unterrichtung der Bundesre-gierung zu der Stellungnahme des Bundesrates auf derDrucksache 18/6448 zu dem ebenfalls bereits überwie-senen Gesetzentwurf zur Gründung der AsiatischenInfrastruktur-Investitionsbank dem federführenden Fi-nanzausschuss und zur Mitberatung dem AuswärtigenAusschuss, dem Haushaltsausschuss und dem Ausschussfür wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeitüberwiesen werden .Ich darf Sie zu beiden Vorschlägen fragen, ob es Ein-wände gibt . – Das ist nicht der Fall . Dann ist das so be-schlossen .Damit rufe ich nun den Tagesordnungspunkt 1 auf:Befragung der BundesregierungAls Thema der heutigen Kabinettssitzung hat die Bun-desregierung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zumSchutz von Kindern und Jugendlichen vor den Ge-fahren des Konsums von elektronischen Zigarettenund elektronischen Shishas.Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Berichthat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauenund Jugend, Frau Schwesig .Soweit schon Wortmeldungen absehbar sind, möchteich die Fraktionen bitten, mir das kenntlich zu machen;dann kann man das etwas vorsortieren .Bitte schön, Frau Ministerin .Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Vielen Dank, Herr Präsident . – Sehr geehrte Damenund Herren Abgeordnete! Wir haben heute im Bundes-kabinett den Gesetzentwurf zur Änderung des Jugend-schutzgesetzes und des Jugendarbeitsschutzgesetzes be-schlossen, der Ihnen schnell zugeleitet werden soll . Esgeht darum, zukünftig auch den Verkauf von E-Zigaret-ten und E-Shishas an Kinder und Jugendliche zu verbie-ten . Sie wissen, dass Tabakwaren eigentlich nicht an Kin-der und Jugendliche abgegeben werden dürfen – nicht inGaststätten, nicht von Verkaufsstellen und auch nicht amArbeitsplatz . Auch dürfen Kinder und Jugendliche in derÖffentlichkeit nicht rauchen . Das ist ein Grundpfeiler desJugendschutzgesetzes und gleichzeitig auch ein Grund-pfeiler der Prävention gegen die Nikotinsucht .Wie wir aus dem aktuellen Tabakatlas, der gesternmit der Drogenbeauftragten vorgestellt worden ist, wis-sen, ist es so, dass Verbot und Prävention gemeinsam beiKindern und Jugendlichen zum Erfolg führen . Die Ni-kotinsucht ist zwar zurückgegangen, aber es gibt einenzunehmenden Konsum von sogenannten E-Zigarettenund E-Shishas . Das überrascht nicht; denn sie sind freizugänglich, und sie sind sehr attraktiv, sie sind elektro-nisch, sie gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtun-gen wie Mango, Erdbeere oder Schokolade . Sie wirkenalso sehr harmlos, aber sie sind es nicht . Sie sind genausogesundheitsschädigend .Die Abgabe- und Konsumverbote, die wir für Tabak-waren bereits haben, gelten eben nicht für elektronischeZigaretten und elektronische Shishas, bei denen soge-nannte Liquids verdampfen . Diese Regelungslücke müs-sen wir dringend schließen; das haben wir heute im Ka-binett auch so beschlossen . Nach einer Auswertung derBundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung habenetwa 20 Prozent der 12- bis 17-Jährigen schon einmaleine E-Shisha und etwas weniger, und zwar 15 Prozent,eine E-Zigarette probiert . 11,3 Prozent derjenigen, diebereits eine E-Shisha oder eine E-Zigarette konsumierthaben, haben bisher nie eine Tabakzigarette konsumiert .Daran sehen Sie also: Die E-Zigaretten und E-Shishasverführen zum Konsum, auch wenn man noch gar keine
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Tabakzigaretten probiert hat . Deshalb ist es wichtig, dasswir zu diesem jugendschutzrechtlichen Verbot kommen .Wir haben gemeinsam mit dem Bundesministeriumfür Ernährung und Landwirtschaft, dem Bundesgesund-heitsministerium und der Geschäftsstelle der Drogenbe-auftragten Erkenntnisse eingeholt . Die Studien des Bun-desinstitutes für Risikobewertung und des DeutschenKrebsforschungszentrums belegen definitiv, dass derKonsum nikotinfreier E-Shishas und E-Zigaretten ge-sundheitsschädlich ist, weil dabei Stoffe entstehen oderauch schon darin enthalten sind, die im Verdacht stehen,Krebs auszulösen . Außerdem dringen feine Partikel indie Lunge ein; sie reizen sie und hindern die Lunge vorallem am Wachsen . Wie Sie wissen, ist die Lunge beiKindern und Jugendlichen noch im Wachsen begriffen .Deshalb ist es wichtig, die Lunge vor diesen Gefahrenzu schützen .Mit den neuen Regelungen setzen wir deshalb auch einSignal, dass der Konsum von E-Zigaretten und E-Shishasnicht so harmlos ist, wie man meint, und dass wir Kinderund Jugendliche besonders schützen müssen . Das Kon-sum- und Abgabeverbot wird den Zugang einschränken –das ist richtig –, aber gleichzeitig ist es auch ein Signalan die Kinder und Jugendlichen selbst sowie an Eltern,Lehrerinnen und Lehrer und Ärzte, dass wir auch in die-sem Bereich die Prävention ausbauen müssen, weil dieseDinge nicht harmlos sind, sondern ungesund . Ein Verbotallein reicht nicht . Nur wenn wir präventiv auf Kinderund Jugendliche hinwirken, so wie wir es bisher schonbeim Tabakkonsum machen, werden wir erfolgreich sein .Das ist im Interesse der Kinder und Jugendlichen .Wir haben Eilbedürftigkeit beantragt, damit diesesGesetz so schnell wie möglich in Kraft treten kann . Ichkann mir vorstellen, dass das auch in Ihrem Interesse ist .Insofern freue ich mich auf die parlamentarischen Bera-tungen .Vielen Dank .
Ich bedanke mich . – Ich rufe jetzt die Fragen auf . Ich
schlage vor, dass wir aus nachvollziehbaren Gründen die
Vorgehensweise so modifizieren, dass die Fragen, wie
üblich, im Stehen gestellt werden und die Antworten aus-
nahmsweise im Sitzen erfolgen dürfen .
Als erstem Fragesteller gebe ich dem Kollegen Müller
das Wort .
Vielen Dank . – Ich denke, es ist in Ordnung, dass Sie
im Sitzen antworten . Das ist überhaupt keine Frage .
Ich schicke vorweg: Wir sind sicherlich alle vorbild-
licherweise Nichtraucher und geben dementsprechend
hinsichtlich Kinder- und Jugendschutz kein schlechtes
Vorbild ab . Nichtsdestotrotz würde mich interessieren,
warum Sie bei der angestrebten Regulierung keinen Un-
terschied machen hinsichtlich der gesundheitsgefährden-
den Wirkung zwischen herkömmlichen Tabakprodukten,
die bereits sanktioniert werden, und E-Shishas bzw . E-Zi-
garetten, die, wie Sie beschrieben haben, möglicherweise
eine andere oder gar eine geringere gesundheitsschädli-
che Wirkung haben . Müsste die angestrebte Regulierung
nicht sozusagen noch einmal nachgearbeitet werden und
in Abhängigkeit von der Schädlichkeit eine Unterschei-
dung vorgenommen werden?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Eine Unterscheidung ist nicht geplant; denn im End-
ergebnis kommen die Gutachten und die Bewertung der
Kinder- und Jugendärzte dazu, dass es schädlich für
Kinder und Jugendliche ist . Deshalb fallen zukünftig die
E-Zigaretten und E-Shishas genauso und mit den glei-
chen Konsequenzen unter das Jugendschutzgesetz wie
die bisherigen Tabakprodukte, also Zigaretten und Zigar-
ren zum Beispiel .
Kollege Lehrieder .
Frau Ministerin, E-Shishas und E-Zigaretten werden,
wie Zigaretten ja auch, nicht nur im üblichen Handel
vertrieben, sondern können auch über Onlineangebote
bezogen werden . Wie kann hier der Jugendschutz aus
Sicht des Ministeriums gewährleistet werden? Wie funk-
tioniert der Jugendschutz beim Onlinekauf in der Praxis?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Vielen Dank, Herr Abgeordneter . – Es ist richtig: Wir
müssen auch den Verkauf im Onlinehandel verbieten,
ansonsten würde das Verbot ziemlich ins Leere laufen .
Deshalb unterliegen zukünftig auch E-Shishas und E-Zi-
garetten dem Verbot, online an Kinder und Jugendliche
verkauft zu werden . Hier gelten zukünftig die gleichen
Regelungen wie bei anderen Sachen, die man nicht on-
line an Kinder und Jugendliche verkaufen darf .
Wie funktioniert das praktisch? Zum einen muss
schon bei der Onlinebestellung eine Altersprüfung vor-
genommen werden . Zum anderen darf die Ware, wenn
sie an die Haustür geliefert wird, nur jemandem gegeben
werden, der nachweisen kann, dass er sie bestellt hat, und
vor allem, dass er über 18 Jahre alt ist .
Kollege Terpe .
Vielen Dank, Herr Präsident . – Frau Ministerin, ichhabe die Frage, ob die Bundesregierung im Sinne des Ju-gendschutzes auch eine Änderung des Bundesnichtrau-cherschutzgesetzes – das ist ein langes Wort – plant .Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Nein, das ist nicht geplant .Bundesministerin Manuela Schwesig
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Kollege Schwartze .
Frau Ministerin, vielen Dank für die Ausführungen .
Im Gesetzentwurf wird zwischen nikotinhaltigen und
nichtnikotinhaltigen Liquids nicht unterschieden; bei-
de werden in das Jugendschutzgesetz aufgenommen .
Vielleicht könnten Sie uns erklären – mich würde das
interessieren –, warum das so ist .
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Vielen Dank, Herr Abgeordneter . – Es hat damit zu
tun, dass auch die nichtnikotinhaltigen Liquids gesund-
heitsschädigend sind . Ich würde gerne nachschlagen;
denn ich habe im Vorfeld schon ein paar besondere che-
mische Begriffe aufgeschrieben . Die Studien, also die
Studie des Bundesinstitutes für Risikobewertung und
die des Deutschen Krebsforschungszentrums aus 2015,
haben gezeigt, dass beim Dampfen der nikotinhaltigen,
aber auch der nikotinfreien E-Zigaretten Verbindungen
entstehen – Carbonylverbindungen einschließlich Form-
aldehyd, Akrolein und Azetaldehyd –, die alle Krebs aus-
lösen können . Das ist das Problem; denn auch die aroma-
tisierten Liquids besitzen unabhängig vom Nikotingehalt
zellschädigende Eigenschaften . Geschädigt werden vor-
rangig Stammzellen, die bei Wachstum und Entwicklung
eine wichtige Rolle spielen .
Darüber hinaus enthalten die Aerosole von elektro-
nischen Zigaretten und elektronischen Shishas feine
und ultrafeine Partikel, die aus den Vernebelungsmitteln
entstehen . Diese Partikel können bis in tiefe Regionen
der Lunge vordringen, sich dort ablagern und oxidati-
ven Stress und Entzündungsreaktionen auslösen . Eine
chronische Schädigung durch diese Partikel wirkt sich
insbesondere in der Wachstumsphase aus und beein-
trächtigt bei jungen Menschen die Lungenentwicklung .
Das Wachstum der Lunge endet, wie wir wissen, erst im
jungen Erwachsenenalter .
Zudem kann der anfängliche Gebrauch von vermeint-
lich harmlosen nikotinfreien E-Zigaretten dazu verleiten,
neue Reize zu suchen und dann auf nikotinhaltige E-Zi-
garetten oder herkömmliche Zigaretten umzusteigen .
Sie sehen also: Die Inhaltsstoffe sind so schädigend,
dass eigentlich auch Erwachsene sie nicht konsumieren
sollten; aber wir beschränken uns bei dem Verbot hier auf
die Kinder und Jugendlichen .
Nur der guten Ordnung halber weise ich darauf hin,
dass die Verlesung dieser eindrucksvollen Liste von pro-
blematischen Chemikalien natürlich wesentlich mehr
Zeit in Anspruch genommen hat, als nach den Regularien
unserer Regierungsbefragung eigentlich vorgesehen ist .
Aber da wir an einer möglichst vollständigen Erfassung
des Sachverhalts interessiert sind, sind wir froh, dass es
auf diese Weise im Protokoll steht .
Nun hat der Kollege Wunderlich das Wort .
Vielen Dank, Herr Präsident . – Frau Ministerin, plant
die Bundesregierung, in absehbarer Zeit die Tabakrah-
menkonvention umzusetzen, mit der sich Deutschland
ja verpflichtet hat, ein generelles Verbot der Werbung
für Tabak zu erlassen? Nach meinem Kenntnisstand war
eine entsprechende Regelung im ursprünglichen Gesetz-
entwurf enthalten . Ist es richtig, dass das Kanzleramt und
das Wirtschaftsministerium interveniert haben, um ent-
sprechende Werbung weiterhin zu ermöglichen?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Das ist ein Thema, das in den Zuständigkeitsbereich
des Landwirtschaftsministers fällt . Wenn der Präsident
und Sie damit einverstanden wären, könnte vielleicht die
Parlamentarische Staatssekretärin beim Landwirtschafts-
minister etwas zum aktuellen Sachstand der Umsetzung
der Richtlinie sagen .
Dann fragen wir sie doch mal, ob sie das möchte . –
Bitte schön .
D
Herr Präsident! Herr Kollege! Wir sind gerade in der
Frühkoordination der entsprechenden Gesetz- und Ver-
ordnungsentwürfe, die unser Haus vorbereitet hat, und
werden dann bald zügig in die Ressortabstimmung ein-
treten .
Kollegin Schulte .
Frau Ministerin, gibt es Erkenntnisse darüber, dass
Jugendliche, die zunächst E-Zigaretten geraucht haben,
häufiger auf nikotinhaltige Zigaretten umsteigen?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Ja, diese Gefahr besteht, weil der Einstieg nur ver-
meintlich harmlos ist . Man wird dann animiert – wie
wohl jeder aus seiner eigenen Kinder- und Jugendzeit
weiß –, auch etwas anderes auszuprobieren .
Frau Stadler .
Sehr geehrte Frau Ministerin, ich habe noch eine Fra-ge zu den Onlineshops . Was passiert, wenn sich die On-lineshops nicht an die gesetzlichen Vorgaben halten?
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Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Vielen Dank, Frau Abgeordnete . – In einem solchenFall sind Bußgelder vorgesehen . Und zwar ist es so, dassbei Zuwiderhandlung gegen Verbote des Jugendschutz-gesetzes eine Geldbuße in Höhe von bis zu 50 000 Euroausgesprochen werden kann .
Frau Vogler .
Vielen Dank, Herr Präsident . – Frau Ministerin, man-
cher Zuschauer wird gestaunt haben, warum auf die
Frage des Kollegen Wunderlich die Kollegin aus dem
Landwirtschaftsministerium geantwortet hat . Deswegen
ist es der Sache wert, einmal nachzufragen, warum die
Tabakregulierung nicht wie andere Suchtmittel beim Ge-
sundheitsministerium und damit im Bereich der Drogen-
beauftragten angesiedelt ist und ob die Bundesregierung
auch weiterhin daran festhält, die Tabakregulierung beim
Landwirtschaftsministerium zu belassen .
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Diese Frage kann ich gerne beantworten, Frau Abge-
ordnete . Die Bundesregierung hat nicht vor, die Zustän-
digkeiten zu ändern . Bisher gibt es wegen dieser Zustän-
digkeitszuordnungen auch keine Probleme, auch nicht
aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger . Denn wie bei dem
Gesetzentwurf, den ich heute vorgestellt habe, arbeiten
Bundesminister Schmidt, Bundesminister Gröhe und ich
eng zusammen . So haben wir auch heute am Rande der
Kabinettssitzung darüber gesprochen, dass Herr Schmidt
die weiteren gesetzlichen Regelungen auf den Weg brin-
gen wird . Wir haben keine Sorge, dass deshalb etwas auf
der Strecke bleibt .
Kollege Wunderlich .
Vielen Dank . – Frau Ministerin Schwesig, Sie haben
im Zusammenhang mit den nikotinfreien Liquids gesagt,
Sie wollten auch vermeiden, neue Reize für Kinder und
Jugendliche zu setzen, damit diese später nicht auf niko-
tinhaltige Liquids oder gar auf Zigaretten umsteigen .
Im Kontext des Jugendschutzes, um den es ja hier
geht, möchte ich Sie fragen: Gibt es auch Überlegungen,
alkoholfreien Kindersekt zu verbieten? In der letzten Le-
gislatur ist es mir gemeinsam mit Frau Dyckmans, der
damaligen Drogenbeauftragten, gelungen, einen Wer-
bespot für Kindersekt, in dem es hieß „Feiern wie die
Großen“, aus dem Verkehr zu ziehen . Gleichwohl steht
alkoholfreier Kindersekt immer noch in den Regalen
neben dem – in Anführungsstrichen – „normalen“ Sekt .
Dadurch werden Kindern Anreize geboten, möglichwei-
se irgendwann einmal auf alkoholhaltigen Sekt umzustei-
gen, bzw . sie werden von klein auf an die Riten des ge-
sellschaftlich anerkannten Saufens, für das es eigentlich
überhaupt keinen Grund gibt, herangeführt .
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Vielen Dank, Herr Abgeordneter . – Eine solche Über-
legung gibt es derzeit nicht . Das hat damit zu tun, dass es,
wie Sie eben richtigerweise dargestellt haben, natürlich
in vielen Bereichen Verleitungen gibt; letztendlich auch
im Bereich Süßigkeiten, wie wir alle wissen . Bei Pro-
dukten, die an sich nicht schädlich sind, stellt sich immer
die Frage: Verleiten sie vielleicht zu einem schädlichen
Konsum oder zu einem Konsum, der in der Perspektive
schädlich sein könnte? Die Frage, die Sie stellen, ist be-
rechtigt, aber man muss im Zusammenhang mit klaren
Verboten immer abwägen und dosiert vorgehen .
Frau Vogler .
Ich würde gerne noch ein anderes Thema aufmachen:
Welche wissenschaftlich validen Erkenntnisse hat die
Bundesregierung in Bezug auf die Gefährdung durch den
Passivkonsum von E-Zigaretten und E-Shishas?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Ich kann Ihnen jetzt keine detaillierte Aussage geben
und weiß nicht, ob das Bestandteil der Studien war, aus
denen ich zitiert habe . Unser Fokus lag vor allem dar-
auf, herauszufinden, ob auch die nichtnikotinhaltigen
E-Shi shas so gesundheitsgefährdend sind, dass wir einen
Grund haben, sie für Kinder und Jugendliche zu verbie-
ten .
Ich sage es noch einmal: Ein Verbot bringt immer eine
Einschränkung von Persönlichkeitsrechten mit sich; des-
halb ist es wichtig, valide Daten zu haben . Ich kann im
Anschluss an die heutige Regierungsbefragung aber ger-
ne klären, ob es dazu valide Daten gibt, und sie Ihnen,
wenn das so ist, zur Verfügung stellen .
Ich habe keine weiteren Wortmeldungen zu diesemvorgetragenen Thema der Kabinettssitzung gesehen .Dann können wir das zunächst abschließen .Ich frage, ob es sonstige Fragen zur heutigen Kabi-nettssitzung gibt? – Herr von Notz, dann Frau Vogler .
Herr Präsident, vielen Dank . – Ich habe eine Frage zurInnenpolitik, zu den schlimmen Straftaten, zu den rechts-extremistischen Übergriffen, die es beklagenswerter-weise seit Wochen in unserem Land auf Flüchtlinge, aufehrenamtliche Helfer, auf Polizisten, auf Politiker, aufJournalistinnen und Journalisten gibt . Darunter warenzahlreiche Mordanschläge . Das sage ich auch mit Blickauf den Anschlag auf Frau Reker und die Aussage unse-
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res Innenministers, der am 18 . Oktober 2015 im Berichtaus Berlin im Hinblick auf Pegida gesagt hat: Inzwischenist völlig eindeutig . Diejenigen, die das organisieren,sind harte Rechtsextremisten . – Das fand ich gut, auchin der Klarheit .Die Frage ist: Stimmt die Bundesregierung der Ein-schätzung zu, dass es sich bei den Anschlägen, diewir seit Monaten jeden Tag zu verzeichnen haben, umrechtsterroristische Anschläge handelt?Herzlichen Dank .Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Die Bundesregierung, Herr Abgeordneter, stimmt derklaren Einschätzung des Innenministers zu, dass es sichbei den Organisatoren von Pegida um Rechtsextremehandelt .
Frau Vogler .
Nachdem wir gerade über die Jugendschutzpläne in
Bezug auf die E-Zigaretten und E-Shishas gesprochen
haben, möchte ich eine Frage bezogen auf die Umset-
zung der Tabakproduktrichtlinie insgesamt stellen . Es
verlautet ja, dass der ursprüngliche Entwurf aus dem
Landwirtschaftsministerium von Herrn Schmidt ein voll-
ständiges Tabakwerbeverbot vorgesehen hat . Mich wür-
de interessieren: Welche Intervention welcher Ministerin
bzw . welches Ministers hat dazu geführt, dass dies in der
jetzt geplanten Version nicht mehr enthalten ist? Und
warum hat man hinsichtlich der Umsetzung der Tabak-
produktrichtlinie den Punkt E-Shishas und E-Zigaretten
so stark herausgegriffen, ist aber in Bezug auf die Regu-
lierung von nikotinhaltigen Tabakprodukten sonst nicht
weiter vorangekommen?
Die Frage hätte zwar auch vorhin, im unmittelbaren
Kontext, gestellt werden können, aber gerne auch jetzt . –
Bitte, Frau Schwesig .
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Bei dem, was Sie angesprochen haben, handelt es sich
um zwei Themen . Wir haben uns nicht die E-Shishas und
E-Zigaretten herausgegriffen, während wir in den ande-
ren Punkten nicht weiterkommen . Vielmehr geht es beim
Verbot von E-Zigaretten und E-Shishas ausschließlich
um das Verbot des Verkaufs an Kinder und Jugendliche,
und das ist unter das Jugendschutzgesetz, für das ich zu-
ständig bin, zu fassen . Da gibt es einfach eine Rechtslü-
cke, weil es damals, als das Jugendschutzgesetz in Kraft
trat, diese Produkte noch nicht gab . Ich nehme an, es wird
noch öfter vorkommen, dass im Zuge neuer Entwicklun-
gen Produkte auf den Markt kommen, die es erforderlich
machen, dass wir das Gesetz erneut anpassen . Und pa-
rallel dazu arbeitet der Bundeslandwirtschaftsminister an
den anderen Regelungen .
Wir haben nicht das hier jetzt behandelte Thema ir-
gendwie vorgezogen, sondern an beiden Themen wird
intensiv gearbeitet . Und andere Regelungen werden ja
auch auf den Weg gebracht, wie die Staatssekretärin an-
gekündigt hat .
Frau Keul .
Meine Frage knüpft an die Frage des Kollegen von
Notz an . Auch mich treibt um, dass wir jetzt täglich über
Brandanschläge und rechtsextremistische Angriffe in
den Nachrichten lesen müssen . Die Frage ist: In welchen
Fällen hat die Generalbundesanwaltschaft schon wegen
terroristischer Hintergründe die Ermittlungen an sich ge-
zogen? Gibt es inzwischen ein Ermittlungsverfahren bei
der Generalbundesanwaltschaft?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Vielen Dank, Frau Abgeordnete . – Die Einschätzung,
die Sie und auch Ihr Kollege aus Ihrer Fraktion getroffen
haben, dass das dramatisch zugenommen hat und dass
hier Gefahren drohen, teilen wir . Deswegen sind wir in
verschiedenen Bereichen mit den Themen beschäftigt,
einmal im BMJV, aber auch im BMI sowie in meinem
Bereich aus Sicht der Prävention, weil man sich auch
anschauen muss, welche Phasen es gibt, bevor es zu sol-
chen Gewaltexzessen kommt .
Im Fall von Frau Reker hat sich der Generalbundesan-
walt der Sache angenommen .
Frau Haßelmann .
Auch ich habe eine Frage zum Thema Rechtsterro-rismus, Rechtsextremismus . Wir hatten ja in einer derzurückliegenden Innenausschusssitzungen die Fragean das BMI und den Minister gerichtet, der in der Aus-schusssitzung anwesend war, welche Erkenntnisse mangrundsätzlich über die Entwicklung und die Strukturenhat . Wir wurden auf den Verfassungsschutzbericht unddie Diskussion mit Herrn Maaßen verwiesen . Ich sageeinmal: Ich habe die Erwartung, dass das demnächst auchvom Bundesministerium selbst kommt .Meine konkrete Frage bezieht sich auch noch ein-mal auf den Mordanschlag auf Frau Reker . Gibt es Er-kenntnisse dazu, und werden diese weiterverfolgt, dassdiese Person Frank S . aus rechtsterroristischem Umfeldstammt bzw . Bezüge in rechtsterroristische Strukturenhat? Wird an dieser Frage konsequent gearbeitet?Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Vielen Dank, Frau Abgeordnete . – Dazu können wirals Bundesregierung keine Aussage machen . Das obliegtdem Generalbundesanwalt .Dr. Konstantin von Notz
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Gibt es sonstige Fragen an die Bundesregierung?
– Frau Haßelmann .
Ich habe eine Frage an das Bundesinnenministerium,
das nach meiner Information auch für Sport zuständig ist .
Stimmt das?
– Okay . Dazu muss man nicht sportlich sein . Hauptsache,
man ist für Sport zuständig .
Das gilt im Übrigen nicht nur für die Mitglieder der
Bundesregierung . Ähnliche Verteilungen sind in den
Fraktionen auch zu beobachten .
Ja, absolut . Ich stimme Ihnen da zu 100 Prozent zu . Ich
glaube, wir liegen da auf einer Linie . – Jetzt zum konkre-
ten Thema . Es geht mir nicht um die Sportertüchtigung
von uns allen, sondern meine Frage bezieht sich auf den
DFB . Es ist ja ganz aktuell in der Presse zu lesen – mir
liegen diese Unterlagen nicht vor –, dass im Kontext der
Vergabe der WM-Ausrichtung auch das Bundesinnen-
ministerium einbezogen worden ist . Wie werden Sie die
Bundestagsabgeordneten über die entsprechenden Zu-
sammenhänge, die da hergestellt werden, informieren?
Wie gehen Sie jetzt im Ministerium selbst diesen Fragen,
die da aufgeworfen worden sind, nach?
D
Herr Präsident! Frau Kollegin Haßelmann! Zunächst
einmal: Meines Wissens – auch ich habe in concreto
nur Pressekenntnisse – sind es Vorwürfe gegen einzelne
Funktionsträger beim DFB, nicht gegen den DFB als sol-
chen . Aber das sei einmal dahingestellt .
Ich darf darauf verweisen, dass jetzt in etwa zeit-
gleich der Sportausschuss des Deutschen Bundestages
tagt . Mein Kollege, der Parlamentarische Staatssekretär
Dr . Schröder, wird dem Sportausschuss berichten . Es ist
mir wichtig, dass der DFB als Organisation selbst – das
wurde auch angekündigt – lückenlos aufklärt . Weitere
Einzelheiten aus unseren Erkenntnis- oder Ermittlungs-
schritten kann ich Ihnen noch nicht mitteilen . Ich glaube,
es ist wichtig, dass erst einmal der Verband es aufklärt .
Wir nehmen es ernst und beobachten das .
Es gibt eine Reihe von Ersuchen im Rahmen des In-
formationsfreiheitsgesetzes, die wir im Rahmen der ge-
setzlichen Grundlage bearbeiten werden, um auch unse-
ren Teil beizutragen .
Gibt es sonstige Fragen? – Bitte schön .
Die Antwort hat mich nicht zufriedengestellt . Deshalb
frage ich noch einmal . Ich gehe selbstverständlich davon
aus, dass der DFB mit Verve alles dafür tun wird, das auf-
zuklären . Den Eindruck habe ich zwar im Moment noch
nicht, aber vielleicht ergibt sich das ja aus den aktuellen
Entwicklungen, sodass das Ganze an Fahrt aufnimmt .
In dem Artikel, den ich angesprochen habe, geht es
um die Stern-Berichterstattung . Da ist insbesondere von
der Wahrnehmung der Aufsichtsratsfunktion durch das
Bundesinnenministerium die Rede . Deshalb kann ich
mich mit einer Antwort nach dem Motto „Wir warten ab
und erwarten vom DFB, dass er das aufklärt“ nicht zu-
friedengeben . Denn das tun wir, glaube ich, gemeinsam,
und das ist selbstverständlich . Aber mich würde interes-
sieren, wie Sie die Wahrnehmung der Aufsichtsratsfunk-
tion durch das Bundesinnenministerium beurteilen und
rekonstruieren, worüber Sie uns dann Bericht erstatten
können .
D
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Frau Haßelmann, sobald es Erkenntnisse geben
sollte, dass damalige Aufsichtsratsmitglieder, die der
Bundesregierung angehörten – ich glaube, Otto Schily
war damals Innenminister –, hier Fehler gemacht haben,
werden wir da selbstverständlich aufklären . Konkrete
Anhaltspunkte liegen uns bis jetzt nicht vor, jedenfalls
nicht in der Form, dass ich sie hier wiedergeben könn-
te . Ich kann Ihnen zusagen, dass wir das im Hause noch
einmal klären . Sie haben es gemerkt: Der Sport ist nicht
mein Leib-und-Magen-Thema . Aber ich kann Ihnen gern
zusichern, dass wir da noch einmal nachfassen .
Frau Keul .
Ich habe noch eine Frage zum Rechtsextremismus . Ich
begrüße, dass der Generalbundesanwalt im Fall Reker er-
mittelt . Gibt es weitere Fälle, in denen er jetzt die Ermitt-
lungen an sich gezogen hat? Ich denke zum Beispiel an
Magdeburg, wo ja auch Aufrufe zur Lynchjustiz kursie-
ren und Angriffe auf Landtagsabgeordnete stattgefunden
haben . Gibt es da noch weitere Ermittlungsverfahren?
Kann das Justizministerium vielleicht etwas dazu sa-
gen?
C
Frau Kollegin, dazu kann ich Ihnen im Augenblicknichts sagen . Es ist uns nicht bekannt . Falls es dennochso sein sollte, würde ich Ihnen das schriftlich nachrei-chen .
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Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht . – Doch? Wen
habe ich denn übersehen? – Herr von Notz, Entschuldi-
gung .
Vielen Dank, Herr Präsident . – Ich möchte in Anbe-
tracht der letzten Antwort noch einmal nachfragen . Es
geht mir nicht um 30-Mann-Trupps, die mit Baseball-
schlägern herumlaufen, sondern um die Brandanschläge,
die wir schon seit vielen Monaten haben . Viele verlaufen
nach einem sehr ähnlichen Muster: gezielt auf noch nicht
bezogene Einrichtungen . Gibt es da eine Struktur, die die
Bundesregierung erkennt und die man kriminalistisch
einordnen kann? Kann man zum Beispiel sagen: „Hier
können wir Maßnahmen ergreifen, um die Einrichtungen
besser zu schützen“?
Es geht um Dutzende von Unterkünften . Meiner An-
sicht nach ist es ein reiner Zufall, dass dies bisher keine
Menschenleben gekostet hat . Insofern frage ich Sie: Was
unternimmt die Bundesregierung konkret, damit sich im
Hinblick auf die Brandanschläge – ein unsäglicher und
untragbarer Zustand – etwas ändert?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Ich wäre dankbar, wenn das BMI darauf antworten
darf .
D
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Kollege von Notz, ich bedanke mich, dass ich die Ge-
legenheit habe, auch seitens des BMI noch einmal kurz
etwas dazu zu sagen . Ich darf diese Gelegenheit zunächst
nutzen, um deutlich zu machen, dass die Abscheu über
solche Anschläge, die eben formuliert worden ist, auch
seitens unseres Hauses und der gesamten Bundesregie-
rung geteilt wird .
Die Zahl der Anschläge ist dramatisch . Es geht mit
Schmierereien los und reicht bis hin zu Brandanschlä-
gen, Körperverletzung und sogar Mordversuchen, wie
wir zum Beispiel im Fall Reker gesehen haben . Trotz-
dem bleibt es natürlich richtig, dass hier erst einmal die
Landessicherheitsbehörden, die Landespolizeien, zustän-
dig sind . Der Bund tut aber das Seine . Es gibt eine Clea-
ringstelle beim BKA – sie ist an das Bundeskriminalamt
angegliedert –, die diese Fälle sichtet, schaut, ob es da
Strukturen gibt, und genau diesen Dingen nachgeht .
Weil dafür sicherlich besondere Voraussetzungen er-
füllt sein müssen, gilt für uns noch nicht die Sprachrege-
lung „Terrorismus beobachten“ . Aber wir befassen uns
intensiv damit und werden prüfen, ob diese Klassifizie-
rung nicht vielleicht doch irgendwann einmal die richtige
ist . Zurzeit sehen wir das noch nicht so . Wir beobachten
das, wie gesagt, intensiv und unterstützen auch die Län-
der, die vor Ort natürlich den größten Teil der Arbeit zu
erledigen haben .
Ich glaube, wir alle sind uns einig darin, dass wir jetzt
sicherlich das falsche Signal aussenden würden, wenn
wir in Deutschland an vielen Orten oder sogar flächen-
deckend Bundespolizisten neben diese Einrichtungen
stellen würden . Aber wir nehmen das, was dort passiert,
sehr ernst und bieten den Ländern auch Unterstützung an .
Letzte Wortmeldung in der Regierungsbefragung:
Frau Vogler .
Vielen Dank, Herr Präsident . – In den letzten Tagen ist
von Mitgliedern der Bundesregierung – unter anderem
vom Innenminister und vom Kanzleramtsminister – im-
mer häufiger dargestellt worden, dass Afghanistan zu-
mindest regional betrachtet ein sicheres Herkunftsland
für Flüchtlinge sein könnte . Vor diesem Hintergrund
würde mich sehr interessieren, wie das Außenministeri-
um die Sicherheitslage in Afghanistan insgesamt bewer-
tet und ob Sie es für vertretbar halten, Menschen in dieser
Situation nach Afghanistan zurückzuschicken .
Frau Staatsministerin .
D
Diese Themen werden uns heute in der Fragestunde ja
noch sehr intensiv beschäftigen . Im Vorgriff darauf darf
ich Ihnen sagen, dass die Situation in Afghanistan regio-
nal sehr unterschiedlich ist, sodass dort einige Gebiete in
der Tat als sehr gefährdet anzusehen sind, während dies
für andere Gebiete weniger gilt . In Bezug auf die Rück-
führung wissen Sie, dass in der letzten Zeit so gut wie
niemand in dieses Land zurückgeführt worden ist .
Auf diese Fragen kommen wir in der Fragestundegleich ohnehin zurück . Deswegen würde ich die Regie-rungsbefragung damit gerne abschließen . – Vielen Dankinsbesondere an die Ministerin .Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:FragestundeDrucksache 18/6520Ich rufe die Geschäftsbereiche in der Ihnen angekün-digten Reihenfolge auf .Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich desBundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruk-tur . Zur Beantwortung steht der Kollege Norbert Barthlezur Verfügung .
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(D)
Die Fragen 1 und 2 des Abgeordneten Stephan Kühnund die Frage 3 des Abgeordneten Christian Kühn wer-den schriftlich beantwortet .Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Christian Kühn auf:Welche Bundesbehörde hat seit dem Jahr 2000 Feldüber-wachungen bezüglich der Abgaswerte
lichen Konsequenzen?N
Vielen Dank, Herr Präsident . – Herr Kollege Kühn,
das Umweltbundesamt – UBA – hat seit dem Jahr 2000
insgesamt vier Forschungsvorhaben durchgeführt . Die
Bundesanstalt für Straßenwesen – BASt – hat in diesem
Zeitraum zur Überprüfung der Vorschriftenkonformität
in Betrieb befindlicher Fahrzeuge mehrere Fahrzeugty-
pen überprüft . Alle geprüften Fahrzeugtypen erzielten
gemäß den Anforderungen ein positives Ergebnis .
Zusatzfrage .
Christian Kühn (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
War es also so, dass lediglich das UBA geprüft hat und
dass das Kraftfahrt-Bundesamt an solchen Forschungs-
vorhaben nicht beteiligt war?
N
Herr Kollege, Sie haben nach den Forschungsvorha-
ben gefragt . Diese hat die BASt durchgeführt . Aber auch
das Kraftfahrt-Bundesamt hat Nachprüfungen – über tau-
send – durchgeführt . Diese bezogen sich ebenfalls auf die
Vorschriftenkonformität . Auch hier gab es keine Auffäl-
ligkeiten, also nur positive Ergebnisse .
Weitere Zusatzfrage .
Christian Kühn (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Alle Forschungsvorhaben waren positiv, aber viele
Fahrzeuge, die jetzt auf der Straße sind, haben offenkun-
dig keinen positiven Befund . Wie erklärt sich die Bun-
desregierung diese Divergenz?
N
Wenn es einem Fahrzeughersteller bereits bei der
Fahrzeugzulassung gelungen ist, zu täuschen, dann ist es
kein Wunder, dass das auch bei der Kontrolle gelingt .
Kollege Krischer .
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär, für Ihre Aus-
führungen . – Sie haben gerade davon gesprochen, dass
es tausend Nachprüfungen des Kraftfahrt-Bundesamtes
gegeben hat . Mich würde interessieren, wie diese tausend
Nachprüfungen ausgesehen haben . Ist da gemessen wor-
den, oder was hat man da konkret im Einzelnen gemacht?
N
Bei diesen Nachprüfungen – ich habe es eben schon
erwähnt – werden diejenigen Dinge überprüft, die laut
Fahrzeug-Zulassungsverordnung eingehalten werden
müssen, und genau dies ist geschehen .
– Natürlich wird dabei gemessen .
Die Frage 5 des Kollegen Meiwald wird schriftlich
beantwortet .
Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Gastel auf:
Wie viele der 2,4 Millionen VW-Dieselfahrzeuge, für die
das Kraftfahrt-Bundesamt am 15 . Oktober 2015 einen Rückruf
angeordnet hat, sind in Baden-Württemberg zugelassen, und
wie viele Dieselfahrzeuge aus dem VW-Konzern, die mit der
Abwrackprämie bezuschusst wurden, sind in Baden-Württem-
berg zugelassen?
N
Herr Kollege Gastel, von den circa 2,4 Millionen in
Deutschland betroffenen Fahrzeugen des VW-Konzerns
sind derzeit circa 350 000 Fahrzeuge in Baden-Würt-
temberg zugelassen . Auf der Basis der Zahlen des Ab-
schlussberichtes des Bundesamtes für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle zur Umweltprämie wurden mit dieser
Fördermaßnahme in Baden-Württemberg 96 113 Neu-
fahrzeuge und Jahreswagen der VW-Gruppe gefördert .
Wie viele dieser Fahrzeuge mit einem Dieselantrieb
versehen waren, kann im Datenbestand des Bundesamtes
für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle nicht ermittelt wer-
den, da die Antriebsart, also Benziner oder Diesel, für die
Gewährung der Umweltprämie keine Rolle spielte .
Zusatzfrage?
Die Gelegenheit nutze ich gerne . – Von welchem Stich-
tag stammen die Zahlen, Herr Staatssekretär Barthle, die
Sie genannt haben? Die Affäre geht ja leider weiter . Lie-
gen auch für die Fahrzeuge, für die es in den letzten Ta-
gen neue Erkenntnisse gegeben hat, Zahlen vor?
N
Die Zahlen beziehen sich meinem Kenntnisstand nachauf die Laufzeit der entsprechenden Prämie .Präsident Dr. Norbert Lammert
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(D)
Eine weitere Zusatzfrage gibt es im Augenblick nicht .
Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Gastel auf:
Weshalb hat der Bund mit der Deutschen Bahn AG eine
Finanzierungsvereinbarung für die Elektrifizierung der Eisen-
noch das Planfeststellungsverfahren läuft, während der Bund
eine solche Vereinbarung für die Elektrifizierung der Südbahn
ablehnt, solange kein Baurecht für alle
regierung mit der Unterzeichnung des Finanzierungsvertrages
N
Herr Kollege Gastel, für die Planfeststellungsab-
schnitte 2, Rastede-Jaderberg, und 3, Jaderberg-Varel,
der Ausbaustrecke Oldenburg-Wilhelmshaven liegen seit
2011 Planfeststellungsbeschlüsse vor . Der zweigleisige
Ausbau ist hier bereits erfolgt . Nunmehr steht die Elek-
trifizierung an. Für den Abschnitt 4, Varel‑Sande, wird
der Planfeststellungsbeschluss noch 2015 erwartet . Da-
mit wird dann für drei Abschnitte unmittelbares Baurecht
gegeben sein .
Insofern war der Abschluss der Finanzierungsverein-
barung zu diesem Zeitpunkt notwendig, um der Vorha-
benträgerin einen kurzfristigen Baubeginn zu ermögli-
chen . Für die Südbahn wird gegenwärtig mit dem Land
Baden-Württemberg die Finanzierung abgestimmt .
Zusatzfrage?
Damit ist der zweite Teil der Frage aber noch nicht
beantwortet . Ich wollte wissen: Wann – bitte mit Da-
tum – wird dieser Finanzierungsvertrag unterschrieben?
Ich habe auch geschrieben, dass Sie schon vor Monaten
gesagt hatten, der Vertrag würde noch in 2015 unter-
schrieben . So viel Zeit in 2015 ist gar nicht mehr . Also
müsste das Datum schon konkret feststehen . Ich möchte
gern wissen: Wann wird dieser Vertrag unterschrieben?
Das war Teil der eingereichten Frage .
N
Herr Kollege Gastel, wir sind in intensiven Verhand-
lungen mit dem Land Baden-Württemberg . Mein Mi-
nister Alexander Dobrindt hat öffentlich immer wieder
klargestellt, dass wir ein hohes Interesse daran haben, die
Elektrifizierung der Südbahn voranzubringen. Das Gan-
ze hängt eben am Zustandekommen einer Vereinbarung
zwischen dem Bund und dem Land Baden-Württemberg .
Deshalb kann ich Ihnen kein Datum nennen .
Weitere Zusatzfrage?
Wie erklären Sie sich, dass das Land Baden-Württem-
berg, das für die Elektrifizierung dieser Strecke eigent-
lich gar nicht zuständig ist, freiwillig zugesagt hat, Geld
beizusteuern, und dieses Geld bereits in den Doppelhaus-
halt 2015/2016 eingestellt hat? Beim Bund aber ist man
noch nicht so weit, weder beim Finanzierungsvertrag
noch bei der Bereitstellung des Geldes . Wie erklären Sie
sich das? Wann soll das Geld in den Haushalt eingestellt
werden?
N
Ich kann nur für den Bund sprechen, nicht für das
Land Baden-Württemberg . Deren Motive müssen Sie
dort erfragen . Aus unserer Sicht ist es eben so, dass die
Finanzierungsvereinbarung noch nicht getroffen werden
kann, weil noch keine Einigkeit besteht . Deshalb muss
man darauf hinarbeiten, Einigkeit zu erzielen . Zu einer
Finanzierungsvereinbarung gehören immer zwei . Bei
dieser Vereinbarung gibt es offensichtlich noch unter-
schiedliche Vorstellungen .
Weitere Zusatzfrage?
Können Sie denn sicherstellen, dass die Elektrifizie-
rung der Südbahn abgeschlossen ist, wenn Stuttgart 21
in Betrieb geht? Dann können ja in den Bahnhof keine
Dieselzüge mehr einfahren .
N
Die Vorhabenträgerin, also die Bahn, geht davon aus,
dass nach Erlangung des Baurechtes der Baubeginn für
die Elektrifizierung der Südbahn 2017 vorgesehen ist.
Herr Kühn, Sie hatten noch eine Frage?
Christian Kühn (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Ja, danke . – Herr Staatssekretär, welche offenen Fra-
gen gibt es denn noch mit dem Land Baden-Württemberg
hinsichtlich der Finanzierung?
N
Meinem Kenntnisstand nach geht es um die Höhe der
Beteiligung des Landes .
Dann rufe ich die Frage 8 der Kollegin Wilms auf:Inwiefern ist inzwischen eine Reaktion der EuropäischenKommission auf die Antwort der Bundesregierung zum ersten
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(C)
(D)
Aufforderungsschreiben im Zuge des Vertragsverletzungs-verfahrens wegen der geplanten Einführung einer lnfrastruk-turabgabe bzw . Pkw-Maut erfolgt, und welche Konsequenzenwerden gegebenenfalls hieraus gezogen?N
Frau Kollegin Wilms, auf die Mitteilung der Bundes-
regierung an die Europäische Kommission in Antwort
auf das Mahnschreiben der Europäischen Kommission
nach Artikel 258 AEUV ist bisher keine Reaktion der
Kommission erfolgt .
Bitte schön, Frau Wilms .
Vielen Dank, Herr Präsident . – Herr Staatssekretär,
dann wollen wir doch einmal ein bisschen in die Tiefe
einsteigen .
N
Immer gerne .
Aber im Rahmen der Zeitvorgabe, Frau Wilms .
Im Rahmen der Zeitvorgabe, Herr Präsident . – Laut
dem Haushalt 2015 sollen insgesamt 76 Stellen in unter-
schiedlicher Besoldung und in verschiedenen Haushalts-
titeln des Einzelplans 12 geschaffen werden, nämlich
3 Stellen direkt im BMVI, 17 Beamte und 33 Angestellte
im Bundesamt für Güterverkehr und 23 Stellen im Kraft-
fahrt-Bundesamt . Nach mündlicher Auskunft von Minis-
ter Dobrindt waren im Sommer 2015 davon 22 Stellen
beim Kraftfahrt-Bundesamt und 2 Stellen beim BMVI
besetzt . Wie viele Stellen sind aktuell besetzt, und wel-
che Kosten sind dadurch bereits entstanden? – Das war
im zeitlichen Rahmen, Herr Präsident .
Absolut, ja . – Bitte schön .
N
Die exakten Zahlen über die Stellenbesetzungen lie-
gen mir momentan nicht vor . Das kann ich Ihnen gerne
schriftlich nachreichen .
Das, was Sie eruiert haben, ist richtig, nämlich dass
schon verschiedene Vorarbeiten geleistet wurden . Wir
haben Ausschreibungen vorgenommen . Wir haben Bera-
tungsaufträge in verschiedenen Bereichen vergeben: für
wirtschaftliche und juristische Beratung sowie für Pro-
jektmanagementberatung . Das alles ist notwendig, um
dann, wenn Rechtssicherheit besteht, möglichst schnell
mit der Implementierung beginnen zu können .
Eine weitere Zusatzfrage?
Ja klar, gerne . – Herr Staatssekretär, Sie haben das,
was die neuen Kolleginnen und Kollegen bei Ihnen an
Aufgaben übernehmen sollen, ein bisschen wolkig um-
schrieben . Was geschieht denn mit den Neueingestell-
ten, wenn die CSU-gewünschte Maut nicht kommt, und
welche Aufgaben nehmen die Angestellten und Beamten
zurzeit wahr, da es doch unmittelbar eigentlich noch gar
keinen Aufgabenbereich gibt? Ich bitte, das noch ein
bisschen genauer zu präzisieren .
N
Frau Kollegin Wilms, im Gegensatz zu Ihnen planen
wir nicht, dass die Infrastrukturabgabe nicht kommt, son-
dern wir gehen davon aus, dass die Infrastrukturabgabe
kommt . Deshalb gehen wir davon aus, dass die Men-
schen, die auf diesen Stellen sitzen, dann auch entspre-
chend beschäftigt sein werden .
Herr Krischer .
Herzlichen Dank für die Ausführungen, Herr Staats-
sekretär . – Sie haben gesagt, es hat Ausschreibungen,
auch für Beratungsleistungen, gegeben; das machen die
Mitarbeiter . Mich würde interessieren: Um welche Be-
ratungsleistungen im Einzelnen handelt es sich? Was
habe ich mir darunter vorzustellen? Was wird da konkret
vorbereitet? Welchen Kostenrahmen hat das Ganze? Wir
reden ja nicht nur über die Personalkosten, sondern wir
reden auch darüber, dass für diese Beratungsleistungen
noch zusätzliche Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt
werden .
N
Ich habe es in der Antwort auf die Frage der Kollegin
Wilms gerade schon versucht zu beschreiben . Wir haben
einerseits Beratungsleistungen ausgeschrieben für den
technisch-wirtschaftlichen Bereich zur Implementierung
der Infrastrukturabgabe; sie hat ja durchaus technische
Dimensionen . Andererseits haben wir Beratungsleistun-
gen für die juristische Beratung ausgeschrieben . Darüber
hinaus haben wir Beratungsleistungen für das eigentli-
che Projektmanagement ausgeschrieben . Dies alles muss
sorgfältig vorbereitet sein, damit wir dann, wenn wir
Rechtssicherheit haben und das Vertragsverletzungsver-
fahren gegebenenfalls eingestellt wird, die Infrastruk-
turabgabe sehr schnell implementieren können .
Kollege Behrens .Präsident Dr. Norbert Lammert
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(C)
(D)
Herr Staatssekretär, Sie haben erwähnt, dass die Pkw-
Maut auf jeden Fall kommt . Die Frage, die das Datum
anbetrifft, ist offen geblieben . Ich habe Frau Wilms so
verstanden, dass sie konkret nach den Aufgaben im
Jahr 2016 gefragt hat,
in dem ein entsprechender Aufwuchs an Personal vor-
handen ist, das sich mit der Einführung der Pkw-Maut
befassen soll .
Wenn das Vertragsverletzungsverfahren der EU zu
dem Ergebnis führt, dass an der Pkw-Maut, an der Aus-
ländermaut, etwas verändert werden muss, verändert
sich auch die Grundlage für die Arbeit der Kolleginnen
und Kollegen, die eingestellt worden sind . Daher wäre
es für mich schon einmal wichtig, von Ihnen zu erfah-
ren: Inwieweit ist es möglich, dass man nach einem alten
Fahrplan verfährt, der die Einführung der Pkw-Maut mit
Scharfstellung zum 1 . Januar 2016 vorgesehen hat, und
quasi so weitermacht wie bisher?
N
Herr Kollege Behrens, das Vertragsverletzungsverfah-
ren ist auf den Weg gebracht worden . Wir haben Frau
Kommissarin Bulc einen Antwortbrief zugeleitet . Sie
hat nun entsprechend Zeit, ein begründetes Mahnverfah-
ren einzuleiten oder das Verfahren einzustellen . Wenn
Frau Kommissarin Bulc sich uns gegenüber geäußert
hat, haben wir wiederum Zeit, darauf einzugehen . Erst
dann wird sich erweisen, ob das weitere Verfahren vor
dem Europäischen Gerichtshof landet oder ob das Ver-
tragsverletzungsverfahren eingestellt wird . Wir richten
uns darauf ein, dass das Vertragsverletzungsverfahren
eingestellt werden kann, und gehen davon aus, dass die
Infrastrukturabgabe danach entsprechend implementiert
werden kann .
Nun kommen wir zur Frage 9 der Kollegin Wilms:
Von welchem Zeitrahmen geht die Bundesregierung zur
Einführung der lnfrastrukturabgabe bzw . Pkw-Maut derzeit
aus, und ab wann plant die Bundesregierung mit Einnahmen
N
Frau Kollegin Wilms, die Bundesregierung wird erst
nach Beendigung des Vertragsverletzungsverfahrens
und der Bestätigung der EU-Rechtskonformität die tech-
nische Einführung der Infrastrukturabgabe umsetzen .
Die Einnahmen und ihre Zusammensetzung sind unter
www .bmvi .de einsehbar . Die Bruttogesamteinnahmen
sind mit 3,9 Milliarden Euro prognostiziert .
Zusatzfrage?
Selbstverständlich, Herr Präsident . Denn das, was
Herr Staatssekretär Barthle eben auf die Frage des Kol-
legen Behrens geantwortet hat, nämlich dass die Infra-
strukturabgabe dann eingeführt werden kann, fordert ge-
radezu heraus, nachzufragen .
Der Bundesrechnungshof hat einen sehr schönen,
plastischen Bericht vorgelegt, in dem er schreibt, dass
die bisherige Zeitplanung in keiner Weise realistisch ist
und frühestens zweieinhalb bis drei Jahre nach Abschluss
des Vertragsverletzungsverfahrens daran gedacht werden
kann, die Maut zu erheben . Demzufolge könnte die Maut
frühestens 2021 kommen . Welche Kosten werden bis zu
diesem Zeitpunkt für den Steuerzahler entstehen, und wa-
rum stoppt man die Planung der Maut nicht wenigstens
bis zum Abschluss des Vertragsverletzungsverfahrens?
N
Frau Kollegin Wilms, wir teilen die Auffassung des
Bundesrechnungshofes nicht in vollem Umfang; denn
der Bundesrechnungshof hat eine sehr skeptische Sicht-
weise an den Tag gelegt . Ich möchte, ohne dem Bundes-
rechnungshof zu nahe treten zu wollen, darauf hinweisen,
dass auch er nur begrenzte prognostische Fähigkeiten
hat . Insofern gehen wir davon aus, dass unsere Annah-
men richtig sind .
Weitere Zusatzfrage?
Ja . Herzlichen Dank, Herr Präsident . – Immerhin ist
das schon eine kleine Abweichung gegenüber früher: Sie
sagen, dass der Bundesrechnungshof nicht ganz falsch
liegt .
Herr Staatssekretär, im Bundeshaushalt sind im Zu-
sammenhang mit der Pkw-Maut 4 Millionen Euro für
Sachverständige vorgesehen . Laut mündlicher Aussa-
ge des Ministers im Sommer sollte bis zum Ende der
Sommerpause der Auftrag für ein Gutachten mit einem
Volumen von 4 Millionen Euro an externe Berater ver-
geben werden . Erste Teilfrage: Ist das Gutachten in Auf-
trag gegeben worden, und was ist der Arbeitsauftrag des
Gutachtens? Und die zweite: Wann liegen die Ergebnisse
vor?
N
Wenn ich Ihre Frage richtig verstanden habe, meinenSie ein externes Gutachten, das wir in Auftrag gegebenhaben und das die EU-Rechtskonformität der Infrastruk-turabgabe festgestellt hat .
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(C)
(D)
Das waren schon zwei Zusatzfragen . – Herr Behrens,
haben Sie sich dazu gemeldet? – Bitte schön .
Die Frage hat sich konkret auf den Zeitplan bezogen .
Sie haben gerade zu erkennen gegeben, dass Sie die Er-
gebnisse der Untersuchung des Bundesrechnungshofes
nicht gänzlich teilen . Sie teilen auf keinen Fall – so habe
ich Ihre Antwort verstanden – die Befürchtung, dass es
erheblich länger dauern könnte . Können Sie mir heute
verlässlich sagen, dass es bei der Zeitplanung bleiben
kann, die das BAG vorgelegt hat? Danach sind fünf Mo-
nate für die Vergabe, zwei Monate für die Vorbereitung
von ÖPP, sechs Monate für das Vergabeverfahren und
sechseinhalb Monate für den Aufbau und den Test vorge-
sehen . Das macht insgesamt knapp 19 Monate . Ist denn
dieser Zeitplan, den das BAG für die ursprüngliche Pla-
nung genannt hatte, verbindlich?
N
Die Vorarbeiten, die ich Ihnen soeben geschildert
habe, was die Vergabe von Gutachten und Expertisen
angeht, zielen darauf ab, den Zeitraum nach Herstellung
der Rechtssicherheit so kurz wie möglich zu gestalten .
Wir werden dann, wenn wir Rechtssicherheit haben, sehr
schnell die Infrastrukturabgabe implementieren können,
weil wir die dazu notwendigen Vorarbeiten bereits ge-
leistet haben .
Herr Krischer .
Herr Staatssekretär, im Haushalt 2015 sind neben den
Personalkosten, über die wir eben geredet haben, 8 Milli-
onen Euro für die Einführung der Pkw-Maut eingestellt .
Nun haben wir gerade gehört – das haben Sie bestätigt,
wenn ich das richtig verstanden habe –, dass für das
Rechtsgutachten bereits 4 Millionen Euro ausgegeben
wurden . Was ist denn mit den restlichen 4 Millionen Euro
geschehen? Sind diese schon ausgegeben? Wenn ja, für
welche Leistungen und für welche konkreten Projekte –
Sie haben das eben sehr allgemein formuliert – wurde
diese Summe ausgegeben?
N
Herr Kollege Krischer, ich habe nicht jede Position
unseres großen Haushalts im Kopf . Ich kann Ihnen die
Antwort gerne schriftlich nachreichen . Momentan jeden-
falls kann ich Ihnen dazu keine konkrete und detaillierte
Aussage machen . Die entsprechenden Unterlagen liegen
mir nicht vor .
Die Fragen 10 und 11 des Kollegen Herbert Behrens
werden schriftlich beantwortet . Damit können wir diesen
Geschäftsbereich abschließen .
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Re-
aktorsicherheit . Hier werden die Fragen 12 und 13 der
Kollegin Katrin Kunert sowie die Frage 14 der Kollegin
Sylvia Kotting-Uhl schriftlich beantwortet .
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Energie . Hier werden
die Frage 15 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl sowie
die Fragen 16 und 17 der Abgeordneten Tabea Rößner
schriftlich beantwortet .
Wir kommen damit zu Frage 18 der Kollegin Dr . Julia
Verlinden:
Wie werden die Beschlüsse des G-7-Gipfels der Staats- und
Regierungschefs in Elmau von Juni 2015 zur Dekarbonisie-
rung der Weltwirtschaft bis Ende des Jahrhunderts und zum
Verhandlungen zu den Handelsabkommen TTIP und CETA
berücksichtigt, und welche Position hat die Bundesregierung
gegenüber der Europäischen Kommission bisher vertreten,
um die Umsetzung dieser Ziele in den Handelsabkommen
zu verankern, vor dem Hintergrund, dass in der elften Ver-
handlungsrunde zu TTIP vom 19 . bis 23 . Oktober 2015 un-
ter anderem über Erleichterungen beim Handel von fossilen
Energieträgern wie Kohle, Uran, Gas, Erdgas und Erdöl sowie
Ich darf die Staatssekretärin Zypries um Beantwor-
tung bitten .
B
Vielen Dank, Herr Präsident . – Frau Kollegin, Sie ha-
ben als Erstes gefragt, wie die Beschlüsse des G-7-Gipfels
der Staats- und Regierungschefs in den Verhandlungen
zu den Handelsabkommen TTIP und CETA berücksich-
tigt werden . Ich nehme an, dass Sie bei der Formulierung
der Frage wussten, dass dies zwischen der EU und den
Vereinigten Staaten streitig ist . Wir unterstützen die Po-
sition der EU und wollen, dass diese Beschlüsse berück-
sichtigt werden .
Ihre zweite Frage, welche Position die Bundesregie-
rung bisher gegenüber der EU-Kommission vertreten
hat, ist damit quasi beantwortet . Wir haben immer ge-
sagt, dass wir die Kommission unterstützen, wenn sie
dazu ein eigenständiges Kapitel haben will .
Frau Kollegin Verlinden, Ihre erste Nachfrage .
Vielen Dank . – Frau Staatssekretärin, Sie kennenebenfalls die Debatte über TTIP und CETA sowie dieSorge vieler Menschen, die eine kritische Haltung gegen-über den Konzernprivilegien haben, dass möglicherweiseder Klimaschutz und die Energiewende unter die Räderkommen, wenn TTIP beschlossen wird . Wir alle kennendas Beispiel Vattenfall . Dieser Konzern klagt gegen denAtomausstieg . Ähnliche Beispiele kennen wir aus ande-ren Ländern . So hat Lone Pine gegen das Fracking-Mo-
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(D)
ratorium in Quebec geklagt . Es gibt also verschiedeneAnlässe, warum sich die Menschen Sorgen machen, dassdie energiepolitischen Ziele unter die Räder kommen .Ich frage Sie, wie die Bundesregierung dazu steht,dass bei der elften Verhandlungsrunde der Fokus vorallem auf die fossilen Energieträger gelegt wurde . Wasbedeutet es konkret, dass vom 19 . bis 23 . Oktober überErleichterungen beim Handel mit Kohle, Uran, Gas undErdöl verhandelt wurde? Alles soll genau geregelt wer-den . Wie steht die Bundesregierung dazu?B
Frau Abgeordnete, wie gesagt, wir unterstützen die EU
dabei, dass es ein eigenständiges Kapitel zu Energie und
Rohstoffen gibt . Ich möchte gerne noch einmal darauf
hinweisen, dass selbstverständlich auch die Vereinigten
Staaten durch den Beschluss von Elmau gebunden sind .
Alle Staaten, die in Elmau teilgenommen haben – nicht
nur die Vereinigten Staaten, sondern auch die Staaten, die
der EU angehören –, haben sich zur Dekarbonisierung
der Weltwirtschaft bis zum Ende des Jahrhunderts und
zu einem Umbau der Energiewirtschaft verpflichtet. Das
war jetzt die elfte Verhandlungsrunde . Dann kommen
die zwölfte und die dreizehnte Verhandlungsrunde usw .
Irgendwann werden die von Ihnen angesprochenen The-
men behandelt .
Frau Verlinden, Sie haben sicherlich noch eine zweite
Zusatzfrage .
Ja, das ist richtig .
Bitte schön .
Allein die Tatsache, dass es aus Sicht der Bundesre-
gierung ein eigenständiges Kapitel zur Energiepolitik ge-
ben soll, gewährleistet wohl kaum, dass Klimaschutzas-
pekte ausreichend berücksichtigt werden . Es kann im
schlimmsten Fall auch in die andere Richtung gehen .
Deswegen wüsste ich gerne, mit welchen Intentionen
und mit welchen konkreten inhaltlichen Forderungen die
Bundesregierung die EU dabei unterstützt, in diesem Zu-
sammenhang zu verhandeln .
B
Ausreichend – da haben Sie völlig recht – ist immer
relativ . Da bin ich sofort bei Ihnen . Unsere Position ist,
dass wir das, was die Staats- und Regierungschefs in El-
mau beschlossen haben, die Dekarbonisierung der Welt-
wirtschaft bis zum Ende des Jahrhunderts und den Um-
bau der Energiewirtschaft, selbstverständlich in diesen
Kapiteln verhandeln wollen . Unser Ziel ist es, möglichst
viel für das Klima zu erreichen .
Vielen Dank . – Es gibt keine weiteren Nachfragen .
Wir kommen zur Frage 19 der Abgeordneten Dr . Julia
Verlinden:
Was gedenkt die Bundesregierung in Zukunft zu tun, um
dafür zu sorgen, dass TTIP dem Ziel der Dekarbonisierung
nicht zuwiderläuft?
Bitte schön, Frau Kollegin .
B
Ihre Frage betrifft im Grunde das, was wir eben schon
besprochen haben . Wir haben eben schon gesagt: Wir
wollen ein eigenständiges Kapitel, in das die Klima-
ziele und die Ziele der nachhaltigen Energieversorgung
aufgenommen werden . Deswegen hat die EU in ihrem
Positionspapier zum Energie- und Rohstoffkapitel auch
entsprechende Regelungen zur nachhaltigen Energiever-
sorgung vorgeschlagen .
Die Bundesregierung unterstützt die Vereinbarung
eines ehrgeizigen Nachhaltigkeitskapitels im TTIP, in
dem beide Seiten sich unter anderem dazu verpflichten,
multilaterale Umweltabkommen, deren Vertragsparteien
sie sind, wirksam umzusetzen und weitere multilatera-
le Umweltabkommen zu ratifizieren. Außerdem schlägt
die EU eine engere Kooperation beider Seiten in Klima-
schutzfragen vor . Wir werden diesen EU-Textvorschlag
um Regelungen zum Klimaschutz ergänzen, wenn die
Pariser Klimaschutzkonferenz, die diesen Monat stattfin-
det, wenn ich es richtig im Kopf habe, abgeschlossen ist .
Frau Kollegin, bitte schön .
Ich habe eine Nachfrage . Es gibt sehr unterschiedliche
energiepolitische Interessen, sowohl zwischen den Un-
ternehmen als auch möglicherweise zwischen den Um-
weltverbänden und – Sie hatten es eben angedeutet – den
verschiedenen Verhandlungspartnern . Wenn Sie sagen,
Sie wollten den Klimaschutz voranbringen, gerade auch
in diesem Prozess, in dem Sie über TTIP verhandeln oder
von der EU verhandeln lassen, dann könnten Sie etwas
konkreter werden und erklären, wie Sie sicherstellen
wollen, dass sich womöglich die wirtschaftlichen Inter-
essen von Unternehmen nicht gegenüber demokratischen
Entscheidungen, insbesondere im Zusammenhang mit
der Energiewende, durchsetzen und welche Ziele Sie im
Bereich der erneuerbaren Energien und der Energieeffizi-
enz konkret in diese Verhandlungen einbringen .
Frau Staatssekretärin .
B
Ihre Annahme, dass wir die EU verhandeln lassenwürden, wie Sie eben formuliert haben, möchte ich gernezurückweisen . Das ist nicht so . Es gibt 28 gleichberech-Dr. Julia Verlinden
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(C)
(D)
tigte Staaten in der Europäischen Union, und die Kom-petenz zur Verhandlung über solche Handelsabkommenliegt seit den letzten Vertragsänderungen bei der EU .Deswegen ist die Unterstellung, die eben anklang, näm-lich dass Deutschland im Grunde der Spiritus Rector desTTIP sei und die EU nur das Werkzeug, ziemlich abwe-gig . Das entspricht nicht den Tatsachen .Deswegen ist es nicht so, dass wir sagen können: Sowird das gemacht, bzw . so wird das nicht gemacht . – Esist vielmehr so, dass sich alle Staats- und Regierungs-chefs darauf verständigen müssen, was sie wollen, undgemeinsam mit der EU-Kommission einen Konsens her-stellen müssen . Sonst funktioniert das eben nicht . Daranarbeiten wir . Das habe ich Ihnen eben schon einmal ge-sagt . Ich kann das gerne wiederholen, aber ich glaube,Sie sind intelligent genug, um das beim ersten Mal zuverstehen . Das kann ich mir also sparen .
Frau Verlinden .
Sie haben aber den Teil meiner Frage nicht beantwor-
tet, bei dem es darum ging, wie Sie sicherstellen wollen,
dass wirtschaftliche Interessen von Unternehmen gera-
de im Zusammenhang mit der Energiepolitik sich nicht
über demokratische Entscheidungen hinwegsetzen, wenn
TTIP so beschlossen wird . Sie haben auch nicht auf mei-
ne Frage geantwortet, inwiefern Sie denn die EU dabei
unterstützen, vielleicht auch beraten oder eigene Ideen
einbringen, damit das Thema der erneuerbaren Energien
und Energieeffizienz in diesem Kontext mitdiskutiert und
mitverhandelt wird .
Sie als Bundesregierung werden in einem regen Aus-
tausch mit den EU-Verhandlungspartnern sein und ent-
sprechende Anregungen in den Prozess einspeisen . Wie
wollen Sie sicherstellen, dass Deutschland seine Energie-
wende hin zu erneuerbaren Energien und Energieeffizi-
enz fortführen kann, insbesondere vor dem Hintergrund
der Forderung, demokratische Entscheidungen nicht
durch unternehmerische Interessen mittels internationa-
ler Schiedsgerichte wieder aufheben zu lassen?
Bitte schön .
B
Ich glaube, es ist eine fundamentale Fehleinschätzung,
zu glauben, dass sich wirtschaftliche Interessen und de-
mokratische Entscheidungen in irgendeiner Form wider-
sprechen können .
Noch ist es bei uns so – und so soll es auch bleiben –,
dass der Gesetzgeber festlegt, in welchem Rahmen die
Wirtschaft agiert . Das können wir vielleicht außerhalb
dieses Raumes klären; aber es scheint mir auf alle Fälle
evident zu sein . Deswegen sehe ich da überhaupt kein
Problem .
Soweit Sie auf die Schiedsgerichte anspielen, wis-
sen Sie ja – das haben wir zuletzt heute Morgen im
Wirtschaftsausschuss ausführlich diskutiert –, dass die
Schiedsgerichte bei TTIP aufgrund der Initiative von
Sigmar Gabriel eine wesentliche Verbesserung erfahren
haben . Ihre Stellung war vonseiten der EU-Kommissi-
on schon einmal im Rahmen von CETA verbessert wor-
den, und nun sind sie aufgrund der Initiative von Sigmar
Gabriel und fünf anderen europäischen Sozialdemokra-
ten noch einmal verbessert worden . Vorgesehen sind jetzt
ein europäischer Handelsgerichtshof, volle Transparenz,
die Beteiligung der NGOs und vieles andere mehr, so-
dass von mangelnder Transparenz oder gar undemokra-
tischen Entscheidungen überhaupt keine Rede sein kann .
Vielen Dank . – Ich sehe keine weiteren Nachfrage-
wünsche .
Die Frage 20 der Abgeordneten Bärbel Höhn und
die Frage 21 des Abgeordneten Oliver Krischer werden
schriftlich beantwortet .
Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie . Ich be-
danke mich bei der Staatssekretärin Zypries für die Be-
antwortung der Fragen .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes . Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Staats-
ministerin Professor Dr . Maria Böhmer zur Verfügung .
Die Frage 22 des Abgeordneten Oliver Krischer, die
Frage 23 der Abgeordneten Bärbel Höhn sowie die Fra-
gen 24 und 25 der Abgeordneten Sevim Dağdelen wer-
den schriftlich beantwortet .
Wir kommen zur Frage 26 des Kollegen Volker Beck:
Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zur der-
zeitigen Menschenrechtssituation von jungen Männern, die
unter anderem von den Taliban zwangsrekrutiert werden, und
Bitte schön, Frau Kollegin .
D
Herr Beck, ich darf Ihnen die Frage wie folgt beant-worten: Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistanunter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht . Dieafghanische Verfassung verfügt über einen umfassendenGrundrechtekatalog, in dem auch der Gleichheitsgrund-satz und die Religionsfreiheit verankert sind . Eine syste-matische Diskriminierung oder Verfolgung von sozialenoder religiösen Minderheiten durch den Staat findet nachKenntnis der Bundesregierung nicht statt . Dennoch bleibtdie Menschenrechtslage schwierig . Gewalt gegen Frauenist weiterhin verbreitet . Die gesellschaftliche Anerken-nung ihrer unter anderem im Gesetz zur Beseitigung vonGewalt gegen Frauen verankerten Rechte fehlt vielfach .Parl. Staatssekretärin Brigitte Zypries
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(D)
Ein Verbot der Diskriminierung aufgrund sexuellerOrientierung ist in der afghanischen Verfassung nichtenthalten . Das afghanische Strafgesetzbuch stellt homo-sexuelle Handlungen unter Strafe . Es wird von gewalt-tätigen Übergriffen bis hin zu Vergewaltigungen vonhomosexuellen Männern durch die afghanische Polizeiberichtet . Die Betroffenen haben nur begrenzten Zugangzum Gesundheitssystem und müssen bei Entdeckung ih-rer Homosexualität den Verlust ihres Arbeitsplatzes undsoziale Ausgrenzung fürchten .Der Bundesregierung liegen unbestätigte Berichteüber die Zwangsrekrutierungen von jungen Männerndurch die Taliban vor .
Herr Kollege Beck, Sie haben das Wort zu einer
Zusatzfrage .
Ich bin ein bisschen erstaunt, welche geringe Rolle die
tatsächlichen Zustände in Afghanistan bei Ihnen spielen .
Wir wissen ja genau, dass in Afghanistan das Problem
besteht, dass dort kodifiziertes Recht in der Lebenssitua-
tion der Menschen oftmals keine Rolle spielt .
Der Bundesinnenminister hat gesagt: Wir müssen jetzt
verstärkt nach Afghanistan abschieben . Das heißt, man
wird bei abgelehnten Asylbewerbern in der Regel wei-
tere Schutzgründe nach der EMRK verneinen, oder man
wird behaupten, es gebe innerstaatliche Fluchtalternati-
ven . Kann das Auswärtige Amt benennen, welche Städte
und Regionen in Afghanistan für alle in dieser Frage an-
gesprochenen Gruppen so sicher sind, dass sie als inner-
staatliche Fluchtalternative gelten können?
Frau Staatsministerin .
D
Ich will Ihnen mit zwei Punkten antworten:
Sie haben eben verneint, dass ich auf die konkrete Situ-
ation eingegangen bin . Das war natürlich nicht so . Ich
habe zum einen die Verfassungssituation dargestellt, zum
anderen aber sehr bewusst gesagt, dass vieles von dem
nicht eingehalten wird Das bitte ich einfach noch einmal
zur Kenntnis zu nehmen, lieber Herr Beck .
Die Sicherheitslage ist in Afghanistan regional sehr
unterschiedlich; das deuten Sie ja auch schon in Ihrer
Frage an . Es gibt Regionen mit aktiven Kampfhandlun-
gen, etwa Kunduz; es gibt aber auch Regionen, für die
wir sagen können: Trotz punktueller Sicherheitsvorfälle
sind sie vergleichsweise stabil . – Dazu darf ich beispiels-
weise Kabul, Bamiyan und Masar-i-Sharif nennen . Inso-
fern kann man keine pauschalen Aussagen für einzelne
Landesteile treffen; man muss immer auf den spezifi-
schen Fall und auf die aktuelle Lage abheben .
Ich möchte Ihnen aber auch sagen, dass seit 2002
6 Millionen afghanische Flüchtlinge aus dem Ausland in
ihr Land zurückgekehrt sind . Im laufenden Jahr sind es
56 000 . Auch das deutet sehr stark darauf hin: Es gibt
durchaus Regionen, wo die Menschen leben können und
in die sie zurückkehren . Ich glaube, es ist wichtig für uns,
auch das im Blick zu behalten .
Herr Kollege Beck, die zweite Zusatzfrage . – Ich darf
auch bitten, auf die Zeit zu achten .
D
Gern!
Bitte schön, Herr Beck .
Ich darf bitten, auf die Frage zu achten . Frau Staats-
ministerin, Sie haben zwar viele Worte gemacht, aber
nicht mit einem Satz meine Nachfrage beantwortet . Ich
habe Sie gefragt, welche Regionen und welche Städte
in Afghanistan für die in der Frage aufgeführten Grup-
pen – namentlich von den Taliban zwangsrekrutierte
junge Männer, Frauen, Lesben, Schwule, Transsexu-
elle, Transgender und religiöse Minderheiten – als si-
cher gelten können . Da nützt es nichts, dass Sie sagen:
Es ist stabiler . – Die Menschenrechtssituation ist doch
nicht identisch mit der Sicherheitslage . Die Frage ist:
Sind die Leute dort vor staatlicher oder nichtstaatlicher
Verfolgung sicher? Darauf kommt es bei der Frage an:
Können wir sie guten Gewissens dahin abschieben oder
eben nicht, weil sie dort nicht sicher sind? Deshalb bitte
ich Sie, nicht auf die Sicherheitslage abzuheben, die eine
militärische Frage ist, sondern auf die tatsächliche Men-
schenrechtslage .
Ich will Ihnen nur noch sagen: Ich habe in Belgrad,
auf der Balkanroute, mit einer Gruppe von jungen afgha-
nischen Flüchtlingen gesprochen . Sie haben mir erzählt,
wie sie unmittelbar geflohen sind. Die Taliban sind bei
ihren Eltern vorstellig geworden und haben versucht, sie
zwangszurekrutieren .
Herr Kollege Beck .
Da haben sie ihre Beine in die Hand genommen und
sind durch den Iran über die Türkei bis nach Belgrad ge-
flohen.
Bitte schön, Frau Böhmer .Staatsministerin Dr. Maria Böhmer
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(D)
D
Ich habe vorhin schon einmal darauf abgehoben, dass
die Situation sehr unterschiedlich ist; ich wiederhole das
gern .
Ich glaube, es ist ein wichtiges Kriterium, Herr Kollege
Beck, wie stabil eine Region ist . Wir haben dort nicht
umsonst hohen Einsatz gezeigt, und wir werden das wei-
terhin tun; denn die Stabilität einer Region ist auch eine
entscheidende Voraussetzung dafür, dass jemand dorthin
zurückkehrt .
Was die Menschenrechtsfrage anbetrifft, habe ich
sehr wohl differenziert . Wir sehen zum Beispiel, dass für
Frauen einer bestimmten Region oder einer bestimmten
sozialen Schicht eine ganz andere Situation gegeben ist
als für Frauen anderer Regionen oder Schichten, und da
hatte ich erhebliche Bedenken . Das kann man auch auf
andere Bereiche übertragen .
Vielen Dank .
– Nein, Herr Nouripour, Sie sind noch nicht dran . Sie
werden jetzt noch nicht aufgerufen .
Vor Ihnen kommt noch die Frau Kollegin Haßelmann .
Bitte schön, Frau Haßelmann .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Mit dem Herrn
Nouripour klären wir das .
– Genau .
Frau Staatsministerin, ich möchte an das anknüpfen,
was Herr Beck gesagt hat, und Sie darum bitten, doch
einmal konkret die Orte zu nennen; denn auf die Ein-
schätzung der Lage durch das Auswärtige Amt wird es
erheblich ankommen . Ich glaube, dass Sie in der Lage
sein müssten, für die genannten Personengruppen kon-
kret Orte, Städte oder Regionen zu nennen, in die Rück-
führungen möglich sind .
Der zweite Teil meiner Frage bezieht sich auf die Be-
schäftigten, die zum Teil Beschäftigte unserer Bundes-
wehr waren: Dolmetscher, Fahrer, welche Tätigkeiten
auch immer sie ausgeübt haben . Es gibt immer wieder
eindringliche Berichte darüber, dass für diesen Personen-
kreis die Frage des Aufenthaltsstatus hier nicht geklärt
ist .
Deshalb meine konkrete Frage: Was unternimmt das
Außenministerium in diesem Kontext, um für eine ein-
deutige Aufenthaltserlaubnis für diese Menschen zu sor-
gen?
Frau Kollegin Haßelmann, Sie wissen, dass man nur
eine Zusatzfrage stellen darf, auch wenn man diese in ei-
ner Minute stellen und in zwei Fragen kleiden kann .
Vielleicht schafft es aber die Frau Staatsministerin,
diese beiden Fragen in einer Minute zu beantworten . Bit-
te schön .
D
Frau Kollegin, ich möchte auf das abheben, was
ich bereits sagte . Es gibt stabile Regionen . Ich habe
drei Regionen genannt, nämlich Kabul, Bamiyan und
Masar-i-Scharif . Ich weiß ebenso wie Sie, dass wir unter
Menschenrechtsgesichtspunkten manchmal noch stär-
ker differenzieren müssen . Ich glaube aber schon, sagen
zu können, dass wir hier von einer vergleichsweisen
Stabilität ausgehen können .
Nun zu dem anderen Punkt, den Sie angespro-
chen haben . Es liegen noch weitere Fragen vor, die im
Zusammenhang mit einer möglichen Rückführung ste-
hen . Hierbei stehen wir als Außenministerium in engem
Kontakt mit dem Innenministerium .
Vielen Dank . – Dann ist jetzt der Kollege Nouripour
dran . Bitte schön, Herr Nouripour .
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin . – Frau Staatsmi-
nisterin, Sie haben über die Sicherheitslage gesprochen
und darauf hingewiesen, dass seit 2002 rund 6 Millionen
Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückgekehrt seien . Das
ist völlig richtig . Die Lage ist, was die Sicherheit betrifft,
deutlich besser als zum Beispiel im Jahr 1999 . Die Lage
ist auch besser als die Lage im Jahr 1812 .
Die Frage ist aber, warum die Leute jetzt kommen .
Deshalb ist meine Frage, wie die Bundesregierung die
Sicherheitslage und die Entwicklung der Sicherheitslage
in den letzten zwölf Monaten bewertet . Ich war letztes
Jahr im Juni da . Damals war die Lage so gut wie noch nie
zuvor . Als ich vor wenigen Wochen da war, war die Lage
so schlecht wie noch nie zuvor . Das ist mir so berich-
tet worden . Deshalb frage ich, wie die Bundesregierung
die Entwicklung der Sicherheitslage in den letzten zwölf
Monaten bewertet .
Bitte schön .
D
Herr Kollege, Sie wissen, dass wir dafür eintreten,dass die Bundeswehr weiterhin in Afghanistan präsent
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(D)
ist . Das deutet darauf hin, dass wir auch weiterhin allesdafür tun wollen, dass sich die Lage in Afghanistan sta-bilisiert .Ich möchte noch etwas hinzufügen, weil Sie sich vorOrt wirklich sehr gut auskennen . Es treibt einen schonum, wenn wir sehen, wie viele junge Menschen aus Af-ghanistan den Weg hin zu uns einschlagen . Ich weiß auchvon Afghanen, die über den Iran nach Deutschland ge-kommen sind . Man fragt sich, warum diese Menschendas tun .Diese Frage steht sicherlich nicht nur im Zusammen-hang mit den Menschenrechten und ist nicht nur eineFrage der Stabilität, sondern das ist wahrscheinlich aucheine Frage der Perspektive, die diese jungen Menschenin ihrem Land für sich sehen . Ich glaube, deshalb müssenwir uns Gedanken darüber machen, welche Unterstüt-zungsleistungen wir erbringen können, um diesen jun-gen Menschen insbesondere eine Perspektive im eigenenLand zu eröffnen .Je mehr tüchtige junge Menschen dieses Land verlas-sen, umso schwieriger wird diese Situation zweifelloswerden . Ich räume ein, dass auch mich das sehr umtreibt .Das treibt auch das Auswärtige Amt und die gesamteBundesregierung um . Ich glaube, dass ein enger Kontaktbei dieser Frage wichtig ist .
Vielen Dank . – Herr Kollege Ströbele, Sie hatten sich
gemeldet .
Danke, Frau Präsidentin . – Ich komme gerade rein und
höre, dass Sie sagen, dass es in Afghanistan sicher sein
soll, insbesondere in Kabul . Frau Staatsministerin, kön-
nen Sie uns sagen, wann der letzte Anschlag in Kabul
gewesen ist? Hätten Sie vor der Einnahme von Kunduz
im Handstreich auch gesagt, nach Kunduz könnten die
Menschen kommen, da könne man auf der Straße einkau-
fen gehen und da sei es sicher?
D
Herr Kollege Ströbele, man kann natürlich immer ver-
muten: Was wäre wenn?
Ich habe vorhin gesagt, dass die Situation in diesen
drei Regionen vergleichsweise stabil ist . Insofern ist das
momentan begründet . Niemand von uns kann letztend-
lich abschätzen, ob es morgen nicht zu einer anderen Ent-
wicklung kommt . Weil uns das so sehr bewegt, wollen
wir durch den Verbleib der Bundeswehr zur Stabilisie-
rung beitragen .
Mit Ihrer Frage zielen Sie auf einen Punkt ab, der
anschließend in weiteren Fragen noch erörtert wird,
nämlich auf die Rückführung . Ebenso wichtig ist aber
das, was ich vorhin mit dem Kollegen Nouripour ausge-
tauscht habe . Was bedeutet das für die Entwicklung die-
ses Landes, insbesondere mit Blick auf junge Menschen?
Ich glaube, wir müssen alles daransetzen, diesen jungen
Menschen eine Perspektive zu eröffnen . Das haben wir
über Jahre hinweg auch getan .
Vielen Dank . – Ich sehe zu diesem Punkt keine weite-
ren Zwischenfragen mehr .
Die Frage 27 der Kollegin Hänsel wird schriftlich
beantwortet . Damit sind wir am Ende des Geschäftsbe-
reichs . Ich bedanke mich bei der Staatsministerin für die
Beantwortung .
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums des Innern . Zur Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Dr . Günter Krings zur
Verfügung .
Wir kommen zur Frage 28 des Abgeordneten Volker
Beck:
Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die
Zahlen der Rückführungen bzw . Abschiebungen in den letz-
wickelt, und in welche Länder fanden diese im Wesentlichen
statt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär .
D
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Lieber Herr Kollege Beck! In den Monaten Ja-
nuar bis September 2015 wurden insgesamt 13 464 Per-
sonen abgeschoben und 1 025 zurückgeschoben . Die
meisten Abschiebungen erfolgten in den Kosovo mit
4 358, nach Serbien mit 2 274, nach Albanien mit 1 369,
nach Mazedonien mit 1 016, nach Bosnien-Herzegowina
mit 429 sowie in die Russische Föderation mit 350 . Die
Zahlen für Oktober liegen noch nicht vor .
In den zwölf Monaten Januar bis Dezember 2014 –
das ist sozusagen der Vergleich zum letzten Jahr, der in
der Frage gewünscht war – wurden insgesamt 10 884
Personen abgeschoben und 2 967 zurückgeschoben . Die
meisten Abschiebungen erfolgten hier nach Serbien mit
2 177, in die Russische Föderation mit 1 326, nach Ma-
zedonien mit 807, in den Kosovo mit 792, nach Albanien
mit 521 und nach Bosnien-Herzegowina mit 445 . Drei
Monate vor Ende dieses Jahres erfolgten damit bereits
2 580 Abschiebungen mehr als im gesamten vergangenen
Jahr .
Herr Kollege Beck .
Das zeigt zumindest, dass es bei dem Thema „Rück-führungen und Abschiebungen“ offensichtlich durchausein konsequentes Handeln der Länder gibt .Ich habe jetzt eine Nachfrage, weil sich der Ministerbesonders im Hinblick auf Afghanistan dahin gehend ein-gelassen hat, dass dorthin verstärkt abgeschoben werdenmüsste . Woran lag es, dass Afghanistan bisher in IhrerListe keine große Rolle spielt? Welche rechtlichen undStaatsministerin Dr. Maria Böhmer
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(D)
tatsächlichen Gründe werden dazu von den zuständigenBehörden vorgetragen?D
Zunächst einmal, Herr Abgeordneter Beck: Die Be-
wertung, dass konsequent gehandelt wird, kann ich nur
bedingt teilen . Natürlich gehen die Zahlen nach oben; das
stimmt . Aber wenn wir sehen, dass wir in Deutschland
193 188 vollziehbar Ausreisepflichtige haben, müssen
wir feststellen, dass die Zahl der tatsächlich Ausreisen-
den immer noch sehr gering ist . Wir müssen also deut-
lich besser werden . Die Entwicklung geht in die richtige
Richtung, aber es gibt sozusagen ein hohes Delta, das
hier noch bearbeitet werden muss .
Warum Afghanistan nicht in der Liste auftaucht, kann
ich Ihnen nicht ad hoc beantworten . Es gibt dort rein von
der logistischen Sichtweise her sicherlich größere Pro-
bleme als in vielen Staaten des Westbalkans . Aber ich
kann Ihnen hier nicht umfassend sagen, was die einzel-
nen Gründe waren, zumal die Abschiebungen durch die
Bundesländer durchgeführt werden .
Das finde ich jetzt erstaunlich, weil Sie ja als Staatsse-
kretär dem Bundesminister de Maizière zugeordnet sind,
der sich dazu extra letzte Woche in einem Pressestate-
ment ausgelassen hat . Auf welcher Grundlage bezüglich
der Abschiebungs- und Rückführungspraxis gegenüber
Afghanistan und der Menschenrechtssituation, wo er von
innerstaatlichen Fluchtalternativen sprach, hat er sich
denn da eingelassen? Können Sie bitte einmal sagen,
was die Grundlagen waren und welche innerstaatlichen
Fluchtalternativen der Minister in seinem Statement ge-
meint hat? Das Auswärtige Amt war ja dazu offensicht-
lich nicht in der Lage .
Bitte schön .
D
Das Erstaunen kann ich Ihnen nicht nehmen . Sie dür-
fen so viel staunen, wie Sie mögen, Herr Abgeordneter .
Ich habe auf die Frage geantwortet, warum denn in der
Vergangenheit Afghanistan nicht unter den Top 6 der
Länder auftauchte . Das mag vielfältige Gründe haben .
Der Minister hat sich dazu geäußert – und das teile ich
natürlich –, dass wir auch bei Afghanistan die Zahlen
der Abschiebungen und hoffentlich auch der freiwilligen
Rückreisen deutlich vergrößern müssen, weil auch aus
diesem Lande immer mehr zu uns kommen und wir eine
Schutzquote von unter 50 Prozent haben . Die asylverfah-
rensrechtlichen Regeln bilden die rechtliche Grundlage,
hier zurückführen zu können . Nun ist die Frage, ob es
Gegengründe gibt, die das ausschließen . Das ist eben
regional – das haben wir bereits diskutiert; das können
wir gleich zu anderen Fragen weiter tun – unterschiedlich
zu bewerten . Es gibt – die Staatsministerin hat es eben
aufgelistet – Regionen, die als vergleichbar sicher gelten,
bei denen wir aufgrund einer Prognoseentscheidung dazu
kommen, dass hier Rückführungen stattfinden können.
Vielen Dank, Herr Kollege Beck . – Die Kollegin
Haßelmann hat jetzt die Gelegenheit zu einer Nachfrage .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Die Antworten las-
sen im Hinblick auf das Statement von Herrn de Maizière
erstaunte Gesichter und offene Fragen zurück . Ich will
Ihnen noch einmal die Gelegenheit zur Erwiderung ge-
ben, weil die Staatsministerin in ihrer Antwort auf Sie
verwiesen hat .
In meiner Frage ging es um Personen, die in irgend-
einer Art und Weise für die deutsche Bundeswehr in Af-
ghanistan tätig waren, ob als Dolmetscher, Fahrer, Köche
oder wie auch immer, und die besondere Gefährdungsla-
ge, der sie ausgesetzt sind . Das ist bekannt . Immer wie-
der wird bei uns in den Sonntagszeitungen, wie auch am
letzten Wochenende, sehr eindrücklich geschildert, wie
problematisch und wie schwierig die Klärung des Auf-
enthaltsstatus für diese betroffene Personengruppe und
damit die Anerkennung ist, die eigentlich eine Selbstver-
ständlichkeit ist . Ich möchte gerne wissen, was Sie von-
seiten des Innenministeriums tun, damit sich das ändert .
Bitte schön .
D
Mein Kenntnisstand ist ein anderer . Es gibt ein ein-
geübtes Verfahren, das im Auswärtigen Amt einen
Schwerpunkt hat . Diejenigen, die sich gefährdet fühlen,
können sich bei unseren Auslandsvertretungen melden .
Sie können auch den Wunsch äußern, ein Visum zu be-
kommen, was nicht direkt zur Ausreise der Betroffenen
führen muss . Es gibt auch manche, die wollen die Mög-
lichkeit haben, das Visum zu bekommen, wollen davon
aber nicht gleich Gebrauch machen . Es gibt wiederum
andere, denen es genügt, in Kontakt mit deutschen Stel-
len zu sein, um zu sehen, ob die Gefährdungslage wächst
oder ob sie wirklich gefährdet sind . Wir haben bereits
eine Reihe von Visa erteilt . Eine Reihe dieser Kräfte sind
bereits nach Deutschland gekommen . Es gibt dort ein
Verfahren unter Federführung des Auswärtigen Amtes
und in Abstimmung mit den entsprechenden Behörden
unseres Geschäftsbereichs, sodass diejenigen, bei denen
wir die Gefährdung so einschätzen, dass sie aufgrund der
früheren oder aktuellen Tätigkeit bei deutschen Stellen
gefährdet sind, die Möglichkeit haben, nach Deutschland
zu kommen, und zwar legal und nicht über einen illega-
len Einreiseweg, wie bei den Fällen, über die wir gerade
gesprochen haben .
Vielen Dank .Die Fragen 29 und 30 der Abgeordneten Ulla Jelpkewerden schriftlich beantwortet .Volker Beck
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(C)
(D)
Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten OmidNouripour auf:Wie erklärt die Bundesregierung die Absicht, Afghanen ab-zuschieben, obwohl vor kurzem viele deutsche Mitarbeiter derDeutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit
GmbH aus Afghanistan aus Sicherheitsgründen abgezo-
Bitte schön, Herr Staatssekretär .D
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Sehr geehrte Damen
und Herren! Herr Kollege Nouripour, die Sicherheitslage
in Afghanistan weist – das haben wir eben erörtert – deut-
liche regionale Unterschiede auf . Regionen mit aktiven
Kampfhandlungen wie beispielsweise in Kunduz stehen
andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller
Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist . Genannt
worden sind beispielsweise Kabul, Bamiyan und Ma-
sar-i-Sharif . Dabei können keine pauschalen Aussagen
für einzelne Landesteile getroffen werden, sondern die
Gefährdung muss im Hinblick auf den spezifischen Fall
und die Lage beurteilt werden .
Sowohl die Bundesregierung als auch die afghanische
Regierung weisen die Aussagen, die getätigt worden
sind, auch von Mitgliedern der afghanischen Regierung,
zurück . Es gab einen einzigen Minister, der an die Bun-
desregierung die Bitte äußerte, man solle etwas großzü-
giger sein . Das ist inzwischen in Afghanistan korrigiert
worden . Insofern sind wir mit der afghanischen Regie-
rung einig, dass es im Land sichere Bereiche gibt, in die
Rückführungen möglich sind .
Herr Kollege Nouripour .
Danke, Frau Präsidentin . – Herzlichen Dank, Herr
Staatssekretär, für Ihre Antwort . Sie haben gerade drei
Regionen genannt, von denen Sie sagen, dass die Sicher-
heitslage dort anders sei . Sie haben zum Beispiel Ma-
sar-i-Sharif, die Hauptstadt der Provinz Balkh, genannt .
Können Sie uns, wenn Sie sagen, es ist anders, ein einzi-
ges Projekt benennen, an dem in dieser Woche eine deut-
sche Entwicklungshilfeorganisation mit deutschem Per-
sonal vor Ort arbeitet und nicht mit Fernbedienung aus
dem Feldlager? Ist es nicht etwa so, dass kein Mensch
mehr hinausgeht wegen der Sicherheitslage, auch in
Balkh?
Bitte .
D
Ich habe keine präsenten Kenntnisse über einzelne Pro-
jekte . Ich bin mir darüber im Klaren, dass beispielsweise
nach dem Anschlag in Kunduz Entwicklungshelfer aus
der Region abgezogen worden sind . Viele haben das
Land allerdings nicht verlassen, sondern sind in anderen
Regionen Afghanistans . Das heißt, sie sind offenbar an
Orten, an denen ihr Verbleib von deutschen NGOs und
auch von deutschen staatlichen Stellen als vernünftig und
sinnvoll erachtet wird . Es sind also nicht alle Entwick-
lungshelfer außer Landes gebracht worden . Insofern ist
die Lage auch innerhalb der einzelnen Regionen unter-
schiedlich zu bewerten .
Im Übrigen darf ich darauf hinweisen: Natürlich mag
es Sicherheitslagen geben, in denen ein Europäer stärker
gefährdet ist als ein Einheimischer, weil er vielleicht in
besonderer Weise Ziel von Entführungshandlungen oder
bestimmten Straftaten sein kann . So, wie man bei den-
jenigen, die aus Afghanistan zu uns kommen, vielleicht
in einzelnen Fällen persönlich differenzieren muss – ich
habe eben darauf hingewiesen –, so muss man auch zwi-
schen Einheimischen und Ausländern differenzieren,
was den Gefährdungsgrad anbelangt .
Herr Nouripour .
Herzlichen Dank . – Ich wüsste im Übrigen kein ein-
ziges Projekt . Ich glaube, dass die Leute dort nicht mehr
herausgehen . Man kann sich auch die Zahlen anschau-
en: In der Hochzeit, vor wenigen Jahren, waren über
2 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der damaligen
GTZ in Afghanistan; heute sind dort knapp 60 Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter der GIZ . Das hat einen Grund .
Der Grund ist, dass die Sicherheitslage schlecht ist .
Ich würde gerne eine zweite Frage stellen . Der Minis-
ter hat in einem Interview in der Welt vom 28 . Oktober
nicht nur in einer Art und Weise über die Sicherheitslage
in Afghanistan geredet, die man nicht verstehen kann,
wenn man weiß, dass er mal Verteidigungsminister war
und sich mit dem Land beschäftigt hat, sondern er hat
auch noch einen anderen Satz gesagt . Er lautet:
Afghanistan steht im laufenden Monat und auch im
Verlauf des ganzen Jahres inzwischen auf Platz zwei
der Liste der Herkunftsländer . Das ist inakzeptabel .
Er begründet seine Auffassung damit, dass viele Ent-
wicklungshilfemittel dorthin geflossen seien. Da könne
man erwarten, dass die Afghanen in ihrem Land bleiben .
Wenn ich das nicht als einen Ausbruch von Zynismus
bei einem panischen, getriebenen und überforderten Bun-
desinnenminister verstehen soll, dann bitte ich Sie, mir
zu erklären, ob die Höhe der Entwicklungshilfemittel, die
geflossen sind, im Hinblick auf die Frage, ob Leute hier
bleiben dürfen oder nicht, maßgeblich sein soll . Meines
Wissens zahlt Deutschland weiterhin Entwicklungshilfe
an China . Müssen jetzt alle Chinesen die Bundesrepublik
Deutschland verlassen?
Herr Krings .Vizepräsidentin Ulla Schmidt
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(C)
(D)
D
Danke schön . – Ich weise sowohl die böswilligen
Apostrophierungen als auch die damit verbundenen
böswilligen Unterstellungen hinsichtlich der Äußerun-
gen des Ministers zurück . Im Übrigen gibt es nicht nur
in China, sondern auch in vielen anderen Ländern Men-
schen, die aufgrund verschiedener Tatbestände des Auf-
enthaltsrechtes bei uns sind .
Wir sehen, dass wir in Afghanistan viel geleistet ha-
ben . Ich gehe davon aus – es gibt Anhaltspunkte dafür –,
dass das in manchen Regionen zu einer Verbesserung der
Sicherheitslage geführt hat .
Das, was wir geleistet haben – nicht nur Deutschland,
sondern die gesamte westliche Staatengemeinschaft –,
hat dazu geführt, dass die Lage in Teilbereichen besser
geworden ist . Sie ist heute vielleicht schlechter als vor
ein paar Jahren; aber sie ist jedenfalls deutlich besser, als
sie es vor Beginn des Engagements der deutschen Ent-
wicklungshilfe war .
Wenn ein Minister darauf hinweist, dass mit deut-
schen Steuergeldern dort etwas Sinnvolles gemacht
worden ist, finde ich das richtig und gut. Es ist aber kein
hinreichendes Argument für Rückführungen . Nicht das
Geld an sich, aber das, was damit erreicht worden ist, ist
ein Argument dafür, dass die Lage besser ist, als sie oft
dargestellt wird . Aus dem Grunde ist der Hinweis richtig .
Im Übrigen nehmen wir Prüfungen der einzelnen Fälle
vor . Wir haben in diesem Bereich eine Schutzquote von
unter 50 Prozent . Nur bei den Personen, die den Schutz
nicht bekommen, geht es um Rückführungen, nicht bei
denjenigen, die in der Tat einen Asylgrund oder Flucht-
grund haben .
Vielen Dank . – Kollege Beck hat jetzt eine Zusatzfra-
ge . Bitte schön .
Sie haben gerade richtig gesagt, dass es bei der Frage,
ob man ehemals für uns tätiges Personal aufnimmt, auf
den jeweiligen Einzelfall ankommt, nicht auf die Her-
kunft, auf den Ort, an dem sich jemand aufgehalten hat .
Das scheint mir grundsätzlich richtig zu sein, weil sich
die Situation insgesamt landesweit so darstellt, dass man
nicht sagen kann, dass es irgendwo einen sicheren Hafen
gibt . Aber wie verträgt sich das mit der Behauptung Ihres
Ministers, dass es in Afghanistan solche sicheren Häfen
gebe, es also innerstaatliche Fluchtalternativen gebe, die
man den afghanischen Flüchtlingen im Asylverfahren
entgegenhalten könne? Wo gibt es diese innerstaatlichen
Fluchtalternativen? Bitte nennen Sie Ort und Provinz,
also die Postanschrift, damit die Leute wissen, wohin sie
gehen können .
D
Vielen Dank . – Ich weiß nicht, ob solche zynischen
Bemerkungen für die Debatte hilfreich sind; aber das
müssen Sie entscheiden, Herr Kollege Beck .
Ich glaube, man muss zwei Stufen der Prüfung unter-
scheiden – Sie versuchen, das zu vermischen –: Zunächst
einmal werden Asylanträge in Deutschland nach einem
rechtsstaatlichen Verfahren geprüft . Ich glaube, da sind
wir uns einig . Das führt dazu, dass es eine Reihe von
Antragstellern aus Afghanistan gibt, die hier Asyl oder
einen Flüchtlingsstatus bekommen . Sie bleiben natürlich
hier . Das ist sozusagen der Sinn des ganzen Verfahrens .
Wenn sie den Status nicht bekommen, stellt sich in der
zweiten Stufe die Frage: Gibt es in dem Lande, aus dem
sie kommen, Alternativen in anderen Regionen, in die sie
sicher zurückgeführt werden können . Ich habe Ihnen die-
se Regionen eben aufgezählt . Das brauche ich nicht noch
einmal zu machen . Ich glaube, Ihr Erinnerungsvermögen
geht über das Kurzzeitgedächtnis hinaus, sodass Sie sich
noch an die Regionen erinnern . Es waren Beispiele für
Regionen, in die eine Rückführung möglich ist . Das be-
zieht sich aber nur auf diejenigen, bei denen kein Asyl-
grund festgestellt wird .
Vielen Dank . – Jetzt hat der Kollege Wunderlich noch
eine Zusatzfrage . Bitte schön .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Die Frage, die ich
jetzt stelle, haben Sie provoziert . Sie haben gesagt: Man
muss die Gefährdung in Bezug auf NGOs, möglicher-
weise aus Deutschland stammende NGOs, differenziert
betrachten, da in manchen Gebieten die Gefährdung für
einen NGO-Mitarbeiter vielleicht größer ist als für einen
Landsmann aus Afghanistan . Jetzt frage ich Sie allen
Ernstes: Differenzieren Sie nach der Gefährdung, wenn
Sie zurückführen? Wenn das so ist, dann muss ich Sie
fragen: Ab welcher Wahrscheinlichkeit muss ein Afgha-
ne, der sich hier in Deutschland aufhält, damit rechnen,
dass er zurückgeführt wird? Ab einer 50-prozentigen Tö-
tungs-, Inhaftierungs- oder Folterwahrscheinlichkeit, ab
30 Prozent oder ab 70 Prozent? Welche Zahlen schweben
Ihnen denn da so vor?
D
Auf solche zynischen Unterstellungen gehe ich garnicht ein . Ihr Vorwurf ist absurd . Ich habe vorhin daraufhingewiesen – ich muss offenbar etwas langsamer spre-chen, damit es alle verstehen –, dass es unterschiedlicheRegionen im Land gibt, dass die Gefährdungssituationauch davon abhängt, woher jemand stammt, und dassgerade Europäer Ziel von Angriffen und Entführungensind . Das ist so . Das kann man einigen Fällen entneh-men . – Vielen Dank .
Metadaten/Kopzeile:
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(C)
(D)
Der Kollege Grund hat noch eine Zwischenfrage .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Liegen dem Innen-
ministerium Angaben, vielleicht auch Zahlen über in-
ternational tätige Schlepperorganisationen vor, die von
Afghanistan ausgehend über den Iran und die Türkei
Schlepperrouten bis nach Deutschland gezogen haben?
Gibt es Zahlen, die belegen, dass mit dem Schlepper-
wesen mehr Geld zu verdienen ist als mit Rauschgift-
schmuggel?
Herr Staatssekretär .
D
Mir liegen hierzu keine konkreten Zahlen vor . Aber
in der Tat: Es gibt solche Schlepperorganisationen . Sie
sind allerdings nicht nur in Afghanistan, sondern in der
gesamten Region tätig .
Danke schön . – Die Frage 32 der Abgeordneten Heike
Hänsel wird schriftlich beantwortet .
Ich rufe Frage 33 des Abgeordneten Hans-Christian
Ströbele auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Auffassung des
Bundesministers des Innern, Dr . Thomas de Maizière, Flücht-
linge aus Afghanistan sollten vermehrt abgeschoben werden,
angesichts dessen, dass Deutschland sich seit 13 Jahren am
Krieg im Land beteiligt und dass die Regierung dort keines-
wegs – wie behauptet – mit der Abschiebung einverstanden
ist, sondern der Minister für Flüchtlingsangelegenheiten,
Alimi Balki, die deutsche Regierung ausdrücklich gebeten
hat, keine afghanischen Asylbewerber abzuschieben, son-
Ansichten des Ministers, weil das Land so viel Entwick-
lungshilfe erhalten habe, erwarte man, dass die Flüchtlinge
im Handstreich und der steigenden Zahl von Toten und Ver-
wundeten im ganzen Land sowie dem Erstarken des „Isla-
Bei der Frage geht es um den gleichen Themenkom-
plex . – Bitte schön .
D
Es ist nicht nur eine Frage zum gleichen Themenkom-
plex, sie gleicht in der Essenz der Frage 31 des Kollegen
Nouripour . Deshalb wird sich die Antwort auch sehr ähn-
lich anhören .
Ich wiederhole: Die Sicherheitslage in Afghanistan
weist deutliche regionale Unterschiede auf . Das Prob-
lem des Landes ist: Es ist sehr groß und heterogen, auch
von seinen ethnischen Strukturen her, was es schwierig
macht, eine dauerhafte Zentralregierung zu etablieren .
Das zeitigt auch der Unterschied hinsichtlich der Sicher-
heitslage in den Regionen . Regionen mit aktiven Kampf-
handlungen – Kunduz wurde mehrfach genannt – stehen
anderen gegenüber, die trotz punktueller Sicherheitsvor-
fälle – die es auch dort gibt –, vergleichsweise stabil sind .
Ich habe eben die drei Regionen aufgezählt; das spare
ich mir nun . Dabei können – ich betone es noch einmal –
keine pauschalen Aussagen über einzelne Landesteile ge-
troffen werden . Vielmehr muss die Gefährdung jeweils
im Hinblick auf den spezifischen Fall und die Lage be-
urteilt werden .
Herr Kollege Ströbele, haben Sie eine Zusatzfrage?
Danke . – Sie haben recht: Die Frage hätte ich mir sel-
ber beantworten können . Ich habe gefragt, ob die Bun-
desregierung die Ansicht des Innenministers teilt, dass
Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgeführt werden kön-
nen, weil Deutschland so viel Entwicklungshilfe geleistet
hat . Dass jetzt ausgerechnet jemand vom Innenministeri-
um über seinen Chef sagen soll, ob die Bundesregierung
diese Auffassung teilt, finde ich schon etwas seltsam; das
hätte ich vielleicht besser beantworten können . Aber das
ist jetzt eine Bemerkung, die sich aufdrängt .
Meine Frage lautet: Hat die Bundesregierung ange-
sichts der Tatsache, dass wir in Afghanistan, in Kunduz,
seit 13 Jahren Krieg führen, nicht eine besondere Verant-
wortung, dafür zu sorgen, dass Menschen, die gerade aus
der Gegend um Kunduz kommen, hier in Deutschland
bleiben können, weil sie nach 13 Jahren Krieg in Afgha-
nistan offenbar nicht sicher sind?
Bitte schön .
D
Zunächst einmal teilt die Bundesregierung die Auf-fassung des Innenministers, dass Rückführungen nachAfghanistan möglich sind – nicht in jede Region, nichtin jedem Einzelfall, aber sie sind möglich . Dann hat nie-mand eine Kausalität aufgemacht,
auch der Innenminister nicht, nach der, nur weil es Ent-wicklungshilfe gibt, Rückführungen möglich sind . Viel-mehr hat die Entwicklungshilfe dazu geführt – so ist dasoffensichtlich gemeint –, dass sich die Lage in einigenRegionen verbessert hat, und aus dem Grund ist eineRückführung möglich . Man muss schon ein wenig mit-denken . Verstehendes Lesen ist immer besser als ein tum-bes Lesen . Das zum ersten Teil Ihrer Frage .Der zweite Teil Ihrer Frage bezog sich auf den Krieg .Sie haben gesagt, dass die Bundesrepublik an kriegeri-
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 132 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 4 . November 201512858
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(D)
schen oder ähnlichen Handlungen beteiligt ist, in einerRegion auch an der Befreiung von den Taliban . Dasstimmt . Dazu, dass Personal, das – ich sage das einmal et-was weit gefasst – für Deutschland gearbeitet hat, gefähr-det ist, habe ich eben schon etwas gesagt: Es gibt Wegeund Möglichkeiten, diese Menschen nach Deutschlandzu bringen . Aber es gibt – wenn Sie das insinuiert habensollten – keine allgemeine völkerrechtliche „Ingerenz-pflicht“, aufgrund der Teilnahme an kämpferischen, krie-gerischen Handlungen die gesamte Bevölkerung diesesLandes aufzunehmen . Das sieht das Völkerrecht nichtvor . Es gibt gar keinen Grund, eine so pauschale Aussagezu machen .
Herr Kollege Ströbele .
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, dass,
weil Entwicklungshilfe gegeben worden ist, vielleicht
sogar viel Entwicklungshilfe – unabhängig von ihrer Ef-
fektivität in Bezug auf die Sicherheit –, Menschen, die
sich in Afghanistan bedroht sehen, schon aus Dankbar-
keit gegenüber Deutschland dort bleiben müssen, dass
sie nicht nach Deutschland kommen dürfen?
D
Das hat niemand gesagt, auch ich nicht .
Herr Nouripour .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Herr Staatssekretär,
ich will kurz vorlesen, was in der Welt vom 28 . Okto-
ber 2015 steht; Sie müssen wohl sagen, dass Die Welt
etwas völlig Falsches geschrieben hat . Dort steht:
. . . sagte der Minister . Es sei viel Entwicklungshilfe
dorthin geflossen. „Da kann man erwarten, dass die
Afghanen in ihrem Land bleiben .“
Das ist exakt das, was der Kollege Ströbele gerade be-
schrieben hat .
Bitte schön .
D
Ich habe es gerade schon einmal dargelegt . Gemeint
ist damit, dass nicht nur Geld geflossen ist, sondern mit
dem Geld auch etwas angefangen worden ist und das
Geld etwas bewirkt hat . Aus dem Grund gibt es Regio-
nen in Afghanistan, wohin zurückgeführt werden kann .
Das ist offensichtlich damit gemeint . Das habe ich hier
öfters erklärt . Ich erkläre das hiermit jetzt noch einmal
und hoffe, dass es damit klargestellt ist .
Ich sehe keine weiteren Zusatzfragen .
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Ströbele auf:
Wird die Bundesregierung den Beschluss des Europäischen
Parlaments vom 29 . Oktober 2015 mit der Aufforderung an
alle EU-Mitgliedstaaten, Edward Snowden als Whistleblower
und Verteidiger internationaler Menschenrechte Schutz zu
gewähren, umsetzen, und wann wird dem Beschluss entspre-
chend die Bundesregierung Edward Snowden in Deutschland
Schutz vor jeder Auslieferung oder Verschleppung garantie-
ren, auch um ihm zu ermöglichen, vor dem Untersuchungsaus-
schuss des Deutschen Bundestages Zeugnis abzulegen und die
Aktivitäten der Geheimdienste in der Europäischen Union und
den USA aufzuzeigen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär .
D
Vielen Dank . – Die Bewertung der Bundesregierung
hierzu hat sich nicht geändert .
Herr Kollege Ströbele, eine Zusatzfrage? – Bitte .
Hat die Bundesregierung den Beschluss, den das Eu-
ropäische Parlament mit Mehrheit gefasst hat, zur Kennt-
nis genommen, mit dem das Europäische Parlament von
allen Mitgliedern der Europäischen Union verlangt, dass
sie Edward Snowden Schutz gewähren und ihm die Mög-
lichkeit geben, auszureisen, zum Beispiel nach Deutsch-
land? Hat die Bundesregierung den Beschluss zur Kennt-
nis genommen? Nimmt sie den Beschluss ernst, und folgt
sie dieser Aufforderung der Mehrheit des Europäischen
Parlaments, oder ist sie ihr egal?
Bitte schön .
D
Vielen Dank . – Die Bundesregierung hat diesen Be-
schluss nicht nur zur Kenntnis genommen; die Bundesre-
gierung hat die Aufnahmemöglichkeiten auch umfassend
geprüft . Zum Ergebnis der Prüfung wird auf den Bericht
der Bundesregierung zur Ausschussdrucksache 58 des
1 . Untersuchungsausschusses der 18 . Wahlperiode vom
2 . Mai 2014, Ausschussdrucksache 104, verwiesen . Ehe
Sie jetzt einwenden: „Das war vor dem Beschluss“, sage
ich: Das stimmt; aber der Beschluss umfasst keine neuen
Tatsachen oder sonstigen Erkenntnisse . Das Dokument
des Europäischen Parlaments ist wichtig, hat aber keiner-
lei rechtliche Wirkungen .
Herr Kollege Ströbele .Parl. Staatssekretär Dr. Günter Krings
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Folgt die Bundesregierung nur Beschlüssen, die dasEuropäische Parlament mit Mehrheit fasst, wenn darinrechtliche Verpflichtungen ausgesprochen werden, odernimmt die Bundesregierung dieses immerhin höchste eu-ropäische demokratische Organ so ernst, dass sie auchdiesen Beschluss ernst nimmt und ihm folgt oder zumin-dest erneut prüft, ob sie ihm folgen kann? Oder ist ihr dasvöllig egal?D
Die Bundesregierung nimmt Stellungnahmen euro-
päischer Organe nicht nur zur Kenntnis, sondern immer
ernst . Das führt aber in diesem Fall zu keiner neuen Be-
wertung .
Die Kollegin Haßelmann hat jetzt darum gebeten, eine
Zusatzfrage zu stellen .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Herr Staatssekretär,
mich irritiert, dass Sie bei einer so weitgehenden Frage
ohne weitere Prüfung und ohne Berücksichtigung neu-
er Aspekte in der Lage sind, Ihr Urteil, das Sie bereits
vor dem Beschluss des Europäischen Parlamentes zum
Schutz des Whistleblowers Snowden getroffen haben,
hier weiterhin als Auffassung der gesamten Bundesre-
gierung vorzutragen . Haben Sie sich im Kabinett mit
dieser Frage, die ja für den 1 . Parlamentarischen Unter-
suchungsausschuss und für die Beweisanträge, die dort
gestellt wurden, wichtig ist, und auch mit den neueren
Entwicklungen und Enthüllungen in Bezug auf die NSA
und den BND, zum Beispiel mit den Veröffentlichungen
über Zugriffe auf Daten, befasst? Haben Sie innerhalb
der Bundesregierung die Absicht, im Kabinett eine Ab-
stimmung darüber herbeizuführen?
Herr Staatssekretär .
D
Erstens . Soweit Sie das schnelle Handeln oder Bewer-
ten der Bundesregierung irritiert, darf ich sagen, dass Sie
die Bundesregierung niemals unterschätzen sollten, auch
in dieser Hinsicht nicht .
Zweitens . Solche Antworten in parlamentarischen
Fragestunden werden zwischen den Ressorts abge-
stimmt . Sie stellen also keine alleinige Auffassung mei-
nes Hauses dar .
Drittens . Soweit Sie auf mögliche Kabinettsbefassun-
gen abheben, muss ich sagen: Da ist mir nichts bekannt .
Im Übrigen bezieht sich dies auf künftiges Regierungs-
handeln, über das ich per se keine Auskunft geben könn-
te .
Danke schön . – Jetzt hat die Kollegin Renner noch
eine Zusatzfrage .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Eine Rückfrage: Sie
sagen, alle anhängigen Fragen zur Prüfung eines mög-
lichen Aufenthaltstitels für Edward Snowden seien von
der Bundesregierung schon beantwortet . Dann können
Sie mir sicherlich sagen, wie die juristische Frage nach
einem möglichen Auslieferungsschutz, weil Edward
Snowden in den USA politische Strafverfolgung drohen
könnte, durch die Bundesregierung beantwortet wird .
D
Ich bitte um Verständnis, Frau Kollegin, dass ich jetzt
nicht in allen Einzelheiten das wiedergeben kann, was
auch in dieser von mir zitierten Ausschussdrucksache
steht .
Im Übrigen darf ich allgemein sagen, dass wir, da es
sich bei den USA um einen Rechtsstaat handelt, nicht
von politischer Strafjustiz ausgehen, sondern davon,
dass die USA ihre Strafgesetze zur Anwendung bringen
wollen . Das ist per se kein Hindernis für eine mögliche
Auslieferung .
Vielen Dank . – Es gibt keine weiteren Zusatzfragen .Die Fragen 35 und 36 des Abgeordneten Kai Gehringund die Fragen 37 und 38 des Abgeordneten AndrejHunko werden schriftlich beantwortet .Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs . Ichbedanke mich bei Ihnen für die Beantwortung der Fra-gen .Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-teriums der Justiz und für Verbraucherschutz .Ich rufe als Erstes die Frage 39 der Kollegin MartinaRenner auf:Hat der Generalbundesanwalt zu den am 21 . Oktober 2015durchgeführten Durchsuchungen von mehreren Wohnungenin Bamberg und Nürnberg im Zusammenhang mit Ermittlun-gen gegen führende Mitglieder der neonazistischen Partei DieRechte und anderen extrem rechten Gruppierungen, bei denenWaffen und illegal nach Deutschland eingeführte Sprengmit-tel sichergestellt wurden, um nach Angaben der zuständigenStaatsanwaltschaft offenbar Anschläge auf eine Flüchtlingsun-
nahme der Ermittlungen angelegt, und, wenn ja, mit welchemErgebnis?Bitte schön, Herr Staatssekretär Christian Lange, derfür die Beantwortung der Fragen zur Verfügung steht .
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C
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Frau Kollegin
Renner, ich beantworte Ihre Frage 39 wie folgt: Das we-
gen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Verei-
nigung geführte Ermittlungsverfahren der Staatsanwalt-
schaft Bamberg gegen eine in Bamberg und Umgebung
agierende rechtsextremistische Personenvereinigung
ist dem Generalbundesanwalt nach Vorlage der Akten
gemäß Nummer 204 Absatz 2 der Richtlinien für das
Strafverfahren und das Bußgeldverfahren seit Anfang
Juli 2015 bekannt . Der Generalbundesanwalt hat in die-
sem Zusammenhang einen Prüfvorgang angelegt . Die
Generalstaatsanwaltschaft Bamberg und die ermittlungs-
führende Kriminalpolizeiinspektion Oberfranken haben
das zuständige Referat des Generalbundesanwalts seither
fortlaufend über die weiteren Ermittlungen und deren
Ergebnisse, insbesondere während der laufenden Exeku-
tivmaßnahmen am 21 . Oktober 2015, informiert . Diese
enge Zusammenarbeit mit den Landesjustiz- und Lan-
despolizeibehörden gewährleistet, dass der Generalbun-
desanwalt auch beim weiteren Fortgang des Verfahrens
seine Zuständigkeit kontinuierlich anhand des aktuellen
Ermittlungsstandes prüfen kann .
Frau Kollegin Renner .
Derzeit
erwägt der Generalbundesanwalt nicht die Übernahme
der Ermittlungen .
Ich würde gerne eine Nachfrage stellen . Ich hatte mich
schon im Juli dieses Jahres mit einer schriftlichen Frage
an Sie gewandt und gefragt, inwieweit der Generalbun-
desanwalt in Fällen von Brandanschlägen auf bewohnte,
aber auch unbewohnte Flüchtlingsunterkünfte tätig wird .
In der Antwort wurde damals ausgeführt, dass das bis-
her in keinem Anschlagsfall so war, dass aber seit August
dieses Jahres eine neue Rechtslage vorliegt, die es dem
Generalbundesanwalt erleichtert, solche Fälle an sich zu
ziehen .
Hier geht es ja auch um die Anschlagsvorbereitung,
zum Beispiel beim Anschlag auf das sogenannte Bal-
kan-Zentrum, also auf eine Flüchtlingsunterkunft, in
der Migrantinnen und Migranten untergebracht waren .
Inwieweit wird denn die neue Rechtslage ab 1 . August
dieses Jahres in die Überlegungen der Generalbundesan-
waltschaft einbezogen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte schön .
C
Das waren zwei Fragen an mich . Die erste Frage, Frau
Kollegin Renner, ist identisch mit Ihrer zweiten schriftli-
chen Frage, die Sie gestellt haben, nämlich mit der Fra-
ge 40 . Frau Präsidentin, ich würde sie gerne beantworten,
allerdings dann gleich, indem ich die Frage 40 beantworte .
Ich rufe die Frage 40 noch auf . Aber dann können Sie
ja noch einmal das Gleiche sagen .
C
Genau .
Bitte schön .
C
Ich möchte die Frage 40, die zugleich gerade Ihre
erste Frage war, wie folgt beantworten: Aus dem bisher
mitgeteilten Sachverhalt – einschließlich der Ergebnisse
der Exekutivmaßnahmen vom 21 . Oktober 2015 – lässt
sich noch kein Anfangsverdacht für von der Gruppierung
geplante oder vorbereitete terroristische Katalogtaten im
Sinne von § 120 Absatz 1 Nummer 6 des Gerichtsverfas-
sungsgesetzes in Verbindung mit § 129 a Absatz 1 und
Absatz 2 des Strafgesetzbuches entnehmen .
Namentlich ein ausländerfeindlich motivierter Ein-
satz der sichergestellten pyrotechnischen Sprengmittel
gegen Asylbewerber- und Flüchtlingsunterkünfte für ein
Brandstiftungs- oder Sprengstoffverbrechen und/oder
gegen Menschen, um diese zu töten oder schwer zu ver-
letzen, lässt sich derzeit nicht mit der für eine Verfahrens-
übernahme erforderlichen Wahrscheinlichkeit belegen .
Das gilt auch für mutmaßlich geplante Anschläge auf
sogenannte linke Projekte, auf die Sie abgestellt haben .
Insofern bleiben die weiteren Ermittlungen abzuwar-
ten, auch im Hinblick auf solche Umstände, anhand derer
die verfahrensgegenständliche Gruppierung möglicher-
weise als kriminelle Vereinigung von besonderer Bedeu-
tung im Sinne des § 120 Absatz 2 Nummer 1, § 74 a Ab-
satz 1 Nummer 4 GVG in Verbindung mit § 129 Absatz 1
des Strafgesetzbuches angesehen werden kann . – Das ist
die Antwort auf Ihre Frage 40 und auf Ihre erste Nach-
frage .
Zu Ihrer zweiten Nachfrage kann ich sagen, dass der
Generalbundesanwalt selbstverständlich die aktuelle
Rechtslage beachtet und entsprechend handelt .
Frau Kollegin Renner, Sie können jetzt noch eine Zu-
satzfrage stellen .
Herr Staatssekretär, wir können jetzt gerne darüberdiskutieren, ob die Planung eines Sprengstoffanschlagsunter Einbeziehung des Umstands, dass dort Menschenlebten, nicht auch den Tatbestand des versuchten Tot-schlags oder der Vorbereitung dazu entspricht . Aber mirgeht es jetzt um eine andere Sache .Es geht bei der Prüfung durch den Generalbundesan-walt ja auch darum, ob er die besondere Bedeutung desFalles ausgiebig gewürdigt hat . Ich glaube, in einer Phase
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tatsächlich pogromartiger, rassistischer Mobilisierung in-klusive ungezählter – mittlerweile Dutzender – Brandan-schläge auf Unterkünfte ist auch die Frage zu stellen, obes wegen der besonderen Bedeutung dieser Situation –die auch ein staatsgefährdendes Element in sich trägt,weil dadurch die Menschenwürdegarantie für hier leben-de Schutzsuchende grundsätzlich infrage gestellt wird –nicht angezeigt ist, dass es einer Übernahme durch denGeneralbundesanwalt bedarf .
Herr Staatssekretär .
C
Frau Kollegin, Sie wissen, dass die Beurteilung, ob
ein Anfangsverdacht vorliegt, wenn es um in die Zu-
ständigkeit der Bundesjustiz fallende Straftaten geht, der
Bundesjustiz und damit dem Generalbundesanwalt ob-
liegt und nicht der Bundesregierung .
Danke . – Ich rufe dann die Frage 40 auf:
Sofern der Generalbundesanwalt nicht beabsichtigt, die Er-
mittlungen zu übernehmen, welche Gründe liegen hierfür vor?
Frau Kollegin Renner, wenn Sie damit einverstanden
sind, dass der Staatssekretär Ihre Frage schon beantwor-
tet hat, dann dürfen Sie hierzu zwei Zusatzfragen stel-
len . – Sie haben keine mehr .
Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs ange-
langt . Ich bedanke mich beim Parlamentarischen Staats-
sekretär für die Beantwortung .
Ich komme damit zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Arbeit und Soziales . Die Frage 41 der
Kollegin Beate Walter-Rosenheimer wird schriftlich be-
antwortet .
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Ernährung und Landwirtschaft . Die Frage 42
des Kollegen Harald Ebner und die Frage 43 des Kolle-
gen Harald Ebner werden schriftlich beantwortet .
Damit sind wir am Ende der Fragestunde .
Ich unterbreche die Sitzung bis 15 .35 Uhr und freue
mich, Sie dann alle gesund und munter hier wiederzuse-
hen . – Danke schön .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene
Sitzung wird fortgeführt .
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Haltung der Bundesregierung zu neuen Er-
kenntnissen zur VW-Abgasaffäre
Das Wort hat Oliver Krischer, Bündnis 90/Die Grü-
nen .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich glaube, man muss erst noch einmal klarstellen, wo-rum es bei dem Autoabgasskandal eigentlich geht . Esgeht nur vordergründig um Software-Abschaltvorrich-tungen, RDE, Aktienkurse oder was auch immer . Dereigentliche Punkt ist, dass in Deutschland jedes Jahr7 000 Menschen an den Folgen von Verkehrsemissionensterben und Zehntausende krank werden .Deshalb haben wir Grenzwerte eingeführt, zum Bei-spiel für die gesundheitsgefährdenden Stickoxide . Ichsage hier ganz deutlich: Jeder in der Automobilindustrieund in der Politik, der das Thema schönredet und der Au-toindustrie dabei hilft – legal oder illegal –, diese Wertezu manipulieren, der macht sich mitschuldig an Krank-heit und Tod von Menschen, und ich glaube, das gehörtauch in diese Debatte hinein .
Vertreter der Automobilindustrie, der Bundesregie-rung und auch des Kraftfahrt-Bundesamtes haben in denAnhörungen, die wir in dieser Woche durchgeführt ha-ben, erzählt, es sei doch allen bekannt gewesen, dass dieGrenzwerte selbstverständlich nicht eingehalten werden,sie seien ja auch nur dazu da, damit sich die Automarkenuntereinander vergleichen können . Ich sage: Das ist ver-kommen . Es ist verkommen, dass eine Industrie und diePolitik Grenzwerte nicht ernst nehmen und so tun, als obman sie nicht einhalten müsste .Ich frage Sie: Was würden wir machen, wenn so etwasim Lebensmittelbereich passieren würde, wenn man ei-nen Fett- oder einen Alkoholgehalt von 5 Prozent drauf-schreiben würde, während das Doppelte drin ist? Wirwürden die Produkte sofort vom Markt nehmen . Aberbei der Autoindustrie tun wir das nicht . Dort wird dasnonchalant hingenommen . Mit diesen Praktiken mussendlich Schluss sein .
Ich glaube, inzwischen ist klar – das sollte der heutigeTag endgültig gezeigt haben –, dass es nicht nur um ein-zelne kriminelle Machenschaften und darum geht, dassnur einzelne Mitarbeiter von VW irgendwas gemachthaben, sondern dass es um systematischen Betrug geht .Es geht um Betrug am Verbraucher und um Greenwa-shing, und das können wir nicht länger hinnehmen . DieseStrukturen müssen verändert werden . Wir in Deutschlandkönnen es nicht länger akzeptieren, dass unsere Leitin-dustrie in einer solch unverantwortlichen Art und Weiseverfährt .
Martina Renner
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 132 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 4 . November 201512862
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(D)
Meine Damen und Herren, wenn man sich die Ent-hüllungen der EPA von vorgestern und von VW selbervon heute anguckt, dann fragt man sich: Warum werdendiese Manipulationen in den USA und nicht in Deutsch-land entdeckt?
Warum deckt keine einzige deutsche Behörde irgendet-was auf? Ich kann Ihnen sagen, warum nicht – das istvom Präsidenten des Kraftfahrt-Bundesamtes am Mon-tag sehr deutlich erläutert worden –: Sie können das garnicht aufdecken . Wir haben in Deutschland keine Struk-turen und keine Kontrollen, durch die irgendetwas auf-gedeckt wird .Wenn es die EPA nicht gegeben hätte, dann wüsstenwir bis heute noch nicht, dass es diesen Abgasskandalgibt . Wir würden es nie erfahren . Es muss hier mit al-ler Deutlichkeit gesagt werden: Das ist ein Versagen derBundesregierung; das ist ein Versagen von AlexanderDobrindt .
Dieser Skandal ist inzwischen sechs Wochen alt,und man fragt sich ja: Was hat der zuständige Ministerin diesen sechs Wochen eigentlich gemacht? Man kanndas recherchieren . Wir haben entsprechende Fragen ge-stellt . Diese Frage kann man mit einem Wort beantwor-ten: Nichts! Rein gar nichts! Der Aufklärungsbeitrag vonAlexander Dobrindt in dieser Abgasaffäre ist gleich null .
Und die Kommentierung der heutigen Enthüllungendurch Herrn Dobrindt war, er sei irritiert . Ja, sapperlot:Der Verkehrsminister ist irritiert . – Der Verkehrsministerhat die Aufgabe, aufzuklären und dafür zu sorgen, dasssich etwas ändert . Und da gibt es überhaupt nichts, meineDamen und Herren .
Der größte Witz ist: Er hat eine Kommission einberu-fen, eine Kommission, die aufklären soll . Wir haben etli-che Male nachgefragt . Wir wissen noch nicht einmal, werMitglied dieser Kommission ist . Wir wissen nicht, wasder Auftrag dieser Kommission ist, geschweige denn,dass es irgendwelche Ergebnisse gibt . So wird deutlich:Diese Kommission und die Behörden, denen der Ver-kehrsminister vorsteht, sind ein organisiertes Staatsver-sagen; das muss an dieser Stelle ganz deutlich gesagtwerden .
Was wir auch nicht haben, sind irgendwelche Vorschlä-ge, wie sich strukturiert etwas ändern soll, wie wir dennmit Blick auf die Stickoxide weiterkommen sollen undwie in Zukunft solche Skandale vermieden werden sol-len . All das haben wir nicht . Sechs Wochen nach Beginndes Skandals ist hier gar nichts . Meine Damen und Her-ren, ich sage in aller Deutlichkeit: Alexander Dobrindt istnicht Teil der Lösung, er ist Teil des Problems .
Sie kommen jetzt bitte zu Ihrem letzten Satz, Herr
Kollege Krischer, einem allerletzten kurzen Satz .
Mein letzter Satz wird sein: Wir brauchen in Zukunft
eine Automobilindustrie, die die umweltfreundlichste der
Welt sein müsste, und eine Bundesregierung, die verant-
wortungsvoll handeln würde . Sie würde dann die Struk-
turen dafür schaffen, diese Industrie vor sich selber zu
schützen, würde kontrollieren, würde ihre Verantwortung
wahrnehmen . Das tut sie aber nicht . Deshalb versagt sie .
Ich danke Ihnen .
Für die Bundesregierung spricht jetzt der Bundesmi-nister Alexander Dobrindt .
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehrund digitale Infrastruktur:Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Verehrter Herr Krischer, Sie haben in Ih-rer Aufzählung der Freundlichkeiten vergessen, dass wirgerade in der letzten Woche als Ergebnis der Diskussionder vergangenen Monate eine Entscheidung in Brüsselgetroffen haben – einer Diskussion, die die Bundesregie-rung aktiv begleitet hat . Es geht darum, den Schritt vondem Test auf der Rolle hin zum Test auf der Straße zugehen,
damit wir uns mithilfe des RDE-Verfahrens, also desTests auf der Straße, dem realen Fahrverhalten der Auto-fahrer schneller annähern .Es ist gelungen, hierüber in Europa eine Einigung zuerreichen, sodass die Entscheidung getroffen wurde, jetztdas RDE-Verfahren endlich umzusetzen . Das ist eineDebatte, die wir lange Zeit geführt haben und die durchuns wieder ganz oben auf die Tagesordnung gekommenist .
Oliver Krischer
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 132 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 4 . November 2015 12863
(C)
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Ich selber habe diese Debatte in Brüssel beantragt, diejetzt zu einer Entscheidung geführt hat . Wir freuen uns,dass wir diese Entscheidung erreicht haben .
Ich habe gestern mit Vertretern des Volkswagen-Vor-stands und des Aufsichtsrates eine Diskussion gehabt,
die einen Termin bei mir hatten .
Sie haben uns in der Tat „mal wieder“ darüber in Kennt-nis gesetzt,
dass die angegebenen Werte von 800 000 Fahrzeugenvon Volkswagen bei Verbrauch und den CO2-Emissionennicht den realen Werten entsprechen .
Wir haben daraufhin sofort die Mitglieder der Unter-suchungskommission für heute zu einer Sondersitzungmit Vertretern von Volkswagen zusammengerufen,
um weitere und nähere Informationen über die Situationzu erhalten und um über erste Maßnahmen zu sprechen .
Heute ist uns mitgeteilt worden, dass 98 000 Benzinfahr-zeuge betroffen sind und dass beim Test der CO2-Emis-sionen und des Verbrauches seitens VW offensichtlichMaßnahmen ergriffen worden sind, um die Verbrauchs-werte nach unten zu verfälschen . Das ist von der Innen-revision von Volkswagen erkannt worden .
Dieses Ergebnis hat übrigens auch damit zu tun, dasswir zusammen mit Volkswagen in enger Abstimmung mitder Untersuchungskommission sind und Wert darauf le-gen, dass alle Maßnahmen, die möglicherweise zu einerVerfälschung von Emissionswerten geführt haben, dezi-diert nachgeprüft und untersucht werden . Dies ist einesder Ergebnisse . Dennoch – um auch das klar zu sagen –:Sowohl das Vorgehen, das zu diesen Ergebnissen geführthat, als auch die Ergebnisse selbst sind inakzeptabel .
Deswegen ist Volkswagen klar in der Verantwortungund in der Pflicht,
den Schaden, der daraus gerade auch für die Kundenentstanden ist, zu beheben . Auch hier gilt wieder: Wennman Vertrauen zurückgewinnen will, dann muss man alsAllererstes dafür sorgen, dass der Schaden behoben wirdund nicht die Kunden auf dem Problem sitzen bleiben .
Wir haben das heute genau so gegenüber Volkswagenformuliert .Wir haben heute Entscheidungen getroffen, die Volks-wagen bereits mündlich mitgeteilt wurden; schriftlichwird dies noch geschehen . Es müssen neue Prüfwerte fürdie betroffenen Fahrzeuge erstellt werden . Diese Prüf-werte werden als Anordnung des KBA an Volkswagenergehen bzw . werden unter Aufsicht des KBA erstelltwerden .Wir haben heute weiter angeordnet, dass die laufen-de Serie der aktuellen VW-Pkw nachgeprüft wird . Auchdas ist ein Teil der Aufarbeitung, dass man sich dezidiertweiter anschaut, ob es an anderer Stelle Probleme gebenkann .Wir haben Volkswagen heute in unserer Untersu-chungskommission aufgefordert, ein Kundenbera-tungszentrum einzurichten, das die Kundeninteressengegenüber Volkswagen vollumfänglich wahrnimmt .Volkswagen hat zugesagt, dieses Kundenbetreuungszen-trum umgehend einzurichten .Warum ist dies von großer Bedeutung? Bei den800 000 betroffenen Fahrzeugen, bei denen offensicht-lich andere CO2-Werte real zu erwarten sind, als dies bis-her angegeben ist, kommt es zu Auswirkungen auf dieKfz-Steuer . Das bedeutet, dass, falls die Werte nach obenkorrigiert werden müssen – wovon auszugehen ist –,eine andere Kfz-Steuer fällig wäre . Das gilt auch rück-wirkend . Deswegen sind wir schon in Abstimmung mitdem Finanzministerium und arbeiten an einer Gesetzge-bung, die dafür sorgt, dass nicht der Kunde durch dieseMehrkosten bei der Kfz-Steuer belastet wird, sondern derVolkswagen-Konzern . Auch da steht Volkswagen in derVerantwortung, meine Damen und Herren .
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 132 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 4 . November 201512864
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(D)
Sie sehen, dass wir auch an dieser Stelle entschlossenhandeln und dafür sorgen, dass zum einen die Aufarbei-tung des Falles stattfindet und dass zum anderen die Pro-blemlagen erörtert und auch schon im Vorfeld bereinigtwerden, soweit sie die Kunden betreffen .
Ich habe schon bei unserer letzten Debatte darauf hin-gewiesen, dass wir im Nachgang der NOX-Diskussionbezüglich VW Nachprüfungen angeordnet haben, diedurch das KBA aktuell durchgeführt werden . Die Fahr-zeuge werden sowohl auf der Rolle als auch auf der Stra-ße und auch in Crosstests geprüft . Bei diesen Prüfungenwerden auch die CO2-Werte gemessen .Ich habe darauf hingewiesen, dass es, wenn dieseFahrzeuge, sowohl inländische auch als ausländische, diesich im deutschen Markt befinden, geprüft sind, ein Ge-samtergebnis geben wird . Dieses Gesamtergebnis wirdveröffentlicht werden . In diesem Gesamtergebnis werdenauch die entsprechenden CO2-Werte ausgewiesen sein .Wir haben den Rückruf der infragestehenden Diesel-fahrzeuge angeordnet, was die NOX-Thematik angeht,und wir sind damit übrigens deutlich weiter, als es unsereamerikanischen Kollegen sind .
Ich habe mit den amerikanischen Kollegen Kontakt auf-genommen . In Amerika ist man heute bei der Abarbei-tung der NOX-Thematik noch nicht annähernd bei einemRückruf angekommen . Weder hat man einen Fahrplan zurtechnischen Aufarbeitung, noch hat man die dezidiertentechnischen Lösungen . Es ist auch ein Teil unserer Aufar-beitungskultur, dass wir sehr schnell an den Lösungen ar-beiten und den Rückruf schon zum 1 . Januar 2016 – mitden technischen Lösungen – angeordnet haben .
Meine Damen und Herren, es gilt, jetzt auch auf Basisdieser Informationen nicht nur am Thema RDE zu arbei-ten, wie ich zu Beginn im Zusammenhang mit unserenEntscheidungen auch in der letzten Woche erklärt habe,sondern wir wollen auch ein einheitliches internationa-les Testverfahren erreichen, den sogenannten WLTP . Ichgehe davon aus, dass auch die Entscheidungen hierüberin wenigen Monaten fallen können . Wir haben großesInteresse daran, dass es diesen internationalen Standardgibt . Vergleichbarkeit schaffen wir nur durch internatio-nale Standards bei den Abgasmessungen . Das kann durchein WLTP-Verfahren entsprechend gewährleistet werden .
Herr Minister .
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:
Auch mögliche irreguläre Einflussnahmen bei den
Testverfahren können damit reduziert werden .
Herr Minister, ich darf Sie an Ihre Redezeit erinnern .
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:
Danke schön . – Das, was wir hier zurzeit in der Frage
der CO2-Messungen erleben, kann darauf zurückzufüh-
ren sein, -
Herr Minister .
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:
– dass man während der Testverfahren Manipulationen
beispielsweise am Öl- oder am Reifendruck vorgenom-
men hat . Dies wollen wir auch für die Zukunft mit unse-
ren internationalen Standards ausschließen und dafür sor-
gen, dass Manipulationen in dieser Art und Weise nicht
vorkommen . Wenn sie vorkommen, wie geschehen, dann
werden sie von uns nicht geduldet, sondern geahndet und
im Sinne der Kunden reguliert .
Danke schön .
Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin
Sabine Leidig das Wort .
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben gesagt: „Sie se-hen, dass wir entschlossen handeln .“ Ich muss sagen: Wirkönnen eigentlich gar nichts sehen . Sie haben nicht ver-öffentlicht, wer der Untersuchungskommission angehört .In der Fragestunde in der letzten Sitzungswoche konnteich Ihnen sozusagen entlocken, dass der Vorsitzende die-Bundesminister Alexander Dobrindt
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ser Untersuchungskommission Staatssekretär Odenwaldist . Derselbe Herr Odenwald ist seit 2010 im Verkehrsmi-nisterium zentral für Verkehrspolitik verantwortlich .
– Nicht als Staatssekretär, sondern als Abteilungsleiterder Grundsatzabteilung .Seit 2007 redet die Deutsche Umwelthilfe öffentlichund auch gegenüber dem Ministerium sehr dezidiertdavon, dass die Werte bei den Abgasen, die die Auto-mobile in die Luft blasen, von den Grenzwerten abwei-chen . Wir haben vom ADAC schon lange nachweislichListen darüber bekommen, wie die Automobilindustriesystematisch dafür sorgt, dass auf dem Prüfstand, unterPrüfbedingungen, die Werte niedrig sind . Das geht vonabgeklebten Rückspiegeln bis zu einer Prüfachse undsonst irgendwas . Die Höchstgeschwindigkeit wird auf130 km/h festgelegt .Es gibt also jede Menge Hinweise darauf, dass und wiemanipuliert wird . Sie hätten das viel früher in Erfahrungbringen können, wenn Sie nicht nur 72-mal in Ihrem Mi-nisterium mit Spitzenvertretern der Automobilindustriegesprochen hätten, wie wir mit einer Kleinen Anfrageherausgefunden haben, sondern auch mit der DeutschenUmwelthilfe, dem ADAC und anderen Experten, die seitJahren genau diese Sachverhalte öffentlich thematisie-ren . Sie haben nichts dergleichen gemacht . Nun sagenSie, Sie hätten sich von VW über den Sachverhalt infor-mieren lassen. Das finde ich ärmlich, und es entsprichtgenau dem Bild, das Sie immer wieder abgeben .
Sie bestätigen damit im Grunde, dass Sie mit der Auto-lobby unter einer Decke stecken und die Interessen derBürgerinnen und Bürger, gesundheitliche Aspekte sowieden Klimaschutz in diesem Land hintanstellen .
Ich will noch ein bisschen ausführen, wie Sie, Ihr Mi-nisterium und auch Ihr Vorgänger – Herr Ramsauer hatkeineswegs eine andere Linie verfolgt – sehr systema-tisch der Automobilindustrie den Betrug bzw . – wie dasso freundlich formuliert wird – die Schummelei ermög-licht haben . In der Anhörung am vergangenen Montaghat Herr Ziegler vom Kraftfahrt-Bundesamt gesagt: Ja,wir haben Hinweise darauf gehabt . Aber wir dürfen garkeine anderen Kontrollen durchführen und müssen fürdie gleichen Prüfbedingungen sorgen wie bei den Zu-lassungsverfahren . – Auf meine Frage, was er seit 2011,als ihm das eklatant aufgefallen ist, getan hat, um seineMöglichkeiten zu erweitern, herrschte großes Schwei-gen im Walde . Wenn aber ich als Gesetzgeber und alsPrüfbehörde weiß, dass die Mittel, die mir zur Verfügungstehen, um zu prüfen, nicht ausreichen, um Betrug undAbweichungen von gesetzlichen Regelungen aufzude-cken, dann muss ich doch dafür sorgen, dass sich meineMittel verändern bzw . dass ich bessere Mittel in die Handbekomme .
Das haben Sie nicht getan . Stattdessen unternehmen Sieauch jetzt wieder alles, um für die Automobilindustrieein Schonpaket zu schnüren . Sie haben dafür gesorgt,dass auf europäischer Ebene verabredet wurde, dass dieGrenzwerte auch in Zukunft um das Doppelte überschrit-ten werden dürfen . Der Faktor zwei beim Einhalten derGrenzwerte bedeutet: Die dürfen doppelt so viel rausbla-sen, wie für Gesundheit und Umwelt verträglich ist . Dashalte ich für absolut unverantwortlich .
Noch eine Kleinigkeit, die zeigt, wie wenig IhrenWorten zu glauben ist . Sie haben gerade gesagt, dass dieKunden auf keinen Fall auf dem Schaden sitzen bleibensollen; auch das hätten Sie mit VW verabredet . StephanHarbarth, Ihr Kollege von der Union und Obmann imRechts- und Verbraucherausschuss des Bundestages, istzugleich im Vorstand einer Anwaltskanzlei tätig, die nunvon VW mit der Vertretung ihrer Interessen beauftragtwurde . Just hat die Union am heutigen Tag zum drittenMal dafür gesorgt, dass das Thema „VW-Abgasaffäreund Verbraucherschutz“ von der Tagesordnung gekicktwird . Unterstützung der Verbraucherinnen- und Verbrau-cherinteressen sieht anders aus .
Danke schön, Frau Kollegin Leidig .
Wir werden mit Sicherheit noch öfter über dieses The-
ma reden . Die Grünen und wir haben kluge Anträge ge-
stellt .
Frau Kollegin Leidig!
Ihnen wird nicht erspart bleiben, sich weiterhin mit
uns in dieser Frage auseinanderzusetzen .
Ich mache noch einmal alle darauf aufmerksam, dassnach unserer Geschäftsordnung in einer Aktuellen Stun-de die Redezeit von fünf Minuten nicht überschrittenwerden darf . Ich bitte alle, die nun noch reden werden,darauf zu achten, dass das letzte Wort fällt, wenn sich dieUhr der Null nähert .Sabine Leidig
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Der Kollege Arno Klare von der SPD-Fraktion darfuns nun zeigen, wie das geht . – Bitte schön .
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt ange-
sichts dessen, was hier geschieht, zwei große Aufgaben-
felder . Erstens gibt es ein technisch-instrumentelles Auf-
gabenfeld, bei dem sich die Frage stellt: Wie stellen wir
sicher, dass die Prüfwerte, die bei der Typenzulassung
ermittelt werden, die realen Emissionen und Verbräuche
wiedergeben? Das ist ein ganz entscheidender Punkt; da-
rauf wurde schon mehrfach hingewiesen .
Zweitens gibt es ein perspektivisch-konzeptionelles
und in die Zukunft weisendes Aufgabenfeld, bei dem
sich die Frage stellt: Was müssen wir jetzt tun, dass der
noch schmale Dekarbonisierungsweg, den wir beschrit-
ten haben, zum achtstreifigen Highway wird? Das ist ein
weiterer entscheidender Punkt .
– Das habe ich gar nicht gesagt . Aber wir reden gerade
über Autos . Wir brauchen, glaube ich, ein Fünf-Punk-
te-Programm . Das, was ich jetzt aufzeige, ist so eine Art
Roadmap .
Erstens . Wir müssen bei den Testverfahren sicherstel-
len, dass diese aussagekräftig sind, aber dass sie eben
auch die Verbraucher insofern zufriedenstellen, dass die
Werte nicht wieder variieren . Reliabilität nennt man so
etwas . Das ist ein Fachbegriff, den ich erläutern muss .
Es geht darum, dass man RDE nicht zum Allheilmittel
erklären darf; denn RDE muss standardisiert sein, damit
es reproduzierbare Ergebnisse gibt . Alles, was reprodu-
zierbar ist, kann aber eventuell von einer Software als
Testzyklus erkannt werden . Ich will nicht den Wettlauf
erleben, den es im Sport schon gegeben hat, Stichwort
„WADA“ . Ich möchte vielmehr Tests haben, die so va-
lide sind, dass wir nachher wirklich vernünftige Ergeb-
nisse haben . Das heißt, wir brauchen Tests auf der Rolle,
und RDE, standardisiert, damit das vergleichbar wird .
Zweiter Punkt . Es ist sehr wichtig, dass die Motor-
steuerungssoftware eine Open-Source-Software ist . Es
kann nicht sein, dass da jeder machen kann, was er will .
Vielmehr muss der Quellcode offengelegt werden, damit
dort keine Trojaner sitzen, die irgendetwas herunterre-
geln . Das ist die Bedingung dafür, dass der erste Punkt
überhaupt gelingt .
Dritter Punkt. Wir müssen das KBA offiziell manda-
tieren, in stichprobenartigen Nachprüfungen das Ganze
zu überprüfen . Das muss gesetzlich festgelegt sein und
auch strafbewehrt sein und mit Sanktionen versehen wer-
den für den Fall, dass die Werte dem nicht entsprechen .
Vierter Punkt . Wir müssen – das ist etwas ganz Sim-
ples, denke ich – die Abgasuntersuchungen aufwerten,
die wir klassischerweise durchführen . Darüber haben wir
vor kurzem mit Vertretern einiger technischer Untersu-
chungseinrichtungen gesprochen . Die haben uns gesagt:
Allein diese Onboard-Diagnosegeräte auszulesen, reicht
nicht . Man sollte schon wie früher – ich kenne das noch;
ich bin älteren Datums – am Endrohr messen .
Ich bin relativ sicher, dass analog in diesem Fall digital
schlägt . Manchmal muss man auf die alten Dinge zurück-
greifen .
Der fünfte Punkt ist der perspektivische Punkt, ein
ganz wichtiger Punkt . Herr Rimkus und ich, wir reden
uns in dieser Sache den Mund fusselig; weil wir immer
wieder dasselbe sagen müssen . Ich hatte eigentlich von
den Grünen erwartet, dass sie so etwas sagen; ich hoffe
aber, dass Herr Kühn das noch sagen wird, der ein we-
nig pragmatischer an die Sache herangeht als der Redner
vorher .
Wir brauchen eine Low-Carbon-Route, die wir ausschil-
dern müssen . Dazu gehören – bitte zuhören – Incentives
wie eine Sonder-AfA, damit die Flotten hochgefahren
werden . Wir brauchen so etwas wie Tilgungszuschüsse
über KfW-Mittel, damit deutlich wird, dass die priva-
ten Kunden diese Fahrzeuge kaufen können . Das ist ein
ganz wichtiger Schritt . Wir brauchen Ladeinfrastruktur-
systeme, die wir hochfahren müssen; denn sonst werden
wir die Elektromobilität nicht auf die Straße verlagern
können . Wir brauchen aber auch – ein ganz wichtiger
Punkt – die Verlängerung der Steuerbefreiung von Erd-
und Autogas, um diese Brückentechnologie, die wesent-
lich sinnvoller ist als das, was wir im Moment haben, erst
einmal auf der Straße zu halten und um Kaufentschei-
dungen zu beeinflussen, die derzeit anstehen.
Das ist eine Fünf-Punkte-Roadmap, von der ich ei-
gentlich erwartet hatte, dass sie von den Grünen kommt .
Ich bin sehr dankbar, dass ich das jetzt vortragen konnte .
Herr Kühn kann mir da nur noch zustimmen .
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit .
Als nächstem Redner erteile ich dem AbgeordnetenOliver Wittke, CDU/CSU-Fraktion, das Wort .
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Herr Kollege Krischer, Sie haben gerade ein eindrucks-volles Zeugnis dafür abgelegt, dass es Ihnen und IhrerFraktion nicht um Aufklärung geht, sondern ausschließ-lich um politischen Klamauk und um das Kochen vonpolitischen Süppchen . Wenn man schon eine AktuelleStunde zu diesem Thema beantragt, dann muss man dochwenigstens die aktuellen Entwicklungen von diesem Po-dium aus würdigen . Das haben Sie nicht getan .
Stattdessen haben Sie hier wieder Ihre Philippika gegendie deutsche Automobilindustrie gehalten .
Es war gut, Herr Krischer, dass Minister Dobrindt hierklargestellt hat,
dass es am 28 . Oktober im Europäischen Rat eine Ver-schärfung von Normen gegeben hat, die Sie offenbarnicht zur Kenntnis genommen haben .
Es ist gut – auch das muss hier erwähnt werden –, dass derneueste Skandal bei VW eben nicht durch Dritte öffent-lich gemacht wurde, sondern offenbar ein Sinneswandelim Konzern eingesetzt hat und das Unternehmen Gott seiDank endlich den Schritt nach vorne gemacht und selbstdie neuen Unregelmäßigkeiten veröffentlicht hat .
Das ist ein guter Weg, der eingeschlagen wurde . Ich hättemir gewünscht, dass Sie das heute hier würdigen . Dazuwaren Sie offenbar nicht in der Lage .
und schon einen zweiten Antrag eingebracht hat, der inTeilen mit dem ersten Antrag identisch ist . Hauptsache,Sie haben ein neues Event geschaffen, um hier wiederIhre Philippika gegen die Automobilindustrie starten zukönnen . Das ist unseriös, was Sie da machen . Das hatmit verantwortungsvoller Politik, Herr Kollege, nichts zutun .
Diesen Feldzug gegen das Automobil, Herr KollegeHofreiter, werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen . Indiesem Haus wird immer noch seriöse Politik gemacht;
hier wird nicht Klamauk betrieben, wie wir es heute vonIhrer Fraktion wieder erlebt haben .
Wahr ist aber auch: VW hat ein ernstes Problem . Imgroßen Stil und – ich traue mich, das heute zu sagen –auch mit krimineller Energie sind Abgaswerte gefälschtworden . Das ist kein Kavaliersdelikt . Darum ist es wich-tig, dass die veraltete Unternehmenskultur, die eine sol-che Verhaltensweise im VW-Konzern möglich gemachthat, überwunden wird . Was wir jetzt brauchen, ist eineumfassende Aufklärung, ist absolute Transparenz . Ichwill es noch einmal ausdrücklich sagen: Ich bin froh,dass der VW-Konzern mit den neuesten Vorkommnissenso offen und so transparent umgegangen ist, wie wir esgestern und heute erlebt haben .
Ich will auch der Bundesregierung und MinisterDobrindt ein herzliches Dankeschön sagen . Das Ministe-rium hat schnell, sachorientiert und umfassend auf diesenSkandal reagiert .
Im Übrigen, Herr Krischer, um auch das klar und deut-lich zu sagen: Es ist falsch, wenn Sie sagen, die amerika-nische Umweltbehörde hätte diesen Skandal aufgedeckt .Nein .
Ich zitiere aus dem Focus vom 21 . September:Die Abgas-Tricksereien bei Volkswagen kamen2014 durch einen Zufall ans Licht . Das ergabenRecherchen der WirtschaftsnachrichtenagenturBloomberg .
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Es war eben nicht die EPA, die diesen Skandal aufge-deckt hat, sondern eine kleine Non‑Profit‑Organisation,nämlich ICCT .
Darum ist es falsch, wenn Sie sagen: Die amerikanischenBehörden sind besser als die deutschen Behörden . –Auch die amerikanischen Behörden haben diesen Skan-dal nicht aufdecken können .
Ich sage aber auch ganz deutlich: Wir müssen darü-ber reden, wie wir die deutschen Behörden in die Lageversetzen, nicht nur auf Zufallsfunde zu reagieren, son-dern systematisch Abgaskontrollen durchzuführen, wiesichergestellt werden kann, dass Abgasnormen eingehal-ten werden und die Verbrauchsangaben darauf kontrol-liert werden, dass sie den Werten entsprechen, die denTypenzulassungen zugrunde gelegen haben . Es darf nichtlänger dem Zufall geschuldet sein, ob Schummeleienoder Tricksereien, ob Rechtsbruch ans Tageslicht kommtoder nicht . Da muss nachgearbeitet werden . Aber hier sozu tun, als hätten die Umweltbehörden in anderen Län-dern in der Vergangenheit einen besseren Job gemacht,das will ich mit aller Schärfe zurückweisen . Das ist nichtder Fall .Von daher haben wir in den nächsten Monaten nochviel Arbeit vor der Brust . Die ersten Grundlagen sindgelegt . Die Reihenfolge ist doch klar: Zuerst muss ana-lysiert werden . Dann muss bewertet werden, und dannmüssen Konsequenzen gezogen werden . Das ist seriösePolitik . Hier aber die Entscheidungen an den Anfang zustellen, hier großen Klamauk zu veranstalten, wie Sie,Herr Krischer, es heute wieder getan haben, das wird unsnicht weiterführen; das hilft nicht, die Probleme zu lösen .Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit .
Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten
Jutta Krellmann, Fraktion Die Linke, das Wort .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Ich persönlich bin schockiert, dass fast jedenTag ein neues Problem in Verbindung mit VW auftaucht .Bei den VW-Beschäftigten im ganzen Land geht mittler-weile die Angst um, und das nicht nur bei den Stamm-belegschaften, sondern auch bei den Leiharbeitnehmern,bei den Werkvertragsbeschäftigten, bei den Beschäftig-ten der Zulieferbetriebe . Ja, in ganzen Regionen geht dieAngst um .Als Abgeordnete aus Niedersachsen kenne ich persönlichviele Kolleginnen und Kollegen, die dort arbeiten . Bisvor kurzem sind sie noch ganz normal zur Arbeit gegan-gen . Jetzt sitzt ihnen die blanke Angst im Nacken . Jetztbeäugt jeder jeden kritisch: Wen wird es treffen? Werwird derjenige sein, der möglicherweise Konsequenzentragen muss? – Das Arbeitsklima – das können Sie sichvorstellen – ist unter aller Kanone . Das wurde durch dasFehlverhalten einzelner Topmanager verursacht, und dieLeidtragenden sind schon jetzt die Beschäftigten . IhreExistenzangst nehmen die Kolleginnen und Kollegen mitnach Hause . Jetzt brauchen die Beschäftigten und ihreFamilien klare Vorstellungen und deutliche Forderungen,was passieren soll, um die Arbeitsplätze zu erhalten .
Die notwendige Aufklärung und Aufarbeitung für Kun-den und Verbraucher müssen unter der Maßgabe desErhalts der Arbeitsplätze laufen . Das gehört verdammtnoch mal zur unternehmerischen Verantwortung, auchbei VW .
Das Parlament kann sich davor nicht drücken . Ausden Betrieben kommt mittlerweile eine ganze MengeZuarbeit . Die VW-Betriebsräte und die zuständige Ge-werkschaft IG Metall liefern dazu konkrete Konzepte,verständlich und klar formuliert . Betriebsräte und Ge-werkschaft übernehmen somit Verantwortung und han-deln nach vorn gerichtet . Es kann niemand ernsthaftglauben, dass es den gleichen Topmanagern, die die Kri-se verursacht und den Karren in den Dreck geschobenhaben, gelingt, das alles wieder in Ordnung zu bringen .
Die Krise ist nur mithilfe der Beschäftigten in den Griffzu kriegen und zu meistern . Deren betriebliches Know-how, deren Ideen und Konzepte müssen auf allen Ebenengenutzt werden . Betriebsräten kommt da eine Schlüssel-funktion zu . VW weiß das eigentlich auch . VW hat dasin der Vergangenheit immer wieder genutzt . Dass es dortmehr Mitbestimmung gibt als üblich, hat VW im Ergeb-nis nicht zum Nachteil gereicht, sondern war immer einVorteil für diesen Betrieb . Die Krise zeigt aber, dass auchdas leider nicht genügt . Wir brauchen mehr Mitbestim-mung an der Stelle .
Ich zitiere hierzu aus der gemeinsamen Erklärung derIG Metall und des VW-Konzernbetriebsrats:Deshalb stehen wir dafür, dieses Mitbestimmungs-modell nicht nur zu verteidigen, sondern es konse-quent weiterzuentwickeln .Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Aufgabe istes, diese Forderung aufzugreifen und umzusetzen . Jetztbin ich nicht nur bei VW, sondern bei der Mitbestimmungim ganzen Land . Mitbestimmung zeichnet sich nicht da-durch aus, dass Betriebsräte immer erst konsultiert oderhinzugezogen werden, wenn der Karren bereits im DreckOliver Wittke
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ist . Es geht darum, dass grundlegende Unternehmensent-scheidungen nicht mehr länger an den Beschäftigten undihren Betriebsräten vorbei getroffen werden . Sie brau-chen Mitbestimmungsrechte bei wirtschaftlichen Fragenund bei der Frage der strategischen Ausrichtung des Un-ternehmens .VW will zukünftig Beschäftigte, die Hinweise da-rauf geben, dass etwas schiefgelaufen ist, schützen . Icherwarte von der Bundesregierung einen gesetzlichenSchutz für Whistleblower, nicht nur bei VW, sondern inallen Betrieben, in allen Firmen .
Die Automobilindustrie – nicht nur VW – darf sich dankder Bundesregierung selber kontrollieren . Was ist dasdenn für ein Mist? Hier erwarte ich von der Bundesregie-rung klare gesetzliche Kontrollregelungen .Die Belegschaft und die Öffentlichkeit haben ein be-rechtigtes Interesse daran, dass der Skandal vollständigaufgedeckt wird . Die Linke steht dabei an der Seite derBeschäftigten .Vielen Dank .
Frau Abgeordnete, ich möchte Ihnen ein Lob ausspre-
chen, weil Sie die Zeit genau eingehalten haben. Ich fin-
de das super . Prima!
Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten
Dr . Birgit Malecha-Nissen, SPD-Fraktion, das Wort .
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es begann miteinem Paukenschlag im September dieses Jahres . DerVW-Konzern gab erstmals öffentlich zu, bei Abgastestsmanipuliert zu haben . Danach haben sich die Ereignisseüberschlagen . Insgesamt waren bisher etwa 11 MillionenDieselfahrzeuge von der Manipulation betroffen .Am vergangenen Montag wurde gemeldet, dass dieamerikanische Umweltbehörde EPA einen weiteren Ver-dacht auf Manipulation bei Fahrzeugen mit 3-Liter-Die-selmotoren hat . Volkswagen wies diese Vorwürfe zurückund erklärte, dass keine Software installiert worden sei,um die Abgaswerte in unzulässiger Weise zu manipulie-ren .Gestern Abend folgte der nächste Paukenschlag . DasUnternehmen selbst hat Unregelmäßigkeiten bei weite-ren 800 000 Fahrzeugen eingeräumt . Erstmals sind auchBenziner betroffen . Ging es bisher um Stickoxide, gehtes nun auch um CO2-Ausstoß und damit auch um denSpritverbrauch . Das einzig Gute an dieser Nachricht ist,dass der VW-Konzern mit dieser Meldung zeigt, dass ertatsächlich an einer Aufklärung interessiert ist .
Eine rasche, vollständige, vorbehaltlose und transparenteAufklärung ist dringend notwendig . Mit der Salamitaktikmuss Schluss sein . Das ist zurzeit das Allerwichtigste . Esmuss endlich Butter bei die Fische . Die Fakten müssenauf den Tisch .
Es steht tatsächlich viel auf dem Spiel . Die deutscheIndustrie steht seit Jahrzehnten für hohe Qualität, für Si-cherheit, für Spitzentechnologie, für Verbraucher- undauch für Umweltschutz . Diese Vorfälle sind nicht typischfür die gesamte Automobilindustrie und schon gar nichtfür die hart arbeitenden Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer in diesem Wirtschaftsbereich .
Deshalb gilt unsere besondere Sorge dem Produktions-standort Deutschland mit den vielen Zulieferbetrie-ben und seinen Mitarbeitern . Sie sind verunsichert undwissen nicht, wie es für sie weitergeht; sie bangen umihren Arbeitsplatz . Wichtig ist jetzt, die Affäre schnellaufzuklären, um das Vertrauen in das Unternehmen undseine Produkte wiederherzustellen . Dazu ist es wichtig,dass der Bericht der Untersuchungskommission, der imSeptember in Auftrag gegeben wurde, möglichst bald aufden Tisch kommt .Was ist zu tun? Als Verkehrspolitiker müssen wir na-türlich nach vorne schauen und die Rahmenbedingungendafür schaffen, dass derartige Manipulationen nicht mehrnotwendig sind . Mein Kollege Arno Klare hat dies inForm einer Roadmap schon grob vorstrukturiert . Es gehtdarum, dass wir die erforderlichen neuen Prüfverfahrenmöglichst schnell umsetzen und jetzt zur Tat schreiten .Das erste neue Testverfahren, das WLTP, das die welt-weit strengsten Prüfstandards aufweist, muss vor 2017eingeführt werden . Dieses Verfahren wird das alte euro-päische Messverfahren von 1996 ablösen .Lassen Sie mich nur einen Aspekt des alten Prüfver-fahrens erwähnen: Als Durchschnittstempo werden im-mer noch 34 Kilometer pro Stunde angenommen . Inso-fern kann man sich durchaus vorstellen, dass ein solchesVerfahren wahrhaftig nicht mehr der Realität entspricht .Was wird nun mit dem neuen Testverfahren bessergemacht? Es ist ein standardisiertes Verfahren, das welt-weit zur Anwendung kommt . Mein Kollege hat es bereitsgesagt: Wir müssen Standards schaffen, um Vergleicheziehen zu können . Es wird eine höhere Durchschnittsge-schwindigkeit angesetzt, und auch Sonderausstattungenwerden beim Verbrauch besser abgebildet . Leider wirdder Einsatz von Klimaanlagen hierbei nicht berück-sichtigt . Es besteht also immer noch eine große Lückezwischen den Verbrauchsangaben durch standardisierteVerfahren und dem tatsächlichen Verbrauch . Deswegenbrauchen wir dringend ein zweites Kontrollverfahren,das die Schadstoffemissionen im realen Fahrbetrieb aufJutta Krellmann
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der Straße abbildet . Auch in diesem Fall setzen wir unsfür eine schnelle Einführung des neuen Verfahrens aufEU-Ebene ein, das die realen Emissionen berücksichtigt .Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Verkehrspoliti-ker gestalten wir die Rahmenbedingungen . Wir müssenaber auf das rasante Tempo der technologischen Ent-wicklung ein Auge haben . Es ist unverständlich, dassman knapp 20 Jahre Stillstand bei den Prüfverfahren inKauf genommen hat . Dieser Umstand hat natürlich zuRaum für Manipulationen geführt .Lassen Sie mich zum Schluss ganz klar sagen: Be-wusste Manipulationen und Verstöße gegen Umweltau-flagen sind kein Kavaliersdelikt. Sie gefährden die Ge-sundheit der Menschen insbesondere in Ballungsräumenund insbesondere der Kinder, die sich aufgrund ihrerGröße auf Höhe der höchsten Emissionen bewegen .Sehr geehrte Damen und Herren, die beste fossileEnergie ist immer noch die, die nicht verbraucht wird .Deswegen lautet mein letzter Satz: Der Elektromobilitätgehört die Zukunft .Vielen herzlichen Dank .
Als nächstem Redner erteile ich dem AbgeordnetenStephan Kühn, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort .Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-nen und Kollegen! Lieber Kollege Oliver Wittke, auf IhreVorhaltungen möchte ich gerne mit Kurt Tucholsky ant-worten:In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutzhinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der denSchmutz macht .
So weit zu Ihnen .Meine Damen und Herren, vor anderthalb Wochenhieß es:Der VW-Konzern schließt eine mögliche Auswei-tung des Abgas-Skandals auf Teile seiner jüngerenDieselmotoren-Generation . . . aus .Jetzt wirft aber die amerikanische Umweltbehörde EPAdem Konzern auch bei 3-Liter-Dieselmotoren von aktu-ellen Modellen von VW, Porsche und Audi Manipulati-on vor, weil sie eine bis zu neunfache Abweichung derStickoxidwerte zwischen den Labortests und den Stra-ßentests festgestellt hat .Gestern hat VW zudem einräumen müssen, auch beiBenzinmotoren falsche Werte für den CO2-Ausstoß an-gegeben zu haben . Die behauptete CO2‑Reduktion findetoffensichtlich nur auf dem Papier statt .Wir lagen leider richtig mit unserer Einschätzung inder letzten Aktuellen Stunde, dass das nur die Spitze desEisbergs ist . Dass es nur einige wenige Manager waren,die am Betrug am Klima und an den Verbrauchern be-teiligt waren, ist ein Märchen . Das Ganze hatte bei VWoffensichtlich System .
Das wäre nicht möglich gewesen, hätte es in Teilender Politik nicht eine Kultur des Wegschauens gegeben .Bei der Typgenehmigung, wofür das Kraftfahrt-Bundes-amt in Deutschland zuständig ist, hat niemand die Mani-pulationen bei den CO2-Werten bemerkt . Wie auch? EineÜberprüfung der Fahrzeugsoftware ist im Typgenehmi-gungsverfahren nicht gefordert . Das KBA verstand unterNachprüfung nur die Prüfung der Unterlagen, die vonden Herstellern kamen, auf Vollständigkeit und Plausi-bilität . Überprüfungen von Typzulassungen in Form vonerweiterten Nachmessungen der Abgaswerte haben nichtstattgefunden . Das Kraftfahrt-Bundesamt hat nicht ein-mal die technischen Voraussetzungen dafür, selbst wennes das tun wollte .Das Kraftfahrt-Bundesamt ist vollständig auf techni-sche Dienstleister angewiesen . Diese wiederum werdenfür die Zulassung von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen di-rekt von der Automobilindustrie bezahlt . Auch das Kraft-fahrt-Bundesamt selbst wird für die Typgenehmigungenvon den Autoherstellern bezahlt . Eine Prüfbehörde, dieihren Namen wirklich verdient, muss wirtschaftsunab-hängig sein . Deshalb brauchen wir eine unabhängige eu-ropäische Typgenehmigungsbehörde .
Verkehrsminister Dobrindt hat das Kraftfahrt-Bundes-amt vor etwa vier Wochen mit Nachuntersuchungen be-auftragt . Nicht aber das KBA hat die neuen Auffälligkei-ten von Stickoxiden und CO2 aufgedeckt, sondern eineamerikanische Behörde . Wie auch beim BER-Skandalwurde eilig eine Taskforce unter Leitung von Staatsse-kretär Odenwald eingerichtet . Das Ergebnis der Task-force BER ist Ihnen allen hinlänglich bekannt . MeineDamen und Herren, was hier gemacht wird, ist Pseudo-aufklärung .
Wir wollen jetzt Zwischenergebnisse sehen . Vor allenDingen wollen wir wissen, welche Schlussfolgerungenfür die Verbesserung von behördlichen Kontrollen vonSchadstoffgrenzwerten in Deutschland gezogen werden .Dieser Skandal muss Konsequenzen haben . Hier mussder Minister endlich liefern .
Was wir brauchen, ist eine Kultur des Hinschauens .Ich bezweifle allerdings, dass diese Bundesregierung denWillen dazu hat . Die Bundesregierung hat nicht die stren-gen Werte für Abgastests unter realen Fahrbedingungen,RDE, unterstützt, die von der Bundesumweltministerinund der EU-Kommission vorgeschlagen wurden . In dennächsten fünf Jahren dürfen deshalb die Grenzwerte,die im Labor gemessen werden, auf der Straße um überDr. Birgit Malecha-Nissen
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100 Prozent überschritten werden . Wer sich darunternichts vorstellen kann, dem will ich das am Beispiel derRedezeit erläutern: Ich hätte dann nicht nur 5 Minuten,sondern 10 Minuten Redezeit und könnte intensiver aufdas Thema „Förderung von Elektromobilität“ eingehen .
Klar muss sein: Grenzwerte müssen nicht nur im La-bor, sondern vor allen Dingen auf der Straße eingehaltenwerden . Das darf nicht nur für neue Fahrzeuge gelten,sondern muss auch für die 44 Millionen bestehendenFahrzeuge gelten . Hier muss endlich gehandelt werden .Das vermisse ich bei dieser Bundesregierung . Verkehrs-minister Dobrindt will nicht handeln; er will alles so be-lassen, wie es bisher war . Eine Aufklärung, die diesenNamen auch verdient, ist nicht zu erkennen .Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-
ordneten Steffen Bilger, CDU/CSU-Fraktion .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ganz eindeutig: Die Betrügereien von VW sind absolutinakzeptabel . So etwas ist eine Schande für den Indus-trie- und Automobilstandort Deutschland, eine Schande,die nicht nur VW Probleme bereitet, sondern unserergesamten deutschen Industrie . Insofern sage auch ich:Wir müssen sehr deutlich einfordern, dass dieser Skandalvollumfänglich aufgearbeitet wird, damit sich so etwasnie mehr wiederholt und Verantwortung übernommenwird .Deutsche Unternehmen haben Gesetze einzuhalten .Das gilt ohne Wenn und Aber, ungeachtet technischeroder finanzieller Herausforderungen – oder was auch im-mer –, die die Verantwortlichen zu den Manipulationenbewogen haben könnten, und auch ungeachtet nationalerInteressen des jeweiligen Gesetzgebers, die vielleicht inden USA auch eine Rolle gespielt haben mögen .Nun diskutieren wir angesichts neuer Entwicklungenerneut über den VW-Skandal, und es entsteht ein biss-chen der Eindruck, dass Sie sich darüber freuen, meineDamen und Herren von den Grünen .
Das finde ich sehr bedauerlich; denn das Automobilhat eine so große Bedeutung für den IndustriestandortDeutschland
und vor allem – das wurde heute schon mehrfach ange-sprochen – für viele Arbeitsplätze, dass Häme und Scha-denfreude nun wirklich völlig unangemessen sind .
Schadenfreude ist das eine, das mich verwundert . Dasandere ist die neue und ungewohnte Begeisterung derOpposition für amerikanische Behörden und deren Gren-zwerte . Bei den Diskussionen mit Ihnen über TTIP hatteich bisher nicht den Eindruck, dass nach Ihrer Ansichtalle Grenzwerte in den USA besser sind als in Europa .
Sie haben eher den Eindruck vermittelt, als ob durchamerikanische Grenzwerte große Gefahren für den deut-schen Verbraucher entstünden. Ihren Sinneswandel findeich durchaus bemerkenswert, meine Damen und Herren .
Wir haben am Montag im Zusammenhang mit derAusschussanhörung und in den vergangenen Wochenschon vielfach über den VW-Skandal und seine Folgendiskutiert .
– Jetzt reicht es aber langsam, Herr Kollege . –
Sie versuchen ganz billig, daraus politisches Kapital zuschlagen . Betrügereien sind aber ein Fall für den Staats-anwalt und die zuständigen Behörden . Sie sollten nichtGrundlage des billigen Versuchs einer Schuldzuweisungin Richtung Bundesregierung sein . Zudem hat das Bun-desverkehrsministerium schnell reagiert . Der Ministerhat die Maßnahmen benannt . Er ist letzte Woche rich-tigerweise in die USA gereist, um Gespräche mit Politi-kern zu führen und um bei den Behörden um neues Ver-trauen zu werben .
Ich will nun aber den Blick in Richtung Zukunftwenden . Was ist zu tun, um das Vertrauen wiederherzu-stellen und die Anforderungen an durchaus komforta-ble, leistungsstarke, aber eben auch umweltfreundlicheAutos made in Germany zu erfüllen? Zunächst geht esganz klar um eine umfassende Aufklärung durch VW . ImSinne des Verbrauchers sollten Verbrauchs- und Emissi-onsmessungen transparenter und glaubwürdiger werden .Auch ich kann nur begrüßen, dass die Europäische Unionden Handlungsbedarf erkannt hat und mit deutscher Un-terstützung entsprechende Maßnahmen wie die Einfüh-rung eines Messverfahrens zur Emissionsprüfung unterStephan Kühn
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normalen Fahrbedingungen und die Festlegung neuerAnforderungen an die Umsetzung eines Verbots von Ab-schalteinrichtungen eingeleitet hat .Es muss aber auch um die weitere Reduzierung desKraftstoffverbrauchs und der Emissionen gehen . Dabeiist klar: Wir brauchen den sauberen Diesel noch lange;denn – auch das ist am Montag in der Anhörung deutlichgeworden – ohne Diesel werden wir die Klimaziele nichterreichen . Am besten wäre es natürlich, wenn Dieselmo-toren mit der Plug-in-Technologie ausgestattet würden;denn dann könnten Dieselfahrzeuge auf Innenstadtstre-cken rein elektrisch fahren . So könnte man das Beste auszwei Welten kombinieren: auf kurzen Wegen und in ver-dichteten Stadtlagen ohne Abgase, auf langen Streckenmit Diesel .Eines will ich noch ansprechen – das war so ein Ge-spenst, das vorgestern in der Anhörung im Verkehrsaus-schuss umherging –: Fahrverbote für Dieselfahrzeuge inInnenstädten . Ich will klar sagen, dass so etwas mit unsnicht zu machen ist . Das wäre eine kalte Enteignung . Daskönnen wir von der Union auf keinen Fall unterstützen .
Ich bin sehr froh, dass wir die Verlängerung des Steu-erprivilegs für den Bereich der Gasmobilität bereits aufden Weg gebracht haben . Wir haben die Fortsetzung desNationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- undBrennstoffzellentechnologie sichergestellt . Nicht zuletztgibt es viele Maßnahmen zur Förderung der Elektromo-bilität .In einer Krise kann man häufig auch eine Chance se-hen . VW und die anderen Automobilhersteller müssennoch viel stärker auf die Elektromobilität setzen . Dieersten Ankündigungen, die dazu in den vergangenenWochen von VW gemacht worden sind, empfinde ichals sehr positiv . Wir als Politik sollten diesen Weg weiterkonstruktiv begleiten . Es braucht gerade jetzt Signale,die belegen, dass Deutschland auch in der Zukunft aufehrlichem Wege umweltfreundliche Autos produzierenwird . Kollege Klare hat schon genannt, welche Signaledas sein könnten: Sonderabschreibung, KfW-Programmeund öffentliche Beschaffungsprogramme . Der politischeWille ist vorhanden, die Finanzierung steht noch aus .Wenn der VW-Skandal dabei hilft, sowohl bei uns alsauch bei den Herstellern die nötigen Entscheidungen zubeschleunigen, dann hat diese Misere doch noch etwasGutes . Ich freue mich über jeden, der uns auf diesem Wegunterstützt .
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-
ordneten Johann Saathoff, SPD-Fraktion .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vordrei Wochen waren sich alle Beteiligten in der Debattehier einig, dass die Situation hinsichtlich der Emissions-werte rückhaltlos aufgeklärt werden soll . Diese Aufklä-rung erfolgt nun . Aufklärung bedeutet aber auch, dassgründlich in allen Ecken nachgeschaut wird . Die neuenEnthüllungen sind Folge der bedingungslosen Aufklä-rung, also Folge eines Großreinemachens .Die neuen Enthüllungen machen deutlich: Es ist not-wendig, dass wir mindestens mithelfen, für VW neuePerspektiven zu entwickeln . Das sind wir den Menschenschuldig: schuldig den Menschen, die täglich bei VWam Band und im Werk ihre Arbeit tun und denen mankeinen Vorwurf machen kann . Ganz im Gegenteil: Siehaben dieses Werk und diese Marke mit ihrer Hände Ar-beit geschaffen . Besonders im Blick habe ich dabei dievielen Tausend Menschen, die über die Leiharbeitsfirmenin und um VW beschäftigt werden . Sie werden die nega-tiven Auswirkungen auf die Geschäftsergebnisse zuerstzu spüren bekommen . Wir dürfen diese Menschen, dieihre Arbeit stets tadellos getan haben, in dieser existenz-bedrohenden Situation nicht alleinlassen .
Die Entwicklung einer Perspektive sind wir auch denMenschen schuldig, die an den Werken bei den Zulie-ferern quer durch Deutschland und darüber hinaus ihreArbeit tun und sich nun Sorgen machen . Eine Perspek-tive sind wir auch den Menschen in den Standortkom-munen schuldig, deren finanzielle Grundlage derzeit ein-fach wegbricht, in einer für Kommunen ohnehin schonschwierigen Situation .Wir werden VW und vor allen Dingen seinen Mitar-beiterinnen und Mitarbeitern helfen, die Krisensituationdurchzustehen, keine Frage . Aber wenn ich von Perspek-tiven rede, dann meine ich auch, dass die grundlegen-de Strategie bei VW überdacht werden sollte . Setzt VWzukünftig auf neue Antriebstechnologien, zum Beispielauf Elektromobilität? Was müssen wir, der VW-Konzern,aber auch wir im Bund, tun, damit Elektromobilität mög-lich wird? Ich höre immer wieder: Die Elektromobilitätkann nicht vorangebracht werden, weil noch Ladeein-richtungen fehlen . – Wir haben uns im Koalitionsvertragklar zur Förderung der Elektromobilität bekannt . Wirmüssen das Manko in diesem Bereich beseitigen, indemwir Ladeeinrichtungen schaffen .
Aber selbst wenn wir das nicht könnten, wäre das keinGrund, nicht in die Elektromobilität zu investieren . Frü-her gab es Benzin auch nur in der Apotheke .
Wir brauchen noch mehr Forschung und Entwicklungim Bereich Stromspeicher . Wir müssen aus bundespoliti-scher Sicht darüber nachdenken, ob neben der Forschungan Speichern künftig nicht auch Batterieproduktion mög-lich sein sollte, zum Beispiel in Gegenden, wo das mitsauberer regenerativer Energie möglich ist; denn eineSteffen Bilger
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energieaufwändige Batterieproduktion mit Kohlestromoder Atomstrom macht keinen Sinn . Aber mit saube-ren regenerativen Energien, die in einigen Regionen imÜberfluss vorhanden sind, könnte man das machen. Mirpersönlich jedenfalls würde eine solche Region einfallen .
Wir haben uns nicht nur im Mobilitätssektor zu we-nig um Speicher gekümmert . Es wird jetzt Zeit, das zuändern . Der Gesetzentwurf zum Strommarktdesign istheute im Kabinett beraten worden . Es wäre konform imSinne dieses Gesetzentwurfs, wenn wir zügig viele klei-ne Speicher auf und an den Straßen hätten .Auch Bewährtes wollen wir erhalten . Bei aller Dis-kussion über die Schadstoffe der Autos: Wir müssenauch die Schadstoffe der Werke selber beachten . DasBlue-Factory-Konzept von VW ist weltweit beispielge-bend . Das Werk in Emden ist hier ganz weit vorn . Da-nach fragt im Moment niemand; das sollte man aber tun,wenn man sich um Umweltbelange kümmern möchte .
Auch die Mitbestimmung bei Volkswagen hat sich be-währt . Sie ist beispielgebend und wird dazu beitragen,dass die Sozialpartner miteinander die notwendigen Ent-scheidungen vorbereiten und treffen können . Man weißin der Wirtschaft: „‘t regent neet alltied Botter un Bree .“Das heißt: Es regnet nicht dauernd Butter und Brei . Spä-testens wenn die Situation, wie in diesem Fall bei VW,schwierig wird, weiß man den Wert einer funktionieren-den Sozialpartnerschaft mit starken Betriebsräten undstarken Gewerkschaften zu schätzen .Wir werden helfen, wo wir können, die Stärken desVW-Konzerns zu stärken, und werden, wenn notwen-dig, unterstützen, wenn es um neue Perspektiven für VWgeht – für die vielen Menschen, die sich unseren Einsatzmit ihrer Arbeit verdient haben .Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-
ordneten Ulrich Lange, CDU/CSU-Fraktion .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja,natürlich stellt man heute die Frage: Was kommt noch?Und natürlich sage auch ich von meiner und unserer Seiteganz klar: Wir verurteilen diese Manipulationen bei VWnachdrücklich . Da wurde vorsätzlich getäuscht, nicht nurbeim Stickoxid, sondern auch beim CO2-Ausstoß . Wasdas alles am Ende bedeutet, das ist noch unklar; aber ei-nes muss gelten, und das muss sich VW – ich sage das sodeutlich – ins Stammbuch schreiben: Hier ist ein Scha-den entstanden, und wer einen Schaden verursacht, hatdafür zu sorgen, dass beim Kunden kein weiterer Scha-den entsteht .
Deshalb darf es in der Folge, wenn die erste Empörungabebbt, nicht zu juristischen Winkelzügen kommen . Ei-nes ist klar: Dieser Schaden des Verbrauchers und desStaates, des Fiskus, ist zu ersetzen .Gleichzeitig geht es jetzt darum, mit aller Sachlichkeitund Gründlichkeit aufzuklären . – Liebe Kolleginnen undKollegen von den Grünen, lieber Fraktionsvorsitzenderder Grünen, diese Debatte scheint Sie ja nur noch amRande zu interessieren .
– Es wird gleich noch einmal ganz spannend werden .Sie können davon ausgehen, lieber Kollege, dass es ganzspannend wird, wenn ich hier vorne stehe .
Es ist mit aller Gründlichkeit aufzuklären und ent-sprechend zu handeln . Der Minister des Handelns, lieberKollege Krischer, war und ist Alexander Dobrindt .
Er handelt und sorgt für Aufklärung . Er sorgt dafür, dassdas Qualitätssiegel „made in Germany“ weiter Bestandhaben kann .
Für die Aufarbeitung des Skandals ist doch Volkswagenzuständig und nicht der Minister . Sie drehen die Sacheum . Nur so wird aber ein Schuh daraus .
Deshalb ist es richtig gewesen, sofort eine Untersu-chungskommission einzusetzen . Deswegen ist es richtiggewesen, das KBA aufzufordern, Vorlagen zu machen .Ich würde VW gerne Folgendes ins Stammbuch schrei-ben, getreu der alten Werbung: Aufarbeitung aus Liebezum Automobil!
Nun, lieber Kollege Krischer, zu Ihrer Rede, die Sie andie falsche Adresse gerichtet haben . Sie können schein-bar nicht raus aus Ihrer Haut des Antiautohetzers, ausJohann Saathoff
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Ihrer ideologischen grünen Falle . Sie können hier in Ber-lin sehr wohl den starken Max machen . Das zeugt abervon doppelter Moral; denn – das sage ich Ihnen in allerDeutlichkeit – in Baden-Württemberg handelt ein grünerMinisterpräsident völlig anders .
– Lieber Kollege Gastel, regen Sie sich doch nicht so auf .Gehen Sie doch zu Ihrem Ministerpräsidenten!
Scheinbar haben Sie auch vergessen, welche unmittel-bare, welche tatsächliche Verantwortung Sie in der Lan-desregierung von Niedersachsen tragen . Habe ich irgend-etwas verpasst, oder sitzen die Grünen in Niedersachsenmit in der Landesregierung?
Da sind Sie doch Miteigentümer von VW . Das ist einedoppelte Moral . Das ist doch alles nur ein Schein fürsPublikum und völlig unehrlich .
Natürlich, lieber Toni Hofreiter, du kannst dich jetzt da-rüber aufregen, aber es ist einfach eine Tatsache, an derdu nicht vorbeikommst,
dass ihr hier wesentlich Mitverantwortung tragt .
Es geht darum, aufzuklären und gleichzeitig dafür zusorgen, dass Deutschland Automobilland Nummer einsist
und Automobilland Nummer eins bleibt – für die Be-schäftigten und für uns, die wir das Auto für die Mobilitätgerne haben und lieben .Herzlichen Dank .
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-
ordneten Dr . Matthias Heider, CDU/CSU-Fraktion .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind jainzwischen schon fast eine vertraute Runde . Sie werdenimmer weniger hier vorne .
Für die erste Aktuelle Stunde, die Sie beantragt hatten,hatte ich noch ein gewisses Verständnis .
Auch Ihre Anträge waren zu erwarten . Aber dass Sie jetztmit jeder neuen Meldung zum Bundestagspräsidentenlaufen und eine Aktuelle Stunde beantragen, zeigt IhrZiel: Ihnen geht es eigentlich gar nicht um Beiträge zurAufklärung, Ihnen geht es um politisches Kalkül .
Das werden Ihnen die Hunderttausende Mitarbeiter indeutschen Unternehmen der Automobilwirtschaft undder Zulieferwirtschaft nicht durchgehen lassen . Dafürwerden wir schon sorgen .
Zurzeit ermitteln allein in Deutschland die Staatsan-waltschaft in Braunschweig, die BaFin, die vom Ministereingesetzte Untersuchungskommission und das Kraft-fahrt-Bundesamt; auch in zahlreichen anderen Ländernstrengen sich die Zulassungsbehörden an . Der Schaden,der für die deutsche Automobilwirtschaft entsteht, istenorm . Welche Dimensionen diese Erkenntnisse haben,muss sorgfältig geprüft werden . Dann muss es beurteiltwerden .Mit den von Ihnen ständig angezettelten Debatten indieser Ermittlungsphase zeigen Sie nicht Interesse anAufklärung, sondern Sie reden den Standort Deutschlandschlecht . Für Sie geht es aus ideologischen Gründen umeinen Kampf gegen die Automobilindustrie . Ich kann esja verstehen: Das Thema Freihandelsabkommen ist Ih-nen jetzt von der Fahne gegangen .
Sie suchen jetzt etwas Neues . Das ist im WesentlichenIhr Interesse .
Ulrich Lange
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Da brauchen Sie auch gar nicht so laut zu rufen: „Woist der Minister?“ oder: „Alle sind schuld!“ oder: „Hal-tet den Dieb!“ Jede Untersuchungskommission, HerrKrischer, würde über Ihr Verhalten hier heute den Kopfschütteln . Bitte bewerben Sie sich nie in einer Compli-ance-Abteilung eines Unternehmens . Das hat überhauptkeinen Zweck, so wie Sie sich gerade darstellen .
Lassen Sie uns einmal sachlich darüber sprechen, wel-che neuen Erkenntnisse heute überhaupt auf dem Tischliegen . Am Montagabend hat die EPA neue Vorwürfeveröffentlicht, laut denen jetzt auch 3-Liter-Motoren beiVolkswagen betroffen und mit dieser Schadsoftware aus-gestattet sind .
Das könnten einige Tausend Fahrzeuge sein . Wie viele,ist bis heute unklar . VW hat sich am gleichen Abend ein-deutig davon distanziert und im Übrigen vollumfänglicheKooperation bei diesem Punkt zugesagt . Gestern Abendhat VW in einer Ad-hoc-Meldung bekannt gegeben, dassauf der Basis eigener Untersuchungen nun auch Unregel-mäßigkeiten beim CO2-Ausstoß ermittelt worden sind .Es muss unverzüglich klargestellt werden, dass dieneuen Vorwürfe der EPA haltlos sind . VW muss diesbelegen . Die gestern Abend eingestandenen Manipulati-onen müssen dazu führen, dass Transparenz gegenüberden Kunden, den Aktionären, der Öffentlichkeit, ja, auchden Mitarbeitern von VW hergestellt wird und dass ent-sprechende Kompensationen angeboten werden .Die Bremsspur von VW wird lang und länger . WennSie einmal einen Blick in den Geschäftsbericht werfen,der etwa 400 Seiten umfasst, sehen Sie, dass der Risi-ko- und Chancenbericht als Teil des Konzernlageberichts14 Seiten ausmacht . Etwa zwei Seiten davon beschäfti-gen sich mit umweltschutzrechtlichen Auflagen. Leiderfindet sich kein Wort dazu, ob konkrete Risiken für be-stimmte Produkte im letzten Jahr aufgetreten sind . Dasmuss geändert werden .Es geht nicht nur um Vertrauen in VW, sondern esgeht dabei auch um Vertrauen in den automobilen Markt .VW ist in der Pflicht. Es kommt jetzt nicht darauf an,Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, einfach maldie Zielscheibe umzuhängen . Es kommt darauf an, klar-zumachen, was weiter aufgeklärt werden muss . Dabeisind die Schritte, die auch die Regierung hier unternom-men hat, in einem solchen Schadensfall nicht nur sehrangemessen, sondern sie bieten auch das erforderlicheAugenmaß, um im Hinblick auf die gesamte deutscheWirtschaft nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten .
Herr Krischer, ich muss Ihnen sagen: Aktionismus undKrawallrhetorik gehören sich zu diesem Zeitpunkt nicht .Weil es so schön ist, habe ich Ihnen noch ein Zitat IhresParteifreundes Joschka Fischer mitgebracht:Die Opposition scheint manchmal zu vergessen,dass wir hier Politik machen und keine Theatervor-stellung geben .
Dem, meine Damen und Herren, ist nichts hinzuzufügen .Vielen Dank .
Als letzter Rednerin in dieser Aktuellen Stunde ertei-
le ich das Wort der Abgeordneten Veronika Bellmann,
CDU/CSU-Fraktion .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Jawohl, VW hat bei den Abgaswerten manipu-liert und offenbar die ganze Klaviatur bedient: von ge-schönten Abgaswerten in der Fahrzeugwerbung und denZulassungsbescheinigungen über geschönte Fahrzeug-tests bis hin zum Einbau von manipulierter Software .Das kann man getrost als Betrug bezeichnen . Wer, was,welche Umstände dazu motiviert haben, werden die Er-mittlungen zeigen, sowohl die konzerneigenen als auchdie staatlichen und gegebenenfalls auch die staatsanwalt-schaftlichen .Wie so häufig in solchen Situationen kommt dieWahrheit nur scheibchenweise ans Licht . Dafür habenwir als Politiker, dafür haben aber auch die Kunden undvor allen Dingen die Mitarbeiter des Konzerns keiner-lei Verständnis . Dennoch sollten wir uns vor voreiligenSchlüssen hüten und nicht eine gesamte Branche unterGeneralverdacht stellen . Denn das führt genauso in dieIrre wie die ständigen Versuche der Grünen, in diesemZusammenhang den Bundesverkehrsminister in die Mit-verantwortung für Manipulation und Betrug zu ziehen .
Sie werfen der deutschen Regierung, insbesondereBundesminister Dobrindt, mangelnde Kontrolle vor .
Dr. Matthias Heider
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Wenn Sie Ihre notorische Krawallmacherei einmal auf-geben und sich sachlich und nüchtern dem Problem nä-hern würden, dann würden Sie feststellen,
dass genau dieser Bereich, nämlich Typengenehmigungund Verbrauchswertkontrolle, schon seit langem eu-ropaweit harmonisiert ist . Infolge der entsprechendenEU-Verordnung vom 13 . November 1999 – ich kannmich erinnern, dass Sie zu der Zeit an der Regierung wa-ren –, die 2007 und 2009 geändert wurde, hat das Kraft-fahrt‑Bundesamt umfangreiche Prüfungspflichten, die esauch wahrgenommen hat .
Sie mögen noch nicht ausreichend sein
und in der Kontrolle noch nicht tief genug .
Nur, es sind alle Mitgliedstaaten dafür verantwortlich –nicht nur die deutsche Bundesregierung –, dass die Re-gelungen über die Jahre hinweg nicht eher evaluiert undverschärft worden sind .
Wenn also die Kontrolle aufgrund der bestehendenRechtslage – aufgrund der bestehenden Rechtslage! –korrekt war, in Deutschland sogar fakultative Prüfungenverpflichtend vorgenommen wurden und offenbar den-noch Raum für Manipulation bestand, dann kann mandas als kriminelle Energie, betrügerische Absicht oderwie immer man das bezeichnen möchte, deklarieren .Man kann es auch strafrechtlich verfolgen .
Man kann den Rechtsrahmen so belassen, wie er ist, oderman kann den Rechtsrahmen enger und bestimmter fas-sen, nämlich im Sinne von erweiterten Prüfpflichten undintensiveren Sanktionsmöglichkeiten . Genau das tun wir .Verkehrsminister Dobrindt hat für die Bundesregie-rung und für Deutschland im Verkehrsministerrat dazuregelmäßig vorgetragen; denn auf die europäische Ebe-ne gehört das . Die Ratsdokumente weisen aus, dass sichunser Verkehrsminister energisch für die schnelle Ein-führung der Realemissionstests einsetzt, genauso wie fürdie Neuorganisation der TypengenehmigungsverfahrenWir gehen noch darüber hinaus, indem wir als Koaliti-onsfraktionen in einem Antrag fordern, realitätsnahe Ver-brauchszyklustests – Straßentests – bis spätestens 2017EU-weit anzuwenden, standardisierte Tests transparentauch in der Öffentlichkeit darzustellen, Abgasnormenstufenweise zu verschärfen und neben den zweifelsfreihochentwickelten konventionellen auch alternative An-triebs-, Verbrauchs- und Kraftstofftechnologien und dieElektromobilität stärker zu fördern .
Mit unseren Vorschlägen und Forderungen, HerrKrischer, befinden wir uns in seltener Einheit – das gebeich zu – mit dem Europäischen Parlament und der Euro-päischen Kommission .
Das Europäische Parlament hat in der vergangenenWoche in einer Entschließung gefordert, dass die Mani-pulationen der Ergebnisse der Fahrzeugtests umfassenduntersucht und gegen die Verantwortlichen angemesse-ne Sanktionen verhängt werden sollen . Das EuropäischeParlament verlangte darüber hinaus eine weitere Ver-schärfung des Emissionskontrollrechts, damit die in derEU geltenden Grenzwerte eingehalten und nichtkonfor-me Fahrzeuge schnell identifiziert werden können.Was ist nun das Fazit – auch aus unserem Antrag?Deutschland kann und muss die Vorreiterrolle bei öko-logisch verbesserten Antrieben behalten . Da wir vorhinschon Werbesprüche zitiert haben, füge ich einen vonAudi hinzu: „Vorsprung durch Technik“ . Dieser Vor-sprung durch Technik muss aber eben rechtskonformerfolgen . Hier in Deutschland werden auch künftig diebesten und sichersten Autos gebaut – auch von VW . Un-sere Ingenieure können das .Die Aufgabe der Politik ist es, diesen Weg durch rich-tige Rahmenbedingungen für die Sicherung der Mobilität,für saubere Umwelt und für hochqualifizierte und zu-kunftssichere Arbeitsplätze in einer unserer Leitindustrien,nämlich der deutschen Automobilindustrie, zu begleiten .Herzlichen Dank .
Die Aktuelle Stunde ist beendet .
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung .
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Donnerstag, den 5 . November 2015,
9 Uhr, ein .
Die Sitzung ist geschlossen .