Gesamtes Protokol
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alleherzlich zur Befragung der Bundesregierung bzw. dersich daran anschließenden Fragestunde und rufe damitauch gleich unseren Tagesordnungspunkt 1 auf:Befragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur besserenVereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf.Das Wort für einen einleitenden fünfminütigen Be-richt hat die Bundesministerin für Familie, Senioren,Frauen und Jugend, Frau Manuela Schwesig.
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damenund Herren Abgeordnete! Ich habe zu Beginn der Legis-latur die Debatte darüber angestoßen, dass es uns gelin-gen muss, in Deutschland Arbeitszeiten zu gestalten, dieauf die Situation von Familien Rücksicht nehmen, undzwar insbesondere auf die Situation der sogenanntenSandwichgeneration. Diese muss und will einerseits fürdas eigene Einkommen im Beruf tätig sein. Andererseitswill und muss sie für die Kinder da sein und stellt sichgleichzeitig die Frage: Wie geht es mit meinen Elternweiter, die älter und vielleicht pflegebedürftig werden?Es ist wichtig, dass wir in Deutschland zu Arbeitszei-ten kommen, die folgende Phasen im Leben der Fami-lien berücksichtigen: die Phase mit Kindern und diePhase mit pflegebedürftigen Angehörigen. Deshalb habeich die Debatte um die Familienarbeitszeit angestoßen.Wir haben mit dem ElterngeldPlus den ersten Schritt indiese Richtung gemacht. Ich freue mich sehr, dass Bun-desarbeitsministerin Nahles und ich heute im Kabinetteinen Gesetzentwurf präsentieren konnten, der die Situa-tion von Familien mit pflegebedürftigen Angehörigenberücksichtigt.Wir haben, wie gesagt, gemeinsam den Gesetzent-wurf zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege undBeruf vorgelegt. Es geht uns darum, dass Frauen undMänner, die im Berufsleben stehen, nicht dauerhaft ausihrem Job aussteigen müssen, wenn sie aufgrund von zuleistender Pflege unter Druck geraten. PflegebedürftigeAngehörige können die Kinder, aber auch Eltern, Groß-eltern oder Geschwister sein. Wir kennen alle Varianten.Wir wissen, dass Menschen mit pflegebedürftigen Ange-hörigen, die gleichzeitig berufstätig sind, eine Doppelbe-lastung erfahren und teilweise unter Druck geraten. Oftsind es die Frauen, die diese Last schultern müssen unddie dann aus dem Job aussteigen. Damit haben sie keineweiteren Einkommensperspektiven und schlechte Ren-tenperspektiven.Wir haben uns Gedanken über die Frage gemacht:Wie können wir diese Familien besser unterstützen? Esist auch kein Zufall, dass dieses Gesetz parallel zur Pfle-gereform kommt, die hier im Deutschen Bundestag indieser Woche beraten und sicherlich auch verabschiedetwird. Das hoffe ich, weil es für die Familien dringend er-forderlich ist, dass wir die professionellen Angebote inDeutschland verbessern und dass die Menschen, die inder professionellen Pflege arbeiten, bessergestellt wer-den. Mehr Zeit für Pflege, gute Bezahlung und gute Ar-beitsbedingungen – das sind hier die Stichworte. Hiergeht die Große Koalition einen wichtigen Schritt, derdurch die Anhebung des Beitrags zur Pflegeversicherungmöglich wird. Wir machen parallel mit unserem Gesetz-entwurf, den wir jetzt im Kabinett verabschiedet haben,einen weiteren Schritt zur Verbesserung im Pflegebe-reich.Ich möchte Ihnen die großen Säulen dieses Gesetzent-wurfes vorstellen.Erstens: die zehntägige Auszeit für den Akutfall unterZahlung einer Lohnersatzleistung. Worum geht es? Blei-ben wir bei dem Beispiel, dass der Vater einen Schlag-anfall hat, ins Krankenhaus kommt und dann entlassenwird. Es stellt sich den Kindern die Frage – der Vater istschwer angeschlagen, vielleicht pflegebedürftig –: Wiegeht es weiter? Wie machen wir das?Es geht nicht darum, den Vater in diesen zehn Tagenwieder gesund zu pflegen. Das ist gar nicht möglich. Es
Metadaten/Kopzeile:
5442 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014
Bundesministerin Manuela Schwesig
(C)
(B)
geht darum, den Angehörigen zu ermöglichen, sich überdie Vielfalt der Angebote – ambulanter Pflegedienst?Kann der Vater in den eigenen vier Wänden bleiben?Müssen wir über einen Heimplatz nachdenken? Welchefinanziellen Unterstützungsmöglichkeiten gibt es? Wel-che Möglichkeiten im Beruf habe ich für diese Zeit? – zuinformieren, sich zu kümmern und dann die Pflege zuorganisieren. Genauso ist es, wenn mein Kind heutekrank wird. Auch hier habe ich die Möglichkeit, eineAuszeit von bis zu zehn Tage unter Inanspruchnahme ei-ner Lohnersatzleistung, Kinderkrankengeld, zu nehmen.Das machen wir jetzt auch für Familien mit pflegebe-dürftigen Angehörigen. Im Akutfall ist es möglich, unterInanspruchnahme einer Lohnersatzleistung – das sindbis zu 90 Prozent des Nettolohnes – bis zu zehn TageAuszeit zu nehmen.Neben der deutlichen finanziellen Unterstützung hatdiese Regelung einen hohen symbolischen Wert. Erstma-lig wird in diesem Gesetzentwurf geregelt, dass in derFamilie pflegebedürftige Angehörige den gleichen Stel-lenwert haben wie kranke Kinder. Niemand von unswürde anzweifeln, dass man bei einem kranken Kindzehn Tage Lohnersatzleistung bekommt. Das wird künf-tig auch beim Vorliegen eines Pflegefalls in der Familiemöglich sein. Damit senden wir neben der finanziellenUnterstützung das wichtige Signal an die Familien in un-serem Land, dass wir sie mit ihren Nöten nicht allei-nelassen.Die Kosten für diese zehntägige Auszeit belaufen sichauf 100 Millionen Euro. Diese werden durch die Anhe-bung des Pflegeversicherungsbeitrages, die Herr Gröhemit der Pflegereform schon auf den Weg gebracht hat,finanziert.Zweitens. Wir wollen ermöglichen, dass der Arbeit-nehmer die Möglichkeit hat, eine längere Zeit voll aus-zusteigen oder Teilzeit zu arbeiten. Es gibt schon jetztdie Möglichkeit, bis zu sechs Monate Pflegezeit zu neh-men, also reduziert zu arbeiten oder voll auszusteigen.Den damit verbundenen Lohnausfall federn wir zukünf-tig ab mit der Möglichkeit, ein Darlehen in Anspruch zunehmen. Es ist möglich, sich im Rahmen dieser Pflege-zeit – oder auch außerhalb dieser Zeit – zu entscheiden,in die sogenannte Familienpflegezeit einzusteigen – eineZeit von bis zu 24 Monaten –, in der man die Arbeitszeitreduzieren kann. – Herr Lammert, Sie schauen michschon an. Wo sehe ich die Zeit?
Ja, ich habe gerade schon vermutet, dass Sie nicht se-
hen können, dass Ihre Zeit abgelaufen ist. Gemeint ist
nicht Ihre Amtszeit, sondern Ihre Redezeit.
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Danke, dass Sie mir mehr als fünf Minuten Amtszeit
zugestehen.
Vielleicht lassen sich manche der von Ihnen jetzt
noch gedachten Ergänzungen im Zuge der reichlich an-
gemeldeten Nachfragen erledigen.
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Dann runde ich das jetzt ab. Ansonsten wäre ich Ih-
nen dankbar, wenn Sie mir sagen, wo ich die restliche
Redezeit sehe. Nachher erscheint die Ampel?
Jawohl.
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Gut. – Es gibt die Möglichkeit, nach diesen zehn Ta-
gen in eine längere Auszeit einzusteigen: entweder ein
halbes Jahr ganz oder bis zu 24 Monate Teilzeit. In die-
ser Zeit soll der Lohnausfall durch ein Darlehen abge-
puffert werden.
Wir haben außerdem den Angehörigenbegriff erwei-
tert und die wichtigen Themenfelder wie schwerkranke
Kinder, Begleitung in der letzten Lebensphase berück-
sichtigt. Das alles sind Punkte, die ich Ihnen gerne in der
Fragerunde vorstellen möchte. Das mache ich gemein-
sam mit Anette Kramme, die das BMAS vertritt, das an
diesem Gesetzentwurf ebenfalls mitgewirkt hat. – Ich
freue mich auf die Fragen.
Vielen Dank. – Ich habe eine ganze Reihe von Wort-meldungen, die ich, soweit wir sie hier notiert haben, derReihe nach aufrufe. Ich erteile zunächst der KolleginScharfenberg das Wort.
Vielen Dank, Frau Ministerin, für Ihre erste Erklärungzum Familienpflegezeitgesetz. Sie haben eben schon an-gesprochen, dass der Kreis der Berechtigten, die die Fa-milienpflegezeit in Anspruch nehmen können, erweitertwerden soll. Familiensysteme verändern sich, Kinderstudieren woanders, finden ihren Lebensmittelpunkt wo-anders, kommen gar nicht mehr an den Wohn- und Le-bensort der Eltern zurück. Wenn eine große Distanz zwi-schen Eltern und Kindern ist, finden sich oft andereAllianzen – Wahlfamilien. Jetzt ist meine Frage: Warumhaben Sie den Kreis nicht beispielsweise auch auf naheFreunde oder Nachbarn erweitert? Denn das entsprächeder Lebensrealität, in der viele Menschen leben.Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Vielen Dank. – Wir haben den Angehörigenbegriffauf die Stiefeltern erweitert. Das ist wichtig. Denn fürden Vater, der die Familie nach drei Monaten verlassenhat, war es möglich, Pflegezeit in Anspruch zu nehmen;aber für den Stiefvater, der sich die meiste Zeit um dieKinder gekümmert hat, war es nicht möglich. Diese Ge-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014 5443
Bundesministerin Manuela Schwesig
(C)
(B)
rechtigkeitslücke schließen wir mit der Berücksichti-gung der Stiefeltern. Wir berücksichtigen außerdemlebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften, also ho-mosexuelle Paare, die zwar nicht verpartnert sind, aberzusammenleben. Außerdem werden Schwäger undSchwägerinnen berücksichtigt.Vor dem Hintergrund, dass wir den großen Kreis vonAngehörigen, die schon dazugehören – beispielsweiseEltern und Großeltern –, um diejenigen erweitern, dieich eben genannt habe, und wir finanzielle Leistungenbereitstellen – allein die zehntägige Auszeit kostet100 Millionen Euro –, müssen wir zunächst Erfahrungenmit dem Gesetz sammeln: Wie wird es angenommen?Was kostet es?Wir werden zur Begleitung des Gesetzes einen Beirateinrichten, der uns Feedback geben soll: Wie wird es an-genommen? Welche Erweiterungsmöglichkeiten gibt es?Im Rahmen dieses Beirats wollen wir uns auch an-schauen: Wie haben sich die Unterstützungspartner-schaften, wie Sie sie eben geschildert haben – Unterstüt-zung durch Nachbarn, durch Freunde –, in unserem Landverändert, und inwiefern müssen wir zukünftig eine Ant-wort darauf geben? Wir haben es also im Blick.
Frau Ministerin.
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Aber auch vor dem Hintergrund der finanziellen Ver-
antwortung müssen wir Schritt für Schritt vorangehen. –
Jetzt habe ich die Ampel gesehen, Herr Lammert.
Sehr schön. Das berechtigt zu den schönsten Hoff-
nungen für die nachfolgenden Fragen und Antworten. –
Die nächste Frage stellt der Kollege Marcus Weinberg.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, vie-
len Dank für die Einführung in die Familienpflegezeit.
Ich glaube, das Gesetz ist gesellschaftspolitisch und
familienpolitisch richtig; es stellt die Weichen richtig.
Nun ist es aber so, dass gute Gesetze für die Familie
Auswirkungen auf andere Bereiche haben. Da kommen
natürlich die Themen Erwerbstätigkeit und Auswirkun-
gen auf die Arbeitgeber zur Sprache. Da ist meine Frage
– auch vor dem Hintergrund der Planbarkeit von Dingen,
soweit es überhaupt möglich ist –: Inwieweit sind diese
Belastungen – in Anführungszeichen; denn es sind nicht
wirklich Belastungen – für die Wirtschaft, für die Arbeit-
geber aus Ihrer Sicht gerechtfertigt? Werden die mögli-
chen Auswirkungen überschaubar sein?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Vielen Dank. Das Gute an dem Gesetz ist: Es entlastet
die Familien und die Wirtschaft gleichermaßen. Warum?
Erster Punkt. Mit dem Gesetz sorgen wir dafür, dass
die Arbeitnehmer, die einen Pflegefall in der Familie ha-
ben, eben nicht dauerhaft aus dem Beruf aussteigen und
somit als Fachkräfte erhalten bleiben. Von Unternehmen
wurde mir auf der Sommerreise berichtet, dass sie große
Probleme mit der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege
haben. Die Leute stehen unter Druck und steigen dann
oft ganz aus oder werden krank. Dadurch ergeben sich
hohe Kosten, die auf die Arbeitgeber zukommen.
Zweiter Punkt. In der Vergangenheit sollte der Lohn-
ausfall durch den Arbeitgeber gepuffert werden. Das hat
kaum einer gemacht: nur 134 Arbeitgeber in ganz
Deutschland. Jetzt, mit dem Darlehen, das wir über das
Bundesamt für Familie ausreichen, holen wir das finan-
zielle Risiko sozusagen zu uns, zum Staat, und entlasten
den Arbeitgeber.
Dritter Punkt. Wir haben außerdem bürokratische
Hemmnisse, zum Beispiel beim Kinderkrankengeld
– das haben wir gleich mit geregelt –, abgebaut.
Der vierte Punkt, der für die Wirtschaft wichtig ist: Es
gibt Ankündigungsfristen. Zum Beispiel muss man die
lange Familienpflegezeit von bis zu 24 Monaten grund-
sätzlich 8 Wochen vorher ankündigen, sodass der Arbeit-
geber Planungssicherheit hat. – Weil die Lampe jetzt rot
leuchtet, habe ich jetzt nicht mehr Zeit, die weiteren
Punkte zu nennen.
Aber danach fragt jetzt der Kollege Wunderlich.
Frau Ministerin Schwesig, Sie haben gerade unter Be-zugnahme auf das Kinderkrankengeld über die zehntä-gige Auszeit gesprochen. Nun weiß jeder hier im Saal– jedenfalls gehe ich davon aus –, dass diese zehn Tagefür kranke Kleinkinder in aller Regel nicht ausreichen.Warum wird dieser Zeitraum von zehn Tagen – in derHoffnung auf eine Änderung beim Kinderkrankengeld –nicht erweitert? Warum hat man den Anspruch nur ein-mal im Leben und nicht jährlich wie beim Kinderkran-kengeld? Wie ist das bei mehreren Angehörigen? Eskann ja sein, dass man – wenn man Glück hat – noch Va-ter und Mutter hat und beide nacheinander in die Situa-tion kommen, dass man sich um sie kümmern muss.Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Vielen Dank, Herr Wunderlich. – Genau die von Ih-nen geschilderte Situation haben wir berücksichtigt.Man hat einen Anspruch für jeden Angehörigen: Ichhabe den Anspruch für meinen Vater, für meine Mutter,für meine Großeltern, für jeden Angehörigen. Die Unter-stützung wird deshalb nur einmalig gewährt, weil es umden akuten Pflegefall geht; ich habe das eben am Bei-spiel des Vaters, der einen Schlaganfall erlitten hat, skiz-ziert. Für die längere Phase danach – Sie haben völligrecht: Nach zehn Tagen ist nicht alles im Lot – gibt es
Metadaten/Kopzeile:
5444 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014
Bundesministerin Manuela Schwesig
(C)
(B)
die Pflegezeit und die Familienpflegezeit, mit denen dieweitere Belastung abgefedert wird.Ein ganz wichtiger Punkt: Das Gesetz setzt nicht da-rauf, dass die Familien alles alleine machen. Das Gesetzflankiert die Pflegereform, durch die die professionellenAngebote ausgeweitet werden sollen.Was ich sehr gut finde: Wir haben erstmalig die Situa-tion von minderjährigen Kindern, die pflegebedürftigsind, aufgenommen. Zukünftig werden auch die Fälleberücksichtigt, dass die Kinder nicht zu Hause bleibenkönnen, sondern beispielsweise in einer Einrichtungoder im schlimmsten Fall im Hospiz sind.
Frau Yüksel.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Manuela
Schwesig, liebe Ministerin, ich wüsste gerne: Ist im Fa-
milienpflegezeitgesetz auch eine Härtefallregelung ge-
plant?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Vielen Dank. – Das haben wir geplant. Man kann für
die Pflegezeit und/oder die Familienpflegezeit ein Darle-
hen in Anspruch nehmen. Falls es Probleme bei der
Rückzahlung gibt, haben wir Härtefälle skizziert. Zum
Beispiel den Fall, dass diejenigen, die für die Pflege ei-
nes bedürftigen Angehörigen aus dem Erwerbsleben
aussteigen oder die Arbeitszeit reduzieren, selbst krank
werden oder im schlimmsten Fall sogar versterben. Im
Todesfall ist es natürlich nicht möglich, das Darlehen zu-
rückzuzahlen; die Darlehensschuld erlischt. Im Krank-
heitsfall kann das Darlehen gestundet werden. Man zahlt
das Darlehen erst zurück, wenn man die Arbeitsfähigkeit
wiedererlangt hat. Dieses Risiko tragen jetzt wir und
nicht mehr der Arbeitgeber. Wir haben die Wirtschaft,
die Arbeitgeber an dieser Stelle ganz klar entlastet. Ich
bin dem BMF sehr dankbar, dass wir diesen Weg gefun-
den haben.
Frau Dörner.
Vielen Dank für Ihren Bericht. – Frau Ministerin, Sie
schreiben explizit, dass mit dem Gesetzesvorhaben auch
das Ziel verfolgt wird, mehr Männer, also Väter, Partner
und Söhne, in die Pflege einzubinden. In dem Entwurf
kann ich, ehrlich gesagt, keine konkreten Maßnahmen
erkennen, wie dieses Ziel tatsächlich befördert werden
soll. Ich wäre daran interessiert, zu erfahren, wie Sie das
tatsächlich umsetzen wollen.
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Vielen Dank, liebe Frau Dörner. – Es ist sehr schön,
dass es diese Regierungsbefragung gibt, weil ich so die
Gelegenheit habe, das Vorhaben zu erklären.
Die Familienpflegezeit und die Pflegezeit sind darauf
angelegt, dass mehrere Angehörige die Möglichkeit er-
halten, diese zu nutzen. Es ist eben nicht so, dass die
Frau beispielsweise für die pflegebedürftige Mutter oder
Schwiegermutter dauerhaft aus dem Beruf aussteigen
muss – das lastet derzeit häufig auf den Schultern der
Frauen; da bin ich völlig bei Ihnen –, sondern außer ihr
kann auch ihr Bruder die Familienpflegezeit nehmen,
entweder parallel oder nacheinander, so wie es der Fall
eben erfordert.
Alle Kinder haben die Möglichkeit, diese Zeiten in
Anspruch zu nehmen. Das ist das Tolle an diesem Ge-
setz. Wer mehrere Kinder hat, der profitiert davon, weil
sich dann auch mehrere um ihn kümmern können. Das
ist der Gedanke der Partnerschaftlichkeit: Nicht einer al-
lein muss sich um den Pflegefall in der Familie küm-
mern, sondern die ganze Familie kann sich kümmern.
Hinzu kommt, dass wir den Angehörigenbegriff erwei-
tert haben. Deshalb ist es zugegebenermaßen auch ein
ziemlich umfangreiches Gesetz.
Frau Lezius.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Frau
Ministerin, dass Sie uns zur Beantwortung unserer Fra-
gen zur Verfügung stehen. Meine Frage lautet: Wer der
Arbeit fern bleibt und die Freistellung in Anspruch
nimmt, um zu Hause zu pflegen, erleidet finanzielle Ein-
bußen. Wie werden die Auszeiten zum Zwecke der
Pflege finanziell gefördert?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Zum einen gibt es bei Vorliegen einer Pflegestufe, die
ja Voraussetzung ist, Pflegegeld. Dieses Pflegegeld er-
hält derjenige, der Pflegebedarf hat. Er kann es natürlich
auch den Angehörigen geben. Zum anderen ist es mög-
lich, die Differenz zum ursprünglichen Lohn über ein
Darlehen besser abzusichern, das wir über das Bundes-
amt für Familie ausreichen. Diese Darlehensmöglichkeit
ist neu. In der Vergangenheit hat man darauf gesetzt,
dass der Arbeitgeber einen Lohnvorschuss zahlt, was
aber die wenigsten getan haben bzw. die wenigsten ma-
chen konnten, weil das ein gewisses Risiko bedeutet hat.
Ich weise noch einmal darauf hin, dass man für die zehn-
tägige Auszeit eine Lohnersatzleistung von bis zu
90 Prozent erhält.
Frau Crone.
Frau Ministerin, ganz herzlichen Dank. – Ich findediese neuen Regelungen wunderbar. Mich interessiertFolgendes: Wie wird das Ministerium die Bürgerinnenund Bürger auf diese neuen Möglichkeiten aufmerksammachen, und wie wird die Beratung erfolgen? Die Frageist also: Wie kommt man an Informationen?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014 5445
(C)
(B)
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Zum einen nutzen wir natürlich die mediale Aufmerk-samkeit. Nach meiner Wahrnehmung besteht ein großesInteresse an diesem Thema – das haben wir gerade ges-tern gesehen –; denn dieses Thema – das wissen wir ausden Umfragen – brennt den Familien auf den Nägeln.Zum anderen werden wir natürlich Öffentlichkeitsarbeitmachen. Die Öffentlichkeitsarbeit stoßen wir aber erstdann massiv an, wenn der Gesetzentwurf beschlossenist – aus Respekt vor den weiteren parlamentarischenBeratungen.Natürlich informieren wir schon jetzt, wenn es Fragengibt. Nachher setze ich ganz stark auf die Pflegestütz-punkte, die natürlich auch über diese Angebote beraten.Wir haben das große Unternehmensnetzwerk „Erfolgs-faktor Familie“, über das die Unternehmen beraten wer-den. Auch darüber werden entsprechende Angeboteunterbreitet. Es wird also verschiedene Informations-möglichkeiten geben. Deshalb ist die zehntägige Auszeitso wichtig.Besser wäre es natürlich, wenn man sich vor dem Ein-tritt eines Pflegefalls informiert; aber das entspricht oftnicht der Lebenswirklichkeit. Spätestens während dieserzehntägigen Auszeit kann man sich zum Beispiel beimPflegestützpunkt schlaumachen.
Kollege Petzold.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, ich
möchte Sie zum Begriff „Angehörige“ befragen. Im Ge-
setzentwurf vermisse ich die inzwischen in der Gesell-
schaft anzutreffende Vielfalt bei den Lebensweisen,
sprich: eingetragene Lebenspartnerschaften, aber auch
andere Formen des Zusammenlebens, die überhaupt
noch nicht institutionalisiert sind und bis jetzt auch nicht
gesetzlich geregelt worden sind.
Gerade bei Transsexuellen und Intersexuellen werden
Partnerschaften gelebt, die nicht institutionalisiert sind,
in denen in Einzelfällen aber trotzdem Pflege stattfindet,
auch im Bereich von HIV/Aids. In diesen Fällen wird
die Pflege nicht im Rahmen von verehelichten oder ver-
partnerten Lebensgemeinschaften übernommen. Für
diese Personen ist bislang überhaupt nichts geregelt.
Deswegen würde mich interessieren, wie Sie diese Viel-
falt an Lebensweisen, die es in der Gesellschaft inzwi-
schen gibt, im Gesetz abbilden wollen und wie Sie den
Gesetzentwurf diesbezüglich nachbessern wollen.
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Vielen Dank. – Die eingetragenen Lebenspartner-
schaften sind bereits berücksichtigt. Wir schließen jetzt
die Lücke, indem wir auch die lebenspartnerschaftsähn-
lichen Gemeinschaften berücksichtigen. Ich bin mir
nicht sicher, ob alle genau darüber Bescheid wissen.
Deswegen sage ich es gerne noch einmal: Es gibt unter
Heterosexuellen die Ehe und, so sagen wir einmal sa-
lopp, die wilde Ehe, also die Lebenspartnerschaft von
denjenigen, die nicht verheiratet sind, aber zusammenle-
ben. Diese Personen sind berücksichtigt. Bei Homosexu-
ellen ist bislang die eingetragene Lebenspartnerschaft
berücksichtigt. Personen, die zusammenleben, sich aber
nicht verpartnert haben – die wilde Ehe unter Homo-
sexuellen –, werden mit diesem Gesetzentwurf in Zu-
kunft berücksichtigt.
Nicht berücksichtigt werden andere Bindungen – da-
rüber wissen wir noch zu wenig; das soll Aufgabe des
Beirats sein –, die nicht auf einer persönlichen Liebesbe-
ziehung basieren, wenn ich das so sagen darf, sondern
auf Nachbarschaft oder Freundschaft; das hat die Kolle-
gin von den Grünen vorhin angesprochen. Wir müssen
uns anschauen, wie sich unsere Gesellschaft diesbezüg-
lich entwickelt, und uns fragen, welche Möglichkeiten es
zukünftig gibt. Die Paare, die Sie angesprochen haben,
werden jetzt aber berücksichtigt.
Frau Griese.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, auchvon mir ein herzliches Dankeschön dafür, dass dieserGesetzentwurf jetzt vorliegt; denn dadurch wird tatsäch-lich das Leben vieler Menschen in schwierigen Situatio-nen verbessert. Ich will eine Frage zur Situation der Ar-beitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch derArbeitgeberinnen und Arbeitgeber stellen. Zunächst ein-mal wird dadurch, dass ein Rechtsanspruch für die Ar-beitnehmerinnen und Arbeitnehmer verankert wird, einneues Instrument geschaffen. Vielleicht könnten Sie unsnoch einmal die qualitative Bedeutung dieses neuen In-struments erläutern.Außerdem ist es aus Sicht der Arbeitgeberinnen undArbeitgeber sicherlich wichtig, dass der Mitarbeiter ineiner längeren Pflegephase nicht komplett aus dem Jobaussteigt, sondern mit Teilzeit kombinieren kann. Ichglaube, das ist ein arbeitsmarktpolitisch wichtigerAspekt. Deshalb bitte ich Sie, diesen zu erläutern undauszuführen, welche arbeitsmarktpolitischen Auswir-kungen er hat. – Vielen Dank.Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Das Gesetz ist für den Arbeitsmarkt sehr wichtig.Deshalb haben Andrea Nahles und ich dort Hand inHand zusammengearbeitet. Es ist der Arbeitsministerinsehr wichtig, dass wir für Familien in diesen SituationenLösungen finden, die verhindern sollen, dass die Fach-kräfte völlig aus der Arbeitswelt aussteigen. Der völligeAusstieg ist in den zehn Tagen für den Akutfall und inder sogenannten Pflegezeit von bis zu einem halben Jahrmöglich. Aber die Familienpflegezeit von bis zu 24 Mo-naten, die sich daran anschließen oder isoliert davon ge-nommen werden kann, basiert darauf, dass man nichtvoll aussteigt, sondern mindestens 15 Stunden arbeitet.Mit der Mindestarbeitszeit von 15 Stunden wollen wirgeringfügige Beschäftigung vermeiden. Das ist der ar-
Metadaten/Kopzeile:
5446 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014
Bundesministerin Manuela Schwesig
(C)
(B)
beitsmarktpolitische Ansatz. Für die Arbeitgeber ist erinteressant ist, weil die Leute an Bord bleiben und nichtkomplett aussteigen. Durch die Fristen bei der Anmel-dung haben die Arbeitgeber eine bessere Planungssi-cherheit.Der Rechtsanspruch ist aus zwei Gründen wichtig.Erstens ist es wichtig, dass der Arbeitnehmer einen An-spruch darauf hat und nicht darum betteln muss. Das hateine ganz praktische Wirkung für jeden Einzelnen, aberes hat auch eine symbolische Wirkung. Wie wichtig istder Politik, der Gesellschaft dieses Thema? Zweitensziehen wir mit dem Gesetz das Thema „Pflege in der Fa-milie“ auf eine neue Ebene und zeigen: Wir lassen dieFamilien nicht alleine, sondern kümmern uns als Gesell-schaft.
Frau Scharfenberg.
Die Höchstdauer der kombinierten Pflege- und Fami-
lienzeit ist auf 24 Monate begrenzt. Einzeln genommen
sind es aber sechs Monate und 24 Monate. Gibt es eine
Möglichkeit, das so zu kombinieren, dass man auf
30 Monate kommt?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Nein, die Möglichkeit gibt es nicht. Es ist im Gesetz
so angelegt, dass die Pflegezeit und die Familienpflege-
zeit miteinander kombinierbar sind, dass man aber
24 Monate nicht überschreiten kann. Ich kann also in die
sechs Monate Pflegezeit einsteigen und noch einmal
18 Monate Familienpflegezeit draufsatteln, oder ich
gehe direkt 24 Monate in die Familienpflegezeit. Es ist
wichtig, den Zeitraum für die Arbeitgeber planbar zu
machen. Dieses Beispiel zeigt, dass wir zwischen den
Entlastungen, die wir für die Familien brauchen, und der
Situation der Arbeitgeber eine Balance gehalten haben.
Ich finde, das Gesetz wird beiden Seiten gerecht.
Kollege Weinberg.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, die
Leistungen aus dem Gesetz sind ja an den Pflegebedürf-
tigkeitsbegriff nach § 13 SGB XI geknüpft. Dieser um-
fasst aber zumindest bisher keine demenziellen Erkran-
kungen. Wir befinden uns ja insgesamt im Rahmen der
Pflegereform in einer großen Debatte über einen neuen
Pflegebedürftigkeitsbegriff. Wie sieht die Zeitplanung
aus? Wann wird denn der neue Pflegebedürftigkeitsbe-
griff so gestaltet, dass die demenziellen Erkrankungen
mit erfasst werden?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Der Bundesgesundheitsminister und ich haben dieses
Thema im Blick. Herr Gröhe hat an diesem Gesetz sehr
aktiv mitgewirkt. Das war eine ausgezeichnete Zusam-
menarbeit. Wir sind uns einig, dass die zweite Stufe der
Pflegereform, also die Einführung des neuen Pflegebe-
dürftigkeitsbegriffs, auch Auswirkungen auf dieses Ge-
setz haben wird. Das steht auch so in der Gesetzesbe-
gründung. Den konkreten Zeitplan für die zweite Stufe
hat Herr Gröhe besser im Kopf als ich.
Er verrät es vielleicht später. – Davor hat die Kollegin
Schulz-Asche das Wort.
Frau Ministerin, man muss ja zehn Tage im Voraus
die Pflegezeit beantragen. Da der Medizinische Dienst
der Krankenversicherung oft länger als zehn Tage
braucht, um die Pflegebedürftigkeit zu bescheinigen,
frage ich: Ist es vorgesehen, die Bearbeitungszeiten des
Medizinischen Dienstes zu verändern, um tatsächlich
den Beginn der Pflegezeit nach zehn Tagen zu ermögli-
chen?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Vielen Dank. – Eine zügigere Bearbeitung durch den
MDK ist ja ein generelles Thema. Ob das ein Hindernis
für die Frist von zehn Tagen ist, ist, finde ich, eine kluge
Frage, die mir so noch nicht begegnet ist. Ich würde
diese Frage gerne mitnehmen und sie nachträglich beant-
worten.
Frau Crone.
Frau Ministerin, es gibt ja unterschiedliche Ankündi-gungszeiten. Könnten Sie noch mal eine kleine Erklä-rung dazu abgeben, warum es drei unterschiedliche An-kündigungszeiten gibt?Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Die unterschiedlichen Ankündigungszeiten haben et-was mit der Planungssicherheit für den Arbeitgeber zutun. Die zehntägige Auszeit kann man sofort nehmen;sie ist ja auch für die Akutsituation.Um eine Pflegezeit von bis zu einem halben Jahr an-zumelden, hat man zehn Tage Ankündigungszeit. Alles,was der Arbeitnehmer eher ankündigt, ist natürlich bes-ser – das steht auch im Gesetz –; aber er hat mindestensdiese zehn Tage. Ich denke, das ist für beide Seiten inOrdnung. Auch der Arbeitnehmer braucht zehn Tage,um sich zu entscheiden: Nehme ich jetzt ein halbes JahrPflegezeit oder nicht?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014 5447
Bundesministerin Manuela Schwesig
(C)
(B)
Um sich dafür zu entscheiden, in die Familienpflege-zeit zu gehen – die 24 Monate, also zwei Jahre –, hatman grundsätzlich acht Wochen Zeit – es sei denn, manist schon in der Pflegezeit, also schon in diesem halbenJahr; wenn man von da aus noch in die 24 Monate gehenwill, braucht das drei Monate Vorlauf. Der Arbeitgeberhat sich ja erst auf das halbe Jahr eingestellt und musssich dann darauf einstellen, dass noch einmal bis zu18 Monate draufkommen. Da sagen wir: Da sind dreiMonate Vorlauf gut und gerechtfertigt – und auch mach-bar für beide Seiten.
Der Kollege Marcus Weinberg.
Ich will noch mal darauf zurückkommen, dass die
letzte Lebensphase sehr akut kommen kann für alle Be-
teiligten, mit tragischen Wirkungen, und nicht immer
eine Pflegebedürftigkeit ausgesprochen wird. In diesem
Fall muss die ganze Familie diese letzte Lebensphase,
die sehr kurz andauern kann, bewältigen. Inwieweit ha-
ben Sie dieser Besonderheit – auch ohne dass eine Pfle-
gebedürftigkeit ausgesprochen wird – im Gesetzentwurf
Rechnung getragen?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Vielen Dank für die Frage, Herr Weinberg; das passt
auch zu der Frage nach der Pflegestufe und der Bearbei-
tungszeit seitens des MDK. Sie haben völlig recht: Wir
haben bisher bei dem ganzen Thema Pflegezeit/Fami-
lienpflegezeit nie die nach meiner Einschätzung schwie-
rigsten Fälle in der Familie bedacht, nämlich dass jemand
die Diagnose bekommt: schwerkrank, mit schlechtem
Verlauf, geringer Lebenserwartung, und dann vielleicht
ins Krankenhaus muss, ins Hospiz, und man es gar nicht
mehr schafft, eine Pflegestufe zu beantragen. Es gibt ja
auch Verläufe, wo eine Pflegestufe gar nicht notwendig
ist, aber trotzdem eine Auszeit gebraucht wird. Für diese
Fälle haben wir erstmalig im Gesetz geregelt, dass es
möglich ist, bis zu drei Monate auszusteigen, um jeman-
den in seiner letzten Lebensphase zu begleiten; das ist,
finde ich, ein ganz wichtiger – auch ethisch wichtiger –
Aspekt in diesem Gesetz.
Kollege Wunderlich.
Danke schön, Herr Präsident. – Frau Schwesig, es ist
hier schon festgestellt worden: Seit Einführung der Fa-
milienpflegezeit ist diese nur von wenigen Personen in
Anspruch genommen worden. Sie haben gesagt, das Ri-
siko des Lohnausfalls ist jetzt auf das Ministerium abge-
wälzt, und hoffen, dass jetzt mehr Anträge auf Familien-
pflegezeit gestellt werden. Da stellt sich mir die Frage:
Warum wird der Kreis der Berechtigten denn dann ein-
geschränkt, indem dieser Rechtsanspruch – der zugege-
benermaßen gestärkt worden ist – nur für Personen gel-
ten soll, die in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten
arbeiten? Das heißt doch: Die meisten Beschäftigten in
kleineren und in mittleren Unternehmen haben keinen
Rechtsanspruch, weil ihre Firma nicht die entsprechende
Größe hat, und fallen somit als Anspruchsberechtigte
aus. Wenn deren Eltern also zum Pflegefall werden,
müssen sie sehen, wo sie bleiben. Warum?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Sie haben völlig recht, Herr Wunderlich: Bisher ist
von dem Angebot der Politik kaum, eigentlich gar nicht
Gebrauch gemacht worden. Angesichts von nur 134 Fäl-
len muss man sich die Frage stellen: Was läuft hier ei-
gentlich schief? – Das haben wir auch gemacht, und wir
präsentieren jetzt ein Gesetz mit einem Gesamtkonzept:
Die zehntägige Auszeit gilt für alle Beschäftigten; da
gibt es keine Einschränkung in Bezug auf Kleinunter-
nehmen. Das Wichtigste – zehn Tage mit Lohnersatzleis-
tung – bekommen alle.
Die längeren Auszeiten – eine sechsmonatige Pflege-
zeit mit Darlehensanspruch und eine bis zu 24-monatige
Familienpflegezeit mit Darlehensanspruch, auf die erst-
malig auch ein Rechtsanspruch besteht – haben eine qua-
litative Wirkung, auch für den Arbeitgeber. Daher neh-
men wir zunächst die Betriebe aus, in denen bis zu
15 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten, weil
Kleinstbetriebe natürlich ganz andere Probleme haben,
wenn jemand für ein halbes Jahr reduziert, für zwei
Jahre reduziert oder das auch noch kombiniert.
Wir werden uns die Wirkungen dieser Regelungen an-
schauen. Auch diese kann der Beirat begleiten und se-
hen: Wie viele Arbeitnehmer sind von der einen Rege-
lung betroffen, wie viele von der anderen? Aber es hat
eben auch etwas mit der Balance zu tun, dass man die
Kleinstbetriebe im Hinblick auf flexible Arbeitszeiten
nicht so stark in Anspruch nehmen kann wie mittlere und
größere Betriebe.
Ich habe jetzt noch zwei Wortmeldungen notiert: von
Frau Pahlmann und von Paul Lehrieder. Danach würde
ich gerne diesen Teil mit Blick auf weitere mögliche Fra-
gen an die Bundesregierung abschließen. – Frau
Pahlmann.
Danke, Herr Präsident. – Frau Schwesig, meine ersteFrage wurde schon beantwortet, nämlich die nach denAnkündigungsfristen. Aber ich habe noch eine Frage.Mit dem Gesetz wird die Möglichkeit geschaffen, dassder pflegende Angehörige ein zinsloses Darlehen auf-nimmt. Dieses Darlehen soll zurückgezahlt werden,wenn der Angehörige wieder an seinen Arbeitsplatz zu-rückkommt. Was passiert in dem Fall, dass er nach derZeit der Inanspruchnahme über einen wirklich langenZeitraum arbeitslos wird? Wie und wann muss er danndas Darlehen zurückzahlen? Wie sind da die Fristen?Können Sie mir dazu etwas sagen?
Metadaten/Kopzeile:
5448 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014
(C)
(B)
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Vielen Dank. – Auch das wäre ein Härtefall. Wir sa-gen: Wenn ein Angehöriger nach der Pflegezeit seineArbeit ohne eigene Schuld nicht wieder aufnehmen kann– das heißt im Falle der Arbeitslosigkeit, weil in dieserZeit der Betrieb, was wir nicht hoffen, in Konkurs geht –oder wenn er krank wird, dann wird das Darlehen solange gestundet, bis er seine Arbeit wieder aufnehmenkann. Es sei denn, er geht in Rente und kommt in finan-zielle Schwierigkeiten. Wenn die Person jedoch wiederin eine Arbeitsphase kommt, in der sie das Geld zurück-zahlen kann, soll es auch zurückgezahlt werden. Aber imFalle von Arbeitslosigkeit oder Krankheit kann dieRückzahlung gestundet werden.
Paul Lehrieder.
Sehr geehrter Herr Präsident, da ich die gleiche Frage
stellen wollte wie die Kollegin Pahlmann direkt vor mir,
verzichte ich auf meine Frage.
Das gibt mir die Gelegenheit, die Kollegin
Timmermann-Fechter noch zu Wort kommen zu lassen,
deren Wortmeldung ich vorhin offenkundig übersehen
hatte. – Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Frau
Ministerin, Sie sind jetzt mehrmals auf den unabhängi-
gen Beirat eingegangen, der eingerichtet werden soll.
Meine Frage ist: Könnten Sie die Aufgabe dieses Beirats
und seine Zusammensetzung einmal konkretisieren?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Vielen Dank. – Der Beirat wird sich aus unterschiedli-
chen Vertretern zusammensetzen, aus Vertretern der
Pflegelandschaft, aber natürlich auch aus Vertretern von
Familienverbänden, um die Wirkungen gemeinsam zu
beraten. Die Aufgabe ist, dieses Gesetz zu begleiten, so-
dass wir nicht nur eine wissenschaftliche Evaluation ha-
ben, sondern vor allem auch mit Vertretern von Verbän-
den beraten – auch Vertreter der Wirtschaft und der
Gewerkschaften sollen dabei sein –, wie wir dieses
Thema in den nächsten Jahren weiterentwickeln und be-
gleiten können.
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels
wird es in diesem Bereich eine große dynamische Ent-
wicklung geben. Ich möchte von mir nicht behaupten,
dass ich so klug bin, alles bedacht zu haben. Wir wollen
gucken: Was funktioniert? Wo muss man vielleicht nach-
steuern?
Es kommen noch weitere Stufen dazu, wie etwa der
neue Pflegebedürftigkeitsbegriff; wir hatten das vorhin
angesprochen. Ich nutze schnell die Zeit, um etwas nach-
zureichen – ich habe nämlich das Glück, neben einer
Vertreterin des BMG zu sitzen; Frau Widmann-Mauz
kennt den Zeitplan besser als ich –: Ab 2017 ist geplant,
auch die demenziell Erkrankten über den neuen Pflege-
bedürftigkeitsbegriff besser zu berücksichtigen. All das
werden Entwicklungen sein, die wir uns gemeinsam an-
schauen.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Zu anderen Themen
der heutigen Kabinettssitzung hat die Kollegin Keul um
das Wort gebeten.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Die Bundesregierung
hat sich in der heutigen Kabinettssitzung auch mit dem
Bericht über die Rüstungsexporte des ersten Halbjahres
2014 befasst. Wir alle hatten uns große Hoffnungen ge-
macht, da Minister Gabriel ja angekündigt hatte, er wolle
endlich die Grundsätze der Bundesregierung ernst neh-
men, wonach nur Rüstungsexporte in NATO- und EU-
Länder die Regel sein dürfen und Exporte in Drittstaaten
nur in ganz begrenzten Ausnahmefällen erlaubt werden
sollen.
Jetzt stellen wir bei einem Blick in den Bericht, den
Sie heute beschlossen haben, fest, dass sich der Trend,
den wir schon früher kritisiert haben, fortsetzt und jetzt
63 Prozent aller Genehmigungen den Export von
Kriegswaffen und Rüstungsgütern in Drittstaaten und er-
neut auch auf die Arabische Halbinsel betreffen. Wie er-
klärt sich das? Wie konnte es dazu kommen?
Frau Ministerin.
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Das Kabinett hat heute den Zwischenbericht der Bun-
desregierung über die Rüstungsexporte im ersten Halb-
jahr 2014 beschlossen. Um die Transparenz von Geneh-
migungsentscheidungen zu Rüstungsexporten zu verbessern,
haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, diesen Zwi-
schenbericht vorzulegen. Im ersten Halbjahr wurden für
Rüstungsgüter Einzelausfuhrgenehmigungen im Wert
von insgesamt 2,23 Milliarden Euro erteilt. Ich weiß
nicht, ob das Kanzleramt noch zusätzlich aus dem Rüs-
tungsbericht berichten will, aber er wird Ihnen auch zu-
gehen.
Herr Gabriel hat deutlich gemacht, dass er sich an die
Verabredungen hält, und das tut er auch. Das zeigt auch
der Bericht.
Herr Kekeritz.
Danke schön. – Meine Frage geht auch in diese Rich-tung. Es ist eine Frage, die sehr wichtig ist, um das Poli-tikverständnis dieser Regierung zu verstehen. Welchessicherheitspolitische Interesse haben Sie, Kriegswaffennach Saudi-Arabien oder in die Vereinigten Arabischen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014 5449
Uwe Kekeritz
(C)
(B)
Emirate zu exportieren? Das ist insbesondere in Bezugauf Syrien und die dominante Stellung des IS hochin-teressant.
Frau Ministerin.
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Für Rüstungsexporte gibt es ganz klare Regeln und
Standards, nach denen bewertet wird. Dabei spielen auch
die sicherheitspolitischen Aspekte eine Rolle, und diese
sind, wie Sie es eben angesprochen haben, jeden Tag ak-
tuell. Danach entscheidet die Bundesregierung, insbe-
sondere der Wirtschaftsminister. Das wird aus dem Zwi-
schenbericht ersichtlich.
Kollege Janecek.
Auch meine Frage geht in diese Richtung. Wir hatten
gerade im Wirtschaftsausschuss den Airbus-Vorstands-
vorsitzenden Thomas Enders zu Gast, der in den Medien
die Bundesregierung bzw. das Verteidigungsministerium
indirekt angegriffen und die gesamte Beschaffungspra-
xis und auch Standorte infrage gestellt hat. Aus unserer
Sicht ist insgesamt infrage zu stellen, warum zum Bei-
spiel der Export von Kleinwaffen überhaupt noch eine
notwendige Maßnahme ist. Ich bitte Sie, dazu Stellung
zu nehmen.
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Die Bundesregierung legt besonders strenge Maß-
stäbe an die Genehmigungserteilungen für Exporte von
Kleinwaffen an. Der Gesamtwert für die Genehmigun-
gen zur Ausfuhr von Kleinwaffen im ersten Halbjahr
2014 belief sich auf 21 Millionen Euro. Dies entspricht
einem Rückgang um circa 18 Millionen Euro. Die Ge-
nehmigungen für Kleinwaffenmunition sind ebenfalls
zurückgegangen. Die Bundesregierung beabsichtigt zu-
dem, Kleinwaffengrundsätze zu veröffentlichen.
In der noch nicht abgeschlossenen Abstimmung zwi-
schen den Ressorts geht es insbesondere darum, den
Grundsatz „Neu für Alt“ zu präzisieren und weiterzuent-
wickeln. Dieser besagt, dass bei einer Lieferung von
Kleinwaffen im jeweiligen Empfängerland möglichst
eine gleiche Anzahl vorhandener Waffen ausgesondert
und vernichtet – und nicht etwa weiterveräußert – wer-
den soll.
Frau Haßelmann.
Vielen Dank. – Frau Ministerin, ich teile Ihre Ein-
schätzung in keiner Weise. Aus der Presseberichterstat-
tung wird deutlich, dass Herr Gabriel seine öffentlichen
Ankündigungen und Versprechungen nicht hält, was die
Frage der Beschränkung der Rüstungsexporte angeht.
Mich interessiert aber, wie Sie im Kabinett darüber dis-
kutieren. Sind Sie mit mir der Auffassung, dass es dem
Parlament gegenüber sehr respektlos ist, dass vonseiten
des Verteidigungsministeriums und des Wirtschafts-
ministeriums, wenn es um die Themen Rüstungsexporte
oder Beschaffungswesen der Bundeswehr geht, zum
wiederholten Male die Presse vor dem Parlament infor-
miert wird?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Wir haben deshalb unterschiedliche Bewertungen da-
rüber, ob Herr Gabriel sich an seine Versprechen hält,
weil ich nicht die Presseberichte zum Maßstab für meine
Bewertung nehme, sondern die Berichte, die Herr
Gabriel im Kabinett gibt und die er auch dem Parlament
mit dem Exportbericht vorlegt. Sie und nicht etwa die
Medienberichterstattung sind für mich Maßstab der Be-
wertung. Vielleicht haben wir deshalb unterschiedliche
Eindrücke und Bewertungen.
Es ist natürlich Anliegen der Bundesregierung, das
Parlament zu unterrichten, und zwar vor der Presse, und
das wird auch getan.
Der Bericht zeigt, dass wir das ernst nehmen. Denn
wenn ich es richtig verstanden habe, gab es in der Ver-
gangenheit einen jährlichen Bericht. Jetzt legen wir
halbjährlich einen Bericht vor. Auch das ist ein Zeichen
dafür, dass wir mehr Transparenz beabsichtigen, und das
tun Herr Gabriel und die Bundesregierung.
Kollege Petzold.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich habe noch eineNachfrage zu dem Verfahren. Ich habe heute Vormittagin der Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbrau-cherschutz einen Bericht des Bundessicherheitsrates vor-gelegt bekommen. Jetzt erfahre ich durch Sie, dass dasBundeskabinett insgesamt entschieden hat. Wer ent-scheidet denn letzten Endes tatsächlich darüber? Wennwir einen Bericht des Bundessicherheitsrates bekom-men: Wird hier ein Gremium installiert, dessen sich dieBundesregierung sozusagen bedient, und sind dann dieBundesminister selber gar nicht mehr am Entschei-dungsprozess beteiligt? Wie läuft das tatsächlich ab?Können Sie mir das bitte darlegen?Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Das kann ich Ihnen sehr gerne darlegen. Ich habenicht gesagt, dass das Bundeskabinett über die Einzel-maßnahmen entscheidet. Vielmehr habe ich berichtet,dass der Bundeswirtschaftsminister heute den Bericht,
Metadaten/Kopzeile:
5450 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014
Bundesministerin Manuela Schwesig
(C)
(B)
der auch Grundlage für die Fragen der anderen Abgeord-neten ist, vorgelegt hat. Wenn ein Bericht im Kabinettvorgelegt wird, dann nimmt ihn das komplette Kabinettzur Kenntnis; das ist eigentlich jedem Minister zu wün-schen. Das war auch in diesem Fall so.Es bleibt beim bisherigen Verfahren, dass das die be-troffenen Ressorts einzeln entscheiden. Ich kann nichtden Bericht des Bundessicherheitsrates bewerten; dennüber diesen wurde in der Ausschusssitzung, an der Sieteilgenommen haben, berichtet. Es gibt eine Verschwie-genheitspflicht. Da ich nicht Mitglied des Bundessicher-heitsrates bin, bin ich darüber nicht informiert worden.
Frau Dröge.
Herzlichen Dank für die Gelegenheit, auch noch Fra-
gen zu diesem Themenkomplex stellen zu dürfen. – Ich
bin Mitglied und Obfrau im Ausschuss für Wirtschaft
und Energie. Wir haben den Bericht in Papierform tat-
sächlich erst zu Beginn der Sitzung erhalten. Wir sollten
dann mit Herrn Minister Gabriel darüber diskutieren,
ohne den Bericht gelesen zu haben. Wir wussten aber
aus der Presse bereits, dass dieser Bericht schon am
Abend zuvor Journalisten zugeleitet worden war. Was
versteht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang
unter Transparenz, und wie sieht sie die Möglichkeiten
von uns Parlamentariern, im Ausschuss über diesen Be-
richt valide zu beraten, wenn wir ihn vor der Ausschuss-
sitzung gar nicht bekommen haben?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Ich bitte die Fragesteller darum, präzise zu sagen, um
welchen Bericht es geht. Ich hatte den Abgeordneten der
Fraktion Die Linke so verstanden, dass es um einen Be-
richt des Bundessicherheitsrates geht. Nun höre ich ge-
rade von der Regierungsbank, dass dieser Bericht im
Ausschuss gar nicht gehalten wurde. Ich antworte natür-
lich auf die Fragen, weil ich davon ausgehe, dass das,
wonach gefragt wird, den Tatsachen entspricht. Ich
kenne diesen Bericht nicht und kann ihn auch nicht ken-
nen, weil ich nicht Mitglied des Bundessicherheitsrates
bin. Die Verschwiegenheitspflichten gehen so weit, dass
die einzelnen Kabinettsmitglieder, die nicht Mitglieder
des Bundessicherheitsrates sind, nicht unterrichtet wer-
den. Wenn Sie nun den Bericht meinen, der heute in das
Kabinett eingebracht wurde, dann kann ich nur sagen:
Das Kabinett muss diesen Bericht erst einmal zur Kennt-
nis nehmen und beschließen.
Zu diesem Thema ließe sich vieles sagen. Das tragen
wir gelegentlich im Ältestenrat aus. Dass die Möglich-
keiten der Bundesregierung, rechtzeitig das Parlament
oder einzelne Fragesteller über nachgefragte Sachver-
halte zu informieren, in einer beachtlichen Zahl von Ein-
zelfällen optimierungsfähig sind, daran kann allerdings
kein Zweifel bestehen.
Die nächste Frage stellt der Kollege Kekeritz.
Danke schön. – Herr Präsident, Sie haben es gerade
angesprochen: Es geht um die Frage der Optimierung.
Ich finde es sehr unbefriedigend, dass hier nur eine
Ministerin für sämtliche Ressorts antwortet. Das kann
eigentlich nicht Sinn und Zweck der Fragestunde sein.
Sie beantworten aber bisher alle Fragen hervorragend.
Ich frage mich, wofür wir dann so viele Minister brau-
chen.
Ich nehme es zurück und entschuldige mich dafür.
Nein, Herr Kollege Kekeritz, man muss fairerweise
sagen: Das, was heute hier stattfindet, ist ein kleiner
Schritt für die Menschheit, aber in Bezug auf die Frage-
stunde ein großer Schritt für den Deutschen Bundestag.
Das sehe ich genauso. – Minister Müller hat in denletzten fünf Jahren eine Textilinitiative vorangetrieben.Man konnte gestern und vorgestern in den Medien lesen,dass viele Verbände ausgestiegen sind. Heute war zu hö-ren, dass es noch Nachverhandlungen zu dieser Initiativegibt. Was davon wurde im Kabinett diskutiert, und wel-che Unterstützung kann Minister Müller von den Res-sortkollegen erwarten? Bei uns kam die Botschaft an,dass es sehr viel Reibereien bezüglich der Kompetenzengab.Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Vielen Dank. – Das war heute nicht Thema im Kabi-nett. Deswegen kann ich dazu nichts sagen. Ich freuemich sehr, dass ich auch einmal etwas zu den Themender anderen sagen kann, räume aber ein, dass das nichtbei jedem Thema geht, erst recht nicht, wenn es nicht imKabinett war.Ich biete an: Unsere Parlamentarischen Staatssekre-täre sind sehr vertraut mit dem Stoff, sodass sie das eineoder andere hier sicherlich noch gut beantworten kön-nen. Wenn Sie möchten, gebe ich die Frage weiter an dasBMZ.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014 5451
(C)
(B)
Da wir im Augenblick bei der Befragung zu weiteren
Themen der Kabinettssitzung sind, steht das jetzt nicht
zur Debatte.
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Es war nicht Thema der Kabinettssitzung.
Okay, wunderbar. – Kollegin Keul.
Um sicherzustellen, dass es keine Missverständnisse
gibt: In der Süddeutschen Zeitung von heute Morgen
ging es um den Zwischenbericht, den Sie dann im Kabi-
nett besprochen haben. Das ist der Punkt, auf den wir
hier hinauswollen.
Ich habe trotzdem noch eine Nachfrage zu diesem
Zwischenbericht, den ich mir angeschaut habe. Ich muss
immer wieder feststellen, dass dort offensichtlich nur
Genehmigungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz ent-
halten sind, aber ganz offensichtlich nicht die Genehmi-
gungen von Kriegswaffenexporten nach dem Kriegswaf-
fenkontrollgesetz; denn die Leopard-Kampfpanzer für
Katar, die bereits letztes Jahr im Mai genehmigt worden
sind, waren weder im Jahresbericht 2013 enthalten, noch
sind sie jetzt im Bericht zum ersten Halbjahr 2014 ent-
halten. Deswegen die Frage: In welchem Bericht werden
denn endlich die abschließenden Genehmigungen dieser
Kampfpanzer auftauchen?
Wann – ich nutze schnell die Gelegenheit – werden
wir endlich über diesen Bericht 2013, also den Jahresbe-
richt, und den Halbjahresbericht 2014 hier im Plenum
debattieren können? Wann wird die Bundesregierung
den auf die Tagesordnung setzen?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Wann der Bericht 2013 debattiert wird, entscheidet
das Parlament.
Wann wir welche Punkte aufsetzen, entscheiden wir
selbst. Selbstverständlich.
– Sobald wir einen haben, können wir ihn aufsetzen.
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Der Bericht für 2013 ist doch jetzt da. Dann kann
doch das Parlament jetzt darüber entscheiden, wann er
auf die Tagesordnung kommt.
Die Frage nach den Leopard-Panzern gebe ich gerne
weiter. Das kann ich Ihnen nicht sagen; das war heute
nicht explizit Thema im Kabinett.
Kollege Tiefensee, hat sich Ihre Nachfrage erledigt?
– Sie möchten noch? – Bitte schön.
Frau Ministerin, halten Sie es genauso wie ich für
nicht besonders gut im Sinne der parlamentarischen Ge-
pflogenheiten, wenn meine Kollegin Dröge den Bericht
für das Jahr 2014 hochhält und sagt, den habe sie gerade
bekommen und über den solle heute diskutiert werden,
wo doch der Bericht des Jahres 2013 als Tagesordnungs-
punkt angegeben war und der Bericht des Jahres 2014
nur zufällig am selben Tag ausgereicht wurde?
– Ich bin Mitglied des Wirtschaftsausschusses, gemein-
sam mit Frau Dröge. Der Tagesordnungspunkt heute
ging nicht über den Bericht 2014, sondern über den Be-
richt 2013. Man kann nicht mit dem Bericht aus dem
Jahr 2014 herumwedeln, wenn er nicht der Tagesord-
nungspunkt war.
Die zweite Frage ist: Sind Sie mit mir einer Meinung,
dass es eine völlig neue Ausrichtung der Exportpolitik
durch Minister Gabriel allein dadurch gegeben hat, dass
wir uns entsprechend dem Koalitionsvertrag auf die sehr
restriktiven Richtlinien von 2000 rückbeziehen, die un-
ter Rot-Grün verabschiedet worden sind?
Die dritte Frage: Wenn über Exporte nach Saudi-Ara-
bien gesprochen wird, ist es richtig, dass es sich zum Teil
um Erprobungsmaterial handelt, zum Beispiel den Pan-
zer Wisent, also um Panzer ohne Bewaffnung, die nach
der Erprobung wieder zurückgeführt werden?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Ich bin Ihrer Meinung.
Das ist eine erfreulich knappe Antwort, die mir dieÜberleitung zu dem Hinweis erleichtert, dass wir, wieSie bemerkt haben, weit über die Zeit hinaus sind, dieüblicherweise für die Regierungsbefragung vorgesehenist. Das machte ganz offenkundig Sinn.Ich mache nur darauf aufmerksam, dass, wenn wirjetzt auch noch die dritte Fragemöglichkeit im Rahmender Regierungsbefragung aufrufen – sonstige Fragen andie Bundesregierung, unabhängig von der Kabinettssit-zung –, die Zeit, die wir dafür in Anspruch nehmen, vonder Fragestunde, die sich anschließt, abgezogen wird.Zu dieser dritten Kategorie hat sich die KolleginKünast zu Wort gemeldet.
Metadaten/Kopzeile:
5452 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014
(C)
(B)
Ein Thema, das gerade schon kurz angesprochen
wurde: Es soll, so die Medien, ein von Bundesminister
Müller initiiertes Aktionsbündnis für nachhaltige Texti-
lien – früher war auch von „Textilsiegel“ die Rede – ge-
ben. Man hört und liest jetzt allerorten, dass es ständig
Änderungen gibt. Ich frage also: Was gilt denn nun ei-
gentlich materiell, und wer nimmt teil? Ich frage nach
der Teilnahme, weil wir fast täglich mitbekommen, dass
der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels, Indus-
trieunternehmen und andere sagen: Nein, wir werden
nicht teilnehmen, allenfalls mitdiskutieren, aber nicht
unterschreiben. – Mir liegen Schreiben vor, offenbar in
den letzten Tagen hektisch verfasst, die die Ziele dieser
Initiative relativieren. Um einzelne Personen einzuwer-
ben, steht darin: Es ist doch Aufgabe aller Bündnispart-
ner, notwendige Umsetzungsschritte zur Anhebung des
Lohnniveaus gemeinsam zu ermitteln und dann festzule-
gen. – Vorher wurde gesagt, diese Schritte sollen ab
2020 gelten.
Mein letzter Punkt in diesem Zusammenhang ist: Was
genau will eigentlich die Bundesregierung tun? Ich habe
bisher keine Erklärung gefunden, in der steht, dass die
Bundesregierung zum Beispiel eine Initiative für exis-
tenzsichernde Löhne oder eine Transparenzrichtlinie auf
europäischer Ebene in Angriff nimmt. Ist das von Herrn
Müller alles nur aufgeschrieben, oder passiert seitens der
Bundesregierung auch tatsächlich etwas?
Frau Schwesig, können Sie darauf antworten?
– Welche Großzügigkeit. – Wer möchte oder kann das
beantworten? – Frau Schwesig, bitte.
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Da morgen dazu eine Pressekonferenz stattfindet,
fände ich es sehr gut, wenn der PSt berichtete.
Bitte schön, Herr Staatssekretär Silberhorn.
Th
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin Künast,
das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung hat nun über fünf Monate hin-
weg mit allen Beteiligten an diesem Textilbündnis ge-
schmiedet, mit Vertretern der Wirtschaft, mit Vertretern
der Gewerkschaften, der Verbände, der Nichtregierungs-
organisationen. Es ist bereits gesagt worden: Morgen
soll dieses Textilbündnis der Öffentlichkeit vorgestellt
werden. Es gab in der Tat bereits öffentliche Äußerungen
von zwei Verbänden, die angekündigt haben, dass sie
nicht unterzeichnen werden. Es gibt andere, die unter-
zeichnen werden. Wer alles dabei ist, das werden wir
morgen der Öffentlichkeit vorstellen.
Eine Nachfrage der Kollegin Künast.
Herr Präsident, Sie haben hier ja von einem großen
Schritt für den Deutschen Bundestag gesprochen. Die
Antwort, die gerade gegeben worden ist, lässt sich da
aber nicht subsumieren. Denn was habe ich als Parla-
mentarierin davon, dass mir einer erzählt, dass es mor-
gen eine Pressekonferenz gibt?
Diese Antwort wollen Sie, Herr Silberhorn, mir hier
doch wohl nicht ernsthaft anbieten.
Ich möchte Sie also dazu auffordern, mir eine kon-
krete, materielle Antwort zu geben. Die Zeitungen sind
voll von dem, wonach ich gefragt habe. Wir sitzen mor-
gen hier und arbeiten und können nicht zu Ihrer Presse-
konferenz erscheinen. Das werden Sie uns wohl nachse-
hen.
Vor allem möchte ich fragen: Welche konkreten
Pflichten für die nächsten 24 Monate übernimmt das
Bundesministerium, um zum Beispiel eine europäische
Initiative zur Schaffung einer Transparenzrichtlinie für
die gesamte Produktionskette zu starten oder um dafür
Sorge zu tragen, dass die Least Developed Countries, die
ja die textilproduzierenden Länder sind, existenzsi-
chernde Löhne zahlen müssen, um ihre Textilien in die
Europäische Union importieren zu können? Es ist doch
eigentlich ganz einfach, zu sagen, ob die Bundesregie-
rung konkrete Zusagen bezüglich ihrer Handlungen
macht.
Herr Kollege Silberhorn.
Frau Kollegin Künast, Sie sagen, einige derjenigen,die sich auf der Pressekonferenz morgen vorstellen wer-den, hätten bereits öffentlich angekündigt, dass sie unter-zeichnen werden, andere noch nicht. Das kann sichstündlich ändern. Deswegen kann ich Ihnen die aktuelleZahl der Unterzeichner zum gegenwärtigen Zeitpunktnicht nennen.Unsere Zusammenarbeit mit der Europäischen Unionin diesem Zusammenhang ist bereits mehrfach Gegen-stand der Debatten in diesem Haus gewesen. Wir habenvon Anfang an darauf hingewirkt, dass unsere Initiativenvon der Europäischen Kommission begleitet werden. Esgibt ein großes Interesse daran.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014 5453
Thomas Silberhorn
(C)
(B)
Sie wissen allerdings auch, dass die Europäische Kom-mission vor einer Neubesetzung steht und dass wir inengen Verhandlungen sind, das, was wir mit dem Textil-bündnis in Deutschland jetzt anstoßen, auf der europäi-schen Ebene zu verstärken. Das tun wir auch in unsererbilateralen Entwicklungszusammenarbeit mit Partner-ländern wie Bangladesch, Pakistan und anderen. Mitunseren bilateralen Programmen wirken wir selbstver-ständlich auch darauf hin, dass vor Ort in unseren Part-nerländern soziale und ökologische Mindeststandardseingehalten werden. Ein Beispiel dafür ist unsere Initia-tive, in Ausbildung, in Training zu investieren auch dort,wo es Gewerkschaften gibt, damit man sich aus eigenerKraft, mit eigenen Möglichkeiten für die Einhaltung vonsozialen und ökologischen Standards einsetzen kann.
Es gibt jetzt noch drei Wortmeldungen – dann würde
ich allerdings mit Blick auf unseren Zeitplan gern die
Regierungsbefragung schließen –: vom Kollegen Gastel,
von Frau Haßelmann und vom Kollegen Kekeritz. –
Herr Gastel.
Herr Präsident, vielen Dank. – Ich frage die Bundes-
regierung, ob Meldungen zutreffen, wonach das Kraft-
fahrt-Bundesamt mit der Erhebung der Pkw-Maut – um-
gangssprachlich auch „CSU-Maut“ genannt – beauftragt
werden soll, wofür 1 500 zusätzliche Stellen erforderlich
sind, was einer Verdreifachung der bisherigen Stellen-
zahl in dieser Behörde entsprechen würde.
Wer kann das beantworten? – Bitte schön, Herr Kol-
lege Ferlemann.
E
Kollege Gastel, wir befinden uns derzeit in der Phase
der Erarbeitung eines Referentenentwurfs zur Pkw-
Maut. Auch diese Fragestellungen sind Bestandteil der
Überprüfung.
Frau Haßelmann.
Ich möchte auf die Frage von Frau Künast zurück-
kommen – denn die ist nicht beantwortet worden –, wel-
che Unternehmen, wie viele Unternehmen morgen diese
E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ist vielleicht
ein Mitglied der Bundesregierung in der Lage, sie zu be-
antworten? Ich dränge auf jeden Fall auf Beantwortung
in dieser Befragung.
Herr Silberhorn.
Th
Frau Kollegin, wie ich Ihnen schon gesagt habe, die
Zahl der Unternehmen kann sich stündlich ändern.
Ich biete Ihnen gern an, aktuell herauszufinden, wie
viele es gerade sind.
Ich habe die Zahl zur Stunde nicht hier.
Kollege Kekeritz.
Es ist schon interessant, dass wir die Fragen, die ge-stellt werden, nicht beantwortet bekommen. Frau Künasthat doch ganz klar gefragt: Was ist die Rolle der Bundes-regierung bei dieser Initiative? Hat Minister Müller jetztdie Unterstützung des Kabinetts, oder hat er sie nicht?Meine Vermutung ist: Er hat sie nicht. Dann ist es auchnicht die Initiative der Bundesregierung, sondern einePrivatinitiative eines Ministeriums.Die zweite Frage, die nicht beantwortet worden ist:Was läuft denn auf europäischer Ebene? Da zeichnetsich die Bundesregierung ja als Bremserin von Offenle-gungspflichten aus, während Herr Minister Müller hierin Deutschland immer wieder die verbindliche Festle-gung von Standards einfordert. „Verbindliche Festlegungvon Standards“ kann ja nur heißen, dass die Standardsöffentlich gemacht werden und dass auch festgehaltenwird, wie die Unternehmen diese berücksichtigen. Also:Warum bremst die Bundesregierung in Europa, und wa-rum tritt Herr Müller hier in Deutschland so auf, alswenn er verbindliche Standards wollte?
Metadaten/Kopzeile:
5454 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014
(C)
(B)
Th
Herr Kollege Kekeritz, wir geben Ihnen auf die Fra-
gen, die Sie stellen, vollständig Auskunft, soweit das in
unseren Möglichkeiten liegt.
Was aber nicht geht, ist, dass Sie eine völlig neue Frage
einführen und diese mit der Kritik begleiten, sie sei gar
nicht beantwortet worden.
Wenn Sie danach fragen, wie die Bundesregierung im
Rahmen des angesprochenen Textilbündnisses zusam-
menarbeitet, kann ich Ihnen sagen, dass die Bundes-
regierung sich – wie bei allen Themen, so auch hier –
selbstverständlich eng abstimmt und koordiniert.
Es hat eine Reihe von Abstimmungen des Bundesminis-
teriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung mit dem Ministerium für Arbeit und Soziales
und auch mit dem Ministerium der Justiz und für Ver-
braucherschutz gegeben; wir stimmen uns da in einem
engen Ressortkreis ab. Das Gleiche gilt auch für die
europäische Ebene.
Noch einmal: Welche Initiativen die neue Kommis-
sion dann auf der europäischen Ebene ergreifen wird,
wird erst die neue Kommission entscheiden.
Frau Künast, Sie müssen mir nicht erklären, wer welche
Initiativen ergreifen kann.
Wenn Sie das Initiativmonopol der Europäischen Kom-
mission kennen, dann wissen Sie, dass der Fahrplan der
Kommission von den neuen Kommissaren bestimmt
werden wird.
Wir haben ein Interesse daran – insofern wiederhole
ich mich –, die Initiative, die wir hier in Deutschland er-
greifen, zu verstärken, sowohl was unsere bilaterale Zu-
sammenarbeit mit Partnerländern angeht, als auch was
unser multilaterales Engagement angeht. Da ist die
Europäische Union ein wichtiger Partner, aber nicht der
alleinige. Wir stehen in engem Kontakt mit der Interna-
tionalen Arbeitsorganisation, weil es darum geht, deren
Kernarbeitsnormen umzusetzen. Wir stehen auch in
Kontakt mit der Weltbank beispielsweise,
wo ich selbst am Wochenende das Thema der sozialen
und ökologischen Standards mehrfach adressiert habe.
Insofern nutzen wir alle Möglichkeiten und Fähigkeiten,
die wir haben, um dieser Initiative auch international
Nachdruck zu verschaffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bleiben Sie ent-
spannt. Wir haben uns jetzt ja gut ausgetauscht.
Noch einmal zu den Regeln: Bei der Regierungsbe-
fragung darf nach allem gefragt werden; das ist klar.
Es kann nicht alles sofort beantwortet werden. Aber es
gab einige Zusagen, dass Fragen noch schriftlich beant-
wortet werden.
Ich beende damit die Regierungsbefragung und rufe
den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/2831
Ich rufe die Fragen in der üblichen Reihenfolge auf.
Wir kommen zuerst zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Wirtschaft und Energie. Zur Beant-
wortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin
Iris Gleicke bereit.
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Andreas
Mattfeldt auf:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor,
wie sich die britische Regierung zum geplanten Verkauf der
RWE Dea AG an die Letter One GmbH positioniert, und
wenn nein, hat die Bundesregierung sich darum bemüht bzw.
wird sie sich darum bemühen, da hiervon auch deutsche Inte-
ressen betroffen sein könnten?
Frau Staatssekretärin, bitte.
I
Schönen Dank, Herr Präsident. – Lieber KollegeMattfeldt, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: NachKenntnis der Bundesregierung hat sich die britische Re-gierung bisher weder zum Verkauf der RWE Dea als sol-chem positioniert noch sonst ein der deutschen Investi-tionsprüfung vergleichbares Verfahren durchgeführt. DieBundesregierung steht in engem Kontakt mit der briti-schen Botschaft sowie dem britischen Energieministe-rium, dem DECC, das für die Vergabe von Öl- und Gas-förderlizenzen im Vereinigten Königreich zuständig ist,da die britische Tochtergesellschaft RWE Dea UK eineReihe lokaler Förderlizenzen hält. Die Vertragsparteien
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014 5455
Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke
(C)
(B)
haben vereinbart, eine Zusicherung zum Fortbestanddieser Lizenzen nach dem Verkauf zu beantragen. Bis-lang wurde eine solche Zusicherung nicht erteilt.
Gibt es dazu noch eine Rückfrage, Kollege Mattfeldt?
Bitte schön.
Herzlichen Dank. – Frau Staatssekretärin, ich habe
eine Zusatzfrage zu diesem Bereich – denn dies ging
durch die Medien und hat auch mit Versorgungssicher-
heit zu tun –: Wie positioniert sich die Bundesregierung
vor dem Hintergrund, dass es für Öl eine Bevorratungs-
verpflichtung gibt, nach der im Krisenfall die Versor-
gung 90 Tage lang aufrechterhalten werden muss, zu der
von Frau Kemfert vom Deutschen Institut für Wirt-
schaftsforschung am 6. Oktober im ARD-Morgenmaga-
zin erhobenen Forderung nach einer nationalen Gasre-
serve? Sie erwähnte in diesem Zusammenhang, dass in
Deutschland schon über ein Viertel der Gasspeicher in
russischer Hand ist.
I
Sie beziehen sich damit auf Ihre nächste schriftlich
eingereichte Frage. Wenn ich die Antwort darauf vorzie-
hen darf, würde ich das, mit Verlaub, machen.
Dann nehmen wir die Frage 2 des Kollegen Mattfeldt
mit dazu:
Wie positioniert sich die Bundesregierung zu der Forde-
rung von Professor Dr. Claudia Kemfert, Deutsches Institut
für Wirtschaftsforschung, am 6. Oktober 2014 im ARD-Mor-
genmagazin nach einer nationalen Gasreserve vor dem Hin-
tergrund, dass es für Öl eine Bevorratungsverpflichtung gibt,
nach der im Krisenfall die Versorgung 90 Tage aufrechterhal-
ten werden muss und in Deutschland schon über ein Viertel
I
Herr Kollege Mattfeldt, das BMWi vergibt derzeit
eine Studie mit dem Titel „Möglichkeiten zur Verbesse-
rung der Gasversorgungssicherheit und der Krisenvor-
sowie der wirtschaftlichen Auswirkungen auf den
Markt“. Nach einer zu erwartenden Beauftragung ab No-
vember ist die Bearbeitungszeit zur Erstellung der Studie
mit sechs Monaten festgesetzt, sodass mit Ergebnissen
im April 2015 gerechnet werden kann. Die Diskussionen
über eine mögliche Speicherregelung sollten dann auch
die Vorgaben und Überlegungen auf europäischer Ebene
berücksichtigen.
Der Fragesteller ist zufrieden. – Es gibt dann eine Zu-
satz- oder Nachfrage des Abgeordneten Krischer von
Bündnis 90/Die Grünen. Bitte.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekre-
tärin, ich möchte jetzt gerne eine Nachfrage zur ersten
Frage stellen; denn das ging gerade ineinander über.
Nach meinen Informationen hat die Letter One Group
bzw. Herr Fridmann eine Unbedenklichkeitserklärung
für den Kauf der RWE Dea AG bei der Bundesregierung
beantragt. Wurde diese Unbedenklichkeitserklärung
vonseiten der Bundesregierung erteilt und, wenn ja oder
nein, mit welcher Begründung?
I
Nach dem deutschen Außenwirtschaftsrecht kann
eine Unbedenklichkeitsbescheinigung nur dann versagt
werden, wenn der Verkauf an einen außereuropäischen
Erwerber nachweislich Gefahren für die öffentliche Ord-
nung oder Sicherheit mit sich bringt. Das war hier nicht
der Fall. Wir haben die einzelnen Erwägungen vor kur-
zem dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie darge-
stellt; der Bericht liegt dem Ausschuss vor. Insofern war
diese Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht zu versa-
gen.
Herr Krischer, eigentlich dürften Sie keine zweite
Frage mehr stellen. Sie könnten allenfalls eine Frage zu
der zweiten schriftlich eingereichten Frage stellen.
Ich würde es gerne zur zweiten Frage tun, da ich auch
zu diesem anderen Themenkomplex eine Nachfrage
habe.
Ich habe es geahnt. – Bitte.
Die Bundesregierung musste einen Stresstest im Hin-
blick auf die Gasversorgung in Deutschland vornehmen.
Das war eine Forderung der EU-Kommission. Das Er-
gebnis dieses Stresstests ist nach meinen Informationen
auch der EU-Kommission vorgelegt worden. Meine
Frage ist: Warum wird das Ergebnis dieses Stresstests
nicht veröffentlicht, nicht der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht?
I
Ich kenne jetzt – da muss ich passen – die rechtlichenRahmenbedingungen, was den Stresstest und seine Ver-öffentlichung angeht, nicht. Ich kann Ihnen aber gernesagen, Herr Kollege Krischer, dass im Moment die Spei-cher voll sind. Die Bewirtschaftung dieser Speicherunterliegt deutschem Recht, egal in wessen Eigentümer-
Metadaten/Kopzeile:
5456 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014
Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke
(C)
(B)
schaft die Speicher sind. Insofern ist die Versorgungs-sicherheit gewährleistet.Aber selbstverständlich wird es demnächst auch Dis-kussionen auf europäischer Ebene geben. Deshalb sagteich in meiner Antwort auf die Frage des KollegenMattfeldt, dass auch die europäischen Debatten Eingangin unsere Diskussion finden. Wir haben dazu jetzt dasbesagte Gutachten beauftragt, erwarten die Ergebnisse,wie ich schon dargestellt habe,
und werden dann mit Sicherheit im Ausschuss für Wirt-schaft und Energie die Gelegenheit haben, diese Themenweiter miteinander zu diskutieren.
Wir kommen damit zur Frage 3 der Abgeordneten
Höhn. Diese wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 4 der Abgeordneten Katharina
Dröge, Bündnis 90/Die Grünen, auf:
Inwiefern unterstützt die Bundesregierung den vom italie-
nischen Vizeminister für Außenhandel, Carlo Calenda, in der
FAZ vom 6. Oktober 2014 öffentlich geäußerten Vorschlag,
ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA in
einem verringerten Umfang, etwa ohne ein Kapitel zum In-
vestitionsschutz oder zu Liberalisierungen im Bereich der
Finanzdienstleistungen oder Lebensmittelsicherheit, abzu-
schließen?
Frau Staatssekretärin, bitte.
I
Liebe Kollegin Dröge, ich antworte wie folgt: Die
Bundesregierung kommentiert neue Vorschläge eines
einzelnen Regierungsmitglieds nicht. Ziel der Bundes-
regierung bleibt, ein umfassendes Abkommen zu schlie-
ßen, so wie es das von den Mitgliedstaaten und der EU-
Kommission erteilte Verhandlungsmandat vorsieht.
Ich vermute, dass Sie eine Zusatzfrage haben, Kolle-
gin Dröge? – Bitte schön.
Herzlichen Dank, Frau Gleicke, für diese Antwort,
die mich, wie ich sagen muss, etwas betrübt stimmt;
denn Sie hätten ja durchaus die Möglichkeit gehabt, den
italienischen Kollegen in dieser Frage gemäß den Leitli-
nien zu unterstützen, die Herr Gabriel letzte Sitzungswo-
che hier im Bundestag skizziert hat. Da hat er ja eine
ganze Reihe an roten Linien auch für Handelsabkommen
skizziert und gesagt, das sei die Maxime seines Regie-
rungshandelns. Jetzt hat der italienische Kollege einen
Vorschlag gemacht, der genau in diese Richtung geht.
Da hätte ich nach den Ankündigungen von Herrn
Gabriel schon erwartet, dass er das jetzt auch massiv und
deutlich unterstützt. Deswegen noch einmal die Frage:
Wieso hat Herr Gabriel dies unterlassen?
I
Noch einmal: Für die Bundesregierung erkläre ich,
dass wir Vorschläge einzelner Regierungsmitglieder
nicht kommentieren. Insofern bleibt es selbstverständlich
bei dem, was Herr Gabriel im Ausschuss auch mit Ihnen
diskutiert hat, Frau Kollegin Dröge. Das ist sozusagen die
Handlungsanweisung für die Bundesregierung, wenn es
auf europäischer Ebene um die Diskussion geht, wie das
Freihandelsabkommen weiter verhandelt wird.
Zweite Zusatzfrage, bitte, Frau Kollegin Dröge.
Okay, dann versuche ich es andersherum. Wenn Sie
die Vorschläge einzelner Mitglieder anderer Regierun-
gen nicht kommentieren, dann beantworten Sie aber
vielleicht meine Nachfrage. Meine Nachfrage wäre, ob
sich die Bundesregierung in Form von Herrn Minister
Gabriel vorstellen könnte, relevante Teile wie ein Inves-
titionsschutzkapitel im Konkreten oder etwa die Berei-
che Finanzdienstleistungen oder Lebensmittelsicherheit
aus dem Freihandelsabkommen TTIP auszuklammern,
und ob sie bereit ist, sich auf europäischer Ebene dafür
einzusetzen, dass das Mandat entsprechend geändert
wird.
I
Es gibt ein Verhandlungsmandat. Für die Verhandlun-
gen ist die EU-Kommission zuständig. Bisher liegen
keine abschließenden Verhandlungsergebnisse vor, für
die man den Abschluss vorziehen könnte. Darauf bezieht
sich der Vorschlag von Herrn Calenda. Insofern ist dazu
im Weiteren nichts zu sagen.
Dann kommen wir zur Frage 5, ebenfalls von der Ab-
geordneten Katharina Dröge, Bündnis 90/Die Grünen:
Wie will die Bundesregierung Nachverhandlungen beim
Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, CETA,
durchsetzen, wenn sowohl die kanadische Regierung in Per-
son des Handelsministers Ed Fast – „Die Verhandlungen zu
CETA sind beendet, und Kanada und die EU haben sich auf
eine fertige Fassung geeinigt“, FinanzNachrichten vom
5. Oktober 2014 – als auch die designierte EU-Handelskom-
missarin Cecilia Malmström – „Das wäre keine gute Idee“,
Der Tagesspiegel vom 29. September 2014 – Nachverhand-
lungen beim CETA ablehnen?
Frau Staatssekretärin.
I
Die alleinige Kompetenz, die Verhandlungen mit Ka-nada zu führen, liegt nach den europäischen Verträgenbei der Europäischen Kommission. Die Bundesregie-rung hält weitere Verbesserungen im Abkommen fürnotwendig und bringt ihre Anliegen wie üblich über dieBrüsseler Ratsgremien ein, insbesondere über den Han-delspolitischen Ausschuss, aber auch in Gesprächen aufpolitischer Ebene. Soweit möglich, tut sie dies gemein-sam mit anderen Mitgliedstaaten. Es ist denkbar, dass
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014 5457
Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke
(C)
(B)
Verbesserungen im gegenseitigen Einvernehmen vorge-nommen werden können.
Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Dröge?
Dazu habe ich eine Zusatzfrage. Diese Debatte haben
wir bereits letzte Sitzungswoche im Parlament geführt,
und da hat sich Herr Gabriel erfreulich kritisch, wie ich
fand, zum Thema „Investitionsschutzklauseln in CETA“
geäußert und gesagt, mit ihm werde es ein solches CETA
nicht geben. Deswegen wüsste ich jetzt im Anschluss
gern konkret: Welche Termine haben er oder Vertreter
seines Ministeriums im Anschluss an diese Ankündi-
gung gegenüber dem Parlament wahrgenommen, um
diese Forderung in Brüssel zu transportieren und ihr zum
Erfolg zu verhelfen? Bitte sagen Sie uns einfach, wann
er wohin gefahren ist und mit wem er telefoniert hat.
Dann wissen wir, ob es nur eine Willensbekundung war
oder ob wir mit etwas Konkretem rechnen können. Aus
der Berichterstattung wissen wir zwar, dass man bislang
über Schuldenschnitte und andere Dinge gesprochen hat.
Von der kompletten Herausnahme des ISDS-Mechanis-
mus habe ich bisher aber nirgendwo etwas lesen können.
Deshalb frage ich so konkret nach.
I
Frau Kollegin Dröge, Sie haben sicherlich Verständ-
nis dafür, dass ich Ihnen die Einträge im Terminkalender
oder die Gesprächstermine, die Herr Minister in den
letzten Tagen und Wochen wahrgenommen hat, nicht im
Einzelnen herbeten kann. Da bitte ich herzlich um Ver-
ständnis und würde gerne schriftlich antworten.
Noch eine Zusatzfrage? – Bitte.
Herzlichen Dank, darüber freue ich mich sehr. – Die
zweite Frage wäre: Wenn Herr Gabriel, was wir uns alle
nicht wünschen, in den Verhandlungen nicht erfolgreich
damit sein sollte, ISDS aus CETA auszuschließen, kön-
nen wir dann damit rechnen, dass die Bundesregierung
dem Abkommen nicht zustimmen wird? So haben wir es
jedenfalls in der letzten Sitzungswoche wahrgenommen.
I
Im Moment wird die rechtliche Prüfung des Verhand-
lungsergebnisses, das jetzt vorliegt, vorgenommen. Da-
nach wird das Abkommen übersetzt. Dann erst gibt es
die Möglichkeit für die Bundesregierung, dazu Entschei-
dungen zu treffen und dann im Rat ihr Abstimmungsver-
halten deutlich zu machen, sodass wir erst anschließend
daran im Parlament entscheiden können.
Danke schön. – Dann kommen wir zur Frage 6 der
Abgeordneten Corinna Rüffer:
Welche konkreten Aspekte des Investitionsschutzkapitels
im Freihandelsabkommen CETA hält die Bundesregierung für
nicht zustimmungsfähig?
I
Liebe Kollegin Rüffer, Ihre Frage beantworte ich wie
folgt: Grundsätzlich ist festzuhalten: Die Bundesregie-
rung sieht viel Sinn und sehr großen Nutzen in einem
Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada.
Ob die Bundesregierung dem Beschluss zur Unterzeich-
nung des Abkommens im Rat zustimmen kann, lässt sich
erst sagen, wenn der endgültige Vertragstext feststeht
und von der Bundesregierung abschließend geprüft
wurde.
Die Bundesregierung sieht, unabhängig von der Fest-
stellung, dass sie Investitionsschutzregeln in Abkommen
mit entwickelten Rechtsstaaten für nicht erforderlich
hält, insbesondere in den Punkten Regelung von etwai-
gen Umschuldungen sowie Bankrestrukturierungen und
-abwicklungen Klärungsbedarf. Die Bundesregierung
strebt die Klärung dieser Punkte mit der EU-Kommis-
sion an.
Zusatzfrage?
Wir gehen, ehrlich gesagt, davon aus, dass Sie sich
nur deshalb an Verhandlungen beteiligen, weil Sie sie für
sinnvoll und unterstützenswert halten. Insofern danke
für den Hinweis; aber davon sind wir ausgegangen.
Sie haben ein paar Punkte genannt, die kritisch sein
könnten und von Ihnen, glaube ich, auch so wahrgenom-
men werden. Deswegen stelle ich die Frage noch einmal
konkreter: Wenn diese Aspekte im Abkommen enthalten
sein sollten – Sie haben einige Punkte genannt –, würde
das dazu führen, dass die Bundesregierung es ablehnen
würde? Können wir damit rechnen?
I
Wie ich eben der Kollegin Dröge schon gesagt habe,
befinden wir uns im Moment in der Phase der Rechts-
förmlichkeitsprüfung. Dann werden die Texte sozusagen
konsolidiert und übersetzt. Danach wird die Bundesre-
gierung eine Entscheidung darüber treffen, wie sie sich
im Rat verhält. Erst dann werden wir hier im Parlament
die Möglichkeit haben, zu entscheiden.
Noch eine Zusatzfrage? – Bitte.
Das bedeutet, dass Sie für sich keine roten Linienmarkiert haben, über die Sie nicht gehen würden? Ver-stehe ich das richtig?
Metadaten/Kopzeile:
5458 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014
(C)
(B)
I
Liebe Frau Kollegin Rüffer, der Minister hat sehr
deutlich klargemacht, wo er Verbesserungsbedarf sieht.
Ich habe vorhin der Kollegin Dröge geantwortet, dass er
seine Möglichkeiten nutzt, in den Ratsgremien diesen
Verbesserungsbedarf darzustellen, auch in den politi-
schen Gesprächen mit den Vertretern der Mitgliedstaa-
ten. Insofern sind wir sehr optimistisch, dass es noch
Verbesserungen geben wird. Wir bleiben einfach im Ge-
spräch. Das Verfahren ist trotzdem so, wie ich es Ihnen
eben geschildert habe.
Dann kommen wir zur Frage 7 der Abgeordneten
Corinna Rüffer:
Wäre es denkbar, dass auf Grundlage des Investitions-
schutzkapitels im CETA bei Umschuldungen von Staatsanlei-
hen Klagen vor internationalen Schiedsgerichten vorgebracht
werden könnten?
Frau Staatssekretärin, bitte.
I
Schönen Dank. – Liebe Frau Kollegin Rüffer, das ist
quasi das Beispiel dafür, weshalb ich gesagt habe, dass
wir Möglichkeiten sehen, Verbesserungen hinzubekom-
men. Die Bundesregierung hat sich erfolgreich dafür
eingesetzt, dass ein ursprünglich von Kanada unterbrei-
teter Vorschlag zur Regelung von Umschuldungen nach-
träglich in den Abkommenstext aufgenommen wurde,
siehe Annex X: Public Debt, Seite 184 des CETA-Textes
vom 26. September 2014. Diese Textpassage war im
CETA-Text, der am 5. August 2014 an die EU-Mitglied-
staaten übermittelt wurde, noch nicht enthalten. Damit
hat sich die Gefahr von erfolgreichen Klagen gegen et-
waige Umschuldungsmaßnahmen verringert. Die Bun-
desregierung wird sich ungeachtet dessen für weitere
Verbesserungen einsetzen.
Dazu eine Zusatzfrage?
Ja.
Bitte.
Ich formuliere es einmal so: Wird die Bundesregie-
rung CETA zustimmen, auch wenn die Regelungen im
Kapitel über Investitionsschutz nicht dahin gehend ver-
ändert werden, dass Klagen bei Umschuldungen von
Staatsanleihen ausgeschlossen wären? Noch einmal eine
ähnliche Frage.
I
Liebe Frau Kollegin, gerade wird die Rechtsförmlich-
keit der Texte geprüft. Anschließend werden sie über-
setzt. Diese Texte werden, wie ich eben beispielhaft er-
klärt habe, im Laufe der Prüfverfahren noch geändert.
Die Bundesregierung wird dann anhand der Abschluss-
texte ihre Entscheidung treffen und entsprechend im Rat
agieren. Danach werden wir hier im Parlament darüber
zu entscheiden haben.
Sie dürfen noch einmal nachfragen, wenn Sie mögen? –
Okay, nicht mehr. Danke.
Frau Dröge hat noch eine Nachfrage. Bitte.
Ich habe noch eine Nachfrage. Ich finde es etwas
schade, dass Sie sich hier offensichtlich nicht festlegen
möchten, weil ich Herrn Gabriel letzte Sitzungswoche
im Plenum anders verstanden habe. Ich habe noch ein-
mal eine konkrete Nachfrage: Hätten die Gläubiger bzw.
Besitzer griechischer Staatsanleihen auf der Grundlage
von Bestimmungen, wie sie in CETA vorhanden sind, vor
internationalen Schiedsgerichten gegen die Umschuldung
griechischer Staatsanleihen, die seit März 2012 bestehen,
klagen können? Ich finde, dass das für uns eine relevante
Frage ist, um bewerten zu können, was wir gerade ver-
handeln.
I
Frau Kollegin Dröge, wie Sie wissen, bin ich von Be-
ruf Bauingenieurin und keine Juristin. Ich würde Ihnen
diese Frage gern schriftlich beantworten und würde die
Juristen des Hauses damit beschäftigen, damit Sie eine
konkrete Antwort bekommen. – Danke schön.
Danke schön. – Dann kommen wir zur Frage 8 des
Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Bündnis 90/Die
Grünen:
Sind die Äußerungen des Bundesministers für Wirtschaft
und Energie, Sigmar Gabriel, aus den vergangenen Wochen
zu den Investitionsschutzregeln im CETA so zu verstehen,
dass, wenn die Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren wei-
terhin Bestandteil im CETA bleiben sollten, die Bundesregie-
rung im Rat der Europäischen Union gegen ein solches Ab-
kommen stimmen würde?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
I
Danke schön, Herr Präsident. – Lieber Herr KollegeSchmidt, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bun-desregierung sieht viel Sinn und sehr großen Nutzen ineinem Freihandelsabkommen zwischen der EU undKanada. Die Bundesregierung begrüßt daher, dass dieEU-Kommission und Kanada ein vorläufiges Verhand-lungsergebnis erreicht haben. CETA erfüllt nach Ansichtder Bundesregierung grundsätzlich die Erwartungen anein modernes und ehrgeiziges Freihandelsabkommenzwischen Industriestaaten. Der Abschluss von CETAwird auch ein wichtiges Signal senden, dass die EU zumFreihandel steht und in der gemeinsamen Handelspolitikhandlungsfähig ist.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014 5459
Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke
(C)
(B)
Ob die Bundesregierung dem Beschluss zur Unter-zeichnung des Abkommens im Rat zustimmen kann,lässt sich erst sagen, wenn der endgültige Vertragstextfeststeht und von der Bundesregierung abschließend ge-prüft wurde. Hinsichtlich des Kapitels zum Investitions-schutz sieht die Bundesregierung noch Klärungsbedarf.Die Bundesregierung steht hier mit der EU-Kommissionin Kontakt. Allgemein macht die Bundesregierung wei-ter deutlich, Investitionsschutzbestimmungen und Inves-tor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren zwischen Staaten mitentwickelten Rechtsschutzsystemen nicht für erforder-lich zu halten.
Eine Nachfrage dazu? – Bitte, Herr Dr. Schmidt.
Ich habe eine Nachfrage zum Status der Verhandlun-
gen. Einerseits hat es eine Zeremonie mit dem Kommis-
sionspräsidenten Barroso und dem kanadischen Premier-
minister Stephen Harper dahin gehend gegeben, dass das
Abkommen abgeschlossen sei. Andererseits haben wir
die Information, dass die Verhandlungen im Handelsaus-
schuss des Rates über das Abkommen noch gar nicht ab-
geschlossen sind. Können Sie mir erklären, welche
Rechtsauffassung die Bundesregierung hat? Sind die
Verhandlungen denn jetzt abgeschlossen, und, wenn ja,
wie können dann die Verhandlungen im Handelsaus-
schuss des Rates noch gar nicht abgeschlossen sein?
Oder andersherum: Wenn Sie die Rechtsauffassung ha-
ben, dass dieses Abkommen de facto oder de jure noch
nicht paraphiert ist, wie sind dann die Verhandlungen im
Handelsausschuss des Rates angelegt, und was sind die
Erwartungen der Bundesregierung hinsichtlich der
Dauer? Wann, glauben Sie, wäre das Abkommen dann in
einem Zustand, dass es den Mitgliedstaaten zur Ratifi-
zierung zugeleitet werden kann?
I
Der Punkt ist in der Tat, dass die Verhandlungen zwar
beendet worden sind – das ist ja öffentlich erklärt wor-
den –; allerdings ist es tatsächlich so, dass der Vertrags-
text im Moment bearbeitet wird, weil es noch eine Reihe
zu klärender Fragen gibt. Da sind die Juristen am Werk.
Danach wird der Vertragstext, wie ich schon erklärt
habe, übersetzt, und dann wird das Abkommen den Mit-
gliedstaaten sozusagen in seiner schlussendlichen Form
vorliegen. Dann wird sich die Bundesregierung mit den
einzelnen Passagen und dem gesamten Vertrag beschäf-
tigen und entscheiden, wie sich ihr Abstimmungsverhal-
ten im Rat darstellen wird. Danach werden wir auch hier
im deutschen Parlament darüber diskutieren können.
Noch eine Zusatzfrage von Dr. Schmidt.
Ich möchte fragen, ob mein Eindruck richtig ist, dass
es offensichtlich an zwei Punkten unterschiedliche
Rechtsauffassungen der Bundesregierung und der Kom-
mission gibt.
Erstens. Ist mein Eindruck richtig, dass die Kommis-
sion die Rechtsauffassung vertritt, diese Verhandlungen
seien abgeschlossen? Kommissar De Gucht hat deswe-
gen ja auch gesagt, es könne daran nichts mehr geändert
werden.
Zweitens, die Frage der Ratifizierung. Ist mein Ein-
druck richtig, dass die Bundesregierung die Rechtsauf-
fassung vertritt, dass dies ein gemischtes Abkommen ist,
es also den Mitgliedstaaten zur Ratifizierung zugeleitet
werden muss, die EU-Kommission aber dezidiert die
Rechtsauffassung vertritt, dass dies kein gemischtes Ab-
kommen ist, es also den Mitgliedstaaten nicht zur Ratifi-
zierung zugeleitet werden muss? Ist die Bundesregie-
rung, falls die EU-Kommission der Rechtsauffassung
der Bundesregierung nicht folgt, bereit, den EuGH anzu-
rufen?
I
Wir sind der Auffassung, dass es sich um ein ge-
mischtes Abkommen handelt; das ist mehrfach im Aus-
schuss und auch hier Parlament erklärt worden. Insofern
gehen wir davon aus, dass wir das hier im deutschen Par-
lament diskutieren. Im Endeffekt ist das jetzt auch Be-
standteil der Diskussion um die einzelnen Vertragstexte,
deren Verlauf ich vorhin geschildert habe.
Ich habe auf die Frage der Kollegin Rüffer hin deut-
lich gemacht, dass es auch bei den Übertragungen der
Gesetzestexte tatsächlich noch zu Veränderungen
kommt. Wir werden also diese Möglichkeiten nutzen.
Dies alles wird bis Sommer nächsten Jahres dauern. Wir
haben Bewegung wahrgenommen und haben den Ein-
druck, dass sich auch die EU-Kommission der Auffas-
sung annähert, dass es sich um ein gemischtes Abkom-
men handelt.
Die nächste Zusatzfrage hat die Abgeordnete Lemke,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Staatssekretärin, Sie haben hier die Auffassung
der Bundesregierung vorgetragen. Weil dieses Thema
öffentlich sehr intensiv diskutiert wird, was wir als Par-
lamentarier alle sehr begrüßen, möchte ich mich über ein
Detail bezüglich der Haltung der Bundesregierung ver-
gewissern: Ist es explizit die Auffassung der gesamten
Bundesregierung und auch der Bundeskanzlerin, dass
Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren bei Abkommen
mit einem Staat wie Kanada überflüssig sind und Nach-
verhandlungen mit dem Ziel geführt werden sollen, die
entsprechende Regelung herauszunehmen?
I
Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass Investi-tionsschutzklauseln zwischen entwickelten Rechtssyste-men tatsächlich entbehrlich sind.
Metadaten/Kopzeile:
5460 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014
Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke
(C)
(B)
– Das ist die Auffassung der Bundesregierung.
Die nächste Zusatzfrage stellt der Abgeordnete
Ströbele.
Danke, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin, der
Vorgang ist mir nicht ganz klar, auch nach Ihrer Antwort
nicht.
Im normalen Leben bin ich Rechtsanwalt, und ich bin
es daher gewohnt, für Mandanten Verträge auszuhan-
deln. Manchmal dauert das länger, manchmal geht es
ganz schnell. Irgendwann ist man fertig und verabschie-
det sich in der Gewissheit, dass das Verhandlungsergeb-
nis erreicht ist; es wird dann schriftlich niedergelegt,
vielleicht muss es noch notariell beurkundet werden.
Aber beide Seiten sind sich einig: Das ist das Ergebnis,
es gibt also nichts mehr zu verhandeln.
Wie ist das denn nun bei CETA? Gibt es ein Papier,
auf dem steht: „Das ist das Ende dieser Verhandlung und
dieser Text ist jetzt maßgeblich“? Das ist eine einfache
Frage – wenn ein Mandant zu mir käme, dann müsste ich
das auch beantworten –: War es das jetzt oder kommen
noch 35 Zusätze dazu?
I
Herr Kollege Ströbele, wie ich schon auf die Fragen
der Kolleginnen und Kollegen vorher geantwortet habe:
Es gibt einen Text, in dem noch einige Passagen der Klä-
rung in Bezug auf die Formulierung bedürfen. Das wird
jetzt im weiteren Verlauf passieren. Danach wird der
Text übersetzt, und die Bundesregierung wird an dem
dann feststehenden Text ihre Entscheidung ausrichten.
Die nächste Zusatzfrage stellt die Abgeordnete
Dröge, Bündnis 90/Die Grünen.
Herzlichen Dank. – Sehr geehrte Frau Staatssekretä-
rin, in Ihrer Antwort auf die Frage von Frau Lemke ha-
ben Sie zu meiner Freude noch einmal zum Ausdruck
gebracht, dass die gesamte Bundesregierung Herrn
Gabriel dabei unterstützt, dass ISDS aus CETA gestri-
chen wird.
Sie haben eben freundlicherweise zugesagt, mir eine
Übersicht zu schicken, aus der sich ergibt, wann sich
Herr Gabriel in Brüssel eingesetzt hat. Es würde mich
sehr freuen, wenn mir die Bundesregierung eine solche
Übersicht über Frau Merkels Termine schicken könnte.
Es begeistert mich, wenn sich die gesamte Bundesregie-
rung in Brüssel einsetzt. Wenn Herr Gabriel die Unter-
stützung von Frau Merkel hat, ist das etwas sehr Positi-
ves. Allerdings hat sie bislang damit nicht so viel
Werbung gemacht.
I
Wir beantworten selbstverständlich auch diese Frage
schriftlich. Ich möchte, damit kein Widerspruch entsteht,
die Formulierung noch einmal vorlesen: Die Bundes-
regierung sieht, unabhängig von der Feststellung, dass
sie Investitionsschutzregelungen in Abkommen mit ent-
wickelten Rechtsstaaten für nicht erforderlich hält, ins-
besondere in den folgenden Punkten Regelungsbedarf
usw. – Das ist die abgestimmte Meinung der Bundesre-
gierung.
Die nächste Zusatzfrage stellt der Abgeordnete
Wolfgang Tiefensee, SPD-Fraktion.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin,
stimmen Sie mit mir darin überein, dass es ein Unter-
schied ist, ob man im juristischen Sinne und als Anwalt
einen Vertrag aushandelt, bei dem die Parteien am Tisch
sitzen und die Prokura haben, endzuverhandeln, oder ob,
wie in den Verhandlungen zwischen der EU und Kanada,
mindestens Räte, wenn nicht sogar Parlamente beteiligt
werden müssen?
Zum Zweiten. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass
bereits die Tatsache, dass die jeweilige Bundesregierung
bei der Erteilung des Verhandlungsmandats für CETA
und TTIP deutlich gemacht hat, dass sie kein ISDS will,
ein Fingerzeig dafür ist, dass sie nach wie vor auf dieser
Meinung besteht?
Zum Dritten. Wir haben den kanadischen Verhand-
lungsführer Herrn Steve Verheul im Ausschuss gehört.
Sind Sie mit mir einer Meinung, dass seine Äußerungen
so zu verstehen waren, dass er sich wünschte, dass der
Text eins zu eins verabschiedet wird, aber dass er durch-
aus sieht, dass zum Beispiel in Bezug auf die Banken
und Markenschutzrechte und dergleichen noch Nachver-
handlungsbedarf bzw. Korrekturbedarf besteht?
Schließlich frage ich: Sind Sie mit mir der Meinung,
dass es auch andere europäische Staaten gibt, die Bedarf
haben, bezüglich dieser oder jener Passage nachzuver-
handeln?
Ich wurde von langjährigen Parlamentariern daraufhingewiesen, dass das vier Fragen waren. Normaler-weise ist nur eine zulässig. Aber wir wollen es der Bun-desregierung überlassen, wie sie darauf antwortet. Prin-zipiell aber bitte nur eine Frage pro Nachfrager.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014 5461
(C)
(B)
I
Ich glaube, die vier Fragen des Kollegen Tiefensee il-
lustrieren das nicht ungewöhnliche Vorgehen bei inter-
nationalen Verhandlungen: Man hat einen Text, bei dem
insbesondere juristischer Klärungsbedarf besteht. Ich
habe vorhin auf die Frage der Kollegin Rüffer deutlich
gemacht, dass es im Verlauf der Textkonsolidierung zu
Veränderungen kommen kann. Das hat Herr Verheul an-
gekündigt. Dass es Veränderungswünsche gibt, haben
auch andere Mitgliedstaaten angekündigt. Insofern ist
das ein ganz normales Verfahren.
Ich bin aber dem erfahrenen Kollegen Ströbele dank-
bar, wenn er uns, den Ingenieuren sozusagen, eine Hand-
habe gibt, wie das in einfachen juristischen Verfahren
geht. In internationalen Verfahren – da haben Sie recht –
ist das durchaus so üblich.
Ich rufe die Frage 9 auf:
Wie möchte die Bundesregierung nach dem Abschluss der
Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission und
Kanada einzelne Teile im CETA, beispielsweise im Bereich
des Investitionsschutzes, neu verhandeln, und welchen
Zeitrahmen hat sie dafür ins Auge gefasst?
I
Herr Kollege Schmidt, die alleinige Kompetenz, die
Verhandlungen mit Kanada zu führen, liegt nach den eu-
ropäischen Verträgen bei der Europäischen Kommission.
Die Bundesregierung hält weitere Verbesserungen im
Abkommen für notwendig. Sie bringt ihre Anliegen über
die Brüsseler Ratsgremien ein, insbesondere über den
Handelspolitischen Ausschuss, aber auch in Gesprächen
auf politischer Ebene und, soweit möglich, zusammen
mit anderen EU-Mitgliedstaaten. Es ist denkbar, dass
Verbesserungen im gegenseitigen Einvernehmen vorge-
nommen werden können, wie ich schon die ganze Zeit
erläutert habe.
Zusatzfrage, Herr Dr. Schmidt?
Ja. – Ich habe eine Zusatzfrage, die durchaus auch an
die vorhergehende Frage anschließt. Es gibt in einzelnen
zentralen Punkten ganz offenkundig unterschiedliche
Rechtsauffassungen zwischen der Bundesregierung und
der Kommission; das haben Sie bestätigt. Ist das ein ge-
mischtes Abkommen, also eines, das den Mitgliedstaa-
ten zur Ratifizierung zugeleitet werden muss, oder ist
dies kein gemischtes Abkommen, wie die EU-Kommis-
sion das sieht? Dass die EU-Kommission die Verhand-
lungskompetenz hat, entscheidet nicht darüber, ob sie
über den Charakter des Abkommens im Ratifizierungs-
prozess entscheiden kann. Die EU-Kommission nimmt
das aber für sich in Anspruch. Sie sagt: Wir sind der
Meinung, dass das kein gemischtes Abkommen ist. –
Was ist, wenn die EU-Kommission daran festhält und
auf Basis eines Rechtsgutachtens ihres Wissenschaftli-
chen Dienstes sagt: „Wir leiten euch das nicht zur Ratifi-
zierung zu“? Das ist ja möglich. Sie haben gesagt: Wir
haben Anzeichen dafür, dass die EU-Kommission sich
unserer Rechtsauffassung annähert. – Sie hoffen, dass al-
les gut wird. Für den Fall, dass nicht alles gut wird – das
kommt im Leben ja gelegentlich vor –, ist die Bundes-
regierung dann bereit, für ihre Rechtsauffassung vor
dem EuGH, vor dem Europäischen Gerichtshof, zu strei-
ten, oder würde sie dann die Entscheidung der Kommis-
sion hinnehmen?
I
Herr Kollege Schmidt, wir sind der Auffassung, dass
es sich um ein gemischtes Abkommen handelt, und wir
werden alles dafür tun, dass sich die Europäische Kom-
mission dieser Auffassung anschließt. Sollte sie das
nicht tun, wird dann zu entscheiden sein. Ich finde, wir
sollten unter zivilisierten Europäern versuchen, mitei-
nander eine klare Absprache zu finden.
Danke schön. – Ich rufe die Frage 10 der Abgeordne-
ten Sylvia Kotting-Uhl, Bündnis 90/Die Grünen, auf:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zum Ab-
stimmungsverhalten der jeweiligen EU-Kommissare bei der
Entscheidung über die staatliche Beihilfe für den Bau des bri-
tischen Atomkraftwerks Hinkley Point C – insbesondere des
EU-Kommissars für Energie, Günther Oettinger –, und wel-
che Aktivitäten und Gespräche sind vonseiten der Bundesre-
gierung im Vorfeld der Entscheidung durchgeführt worden –
bitte mit genauer Angabe; bei den Gesprächen bitte möglichst
mit Angabe der Gesprächspartner?
Frau Staatssekretärin.
I
Liebe Frau Kollegin Kotting-Uhl, über die pressebe-
kannten Informationen hinaus liegen der Bundesregie-
rung keine weiteren Erkenntnisse über die Abstimmung
im Kommissionskollegium vor. Im Vorfeld der Entschei-
dung wurden keine Aktivitäten und Gespräche seitens
der Bundesregierung durchgeführt.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Kotting-Uhl?
Ja, gerne, Herr Präsident. Vielen Dank. – Frau Staats-sekretärin, das nimmt mich wunder. Man muss ja immerwieder darauf hinweisen, dass Deutschland den Atom-ausstieg beschlossen hat. Nun geht es um den Neubau ei-nes Atomkraftwerks, das in relativ großer Nähe zu unsliegt, und um die Frage, ob man den Neubau mit staatli-cher Beihilfe subventioniert. Und es geht um die Frage,ob das, wie manche begründet sagen, in Widerspruch zuden Wettbewerbsregeln der Europäischen Union steht.Der Kommissar für Energie ist zu diesem Zeitpunktnoch Günther Oettinger aus Deutschland. Die Bundesre-gierung hat in der Tat nicht ein Gespräch mit dem Ener-
Metadaten/Kopzeile:
5462 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014
Sylvia Kotting-Uhl
(C)
(B)
giekommissar aus Deutschland in der EU-Kommissiongeführt? Man muss dazu sagen: Es war eine Stimme Un-terschied. Die Stimme des deutschen Kommissars waralso sehr relevant. Trotzdem gab es kein Gespräch?
I
Frau Kollegin Kotting-Uhl, diese Beihilfeverfahren
sind bilaterale Verfahren, vergleichbar zum Beispiel mit
unseren Verhandlungen mit der Europäischen Union um
die Besondere Ausgleichsregelung im EEG. In dem Falle
mischen sich andere Staaten nicht in die Verhandlungen
ein.
Weitere Zusatzfrage?
Ja, danke, Herr Präsident. Ich habe eine zweite Frage. –
Es ist ja ein gewisser Unterschied, ob man wie bei den
erneuerbaren Energien eine neue Technologie mit An-
schubfinanzierung in den Markt bringt oder ob eine
Technologie, die nach 60 Jahren offensichtlich immer
noch nicht in der Lage ist, sich finanziell selber zu erhal-
ten, subventioniert werden muss. Dazu hat die Bundes-
regierung keine Haltung?
I
Die Bundesregierung hat sich in die bilateralen Ge-
spräche, die anderthalb Jahre angehalten haben, nicht
eingemischt.
Das ist mir Antwort genug. Danke.
Nachfrage des Abgeordneten Krischer, Bündnis 90/
Die Grünen.
Frau Kollegin Gleicke, die Antwort überrascht mich
in der Deutlichkeit, dass Sie weder eine Haltung noch
Interesse noch sonst irgendetwas an dieser doch überra-
schenden Entscheidung haben. Wir haben in der vergan-
genen Woche hier in der Fragestunde, als die Entschei-
dung gerade gefallen war, Frau Bundesumweltministerin
Hendricks gehört, die gesagt hat, dass sie die Entschei-
dung für falsch hält und eine Klage der Bundesrepublik
befürwortet.
Deshalb meine Frage an Sie als Vertreterin der Bun-
desregierung: Prüft die Bundesregierung zurzeit, eine
Klage gegen die Entscheidung zu Hinkley Point einzu-
reichen oder sich der Klage eines anderen Landes anzu-
schließen? Wir haben vernommen, dass man in Öster-
reich nicht solch eine gleichgültige Haltung hat, wie Sie
sie haben. Die dortige Bundesregierung hat angekündigt,
eine Klage einzureichen. Prüft die Bundesregierung, ei-
nen solchen Schritt zu gehen, oder hat sie möglicher-
weise schon die Entscheidung zu einem solchen Schritt
getroffen?
I
Herr Kollege Krischer, aus meinen Antworten zuvor
zu schließen, dass die Bundesregierung kein Interesse
und keine Haltung hätte, ist falsch. Ich will das noch ein-
mal ganz deutlich sagen. Wir haben uns in der Tat in die
bilateralen Verhandlungen zu einem Beihilfeverfahren
nicht einzumischen. Umgekehrt erwarten wir dies auch
von den anderen Staaten, wenn wir Beihilfeverhandlun-
gen führen. Die Besondere Ausgleichsregelung hat ja
nichts mit der Förderung der erneuerbaren Energien zu
tun, sondern damit, dass wir die EEG-Umlage für einige
Bereiche der Industrie begrenzen.
– Genau, dazu kommen wir gleich bei der nächsten
Frage.
Die Bundesregierung hat klargestellt – ich beziehe
mich auf Unterrichtungen, die schon vorgelegen haben;
es gibt, glaube ich, schon einen Bericht an die Bundes-
tagsfraktion der SPD, aber zum Beispiel auch einen
Schriftverkehr des Ministers –, dass sie die Entschei-
dung der Europäischen Kommission nach Veröffentli-
chung sehr genau faktisch und rechtlich analysieren
wird. Allerdings wird die Veröffentlichung – auch das
steht schon fest – erst Anfang 2015 erwartet. Dann wer-
den wir prüfen, wie wir mit dieser beihilferechtlichen
Entscheidung umgehen.
Die nächste Zusatzfrage hat der Abgeordnete
Kekeritz, danach die Abgeordnete Lemke, beide Bünd-
nis 90/Die Grünen. – Herr Abgeordneter Kekeritz, bitte.
Die Frage hat sich jetzt eigentlich erübrigt, weil Kol-
lege Krischer sie schon gestellt hat. Nichtsdestotrotz
muss ich die Regierung fragen, ob sie sich darüber im
Klaren ist, dass ein Nichtverhalten zu einem so zentralen
Thema natürlich ein ganz klares Signal an uns Abgeord-
nete, aber auch nach außen ist. Das Signal, das Sie sen-
den, ist eindeutig: Atomkraft ist in Ordnung. Wir akzep-
tieren das. – Wenn das nicht ihre Grundhaltung ist, dann
verlange ich von der Bundesregierung, dass sie im Inte-
resse der globalen Entwicklung und auch der Zukunft
der Energiewende massiv dagegen vorgeht.
Das war bis jetzt noch keine Frage; aber ich nehme
an, Sie wollten fragen, ob sie die Einschätzung teilt.
Genau!
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014 5463
Uwe Kekeritz
(C)
(B)
I
Wie die Bundesregierung bereits klargestellt hat, wird
sie die Entscheidung der Europäischen Kommission
nach Veröffentlichung rechtlich und faktisch sehr genau
analysieren. Eine Veröffentlichung wird erst für Anfang
2015 erwartet; daher ist zu diesem Zeitpunkt keinerlei
Aussage möglich.
Ich will Ihnen aber sehr deutlich sagen, Herr Kollege,
dass wir – unabhängig davon, dass wir den Atomaus-
stieg hier in Deutschland gestalten – das Problem natür-
lich sehen. Wenn es um Hermesbürgschaften für AKW-
Neubauten im Ausland geht, so ist es die Linie der ver-
antwortlichen Bundesressorts, grundsätzlich nicht zu
bürgen.
Die Abgeordnete Lemke, Bündnis 90/Die Grünen, hat
dazu noch eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wir wissen aus der Katastrophe
von Tschernobyl, dass wir von Entscheidungen von
Staaten – nicht nur in Europa, sondern auch darüber hi-
naus – über den AKW-Neubau sehr persönlich betroffen
sind, falls es dort zu Havarien kommen sollte. Von daher
kann ich Ihre Auffassung, dass wir uns in ein solches
Beihilfeverfahren nicht einzumischen haben, nicht nach-
vollziehen. Evidente Sicherheitsinteressen unserer Be-
völkerung sind von dieser Entscheidung betroffen. Ich
würde, da Frau Bundesumweltministerin Hendricks in
der vergangenen Woche zu einer potenziellen Klage eine
dezidiert andere Auffassung hier vor dem Parlament ver-
treten hat als Sie, gerne nach dem jetzt offenbar gewor-
denen Dissens innerhalb der Bundesregierung wissen,
ob im Kabinett, ob in der Bundesregierung darüber de-
battiert worden ist, ob eine Klage eingereicht werden
sollte – oder einer anderen beigetreten werden sollte –
und ob es dazu eine explizite Entscheidung innerhalb der
Bundesregierung gegeben hat.
I
Frau Kollegin Lemke, ich stelle fest: Sie haben nach
dem Beihilfeverfahren gefragt. Ich habe Ihnen darge-
stellt, dass es sich in diesen Beihilfediskussionen um bi-
laterale Verhandlungen handelt.
Das Zweite ist, dass wir natürlich mit unserer hervor-
ragenden Politik, was den Atomausstieg angeht, und der
guten Implementierung des Ausbaus der erneuerbaren
Energien und den Fortschritten, die wir in Deutschland
dabei vorzuweisen haben, selbstverständlich auch inter-
national als gutes Beispiel dienen wollen.
Was das Thema der Klagen angeht, habe ich gerade
dargestellt, dass die Bundesregierung die Entscheidung
der Europäischen Kommission nach deren Veröffentli-
chung ganz genau überprüfen und faktisch wie rechtlich
analysieren wird. Die Veröffentlichung wird allerdings
erst für Anfang 2015 erwartet; zu diesem Zeitpunkt wer-
den wir als Bundesregierung eine Entscheidung fällen.
Danke schön. – Wir kommen damit zur Frage 11 des
Abgeordneten Oliver Krischer:
Wie viele Anträge – aufgeschlüsselt jeweils nach den zehn
größten Branchen und Bundesländern – sind beim Bundesamt
für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in diesem Jahr bis zum
nicht vorliegt, bitte Zwischenstand angeben –, und mit wel-
chem finanziellen Volumen rechnet die Bundesregierung nach
ersten Schätzungen?
Frau Staatssekretärin.
I
Lieber Herr Kollege Krischer, ich beantworte Ihre
Frage wie folgt: Nach der vorläufigen Datenlage des
BAFA sind in diesem Jahr bis Fristende Anträge von
2 452 Unternehmen bzw. selbstständigen Unterneh-
mensteilen – im Vorjahr waren es 2 367 – für 3 391 Ab-
nahmestellen – im Vorjahr waren es 3 458 – mit einer
Gesamtstrommenge von circa 117,8 Terawattstunden –
im Vorjahr waren es 119,3 Terawattstunden – eingegan-
gen. Bislang wurden bei den eingegangenen Anträgen
und den Strommengen nur grobe Plausibilitätsprüfungen
durchgeführt. Vor diesem Hintergrund liegen derzeit nur
vorläufige Daten vor. Es werden sich noch Änderungen
ergeben. Im Vorjahr – ich will das noch einmal illustrie-
ren – lag die beantragte Strommenge fehlerbereinigt um
ungefähr 2,6 Terawattstunden niedriger als der ursprüng-
lich angemeldete Wert.
Eine Übersicht zur Verteilung der provisorischen An-
tragszahlen nach Bundesländern und Branchen kann den
Tabellen entnommen werden, die ich Ihnen gerne
schriftlich geben würde, weil ich glaube, es überfordert
die Kolleginnen und Kollegen, wenn ich das jetzt hier
vortrage.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Eine Einschätzung des
mit diesen Zahlen verbundenen finanziellen Entlastungs-
volumens ist nur im Zusammenhang mit der heute von
den Übertragungsnetzbetreibern vorgestellten EEG-Um-
lage möglich. Daraus errechnet sich ein Entlastungsvo-
lumen von 5,1 Milliarden Euro, das dem Wert des Vor-
jahres entspricht.
Haben Sie eine Zusatzfrage, Kollege Krischer? –
Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die ausführli-che Beantwortung der Frage und die Nennung der Zah-len. Ich nehme sehr gern Ihre Bereitschaft in Anspruch,mir die Tabelle zuzusenden.Kann ich Ihre Äußerung so interpretieren, dass es in-folge der EEG-Novelle zu keiner relevanten Senkung
Metadaten/Kopzeile:
5464 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014
Oliver Krischer
(C)
(B)
der privilegierten Strommenge gekommen ist? MinisterGabriel hatte ja in Aussicht gestellt, dass eine relevanteVerminderung der privilegierten Strommenge und eineKonzentration in der Branche zu erwarten sind. Kann ichIhre Äußerung dahin gehend interpretieren – nach denvorliegenden Zahlen ist die Größenordnung in etwa diedes letzten Jahres –, dass wir hier ein gleiches Entlas-tungsvolumen haben?I
Herr Kollege Krischer, Ihre erste Frage beantworte
ich mit Nein. Sie können aus meinen Äußerungen nicht
schließen, dass alles beim Alten bleibt. Man muss ein-
fach zur Kenntnis nehmen, dass in den vergangenen Jah-
ren die privilegierten Strommengen immer weiter gestie-
gen sind und auch die Anzahl der Antragsteller gestiegen
ist. Das ist eine Veränderung. Demgegenüber ist die Grö-
ßenordnung nun in etwa konstant geblieben. Das hat et-
was mit den Veränderungen der EEG-Novelle zu tun.
Sie wissen, dass wir die Stromkostenintensitäts-
schwelle von 14 auf 16 Prozent erhöht haben. Wir haben
auf der anderen Seite aus Gründen des Wettbewerbs
kleinere Unternehmen, die Schienenbahnen betreiben, in
die Regelung aufgenommen, was eine höhere Anzahl an
Anträgen verursacht hat. Wir haben aber dort wiederum
eine prozentual andere Verteilung der Finanzierung fest-
gelegt. Insofern hat die EEG-Novelle durchaus eine Wir-
kung entfaltet. Allerdings – auch das muss man ehrli-
cherweise sagen – sind diese Regelungen erst seit
August dieses Jahres in Kraft und können natürlich bis
heute nur in einem geringen Umfang wirken.
Danke schön. – Die Fragen 12 und 13 der Abgeordne-
ten Dr. Julia Verlinden werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amts. Zur Beantwortung steht Staatsministerin Profes-
sor Dr. Maria Böhmer bereit. Die Frage 14 des Abgeord-
neten Niema Movassat sowie die Fragen 15 und 16 der
Abgeordneten Sevim Dağdelen werden schriftlich beant-
wortet.
Die Frage 17 des Abgeordneten Uwe Kekeritz wird
nicht beantwortet, da Herr Kekeritz nicht anwesend ist. –
Wie ich sehe, kommt er gerade in den Saal. Da wollen
wir einmal Milde walten lassen. Herr Kekeritz, es wäre
nett, wenn Sie bei Ihren eigenen Fragen im Saale wären.
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Uwe Kekeritz
auf:
Aus welchem Grund hat Deutschland in der Generalver-
sammlung der Vereinten Nationen am 9. September 2014 als
eines von nur elf Ländern mit Nein gegen die Resolution
mitteilungen/ueberwaeltigende-mehrheit-fuer-ein-staateninsol
venzverfahren.html), die die Schaffung eines geordneten Staa-
teninsolvenzverfahrens fordert, und auf welche Weise wird
Deutschland sich nun im Rahmen des von der Generalver-
sammlung getragenen Prozesses konstruktiv einbringen?
Frau Staatsministerin, bitte.
D
Herr Kollege Kekeritz, die Bundesregierung hat bei
der Abstimmung mit Nein gestimmt, weil es ihrer An-
sicht nach kontraproduktiv ist, diese Frage parallel zu
den bereits involvierten Fachgremien auch in den Ver-
einten Nationen zu behandeln. Für die Behandlung der
komplexen Fachfragen mit Blick auf überschuldete Staa-
ten, zum Beispiel Fragen der Umschuldungsmodalitäten,
gibt es zuständige und erfahrene Gremien – Sie wissen
das –, den Internationalen Währungsfonds und den Pari-
ser Club, die die vielfältigen und komplexen Teilaspekte
in einem partizipativen Prozess beleuchten und diskutie-
ren.
Auch in der Sache ist die argentinische Initiative in
den Vereinten Nationen nach Einschätzung der Bundes-
regierung verfehlt. Wir treten für klare Regelungen in
den Anleihebedingungen ein, so wie diese auch für
Staatsanleihen in der Euro-Zone gelten. Auch der IWF
arbeitet derzeit intensiv an diesem Ansatz.
Zu der Frage des weiteren Vorgehens: Bislang haben
wir noch keine Hinweise, ob und wie Argentinien sein
Anliegen weiter vorantreiben wird. Eine Positionierung
dazu ist insofern noch nicht möglich.
Zusatzfrage? – Bitte schön.
Danke schön. – Ich bin ob Ihrer Antwort etwas irri-
tiert, weil Sie das ganze Problem auf eine Frage Argenti-
niens reduzieren. Ihnen ist sicherlich bekannt, dass diese
Initiative nicht von Argentinien ausging, sondern von
der G 77. Das ist ein ganz anderer Machtkomplex. G 77
hat vielfältige Interessen daran, die wir im Prinzip unter-
stützen sollten. Sie wissen genau, dass der Pariser Club,
der IWF und andere Organisationen, die Sie genannt ha-
ben, in der Lösung der Probleme sehr viele Schwächen
aufweisen. Allein in den letzten sieben Jahren seit der
Finanzkrise hat sich der Verschuldungsgrad dieser Län-
der enorm erhöht; er hat sich verdoppelt und zum Teil
verdreifacht. Von daher sind Pariser Club und IWF nicht
mehr in der Lage, irgendwelche vernünftigen Maßnah-
men zu ergreifen, um eine Entschuldung voranzubrin-
gen. Wie sehen Sie das?
D
Herr Kollege Kekeritz, mir liegen andere Informatio-
nen vor. Nach den Informationen der Bundesregierung
war es ganz klar eine Initiative der argentinischen Regie-
rung – sie fand in der Sommerpause statt; mir wurde
auch berichtet, dass es vielleicht nicht in Bezug auf den
Hintergrund, aber hinsichtlich der Art und Weise ein
sehr überraschendes Vorgehen war – und die G 77 hat
sich Argentinien angeschlossen. Insofern ist die Aus-
gangssituation eine andere, als Sie sie geschildert haben.
Noch eine Zusatzfrage.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014 5465
(C)
(B)
Zu sagen, dass die G 77 Argentinien unterstützt, funk-
tioniert, glaube ich, nicht. Denn die G 77 repräsentiert
77 Länder, die als Einheit auftreten. Sehen Sie das nicht
auch so?
D
Herr Kollege, mir ist schon bewusst, was sich hinter
G 77 verbirgt. Trotzdem war der Ablauf so, wie ich ihn
geschildert habe. Es war eine Initiative von Argentinien.
Wir kommen zu Frage 18:
Wann genau ist mit dem nach den mir vorliegenden Infor-
mationen noch im laufenden Jahr geplanten endgültigen Ab-
schluss der Verhandlungen mit Mexiko über ein bilaterales Si-
cherheitsabkommen zu rechnen, und wann wird infolgedessen
das Abkommen dem Deutschen Bundestag zur Abstimmung
vorgelegt?
Frau Staatsministerin.
D
Herr Kollege Kekeritz, zu Ihrer Frage: Die Vertrags-
verhandlungen befinden sich in einem weit fortgeschrit-
tenen Stadium. Sie sind bislang aber nicht abgeschlos-
sen. Ein Termin für die Vertragsunterzeichnung steht
daher noch nicht fest. Der Vertrag wird nach Vertragsab-
schluss dem Deutschen Bundestag unverzüglich zur Ra-
tifikation vorgelegt.
Zusatzfrage, bitte.
Sie haben sicher mitbekommen, was in den letzten
Tagen in Mexiko passiert ist: 43 junge Menschen – Stu-
denten – sind ermordet worden. Hat das irgendwelche
Auswirkungen auf Ihre Verhandlungen? Ich denke, dass
die Sicherheitsbedingungen in Mexiko auch Einfluss auf
die Vertragsgestaltung haben sollten.
D
Frau Präsidentin, wenn ich eine Anregung machen
dürfte: Die anschließende Frage des Kollegen Ströbele
geht in die gleiche Richtung. Wären Sie damit einver-
standen, wenn ich beide Fragen zusammen beantworte?
Ja.
Schönen guten Tag von mir aus, liebe Gäste auf den
Besuchertribünen und liebe Kolleginnen und Kollegen. –
Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Herr Kekeritz?
Nein. Ich stelle sie eventuell nach Herrn Ströbele.
Dann verfahren wir so und kommen zu Frage 19 des
Kollegen Ströbele:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung, nachdem
am 26. September 2014 in der südmexikanischen Stadt Iguala
im Bundesstaat Guerrero auf Anordnung des städtischen Si-
cherheitsbeauftragten 57 Pädagogikstudenten in Polizeiautos
verschleppt und mindestens 28 von ihnen durch – bis zu
22 danach festgenommene – Polizisten im Auftrag des Chefs
der kriminellen Guerreros Unidos gefoltert und ermordet wor-
tergründe, Täter, benutzten Waffen, Hintermänner usw., und
will die Bundesregierung trotz solcher Berichte über Verstri-
ckungen mexikanischer Behörden bzw. Bediensteter in Ent-
führungen, Folter und Morde an ihrem geplanten Sicherheits-
abkommen mit Mexiko festhalten, welches offenbar Ende
2014 unterzeichnet werden soll, aber – wie bei allen mir be-
kannten Sicherheitsabkommen, die Deutschland mit anderen
Staaten geschlossen hat – die Einhaltung menschenrechtlicher
Standards nicht zur Bedingung macht?
D
Ich darf zunächst Ihre Frage beantworten, Herr Kol-lege Ströbele. Ich sage für meine Person vorneweg: DieNachricht über diese schrecklichen Morde hat mich sehrerschüttert, auch vor dem Hintergrund, dass ich mich ge-rade auf eine Reise nach Mexiko vorbereite. Sie könnensicher sein, dass ich diese Morde dort sehr dezidiert an-sprechen werde.Ich will jetzt Ihre Frage beantworten. Die Bundesre-gierung wurde durch die deutsche Botschaft in Mexikoüber die erschütternden Vorfälle in Iguala unterrichtet.Laut dieser Berichte wurden im Anschluss an eine De-monstration in Iguala im Bundesstaat Guerrero am26. September 2014 43 Lehramtsstudenten verschleppt.Zuvor sollen die Studenten nach einer Demonstrationdrei öffentliche Busse in ihre Gewalt gebracht haben. Siewurden daraufhin von der örtlichen Polizei angegriffen.Mindestens drei Studenten wurden dabei erschossen undzahlreiche Personen verletzt. Weitere 43 Studenten wur-den von der lokalen Polizei abtransportiert und dabeiletztmalig lebend gesehen.In der Nähe von Iguala ist seitdem ein Massengrabmit 28 verstümmelten und verbrannten Leichen entdecktworden. Ich hätte Ihnen vor wenigen Stunden noch ge-antwortet, dass wir davon ausgehen, dass es sich dabeium die vermissten Studenten handelt. In aktuellen Pres-seberichten, die Sie wahrscheinlich ebenfalls kennen,wird mitgeteilt, dass es sich nach Erkenntnis der Behör-den, das heißt der Generalstaatsanwaltschaft, nicht umdie Leichen der vermissten Studenten handelt. Es gibtweitere vier Gräber. Die Toten sind aber noch nicht iden-tifiziert.Nun komme ich auf Iguala zurück. Es ist zu vermu-ten, dass die lokale Polizei zusammen mit Mitgliedernder lokalen Bande Guerreros Unidos die 43 Studentenermordet hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Er-
Metadaten/Kopzeile:
5466 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014
Staatsministerin Dr. Maria Böhmer
(C)
(B)
mittlungen an sich gezogen und inzwischen 26 Angehö-rige der lokalen Sicherheitskräfte verhaftet. Seit dem6. Oktober 2014 hat die mexikanische Bundesregierungdurch die neu gegründet Gendarmerie, die Policía Fede-ral, zusammen mit dem Militär sämtliche Sicherheitsauf-gaben in Iguala übernommen. Diese bemühen sich, dasSchicksal der noch vermissten Studenten aufzuklären.Ich komme jetzt zu dem anderen Punkt Ihrer Frage.Die Bundesregierung hält an der Absicht fest, das in Ver-handlungen befindliche Sicherheitsabkommen mit Me-xiko zum Abschluss zu bringen. Ziel des Abkommenssind die Verbesserung der Zusammenarbeit mit der me-xikanischen Bundesregierung – ich betone: Bund – undderen Unterstützung bei der Bekämpfung schwerer undorganisierter Kriminalität. Das jüngste schreckliche Ver-brechen im Bundesstaat Guerrero unterstreicht die Rich-tigkeit der Zielrichtung dieses Abkommens. Nach ak-tuellem Verhandlungsstand soll auf mexikanischer Seitedie Generalstaatsanwaltschaft, die mit der Strafverfol-gung der Täter beauftragt wurde, Kooperationspartnerwerden.
Frau Professor Böhmer, Sie haben deutlich länger ge-
antwortet. Aber angesichts der aktuellen Informationen,
die Sie uns zu diesem Verbrechen genannt haben, war
das durchaus legitim.
Kollege Ströbele hat eine Zusatzfrage.
Frau Staatsministerin, ich danke dafür, dass Sie an-
kündigen, bei Ihrem Besuch in Mexiko diesen Vorfall
und zahlreiche ähnliche Vorfälle anzusprechen. Ich
hoffe, dass Sie der mexikanischen Regierung im Namen
der Bundesregierung klarmachen, dass eine Sicherheits-
zusammenarbeit unter solchen Umständen höchst pro-
blematisch, wenn nicht ausgeschlossen ist.
Wir sind uns hoffentlich darüber einig, dass das Grau-
enhafte an dieser Geschichte ist – die Leichen sind nach
den letzten Berichten noch nicht geborgen –, dass der
dringende Verdacht besteht – Sie haben das angespro-
chen –, dass das nicht nur durch die organisierte Krimi-
nalität in Mexiko, sondern auch mit Billigung und Un-
terstützung der örtlichen Polizeikräfte und der örtlichen
Administration geschehen ist. Daran schließt sich meine
Frage an: Was gedenkt die Bundesregierung in der Si-
cherheitszusammenarbeit, zu der offenbar auch Waffen-
lieferungen gehören – so soll Heckler & Koch geneh-
migt werden, Waffen an die mexikanische Regierung zu
liefern –, zu tun, um für die Zukunft definitiv auszu-
schließen, dass staatlicher Terror auf diese Art und
Weise gegen die Menschen dort ausgeübt wird sowie
dass das Sicherheitsabkommen und die gelieferten Waf-
fen missbraucht werden, um gegen die Bevölkerung vor-
zugehen? Wir alle wissen von bis zu 50 000 Toten in
Mexiko, die Opfer schrecklicher Straftaten wurden.
Danke, Kollege Ströbele. – Frau Professor Böhmer,
bitte.
D
Ich möchte zuerst der Frau Präsidentin danken, dass
sie Geduld hatte, dass meine Antwort etwas länger aus-
fiel. Aber ich glaube, dass alle Verständnis dafür haben,
dass eine solche Situation ein Überziehen meiner Ant-
wortzeit rechtfertigt.
Herr Kollege Ströbele, das Schlimme in Mexiko, aber
auch in anderen Ländern Lateinamerikas ist in der Tat,
dass dort, wo der Drogenkrieg stattfindet, Korruption
herrscht und dass die Polizei, aber auch andere staatliche
Kräfte, wie wir wissen, teilweise auf der Seite derjenigen
stehen, die in Drogenkrieg und Bandenwesen verwickelt
sind. Das hat mich angesichts der jüngsten Vorfälle sowie
der Exekutionen und Ermordungen, mit denen wir kon-
frontiert sind, tief erschüttert. Daraus werde ich keinen
Hehl machen, wenn ich in Mexiko bin. Ich werde das an-
sprechen, genauso wie wir das vonseiten des Auswärtigen
Amts mit Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty In-
ternational und der Deutschen Menschenrechtskoordina-
tion Mexiko ganz klar angesprochen haben.
Wir drängen auch bei der europäischen Delegation in
Mexiko darauf, dass sie das entsprechend vorträgt. Auf
der einen Seite ist es der mexikanischen Seite klar, auf
der anderen Seite dürfen wir nicht lockerlassen. Wenn es
um das Sicherheitsabkommen geht, ist es uns deshalb
wichtig, dass die Ebene, mit der wir kooperieren, die
bundesstaatliche Ebene ist, die Generalstaatsanwalt-
schaft; denn die bundesstaatliche Ebene will alles daran-
setzen, um diesen Zustand – diesem Zustand wird man
nicht so schnell ein Ende setzen können – deutlich zu be-
kämpfen. Es ist wichtig, dass wir hier Unterstützung
leisten.
Zusatzfrage von Christian Ströbele.
Frau Staatsministerin, zu dem zweiten Teil der Frage
haben Sie jetzt schon Stellung genommen. Wird denn in
dem Sicherheitsabkommen eine eindeutige Formulie-
rung stehen, dass sich die Bundesregierung von Mexiko,
der Präsident, verpflichtet, Menschenrechtsstandards,
wie sie in Deutschland üblich sind, einzuhalten, und
– das sage ich aus der Erfahrung früherer Abkommen
über Waffenlieferungen an Mexiko – wird die Bundes-
regierung die Einhaltung solcher Zusagen auch konkret
kontrollieren, das heißt mit der mexikanischen Regie-
rung Mechanismen vereinbaren, wie das die USA zum
Beispiel tun, um zu gewährleisten, dass solche Verspre-
chungen, die Menschenrechte einzuhalten, nicht nur ab-
gegeben, sondern auch eingehalten werden?
Frau Staatsministerin.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014 5467
(C)
(B)
D
Danke. – Herr Kollege Ströbele, Sie können sicher
sein – Sie merken das auch an dem dezidierten Eintreten
der Bundesregierung –, dass wir alles dafür tun wollen,
auch über das Sicherheitsabkommen, dass die Menschen-
rechtsbelange sichergestellt werden, und dass vor allen
Dingen alles getan wird, um Mexiko auf Bundesebene
zu stärken, gegen Drogenkrieg und Korruption vorzuge-
hen.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin.
Ich hätte fast Herrn Kekeritz übersehen. Das wäre
aber nicht gut. Also, der Kollege Kekeritz hat eine Zu-
satzfrage.
Ich stimme Ihnen voll zu.
Wem sonst?
Fr
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Waffenlieferungen, Drogenkrieg, Korruption. Sie
wissen: Die Korruption reicht oftmals bis in die Regie-
rungsspitze. Es ist nicht immer ausgeschlossen, dass die
Korruption auch ganz oben verankert ist.
Meine Frage an Sie ist: Inwieweit sind denn solche
Abkommen überhaupt auf bilateraler Ebene sinnvoll?
Inwieweit ist so ein Abkommen in einen größeren inter-
nationalen Kontext eingebunden? Sind Sie in der Lage,
mir zwei, drei weitere Beispiele von Ländern zu nennen,
mit denen wir einen solchen Vertrag abgeschlossen ha-
ben? Bei welchen Ländern haben sich dadurch welche
positiven Erkenntnisse ergeben?
Frau Staatsministerin, bitte.
D
Ich habe mich jetzt auf Mexiko konzentriert. Das ist
vielleicht auch nachvollziehbar angesichts der jüngsten
grausamen Morde und der Entwicklung und auch mit
Blick auf die Vorbereitung meiner Reise nach Mexiko.
Die Antwort auf Ihre Frage werde ich Ihnen gerne
schriftlich übermitteln.
Da sowohl der Kollege Ströbele als auch Sie mehr-
fach nach dem Punkt „Waffen“ gefragt haben, will ich
die letzte Antwort dazu nutzen, Ihnen ganz klar zu sa-
gen: Es ist die Firma Heckler & Koch erwähnt worden.
Sie wissen um das Verfahren in Stuttgart. Dass die ent-
sprechenden Genehmigungsverfahren ausgesetzt worden
sind, wissen Sie auch. Wir wollen keine Lieferung von
entsprechenden Gütern an Militär oder Polizei, denen
Menschenrechtsverletzungen oder Korruption vorge-
worfen werden.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Viel Erfolg bei
Ihrer Reise und Ihren Gesprächen in Mexiko.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Finanzen. Die Frage 20 der Abgeord-
neten Veronika Bellmann wird schriftlich beantwortet.
Dasselbe gilt für die Fragen 21 und 22 des Abgeordneten
Richard Pitterle, die Fragen 23 und 24 der Abgeordneten
Susanna Karawanskij, die Fragen 25 und 26 des Abge-
ordneten Dr. Axel Troost, die Frage 27 der Abgeordne-
ten Lisa Paus und die Frage 28 des Abgeordneten
Christian Kühn .
Ich bedanke mich beim Bundesministerium der
Finanzen für die intensive Beantwortung der Fragen, die
es jetzt vor sich hat.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Zur
Beantwortung der nächsten Fragen steht der Parlamenta-
rische Staatssekretär Enak Ferlemann bereit.
Ebner sowie die Fragen 32 und 33 des Abgeordneten
Cem Özdemir werden schriftlich beantwortet.
Aber jetzt geht es los: Ich rufe die Frage 34 des Abge-
ordneten Oliver Krischer auf, die direkt beantwortet
wird:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den
aktuellen Entwicklungen bei Stuttgart 21 im Planfeststel-
lungsbereich 1.3 auf den Fildern – unter anderem laut Gutach-
ten der TU Dresden „Konflikte mit dem Nahverkehr und neue
Einschätzungen zum Zeitplan“?
E
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolle-
ginnen und Kollegen! Auf die Frage des Kollegen
Krischer gebe ich folgende Antwort: Weder das Plan-
feststellungsverfahren noch das zugehörige Anhörungs-
verfahren sind abgeschlossen. Es liegt somit noch keine
Stellungnahme der Anhörungsbehörde vor. Eine Bewer-
tung durch das Eisenbahn-Bundesamt ist erst möglich,
wenn das Anhörungsverfahren abgeschlossen ist.
Der Abschluss des Planfeststellungsverfahrens bleibt
abzuwarten. Die Bundesregierung nimmt auf das Plan-
feststellungsverfahren keinen Einfluss.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Eine Zusatzfrage
vom Kollegen Krischer.
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär, für die Aus-künfte. – Dass die Bundesregierung darauf keinen Ein-fluss nimmt, hätte ich auch nicht anders erwartet. Dasentspricht ja dem Sinn von Planfeststellungsverfahren.Aber natürlich bekommt man bei solchen Verfahrenmit, dass es zu Problemen kommt, dass da Probleme auf-tauchen. Meine Frage wäre: Hat die Bundesregierung In-formationen darüber, dass es zu Kostenerhöhungen
Metadaten/Kopzeile:
5468 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014
Oliver Krischer
(C)
(B)
durch Lärmschutz kommt? Wenn ja, ist gegebenenfallsaufgrund der Probleme, die hier aufgetreten sind, einneues Planfeststellungsverfahren sogar erforderlich?Jenseits des offiziellen Verfahrensstandes, zu dem Sieeinfach nur gesagt haben: „Das Verfahren läuft noch“,verfügt Ihr Haus selbstverständlich – nichts andereswürde ich erwarten – über weitergehende Informationenüber dieses konkrete Projekt. Die Frage ist also: Kommtes zu Kostensteigerungen, muss das Planfeststellungs-verfahren gegebenenfalls neu aufgerollt werden, odermüssen zumindest Teile dieses Verfahrens, zum Beispieldie Erörterungen, erneut durchgeführt werden?
Danke, Herr Kollege Krischer. – Herr Staatssekretär,
bitte.
E
Herr Kollege, Sie haben die Frage eigentlich schon
selbst beantwortet: Wenn wir in ein Planfeststellungsver-
fahren nicht eingreifen, können wir auch keine Schlüsse
ziehen, bevor das Planfeststellungsverfahren beendet ist.
– Wir greifen in ein solches Verfahren nicht ein.
Danke, Herr Kollege Krischer. – Eine Zusatzfrage
von Herrn Kollegen Gastel.
Aber es zeichnet sich natürlich ab, dass noch zusätzli-
che Gutachten erstellt werden müssen. Damit ist die
Frage, ob und zu welchen Zeitverzögerungen es kom-
men wird, zumindest in etwa beantwortbar. Deswegen
möchte ich diese Frage Ihnen noch einmal stellen.
Ich möchte von Ihnen aber auch wissen, wie Sie es
einschätzen, dass die Deutsche Bahn dem Gutachter der
Stadt Leinfelden-Echterdingen, der Universität in Dres-
den, falsche Fahrplandaten gegeben hat, was zu weiteren
Verzögerungen führen wird, weil ein neues Gutachten
mit den richtigen Fahrplandaten erstellt werden muss.
Danke, Herr Kollege Gastel. – Herr Staatssekretär.
E
Da wir uns in dieser Phase zu dem Planfeststellungs-
verfahren nicht äußern, kann ich mich auch nicht dazu
äußern, ob weitere Gutachten beantragt werden. Das ist
sicherlich eine Sache der Planfeststellungsbehörde.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu Frage 35 des Abgeordneten Matthias
Gastel:
Welche Auswirkungen haben nach Kenntnis der Bundes-
regierung die geplanten Mischverkehre aus S-Bahnen und
Fernverkehrszügen zwischen der geplanten Rohrer Kurve und
dem Stuttgarter Flughafen auf den Bahnverkehr in diesem
Abschnitt, und welche Szenarien waren nach Kenntnis der
Bundesregierung Grundlage der Entscheidung?
Herr Staatssekretär, bitte.
E
Ich bitte darum, die Fragen 35 und 36 aufgrund des
Sachzusammenhanges gemeinsam beantworten zu dür-
fen.
Wie ich sehe, sind Sie, Herr Gastel, damit einverstan-
den. Dann rufe ich auch Frage 36 des Abgeordneten
Matthias Gastel auf:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus,
dass die Deutsche Bahn AG Alternativen zur geplanten Flug-
hafenanbindung – wie den Haltepunkt unter der Flughafen-
straße oder die vom sogenannten Filderdialog empfohlene
durch die zusätzliche Belastung der Bahnstrecke zwischen
Rohrer Kurve und dem Stuttgarter Flughafen durch Züge des
Fernverkehrs eine Taktverdichtung der S-Bahnen sowie eine
Erweiterung der Strecke nach Neuhausen in Zukunft kaum
Herr Ferlemann, bitte.
E
Grundlage für die Ausbau- und Neubauplanung sind
in der Regel Betriebsprogramme, die auf aktuellen Ver-
kehrsprognosen basieren. Die Bundesregierung geht da-
von aus, dass der Vorhabenträger im Zuge der Planung
verkehrliche Belange und Alternativen zu der beantrag-
ten Trassenführung in ausreichender Tiefe untersucht
hat. Dies wird im Planfeststellungsverfahren geprüft.
Weder das Planfeststellungsverfahren noch das zugehö-
rige Anhörungsverfahren durch die zuständige Anhö-
rungsbehörde des Landes Baden-Württemberg sind der-
zeit abgeschlossen. Mit dem Planfeststellungsbeschluss
wird eine Bewertung auch vor dem Hintergrund der im
Anhörungsverfahren eingebrachten Einwendungen vor-
liegen.
Herr Gastel.
Dass mich das nicht ganz zufriedenstellt, das wird Sievielleicht nicht vollständig überraschen.Ich möchte auf die Studie der Universität Dresden zu-rückkommen, die nicht zwingend nur etwas mit dem An-hörungsverfahren zu tun hat; vielmehr wäre sie auch er-stellt worden, weil über die Frage diskutiert wird,inwieweit sich der geplante Mischverkehr auf der Stre-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014 5469
Matthias Gastel
(B)
cke, die eigentlich ausschließlich für den S-Bahn-Ver-kehr gebaut wurde und auch geeignet ist, auswirkt. Des-wegen möchte ich von Ihnen gern hören, wie dieBundesregierung die Ergebnisse dieser Studie, wonachder S-Bahn-Verkehr erheblich beeinträchtigt würde– sprich: Fernverkehr und S-Bahn-Verkehr kämen sichin die Quere –, bewertet.Ich habe noch eine zweite Nachfrage. Kann ich die di-rekt stellen?
Da zwei Fragen zusammen beantwortet worden sind,
können Sie viermal rückfragen. Dann soll der Staats-
sekretär doch erst einmal antworten, und dann kommen
Sie wieder dran.
– Genau.
– Nein, jetzt lassen wir den Staatssekretär erst einmal
antworten. Dann können Sie noch zwei- oder dreimal
– nicht so oft, wie Sie wollen, aber das ginge vielleicht
auch noch – rückfragen. – Bitte, Herr Staatssekretär.
E
Danke, Frau Präsidentin. – Es ist so, dass wir zu die-
sem Gutachten im Einzelnen nicht Stellung nehmen.
Stuttgart 21 ist kein Bedarfsplanprojekt, wie Sie wissen,
Herr Kollege, sondern es ist ein eigenwirtschaftliches
Projekt der DB AG mit den beteiligten Projektpartnern.
Wir als Bundesregierung fördern dieses Projekt mit ei-
nem Festzuschuss in Höhe der Kosten, die bei einer Sa-
nierung des Bahnhofs eh auf uns zugekommen wären.
Der Rest ist im Wesentlichen ein städtebauliches Projekt,
das die Projektträger realisieren. Von daher ist zu den
einzelnen Bestimmungen und den einzelnen Vorgaben
sowie zu den weiteren Dingen, die damit zusammenhän-
gen, der Projektträger gefragt; der muss dazu Stellung
nehmen.
Herr Kollege Gastel, haben Sie noch eine Frage? – Ja.
Jawohl. – Noch kurz die Ergänzung: Es sind auch
GVFG-Mittel drin für eine Streckenverbindung, auf der
nachher Fernverkehrszüge fahren sollen, was wiederum
den Nahverkehr gefährdet. Das ist ja das Brisante an der
Geschichte, was die Mittel des Bundes angeht.
Meine Frage ist: Wie bewertet es denn die Bundesre-
gierung, dass die Deutsche Bahn AG noch nicht einmal
darlegen kann, wie viele Personen, die aus Richtung Zü-
rich, Rottweil, also aus dem Süden, kommend zum Flug-
hafen bzw. von dort zurück wollen, die Gäubahn nutzen
würden? Es geht tatsächlich um die Frage: Wie viele
Fahrgäste haben ein Interesse, über die Züge der Gäu-
bahn an den Flughafen zu kommen?
Der Hintergrund ist klar: Wer eine S-Bahn ausbaut,
was im Vergleich dazu nur einen Bruchteil kostet, muss
Fahrgastprognosen erstellen; die Deutsche Bahn ver-
wendet öffentliche Mittel, ohne zu wissen, wie viele
Leute diese Relation tatsächlich nutzen wollen.
Herr Staatssekretär, bitte.
E
Zur Verwendung der öffentlichen Mittel ist immer
eine Kosten-Nutzen-Verhältnis-Berechnung erforder-
lich. Insofern werden wir bei Abruf der Mittel diese Zah-
len und Daten haben. Im Übrigen gehe ich davon aus,
dass die DB AG wie immer sehr sorgfältig und voraus-
schauend geplant hat.
Eine Rückfrage? – Herr Gastel.
Eine Rückfrage. – Nutzen-Kosten-Verhältnis, das ist
wunderbar. Aber woher kennt man den Nutzen dieser In-
vestition, wenn man nicht weiß, wie viele Fahrgäste
nachher dort tatsächlich fahren wollen, was ja der Nut-
zen oder der Sinn einer Investition in die Schiene ist?
Herr Staatssekretär.
E
Zu dem Zeitpunkt der Förderung werden wir auf
beide Fragen Antworten haben, auf der einen Seite die
Kosten und auf der anderen Seite den Nutzen kennen;
sonst können wir ja auch keine Kosten-Nutzen-Verhält-
nis-Berechnung durchführen lassen.
Herr Gastel hat keine Frage mehr, aber der Kollege
Krischer hat noch eine Frage.
Herr Staatssekretär Ferlemann, ich bin ja schon froh,dass Sie hier sagen, dass Sie wissen, dass in Stuttgart ir-gendetwas gebaut wird, dass da Baumaßnahmen laufen.Ich hatte fast damit gerechnet, dass Sie sagen: Das wis-sen wir eigentlich gar nicht. Damit haben wir nichts zutun.Meine Frage lautet: Lässt sich die Bundesregierungregelmäßig – wenn ja, in welchen Zeitintervallen – überdie einzelnen Teile des Projekts Stuttgart 21 und allesdas, wonach der Kollege Gastel gefragt hat, was damit
Metadaten/Kopzeile:
5470 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014
Oliver Krischer
(C)
(B)
im Zusammenhang steht, berichten, und, wenn ja, ziehtsie daraus irgendwelche Schlüsse?
Herr Ferlemann.
E
Es ist natürlich so, dass wir aufmerksam auch die
Presseberichterstattung und alles, was damit zusammen-
hängt, verfolgen; das ist überhaupt keine Frage. Letztlich
ist es ein Projekt, das die DB mit den Partnern gemein-
sam eigenwirtschaftlich durchführt. Natürlich wird im
Aufsichtsrat auch dieses Projekt engmaschig, wie Sie
wissen, begleitet. Dort gibt es die entsprechenden Infor-
mationen, die unsere Kollegen, die im Aufsichtsrat sind,
auch erhalten.
Wir selber sind sehr engagiert bei dem Projekt Neu-
baustrecke Wendlingen–Ulm, wie Sie wissen. Das ist ein
Projekt aus unserem Bedarfsplan, das auch dementspre-
chend finanziert wird. Dieses Projekt hängt natürlich mit
dem Projekt Stuttgart 21 zusammen. Insofern achten wir
darauf, dass pünktlich fertiggestellt wird, sodass die An-
schlüsse auch so sind, dass man durchgängig fahren
kann. Das hinterfragen wir, und wir haben bisher den
Eindruck, dass es noch funktionieren kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fragen 37 und
38 des Kollegen Dr. André Hahn werden schriftlich be-
antwortet.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reak-
torsicherheit.
Ich rufe die Frage 39 der Abgeordneten Kotting-Uhl
auf:
Welche Unterschiede sieht die Bundesregierung zwischen
dem Jülicher AVR- und dem THTR-Reaktor vor allem in Be-
zug auf einen möglichen Export der Brennelemente in die
USA, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?
Zur Beantwortung begrüße ich den Parlamentarischen
Staatssekretär Florian Pronold. Herr Staatssekretär, bitte.
Fl
Der auffälligste Unterschied zwischen einem Atom-
versuchsreaktor – kurz: AVR – und einem Thorium-
Hochtemperaturreaktor – THTR – besteht in der unter-
schiedlichen elektrischen Leistung. Sie beträgt beim
AVR Jülich 16 Megawatt und beim THTR rund 300 Me-
gawatt. Allerdings lässt sich aus dieser Unterscheidung
nicht ableiten, welchem Zweck die Reaktoren dienen.
Hierbei ist nun entscheidend, ob sie zu Zwecken der For-
schung und Untersuchung, zu Demonstrationszwecken
oder mit dem Ziel der gewerblichen Erzeugung von
elektrischer Energie betrieben werden. Die mögliche
Option einer Verbringung der Brennelemente in die USA
wird zurzeit – aufgrund einer atomaufsichtlichen Anord-
nung zur Räumung des Lagers seitens der zuständigen
atomrechtlichen Aufsichtsbehörde in Nordrhein-Westfa-
len – durch das Forschungszentrum Jülich geprüft. Die
anderen Optionen wären zum Beispiel die Verbringung
der Transportbehälter nach Ahaus oder der Neubau eines
Lagers am Standort Jülich.
Nach § 9 Absatz 1 Satz 2 Atomgesetz ist die Abgabe
von aus dem Betrieb von Anlagen zur Spaltung von Kern-
brennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Energie
stammenden Kernbrennstäben nicht zulässig. Ein solches
Verbot steht aber der Verbringung von Brennelementen
aus dem AVR Jülich und dem THTR zurzeit nicht entge-
gen, weil beide Anlagen der Forschung dienen.
Die zweite zu beachtende Vorschrift ist Artikel 4 Ab-
satz 4 der Richtlinie des Rates 2011/70/EURATOM, bei
der es ebenfalls darauf ankommt, ob es sich um radioak-
tive Abfälle handelt, die aus Forschungsreaktoren kom-
men. Ist das der Fall, greift die Richtlinie nicht.
Der Bundesregierung liegen hinsichtlich der rechtli-
chen Zulässigkeit einer Verbringung von THTR-Brenn-
elementen zurzeit mehrere rechtliche Stellungnahmen
vor. Allerdings liegt kein entsprechender Antrag vor,
weswegen wir hier noch zu keiner Entscheidung gekom-
men sind.
Danke, Herr Kollege Pronold. – Frau Kollegin
Kotting-Uhl, Sie haben eine Rückfrage.
Danke, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, Sie
haben zum Schluss Ihrer Ausführungen die EURATOM-
Richtlinie genannt und gesagt, dass diese Richtlinie bei
Forschungsmüll nicht greift. Am Anfang haben Sie den
Unterschied zwischen den beiden Reaktoren AVR und
THTR dargelegt. Der eine sei ein Versuchsreaktor, der
andere habe zu gewerblichen Zwecken produziert.
Erstens. Stimmen Sie mir zu, dass ein Versuchsreak-
tor etwas anderes ist als ein Forschungsreaktor? For-
schungsreaktoren haben üblicherweise klar definierte
Aufgaben. Ein Versuchsreaktor hat eine völlig andere
Aufgabe.
Zweitens. Der Unterschied zwischen 16 Megawatt
und 300 Megawatt produzierten Stroms ist angesichts
dessen, was Reaktoren üblicherweise gewerblich produ-
zieren, marginal. Würden Sie mir insofern zustimmen,
dass der AVR und der THTR in dieser Hinsicht eher
deutlich näher beieinander liegen, als unterschiedlich
sind?
Danke, Frau Kotting-Uhl. – Herr Pronold, bitte.
Fl
Ich habe eingangs versucht, darzustellen, dass alleinaufgrund der Leistung, die die beiden Reaktortypen er-bringen können und auch erbringen, rechtlich noch nichtgeklärt ist, was daraus für die Verbringung von Brenn-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014 5471
Parl. Staatssekretär Florian Pronold
(C)
(B)
elementen folgt. Beim AVR haben wir eine unzweifel-hafte Lage, während uns in Bezug auf den THTR meh-rere Gutachten vorliegen. Aber es liegt uns noch keinGenehmigungsantrag vor, sodass wir diese Frage bisheute nicht entscheiden mussten.
Frau Kollegin, weitere Frage?
Ja.
Frau Kollegin.
Danke, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, Sie
haben ja vorhin eben selbst zwischen diesen beiden Re-
aktoren unterschieden und haben den THTR eindeutig
als einen Reaktor, der gewerblich Strom produziert hat,
klassifiziert.
Fl
Nein.
Von daher stellt sich für mich die Sachlage anders dar
als für Sie. Ich würde sagen: Beim THTR ist es nach all
unseren Gesetzen eindeutig, dass dessen Müll nicht ex-
portiert werden darf, und beim anderen kann man sich
vielleicht noch ein bisschen streiten. Das tut ja vor allen
Dingen das Forschungsministerium ganz gern, wenn es
auf Basis irgendwelcher Windungen und Wendungen be-
hauptet, der Reaktor sei doch irgendwie als Forschungs-
reaktor zu klassifizieren.
Ist Ihnen bekannt, dass ein großes Interesse von der
Anlage, wohin man jetzt in Jülich beabsichtigt den AVR-
Müll zu exportieren, nämlich Savannah River Site, be-
steht, auch den Müll des THTR zu haben, weil sich sonst
die Anlage, die dort eigens für die Behandlung des deut-
schen Atommülls gebaut werden muss, nicht wirklich
rechnet? Ist Ihnen das bekannt – das Bundesumwelt-
ministerium muss ja auch einem Export des AVR-Mülls
in die USA durchaus zustimmen, weil es mit seiner Un-
terschrift bestätigen muss, dass es von einer schadlosen
Verwertung ausgeht –, und würden Sie in Kauf nehmen,
dass auch der Müll des THTR von den USA begehrt
wird und dass da eventuell ein Link hergestellt wird?
Herr Pronold, bitte.
Fl
Das war mehr als eine Frage.
Aber das können Sie doch beantworten.
Fl
Genau, ich weiß schon, machen wir. Ich werde versu-
chen, die Fragen trotzdem zu beantworten.
Zunächst einmal will ich hier noch einmal ganz prä-
zise sagen, damit hier kein Missverständnis aufkommt:
Ich habe auf die unterschiedliche Leistung der beiden
Reaktoren hingewiesen und dann auf den Zweck verwie-
sen. Ich möchte hinzufügen: Allerdings ist der Unter-
schied in der Leistung alleine keine Grundlage für die
Beurteilung der Frage, ob es sich um Reaktoren zu Zwe-
cken von Forschung und Untersuchung, um Demonstra-
tionsreaktoren oder um eine Anlage mit dem Ziel der ge-
werblichen Erzeugung von elektrischer Energie handelt.
Zu Ihren weiteren Fragen. In den Jahren 1996 bis
2010 erfolgten, wie Sie wissen, insgesamt zehn Trans-
porte aus nahezu allen Forschungsreaktoren Deutsch-
lands in andere Länder. Damit haben wir ein Stück weit
dem Prinzip Rechnung getragen, eine Nichtverbrei-
tungspolitik zu betreiben und entsprechende Kernbrenn-
stoffe im Herkunftsland aufzubereiten. Das ist für den
Bereich des AVR hier, wie ich glaube, unstrittig. Ich
kann Ihnen das zum Bereich des THTR nicht beantwor-
ten, weil uns dazu kein Genehmigungsantrag vorliegt.
Sobald das passiert, werden wir das rechtlich bewerten
und entscheiden. Dann kann ich Ihnen dazu Auskunft
geben.
Danke, Herr Kollege Pronold. – Jetzt der Kollege
Krischer.
Herr Staatssekretär Pronold, Ihnen ist schon bekannt,
dass es sich bei den Versuchsreaktoren, auf die Sie eben
im Zusammenhang mit Atommülltransporten ins Aus-
land verwiesen haben, nicht um Reaktoren handelte, die
dem Zwecke der Stromgewinnung dienten, sondern dass
das Neutronenquellen waren – die sind ja überwiegend
stillgelegt bzw. werden stillgelegt –, hier also insofern
eine Vergleichbarkeit gar nicht gegeben ist und diese
Aussage damit Ihrer ganzen Argumentation wider-
spricht? – Dieses möchte ich hier nur klargestellt haben.
Meine Frage lautet: Sie haben eben von mehreren
Gutachten gesprochen, die der Bundesregierung zur
Frage der Möglichkeit und der rechtlichen Zulässigkeit
des Exports des Atommülls aus dem AVR Jülich vorlie-
gen. Ging es dabei auch um den THTR? Ich habe vorhin
nicht ganz verstanden, ob es auch um ihn ging. Ferner:
Könnten Sie mir diese Gutachten, die Ihnen vorliegen,
benennen? Es sind ja offensichtlich mehrere. Und wenn
das von Ihnen selbst beauftragte Gutachten sind, würden
Sie diese dem Deutschen Bundestag zur Verfügung stel-
len?
Danke, Kollege Krischer. – Herr Pronold.
Metadaten/Kopzeile:
5472 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014
(B)
Fl
Uns liegen drei Gutachten zu dieser Thematik vor.
Das erste ist von den Rechtsanwälten Heinemann &
Partner vom 12. November 2013 die Stellungnahme zu
der Frage, ob eine Verbringung bestrahlter Brennele-
mente aus dem THTR in die USA zum Zwecke der Wie-
deraufarbeitung mit § 9 Absatz 1 usw. des Atomgesetzes
im Einklang steht. Das zweite ist ein Rechtsgutachten
zur Zulässigkeit der Verbringung der THTR-Brennele-
mente in die USA von Herrn Professor Dr. jur. Georg
Hermes vom 4. Februar 2014, das im Auftrag des Um-
weltministeriums Nordrhein-Westfalen erstellt worden
ist. Das dritte ist von Herrn Rechtsanwalt Dr. Wollenteit
und anderen ein Rechtsgutachtern zur Zulässigkeit der
Verbringung von abgebrannten Brennelementen aus dem
stillgelegten Kernkraftwerk AVR Jülich in die Wieder-
aufbereitungsanlage Savannah River Site, USA, vom
3. September 2014, das von Greenpeace beauftragt wor-
den ist. Diese drei Gutachten liegen uns vor. Ich ver-
mute, dass nichts dagegensteht, sie Ihnen auszuhändi-
gen. Ich kann Ihnen das ohne Rücksprache zwar nicht
zusagen, bin mir aber ziemlich sicher, dass Sie sie be-
kommen.
Gut. Wir werden Sie beim Wort nehmen. Vielen
Dank, Herr Pronold.
Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanz-
lerin und des Bundeskanzleramts und damit zur letzten
Frage.
Ich rufe Frage 40 des Abgeordneten Hans-Christian
Ströbele auf:
2004 und 2008 Telekommunikations- und Internetverkehr am
Frankfurter Netzknoten DE-CIX anzapfte aufgrund von Abre-
den mit der NSA und dieser so gewonnene Daten auch über
deutsche Staatsbürger übermittelte, ohne dass BND-Filtersys-
teme Letzteres verhindern konnten, und wieso hat die Bun-
desregierung diesen Berichten zufolge über diese Vorgänge
von besonderer Bedeutung die Gremien und Ausschüsse des
Deutschen Bundestages bisher nicht pflichtgemäß unterrich-
tet, sondern auf meine vielfachen parlamentarischen Fragen
seit dem Sommer 2013 den Sachverhalt geleugnet oder nicht
Frage 55 der Abgeordneten Britta Haßelmann am 8. Oktober
Herr Fritsche, bitte.
K
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter
Ströbele! Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Der in Ih-
rer ersten Teilfrage dargestellte Sachverhalt ist nicht zu-
treffend. Ihre Frage unterstellt zudem, die Bundesregie-
rung hätte auf Ihre und andere parlamentarische Fragen
hin einen Sachverhalt geleugnet oder nicht ausreichend
beantwortet. Auch diesbezüglich betone ich, dass die
Bundesregierung die gestellten Fragen zutreffend beant-
wortet hat.
Weitere Ausführungen zu Ihrer Frage können hier
nicht in Form einer öffentlichen Stellungnahme erfolgen.
Es handelt sich um Vorgänge, die als Verschlusssachen
eingestuft sind und entsprechend den dortigen Beweisbe-
schlüssen dem 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahl-
periode übermittelt wurden.
Zu dem Aspekt der Unterrichtung des Parlamentari-
schen Kontrollgremiums lassen Sie mich auf Folgendes
hinweisen: Die Sitzungen des PKGr sind, wie Sie wis-
sen, grundsätzlich geheim. Diese Geheimhaltung betrifft
alle Inhalte und damit selbstverständlich auch die jewei-
lige Tagesordnung. Ich bitte daher um Verständnis, dass
ich zu einer Unterrichtung des PKGr hier öffentlich we-
der zum Ob noch zum Wie Stellung nehmen kann.
Herr Abgeordneter, selbstverständlich ist dem parla-
mentarischen Fragerecht in einer Abwägung der Rechts-
güter Rechnung zu tragen. Daher habe ich zu den beiden
letztgenannten Teilfragen einen „Geheim“ eingestuften
Antwortteil in der Geheimschutzstelle hinterlegen las-
sen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär Fritsche. – Christian
Ströbele, bitte.
Bedanken will ich mich für die Antwort nicht, Herr
Staatssekretär.
Ich werde nicht nachlassen, diese Frage auch öffentlich
beantwortet zu bekommen. Da können Sie sicher sein.
Das wird heute nicht das letzte Mal sein. Denn ich stelle
Fragen an die Bundesregierung grundsätzlich mit dem
Ziel, Antworten, wahrheitsgemäße Antworten zu be-
kommen. Ich stelle sie auch öffentlich, weil ich großen
Wert darauf lege, dass auch die Öffentlichkeit davon er-
fährt, wie die Antworten auf die Fragen sind.
Deshalb versuche ich es jetzt noch einmal, Sie dazu
zu bewegen, eine wahrheitsgemäße Antwort zu geben:
Hat der Bundesnachrichtendienst in den Jahren 2002 bis
2008 zu irgendeinem Zeitpunkt am Glasfaserknoten-
punkt Frankfurt Daten abgeschöpft und an den US-ame-
rikanischen Geheimdienst NSA weitergeleitet?
Vielen Dank, Herr Kollege Ströbele, für die Frage. –
Der Herr Staatssekretär Fritsche hat das Wort.
K
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Ströbele, ich habe natürlich Ver-ständnis für die Frage. Aber die Frage betrifft den glei-chen Sachverhalt, zu dem ich eben vorgetragen habe.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2014 5473
Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche
(C)
Wir haben dem Fragerecht seitens der Bundesregierungausdrücklich insoweit stattgegeben, als wir die diesbe-züglichen Unterlagen, die bis „Streng Geheim“ einge-stuft sind, dem Untersuchungsausschuss zur Verfügunggestellt haben. Ich denke, der Untersuchungsausschussist der richtige Ort, um diese Fragen aufzuklären.
Herr Ströbele zu einer zweiten Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir wenigstens inso-
fern zu, dass die Antworten, die Sie auf meine Fragen
schon vom 11. Juli dieses Jahres als auch von heute als
auch auf die Fragen der Kollegin Haßelmann gegeben
haben, mit dem, was die Süddeutsche Zeitung über einen
angeblichen Inhalt der streng geheimen Akten veröffent-
licht hat, nicht in Einklang zu bringen sind?
K
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bewerte an dieser Stelle sicher keine Pressever-
lautbarungen der Süddeutschen Zeitung, sondern ich
kann nur wiederholen, dass ich gesagt habe, die Bundes-
regierung hat Ihre Fragen, einschließlich der vom Juli,
richtig und zutreffend beantwortet.
Ich sehe keine weiteren Fragesteller, liebe Kollegin-
nen und Kollegen. Dann sind wir am Schluss unserer
heutigen Tagesordnung angekommen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 16. Oktober 2014,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Noch einen schönen
Nachmittag und allen Gästen auf der Tribüne schöne
Eindrücke von Berlin.