Protokoll:
18038

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 38

  • date_rangeDatum: 4. Juni 2014

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:16 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/38 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 38. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: zu den Ergebnissen des Informellen Abendessens der Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten am 27. Mai 2014 in Brüssel sowie zum G-7- Gipfel am 4./5. Juni 2014 in Brüssel . . . . . . 3257 A Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 3258 A Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) . . . . . . 3262 B Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . . 3265 A Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3266 C Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 3268 C Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3269 A Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . 3269 C Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 3271 C Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . 3272 C Franz Thönnes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3272 D Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3274 B Elisabeth Motschmann (CDU/CSU) . . . . . . . 3275 D Dr. Katarina Barley (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 3277 A Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 3278 A Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3280 A Michael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . 3281 B Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 3281 D Detlef Seif (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3282 D Tagesordnungspunkt 2: Befragung der Bundesregierung: Entwurf ei- nes Gesetzes zur Einführung des Eltern- geldPlus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundes- elterngeld- und Elternzeitgesetz . . . . . . . . . 3284 C Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3284 D Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 3285 C Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3285 C Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . 3285 D Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3286 A Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . 3286 B Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3286 C Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3286 D Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3286 D Petra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3287 B Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3287 B Birgit Kömpel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3287 C Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3287 C Dr. Dorothee Schlegel (SPD) . . . . . . . . . . . . . 3288 A Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3288 A Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3288 B Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2014 Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3288 C Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3288 D Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3289 A Ursula Schulte (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3289 B Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3289 B Gülistan Yüksel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3289 C Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3289 C Sylvia Pantel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 3289 D Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3290 A Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 3290 B Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3290 B Tagesordnungspunkt 3: Fragestunde Drucksache 18/1589 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3290 D Mündliche Frage 5 Andrej Hunko (DIE LINKE) Beantwortung von Fragenkatalogen zur Spionagepraxis von US-Behörden Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3291 A Zusatzfragen Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 3291 C Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3292 B Mündliche Frage 6 Andrej Hunko (DIE LINKE) Fortbildung der Spezialkräfte der brasilia- nischen Militärpolizei zur Vorbereitung auf die Fußballweltmeisterschaft Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3292 D Zusatzfragen Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 3293 C Mündliche Frage 8 Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zustimmung der Bundesregierung zu Un- terstützungsprogrammen für Staaten der Euro-Zone im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3294 B Zusatzfragen Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3294 C Mündliche Frage 17 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beschaffung militärischer Drohnen Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3295 B Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3295 C Mündliche Frage 18 Veronika Bellmann (CDU/CSU) Fortführung von Projekten aus dem För- derprogramm „Die 2. Chance“ Antwort Elke Ferner, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3296 D Zusatzfragen Veronika Bellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 3297 B Mündliche Frage 22 Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Absage der Teilnahme der Bundeskanzle- rin beim UN-Klimagipfel im September 2014 Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3298 A Zusatzfragen Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3298 A Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3298 D Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2014 III Mündliche Frage 23 Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen aus dem Fernbleiben der Bundeskanzlerin beim UN-Klimagipfel im September 2014 Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3299 B Zusatzfragen Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3299 C Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3300 B Mündliche Frage 30 Jan van Aken (DIE LINKE) Reexport von Pistolen des Typs SP2022 aus den USA nach Kolumbien Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3300 D Zusatzfragen Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 3301 A Mündliche Frage 31 Jan van Aken (DIE LINKE) Genehmigungen für den Export von Ferti- gungsunterlagen sowie von Komponenten für Pistolen des Typs SP2022 in die USA Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3301 C Zusatzfrage Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 3301 D Mündliche Frage 32 Heike Hänsel (DIE LINKE) Anzahl von nach Kolumbien gelangten deutschen Pistolen des Typs SIG Sauer SP2022 Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3302 A Zusatzfragen Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 3302 B Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3302 D Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 3303 A Mündliche Frage 33 Heike Hänsel (DIE LINKE) Erklärung über die Nichteinhaltung der Endverbleibserklärung durch die USA we- gen dorthin exportierter und nach Kolum- bien gelangter deutscher Waffen des Typs SIG Sauer SP2022 Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3303 B Zusatzfragen Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 3303 C Mündliche Frage 34 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Genehmigungspraxis bei Entscheidungen über den Export von Rüstungsgütern Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3304 A Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3304 A Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 3304 D Nächste Sitzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3305 C Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3305 A/C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten. . . . . . 3307 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Cajus Caesar (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ulle Schauws, Luise Amtsberg, Kai Gehring, Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Ent- wurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Ent- scheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner (36. Sitzung, Tagesordnungspunkt 8 a). . . . . . 3307 B Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Frank Schwabe (SPD) zu den namentlichen Abstimmungen in der 36. Sitzung am 22. Mai 2014 und in der 37. Sitzung am 23. Mai 2014 3307 C IV Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2014 Anlage 4 Neuabdruck der Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Klaus Brähmig (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) (37. Sit- zung Tagesordnungspunkt 19 a, Anlage 3) . . . 3307 C Anlage 5 Mündliche Frage 1 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Truppenstärke der sich im Einsatz in der Ostukraine befindlichen ukrainischen Streitkräfte Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3308 B Anlage 6 Mündliche Frage 2 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Ausbildung und Bewaffnung syrischer Rebellen Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3308 C Anlage 7 Mündliche Frage 3 Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Geplante internationale Ausbildungsmis- sion in Afghanistan ab 2015 Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3309 A Anlage 8 Mündliche Frage 4 Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zeitlicher Rahmen und personeller Ansatz für die Ausbildung und Unterstützung der afghanischen Streitkräfte Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3309 B Anlage 9 Mündliche Frage 7 Halina Wawzyniak (DIE LINKE) Beteiligung von Suchmaschinenanbietern bei der Schlichtungsstelle für Löschanfra- gen Antwort Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3309 C Anlage 10 Mündliche Frage 9 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Steuerliche Förderung von Start-up-Unter- nehmen Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3309 D Anlage 11 Mündliche Frage 10 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Steuerliche Erfassung des Gewinns bei forstwirtschaftlichen Betätigungen Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3310 B Anlage 12 Mündliche Frage 11 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erweiterung der Begriffsbestimmung von gemeinnützigen Zwecken in § 52 Absatz 2 Nummer 19 der Abgabenordnung um die Förderung des Schutzes der Lebenspart- nerschaft Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3310 C Anlage 13 Mündliche Frage 12 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Geplante Änderung des § 3 des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Be- schäftigungen in einem Ghetto Antwort Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3310 D Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2014 V Anlage 14 Mündliche Frage 13 Veronika Bellmann (CDU/CSU) Bundesbeteiligung an den Kosten der Un- terkunft und Heizung im Rahmen des Bil- dungspakets im Jahr 2013 Antwort Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3311 A Anlage 15 Mündliche Fragen 14 und 15 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Arbeitsgruppe „Flexible Übergänge in den Ruhestand“ Antwort Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3311 C Anlage 16 Mündliche Frage 16 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Änderung der EU-Freisetzungs- richtlinie zur Schaffung neuer Möglichkei- ten für nationale Anbauverbote Antwort Dr. Maria Flachsbarth, Parl. Staatssekretärin BMEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3311 D Anlage 17 Mündliche Frage 21 Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kosten des Neubaus der Zentrale des Bun- desnachrichtendienstes Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3312 A Anlage 18 Mündliche Frage 24 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Drosselklappen des im AKW Grohnde ein- gesetzten Typs in weiteren deutschen Atomkraftwerken Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3312 C Anlage 19 Mündliche Fragen 25 und 26 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Biokraftstoffgewinnung aus Algen und Förderung mariner Biotechnologie Antwort Stefan Müller, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3312 D Anlage 20 Mündliche Frage 27 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Besetzung des Verwaltungs- und Fern- sehrats der Deutschen Welle Antwort Monika Grütters, Staatsministerin BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3313 B Anlage 21 Mündliche Frage 28 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Schließung der Relaisstation der Deut- schen Welle in Kigali Antwort Monika Grütters, Staatsministerin BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3313 C Anlage 22 Mündliche Frage 29 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Lieferung von Brennelementen an die Ukraine durch den US-Konzern Westing- house Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3313 D Anlage 23 Mündliche Frage 35 Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anforderungen an Betreiber von kleinen Solaranlagen bis 30 kW Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3314 A VI Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2014 Anlage 24 Mündliche Fragen 36 und 37 Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umsetzung der EU-Energieeffizienzricht- linie in nationales Recht Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3314 C Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2014 3257 (A) (C) (D)(B) 38. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2014 Beginn: 13.00 Uhr
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    (D) Berichtigung Das endgültige Ergebnis der dritten namentlichen Ab- stimmung in der 37. Sitzung am Freitag, dem 23. Mai 2014, S. 3201 A, ist wie folgt zu lesen: „Abgegebene Stimmen: 586; davon ja: 113“ nein: 473“ In der nachfolgenden Liste, S. 3201 B, ist unter den Ja- Stimmen bei der Fraktion Die Linke nach dem Namen „Dr. Kirsten Tackmann“ der Name „Azize Tank“ einzu- fügen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2014 3307 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht (D) Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 04.06.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 04.06.2014 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 04.06.2014 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 04.06.2014 Gohlke, Nicole DIE LINKE 04.06.2014 Groß, Michael SPD 04.06.2014 Dr. Gysi, Gregor DIE LINKE 04.06.2014 Hartmann (Wackernheim), Michael SPD 04.06.2014 Kampeter, Steffen CDU/CSU 04.06.2014 Mast, Katja SPD 04.06.2014 Petzold (Havelland), Harald DIE LINKE 04.06.2014 Rößner, Tabea BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.06.2014 Rüffer, Corinna BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.06.2014 Schavan, Annette CDU/CSU 04.06.2014 Tank, Azize DIE LINKE 04.06.2014 Wagner, Doris BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.06.2014 Werner, Katrin DIE LINKE 04.06.2014 Ziegler, Dagmar SPD 04.06.2014 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Cajus Caesar (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Ände- rungsantrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ulle Schauws, Luise Amtsberg, Kai Gehring, Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessiv- adoption durch Lebenspartner (36. Sitzung, Ta- gesordnungspunkt 8 a) Ich habe bei der namentlichen Abstimmung verse- hentlich mit Ja gestimmt. Mein Votum lautet jedoch Nein. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Frank Schwabe (SPD) zu den namentlichen Abstimmungen in der 36. Sitzung am 22. Mai 2014 und in der 37. Sitzung am 23. Mai 2014 An den an den beiden Sitzungstagen durchgeführten namentlichen Abstimmungen habe ich nicht teilgenom- men. Anlage 4 Neuabdruck der Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Klaus Brähmig (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf ei- nes Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leis- tungsverbesserungsgesetz) (37. Sitzung Tages- ordnungspunkt 19 a, Anlage 3) Nach langen Wochen des Ringens haben sich CDU/ CSU und SPD in den letzten Tagen über strittige Einzel- heiten des großen Rentenpakets geeinigt. Zu Recht hat der britische Premier David Lloyd George auf folgende Tatsache hingewiesen: „Jede Generation hat ihren Ta- gesmarsch auf der Straße des Fortschritts zu vollenden. Eine Generation, die auf schon gewonnenem Grund wie- der rückwärts schreitet, verdoppelt den Marsch für ihre Kinder.“ Tatsache ist weiterhin, dass die deutsche Ren- tenkasse seit Jahren strukturell unterfinanziert ist. Der- zeit schießt der Bund gut 80 Milliarden Euro im Jahr in die Rentenkasse zu. Vor diesem Hintergrund erhöhen wir mit dem Rentenpaket die konsumtiven Ausgaben noch weiter und überlassen die Finanzierung stärker den kom- menden Generationen. Angesichts dieser Tatsachen fällt mir eine Zustimmung am heutigen Tag sehr schwer. Umgekehrt war mir und allen anderen Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion die Mütterrente ein wichtiges Anliegen. In Zukunft werden Mütter von Kindern, die vor 1992 geboren wurden, ein zusätzliches Erziehungs- jahr in der Rente anerkannt bekommen. Das ist eine gute Lösung, denn zu der damaligen Zeit existierte kein brei- tes Netz aus Kinderbetreuungseinrichtungen, das diesen Anlagen 3308 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2014 (A) (C) (D)(B) Frauen erlaubt hätte, berufstätig zu sein und somit für die Rente vorzusorgen. Bei der Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren haben wir eine Kompromisslösung gefunden, in der nun Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs ohne zeitliche Beschrän- kung angerechnet werden. Gleichzeitig wurde erreicht, dass die letzten beiden Jahre vor der Rente mit 63 dabei allerdings nicht mehr mitgezählt werden. So konnte ver- hindert werden, dass Arbeitnehmer sich im Alter von 61 Jahren arbeitslos melden können und nach zwei Jah- ren Arbeitslosengeld dann mit 63 Jahren nahtlos in die Rente übergehen. Ausgenommen von der individuellen Stichtagsregel gegen die Frühverrentung sind Arbeitneh- mer, die von der Insolvenz ihres Unternehmens oder der Geschäftsaufgabe betroffen sind. Weiterhin ist gewähr- leistet, dass auch freiwillig Versicherte, insbesondere selbstständige Handwerker, die nach 18 Jahren Pflicht- beitragszahlung in die freiwillige Versicherung gewech- selt sind, nun von der Rente mit 63 profitieren können. Durch den massiven Einsatz des Wirtschaftsflügels der CDU/CSU-Fraktion soll zusätzlich in einer koali- tionsinternen Arbeitsgruppe die sogenannte Flexi-Rente gesetzlich auf den Weg gebracht werden. Danach kön- nen in Zukunft Arbeitnehmer, die die Regelarbeitsgrenze erreicht haben, beim selben Arbeitgeber auch mit einem befristeten Arbeitsvertrag weiterbeschäftigt werden. Da- mit käme die Koalition nicht nur den Wünschen vieler Arbeitnehmer entgegen, die sich im Alter von 65 Jahren zu fit für die Rente fühlen. Diese Regel ist auch eine Maßnahme gegen den Facharbeitermangel, der infolge der demografischen Entwicklung auf Deutschland zu- kommt. Angesichts der oben genannten Änderungen habe ich die Hoffnung, dass wir mit der jetzt beschlossenen Rege- lung zur Rente mit 63 Jahren die befürchtete Frühverren- tungswelle verhindern können. Endgültige Sicherheit wird die Praxis bringen. Notfalls muss dann nachgesteu- ert werden. Meines Erachtens hat die CDU/CSU-Fraktion durch ihr engagiertes Eintreten eine geplante Reform verhin- dert, die meine Zustimmung auch nicht mehr erhalten hätte. Da die CDU/CSU-Fraktion sich innerhalb des Ge- setzgebungsverfahrens aber bei wichtigen Punkten über die eher nicht zufriedenstellenden Ergebnisse aus den Koalitionsverhandlungen durchsetzen konnte, stimme ich dem Gesetz zu. Koalitionstreue ist dabei das mich treibende Argument. Anlage 5 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Druck- sache 18/1589, Frage 1): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Truppenstärke der Streitkräfte (Personalstärke, militärisches Gerät), die die ukrainische De-facto-Regierung derzeit in der Ostukraine im vermeintlichen „Antiterrorkampf“ im Einsatz hat – bitte entsprechend den Einheiten der ukrainischen Ar- mee, Nationalgarde, des Innenministeriums, Sicherheitsdiens- tes der Ukraine, SBU, getrennt nach Panzern, gepanzerten Fahrzeugen, Flugzeugen, Hubschraubern etc. auflisten –, und wie viele Tote hat es nach – auch nachrichtendienstlicher – Kenntnis der Bundesregierung gegeben (bitte nach Angehöri- gen der ukrainischen Streitkräfte, Zivilisten und vermeintli- chen prorussischen Milizen aufschlüsseln)? Der Bundesregierung liegen keine gesicherten Er- kenntnisse über die Truppenstärke der ukrainischen Streitkräfte vor, die derzeit im Osten des Landes einge- setzt werden. Die Antiterroroperation steht unter der Leitung des Inlandsgeheimdienstes SBU. Informationen über Truppenteile, Ausrüstung usw. werden von der ukrainischen Seite nicht veröffentlicht. Auch zu den Opferzahlen liegen der Bundesregierung keine gesicherten Erkenntnisse vor. Am 3. Juni 2014 hat der ukrainische Generalstaatsanwalt jedoch mitgeteilt, dass bei gewaltsamen Auseinandersetzungen in den Ge- bieten Donezk und Lugansk bislang 181 Menschen, da- runter 59 Angehörige der ukrainischen Sicherheitskräfte, ihr Leben verloren hätten. 293 Personen seien von den Terroristen verletzt worden. Seit März 2014 seien von den Separatisten etwa 220 Personen, darunter 15 Aus- länder, verschleppt worden. Anlage 6 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Druck- sache 18/1589, Frage 2): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Ankündigung der Obama-Administration, zusammen un- ter anderem mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabi- schen Emiraten die sogenannten Rebellen in Syrien vermehrt auszubilden und stärker zu bewaffnen (http://abcnews.go.com/ Politics/wireStory/us-nears-decision-training-syrian-rebels-23 886662), und welche konkreten Schritte unternimmt die Bun- desregierung, um den Bürgerkrieg in Syrien friedlich zu lösen? Der Bundesregierung ist eine solche Ankündigung der US-Regierung nicht bekannt. Diesbezügliche Presse- meldungen beziehen sich auf Überlegungen innerhalb der US-Regierung sowie im US-Senat, die nach Kennt- nis der Bundesregierung noch nicht entscheidungsreif sind. Die Bundesregierung setzt sich in vielfältiger Weise für eine politische Lösung des Konflikts in Syrien ein. Den Genf-II-Prozess und die Mission der Vereinten Na- tionen unter der Leitung des Sondergesandten Lakhdar Brahimi hat die Bundesregierung personell und materiell unterstützt. Nach der Rücktrittsankündigung Brahimis sondiert die Bundesregierung mit Partnern Ansätze, um die Ver- handlungen wieder aufzunehmen. Dazu diente auch die Reise des Bundesministers des Auswärtigen, Dr. Frank- Walter Steinmeier, vom 29. Mai bis 1. Juni 2014 in die Region. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2014 3309 (A) (C) (D)(B) Anlage 7 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der Abgeordneten Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1589, Frage 3): Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der An- kündigung von US-Präsident Barack Obama, ab 2015 zu- nächst rund 9 800 US-Soldatinnen und US-Soldaten in Af- ghanistan zu stationieren und diese Präsenz dann bis Ende des Jahres 2016 weitestgehend abzubauen, für einen etwaigen deutschen Beitrag unter Rückgriff auf die Bundeswehr im Rahmen einer geplanten internationalen Ausbildungsmission ab 2015, und gedenkt die Bundesregierung in diesem Zusam- menhang, das Ausbildungs- und Unterstützungsengagement für die afghanischen Sicherheitskräfte durch die Bundeswehr ebenfalls bis Ende 2016 einzustellen? Die Bundesregierung begrüßt die offizielle Ankündi- gung des US-Präsidenten Barack Obama, weiterhin mit 9 800 US-Soldaten in der Islamischen Republik Afgha- nistan engagiert zu bleiben. In dieser Zahl enthalten sind etwa 1 000 Soldaten für eine von den Vereinigten Staa- ten von Amerika geführte Antiterrormission. Für eine umfassende Bewertung der nun bekannten US-Planungen ist es derzeit noch zu früh. Das Speichen- modell im Rahmen der Mission Resolute Support, das Deutschland als Rahmennation in der „Speiche Nord“ (Masar-i-Sharif) entscheidend mittragen wird, kann auf dieser Grundlage jedoch mindestens für ein Jahr ver- wirklicht werden. Danach werden sich die militärischen Ausbilder und Berater, die den nationalen afghanischen Sicherheitskräften, ANSF, im Rahmen von Resolute Support weiter zur Seite stehen, noch stärker auf die Stabsstellen in Kabul konzentrieren. Sowohl die NATO als auch die Bundesrepublik Deutschland haben Aus- und Weiterbildungsangebote außerhalb von Einsatzlän- dern für die langfristige Unterstützung von Sicherheits- kräften entwickelt. An diesen werden nach 2016 auch die afghanischen Sicherheitskräfte teilnehmen können. Die Bundesregierung wird den Deutschen Bundestag mit dieser Entscheidung rechtzeitig befassen. Anlage 8 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der Abgeordneten Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1589, Frage 4): Welche Anstrengungen im Bereich der Ausbildung und Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte sind nach Auffassung der Bundesregierung insbesondere mit Blick auf den zeitlichen Rahmen und personellen Ansatz notwendig, um eine dauerhafte Befähigung der afghanischen Sicherheits- kräfte dahin gehend zu gewährleisten, dass diese in hinrei- chendem Maße in Gesamtafghanistan für die Sicherheit und den Schutz der Bevölkerung sorgen können, und inwiefern hält die Bundesregierung das Vorhaben der USA für proble- matisch, auch nach 2014 und dem Ende der ISAF-Mission auf eine militärische Antiterrormission in Afghanistan zu setzen, die im Falle einer internationalen Ausbildungs- und Unterstüt- zungsmission in Afghanistan zu dieser parallel liefe? Die afghanischen Sicherheitskräfte – Polizei und Streit- kräfte – haben im Zusammenhang mit dem ersten Wahl- gang der Präsidentschaftswahlen allseits beachtete gute Arbeit bei der Absicherung geleistet. Allerdings sind ihre Fähigkeiten in den Bereichen Führung, Logistik und Aufklärung weiterhin begrenzt. Deshalb erachtet die Bundesregierung eine ISAF-Folgemission, die sich auf Training und Beratung konzentriert, für notwendig. Da- bei sollen Korpsstäbe beraten und Ausbildungseinrich- tungen unterstützt werden. Außerdem müssen Verfahren in den für die Sicherheit zuständigen Ministerien weiter verbessert werden. Auch die Polizeikräfte sollen durch Beratung und Mentoring weiterhin unterstützt werden. Eine militärische Antiterrormission der Vereinigten Staaten von Amerika in der Islamischen Republik Afghanistan kann nur auf Grundlage einer bilateralen Vereinbarung zwischen den Regierungen beider Länder durchgeführt werden. Aus Sicht der Bundesregierung wäre damit eine hinreichende Grundlage für diese Mis- sion gegeben. Bereits bisher führten die USA in Afgha- nistan neben ihrer Beteiligung an ISAF eine Antiterror- mission durch. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Lange auf die Frage der Abgeordneten Halina Wawzyniak (DIE LINKE) (Drucksache 18/1589, Frage 7): Welche Suchmaschinenanbieter außer Google sollen an der derzeit diskutierten Schlichtungsstelle für Löschanfragen (vergleiche Handelsblatt vom 27. Mai 2014) beteiligt werden, und wenn keine weiteren beteiligt werden sollen, warum wird nur Google beteiligt? Die Grundaussagen des Urteils des EuGH vom 13. Mai 2014 in der Rechtssache Google Spain SL unter anderem ./. AEPD (Rs. C-131/12) betreffen nicht nur Google, sondern alle Betreiber von Internetsuchmaschi- nen. Die Überlegungen in der Bundesregierung zu einem kostenlosen und freiwilligen Streitschlichtungsverfahren zwischen Verbrauchern und Suchmaschinenbetreibern, wenn ein Suchmaschinenbetreiber einem Löschungs- wunsch eines Verbrauchers nicht nachkommt, gelten da- her für alle Betreiber von Internetsuchmaschinen glei- chermaßen. Ein Mechanismus zur Streitschlichtung durch einen unabhängigen Dritten kann ein sinnvolles zusätzliches Verfahren neben dem Weg zu den ordentlichen Gerich- ten und einer Beschwerde zu den Datenschutzaufsichts- behörden sein. Voraussetzung ist, dass es für den Antrag- steller kostenfrei ist und den Antragsteller nicht bindet. Auch darf die Möglichkeit des Betroffenen, sich an die Gerichte oder Datenschutzaufsichtsbehörden zu wenden, nicht eingeschränkt oder verzögert werden. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 18/1589, Frage 9): 3310 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2014 (A) (C) (D)(B) Welche konkreten Maßnahmen zur steuerlichen Förderung einer besseren Finanzierung von Start-up-Unternehmen beab- sichtigt die Bundesregierung nach den Äußerungen der Bun- deskanzlerin (vergleiche Podcast vom 17. Mai 2014 unter: www.bundeskanzlerin.de/Webs/BKin/DE/Mediathek/mediathek_ node.html?cat=videos&id=871832), und inwieweit werden nach Ansicht der Bundesregierung Einnahmen aus Gewinnbe- teiligungen in Form von Carried Interest derzeit steuerlich be- günstigt? Zur Verbesserung der Situation von Start-up-Unter- nehmen wurde vor einem Jahr der Investitionszuschuss Wagniskapital – neu: INVEST-Zuschuss für Wagniska- pital – vom federführenden Bundesministerium für Wirt- schaft und Energie eingeführt. Business Angels erhalten danach für ihre Investments in nicht börsennotierte Ka- pitalgesellschaften einen Zuschuss in Höhe von 20 Pro- zent der investierten Summe – bezuschusste Investi- tionen von mindestens 10 000 Euro und maximal 250 000 Euro. Die geplante Befreiung des Zuschusses von Ertragsteuern ist aus Sicht der Bundesregierung eine sinnvolle Maßnahme, mit der die steuerrechtlichen Rah- menbedingungen für Wagniskapitalfinanzierung verbes- sert werden. Der Carried Interest ist der von Wagniskapitalfonds den Fondsinitiatoren – Carry Holder – gezahlte, über- proportionale, erfolgsabhängige Gewinnanteil. Soweit dieser von vermögensverwaltenden Wagniskapitalfonds unter der Voraussetzung, dass die Gesellschafter oder Gemeinschafter des Fonds zuvor ihr gesamtes eingezahl- tes Kapital zurückerhalten haben, gezahlt wird – § 18 Ab- satz 1 Nummer 4 EStG, ist dieser zu 40 Prozent steuer- frei – § 3 Nummer 40 a Einkommensteuergesetz – EStG. Diese teilweise Steuerbefreiung für den Carried Interest in § 3 Nummer 40 a EStG hat sich nach Auffassung der Bundesregierung durchgehend bewährt. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 18/1589, Frage 10): Aus welchem Grund wird die Verwertung aus dem Auf- wuchs von Pflanzen – zum Beispiel die Verwertung des Wal- des – steuerlich erst zum Zeitpunkt der Veräußerung erfasst und nicht ratierlich über die Dauer des Aufwuchses, und in welchen Ländern innerhalb der Europäischen Union erfolgt nach Kenntnis der Bundesregierung diesbezüglich eine steu- erliche Erfassung des Gewinns bei forstwirtschaftlichen Betä- tigungen ratierlich bereits während des Aufwuchses und nicht erst bei der Verwertung von Pflanzen? Eine ratierliche Erfassung und Besteuerung des jährli- chen Zuwachses beim Aufwuchs würde voraussetzen, dass die Bewertung der Wirtschaftsgüter mit biologi- schem Wachstum abweichend vom Realisationsprinzip – § 252 Absatz 1 Nummer 4 HGB – im Steuerrecht mit dem gemeinen Wert erfolgt. Der biologische Zuwachs müsste dann zwangsläufig in jedem Jahr als Gewinn ver- steuert werden. Speziell in der Forstwirtschaft müssten die gesamten Baumbestände eines Steuerpflichtigen jährlich neu be- wertet werden, da selbst bei einer reinen Pflege des Be- stands Zu- und Abgänge die Regel sind. Der Holzzu- wachs und die Mengenbewegung der Baumbestände könnten witterungsbedingt nur sehr unzuverlässig und nur mit erheblichem Aufwand ermittelt werden. Die Bundesregierung verfügt nicht über Kenntnisse, ob in anderen Staaten der EU eine ratierliche Besteuerung er- folgt. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1589, Frage 11): Warum erweitert die Bundesregierung angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach Ehe und Lebenspartnerschaft gleichermaßen auf Dauer angelegt und rechtlich verfestigt sind, in ihrem Gesetzentwurf zur Än- derung der Abgabenordnung in § 52 Absatz 2 Nummer 19 die Begriffsbestimmung von gemeinnützigen Zwecken nicht um die Förderung des Schutzes der Lebenspartnerschaft? Die Förderung des Schutzes von Ehe und Familie als gemeinnütziger Zweck gemäß § 52 Absatz 2 Nummer 19 Abgabenordnung, AO, ist eine Ausgestaltung des Ver- fassungsauftrags aus Artikel 6 Absatz 1 des Grundgeset- zes. Danach stehen Ehe und Familie unter dem besonde- ren Schutz der staatlichen Ordnung. Auch nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundes- verfassungsgerichts sind die eingetragenen Lebenspart- nerschaften vom verfassungsrechtlichen Schutzgebot der Ehe nicht umfasst. Das Verfassungsgericht betrachtet die Ehe im Sinne des Artikels 6 GG als ein allein der Ver- bindung zwischen Mann und Frau vorbehaltenes Institut (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2013, 2 BvR 909/06, Rn. 81 unter Verweis auf BVerfGE 105, 313 [345]). Das verfassungsrechtliche Schutzgebot für die Fami- lie als umfassende Gemeinschaft von Eltern und Kin- dern, in der den Eltern vor allem Recht und Pflicht zur Pflege und Erziehung der Kinder erwachsen, umfasst auch die aus gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern und einem Kind bestehende Gemeinschaft. Aktivitäten rund um den Themenbereich eingetragene Lebenspartnerschaft können bereits jetzt über eine Viel- zahl der in § 52 Absatz 2 AO bzw. § 53 AO geregelten Zwecke als „gemeinnützig“ organisiert werden, sodass es eines eigenständigen gemeinnützigen Zweckes des Schutzes von eingetragenen Lebenspartnerschaften we- der rechtlich noch faktisch bedarf. Anlage 13 Antwort der Parl. Staatssekretärin Anette Kramme auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1589, Frage 12): Von wie vielen noch lebenden anspruchsberechtigten Hin- terbliebenen und Ansprüchen in welcher Gesamthöhe geht die Bundesregierung aus, wenn die geplante Änderung des Geset- zes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto in § 3 Absatz 1 Satz 2 so formuliert wird, dass Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2014 3311 (A) (C) (D)(B) die Hinterbliebenen so gestellt werden, als habe der Verfolgte seinen Antrag im Jahr 2002 nach Inkrafttreten des Gesetzes gestellt, falls der Verfolgte nach dem 17. Juni 1997 verstorben ist und zuvor noch keinen Antrag auf Rente aus der gesetzli- chen Rentenversicherung gestellt hat? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Daten vor. Anlage 14 Antwort der Parl. Staatssekretärin Anette Kramme auf die Frage der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU) (Drucksache 18/1589, Frage 13): Wie bewertet die Bundesregierung das Festhalten am Aus- gleich der Minderausgaben im Jahr 2012 nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, obwohl in der im August 2013 in Kraft getretenen Verordnung zur Revision der Bundesbeteili- gung bei den Kosten der Unterkunft für das Bildungspaket keine zusätzliche Absenkung der Bundesbeteiligung um die im Jahr 2012 durch Minderausgaben eingetretenen Differen- zen vorgesehen ist? Über einen erhöhten Prozentsatz der Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung, BBKdU, schafft der Bund den Kommunen einen finan- ziellen Ausgleich für deren Ausgaben für Bildung und Teilhabe, BuT, – § 46 Absatz 6 und 7 SGB II. Ab 2013 wird der erhöhte Beteiligungssatz per Rechtsverordnung rückwirkend für das laufende sowie das folgende Jahr nach Maßgabe der tatsächlichen Vorjahresausgaben an- gepasst. Der tatsächliche Finanzbedarf lag im Jahr 2012 im Bundesdurchschnitt bei rund 60 Prozent der zur Verfü- gung gestellten Mittel. Entsprechend wurde die erhöhte BBKdU für das Jahr 2013 rückwirkend zum Jahresan- fang von 5,4 Prozentpunkten auf bundesdurchschnittlich 3,3 Prozentpunkte angepasst und für das Jahr 2014 vor- läufig auf diesen Wert festgelegt. Darüber hinaus wurde im Vermittlungsverfahren zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Ände- rung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetz- buch 2011 aber auch der Ausgleich der im jeweiligen Vorjahr – also auch 2012 – über die bereitgestellten Mit- tel hinaus gehenden Ausgaben bzw. der tatsächlichen Minderausgaben vereinbart – „Spitzausgleich“. Ein sol- cher Spitzausgleich für das jeweils abgelaufene Vorjahr im Vermittlungsausschuss 2011 war eine mit großem Nachdruck verfolgte Forderung der Länder. Die Mehrzahl der Länder stellt den im Vermittlungs- verfahren vereinbarten nachträglichen Ausgleich der Mehr- oder Minderausgaben des Vorjahres jedoch kon- kret für die Ausgaben des Jahres 2012 infrage. Es geht um eine Rückforderung des Bundes für abgerufene, aber durch die Länder für den vorgesehenen Zweck nicht ver- ausgabte BuT-Mittel in Höhe von rund 284 Millionen Euro. Die Bundesregierung sieht keinen Grund, den Kom- promiss aus dem Vermittlungsausschusses aufzukündi- gen, und vertritt die Rechtsposition, dass sich der Spitz- ausgleich unmittelbar aus dem Gesetz ableitet; es also keiner expliziten Regelung in der Verordnung bedurfte. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat da- her – gemäß Ankündigung aus einem Schreiben an die Länder vom 30. September 2013 – mit Schreiben vom 9. April 2014 für die betroffenen Länder – alle außer Hamburg und Bremen – die Ermächtigung zum automa- tisierten Mittelabruf im Rahmen des Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes – HKR-Verfahren, zu Anfang April 2014 vorläufig aufgehoben. Stattdessen zahlt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die BBKdU an die Länder nach schriftlichem Nachweis über die Höhe der Ausgaben aus und rechnet dabei in drei Tranchen seine Gegenforderungen an die Länder aus dem Jahr 2012 auf. Anlage 15 Antwort der Parl. Staatssekretärin Anette Kramme auf die Fragen des Abgeordneten Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1589, Fragen 14 und 15): Wann wird die Arbeitsgruppe „Flexible Übergänge in den Ruhestand – Mögliche Ansätze zur Verbesserung des gelten- den Rechts“ von der Bundesregierung eingesetzt, und welche Personen bzw. Verbände werden dieser angehören? Welche Themen, über die im Entschließungsantrag auf Bundestagsdrucksache 18/1507 genannten hinaus, werden in der einzusetzenden Arbeitsgruppe behandelt, und zu welchen dieser Themen wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf vorle- gen? Die Verbesserung des rechtlichen Rahmens für einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhe- stand ist der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen. Der Aufforderung des Entschließungsantrages der Frak- tionen der CDU/CSU und der SPD im Deutschen Bun- destag auf Bundestagsdrucksache 18/1507, bis zum Herbst erste Vorschläge zu flexiblen Übergängen in den Ruhe- stand zu erarbeiten, wird die Bundesregierung nachkom- men. Eine abschließende Entscheidung über die Zusam- mensetzung der Arbeitsgruppe und deren Arbeitsweise ist noch nicht getroffen worden. Anlage 16 Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth auf die Frage des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1589, Frage 16): Seit wann ist der Bundesregierung bekannt, dass die euro- päische Biotechnologieindustrie den Vorschlag für eine Ände- rung der EU-Freisetzungsrichtlinie zur Schaffung neuer Mög- lichkeiten für nationale Anbauverbote – Opt-out – unter der obligatorischen Bedingung vorheriger Verhandlungen zwi- schen verbotswilligen EU-Mitgliedstaaten und den Unterneh- men, die eine EU-weite Anbauzulassung für gentechnisch veränderte Pflanzen beantragen, unterstützt (zum Beispiel EuropaBio-Papier „A New Strategy on GM“, abrufbar auf der Website des britischen Umwelt- und Agrarministeriums, www.gov.uk/government/publications/communications-and- meetings-with-europabio), und welche Bedeutung hat diese Unterstützung für die Positionierung der Bundesregierung zum Vorschlag der griechischen EU-Ratspräsidentschaft für eine entsprechende Änderung der EU-Freisetzungsrichtlinie? 3312 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2014 (A) (C) (D)(B) Das auf der Webseite des Department for Environ- ment, Food & Rural Affairs der britischen Regierung veröffentlichte Papier „A New Strategy on GM“ ist öf- fentlich zugänglich. Weder kann der Webseite entnom- men werden, ob es sich um ein Papier von EuropaBio handelt, noch enthält das Papier eine Unterstützung des Opt-out-Vorschlages durch EuropaBio. Vielmehr wird darin der europäische Verhandlungsstand beschrieben. In der offiziellen Stellungnahme von EuropaBio vom 27. Februar 2014, also nach Vorlage des 1. Griechischen Präsidentschaftspapiers, wird der Opt-out-Vorschlag ab- gelehnt mit dem Hinweis darauf, dass Phase 1 des Kom- promissvorschlages bereits ohne Gesetzesänderung möglich sei und Phase 2 als rechtlich problematisch an- gesehen wird. Die Bundesregierung hat die Stellungnahmen Dritter, wie zum Beispiel der Landwirtschafts- und Umweltver- bände und der Verbände der Biotechnologieindustrie wahrgenommen und sich bei der Festlegung ihrer Posi- tion mit den dort vorgebrachten Argumenten auseinan- der gesetzt. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Florian Pronold auf die Frage des Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1589, Frage 21): Sind die Aussagen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel vom 12. Mai 2014 zutreffend, wonach sich die Baukosten des Neubaus der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Ber- lin auf 1 034,45 Millionen Euro erhöhen, und, wenn ja, wie begründet die Bundesregierung die nicht vorher eingeplanten zusätzlichen Baukosten im Verhältnis zu den bewilligten Haushaltsmitteln in Höhe von 912,40 Millionen Euro? Auf Antrag der Bundesregierung hat das zuständige Vertrauensgremium des Deutschen Bundestages am 6. Mai 2014 die Kostenobergrenze für den Neubau der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Berlin um 131,85 Millionen Euro angehoben. Der Entscheidung lag ein ausführlicher Sachstands- und Hintergrundbe- richt der Bundesregierung zugrunde. Das Budget für den Neubau beträgt damit 1 044,25 Millionen Euro (912,40 Millionen Euro + 131,85 Millionen Euro). Da- von sind 9,8 Millionen Euro vom Vertrauensgremium gesperrt worden. Die im SPIEGEL genannte Zahl von 1 034,45 Millionen Euro entspricht dem genehmigten Budget ohne diesen gesperrten Betrag. Die Anhebung hatte eine Reihe von Gründen. So wurde sie erforderlich, weil die Kündigung einer Lüf- tungsfirma und der darauf folgende Austausch der Lüftungsanlagen zu deutlichen Terminverzögerungen im gesamten Bauablauf und entsprechenden Mehrkosten- forderungen der anderen am Projekt beteiligten Firmen und Planer geführt haben. Außerdem waren Mehrkosten aufgrund von Mengenmehrungen und Stoffkostensteige- rungen entstanden. Darüber hinaus konnten einzelne In- solvenzen und erforderliche Kündigungen nicht ohne Mehrkosten kompensiert werden. Schließlich wurden in- nerhalb des neuen Budgets auch Mittel für Maßnahmen veranschlagt, die absehbar erforderlich werden, um die Fertigstellungstermine zu sichern. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Florian Pronold auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1589, Frage 24): Wie viele Drosselklappen des gleichen Typs wie die ak- tuell defekten im Atomkraftwerk, AKW, Grohnde befinden sich jeweils in den neun noch zum Leistungsbetrieb berechtig- ten deutschen AKW (falls möglich, bitte mit Altersangabe der Drosselklappen), und was konkret sind bei den aktuell defek- ten Drosselklappen im AKW Grohnde nach derzeitigem Stand Schadensursache und -mechanismus (falls möglich, bitte mit Angabe, ob der derzeitige Stand ein vorläufiger oder endgültiger ist)? In allen deutschen Druckwasserreaktoren sind die Führungsrohre bei Brennelementen, in denen sich keine Steuerelemente befinden, mit sogenannten Drosselkör- pern versehen. Die Drosselkörper dienen einer gleich- mäßigeren Strömung des Kühlmittels im Reaktorkern. In Siedewasserreaktoren werden keine vergleichbaren Drosselkörper eingesetzt. Im Atomkraftwerk Grohnde wurde bei einer Prüfung ein Bruchstück der Druckfeder eines Drosselkörpers vorgefunden. Bei anschließenden Inspektionen wurden weitere Federbrüche festgestellt. Der Sachverhalt wurde als meldepflichtiges Ereignis gemeldet und aufgrund der noch zu ermittelnden Schadensursache als vorläufige Meldung eingestuft. Die Untersuchung von Schadens- ursache und -mechanismus dauert derzeit noch an. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Stefan Müller auf die Fragen der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1589, Fragen 25 und 26): Wie bewertet die Bundesregierung die Potenziale und Ri- siken einer Biokraftstoffgewinnung aus Algen, und welche Forschungs- und Entwicklungsprojekte – inklusive Ressort- forschung – hat die Bundesregierung in den letzten zehn Jah- ren in diesem Bereich gefördert – bitte nach Jahren, Projekten, Fördersummen aufschlüsseln? Wie bewertet die Bundesregierung den Einsatz biotechno- logischer Verfahren im Bereich der Algenforschung und -züch- tung, und welche Forschungs- und Entwicklungsprojekte – in- klusive Ressortforschung – hat die Bundesregierung in den letzten zehn Jahren insgesamt im Bereich der marinen Bio- technologie gefördert – bitte nach Jahren, Projekten, Förder- summen aufschlüsseln? Zu Frage 25: Algen gelten als mögliche Rohstoffalternative zu klassischen landwirtschaftlichen Rohstoffen bei der zu- künftigen Biokraftstoffherstellung. Sie versprechen hohe Biomasseerträge und eine Verringerung möglicher Kon- kurrenz mit produktiven land- und forstwirtschaftlichen Produktionsflächen. Die theoretischen Potenziale der Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2014 3313 (A) (C) (D)(B) Kraftstofferzeugung aus Algenbiomasse sind hoch. Ins- besondere zur Abschätzung, in welchem Umfang sich diese theoretischen Potenziale in Deutschland in techni- schen Produktionsprozessen realisieren lassen, sind Forschung und Entwicklung sowie Demonstrationsvor- haben erforderlich. Die Forschungs- und Entwicklungs- projekte der Bundesregierung der letzten zehn Jahre zu diesem Themenfeld werde ich Ihnen als Anlage zu mei- ner Antwort schriftlich übermitteln, da die Aufzählung der geförderten Projekte den Zeitrahmen für Antworten in der Fragestunde weit übersteigen würde. Die Bundes- regierung hat hier 60 Vorhaben mit einer Gesamtsumme von rund 30 Millionen Euro gefördert. Zu Frage 26: Viele Algenarten, oft solche mit interessanten Inhalts- stoffen, liegen in ihrer Wildform vor. Durch Einsatz bio- technologischer Verfahren lassen sich Ertrag und Pro- duktspektrum von Algen positiv beeinflussen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, ist zusammen mit weiteren 18 Partnern aus 13 Län- dern der EU und assoziierten Staaten am ERA-Net „Ma- rine Biotechnologie“ beteiligt, welches am 1. Dezember 2013 offiziell startete und von Norwegen koordiniert wird. Die Forschungs- und Entwicklungsprojekte der Bundesregierung der letzten zehn Jahre zum Themenfeld der marinen Biotechnologie werde ich Ihnen ebenfalls schriftlich übermitteln. Die Bundesregierung hat hier 35 Vorhaben mit einer Gesamtsumme von rund 12 Mil- lionen Euro gefördert. Darüber hinaus füge ich eine Auf- listung mit Forschungs- und Entwicklungsprojekten zum Einsatz biotechnologischer Verfahren im Bereich der Al- genforschung und züchtung bei – 17 Vorhaben mit einer Gesamtsumme von rund 4,5 Millionen Euro. Anlage 20 Antwort der Staatsministerin Monika Grütters auf die Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1589, Frage 27): Wie beurteilt die Bundesregierung im Lichte des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, BVerfG, vom 25. März 2014 zum ZDF-Staatsvertrag die Zusammensetzung des Verwal- tungs- und Fernsehrates der Deutschen Welle, DW, und strebt die Bundesregierung eine Änderung des DW-Gesetzes an, um die Besetzung der Gremien den Forderungen des BVerfG für die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten anzupassen? Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, BVerfG, bezieht sich unmittelbar auf die Zustimmungsgesetze zum ZDF-Staatsvertrag, mittelbar auf den öffentlich- rechtlichen Rundfunk im Inland und dessen spezifische Bedeutung für Demokratie und Rundfunkfreiheit. Die Bundesregierung wird beobachten, wie die Länder die Vorgaben des BVerfG in Bezug auf das ZDF umsetzen werden, und prüfen, ob hierdurch wie auch aus dem Ur- teil Schlüsse für das Deutsche-Welle-Gesetz zu ziehen sind. Anlage 21 Antwort der Staatsministerin Monika Grütters auf die Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1589, Frage 28): Wie beurteilt die Bundesregierung auch vor dem Hinter- grund ihrer Afrika-Strategie die geplante Schließung der Relaisstation der Deutschen Welle in Kigali und die damit verbundene Einstellung des Kurzwellenrundfunks des Aus- landssenders in Afrika? Der Weiterbetrieb der Relaisstation in Kigali hängt insbesondere von der Bereitschaft Ruandas ab, die Li- zenz über das Jahr 2016 hinaus zu verlängern. Zurzeit finden Gespräche der Deutschen Welle mit der ruandi- schen Seite hierzu statt. Die Ausstrahlung mittels Kurz- welle für den afrikanischen Kontinent bleibt jedoch be- stehen. Sie wird durch die Anmietung von Sendezeiten bei Fremdanbietern weiterhin sichergestellt. Für die Bundesregierung ist entscheidend, dass die Deutsche Welle – auch im Hinblick auf die Afrikapoliti- schen Leitlinien der Bundesregierung – ihre Programm- angebote jeweils über die Kanäle aussendet, die bei der Zielgruppe die größte Reichweite erzielen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Bedeutung traditioneller Ver- breitungswege wie Kurz- und Mittelwelle deutlich sinkt (vergleiche Evaluationsbericht 2013 der Deutschen Welle, Bundestagsdrucksache 17/14285). In strukturell schwachen Ländern Subsahara-Afrikas informieren sich die Zielgruppen der Deutschen Welle zwar weiterhin in erster Linie über das Radio, anders als in der Vergangen- heit allerdings bevorzugt über UKW-Sender. Im Übrigen wächst die Anzahl von Smartphone-Besitzern auch in Afrika, worauf die Deutsche Welle mit für das mobile Internet optimierten Angeboten reagiert. Im Rahmen der Aufgabenplanung 2014 bis 2017 der Deutschen Welle wird sich die Bundesregierung auch dezidiert zu den Inhalten, Sprachen und Verbreitungswe- gen für Afrika äußern. Die Reduzierung von Angeboten, die über Kurzwelle ausgestrahlt werden, war bereits Teil des Reformkon- zepts, das mit der Aufgabenplanung der Deutschen Welle für 2010 bis 2013 einherging. Es orientierte sich auch damals schon an globalen Veränderungen der Me- diennutzung und -verbreitung. Der Deutsche Bundestag hat der Aufgabenplanung im April 2011 mit den Stim- men aller Fraktionen mit Ausnahme der Fraktion Die Linke zugestimmt. Anlage 22 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Zypries auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1589, Frage 29): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur Verlän- gerung eines Vertrages der ukrainischen Regierung mit dem US-Konzern Westinghouse über die Lieferung von Brennele- menten, die in der Ukraine in 15 Reaktoren russischer Bauart eingesetzt werden sollen und laut Süddeutscher Zeitung („Armdrücken im Reaktorkern“ von Christopher Schrader 3314 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 38. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2014 (A) (C) (D)(B) vom 9. Mai 2014) möglicherweise nicht für den Einsatz ge- eignet sind, da sie „gefährliche Designfehler“ sowie „mecha- nische Schäden“ aufweisen und deswegen weitere „Tscherno- byl-Desaster“ anrichten könnten, und wie bewertet die Bundesregierung diese Problematik? Der Bundesregierung ist bekannt, dass der Vertrag mit Westinghouse am 11. April 2014 für weitere fünf Jahre – bis 2020 – verlängert wurde und dass die ukrainische Atomaufsichtsbehörde, Staatsinspektion für nukleare Regulierung, im Mai 2014 ihre Zustimmung zu einem Programm über die Verwendung verbesserter WR- Brennstäbe der Firma Westinghouse in Block 3 des Kernkraftwerks Yuzhno-Ukrainskaja erteilt hat. Dem Programm nach soll die Ladung im Dezember 2014/Ja- nuar 2015 erfolgen. Darüber hinaus liegen der Bundesre- gierung keine eigenen Erkenntnisse vor. Anlage 23 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Zypries auf die Frage des Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1589, Frage 35): Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die in § 9 Absatz 2 Satz 2 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur grundlegenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, EEG (Bundestagsdrucksache 18/1304), definierten Anforde- rungen an die Betreiberinnen und Betreiber von kleinen Solar- anlagen bis 30 Kilowatt, die auch schon Gegenstand des EEG 2012 waren (§ 6 Absatz 2 Satz 2), angesichts der gesunkenen Vergütungssätze für Strom aus solarer Strahlungsenergie im Vergleich zum Nutzen dieser Regelung für die Netzstabilität, in einem angemessenen Verhältnis stehen – bitte begründen –, und, wenn nein, wird die Bundesregierung sich dafür einset- zen, dass diese Regelung im Zuge des parlamentarischen Ver- fahrens zur EEG-Novelle aus dem Gesetzentwurf gestrichen bzw. der Prozentsatz geändert wird? Die Bundesregierung ist weiter der Auffassung, dass die Regelung in § 9 Absatz 2 Satz 2 im Gesetzentwurf der Bundesregierung angemessen ist. Der Zweck der Re- gelung ist in erster Linie, den Bedarf zum Netzausbau zu reduzieren. Durch die Begrenzung auf 70 Prozent der in- stallierten Leistung können die Netzbetreiber das Netz Offsetdruc sellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 K auf geringere Übertragungskapazitäten auslegen und da- mit unverhältnismäßig teuren Netzausbau einsparen. Der Energieverlust beim Anlagenbetreiber ist dagegen ge- ring. Bei Photovoltaikanlagen wird die maximale instal- lierte Anlagenleistung nur an wenigen Tagen im Jahr er- reicht. Durch die Kappung gehen nur circa 3 Prozent bis 5 Prozent der Jahresenergiemenge verloren. Zudem kann dieser Strom auch selbst verbraucht werden. Demgegen- über kann das Netz für diese Anlagen um 30 Prozent geringer dimensioniert werden. Die Regelung ist daher weiterhin angemessen. Anlage 24 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Zypries auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1589, Fragen 36 und 37): Wie erklärt die Bundesregierung einen Tag vor Ablauf der Frist zur Umsetzung der EU-Energieeffizienzrichtlinie am 5. Juni 2014, dass ausgerechnet Deutschland, ein Marktführer in Effizienztechnologie, es nicht geschafft hat, diese EU- Richtlinie fristgerecht in nationales Recht umzusetzen? Wie ist der konkrete Zeitplan für die Umsetzung der EU- Energieeffizienzrichtlinie (bitte mit genauer Angabe der ge- planten Zeiträume der Absprachen auf Arbeits- und Leitungs- ebene zwischen den beteiligten Ressorts, des geplanten Ter- mins für die Kabinettvorlage und der Meldung der Umsetzung nach Brüssel)? Die beiden Fragen werden zusammen beantwortet. Die Bundesregierung plant, der EU-Kommission zeit- nah den Stand der Umsetzung der EU-Energieeffizienz- Richtlinie EED zu melden. Eine Vielzahl der EED-Vorschriften wird durch natio- nales Recht bzw. laufende Programme vollständig um- gesetzt. Zu den Artikeln der EED, bei denen in der neuen Le- gislaturperiode die Umsetzung noch nicht abgeschlossen werden konnte, werden die Arbeiten mit dem Ziel fort- geführt, der EU-Kommission möglichst bald eine sach- gerechte Umsetzung notifizieren zu können. kerei, Bessemerstraße 83–91, 1 öln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 22 38. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Regierungserklärung zu EU-Treffen und G7-Gipfel TOP 2 Befragung der Bundesregierung TOP 3 Fragestunde Anlagen
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1803800000

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie
herzlich zu unserer Plenarsitzung.

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass es
eine interfraktionelle Vereinbarung gibt, den Entwurf
des GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwick-
lungsgesetzes auf der Drucksache 18/1307 dem Aus-
schuss für Ernährung und Landwirtschaft zur Mitbera-
tung zu überweisen.

Darüber hinaus sollen die Unterrichtungen der Bun-
desregierung zu Stellungnahmen des Bundesrates und
Gegenäußerungen der Bundesregierung auf den Druck-
sache 18/1574, 18/1575, 18/1577, 18/1579 und 18/1586
zu den bereits überwiesenen Gesetzentwürfen auf den
Drucksachen 18/1305, 18/1306, 18/1307, 18/1308 und
18/1311 an die entsprechenden federführenden und mit-
beratenden Ausschüsse überwiesen werden.

Die meisten von Ihnen werden mit den Ziffern ver-
mutlich keine konkreten Texte verbinden. Aber da es
sich hier erkennbar um eine technische Erweiterung der
bereits vorgenommenen Überweisungen sowie stärkere
Mitberatung auch anderer Ausschüsse handelt, ist das
vermutlich vereinbarungsfähig. Darf ich zu diesen Vor-
schlägen also Ihr Einvernehmen feststellen? – Das ist der
Fall. Dann können wir so verfahren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute vor 25 Jahren
fanden zwei Ereignisse statt, die unterschiedlicher nicht
sein könnten und doch eines gemeinsam haben: den Wil-
len der Menschen zu freier Selbstbestimmung. Am
4. Juni 1989 wurde in Peking der Platz des Himmlischen
Friedens zum Schauplatz eines blutigen Massakers.
Gleichzeitig fanden in Polen die ersten Wahlen statt, die
diesen Namen tatsächlich verdienen. Die brutale Gewalt,
mit der die chinesische Staatsmacht die friedliche Kund-
gebung Zehntausender Demonstranten niederschlagen
ließ, zerstörte alle Hoffnungen auf ein sich demokratisch
wandelndes China. Die Bilder vom Tiananmen-Platz
– junge Menschen von Panzern niedergewalzt und zu-
sammengeschossen – gingen 1989 um die Welt, und es
gab immer wieder Nachrichten von Folter und langer
Haft, die für viele folgte. Sie schockierten im damals
noch geteilten Europa all jene, die auf friedlichen politi-
schen Wandel überall in der Welt hofften – nicht zuletzt
durch die gleichzeitige Entwicklung in Polen; denn am
selben Tag, am 4. Juni 1989, errang in unserem Nachbar-
land die Solidarnosc einen überwältigenden Wahlsieg.
Zum ersten Mal stand in der Folge ein nicht kommunis-
tischer Ministerpräsident an der Spitze eines Landes des
Warschauer Paktes.

Der friedliche Machtwechsel in Polen gab den Bür-
gerbewegungen in den anderen Staaten des Ostblocks,
auch in der DDR, Auftrieb. Er beförderte einen politi-
schen Prozess, an dessen Ende der Fall der Berliner
Mauer und des Eisernen Vorhangs in Europa stand.

Während die Polen heute dieses herausragende Ereig-
nis ihrer eigenen wie der europäischen Geschichte feier-
lich würdigen, wird in China jedes Gedenken an das
Blutbad vom 4. Juni 1989 rigoros unterbunden. Doch Er-
innerung lässt sich nicht verbieten, und sie lässt sich in
unserer Zeit auch nicht mehr tilgen. Wir vergessen nicht.


(Beifall im ganzen Hause)


Wir freuen uns heute mit unseren polnischen Nachbarn.
Aber unsere Gedanken sind auch bei den 1989 in China
Ermordeten und ihren Angehörigen, bei denen, die in
Haft leiden mussten und noch immer leiden müssen.

Die Polen und wir Europäer haben vor 25 Jahren er-
fahren, dass sich der Freiheitswille der Menschen auf
Dauer nicht unterdrücken lässt. Deshalb gilt unsere Er-
mutigung und Solidarität all denen, die in diesen Tagen
und Stunden, in welchem Land auch immer, mutig für
Demokratie und Menschenrechte kämpfen.


(Beifall im ganzen Hause)


Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Abgabe einer Regierungserklärung durch die
Bundeskanzlerin

zu den Ergebnissen des Informellen Abend-
essens der Staats- und Regierungschefs der
EU-Mitgliedstaaten am 27. Mai 2014 in Brüs-
sel sowie zum G-7-Gipfel am 4./5. Juni 2014 in
Brüssel





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)

Hierzu liegen drei Entschließungsanträge der Fraktion
Die Linke vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä-
rung 96 Minuten vorgesehen. – Auch dies ist offenkun-
dig einvernehmlich. Dann verfahren wir so.

Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
nun die Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Angela Merkel (CDU):
Rede ID: ID1803800100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Der heute beginnende G-7-
Gipfel wird das letzte Zusammentreffen der G-7-Staats-
und Regierungschefs sein, bevor Deutschland die Präsi-
dentschaft dieser Gruppe übernimmt. Damit kommt
große Verantwortung auf unser Land zu. Zuvor wird
aber die G 7 heute und morgen in Brüssel viele Beratun-
gen gerade auch mit Blick auf den G-20-Gipfel führen,
der im November im australischen Brisbane stattfinden
wird. Dazu legen wir für uns als G 7 eine gemeinsame
Linie fest.

Uns leitet das gemeinsame Verständnis, dass ein star-
kes, nachhaltiges und ausgewogenes Wirtschaftswachs-
tum nur mit durchgreifenden Strukturreformen und einer
wachstumsorientierten Haushaltskonsolidierung zu er-
reichen ist. Deshalb werden wir unter anderem über Ar-
beitsmarktreformen sprechen, zum Beispiel über Mög-
lichkeiten, wie wir Investitionen effizient fördern, kleine
und mittlere Unternehmen gezielt stärken oder die Er-
werbsbeteiligung von Frauen in den G-20-Ländern erhö-
hen können.

Die Entwicklung der Weltkonjunktur ist insgesamt er-
mutigend. So liegt die IWF-Prognose für das globale
Wachstum mit 3,6 Prozent in diesem Jahr auf der Höhe
des Durchschnittswertes der Jahre 2000 bis 2013. Für
2015 wird mit 3,9 Prozent sogar ein Wachstum über die-
sem Durchschnittswert erwartet.

Zugleich dürfen wir aber nicht übersehen, dass jedes
noch so gute Wachstum auf tönernen Füßen stehen
würde, wenn wir nicht weiter konsequent daran arbeite-
ten, die Lehre aus der verheerenden weltweiten Finanz-
krise von 2008 und 2009 zu ziehen. Damit sich eine
solche Krise nicht wiederholt, müssen wir die beschlos-
senen Finanzmarktreformen international entschlossen
umsetzen und da, wo es Lücken gibt, weitere beschlie-
ßen. Hier ist manches erreicht, aber längst noch nicht al-
les, was dringend notwendig ist. Und mit der Entfernung
von der akuten Krise – auch das muss man sagen – wird
es eher beschwerlicher als leichter, entsprechende Be-
schlüsse zu fassen.

Wir haben bereits starke Regulierungen, zum Beispiel
für globale systemrelevante Banken, erreicht. Aber jetzt
– das wird ein Schwerpunkt in Brisbane sein – geht es
vor allen Dingen auch darum, dass die Schattenbanken
einer strengen Regulierung unterworfen werden. An-
sonsten wird es Ausweichbewegungen von den Banken
auf die Schattenbanken geben, und die Finanzmarkt-
regulierung wäre wieder außerordentlich lückenhaft.

Die G-7-Staaten teilen die gemeinsame Überzeugung,
dass ein offenes und freies Wirtschaftssystem Vorausset-
zung für Wachstum und Stabilität ist. Der freie Welthan-
del ist hierbei Wachstumsmotor und leistet einen wichti-
gen Beitrag zu mehr Wachstum, vor allen Dingen aber
zu mehr Beschäftigung, ohne dass die öffentliche Haus-
halte zusätzlich belastet werden. Wir wollen die interna-
tionalen Märkte weiter öffnen und Handelsbarrieren
abbauen. Wir hören immer wieder – so steht es in den
Berichten der OECD –, dass die Handelsschranken in
den letzten Jahren eher mehr geworden sind.

Wenn wir über freien Handel sprechen, dann geht es
sowohl um Fortschritte bei der Welthandelsorganisation,
also bei der WTO, als auch um bilaterale Freihandelsab-
kommen wie zum Beispiel das der Europäischen Union
mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Wir werden
als G 7 deutlich machen, dass wir die Welthandelsorga-
nisation auf dem Weg zum Abschluss der Verhandlun-
gen der Doha-Entwicklungsrunde mit Nachdruck unter-
stützen.

Einen breiten Raum werden heute und morgen selbst-
verständlich auch Fragen der Energiepolitik einnehmen.
Bereits vor einem Monat haben die G-7-Energieminister
in Rom die sogenannte Initiative für Energieversor-
gungssicherheit der G 7 von Rom beschlossen. Mit ihr
haben sie sich auf kurzfristige Maßnahmen zur Stärkung
der Energiesicherheit verständigt wie zum Beispiel auf
Notfallpläne, Gefährdungsanalysen und technische Hil-
fen. Bis 2015 wollen sie einen umfassenden langfristi-
gen Aktionsplan erarbeiten, mit dem verhindert werden
soll, dass Energie als politisches Zwangsmittel einge-
setzt wird – ein brisantes Thema, wie wir zum Beispiel
an den gegenwärtigen Diskussionen zwischen Russland
und der Ukraine um den Gaspreis sehen.

Es ist natürlich von hoher ökonomisch-ökologischer
Bedeutung, gleichzeitig die Märkte transparenter zu ma-
chen, die Versorgung zu diversifizieren und vor allen
Dingen auch die Energieeffizienz zu steigern. Denn dies
ist zwingend erforderlich, um die Treibhausgasemissio-
nen zu reduzieren. Dabei spielt auch die Umstellung von
fossilen Energieträgern auf erneuerbare Energien eine
wesentliche Rolle.


(Zuruf des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Nur wenn wir die Abhängigkeit unserer Wirtschaft von
fossilen Brennstoffen reduzieren, können wir eine nach-
haltige Energieversorgung erreichen.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum machen Sie das Gegenteil?)


Wir werden dies auf dem G-7-Gipfel in Brüssel erneut
deutlich machen. Deutschland ist mit seiner Energie-
wende und einem Anteil der erneuerbaren Energien an
der Stromerzeugung von 25 Prozent einer der Vorreiter
einer nachhaltigen Energieversorgung, meine Damen
und Herren.





Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War einmal!)


Dies ist auch mit Blick auf den VN-Klimagipfel Ende
2015 in Paris wichtig, für dessen Gelingen Deutschland
als G-7-Präsidentschaft eine wichtige Rolle zukommen
wird. Es ist kein Geheimnis, dass die Staatengemein-
schaft deutlich mehr Anstrengungen unternehmen muss,
um das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Wir wollen bis 2015
eine umfassende und international bindende Vereinba-
rung abschließen, die dann 2020 in Kraft tritt. Wir müs-
sen alles daransetzen, dass der Gipfel von Paris ein
Erfolg wird; denn ein zweites Scheitern wie in Kopenha-
gen können wir uns nicht leisten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Eng verbunden mit der Klima- und Energiepolitik ist
ohne Zweifel die Entwicklungspolitik. Wir werden in
Brüssel vor allem die Umsetzung bestehender Initiativen
voranbringen. Dies betrifft zum Beispiel die Anfang
2015 in Deutschland stattfindende Konferenz zur Wie-
derauffüllung des Impffonds GAVI, die kanadische
Initiative zur Verbesserung der Mütter- und Kinderge-
sundheit und die amerikanische Initiative zur Ernäh-
rungssicherung. Notwendig sind auch weitere Schritte
bei vertraglichen Rohstoffpartnerschaften, um Entwick-
lungsländern bessere Möglichkeiten zu verschaffen, von
ihrem Rohstoffreichtum auch wirklich nachhaltig zu
profitieren. Wir setzen uns besonders für die Initiative
CONNEX ein, die die Länder bei den Vertragsverhand-
lungen im Rohstoffbereich rechtlich und auch mit geolo-
gischer Expertise beraten soll.

Die G-7-Staaten sind sich ihrer besonderen Verant-
wortung bewusst, eine ambitionierte Agenda für die Zeit
nach 2015, das heißt die sogenannte Post-2015-Agenda
für nachhaltige Entwicklung, zu erarbeiten. Sie wissen:
Die Millenniumsentwicklungsziele laufen dann aus, und
wir brauchen eine Nachfolge. Alle Menschen auf der Welt
sollen ein Leben in Würde führen können, und gleichzei-
tig müssen wir unsere natürlichen Lebensgrundlagen schüt-
zen und uns an der Regenerationsfähigkeit der Erde aus-
richten – nichts anderes bedeutet Nachhaltigkeit. Das muss
uns gelingen. Ich bin unserem Bundespräsidenten a. D.
Horst Köhler sehr dankbar, dass er bei der Vorbereitung
der zukünftigen Ziele eine ganz entscheidende Rolle ge-
spielt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir setzen uns für eine globale Partnerschaft ein, die
bisheriges Denken in Kategorien wie Geber hier und
Nehmer dort, Nord hier und Süd dort überwindet.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!)


Während der deutschen G-7-Präsidentschaft wird dies
eine herausgehobene Rolle spielen.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns all diese
Themen des G-7-Gipfels vor Augen führen, mit denen
wir uns heute und morgen in Brüssel beschäftigen wer-
den, so könnte man fast meinen, es handele sich um ei-
nen ganz normalen Gipfel. Das ist aber natürlich in kei-
ner Weise so. Das wird schon daran deutlich, dass sich
seit 16 Jahren die Staats- und Regierungschefs der wich-
tigsten Wirtschaftsnationen – genauso wie heute die
Finanzminister – erstmals wieder im G-7-Format, also
ohne Russland, und nicht mehr im G-8-Format treffen
werden.

Das Vorgehen Russlands bei der Annexion der Krim
hat diesen Schritt unumgänglich gemacht; denn die G 8
ist eben nicht nur eine ökonomische Gemeinschaft, son-
dern sie ist auch eine Gemeinschaft, die Werte teilt.
Dazu gehört zwingend die Achtung des Völkerrechts,
des Rechts souveräner Staaten, ihre Zukunft selbst zu
bestimmen. Die Ukraine ist ein solcher völkerrechtlich
anerkannter souveräner Staat, dessen territoriale Unver-
sehrtheit Russland verletzt hat. Die Lage in der Ukraine
wird deshalb einen breiten Raum in den Beratungen der
G 7 einnehmen. Dies war schon beim Informellen
Abendessen der europäischen Staats- und Regierungs-
chefs in Brüssel vor einer Woche der Fall, das ja eigent-
lich zur Beratung der Ergebnisse der Europawahlen an-
gesetzt war.

Bei den ebenfalls am 25. Mai abgehaltenen ukraini-
schen Präsidentschaftswahlen wurde Petro Poroschenko
zum Präsidenten gewählt, und zwar bereits im ersten
Wahlgang mit einer beeindruckenden Mehrheit. Die
OSZE hat diese Wahl anerkannt. Noch Tage vorher gab
es Zweifel, ob die Wahl überhaupt durchgeführt werden
könnte; aber die große Mehrheit der Ukrainer hat sich
nicht einschüchtern lassen, sondern ihre eigene ent-
schlossene Antwort gegeben. Das Wahlergebnis verdeut-
licht auch, dass die Kräfte in der Ukraine, die sich natio-
nalistisch radikal präsentieren, glücklicherweise nur sehr
geringen Zulauf bekamen.

Bis zu diesen Präsidentschaftswahlen hat die Über-
gangsregierung von Ministerpräsident Jazenjuk in einer
äußerst schwierigen Situation viel auf den Weg gebracht:
den Beginn eines Verfassungsreformprozesses, der ne-
ben rechtsstaatlichen Reformen auch die Fragen von De-
zentralisierung und Sprachengebrauch in den Mittel-
punkt stellt, die Runden Tische zum Nationalen Dialog
für alle Kräfte, die sich von Gewalt distanzieren – ich
möchte an dieser Stelle dem Botschafter Ischinger ein
ganz herzliches Dankeschön sagen, der sich in diesem
Prozess ganz herausragend eingebracht hat –,


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


und die Verabschiedung wirtschaftlicher Reformgesetze,
um eine wirtschaftliche Gesundheit zu ermöglichen. All
dies waren unter den gegebenen Umständen ganz we-
sentliche Beiträge. Aber, meine Damen und Herren, die-
ser Weg muss fortgesetzt werden. Er verdient unsere Un-
terstützung. Ein solches Signal der Unterstützung ging
auch vom Treffen der europäischen Staats- und Regie-
rungschefs in der letzten Woche aus, und ein solches Si-
gnal wollen wir auch vom G-7-Treffen aussenden.

Als Bundesregierung verfolgen wir seit Beginn der
Ukraine-Krise eine Politik des Dreiklangs. Neben dem





Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


(A) (C)



(D)(B)

ersten Punkt dieses Dreiklangs, der gezielten Unterstüt-
zung der Ukraine, steht zweitens das unablässige Bemü-
hen, im Dialog mit Russland eine diplomatische Lösung
der Krise zu finden. In unseren Gesprächen – des Au-
ßenministers mit dem Außenminister Lawrow, auch in
meinen Gesprächen mit Präsident Putin – machen wir
deutlich, dass Russland von der Konfrontation zur
Kooperation zurückkehren muss.

Was wir aktuell sehen, ist allenfalls ein gemischtes
Bild. So gibt es ermutigende Zeichen der Respektierung
der Wahl und zur Rolle der OSZE, auch der Rückzug ei-
nes Teils der russischen Truppen von der ukrainischen
Grenze ist ein positives Zeichen. Aber gleichzeitig
spricht die Lage in der Ukraine auch noch eine andere
Sprache. Die Annexion der Krim hält an. Berichte der
Vereinten Nationen und der OSZE verdeutlichen, dass
sich die Menschenrechtssituation auf der Krim vor allem
für die Krim-Tataren deutlich verschlechtert hat. Die Si-
tuation in der Ostukraine hat sich nach einem ähnlichen
Muster, wie wir es schon vorher auf der Krim gesehen
haben, dramatisch verschlechtert. Die Berichte der Ver-
einten Nationen und der OSZE enthalten besorgnis-
erregende Aussagen zu systematischen Übernahmen von
offiziellen Gebäuden und von Infrastruktur, zu den Pseu-
doreferenden in einer Atmosphäre der Gewalt und der
Einschüchterung, die meist von prorussischen Separatis-
ten ausgeht. Russlands Föderationsrat hält die Autorisie-
rung militärischer Gewalt gegen die Ukraine aufrecht
und bekundet Respekt für die verfassungswidrigen Refe-
renden. Hinzu kommen noch die mehrfachen gewaltsa-
men Geiselnahmen von Beobachtern der OSZE durch
prorussische Separatisten.

Angesichts dieser Lage ist es unverändert entschei-
dend, von einer Tendenz der Destabilisierung zu einer
Deeskalation der Lage vor Ort zu kommen. Dabei
kommt Russland eine entscheidende Rolle zu. Wir be-
mühen uns deshalb darum, dass es alsbald zu Kontakten
zwischen dem neugewählten Präsidenten in der Ukraine
und dem russischen Präsidenten kommt. Ganz entschei-
dend ist es, dass Präsident Putin seinen Einfluss auf die
Separatisten geltend macht, damit sie von Gewalt und
Einschüchterung Abstand nehmen, die Waffen abgeben
und die Besetzungen beenden. Nur so können wir wieder
zu einer friedlichen Situation auf allen Seiten zurückkeh-
ren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Indem Russland seine Grenzen jedoch nicht oder
nicht ausreichend kontrolliert, sodass in großem Umfang
Kämpfer und Munition in den Südosten der Ukraine ge-
langen können, trägt es weiter zur Destabilisierung des
Nachbarn bei. Wenn dies nicht aufhört, dann – das ist der
dritte Punkt des Dreiklangs unseres Handelns – werden
wir uns nicht scheuen, weitere Sanktionen zu verhängen,
Sanktionen der im März beschlossenen Stufe 3. Dies hat
der Europäische Rat in der letzten Woche bekräftigt. Da-
rüber sind wir uns auch in der G 7 einig. Ich sage es aber
noch einmal: Sanktionen sind kein Selbstzweck. Wir
wollen sie nicht. Wir wollen eine enge Partnerschaft mit
Russland. Aber wenn sie unvermeidlich sein sollten,
dann werden wir auch einmütig über sie befinden.
Meine Damen und Herren, wir haben einen langen
Atem, wenn es darum geht, Freiheit, Recht und Selbst-
bestimmung auf dem europäischen Kontinent durchzu-
setzen. Unsere Aufgabe ist es, die Ukraine auf ihrem
selbstbestimmten Weg zu schützen und altem Denken in
Einflusssphären aus dem 19. und 20. Jahrhundert mit
Antworten des globalen 21. Jahrhunderts zu begegnen.

Im Übrigen: Gemeinsame Geschichte begründet
keine Gebietsansprüche gegenüber einem souveränen
Staat. Gerade Staaten mit gemeinsamer Geschichte soll-
ten mit Respekt und unter Wahrung des Rechts eng zu-
sammenarbeiten und zusammenleben.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist ja gerade die Grundlage, die uns in weiten Teilen
Europas in den letzten Jahrzehnten eine einzigartige Zeit
des Friedens, der Freiheit und des Wohlstands ermög-
licht hat. Gemeinsame Geschichte, so schwierig sie auch
im Verlaufe der Jahrhunderte immer wieder war, wurde
zum Fundament von Gemeinsamkeit und europäischem
Zusammenwachsen.

Wie glücklich wir in Europa über das europäische
Friedenswerk sein können, zeigt ja nicht nur die Lage in
der Ukraine, sondern das zeigt auch und vor allem das
Elend vieler Menschen anderswo auf der Welt. So wer-
den auf dem G-7-Gipfel auch andere Themen eine Rolle
spielen: Der Bürgerkrieg in Syrien hat inzwischen über
160 000 Todesopfer gefordert und destabilisiert die Län-
der um Syrien herum; Libyen befindet sich in einer in-
stabilen Lage; in Nigeria wütet die schreckliche Terror-
organisation Boko Haram. Deshalb müssen wir auch
alles daransetzen, in diesen Krisenbereichen das zu tun,
was möglich ist, um den Menschen dort wieder ein ver-
nünftiges Leben zu ermöglichen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor diesem Hinter-
grund zeigt sich: Wir können eigentlich gar nicht dank-
bar genug sein, dass vor anderthalb Wochen, am
25. Mai, gut 400 Millionen Europäerinnen und Europäer
ihr nächstes Europäisches Parlament frei, geheim und
fair wählen konnten. Ich freue mich sehr, dass in
Deutschland die Wahlbeteiligung im Vergleich zu 2009
von 43 Prozent auf immerhin fast 48 Prozent gestiegen
ist und dass sich in Deutschland die überwiegende Mehr-
heit der Wählerinnen und Wähler eindeutig für Europa
ausgesprochen hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dies ist Ausdruck der Überzeugung, dass Europa unsere
gemeinsame Zukunft ist.

In den vergangenen Wochen habe ich bei vielen Ver-
anstaltungen im ganzen Land viel Zuspruch und Wert-
schätzung für Europa erfahren, aber eben auch Sorge
und Kritik gehört. Unzufriedenheit und Unsicherheit
sind in anderen Ländern der Europäischen Union noch
viel weiter verbreitet als in Deutschland, wie wir an vie-
len Wahlergebnissen sehen können. In einigen Ländern





Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


(A) (C)



(D)(B)

gibt es teilweise dramatische Tendenzen der Europa-
skepsis und des Populismus. Die Ursachen für die
Zustimmung zu diesen Parteien sind sicher auch im na-
tionalen Umfeld zu suchen. Dennoch lassen diese Ergeb-
nisse auch den Schluss zu, dass die Bürgerinnen und
Bürger bessere Antworten von Europa erwarten.

Das verlangt konkret: Wir können und müssen die
Europäische Union noch besser machen. Wir müssen al-
les dafür tun, die Stärkung von Wachstum, Wettbewerbs-
fähigkeit und vor allem Beschäftigung in das Zentrum
unserer Arbeit zu stellen. Europa muss sich auf das We-
sentliche konzentrieren, und dabei muss es sich an die
selbst gegebenen Regeln und Verträge halten. Wenn wir
das verstehen, dann ziehen wir im Übrigen auch die rich-
tige Lehre aus der europäischen Staatsschuldenkrise und
verhindern, dass sich eine solche Krise wiederholen
kann.

Deshalb haben wir beim Informellen Abendessen der
Staats- und Regierungschefs der EU in der vergangenen
Woche darüber beraten, welche politischen Prioritäten
die Arbeit der Europäischen Union und ihrer Institutio-
nen in den nächsten fünf Jahren bestimmen sollten. Alle
Staats- und Regierungschefs der EU stimmen darin über-
ein, dass sich das Handeln der Europäischen Union in
den kommenden Jahren inhaltlich wie organisatorisch
auf die zentralen Zukunftsfragen konzentrieren muss:
auf eine Agenda für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit
und Beschäftigung, die auch die soziale Dimension zum
Tragen bringt; auf eine funktionierende und vertiefte
Wirtschafts- und Währungsunion, die den Zusammen-
halt der EU-28 wahrt; auf gemeinsame Antworten zum
Klimawandel und in der Energiepolitik einschließlich
des Abbaus der Energieabhängigkeit; auf die Stärkung
des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts;
auf ein geeintes Außenhandeln der Europäischen Union.

Wir wollen unser europäisches Wirtschafts- und So-
zialmodell im globalen Wettbewerb zum Erfolg führen.
Dafür müssen wir in den Feldern stark sein, auf denen in
Zukunft die globale Wertschöpfung stattfindet. Wir müs-
sen die Potenziale und Möglichkeiten des Freihandels
und des Binnenmarkts ausschöpfen und für eine stärkere
Dynamik in Forschung, Innovation und Schlüsseltech-
nologien sorgen. Gerade für Europa und da insbesondere
für Deutschland als starkes Industrieland bietet die Ver-
bindung klassischer Industriekompetenz mit Informa-
tionstechnologien große Chancen. Mit dem Begriff
„Industrie 4.0“ wird die Digitalisierung der Wertschöp-
fungsketten beschrieben. Wenn die Europäische Union
ihr Handeln auf Schwerpunkte wie diese konzentriert,
dann – davon bin ich überzeugt – wird Europa zu neuer
Stärke und Stabilität finden und werden die Bürgerinnen
und Bürger neues Vertrauen schöpfen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, politische Prioritäten brau-
chen das Personal, das diese Prioritäten vertreten und
umsetzen kann. Das gilt in diesen Wochen vorneweg für
die Wahl des nächsten Präsidenten der Europäischen
Kommission. Der Vertrag von Lissabon sieht hierfür vor,
dass der Europäische Rat dem Europäischen Parlament
unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Europawahl
mit qualifizierter Mehrheit einen Kandidaten für das
Amt des Kommissionspräsidenten vorschlägt, über den
dann das Europäische Parlament abstimmt. Das steht in
Artikel 17 Absatz 7 der EU-Verträge. Dementsprechend
haben wir bei unseren Treffen den Präsidenten des Euro-
päischen Rates, Herman Van Rompuy, beauftragt, die
vertraglich vorgesehenen notwendigen Konsultationen
zu führen. Er wird dem Europäischen Rat im Juni über
die Ergebnisse seiner Konsultationen berichten.

Herman Van Rompuy hat angekündigt, die Konsulta-
tionen mit den neu gebildeten politischen Gruppierungen
des Europäischen Parlaments und ihren neu gewählten
Vorsitzenden aufzunehmen. Er wird zudem bilaterale
Gespräche mit den Mitgliedern des Europäischen Rates
führen. Auch ich führe natürlich viele Gespräche mit
meinen europäischen Kollegen über die politischen In-
halte wie auch darüber, dass ich mich für die Wahl des
Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei bei der
Europawahl, Jean-Claude Juncker, zum nächsten Präsi-
denten der Europäischen Kommission mit der notwendi-
gen qualifizierten Mehrheit einsetze, und so tut dies auch
die ganze Bundesregierung, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir alle kennen die Vorbehalte mancher Mitgliedstaa-
ten, zum Beispiel die Großbritanniens. Damit das klar
ist: Ich teile diese Vorbehalte nicht. Aber ebenso klar
sage ich auch: Ich halte es für grob fahrlässig, ja eigent-
lich für inakzeptabel, mit welcher Lockerheit manche
darüber sprechen, dass es doch eigentlich gleichgültig
sei, ob Großbritannien nun zustimme oder nicht, mehr
noch: ob Großbritannien Mitglied der Europäischen
Union bleibe oder nicht, nach dem Motto: Reisende soll
man nicht aufhalten. Meine Damen und Herren, das ist
alles andere als gleichgültig, unwichtig, egal.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Großbritannien ist wahrlich kein bequemer Partner.
Großbritannien hat schon viel von Europa profitiert und
bekommen. Doch umgekehrt hat Großbritannien Europa
auch schon viel gegeben. Dazu lohnt es sich, in diesem
großen Gedenkjahr aus der berühmten Rede von Bun-
despräsident Richard von Weizsäcker vor beiden Häu-
sern des britischen Parlaments vor fast 30 Jahren zu zi-
tieren. Damals sagte Richard von Weizsäcker mit Blick
auf Großbritanniens Widerstand gegen Deutschland im
Nationalsozialismus – ich zitiere ihn –:

Was wäre aus Europa heute geworden … wenn es

– also das britische Volk –

nicht die Kraft gefunden hätte, seine Existenz aufs
Spiel zu setzen …, um die Hoffnung aller europäi-
schen Völker auf eine bessere Zukunft in Freiheit
zu bewahren? Großbritannien braucht seine euro-
päische Berufung nicht zu beweisen.

Ende des Zitats.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel GRÜNEN – Zuruf des Abg. Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])





(A) (C)


(D)(B)


Bei allen Unterschieden, die schon dadurch deutlich
werden, dass Großbritannien am Britischen Pfund fest-
hält und Deutschland aus tiefer Überzeugung für die ge-
meinsame Währung, den Euro, eintritt, gilt:


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht nicht um Großbritannien! Es geht um die britische Regierung!)


Deutschland und Großbritannien teilen gemeinsame
Werte und Interessen. Wir verfolgen gemeinsam wesent-
liche Ziele, vorneweg das Ziel einer starken, wettbe-
werbsfähigen Europäischen Union, die ihre Kräfte bün-
delt. Deshalb führe ich meine Gespräche gerade auch
mit Großbritannien in dem europäischen Geist, der uns
Europäern über mehr als fünf Jahrzehnte immer wieder
geholfen hat, bestmögliche Ergebnisse für alle zu finden.
Das erfolgt nicht immer einstimmig. Vor allem ist es
manchmal mühsam und anstrengend; es dauert auch.
Doch wie schon bei der Überwindung der europäischen
Staatsschuldenkrise oder bei der Verabschiedung des eu-
ropäischen Haushalts bis 2020, so folge ich auch hier
dem Grundsatz „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“. Gute
Ergebnisse in Brüssel, die alles bedenken, sind selten
überstürzt zustande gekommen. Sie brauchen Zeit. Die
haben wir, und deshalb nutze ich sie.

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung setzt
sich mit aller Kraft dafür ein, dass die Europäische Union
verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnt, indem sie
ihre Prioritäten zum Wohle der Menschen setzt: für
Wachstum, für Beschäftigung und für Wettbewerbsfä-
higkeit. Nur mit einer starken und stabilen Europäischen
Union können wir gemeinsam unsere Interessen und
Werte selbstbewusst in der Welt vertreten und behaup-
ten. Denn wir werden nie vergessen: Wir Europäer sind
zu unserem Glück vereint. Gleichzeitig setzen wir ge-
meinsam mit unseren Partnern in der G 7 alles daran,
Frieden, Freiheit und Wohlstand in der Welt zu festigen.
Dieser großen Aufgabe sind wir uns gerade in diesem
Jahr der bedeutenden Gedenktage besonders bewusst.

Herzlichen Dank.


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1803800200

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält die Kol-

legin Sahra Wagenknecht für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803800300

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Frau Bundeskanzlerin, es ist ja neuerdings in der deut-
schen Debatte zu einem Vorwurf geworden, wenn je-
mand versucht, etwas zu verstehen. Ich glaube, zumin-
dest das kann man Ihnen, Frau Merkel, nicht vorwerfen:
Sie sind wirklich keine Versteherin – weder von Russ-
land noch von Frankreich noch von anderen Ländern –,
Sie glauben offenbar eher, die Probleme von oben herab
lösen zu können.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir müssen aufhören, eine hochgefährliche halbhe-
gemoniale Stellung, in die die Bundesrepublik wie-
der hineingerutscht ist, in alter deutscher Manier
rücksichtslos auszuspielen.

Das schreibt Ihnen und der gesamten Bundesregierung
der Philosoph Jürgen Habermas ins Stammbuch. Er
meint damit vor allem, aber nicht nur den demütigenden
Umgang mit Frankreich.

Am 25. Mai ist bei den Europawahlen in Frankreich
der Front National von Marine Le Pen stärkste politische
Kraft geworden. Auch in anderen europäischen Ländern
haben nationalistische, rechtspopulistische, teils offen
faschistische Kräfte – wie die Goldene Morgenröte in
Griechenland – kräftig zugelegt. Wenn das nicht als
Weckruf taugt, dass es in Europa nicht so weitergehen
kann wie bisher, worauf wollen Sie dann noch warten?


(Beifall bei der LINKEN)


Darauf, dass Frau Le Pen französische Präsidentin wird?

Und jetzt sagen Sie nicht, Deutschland habe mit der
wirtschaftlichen Misere in Frankreich nichts zu tun. Die
Agenda 2010 war nicht nur eine massenhafte Enteig-
nung deutscher Arbeitnehmer, die heute im Schnitt
3,6 Prozent weniger Lohn bekommen als im Jahr 2000,
sondern das durch Leiharbeit, Werkverträge, Minijobs,
sachgrundlose Befristung ermöglichte Lohndumping
deutscher Unternehmen war natürlich auch ein massiver
Angriff auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Kon-
kurrenten, denen solche Knebelinstrumente zur Erpres-
sung ihrer Arbeitnehmer nicht zur Verfügung standen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Auch damit hängt zusammen, dass zum Beispiel Länder
wie Frankreich und Italien seit Einführung des Euro ei-
nen erheblichen Teil ihrer industriellen Kapazitäten ver-
loren haben.

Der französische Mindestlohn liegt mit 9,53 Euro
über 1 Euro höher als der Mindestlohn, den Sie jetzt mit
dem Gestus einer sozialen Heldentat endlich in Deutsch-
land einführen wollen und den Sie auch noch durch Aus-
nahmen durchlöchern werden.

Sicher, nach Ihrer Logik könnte Frankreich seinen
Mindestlohn natürlich auch absenken. Wahrscheinlich
sehen Sie es sogar als Erfolg Ihrer Politik an, dass mitt-
lerweile unter dem Druck der Krise die Löhne europa-
weit sinken; dass ein Großangriff auf Arbeitnehmer-
rechte gleich der Agenda 2010 jetzt in ganz Europa läuft;
dass überall die Ausgaben für Bildung, für Gesundheit,
für Renten zusammengestrichen und die Sozialsysteme
zerstört werden.

Aber finden Sie es wirklich so erstaunlich, dass sich
immer mehr Menschen von einem Europa abwenden,
das sie als Lobbyistenklub für Banken und große Unter-
nehmen empfinden und das sie verantwortlich machen für
die Zerstörung ihrer Arbeitsplätze, für die Zerstörung ih-





Dr. Sahra Wagenknecht


(A) (C)



(D)(B)

rer sozialen Sicherheit und ihres Wohlstands; dass immer
mehr Menschen eine EU als Bedrohung empfinden, die
nichts mehr zu tun hat mit den großen Ideen der Freiheit,
der Demokratie, der Solidarität und der Sozialstaatlich-
keit, die sie stattdessen entmündigt und ihre demokrati-
schen Entscheidungsmöglichkeiten einschränkt, eine
EU, die unter Solidarität nur noch den perversen Vor-
gang versteht, Hunderte Milliarden für Rettungsschirme
zu verpulvern, die am Ende nur reichen Anlegern und
Banken etwas nützen, eine EU, die mit ihrem Marktfana-
tismus und ihrer Wirtschaftshörigkeit die Kluft zwischen
Arm und Reich in Europa immer tiefer aufreißt?


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Linke Politik verursacht die Situation in Frankreich! Linke Politik!)


Wer sich wundert, dass auf einem solchen Boden die na-
tionalistische und rechtspopulistische Saat gedeiht, der
hat nichts, aber auch wirklich gar nichts verstanden.


(Beifall bei der LINKEN)


Das ist auch Ihre Saat, Frau Merkel, das ist auch das Er-
gebnis der von Ihnen verantworteten Politik.


(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Zum Glück sehen 92 Prozent der Deutschen das anders!)


Wer glaubt, eine Lösung der Euro-Krise sei auf den
Weg gebracht, weil Hedgefonds inzwischen wieder grie-
chische Staatsanleihen kaufen, der verwechselt die Welt
der Finanzzocker mit dem realen Leben.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Ein arbeitsloser Jugendlicher in Spanien, der auf abseh-
bare Zeit keine realistische Chance auf einen Wiederein-
stieg ins Arbeitsleben hat, oder ein diabeteskranker Grie-
che, der nicht mehr weiß, wie er sein Insulin bezahlen
soll, die haben den Luxus einer solchen Verwechslung
nicht; ihr Leben spielt in der realen Welt, und sie spüren,
dass diese ihnen kaum noch eine Zukunft bietet.

Wenn sich das nicht ändert, wenn die Krisenlasten
nicht endlich von denen getragen werden, die von der
ganzen Party profitiert haben, wenn die Armut in Europa
weiter wächst und wenn der soziale Ausgleich scheitert,
dann scheitert Europa, und das ist dann auch Ihre Mit-
verantwortung, Frau Bundeskanzlerin.


(Beifall bei der LINKEN)


In der Ukraine ist Europa schon gescheitert. Das Land
versinkt in einem blutigen Bürgerkrieg. Wie schön klan-
gen doch die blumigen Versprechungen, die Sie den
Ukrainern noch vor wenigen Monaten gemacht haben.
Angeblich wollte die deutsche Regierung die Kräfte, die
für Demokratie, für Freiheit und für Europa sind, gegen
jene unterstützen, die für Oligarchie, für Armut und für
Korruption stehen. Heute unterstützen Sie eine Regie-
rung, der vier Minister einer offen antisemitischen und
antirussischen Nazipartei angehören, eine Regierung, die
den Konflikt erst richtig angeheizt hat und heute brutal
Krieg gegen die eigene Bevölkerung führt.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie mitbekommen, dass dort Wahlen waren?)


Sie stützen einen Präsidenten, der seine Wahlkampagne
mit seinem milliardenschweren Raubvermögen und ei-
nem eigenen Fernsehsender betrieben hat, einen Oligar-
chen, der dem früheren Staatschef Janukowitsch an Kor-
ruption, Gangstertum und krummen Geschäften in nichts
nachsteht und der übrigens auch einmal sein Minister
war.

Damit es nicht zu peinlich wird, belügen Sie die Öf-
fentlichkeit hinsichtlich der wahren Situation in der
Ukraine, zu der eben gehört, dass schwerreiche Oligar-
chen wie afghanische Warlords eigene Privatarmeen fi-
nanzieren und das Land schamlos ausplündern, während
ein Großteil der Ukrainer in drückender Armut lebt, ei-
ner Armut, die sich infolge der jetzt dem Land von der
EU und vom IWF diktierten Kürzungen weiter verschär-
fen wird. Sie verschweigen, dass bewaffnete Schläger-
trupps des Rechten Sektors nach wie vor auf dem
Maidan kampieren, dass sich Linke in vielen Teilen der
Ukraine nicht mehr ohne Gefahr für Leib und Leben frei
bewegen können und dass die Regierung statt einer Ent-
waffnung dieser marodierenden Nazibanden lieber ein
Parteiverbot der Kommunistischen Partei betreibt.

Der Mord an über 40 Zivilisten in einem Gewerk-
schaftshaus in Odessa, das von diesem rechten Mob an-
gezündet wurde und in dem die Opfer lebendig ver-
brannten, ist leider keine russische Propaganda, sondern
grausame Realität,


(Beifall bei der LINKEN)


eine Realität, die mit dem von Ihnen gemalten Bild einer
weltoffenen proeuropäischen Ukraine nichts zu tun hat.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Vereinzelter Applaus!)


Ist es nicht geradezu verantwortungslos, einer Regie-
rung, die so offenkundig elementarste demokratische
Maßstäbe verletzt, auch noch mit Milliarden an EU-Geld
unter die Arme zu greifen? Wäre es nicht sehr viel nahe-
liegender, sich dafür einzusetzen, dass die Raubvermö-
gen der Oligarchen endlich der ukrainischen Bevölke-
rung zurückgegeben werden? Da liegt genug Geld, um
die Finanzprobleme der Ukraine zu lösen.


(Beifall bei der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Wie ist denn das in Russland? – Volker Kauder [CDU/CSU]: Wo sind denn die schwarzen Kassen von euch?)


Schluss mit Oligarchie und Korruption! Demokratie
und bessere soziale Absicherung: Das waren die Anlie-
gen der ursprünglichen Maidan-Bewegung. Sie wurden
von den aktuellen Machthabern in Kiew komplett verra-
ten – auch von Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, indem Sie
diese Machthaber unterstützen.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Maidan-Bewegung war doch von Amerika gesteuert!)






Dr. Sahra Wagenknecht


(A) (C)



(D)(B)

Was für die EU gilt, das gilt genauso für die Ukraine.
Nur wenn die Menschen eine soziale Perspektive haben,
wird auch das Land eine haben.

Die erste Bedingung dafür ist ein Ende des Bürger-
kriegs. Der neue Präsident unternimmt noch nicht ein-
mal den Versuch, die Lage zu deeskalieren. Er will keine
Gespräche und keine Verhandlungen, sondern den gna-
denlosen Einsatz militärischer Gewalt, obwohl jede Er-
fahrung lehrt, dass es in Bürgerkriegen keine schnellen
Siege gibt, sondern nur endloses Blutvergießen.

Frau Merkel und Herr Steinmeier, wenn Sie nach all
den Fehlschlägen Ihrer Ukraine-Diplomatie zu einer ver-
antwortungsvollen Außenpolitik zurückkehren wollen,
dann setzen Sie Poroschenko unter Druck, den Krieg ge-
gen die eigene Bevölkerung zu stoppen


(Beifall bei der LINKEN)


und den Weg zu Verhandlungen und einem Waffenstill-
stand zu eröffnen. Dann können Sie das Putin auch
glaubwürdig sagen und ihn entsprechend unter Druck
setzen.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Unglaublich! Was zahlt der Putin für solche Reden?)


Dazu gehört es aber eben, die legitimen Interessen al-
ler Seiten ernst zu nehmen. Genau das hat der Westen
gegenüber Russland über Jahre sträflich vernachlässigt.
Heute sieht es doch selbst der frühere US-Verteidigungs-
minister Robert Gates so, dass die NATO-Osterweite-
rung ein Fehler war, ein Fehler, der – so Gates wörtlich –
„die Ziele der Allianz untergrub und das, was die Russen
als ihre nationalen Lebensinteressen betrachteten, ver-
antwortungslos ignorierte“.

Genauso verantwortungslos ist es, über Artikel 10 des
EU-Assoziierungsabkommens die Ukraine in eine ge-
meinsame Verteidigungspolitik mit der EU und damit
faktisch in eine Kooperation mit der NATO einbinden zu
wollen. Genauso verantwortungslos ist die absurde
Sanktionsdebatte, die das Klima weiter verschlechtert


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


und die das Potenzial hat, der deutschen und der europäi-
schen Wirtschaft massiv zu schaden, während sich US-
amerikanische Gas- und Ölkonzerne ins Fäustchen la-
chen.

Es gibt keinen Frieden und keine Sicherheit in Europa
ohne oder gegen Russland.


(Beifall bei der LINKEN)


Es liegt deshalb in der unbedingten Verantwortung der
Bundesregierung, sich klar und entschieden gegen
Obamas erschreckende Kriegsrhetorik und die angekün-
digte Truppenstationierung in Osteuropa auszusprechen.
Wir brauchen keine weitere militärische Provokation.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Haben Sie das Putin auch schon gesagt?)


Wir brauchen auch nicht noch mehr Waffen in dieser
waffenstarrenden Welt.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wer genau 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten
Weltkrieges und nach den Gräueln des Zweiten Welt-
krieges immer noch über führbare Kriege inmitten von
Europa nachdenkt und fantasiert,


(Henning Otte [CDU/CSU]: Sagen Sie das doch mal Putin!)


der ist, muss ich sagen, krank im Kopf und der muss in
die Schranken gewiesen werden, egal ob er Obama,
Rasmussen oder sonst wie heißt.


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb, Frau Merkel: Lösen Sie sich endlich aus
dem Schlepptau dieser US-Kriegspolitik.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Henning Otte [CDU/CSU]: Sie nehmen die Realität nicht zur Kenntnis! – Michael Grosse-Brömer [CDU/ CSU]: Absurd!)


Setzen Sie sich – möglichst gemeinsam mit Frankreich –
dafür ein, dass Europa sich diesem Eskalationskurs ver-
weigert.

Der französische Historiker Emmanuel Todd hat
Deutschland ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wer? Trotzki?)


– Emmanuel Todd. Falls Sie den Namen noch nicht ge-
hört haben, sollten Sie sich einmal belesen.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Manchmal ist Lesen hilfreich! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Emmanuel Trotzki?)


Ich zitiere ihn:

Unbewusst … sind die Deutschen heute dabei, ihre
Katastrophen bringende Rolle für die anderen Euro-
päer – und eines Tages auch für sich selbst – wieder
einzunehmen.


(Henning Otte [CDU/CSU]: Das ist eine Frechheit!)


Wenn Ihnen das nicht zu denken gibt, wenn Sie das als
Frechheit denunzieren, dann tut es mir wirklich leid.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Was ist es denn sonst?)


Frau Bundeskanzlerin, die deutsche Europapolitik
stand einmal in einer anderen Tradition. Sie stand in ei-
ner Tradition, die begründet wurde durch den Bruder-
kuss Charles de Gaulles und Adenauers im Elysée, durch
den Händedruck Mitterrands und Helmut Kohls über den
Gräbern von Verdun und durch den Kniefall Willy
Brandts in Warschau, mit dem er Deutschland für immer
verpflichtete, gegen Judenhass und Rassismus in aller
Welt vorzugehen, und der den Geist seiner Ost- und Ent-
spannungspolitik symbolisch zum Ausdruck brachte.
Knüpfen Sie endlich wieder an diese Tradition der deut-
schen Außen- und Europapolitik an!


(Beifall bei der LINKEN)







(A) (C)



(D)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1803800400

Das Wort erhält nun der Kollege Axel Schäfer für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Axel Schäfer (SPD):
Rede ID: ID1803800500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

SPD-Bundestagsfraktion unterstützt die Regierungs-
erklärung der Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sie
tragenden Minister und all das, was in diesem Zusam-
menhang insbesondere der deutsche Außenminister
Frank Steinmeier in den letzten Tagen und Wochen getan
hat.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Da meine Redezeit begrenzt ist, liebe Kollegin
Wagenknecht, nur zwei Hinweise: Erstens. Es ist unak-
zeptabel, das, was wir hier in Deutschland politisch um-
setzen und was wir auch kontrovers diskutieren, in ir-
gendeiner Weise mit dem Erstarken faschistischer und
fremdenfeindlicher Kräfte in einen Zusammenhang zu
bringen. Das ist weder die Politik der Union noch die
Politik der Grünen noch die Politik der Sozialdemokra-
ten.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch der Abg. Sevim Dağdelen [DIE LINKE])


Zweitens. Es ist genauso unakzeptabel und unredlich,
hier ständig über die Frage eines Krieges zu reden, wäh-
rend die Mitglieder aller Fraktionen und der Regierung
– die Kanzlerin hat das noch einmal deutlich gemacht –
sich klar gegen militärische Lösungen ausgesprochen
haben. Das müssen Sie doch irgendwann einmal zur
Kenntnis nehmen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Ein Witz ist das! – Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])


Reden wir jetzt einmal darüber, was uns in Europa
verbindet. Ich finde, es ist ein wichtiger Punkt, dass am
D-Day auch Deutsche in Tradition dessen, was Richard
von Weizsäcker am 8. Mai 1985 zur Befreiung von der
nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland und in
Europa und zu der besonderen Verantwortung, die wir
haben, erklärt hat, den Alliierten danken. Deshalb ist es
wichtig, dass die Bundeskanzlerin an diesem Tag auch
mit Präsident Putin redet. Sie hat unser volles Vertrauen
dafür, diesen Dialog mit Russland fortzusetzen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt einen zweiten Punkt. Ich danke allen Wahlbe-
obachterinnen und Wahlbeobachtern


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

der CSU, der CDU, der Grünen, der SPD und der Links-
partei, die als Vertreter der OSZE und anderer internatio-
naler Organisationen in die Ukraine gereist sind, um dort
nicht nur in Worten, sondern auch durch Präsenz und de-
mokratisches Handeln für faire, gerechte und freie Wah-
len einzustehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dafür
gilt ihnen, hoffe ich, der Dank des ganzen Hauses. Das
war eine richtige und mutige Tat.

Ich selbst durfte vor zehn Jahren bei der Orangen Re-
volution in Donezk, der Partnerstadt meiner Heimatstadt
Bochum, mit dabei sein. Das war diesmal leider nicht
möglich. Diesen Weg der Partnerschaft und des Einste-
hens für Demokratie durch das ganze Haus müssen wir
auch gemeinsam weitergehen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der dritte Punkt. Wir haben am 25. Mai die Direkt-
wahl zum Europäischen Parlament durchgeführt. Es ist
ein wichtiger Schritt auf dem Wege der Parlamentarisie-
rung der Gemeinschaft, dass die Fraktionen der Europäi-
schen Volkspartei – dazu gehören die Christdemokraten
mit ihrem künftigen Vorsitzenden Manfred Weber –, der
Grünen mit ihrer Vorsitzenden Rebecca Harms, der So-
zialdemokraten mit ihrem künftigen Fraktionsvorsitzen-
den Martin Schulz sowie der Linkspartei mit ihrer Frak-
tionsvorsitzenden Gabi Zimmer und, nicht zu vergessen,
die liberale Fraktion, die zusammen über 500 Mitglieder
des neugewählten Parlaments repräsentieren und auch
alle hier im Bundestag vertreten sind, direkt nach der
Wahl gesagt haben: Ja, wir stehen mit unseren Parteifa-
milien dazu, dass der Sieger der Europawahl zuerst die
Möglichkeit bekommt, als Präsident gewählt zu werden.
Das ist Jean-Claude Juncker, ein Christdemokrat aus
Luxemburg. Wir alle wünschen Jean-Claude Juncker al-
les Gute, dass es ihm gelingt, eine Mehrheit zu finden.
Wir erwarten von den Staats- und Regierungschefs, dass
sie dies akzeptieren. Sie sind nicht mehr Formateur einer
europäischen Regierung, der Kommission, sondern sie
sind der politische Notar, der Dinge voranbringen muss,
und wir werden sie dabei unterstützen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich sage das auch, weil das ein Stück Geschichte des
Deutschen Bundestages ist. Unsere Vorgängerinnen und
Vorgänger haben schon in den 60er-Jahren dafür ge-
kämpft, dass das Europäische Parlament direkt gewählt
wird. Das war noch zu Adenauers Zeiten.

Wir haben als Zweites durchgesetzt, dass es eine par-
lamentarische Frauenquote gibt, was auch in der SPD
nicht ganz einfach war. Das war in der Zeit von Willy
Brandt und Helmut Schmidt.

Wir haben drittens im Europäischen Parlament ein
kommunales Wahlrecht durchgesetzt und erreicht, dass
das Europäische Parlament gleichberechtigt mit ent-
scheidet. Das war schon zur Zeit Helmut Kohls. Das
Ganze ist dann mit dem Vertrag von Lissabon vollendet
worden.





Axel Schäfer (Bochum)



(A) (C)



(D)(B)

Und wir haben viertens mit einer Initiative des Deut-
schen Bundestages und des SPD-Abgeordneten Profes-
sor Dr. Jürgen Meyer, Ulm, erreicht, dass wir eine euro-
päische Bürgerinitiative, das heißt die Möglichkeit der
direkten Demokratie, in die europäischen Verträge auf-
nehmen. Das ist ein gemeinsamer parlamentarischer Er-
folg in Europa. Aber das ist auch das Ergebnis aller pro-
europäischen Kräfte, die im Bundestag wirken. Damit
sollten wir gerade nach dem 25. Mai stolz und selbstbe-
wusst umgehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der 25. Mai war leider auch ein Tag der Erstarkung
von antieuropäischen, fremdenfeindlichen, nationalisti-
schen bis hin zu rechtsextremistischen Kräften. Diese
sollten wir hier in diesem Haus gemeinsam bekämpfen.
Wir gehen keinen Schritt zurück. Wir stehen zu dem,
was in Hunderten Verträgen in allen Mitgliedstaaten seit
über 60 Jahren mit verfassungsgebenden Mehrheiten an
Europa bzw. an Gemeinschaft geschaffen worden ist.
Wir brauchen uns für nichts, was in Europa als Gemein-
schaft vorangebracht worden ist, zu entschuldigen, für
absolut nichts und bei niemandem. Wir machen das mit
geradem Rücken und mit klarem Blick, und wir führen
diese Auseinandersetzung mit offenem Visier.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das heißt gleichzeitig: Wir stellen uns jeder Kritik,
die an konkreten europäischen Problemen wie der Be-
kämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, der Bankenkon-
trolle und Maßnahmen zur Antidiskriminierung geübt
wird.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: 25 Prozent leben in Armut! Nehmen Sie das mal wahr!)


Aber wir werden nicht zulassen, dass diejenigen, die die
Europäische Union in Wort und Tat zerstören wollen, auf
keinen Widerstand stoßen. Ich sage als Sozialdemokrat
ganz klar in Richtung Großbritannien und in Erinnerung
an das, wofür schon Helmut Schmidt als Kanzler anläss-
lich der Volksabstimmung 1975 gekämpft hat, als es
darum ging, dass das United Kingdom in der Europäi-
schen Gemeinschaft bleibt: Wir werden alles tun, dass
Großbritannien dabeibleibt. Nutzen wir die Möglichkei-
ten, die wir politisch haben, sei es über bilaterale Part-
nerschaften oder in europäischen Gremien. Aber eines
ist auch klar: Herr Cameron, der in Europa im Bremser-
häuschen sitzt, darf nicht den Zug der europäischen Eini-
gung zum Entgleisen bringen. Das werden wir nicht zu-
lassen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, fünf Fraktionen im
Europäischen Parlament werden einen wichtigen Beitrag
dazu leisten, dass der Wahlsieger Jean-Claude Juncker
Kommissionspräsident wird. Der Deutsche Bundestag
sollte genau dies unterstützen. Glück auf!


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1803800600

Katrin Göring-Eckardt ist die nächste Rednerin für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Bundeskanzlerin, nach Ihrer Rede frage ich mich
erneut: Was haben Sie uns eigentlich zum Kommissions-
präsidenten sagen wollen? Herr Schäfer hat ein paar
klare Worte gesagt. Von Ihnen habe ich gehört: Ja oder
vielleicht; ja, wenn nicht Frau Lagarde, oder „mal se-
hen“. – Das Lavieren hat kein Ende. Es hat erst einen
Katholikentag gebraucht, damit Sie fünf Tage nach der
Europawahl wenigstens einmal den Namen von Herrn
Juncker ausgesprochen haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Da sehen Sie mal, was Katholikentage bewirken!)


– Ich finde das großartig. – Ich finde das aber vor allen
Dingen paradox. Da wird diese Europawahl zum Duell
der Spitzenkandidaten ausgerufen – in diesem Fall muss
man bei der männlichen Formulierung bleiben –, auf der
einen Seite die Konservativen und auf der anderen Seite
die Sozialdemokraten, und danach sind es im Europapar-
lament die Grünen, die Liberalen und die Sozialdemo-
kraten, die sagen: Der Konservative soll sich um eine
Mehrheit bemühen. – Frau Merkel, ich finde, das, was
Sie hier tun, ist eine Schwächung der Europäischen
Union, eine Schwächung des Europäischen Parlaments.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wenn man sich an Verträge hält?)


Es ist damit auch eine Schwächung der europäischen
Idee. Wenn es darum geht, Demokratie durchzusetzen,
dann muss Schluss sein mit der Hinterzimmerpolitik.
Darum geht es in diesen Tagen in Europa.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zwischendurch habe ich mir einmal vorgestellt, was
gewesen wäre, wenn nach einer Bundestagswahl die
Wahlsiegerin Frau Merkel hieße und dann jemand sagen
würde: Sie werden es bestimmt nicht!


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie der Gerhard Schröder!)


Ich kann mich an eine solche Situation erinnern; das war
2005.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das hat der Gerhard Schröder schon gemacht!)


Das ist regelrecht schröderesk, was Sie hier machen,
Frau Merkel. Insofern sage ich klar und deutlich: Beken-
nen Sie sich endlich zu den Mehrheiten, und sagen Sie
eindeutig, was Sie tatsächlich wollen! Ich finde, Sie kön-
nen zu dem Spitzenkandidaten, den Sie ausgerufen ha-
ben, stehen. Sie sollten nicht herumlaufen und sagen:
Schauen wir einmal, was das Europäische Parlament
macht; das könnten wir am Ende noch berücksichtigen. –
Da hilft es auch nichts, Paragrafen vorzulesen. Wenn





Katrin Göring-Eckardt


(A) (C)



(D)(B)

man für Europa kämpfen will, dann muss man das mit
Leidenschaft tun, gerade an so einer Stelle.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Was es heißt, wenn man das nicht macht, was es
heißt, wenn man Europa von vornherein diffamiert, das
kann man ganz gut bei Ihrem Kollegen aus Bayern se-
hen, Herrn Seehofer.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: CSU! Nicht Bayern!)


– Herr Seehofer ist aber aus Bayern.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir schämen uns auch von ganzem Herzen dafür!)


Er ist dort Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender. –
Frau Hasselfeldt musste schon zu sehr starken Worten
greifen.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Können Sie das aussprechen?)


„Testosterongesteuert“ hat sie Herrn Seehofer genannt.
Da scheint einiges los zu sein in der CSU.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So hat sie es nicht gesagt! – Gerda Hasselfeldt [CDU/ CSU]: Das ist Interpretation! Habe ich nicht gesagt!)


Ich kann nur sagen: Entweder man bekennt sich zu
Europa, oder man bereitet denen den Boden, die mit
Populismus und Ausländerfeindlichkeit arbeiten, die ge-
gen eine Willkommenskultur in Deutschland sind, die
dagegen sind, dass dieses Europa tatsächlich eine ge-
meinsame Sozialunion ist und bleibt, die dagegen sind,
Europa stark zu machen. Denen bereitet man auf diese
Weise den Boden. Deswegen ganz klar und deutlich:
Wer für Europa kämpft, macht es nicht wie die CSU in
Bayern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, die Krise in der Ukraine
zeigt uns sehr gut, wie sehr wir Frieden und Rechtsstaat-
lichkeit zu schätzen wissen sollten. Der Kampf dafür
hier bei uns ist eben auch ein Zeichen für die Leute, die
dort mit ihrem Leben dafür eintreten, dass das gelingt.
Frau Wagenknecht, wenn ich mir Ihr Weltbild anschaue,
das Sie uns heute hier präsentiert haben,


(Zuruf von der LINKEN: War gut, nicht?)


dann muss ich sagen: Kein Wort über die Krim, kein
Wort über den Exodus der Tataren, kein Wort darüber,
dass dort tatsächlich Wahlen stattgefunden haben! Ent-
schuldigung, bedeutet Ihnen denn das gar nichts?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Sie reden hier wieder von dem Einfluss von Neofa-
schisten in der Regierung der Ukraine. Meine Güte, die
haben am Sonntag, als auch die Europawahl stattfand,
bei der Wahl zum Präsidenten der Ukraine noch nicht
einmal 2 Prozent der Stimmen bekommen. Können Sie
das wenigstens einmal zur Kenntnis nehmen, auch wenn
das vielleicht einen Moment an Ihrem Weltbild kratzt,
Frau Wagenknecht?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Wenn Sie sich hierhinstellen und versuchen, mit bil-
ligstem Populismus auf dem Rücken der Menschen in
der Ukraine, die es wahrlich nicht leicht haben, ich weiß
nicht was zu erreichen – möglicherweise wollen Sie in
Ihrer eigenen Partei eine Mehrheit bekommen; manch-
mal scheint mir das der eigentliche Grund für Ihre Rede
zu sein –, dann kann ich nur sagen: Das geht nicht. Dort
versuchen Menschen, ein demokratisches Land aufzu-
bauen, dort versuchen Menschen, für Frieden zu sorgen.
Sie werden unterstützt, ja, sie werden auch von uns
unterstützt. Wer das nicht akzeptiert und wer das nicht
mit unterstützt, der stellt sich außerhalb von Friedens-
bemühungen und außerhalb von Demokratie, Frau
Wagenknecht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Die Herausforderungen in Europa werden wahrlich
nicht geringer. Die Europäische Union muss mit ehrgei-
zigen Klimazielen in die UN-Verhandlungen im nächs-
ten Jahr gehen. Ein ambitioniertes Klimaschutzabkom-
men wäre doch einmal etwas. Frau Merkel, Sie stellen
sich hierhin, sagen: „wichtig, wichtig“, aber Sie handeln
nicht danach. Klar, wir müssen unsere Abhängigkeit von
russischen Gasimporten verringern, aber doch bestimmt
nicht durch Fracking oder durch Atomenergie und ganz
bestimmt nicht durch Kohleenergie.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es geht um den Ausbau der erneuerbaren Energien, es
geht um die Energieunion, vor allem durch den Umstieg
auf die Erneuerbaren. Das wäre die Fortsetzung des Frie-
densprojekts Europa im 21. Jahrhundert.

Barack Obama hat vorgelegt und gezeigt, dass Klima-
schutz Führung und Mut braucht und man sich auch ein-
mal gegen Mehrheiten stellen muss, wenn man Verant-
wortung für die Zukunft übernehmen will. Wo ist Ihr
Engagement für ambitionierte Klimaschutzziele? Sie sa-
gen, Deutschland sei Vorreiter. Ich sage: Nein, Deutsch-
land war einmal Vorreiter, aber inzwischen steigen die
CO2-Emissionen wieder, und der Ausbau der erneuerba-
ren Energien wird ohne Not ausgebremst. Wenn Klima-
schutz wirklich Chefsache wäre, dann würden Sie,
meine Güte, im Herbst nach New York zur Klimakonfe-
renz fahren, statt zu Hause zu bleiben und das Klima
Klima sein zu lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Mit Blick nach Brandenburg muss man klar und deut-
lich sagen: Wer jetzt neue Tagebaue aufmacht, um noch
mehr dreckige Kohle zu fördern, der macht das zu
80 Prozent gegen die Bevölkerung in Brandenburg und
der macht es zu 100 Prozent gegen den Klimaschutz.
SPD und Linke haben das beschlossen, und ich kann nur
sagen: Das hat nichts mit Klimaschutz zu tun. Sie sollten





Katrin Göring-Eckardt


(A) (C)



(D)(B)

hier nicht mehr herumlaufen und davon reden, dass Sie
den Kohleausstieg wollen; Sie sollten hier nicht mehr
herumlaufen und davon reden, dass Sie für den Klima-
schutz sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das gilt auch für das Fracking. Wenn eine Verord-
nung beschlossen werden soll, die am Ende dafür sorgt,
dass für 86 Prozent der Fläche in Deutschland Fracking
erlaubt ist, dann hat das mit Trinkwasserschutz und Ge-
sundheitsschutz nichts mehr zu tun; vielmehr geht es da-
rum, Fracking grundsätzlich zu erlauben. Darum soll
man nicht herumreden. Auch das hat nichts mit Klima-
schutz zu tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, am Schluss will ich auf et-
was eingehen, was mich an Ihrer Rede, Frau Merkel, ge-
ärgert hat,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das sollten Sie nicht, sich ärgern!)


ja, besonders betroffen gemacht hat. Wenn man über die
Krisenherde in der Welt mit drei Sätzen redet, wenn man
darüber redet, wie die Situation in Syrien ist und gleich-
zeitig kein Wort dazu verliert, dass wir nicht nur die
Aufgabe haben, im Rahmen der Möglichkeiten dort zu
helfen, sondern dass es ein Mindestmaß an Menschlich-
keit wäre, wenn wir endlich sagen würden: „Wir müssen
hier mehr Flüchtlinge aufnehmen“,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])


dann entgegne ich klar und deutlich: Das ist eine falsche
Schwerpunktsetzung.

Ich will Ihnen sagen: Wenn wir in Europa eine men-
schenwürdige Flüchtlingspolitik machen wollen, dann
heißt das für uns als Erstes, Verantwortung hier in
Deutschland zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass
wir eine Willkommenskultur haben, dafür zu sorgen,
dass wir ein offenes Europa haben, dafür zu sorgen, dass
wir ein Europa der Vielfalt haben, ein Europa, das wir
nicht den Rechten an die Hand geben, ein Europa, bei
dem wir klar und deutlich sagen: Nein, die AfD ist keine
Partei, die sich in irgendeiner Weise für Europa einsetzt,
sondern eine Partei, die sich gegen Europa einsetzt. Das
sollten Sie Ihren Kollegen in Sachsen vielleicht einmal
klar und deutlich sagen. Schließlich stellen sich Herr
Tillich und Herr Flath hin und behaupten, sie könnten
sich vorstellen, nach der Landtagswahl mit der AfD zu-
sammenzuarbeiten.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das stimmt aber jetzt nicht! Nein, das stimmt nicht!)


Das ist eine klare Ansage gegen Europa, und das ist auch
eine klare Ansage gegen all das, was wir mit Vielfalt und
Liberalität in unserem Land und in Europa erreichen
wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein solidarisches, friedfertiges Europa, darum muss es
auch an dieser Stelle gehen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1803800700

Nun erhält die Kollegin Dağdelen das Wort für eine

Kurzintervention.


Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803800800

Frau Kollegin Göring-Eckardt, Ihre Rede gerade erin-

nerte mich an den großen Dichter und Denker Bertolt
Brecht, der einmal treffend formuliert hat:

Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein
Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge
nennt, der ist ein Verbrecher!


(Florian Hahn [CDU/CSU]: Reden Sie über sich?)


Es entsetzt mich – ich bin darüber wirklich schockiert –,
dass Sie hier die Behauptung aufstellen, dass sich mit
den geringen Stimmenzahlen für die Kandidaten der
Swoboda oder des Rechten Sektors das Problem des
Neofaschismus, das Problem des Antisemitismus in der
Ukraine erledigt habe.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Unverschämt ist das!)


Sie wissen ganz genau, dass das nicht stimmt. Drei
Minister der Regierung in Kiew, also der Regierung der
Ukraine, sind Mitglied der neofaschistischen Partei
Swoboda. Ein Minister dieser Regierung steht der
Swoboda nahe. Ein weiterer Minister gehört der UNA-
UNSO, einer neofaschistischen Organisation, an. Das
heißt, eigentlich haben fünf Minister dieser Regierung
einen neofaschistischen Hintergrund. Der Rechte Sektor
kontrolliert weiterhin den ukrainischen Sicherheitsappa-
rat.


(Zuruf des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie haben vergessen, davon zu sprechen, dass der Prä-
sidentschaftskandidat der extrem rechten Radikalen Par-
tei, Oleg Ljaschko, über 1,5 Millionen Stimmen und
damit über 8 Prozent bei der sogenannten Präsident-
schaftswahl bekommen hat. Sie haben von diesen Wah-
len gesprochen, ohne auch nur ein einziges Mal darauf
hinzuweisen, unter was für Kriegsumständen sie stattge-
funden haben.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt ist aber mal Schluss hier!)


Kandidatinnen und Kandidaten, zum Beispiel von
Borotba oder der KP in der Ukraine, und viele andere
haben ihre Kandidaturen zurückgezogen, weil sie von
Faschisten bedroht worden sind. Der Kandidat der Partei
der Regionen ist während seiner Kandidatur unter Haus-
arrest gestellt worden. Wie kann man da eigentlich von
freien, fairen Wahlen sprechen, frage ich Sie.


(Zuruf des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])






Sevim Dağdelen


(A) (C)



(D)(B)

Ich bin wirklich entsetzt darüber, wie hier die Fa-
schisten, die Antisemiten verharmlost werden.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt ist aber mal Schluss! Das ist unglaublich! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin entsetzt über diesen Tabubruch der deutschen
Außenpolitik, die von Ihnen, Frau Kollegin, mitgetragen
wird. Das ist wirklich schändlich.


(Beifall bei der LINKEN – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unverschämt! – Florian Hahn [CDU/CSU]: Peinlich! Peinlich für dieses Haus hier!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1803800900

Frau Göring-Eckardt hat das Wort zur Erwiderung.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Dağdelen, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie
Wahlen, die in der Ukraine stattgefunden haben, ignorie-
ren wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Frau Dağdelen, ich nehme auch zur Kenntnis, dass Sie
die Situation in einem Land mit einer Freiheitsbewe-
gung, die auf dem Maidan begann und die in alle Teile
des Landes ausgeweitet worden ist, so sehen. Unter
schwierigsten Bedingungen haben dort Wahlen stattge-
funden. Diese schwierigsten Bedingungen waren wohl
vor allem, dass insbesondere im Osten der Ukraine Se-
paratisten, die aus Russland unterstützt worden sind, da-
für gesorgt haben, dass Menschen Angst hatten, ins
Wahllokal zu gehen. Trotzdem haben es viele gemacht.
Trotzdem wurde versucht, diese Wahlen so frei und so
fair wie möglich durchzuführen.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Die OSZE hat klar und deutlich festgestellt: Ja, diese Wah-
len waren frei. Ja, diese Wahlen sind zu akzeptieren. –
Frau Dağdelen, ich finde, dann könnten Sie auch einmal
eine Sekunde darüber nachdenken, ob Sie diese Wahlen
ebenfalls akzeptieren können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich glaube, dass Sie nicht akzeptieren, dass es ein
schwieriger Weg ist, bei dem es nicht einfach Ja und
Nein gibt. Es ist ein schwieriger Weg, dafür zu sorgen,
dass Demokratie auch tatsächlich einziehen kann, dass
Korruption tatsächlich bekämpft werden kann; dafür
sind die Leute nämlich auf die Straße gegangen.


(Zurufe von der LINKEN)


Es ist wohl klar und deutlich – das sage ich für die Frak-
tionen, die hier in diesem Haus sitzen, für die SPD, für
die Union genauso wie für uns, und für jedes Mitglied
der Bundesregierung –: Niemand hier wird Faschisten
unterstützen wollen. Sie sollten aufhören mit dieser ab-
surden Unterstellung, Frau Dağdelen!


(Lebhafter Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Wenn Sie Bert Brecht zitieren wollen, Frau Dağdelen,
tun Sie das gern weiter. Ich jedenfalls werde nicht akzep-
tieren, dass Sie mich eine Verbrecherin nennen.


(Lebhafter Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1803801000

Ich will ausdrücklich sagen, dass es auch in einer

politischen Auseinandersetzung und in einer heftigen
Debatte – das möchte ich an Sie richten, Frau Dağdelen –
nicht gerechtfertigt ist, Kolleginnen und Kollegen etwas
zu unterstellen, für das es überhaupt keine sachliche Be-
gründung gibt.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das war ein Zitat! – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sagen Sie mal! Ich habe Brecht zitiert! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Sind Sie endlich mal ruhig!)


Jetzt hat der Kollege Schockenhoff das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1803801100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich will unterstreichen, was die Bundeskanzlerin zu
Recht betont hat: Die Ukrainer haben Petro Poroschenko
bei einer Wahlbeteiligung von deutlich über 60 Prozent
im ersten Wahlgang mit 54 Prozent zu ihrem Präsidenten
gewählt. Das ist ein starkes Zeichen. Die CDU/CSU-
Bundestagsfraktion gratuliert Herrn Poroschenko zu die-
sem wichtigen Sieg. Er tritt eine äußerst schwierige Auf-
gabe an.

Die Debatte, die wir hier führen, verwundert mich
schon etwas. Es lohnt sich aber nicht, darauf weiter ein-
zugehen.

Herr Schäfer hat zu Recht allen gedankt, die als Wahl-
beobachter dabei waren. Frau Dağdelen, Mitglieder Ihrer
Fraktion waren an der OSZE-Wahlbeobachtermission
beteiligt, und sie haben diese Wahl als frei und fair be-
zeichnet. Wenn Ihnen, Frau Dağdelen, nun das Ergebnis
nicht passt – Sie haben wörtlich von einer „sogenannten
Präsidentschaftswahl“ gesprochen –, dann zeigt dies,
dass Sie noch nicht in der Demokratie angekommen
sind. Sie sind nach wie vor zutiefst von totalitärem Den-
ken geprägt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch der Abg. Sevim Dağdelen [DIE LINKE])


Ich will auch auf einen anderen Umstand ausdrück-
lich hinweisen. Herr Poroschenko ist in allen Wahlkrei-
sen des gesamten Landes mit deutlicher Mehrheit ge-





Dr. Andreas Schockenhoff


(A) (C)



(D)(B)

wählt worden – selbst in den umkämpften Orten im
Osten. Da dies in der Vergangenheit anders war – die
Wahlergebnisse der führenden Kandidaten zeigten im
Osten und im Westen deutliche Unterschiede –, hat die-
ses Wahlergebnis einen ganz besonderen politischen
Stellenwert. Herr Poroschenko ist der Präsident aller
Ukrainer. Das ist das wichtige Ergebnis der Wahl vom
25. Mai.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Präsiden-
tenwahl setzen die Ukrainer ein klares Zeichen. Es ist
der unmissverständliche Auftrag, für Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit, Korruptionsbekämpfung sowie für
die politische, wirtschaftliche und soziale Einheit des
Landes zu sorgen. Die Ankündigung des gewählten Prä-
sidenten, zuerst in den Osten der Ukraine zu reisen und
sich um die Stärkung der Wirtschaft und um die Verbes-
serung der sozialen Lage dort zu kümmern, ist dafür eine
sehr wichtige Botschaft. Es muss darum gehen, dass die
Menschen im Osten der Ukraine wieder Vertrauen in die
Politik finden, die in Kiew gemacht wird, zumal es in
der Vergangenheit leider auch gravierende Fehler mit
Blick auf die Menschen im Osten des Landes gegeben
hat.

Gerade die Menschen im Osten der Ukraine müssen
schnell von den Wirtschafts- und Finanzhilfen des IWF
und der EU profitieren; denn dort ist die wirtschaftliche
und soziale Lage besonders schwierig. Dies wäre auch
eine wichtige Antwort an die Separatisten. Denn dann
lautet die Botschaft für die Menschen in den umkämpf-
ten Gebieten: Während die Separatisten für Unsicherheit
und Terror sorgen, während Moskau Waffen und Kämp-
fer schickt, leistet Kiew auch mithilfe der EU und mit
unserer Unterstützung konkrete Beiträge, damit es den
Menschen in der Ostukraine Stück für Stück besser geht
und ihre Region wirtschaftlich modernisiert wird. Die
Menschen dort wollen endlich sicher und in Frieden le-
ben. Dazu brauchen sie unsere Unterstützung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1803801200

Herr Kollege Schockenhoff, lassen Sie eine Zwi-

schenfrage zu?


Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1803801300

Nein.

Das Wahlergebnis ist deshalb auch ein starkes Signal
gegen die Gewalt der Separatisten und Terroristen und
gegen die Einmischung von außen. Die Ukrainer wollen
ihren eigenen, selbstbestimmten Weg gehen. Mit den
Stimmzetteln haben sie allen russischen Destabilisie-
rungsaktivitäten der letzten Wochen eine klare Absage
erteilt. Das sollte Moskau endlich akzeptieren.

Doch was ist die Realität des russischen Handelns?
Inzwischen sprechen die Separatisten ganz offen davon,
dass sie von russischen Soldaten unterstützt werden und
sich ihrem Kommando unterstellt haben. Letzte Woche
haben wir aus dem Sicherheits- und Verteidigungsrat der
Ukraine Zahlen dazu erhalten: Circa 800 russische Be-
rufssoldaten befinden sich allein in den Städten
Lugansk, Slowjansk und Donezk. Weiterhin sind dort
600 russische Freiwillige – vor allem pensionierte oder
aus der Armee ausgeschiedene russische Soldaten. Diese
Zahlen dürften in der Zwischenzeit weit höher sein; denn
wir hören jeden Tag von neuen Militärkonvois, die aus
Russland in die Ukraine einsickern. Der russische
Grenzschutz schaut dem tatenlos zu.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt des-
halb nachdrücklich die Aufforderung der Staats- und Re-
gierungschefs der EU von Anfang der Woche an Mos-
kau, „seinen Einfluss auf die bewaffneten Separatisten
zu nutzen, um die Lage in der Ostukraine zu deeskalie-
ren und vorrangig zu verhindern, dass Separatisten und
Waffen in die Ukraine gelangen“. Aber wir müssen fest-
stellen, dass Russland dazu bisher nicht bereit ist. Wenn
russische Soldaten und andere mit modernsten russi-
schen Waffen ausgerüstete Kämpfer mit Billigung der
russischen Grenztruppen und damit mit Billigung Mos-
kaus in die Ukraine eindringen können, dann ist dies
auch eine Form militärischer Intervention Russlands in
der Ukraine.

Nach der Annexion der Krim stellt Russland mit die-
sen militärischen Destabilisierungsaktivitäten im Osten
der Ukraine auch weiterhin grundsätzliche Elemente der
europäischen Friedensordnung und die über viele Jahre
erarbeiteten Regelwerke einer europäischen Sicherheits-
architektur infrage. Russland belastet durch sein Verhal-
ten Frieden, Sicherheit und Stabilität in Europa weiter-
hin schwer.

Unsere Bündnispartner im Osten, insbesondere die
baltischen Staaten und Polen, fühlen sich besonders be-
droht. Ich sage ganz deutlich: Deren Sorgen sind auch
unsere Sorgen. Deshalb ist es richtig, dass die NATO-
Staaten bereits eine Verstärkung ihrer Streitkräfte und
zusätzliche Truppen auf dem Boden unserer östlichen
Partner und in der Ostsee beschlossen haben.


(Zuruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


Ob dort darüber hinaus auch permanente Stationierun-
gen erforderlich werden, wird bis zum NATO-Gipfel
Anfang September zu prüfen sein. Das wird sehr davon
abhängen, ob Russland sein unberechenbares und ag-
gressives Verhalten, vor allem gegenüber der Ukraine,
fortsetzt.

Ich sage aber auch – das ist von meinen Vorrednern
bis auf eine Ausnahme bestätigt worden –: Wir alle wis-
sen und sind überzeugt, dass dieser Konflikt militärisch
nicht zu lösen ist. Deshalb wird es notwendig sein, dass
die neue ukrainische Führung unter Beteiligung und mit
Hilfe der USA und der EU das Gespräch mit Moskau
sucht, um eine Lösung zu finden, die die Gewalttätigkeit
beendet, die zur Entwaffnung der illegal bewaffneten
Gruppen und zum Abzug der russischen Soldaten und
Geheimdienstkräfte führt und die die Souveränität und
Integrität der Ukraine sichert.

Es ist genauso notwendig, auf Moskau einzuwirken,
damit es zu konstruktiven und lösungsorientierten Ge-





Dr. Andreas Schockenhoff


(A) (C)



(D)(B)

sprächen bereit ist. Wir bedanken uns bei der Bundes-
kanzlerin und beim Außenminister für ihre Bemühun-
gen, die wir auch weiterhin mit Nachdruck unterstützen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


In diesem Zusammenhang ein Wort zur völkerrechts-
widrigen Annexion der Krim durch Russland: Es gibt
Menschen – auch ein ehemaliger Bundeskanzler gehört
dazu –, die davon reden, dass die Krim – so wörtlich –
für immer weg sei. Das ist nichts anderes als die Aner-
kennung von Landraub und Völkerrechtsbruch. Des-
wegen begrüßt und unterstützt die CDU/CSU-Bundes-
tagsfraktion mit Nachdruck, dass die Staats- und
Regierungschefs der EU die unrechtmäßige Eingliede-
rung der Krim in die Russische Föderation erneut scharf
verurteilt und zum Ausdruck gebracht haben, dass sie
diese Annexion nicht anerkennen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, niemand weiß
heute, unter welchen Voraussetzungen und wann die
Krim wieder zur Ukraine gehören wird. Aber die Ge-
schichte hat gezeigt, dass die Wiedervereinigung
Deutschlands möglich war und dass die baltischen Staa-
ten ihre Unabhängigkeit zurückgewinnen konnten. Wa-
rum sollte das nicht auch für die Krim möglich werden?
Gerade wir Deutschen, die nach 40 Jahren unsere Ein-
heit wiedererlangen konnten, sollten nicht so reden, liebe
Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Menschen in der Ukraine haben große Erwartun-
gen an ihren neu gewählten Präsidenten Poroschenko.
Zugleich sind die Herausforderungen im Zusammen-
hang mit der politischen, wirtschaftlichen und sozialen
Veränderung enorm. Die Reformbemühungen im Be-
reich der Justiz, der Staatsanwaltschaft und im Sicher-
heitssektor sowie zur Bekämpfung von Korruption sind
eine echte Herausforderung. Deshalb begrüßen wir sehr,
dass die Europäische Union und auch die einzelnen Mit-
gliedstaaten der EU umfangreiche Unterstützung zuge-
sagt haben bzw. bereits konkrete Hilfe leisten.

Herr Poroschenko möchte so bald wie möglich den
Handelsteil des Assoziierungsabkommens unterschrei-
ben. Auch das sollten wir nachdrücklich unterstützen,
zumal alle russischen Vorwürfe, dieses Abkommen
würde der russischen Wirtschaft schaden, in sich zusam-
mengebrochen sind. Russland hat in den Verhandlungen
mit der Europäischen Union dazu keinerlei Belege vorle-
gen können.

Um es klar zu sagen: Wir müssen die Zusammenar-
beit zwischen der EU und der Ukraine zu einer Erfolgs-
geschichte machen. Wir müssen dabei den schwierigeren
Weg gehen: mit den Mitteln der Soft Power und des Völ-
kerrechts gegen russische militärische Destabilisierung
und Völkerrechtsbruch.

Dies ist kein Konflikt fern im Osten der Ukraine. Dies
ist ein Konflikt, der uns direkt angeht.


(Zuruf von der LINKEN: Das ist wahr!)

Es geht um Frieden, um Sicherheit und die Stärke des
Rechts in ganz Europa.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1803801400

Jetzt erhält zunächst Herr Hunko das Wort zu einer

Kurzintervention.


Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803801500

Herr Kollege Schockenhoff, Sie haben mich vorhin

als Wahlbeobachter angesprochen; ich habe die Wahlen
in Odessa beobachtet.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Schäfer!)


– Auch er hat eben von den Wahlbeobachtern der Links-
fraktion gesprochen.

Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass die Wahlen in
Odessa, in Kiew, in Lwiw und in anderen Städten fair
und friedlich abgelaufen sind. Das Problem aber ist
– auch das ist von den internationalen Organisationen
benannt worden –, dass ein Großteil der Wähler im Ge-
biet Donezk und Lugansk, das 5,1 Millionen Wähler,
also ein Siebtel der Wahlbevölkerung, umfasst, nicht
wählen konnte, weil dort Bürgerkrieg herrscht,


(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist der vom Himmel gefallen, der Bürgerkrieg?)


und dass eine Reihe von oppositionellen Kandidaten aus
dem Spektrum der Kommunistischen Partei, zum Bei-
spiel der Kandidat Simonenko, und aus dem Spektrum
der Partei der Regionen aufgrund von Übergriffen, die es
gegeben hat – sogar im Parlament; das kann man ja
nachprüfen –, ihre Kandidatur aus Angst zurückgezogen
hat. Auch das muss man benennen, wenn man abwägen
will, wie die Wahlen zu beurteilen sind.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte Sie fragen – denn, Herr Schockenhoff, Sie
sind auf die Situation im Osten sehr intensiv eingegan-
gen –, ob Sie bereit sind, öffentliche Signale in Richtung
Poroschenko, in Richtung der Übergangsregierung in
Kiew dahin gehend zu senden, dass der gegenwärtige
Militäreinsatz gestoppt wird, dass Waffenruhe eintritt,
um zu Verhandlungen zu kommen. Wir haben jetzt die
Situation, dass sogar die Luftwaffe gegen einzelne
Städte in der Region Lugansk eingesetzt wird. Das kann
doch nicht sein. Dies ist doch kein Weg, um zu einer
Deeskalation im Osten zu kommen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Eine zweite Frage möchte ich stellen. Es wurde in der
Debatte darauf hingewiesen: Das Problem mit den Fa-
schisten ist nicht so groß.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt langt es aber! Das hat über Andrej Hunko haupt niemand gesagt! – Widerspruch bei der LINKEN)





(A) (C)


(B)


– Es wurde vorhin gesagt – –


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist einfach unmöglich, wie Sie hier agieren! Das ist eine Frechheit!)


– Entschuldigung, hören Sie doch einmal zu!


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist unmöglich, was Sie sich hier erlauben!)


Es wurde vorhin gesagt: Tjagnibok hat weniger als
2 Prozent erhalten; das Problem ist damit doch kleiner,
als wir es darstellen.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt langt es aber wirklich mal! Sie haben doch überhaupt keinen Anstand! Sie erklären hier den demokratischen Teil des Parlamentes zu Faschisten! Das ist doch unmöglich!)


– Das erkläre ich überhaupt nicht.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr Verhalten ist doch unmöglich!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1803801600

Darf ich darum bitten, dass wir wieder zu einer sachli-

chen Auseinandersetzung kommen.


(Volker Kauder [CDU/CSU], an den Abg. Andrej Hunko [DIE LINKE] gewandt: Dann muss der abgestellt werden, nicht der Herr Hofreiter!)


– Nein, Entschuldigung, Herr Kauder, es geht nicht da-
rum, Herrn Hofreiter anzugreifen. Ich sage nur: Wir soll-
ten zu einer sachlichen Auseinandersetzung kommen
und keine Unterstellungen machen, Herr Hunko.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir greifen gar nicht Herrn Hofreiter an, sondern der soll jetzt einmal aufhören mit seinen widerwärtigen Angriffen!)



Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803801700

Es wurde vorhin gesagt – das ist auch richtig –, dass

die Swoboda-Partei – –


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1803801800

Herr Hunko, ich darf daran erinnern: In der Auseinan-

dersetzung ist keine Bewertung dahin gehend getroffen
worden, dass damit das Problem gering sei. Das ist nicht
getan worden. Das können Sie sicherlich im Protokoll
nachlesen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt ist Schluss!)


Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803801900

Dann werde ich es anders formulieren. Es wurde vor-

hin gesagt, dass der Kandidat der Swoboda weniger als
2 Prozent erhalten hat.


(Zurufe: Ja!)


Ich frage Sie: Werden Sie darauf hinwirken, dass die
Swoboda-Partei, die immer noch in der Regierung ist,
aus der Regierung ausscheidet? Warum sitzt sie noch in
der Regierung, wenn sie doch so wenig Rückhalt hat?


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1803802000

Herr Schockenhoff.


Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1803802100

Herr Kollege Hunko, das Problem ist, dass eine Wahl,

von der Sie sagen, dass diese Wahl frei und fair abgelau-
fen sei, von der vor Ihnen sitzenden Frau Dağdelen als
eine „sogenannte Wahl“ bezeichnet wird, weil ihr das
Ergebnis nicht passt.


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Das habe ich gar nicht gesagt!)


Von diesem totalitären Denken müssen Sie Abstand neh-
men. Alles andere haben wir vorhin deutlich gesagt.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1803802200

Als nächster Redner hat Franz Thönnes das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1803802300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zehn Wahlbeobachter des Deutschen Bundestages wa-
ren am 25. Mai in Kiew und in anderen Teilen der
Ukraine unterwegs. Am Ende stellen alle fest – auch
Kollege Hunko hat es gerade wiedergegeben –: Diese
Wahl hat eindeutig den vereinbarten Prinzipien entspro-
chen, die die OSZE zu bewerten hatte. Vielleicht war es
sogar mit die demokratischste Wahl, die bisher in der
Ukraine stattgefunden hat. Die Wahl folgte einem ein-
deutigen, klaren, demokratischen Verfahren und hat ein
Ergebnis gebracht, das denjenigen zugutekommt, die die
Wahlen unter schwierigen Umständen vorbereitet haben;
sie verdienen unsere Anerkennung. Dem neuen Präsi-
denten Petro Poroschenko ist zu gratulieren.


(Beifall der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Vor der Wahl gab es von Russland Erklärungen, die
besagten, man werde das Ergebnis akzeptieren. Man
muss sagen: Angesichts der Spannungen war das schon
ein wichtiger Schritt. Aber eigentlich haben wir alle da-
rauf gewartet, dass auch Moskau nach der Wahl deutlich
sagt: Wir erkennen die Entscheidung des ukrainischen
Volkes eindeutig an.

(D)






Franz Thönnes


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dazu gehört auch die Erwartung, dass ein entsprechend
hochrangiger Gast aus Russland teilnimmt, wenn Präsi-
dent Poroschenko am kommenden Samstag in das Amt
eingeführt wird. Auch dadurch könnte die Anerkennung
der Wahlentscheidung zum Ausdruck gebracht werden.
Deutschland bringt sie zum Ausdruck; ich denke, es ist
gut, dass Bundespräsident Gauck in Kiew dabei sein
wird.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Wahlbedingungen waren natürlich eine große He-
rausforderung. Im Osten sind die Wahlen zum großen
Teil von Extremisten, von bewaffneten und gewalttäti-
gen Gruppen, behindert worden, die teilweise Wahlur-
nen zerschlagen haben, die Menschen in Wahllokalen
bedroht und an der Ausübung ihres Wahlrechts gehindert
haben. Das zeigt ganz klar und eindeutig, welches Ver-
hältnis diese Gruppen zur Demokratie haben; sie stehen
nicht für eine gute Zukunft der Ukraine. Doch in anderen
Teilen des Landes hat es geradezu einen Wahlenthusias-
mus gegeben: Menschen, die bei 30 Grad zwei oder
zweieinhalb Stunden vor dem Wahllokal in der Schlange
stehen, um von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen,
nachmittags um 16 Uhr schon 60 Prozent Wahlbeteili-
gung, in einigen Regionen bis zu 80 Prozent. Welch ein
glaubhaftes Zeichen, wie wichtig man die Demokratie in
diesem Land nimmt!


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Menschen sind im Kern – das müssen wir als
Wahlbeobachter der OSZE sagen – am Ende ihre eige-
nen demokratischen Wahlbeobachter geworden, weil sie
genau sehen konnten, dass jeder seinen Ausweis vorzei-
gen musste, dass man den Empfang der Wahlzettel quit-
tieren musste. Ich denke, das war ein gutes Zeichen. Es
war ein eindrucksvolles Beispiel für lebendige Demo-
kratie, und es war – das ist wichtig – ein deutliches Be-
kenntnis dazu, dass man eine geeinte und keine gespal-
tene Ukraine haben will.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch ich sage es jetzt hier – das muss man wahrschein-
lich wiederholen –: Es war auch ein eindeutiges Zeichen
gegen rechts, ein eindeutiges Votum gegen rechts. Man
will die Zukunft der Ukraine nicht mit Nationalisten,
nicht mit Faschisten, nicht mit Antisemiten gestalten.
Das Votum war eindeutig dagegen gerichtet.


(Zurufe von der LINKEN)


Damit sagt keiner, dass die rechte Bewegung weg
wäre; sie ist weiterhin entschieden mit demokratischen
Mitteln zu bekämpfen. Sie dürfen aber auch nicht negie-
ren, dass das Abkommen vom 21. Februar eine inklusive
Regierung vorsah, sodass die damals existierenden
Kräfte einzubeziehen waren,


(Zuruf des Abg. Andrej Hunko [DIE LINKE])

und dass das Parlament, das vom Volk demokratisch le-
gitimiert worden ist, diese Regierung gewählt hat. Also
müssen so schnell wie möglich Neuwahlen in der
Ukraine erfolgen, mit einem vergleichbaren Resultat, so-
dass keine Antisemiten, keine Faschisten und keine Na-
tionalisten im Parlament sitzen. Das ist die richtige Ant-
wort.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Sehr wahr!)


Mit der Wahl ist klar geworden: Die einseitige Propa-
ganda, dass die ganze Maidan-Bewegung faschistisch
wäre, wie wir es teilweise aus russischen Medien hören
und es manchmal auch hier geäußert wird, ist widerlegt;
ihr wurde der Nährboden entzogen. Wer im Zusammen-
hang mit der Ukraine mit Schwarz-Weiß-Bildern arbei-
tet, trägt nicht dazu bei, dass eine friedliche Lösung ge-
funden wird.

Spricht man mit den Menschen, die in der Schlange
stehen, darüber, welche Erwartungen sie haben, so wird
deutlich: Es geht um Demokratie, es geht um bessere Le-
bensbedingungen, es geht um einen Blick in Richtung
Europa. Es geht auch um die aktive Bekämpfung der
Korruption.

Der Präsident trägt nun große Verantwortung. Auch
die Kraft der Versöhnung und des Verhandelns ist gefor-
dert. Aber diese Kraft wird von allen Beteiligten erwar-
tet. Es ist ein Lichtblick, dass Russland und die Ukraine
zurzeit pragmatisch über Gaspreise verhandeln. Das ist
ein wichtiger Schritt.

Dieser Pragmatismus ist auch notwendig, wenn es da-
rum geht, dass wir von Russland erwarten, dass es sich
wieder aktiv einschaltet, um die zwei OSZE-Teams aus
der Geiselhaft zu befreien.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dieser Pragmatismus wird erwartet, wenn es darum
geht, dass auch von russischer Seite ein Beitrag dazu ge-
leistet wird, dass die Gewalt, dass das Sterben in der Re-
gion beendet wird, dass Moskau die Separatisten aufruft,
den Kampf, auch die Attacken gegen die ukrainischen
Sicherheitskräfte und das Besetzen von Häusern, einzu-
stellen.

All das zeigt: Es besteht die Notwendigkeit, die Kraft
aufzubringen, um zu einer Verhandlungslösung beizutra-
gen. Deswegen wird neben dem Truppenabzug, den
Russland inzwischen wohl zu drei Vierteln geleistet hat,
auch erwartet – diese Erwartung richtet sich auch an die
ukrainische Regierung –, dass man gemeinsam pragma-
tisch etwas für die Grenzsicherung unternimmt, dass
nicht permanent Wagenkolonnen von bewaffneten und
militarisierten Menschen die Grenze passieren können,
dass damit ein Beitrag geleistet wird, dass sozusagen der
„Nachschub“ von Gewaltpotenzial endlich aufhört. Ei-
gentlich müsste Moskau ein großes Interesse daran ha-
ben.





Franz Thönnes


(A) (C)



(D)(B)

Wenn es Moskau mit der in den Sicherheitsrat der
Vereinten Nationen eingebrachten Resolution ernst ist
und wenn durch die Resolution auch noch die territoriale
Integrität der Ukraine gewährleistet werden würde, dann
wäre das ein gutes Zeichen, das zu mehr Glaubwürdig-
keit beitragen würde. Das wäre ein ganz wichtiger und
zentraler Schritt.

Vier zentrale Pfeiler sind meines Erachtens für die
Stabilität in der Ukraine notwendig. Der erste Pfeiler
war die Entscheidung für die jetzt abgehaltene Präsident-
schaftswahl. Der zweite Pfeiler wird sein, den Verfas-
sungsprozess zügig voranzutreiben. Der dritte Pfeiler
wird sein, in der zweiten Jahreshälfte Neuwahlen auszu-
rufen. Der vierte Pfeiler wird sein, eine neue Regierung
zu wählen. Damit wäre für die Ukraine ein entscheiden-
der Schritt auf dem Weg in eine gute Zukunft getan.

Abschließend möchte ich festhalten – das ist für uns
ganz zentral; das wird auch in Zukunft so sein –: Die
Bundesregierung, die Bundeskanzlerin und der Bundes-
außenminister haben unsere Unterstützung bei dieser
wichtigen Arbeit, mit Besonnenheit und mit Balance in
Brüssel eine gemeinsame Antwort der Europäischen
Union zu finden.

Heute ist das Friedensgutachten 2014 vorgelegt wor-
den. Ich glaube nicht, dass es ein guter Ratschlag ist,
Verteidigungsetats zu erhöhen. Eigentlich geht es darum,
Verzicht auf Konfrontation und Festhalten am Dialog zu
üben. Für Europa, die USA und auch für Russland gilt:
So wie wir hierbei Verlässlichkeit zu bewahren haben,
erwarten wir auch auf der anderen Seite Verlässlichkeit
durch klar belegbare Handlungen.


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1803802400

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.


Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1803802500

Wir erwarten, dass die Schlussakte von Helsinki ein-

gehalten wird. Wir erwarten von Russland, dass es ga-
rantiert: keine Androhung und kein Gebrauch von Ge-
walt, die Unverletzbarkeit der Grenzen, die territoriale
Integrität der Staaten und eine friedliche Konfliktlösung.
Für unsere gemeinsame Zukunft in Europa erwarten wir
hierzu eine klare Antwort aus Moskau.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1803802600

Das Wort hat jetzt Manuel Sarrazin von Bündnis 90/

Die Grünen.


Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803802700

Verehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ei-

gentlich wollte ich die Kanzlerin ins Kreuzfeuer nehmen
und mich nicht so sehr mit der Linkspartei beschäftigen.


(Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin: Sie sitzt da oben!)

– Sie sind noch da? Das ist hervorragend. Denn ich finde
das Spiel um die Kommissionspräsidentschaft schon be-
merkenswert.

Oftmals ist von einem Demokratiedefizit der EU die
Rede, Frau Kanzlerin. Ich glaube, wir erleben gerade
eher ein Politikdefizit mancher Staats- und Regierungs-
chefs im Europäischen Rat. Das ist das eigentliche Pro-
blem.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte Sie da nicht ganz ausnehmen. Sie wissen,
dass ich nicht der Gemeinste hier im Haus bin, aber,
ganz ehrlich gesagt: Sie haben monatelang aus dem
Kanzleramt verlauten lassen: Ach, das mit den Spitzen-
kandidaturen, das wird am Ende schon anders werden.
Dass Sie sich jetzt hinter Cameron und dieser relativ bil-
ligen Drohung, vielleicht aus der EU auszutreten, verste-
cken, passt nicht zu Ihrem Format. Ich glaube, Sie haben
viel mehr Format zu bieten.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Frau Kanzlerin, die Menschen in Deutschland haben
ein Recht darauf, einen oder zwei Tage nach der Europa-
wahl zu erfahren, welche Position Deutschland hinsicht-
lich der Besetzung des Spitzenpostens in der EU-Kom-
mission vertritt. Sie hätten das genauso klar sagen
können wie Herr Cameron. Das schließt ja nicht aus,
dass man mit ihm redet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie an dieser Stelle das Gesicht Englands wahren
wollen, heißt das nicht, dass Sie Herrn Cameron die
ganze Bank hinterherschmeißen müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Die hört nicht zu! Sie hört Kauder zu, nicht dir!)


Das wirkliche Problem von Herrn Cameron dürfen
Sie aber nicht unterschätzen. Das wirkliche Problem von
Herrn Cameron ist der Rechtspopulismus von UKIP und
anderen. Sie können ihn unterstützen, indem Sie zur AfD
und den deutschen Rechtspopulisten klar Stellung bezie-
hen. Zeigen Sie klare Kante und sagen Sie, dass für
Rechtspopulisten kein Platz ist. Damit wären Sie Herrn
Cameron ein Vorbild. Ihm nützt es nichts, wenn aus den
Reihen der CDU schon fast Koalitionsangebote unter-
breitet werden.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn wir darüber reden, dass man klare Kante gegen
rechts zeigen sollte, muss man auch sagen, dass sich man-
che hier im Haus deutlichere Aussagen der Linkspartei
über Kollegen wie Herrn Dugin, Herrn Naryschkin,
Herrn Schirinowski oder andere, die in Russland etwas
zu sagen haben, wünschen. Das kommt in Ihren Reden
nie vor. Vielleicht würde das aber auch helfen.





Manuel Sarrazin


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Sehr richtig, Manuel!)


Ich möchte eines ganz deutlich sagen: Diese Präsi-
dentschaftswahlen sind eine große Chance für die
Ukraine, weil sie zur Stabilisierung beitragen können,
weil sie für eine neue Stimmung in Kiew sorgen


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und weil niemand, mit dem man in der Ukraine spricht,
auch nicht die Vertreter der Partei der Regionen, die Le-
gitimität dieser Wahl anzweifelt. Also sollten auch wir es
nicht tun. Wenn man das macht, handelt man nicht im
Interesse der Vertreter der Ostukraine.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Herr Poroschenko hat angekündigt, den Verfassungs-
prozess voranzutreiben und Neuwahlen durchzuführen.
Das ist doch genau der Weg, den Sie wollen. Sie wollen
doch, dass man über Wahlen die Geister der Vergangen-
heit, die Geister, die bei der Wahl 2012 erfolgreich wa-
ren – wie Swoboda –, endlich auf das Maß zurück-
schrumpft, das ihnen zusteht: am besten raus aus dem
Parlament!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Sehr wahr!)


Wenn wir möchten, dass die Menschen im Osten der
Ukraine an diesen Prozessen partizipieren können, wenn
wir möchten, dass ihre Interessen im neuen Parlament
vertreten werden, wenn wir möchten, dass der Osten im
Verfassungsprozess bei der schwierigen Frage der Ge-
staltung der Macht – Präsident, Parlament, Regierung –
Gehör findet, dann muss es in unserem Interesse sein,
dass in Donezk, in Lugansk und in anderen Städten ein
politisches Klima herrscht, in dem man sich traut, auf
demokratische Weise politisch zu streiten. Ich glaube,
dass die Separatisten diesen Gebieten einen Bärendienst
erweisen. Die Menschen im Osten der Ukraine haben
schlichtweg Angst. Sie haben inzwischen Angst davor,
auf die Straße zu gehen, weil Tausende von Kämpfern
aus dem Kaukasus mit schwerem Gerät auf den Straßen
stehen. Das ist kein Klima, in dem der Osten seine An-
liegen in Kiew durchsetzen kann. Das müssen Sie mei-
ner Ansicht nach deutlicher adressieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ich möchte einen Beweis sehen!)


– Herr Gehrcke, in meinen Gesprächen in Kiew hat nie-
mand, auch nicht die Vertreter aus der Ostukraine, die
dort sehr gut vernetzt waren, auch niemand von der Par-
tei der Regionen, in Abrede gestellt, dass Russland zu-
mindest nichts tut, um eine Einflussnahme zu verhin-
dern.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist etwas anderes!)


Es wurde vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass Russ-
land auf diesem Weg seine Interessen in der Ukraine ver-
tritt, und Russland hat ein Interesse an der Destabilisie-
rung und der Delegitimierung des neuen Präsidenten, der
gerade durch Wahlen legitim gewählt wurde. Das sollten
wir Russland bei allem Verständnis, das man haben
kann, nicht durchgehen lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wenn man möchte, dass die Antiterroroperation been-
det wird,


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Sofort!)


dann muss man auch dafür sein, dass schweres Kriegs-
gerät und Kämpfer nicht mehr in die Ukraine einsickern
können.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich finde es absolut richtig, mit allen Mitteln, die einem
zur Verfügung stehen, friedlich auf Russland einzuwir-
ken und das einzufordern. Wir haben bei den Wahlen ge-
sehen, dass die Drohung mit Sanktionen ein effektives
Mittel ist, um darauf hinzuwirken, dass man sich aufei-
nander zubewegt. Ich glaube, dass der Kreml etwas Be-
wegung gezeigt hat. Deswegen sollte man den politi-
schen Druck auf Russland hochhalten. Auf diese Weise
gewinnt man gleichzeitig Glaubwürdigkeit in Bezug da-
rauf, die ukrainische Regierung in die Pflicht zu nehmen,
den Verfassungsprozess und die Neuwahlen demokra-
tisch und freiheitlich anzugehen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1803802800

Als nächste Rednerin hat Elisabeth Motschmann das

Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Elisabeth Motschmann (CDU):
Rede ID: ID1803802900

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen!

Frau Wagenknecht, Frau Dağdelen, Sie haben sich in
dieser Debatte komplett aus der Außenpolitik abgemel-
det. Mit Polemik, Populismus und Demagogie – welche
Sie anderen vorwerfen – kann man kein einziges Pro-
blem lösen. Man kann nur hoffen, dass Sie in diesem
Land niemals irgendeine Regierungsverantwortung tra-
gen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Kanzlerin hat zu Recht gesagt, dass der G-7-Gip-
fel nicht unter normalen Bedingungen stattfindet: nicht
Sotschi, sondern Brüssel ist der Treffpunkt, nicht Putin,





Elisabeth Motschmann


(A) (C)



(D)(B)

sondern die EU ist Gastgeber, nicht acht, sondern sieben
Staaten nehmen teil. Russland wurde ausgeladen, und
das ist genau das richtige Zeichen. Diejenigen, die sich
in Brüssel nicht treffen, werden sich nun allerdings in
der Normandie zum Gedenken an den D-Day treffen.
Darin könnte man einen Widerspruch sehen. Ich sehe da-
rin aber eine Chance, auf dieser anderen Ebene eine Be-
gegnung möglich zu machen, Gespräche zu führen und
ein Stück weiterzukommen. Deshalb wünsche ich der
Kanzlerin alles Gute für diese Gespräche.


(Zuruf von der LINKEN: Die hört gar nicht zu!)


Die Einverleibung der Krim – das will ich hier in aller
Deutlichkeit sagen, weil wir es immer wieder sagen
müssen; Frau Wagenknecht, Sie vergessen das – war ein
schwerwiegender Bruch des Völkerrechts. Das kann die
westliche Welt nicht hinnehmen. Die Destabilisierung
der Ostukraine durch russische Separatisten, durch russi-
sche Soldaten mit russischen Pässen – wir wissen es
doch inzwischen –, ist eine nicht akzeptable Situation
und Provokation, und zwar nicht nur für die Ukraine,
sondern für jeden demokratischen Staat. Wladimir Putin
nimmt – auch das will ich ganz deutlich sagen – für
seine politischen Ziele Menschenrechtsverletzungen und
den Tod vieler Menschen, vieler Zivilisten, vieler Solda-
ten in Kauf. Das zeigt, dass Russland nichts, aber auch
gar nichts aus der Geschichte gelernt hat.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das muss man gerade aus Deutschland den Russen sagen!)


– Sie auch nicht, Herr Gehrcke. Darüber müssen wir
noch reden.

Umso positiver ist zu bewerten, dass die Reaktionen
des Westens trotz unterschiedlicher Positionen besonne-
ner, verantwortungsbewusster und abgestimmter waren
und sind. Die Devise lautet Deeskalation. Dazu haben
die Bundeskanzlerin und der Außenminister maßgeblich
beigetragen. Dafür danke ich ihnen herzlich.

Es ist richtig, an einer politischen Lösung zu arbeiten.
Es ist richtig, alle Gesprächsmöglichkeiten auszuschöp-
fen. Es ist richtig, notwendige Sanktionen Schritt für
Schritt umzusetzen. Das alles ist kein Ausdruck von
Schwäche, sondern von Stärke. Das sage ich, weil man-
che ja auf die Idee kommen, das sei eine schwache Au-
ßenpolitik. Ich finde, das ist eine starke Außenpolitik. Es
ist richtig, der Ukraine nun mit allen zur Verfügung ste-
henden Mitteln zu helfen. Ein erster Erfolg war die Prä-
sidentschaftswahl; das wurde hier schon wiederholt
gesagt. Die Wahlbeteiligung war erfreulich, und das Er-
gebnis war es auch. Erfreulich war natürlich auch – auch
das wollen Sie nicht wahrhaben – das vernichtende Er-
gebnis für die rechten Parteien, insbesondere für die
Swoboda-Partei.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Darüber freuen wir uns!)


– Da sind wir uns dann einmal einig. Das ist ja schön.
Der neu gewählte Präsident steht nun vor einer gro-
ßen Aufgabe. Seine nächsten Ziele sind die Parlaments-
wahlen, die Verfassungsreform und der nationale Dialog.
Poroschenko muss nun selbstverständlich auch mit
Russland verhandeln. Dabei bleibt zu hoffen, dass Putin
diese Wahl nicht nur verbal akzeptiert, sondern den Wor-
ten nun auch Taten folgen lässt. Der Abzug seiner Trup-
pen aus dem Grenzgebiet der Ukraine ist ein erster
Schritt in die richtige Richtung. Aber weitere Taten müs-
sen folgen.

Alle Mitarbeiter der OSZE müssen sofort und bedin-
gungslos freigelassen werden; ich glaube und hoffe, dass
wir uns auch da einig sind. Die Grenzen müssen so gesi-
chert werden, dass kein Nachschub von Soldaten und
Waffen mehr möglich ist; da bin ich mir schon nicht
mehr so sicher, ob das passiert. Sämtliche Separatisten
müssen ihre Waffen niederlegen. Die russische Medien-
propaganda, die übrigens in all diesen Ländern – nicht
nur in der Ukraine, sondern auch in den baltischen Län-
dern – nach wie vor betrieben wird, muss natürlich auch
endlich ein Ende finden. Des Weiteren dürfen wir nicht
zulassen – auch das hat die Kanzlerin gesagt –, dass Gas
als Mittel der Erpressung oder gar als Waffe gegen einen
souveränen Staat eingesetzt wird.

Vor kurzem war ich im Baltikum, das ja zu 100 Pro-
zent vom Gas aus Russland abhängig ist. Der 29-jährige
Abgeordnete Smiltens von der liberal-konservativen
Partei in Lettland hat mir etwas gesagt, das mich doch
zum Nachdenken brachte. Er sagte: Wir wollen lieber in
Riga frieren als in Sibirien. – Man hat dort Angst.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. In den
letzten Tagen gab es wichtige Vorstöße, etwa von
Günther Oettinger im Hinblick auf das Gas. Wir haben
gestern von einer Initiative Barack Obamas erfahren. Er
verstärkt mit 1 Milliarde Dollar die militärische Sicher-
heit. Dabei handelt es sich um ein Sicherheitspaket für
Polen und die baltischen Länder. Das ist keine Kriegs-
strategie, Frau Wagenknecht,


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das hat Frau Wagenknecht so auch gar nicht gesagt!)


sondern das ist eine Antwort, die wir leider geben müs-
sen, wenn auf der anderen Seite unendlich viele Soldaten
an den Grenzen stehen.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Kalter Krieg!)


– Den haben wir aber nicht angefangen, Herr Gehrcke.
Überlegen Sie einmal, wer angefangen hat!

Ich hoffe und wünsche, dass der G-7-Gipfel zu einer
großen Geschlossenheit der beteiligten Länder führt


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das EUAbkommen war der Anfang!)


und dass wir dazu erheblich beitragen können. Das wird
die Kanzlerin mit Sicherheit sehr gut tun.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)







(A) (C)



(D)(B)


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1803803000

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Katarina

Barley von der SPD das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Katarina Barley (SPD):
Rede ID: ID1803803100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Wir haben heute schon
sehr viel über Frieden und Demokratie gehört. Heute
Morgen haben wir an zwei Ereignisse in China und
Polen erinnert. Wir diskutieren sehr viel über die
Ukraine. Ich finde, gerade an einem solchen Tag sollte
man auch einmal sagen, wie froh wir sein können, dass
wir in diesem Haus so engagiert streiten, wie wir es hier
tun, und wie froh wir angesichts der Vergangenheit, die
wir haben, sein können, dass wir in einem Land leben, in
dem Demokratie und Frieden inzwischen zu einer
Selbstverständlichkeit geworden sind. Das hat auch et-
was damit zu tun, dass wir unsere Verantwortung wahr-
genommen haben und Teil der Europäischen Union
geworden sind, Teil einer Institution, die als Frie-
densprojekt angelegt ist und dies hoffentlich auch immer
bleiben wird.

Die ersten Wahlen zum Europäischen Parlament nach
Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages liegen hinter
uns. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
sind zu diesen Wahlen mit zwei zentralen Versprechen
angetreten, nämlich Europa sozialer und demokratischer
machen zu wollen. Dem zweiten Versprechen – Europa
noch demokratischer zu machen – kommen wir gerade
ein Stück näher. Denn die großen Parteienfamilien hat-
ten sich entschieden, für das Amt des Kommissionsprä-
sidenten, eines der wichtigsten Ämter der Europäischen
Union, europäische Spitzenkandidaten ins Rennen zu
schicken. Die Bürgerinnen und Bürger sollten über die-
ses wichtige Amt entscheiden – ein großer Schritt zu
mehr Demokratie in Europa.

Die Alternativen lagen klar auf der Hand. Die Spit-
zenkandidaten waren Martin Schulz und Jean-Claude
Juncker. Beide haben sich einer öffentlichen Diskussion
gestellt, von der man, wenn man sie mit der Diskussion
über die Europawahlen der vergangenen Jahre ver-
gleicht, sagen muss: Es gab ein viel stärkeres Interesse
der Medien, der Öffentlichkeit und – wahrscheinlich ha-
ben auch Sie es an den Wahlkampfständen gemerkt – der
Wählerinnen und Wähler an diesem Europa, weil es mit
Personen, mit Gesichtern, und erst dann mit Program-
men verbunden wurde.

Die Tendenz sinkender Wahlbeteiligungen ist ge-
stoppt worden bei dieser Europawahl; wir haben es
schon gehört. In Deutschland ist die Wahlbeteiligung
sogar erheblich gestiegen. Ich denke, auf dieses neue
Vertrauen, das Europa dadurch gewonnen hat, müssen
wir jetzt aufbauen, und das Versprechen, das die Parteien
vor der Wahl unter Beteiligung fast aller Staats- und Re-
gierungschefs gegeben haben, muss auch nach der Wahl
gelten. Ich bin wirklich froh, dass die Bundesregierung
das ebenso sieht und Jean-Claude Juncker als Kandida-
ten für das Amt des Kommissionspräsidenten unter-
stützt.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Florian Hahn [CDU/CSU])


Gleichzeitig müssen wir feststellen, dass in vier euro-
päischen Staaten – in Großbritannien, Griechenland,
Frankreich und Dänemark – extreme oder antieuropäi-
sche oder beide Merkmale vereinende Parteien jeweils
auf dem ersten Platz gelandet sind. Was machen wir nun
mit einem solchen Ergebnis, das den extremen Parteien
links wie rechts einen so enormen Zulauf beschert hat?

Die erste Möglichkeit wäre, das als Signal gegen die
europäische Einigung zu sehen und dementsprechend
Europa einzuschränken, sich für weniger Europa zu ent-
scheiden und damit in gewisser Weise der britischen Li-
nie unter David Cameron zu folgen.

Die zweite Möglichkeit – es wird Sie nicht verwun-
dern, dass dies von mir favorisiert wird – ist, das Wahler-
gebnis durchaus als Kritik am gegenwärtigen Zustand
der Europäischen Union zu verstehen, sich zu fragen, wo
Europa besser werden muss, und die Europäische Union
entsprechend weiterzuentwickeln. Denn wir wissen: Für
viele Menschen ist die EU auch mit Befürchtungen, Un-
sicherheiten und Ängsten, teilweise auch mit erhebli-
chen Einschränkungen verbunden. Wir müssen deshalb
dafür sorgen, dass die Europäische Union ein Projekt
bleibt – und noch stärker wird –, das das Leben der Men-
schen spür- und wahrnehmbar zum Positiven hin verän-
dert. Das ist die Linie, die wir Sozialdemokraten vertre-
ten.


(Beifall bei der SPD)


Nach der Wahl geht es wieder an die inhaltliche Ar-
beit. Worum muss es gehen? Die Arbeitslosigkeit zu be-
kämpfen, Wachstum und Beschäftigung zu schaffen,
muss im Zentrum unserer gemeinsamen Anstrengungen
für Europa stehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Martin Schulz hat es einmal klar und deutlich formu-
liert: „Ohne Arbeit kein Zusammenhalt und keine Zu-
kunft.“


(Beifall bei der SPD)


Wir brauchen einen Pakt für gute Arbeit und existenzsi-
chernde Mindestlöhne in ganz Europa. Die sozialen Si-
cherungssysteme und die Arbeitnehmerrechte müssen
gestärkt werden. Sozial- und Steuerdumping müssen be-
endet werden. Das dringlichste Problem ist sicherlich die
Jugendarbeitslosigkeit. Die Jugend – im Süden Europas
insbesondere – braucht eine konkrete Zukunftsperspek-
tive; denn das sind die Menschen, die weiter an dem
Haus Europa bauen sollen. Sie müssen Europa als einen
Ort erleben, der ihnen Möglichkeiten eröffnet und sie
eben nicht hängen lässt. Die Jugendbeschäftigungsinitia-
tive und ihr Hauptschwerpunkt, die Jugendgarantie,
müssen ein Erfolg werden. Damit das klappt, sind alle
Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Europäi-
sche Parlament und die Europäische Kommission ge-
fragt – und natürlich der neue Kommissionspräsident;





Dr. Katarina Barley


(A) (C)



(D)(B)

denn Europa ist mehr als die Addition von 28 Einzelinte-
ressen.

Wir dürfen bei allem Klein-Klein die zentralen He-
rausforderungen nicht aus den Augen verlieren. Wir
kämpfen weiter für ein soziales und solidarisches Eu-
ropa, für ein Europa, das Chancen und Perspektiven bie-
tet, für ein Europa, von dem die Menschen sagen, es
trägt dazu bei, dass ihr Leben besser wird, ebenso die
Perspektive für das Leben ihrer Kinder. Das ist unser
Ziel und dafür streiten wir weiter.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1803803200

Als nächster Redner spricht Florian Hahn von der

CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Florian Hahn (CSU):
Rede ID: ID1803803300

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen

und Kollegen! Der Name und der Ort des diesjährigen
Gipfels der wichtigsten Industrienationen zeigen bereits:
Es hat sich etwas verändert in dieser Welt. Wir sprechen
von einem G-7- und nicht mehr von einem G-8-Gipfel.
Die Regierungschefs tagen in Brüssel und nicht, wie ur-
sprünglich geplant, in Sotschi in Russland. Beides ist ein
markanter Ausdruck der veränderten Rahmenbedingun-
gen deutscher und westlicher Außenpolitik angesichts
der Ereignisse der letzten Monate in der Ukraine. Durch
den Ausschluss Russlands aus dem Kreis der großen
Acht sind wir auf den Stand von 1998 zurückgefallen.
Gleichzeitig sind wir mit unseren Partnern in den G 7 als
Werte- und Sicherheitsgemeinschaft noch näher zusam-
mengerückt.

Im Hinblick auf den Debattenbeitrag unserer Kollegin
Wagenknecht von vorhin muss ich sagen: Das erinnert
mich schon sehr an ihre frühere Mitgliedschaft in der
Kommunistischen Plattform. Sie haben gesagt, es gebe
keinen Frieden in Europa ohne oder gegen Russland. Ich
sage Ihnen: Es gibt keinen Frieden in Europa, wenn sich
nicht alle an das Völkerrecht halten, und das gilt auch für
Russland.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Annexion der Krim durch Russland war und ist
eine massive Verletzung des geltenden Völkerrechts.
Das ist mit unseren gemeinsamen Werten in keiner
Weise vereinbar. Deshalb war der Schritt, nur unter den
G 7 zu tagen, notwendig und richtig – im Sinne unserer
Glaubwürdigkeit und unserer Prinzipientreue und für
uns Deutsche insbesondere auch im Spiegel unserer Ge-
schichte.

Gleichzeitig haben wir uns – allen voran unsere Bun-
deskanzlerin und der Bundesaußenminister – in den letz-
ten Monaten mit ganzer Kraft dafür eingesetzt, den Ge-
sprächsfaden zu allen Beteiligten festzuhalten und
gemeinsam nach politischen Lösungen zu suchen. Dies
geschah aus der tiefen Überzeugung, dass es in unserer
Verantwortung liegt, alle diplomatischen Mittel auszu-
schöpfen, und vor dem Hintergrund unserer Geschichte,
da wir um den besonderen Wert wissen, auch unter
schwierigen Bedingungen immer wieder das Gespräch
zu suchen.

Wenn wir heute auf die aktuellen Entwicklungen in
der Ukraine schauen, dann sehen wir neben den vielen
bedrückenden Nachrichten erstmals seit vielen Wochen
wieder schwache Hoffnungsschimmer. Das besonnene,
aber entschlossene Handeln der Bundesregierung, der
EU und der internationalen Staatengemeinschaft war
also nicht umsonst. Das kann die Linke so viel negieren,
wie sie möchte.

Die klaren Mehrheiten bei den Präsidentschafts- und
den Bürgermeisterwahlen für Poroschenko und
Klitschko sind ein starkes Signal nach innen und nach
außen. Sie zeigen: Der ganz überwiegende Teil der
ukrainischen Bevölkerung ist geeint in dem Bekenntnis
zur Demokratie und zu europäischen Werten. Besonders
erfreulich ist, dass auch die Menschen im von Unruhen
erschütterten Osten des Landes trotz der zahlreichen
Einschüchterungsversuche und Blockaden durch prorus-
sische Separatisten ein eindeutiges Votum für die Frei-
heit und Einheit des Landes abgegeben haben.

Ich begrüße ausdrücklich die Ankündigung des russi-
schen Präsidenten, das Wahlergebnis zu respektieren und
mit der neuen ukrainischen Führung zu kooperieren. Die
Lage in der Ostukraine ist aber noch immer brandgefähr-
lich. Es gibt noch immer schwere Gefechte und viele
Tote. Hier sind wir in der Verantwortung, auch weiterhin
alle diplomatischen Mittel auszuschöpfen, um zu einer
Stabilisierung beizutragen.

Zugleich müssen wir aber in der EU und in der NATO
einig bleiben und fest zu unseren Partnern und zu unse-
ren bisherigen Entscheidungen stehen. Nur ein ent-
schlossenes Bündnis, das mit einer Stimme spricht, wird
ernst genommen.

Ich begrüße es deshalb sehr, dass unsere Bundes-
ministerin von der Leyen noch einmal betont hat, dass
die Sorgen unserer östlichen Partner auch unsere Sorgen
sind. Auch Poroschenko ist in der Verantwortung, durch
kluges und entschiedenes Handeln Herr der Lage zu
werden und sein Volk zu schützen. Dabei die richtigen
und angemessenen Mittel zu finden, ist sicherlich eine
extreme Herausforderung. Nicht zuletzt ist Putin in der
Verantwortung, seinen Einfluss auf die Separatisten zu
nutzen und zu einer Deeskalation beizutragen. Raketen-
tests in Grenznähe sind sicher nicht das erhoffte Signal,
das wir uns wünschen.

Putin ist in den vergangenen Wochen wieder kleine
Schritte auf den Westen zugegangen. Dazu gehören sein
Engagement zur Freilassung der von den Milizen festge-
haltenen OSZE-Beobachter, seine Forderung, das soge-
nannte Referendum in der Region Donezk zu verschie-
ben, um zunächst die notwendigen Bedingungen für
einen Dialog zu schaffen, und die Ankündigung, mit der
neuen Führung in der Ukraine zusammenzuarbeiten. Das
waren kleine Schritte, aber sie führen in die richtige





Florian Hahn


(A) (C)



(D)(B)

Richtung. Jetzt gilt es: Putin muss seinen Ankündigun-
gen endlich auch Taten folgen lassen. Die wenig kon-
struktive russische Haltung auf dem jüngsten NATO-
Russland-Rat ist hier noch kein Aufbruchssignal gewe-
sen.

Wir fordern den russischen Präsidenten auf, einen
Weg der Kooperation einzuschlagen und in die Mitte der
internationalen Staatengemeinschaft zurückzufinden.
Dazu gehören unter anderem eine konstruktive Zusam-
menarbeit mit der neuen ukrainischen Führung und ein
gemeinsames Engagement zur Stabilisierung der Lage in
der Ostukraine. Die Grenze zur Ostukraine muss besser
kontrolliert und das Einsickern von Kämpfern und Waf-
fen wirksam unterbunden werden. Außerdem muss die
Energieversorgung der Ukraine sichergestellt werden.
Der Gaspreis darf nicht dauerhaft dazu missbraucht wer-
den, politischen Druck aufzubauen. Nicht zu vernachläs-
sigen ist: Es muss eine angemessene Lösung gefunden
werden, um der ukrainischen Bevölkerung wieder einen
Zugang zur Krim zu ermöglichen.

Es ist unser ausdrücklicher Wunsch, dass ein G-8-
Gipfel irgendwann wieder stattfinden wird. Klar ist aber
auch: Bis dahin ist noch viel zu tun. Ich sage es noch ein-
mal: Wir sehen derzeit einige Hoffnungsschimmer in der
Ukraine. Das sind Chancen für uns, für Poroschenko, für
Putin, vor allem aber für die Ukraine und die Menschen
vor Ort. Ich bin mir sicher, die überwältigende Mehrheit
des Bundestages will tatkräftig daran mitwirken, damit
wir alle gemeinsam diese Chancen nutzen.

Ich habe eingangs gesagt: Die aktuellen Entwicklun-
gen in der Ukraine haben die Rahmenbedingungen deut-
scher und westlicher Außen- und Sicherheitspolitik ver-
ändert. Damit verbunden müssen wir uns wieder mit
Fragen auseinandersetzen, die angesichts der europäi-
schen Einigung und stabiler internationaler Partnerschaf-
ten lange Zeit keine oberste Priorität mehr besaßen. Der
Reiz der Friedensdividende hat zu lange den Blick auf
die Fragen verdeckt, wie wir uns langfristig in der
NATO und in der gemeinsamen europäischen Sicher-
heitspolitik positionieren wollen. Welche Fähigkeiten
wollen wir erhalten? Welche Fähigkeiten müssen wir ge-
meinsam entwickeln, um neuen Bedrohungsszenarien
begegnen zu können? Wir müssen vor allem innerhalb
Europas die gemeinsame Sicherheitspolitik vertiefen
und endlich weitere konkrete Projekte auf den Weg brin-
gen.

In diesem Zusammenhang müssen wir uns auch der
Diskussion stellen, ob wir in Deutschland und in Europa
ausreichend Mittel für unsere Sicherheit aufwenden.
Auch die Frage der Energieabhängigkeit muss in den
Fokus rücken. Wir dürfen nicht zulassen, dass über die
Energieversorgung politischer Druck auf Deutschland,
auf die Europäische Union oder die Staaten der interna-
tionalen Gemeinschaft ausgeübt werden kann.

Wir dürfen nicht dauerhaft erpressbar sein. Deshalb
begrüße ich mit Nachdruck, dass sich die G 7 dieser
wichtigen Frage annehmen und einen gemeinsamen Ak-
tionsplan entwickeln wollen. Darüber hinausgehend
stellt sich für uns die Aufgabe, mittelfristig eine Strate-
gie zu erarbeiten, wie wir unsere Bezugsquellen, insbe-
sondere beim Gas, diversifizieren, Transportwege si-
chern und eine leistungsfähige europäische Infrastruktur
sicherstellen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, gleichzeitig
befürworten wir das klare Bekenntnis der großen Sieben
zur Weiterentwicklung der internationalen Handelslibe-
ralisierung. Das war immer unsere Politik. Dieser Weg
hat Deutschland immer gutgetan; denn Deutschland
– vor allem auch meine Heimat Bayern – gehört als Ex-
portspitzenreiter zu den größten Profiteuren eines offe-
nen Weltmarktes und teilharmonisierter Wirtschafts-
räume.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das gilt für Europa wie für die zahlreichen internationa-
len Handelsabkommen.

Das europäische Freihandelsabkommen mit den
USA, TTIP, ist und bleibt deshalb zuallererst eine Rie-
senchance für unser Land und auch für Europa. Die USA
sind einer der wichtigsten Exportmärkte für unsere Un-
ternehmen, und wir sind mit Abstand wichtigster Han-
delspartner der USA innerhalb der Europäischen Union:
30 Prozent aller EU-Exporte in die USA kommen aus
Deutschland.

Durch TTIP würde der weltweit größte Binnenmarkt
mit rund 800 Millionen Menschen entstehen. Schätzun-
gen gehen für Europa von einem jährlichen Wachstums-
impuls von fast 120 Milliarden Euro und 400 000 neuen
Arbeitsplätzen aus. Ich sage es noch einmal: Das ist zu-
allererst eine Riesenchance und wäre auch ein Konjunk-
turprogramm gegen die hohe Arbeitslosigkeit in den Kri-
senstaaten – ohne Steuermittel.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich sage aber auch ganz klar: TTIP darf es nicht um
jeden Preis geben. Die Verhandlungen müssen transpa-
rent und offen und unter enger Einbindung der Mitglied-
staaten, ihrer Parlamente und der allgemeinen Öffent-
lichkeit geführt werden. Die Kommission hat hier in
letzter Zeit erste Schritte eingeleitet und die von vielen
Seiten geäußerten Bedenken ernst genommen. Dieser
Weg muss unbedingt fortgesetzt werden.

Das Freihandelsabkommen darf unter keinen
Umständen zu einer Absenkung unserer hohen Schutz-
niveaus führen, beispielsweise in den Bereichen Um-
weltschutz, Verbraucherschutz, Tierschutz, Gesundheits-
schutz und Arbeitnehmerschutz. Es muss natürlich auch
ein besonderes Augenmerk auf das Thema Datenschutz
gelegt werden. Es muss abgesichert sein, dass Regelun-
gen zum Schutz des Allgemeinwohls nicht durch
Schiedsgerichte unterwandert werden können. An einer
so ausgestalteten Partnerschaft wollen und werden wir
als CSU und als Union mit voller Kraft mitarbeiten.

Abschließend bleibt zu sagen: Der diesjährige G-7-
Gipfel nimmt sich der wichtigen Fragen unserer Zeit an.
Ich bin sicher, die Bundeskanzlerin wird unsere Interes-
sen wie gewohnt und, wie sie es auch kürzlich bei dem
Treffen der Regierungschefs der EU-Staaten getan hat,
mit starker Stimme und Durchsetzungskraft einbringen





Florian Hahn


(A) (C)



(B)

und vertreten. Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben dabei
unsere volle Unterstützung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803803400

Als nächstem Redner erteile ich Kollegen Klaus

Barthel, SPD-Fraktion, das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Klaus Barthel (SPD):
Rede ID: ID1803803500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Na-

türlich hat uns heute das Thema Ukraine besonders be-
schäftigt und vieles andere überlagert. Ich will aber da-
rauf hinweisen, dass die Regierungserklärung darüber
hinaus viele andere Facetten hatte; Kollegin Barley und
Kollege Hahn haben schon einiges angesprochen.

Ich will mich jetzt, auch wenn es vielleicht auf An-
hieb nicht sehr emotional erscheint, ein bisschen mit den
wirtschaftspolitischen Fragen beschäftigen. Die Kanzle-
rin hat darauf hingewiesen, dass es bei dem bevorstehen-
den G-7-Treffen auch um die Vorbereitung des G-20-
Gipfels gehen soll. Insofern lohnt sich ein Blick auf die
Lage der Weltwirtschaft.

Die Kanzlerin – sie musste das Plenum leider schon
verlassen – hat ein eher rosiges Bild von der Weltwirt-
schaft gezeichnet und gesagt, dass das Wachstum relativ
hoch ist. Wir alle können nur hoffen, dass sie recht hat.
Aber ich mahne zur Vorsicht. Wir haben nämlich eine
äußerst labile Situation der Weltwirtschaft. Russland
zum Beispiel ist schon ohne die Sanktionen ökonomisch
unter starkem Druck, etwa durch den Kapitalabfluss, um
nur ein Beispiel zu nennen. In der derzeitigen Sanktions-
debatte bedrohen wir uns gegenseitig mit wirtschaftli-
chem Schaden.

Aber nicht nur dieser Konflikt belastet die Weltwirt-
schaft, sondern in fast allen Schwellenländern wie
China, Indien, Brasilien und Südafrika kriselt es vor sich
hin. Die Wachstumsraten sind rückläufig. In den USA
war das Wachstum im ersten Quartal negativ. Wie es in
Japan weitergeht, weiß man nicht genau. Die Verschul-
dung steigt, und wir wissen nicht, ob die Abenomics
wirklich zum Ziel führen.

Die ILO, die Internationale Arbeitsorganisation,
kommt in ihrem aktuellen Weltarbeitsbericht zu dem Er-
gebnis, dass die Arbeitslosigkeit weltweit weiter anstei-
gen wird, und zwar um zusätzliche 3,2 Millionen Men-
schen in diesem Jahr und damit auf über 200 Millionen
Menschen 2014, und dass sich dieser Anstieg bis auf
213 Millionen Menschen im Jahr 2018 fortsetzen wird.

Der Schwerpunkt dieses Anstiegs wird laut Weltar-
beitsreport der ILO in Nordafrika, in Nahost und in Zen-
tral-, Ost- und Südosteuropa liegen. Ich komme später
darauf zurück. Die ILO, die ich zitiert habe, ist übrigens
keine arbeitspolitische Organisation, sondern sie arbeitet
tripartistisch mit Unternehmen, Regierungen und Ge-
werkschaften.
Deswegen soll und muss auf dem G-7-Gipfel auch
über die Weltwirtschaft geredet werden. Der Europäi-
schen Union kommt dabei eine besondere Bedeutung zu,
die wir uns noch einmal klarmachen müssen.

Wir haben uns insbesondere in Deutschland, aber
auch in der EU in den letzten zehn Jahren ziehen lassen.
Unsere Exportkonjunktur war auf das Wachstum in den
Ländern gestützt, die ich gerade genannt habe: in den
Schwellenländern und in anderen Ländern dieser Welt.
Aber es ist klar: Das kann und wird nicht so weiterge-
hen. Alle, die sich mit Prognosen beschäftigen, sagen:
Für Europa sind keine Impulse mehr aus der restlichen
Welt zu erwarten.

Die Europawahl – auch das müssen wir an dieser
Stelle sagen – war eine Absage der Wählerinnen und
Wähler an die bisherige Wirtschaftspolitik in Europa.
Deswegen sind Äußerungen aus der Bundesregierung
wie die von Staatsminister Roth, die EU müsse sich um
Wachstum kümmern, ausdrücklich zu unterstreichen. In
Italien formuliert Herr Renzi das ähnlich. Selbst in Spa-
nien legt Ministerpräsident Rajoy jetzt ein Konjunktur-
programm auf. Darüber kann man zwar durchaus strei-
ten, aber vielleicht findet die Europäische Zentralbank
mehr Gehör,


(Detlef Seif [CDU/CSU]: Quatsch!)


die vorletzte Woche ihren Finanzstabilitätsbericht veröf-
fentlicht hat. Ich will nur einige Stichworte nennen. Da-
rin ist die Rede von der „Möglichkeit eines scharfen und
ungeordneten Abbaus der jüngsten Kapitalflüsse“. Zu
Deutsch: Es existieren Spekulationsblasen. Wir haben es
mit einer Überhitzung der Finanzmärkte zu tun. Es gibt
zu viele faule Kredite. Der Wendepunkt sei nicht er-
reicht, heißt es. Es gebe unsichere konjunkturelle Per-
spektiven und ein signifikantes Risiko einer weiteren
Verschlechterung der Kreditqualität. Des Weiteren wird
festgestellt, dass der Schattenbanksektor und die Deriva-
temärkte noch nicht im Griff sind, sondern weiter wach-
sen. Selbst Musterländer in Europa wie Finnland und die
Niederlande erleben einen Rückgang ihrer Wirtschafts-
leistung.

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir es
nicht noch einmal darauf anlegen dürfen, dass die Euro-
päische Zentralbank – da stehen morgen Beschlüsse an –
die europäische Konjunktur und Finanzmarktstabilität
retten muss. Vielmehr müssen wir sehen, dass das eine
politische Aufgabe ist. Ich hoffe, dass von den bevorste-
henden Gipfeln klare Signale zum Handeln ausgehen.


(Beifall bei der SPD)


Das heißt, wir brauchen eine Kurskorrektur, auch von-
seiten der Europäischen Kommission. Es geht nicht um
irgendwelches personelles Geplänkel, sondern um die
inhaltliche Ausrichtung. Der Kurs von Barroso und
Konsorten muss beendet werden. Die wirtschafts- und
sozialpolitische Geisterfahrt, die noch immer stattfindet
– die Europäische Kommission polemisiert beispiels-
weise gegen unsere Rentenpolitik und den Mindestlohn
und fordert, dass in den Krisenländern noch mehr ge-
spart wird und in den öffentlichen Haushalten noch mehr
Kürzungen vorgenommen werden –, führt überhaupt

(D)






Klaus Barthel


(A) (C)



(D)(B)

nicht zum Ziel. Deswegen brauchen wir auf europäi-
scher Ebene ein neues Programm, das sowohl zur Be-
wältigung der eigenen Krise als auch zur Vorbeugung ei-
ner weltweiten Wirtschaftskrise beiträgt. Dabei müssen
wir eine wichtige Rolle spielen.

Wir müssen uns in der Bundesrepublik auch selber
ehrlich machen. Wir in der Großen Koalition haben die-
sen Kurswechsel doch längst vollzogen. Wir geben mehr
für Bildung und Forschung aus. Daher kann man von
Spanien, Griechenland, Italien und Frankreich nicht das
Gegenteil verlangen. Wir geben mehr für öffentliche In-
vestitionen aus, wie unser Bundeshaushalt zeigt, den wir
in der nächsten Sitzungswoche verabschieden. Wir sor-
gen dafür, dass die Löhne steigen, die Gewerkschaften
gestärkt werden und der Mindestlohn eingeführt wird.
Wir geben mehr für soziale Leistungen, für Pflege und
Renten aus.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803803600

Der Kollege Schlecht von der Fraktion Die Linke

würde gerne eine Zwischenfrage stellen. Mögen Sie das
zulassen?


Klaus Barthel (SPD):
Rede ID: ID1803803700

Ja.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre sonst auch Austeritätspolitik mit Blick auf das Zeitbudget!)



Michael Schlecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803803800

Herr Kollege Barthel, die Andeutungen hören sich, so

wie ich sie verstehe, ganz gut an. Sie sind offenbar der
Meinung, dass ein europäisches Konjunktur- oder Inves-
titionsprogramm notwendig ist. Sehen Sie denn Chan-
cen, dass die Austeritätspolitik, über deren Sinn nun in
Italien, Frankreich und Spanien diskutiert wird und die
diesen Ländern maßgeblich von Deutschland aufoktroy-
iert wurde, zurückgenommen wird und dass die Bundes-
regierung ein Zukunfts-, Investitions- oder Marshallpro-
gramm für die südeuropäischen Länder auflegt? Sehen
Sie denn tatsächlich eine Chance, dass diese Regierung
und diese Große Koalition hier in Deutschland einen ent-
sprechenden Kurswechsel in der Europapolitik vorneh-
men?


Klaus Barthel (SPD):
Rede ID: ID1803803900

Ich habe gerade versucht, darzulegen, dass ich dafür

nicht nur die Notwendigkeit, sondern auch die Chance
sehe; sonst hätte ich das nicht erwähnt. Der eine Ansatz-
punkt ist, dass wir diesen wirtschaftspolitischen Wechsel
bereits vollzogen haben. Aber auch die Mehrheiten in
Europa haben sich verändert. Bei dem Programm der
Kommission geht es nicht um Herrn Schulz oder Herrn
Juncker, sondern um eine andere europäische Politik.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir von der Großen Koalition streiten für Wachstums-
impulse, die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und
für mehr Investitionen. Ohne Investitionen wird auch
das, was die Kanzlerin erwähnt hat – Industrie 4.0, digi-
tale Gesellschaft und Energiewende –, nicht zustande
kommen. Für ein entsprechendes Umdenken lassen sich
inzwischen Anzeichen in ausreichender Zahl finden. Ich
würde mich freuen, wenn es dafür nicht nur vonseiten
der Grünen, sondern auch von Ihrer Seite, Herr Schlecht,
Unterstützung gäbe und wenn nicht immer alles in
Bausch und Bogen verdammt würde.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich komme zum Schluss, da meine Redezeit sowieso
fast abgelaufen war, als die Zwischenfrage gestellt
wurde.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803804000

Das stimmt zu 100 Prozent.


Klaus Barthel (SPD):
Rede ID: ID1803804100

Ich möchte nur darauf hinweisen: Es lohnt sich, sich

diese Studien der Internationalen Arbeitsorganisation
mit Blick auf die Weltwirtschaft und die Verarmungspro-
zesse, die gerade in Europa ablaufen, anzuschauen, und
es lohnt sich, über das angesprochene Freihandelsab-
kommen zu debattieren; denn, Kollege Hahn, wenn wir
wollen, dass dieses Abkommen wirklich etwas für Be-
schäftigung und Wohlstand bringt, dann müssen wir da-
für sorgen, dass es nicht einfach nur freien Handel gibt,
sondern dass die sozialen Standards, an denen wir hier
arbeiten, nämlich die Lebensqualität, die Einkommenssi-
tuation, die Mitbestimmung usw., verbessert werden.
Das müssen wir über solche internationalen Handelsab-
kommen absichern.

Wir sollten nicht sagen, dass wir das Freihandelsab-
kommen auf jeden Fall abschließen, weil Freihandel per
se gut ist. Dafür braucht es Regeln auf dem Weltmarkt,
und dafür sollten wir uns gemeinsam einsetzen. Ich
hoffe, dass wir in Europa an einem Strang ziehen. Ich
glaube, dass die Koalition es tut. Aber wir müssen auch
innerhalb Europas und im Rahmen der G 7 und G 20
schon noch ein Stück Überzeugungsarbeit leisten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803804200

Als nächster Rednerin erteile ich der Kollegin Sibylle

Pfeiffer, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Sibylle Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1803804300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ei-

nen sehr breiten Raum hat sehr zu meiner und vielleicht
auch zu Ihrer Freude das Thema Entwicklungspolitik bei
der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zum G-7-
Gipfel in Brüssel eingenommen. Das heißt, Entwick-
lungspolitik ist ein wichtiger Bestandteil der Außen- und
Sicherheitsarchitektur nicht nur Deutschlands, sondern
auch Europas. Ich finde das richtig, ich finde das gut.

Es wird allerhöchste Zeit, dass wir darüber reden. Ich
glaube, dass die Themensetzungen der Troika unter der
Führung Deutschlands, die den Gipfel organisiert hat
– die Frau Bundeskanzlerin hat es eben gesagt –, richtig





Sibylle Pfeiffer


(A) (C)



(D)(B)

waren. Die Themen sind mit der Unterstützung unserer
Bundeskanzlerin, die im Übrigen eine wunderbare An-
wältin für Entwicklungspolitik ist, was wir alle wissen,
gesetzt worden. Ich freue mich darüber und danke ihr
sehr herzlich dafür.

Aus der Vielfalt der Themen wurden die Themen auf
dem G-7-Gipfel herausgesucht, die wichtig sind und auf
die die Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Eines die-
ser Themen – das beschäftigt uns auch in Deutschland
immer wieder – sind Steuern und Abgaben, aber auch
Steuerhinterziehung und Korruption. Wir als Entwick-
lungspolitiker wissen, dass Korruption eines der wich-
tigsten Hindernisse für die Entwicklung in den Ländern
ist. Ich glaube, es ist unsere Aufgabe und die der interna-
tionalen Gemeinschaft, darauf zu achten, dass die Ent-
wicklung der Länder vorangehen kann.

Dazu gehört auch, dass wir Strafverfolgungsbehörden
und Steuerfahndungsbehörden einrichten. Bei dieser
Aufgabe sollten wir den Entwicklungsländern unsere
Unterstützung zusagen, weil dieses ihnen selber nützt.
Das ist das eine. Das andere ist, dass wir in diesem Zu-
sammenhang Hilfestellung leisten. Das kann Deutsch-
land allerdings nicht alleine machen; das ist vielmehr
eine internationale Aufgabe, und deshalb ist es richtig
und gut, dass das auf dem G-7-Gipfel an vorderster
Stelle behandelt wird.

Die Senkung der Müttersterblichkeit – MDGs 4 und
5 – ist nach wie vor eine Aufgabe der internationalen
Gemeinschaft, die dringend gelöst werden muss. Diese
läuft als Nachfolge der Muskoka-Initiative 2010 in Ka-
nada im Jahre 2015 aus. Das muss ein Thema sein, mit
dem wir uns auf internationaler Ebene auseinandersetzen
müssen. Damals sind 5 Milliarden Dollar seitens der in-
ternationalen Gemeinschaft zugesagt worden. Es muss
jetzt über eine Nachfolgeregelung geredet werden, weil
die Mütter- und Kindersterblichkeit für die Zukunft der
Länder sehr wohl ein wichtiges Thema ist. Deshalb ist es
wichtig, dass wir uns damit auseinandersetzen.

Das gilt auch für die Themen sexuelle und reproduk-
tive Gesundheit, Zwangsverheiratung, Kinderheirat und
Genitalverstümmelung. Alles das behindert die Entwick-
lung einer Gesellschaft, vor allem deshalb, weil es
Frauen daran hindert, sich in die Gesellschaft einzubrin-
gen, ihre Stärken auszuspielen, die Gesellschaft zu stüt-
zen und nach vorne zu bringen.

Ich freue mich in diesem Zusammenhang – auch die
Bundeskanzlerin hat es schon gesagt –, dass wir die
GAVI-Wiederauffüllungskonferenz nächstes Jahr wahr-
scheinlich hier in Berlin, aber zumindest in Deutschland
haben werden.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Ernährungssi-
cherung. Ich freue mich, dass unser Minister Müller die-
ses Thema zu seinem Thema gemacht hat, es als prioritär
identifiziert hat. Es handelt sich um ein internationales
Thema. Wichtig ist auch, dass wir erkennen, dass dieses
Thema innerhalb der internationalen Gemeinschaft be-
handelt werden muss. In Camp David haben wir verein-
bart, dass wir bis 2020 die Anzahl der Hungernden um
50 Millionen reduzieren. Das ist ein ehrgeiziges Ziel.
Auch da können wir nicht allein handeln; das muss im
internationalen Kontext passieren.

Zur Rohstoffinitiative. Natürlich ist es wichtig, dass
wir über die Rohstoffe reden. Die Rohstoffe sollten vor
allen Dingen dazu da sein, Einkommen in den Entwick-
lungsländern zu generieren. Die Entwicklungsländer
müssen über ihre Rohstoffe und ihre Güter Einkommen
und Steuern generieren. Sie müssen über die Erlöse, die
sie im Zusammenhang mit ihren Rohstoffen erzielen,
selber entscheiden können. Ich finde, das muss interna-
tional an erster Stelle diskutiert werden. Wir müssen eine
gemeinsame Lösung finden; denn wir müssen dazu bei-
tragen, dass die Länder in der Lage sind, sich selber zu
erhalten und ohne unsere Unterstützung ihre Haushalte
aufzustellen. Ich glaube, das ist wichtig. Zu all diesem
gehören die Rohstoffe dazu. Wir können dazu beitragen,
dass es in diesem Bereich faire Verträge mit allen Betei-
ligten gibt.

Dieser G-7-Gipfel mit seinen Themenstellungen,
auch den entwicklungspolitischen, ist genau richtig im
Hinblick auf das, was an großen Ereignissen im nächsten
Jahr auf uns zukommt. Das sind der Klimagipfel Ende
2015 in Paris, die Post-2015-Agenda und vor allen Din-
gen die G-7-, vielleicht auch G-8-Präsidentschaft
Deutschlands. Wir haben da eine große Aufgabe vor uns.
Ich erinnere mich an den G-8-Gipfel 2007 in Heiligen-
damm. Im Vorfeld fand eine hervorragende Parlamenta-
rierkonferenz mit 170 Parlamentariern aus der ganzen
Welt statt. Das entwicklungspolitische Thema dabei war
„Gesundheit in den Entwicklungsländern“. Ich würde
mich freuen, wenn es uns gelingen würde, wieder ein
entwicklungspolitisches Thema zu finden, mit dem wir
uns im Vorfeld der G-7- oder G-8-Präsidentschaft nächs-
tes Jahr einbringen können. Es wäre ein super Zeichen,
wenn wir Parlamentarier uns sowohl an der Themenset-
zung als auch an der Bearbeitung der Themen beteilig-
ten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803804400

Als letztem Redner in der Aussprache zur Regie-

rungserklärung erteile ich das Wort dem Kollegen Detlef
Seif, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Detlef Seif (CDU):
Rede ID: ID1803804500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aus-

führungen der Kollegen Katrin Göring-Eckardt und
Manuel Sarrazin zur Besetzung des Amtes des Kommis-
sionspräsidenten kann ich nicht nachvollziehen. Eins ist
klar: Die Union ist bundesweit und die EVP ist europa-
weit die stärkste Kraft geworden. Das heißt, wir haben
den Anspruch, den Kommissionspräsidenten zu stellen.
Das steht außer Frage. Die Kanzlerin hat das ausdrück-
lich erklärt.

Aber die Probleme sind vielschichtiger. Die Kanzlerin
hat erläutert: Artikel 17 des EU-Vertrages ist nicht ohne
Grund so ausgestaltet worden. Die EU hat 28 Mitglied-





Detlef Seif


(A) (C)



(D)(B)

staaten. Es gibt das Europäische Parlament. Es bedarf
zunächst Konsultationen der dann zu bildenden Fraktio-
nen im Europäischen Parlament mit den Regierungs-
chefs und keiner öffentlichen Diskussion. Wenn wir
Änderungen der Institutionen wünschen, sollten wir auf-
hören, die Besetzung des Amtes des Kommissionspräsi-
denten zum Spielball machtpolitischer Auseinanderset-
zungen zu machen. Das schadet dem Amt.


(Klaus Barthel [SPD]: Spielball von Wählerentscheidungen!)


Meine Damen und Herren, wir können der Bundes-
kanzlerin dankbar dafür sein, dass sie in diesem Verfah-
ren wie in vielen anderen Verfahren der ruhende Pol ist
und kein Marktschreier, der herumbrüllt und mit dem
Holzhammer auf Cameron einschlägt. Wir haben die
staatspolitische Verantwortung, mit den anderen Mitglied-
staaten vernünftig zusammenzuarbeiten. Auch wenn wir
die Meinung des britischen Premiers vielleicht nicht tei-
len, zählt seine Meinung. Warten Sie doch das Verfahren
ab. Wir werden danach sehen, wer Kommissionspräsi-
dent wird.

Kaum sind die Wahlen vorbei, gibt es auch schon die
ersten Ratschläge, nicht nur aus Paris, Rom, Madrid und
Athen, sondern auch von unserem Staatsminister
Michael Roth. Herr Barthel, auch Sie haben das in Ihre
Rede eingebaut: Wir brauchen einen grundsätzlichen
Wandel in der politischen Ausrichtung. – So war Ihre
Aussage.


(Beifall des Abg. Klaus Barthel [SPD])


Aber treffen Sie damit den Kern der Sache? Die Vor-
schläge sind sicherlich gut gemeint, aber wir alle wissen
doch: Wir haben zunächst einmal länderspezifische Pro-
bleme. Die Krisen der Vergangenheit, angefangen von
der Finanzmarktkrise über die Staatsschuldenkrise bis
zur Wirtschaftskrise in einzelnen Ländern, hängen doch
nicht damit zusammen, dass keine Sozialleistungen ge-
zahlt wurden. Das Gegenteil ist der Fall: Es wurden Rie-
senbeträge für den Konsum zur Verfügung gestellt. Es
wurden die Stabilitätskriterien nicht eingehalten. Ich
warne davor, die Politik, die uns in den letzten Jahren
auf den richtigen Pfad gebracht hat, zu korrigieren.

Soweit Sie das im Sinne von Konjunkturprogrammen
meinen, im Sinne von – ich übersetze das einmal in die
europäische Sprache – „zweckgerichteter Verwendung
der Strukturförderungsmittel“, haben Sie unsere volle
Unterstützung. Auch wir sind für die Bekämpfung der
Jugendarbeitslosigkeit. Auch wir sind dafür, Wachs-
tumsimpulse zu setzen, aber nicht dadurch, dass wir den-
selben Fehler wie in der Vergangenheit machen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Eines ist klar: Solide Staatsfinanzen sind die Voraus-
setzung auch für künftiges Wachstum, aber sie schöpfen
es nicht. Deshalb ist es wichtig, dass die Fehler, die zur-
zeit immer noch bestehen, überwunden werden. Man
kann sich nur an den Kopf fassen: In Griechenland sind
immer noch keine Kredite an kleine und mittlere Unter-
nehmen aus KfW-Mitteln ausgegeben. Wir haben die
Krise seit Jahren. Das hat noch nicht funktioniert. Erst in
den nächsten Wochen soll das umgesetzt werden. Es gibt
immer noch nicht ausreichende Verwaltungsstrukturen.
Steuererhebung, Steuereinzug funktionieren immer noch
nicht richtig. Das sind die Probleme, die wir haben.
Wenn die überwunden sind, dann geht es auch mit den
Wachstumsimpulsen aufwärts.

Meine Damen und Herren, es gibt vielfältige Ursa-
chen für das Ergebnis der Europawahl; man kann das
nicht verallgemeinern. Betrachten Sie das einmal länder-
spezifisch: Es gibt Länder, in denen die linken Kräfte be-
sonders zugelegt haben. Das sind in erster Linie die Pro-
grammländer. Es gibt Länder, in denen die rechten
Kräfte zugelegt haben. Das sind die Länder, die überwie-
gend mit europäischer Politik zu leben haben, zum Bei-
spiel im Bereich der Zuwanderung.


(Klaus Barthel [SPD]: Griechenland hat kein Zuwanderungsproblem, oder?)


Wir müssen uns Gedanken machen, welche Politik wir
auf europäischer Ebene umsetzen. Wir können nicht ver-
allgemeinern und sagen: Dieses oder jenes ist der Grund.

Ganz entscheidend ist, Herr Barthel: Hier wird die
wichtigste Frage, die ich für die nächsten Monaten sehe,
kaum erörtert: Wer von Ihnen geht denn davon aus, dass
die EU-Kommission in den letzten Jahren die Kräfte, die
sie vom Personal und auch von den Mitteln her gehabt
hätte, tatsächlich genutzt hat? Woran liegt das? Haben
wir eine Bundesregierung mit 28 Ministern? Das könn-
ten wir uns nicht vorstellen. Die Minister würden sich
behindern. So viele Kompetenzen gibt es gar nicht. Da
würde jeder dem anderen eine Kompetenz wegnehmen.
Es gäbe Überschneidungen. Genau das sieht man auch
an dem Arbeitsprogramm der EU-Kommission für das
Jahr 2014. Wenn man einmal da hineinguckt, wenn man
sich vor Augen führt, wie erkennbar die gegenseitige
Blockade der Kommissare ist, kommt man zu dem
Schluss: Das ist die dringendste Maßnahme, die wir auf
den Weg bringen müssen.


(Klaus Barthel [SPD]: Das sage ich ja: Wir müssen was ändern!)


Wir wissen, bei den europäischen Verträgen und bei
dem Machtgefüge können wir nicht sagen: Wir ändern
das jetzt, und zwar so, wie es ja eigentlich auch im Ver-
trag vorgesehen ist: Verkleinerung der Kommission auf
eine Zahl von Mitgliedern, die zwei Dritteln der Zahl der
Mitgliedstaaten entspricht. Das wird nicht funktionieren.
Also müssen wir einen anderen Weg wählen. Wolfgang
Schäuble hat einen guten Vorschlag gemacht. Diesen
Vorschlag sollten wir aufgreifen und mit Nachdruck ver-
treten und durchsetzen: Dem Kommissionspräsidenten
sollten Vizepräsidenten an die Seite gestellt werden, die
die Kernkompetenzen bearbeiten, und den Vizepräsiden-
ten sollten die anderen Kommissare fachlich zugeordnet
sein.

Wir müssen erst einmal eine Organisation und Ar-
beitsmöglichkeiten schaffen, die inhaltlich optimales Ar-
beiten erlauben. Das ist zurzeit nicht umgesetzt, und das
wird eine unserer Hauptaufgaben sein.





Detlef Seif


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Klaus Barthel [SPD]: Es geht um Inhalte, nicht um Strukturen!)


Jetzt geht es um Inhalte, und es geht auch darum:
Mich erinnert die Europäische Union – bis auf die sehr
erfolgreiche Krisenpolitik, die wir, insbesondere natürlich
der Rat, auf den Weg gebracht und umgesetzt haben – so
ein bisschen an eine Durchwurschtelunion. Man könnte
es auf Englisch auch als „muddling-through union“ be-
zeichnen: Man hat ein Ziel, man will es erreichen – Au-
gen zu und durch. Das merken wir bei allen wichtigen
Themen, auch bei den Themen der Gegenwart.

Fangen wir an bei der Gemeinschaftswährung. Die
Gemeinschaftswährung wurde auf den Weg gebracht,
ohne dass effektiv sichergestellt wurde, dass sich die
Euro-Länder tatsächlich an die Haushaltsdisziplin hal-
ten. Dieses große Problem war Mitauslöser der Krise.

In Griechenland wurde der Euro eingeführt, obwohl
die strengen Stabilitätskriterien dort nicht erfüllt waren –
Augen zu und durch. In der Vergangenheit wurden neue
Mitglieder aufgenommen, obwohl man wusste, dass man
bei einigen Kapiteln noch nicht so weit war. Es wurde
gesagt: Das wird schon werden. – Bei Rumänien und
Bulgarien ist es aber nicht geworden. Dort gibt es einen
hohen Korruptionsgrad, und auch die Rechtsstaatlichkeit
in diesen Ländern ist nicht so, wie wir uns das wün-
schen. Während des Aufnahmeprozesses schien alles in
Ordnung zu sein. Wir haben aber keine Kriterien, mit de-
nen wir kontrollieren können, dass dies auch mittel- und
längerfristig der Fall ist. Da müssen wir in der Zukunft
besser aufpassen.

Ein weiterer Punkt. Nachbarschaftspolitik wird be-
trieben, ohne dass man bemerkt, dass es sich dabei um
Außenpolitik handelt – mit allen Risiken und Chancen.
Schauen Sie nur in die Ukraine; ich will das gar nicht
weiter ausführen. Wir brauchen eine Europäische Union,
die die wichtigen Themen nicht ausschließlich politisch
entscheidet und die Folgen ihres Tuns bedenkt. Auch
hier brauchen wir klare Kriterien.

Kurz und abschließend gesagt: Die Organisation der
EU-Kommission ist grundsätzlich zu ändern. Die Euro-
päische Union soll nur Regelungen für die Dinge auf den
Weg bringen, die einheitlich geregelt werden müssen.
Da sind die Briten, die Niederländer und die Dänen nicht
unsere Gegner. Sie haben das Thema angestoßen, und
damit tragen sie dazu dabei, Europa zu verbessern. Nur
die wichtigen übergreifenden Themen gehören nach Eu-
ropa, aber nicht das Klein-Klein.

Wenn das die EU-Kommission, die hoffentlich neu
formiert und anders organisiert wird, bei ihrer Arbeit be-
herzigt, dann hat das Projekt Europa, das für uns alle
eine Herzensangelegenheit ist, eine gute Chance.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803804600

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen damit zur Abstimmung über die drei
Entschließungsanträge der Fraktion Die Linke.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sie sind alle drei gut!)


Entschließungsantrag auf Drucksache 18/1621. Wer
stimmt für diesen Entschließungsantrag der Fraktion Die
Linke? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Dann
ist dieser Antrag gegen die Stimmen der Linken mit den
Stimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das war knapp!)


Entschließungsantrag auf Drucksache 18/1622. Wer
stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist dieser Antrag
gegen die Stimmen der Linken mit den Stimmen aller
übrigen Fraktionen abgelehnt.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das war noch knapper!)


Entschließungsantrag auf Drucksache 18/1623. Wer
stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt
dagegen? – Dann ist dieser Antrag gegen die Stimmen
der Linken mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen
abgelehnt.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Hammelsprung!)


Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
Einführung des ElterngeldPlus mit Partnerschafts-
bonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundes-
elterngeld- und Elternzeitgesetz.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend, Frau Manuela Schwesig. – Bitte schön, Frau
Ministerin.

Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete! Ich freue mich sehr, dass das
Bundeskabinett heute den von mir vorgelegten Gesetz-
entwurf zum ElterngeldPlus mit Partnerschaftsmonaten
und der flexibleren Elternzeit verabschiedet hat. Wir ge-
hen mit diesen Vorschlägen neue Wege in der modernen
Familienpolitik. Wir wollen die Vereinbarkeit von Fami-
lie und Beruf stärken und setzen dabei vor allem auf das
Thema Partnerschaftlichkeit.

Die Lebenswirklichkeit von jungen Paaren in
Deutschland hat sich verändert. 60 Prozent der Paare mit
Kindern unter drei Jahren wünschen sich sowohl eine
partnerschaftliche Teilung der Erziehungs- und der
Hausarbeit als auch Zeit für den Job. Und genau darum
geht es beim ElterngeldPlus mit den Partnerschaftsmo-
naten: Wir wollen zukünftig ermöglichen, dass Mütter
und Väter, die während des Elterngeldbezugs früh in den





Bundesministerin Manuela Schwesig


(A) (C)



(D)(B)

Job einsteigen und Teilzeit arbeiten, nicht länger Nach-
teile haben. Vielmehr erhalten sie das ElterngeldPlus
länger als das bisherige Elterngeld.

Wenn sie die Elternzeit partnerschaftlich teilen, sich
also beide Zeit für das Kind oder die Kinder nehmen,
und beide in Teilzeit in einem Korridor zwischen 25 und
30 Stunden arbeiten gehen, gibt es zusätzliche Partner-
schaftsmonate. Das ist die Idee des ElterngeldPlus mit
den Partnerschaftsmonaten. Wir wollen die Vereinbar-
keit von Beruf und Familie und vor allem die Partner-
schaftlichkeit zwischen Männern und Frauen stärken.
Dies gilt natürlich auch für Alleinerziehende. Auch sie
können von den zusätzlichen Partnerschaftsmonaten
profitieren.

Ein weiterer Punkt im vorliegenden Gesetzentwurf ist
die Flexibilisierung der Elternzeit. Wir wollen, dass El-
tern die Möglichkeit haben, die dreijährige Elternzeit bis
zum achten Lebensjahr ihres Kindes flexibler aufzutei-
len. Das bedeutet, dass die Elternzeit nicht vor allem am
Anfang der Lebenszeit des Kindes voll genommen wer-
den muss, sondern noch Luft nach hinten ist und man die
Möglichkeit hat, auch später noch eine Auszeit zu neh-
men, zum Beispiel wenn ein Kind zur Schule kommt.
Die Elternzeit kann laut Gesetzentwurf zukünftig ohne
Zustimmung des Arbeitgebers genommen werden. Auch
an dieser Stelle wollen wir die Eltern stärken.

In einer dritten Komponente des vorliegenden Ge-
setzentwurfes geht es um eine Klarstellung im Hinblick
auf die sogenannten Mehrlingsgeburten. Das Bundesso-
zialgericht hat geurteilt, dass das Gesetz an der Stelle
derzeit unklar ist und Eltern von Mehrlingskindern im
Grunde – neben dem Mehrlingsbonus – doppelt Eltern-
geld beziehen können. Wir wollen an dieser Stelle klar-
stellen, dass es für Eltern von Mehrlingen einen einmali-
gen Anspruch auf Elterngeld und wie bisher einen
Mehrlingsbonus von 300 Euro gibt.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, das El-
terngeldPlus mit den Partnerschaftsmonaten und der fle-
xibleren Elternzeit ist ein wichtiges familienpolitisches
Vorhaben der Regierungskoalition. Wir wollen neue
Wege beschreiten. Wir wollen die Vereinbarkeit von Be-
ruf und Familie stärken. Wir wollen vor allem dafür
Sorge tragen, dass Männer und Frauen sowohl Zeit für
Kinder als auch Zeit für den Job haben. Dieser partner-
schaftliche Gedanke tut nicht nur den Familien gut, son-
dern ist auch für eine moderne Gleichstellungspolitik
wichtig. Denn er unterstützt vor allem auch Frauen, die
wieder in den Job einsteigen wollen.

An Frauen darf nicht alles – Job und Kinder – hängen
bleiben. Das neue ElterngeldPlus sorgt deshalb dafür,
dass auch die Männer Zeit für Kinder haben. Die posi-
tive Nachricht ist: Die Politik muss das nicht verordnen.
Die Politik kann das fördern und unterstützen. Denn die
jungen Väter von heute wünschen sich das. Jeder zweite
Vater möchte seine Arbeitszeit zugunsten der Familie re-
duzieren. Auch das sollten wir fördern. Wenn beide El-
ternteile Zeit für die Familie haben, tut das am Ende
nicht nur den Eltern, sondern auch und vor allem den
Kindern gut.
In diesem Sinne freue ich mich auf die parlamentari-
schen Beratungen im Bundesrat und natürlich in diesem
Hohen Hause. Wir gehen einen weiteren guten Schritt.
Das ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu einer
partnerschaftlichen Vereinbarkeit von Beruf und Fami-
lie.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803804700

Die erste Frage hat der Kollege Wunderlich, Fraktion

Die Linke.


Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803804800

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Schwesig, vielen

Dank für die Einführung in das ElterngeldPlus. Es tun
sich jedoch einige Fragen auf, insbesondere hinsichtlich
der vorgesehenen Erwerbsstundenvoraussetzung. Es ist
ja geplant, dass 25 bis 30 Wochenstunden gearbeitet
werden soll, wenn man in den Genuss des Elterngeld-
Plus und des Partnerschaftsbonus kommen will. Halten
Sie diese Zahl von Erwerbsstunden für realistisch, insbe-
sondere im Hinblick auf Alleinerziehende?

Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Ich halte es für realistisch. Man muss hier zwei Dinge
voneinander trennen. Das ElterngeldPlus, also den län-
geren Elterngeldbezug während der Teilzeitarbeit, be-
kommen alle unabhängig von der Stundenzahl und unab-
hängig davon, ob der Partner Teilzeit arbeitet oder nicht.
Lediglich die Partnerschaftsmonate – vier Monate für
den Vater und vier Monate für die Mutter – gibt es nur
dann, wenn beide parallel Teilzeit arbeiten. Damit wol-
len wir dem partnerschaftlichen Gedanken, den 60 Pro-
zent der Paare haben, aber nur 14 Prozent realisieren,
Rechnung tragen. Der Korridor von 25 bis 30 Stunden
ist gewählt worden, weil wir damit keine Minijobs unter-
stützen wollen. Wir wollen einen Arbeitszeitkorridor,
der eine wirtschaftliche Existenz ermöglicht. Das ist ins-
besondere für Alleinerziehende wichtig. Deshalb ist die-
ser Korridor zwischen 25 und 30 Stunden insbesondere
vor dem Hintergrund einer sicheren Erwerbstätigkeit,
einer guten Erwerbsperspektive und der Armutsvermei-
dung gut gewählt.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803804900

Die nächste Frage hat die Kollegin Frau Dr. Hein,

ebenfalls Fraktion Die Linke.


Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803805000

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, ich

habe eine Frage zu den Mehrlingsgeburten. Warum wird
das Urteil des Bundessozialgerichtes, in dem steht, dass
Eltern bei Zwillings- oder Mehrlingsgeburten nicht nur
pro Geburt, sondern für jedes neugeborene Kind einen
eigenen Elterngeldanspruch haben, so nicht umgesetzt?

Um wie viel würde der Haushalt entlastet, wenn Sie
es so machen, wie Sie es beschrieben haben?






(A) (C)



(D)(B)

Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Bei der Einführung des Elterngeldes wurde die beson-
dere Situation von Mehrlingseltern berücksichtigt. Man
hat sich damals ganz bewusst dafür entschieden, dass
auch diese Eltern den grundsätzlichen Elterngeldan-
spruch in der Dauer von zwölf plus zwei Partnermonaten
haben. Aber weil zwei Kinder auch eine besondere fi-
nanzielle Herausforderung sind, gibt es einen Extra-
bonus von 300 Euro. Das Bundessozialgericht hat jetzt
geurteilt – weil das Gesetz an dieser Stelle nicht klar for-
muliert war –, dass es neben den 300 Euro zukünftig
auch möglich sein kann, dass man zwei mal zwölf plus
zwei Partnermonate nimmt. Das hört sich natürlich gut
an. Aber es geht weit über das hinaus, was der Gesetz-
geber damals gewollt hat. Mehr geht immer; gar keine
Frage. Aber das Urteil bewirkt Mehrkosten von 100 Mil-
lionen Euro. An dieser Stelle stellen wir im Gesetz nur
klar: Es gibt nicht weniger, sondern es gibt wie immer
die 300 Euro. Damit können wir die Mehrkosten in Höhe
von 100 Millionen Euro, die jetzt schon pro Jahr entste-
hen, auffangen und können diesen Betrag auch zur Fi-
nanzierung des Elterngeldes nutzen, weil das Elterngeld
insgesamt sehr dynamisch ist. Wie Sie aus dem Haushalt
wissen, sind die Mittel für das Elterngeld mittlerweile
auf insgesamt 5 Milliarden Euro angestiegen. Es waren
damals ungefähr 3 Milliarden Euro geplant. Diese Ent-
wicklung hat sich ergeben, weil die Löhne steigen und
damit auch das Elterngeld steigt und weil immer mehr
Männer Elterngeld beanspruchen und deren gute Gehäl-
ter zu Buche schlagen. Ich denke, das Gesamtpaket ist
für Mehrlingseltern eine gute Lösung, weil sie weiterhin
das bekommen, worauf sie auch bisher einen Anspruch
hatten. Wir müssen aber zusehen, dass das Elterngeld
uns finanziell nicht ganz um die Ohren fliegt.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803805100

Der Kollege Marcus Weinberg hat heute erstens Ge-

burtstag und zweitens beschlossen, ihn mit uns zu ver-
bringen. Herzlichen Glückwunsch!


(Beifall)


Er hat jetzt eine Frage an die Frau Bundesministerin. –
Bitte.


Marcus Weinberg (CDU):
Rede ID: ID1803805200

Vielen Dank, Herr Präsident. – Es ist mir natürlich

eine große Ehre, mit Ihnen meinen Geburtstag zu ver-
bringen. Ich greife das auf, was die Ministerin gesagt
hat, dass nämlich immer mehr junge Väter mehr Zeit mit
den Kindern verbringen wollen. Insoweit bedeutet diese
Flexibilisierung eine neue Epoche, um Arbeitszeit, Er-
werbstätigkeit und Familienzeit zusammenzubringen.
Deswegen begrüßen wir ausdrücklich, dass dies heute
im Kabinett verabschiedet wurde. Es ist mehr als nur
das, was im Koalitionsvertrag steht: Es ist tatsächlich
eine neue Epoche.

Es gab aber Kritik der Arbeitgeber, die gesagt haben,
dass die neuen Möglichkeiten, gerade die flexiblere El-
ternzeit, zu Problemen führen würden. Können Sie ein-
mal skizzieren, wie Sie mit der Kritik der Arbeitgeber
und der Verbände umgegangen sind?

Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Das kann ich gerne tun. Vorweg auch von mir herzli-
chen Glückwunsch und vor allem Zeit für die Familie,
möglichst heute noch an Ihrem Geburtstag.

Es gibt die Kritik der Arbeitgeber, die sagen: Wenn
die Eltern ohne unsere Zustimmung in Elternzeit gehen
können, dann ist es für uns schwieriger; die Flexibilisie-
rung sehen wir kritisch. – Aus deren Sicht kann man dies
so sehen. Aber am Ende mussten wir uns entscheiden. In
der gemeinsamen Abwägung, die sich auch schon im
Koalitionsvertrag findet, haben wir gesagt: Wir wollen
die Familien stark machen. Wir wollen damit deutlich
machen, dass die Eltern auf Elternzeit Anspruch haben.
Es ist eine wichtige Schonzeit für die Familien, es ist
eine wichtige Zeit für die Paare, um in der Partnerschaft
zusammenzukommen.

Wir sind den Arbeitgebern insoweit entgegengekom-
men, als wir die Frist für die Anmeldung der Elternzeit
von 8 auf 13 Wochen erhöhen, sodass die Arbeitgeber
mehr Planungssicherheit haben. So sind wir den Arbeit-
gebern entgegengekommen, aber setzen das klare Zei-
chen: Familien haben Vorfahrt. Das ist ein wichtiges
Zeichen; denn wir können nicht nur in unseren Sonn-
tagsreden sagen: „Die Familien sind wichtig“, sondern
müssen dann, wenn es zum Schwur kommt, auch so han-
deln. Ich denke, das ist jetzt ein guter Kompromiss.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803805300

Als Nächster hat der Kollege Rix, SPD-Fraktion, das

Wort.


Sönke Rix (SPD):
Rede ID: ID1803805400

Herzlichen Dank. – Frau Ministerin, schon in den ers-

ten Medienberichten zu dem Gesetzentwurf ist eine posi-
tive Resonanz zu erkennen. Das hätte sich manch ande-
rer an dieser Stelle eines Gesetzgebungsverfahrens auch
gewünscht. Herzlichen Dank für die Vorlage, die das Ka-
binett jetzt dem Bundesrat und dem Bundestag zuleitet.
Das ist ein erster wichtiger Schritt beim gesamten
Thema Familienarbeitszeit. Ich finde, das ist unserer Ko-
alition und Ihrem Hause besonders gut gelungen.

Ich möchte eine Nachfrage stellen. Wir beschäftigen
uns immer mit dem Thema „Teilzeit und Vollzeit“, das
natürlich auch bei der Elternzeit eine Rolle spielt. Wel-
che Möglichkeiten haben Eltern beim ElterngeldPlus, in
Teilzeit zu gehen, und können sie wieder in Vollzeit ge-
hen? Welche gesetzlichen Regelungen sind dort geplant?

Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Schon heute haben die Eltern die Möglichkeit, in Teil-
zeit zu gehen. Wenn Eltern das in der Elterngeldzeit tun,
dann werden sie zurzeit benachteiligt. Ich habe aktuell
eine E-Mail von einer jungen Frau auf dem Tisch, die
beschreibt, dass sie aus beruflichen Gründen gerne wäh-
rend der Elterngeldzeit in Teilzeit arbeiten will, weil ihr





Bundesministerin Manuela Schwesig


(A) (C)



(D)(B)

das in ihrem Job langfristig eine bessere Perspektive
gebe. Sie beschreibt aber, dass es sich für sie gar nicht
lohnt, weil der Elterngeldanspruch sonst verfällt. Wir
wollen mit dem ElterngeldPlus die Teilzeitarbeit unter-
stützen.

Nach meiner Einschätzung geht es nicht nur um eine
finanzielle Unterstützung, sondern auch um eine Wert-
schätzung. In der Vergangenheit wurde Teilzeitarbeit
viel zu häufig abgewertet. Ich finde es richtig, dass
Eltern die Möglichkeit haben, in bestimmten Lebens-
phasen, zum Beispiel wenn sie kleine Kinder haben, die
Arbeitszeit zu reduzieren – man könnte auch bei der
Pflege darüber nachdenken –, ohne große Nachteile zu
haben, ohne auf das Abstellgleis zu geraten, auch ohne
finanzielle Nachteile zu erleiden.

Wir helfen mit dem ElterngeldPlus und erhoffen uns
von den Partnerschaftsmonaten, dass sich Paare dadurch
auf die Diskussion einlassen – viele tun es jetzt schon –:
Wie können wir die Zeit für die Arbeit und die Zeit für
die Familie aufteilen? – Richtig gut flankiert wird diese
Idee, wenn das Recht auf Rückkehr von Teilzeit in Voll-
zeit kommt, damit Teilzeit keine dauerhafte Sackgasse
ist. Deshalb freue ich mich sehr, dass meine Kollegin
Arbeitsministerin Nahles nach ihren anderen Mammut-
projekten ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren
angeht. Wir brauchen ein Recht auf Rückkehr von Teil-
zeit in Vollzeit. Teilzeit darf keine Sackgasse sein.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803805500

Als nächster Fragestellerin erteile ich Frau Kollegin

Crone, SPD-Fraktion, das Wort.


Petra Crone (SPD):
Rede ID: ID1803805600

Ich freue mich auch, dass dieses neue Gesetz bald das

Licht der Welt erblickt. Es ist bestimmt sehr schön, aller-
dings manchmal auch ein bisschen kompliziert. Deswe-
gen habe auch ich eine Nachfrage: Wie wirkt sich das für
Selbstständige aus? Wie profitieren sie davon?

Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Vielen Dank. – Es ist einzuräumen, dass das Eltern-
geld und das ElterngeldPlus kompliziert wirken. Das
liegt meines Erachtens aber auch daran, dass die Lebens-
situation in jeder Familie unterschiedlich ist. Das Gute
ist, dass wir hier nicht eine Einheitslösung für die Fami-
lien vorgeben, sondern zukünftig die Familien – ob al-
leinerziehend, ob in Partnerschaft – ihrer Lebenssitua-
tion entsprechend auf den Baukasten „Elterngeld,
Partnerschaftsmonate, ElterngeldPlus“ zurückgreifen kön-
nen, so wie es zu ihrer Lebenswelt passt. Das ist für
Selbstständige unheimlich wichtig.

Selbstständige profitieren genauso wie Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer vom ElterngeldPlus und
vielleicht noch einen Tick mehr, weil es gerade die
Selbstständigen, die Kleinunternehmerinnen und -unter-
nehmer sind, die sich oft nicht eine Auszeit von zwölf
plus zwei Monaten leisten können, sondern sagen: Ich
muss mich spätestens nach sechs Monaten in meiner
Firma sehen lassen. – Mit dem ElterngeldPlus werden
sie jetzt viel besser unterstützt. Insofern freue ich mich,
dass gerade das Unternehmertum, dass die Selbstständi-
gen und die Soloselbstständigen – das hilft vor allem
auch den Frauen – mit dem ElterngeldPlus und den Part-
nerschaftsmonaten eine besondere Unterstützung erhal-
ten.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803805700

Nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Kömpel,

SPD-Fraktion.


Birgit Kömpel (SPD):
Rede ID: ID1803805800

Vielen Dank. – Zunächst möchte ich erwähnen, dass

ich es fast bedauere, dass ich vor 16 Jahren bzw. 11 Jah-
ren meine Kinder bekommen habe, weil ich glaube, dass
es die Eltern heutzutage durch die entsprechenden Ange-
bote sehr viel leichter haben.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie das mit der Auf-
gabenverteilung zu Hause war: Es war selbstverständ-
lich, dass ich als Frau sowohl als Selbstständige gearbei-
tet als auch alle anderen Pflichten mit übernommen
habe. Meine Frage an Sie, sehr verehrte Frau Ministerin:
Wie wollen Sie dafür sorgen, dass die Aufgaben wirklich
partnerschaftlich geteilt werden?

Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Man kann sich nicht wirklich in die Diskussion der
Paare einmischen; die muss jedes Paar für sich führen.
Aber das Gute ist: Die jungen Väter von heute sind
schon viel weiter. Jeder zweite Vater sagt: Ich möchte
meine Arbeitszeit reduzieren, weil ich mehr für meine
Familie da sein möchte. – Jede zweite Mutter sagt: Ich
möchte wieder früh in meinen Job einsteigen, aber bitte
nicht in einen Minijob, mit dem ich keine Perspektive
habe, sondern mit einer guten Perspektive, was die Stun-
den angeht.

Eine Frau hat nur dann die Möglichkeit, wieder gut in
ihren Job einzusteigen, wenn sie in der Partnerschaft Un-
terstützung durch den Mann hat. Eine erste Idee, die
Partnerschaftlichkeit zu unterstützen, wurde in den frü-
heren Regelungen zum Elterngeld durch die Partnermo-
nate verwirklicht.

Mit dem Partnerschaftsbonus machen wir nun einen
viel größeren Schritt. Wir fördern damit die parallele Er-
werbstätigkeit und die parallele Zeit für Kinder. Wir ge-
ben deswegen den angesprochenen Stundenkorridor vor.
Wir wollen keine feste Stundenzahl vorschreiben, wir
wollen nur dafür sorgen, dass die Stundenzahl eine Höhe
erreicht, die wirtschaftlich trägt, möglichst für beide, für
die Frau und den Mann.

Wir erhoffen uns von diesem Anreiz, dass sich die
Paare, die ein solches Modell wollen, dafür entscheiden
und dass vielleicht auch andere Paare sich entsprechende
Gedanken machen. Ich glaube nicht, dass es ein fami-
lienpolitisches Instrument gibt, das den Familien alleine
helfen kann. Es geht immer um einen Mix aus Zeit, In-
frastruktur und Geld.





Bundesministerin Manuela Schwesig


(A) (C)



(D)(B)

Hinter jedem familienpolitischen Instrument sollte
aber eine Botschaft stehen. Die Botschaft des Eltern-
geldPlus mit den Partnerschaftsmonaten ist: Wir wollen,
dass ihr Job und Familie vereinbaren könnt und dass ihr
es in guter Partnerschaft tut. – Die Partnerschaft zwi-
schen den Geschlechtern stellt auch eine wichtige
gleichstellungspolitische Komponente dar.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803805900

Nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Dr. Schlegel,

SPD-Fraktion.


Dr. Dorothee Schlegel (SPD):
Rede ID: ID1803806000

Herr Präsident, herzlichen Dank. – Frau Ministerin,

ich habe zu diesem Geburtstagsgeschenk, das Sie uns
bzw. den Vätern und Müttern machen, noch eine Frage
zur Statistik: Wie viele Eltern bzw. wie viele Alleinerzie-
hende werden dieses Angebot wohl annehmen? – Danke
schön.

Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Es gibt derzeit 45 000 Elterngeldbezieher, die schon
während der Elterngeldzeit in Teilzeit arbeiten und da-
durch den angesprochenen Nachteil haben. Es gibt der-
zeit 500 Paare, die sich das partnerschaftlich teilen. Das
stärkste Beispiel ist, wenn Mutter und Vater jeweils sie-
ben Monate parallel Elternzeit nehmen. Dann ist aber
nach sieben Monaten Schluss mit der finanziellen Unter-
stützung in Form von Elterngeld. Mit dem Elterngeld-
Plus können sie die Dauer auf 14 Monate erhöhen.

Bei den Berechnungen für das ElterngeldPlus gehen
wir von der Basis aus, dass sich künftig mindestens
7 000 Paare für die Partnerschaftsmonate, die partner-
schaftliche Aufteilung, entscheiden. Wir werden sehen,
wie sich das tatsächlich entwickelt. Das hängt ja auch
von den flankierenden Maßnahmen ab, zum Beispiel
vom Recht einer Rückkehr in Vollzeit nach Teilzeit.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803806100

Als nächster Fragestellerin erteile ich das Wort Frau

Kollegin Dr. Brantner, Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Danke schön. – Die Elternzeit endet ja, wenn das
Kind das achte Lebensjahr erreicht. Ich möchte gerne
wissen, aus welchem Grund Sie sich entschieden haben,
die Grenze beim achten Lebensjahr zu ziehen. Der Ge-
setzentwurf geht auf den Achten Familienbericht zurück,
in dem vorgeschlagen wird, die Altersgrenze bei 14 Jah-
ren zu ziehen. Manche gehen sogar weiter und sprechen
sich für eine Grenze bei 18 Jahren aus.

Wir wissen, dass zum Bespiel der Übergang in die
weiterführende Schule für manche Kinder eine schwie-
rige Lebensphase ist, in der die Eltern eigentlich gern
Zeit hätten. Von daher die Frage an Sie: Warum bis zum
achten Lebensjahr?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Bis zum 14. Lebensjahr wäre wünschenswert. Wir ha-
ben schon in den Koalitionsverhandlungen darüber bera-
ten. Wir verlängern aber nicht nur den Zeitraum, in dem
Elterngeld bezogen werden kann, bis zum achten Le-
bensjahr. Jetzt ist es so, dass am Anfang zwei Jahre
Elternzeit genommen werden müssen und nur ein Jahr
nach hinten hinaus verlagert werden kann. Mit der vor-
gesehenen flexiblen Elternzeit sorgen wir dafür, dass
zwei Jahre nach hinten hinaus verlagert werden können.
Es wäre natürlich wünschenswert, wenn dieser Zeitraum
bis zum 14. Lebensjahr verlängert würde.

Wir unternehmen jetzt einen ersten wichtigen Schritt
zur Flexibilisierung der Elternzeit. Um das für die Ar-
beitswelt handhabbar zu gestalten, haben wir uns ent-
schieden, zunächst die Möglichkeit zu schaffen, dass
zwei Jahre Elternzeit aufgespart und bis zum achten Le-
bensjahr des Kindes genommen werden können. Damit
müssen Erfahrungen gesammelt werden. Alles andere
hätte aus Sicht der Arbeitgeber sehr viel Planungsunsi-
cherheit mit sich gebracht. Das ist ein Kompromiss, den
wir in den Verhandlungen gefunden haben. Ich finde es
wichtig, dass zumindest die Einschulungszeit berück-
sichtigt wird.

Wir werden das ElterngeldPlus und die Partner-
schaftsmonate evaluieren. Wir werden Erfahrungen mit
der Elternzeit sammeln. Ich bin gespannt, wie viele
Paare von diesem Angebot Gebrauch machen werden.
Ich persönlich glaube nicht, dass die Arbeitgeber besorgt
sein müssen. Nach meiner Einschätzung werden infolge
dieser Flexibilisierung viele sagen: Ich will früh in den
Beruf zurückkehren – die meisten wollen nach einem
Jahr wieder in den Job einsteigen, meistens nicht in Voll-
zeit, sondern mit einer vollzeitnahen Teilzeit –; ich habe
aber die Sicherheit, dass ich, wenn es aus irgendeinem
Grund nicht klappt, wenn es meinem Kind dabei nicht
gut geht oder es Probleme bei der Einschulung gibt,
noch einmal Elternzeit in Anspruch nehmen kann. – Wir
werden sehen, wie viele davon Gebrauch machen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803806200

Die nächste Frage kommt von der Frau Kollegin

Dörner, Bündnis 90/Die Grünen.


Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803806300

Vielen Dank, Frau Ministerin, für Ihre Ausführungen.

Ich denke, wir sind uns alle einig, dass Sie mit der El-
terngeldreform, die jetzt ansteht, eine Gerechtigkeitslü-
cke schließen, was das Teilelterngeld angeht. Eine an-
dere Gerechtigkeitslücke bleibt aber aus Sicht der
Fraktion der Grünen ganz klar bestehen. Sie besteht da-
rin, dass Familien mit einem sehr geringen Einkommen,
die ALG II beziehen, von dieser Reform gar nicht profi-
tieren, weil bekanntermaßen das Elterngeld – das gilt
auch für alle Reformschritte, die jetzt anstehen – weiter-
hin beim Regelsatz angerechnet wird. Das ist aus unserer
Sicht eine weitere Gerechtigkeitslücke, die man drin-
gend schließen sollte. Die Kolleginnen und Kollegen
von der SPD waren in der letzten Legislaturperiode völ-
lig einer Meinung mit uns, dass das unbedingt angepackt





Katja Dörner


(A) (C)



(D)(B)

werden sollte. Insofern meine Frage an Sie: Haben Sie
das ins Kabinett eingebracht? Gedenken Sie, sich für die
Gleichstellung der Eltern, die ein geringes Einkommen
beziehen, an dieser Stelle einzusetzen?

Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Es ist wichtig, dass Eltern, die ein geringes Einkom-
men haben, durch das Elterngeld unterstützt werden. Das
gilt zum Beispiel für Studierende, die neben dem BAföG
300 Euro Elterngeld bekommen. Es ist so, wie Sie es sa-
gen: Wenn Eltern arbeitslos sind, dann können sie
300 Euro Elterngeld beziehen; aber spätestens, wenn sie
Arbeitslosengeld II beziehen, wird es angerechnet. Das
wird kritisch gesehen. Wir haben darüber schon in den
Koalitionsverhandlungen beraten. Wir haben uns aber
nicht darauf geeinigt, Eltern, die ALG II beziehen, das
Elterngeld wieder anrechnungsfrei zu zahlen.

Ich finde aber, die größere Gerechtigkeitslücke be-
steht darin, dass diese Eltern vor der Geburt ihres Kindes
offensichtlich keine Arbeitsmarktperspektive hatten.
Ziel muss es sein, diesen Eltern eine Arbeitsmarktper-
spektive zu bieten, damit die dauerhafte Ungerechtig-
keit, die weit über den Elterngeldbezug hinausgeht, ge-
schlossen wird.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803806400

Als nächster Fragestellerin gebe ich das Wort Frau

Kollegin Schulte, SPD-Fraktion.


Ursula Schulte (SPD):
Rede ID: ID1803806500

Danke, Herr Präsident. – Die Ministerin hat die Vor-

teile des ElterngeldPlus für die Familien schon gut erläu-
tert. Ich möchte Sie gerne fragen, welche Vorteile die
Arbeitgeber vom ElterngeldPlus haben. Die zweite
Frage lautet – –


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803806600

Nur eine Frage. Es gibt noch ein paar andere, die Fra-

gen stellen wollen. Deswegen bitte immer nur eine
Frage.


Ursula Schulte (SPD):
Rede ID: ID1803806700

Gut, okay. Entschuldigung.

Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Die Arbeitgeber haben aus meiner Sicht immer Vor-
teile, wenn die Familien gestärkt werden; denn in den
Familien sind Frauen und Männer, die als Fachkräfte in
der Arbeitswelt gebraucht werden. Unternehmen be-
schweren sich über den Fachkräftemangel. Insbesondere
den Frauen werden in der Arbeitswelt noch nicht die
Chancen angeboten, die sie verdient haben und die un-
sere Unternehmen eigentlich nutzen müssten. Deshalb
ist es gut, dass mit dem ElterngeldPlus der Wiederein-
stieg in das Arbeitsleben, insbesondere von Frauen, un-
terstützt wird.

Das haben auch die Arbeitgeber erkannt. Sie unter-
stützen das ElterngeldPlus mit den Partnerschaftsmona-
ten. Vereinzelte Stimmen, zum Beispiel die des DIHK-
Chefs Schweitzer, unterstützen die Idee der Familienar-
beitszeit, weil man erkannt hat, dass wir die Frauen auch
dadurch unterstützen, dass auch die Männer Zeit für Fa-
milie haben; denn dadurch haben die Frauen viel bessere
Arbeitsmarktperspektiven. Das ist für die Frauen gut,
weil sie für ihr Einkommen und für ihre Rente Jobs
brauchen, die gut bezahlt werden; aber es ist natürlich
auch aus Sicht der Arbeitgeber für die Bekämpfung des
Fachkräftemangels gut. Deshalb glaube ich, dass sich
auch die Arbeitgeber mit der flexiblen Elternzeit an-
freunden können.

Wichtig ist, dass in Deutschland beides geht, Familie
und Job, und dass es nicht immer ein Gegeneinander ist.
Dieses Gegeneinander, dass sich eine Frau zwischen Job
und Kindern entscheiden muss – dies betrifft vor allem
junge Frauen –, passt nicht in das 21. Jahrhundert.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803806800

Als nächste Fragestellerin hat sich Frau Kollegin

Yüksel, SPD-Fraktion, gemeldet.


Gülistan Yüksel (SPD):
Rede ID: ID1803806900

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sie haben eben kon-

kret das ElterngeldPlus genannt. Ich würde Sie bitten,
noch einmal konkret auf die Änderungen bei Mehrlings-
geburten einzugehen; denn darüber haben wir heute,
glaube ich, noch nicht viel gehört. – Danke.

Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Streng genommen gibt es im Gesetz keine Änderung
hinsichtlich der Mehrlingsgeburten, sondern eine Klar-
stellung. Als das Elterngeld eingeführt worden ist, hat
man sich für die Mehrlingsgeburten überlegt, neben dem
Elterngeld – die Eltern haben einen Anspruch auf Eltern-
geld für die Dauer von zwölf plus zwei Monaten – einen
Mehrlingsbonus von 300 Euro pro Kind zu zahlen. Man
hat sich damals entschieden, dieses Geld zur Verfügung
zu stellen, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die
finanziellen Aufwendungen natürlich höher sind, wenn es
zum Beispiel zwei Kinder sind. Das fängt ganz schlicht
beim Windelkauf an. Jeder, der ein Kind hat, weiß, wie
viel das kostet. Diese 300 Euro gibt es weiterhin.

Das Sozialgericht hat geurteilt, dass die Frage, ob
diese Eltern für zwei Kinder einmalig oder zweimalig
zwölf plus zwei Monate Elterngeld beziehen können, im
Gesetz nicht klar geregelt ist. Das Gericht sagt: Weil es
nicht klar ist, bekommen die Eltern beides, doppeltes El-
terngeld und den Mehrlingsbonus von 300 Euro. Wir
schaffen an dieser Stelle eine gesetzliche Klarstellung
und machen das Gesetz korrekter. Für die Mehrlingsel-
tern wird es weiterhin diese 300 Euro geben.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803807000

Als nächste Fragestellerin hat Frau Kollegin Pantel,

CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


Sylvia Pantel (CDU):
Rede ID: ID1803807100

Sehr geehrte Frau Ministerin, dass das eine große Ver-

besserung für die Familien ist, ist, glaube ich, unbestrit-





Sylvia Pantel


(A) (C)



(D)(B)

ten, egal ob es der Partnerschaftsbonus ist, ob es die fle-
xibler gestaltete Wiedereingliederung ist oder eben auch
die Verbesserung der finanziellen Lage der Familien.
Wann haben Sie vor, uns vorzustellen, wie was von den
Familien angenommen wurde? Gibt es da schon einen
festen Zeitplan? Wann, glauben Sie, können Sie uns die
ersten Ergebnisse berichten?

Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Ich würde mich freuen, wenn das parlamentarische
Verfahren es ermöglicht, dass das Parlament das Gesetz
zum 1. Januar 2015 verabschiedet, sodass das Eltern-
geldPlus und die Partnerschaftsmonate für alle Geburten
ab 1. Juli 2015 gelten können. Die Änderungen müssen
vor Ort noch umgesetzt werden. Die Elterngeldstellen,
die sich in den Ländern befinden, müssen das natürlich
ordentlich umsetzen und die Paare gut beraten können.
Diese tolle Flexibilität, die es dadurch gibt, bedeutet na-
türlich gleichzeitig, dass man Paare darüber gut beraten
können muss. Dafür braucht man Zeit. Als ehemalige
Landesministerin weiß ich, dass man für die Umsetzung
einen Zeitpuffer braucht. Das Gesetz könnte dann ab
1. Juli 2015 zu wirken beginnen. Wir haben geplant,
2017 mit der Evaluation zu beginnen, weil wir natürlich
ein Stück Strecke brauchen, um zu schauen, wie es
wirkt. Wir können dann in 2017 erste Evaluationsergeb-
nisse vorlegen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803807200

Kollege Wunderlich hat noch eine Frage.


Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803807300

25 bis 30 Wochenarbeitsstunden sind völlig utopisch,

sagt auch der VAMV. Bei Alleinerziehenden funktioniert
das gar nicht.

Aber davon einmal abgesehen: Warum sollen denn
Alleinerziehende, die mit dem Kindesvater das gemein-
same Sorgerecht haben, von den Partnermonaten, vom
ElterngeldPlus ausgenommen werden? Es läuft doch ge-
rade den Sorgerechtsregelungen, für die wir in der letz-
ten Legislaturperiode gekämpft haben, nämlich dem
Sorgerecht bzw. der Sorgepflicht für beide Eltern, zuwi-
der, wenn alleinerziehende Mütter oder Väter oder
Paare, die nicht verheiratet sind und zusammenleben,
letztlich vor die Alternative gestellt werden: entweder
ElterngeldPlus und Bonus oder gemeinsames Sorgerecht
in alleiniges Sorgerecht ändern. Man muss sich entschei-
den zwischen dem gemeinsamen Sorgerecht für das ge-
meinsame Kind oder für die Partnermonate. Das kann
doch nicht der Sinn sein. Ich denke, darüber müssen wir
im Rahmen der Gesetzgebung dringend reden. Ich
denke, da ist wirklich Änderungsbedarf angesagt. Oder
sehen Sie das anders?

Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Ich bin mir gerade nicht sicher, ob ich das, was Sie sa-
gen, richtig verstanden habe. Ich verstehe den Punkt, den
Sie ansprechen, nicht.

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Alleiniges Sorgerecht!)


– Ja, in Bezug auf Alleinerziehende verstehe ich das
schon. Es ist doch jetzt so: Bei einem gemeinsamen Sor-
gerecht müsste es in unserem Interesse sein, dass sich
zum Beispiel auch die Väter an der Elternzeit beteiligen;
das ist bei einem gemeinsamen Sorgerecht ja nicht
grundsätzlich ausgeschlossen.

Jetzt komme ich zu den Alleinerziehenden, bei denen
das gemeinsame Sorgerecht – ich sage es einmal salopp –
eher auf dem Papier steht, in der Realität aber nicht prak-
tiziert wird, weil die Frau doch ganz alleine mit dem
Kind ist. Über diese Fälle haben wir gesprochen, auch
mit dem Verband. Da muss man sich aber fragen: Wel-
che praktische Lösung gibt es? Wir können ja nicht die
Elterngeldstellen beauftragen, das zu überprüfen; das
wäre ein bisschen schwierig. In dem Fall, in dem eine
Alleinerziehende das alleinige Sorgerecht hat, sie also
definitiv alleine für das Kind verantwortlich ist, kann sie
zusätzlich zu den Regelungen, von denen sie Gebrauch
machen kann – oder er; es gibt ja auch alleinerziehende
Männer mit alleinigem Sorgerecht –, die vollen Partner-
schaftsmonate und Boni bekommen.

Was die Wochenstunden anbetrifft, würde ich Ihnen
gerne mitgeben: Es muss unser Interesse sein, dass Al-
leinerziehende wenigstens durch die genannte Zahl von
Wochenstunden abgesichert sind. Dass das in der Reali-
tät oft nicht der Fall ist, weil es keine adäquate Kinder-
betreuung gibt, ist ein zusätzliches Problem. Deswegen
ist es wichtig, dass wir auch bei diesem Thema voran-
kommen.

Ich wundere mich über Ihre Aussage, weil ich weiß,
dass gerade Sie – völlig zu Recht – kritisieren, dass es
nicht sein kann, dass viele betroffene Frauen nur wenige
Wochenstunden arbeiten und daher keine gute existen-
zielle Absicherung haben. Der Korridor von 25 bis
30 Stunden soll dazu führen, dass man nicht sagt: „Na
gut, wenn die Frau noch zehn Stunden Teilzeit macht,
dann ist die Welt ja wieder in Ordnung“; er soll dazu bei-
tragen, dass die Frau eine höhere Stundenzahl bekommt.
Es ist so, wie Sie sagen: Das ist eine Sache, die wir im
parlamentarischen Verfahren gerne noch vertiefen kön-
nen. Ich wollte nur berichten, warum der Korridor zu-
stande gekommen ist, nämlich deshalb, weil es auch um
die wirtschaftliche Existenz geht.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Es muss insbesondere über das Sorgerecht geredet werden! Sonst gibt es ja auch da eine Prüfung – von wem auch immer!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803807400

Gibt es noch weitere Fragen zum Thema der heutigen

Kabinettssitzung? – Das ist nicht der Fall. Gibt es andere
Fragen an die Bundesregierung? – Das ist nicht der Fall.
Dann beende ich die Regierungsbefragung.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Fragestunde

Drucksache 18/1589





Vizepräsident Peter Hintze


(A) (C)



(D)(B)

Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Auswär-
tigen Amtes. Die Fragen 1 und 2 der Abgeordneten
Sevim Dağdelen und die Fragen 3 und 4 der Abgeordne-
ten Agnieszka Brugger werden schriftlich beantwortet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Professor Dr. Günter
Krings bereit.

Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Andrej Hunko
auf:

Welche Antworten bzw. sonstigen Hinweise kann die Bun-
desregierung ein Jahr nach den Enthüllungen des Whistle-
blowers Edward Snowden zur weltweiten Spionagepraxis von
US-Behörden über die erhoffte „zeitnahe Beantwortung“ auf
die zahlreichen „übermittelten Fragenkataloge“ mitteilen

(Plenarprotokoll 18/25; sofern noch keine US-Angaben mitgeteilt werden können, bitte auch darlegen, auf welche Weise die Bundesregierung überhaupt auf eine Beantwortung drängt und, wie vom Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Dr. Ole Schröder, Anfang April 2014 bekräftigt, sie entsprechenden Druck ausübt)

bzw. in welchem Umfang hat die Bundesregierung mittler-
weile zwar Antworten erhalten oder Erkenntnisse gewonnen,
sich allerdings dagegen entschieden, diese „dann auch dem
Parlament öffentlich bekannt geben (zu) können“ (ebenda)?

Herr Staatssekretär, bitte.

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1803807500


Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Hunko,
das Bundesministerium des Innern hat mit Schreiben
vom 11. Juni, mit Schreiben vom 26. August und mit
Schreiben vom 24. Oktober 2013 Fragen an die Bot-
schaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Berlin ge-
richtet. Auf keines dieser Schreiben – wie in den Me-
dien, glaube ich, schon bekannt geworden ist – liegt
bisher eine entsprechende Antwort vor.

Die Botschaft des Vereinigten Königreichs von Groß-
britannien und Nordirland in Berlin wurde mit Schreiben
des Bundesministeriums des Innern vom 24. Juni 2013
um Beantwortung eines Fragenkatalogs gebeten. Sie ant-
wortete am gleichen Tag, dass die britische Regierung
grundsätzlich zu nachrichtendienstlichen Angelegenhei-
ten nicht öffentlich Stellung nehme; derartige Gespräche
seien der Ebene der Nachrichtendienste vorbehalten.

Weitere Fragen wurden der britischen Botschaft mit
Schreiben vom 5. November 2013 gestellt. Darauf
wurde am 7. November, zwei Tage später, geantwortet;
es wurde für die weitere Sachverhaltsaufklärung erneut
auf die Ebene der Nachrichtendienste verwiesen.

Die damalige Bundesministerin der Justiz, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, hat sich bereits kurz nach
dem Bekanntwerden der Vorgänge mit Schreiben vom
12. Juni 2013 an US-Justizminister Eric Holder gewandt
und ihn darum gebeten, die Rechtsgrundlage für Prism
und seine Anwendung zu erläutern. Sie hat US-Justiz-
minister Holder mit Schreiben vom 24. Oktober 2013 an
die gestellten Fragen erinnert. Eine Antwort des US-Jus-
tizministeriums an das deutsche Justizministerium liegt
nach unserem Wissen bisher nicht vor.
Mit Schreiben vom 24. Juni 2013 hat die damalige
Bundesministerin der Justiz ebenfalls kurz nach dem
Bekanntwerden der entsprechenden Vorgänge, den briti-
schen Justizminister Christopher Grayling und die briti-
sche Innenministerin Theresa May gebeten, die Rechts-
grundlage für Tempora und dessen Anwendungspraxis
zu erläutern. Der britische Justizminister hat auf das
Schreiben der damaligen Bundesministerin der Justiz
mit seinem Schreiben vom 2. Juli 2013 geantwortet. Da-
rin erläutert er die rechtlichen Grundlagen für die Tätig-
keit der britischen Nachrichtendienste und für deren
Kontrolle.

Vertreter der Bundesregierung haben sich in zahlrei-
chen Gesprächen mit Vertretern der amerikanischen und
der britischen Regierung für eine zeitnahe Beantwortung
der übermittelten Fragenkataloge eingesetzt und im Rah-
men dieser Gespräche auch Sachverhalte erörtert, die
Gegenstand der Fragenkataloge waren. Im Übrigen wird
darauf hingewiesen, dass sich die Fragestellungen mit
der Aufklärungsarbeit des 1. Untersuchungsausschusses
der 18. Wahlperiode, die von der Bundesregierung unter-
stützt wird, überschneiden.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803807600

Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege Hunko?


Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803807700

Ja. – Vielen Dank, Herr Dr. Krings. Morgen ist,

glaube ich, der Jahrestag der Snowden-Enthüllungen. Es
gab, wie Sie gerade erwähnt haben, eine Reihe von
Schreiben der Bundesregierung an die USA, die offen-
bar alle, wenn ich Sie richtig verstanden habe, nicht be-
antwortet worden sind. Meine Frage ist: Sind Sie der
Meinung, dass hier mit genug Nachdruck vorgegangen
wurde, oder welche Mittel sehen Sie, noch zu einer Ant-
wort zu kommen? Oder sind Sie der Meinung, dass es
bei dieser Nichtbeantwortung bleiben wird? Dann
müsste man ja sagen, dass es keine Antwort geben wird,
und das entsprechend kommunizieren.

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1803807800


Herr Abgeordneter, ich teile die Feststellung – das
habe ich ja im Prinzip detailliert, wie es gewünscht war,
aufgelistet –: Es gab Schreiben, die seitens der Amerika-
ner unbeantwortet geblieben sind. Von daher habe ich
bereits in einer Bundestagsrede vor einigen Monaten ge-
sagt, dass das Antwortverhalten der Amerikaner im Hin-
blick auf diese konkreten Fragen absolut unbefriedigend
ist; das ist offensichtlich. Die Briten haben geantwortet,
allerdings nur in formaler Hinsicht und auf den Verweis
auf die nachrichtendienstlichen Verbindungslinien und
Gesprächskanäle beschränkt. Insofern sind die Antwor-
ten auf diese konkreten Fragestellungen in der Tat unbe-
friedigend.

Es gibt keine völkerrechtlichen Zwangsmittel, die da
in Betracht kommen. Es gibt allerdings durchaus Ge-
spräche zwischen den Nachrichtendiensten, auch zwi-
schen den Regierungen. Der Bundesinnenminister war
erst kürzlich in den Vereinigten Staaten. Über die The-





Parl. Staatssekretär Dr. Günter Krings


(A) (C)



(D)(B)

men wird also gesprochen, übrigens – das kann ich bei
dieser Gelegenheit feststellen – eher in den USA als in
Großbritannien, wenn Sie mir diese persönliche Ein-
schätzung gestatten. Die Kritik aus Deutschland – sei-
tens der Bundesregierung, aber auch aus anderen Krei-
sen in Deutschland – hat durchaus Widerhall gefunden.
Es gab sehr konkrete Ankündigungen des amerikani-
schen Präsidenten, die natürlich noch nicht im Einzelnen
umgesetzt sind, dass sich Dinge verändern werden, auch
im Hinblick auf den Schutz nichtamerikanischer Staats-
bürger vor entsprechenden Aktivitäten. Es gibt insofern
schon Widerhall, aber eben keine Beantwortung der kon-
kreten Fragestellungen; dafür fehlen uns in der Tat denk-
bare Zwangsmittel.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803807900

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage, Herr Hunko? –

Bitte.


Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803808000

Noch einmal die konkrete Frage: Rechnen Sie noch

mit einer Beantwortung, oder rechnen Sie nicht mehr mit
einer Beantwortung der Fragen?

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1803808100


Ich rechne nicht mit einer Beantwortung der konkre-
ten Schreiben. Ich rechne aber damit – und bin da sogar
sehr zuversichtlich –, dass wir über die Themen, die dort
angesprochen werden, weiter im Gespräch bleiben und
es dort auch weitere Reaktionen geben wird und auch
Veränderungen erfolgen werden.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803808200

Eine Frage dazu vom Kollegen Ströbele, Bündnis 90/

Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Danke, Herr Staatssekretär. Da bin ich gerade noch
rechtzeitig gekommen.

Ich erinnere mich an den letzten Sommer ganz gut:
Da waren in der Tat sowohl Minister als auch die Chefs
der Dienste in den USA. Sie kamen wieder und haben
gesagt: Die Fragen, die die Bundesregierung schriftlich
an die US-Regierung gestellt hat, werden – so hieß es
erst – innerhalb von sechs Wochen beantwortet, weil zu-
vor noch einige Dokumente heruntergestuft werden
müssen. Dann waren sie wieder da, und als sie zurückka-
men, wurde gesagt: Das dauert noch ein bisschen. Der
Termin für die Beantwortung wurde dreimal verschoben.
Der Endtermin, den ich mitbekommen habe, war Mitte
Dezember 2013, also kurz vor Weihnachten. Das war
dann aber auch nicht der Fall.

Herr de Maizière war jetzt dort zu Besuch, was sicher
richtig und wichtig war. Hat er bei dieser Gelegenheit et-
was dazu gesagt? Hat er gefragt, warum sie ihre festen
Versprechen nicht einhalten? Oder waren das keine Ver-
sprechen? Sie haben selber gesagt, sich auch darüber ge-
ärgert zu haben, dass es keine Antworten gibt. Versucht
man, der Sache auf den Grund zu gehen, warum das
nicht der Fall ist und wie das entschuldigt wird?

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1803808300


Ich kann und will jetzt keine Einzelheiten aus den
vertraulichen Gesprächen des Ministers mit amerikani-
schen Stellen berichten. Wichtig und richtig ist aber
– ich glaube, das ist heute im Innenausschuss auch hin-
reichend zum Ausdruck gekommen –, dass genau die
Themen, die Gegenstand der schriftlichen Anfragen wa-
ren, auch in den Gesprächen des Ministers zur Sprache
gekommen sind. Über diese Themen wird also gespro-
chen, und zwar nicht nur auf dieser Ebene, sondern auch
auf fachlicher Ebene zwischen den Ministerien und den
Nachrichtendiensten.

Dass die Briefe mit den konkreten Anfragen unbeant-
wortet geblieben sind, halte auch ich für unbefriedigend.
Das heißt aber nicht, dass wir nicht zuversichtlich sind,
bei diesen Themen weiterzukommen und Informationen
zu erhalten. Im Übrigen wäre es auch noch nicht befrie-
digend und keine hinreichende Antwort auf die Briefe
gewesen, wenn bestimmte Rechtsregeln und Entschei-
dungen von amerikanischen Gerichten heruntergestuft
worden wären, was einmal in Aussicht gestellt worden
ist.

Es ist jetzt wichtig, dass wir den Dialog mit den Ame-
rikanern vertiefen. Dafür gibt es unter anderem den
Cyber-Dialog, den das Auswärtige Amt mit den Ameri-
kanern jetzt beginnt, um in den Themen weiterzukom-
men, um Lösungen zu finden und um die amerikanische
Praxis gegenüber deutschen Staatsbürgern zu verändern.
Darum geht es jetzt, nicht so sehr darum, sklavisch zu
sagen: Wir haben bestimmte Fragen in den Briefen ge-
stellt, die jetzt beantwortet werden müssen. – Das wäre
zwar wünschenswert und richtig; aber mir geht es jetzt
um den Erfolg in der Sache und nicht um diese drei
Briefe aus dem letzten Jahr.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803808400

Wir kommen damit zur Frage 6 des Kollegen Andrej

Hunko, Fraktion Die Linke:
Welche weiteren Details kann die Bundesregierung zu In-

halt, Dauer, Kostenübernahmen und Teilnehmern des unter
Federführung des Bundeskriminalamts organisierten Exper-
tenaustauschs beim Spezialeinsatzkommando Hannover zur
Fortbildung der Spezialkräfte der brasilianischen Militärpoli-
zei Batalhão de Operações Policiais Especiais, BOPE, und der
Divisão de Operações Especiais, DOE, in Vorbereitung auf
die Fußball-WM in Brasilien mitteilen, und inwiefern wurde
Erkenntnissen der Bundesregierung über die in der städti-
schen Kriegsführung spezialisierten BOPE bezüglich etwai-
ger unverhältnismäßiger Gewalteinsätze, einer rigorosen und
aggressiven Grundhaltung und von der brasilianischen Zivil-
gesellschaft und internationalen Menschenrechtsorganisato-
ren geäußerten Kritik an der Einheit, die sich im Siegerfilm
der Berlinale 2008 Tropa de Elite widerspiegeln, bei der Fort-
bildung Rechnung getragen?

Herr Staatssekretär.






(A) (C)



(D)(B)

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1803808500


Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Hunko,
grundsätzliches Ziel aller Maßnahmen der polizeilichen
Aufbauhilfe ist natürlich auch die Förderung von Demo-
kratie und Rechtsstaatlichkeit. Sie verfolgt das Ziel, be-
stehende Reformprozesse in den jeweiligen Empfänger-
staaten voranzubringen.

Die Bundesregierung orientiert sich hierbei nicht an
fiktiven Filmen wie dem von Ihnen erwähnten Film
Tropa de Elite, der auch bereits einige Jahre alt ist, son-
dern an den eigenen Grundsätzen für polizeiliche Auf-
bauhilfe. Zudem darf ich erwähnen, dass die in diesem
Film offenbar thematisierten Sondereinheiten in Rio de
Janeiro unter ganz anderen – auch dramatischen – Be-
dingungen und einer ganz anderen Sicherheitslage arbei-
ten müssen als die von der Maßnahme, um die es hier
geht, begünstigten Einheiten aus der brasilianischen
Hauptstadt Brasilia. Schon aus diesem Grund ist ein Ver-
gleich mit einem solch fiktiven Film aus meiner Sicht
unsinnig.

Im konkreten Fall wurde am 30. Januar 2013 über den
Verbindungsbeamten des Bundeskriminalamtes ein be-
reits mehrfach vorgetragenes Ersuchen des Innenminis-
ters des brasilianischen Bundesstaates Distrito Federal
rund um die Hauptstadt Brasilia zur Fortbildung von
Spezialkräften der BOPE und der DOE in Vorbereitung
auf die anstehenden Großereignisse – Fußballweltmeis-
terschaft 2014 und Olympische Spiele 2016 – in Brasi-
lien übermittelt. Das Ersuchen wurde sowohl durch das
Bundesministerium des Innern als auch durch das Aus-
wärtige Amt geprüft und die Umsetzung vor dem Hinter-
grund der Stärkung der Menschenrechte und der Rechts-
staatlichkeit befürwortet.

Aufgrund des positiven Votums wurde das Ersuchen
schließlich über die Bund-Länder-Koordinierungsstelle
für polizeiliche Aufbauhilfe an das Landeskriminalamt
Niedersachsen in Hannover, Bereich Spezialeinsatzkom-
mando – SEK –, vermittelt. Das entsprechende Einsatz-
kommando SEK Niedersachsen führte daraufhin vom
28. Oktober bis zum 15. November 2013 in Deutschland
einen Fortbildungslehrgang durch, welcher vom Bundes-
kriminalamt mit 8 650 Euro finanziell unterstützt wurde.
Insgesamt nahmen zehn brasilianische Vollzugsbeamte
an der Veranstaltung teil.

Während der dreiwöchigen Ausbildungsmaßnahme
wurden das Sicherheitskonzept Fußball am Beispiel ei-
nes Bundesligaspiels, verschiedene Taktiken unter ande-
rem bei Bus- und Flugzeuginterventionen im Falle von
Geiselnahmen und das Personenschutzkonzept vermit-
telt sowie Schießübungen durchgeführt und Selbstvertei-
digungstechniken eingeübt. Die jeweiligen Inhalte wur-
den stets nach rechtsstaatlichen Grundsätzen vermittelt.
Das Gebot der Verhältnismäßigkeit bei solchen Maßnah-
men und Strategien zur Deeskalation waren und sind
zentrale Inhalte derartiger Lehrgänge.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803808600

Zusatzfrage, Herr Kollege Hunko?

Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803808700

Ja, vielen Dank. – Ich will noch einmal erläutern, wo-

rum es geht. Durch deutsche Polizeien wird eine, so
kann man sagen, höchst umstrittene brasilianische Mili-
tärpolizei aus- und fortgebildet, die nicht nur in dem
Film, sondern auch von internationalen Menschenrechts-
organisationen wie Amnesty International wegen ihrer
Brutalität kritisiert wird. Das Logo dieser brasilianischen
Polizei zeigt einen Totenkopf mit zwei Revolvern und
einem Schwert.

Dies alles findet vor dem Hintergrund der bald begin-
nenden WM statt. In Brasilien gibt es aus meiner und
auch aus unserer Sicht zu Recht Proteste, weil die Bevöl-
kerung aus ihren Wohnvierteln vertrieben wird und im
sozialen Bereich ein eklatanter Mangel herrscht, wäh-
rend gleichzeitig teure Stadien gebaut werden. Halten
Sie es vor diesem Hintergrund für sinnvoll, eine solche
Militärpolizei in Deutschland fortzubilden?

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1803808800


Ich erkenne durchaus an, dass es im Zusammenhang
mit der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien Fragestel-
lungen gibt. Sie haben auf die sozialen Missstände hin-
gewiesen; es gibt auch andere Bereiche. Aber das heißt
natürlich nicht, dass wir an der Sicherheit der Fußballer
und auch der Fans aus Deutschland, die nach Brasilien
reisen, kein Interesse haben. Im Übrigen gilt das auch für
nichtdeutsche Teilnehmer und Fans in Brasilien. Wir
wollen natürlich, dass diese Fußballweltmeisterschaft
– die Entscheidung für Brasilien ist so getroffen worden –
sicher ablaufen wird.

Teil des Sicherheitskonzepts sind offensichtlich auch
Militärpolizeieinheiten, die – noch einmal – in den ver-
schiedenen Teilen Brasiliens sehr unterschiedlich operie-
ren. Die Sicherheitslage in Rio de Janeiro, die Sie in Ih-
rer Frage als Anknüpfungspunkt genommen haben, ist
offenbar eine ganz andere als die in Brasilia, der Haupt-
stadt, die durch Gewalttaten nicht in dem Maße aufgefal-
len ist, wie wir das zum Teil von anderen Teilen Brasi-
liens hören mussten oder wie es von den Medien
kolportiert worden ist. Insofern ist die Zusammenarbeit
mit diesen Einheiten absolut gerechtfertigt, umso mehr,
als es gerade auch darum geht, rechtsstaatliche Prinzi-
pien und Deeskalationsprinzipien in die Ausbildung ein-
fließen zu lassen. Insofern glaube ich, dass wir einen
Beitrag zu einem Mehr an Sicherheit bei dieser Fußball-
weltmeisterschaft, aber auch zu einem Mehr an Rechts-
staatlichkeit bei den Sicherheitskräften geleistet haben.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803808900

Noch eine Frage? – Bitte.


Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803809000

Es ist sehr häufig so, dass, wenn es um umstrittene Si-

cherheitskooperationen geht, argumentiert wird: Wir
kümmern uns darum, dass rechtsstaatlich und deeskala-
tiv vorgegangen wird und dass die Menschenrechte be-
achtet werden. – Können Sie konkretisieren, in welcher
Form das in die Fortbildung eingeflossen ist?






(A) (C)



(D)(B)

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1803809100


Ich darf noch einmal darauf hinweisen: Teil des Si-
cherheitskonzeptes bzw. des Lehrgangskonzeptes sind
Deeskalationsstrategien, beispielsweise der in Deutsch-
land juristisch entwickelte Grundsatz der Verhältnismä-
ßigkeit bei staatlichen und polizeilichen Maßnahmen.
Das ist ein zentraler Teil der Lehrgangsinhalte, nicht nur
im Fall Brasiliens, sondern auch bei anderen Koopera-
tionen mit Ländern. Man mag bestimmte Kritikpunkte
formulieren; aber ich bin mir sehr sicher, dass das, was
wir in Deutschland an Ausbildung vermitteln konnten,
zu mehr Rechtsstaatlichkeit geführt hat und im Ergebnis
nicht nur der Sicherheit, sondern auch dem Vorgehen, im
positiven Sinne auch dem bürgerrechtlichen Vorgehen
der Kräfte zugutegekommen ist.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803809200

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-

ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Die
Frage 7 der Kollegin Halina Wawzyniak wird schriftlich
beantwortet.

Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht
der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Michael Meister
zur Verfügung.

Ich rufe Frage 8 des Kollegen Dr. Gerhard Schick auf:
Bedeuten die Äußerungen des Bundesministers der Finan-

zen, Dr. Wolfgang Schäuble, der bei einer Veranstaltung am
30. April 2014 an der Universität Bielefeld Medienberichten

(www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/omtschaeuble-kassiert-die-wunderwaffe-der-ezb-12955803.html)

gesagt hat: „OMT – wir werden die Voraussetzungen dafür
nicht schaffen, das geht nur einstimmig. … Denn Entschei-
dungen des ESM sind einstimmig, und wir werden ein solches
Programm nach dieser Ankündigung der EZB nicht beschlie-
ßen“, dass die Bundesregierung keinem Unterstützungs-
programm für einen Staat der Euro-Zone im Rahmen des
Europäischen Stabilitätsmechanismus, ESM, mehr zustimmen
wird, da dadurch die Europäische Zentralbank, EZB, die
Möglichkeit erhielte, im Rahmen ihres Programms „Outright
Monetary Transactions“, OMT, bei Bedarf unbegrenzt Staats-
anleihen dieses Staates zu kaufen?

Herr Staatssekretär, bitte.

D
Dr. Michael Meister (CDU):
Rede ID: ID1803809300


Vielen Dank, Herr Präsident. – Der ESM wird aktiv,
wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-
Währungsgebietes insgesamt und seiner Mitgliedstaaten
unabdingbar ist. Ein Programm muss zudem mit strenger
Konditionalität hinsichtlich der notwendigen Reformen
versehen sein. Nur wenn alle Voraussetzungen nach dem
ESM-Vertrag vorliegen und der Deutsche Bundestag zu-
gestimmt hat, darf der deutsche Gouverneur im ESM-
Rat einer Hilfe zustimmen. Das sind die zentralen Vo-
raussetzungen, unter denen die Bundesregierung auch
künftig ein verlässlicher Partner sein wird.

Die wirtschaftliche Lage im Euro-Raum hat sich
deutlich stabilisiert. Die Krisenpolitik der Währungs-
union hat sich daher als äußerst erfolgreich erwiesen.
Durch Strukturreformen zur Verbesserung der Wettbe-
werbsfähigkeit kommen die Programmländer allmählich
auf einen nachhaltigen Wachstumskurs. Das Vertrauen
der Kapitalmärkte in Anlagen im Euro-Raum ist wieder
deutlich gestiegen. Spanien, Irland und zuletzt auch Por-
tugal haben ihre Programme erfolgreich abgeschlossen
und können sich wieder selbstständig an den Kapital-
märkten refinanzieren. Es gibt daher keinen Anlass, über
ein neues ESM-Programm zu spekulieren.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803809400

Zusatzfrage, Herr Dr. Schick.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Staatssekretär, das beantwortet meine Frage lei-
der nicht. Das Zitat, das ich in meiner Frage angeführt
habe, ist eindeutig. Es geht nicht darum, ob man das Pro-
gramm braucht oder nicht; vielmehr heißt es in dem Zitat
des Ministers in Bezug auf das entsprechende Maß-
nahmenprogramm OMT der Europäischen Zentralbank:
„… wir werden die Voraussetzungen dafür nicht schaf-
fen“, und weiter: „… wir werden ein solches Programm
nach dieser Ankündigung der EZB nicht beschließen“.
Darin geht es nicht darum, dass die wirtschaftliche Lage
so ist, wie sie ist, und es geht auch nicht darum, ob es
irgendwelche Bedingungen gibt, sondern es ist ein klares
politisches Statement.

Meine Frage ist: Steht die Bundesregierung zu dieser
Aussage „Wir werden ein solches Programm nicht be-
schließen“, oder folgt die Bundesregierung dem, was Sie
gerade vorgetragen haben, und korrigiert insofern den
Bundesfinanzminister? Das sind nämlich zwei unter-
schiedliche Aussagen. Ich glaube, es ist wichtig, dass
das im Parlament geklärt wird.

D
Dr. Michael Meister (CDU):
Rede ID: ID1803809500


Herr Kollege Schick, das, was ich eben vorgetragen
habe, ist die Position der Bundesregierung, zu der auch
der Bundesfinanzminister steht. Er hat mit seiner Äuße-
rung deutlich gemacht, dass ohne Zustimmung der Bun-
desrepublik Deutschland ein entsprechendes Programm
nicht auf den Weg gebracht werden kann.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803809600

Noch eine Zusatzfrage, Herr Dr. Schick.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ist die Äußerung des Bundesfinanzministers, die ich
zitiert habe, insofern missverständlich gewesen und
durch Ihre heutigen Äußerungen korrigiert worden?

D
Dr. Michael Meister (CDU):
Rede ID: ID1803809700


Meine Äußerung heute entspricht der gemeinsamen
Haltung des Bundesfinanzministers und der Bundesre-
gierung. Ich habe nicht entdecken können, Herr Kollege
Schick, dass daran etwas missverständlich ist.






(A) (C)



(D)(B)


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803809800

Die Fragen 9 und 10 des Kollegen Dr. Axel Troost

und die Frage 11 des Kollegen Volker Beck werden
schriftlich beantwortet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Arbeit und Soziales. Die Frage 12 des
Kollegen Volker Beck, die Frage 13 der Kollegin
Veronika Bellmann und die Fragen 14 und 15 des Kolle-
gen Markus Kurth werden schriftlich beantwortet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Die
Frage 16 des Kollegen Harald Ebner wird ebenfalls
schriftlich beantwortet.

Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Verteidigung.

Ich rufe die Frage 17 des Kollegen Hans-Christian
Ströbele auf:

Inwieweit trifft es zu, dass die Bundesregierung in ihren

(Kapitel 14 16, Titel 554 13 sowie Kapitel 14 20, Titel 551 11)

nen Euro eingestellt hat zur Verausgabung schon ab 2014
– nebst Verpflichtungsermächtigungen für die Folgejahre – für
die Beschaffung militärischer Drohnen MALE-UAS im Sys-
tem SAATEG, obwohl die Bundesministerin der Verteidigung,
Dr. Ursula von der Leyen, mehrfach öffentlich erklärt hatte,
vor solchen Beschaffungsentscheidungen müsse eine vertiefte
„gesellschaftliche Debatte über den Einsatz von Drohnen“
stattfinden und es gebe „aktuell keinen Entscheidungsdruck“

(FAZ vom 19. Mai 2014), und hält die Bundesregierung an der

Zustimmung der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zum
Beschluss des Rates der europäischen Staats- und Regierungs-
chefs vom 19./20. Dezember 2013 fest, prioritär eine europäi-

(vergleiche FAZ vom 19. Mai 2014)

teidigung durch das Bundesamt für Ausrüstung, Informations-
technik und Nutzung der Bundeswehr „marktverfügbare“
Systeme primär von fünf außereuropäischen Anbietern unter-

(Antwort der Bundesregierung vom 16. Dezember 2013 auf die schriftliche Frage des Abgeordneten Andrej Hunko, Bundestagsdrucksache 18/221, Frage 54)

kürzlich die Bundesministerin der Verteidigung ein entspre-
chendes Angebot dreier europäischer Unternehmen „heftig,
brüsk und knapp“ zurückwies (FAZ, am angegebenen Ort)?

Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staats-
sekretär Dr. Ralf Brauksiepe bereit. Herr Staatssekretär,
bitte.

D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1803809900


Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Ströbele,
ich antworte Ihnen wie folgt: Die im Haushaltsentwurf
2014 vorgesehenen Haushaltsmittel für die Realisierung
eines durch Piloten ferngesteuerten Luftfahrzeugs der
MALE-UAS-Klasse – MALE-UAS steht für Medium
Altitude Long Endurance Unmanned Aerial System –
sind Mittel, die bei einer Beschaffungsentscheidung im
Jahr 2014 für einen Kauf von unbemannten Aufklä-
rungssystemen verwendet werden könnten. Mit der Ein-
arbeitung dieser Werte in den Haushaltsentwurf ist keine
Entscheidung für die Beschaffung eines solchen Systems
präjudiziert. Ein Vertragsschluss für den Kauf eines
marktverfügbaren unbemannten Aufklärungssystems als
sogenannte Überbrückungslösung zur kurzfristigen
Schließung der bestehenden Fähigkeitslücke würde im
Rahmen der etablierten Verfahren erst nach der parla-
mentarischen Billigung einer entsprechenden Beschaf-
fungsvorlage, einer sogenannten 25-Millionen-Euro-
Vorlage, erfolgen.

Unabhängig davon unterstützt das Bundesministe-
rium der Verteidigung grundsätzlich die Ratsschlussfol-
gerungen des Europäischen Rates vom Dezember 2013.
Darin begrüßt der Europäische Rat „die Entwicklung
von ferngesteuerten Flugsystemen (RPAS) im Zeitrah-
men 2020–2025: Vorarbeiten für ein Programm für die
nächste Generation von europäischen ferngesteuerten
Flugsystemen mit mittlerer Flughöhe und großer Flug-
dauer (MALE RPAS)“. So weit das Zitat.

Eine deutsche Beteiligung an weiteren Arbeiten ist
damit nicht präjudiziert. Entscheidungen in Bezug auf
die Beschaffung qualitativ neuer Waffensysteme werden
nicht vor der im Koalitionsvertrag vereinbarten Prüfung
völker- und verfassungsrechtlicher, sicherheitspoliti-
scher und ethischer Fragen getroffen.

Die erwähnte Untersuchung des Bundesamtes für
Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bun-
deswehr zu alternativen MALE-Plattformen dient einer
generellen Markterkundung mit Blick auf verfügbare
MALE-Systeme.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803810000

Zusatzfrage, Herr Kollege Ströbele.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Staatssekretär, den ersten Teil Ihrer Antwort
habe ich nicht ganz verstanden. Es wird eine nicht uner-
hebliche Millionensumme in den Haushalt eingestellt,
und Sie sagen: Ob sie genutzt wird, also ob wir das Geld
tatsächlich brauchen, wissen wir noch gar nicht. – Das
wird dann ab 2014, also ab diesem Jahr, für einen länge-
ren Zeitraum bewilligt, und zwar mit Verpflichtungser-
mächtigungen. Dabei wissen Sie noch gar nicht, ob das
genutzt wird, weil die Diskussion, die Sie zu Recht ein-
fordern, noch nicht stattgefunden hat. Man braucht doch
keine Mittel einzustellen, wenn man noch gar nicht
weiß, ob man sie nutzen will.

D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1803810100


Herr Kollege Ströbele, zunächst möchte ich Sie da-
rauf hinweisen – es war der Kürze der Antwort geschul-
det, dass ich darauf noch nicht ausdrücklich eingegangen
bin; aber es ist sicherlich auch keine neue Information
für Sie –, dass das Haushaltsrecht das Königsrecht des
Parlaments ist und dass der Deutsche Bundestag, dem
Sie genauso angehören wie ich, über den Haushalt 2014
noch gar nicht beschlossen hat. Daher bin ich an dieser
Stelle in der Verlegenheit, etwas zu kommentieren, was
der, dessen Recht es ist, abschließend darüber zu ent-
scheiden, nämlich der Deutsche Bundestag, noch gar
nicht entschieden hat.

Ich beziehe mich nur auf den Haushaltsentwurf, der
seitens der Bundesregierung eingebracht wurde. Dazu





Parl. Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe


(A) (C)



(D)(B)

gehört natürlich, dass für verschiedene Fälle Vorsorge
getroffen wird und entsprechende Mittel bereitgestellt
werden müssen, im Übrigen für dieses Jahr für militäri-
sche Beschaffung in einem überschaubaren Umfang –
um hier keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen.
Das ist ein völlig übliches Verfahren, Herr Kollege
Ströbele. Das kann auch gar nicht anders sein. Wir als
Deutscher Bundestag können keine Beschlüsse fassen,
für die im Haushalt keine Vorsorge getroffen ist.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Morgen wird über die
Verlängerung des KFOR-Mandats im Kosovo entschie-
den. Nach dem Antrag der Bundesregierung wird dieses
Mandat bis in das nächste Jahr verlängert. Selbstver-
ständlich ist auch dafür im Entwurf des Haushalts 2014
Vorsorge getroffen, genauso wie in der Planung für
2015. Wenn der Deutsche Bundestag der Verlängerung
dieses Mandats nicht zustimmt, wird das Geld dafür
selbstverständlich nicht gebraucht. Wenn aber entspre-
chende Beschlüsse gefasst werden, müssen diese auch
finanziell unterlegt sein. Das ist ganz normales Haus-
haltsrecht.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803810200

Noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege Ströbele.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Unterschied besteht darin, dass die Soldaten
schon da sind. Aber darauf will ich nicht näher eingehen.

Auch den zweiten Teil meiner Frage sehe ich als nicht
beantwortet an. Die Frau Bundeskanzlerin hat zu dem
Beschluss des Europäischen Rates – den haben Sie eben
zitiert –, in dem festgelegt werden sollte, dass prioritär
eine europäische militärische Drohne entwickelt werden
soll, gesagt, dass sie das unterstützt und richtig findet.
Aber einige Zeit später wird – wenn das, was in der FAZ
zu lesen war, stimmt – heftig, brüsk und knapp zurück-
gewiesen, dass die drei europäischen Unternehmen, die
ein entsprechendes Angebot unterbreitet haben, in Be-
tracht kommen.

D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1803810300


Zunächst lege ich Wert auf die Feststellung, Herr
Ströbele, dass der von Ihnen behauptete Unterschied so
nicht besteht. Es geht nicht darum, dass Soldaten schon
irgendwo sind. Wenn aus Sicht der Bundesregierung
Mandate verlängert werden sollen, dann kann dies nur
geschehen, wenn im Haushalt entsprechend Vorsorge
getroffen wird. Wenn keine Verlängerung erfolgt, wer-
den die Soldaten abgezogen. Dann mögen dafür in dem
entsprechenden Jahr außerplanmäßig Kosten entstehen.
Aber die für den Einsatz im Haushalt vorgesehenen Mit-
tel werden dann nicht verausgabt werden müssen.

Darüber hinaus gibt es den von Ihnen angesprochenen
bzw. skizzierten Widerspruch nicht. Ich habe Ihnen ge-
sagt, dass das Bundesministerium der Verteidigung zu
dem steht, was der Europäische Rat im Hinblick auf dort
zu leistende Entwicklungsarbeiten beschlossen hat. Die
Bundesministerin der Verteidigung hat in dem Artikel,
den Sie ansprechen, darauf hingewiesen, wie es üblicher-
weise sein sollte, nämlich dass die Politik eine Lücke in
der militärischen Fähigkeit feststellt und sich dann mit
der Frage an die Industrie wendet, welches Unternehmen
eine Lösung dafür anbieten kann. Das ist das übliche
Verfahren. Wir sind bei weitem noch nicht in diesem
Stadium.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass für den 30. Juni
eine öffentliche Anhörung des Verteidigungsausschusses
mit dem Titel „Völker-, verfassungsrechtliche sowie si-
cherheitspolitische und ethische Aspekte im Zusammen-
hang mit unbemannten Luftfahrzeugen, die über Aufklä-
rung hinaus auch weitergehende Kampffähigkeiten
haben“ geplant ist. Das ist aus Sicht der Bundesregie-
rung und – so denke ich – der sie tragenden Koalitions-
fraktionen ein wichtiger Beitrag zur gesellschaftlichen
Debatte, die wir über dieses Gebiet führen wollen. Ich
bin dankbar, dass diese Anhörung einvernehmlich – das
ist mein Kenntnisstand –, im Konsens der Obleute, be-
schlossen worden ist. Das ist die Debatte, die wir jetzt
führen wollen.

Entscheidungen sind in keiner Weise getroffen wor-
den. Dazu verweise ich auf die Antwort, die ich Ihnen
schon gegeben habe, nämlich dass mit der Unterstützung
der Ratsschlussfolgerung eine deutsche Beteiligung an
weiteren Arbeiten nicht präjudiziert ist. Es gibt keinerlei
Präjudiz über eine bestimmte Entwicklung, die wir
selbst wollen, oder über den Kauf von bestimmten Sys-
temen.

Die von Ihnen angesprochene Antwort meines Vor-
gängers Christian Schmidt auf eine entsprechende Frage
des Abgeordneten Hunko macht auch deutlich, dass
dem, was das BAAINBw dort untersucht hat, keine kon-
krete Beschaffungsabsicht zugrunde lag. Ich bitte des-
halb, nichts hineinzuinterpretieren, wo nichts hineinzu-
interpretieren ist, weil noch nichts entschieden ist und
noch keine Debatten geführt worden sind, insbesondere
noch nicht abschließend.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803810400

Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-

desministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische
Staatssekretärin Elke Ferner bereit.

Ich rufe Frage 18 der Abgeordneten Veronika
Bellmann auf:

Welche Perspektiven haben Schulverweigererprojekte aus
dem Förderprogramm „Die 2. Chance“, die ursprünglich am
31. Dezember 2013 auslaufen sollten, aber bis zum 30. Juni
2014 unter der Maßgabe verlängert wurden, bis dahin verläss-
liche Rahmenbedingungen für eine Fortführung der Projekte
zu schaffen, und wie sieht der neue Zeitplan dafür aus?

Frau Staatssekretärin, bitte.

E
Elke Ferner (SPD):
Rede ID: ID1803810500


Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin
Bellmann, das ESF-Bundesprogramm „Schulverweige-
rung – Die 2. Chance“ wäre regulär Ende Dezem-
ber 2013 beendet gewesen und wurde einmalig bis Ende





Parl. Staatssekretärin Elke Ferner


(A) (C)



(D)(B)

Juni 2014 verlängert. Die Schulverweigererprojekte ha-
ben zukünftig die Möglichkeit, sich über ihre Kommune
beim neuen ESF-Bundesvorhaben „JUGEND STÄRKEN
im Quartier“ zu bewerben.

Die Vorbereitungen für das neue ESF-Modellpro-
gramm „JUGEND STÄRKEN im Quartier“ laufen jetzt
auf Hochtouren. Die Standorte der bisherigen ESF-Pro-
gramme – ich sagte es bereits – können sich über die An-
tragstellung ihrer Kommune für eine Teilnahme am
neuen Modellprogramm bewerben, sofern sie die Aus-
schreibungskriterien erfüllen. Für den Beginn des Inte-
ressenbekundungsverfahrens und die damit verbundene
Veröffentlichung der Förderrichtlinien müssen jedoch
zunächst die finanztechnischen Rahmenbedingungen für
die ESF-Förderperiode 2014 bis 2020 im Detail festste-
hen.

Die Interessenbekundung ist für den Sommer 2014
vorgesehen. Mit dem Programmbeginn ist im vierten
Quartal 2014 zu rechnen, sofern bis dahin das operatio-
nelle Programm des Bundes von der EU-Kommission
genehmigt wurde. Mit einer Entscheidung der EU-Kom-
mission ist nach derzeitigem Stand im Oktober 2014 zu
rechnen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803810600

Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Bellmann?


Veronika Bellmann (CDU):
Rede ID: ID1803810700

Ja.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803810800

Bitte schön.


Veronika Bellmann (CDU):
Rede ID: ID1803810900

Das heißt, dass es in jedem Fall eine Lücke, also eine

Unterbrechung des Programms, geben wird, weil es
keine Überbrückung, beispielsweise aus dem Bundes-
haushalt, geben wird?

E
Elke Ferner (SPD):
Rede ID: ID1803811000


Die Verlängerung bis Ende 2014 wurde über Restmit-
tel aus dem ESF finanziert. Es stehen dafür derzeit keine
weiteren Mittel zur Verfügung. Es ist so, dass das Pro-
gramm eigentlich im Dezember 2013 abgeschlossen ge-
wesen wäre. Es war allen Beteiligten von vornherein
klar, dass es 2013 abgeschlossen ist. Es wurde dann mit-
hilfe der ESF-Mittel bis Mitte des Jahres verlängert. Die
Kommission hat die Fristen, die ursprünglich vorgese-
hen waren, leider nach hinten verschoben, sodass die
Kommission nach derzeitigem Stand erst im Oktober
dieses Jahres über das operationelle Programm entschei-
det.

Wir wollen das trotzdem so weit vorbereiten, dass
schon im Sommer ein Interessenbekundungsverfahren
stattfinden kann, sodass eine Vorauswahl getroffen wer-
den kann, wenn am Ende die Förderkriterien von der
Kommission fest beschieden worden sind.

Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803811100

Noch eine Zusatzfrage? – Bitte.


Veronika Bellmann (CDU):
Rede ID: ID1803811200

Das neue Programm ist, wie Sie es jetzt angedeutet

haben, schon relativ weit in der Entwicklung. Können
Sie etwas zu den Laufzeiten der Programme sagen?

Ich habe ein bisschen ein Problem damit, wenn Pro-
gramme, die die Arbeit mit Menschen, ob Jung oder Alt
oder Jugendlichen, insbesondere benachteiligten Jugend-
lichen, zum Inhalt haben, durch die kurzen Laufzeiten
ihre Wirkung am Ende etwas verfehlen. Es ist schwierig,
wenn dort keine Kontinuität hineinkommt. Das ist so-
wohl für die Jugendlichen als auch für die Pädagogen
schwierig; denn nicht alle Pädagogen, die die Pro-
grammführung übernehmen, sind auch geeignet oder be-
rufen. Deswegen sind wir immer sehr froh, wenn wir ge-
eignete Leute finden, die mit den Jugendlichen arbeiten.
Wenn das nach kurzer Zeit wieder aufhört, verfehlt das
Programm letztendlich sein Ziel. Insofern meine Frage:
Haben Sie bei der Beantragung der Programme konti-
nuierlich längere Laufzeiten, wie sie in den bisherigen
Programmen üblich waren, eingeplant?

E
Elke Ferner (SPD):
Rede ID: ID1803811300


Die Laufzeit der Programme hängt mit der ESF-För-
derperiode zusammen. Diese Förderperiode war zuletzt
von 2007 bis 2013, und sie wird jetzt von 2014 bis 2020
sein, also jeweils sechs bis sieben Jahre. Das ist von der
EU vorgegeben; darauf haben wir keinen Einfluss. Wir
können sagen: Das ist uns zu kurz; wir machen nicht mit.
Die Alternative ist: Wir nutzen diese Periode.

Insofern ist man jetzt daran interessiert, dass dieses
ESF-Bundesprogramm weiterläuft. Zunächst einmal ist
es auf vier Jahre befristet. Ich gehe aber davon aus, dass
sich das Programm „JUGEND STÄRKEN im Quartier“
bewähren wird, dass es über die gesamte ESF-Förder-
periode laufen wird.

Wir haben prinzipiell das Problem bei Bundespro-
grammen, ob über ESF-Mittel oder über Bundesmittel
gefördert, dass der Bund dafür nicht originär zuständig
ist; denn die Jugendhilfe ist eindeutig eine kommunale
Aufgabe. Wir versuchen, mit zusätzlichen Modellpro-
grammen zu helfen. Diese Programme sind aber – das
muss ich leider sagen – zeitlich befristet.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803811400

Danke schön. – Wir kommen damit zum Geschäftsbe-

reich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung der Fra-
gen steht der Parlamentarische Staatssekretär Florian
Pronold bereit.

Die Fragen 19 und 20 der Kollegin Heidrun Bluhm
werden nicht aufgerufen, weil die Kollegin Bluhm nicht
anwesend ist. Es wird verfahren, wie in der Geschäfts-
ordnung vorgesehen.


(Tübingen)






Vizepräsident Peter Hintze


(A) (C)



(D)(B)

Wir kommen zur Frage 22 der Abgeordneten Annalena
Baerbock, Bündnis 90/Die Grünen:

Was sind die Gründe der Bundeskanzlerin für ihre Absage
der Teilnahme am VN-Klimagipfel von Ban Ki-moon im
September 2014, und ist der Bundesregierung bekannt, ob
der US-Präsident Barack Obama oder Chinas Präsident Xi
Jinping teilnehmen werden?

Herr Staatssekretär, bitte.

Fl
Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1803811500


Die Bundeskanzlerin begrüßt das persönliche Enga-
gement des UN-Generalsekretärs und hat ihre volle poli-
tische Unterstützung versichert, auch wenn ihr persön-
lich eine Teilnahme aus terminlichen Gründen nicht
möglich sein wird. Deutschland wird bei diesem Treffen
hochrangig vertreten sein. Eine Entscheidung, wer für
die Bundesregierung teilnimmt, wird rechtzeitig vor dem
Klimagipfel in New York bekannt gegeben. Über die
Teilnahme anderer Staats- und Regierungschefs liegt uns
zurzeit keine offizielle Information vor.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803811600

Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin? – Bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr
Pronold. – Auch wenn es mich immer wieder freut, mit
Ihnen in einer Diskussion zu stehen, wundert es mich
jetzt doch, dass das Bundeskanzleramt hier nicht antwor-
tet; schließlich war die Frage, weswegen Frau Merkel an
diesem Gipfel nicht teilnimmt, an das Bundeskanzleramt
gerichtet. Gefragt war auch danach, was die Gründe da-
für sind, welche Termine dieser Teilnahme also entge-
genstehen. Diese Fragen stellen sich insbesondere vor
dem Hintergrund, dass der jetzige Chef des Bundeskanz-
leramts in seiner Zeit als Umweltminister in Warschau
die Aussage getätigt hat, dass die damalige Bundesregie-
rung begrüßt, dass bis Anfang 2015 allen Staaten Pläne
zur CO2-Emissionsminderung vorlegen werden. Diese
Aussage findet man auch jetzt noch auf der Internetseite
Ihres Hauses. Dort wird außerdem betont:

Deutschland setzt sich dafür ein, dass möglichst
viele Staaten bereits auf dem im September auf Ein-
ladung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon statt-
findenden Gipfel der Staats- und Regierungschefs

– das steht explizit auf der Seite des BMU –

Angaben machen.

Distanziert sich jetzt das BMU von dieser damals ge-
tätigten Aussage?

Noch einmal: Aufgrund welcher anderen Termine
kann Frau Merkel nicht selber zu diesem Gipfel reisen?

Fl
Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1803811700


Ich weiß als Mitglied der Bundesregierung sehr viel;
aber ich kenne nicht jeden Termin und jede Begründung
der Bundeskanzlerin. Wir werden diesbezüglich nachfra-
gen und Ihnen mitteilen, was sie an diesem Tag anderes
und wahrscheinlich auch Wichtigeres machen wird.

Ansonsten gilt – wir haben das im Ausschuss schon
mehrmals miteinander besprochen –: Das vordringliche
Ziel der Bundesregierung ist, die CO2-Einsparvorgaben
einzuhalten. Sie wissen ganz genau, dass unsere Bundes-
regierung in diesem Bereich nicht nur in Europa, son-
dern in der Welt wirklich führend ist. Das bringen nicht
nur die Bundeskanzlerin, sondern auch alle Minister,
egal ob in früherer oder in heutiger Funktion, an vielen
Stellen immer wieder zum Ausdruck.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803811800

Haben Sie noch eine Zusatzfrage?


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ja. – Meine Frage war außerdem, welche anderen
Staats- und Regierungschefs an diesem Gipfel teilneh-
men. Sie haben gesagt, Ihnen lägen dazu keine Erkennt-
nisse vor. Obama hat ja persönlich erklärt, dass er teil-
nimmt. Das sollte auch der Bundesregierung bekannt
sein. Auch Frankreich hat seine Teilnahme zugesagt. In-
sofern frage ich noch einmal – Ihre Antwort können Sie
mir schriftlich nachreichen –, welche anderen Staats-
und Regierungschefs gegenüber der Bundeskanzlerin
oder der Bundesregierung schon geäußert haben, dass
sie teilnehmen. Auch Großbritannien hat seine Teil-
nahme schon in Erwägung gezogen.

Fl
Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1803811900


Darum habe ich gesagt: Uns liegen keine offiziellen
Informationen diesbezüglich vor. Selbstverständlich
können auch Mitglieder der Bundesregierung Zeitung le-
sen und Medienberichte zur Kenntnis nehmen, aber wir
wollen Ihnen qualifizierte Auskünfte geben. Wenn wir
diese Mitteilung als Bundesregierung offiziell erhalten,
können wir sie an Sie weitergeben. Solange sie uns offi-
ziell nicht vorliegt, ist es mir leider nicht möglich, das so
zu beantworten.

Aber wenn Sie das eh schon aus Zeitung und Fernse-
hen wissen, stellt sich mir die Frage, warum Sie die Bun-
desregierung noch fragen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803812000

Frau Kollegin Lemke, Bündnis 90/Die Grünen, hat

eine Frage.


Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803812100

Herr Staatssekretär Pronold, da ich zwar davon aus-

gehe, dass Sie meine Einschätzung teilen, dass es ein
Skandal ist, dass Frau Merkel am Gipfel nicht teilnimmt,
das hier aber öffentlich nicht äußern können, möchte ich
Sie fragen, ob angesichts der jüngsten Äußerungen von
Präsident Obama die Bundesregierung die Entschei-
dung, dass Frau Merkel am Gipfel nicht teilnimmt, über-
denken wird, da sie ja – ich glaube, das habe ich aus der





Steffi Lemke


(A) (C)



(D)(B)

Zeitung erfahren – gesagt hat: Es muss etwas passieren
angesichts der dramatischen Entwicklung bei der Klima-
katastrophe. – Vor dem Hintergrund der Daten, die wir
diesbezüglich haben, und der Tatsache, dass selbst die
USA, die bisher nicht als prioritäre Klimaschützer be-
kannt geworden sind, teilnehmen werden und Obama ein
ambitioniertes Programm angekündigt hat – mehr noch
nicht, aber zumindest angekündigt –, frage ich also:
Wird die Bundesregierung die Entscheidung der Nicht-
teilnahme jetzt überdenken?

Fl
Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1803812200


Sie dürfen davon ausgehen, dass das, was ich hier
sage, und das, was ich nicht sage, miteinander vereinbar
ist. Ich bitte Sie, mir nicht zu unterstellen, dass ich etwas
für einen Skandal halte, was keiner ist.

Es ist an der Bundeskanzlerin, zu entscheiden, woran
sie teilnimmt, und zu berücksichtigen, welche anderen
terminlichen Verpflichtungen da sind. Man kann der
Bundesregierung nun alles Mögliche vorwerfen, aber
mit Sicherheit nicht, dass wir uns nicht mit allem Nach-
druck für die Klimaschutzziele einsetzen. Wir haben so-
gar ambitioniertere Klimaschutzziele, als wir sie oft in
internationalen Vereinbarungen vorfinden, und das wis-
sen Sie auch; ein Beispiel ist die europäische Ebene.
Deswegen ist die Bundesregierung hier führend.

Wir freuen uns darüber, dass jetzt auch Präsident
Obama auf die Linie einschwenkt, die die Bundesregie-
rung schon über Jahre hinweg verfolgt und mit der sie
beispielgebend vorangeht. Ob das Änderungen an der
Planung der Bundeskanzlerin zur Folge haben wird,
kann ich Ihnen nicht sagen. Da es bisher wichtige
Gründe gibt, dass die Bundeskanzlerin nicht teilnehmen
kann, sondern aus dem Bereich der Bundesregierung
hochrangig vertreten sein wird, wird sich an der Pla-
nung, vermute ich, nichts ändern.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803812300

Damit kommen wir zur Frage 23 der Kollegin

Annalena Baerbock zur gleichen Thematik:
Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass das Fernblei-

ben der Bundeskanzlerin vom VN-Klimagipfel im September
2014 von der internationalen Staatengemeinschaft dahin ge-
hend interpretiert werden könnte, dass der Klimaschutz in der
Bundesregierung nicht die höchste Priorität genießt und sich
die Bundeskanzlerin der VN-Klimastrategie verweigert?

Herr Staatssekretär.

Fl
Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1803812400


Sie fragen mich – das ist auch schon aus den vorhe-
rigen Nachfragen deutlich geworden –, ob ich die be-
sondere Gefahr sehe, dass aus der Nichtteilnahme der
Bundeskanzlerin geschlossen werden könne, dass die
Bundesregierung das Einhalten der Klimaziele nicht
mehr ernst nimmt. Diese Gefahr sehe ich nicht.
Erstens wird die Bundesregierung hochrangig vertre-
ten sein.

Zweitens tritt die Frau Bundeskanzlerin – das ist Ih-
nen auch bekannt – in der internationalen Klimaschutz-
politik sehr ambitioniert auf. Das persönliche Engage-
ment der Bundeskanzlerin zeigt sich zum Beispiel auch
in dem von ihr ins Leben gerufenen jährlichen Petersber-
ger Klimadialog, zu dessen fünfter Sitzung die Bundes-
regierung in diesem Jahr circa 35 Minister und hochran-
gige politische Vertreter Mitte Juli nach Berlin einlädt.
Der Dialog mit persönlicher Beteiligung der Bundes-
kanzlerin wird zur Vorbereitung sowohl des informellen
Gipfeltreffens in New York als auch der 20. Vertrags-
staatenkonferenz Ende 2014 in Lima beitragen. Darüber
hinaus hat die Bundeskanzlerin angekündigt, Klima-
schutz zu einem wichtigen Thema der deutschen G-7-
Präsidentschaft im Jahr 2015 zu machen, um so einen
starken Impuls für die Verabschiedung eines ambitio-
nierten internationalen Klimaschutzabkommens bei der
21. Vertragsstaatenkonferenz 2015 in Paris zu geben.

Damit sind alle Befürchtungen, die Sie so wohlmei-
nend in Richtung Bundesregierung formulieren, wirklich
ausgeräumt.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803812500

Haben Sie dazu eine Nachfrage, Frau Kollegin?


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ja, weil die Befürchtungen noch nicht ausgeräumt
sind.

Zum einen möchte ich nur einmal darauf hinweisen,
dass dieser Gipfel nicht „Gipfel der höchsten Vertreter
der Länder“, sondern explizit „Gipfel der Staats- und
Regierungschefs“ heißt. Deswegen entspricht ein Ersatz
durch höchste Vertreter nicht dem, was da angekündigt
wurde.

Zum anderen: Wenn das höchste Priorität genießt,
was in der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin
heute zumindest rhetorisch so angeklungen ist, und die
Bundeskanzlerin die G-7-/G-8-Präsidentschaft dem Kli-
maschutz widmen will, wäre es dann nicht sehr ratsam,
insbesondere bei einer G-7-Präsidentschaft, auf dem
Treffen, auf dem alle führenden Staats- und Regierungs-
chefs anwesend sind – Sie haben auch von einem vorbe-
reitenden Treffen gesprochen –, auch selbst anwesend zu
sein, um das zu diskutieren?

Vor dem Hintergrund, dass die Europäische Umwelt-
agentur heute deutlich gemacht hat, dass die EU ihre
Klimaschutzziele für 2020 schon so gut wie erreicht hat
– nämlich 19,7 Prozent CO2-Einsparung –, frage ich:
Müsste es jetzt nicht einen neuen Aufschlag vonseiten
der Bundeskanzlerin und der EU geben, für den Ban-Ki-
moon-Gipfel noch einmal nachzubessern? Alles andere
würde ja bedeuten, dass man in den nächsten sechs Jah-
ren keine weiteren Anstrengungen bei der Einsparung
von CO2-Emissionen unternehmen möchte, während an-
dere Länder, wie gerade die USA, angekündigt haben, in
diesem Bereich weiter voranzuschreiten.






(A) (C)



(D)(B)

Fl
Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1803812600


Die erste der beiden Fragen, die Sie gerade gestellt
haben, würde ich nicht anders beantworten als vorhin.
Deswegen erübrigt sich eine weitere Antwort.

Zu Ihrer zweiten Frage. Die Bundesregierung – allen
voran die Bundeskanzlerin und die Ministerin – hat im-
mer deutlich gemacht, dass sie sehr ambitioniert an Kli-
maschutzziele herangeht. Es ist erfreulich, wenn wir auf
europäischer Ebene dem Ziel näher gekommen sind, als
dies bisher vermutet wurde. Aber das ist natürlich kein
Grund, nachzulassen. Wir müssen weiter ambitioniert
voranschreiten.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803812700

Frau Kollegin Baerbock, Ihre zweite Nachfrage.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben gerade gesagt: „weiter ambitioniert voran-
schreiten“. Werden Sie also noch einmal nachbessern
und neue Ziele vorlegen?

Fl
Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1803812800


Sie haben die großartige Fähigkeit, aus Antworten
ganz komische Schlussfolgerungen zu ziehen.


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht liegt das an der Antwort!)


Wir treten auf europäischer Ebene sehr stark dafür
ein, dass wir in Europa weiterkommen. Darüber haben
wir heute im Ausschuss gesprochen. Auf europäischer
Ebene stellt sich die Situation so dar, dass nicht alle
Staaten die Erreichung von ambitionierten Klimaschutz-
zielen in dem Maße verfolgen, wie wir das tun.

Auf internationaler Ebene, also über die europäische
Ebene hinaus, gibt es jetzt die positiven Signale aus den
USA. Nichtsdestotrotz sind wir insgesamt sehr weit von
dem Anspruch der Bundesregierung entfernt, das glo-
bale Klimaschutzziel zu erreichen. Deswegen werden
wir weiter dafür kämpfen, dass die Vereinbarungen ein-
gehalten werden und dass wir zu besseren internationa-
len Übereinkommen gelangen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803812900

Frau Kollegin Lemke.


Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803813000

Herr
Dr. Angela Merkel (CDU):
Rede ID: ID1803813100
Wird das Bundes-
umweltministerium darauf drängen, dass im Bundes-
kanzleramt Überlegungen angestellt werden, die Planun-
gen von Frau Merkel zu verändern und doch zum
Klimagipfel zu fahren?
Bei all meiner Wertschätzung für Frau Bundesum-
weltministerin Hendricks muss ich sagen: Sie ist nicht
die Bundeskanzlerin. Ich gehe davon aus, dass die Bun-
deskanzlerin ambitionierter für Klimaschutz verhandeln
kann, insbesondere angesichts der Tatsache, dass Präsi-
dent Obama anwesend sein wird. Werden Sie diesbezüg-
lich tätig werden?

Fl
Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1803813200


Da das Bundeskanzleramt vertreten ist, wird diese
Debatte das Bundeskanzleramt vermutlich erreichen.
Darüber hinaus handelt es sich um eine Frage, die vorhin
schon indirekt gestellt worden ist. Die Termingestaltung
ist die Entscheidung der Bundeskanzlerin. Selbstver-
ständlich wird die Bundesregierung die Klimaschutz-
ziele, die sie sich selber gesetzt hat, auch auf internatio-
naler Ebene mit aller Macht verfolgen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803813300

Schönen Dank.

Die Frage 24 der Kollegin Kotting-Uhl wird schrift-
lich beantwortet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Ministeriums
für Bildung und Forschung.

Die Fragen 25 und 26 der Kollegin Höhn werden
ebenfalls schriftlich beantwortet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanz-
lerin und des Bundeskanzleramtes.

Die Fragen 27 und 28 der Kollegin Rößner werden
schriftlich beantwortet.

Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Wirtschaft und Energie. Zur Beant-
wortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatsse-
kretärin Brigitte Zypries zur Verfügung.

Die Frage 29 der Kollegin Kotting-Uhl wird ebenfalls
schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Jan van Aken
auf:

Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den ille-
galen Reexport von Pistolen des Typs SP2022 des Herstellers
SIG Sauer aus den USA nach Kolumbien – bitte unter Angabe
des genauen Datums der Kenntnisnahme –, und was hat sie
seit Kenntnisnahme des Sachverhalts unternommen, um die-
sen aufzuklären?

Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

B
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1803813400


Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Abgeordneter,
die Bundesregierung hat durch die öffentliche Bericht-
erstattung und damit in Zusammenhang stehenden Pres-
semeldungen Kenntnis von dem Vorwurf der Lieferung
von Pistolen des Modells SP2022 des Hersteller SIG
Sauer nach Kolumbien erlangt. Der Vorwurf wiegt in un-
seren Augen schwer, und der Vorgang muss aufgeklärt
werden.





Parl. Staatssekretärin Brigitte Zypries


(A) (C)



(D)(B)

Der in den Medien dargestellte Sachverhalt wirft noch
zahlreiche Fragen auf. Deswegen müssen wir zunächst
den Sachverhalt klären. Dazu hat das Ministerium seine
nachgeordnete Behörde, das Bundesamt für Wirtschaft
und Ausfuhrkontrolle, beauftragt, den Vorwürfen nach-
zugehen und den Sachverhalt umfassend aufzuklären.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803813500

Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Kollege? – Bitte

schön.


Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803813600

Vielen Dank. – Eigentlich ist die Zusatzfrage relativ

simpel. Heißt das, dass Sie während der Aufklärung
überhaupt keine Rüstungsexportgenehmigungen mehr
für die USA erteilen? Die Frage ergibt sich daraus, dass
das Bundeswirtschaftsministerium mir vor einigen Wo-
chen auf eine Kleine Anfrage schriftlich geantwortet hat
– ich zitiere –:

Bei erwiesenen Verstößen gegen Endverbleibszusi-
cherungen wird die Erteilung von Ausfuhrgenehmi-
gungen für den betreffenden Empfänger

– hier: USA –

grundsätzlich so lange ausgesetzt, bis der Sachver-
halt geklärt und die Gefahr erneuter ungenehmigter
Reexporte ausgeräumt ist.

Wir haben hier erwiesene Verstöße gegen die Endver-
bleibszusicherung. Sie klären noch auf. Insofern wäre
die logische Konsequenz aus dem, was Sie mir geschrie-
ben haben: erst einmal keine Genehmigungen mehr für
die USA.

B
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1803813700


Herr Abgeordneter, ich habe Ihnen gerade vorgetra-
gen, dass der Sachverhalt, wie er in den Medien berichtet
wird, für uns noch zahlreiche Fragen aufwirft und mit
verschiedenen Unsicherheiten behaftet ist. Das betrifft
sowohl die Annahmen zu möglichen Lieferwegen als
auch die in Rede stehenden Stückzahlen der Pistolen, die
aus deutscher Produktion stammen sollen. Deswegen
kann ich Ihnen nicht sagen, dass tatsächlich ein solcher
Verstoß vorliegt. Ich habe Ihnen gerade gesagt und deut-
lich gemacht, dass wir noch nicht hundertprozentig wis-
sen, ob ein solcher Verstoß vorliegt, und deshalb das
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle beauf-
tragt haben, den Vorwürfen nachzugehen und den Sach-
verhalt umfassend aufzuklären. Deswegen kann ich Ihre
Nachfrage nicht mit Ja beantworten, weil sie einen Sach-
verhalt unterstellt, der nicht gegeben ist.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803813800

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.


Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803813900

Frau Zypries, ich gestehe zu, dass es noch ganz viele

Fragen gibt. Die habe ich auch. Die möchte ich auch
gerne beantwortet haben. Sie wissen aber zwei Dinge
ganz sicher:
Erstens. Es gab – das haben Sie mir schriftlich gege-
ben – keine Exportgenehmigung für diese Pistole aus
Deutschland.

Zweitens. Diese Pistole ist jetzt in Kolumbien mit
dem Aufdruck „Made in Germany“; die Fotos haben Sie
gesehen. Das heißt, es ist ein erwiesener Verstoß. Inso-
fern können Sie sich hier nicht herausreden. Wenn Sie
mir schriftlich mitteilen, dass bei erwiesenen Verstößen
bis zur Aufklärung des Sachverhaltes erst einmal ausge-
setzt wird, dann ist doch jetzt der Moment, wo Sie auf-
hören müssten, Exportgenehmigungen für die USA zu
erteilen.

B
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1803814000


Herr Abgeordneter, es bleibt dabei, dass die Wege,
auf denen geliefert wurde, unserer Auffassung nach
nicht hundertprozentig geklärt sind. Deswegen teile ich
Ihre Schlussfolgerung nicht. Ich bitte Sie einfach, einen
Moment zuzuwarten. Dann können wir uns entweder
hier oder bei anderer Gelegenheit gerne wieder darüber
unterhalten.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803814100

Dann kommen wir zur Frage 31 des Kollegen Jan van

Aken:
Wurden seitens der Bundesregierung Genehmigungen für

den Export von Fertigungsunterlagen – Technologieunterla-
gen und Ähnliches – sowie von Komponenten für diese
Pistole in die USA erteilt, und, wenn ja, benötigen die USA
Reexportgenehmigungen für die auf Basis der Fertigungs-
unterlagen produzierten Pistolen sowie für alle Pistolen, die
mit den Komponenten gefertigt wurden?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

B
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1803814200


Genehmigungen für Rüstungsgüter und Rüstungs-
technologie werden nur bei Vorliegen von Endverbleibs-
erklärungen, die grundsätzlich ein Reexportverbot mit
Erlaubnisvorbehalt enthalten, erteilt.

Die Frage zielt im Übrigen auf die Offenlegung des
Inhalts von Ausfuhrgenehmigungen für ein konkretes
Unternehmen ab. Aufgrund des verfassungsrechtlich ge-
währleisteten Schutzes von Geschäfts- und Betriebsge-
heimnissen kann die Bundesregierung dazu keine Aus-
kunft erteilen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803814300

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803814400

Frau Zypries, das meinen Sie nicht ernst, oder? Sie

wissen – Sie waren selbst einmal im Bereich der Juriste-
rei tätig –, dass es, wenn dort steht: „grundsätzlich nur
mit Reexportgenehmigung“, dann nicht heißt „immer“.
Deswegen habe ich konkret nachgefragt, ob es in diesem
einen konkreten Fall, in dem wir illegalerweise deutsche
Pistolen in Kolumbien finden, eine Reexportgenehmi-
gungsverpflichtung für die Lizenzlieferung gab und ob





Jan van Aken


(A) (C)



(D)(B)

es überhaupt eine solche Lizenzvergabe gegeben hat.
Auf beides verweigern Sie jetzt die Antwort. Das kön-
nen Sie nicht ernst meinen. Hier gibt es eigentlich eine
andere Praxis in Ihrem Hause.

B
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1803814500


Sehr verehrter Herr Abgeordneter, da muss ich Ihre
beiden Zusatzfragen mitnehmen und im Hause nachfra-
gen. In meinen Unterlagen hier steht nichts dazu, und ich
weiß es schlicht nicht.


(Jan van Aken [DIE LINKE]: Gut! Wir kommen darauf zurück! Danke!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803814600

Gut, dann ist das so verabredet.

Wir kommen zur Frage 32 der Kollegin Heike
Hänsel:

Wie viele deutsche Pistolen des Typs SIG Sauer SP2022
wurden nach Kenntnis der Bundesregierung unter Bruch der
deutschen Exportrichtlinien nach Kolumbien geliefert oder
weitergeliefert, und von wem bzw. über welchen Weg gelang-
ten die Waffen nach Erkenntnissen der Bundesregierung nach

(www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-waffenexporte-die-kolumbien-connection-1.1976330)


B
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1803814700


Das Ministerium hat nach Bekanntwerden der Vor-
würfe das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkon-
trolle, also eine nachgeordnete Behörde, beauftragt – Sie
haben es eben wahrscheinlich schon bei der Beantwor-
tung der Frage Ihres Kollegen mitbekommen –, den Vor-
würfen nachzugehen und den Sachverhalt umfassend
aufzuklären. Das ist noch nicht abgeschlossen. Deswe-
gen würde ich auch Sie bitten, insoweit zu warten, bis
die Ergebnisse vorliegen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803814800

Gleichwohl haben Sie das Recht zu einer Nachfrage,

Frau Hänsel.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803814900

Danke. – Frau Staatssekretärin, ich habe eine Nach-

frage; denn diese Waffenexporte sind ja mit einer End-
verbleibserklärung verbunden. Meine Frage: Wie prüfen
Sie den Endverbleib? – Offensichtlich sind hier Waffen
weitergeliefert worden; zumindest gab es Genehmigun-
gen für die Ausfuhr der Waffen in die USA, und sie sind
dann in Kolumbien gelandet. Also: In welcher Form prü-
fen Sie denn eigentlich den Endverbleib von Waffen?

B
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1803815000


Wenn wir eine Genehmigung erteilen, dann prüfen
wir den Endverbleib anhand von Informationen, die wir
aus dem jeweiligen Land erhalten. Wenn es Zweifel gibt,
dass die Waffen beim Empfänger verbleiben, dann wer-
den Ausfuhranträge abgelehnt. Aber wir können natür-
lich nicht, wenn wir Ausfuhren einmal genehmigt haben,
neben den Waffen stehen bleiben und gucken, was mit
ihnen passiert; das geht nicht. Wir müssen darauf ver-
trauen, dass die Zusicherung eingehalten wird. Wenn sie
nicht eingehalten wird, passiert genau das, was der Kol-
lege van Aken eben zitiert hat: Dann werden keine neuen
Ausfuhrgenehmigungen mehr erteilt. Das heißt, die
Strafe, wenn Sie so wollen, folgt erst mit dem nächsten
Antrag. Wie sollten wir ansonsten in einem Land, in das
einmal exportiert wurde, etwas vollziehen?


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803815100

Haben Sie eine weitere Nachfrage?


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803815200

Ja. – Mich würde des Weiteren interessieren: Wie

kann es denn sein, dass zum Beispiel Journalisten und
die Medien mehr über den Endverbleib von Waffen wis-
sen als die Bundesregierung, die diese Waffenexporte
genehmigt? Wie erklären Sie sich das?

B
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1803815300


Ich weiß nicht, was Sie jetzt damit meinen. Es kann ja
nur so sein, dass irgendjemand einer bestimmten Waffe
hinterherrecherchiert. Das macht aber die Bundesregie-
rung nicht, wie ich gerade gesagt habe. Wir vertrauen
darauf, dass sich unsere Vertragspartner vertragsehrlich
verhalten. Es gibt beim Export ja eine Auflage, und wir
gehen davon aus, dass sie eingehalten wird. Wenn nicht,
dann kann es eben nur Sanktionen geben; das ist wie
auch sonst manchmal im Leben.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803815400

Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Hans-

Christian Ströbele das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Staatssekretärin, dazu habe ich dann doch eine
Zusatzfrage. „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ –
das ist ein alter Grundsatz; Sie kennen ihn wahrschein-
lich auch. Stellen wir uns einmal vor, es gäbe keine Jour-
nalisten: Würden Sie – nicht Sie persönlich, sondern die
Bundesregierung oder die einschlägigen Stellen – dann
nie etwas davon erfahren, wenn sich ein Land nicht an
die Vertragsverpflichtungen hält?

B
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1803815500


Es können sich auch aus anderen Umständen solche
Erkenntnisse ergeben.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Beispiel?)


– Was weiß ich? Man kann sich aber auf alle Fälle an-
dere Umstände vorstellen, unter denen man mitbe-
kommt, dass bestimmte Waffen weitergeliefert wurden,
obwohl sie nicht weitergeliefert werden durften.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803815600

Kollege van Aken hat noch eine Nachfrage.






(A) (C)



(D)(B)


Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803815700

Gestatten Sie mir vor der Nachfrage einen kurzen

Kommentar: Natürlich kann man neben einer Waffe ste-
hen bleiben; die Amerikaner tun das zum Beispiel. Es ist
absolut möglich – auch nach Abgabe einer Endver-
bleibserklärung –, noch Jahre später vor Ort zu kontrol-
lieren, wo eine Waffe geblieben ist. Im Rahmen des so-
genannten Blue-Lantern-Programms der Amerikaner
findet das regelmäßig statt. Sie haben sich politisch ent-
schieden, das nicht zu tun. Das ist aber etwas ganz ande-
res, als zu sagen, man könne es nicht. Sie wollen es
nicht. Das wollte ich nur der Vollständigkeit halber sa-
gen.

Ich habe eine weitere Frage zu dem ganzen Komplex:
Gibt es jetzt eigentlich Ermittlungen der Staatsanwalt-
schaft?

B
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1803815800


Das weiß ich nicht.


(Jan van Aken [DIE LINKE]: Das würde ich gerne ganz dringend wissen, denn da liegt ein Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz vor!)


– Wir sind ja im Moment, wie ich Ihnen schon sagte, an
dem Punkt, dass das Bundesamt die Frage klärt, was da
eigentlich passiert ist, und den Sachverhalt ermittelt.


(Jan van Aken [DIE LINKE]: Aber die muss doch eingeschaltet werden!)


Man könnte selbstverständlich parallel dazu einen
Antrag bei der Staatsanwaltschaft stellen; das wäre si-
cherlich möglich. Es würde zwar nichts passieren, weil
die warten würde, bis das Bundesamt den Sachverhalt
richtig ermittelt hat, aber nichtsdestotrotz will ich gerne
klären, ob so etwas schon einmal gemacht wurde. –
Danke schön.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803815900

Ich rufe nun die Frage 33 der Kollegin Heike Hänsel

auf:
Gedenkt die Bundesregierung, vom US-Außenministe-

rium eine Erklärung über die Nichteinhaltung der Endver-
bleibserklärung im Zusammenhang mit den ursprünglich an
die US-Armee gelieferten deutschen Waffen des Typs
SIG Sauer SP2022 und nach Kolumbien ohne Genehmigung
des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle

(BAFA) gelangten Waffen zu verlangen, und hat die Bundes-

regierung die US-Armee folgerichtig nun von der Belieferung
mit weiteren Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen

(www.sueddeutsche.de/ wirtschaft/deutsche-waffenexporte-die-kolumbien-connection1.1976330)


B
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1803816000


Frau Abgeordnete, wir wollen – wie ich das eben be-
reits mehrfach sagte – den Sachverhalt zunächst aufklä-
ren. Dann werden wir die entsprechenden Schlussfolge-
rungen ziehen.

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803816100

Ihre erste Nachfrage.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803816200

Danke schön, Frau Staatssekretärin. – Ich habe also

jetzt gelernt, dass die Bundesregierung nicht sehr gut
über den Endverbleib von Waffen, für die sie die Export-
genehmigung erteilt hat, informiert ist. Es gibt viele
Maßnahmen, um solche Vorgänge zu kontrollieren. Es
könnte ein regelmäßiger Mechanismus eingeführt wer-
den.

Nach Ihren Aussagen werden jetzt Nachforschungen
von der nachgeordneten Behörde eingeleitet. Meine kon-
krete Frage lautet: Wenn sich jetzt herausstellen sollte,
dass die Waffen von den USA weitergeliefert wurden,
wird die Schlussfolgerung dann sein, dass es keine Aus-
fuhrgenehmigungen mehr geben wird? Und wird es
Sanktionen gegenüber der US-Regierung geben?

B
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1803816300


Wenn der Sachverhalt aufgeklärt ist, dann werden wir
entscheiden, was wir tun. Genau so ist es.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803816400

Ihre zweite Frage.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803816500

Ich habe noch eine generelle Frage. Gibt es eigentlich

eine rechtliche Verpflichtung deutscher Rüstungsunter-
nehmen, zu melden, wenn sie selbst Hinweise auf Zuwi-
derhandlungen in Bezug auf die Endverbleibserklärung
haben? Wie wird gegebenenfalls eine Unterlassung, also
wenn die Unternehmen dies nicht melden, sanktioniert?

B
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1803816600


Diese Frage kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten.
Die Frage müssen wir schriftlich beantworten.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803816700

Gut, das halten wir so fest. – Danke.

Ich rufe die Frage 34 des Kollegen Hans-Christian
Ströbele auf:

Inwieweit trifft es zu, dass der Bundessicherheitsrat in sei-
ner Sitzung am 7. Mai 2014 nicht auf Widerstand des Bundes-
ministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, hin

(„das mache ich nicht“) „fast zwei Drittel Exportanträge“ für

Rüstungsgüter „abgelehnt“ hat, sondern die meisten und heik-
len Exportbeschlussvorlagen lediglich von der Tagesordnung
abgesetzt hat mit der Folge, dass für Juni 2014 eine neuerliche
Sitzung vorgesehen ist und derzeit über 200 Vorlagen unbe-

(vergleiche den Spiegel vom 26. Mai 2014, Seite 28)

gierung die Genehmigungspraxis gestalten, wenn das
Bundesverfassungsgericht die derzeitige Praxis auf meine
Verfassungsklage hin beanstandet, und insbesondere die vom
Deutschen Bundestag am 8. Mai 2014 verlangte rasche Unter-
richtung über Rüstungsexportentscheidungen über eine Ände-
rung der Geschäftsordnung hinaus regeln?

Bitte, Frau Staatssekretärin.






(A) (C)



(D)(B)

B
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1803816800


Herr Ströbele, Sie wissen ja, dass der Bundessicher-
heitsrat geheim tagt und dass der Deutsche Bundestag
über die abschließenden Genehmigungsentscheidungen
informiert wird. Das Kabinett hat dazu heute eine neue
Geschäftsordnung beschlossen, sodass der Deutsche
Bundestag künftig schneller informiert werden wird.

Wie Ihre Klage vor dem Bundesverfassungsgericht
ausgehen mag, darüber möchte ich jetzt nicht spekulie-
ren. Wenn uns die Entscheidung vorliegt, werden wir
uns selbstverständlich danach richten, soweit sich aus
dieser Entscheidung Verpflichtungen für die Bundesre-
gierung ergeben sollten.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803816900

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Danke. – Ich habe in meiner Frage ja zitiert, dass „fast
zwei Drittel der Exportanträge“ für Rüstungsgüter „ab-
gelehnt“ wurden. Können Sie sagen, ob darunter auch
Exportanträge gewesen sind, für die schon vorher eine
Genehmigung vorgelegen hat bzw. über die schon eine
Vorentscheidung getroffen wurde?

B
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1803817000


Nein, das kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich keine
Auskünfte aus den Sitzungen des Bundessicherheitsrates
geben darf; jenseits der Tatsache, dass ich nicht dabei
war.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803817100

Ihre zweite Nachfrage.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe noch eine allgemeine Frage, die Sie mir ver-
mutlich auch nicht beantworten können. Ich habe heute
einen Brief vom Bundesverfassungsgericht bekommen,
in dem auf die Antwort der Bundesregierung auf eine
Frage des Kollegen van Aken Bezug genommen worden
ist. Darin heißt es, dass die Entscheidung der jeweiligen
Bundesregierungen aus den vergangenen Jahren angeb-
lich für die spätere Lieferung, für die Endentscheidung
verbindlich sein sollen. Ist das zutreffend?

B
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1803817200


Ich verstehe die Frage nicht. Die Entscheidungen sol-
len verbindlich sein?


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt ja eine Voranfrage, eine Genehmigung und
dann gibt es noch einmal – –
B
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1803817300


Sie meinen, dass die Entscheidungen über die Voran-
fragen verbindlich sind?


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ja, die Vorentscheidungen.

B
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1803817400


Die Voranfragen haben natürlich eine Bindungswir-
kung, sonst gäbe es sie nicht. Sie sind selber Jurist und
wissen das deshalb eigentlich auch. Natürlich können sie
geändert werden, es sind ja nur Voranfragen. Sie können
dann geändert werden, wenn sich die Verhältnisse in
dem Land, in das exportiert werden soll, geändert haben
oder wenn Besorgnis besteht, dass dort Menschenrechts-
verletzungen und Ähnliches begangen werden.

Dann wird das erneut überprüft.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sonst nicht?)


– Nein.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803817500

Kollege Ströbele, ich bitte, jetzt nicht ins Zwiege-

spräch einzutreten, so spannend das auch sein mag.


(Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin: Das konnten wir schon immer gut!)


Der Kollege van Aken hat die Möglichkeit zu einer
Zusatzfrage. Dann wird die Informationsübermittlung
hier sicherlich funktionieren.


Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803817600

Es ist richtig gemein, dass mir meine Frage als Zu-

satzfrage angerechnet wird; denn der Kollege Ströbele
hatte die Frage schon schriftlich gestellt.

Ich frage Sie jetzt noch einmal ganz einfach: Ist es
richtig, dass im Juni wieder eine Sitzung des Bundes-
sicherheitsrates stattfindet? Heute Morgen hat das Kabi-
nett neue Transparenzregeln für den Bundessicherheits-
rat beschlossen. Heute Mittag haben wir eine Liste der
Entscheidungen des Bundessicherheitsrates erhalten. Es
gibt in Sachen Transparenz ja einen neuen Wind, so
schwach er auch sein mag; deswegen frage ich: Das Da-
tum der nächsten Sitzung des Bundessicherheitsrates
dürfen Sie mir doch nennen?

B
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1803817700


Nein.


(Jan van Aken [DIE LINKE]: Das glaube ich Ihnen nicht!)


Bis jetzt war es Usus, dass man es nicht sagen darf. Fakt
ist wenigstens, dass ich es nicht sagen kann, weil ich es
nicht weiß.






(A) (C)



(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803817800

Mit dieser Klarstellung sind wir am Ende der Fragen

des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Wirt-
schaft und Energie, die hier mündlich beantwortet wer-
den.

Die Frage 35 des Kollegen Christian Kühn soll
schriftlich beantwortet werden. Die Fragen 36 und 37
der Kollegin Dr. Julia Verlinden werden entsprechend
unseren Richtlinien schriftlich beantwortet. Für diejeni-
gen auf den Besuchertribünen, die sich jetzt fragen, was
das heißt, sage ich: Der Gegenstand dieser Fragen ist
noch Gegenstand von Debatten in dieser Sitzungswoche
des Bundestages. Deshalb werden sie in der Fragestunde
nicht beantwortet.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 5. Juni 2014,
9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen viel
Erfolg für all Ihre Vorhaben am heutigen Tag.