Protokoll:
18037

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 37

  • date_rangeDatum: 23. Mai 2014

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 10:45 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:30 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/37 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 37. Sitzung Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 19: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes über Leistungs- verbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungs- verbesserungsgesetz) Drucksachen 18/909, 18/1489 . . . . . . . 3179 A – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/1490. . . . . . . . . . . . . . . 3179 B b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwi- ckau), Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Erwerbs- minderungsschutzes Drucksachen 18/9, 18/1489 . . . . . . . . . . . 3179 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Vollständige Gleich- stellung und gerechte Finanzierung der Kindererziehungszeiten in der Rente umsetzen – Mütterrente ver- bessern – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Rentenniveau an- heben, Leistungen verbessern und die wesentlichen Ursachen für sin- kende Renten und Altersarmut be- kämpfen Drucksachen 18/765, 18/767, 18/1489 . . . 3179 B Andrea Nahles, Bundesministerin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3179 D Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . 3180 D Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 3182 D Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . 3183 D Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 3184 B Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3184 D Dr. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 3186 C Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . 3187 C Michael Gerdes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3188 D Stephan Stracke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 3189 C Dr. Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 3190 B Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3191 B Dr. Hans-Joachim Schabedoth (SPD) . . . . . . 3191 D Dr. Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 3192 A Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) . . . . . . . 3192 B Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3193 A Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 3193 C Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . 3194 C Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 3194 D Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) . . . . . . . 3195 A Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 Namentliche Abstimmungen . . . . . . . 3195 D, 3196 A, 3196 B, 3203 D Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3196 C, 3198 B, 3201 A, 3205 D Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Besonderen Ausgleichsregelung für stromkosten- und handelsintensive Unternehmen Drucksache 18/1449 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3204 C Wolfgang Tiefensee (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 3204 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 3208 A Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 3209 A Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3210 C Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3211 C Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3213 C Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 3215 A Wolfgang Tiefensee (SPD) . . . . . . . . . . . . . 3215 D Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 3216 D Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3217 D Florian Post (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3219 B Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 3220 C Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3220 D Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung des von den Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Ulla Jelpke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Grundgesetzes (Einführung der dreistufigen Volksgesetz- gebung in das Grundgesetz) und zur Ein- führung eines Gesetzes über das Verfahren bei Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheid (Bundesabstimmungsgesetz) und zur Änderung weiterer Gesetze Drucksache 18/825 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3222 B Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . 3222 C Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 3224 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 3225 A Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3226 D Dr. Lars Castellucci (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 3228 B Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 3230 A Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . 3231 C Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 3232 A Tagesordnungspunkt 22: Antrag der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner, Kai Gehring, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Qualität in der frühkindlichen Bildung fördern Drucksache 18/1459 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3233 B Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3233 B Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . 3234 C Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 3236 B Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3237 B Christina Schwarzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 3238 D Svenja Stadler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3240 A Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 3241 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3242 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 3243 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frank Junge, Thomas Jurk, Daniela Kolbe, Steffen-Claudio Lemme, Jeannine Pflugradt, Dr. Simone Raatz und Susann Rüthrich (alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Roland Claus, Klaus Ernst, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Katrin Kunert, Azize Tank, Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Birgit Wöllert, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE zum Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesse- rungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 19 a) . . . . 3243 D Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzli- chen Rentenversicherung (RV-Leistungsver- besserungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 19 a) 3244 A Veronika Bellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 3244 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 III Norbert Brackmann (CDU/CSU) . . . . . . . . 3245 A Klaus Brähmig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 3245 B Thomas Dörflinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . 3245 D Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . 3246 B Helmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 3246 D Mark Helfrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 3246 D Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 3247 B Philipp Graf Lerchenfeld (CDU/CSU) . . . . 3247 D Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 3248 A Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) . . . . . . 3248 C Jan Metzler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 3248 D Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU). . . . 3249 A Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/ CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3249 B Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU) . . . . . . . 3249 C Dr. Andreas Nick (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 3249 D Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 3250 C Kerstin Radomski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 3251 B Josef Rief (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 3251 C Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . 3251 D Christel Voßbeck-Kayser (CDU/CSU) . . . . 3252 A Kai Whittaker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 3252 B Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Maik Beermann, Philipp Mißfelder, Florian Oßner, Jana Schimke, Jens Spahn, Nina Warken und Emmi Zeulner (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV- Leistungsverbesserungsgesetz) (Tagesordnungs- punkt 19 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3252 C Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Steffen Bilger, Steffen Kanitz, Jana Schimke, Jens Spahn und Dr. Wolfgang Stefinger (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes über Leistungsver- besserungen in der gesetzlichen Rentenversi- cherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 19 a) . . . . . . . . . . . . . . 3253 B Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Mark Hauptmann, Dr. Heribert Hirte, Carsten Körber, Marian Wendt und Klaus-Peter Willsch (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstim- mung über den von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesse- rungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 19 a) . . . . 3253 D Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Katrin Albsteiger, Dr. Stefan Heck und Johannes Steiniger (alle CDU/CSU) zur na- mentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf ei- nes Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV- Leistungsverbesserungsgesetz) (Tagesordnungs- punkt 19 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3254 B Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke und Monika Lazar (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur na- mentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf ei- nes Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV- Leistungsverbesserungsgesetz) (Tagesordnungs- punkt 19 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3254 D Anlage 9 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3255 D Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3179 (A) (C) (D)(B) 37. Sitzung Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 Beginn: 10.45 Uhr
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3243 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 23.05.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 23.05.2014 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.05.2014 Dr. Brunner, Karl-Heinz SPD 23.05.2014 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 23.05.2014 Dr. Fabritius, Bernd CDU/CSU 23.05.2014 Dr. Finckh-Krämer, Ute SPD 23.05.2014 Gabriel, Sigmar SPD 23.05.2014 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 23.05.2014 Gohlke, Nicole DIE LINKE 23.05.2014 Groß, Michael SPD 23.05.2014 Hochbaum, Robert CDU/CSU 23.05.2014 Ilgen, Matthias SPD 23.05.2014 Kampeter, Steffen CDU/CSU 23.05.2014 Keul, Katja BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.05.2014 Dr. Lamers, Karl A. CDU/CSU 23.05.2014 Dr. Launert, Silke CDU/CSU 23.05.2014 Lemke, Steffi BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.05.2014 Mattfeldt, Andreas CDU/CSU 23.05.2014 Dr. Neu, Alexander S. DIE LINKE 23.05.2014 Petzold, Ulrich CDU/CSU 23.05.2014 Schavan, Annette CDU/CSU 23.05.2014 Dr. Schockenhoff, Andreas CDU/CSU 23.05.2014 Schwabe, Frank SPD 23.05.2014 Schwarz, Andreas SPD 23.05.2014 Silberhorn, Thomas CDU/CSU 23.05.2014 Thönnes, Franz SPD 23.05.2014 Ulrich, Alexander DIE LINKE 23.05.2014 Vaatz, Arnold CDU/CSU 23.05.2014 Dr. Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 23.05.2014 Werner, Katrin DIE LINKE 23.05.2014 Ziegler, Dagmar SPD 23.05.2014 Zimmermann (Zwickau), Sabine DIE LINKE 23.05.2014 Zöllmer, Manfred SPD 23.05.2014 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frank Junge, Thomas Jurk, Daniela Kolbe, Steffen-Claudio Lemme, Jeannine Pflugradt, Dr. Simone Raatz und Susann Rüthrich (alle SPD) zur namentlichen Abstim- mung über den Änderungsantrag der Abgeord- neten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Roland Claus, Klaus Ernst, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Katrin Kunert, Azize Tank, Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Birgit Wöllert, Pia Zimmermann und der Frak- tion DIE LINKE zum Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzli- chen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbes- serungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 19 a) Mit dem RV-Leistungsverbesserungsgesetz gelingt es uns, die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversiche- rung für Millionen Menschen zu verbessern. Wir wert- schätzen damit die Lebensleistung dieser Menschen. Das RV-Leistungsverbesserungsgesetz ist der erste renten- politische Schritt der Großen Koalition. Im Koalitions- vertrag ist zudem die Einführung einer solidarischen Le- bensleistungsrente zur Vermeidung von Altersarmut und ein Rentenüberleitungsabschlussgesetz zur Angleichung der Rentensysteme in Ost und West festgeschrieben. Mit letzterem werden auch die Entgeltpunkte in Ost und West angeglichen. Der Vorschlag der Linken ist an die- Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 3244 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 (A) (C) (D)(B) ser Stelle unsystematisch, da er sich auf die Entgelt- punkte von Kindererziehungszeiten beschränkt. Der Weg der Großen Koalition ist der bei weitem sachgerechtere. Deshalb lehnen wir den Änderungsantrag der Linken ab. Gleichzeitig werden wir uns weiterhin für eine zü- gige und sachgerechte Angleichung der Rentensysteme in Ost und West einsetzen. Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf ei- nes Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leis- tungsverbesserungsgesetz) (Tagesordnungs- punkt 19 a) Veronika Bellmann (CDU/CSU): Für Arbeiter, die nach 45 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können, ist die Rente mit 63 eine gute Nachricht. Auch Mütter ha- ben es verdient, beachtet zu werden. Das Rentenpaket hat aber nicht nur Gewinner, da die große Mehrheit der Beitragszahler nichts davon hat. Sie verlieren doppelt – sie zahlen mehr ein, aber bekommen weniger heraus. Immerhin soll das gesamte Rentenpaket in den kommenden 16 Jahren bis 2030 bis zu 200 Millio- nen Euro kosten. Das ist ein erheblicher Belastungsfaktor für die junge Generation, zumal von der abschlagsfreien Rente mit 63 lediglich Menschen der Geburtsjahrgänge bis 1964 profitieren. Das Rentenzugangsalter in Deutschland wird sinken, was der demografischen Lage und dem Fachkräftemangel absolut zuwiderläuft. Die Arbeitgeber in diesem Lande haben zurecht nicht nur wegen der ausbleibenden Beitragssatzung mit höhe- ren Lohnzusatzkosten zu kämpfen, ihnen entziehen die Rentenmaßnahmen auch noch die guten, erfahrenen Ar- beitskräfte. Unternehmen werden Mühe haben, die Älte- ren zu halten, wenn diese abschlagsfrei in Rente gehen können. Die abschlagsfreie Rente mit 63 steht völlig im Gegensatz zu allen Anstrengungen, die in den achtziger Jahren unternommen wurden, um die Folgen des demo- grafischen Wandels zu lindern. Insofern ist die Rente mit 63 eine erhebliche Rolle rückwärts. Bei der politisch durchaus umstrittenen Möglichkeit, nach 45 Beitragsjahren bereits ab 63 eine abschlagsfreie Rente beantragen zu können, ist es aber wenigstens ge- lungen, in den Nachverhandlungen durch eine Stichtags- regelung neue Frühverrentungsanreize zu unterbinden. Dennoch ist die gesamte Anrechnungsregel, insbe- sondere die der Arbeitslosigkeitszeiten, außerordentlich fragwürdig. Bei der bisherigen Regel der abschlags- freien Rente mit 65 war die Anrechnungszeit der Ar- beitslosigkeit prinzipiell bewusst ausgenommen, da man damit juristische Probleme verhindern wollte. Allerdings dürften die großzügige Anrechnung von Zeiten der Ar- beitslosigkeit insbesondere Arbeitnehmern in den neuen Ländern zugutekommen, die erheblich häufiger und län- ger mit Arbeitslosigkeit konfrontiert waren als in den al- ten Bundesländern. Positiv anzumerken ist hier ledig- lich, dass auch die Zeiten der Pflichtbeitragszahlungen selbstständiger Handwerker einbezogen wurden und bei Arbeitslosigkeit kurz vor dem Renteneintritt durch Insol- venz differenziert wird. In letzter Minute noch ins Rentenpaket eingetragen wurden erste Regelungen zur sogenannten Flexirente. Dadurch soll das Arbeiten nach Erreichen der Regelal- tersgrenze vereinfacht werden. Durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen Ar- beitgeber und Arbeitnehmer während des laufenden Ver- trages kann ein Arbeitsverhältnis auch über das Errei- chen der Regelaltersgrenze hinaus verlängert werden. Eine solche Verlängerung ist auch mehrfach möglich. Das ist der absolut richtige Ansatz, denn wir müssen den Ausstieg aus dem Arbeitsleben flexibilisieren, und auch ein Arbeiten über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus muss sich lohnen für Arbeitgeber und Arbeitneh- mer, die das so wollen. Die Bildung einer Arbeitsgruppe, die weitere Ansätze zur Verbesserung des geltenden Rechts für flexible Übergänge in den Ruhestand erarbei- ten soll, ist zu begrüßen. Dies gilt auch für die Verbesse- rung der Erwerbsminderungsrente und die Anhebung des Reha-Budgets. Das sind wichtige Maßnahmen, die auch für künftige Generationen die Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung gewährleisten. Wer wegen Krankheit vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden muss oder nicht mehr voll arbeiten kann, ist in ganz be- sonderem Maße auf die Solidarität der Versichertenge- meinschaft angewiesen. In der Regel könnten die Betrof- fenen sonst weder mit einer üppigen Rente rechnen noch an ihrer Erwerbssituation etwas ändern. Mir der verbesserten Anerkennung der Erziehungs- leistung in der Rente, der sogenannten Mütterrente, löst die Union eines ihrer wichtigsten Wahlversprechen ein. Ab 1. Juli 2014 wird für jedes vor 1992 geborene Kind ein zusätzliches Jahr Kindererziehungszeiten in der Rente gutgeschrieben. Damit werden anstelle von bisher einem nun zwei Jahre Kindererziehungszeiten angerech- net. Wer bereits Rente bezieht, erhält für jedes vor 1992 geborene Kind monatlich einen pauschalen Rentenzu- schlag von 28,61 Euro (West) bzw. 26,39 Euro (Osten). Dieser Betrag wird jedes Jahr zum 1. Juli um den Pro- zentsatz erhöht, um den die Rentenbeiträge generell an- gehoben werden. Wer noch aktive/r Arbeitnehmer/in ist, erhält für jedes vor 1992 geborene Kind einen Entgelt- punkt zusätzlich auf seinem Rentenkonto gutgeschrie- ben. Damit konnten wir die Gerechtigkeitslücke zwar nicht ganz, aber doch ein wesentliches Stück schließen. Allerdings kritisiere ich die Art und Weise der Finanzie- rung. Bislang wurden Kindererziehungszeiten, wenn sie von der gesetzlichen Rentenversicherung honoriert wur- den, immer als gesamte gesellschaftliche Leistung aus Steuermitteln finanziert. Bei der Mütterrente ist das nicht der Fall. Sie wird im Wesentlichen aus Beitrags- mitteln bezahlt, also aus der ökonomischen Leistungsfä- higkeit der Sozialversicherungspflichtigen bis zu Bei- tragsbemessungsgrenzen in der Rentenversicherung. Erst ab 2019 gibt es einen kleinen, bis auf 2 Milliarden Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3245 (A) (C) (D)(B) Euro anwachsenden Steuerzuschuss. Das halte ich für ei- nen absoluten Konstruktionsfehler. Insgesamt ist die Finanzierung des Rentenpaketes ein Wagnisunternehmen. Flexirente, Mütterrente, Erwerbsmin- derungsrente und Dynamisierung der Reha-Leistungen sind eindeutig positive Maßnahmen, die bei der guten Kassenlage der Rentenversicherungen und der derzeiti- gen Konjunktur auch deshalb finanziell verkraftbar sind, weil jetzt noch die geburtenschwachen Jahrgänge in Rente gehen. Das bedeutet, dass von der Ausgabenseite her kein Druck auf die Sozialkassen besteht und die erfreuliche Entwicklung am Arbeitsmarkt große Beitragsüber- schüsse in alle Sozialkassen gespült hat. Die werden aber relativ bald, vermutlich schon in vier Jahren, aufge- zehrt sein, unter anderem durch die abschlagsfreie Rente mit 63. Was dann passiert, wenn durch den Rentenein- tritt der Babyboomer-Generation der eigentliche Alters- schub einsetzt, das hat die Bundesarbeitsministerin Nahles aus ihrer Kalkulation völlig ausgeblendet. Insofern ist das Rentenpaket leider kein Beispiel für Nachhaltigkeit in der Politik. Somit ist es mir außeror- dentlich schwer gefallen, dem Rentenpaket meine Zu- stimmung zu geben. Norbert Brackmann (CDU/CSU): Die Regelung der abschlagsfreien Rente mit 63 Jahren halte ich für nicht vertretbar und ungerecht. Sie konterkariert die Rente mit 67 Jahren erheblich und passt aufgrund der Demografie gar nicht in unsere Zeit. Wir werden im Durchschnitt immer älter, und weil wir auch immer we- niger werden, müssen wir länger arbeiten. Die Bürger haben dies verstanden. Sie geht unter anderem zulasten der jüngeren Generation, die ohnehin länger arbeiten muss und geringere Rentenansprüche hat. Sie setzt aber nicht nur die Generationengerechtigkeit aufs Spiel, son- dern kann zu Spannungen zwischen jungen und alten Menschen beitragen. Auch aus ökonomischen Gesichtspunkten ist die Rente mit 63 Jahren falsch. Zahlreiche Unternehmen ha- ben auf die Facharbeiterproblematik hingewiesen, die wegen einer Frühverrentungswelle drohen kann. Als Haushaltspolitiker, der die Interessen aller Bürge- rinnen und Bürger als auch die Haushaltslage Tag für Tag im Blick haben muss, kann ich die Kosten, die auf den Bundeshaushalt voraussichtlich nach dem Griff in die Rentenkasse zukommen werden, nicht mittragen. Aufgrund der weiteren Maßnahmen im Gesetz, na- mentlich der Behebung der Ungleichbehandlung von Müttern bei der Rente – Mütterrente –, den Verbesserun- gen bei der Erwerbsminderungsrente und unter dem Gesichtspunkt der übergeordneten Interessen der Regie- rungsfähigkeit stimme ich namentlich dem RV-Leistungs- verbesserungsgesetz zu. Klaus Brähmig (CDU/CSU): Nach langen Wochen des Ringens haben sich CDU/CSU und SPD diese Wo- che über strittige Einzelheiten des großen Rentenpakets geeinigt. Die Mütterrente war mir und den Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion ein wichtiges Anliegen. In Zukunft werden Mütter von Kindern, die vor 1992 geboren wur- den, ein zusätzliches Erziehungsjahr in der Rente aner- kannt bekommen. Das ist eine gute Lösung; denn zu der damaligen Zeit existierte kein breites Netz aus Kinderbe- treuungseinrichtungen, das diesen Frauen erlaubt hätte, berufstätig zu sein und somit für die Rente vorzusorgen. Bei der Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren haben wir eine Lösung gefunden, in der nun Zeiten des Ar- beitslosengeldbezugs ohne zeitliche Beschränkung ange- rechnet werden. Gleichzeitig wurde erreicht, dass die letzten beiden Jahre vor der Rente mit 63 dabei aller- dings nicht mehr mitgezählt werden. So haben wir ver- hindert, dass Arbeitnehmer sich mit 61 arbeitslos melden können und nach zwei Jahren Arbeitslosengeld dann mit 63 nahtlos in die Rente übergehen. Ausgenommen von der individuellen Stichtagsregel gegen die Frühverren- tung sind Arbeitnehmer, die von der Insolvenz ihres Un- ternehmens oder der Geschäftsaufgabe betroffen sind. Weiterhin ist gewährleistet, dass auch freiwillig Versi- cherte, insbesondere selbstständige Handwerker, die nach 18 Jahren Pflichtbeitragszahlung in die freiwillige Versicherung gewechselt sind, nun von der Rente mit 63 profitieren können. Durch den massiven Einsatz des Wirtschaftsflügels der CDU/CSU-Fraktion wurde die sogenannte Flexi- rente ins Rentenpaket aufgenommen. In Zukunft können Arbeitnehmer, die die Regelarbeitszeitgrenze erreicht haben, beim selben Arbeitgeber auch mit einem befriste- ten Arbeitsvertrag weiterbeschäftigt werden. Damit kommt die Koalition nicht nur den Wünschen vieler Ar- beitnehmer entgegen, die sich mit 65 zu fit für die Rente fühlen. Diese Regel ist auch eine Maßnahme gegen den Facharbeitermangel, der infolge der demografischen Entwicklung auf Deutschland zukommt. Angesichts der oben genannten Änderungen kann mit der jetzt beschlos- senen Regelung zur Rente mit 63 die befürchtete Früh- verrentungswelle verhindert werden. Aus den oben genannten Gründen stimme ich dem Rentenpaket der Bundesregierung zu. Ich glaube, dass die CDU/CSU-Fraktion durch ihr vehementes Eintreten eine Reform verhindert hat, die meine Zustimmung nicht mehr erhalten hätte. Die Tatsache, dass hier konsumtive Ausgaben erhöht werden und die Finanzierung stärker von der kommenden Generation getragen werden muss, macht mir meine Zustimmung grundsätzlich nicht ein- fach. Da die CDU/CSU-Fraktion sich innerhalb der Ge- setzgebung aber bei wichtigen Punkten über die eher nicht zufriedenstellenden Ergebnisse aus den Koalitions- verhandlungen durchsetzen konnte, stimme ich dem Ge- setz zu. Koalitionstreue ist dabei für mich ein wichtiges Argument. Thomas Dörflinger (CDU/CSU): Nach reiflicher Überlegung werde ich dem oben genannten Gesetz heute meine Zustimmung erteilen. Ausschlaggebend hierfür sind die Neuregelungen im Bereich der Mütterrente, für die ich mich seit Jahren selbst eingesetzt habe, der Ein- stieg in eine flexiblere Altersgrenze – Flexirente – und 3246 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 (A) (C) (D)(B) die Anhebung des Reha-Deckels in der gesetzlichen Rentenversicherung – GRV. Die Regelungen zum abschlagsfreien Renteneintritt mit 63 nach 45 Versicherungsjahren bleiben für mich trotz der durch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion er- zielten Veränderungen gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf sowohl renten- als auch ordnungs- und beitragspolitisch der falsche Weg. Dabei soll nicht ver- kannt werden, dass es Personen gibt, die im fraglichen Alter aus psychischen oder physischen Gründen nicht mehr in der Lage sind, voll am Erwerbsleben teilzuneh- men. Deren berechtigte Interessen wären über eine ver- besserte Erwerbsminderungsrente aber sinnvoller be- rücksichtigt als über die jetzt getroffene Regelung zur Rente mit 63. Der Deutsche Bundestag hat sich im März 2007 mit dem „Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsge- setz“ nach intensiven Beratungen auf die sukzessive Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre ver- ständigt. Dies bleibt hinsichtlich der demografischen Entwicklung in Deutschland und mit Blick auf das Ge- bot der Generationengerechtigkeit der richtige Weg. Mit dem abschlagsfreien Renteneintritt mit 63 nach 45 Versi- cherungsjahren wird dieser Weg mindestens für einen Übergangszeitraum verlassen; die Rechnung dafür be- zahlen kommende Generationen der Beitragszahlenden. Es ist zu erwarten, dass die Europäische Kommission in ihren länderspezifischen Reformempfehlungen schon in Kürze auch die Rentenpolitik in Deutschland unter die Lupe nehmen wird. Angesichts der zu Recht und nicht zuletzt aus Deutschland ausgesprochenen rentenpoliti- schen Mahnungen an die Adresse anderer EU-Mitglied- staaten ist die vorgesehene Regelung zur Rente mit 63 auch unter europapolitischen Gesichtspunkten wenig hilfreich. Ich begrüße die Aufnahme der so genannten Flexi- rente in das Gesamtpaket. Die Diskussion zu diesem Thema zeigt freilich auch, dass es eine Reihe von grund- sätzlichen Fragen an die Rentenpolitik der Zukunft gibt. Die Große Koalition hat leider die Chance nicht genutzt, eine große Rentenreform anzugehen. Mit dem Sockel- rentenmodell der katholischen Sozialverbände hätte dazu mindestens eine solide und durchgerechnete Alter- native zur Debatte gestanden. Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU): Ich stimme dem Rentenpaket zu. Drei von vier Teilen des Kompromisses halte ich ausdrücklich für richtig: Insbesondere die Müt- terrente – stärkere Anrechnung von Zeiten der Erziehung von Kindern, die vor 1992 geboren sind – unterstütze ich mit Nachdruck. Rund 9 Millionen Mütter – in einigen Fällen auch Väter – werden davon zu Recht profitieren und erhalten ab dem 1. Juli für jedes Kind einen zusätzli- chen Rentenpunkt. Sie haben häufiger als heute wegen der Erziehung ihrer Kinder auf Berufstätigkeit verzich- tet, Kindergartenplätze waren seltener, und der berufli- che Wiedereinstieg war deutlich schwieriger als heute. Auch die Aufstockung der Mittel für Rehabilitations- maßnahmen und die Verbesserungen bei der Erwerbs- minderungsrente sind zu begrüßen. Kritisch hingegen sehe ich, gerade vor dem Hinter- grund der demografischen Entwicklung in Deutschland, jenen Teil: die konkreten Regelungen zur abschlagsfreien Rente mit 63 Jahren. Dabei habe ich durchaus Verständnis für die Forderung, dass diejenigen, die 45 Jahre hart ge- arbeitet haben, abschlagsfrei in Rente gehen können. Die nunmehr vorgesehene Regelung geht jedoch deutlich über diese Forderung hinaus – zum Beispiel, indem Zei- ten des Arbeitslosengeldbezugs ohne zeitliche Befris- tung angerechnet werden. Mit der Einführung der abschlagsfreien Rente mit 63 wird deren Auslaufen gleich mit beschlossen. Die ab- schlagsfreie Rente mit 63 gilt nur vorübergehend. Die Altersgrenze wird in den nächsten Jahren wieder schritt- weise auf 65 angehoben. Einige Jahrgänge werden also von der Neuregelung profitieren. Folgende Jahrgänge sowie all diejenigen, die bereits in Rente sind, hingegen nicht. Dies wirft neue Fragen der Gerechtigkeit auf. Ist es beispielsweise fair, dass diejenigen, die nächstes Jahr mit 63 – ohne Abschläge – in Rente gehen werden, deut- lich besser gestellt werden als diejenigen, die im vergan- genen Jahr im Alter von 63 – mit Abschlägen – in Rente gegangen sind? Ich begrüße, dass es der Union gelungen ist, den Ge- setzentwurf in den parlamentarischen Beratungen an ei- nigen Stellen zu verbessern. Beispielsweise soll miss- bräuchlichen Frühverrentungen vorgebeugt werden. Das Rentenpaket ist ein Kompromiss. Teile finden meine ausdrückliche Zustimmung. Andere Teile sehe ich kritisch. Unser parlamentarisches Regierungssystem funk- tioniert nur, wenn die Beteiligten bereit sind, auch Kom- promisse zu schließen und diese dann mitzutragen. Da- rin sehe ich auch einen Teil meiner Verantwortung als Abgeordneter. Helmut Heiderich (CDU/CSU): Mit dem Kompro- miss zum Rentenpaket wird erstmals die Tür zu einer persönlichen Flexibilisierung des Rentenalters aufgesto- ßen. Dies entspricht meiner politischen Vorstellung, den Entscheidungen jedes Einzelnen stärker gerecht zu wer- den. Trotzdem bleibt die Rente mit 63 eine „Rolle rück- wärts“, wie dies der ehemals für die Rente verantwortli- che Minister Franz Münterfering am prominentesten aufgezeigt hat. Diese Regelung privilegiert eine kleine Gruppe, während alle anderen Arbeitnehmer dadurch Nachteile erleiden. Ebenso geben wir den anderen Län- dern Europas, von denen wir seit Jahren eine Verlänge- rung der Lebensarbeitszeit verlangen, damit ein falsches Signal. Die Rente mit 63 wurde aber im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD festgeschrieben. Da ich diese Vereinbarung in ihrer Gesamtheit unterstützt habe, stimme ich dem verbesserten Rentenpaket jetzt trotz die- ser Bedenken zu. Mark Helfrich (CDU/CSU): Als Mitglied des Bun- destagsausschusses für Arbeit und Soziales habe ich zusammen mit vielen anderen Abgeordnetenkolleginnen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3247 (A) (C) (D)(B) und -kollegen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in den letzten Wochen daran gearbeitet, dass beim Rentenpaket mindestens noch zwei entscheidende Veränderungen vorgenommen wurden: Erstens musste eine Frühverren- tungswelle, bei der über den zweijährigen Bezug von Arbeitslosengeld die Menschen de facto schon mit 61 Jahren in Ruhestand hätten gehen können, sicher aus- geschlossen werden. Zweitens brauchte es einen konkre- ten Einstieg in die Flexirente. Denn mit der Flexirente soll der flexible Übergang vom Erwerbsleben in den Ru- hestand sowohl vor als auch nach der Regelaltersgrenze erleichtert werden. Mit dem heutigen Einstieg in die Fle- xirente und dem Entschließungsantrag von CDU/CSU und SPD zur weiteren Ausgestaltung des Flexirenten- Modells senden wir das entscheidende Signal, dass wir nicht vergessen haben, worauf es in einer älter werden- den Gesellschaft ankommt. Beide für mich kritischen Punkte sind Teil des heute zur Abstimmung stehenden Rentenpaketes geworden. Im Ergebnis kann und werde ich dem erzielten Kompro- miss bzw. dem vorliegenden Rentenpaket zustimmen. Dennoch ist es mir wichtig, mit dieser persönlichen Erklärung im parlamentarischen Verfahren festzuhalten, dass ich große grundsätzliche Bedenken bezüglich der Signalwirkung und der Kosten des Rentenpakets habe. Das vorliegende Rentenpaket bedeutet für kommende Generationen eine hohe finanzielle Belastung. Zudem ist und bleibt gerade die Rente mit 63 in einer immer älter werdenden Gesellschaft ein falsches Signal. Sie ist eine Rolle rückwärts, weg von den unstrittig erfolgreichen Reformen, welche vor einigen Jahren mit der Agenda 2010 und der Rente mit 67 gegen große Widerstände durchgeführt wurden. Seitdem hat meines Erachtens ein wichtiger Lernprozess in unserem Land stattgefunden: Die Menschen in Deutschland haben das Prinzip einer längeren Lebensarbeitszeit zunehmend verinnerlicht. Ich verbinde meine heutige Zustimmung zugleich mit der Forderung und Erwartung, dass die Große Koalition zeitnah das Flexirenten-Modell konkret umsetzt sowie massive Anstrengungen zur Sicherung unseres Fachkräf- tebedarfs unternimmt. Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Zusammen mit vie- len anderen Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestags- fraktion habe ich in den letzten Wochen immer gefor- dert, dass es beim Rentenpaket mindestens noch zwei entscheidende Veränderungen geben muss: Erstens muss eine Frühverrentungswelle, bei der über den zweijähri- gen Bezug von Arbeitslosengeld die Menschen schon mit 61 Jahren in Quasi-Rente gehen könnten, sicher aus- geschlossen werden, und zweitens braucht es einen kon- kreten Einstieg in die Flexirente, einen flexibleren Ren- teneintritt. Denn mit der Flexirente senden wir ein sehr wichtiges Signal, dass wir verstanden haben, worauf es in einer älter werdenden Gesellschaft ankommt. Beide Punkte sind Teil des zur Abstimmung stehenden Renten- paketes. Zudem wird verbindlich eine Arbeitsgruppe zur weiteren Ausgestaltung des Flexirenten-Modells einge- setzt. Was wir wirklich brauchen, ist eine flexiblere Handhabung individueller Erwerbsbiografien und damit auch die Möglichkeit, länger zu arbeiten und dafür auch finanziell belohnt zu werden. Durch die getroffenen Ver- einbarungen wird die Entwicklung zur Rente mit 67 zwar verzögert, aber nicht gestoppt. Die Rente mit 63 wird schrittweise wieder zur Rente mit 65. Mit diesem Kompromiss, der Teile unserer Forderun- gen beinhaltet, werde ich dem vorliegenden Rentenpaket zustimmen. Das mache ich in dem Bewusstsein und der Verantwortung, dass in einer Großen Koalition Kompro- misse gemacht werden müssen und nur ein verlässliches Miteinander zur erfolgreichen Umsetzung der im Koali- tionsvertrag getroffenen Vereinbarungen führt. Dennoch ist mir heute wichtig, mit dieser persönli- chen Erklärung im parlamentarischen Verfahren festzu- halten, dass ich große grundsätzliche Bedenken bezüg- lich der Signalwirkung und der Kosten des Rentenpakets habe. Das vorliegende Rentenpaket bedeutet für kom- mende Generationen eine hohe finanzielle Belastung. Zudem ist und bleibt gerade die Rente mit 63 in einer immer älter werdenden Gesellschaft ein falsches Signal. Sie ist eine Rolle rückwärts, weg von den Reformen, welche die CDU/CSU gemeinsam mit den Sozialdemo- kraten vor einigen Jahren mit der Agenda 2010 und der Rente mit 67 gegen große Widerstände durchgesetzt hat. Seitdem hat meines Erachtens ein wichtiger Lernprozess in unserem Land stattgefunden. Arbeitgeber und Arbeit- nehmer haben das Prinzip einer längeren Lebensarbeits- zeit zunehmend verinnerlicht. Die wirtschaftlichen Er- folge dieser Reformen sind nicht von der Hand zu weisen. Die Zustimmung zu dem Rentenpaket ist nur mög- lich, weil es Deutschland im Moment wirtschaftlich so gut geht wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Damit ist dann aber die heutige Verabschiedung dieses Gesetzes gleichzeitig Verpflichtung, Strukturreformen einzulei- ten, die Deutschland wettbewerbsfähiger machen und damit Wachstum ermöglichen. Diese Reformen beinhal- ten nach meinem Dafürhalten auch Änderungen im Pen- sionsrecht. Philipp Graf Lerchenfeld (CDU/CSU): Ich stimme dem Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserun- gen in der gesetzlichen Rentenversicherung mit großen Bedenken zu. Die in dem Gesetzentwurf enthaltenen Regelungen zur Einführung einer abschlagsfreien Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren, bei der Zeiten des Bezugs von Ar- beitslosengeld I unbegrenzt angerechnet werden, halte ich angesichts des demografischen Wandels und eines zunehmenden Fachkräftemangels für ein falsches Signal. Die Verbesserungen, die an dem ursprünglich vorge- legten Gesetzentwurf durch die Verhandlungen in letzter Zeit vorgenommen wurden, veranlassen mich, dem nun- mehr vorliegenden Gesetzentwurf trotz meiner grund- sätzlichen Bedenken zuzustimmen. Diese Änderungen gehen in die richtige Richtung, zeigen aber auch auf, dass wir noch erheblichen Änderungsbedarf für diesen 3248 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 (A) (C) (D)(B) Gesetzentwurf haben, mit dem wir uns in den kommen- den Jahren dringend beschäftigen müssen. Andrea Lindholz (CDU/CSU): Nach schwierigen Verhandlungen haben wir heute das Gesetz über die Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenver- sicherung verabschiedet. Damit kann das Rentenpaket planmäßig zum 1. Juli 2014 in Kraft treten. Die Mütterrente war der Union und mir persönlich ein wichtiges Anliegen. Wer Kinder erzieht, leistet einen es- senziellen Beitrag für unsere Gesellschaft – egal wann die Kinder geboren wurden. Die Anerkennung der Erzie- hungsleistungen vor 1992 mit der Mütterrente ist eine Frage der Gerechtigkeit. Trotzdem ist mir die Zustimmung zu diesem Geset- zespaket nicht leichtgefallen. Unsere Gesellschaft wird immer älter, während wir gleichzeitig immer weniger Kinder bekommen. Diese schleichende Entwicklung stellt unsere Sozialsysteme vor gewaltige Herausforde- rungen. Immer weniger Beitragszahler müssen immer mehr Renten bezahlen. Mit Blick auf die nachkommen- den Generationen müssen wir den demografischen Wan- del verantwortungsbewusst und nachhaltig gestalten. Vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass wir bis zum Jahr 2030 schrittweise die Rente mit 67 einführen. Immer mehr Menschen bleiben auch im Alter leistungs- stark und wollen weiterarbeiten. Unsere schrumpfende Gesellschaft und die deutschen Unternehmen können auf die Leistungsfähigkeit erfahrener Fachkräfte nicht ver- zichten. Dieser richtige Schritt in die Zukunft drohte nun durch die Verkürzung des Rentenalters auf 63 zurückge- setzt zu werden. Dennoch habe ich dem Gesetzespaket heute zuge- stimmt, und zwar aus vier Gründen: Erstens verhindern wir die befürchtete Frühverrentungswelle, indem Zeiten der Arbeitslosigkeit in den beiden Jahren vor dem Ren- teneintritt nicht als Arbeitszeit angerechnet werden. Zweitens setzen wir mit der Flexirente ein wichtiges Si- gnal: Derjenige, der gern länger arbeiten möchte, darf und soll dies in Zukunft auch tun. Der Rente mit 63 steht dadurch die Perspektive der freiwilligen Weiterbeschäf- tigung im Rentenalter gegenüber. Drittens war es uns als CSU wichtig, freiwillige Beitragszahler nicht schlechter- zustellen. Das ist uns mit der Berücksichtigung der frei- willigen Beiträge gelungen. Viertens ist die Rente mit 63 nur ein Übergangsmodell und wird bis zum Jahr 2030 schrittweise zu einer Rente mit 65 umgewandelt. Dieses Rentenpaket stellt unsere Gesellschaft und die künftigen Generationen vor finanzielle Herausforderun- gen. Mit der Mütterrente und den anderen Regelungen des Pakets schließen wir jedoch gravierende Gerechtig- keitslücken in unserem Rentensystem und würdigen die Lebensleistung der Menschen. Die konkreten Verbesse- rungen für Millionen von Bürgerinnen und Bürgern sind gerechtfertigt und daher insgesamt zu begrüßen. Demokratische Politik funktioniert nicht ohne Kom- promissbereitschaft. Selten kann man alle seine Forde- rungen umsetzen. Daher bin ich bereit, diesen insgesamt vernünftigen Kompromiss zur Rente und die Vereinba- rung aus dem Koalitionsvertrag trotz meiner begründe- ten Vorbehalte mitzutragen. Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU): Die Finanzie- rung des Rentenpakets ist nicht nur grundfalsch, sondern sie geht von Annahmen aus, die mit hoher Wahrschein- lichkeit so nicht eintreten werden. Schon heute ist abseh- bar, dass die Beiträge zur Rentenversicherung steigen müssen, und zwar schneller als vor wenigen Jahren noch erwartet. Gleichzeitig werden die Rentenbezüge sinken, und die Rücklagen der Rentenkasse werden bis 2017 aufgebraucht sein. Die abschlagsfreie Rente mit 63 ist einer der Kardi- nalfehler des Rentenpakets; denn sie entzieht dem Ar- beitsmarkt wertvolle Fachkräfte. Diese werden eine Lücke hinterlassen, die aufgrund des demografischen Wandels nur schwer zu schließen sein wird. Viele Unter- nehmen haben schon heute Probleme, offene Stellen zu besetzen. Die Rente mit 63 wird dieses Problem zusätz- lich verschärfen. Umso wichtiger ist es, dass der Rente mit 63 etwas entgegengesetzt wird. Mit der Flexirente ist uns dies ge- lungen – gleichwohl sie die grundsätzlichen Fehler des Rentenpakets nicht aufwiegen kann. Aber die Flexirente sendet ein entscheidendes Signal in einer älter und fitter werdenden Gesellschaft: Derjenige, der im Alter gern freiwillig länger arbeiten möchte, darf dies künftig auch. Das Verbot der Befristung bei Weiterbeschäftigung im Rentenalter wird fallen. Zudem wird sich eine Expertengruppe in den kom- menden Monaten mit der Frage beschäftigen, wie die Flexibilisierung des Übergangs vom Berufsleben in den Ruhestand weiter vorangetrieben werden kann. Die Chance auf einen Paradigmenwechsel in der Rentende- batte ist also da. Wir müssen sie jetzt aber auch nutzen. Jan Metzler (CDU/CSU): Zusammen mit vielen Ab- geordnetenkollegen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion habe ich in den letzten Wochen immer wieder gefordert, dass es beim Rentenpaket mindestens zwei entschei- dende Veränderungen geben muss: Erstens muss eine Frühverrentungswelle, bei der über den zweijährigen Bezug von Arbeitslosengeld die Menschen schon mit 61 Jahren in Quasi-Rente gehen könnten, ausgeschlos- sen werden. Zweitens braucht es ein konkretes Bekennt- nis zur Flexirente, einem flexibleren Renteneintritt. Denn mit der Flexirente senden wir das entscheidende Signal, nämlich dass wir verstanden haben, worauf es in einer älter werdenden Gesellschaft ankommt. Beide Punkte sind nun Teil des zur Abstimmung stehenden Rentenpaketes. Zudem wird verbindlich eine Arbeits- gruppe zur weiteren Ausgestaltung des Flexirenten-Mo- dells eingesetzt. Neben den erwähnten Verbesserungen, unterstütze ich den Passus zur Mütterrente und verstehe darüber hinaus die Forderung, dass diejenigen, die 45 Jahre hart gear- beitet haben, abschlagsfrei in Rente gehen können. Je- doch habe ich grundsätzliche Bedenken in Bezug auf die Kosten, die damit verbundene Frage der Generationen- gerechtigkeit und die Frage nach der Fairness früheren Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3249 (A) (C) (D)(B) und künftigen Rentenjahrgängen gegenüber. Einige Jahr- gänge werden also von der Neuregelung profitieren, Fol- gejahrgänge sowie all diejenigen, die bereits in Rente sind, hingegen nicht. Das Rentenpaket ist ein Kompromiss, dem ich heute zustimme. Dennoch ist es mir wichtig, mit dieser persön- lichen Erklärung im parlamentarischen Verfahren festzu- halten, dass ich grundsätzliche Bedenken zum Rentenpa- ket als Ganzes habe. Jedoch bin ich mir bewusst, dass unser parlamentarisches System nur funktioniert, wenn die Abgeordneten als gewählte Vertreter der Bürgerin- nen und Bürger bereit sind, auch Kompromisse zu schließen und diese dann mitzutragen. Darin sehe ich ei- nen Teil meiner Verantwortung als Abgeordneter. Die Zustimmung zu dem Rentenpaket ist zudem nur möglich, weil es Deutschland im Moment wirtschaftlich so gut geht wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Damit ist dann aber die Verabschiedung des Gesetzes gleichzeitig Verpflichtung, Strukturreformen einzuleiten, die Deutsch- land wettbewerbsfähig erhalten und damit nachhaltiges Wachstum möglich machen. Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Ich stimme dem Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserun- gen in der gesetzlichen Rentenversicherung mit großen Bedenken zu. Die in dem Gesetzentwurf enthaltenen Regelungen zur Einführung einer abschlagsfreien Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren, bei der Zeiten des Bezugs von Ar- beitslosengeld I unbegrenzt angerechnet werden, halte ich angesichts des demografischen Wandels und eines zunehmenden Fachkräftemangels für ein falsches Si- gnal. Gerade die Anrechenbarkeit von Zeiten der Arbeitslo- sigkeit führt zu Fehlanreizen und neuen Ungerechtigkei- ten. Durch deren Einbeziehung entstehen auch Schieflagen etwa gegenüber Landwirten und bestimmten Selbststän- digen, die freiwillige Beiträge in die Rentenkasse be- zahlt haben. Diese Ungerechtigkeiten müssen wir im Blick behalten. Im Ergebnis zeigen diese Schieflagen aber nur, dass wir spätestens in der nächsten Legislaturperiode darauf hinwirken müssen, die Anrechenbarkeit von Zeiten der Arbeitslosigkeit wieder zu beseitigen. Der Generatio- nenvertrag ist sonst in Gefahr. Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf der Bundesregierung über Leistungsver- besserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung – RV- Leistungsverbesserungsgesetz – stimme ich zu. Ich gebe allerdings zu Protokoll, dass ich vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und aus Gründen der Ge- nerationengerechtigkeit die Einführung der abschlags- freien Rente mit 63 Jahren bzw. nach 45 Beitragsjahren sehr skeptisch sehe. Zum einen hat die junge Generation die durch diese Regelung entstehenden Kosten zu tragen. Besonders über die prognostizierte Entwicklung des zukünftigen Rentenniveaus bin ich in diesem Zusammenhang sehr besorgt. Zum anderen schafft die Rente mit 63 Anreize, früher in Rente zu gehen, und gefährdet damit das Ziel der Rente mit 67. Für mich steht außer Frage: Um dem Fachkräftemangel in unserem Land zu begegnen sowie Wachstum und Beschäftigung zu sichern, brauchen wir längere und nicht kürzere Lebensarbeitszeiten. Motivation, dem Gesetzentwurf als Gesamtpaket zu- zustimmen, ist die Einführung der Mütterrente. Ich be- grüße es, dass Mütter von vor 1992 geborenen Kindern eine bessere Anerkennung ihrer Erziehungsleistung in der Rente erhalten. Damit wird eine Gerechtigkeitslücke verkleinert, weil Geburten nach 1992 bislang deutlich besser gestellt waren. Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU): Das Sozialversi- cherungssystem in Deutschland ist weltweit einzigartig und ein Eckpfeiler unserer Sozialen Marktwirtschaft. Mit dem Generationenvertrag haben wir ein Solidarsys- tem zwischen der rentenbeziehenden und der beitrags- zahlenden Generation geschaffen. Dieser Ausgleich ist sinnvoll und funktionierte bisher. Der demografische Wandel bringt aber neue Heraus- forderungen mit sich. Die durchschnittliche Lebenszeit erhöht sich – glücklicherweise – und damit auch die Be- zugsdauer der Rente. Gleichzeitig werden immer weni- ger Kinder geboren. Zudem ändern sich die Altersbio- graphien – Bildung, Arbeit und Privatleben findet nicht mehr vorwiegend sequentiell, sondern parallel statt. Das Rentenpaket, vor allem die Rente mit 63, sendet daher ein falsches Signal und bietet keine Antworten auf die drängenden Zukunftsfragen. Positiv hervorzuheben ist der Einstieg in die Flexirente, die Verhinderung einer Frühverrentungswelle, Verbesserungen bei der Erwerbs- minderungsrente und die Aufstockung des Reha-Bud- gets. Einige dieser dringend notwenigen Verbesserungen konnten erst im letzten Moment und auf Druck einer Gruppe von Abgeordneten erreicht werden, der ich ebenfalls angehöre. Insgesamt gesehen wird mit diesen Maßnahmen aber die Wirtschaft von heute und die Jugend von morgen stark belastet. Die für das Rentenpaket erheblichen finanziellen Mittel stehen nicht für andere dringend er- forderliche Investitionen in Bildung, Forschung oder In- frastruktur zur Verfügung. Die vielfältige Kritik ist daher berechtigt. Dennoch ist das Rentenpaket Bestandteil unseres Ko- alitionsvertrages, mit dem wir für Deutschland eine so- lide Regierung stellen können. Diese Regierung ist not- wendig, damit Deutschland in Europa und der Welt wettbewerbsfähig bleibt und den Standort insgesamt vo- ranbringt. Die Zustimmung zu diesem Gesetzespaket fällt schwer. Dennoch habe ich mich nach Abwägung aller Umstände dazu entschieden, die Mehrheitsentscheidung unserer Fraktion mitzutragen. Erfolgreiche Politik ist am Ende auch immer eine Mannschaftsleistung. Dr. Andreas Nick (CDU/CSU): Meine sehr grund- sätzlichen Bedenken gegen die sogenannte „Rente mit 3250 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 (A) (C) (D)(B) 63“ habe ich bereits unmittelbar nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen im November zum Ausdruck gebracht. Eine – wenn auch vorübergehende – Absen- kung der Altersgrenze, noch dazu unter Anrechnung von Zeiten der Arbeitslosigkeit, für einige wenige Geburts- jahrgänge muss unter dem Gesichtspunkt der Generatio- nengerechtigkeit sowie des Fachkräftemangels am Ar- beitsmarkt als Signal in die falsche Richtung verstanden werden. In dieser Auffassung fühle ich mich auch durch die Ergebnisse der Anhörung im Gesetzgebungsverfah- ren ausdrücklich bestätigt. Daher habe ich alle Bemühungen aus meiner Fraktion unterstützt, zumindest in einigen der ganz besonders kri- tischen Aspekte Veränderungen gegenüber dem ur- sprünglichen Entwurf der Bundesregierung zu erreichen. Zusammen mit vielen anderen Abgeordneten der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion habe ich deshalb in den letzten Wochen immer gefordert, dass es beim Rentenpaket mindestens noch drei entscheidende Veränderungen ge- ben muss: Erstens muss eine Frühverrentungswelle, bei der über den zweijährigen Bezug von Arbeitslosengeld die Men- schen schon mit 61 Jahren in Quasi-Rente gehen könn- ten, sicher ausgeschlossen werden. Zweitens dürfen Zeiten der Selbstständigkeit, für die freiwillige Rentenbeiträge geleistet wurden, nicht grund- sätzlich schlechter gestellt werden als Zeiten der Ar- beitslosigkeit. Drittens ist ein konkreter Einstieg in einen flexibleren Renteneintritt – Flexirente – erforderlich. Vor allem mit der Flexirente senden wir das entschei- dende Signal, dass wir verstanden haben, worauf es in einer älter werdenden Gesellschaft ankommt. Diese Punkte sind nunmehr weitgehend Teil des zur Abstim- mung stehenden Rentenpaketes. Zudem wird verbind- lich eine Arbeitsgruppe zur weiteren Ausgestaltung des Flexirenten-Modells eingesetzt. Durch die getroffenen Vereinbarungen wird die Entwicklung zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit, Rente mit 67, zwar verzögert, aber nicht grundsätzlich gestoppt. Die „Rente mit 63“ wird bis 2029 schrittweise wieder zur „Rente mit 65“ nach 45 Versicherungsjahren. Mit dem nunmehr vorliegenden Kompromiss, der zu- mindest Teile dieser Forderungen berücksichtigt, werde ich dem Rentenpaket in einer Gesamtbeurteilung aller Teilaspekte zustimmen. Ich tue dies in dem Bewusstsein und der Verantwortung, dass in einer Großen Koalition Kompromisse gemacht werden müssen und nur ein ver- lässliches Miteinander zur erfolgreichen Umsetzung der im Koalitionsvertrag getroffenen Vereinbarungen führt. Dennoch ist mir heute wichtig, mit dieser persönli- chen Erklärung im parlamentarischen Verfahren festzu- halten, dass ich weiterhin große grundsätzliche Beden- ken bezüglich der Signalwirkung und der Kosten des Rentenpakets habe: Das vorliegende Rentenpaket bedeutet für kommende Generationen eine hohe finanzielle Belastung. Zudem ist und bleibt gerade die Rente mit 63 in einer immer älter werdenden Gesellschaft ein falsches Signal. Sie ist eine Rolle rückwärts, weg von den Reformen, welche die CDU/CSU gemeinsam mit den Sozialdemokraten vor ei- nigen Jahren mit der Agenda 2010 und der Rente mit 67 gegen große Widerstände durchgesetzt haben. Seitdem hat meines Erachtens ein wichtiger Lernprozess in unse- rem Land stattgefunden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben das Prinzip einer längeren Lebensarbeitszeit zu- nehmend verinnerlicht. Die wirtschaftlichen Erfolge die- ser Reformen sind nicht von der Hand zu weisen. Insbesondere die Unternehmen, die auf die Gefahr ei- nes noch stärker werdenden Fachkräftemangels durch frühere Verrentungen hinweisen, aber auch diejenigen, die vor einer übermäßigen Belastung kommender Gene- rationen warnen, haben gewichtige Argumente auf ihrer Seite. Die Zustimmung zu dem Rentenpaket ist überhaupt nur deshalb möglich, weil es Deutschland im Moment wirtschaftlich so gut geht wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Damit ist dann aber die heutige Verabschiedung dieses Gesetzes gleichzeitig auch Verpflichtung, weitere Strukturreformen einzuleiten, die Deutschland wettbe- werbsfähiger und damit nachhaltiges Wachstum möglich machen. Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU): Der Gesetzent- wurf über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung, über den der Bundestag in seiner heutigen Sitzung abstimmt, besteht als Rentenpaket aus Regelungen zur abschlagsfreien Rente mit 63, zur Müt- terrente, zur Erwerbsminderungsrente und zum Reha- Budget. Ich werde in der 3. Lesung für das Rentenpaket stim- men. Zu dieser Entscheidung bin ich nach reiflicher Überlegung gelangt, da ich für drei der vier Bestandteile des Pakets – nämlich für die vorgeschlagenen Regelun- gen zur Mütterrente, zur Erwerbsminderungsrente und zum Reha-Budget – eintrete. Dagegen sehe ich die Vor- schläge zur Rente mit 63 aus folgenden Gründen kri- tisch: Die abschlagsfreie Rente mit 63 nach 45 Beitragsjah- ren widerspricht dem Grundsatz der Generationenge- rechtigkeit und bedeutet eine teilweise Rücknahme der seit 2005 gemachten Reformschritte zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit unserer Rentensysteme in Deutsch- land. Mit der vorgesehenen Regelung wird das richtige Ziel der Rente mit 67 konterkariert. Nach meiner Auf- fassung wird eine – vor dem Hintergrund der schon jetzt bestehenden Regelungen zur frühzeitigen Rente mit 65 – nur sehr kleine Gerechtigkeitslücke durch eine größere Gerechtigkeitslücke zuungunsten der nachfolgenden Ge- nerationen geschlossen. Die Rente mit 63 setzt auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des bereits bestehen- den Fachkräftemangels in der Wirtschaft ein politisch falsches Signal. Durch die Möglichkeit, frühzeitig in Rente zu gehen, wird der Fachkräftemangel weiter ver- schärft. Wir brauchen gerade ältere Arbeitnehmer und eine insgesamt längere Lebensarbeitszeit, um unser Ren- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3251 (A) (C) (D)(B) tensystem stabil und Deutschland wettbewerbsfähig zu halten. Der Vergleich mit anderen Ländern zeigt, dass die Deutschen den Arbeitsmarkt relativ früh verlassen, obwohl die Lebenserwartung überdurchschnittlich hoch ist. Das Renteneintrittsalter konnte dank der Reformen der letzten Jahre dem internationalen Durchschnitt ange- nähert werden. Die Rente mit 63 bedroht diesen Erfolg. Daher stellt die Rente mit 63 auch ein falsches Signal an unsere europäischen Partner dar. Deutschland steht bislang für eine Politik der Wettbewerbsfähigkeit und der Strukturreformen, um der Staatsschuldenkrise zu be- gegnen. Die Glaubwürdigkeit unserer Politik ist gefähr- det, wenn wir neue Wohltaten versprechen, zugleich aber weiterhin Reformen von unseren europäischen Part- nern einfordern. Des Weiteren sehe ich die Anrechnung von Arbeitslo- senzeiten als Beitragszeiten kritisch. Dies bedeutet eine Abkehr vom bisherigen System. Ihre Anrechnung ist un- ter Gerechtigkeitsaspekten nur schwerlich vereinbar mit der nur bedingten Anrechenbarkeit freiwilliger Beiträge, die viele Selbstständige in die Rentenversicherung leis- ten. Zu begrüßen ist allerdings, dass die negativen Folgen der abschlagsfreien Rente mit 63 durch die Einigung zwischen den Koalitionsfraktionen zur Verhinderung ei- ner weiteren Frühverrentungswelle und zur Erleichte- rung eines flexiblen Renteneintritts deutlich abgemildert werden konnten. Dadurch, dass nun Zeiten des Arbeits- losengeldbezugs in den letzten zwei Jahren vor Eintritt in die Rente mit 63 grundsätzlich nicht mehr mitgezählt werden, wird eine missbräuchliche Frühverrentung aus- geschlossen. Ferner wurde in die Beratung des Renten- pakets auch das Thema der flexiblen Übergänge vom Beruf in die Rente eingebracht. In Zukunft wird es mög- lich sein, das Arbeitsverhältnis auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze einvernehmlich fortzusetzen. Eine Ar- beitsgruppe wird Vorschläge entwickeln, wie Arbeit und Rente besser als bisher kombiniert werden können. So- wohl das flexible Weiterarbeiten bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze als auch danach wird Inhalt der Bera- tungen sein. Meines Erachtens können damit die Folgen der Rente mit 63 so weit abgemildert werden, dass meine Beden- ken hiergegen nicht mehr so schwer wiegen, als dass ich dem Rentenpaket insgesamt nicht zustimmen könnte. Das mache ich in dem Bewusstsein und in der Verant- wortung, dass in einer Großen Koalition Kompromisse gemacht werden müssen und nur ein verlässliches Mit- einander zur erfolgreichen Umsetzung der im Koali- tionsvertrag getroffenen Vereinbarungen führt. Aus diesen Gründen werde ich daher dem Gesetzent- wurf über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung zustimmen. Kerstin Radomski (CDU/CSU): Mit dem vorliegen- den Rentenpaket stimmen wir heute über die Rente mit 63, die Mütterrente, die Verbesserung der Erwerbsmin- derungsrente und die Erhöhung des Reha-Budgets ab. Ich werde dem vorliegenden Rentenpaket zustimmen. Das mache ich in dem Bewusstsein und der Verantwor- tung, dass in einer Großen Koalition Kompromisse gemacht werden müssen und nur ein verlässliches Mit- einander zur erfolgreichen Umsetzung der im Koali- tionsvertrag getroffenen Vereinbarungen führt. Zudem befürworte ich ausdrücklich die Verbesserung der Er- werbsminderungsrente und die Erhöhung des Reha-Bud- gets. Dennoch ist mir heute wichtig, mit dieser persönli- chen Erklärung im parlamentarischen Verfahren festzu- halten, dass ich große grundsätzliche Bedenken bezüg- lich der Signalwirkung und der Kosten des Rentenpakets habe. Das vorliegende Rentenpaket bedeutet für kom- mende Generationen eine hohe finanzielle Belastung. Zudem ist und bleibt gerade die Rente mit 63 in einer immer älter werdenden Gesellschaft ein falsches Signal. Sie ist eine Rolle rückwärts, weg von den Reformen, welche die CDU/CSU gemeinsam mit den Sozialdemo- kraten vor einigen Jahren mit der Agenda 2010 und der Rente mit 67 gegen große Widerstände durchgesetzt hat. Seitdem hat meines Erachtens ein wichtiger Lernprozess in unserem Land stattgefunden. Arbeitgeber und Arbeit- nehmer haben das Prinzip einer längeren Lebensarbeits- zeit zunehmend verinnerlicht. Die wirtschaftlichen Er- folge dieser Reformen sind nicht von der Hand zu weisen. Josef Rief (CDU/CSU): Das am heutigen Tag zur Abstimmung stehende Rentenversicherungs-Leistungs- verbesserungsgesetz verbessert im Besonderen die Rente der Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Dafür habe ich mich eingesetzt, dies habe ich den Müttern ver- sprochen, daher stimme ich dem Gesetzentwurf heute zu. Nicht einverstanden bin ich mit der getroffenen Rege- lung zur abschlagsfreien Rente mit 63. Zum einen wider- spricht die Anrechnung der Zeiten von Arbeitslosigkeit dem Gedanken, dass gerade für diejenigen Verbesserun- gen erzielt werden sollten, die 45 Jahre hart gearbeitet haben; Stichwort: jahrzehntelange Erwerbsarbeit. Zum anderen vermisse ich an dieser Stelle die 1 : 1 gleichstel- lende Einbeziehung von Landwirten, die LAK-pflicht- versichert waren, sowie die Gleichstellung aller gesetzli- chen Rentenversicherungsarten. Hier werde ich mich für Nachbesserungen einsetzen. Tankred Schipanski (CDU/CSU): Dem Gesetzent- wurf der Koalitionsfraktionen stimme ich zu. Der gefun- dene Kompromiss geht in wesentlichen Teilen auf Aus- sagen zurück, die während des Wahlkampfs 2013 von den Koalitionsparteien gemacht wurden. Die Umsetzung dieser Versprechen ist im Sinne der Verlässlichkeit und Berechenbarkeit von Politik richtig. Ich begrüße insbe- sondere die Mütterrente, die Verbesserungen bei der Er- werbsminderungsrente und die Erhöhung des Budgets für Reha-Leistungen. Gleichwohl möchte ich von der Möglichkeit Gebrauch machen, meine Bedenken bezüglich der Auswirkung die- ses Gesetzes in Hinsicht auf Generationengerechtigkeit, Verfügbarkeit von Fachkräften und langfristige Stabilität des Bundeshaushalts zum Ausdruck zu bringen. 3252 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 (A) (C) (D)(B) Bei der Mütterrente wäre es sachgerechter, diese aus Steuermitteln zu finanzieren. Es handelt sich dabei um eine versicherungsfremde Leistung. Es wäre mir in Hinblick auf die Verfügbarkeit qualifi- zierter Fachkräfte insbesondere sinnvoll erschienen, die Berücksichtigung der Zeiten des Bezugs von Entgelt- ersatzleistungen der Arbeitsförderung – ALG I – auf ma- ximal fünf Jahre zu begrenzen. Diese Forderung findet sich leider nicht wieder. In jedem Fall ist es angesichts der demografischen Entwicklung sinnvoll, an der Rente mit 67 grundsätzlich festzuhalten und diese nicht weiter auszuhöhlen. Bereits jetzt ist absehbar, dass in der Zukunft Erhö- hungen des Rentenbeitragssatzes und Erhöhungen des Steuerzuschusses für die Rentenversicherung erforder- lich sein werden. Dies erscheint mir im Sinne der Gene- rationengerechtigkeit ein problematisches Signal und im Sinne eines langfristigen ausgeglichenen Bundeshaus- halts zumindest eine zusätzliche Herausforderung. Christel Voßbeck-Kayser (CDU/CSU): Unser An- spruch ist es, Politik zu gestalten. Als einer der Kern- punkte der aktuellen Legislaturperiode wurde im Rah- men des Koalitionsvertrags zwischen CDU/CSU und SPD die Rente mit 63 vereinbart. Grundsätzlich stimme ich diesem Gesetz zu, möchte jedoch dazu folgende Er- klärung abgeben: Die Regelung im Rahmen der Rente mit 63, in der die unbegrenzte Anerkennung von Zeiten der Arbeitslosig- keit bei der Ermittlung der Rentenbeitragsjahre festge- schrieben wird, lehne ich als falsches Signal in einer älter werdenden Gesellschaft weiter ab. Es muss eine Begrenzung geben, das heißt keine unbegrenzte Aner- kennung in Form von Rentenleistung für diejenigen, die weniger zur Erhaltung unseres Solidarsystems Rente beigetragen haben. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft – einen flexiblen Renteneintritt und die Möglichkeit länger zu arbeiten; denn unser Land braucht junge Menschen, die sich etwas zutrauen, aber eben auch die Älteren, die neben gutem Fachwissen auch über ei- nen großen Erfahrungsschatz verfügen. Daher begrüße ich es ausdrücklich, dass eine Arbeitsgruppe „Flexible Übergänge in den Ruhestand“ sich bis zum Herbst mit diesen Fragen befassen und zu verbindlichen Lösungen kommen wird. Kai Whittaker (CDU/CSU): In den vergangenen Wochen und Monaten wurde kontrovers über das Ren- tenpaket diskutiert. Von den vier Bestandteilen des Ren- tenpakets – Mütterrente, Reha-Budget, Erwerbsminde- rungsrente und Rente mit 63 – wurde die Rente mit 63 am heftigsten kritisiert. Ich halte die Signalwirkung der Rente mit 63 für grundlegend falsch. In einer immer äl- ter werdenden Gesellschaft müssen wir Möglichkeiten schaffen, dass Menschen flexibler vom Beruf in die Rente wechseln können. Mit der Flexirente setzen wir als CDU/CSU-Fraktion die richtigen Akzente für die Zukunft. Die Flexirente läutet einen systemischen Wan- del ein, der aufgrund der demografischen Entwicklung dringend erforderlich ist. Wir dürfen die Reformen – zum Beispiel Rente mit 67 – der vergangenen Jahre nicht zurückdrehen, sondern müssen uns den Herausfor- derungen der Zeit stellen. Die Kompromisse bei der Rente mit 63 zeigen, dass wir diese Herausforderungen am besten verstanden haben. Mit einem „rollierenden Stichtag“ wird verhindert, dass sich der Fachkräfte- mangel in Zukunft noch verschärft. Wir müssen das Wis- sen der älteren Menschen nutzen, anstatt es fahrlässig zu verschwenden. Neben diesen Kompromissen sind für meine Zustimmung die anderen drei Komponenten des Rentenpakets entscheidend. Die Mütterrente schließt eine Gerechtigkeitslücke für jene Mütter, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben. Das Reha-Budget und die Er- werbsminderungsrente sind wichtige und notwendige Schritte, um auf den steigenden Bedarf in diesen Berei- chen zu reagieren. Aus den oben genannten Gründen kann ich dem Ren- tenpaket zustimmen. Die Rente mit 63 ist eine Moment- aufnahme, die es in dieser Form nicht mehr geben wird. Wir müssen Strukturreformen einleiten, damit wir in ei- ner alternden Gesellschaft wettbewerbsfähig bleiben. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Maik Beermann, Philipp Mißfelder, Florian Oßner, Jana Schimke, Jens Spahn, Nina Warken und Emmi Zeulner (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes über Leistungs- verbesserungen in der gesetzlichen Rentenver- sicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 19 a) Zusammen mit vielen anderen Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben wir in den letzten Wochen immer gefordert, dass es beim Rentenpaket mindestens noch zwei entscheidende Veränderungen ge- ben muss: Erstens muss eine Frühverrentungswelle, bei der über den zweijährigen Bezug von Arbeitslosengeld die Menschen schon mit 61 Jahren in Quasi-Rente gehen könnten, sicher ausgeschlossen werden und zweitens braucht es einen konkreten Einstieg in die Flexirente, ei- nen flexibleren Renteneintritt. Denn mit der Flexirente senden wir das entscheidende Signal, dass wir verstan- den haben, worauf es in einer älter werdenden Gesell- schaft ankommt. Beide Punkte sind Teil des zur Abstim- mung stehenden Rentenpaketes. Zudem wird verbindlich eine Arbeitsgruppe zur weiteren Ausgestal- tung des Flexirenten-Modells eingesetzt. Durch die ge- troffenen Vereinbarungen wird die Entwicklung zur Rente mit 67 zwar verzögert, aber nicht gestoppt. Die Rente mit 63 wird schrittweise wieder zur Rente mit 65. Mit diesem Kompromiss, der Teile unserer Forderun- gen beinhaltet, werden wir dem vorliegenden Renten- paket zustimmen. Das machen wir in dem Bewusstsein und der Verantwortung, dass in einer Großen Koalition Kompromisse gemacht werden müssen und nur ein ver- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3253 (A) (C) (D)(B) lässliches Miteinander zur erfolgreichen Umsetzung der im Koalitionsvertrag getroffenen Vereinbarungen führt. Dennoch ist uns heute wichtig, mit dieser persönli- chen Erklärung im parlamentarischen Verfahren festzu- halten, dass wir große grundsätzliche Bedenken bezüg- lich der Signalwirkung und der Kosten des Rentenpakets haben. Das vorliegende Rentenpaket bedeutet für kom- mende Generationen eine hohe finanzielle Belastung. Zudem ist und bleibt gerade die Rente mit 63 in einer immer älter werdenden Gesellschaft ein falsches Signal. Sie ist eine Rolle rückwärts, weg von den Reformen, welche die CDU/CSU gemeinsam mit den Sozialdemo- kraten vor einigen Jahren mit der Agenda 2010 und der Rente mit 67 gegen große Widerstände durchgesetzt hat. Seitdem hat unseres Erachtens ein wichtiger Lernprozess in unserem Land stattgefunden. Arbeitgeber und Arbeit- nehmer haben das Prinzip einer längeren Lebensarbeits- zeit zunehmend verinnerlicht. Die wirtschaftlichen Er- folge dieser Reformen sind nicht von der Hand zu weisen. Insbesondere die Unternehmen, die auf die Gefahr ei- nes noch stärker werdenden Fachkräftemangels durch frühere Verrentungen hinweisen, aber auch diejenigen, die vor einer übermäßigen Belastung kommender Gene- rationen warnen, haben gewichtige Argumente auf ihrer Seite. Die Zustimmung zu dem Rentenpaket ist nur mög- lich, weil es Deutschland im Moment wirtschaftlich so gut geht wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Damit ist dann aber die heutige Verabschiedung dieses Gesetzes gleichzeitig Verpflichtung, Strukturreformen einzuleiten, die Deutschland wettbewerbsfähiger machen und damit nachhaltiges Wachstum ermöglichen. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Steffen Bilger, Steffen Kanitz, Jana Schimke, Jens Spahn und Dr. Wolfgang Stefinger (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungs- verbesserungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 19 a) Zusammen mit vielen anderen Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben wir in den letzten Wochen immer gefordert, dass es beim Rentenpaket mindestens noch zwei entscheidende Veränderungen ge- ben müsse: Erstens müsse eine Frühverrentungswelle, bei der über den zweijährigen Bezug von Arbeitslosen- geld die Menschen schon mit 61 Jahren in Quasi-Rente gehen könnten, sicher ausgeschlossen werden, und zwei- tens bräuchte es einen konkreten Einstieg in die Flexi- rente, einem flexibleren Renteneintritt. Denn mit der Flexirente senden wir das entscheidende Signal, dass wir verstanden haben, worauf es in einer älter werdenden Gesellschaft ankommt. Beide Punkte sind Teil des zur Abstimmung stehenden Rentenpaketes. Zudem wird verbindlich eine Arbeitsgruppe zur weiteren Ausgestal- tung des Flexirenten-Modells eingesetzt. Durch die ge- troffenen Vereinbarungen wird die Entwicklung zur Rente mit 67 zwar verzögert, aber nicht gestoppt. Die Rente mit 63 wird schrittweise wieder zur Rente mit 65. Mit diesem Kompromiss, der Teile unserer Forderun- gen beinhaltet, werden wir dem vorliegenden Renten- paket zustimmen. Das machen wir in dem Bewusstsein und der Verantwortung, dass in einer Großen Koalition Kompromisse gemacht werden müssen und nur ein ver- lässliches Miteinander zur erfolgreichen Umsetzung der im Koalitionsvertrag getroffenen Vereinbarungen führt. Dennoch ist uns heute wichtig, mit dieser persönlichen Erklärung im parlamentarischen Verfahren festzuhalten, dass wir große grundsätzliche Bedenken bezüglich der Si- gnalwirkung und der Kosten des Rentenpaketes haben. Das vorliegende Rentenpaket bedeutet für kommende Generationen eine hohe finanzielle Belastung. Zudem ist und bleibt gerade die Rente mit 63 in einer immer älter werdenden Gesellschaft ein falsches Signal. Sie ist eine Rolle rückwärts, weg von den Reformen, welche die CDU/CSU gemeinsam mit den Sozialdemokraten vor ei- nigen Jahren mit der Agenda 2010 und der Rente mit 67 gegen große Widerstände durchgesetzt hat. Seitdem hat unseres Erachtens ein wichtiger Lernprozess in unserem Land stattgefunden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer ha- ben das Prinzip einer längeren Lebensarbeitszeit zuneh- mend verinnerlicht. Die wirtschaftlichen Erfolge dieser Reformen sind nicht von der Hand zu weisen. Insbesondere die Unternehmen, die auf die Gefahr ei- nes noch stärker werdenden Fachkräftemangels durch frühere Verrentungen hinweisen, aber auch diejenigen, die vor einer übermäßigen Belastung kommender Gene- rationen warnen, haben gewichtige Argumente auf ihrer Seite. Die Zustimmung zu dem Rentenpaket ist nur mög- lich, weil es Deutschland im Moment wirtschaftlich so gut geht wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Damit ist dann aber die heutige Verabschiedung dieses Gesetzes gleichzeitig Verpflichtung, Strukturreformen einzuleiten, die Deutschland wettbewerbsfähiger machen und damit nachhaltiges Wachstum ermöglichen. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Mark Hauptmann, Dr. Heribert Hirte, Carsten Körber, Marian Wendt und Klaus-Peter Willsch (alle CDU/ CSU) zur namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurf eines Gesetzes über Leistungsverbesse- rungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) (Tagesord- nungspunkt 19 a) Wir haben dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung aus folgenden Gründen nicht zugestimmt: Das RV-Leistungsverbesserungsgesetz enthält eine große finanzielle Belastung für die heutigen und zukünf- tigen Generationen. Bereits zum 1. Januar 2014 mussten die Beitragszahler auf eine Senkung des Rentenbeitrages 3254 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 (A) (C) (D)(B) verzichten. Bis zum Jahr 2030 belaufen sich die Kosten des Gesetzes auf mindestens 160 Milliarden Euro. An- dere Schätzungen gehen von mindestens 230 Milliarden aus. Diese finanziellen Aufwendungen wurden zum gro- ßen Teil noch nicht erwirtschaftet, sondern müssen von den Steuerzahlern, Rentenbeitragszahlern und Rentnern in den kommenden Jahrzehnten aufgebracht werden. Die Rücklagen aus der Rentenversicherung werden bis 2017 verbraucht sein. Die Hauptlast für die Leistungen aus dem Gesetz tragen die heutigen und zukünftigen Renten- beitragszahler. Wirtschaftsexperten sehen das RV-Leis- tungsverbesserungsgesetz dabei als eine spürbare Um- verteilung von Jung zu Alt an. Dies widerspricht dem Gedanken der Generationengerechtigkeit. Die Spiel- räume für jüngere Generationen, eigenverantwortlich privat für das Alter vorzusorgen, werden durch die mit dem Gesetz verbundenen, höheren Rentenbeiträge ein- geschränkt. Die im Gesetz enthaltene Rente mit 63 birgt die Ge- fahr einer Frühverrentungswelle. Diese kann auch nicht dadurch wirksam begrenzt werden, indem die letzten zwei Jahre des Arbeitslosengeldbezugs vor der ab- schlagsfreien Rente nicht mehr mitgezählt werden. Wir- kungsvolle Verbesserungen wie eine Stichtagsregelung oder Begrenzung der Anrechnungszeiten von Arbeitslo- sigkeit werden im Gesetz nicht berücksichtigt. Ange- sichts des demografischen Wandels, des sich verschär- fenden Fachkräftemangels und der Notwendigkeit für längere Lebensarbeitszeiten setzt das RV-Leistungsver- besserungsgesetz die falschen Anreize, die den Wohl- stand in unserem Land zukünftig gefährden können. Schließlich sendet das Gesetz ein falsches Signal an unsere europäischen Partner. Länder wie Spanien, Ita- lien, Griechenland und Portugal unternehmen Anstren- gungen, um ihre Haushalte zu sanieren und Strukturrefor- men auf den Weg zu bringen. Deutschland muss in dieser Situation als wirtschaftliches Zugpferd in der Europäischen Union weiter mit gutem Beispiel vorange- hen und zeigen, dass Reformen eine wichtige Grundlage für gesellschaftlichen Wohlstand sind. Das RV-Leistungs- verbesserungsgesetz widerspricht diesem Weg. Ebenso läuft die im Gesetz enthaltene Rente mit 63 dem Euro- Plus-Pakt entgegen, für den sich Deutschland zur Be- kämpfung der europäischen Schuldenkrise mit Nach- druck eingesetzt hat. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Katrin Albsteiger, Dr. Stefan Heck und Johannes Steiniger (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV- Leistungsverbesserungsgesetz) (Tagesordnungs- punkt 19 a) Nach sorgfältiger Abwägung und reiflicher Überle- gung haben wir uns entschlossen, dem Rentenpaket nicht zuzustimmen. Insbesondere die Regelungen zur Rente mit 63 lehnen wir ab. Sie widerspricht der Genera- tionengerechtigkeit, weil die Lasten unfair verteilt wer- den. Die Unterzeichner dieser Erklärung sind die ehema- lige Landesvorsitzende und die aktuellen Landesvorsit- zenden der Jugendorganisationen ihrer Partei in Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz. Das Mandat im Deutschen Bundestag verpflichtet uns als junge Abgeordnete, die Interessen der jüngeren Generation in besonderer Weise im Blick zu behalten. Trotz der erzielten Verbesserungen im Gesetzgebungsverfahren überwiegen jedoch unsere persönlichen Bedenken in Bezug auf die Rente mit 63. Gleichwohl erkennen wir an, dass Teilmaßnahmen des Rentenpakets Gerechtigkeitslücken schließen. Auch die in den Nachverhandlungen eingebrachte Flexirente begrüßen wir. Sie weist aus unserer Sicht den richtigen Weg in einen zukunftsfesten Übergang vom Arbeitsle- ben in den Ruhestand. Umso wichtiger ist es, dass die konsequente Weiterentwicklung und Umsetzung dieser Reform kein Lippenbekenntnis bleibt. Nach Prognosen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales belaufen sich die Kosten des Rentenpakets bis 2030 auf 160 Milliarden Euro zulasten des Renten- systems. Bereits jetzt wissen wir, dass die Rücklagen in wenigen Jahren aufgebraucht sein werden. Damit ist eine erhebliche Mehrbelastung für künftige Beitragszah- ler verbunden. Durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz ergibt sich eine zusätzliche einseitige Belastung, die zur not- wendig gewordenen privaten Altersvorsorge hinzu- kommt. Wir verlassen den eingeschlagenen Weg, die so- zialen Sicherungssysteme demografiefest zu gestalten. Die unvermeidbare Einführung der Rente mit 67 war ein politischer Kraftakt. Unser Land ist auf die Lebenserfah- rung, Kompetenz und Arbeitsleistung Älterer angewie- sen. Die Signalwirkung der Rente mit 63 stellt demge- genüber das bislang Erreichte wieder infrage. In Europa steht Deutschland sehr gut da und nimmt wirtschafts-, sozial- und finanzpolitisch eine Vorreiterrolle ein. Dies ist unbestritten ein Erfolg der zukunftsorientier- ten Politik der vergangenen Jahre. Richtigerweise ver- pflichten sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Euro-Plus-Pakt zu tiefgreifenden Reformen in den Rentensystemen. Mit dem jetzigen Rentenpaket sendet Deutschland ein grundlegend falsches Signal nach außen. Die Anpassung des Rentensystems an die demografische Entwicklung wird durch das RV-Leistungsverbesserungs- gesetz verpasst und in die Zukunft verschoben. Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke und Monika Lazar (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) zur namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserun- gen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) (Tagesord- nungspunkt 19 a) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3255 (A) (C) (D)(B) Eine Reform muss sicherstellen, dass bei der Rente die Verschiedenheit der Lebens- und Erwerbsbiografien und ebenso die unterschiedlichen Belastungen in der Ar- beitswelt besser als bisher berücksichtigt werden. Denn es macht einen Unterschied, ob jemand lange Zeit am Bau, in der Altenpflege oder Universitätslehre tätig war und ob jemand mit 15 Jahren oder erst mit 28 Jahren in das Berufsleben eingestiegen ist. Vor dem Hintergrund der Rente mit 67 sind deshalb flexible Übergänge in die Rente notwendig. Die Rente ab 63 nach 45 Beitragsjah- ren geht insofern in die richtige Richtung und ebenso die Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente und beim Reha-Budget. Bei der Ausgestaltung aber haben wir Kritikpunkte. Nicht zustimmungsfähig ist für uns aber insbesondere die Finanzierung der Mütterrente, denn angesichts der demografischen Herausforderung haben für uns die Stabilisierung des Rentensystems und ein angemessen hohes Rentenniveau oberste Priorität. Die Richtung des Gesetzes mit der Rente ab 63 stimmt – die Ausgestaltung und die Finanzierung der Mütterrente aber kritisieren wir. Deshalb können wir we- der ablehnen noch zustimmen. In der Konsequenz wer- den wir uns enthalten. Die Kosten für die verbesserte Anrechnung von Kin- dererziehungszeiten in Höhe von rund 6,7 Milliarden Euro jährlich wird die Große Koalition nahezu komplett aus Beitragsmitteln der gesetzlichen Rentenversicherung finanzieren. Das können wir nur als unverantwortlich und falsch bezeichnen. Denn wenn Leistungen keine Beitragseinnahmen gegenüberstehen, lassen sich die dauerhaft höheren Ausgaben nur vorübergehend mit den Rücklagen der Rentenversicherung decken. Die aufge- bauten Reserven sind in kürzester Zeit verbraucht. In der Folge steigen die Beiträge stark, und gleichzeitig sinkt das Rentenniveau insbesondere zulasten von Familien mit niedrigem Einkommen. Für uns ist es eine zentrale Frage der Generationengerechtigkeit, dass auch die heu- tigen Versicherten eine realistische Aussicht auf ein an- gemessenes Rentenniveau haben und vor Altersarmut geschützt werden. Zudem zahlen alle Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung über höhere Renten- beiträge und geringere Renten für die verbesserten Leis- tungen. Die in berufsständischen Versorgungswerken versicherten Ärztinnen und Ärzte oder Abgeordnete müssen sich indes nicht an der Finanzierung beteiligen. Wenn sie Kinder erziehen, erhalten sie aber ebenfalls diese Leistungen der Rentenversicherung. Das ist nicht gerecht. Deshalb müssen Leistungen des Familienaus- gleichs als gesamtgesellschaftliche Aufgabe unabding- bar solidarisch durch Steuermittel finanziert werden. Das Erreichen einer abschlagsfreien Rente kann nicht unterschiedslos für alle ausgestaltet werden. Deshalb stehen wir uneingeschränkt zur Rente ab 63 Jahren. Wer 45 Jahre das Rentensystem gestützt hat, soll verdienter- maßen ohne Abschläge in den Ruhestand gehen können. Die Rente ab 63 Jahren der Großen Koalition ist aber eine Mogelpackung. Sie gilt nur für bestimmte Jahr- gänge und steigt schon nach zwei Jahre kontinuierlich wieder auf 65 Jahre. Ungerecht ist auch, dass nicht alle Zeiten von Arbeitslosigkeit gleichermaßen angerechnet werden. Vor allem die vom Wirtschaftsflügel der CDU verhandelte sogenannte rollierende Stichtagsregelung, dass die letzten beiden Jahre der Arbeitslosigkeit nicht auf die 45 Beitragsjahre angerechnet werden, schafft neue Ungerechtigkeiten. Damit werden Personen, die 61 Jahre alt sind und unfreiwillig arbeitslos werden, be- nachteiligt. Das widerspricht nicht nur der Intention des Gesetzes, der rollierende Stichtag birgt zudem verfas- sungsrechtliche Risiken. Für Personen, die in besonderem Maße unter den He- rausforderungen eines höheren Renteneintrittsalters lei- den, greift die Rente ab 63 Jahren vor allem zu kurz. An- gestellte in der Holz- und Kunststoffverarbeitung müssen im Durchschnitt bereits mit 59 Jahren aus dem Erwerbsleben scheiden – oft unfreiwillig –, Maurer be- reits mit 61 Jahren. Notwendig sind flexiblere Übergänge in die Rente, denn die Arbeitsbelastung ist individuell und auch entlang der verschiedenen Branchen und Berufs- gruppen sehr unterschiedlich. Deshalb muss eine solidari- sche Rentenversicherung die individuelle Leistungsfähig- keit und gesundheitliche Belastbarkeit berücksichtigen und flexible Übergangslösungen in den Ruhestand er- möglichen – beispielsweise eine vorgezogene Teilrente ab 60 Jahren. Hier fehlt der Großen Koalition aber der politische Gestaltungswille. Notwendig wären insbeson- dere weitgehende Verbesserungen bei der Erwerbsmin- derungsrente. Hier verlängert die Große Koalition zwar die Zurechnungszeiten um zwei Jahre. Das reicht aber nicht aus. Gerecht wäre generell eine Erwerbsminde- rungsrente ohne Abschläge; denn wer arbeitsbedingt krank wird und nicht mehr arbeiten kann, hat dennoch ein würdevolles Leben verdient. Wir kritisieren an vielen Stellen das Gesetz im Detail, dennoch ist es ein erster Schritt, die unterschiedlichen Le- bens- und Erwerbsbiografien bei der Rente besser zu be- rücksichtigen. Eine Zustimmung ist aber für uns nicht mög- lich aufgrund der äußerst problematischen Finanzierung. Denn damit gibt es nur begrenzt Gestaltungsspielraum für weitere notwendige Maßnahmen gegen Altersarmut – bei- spielsweise für die Einführung einer Garantierente. Die größte Herausforderung sehen wir insbesondere in der Sta- bilisierung des Rentensystems, damit das Vertrauen in die Rente über die Generationen hinweg bestehen bleibt. Not- wendig wäre eine Demografiereserve, um ein angemesse- nes Rentenniveau zu garantieren, denn alle Menschen ha- ben das Recht auf ein Leben in Würde im Alter. Anlage 9 Amtliche Mitteilungen Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absehen: Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Delegation des Deutschen Bundes- tages in der Konferenz gemäß Artikel 13 des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (Fiskalvertrag) Tagung der Konferenz gemäß Artikel 13 des Fiskalver- trags am 16. und 17. Oktober 2013 in Wilna, Litauen Drucksachen 18/679, 18/817 Nr. 5 3256 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 (A) (C) (B) Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union – Unterrichtung durch das Bundesministerium der Finanzen gemäß § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegen- heiten der Europäischen Union Beitritt Lettlands zum Euroraum Drucksachen 17/13831, 18/641 Nr. 14 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- ner Beratung abgesehen hat. Innenausschuss Drucksache 18/419 Nr. A.31 Ratsdokument 15493/13 Drucksache 18/419 Nr. A.32 Ratsdokument 15494/13 Drucksache 18/419 Nr. A.33 Ratsdokument 16378/13 Drucksache 18/544 Nr. A.10 Ratsdokument 5522/14 Drucksache 18/544 Nr. A.20 Ratsdokument 17622/13 Drucksache 18/544 Nr. A.21 Ratsdokument 17625/13 Drucksache 18/897 Nr. A.2 Ratsdokument 6988/14 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 18/419 Nr. A.180 EP P7_TA-PROV(2013)0323 Drucksache 18/419 Nr. A.181 Ratsdokument 10713/13 Drucksache 18/419 Nr. A.185 Ratsdokument 12989/13 Drucksache 18/544 Nr. A.53 Ratsdokument 5020/14 Drucksache 18/642 Nr. A.13 Ratsdokument 5633/14 Drucksache 18/822 Nr. C.7 Ratsdokument 9590/13 Drucksache 18/822 Nr. C.8 Ratsdokument 9592/13 (D) 37. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 19 Leistungsverbesserungen in der Rentenversicherung TOP 20 Ausgleich für stromkostenintensive Unternehmen TOP 21 Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid TOP 22 Frühkindliche Bildung Anlagen
Gesamtes Protokol
Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803700000

Die Sitzung ist eröffnet.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 19 a bis 19 c auf:

a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes über Leistungsverbesserungen in
der gesetzlichen Rentenversicherung

(RV-Leistungsverbesserungsgesetz)


Drucksache 18/909

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-

(11. Ausschuss)


Drucksache 18/1489


(8. Ausschuss)


Drucksache 18/1490

b) Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
ordneten Sabine Zimmermann (Zwickau),
Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ver-
besserung des Erwerbsminderungsschutzes

Drucksache 18/9

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)


Drucksache 18/148

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias

(Zwickau)

und der Fraktion DIE LINKE

Vollständige Gleichstellung und gerechte
Finanzierung der Kindererziehungszeiten
in der Rente umsetzen – Mütterrente ver-
bessern

– zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias

(Zwickau)

und der Fraktion DIE LINKE

Rentenniveau anheben, Leistungen ver-
bessern und die wesentlichen Ursachen für
sinkende Renten und Altersarmut be-
kämpfen

Drucksachen 18/765, 18/767, 18/1489
Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen

drei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Des
Weiteren liegen ein Entschließungsantrag der Fraktionen
der CDU/CSU und der SPD sowie je ein Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion Die Linke und der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor. Über die drei Änderungsan-
träge sowie über den Gesetzentwurf der Bundesregie-
rung werden wir später namentlich abstimmen. Insge-
samt werden wir vier namentliche Abstimmungen
durchführen.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Bun-
desministerin Andrea Nahles.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und
Soziales:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
den letzten 15 Jahren haben wir in diesem Haus weitrei-
chende Reformen beschlossen, Reformen, die Deutsch-
land und Europa stabilisiert haben. Diese Reformen ha-
ben auch den Wohlstand in Deutschland gesichert.
Durch eine kluge Politik wurden neue Spielräume eröff-
net. Zu diesen Reformen haben die Bürgerinnen und
Bürger unseres Landes einen enormen Beitrag geleistet.
Wir haben ihnen auch einiges abverlangt. Für viele war
das nicht einfach. Mit dem heute vorliegenden Renten-





Bundesministerin Andrea Nahles


(A) (C)



(D)(B)

paket können wir nun die Arbeit und die Lebensleistung
unserer Bürgerinnen und Bürger würdigen. Wir können
ein deutliches Signal setzen, dass vom Wohlstand in die-
sem Land auch diejenigen profitieren, die ihn mit ge-
schaffen haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist der Kern des Rentenpaketes, das heute hier vor-
liegt.

Nicht nur harte Arbeit und die Reformfähigkeit unse-
res Landes haben dazu beigetragen, dass wir heute Vor-
reiter in Europa sind. Es liegt auch und nicht zuletzt am
Zusammenhalt in unserem Land, an unserer Bereit-
schaft, füreinander einzustehen, an einer starken Sozial-
partnerschaft. Es liegt, mit anderen Worten, an gelebter
Solidarität: Solidarität zwischen Jungen und Alten, zwi-
schen Reichen und Armen, Starken und Schwachen.
Dass unsere Sozialsysteme stabil sind, ist aber kein
Selbstläufer. Sie müssen immer wieder erneuert und an-
gepasst werden. Genau da setzt das Rentenpaket an. Die
Menschen nehmen es im Übrigen auch so wahr. Eine
überwiegende Mehrheit in unserem Land sagt: Dieses
Rentenpaket ist gerecht und notwendig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dass Leistung und Solidarität in der richtigen Balance
sind, haben wir uns in den letzten Monaten zusammen
erarbeitet. Mein Dank geht deshalb zuallererst an die Re-
gierungsfraktionen. Gemeinsam haben wir gute Lösun-
gen zur Verhinderung missbräuchlicher Frühverren-
tungen gefunden und auch flexiblere Übergänge in die
Rente ermöglicht. Das hat die Sache rund gemacht. Der
konstruktive Einsatz der beiden Fraktionsvorsitzenden
hat im Schlussspurt viel zum Gelingen beigetragen. Des-
wegen möchte ich Ihnen, lieber Volker Kauder, und auch
dir, lieber Thomas Oppermann, meinen persönlichen
Dank für diese gute Zusammenarbeit aussprechen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Genauso wichtig wie die genannten beiden Punkte ist
mir, dass wir uns darüber verständigen konnten, kurze
Zeiten der Arbeitslosigkeit bei der Rente ab 63 anzuer-
kennen. Das ist nur fair, meine lieben Kolleginnen und
Kollegen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Menschen und Medien in unserem Land behaupten
gern, die großen Parteien seien nicht mehr unterscheid-
bar. Die Debatte der letzten Monate und das Ringen um
das Rentenpaket haben gezeigt, dass es Unterschiede
gibt. Aber Union und SPD haben auch gezeigt, dass wir
in der Lage sind, mit der notwendigen Ernsthaftigkeit,
mit solidem politischem Handwerk


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wow!)


und mit dem Blick fürs Ganze zu guten Ergebnissen zu
kommen. Unser gemeinsames Ziel ist es, dass es den
Menschen in unserem Land gut geht. Unser gemeinsa-
mes Ziel ist es, dass Leistung sich lohnt und anerkannt
wird. Unser gemeinsames Ziel ist es, gelebte Solidarität
als Grundprinzip unserer Gesellschaft zu stärken.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Deshalb ist das, was wir heute vorlegen, ein gutes Ergeb-
nis für den Zusammenhalt und die Stabilität in Deutsch-
land.

Mit der Stärkung des Prinzips „Reha vor Rente“ sor-
gen wir dafür, dass Menschen erst gar nicht in die Er-
werbsminderung kommen. Mit der Verbesserung der Er-
werbsminderungsrente sorgen wir für Solidarität mit
denen, die wirklich nicht mehr können. Mit der Mütter-
rente erkennen wir die großartige Leistung von Millio-
nen Müttern und auch Vätern an. Das ist nicht ge-
schenkt. Mit der abschlagsfreien Rente mit 63 geben wir
denen Anerkennung, die früh angefangen und 45 Jahre
lang ihren Beitrag geleistet haben. Das ist verdient.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zu guter Letzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, schaf-
fen wir die Möglichkeit, dass die, die länger arbeiten
wollen, das auch können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Wir passen die Rente den veränderten Lebensbedin-
gungen der Menschen in unserem Land an. Die Arbeits-
welt hat sich verändert. Die Biografien haben sich verän-
dert. Die Lebenswege sind nicht mehr so vorgezeichnet,
nicht mehr so planbar wie in der Vergangenheit. So kann
eben beides sein: Wer 45 Jahre hart gearbeitet hat, soll
früher ohne Abschläge gehen; wer noch fit ist und wei-
termachen möchte, soll länger arbeiten dürfen. Das ist
eben: Rente flexibler machen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir passen die Rente den veränderten Lebensbiografien
an, und wir haben damit gerade erst begonnen.

Aus all diesen Gründen bitte ich Sie sehr herzlich um
Ihre Zustimmung. Ich bitte Sie auch noch aus einem an-
deren Grund um Zustimmung. Mit diesem Rentenpaket
lösen wir ein, was wir den Menschen versprochen haben.
Mit diesem Rentenpaket halten wir Wort. Auch das ist
ein wichtiges und gutes Signal für unsere Bürgerinnen
und Bürger.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803700100

Als nächstem Redner erteile ich das Wort Matthias W.

Birkwald, Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803700200

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

ren! Frau Bundesministerin Nahles, mit Ihrem Renten-
paket haben Sie durchaus etwas geschafft:





Matthias W. Birkwald


(A) (C)



(D)(B)

Erstens. Millionen Mütter, die ihre Kinder vor 1992
bekommen haben, werden sich am 1. Juli freuen, dass
die Erziehung ihrer Kinder in der Rente besser anerkannt
wird,


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ja!)


vor allem im Westen, etwas weniger im Osten.

Zweitens. Der im Juli 1951 geborene Industriemecha-
niker und die im Dezember 1952 geborene Verkäuferin,
die beide 45 Jahre Beiträge in die Rentenkasse gezahlt
haben, werden sich freuen, in diesem bzw. im kommen-
den Jahr an ihrem 63. Geburtstag ohne Abschläge in
Rente gehen zu können.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Drittens – Frau Nahles, Sie können übrigens zuhören;
ich lobe Sie – wird sich die Altenpflegerin mit dem völ-
lig kaputten Rücken, die am 1. Juli in Erwerbsminde-
rungsrente gehen muss, über durchschnittlich 36 Euro
mehr Erwerbsminderungsrente freuen.

Ja, manches wird besser.


(Zurufe von der SPD: Aha!)


Das ist gut, und das erkennt die Linke ausdrücklich an.


(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber vieles bleibt so schlecht, wie es ist. Das Rentenni-
veau sinkt für alle. Daran ändern Sie nichts.


(Thomas Oppermann [SPD]: Doch!)


Das heißt, der Lebensstandard der Rentnerinnen und
Rentner sinkt immer weiter.


(Thomas Oppermann [SPD]: Nein! Es gibt Wachstum!)


Sie halten am Zwang zur privaten Altersvorsorge fest,
und Sie halten an der unsäglichen Rente erst ab 67 fest.
Das, Frau Nahles, ist unverantwortlich.


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, der 28-jährige Program-
mierer Jens Patzke aus Köln sagt zu diesen Sündenfäl-
len, also der Rentenkürzung und der Rente erst ab 67,
klipp und klar: Ich würde gerne zwei, drei Prozent mehr
Rentenbeitrag zahlen, damit wir alle mehr Rente bekom-
men und früher in Rente gehen können.

Das ist nachzulesen in der aktuellen metallzeitung.

Jens Patzke sagt zur Rente ab 63 bzw. 65: Es wäre ge-
rechter, wenn die Rente ab 63 für alle gelten würde.
– Recht hat er. Die Altersgrenze soll nicht auf 65 anstei-
gen – auch für die Jungen nicht.


(Beifall bei der LINKEN)


Er erkennt in dem Interview auch die Lebensleistung
seiner älteren Kolleginnen und Kollegen neidlos an, im
Gegensatz zu den vielen Gegnern der Rente ab 63 in der
CDU/CSU und auch im Gegensatz zu vielen Grünen.
Die Grünen lehnen nämlich das Rentenpaket ab, weil es
ihnen viel zu weit geht. Wir Linken enthalten uns bei der
Abstimmung über das Rentenpaket, weil es uns nicht
weit genug geht.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir Linken werden uns enthalten, weil das Rentenpaket
viel zu gut ist, um es abzulehnen, und weil es viel zu
schlecht ist, um zuzustimmen.


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, vor vier
Tagen sind Sie bei Ihrem sogenannten Rentenkompro-
miss wieder einmal vor dem CDU-Wirtschaftsflügel des
Herrn von Stetten eingeknickt. Okay, Sie wollen, dass
Ältere auch nach Erreichen ihrer Regelaltersgrenze in ih-
rem Job weiterarbeiten können. Das ist gut und schön.
Ich freue mich über jede 65-jährige Buchhalterin, die in
einem guten Betrieb zu einem guten Gehalt arbeitet, sich
fit fühlt und sich dann mit ihrem Chef darauf einigt, wei-
terzumachen. Aber auf dem Bau werden Sie da wohl
niemanden finden. Gerade einmal 11,7 Prozent der so-
zialversicherungspflichtig beschäftigten Männer dieser
Branche sind 55 Jahre oder älter. Genau diese Menschen
brauchen die Unterstützung der Politik:


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ältere Beschäftigte, denen das Unternehmen über Jahre
hinweg jede Weiterbildung verweigert hat oder die krank
sind, sich aber trotzdem Tag für Tag zur Arbeit schlep-
pen, oder die mit dem Tempo und den neuen Methoden
des Juniorchefs nicht mehr mitkommen. Vor allem für
diese Menschen muss etwas getan werden.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Dazu findet sich kein Wort in Ihrem Kompromiss.
Oder habe ich da etwas überlesen? Gründen Sie etwa
eine Kommission gegen die absolut unakzeptablen Ar-
beitsbedingungen von älteren Bauarbeitern und älteren
Krankenschwestern? Nein, das tun Sie natürlich nicht.
Diese Menschen bekommen keine Reha und nur eine
mickrige Erhöhung der Erwerbsminderungsrente, weil
wegen der Mütterrente, die Sie fälschlicherweise aus
Beiträgen finanzieren, kein Geld mehr in der Renten-
kasse ist. Das ist die soziale Schieflage Ihres Rentenpa-
ketes, und das ist der eigentliche Skandal.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren von der Koalition, das
Rentenpaket hat noch mehr Gerechtigkeitslücken. Sie
rechnen Hartz-IV-Zeiten nicht auf die 45 Beitragsjahre
für die Rente ab 63 an. Wer einmal vier Jahre arbeitslos
war, hat genauso viel oder wenig in seinem Arbeitsleben
geleistet wie jemand, der viermal ein Jahr arbeitslos war.
Die eine bekommt die Rente ab 63 bzw. 65, der andere
nicht. Das ist ungerecht.


(Beifall bei der LINKEN)


Aber es kommt noch dicker. Am Montag haben Sie
Ihren rollierenden Stichtag verabredet. Zwei Jahre vor





Matthias W. Birkwald


(A) (C)



(D)(B)

der Rente ab 63 darf man in Ihrer Welt nicht mehr ar-
beitslos werden; denn diese werden dann nicht mehr auf
die 45 Jahre Wartezeit angerechnet.


(Dr. Carola Reimann [SPD]: Das stimmt ja auch nicht!)


Das ist nicht nur ungerecht, sondern einfach auch eine
Sauerei!


(Beifall bei der LINKEN)


Frau Ministerin, dazu ein Beispiel. Sie kommen ja aus
dem schönen Rheinland-Pfalz. Sie wissen: Der Nähma-
schinenhersteller Pfaff stand vergangenes Jahr vor der
dritten Insolvenz. Die konnte zum Glück verhindert wer-
den – nicht von der Politik. Nein, die Firma konnte ge-
rettet werden, weil 40 von 220 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern freiwillig und solidarisch in eine Beschäfti-
gungsgesellschaft gewechselt sind. Ein Pfaff-Mitarbeiter
ist an seinem 60. Geburtstag in diese Gesellschaft ge-
wechselt, um damit die Kündigung eines Jüngeren zu
verhindern. Das hat auch geklappt.

Dank der Zeit in der Beschäftigungsgesellschaft und
anschließend zwei Jahren Arbeitslosigkeit konnte er sich
auf die Rente ab 63 ohne Abschläge freuen – bis vergan-
genen Montag. Da kam Ihr rollierendes Monster aus
Angst vor der Frühverrentung – für Ihren Koalitionsfrie-
den. Die zwei Jahre Arbeitslosigkeit vor dem 63. Ge-
burtstag zählen plötzlich nicht mehr zu den 45 Versiche-
rungsjahren. Das heißt, dieser Kollege wird von Ihnen
allen dafür bestraft, dass er den Arbeitsplatz eines jünge-
ren Kollegen gerettet hat. So schafft der CDU-Wirt-
schaftsflügel Generationenkonflikte. Ist das, was ich ge-
schildert habe, etwa die Form von Frühverrentung, die
Sie unbedingt verhindern wollen? Nein, das ist solida-
risch. Darum fordert die Linke: Stampfen Sie diesen rol-
lierenden Stichtag ein!


(Beifall bei der LINKEN)


Und schließlich: Schließen Sie von den vielen Ge-
rechtigkeitslücken Ihres Rentenpaketes wenigstens die
folgenden drei:

Erstens. Finanzieren Sie die Mütterrente aus Steuer-
geldern. Das ist gerecht,


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und das schafft finanzielle Spielräume für höhere Renten
für alle. Ich will es hier noch einmal deutlich sagen: Alle
Gewerkschaften, alle Arbeitgeber, alle Sozialverbände,
die Linke, die Grünen und vor allen Dingen alle sachver-
ständigen Professoren in der Anhörung des Bundestags-
ausschusses für Arbeit und Soziales haben Ihnen gesagt,
dass die Mütterrente aus Steuergeldern finanziert werden
muss. Bei dieser Breite: Hören Sie doch einmal auf den
Rat der Sachverständigen! Machen Sie es einfach! Kin-
dererziehung geht alle an.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Hören Sie auf den Appell der Fraueninitia-
tive der Volkssolidarität „Gleiche Mütterrente in Ost und
West“,


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und sorgen Sie dafür, dass die vielen Mütter und die we-
nigen Väter für ihr Kind 86 Euro auf dem Rentenkonto
gutgeschrieben bekommen – egal, ob es 1970 in Dresden
oder 1998 in Düsseldorf geboren wurde.


(Beifall bei der LINKEN)


Drittens. Schaffen Sie die willkürlichen Kürzungen
von 10,8 Prozent bei den Erwerbsminderungsrenten end-
lich ab, und verlängern Sie die Zurechnungszeit um drei
Jahre! Das brächte durchschnittlich 130 Euro mehr im
Monat, und es hülfe vielen kranken Rentnerinnen und
Rentnern aus der Sozialhilfe heraus.

Meine Damen und Herren, unsere Vorschläge zu all
dem liegen auf dem Tisch. Stimmen Sie ihnen zu – im
Interesse der Menschen!

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803700300

Als nächstem Redner erteile ich das Wort Karl

Schiewerling, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1803700400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Mehr Gerechtigkeit für Mil-
lionen Mütter, Anerkennung von Lebensleistung, bessere
soziale Absicherung bei Erwerbsminderung, Hilfestellun-
gen, die berufliche Tätigkeit nach Krankheit wieder fort-
setzen zu können, neue Perspektiven beim Übergang aus
dem Arbeitsleben in die Ruhephase: Das ist Inhalt des
gemeinsam verhandelten Rentenpaketes. Es ist ein gutes
Rentenpaket. Wir helfen vielen Menschen. Deswegen
wird die CDU/CSU-Fraktion dem auch zustimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Insbesondere die Verbesserung der Rente und der
Rentenansprüche für Millionen von Frauen, die vor 1992
Kinder geboren und erzogen haben, ist ein Herzensanlie-
gen vieler Frauenverbände wie der Frauen-Union, der
Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands und
dem Deutschen LandFrauenverband. Sie haben dieses in
die Union hineingetragen, das wurde von uns aufgegrif-
fen, und wir setzen es jetzt um. Meine Damen und Her-
ren, das ist ein gutes Zeichen, das wir hier für diese be-
troffenen Frauen setzen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Warum tun wir das? Wir tun das, weil es um Generati-
onengerechtigkeit geht. Unserer Generation ginge es
heute nicht so gut, hätten diese Frauen nicht Kinder ge-
boren und erzogen – und zwar zu Rahmenbedingungen,





Karl Schiewerling


(A) (C)



(D)(B)

die nicht mit den heutigen zu vergleichen sind. Sie haben
sie so erzogen, dass lebenstüchtige Menschen herausge-
kommen sind, die in der Lage sind, unseren Wirtschafts-
standort Deutschland zu stärken. Wer Familienpolitik
und Sozialpolitik, wer Erziehung und Rente voneinander
trennt, hat nicht begriffen, dass es wirtschaftliche, inhalt-
liche und gesellschaftliche Zusammenhänge gibt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deswegen ist das, was wir hier tun, ein wichtiges Zei-
chen für Gerechtigkeit.

Die Rente mit 67 bis 2029 bleibt unser Ziel. Wir wer-
den es erreichen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist ja das Problem!)


Wir werden dann auch zu den alten Regelungen wieder
zurückkehren, wozu auch die Renteneintrittsmöglichkeit
für besonders langjährig Versicherte 65-Jährige, also mit
45 Beitragsjahren und mehr, gehört. Wir ändern das jetzt
im Rahmen einer vereinbarten befristeten Regelung. Es
wird nun die Rente mit 63 geben, und das Eintrittsalter
wird in den nächsten 15 Jahren sukzessive ansteigen. Ich
sage Ihnen: Das Ziel der Union ist und bleibt, dass wir
2029 wieder zu den alten Regelungen – das heißt auch:
ohne Zeiten der Arbeitslosigkeit – zurückkehren. Aber
jetzt bleibt es so, wie wir es vereinbart haben. Wir wer-
den sehen, wie sich die Dinge entwickeln.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, wir bekommen mit diesem
Gesetz aber auch flexiblere Übergänge von der Erwerbs-
arbeit in den Ruhestand. Wir wollen eine längere Le-
bensarbeitszeit. Derjenige, der länger arbeiten will, soll
das auch können. Durch die Initiative unseres Kollegen
Carsten Linnemann hat die Union diesen Punkt auf die
Tagesordnung gesetzt und damit deutlich gemacht, dass
wir für flexiblere Übergänge aus dem Erwerbsleben
sind. Den Einstieg bekommen wir mit diesem Gesetz.
Wir werden es in der zweiten Jahreshälfte gemeinsam
mit dem Koalitionspartner, der dies aktiv unterstützt und
es genauso sieht, gestalten und nach vorne bringen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Dr. Carola Reimann [SPD])


Wir nehmen dabei zwei Lebenssituationen in den
Blick, nämlich die Zeit vor dem Eintrittsalter für die Re-
gelaltersrente und die Zeit danach. Wir wollen jetzt zu-
nächst einmal, dass diejenigen, die länger arbeiten wol-
len und bei denen das Renteneintrittsalter naht, die
Möglichkeit dazu erhalten, den Beendigungszeitpunkt
für ihr Arbeitsverhältnis hinauszuschieben. Das bedarf
einiger rechtlicher Regelungen. Das erfolgt mit dem vor-
liegenden Gesetzentwurf, über den wir heute entscheiden.
Und auch denjenigen, die schon Rentner sind, denen aber
einfällt, sie könnten wieder erwerbstätig werden, wollen
wir diesen Weg ermöglichen. Schließlich wollen wir
denjenigen, die noch nicht das Renteneintrittsalter er-
reicht haben, aber einen fließenderen Übergang in die
Rente brauchen – aus welchen Gründen auch immer –,
dies ermöglichen.
Dazu werden wir überlegen, wie man die Anreize, die
das Rentensystem heute schon setzt, nämlich dass je-
mand, der die Rente erst später in Anspruch nimmt, eine
deutlich höhere Rente bekommt – das ist heute schon ge-
regelt: 6 Prozent mehr –, verbessert, und auch entspre-
chende weitere Anreize setzen. So kann man überlegen,
ob man die Teilrente, die es heute schon gibt, flexibili-
siert. Aber über all diese Fragen werden wir miteinander
sprechen.

Lassen Sie mich ein letztes Wort zur Frage der Finan-
zierung sagen: Die Finanzierung dieses Rentenpakets ist
verantwortlich gestaltet. Wir werden das Rentenniveau
nicht absenken.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, natürlich! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie bitte? Steht doch im Gesetz drin! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das entspricht nicht der Wahrheit, Herr Schiewerling, was Sie sagen!)


Wir werden in den nächsten Jahren erleben, dass der
Rentenversicherungsbeitrag nicht steigt. Wir werden er-
leben, dass wir trotz dieses umfänglichen Rentenpaketes
einen ausgeglichenen Bundeshaushalt erreichen. Wir
werden die Steuern nicht erhöhen und dennoch den
Menschen soziale Leistungen zukommen lassen.

Auf Dauer gesehen wird der Staat, egal wie sich die
Regierung zusammensetzt, kein Interesse daran haben,
dass der Rentenversicherungsbeitrag durch die Decke
schießt und dass das Rentenniveau ins Bodenlose fällt.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Schiewerling, bis 2017 doch nur!)


Das, was im Gesetz steht, ist keine Pflichtaufgabe, son-
dern das, was kommen wird, wenn nichts passiert. Bis
wir so weit sind, wird noch einiges geschehen. Dafür
werden wir in der Union sorgen.

Ich bitte Sie herzlich um Ihre Zustimmung zu diesem
Rentenpaket.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803700500

Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege

Birkwald.


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803700600

Herr Kollege Schiewerling, Sie haben gerade behaup-

tet, das Rentenniveau würde nicht absinken.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Wahrheitswidrig!)


Diese Aussage ist wahrheitswidrig. Sie ist komplett
falsch.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Rentenniveau betrug im vorigen Jahr 48,7 Pro-
zent, beträgt in diesem Jahr 47,8 Prozent und wird aus-
weislich des Gesetzes, das wir hier heute in abschließen-





Matthias W. Birkwald


(A) (C)



(D)(B)

der Lesung diskutieren, im Jahr 2030 auf 43,7 Prozent
absinken. Durch dieses Gesetz wird es stärker sinken, als
es ohne dieses Gesetz gesunken wäre; dann wäre es
nämlich auf nur – in Anführungsstrichen – 44,4 Prozent
gesunken. Was sagen Sie zu dem Widerspruch zwischen
dem, was in dem Gesetz steht, das wir heute verabschie-
den, und dem, was Sie eben gesagt haben? Das ist meine
Frage.

Außerdem möchte ich die Gelegenheit nutzen, dem
Hohen Hause und der Öffentlichkeit noch einmal deut-
lich zu machen, was das Rentenniveau ist; das ist vielen
Menschen nämlich gar nicht bewusst. Der aktuelle Be-
griff des Rentenniveaus lautet korrekt „Sicherungsni-
veau vor Steuern“ und ist wie folgt definiert – jetzt bitte
gut aufpassen –:


(nach Abzug von Krankenund Pflegeversicherungsbeitrag, aber vor etwaigen Steuern auf Rente)

durchschnittlichen Bruttolohn nach Abzug der So-
zialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer und der
Beiträge zur geförderten freiwilligen Zusatzvor-
sorge, aber vor Abzug der Lohnsteuer.

Das ist das Rentenniveau, und das, Herr Schiewerling,
sinkt, egal, welche schönen Worte Sie hier machen.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803700700

Kollege Schiewerling zur Antwort.


Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1803700800

Herr Kollege Birkwald, ich finde es immer etwas be-

fremdlich, wenn Sie Ihre Zwischenbemerkungen zu
Grundsatzvorlesungen zum Rentenrecht nutzen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ja, dabei kann man etwas lernen! – Weitere Zurufe von der LINKEN)


Das ist typisch. Vielleicht sollten Sie das anderweitig
machen.


(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Frage beantworten!)


Ich glaube schon, dass die Menschen wissen, was ein
Rentenniveau ist.

Das bedarf nicht der Erläuterung durch die Linke.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das glaube ich schon! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zur Sache! – Weitere Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Beruhigen Sie sich doch mal!

Jetzt sage ich Ihnen etwas zur Situation. Ja, Sie haben
recht: Das steht im Gesetzentwurf, ist aber mit der Jah-
reszahl 2030 versehen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Habe ich gesagt!)


Die Bundesregierung war sogar verpflichtet, dies reinzu-
schreiben, weil sie von der jetzigen Istsituation ausgehen
muss. Das heißt nicht, dass es bis zum Jahre 2030 tat-
sächlich so eintritt, dass der Staat nicht eingreifen darf
und dass es nicht zu positiven Auswirkungen aufgrund
einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung kommt.
Was ist denn, wenn das wirtschaftliche Niveau weiter
steigt, und was ist denn, wenn es sinkt und der Staat stär-
ker eingreift? Dann kann es sein, dass das Rentenniveau
bis 2030 nicht so sinkt.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Der Kollege beschließt, so etwas nicht zu machen! Toll!)


Ich sage Ihnen voraus: Ich kann mir nicht vorstellen,
dass es eine Bundesregierung geben wird, die im Jahre
2030 allen Ernstes ein Rentenniveau von 43,8 Prozent
haben will. Bis zum Jahre 2030 gehen noch viele Jahre
ins Land.

Etwas Weiteres sage ich Ihnen: Selten sind Prognosen
für die Rentenversicherung mit 20 oder 30 Jahren Vor-
lauf Wirklichkeit geworden. Wenn es nach den Progno-
sen für die heutige Situation ginge, müsste der Renten-
versicherungsbeitrag nicht bei 18,9 Prozent bzw., wenn
wir ihn abgesenkt hätten, bei 18,3 Prozent liegen, son-
dern er hätte nach den Planungen bei 19,4 Prozent liegen
müssen; das war eine der früheren Voraussagen. Mittler-
weile hat sich die Situation völlig geändert. Das, was im
Gesetz steht, ist das, was die Bundesregierung rein-
schreiben musste, weil sie nicht vorhersagen kann, wie
eine Bundesregierung im Jahr 2021 reagieren will und
wird. Dabei bleibe ich.

Meine Kernaussage lautet deswegen – da habe ich
nichts zurückzunehmen –: Die CDU/CSU wird alles da-
ransetzen, dass der Rentenversicherungsbeitrag in den
nächsten 20 Jahren nicht durch die Decke schießt und
dass das Rentenniveau nicht ins Bodenlose fällt. – Das
ist meine Kernaussage; daran fühlen wir uns gebunden.
Sie werden es erleben. Denn wir haben in der Vergan-
genheit so gehandelt, und wir werden es auch in Zukunft
tun. Das ist meine Kernaussage.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das klingt schon ganz anders! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das ist eine ganz andere Aussage als vorhin!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803700900

Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen

Markus Kurth, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803701000

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! An die Entscheidungen des heutigen Tages werden
in den nächsten Jahren, Jahrzehnten noch viele Bürge-
rinnen und Bürger denken, beginnend spätestens im Jahr
2018, wenn wegen des Rentenpakets die Rücklagen der
Rentenversicherung aufgebraucht sind und 10 Milliar-
den Euro jährlich finanziert sein wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)






Markus Kurth


(C)



(D)(B)

Die Abgeordneten der nächsten Wahlperioden werden
sich vielleicht daran erinnern, dass diejenigen, die heute
das sogenannte Rentenpaket beschließen, eben nicht an
die kommenden Jahrzehnte gedacht haben.

Wenn in den 20er-Jahren dieses Jahrhunderts die Al-
tersarmut rapide zunimmt, werden sich die Menschen
fragen, wie es denn passieren konnte, dass die früheren
Überschüsse der Rentenkasse nicht für eine armutsfeste
Garantierente zurückgelegt wurden, wie das damals die
Grünen vorgeschlagen haben,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


weil schon 2014 absehbar war, dass das Risiko der Al-
tersarmut steigt.

Und in den 30er-Jahren dieses Jahrhunderts werden
sich die dann politisch Verantwortlichen die Haare rau-
fen, wieso denn eigentlich in der letzten demografischen
Schönwetterphase dieses Jahrhunderts, als die Genera-
tion der Babyboomer noch erwerbstätig war, die dama-
lige Große Koalition keine Vorsorge getroffen hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Geschichtswissenschaftler des Jahres 2034 wer-
den dann nachvollziehen, dass damals im Jahr 2014 die
beiden größten Fraktionen im Deutschen Bundestag ei-
nen Pakt schmiedeten, um kurzfristige Interessenpolitik
für ihre Stammwähler zu betreiben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Historiker werden erforschen, welche Engstirnig-
keit, Selbstbezogenheit und verzerrte Wirklichkeits-
wahrnehmung dazu geführt haben, dass der Blick auf
das Gesamtsystem der Rente bei der letzten Kanzler-
schaft Angela Merkels verloren gegangen ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Alle Erklärungen können dann aber nicht mehr die fata-
len, falschen Weichenstellungen jenes verhängnisvollen
23. Mai 2014 zurücknehmen.

Meine Damen und Herren von der Regierungskoali-
tion, Sie kleiden Ihr Rentenpaket in das Gewand der Ge-
rechtigkeit. Tatsächlich schaffen Sie aber zahllose neue
Ungerechtigkeiten. Wie absurd!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ein Beispiel: Eine 56-jährige Krankenpflegerin, die in
den nächsten Jahren wegen körperlichen Verschleißes
mit vollen rentenmindernden Abschlägen in die Er-
werbsminderungsrente gehen muss, hat nichts von der
abschlagsfreien Rente mit 63, sie muss diese aber erst
mit höheren Rentenbeiträgen, ein zweites Mal mit ihren
Steuern und ein drittes Mal mit einem niedrigeren Ren-
tenniveau bezahlen. Denn das Rentenpaket belastet nicht
nur die Beitragszahler; es wirkt sich über die kompli-
zierte Formel zur Berechnung der Rentenhöhe natürlich
auch auf die heutigen und zukünftigen Rentnerinnen und
Rentner aus.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist das, Herr Schiewerling!)

Deren Rente wird nach Zahlen der Deutschen Renten-
versicherung um 1,6 Prozent niedriger ausfallen. Herr
Schiewerling, Ihr Geeier, Ihre Argumentation, Ihr Hoff-
nungslauf eben – sie drücken die Daumen, das wird
schon nicht so schlimm bis zum Jahr 2030 – können
über diese Tatsache nicht hinwegtäuschen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja! Da hat der Kollege Kurth völlig recht!)


Was ist daran eigentlich gerecht? Meine Kolleginnen
und Kollegen von der SPD, Sie und auch Sie, Frau
Nahles, brüsten sich damit, Sie täten jetzt etwas für die-
jenigen, die etwas geleistet hätten. Hat denn die Kran-
kenpflegerin aus meinem Beispiel nichts geleistet? Ha-
ben etwa diejenigen, die 40 Beitragsjahre auf dem
Buckel haben und unverschuldet mehrere Jahre langzeit-
arbeitslos waren, nichts geleistet?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wie mag sich in deren Ohren das Gerede von der be-
lohnten Leistung anhören? Es ist nachgerade zynisch,
wie Sie mit wackeren Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmern umgehen, die alles gegeben haben, aber aus
nicht selbstverschuldeten Gründen die Hürde für die
Rente mit 63 nicht schaffen.

Aber diese Ungerechtigkeiten alleine sind es nicht,
die mich verstören. Sie versuchen ja auch, den Eindruck
zu erwecken, Sie würden die Rente mit 67 zurückneh-
men – daran leiden Sie ja immer noch –, aber das ist
nicht so. Auch wenn die konservativen Medien sagen:
Oh, Agenda 2010, das wird zurückgedreht, Rückkehr in
die Zeit von vor 20 Jahren. –


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schön wär’s!)


All das stimmt gar nicht! Die Rente mit 67 bleibt erhal-
ten, und auch die Absenkungen des Rentenniveaus wer-
den natürlich über die bereits erfolgten hinausgehen.

Was Sie machen, ist eine selektive Begünstigung von
15 Jahrgängen, die eine relativ lückenlose Erwerbsbio-
grafie haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Alle anderen lassen Sie im Regen stehen und mit den
zum Teil durchaus problematischen Resultaten der letz-
ten Rentenreformen allein. Sie setzen sich nicht grund-
sätzlich mit der Anhebung des Renteneintrittsalters aus-
einander. Wir Grüne wollen flexible Renteneintritte für
die, die es brauchen, aber keine falschen Anreize für die,
die noch arbeiten können und wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bevor ich hier nur auf die Sozialdemokraten einhaue,
verliere ich lieber auch noch ein paar Worte zur Mütter-
rente; denn das ist ja finanziell insgesamt der größte Pos-
ten. Dazu sage ich: Ja, Sie verringern mit der Stichtags-
regelung eine vorhandene Gerechtigkeitslücke. Zwei
Fragen müssen Sie sich aber stellen. Erstens: Ist das der-

(A)






Markus Kurth


(A) (C)



(D)(B)

zeit wirklich unser größtes sozialpolitisches Problem? Ist
das die richtige Prioritätensetzung? Und zweitens: Wird
das vernünftig finanziert?

Zu der ersten Frage muss ich sagen: Wenn ich mir die
Zukunft anschaue, sehe ich, dass Altersarmut in den
nächsten Jahrzehnten das größte Problem sein wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ursache dafür sind gebrochene Erwerbsbiografien und
ein zum Teil niedrigeres Lohnniveau. Hier ist nach der
Prioritätensetzung zu fragen. Ich setze meine Mittel, die
nun einmal auch in der Politik begrenzt sind, doch dort
ein, wo sie am nötigsten gebraucht werden. Wenn in ei-
nem Haus mit zwei Zimmern in dem einen Zimmer tape-
ziert werden müsste und es in das andere Zimmer rein-
regnet, dann fange ich doch bei begrenzten Mitteln nicht
an zu tapezieren, sondern stopfe erst einmal die größten
Löcher.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE])


Jetzt zur Finanzierung: Sie finanzieren die Mütter-
rente nicht über Steuern – Kollege Birkwald hat das
schon gesagt –, obwohl wirklich ausnahmslos alle Sach-
verständigen in der Anhörung das gefordert haben. Sie
stellen sich aber hier hin und sagen: Wir erhöhen die
Steuern nicht, und wir nehmen keine neuen Schulden
auf. – Zugleich lassen Sie das aber die kleinen Leute
über ihre Sozialversicherungsbeiträge bezahlen. Das,
was Sie da machen, ist im Grunde genommen Wahlbe-
trug.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Mir fehlt jetzt die Zeit, um auf Ihre Änderungsan-
träge, die im Wesentlichen nichts ändern, einzugehen. Es
gab das große Gegackere des Wirtschaftsgeflügels der
Union.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: „Wirtschaftsgeflügel“ ist gut!)


Deswegen mussten Sie noch ein bisschen nachbessern.
Die brauchten auch noch einen Skalp, den sie mit nach
Hause nehmen können. Aber weder der rollierende
Stichtag noch andere freiwillige Beitragsregelungen än-
dern grundsätzlich etwas an dem gesamten Paket. Inso-
fern kann man sagen: Ihr Ablenkungsmanöver ist noch
nicht einmal aufgegangen. Der Wirtschaftsrat der CDU
sagt: Es handelt sich bei der Flexirente um ein „notdürf-
tiges Feigenblatt“. Die Nachverhandlungen konnten also
noch nicht einmal die Funktion, die Sie ihnen zugedacht
haben, erfüllen. Sie haben nur Verschlimmbesserungen
erreicht.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])


Ich komme zu dem Fazit, dass heute im Grunde ge-
nommen ein schlechter Tag für Deutschland und auch
ein schlechter Tag für Europa ist. Sie tun genau das, was
Sie den südeuropäischen Staaten vorwerfen: Klientel-
geschenke auf Pump. Damit gefährden Sie die langfristi-
gen Aussichten und die Nachhaltigkeit im Rentensys-
tem. Das ist wirklich beschämend.

Ich würde mir wünschen, Sie würden dieses Paket so
nicht beschließen.


(Christine Lambrecht [SPD]: Das würde aber Millionen Menschen enttäuschen!)


Und ich sage noch einmal: Wir alle werden in den nächs-
ten Jahren noch häufig an diesen Tag und diese Entschei-
dung zurückdenken.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ich denke, Grün ist die Farbe der Hoffnung! Davon habe ich jetzt nichts gemerkt!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803701100

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort Kollegin

Dr. Carola Reimann, SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Carola Reimann (SPD):
Rede ID: ID1803701200

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Heute ist ein guter Tag für viele Menschen in unse-
rem Land,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


für Millionen von Menschen in unserem Land, die in ih-
rem Leben viel geleistet haben. Mit der heutigen Lesung
schließen wir die Beratungen zum Leistungsverbesse-
rungsgesetz erfolgreich ab, und das ist gut; denn die
Menschen warten auf diese Verbesserungen. Wir können
heute sagen: Wir halten Wort. Das Rentenpaket wird Ge-
setz.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Genau so ein guter Tag wie Hartz IV für die Arbeitslosen!)


Kolleginnen und Kollegen, wir haben wie immer im
parlamentarischen Verfahren noch Ergänzungen vorge-
nommen. Uns ist es gelungen, mögliche Frühverren-
tungen auszuschließen und gleichzeitig dafür zu sorgen,
dass unverschuldete Arbeitslosigkeit nicht bestraft wird.
Wir haben Ergänzungen für freiwillig Versicherte vorge-
nommen und den Einstieg in flexible Übergänge in die
Rente erleichtert, und das ohne die Absenkung bisher
vereinbarter Arbeitsbedingungen.


(Beifall der Abg. Kerstin Griese [SPD])


Das ist mir besonders wichtig. Wir Sozialdemokraten
und Sozialdemokratinnen wollen Flexibilität für Arbeit-
nehmer und nicht zulasten von Arbeitnehmern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)






Dr. Carola Reimann


(A) (C)



(D)(B)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich höre
schon die ersten Kritiker und Kommentatoren: Rente mit
63 auf der einen Seite und arbeiten nach der Regelalters-
grenze auf der anderen Seite, das sei doch widersprüch-
lich; die Große Koalition wisse nicht, was sie wolle. Ich
kann Sie da beruhigen: Wir wissen sehr genau, was wir
wollen. Wir wollen, dass sich unsere Rentengesetzge-
bung an den individuellen Bedürfnissen der Menschen
orientiert. Und diese sind bekanntlich vielfältig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der eine oder die eine ist froh, wenn sie mit über 70
noch arbeiten kann, weil sie ihre Arbeit liebt, weil sie
dort ihre sozialen Kontakt hat und weil sie dazu führt,
dass sie sich gebraucht fühlt. Aber es gibt eben auch den
anderen Lebensentwurf, diejenigen, die froh sind, wenn
sie nicht mehr arbeiten müssen, weil sie genug geschuf-
tet haben, die froh sind, wenn sie einmal Zeit für Fami-
lie, Kinder, Ehrenamt und Hobby haben. Es gibt natür-
lich auch diejenigen, die arbeiten wollen, aber schlicht
und einfach nicht mehr arbeiten können. Deshalb müs-
sen wir unterschiedliche individuelle Ausstiegsmöglich-
keiten anbieten. Für uns Sozialdemokratinnen und So-
zialdemokraten gehört die Rente mit 63 genauso dazu
wie Modelle für die sogenannten Silver Workers, die
freiwillig länger arbeiten. Das ist kein Widerspruch, son-
dern Politik, die sich an den individuellen Bedürfnissen
der Menschen orientiert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe mich in den
letzten Wochen das eine oder andere Mal über die Auf-
geregtheiten gewundert. Wir schaffen für langjährig Ver-
sicherte die Möglichkeit, abschlagsfrei in Rente zu ge-
hen. Wir drehen hier kein Rad zurück. Uns geht es um
mehr Gerechtigkeit, mehr Anerkennung der Lebensleis-
tung und darum, mehrere Optionen für Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer zu schaffen. Niemand glaubt ja
ernsthaft, Kollege Kurth, dass Menschen, die gerne län-
ger arbeiten möchten, wegen der Rente mit 63 nun frü-
her in Rente gehen.


(Christine Lambrecht [SPD]: Genau!)


Wir als Gesetzgeber wollen den Menschen doch nichts
vorschreiben. Wir wollen die Rahmenbedingungen dafür
schaffen, dass Menschen den für sie passenden Über-
gang in die Rente wählen können.

Unsere Aufgabe in den kommenden Wochen und Mo-
naten wird sein, gemeinsam mit den Gewerkschaften
und Arbeitgebern dafür zu sorgen, dass diese Übergänge
in die Rente künftig noch besser an die Lebenswirklich-
keit angepasst werden. Zwei Punkte sind mir dabei sehr
wichtig. Ich will, dass alle, wenn sie denn wollen, mög-
lichst lange gesund-aktiv im Berufsleben stehen können.
Das darf kein Privileg gut ausgebildeter Akademiker
sein. Ich will, dass auch am Ende des Arbeitslebens or-
dentliche Arbeitsverhältnisse herrschen. Ein Zweiklas-
senarbeitsrecht darf und wird es mit uns nicht geben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Rentenpaket ist
ein wichtiger Baustein für die Weiterentwicklung unse-
res Rentensystems. Es schließt Gerechtigkeitslücken und
stärkt das Vertrauen in unsere gesetzliche Rentenversi-
cherung. Mit unseren Vorschlägen zu flexiblen Übergän-
gen in den Ruhestand und zur Solidarrente werden wir in
den kommenden Monaten weiter daran arbeiten, dieses
Vertrauen zu stärken.

Vielen Dank fürs Zuhören.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803701300

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kolle-

gen Peter Weiß, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1803701400

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Die Finanzierung des Rentenpakets ist hier kritisiert
worden. Ich darf erinnern: Letztes Jahr war Bundestags-
wahl. Bündnis 90/Die Grünen hatten ein Wahlprogramm
vorgelegt, das verschiedenste rentenpolitische Vorhaben
enthielt.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


Die Gesamtkosten hätten im Jahr 2030 15 bis 20 Milliar-
den Euro betragen. Das ist beinahe das Doppelte dessen,
was jetzt die Große Koalition macht.


(Beifall bei der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles mit Steuern gegenfinanziert! – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gegenfinanziert!)


Wer solche Versprechungen macht, eignet sich nicht,
heute hier im Parlament oder in der Öffentlichkeit der
Gralshüter der Rentenfinanzen zu sein, im Gegenteil.


(Beifall bei der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben alles gegenfinanziert! Das wissen Sie ja! Dafür sind wir ja verkloppt worden!)


Wir legen ein insgesamt solide finanziertes Renten-
paket vor. Wir beschließen bereits heute, dass wir in der
nächsten Legislaturperiode 2 Milliarden Euro Steuergel-
der zusätzlich drauflegen, um die Rente nachhaltig zu fi-
nanzieren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das reicht aber nicht! Das wissen Sie doch!)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es war im Jahr
1986 ein geradezu revolutionärer Akt, dass der Deutsche
Bundestag endlich zum ersten Mal Kindererziehungszei-
ten rentensteigernd im Rentenrecht anerkannt hat. Denn
unser Rentensystem ist vor allem auf eines angewiesen,
darauf, dass es Kinder und Enkelkinder gibt, die eines





Peter Weiß (Emmendingen)



(A) (C)



(D)(B)

Tages mit dazu beitragen, dass unser Rentensystem fi-
nanziert ist und den Älteren eine Rente ausbezahlt wird.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Kinder zahlen keine Beiträge!)


Deshalb ist die Anerkennung von Kindererziehungszei-
ten in der Rente das allererste Gebot von Generationen-
gerechtigkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn wir heute für die Mütter von vor 1992 gebore-
nen Kindern die Mütterrente verdoppeln, dann ist das
keine Beschädigung des Rentensystems, wie manche be-
haupten. Nein, es macht das Rentensystem stärker, als es
je war. Es sichert die Zukunftsfähigkeit des Rentensys-
tems. Die Mütterrente ist richtig für die Zukunft unserer
Rente.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit dem Renten-
paket kehren wir auch nicht auf dem Weg um, dass die
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer künftig länger
arbeiten sollen und die Regelaltersgrenze auf 67 angeho-
ben wird. Aber die Menschen sollen auch bitte bis 67 ge-
sund bleiben. Deshalb ist die Erhöhung der Rehaleistun-
gen der Rentenversicherung, die wir heute beschließen,
substanzieller Bestandteil einer klugen Politik, die das
Arbeiten bis 67 erst möglich macht.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Warum heben Sie den Rehadeckel dann nicht ganz auf?)


Wir eröffnen zudem die Möglichkeit, dass auch über
die Regelaltersgrenze hinaus weitergearbeitet wird. Wir
wollen im deutschen Rentenrecht individuelle Antwor-
ten – die Kollegin Reimann hat es gesagt – und nicht ein
einseitiges Fallbeil, wann mit dem Arbeiten Schluss ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, auch wenn man
vorübergehend nach 45 Beitragsjahren – das ist eine
lange Zeit – abschlagsfrei mit 63 in Rente gehen kann,
bleibt es dabei: Wir werden auch diese Grenze Schritt
für Schritt, in Zwei-Monats-Schritten, erhöhen. Übri-
gens: Wer länger als bis 63 arbeitet, bekommt auch mehr
Rente. Deswegen: Wer mehr Rente haben möchte, der
muss länger arbeiten. Dabei bleibt es auch in Zukunft.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wer wirklich nicht mehr kann, dauerhaft erkrankt ist
oder einen Unfall hat, für den ist wichtig, dass er weiß:
Ich habe die Möglichkeit, Erwerbsminderungsrente zu
beantragen, und ich kann davon auch leben. – Deswegen
sind die Verbesserungen bei der Berechnung der Höhe
der Erwerbsminderungsrente, die wir heute beschließen,
eine wichtige Voraussetzung dafür, dass auch für künf-
tige Generationen von Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmern klar ist: Diese Rentenversicherung bietet mir
nicht nur Sicherheit im Alter, sondern sie gibt mir auch
Sicherheit, falls mir in meinem Arbeitsleben ein Unfall
passiert und ich frühzeitig ausscheiden muss. – Heute
wird die Rentenversicherung für alle Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer in Deutschland ein Stück sozialer und
zuverlässiger.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803701500

Das war an sich schon ein ganz schöner Schlussge-

danke. Ihre Redezeit ist nämlich vorbei.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1803701600

Jawohl, Herr Präsident. – Zum Schluss: Mancher Zei-

tungskommentar erweckt den Eindruck, als ob das, was
wir heute beschließen, etwas völlig Neues sei. Nein, im
letzten Jahr sind wir mit klaren Aussagen zur Rente in
unserem Wahlprogramm in den Wahlkampf gegangen.
Heute setzen wir das um und tun, was die Bürgerinnen
und Bürger von uns erwarten: Wir halten Wort.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803701700

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kolle-

gen Michael Gerdes, SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michael Gerdes (SPD):
Rede ID: ID1803701800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem

heutigen Tag wird die Rente ein Stück weit gerechter.
Wir beschließen Verbesserungen für langjährig Versi-
cherte, für Mütter und Väter und für Arbeitnehmer, die
aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nur ein-
geschränkt arbeiten können. Das ist gut und richtig. Wir
zollen damit Arbeits- und Lebensleistungen Respekt.
Und: Wir passen das System der Arbeitswirklichkeit von
heute an. Wer im Laufe seines Lebens kurzfristig ohne
Arbeit war, wird nicht auch noch im Alter dafür bestraft.
Die Rente ab 63 nach 45 Beitragsjahren ist nun da.

Die Kritiker sagen uns, das Rentensystem müsse noch
viel gerechter werden. Ja, gerechter zwischen den Gene-
rationen, gerechter zwischen Ost und West, gerechter fi-
nanziert. Wie auch immer wir Gerechtigkeit definieren:
Es ist falsch, einzelne Gruppen gegeneinander auszu-
spielen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das Rentensystem ist keine Wundertüte, aus der sich je-
der das Beste nehmen kann.

Wichtig ist, finde ich, eine gewisse Balance. Die Älte-
ren müssen von ihrer verdienten Rente leben können.
Für die Mittelalten und Jüngeren müssen die Beiträge al-
lerdings bezahlbar bleiben. Klar ist auch, dass uns die
Rente weiterhin beschäftigen wird; der demografische
Wandel und die Veränderung der Arbeitswelt bringen
das mit sich. Wir wollen ein Rentensystem, das zukunfts-





Michael Gerdes


(A) (C)



(D)(B)

fähig ist. Deshalb werden wir über individuelle Renten-
eintritte reden müssen. Wer länger arbeiten will und
kann, soll das auch ohne Einschränkung tun dürfen.

Bei der heutigen Reform hätte ich mir persönlich
noch eine Schippe mehr im Bereich der Erwerbsminde-
rungsrenten gewünscht. Dass die Verbesserungen drin-
gend notwendig sind, war bei vielen Sachverständigen
unstrittig. Dennoch: Die Mehrheit der Bezieher einer Er-
werbsminderungsrente kommt aus Tätigkeiten mit gerin-
gem Einkommen. Damit ist klar, dass auch mit der spä-
teren Altersrente keine großen Sprünge zu machen sind.
Schließlich wirken sich niedrige Entgeltpunkte unmittel-
bar auf die Absicherung im Alter aus. Hier haben wir
eine Lücke geschlossen, indem wir die Berechnung der
Zurechnungszeiten verbessert haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Erhöhung des Rehabudgets ist ein gelungener
Anfang. Wir investieren in die Gesundheit der Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir erhöhen damit ihre
Chance auf Teilhabe am Arbeitsleben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch
auf einen Änderungsantrag von Union und SPD einge-
hen, der auf den ersten Blick unscheinbar wirkt, den ich
aber dennoch enorm wichtig finde. Mit der heutigen Ab-
stimmung entscheiden wir auch über ein Verfahren, das
die sogenannten Ehrenbeamten betrifft, sprich: ehren-
amtliche Bürgermeister oder Ortsvorsteher. Wir verlän-
gern die aktuelle Regelung, wonach die Aufwandsent-
schädigung keinen Einfluss auf den Hinzuverdienst bei
Alters- und Erwerbsminderungsrenten hat. Damit stär-
ken wir das politische Ehrenamt in den Kommunen, da-
mit erhalten und stärken wir den Personenkreis derer, die
sich für kommunale Belange engagieren. Ich meine, das
ist gut.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Unterm Strich bin ich davon überzeugt, dass der ge-
fundene Kompromiss rund um das Rentenpaket ein gu-
tes Ergebnis ist. Soziale Härten werden verringert – so
funktioniert ein Sozialstaat.

Andrea Nahles und ihr Haus haben Erstaunliches ge-
leistet: Das Rentenpaket wurde schnell und professionell
gepackt. Schon im Juli werden die Ersten von den Be-
schlüssen profitieren. Solch ein Tempo beim Regieren
kann sich sehen lassen. Deshalb, meine Damen und Her-
ren, ist heute ein guter Tag.

Herzlichen Dank und Glück auf!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803701900

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kolle-

gen Stephan Stracke, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Stephan Stracke (CSU):
Rede ID: ID1803702000

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Union und SPD haben sich mit dem Ko-
alitionsvertrag auf eine Politik für hohe Beschäftigung
und eine gerechte Sozialpolitik verständigt. Genau dies
machen wir. Wir wissen: Nur dann, wenn die Wirtschaft
gut läuft, wir einen hohen Beschäftigungsstand haben,
haben wir auch den Spielraum für Leistungsverbesserun-
gen. Diesen Spielraum haben wir uns in den letzten Jah-
ren erwirtschaftet. Für uns stehen dabei zwei Prioritäten
fest:

Erstens: keine neuen Schulden. Zum ersten Mal seit
1969, seit Franz Josef Strauß Bundesfinanzminister war,
werden wir 2015 einen ausgeglichenen Haushalt vorle-
gen. Das ist gelebte Generationengerechtigkeit; denn wir
wollen unseren jungen Generationen Chancen vererben
und nicht Schulden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und leere Rentenkassen!)


Zweitens. Wir investieren in die Zukunft unseres Lan-
des; denn wir müssen heute die Grundlagen für morgen
schaffen. Deshalb geben wir einen zweistelligen Milliar-
denbetrag aus, vor allem für Infrastruktur, Wissenschaft
und Bildung. Diese Politik ist der Grund, warum Deutsch-
land heute so gut dasteht und warum wir heute Spiel-
raum für unser Rentenpaket haben.

Ich darf daran erinnern: Ende November 2005
brauchte die Rentenkasse noch eine Liquiditätshilfe des
Bundes in Höhe von 900 Millionen Euro. Heute hat sie
ein Finanzpolster von über 32 Milliarden Euro. In den
vergangenen beiden Jahren konnten wir die Beitragszah-
ler jährlich um 10 Milliarden Euro entlasten, indem wir
den Beitragssatz entsprechend abgesenkt haben. Heute
können wir auch für diese Legislaturperiode sagen: Der
Beitragssatz bleibt stabil.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danach geht’s rauf!)


All dies ist Ergebnis unserer unionsgeführten Politik.
Das ist ein wirklich gutes Ergebnis für Deutschland und
die Menschen in diesem Land.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere Poli-
tik ist getragen vom Grundgedanken einer solidarischen
Leistungsgesellschaft. Genau deshalb machen wir die
Mütterrente. Sie ist verdienter Lohn für die Lebensleis-
tung von über 9,5 Millionen Müttern in diesem Land.
Das ist der Lohn für Erziehungsleistungen, die wir hier
entsprechend honorieren. Sie verdienen für das, was sie
ein Lebtag gemacht haben, unsere höchste Anerken-
nung. Die Mütterrente ist Ausdruck davon; deswegen
machen wir sie.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ausdruck einer solidarischen Leistungsgesellschaft
ist es auch, zu sagen: Wer 45 Jahre gearbeitet hat in die-





Stephan Stracke


(A) (C)



(D)(B)

sem Land, darf früher in Rente gehen. Deswegen haben
wir die Rente mit 65 gemacht. Wir ziehen dies nun be-
fristet um zwei Jahre vor – ich gebe zu: ein Gedanke, auf
den wir nicht spontan selbst gekommen wären.


(Zurufe von der SPD: Ah!)


Wir werden hier auch Zeiten der Arbeitslosigkeit ent-
sprechend berücksichtigen. Dabei ist es uns gelungen,
eine Frühverrentungswelle zu verhindern, und zwar mit
einer Stichtagslösung. Ich glaube, dass diese Stichtagslö-
sung eine gute ist.

Wir berücksichtigen in Zukunft auch freiwillige Bei-
träge. Damit schließen wir auch eine Gerechtigkeitslü-
cke, die entstanden ist durch die Anerkennung von Zei-
ten der Arbeitslosigkeit. Ansonsten würden Zeiten der
Arbeitslosigkeit bessergestellt als freiwillige Beitrags-
zahlungen. Deswegen haben wir uns darauf verständigt,
dass freiwillige Beiträge auf die Wartezeit von 45 Jahren
angerechnet werden. Das ist eine sehr gute Lösung für
die Menschen in diesem Land: für Selbstständige, für
Handwerker, aber natürlich auch für all die anderen, die
Pflichtbeiträge und zusätzlich freiwillige Beiträge ge-
zahlt haben. Mit dieser guten Lösung schließen wir eine
Gerechtigkeitslücke.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ein Letztes möchte ich hier herausstellen: Der größ-
ten Schätze, die wir in dieser Bundesrepublik Deutsch-
land haben, sind unser Vorsprung an Wissen und Können
und unsere herausragend qualifizierten Arbeitskräfte.
Diese Arbeitskräfte gilt es zu pflegen, egal ob sie jung
oder alt sind. Deswegen sagen wir: Diejenigen, die fit
sind und arbeiten wollen – auch über das für die Rente
geltende Regeleintrittsalter hinaus –, sollen ab jetzt ein-
facher weiterarbeiten können. Deshalb werden wir hier
die Möglichkeit einführen, dass solche Arbeitsverhält-
nisse – sogar mehrfach – verlängert werden können. Da-
mit werden wir den Menschen mehr passgenaue Mög-
lichkeiten an die Hand geben, ihr Arbeitsleben zu
gestalten. Auch das bringt dieses Rentenpaket mit sich
und ist Ausdruck einer guten Politik.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Im Ergebnis halte ich fest: Dieses Rentenpaket trägt
klar die Handschrift der Union. Es ist ein gutes Renten-
paket, und deswegen bitte ich um Zustimmung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803702100

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kolle-

gen Dr. Martin Rosemann, SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Martin Rosemann (SPD):
Rede ID: ID1803702200

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Carola Reimann
und Michael Gerdes haben es ja bereits gesagt: Heute ist
ein guter Tag für die Rentnerinnen und Rentner und für
die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem
Land; denn zum ersten Mal seit vielen Jahren beschlie-
ßen wir heute Leistungsverbesserungen in der gesetzli-
chen Rentenversicherung.

Diese Leistungsverbesserungen sind in das Gesamt-
konzept „Gute Arbeit, Gute Rente“ der Großen Koali-
tion eingebettet; denn wir wissen, dass auch der gesetzli-
che Mindestlohn und die Stärkung der Tarifparteien
einen Beitrag zur Sicherung eines guten Rentenniveaus
in Deutschland leisten und damit die Alterssicherung in
unserem Land stärken.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es ist ein guter Tag für die SPD; denn wir setzen
heute sozialdemokratische Politik um, und wir halten,
was wir versprochen haben.


(Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was denn jetzt: sozialdemokratisch oder christdemokratisch?)


Es ist ein guter Tag für die Große Koalition; denn sie
zeigt ihre Handlungsfähigkeit: Sie verabschiedet ihr ers-
tes großes Reformpaket und setzt vor allem um, was wir
gemeinsam im Koalitionsvertrag vereinbart haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Das gilt auch für die Berücksichtigung von Arbeitslosen-
zeiten bei der Anrechnung für die Rente mit 63 – und
zwar ohne Verfallsdatum. Das ist ein Beitrag zu mehr
Generationengerechtigkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn die Regierung eine so gute Politik macht, dann
ist es natürlich nicht leicht für die Opposition.


(Beifall des Abg. Marcus Held [SPD])


Sie haben sich redlich bemüht und hier Beispiele aufge-
führt, zum Beispiel die Krankenschwester, die mit
56 Jahren nicht mehr kann. Nicht dazugesagt haben Sie,
dass genau diese Krankenschwester von den Verbesse-
rungen bei der Erwerbsminderungsrente profitieren wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Linken fordern immer mehr, aber immerhin ent-
halten sie sich, weil sie erkannt haben, dass die Richtung
stimmt.

Die Grünen haben hier die Strategie entwickelt, uns
vorzuwerfen, dass wir nicht alles, was im Koalitionsver-
trag steht, bereits in den ersten 100 Tagen umgesetzt ha-
ben. Ihnen kann ich sagen, dass die Rentenpolitik der
Großen Koalition mit dem heutigen Tag nicht zu Ende
sein wird. Ich nenne nur folgende Stichworte: solidari-
sche Lebensleistungsrente zur Verhinderung von Alters-
armut,


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Na, da bin ich mal gespannt!)






Dr. Martin Rosemann


(A) (C)



(D)(B)

Verbesserungen bei den Betriebsrenten, Rentenanglei-
chung in Ost und West.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803702300

Herr Kollege, Sie haben jetzt eine Reihe von Frage-

wünschen ausgelöst, und zwar bei einem Kollegen von
den Grünen und einem Kollegen von der SPD. Mögen
Sie die Fragen zulassen?


Dr. Martin Rosemann (SPD):
Rede ID: ID1803702400

Normalerweise beantworte ich gern Zwischenfragen.

Ich habe aber nur noch sechs Sekunden Redezeit.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird doch nicht angerechnet!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803702500

Die Uhr würden wir dafür anhalten.


Dr. Martin Rosemann (SPD):
Rede ID: ID1803702600

Wie viele Zwischenfragen sind es denn?


(Heiterkeit – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Unmengen!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803702700

Ich habe jetzt erst einmal einen Kollegen von den

Grünen und einen Kollegen von der SPD gesehen. Sie
können entscheiden.


Dr. Martin Rosemann (SPD):
Rede ID: ID1803702800

Jetzt haben Sie aber die Uhr in der Zeit, in der Sie mit

mir diskutiert haben, nicht angehalten.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Mach doch weiter!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803702900

Nein, aber das kriegen wir schon geregelt.


Dr. Martin Rosemann (SPD):
Rede ID: ID1803703000

Also bitte.


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803703100

Danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Die Zeit

für Ihre Antwort wird nicht auf Ihre Redezeit angerech-
net, sodass Sie durch meine Frage eine Verlängerung Ih-
rer Redezeit bekommen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Marcus Held [SPD]: Jetzt komm schon!)


Sie verweisen auf den Koalitionsvertrag. Hoho, der
Koalitionsvertrag! Sie wollen uns erzählen, dass Sie das
alles umsetzen? Darf ich Sie daran erinnern, dass zum
Beispiel die solidarische Lebensleistungsrente ausdrück-
lich unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt worden
ist? In Ihrem Koalitionsvertrag findet sich eine Liste mit
Prioritäten ohne Finanzierungsvorbehalt. Schon jetzt ha-
ben Sie – ich erinnere nur an die ausgebliebene Entlas-
tung für die Kommunen in Höhe von 5 Milliarden Euro –
einiges von dieser Prioritätenliste gestrichen.
Wie plausibel sollen Ihre Zusagen sein, wenn Sie am
Anfang noch nicht einmal Ihre prioritären Vorhaben fi-
nanzieren können? Wie glaubwürdig soll es denn sein,
dass Sie etwas umsetzen wollen, was unter einem Finan-
zierungsvorbehalt steht? Das glaubt doch kein Mensch.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Martin Rosemann (SPD):
Rede ID: ID1803703200

Dass Sie das nicht glauben, glaube ich Ihnen gern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich kann Ihnen nur sagen: Einer Regierung, die in den
ersten 100 Tagen zwei große Reformpakete auf den Weg
gebracht hat und damit Zusagen aus dem Koalitionsver-
trag eins zu eins umsetzt, können Sie auch glauben, was
sie schwarz auf weiß im Koalitionsvertrag gemeinsam
verabredet hat, Herr Kurth.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Lassen Sie mich bei diesem Punkt bleiben. Die Ren-
tenpolitik der Großen Koalition wird nach dem heutigen
Tag nicht zu Ende sein. Ich will an dieser Stelle gerne
das Stichwort „flexible Übergänge“ aufgreifen. Das
Thema „flexible Übergänge“ hat nicht die CDU/CSU-
Mittelstandsvereinigung erfunden. Wir als Sozialdemo-
kraten haben hierzu Anträge zu einer Zeit gestellt, als
noch Schwarz-Gelb regiert hat, als „Rentenreform“ für
Sie ein Fremdwort war, etwas, was Sie damals nicht an-
gegangen sind.

Wir als Sozialdemokraten haben dafür gesorgt, dass
das Thema „flexible Übergänge“ überhaupt Eingang in
den Koalitionsvertrag gefunden hat. Es freut mich, dass
sich unser Koalitionspartner und auch die CDU/CSU-
Mittelstandsvereinigung dieses Themas angenommen
haben und es mit Nachdruck mit verfolgen. Deswegen
freue ich mich auch auf die Diskussion, die wir darüber
gemeinsam mit unserem Koalitionspartner unter Beteili-
gung der Tarifparteien führen werden. Dazu lade ich die
Opposition herzlich ein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803703300

Es gab noch die Bitte einer Kurzintervention aus der

SPD-Fraktion. – Bitte.


Dr. Hans-Joachim Schabedoth (SPD):
Rede ID: ID1803703400

Mich interessiert die Stellungnahme und Bewertung

des Kollegen Rosemann zu folgendem Sachverhalt: Er
hat doch, wie wir alle mitbekommen haben, gesagt, dass
nach demoskopischen Umfragen eine große Mehrheit
junger und alter Menschen, unabhängig von jeder politi-
schen Bindung – Grüne, Schwarze, Rote –, für den vor-
gezogenen Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren ist. Wie,
Herr Kollege Rosemann, erklären Sie sich, dass gerade
die Vertreter der Grünenfraktion und auch der Linken so





Dr. Hans-Joachim Schabedoth


(A) (C)



(D)(B)

tun, als würde sie das überhaupt nicht interessieren? Ha-
ben Sie dafür eine Erklärung?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ich habe dazu geredet, Herr Kollege! Sie hätten mal zuhören müssen! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt stellt man sich schon selber Fragen in der SPD!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803703500

Herr Rosemann, möchten Sie antworten? – Bitte.


Dr. Martin Rosemann (SPD):
Rede ID: ID1803703600

Vielen Dank. – Das gibt mir die Gelegenheit, noch

einmal darauf hinzuweisen, dass die Zustimmung zum
Rentenpaket in der Bevölkerung bei 80 Prozent liegt.
Diese Zustimmung lag vor der Kampagne der Initiative
Neue Soziale Marktwirtschaft bei 80 Prozent, und sie
liegt auch nach der Kampagne bei 80 Prozent.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daraus ziehe ich die Schlussfolgerung: Die Initiative
Neue Soziale Marktwirtschaft hätte das Geld besser an-
derswo angelegt, vielleicht für einen guten Zweck ge-
spendet oder sogar in die Rentenkassen gezahlt.


(Beifall bei der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803703700

Als nächster Rednerin in dieser Debatte erteile ich das

Wort Sabine Weiss, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Sabine Weiss (CDU):
Rede ID: ID1803703800

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine Damen und Herren! Seit Wochen,
wenn nicht sogar seit Monaten wird intensiv über das
Rentenpaket geredet, geschrieben und gestritten. Das
war richtig so. Streiten gehört zur gelebten Demokratie,
und Demokratie ist die beste aller Staatsformen, wenn
auch die schwierigste, weil immer um Überzeugungen
und Ziele gerungen werden muss.

Aber heute ist es so weit: Wir stimmen gleich über
das vorliegende Rentenpaket ab. Wir stimmen über die
Erhöhung der Erwerbsminderungsrente, die Verstär-
kung von Rehabilitationsleistungen, die Einführung der
Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren ab, und – verspro-
chen und gehalten! – die Mütterrente kommt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Gestatten Sie mir, dies heute zu meinem zentralen
Thema zu machen.

Frauen, die vor 1992 Kinder geboren haben, erhalten
einen zusätzlichen Rentenentgeltpunkt. Dies entspricht
pro Monat und pro Kind einer Rentenerhöhung von rund
28 Euro.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Im Westen, nicht im Osten! Da sind es 2,22 Euro weniger! Immer noch!)


Dies ist – das gibt es tatsächlich noch in der Politik – ein
wahrer Grund zur Freude.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Etwa 9,5 Millionen Frauen und auch ein paar Männer
werden von der Erhöhung dieser Mütterrente profitieren,
wobei – das spüre ich, wenn ich im Wahlkreis unterwegs
bin – der finanzielle Wert nicht der wirklich ausschlag-
gebende ist. Viele Frauen empfinden es schlicht als ge-
recht, dass ihre Lebensleistung der Kindererziehung
heute ein Stück mehr Anerkennung findet.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Diese Frauen – wer würde dem nicht zustimmen, meine
Damen und Herren? – haben diese Anerkennung auch
verdient.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daher ist heute – das möchte ich noch einmal wiederho-
len, Herr Kurth – für uns ein Tag der Freude.

Bei dieser Freude sollte man auch an die erinnern, die
immer wieder und nachhaltig daran erinnert haben, dass
eine echte Gerechtigkeitslücke besteht, also an die Müt-
ter des heutigen Erfolges.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Denn es waren die Frauen, die durch Beharrlichkeit den
vorliegenden Gesetzentwurf in Bezug auf die Mütter-
rente durchgesetzt haben.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Maria Böhmer!)


Auf Initiative der Frauen-Union, liebe Maria Böhmer,
hat sich die CDU bereits 2003 auf ihrem Leipziger Par-
teitag klar für eine stärkere Anerkennung der Kinder-
erziehungszeiten in der Rente ausgesprochen. Begleitet
wurde diese Forderung der Frauen-Union immer von der
Gruppe der Frauen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber erst 2009 wurde im Koalitionsvertrag verein-
bart, im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten zu prü-
fen, ob Kindererziehungszeiten in der Rente verstärkt
berücksichtigt werden können. Die Frauen-Union ließ
aber nicht locker. Sie reichte beim Parteitag der CDU
2011 wiederum einen entsprechenden Antrag ein, der
eine breite Mehrheit fand. Mit einer bundesweiten Un-
terschriftenaktion konnte die Frauen-Union den politi-
schen Druck verstärken.

Die Frauen in der CDU/CSU-Fraktion und die Frauen-
Union erhielten starke Unterstützerinnen. Zum Beispiel
die katholischen Frauenverbände kfd und KDFB und der
Deutsche LandFrauenverband sammelten Hunderttau-
sende von Unterschriften. Onlinepetitionen wurden ein-
gereicht; Postkartenaktionen wurden gestartet. Diese breite
Bewegung für mehr Rentengerechtigkeit führte dazu,
dass das Projekt Mütterrente 2013 in das Regierungspro-
gramm der CDU/CSU aufgenommen wurde.





Sabine Weiss (Wesel I)



(A) (C)



(D)(B)

An dieser Stelle möchte ich im Namen aller Frauen
ausdrücklich unserer Bundeskanzlerin und Parteivorsit-
zenden danken, die sich für unser Anliegen eingesetzt,
dieses unterstützt und nachdrücklich dafür geworben
hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803703900

Frau Kollegin Weiss, die Frau Kollegin Maisch,

Bündnis 90/Die Grünen, hat den Wunsch, eine Frage zu
stellen oder eine Bemerkung zu machen.


Sabine Weiss (CDU):
Rede ID: ID1803704000

Sehr gerne.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803704100

Bitte, Frau Maisch.


Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803704200

Frau Kollegin, Sie haben gerade im Namen aller

Frauen gesprochen. Das finde ich mutig und ambitio-
niert. Deshalb möchte ich Sie fragen: Sprechen Sie auch
im Namen der Frauen, die so arm sind und deren Rente
so gering ist, dass die Mütterrente auf die Grundsiche-
rung im Alter angerechnet wird? Das heißt, diese Frauen
können so viele Kinder geboren und so viele Erzie-
hungsleistungen in ihrem Leben erbracht haben, wie sie
wollen, sie werden trotzdem keinen zusätzlichen Cent in
der Tasche haben. Deshalb frage ich Sie: Finden Sie,
dass heute auch für die armen Frauen in Deutschland ein
Tag zum Feiern ist?


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN)



Sabine Weiss (CDU):
Rede ID: ID1803704300

Frau Kollegin, diese Fälle haben wir in den letzten

Wochen und Monaten rauf und runter diskutiert. Wir ha-
ben nie behauptet, dass wir nun außerhalb des Systems
agieren und die Mütterrente zusätzlich gewähren. Viel-
mehr sollten diejenigen, die bislang einen Rentenentgelt-
punkt bekommen haben, noch einen zweiten erhalten.
Aber der finanzielle Ausgleich ist nicht das entschei-
dende Moment. Vielmehr handelt es sich hier um eine
Frage der Gerechtigkeit. Wenn wir die wenigen Ausnah-
mefälle, die es leider noch immer gibt,


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind immerhin ein paar Hunderttausend!)


zum Normalfall erheben, uns also ständig aus dem Man-
gel heraus definieren, dann kann man alles schlechtre-
den. Aber wir lassen heute nichts schlechtreden. Die
Mütterrente ist eine Erfolgsgeschichte, und zwar insbe-
sondere eine der CDU. Das müssen Sie jetzt einfach ein-
mal aushalten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ganz besonders stolz waren wir natürlich, als unser
Fraktionsvorsitzender Volker Kauder unser Anliegen
unterstützte. Damit war der Weg bis zur heutigen Ab-
stimmung freigegeben. Dann haben sich unser Koali-
tionspartner und die Bundesarbeitsministerin bei den
Unterstützern eingereiht, sodass wir heute mit einer brei-
ten Mehrheit rechnen können. Den vielen Frauen, die
sich in Verbänden und Vereinen und wo auch immer für
die Mütterrente starkgemacht haben, darf ich nun aus
vollem Herzen sagen: Euer Einsatz hat sich gelohnt. Die
Mütterrente kommt.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803704400

Als nächstem Redner erteile ich das Wort Dr. Peter

Tauber, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Peter Tauber (CDU):
Rede ID: ID1803704500

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich
wollte ich ganz kurz und knapp die vier Eckpunkte des
Rentenpakets referieren, um vor allem den Kolleginnen
und Kollegen von den Grünen die Zustimmung etwas zu
erleichtern. Nun hat sich aber der Kollege Kurth als Ora-
kel von Delphi versucht und sich in die Situation der
Historiker in 20 Jahren versetzt, um nachzuspüren, wie
dann dieses Rentenpaket historisch eingeordnet wird. Da
– lieber Herr Kurth, sehen Sie es mir nach – bin ich als
Historiker herausgefordert.

Ich will Ihnen sagen, was ich persönlich glaube, wie
dieses Rentenpaket eingeordnet wird. Sie sprachen von
der letzten Kanzlerschaft Angela Merkels. Ich schildere
Ihnen einmal, wie die Bewertung der dritten Kanzler-
schaft Angela Merkels aussehen wird. Als die Union mit
Angela Merkel in der ersten Kanzlerschaft Regierungs-
verantwortung in diesem Land übernahm, waren 5 Mil-
lionen Menschen arbeitslos. Am Ende der ersten Großen
Koalition stand die Bewältigung einer Finanz- und Wirt-
schaftskrise, die in der Geschichte dieser Republik ein-
malig war.

In der zweiten Kanzlerschaft von Angela Merkel
stand Europa vor einer großen Herausforderung. Alle
klugen Institute, auch diejenigen, die Sie zitiert haben,
haben prognostiziert: Das geht schief; dieses Europa
steht am Rande des Zusammenbruchs. – Das Gegenteil
ist eingetreten dank einer klugen Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Abwarten!)


Am Ende der zweiten Kanzlerschaft von Angela Merkel
ging es dem Land gut: niedrige Arbeitslosigkeit, hohes
Wirtschaftswachstum sowie eine prallgefüllte Renten-
kasse im Vergleich zu der Zeit, als Sie Verantwortung
hatten.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist jetzt doch eher Wahlkampf, Herr Kollege, oder? Reden Sie doch mal zur Sache!)






Dr. Peter Tauber


(A) (C)



(D)(B)

Zu Beginn der dritten Kanzlerschaft von Angela
Merkel haben sich Sozialdemokraten und Christdemo-
kraten darauf verständigt, dass auch diejenigen, die ei-
nen maßgeblichen Anteil an dem Erfolg haben, nämlich
die ältere Generation, an diesem Erfolg und an dieser gu-
ten Situation in unserem Land partizipieren sollen.

In dieser Großen Koalition reden wir also nicht nur
über Zahlen und Tabellen, sondern wir nehmen uns auch
der Frage an, was wir eigentlich tun können, um den Zu-
sammenhalt in diesem Land zu stärken. Deswegen ist es
bei allem Erfolg – steigende Löhne für Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer und eine niedrige Jugendarbeits-
losigkeit – gut und richtig, sich auch zu fragen, was wir
für die ältere Generation tun. Die Antwort liefern wir ge-
meinsam mit diesem Paket. Deswegen wird, glaube ich,
die Bewertung sehr viel positiver sein, als Sie sie vorge-
nommen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich weiß aus vielen Briefen und Gesprächen, dass vor
allem die Mütterrente die Frauen umtreibt. Eine Frau hat
mir geschrieben: Als Mutter von vier Kindern ist mir das
Thema schon seit langer Zeit sehr wichtig. Es ist ja nicht
so, dass wir älteren Mütter in all den Jahren unserer Kin-
derpause die Hände in den Schoß gelegt haben. – Daran
merkt man eines: Natürlich geht es um den zusätzlichen
Rentenpunkt und um die damit verbundene Erhöhung
der Rente. Aber es geht auch noch um einen zweiten As-
pekt: Es geht um die Anerkennung und Wertschätzung
mindestens in gleichem Maße. Auch deswegen ist die
Mütterrente so wichtig. Deswegen sage ich Dank an alle
in unserer Partei und Fraktion, die mit viel Herzblut da-
für gekämpft haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das DIW hat in seiner Bewertung der Mütterrente üb-
rigens gesagt, dass vor allem die niedrigen und mittleren
Renten besonders davon profitieren. Auch das mag ein
kleiner Hinweis an Ihre Adresse sein. Sie haben eben in
diese Richtung gefragt.

Fakt ist: Am Ende profitieren über 9 Millionen Mütter
von der Mütterrente. Das ist eine ganz wichtige sozial-
politische Entscheidung dieser Großen Koalition. Es gibt
übrigens auch noch 200 000 Väter – die werden immer
unterschlagen; auch für die muss man einmal eine Lanze
brechen –, die ebenfalls von der sogenannten Mütter-
rente profitieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie werden die gleichen Zuschriften bekommen wie
wir. Diese Menschen, über 9 Millionen, freuen sich über
diese Entscheidung unserer Politik. Deswegen ist es ein
guter Tag, nicht nur für die Große Koalition und die be-
troffenen Mütter und Väter, sondern auch für unser gan-
zes Land. Unsere Entscheidung zeigt: Wir setzen uns
ernsthaft mit der Frage auseinander, was wir für den Zu-
sammenhalt der Generationen und für die Gerechtigkeit
in diesem Land tun.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803704600

Das Wort zu einer Kurzintervention hat Herr Kollege

Dr. Strengmann-Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Herr Kollege Tauber, Sie tun so, als würde die ge-
samte Gesellschaft von dem Gesetz profitieren. Viele
Mütter gehen davon aus, dass sie jetzt viel mehr Geld
bekommen; es sind aber nur circa 28 Euro. Das ist weni-
ger als 1 Euro pro Tag. Im Osten ist es sogar noch weni-
ger.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 26,39 Euro im Osten! Das ist ungerecht!)


Diejenigen, die Grundsicherung beziehen, haben
nichts davon. Ich glaube, auch viele Leute mit geringem
Einkommen werden denken, sie bekämen jetzt 28 Euro
mehr pro Kind, wenn sie Kinder erzogen haben. In der
Tat aber bekommen sie nichts. Diejenigen, die später
einmal Witwenrente beziehen, werden feststellen, dass
der Betrag angerechnet wird. Sie haben nur zum Teil et-
was davon, obwohl auch sie etwas geleistet haben.

Was aber viel wichtiger ist: Diese Menschen müssen
es bezahlen, und zwar am Anfang durch höhere Beiträge
und später durch geringere Renten. Dann ist viel von den
28 Euro, die Sie jetzt ausschütten, wieder weg. Insofern
profitieren nicht alle, nicht die ältere Generation als Ge-
samtheit.

Man könnte darüber reden, das gesamte Rentenniveau
anzuheben, aber tatsächlich sinkt das gesamte Rentenni-
veau für alle, und die Beiträge steigen für alle Beitrags-
zahlerinnen und Beitragszahler. Es müssen insbesondere
die mit den geringsten Einkommen das bezahlen, was
Sie jetzt vorlegen. Die Prognosen von meinem Kollegen
Markus Kurth – glauben Sie an meine Worte – werden
zutreffen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803704700

Möchten Sie antworten, Herr Dr. Tauber?


Dr. Peter Tauber (CDU):
Rede ID: ID1803704800

Lieber Herr Kollege, grundsätzlich muss man festhal-

ten: Die Rente basiert auf dem, was Menschen sich erar-
beitet haben. Das ist der Unterschied zur Sozialhilfe.
Deswegen vergleichen Sie an der Stelle Äpfel mit Bir-
nen.

Es gilt noch ein Zweites, das wir uns von Ihnen an
diesem Tag nicht kaputtmachen lassen. Ich gebe Ihnen
noch das Zitat eines Historikers mit auf den Weg. Ernst
Bloch hat einmal gesagt: „Man muß ins Gelingen ver-
liebt sein, nicht ins Scheitern.“ Bei den Grünen habe ich
zu oft den Eindruck, sie sind ins Scheitern verliebt. Wir
dagegen sind ins Gelingen verliebt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)







(A) (C)



(D)(B)


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803704900

Als letztem Redner in dieser Aussprache erteile ich

das Wort Dr. Carsten Linnemann, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Carsten Linnemann (CDU):
Rede ID: ID1803705000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Unser ehe-
maliger Kollege Peter Struck hat einmal den Satz ge-
prägt, dass kein Gesetz aus dem Deutschen Bundestag so
herauskommt, wie es eingebracht worden ist. Ich freue
mich, dass das Struck’sche Gesetz heute erneut bestätigt
wird.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Mit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages fiel
bereits die Entscheidung, dass wir Änderungen bei der
Erwerbsminderungsrente und beim Rehadeckel sowie
die Mütterrente und die Rente mit 63 bekommen. Was
aber nicht klar war, war die Frage der konkreten Umset-
zung. Insofern ist es gut, dass wir heute über einen Ge-
setzentwurf abstimmen, der sich in wesentlichen Punk-
ten vom ersten Entwurf unterscheidet.

Allerdings können diese Änderungen – das ist meine
persönliche Meinung – die grundsätzlichen Fehler dieses
Rentenpaketes, die in der Finanzierung und vor allem
bei der Rente mit 63 liegen, nicht aufwiegen. Die Rente
mit 63 ist und bleibt ein falsches Signal in einer Gesell-
schaft, die immer älter wird.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nun aber zu den meiner Meinung nach wichtigsten
Änderungen, die vorgenommen wurden:

Erstens. Wir haben einem möglichen Missbrauch bei
der Rente mit 63 einen Riegel vorgeschoben. Die Gefahr
einer Frühverrentungswelle ist gebannt. Ich begrüße es,
möchte aber einschränkend hinzufügen, dass ich nach
wie vor der Meinung bin, dass Zeiten der Arbeitslosig-
keit nicht wie Zeiten der Arbeit behandelt werden dür-
fen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zweitens. Mit der Flexirente öffnen wir heute das Tor
zu einem flexiblen Renteneintritt. Das ist gerade in einer
Zeit wichtig, in der wir das Alter neu denken. Starre Re-
geln sind nicht mehr zeitgemäß.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir leben im 21. Jahrhundert, im Jahrhundert der Kreati-
vität, der Flexibilität und nicht mehr im 20. Jahrhundert,
wo der Bevormundungsgedanke und damit der Betreu-
ungsgedanke dominierten. Kurzum, wir brauchen in Zu-
kunft alle: die Jüngeren und auch die Älteren. Viele von
ihnen wollen und können länger arbeiten. Wir sind auf
ihr Wissen, ihre Erfahrungen und ihre sozialen Kompe-
tenzen angewiesen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Daher freue ich mich, dass wir bereits in diesem Ren-
tenpaket eine konkrete Maßnahme vereinbaren konnten:
Das Verbot der befristeten Weiterbeschäftigung von Ar-
beitnehmern im Rentenalter wird aufgehoben. Die Flexi-
rente ist aber nur der Anfang – da haben alle Redner
recht – einer großen Debatte, und in dieser Debatte soll-
ten wir keine gedanklichen Schranken aufbauen. Wir
sollten frei und offen mit den Experten, mit den Fachleu-
ten in den nächsten Wochen und Monaten über die wei-
tere Flexibilisierung reden.

Mir ist bewusst – das lassen Sie mich zum Schluss sa-
gen –, dass mit der Flexirente ein völlig neuer Punkt im
Rentenpaket verankert werden konnte. Ich möchte mich
an dieser Stelle ausdrücklich bei allen Beteiligten der
Großen Koalition bedanken, dass dieser Punkt mit auf-
genommen wurde.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich wünsche mir nun, dass daraus auch der Mut ent-
steht, dass wir weitere wichtige Weichenstellungen hin
zu mehr Flexibilisierung bekommen, dass Menschen
nicht nur länger arbeiten können, sondern dies freiwillig
auch wollen. Wir brauchen den Mentalitätswechsel. Das
könnte das Thema der nächsten Wochen, Monate und
Jahre sein. Lassen Sie es uns angehen. Insofern trage ich
am Ende des Tages diesen Kompromiss mit.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803705100

Die Aussprache ist damit beendet.

Es gibt eine Reihe von Erklärungen nach § 31 der Ge-
schäftsordnung, die wir zu Protokoll nehmen.1)

Wir kommen nun zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Ren-
tenversicherung. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales
empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 18/1489, den Gesetzentwurf der Bun-
desregierung auf Drucksache 18/909 in der Ausschuss-
fassung anzunehmen. Hierzu liegen drei Änderungsan-
träge der Fraktion Die Linke vor. Die antragstellende
Fraktion wünscht jeweils namentliche Abstimmung.
Nach diesen drei namentlichen Abstimmungen unterbre-
che ich die Sitzung bis zum Vorliegen der Ergebnisse.
Anschließend erfolgen die namentliche Schlussabstim-
mung und weitere einfache Abstimmungen.

Wir kommen damit zur ersten namentlichen Abstim-
mung, und zwar über den Änderungsantrag auf Druck-
sache 18/1495. Ich bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.
– Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der
Fall. Dann eröffne ich die namentliche Abstimmung
über den ersten Änderungsantrag.

1) Anlagen 2 bis 8





Vizepräsident Peter Hintze


(A) (C)



(B)

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.
Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung
wird Ihnen später bekannt gegeben.

Wir kommen damit zur zweiten namentlichen Ab-
stimmung, und zwar über den Änderungsantrag auf
Drucksache 18/1496. Sind die Plätze an den Urnen be-
setzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung
über den zweiten Änderungsantrag.

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.
Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen
später bekannt gegeben.1)

Wir kommen damit zur dritten namentlichen Abstim-
mung, und zwar über den Änderungsantrag auf Drucksa-
che 18/1497. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? –
Das ist der Fall. Ich eröffne die namentliche Abstim-
mung über den dritten Änderungsantrag. Gibt es noch
ein Mitglied des Hauses, das seine Stimme nicht abgege-

1) Ergebnis Seite 3198 B
ben hat?2) – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich
diese Abstimmung.

Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der namentlichen
Abstimmungen unterbreche ich die Sitzung. Ich emp-
fehle aber, im Bereich des Plenarsaals zu bleiben.


(Unterbrechung von 12.20 bis 12.28 Uhr)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1803705200

Die Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-
mung über den ersten Änderungsantrag auf Drucksache
18/1495 der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine
Zimmermann (Zwickau), Roland Claus, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion Die Linke zu der zweiten Be-
ratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung mit dem
Titel „Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesse-
rungen in der gesetzlichen Rentenversicherung“ – Druck-
sachen 18/909, 18/1489 – bekannt: abgegebene Stimmen
588. Mit Ja haben gestimmt 114, mit Nein haben ge-
stimmt 474, Enthaltung keine. Der Änderungsantrag ist
damit abgelehnt.

2) Ergebnis Seite 3201 A

(D)

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 586;
davon

ja: 113
nein: 473

Ja

DIE LINKE

Jan van Aken
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Dr. André Hahn
Heike Hänsel
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Kathrin Vogler
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Volker Beck (Köln)

Dr. Franziska Brantner
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)

Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr. Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr. Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Dr. Valerie Wilms

Nein

CDU/CSU

Stephan Albani





Vizepräsident Peter Hintze


(A) (C)



(D)(B)

Katrin Albsteiger
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Julia Bartz
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Jutta Eckenbach
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Christian Hirte
Dr. Heribert Hirte
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Andreas Jung
Dr. Franz Josef Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Paul Lehrieder
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Dr. Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Claudia Lücking-Michel
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr. Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr. Philipp Murmann
Dr. Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr. Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)

Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt (Fürth)

Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Patrick Schnieder
Nadine Schön (St. Wendel)

Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Erika Steinbach
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Hans-Peter Uhl
Dr. Volker Ullrich
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul





Vizepräsident Peter Hintze


(A) (C)



(D)(B)

Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr. Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G. Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Dr. Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Dirk Becker
Lothar Binding (Heidelberg)

Burkhard Blienert
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Dr. Lars Castellucci
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier-Heite
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr. Johannes Fechner
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Dirk Heidenblut
Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Thomas Hitschler
Dr. Eva Högl
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr. Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr. Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)

Ursula Schulte
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Wolfgang Tiefensee
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Dirk Wiese
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)

Gülistan Yüksel
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Ich gebe nun das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung über den zweiten Änderungsantrag auf
Drucksache 18/1496 der Abgeordneten Matthias W.
Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion Die Linke zu
der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesre-
gierung mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes über
Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenver-
sicherung“ – Drucksachen 18/909, 18/1489 – bekannt:
abgegebene Stimmen 580. Mit Ja haben gestimmt 110,
mit Nein haben gestimmt 470, Enthaltung keine. Der
zweite Änderungsantrag ist ebenfalls abgelehnt.





Vizepräsident Peter Hintze


(A) (C)



(D)(B)

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 584;
davon

ja: 113
nein: 471

Ja

DIE LINKE

Jan van Aken
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Dr. André Hahn
Heike Hänsel
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Kathrin Vogler
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Volker Beck (Köln)

Dr. Franziska Brantner
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)

Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr. Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr. Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Dr. Valerie Wilms

Nein

CDU/CSU

Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Julia Bartz
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Jutta Eckenbach
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Christian Hirte
Dr. Heribert Hirte
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Andreas Jung
Dr. Franz Josef Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf





Vizepräsident Peter Hintze


(A) (C)



(D)(B)

Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Paul Lehrieder
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Dr. Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Claudia Lücking-Michel
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr. Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr. Philipp Murmann
Dr. Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr. Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)

Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt (Fürth)

Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Patrick Schnieder
Nadine Schön (St. Wendel)

Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Erika Steinbach
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Hans-Peter Uhl
Dr. Volker Ullrich
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr. Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G. Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Dr. Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Dirk Becker
Lothar Binding (Heidelberg)

Burkhard Blienert
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Dr. Lars Castellucci
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier-Heite
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr. Johannes Fechner
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Dirk Heidenblut
Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Thomas Hitschler
Dr. Eva Högl
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr. Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir (Duisburg)






Vizepräsident Peter Hintze


(A) (C)



(B)

Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr. Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)

Ursula Schulte
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Wolfgang Tiefensee
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Dirk Wiese
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)

Gülistan Yüksel
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-
mung über den dritten Änderungsantrag der Abgeordne-
ten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Die
Linke zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der
Bundesregierung auf den genannten Drucksachen be-
kannt: abgegebene Stimmen 588. Mit Ja haben gestimmt
115, mit Nein haben gestimmt 473, Enthaltungen keine.
Damit ist auch der dritte Änderungsantrag abgelehnt.

(D)

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 585;
davon

ja: 112
nein: 473

Ja

DIE LINKE

Jan van Aken
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Dr. André Hahn
Heike Hänsel
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Kathrin Vogler
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Volker Beck (Köln)

Dr. Franziska Brantner
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)

Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr. Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr. Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Dr. Valerie Wilms

Nein

CDU/CSU

Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Julia Bartz
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt





Vizepräsident Peter Hintze


(A) (C)



(D)(B)

Dr. Ralf Brauksiepe
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Jutta Eckenbach
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Christian Hirte
Dr. Heribert Hirte
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Andreas Jung
Dr. Franz Josef Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Paul Lehrieder
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Dr. Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Claudia Lücking-Michel
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr. Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr. Philipp Murmann
Dr. Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr. Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)

Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt (Fürth)

Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Patrick Schnieder
Nadine Schön (St. Wendel)

Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Erika Steinbach
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Hans-Peter Uhl
Dr. Volker Ullrich
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr. Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G. Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner





Vizepräsident Peter Hintze


(A) (C)



(D)(B)

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Dr. Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Dirk Becker
Lothar Binding (Heidelberg)

Burkhard Blienert
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Dr. Lars Castellucci
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier-Heite
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr. Johannes Fechner
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Dirk Heidenblut
Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Thomas Hitschler
Dr. Eva Högl
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr. Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr. Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)

Ursula Schulte
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Wolfgang Tiefensee
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Dirk Wiese
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)

Gülistan Yüksel
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Wir stimmen nun über den Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung ab. Wer dem Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung zustimmen möchte, den bitte ich um sein
Handzeichen. – Wer stimmt gegen den Gesetzentwurf in
der Ausschussfassung? – Wer enthält sich? – Dann ist
der Gesetzentwurf in der Ausschussfassung in zweiter
Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD ge-
gen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Ent-
haltung der Fraktion Die Linke angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Die Fraktionen der CDU/CSU
und SPD haben namentliche Abstimmung verlangt. Sind
die Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich
eröffne damit die vierte namentliche Abstimmung, die
Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf.
Ich darf darauf hinweisen: Es folgen gleich Abstim-
mungen über Entschließungsanträge. Es wäre also
schön, wenn ein Teil der Kollegen so nett wäre, hier im
Parlament zu bleiben.

Gibt es jemanden im Haus, der seine Stimme noch
nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Dann ist
die Abstimmung geschlossen. Ich bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später
bekannt gegeben.1)

Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen über die
Entschließungsanträge.

1) Ergebnis Seite 3205 D





Vizepräsident Peter Hintze


(A) (C)



(D)(B)

Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD auf Drucksache 18/1507. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist das
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und der
SPD bei Gegenstimmen der Linken so angenommen.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zustimmung der Grünen!)


– Es war, offen gestanden, nicht zu erkennen, wofür Sie
gestimmt haben. Entschuldigung, dann nehmen wir das
ins Protokoll auf: Auch die Grünen haben dem Ent-
schließungsantrag auf Drucksache 18/1507 zugestimmt.
Er ist also mit Zustimmung von CDU/CSU, SPD und
Bündnis 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der Fraktion
Die Linke angenommen.

Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Druck-
sache 18/1508. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Entschließungs-
antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/1508
abgelehnt. Dafür stimmte die Fraktion Die Linke, dage-
gen stimmten alle anderen Fraktionen.

Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/1498. Wer
stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Dann ist der Antrag gegen die Stimmen der Grü-
nen, aber mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und
Linke abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 19 b. Wir kommen nun zur Ab-
stimmung über den Entwurf eines Gesetzes der Fraktion
Die Linke zur Verbesserung des Erwerbsminderungs-
schutzes. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales emp-
fiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/1489, den Gesetzentwurf der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/9 abzulehnen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,
um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Dafür haben gestimmt die Fraktionen Die
Linke und Bündnis 90/Die Grünen, dagegen haben ge-
stimmt SPD und CDU/CSU. Der Gesetzentwurf ist da-
mit in zweiter Beratung abgelehnt. Damit entfällt nach
unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.

Tagesordnungspunkt 19 c. Wir setzen die Abstim-
mung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses
für Arbeit und Soziales auf Drucksache 18/1489 fort.
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Be-
schlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak-
tion Die Linke auf Drucksache 18/765 mit dem Titel
„Vollständige Gleichstellung und gerechte Finanzierung
der Kindererziehungszeiten in der Rente umsetzen –
Mütterrente verbessern“. Wer stimmt für die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung des Aus-
schusses ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion
Die Linke angenommen.

Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buch-
stabe d seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des
Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/767
mit dem Titel „Rentenniveau anheben, Leistungen ver-
bessern und die wesentlichen Ursachen für sinkende
Renten und Altersarmut bekämpfen“. Wer stimmt für die
Beschlussempfehlung des Ausschusses? – Wer stimmt
dagegen? – Damit ist die Beschlussempfehlung des Aus-
schusses angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU,
SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der
Linken.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803705300

Ich begrüße Sie. Von meiner Seite aus einen schönen

guten Tag! Auch unseren Gästen einen schönen guten
Tag!

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Erste Beratung des von den Fraktionen der
CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs ei-
nes Gesetzes zur Reform der Besonderen Aus-
gleichsregelung für stromkosten- und han-
delsintensive Unternehmen

Drucksache 18/1449
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Ich höre und
sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Wolfgang Tiefensee für die SPD.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Wolfgang Tiefensee (SPD):
Rede ID: ID1803705400

Guten Tag, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im
Jahr 2000 war die eigentliche Energiewende. Das EEG
war der Durchbruch zur Einführung der erneuerbaren
Energien.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War!)


Am 8. April dieses Jahres wurde im Kabinett ein Ge-
setzentwurf verabschiedet und ins Hohe Haus einge-
bracht, der dieses EEG reformiert. Im Jahre 2014 war es
notwendig – vor dem Hintergrund der zweiten Energie-
wende oder der erneuten Bestätigung des Atomausstie-
ges –, das Erneuerbare-Energien-Gesetz von einem
Markteinführungsinstrument hin zur Marktdurchdrin-
gung zu reformieren.

Was wir in der Zukunft brauchen, ist die Entwicklung
eines neuen Strommarktdesigns auf europäischer Ebene.
Wir müssen darüber sprechen, wie wir Kapazitätsmecha-





Wolfgang Tiefensee


(A) (C)



(D)(B)

nismen einführen. Wir werden uns den großen Heraus-
forderungen stellen müssen, die Energieeffizienzrichtli-
nie der EU umzusetzen bzw. in unserem Land zu einem
Durchbruch zu verhelfen. Eine Debatte über das KWK-
Gesetz steht an. Wie in einem Baukasten müssen wir
jetzt die verschiedenen Teile, die die Energiewende vo-
ranbringen, zusammenfügen.


(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann mal los!)


Heute beraten wir über die Reform der Besonderen
Ausgleichsregelung, die ganz eng verschränkt ist mit der
Reform des EEG. Wir müssen auf der einen Seite den
Bereich der erneuerbaren Energien fördern – dabei müs-
sen wir sowohl die Kosten im Griff behalten als auch für
die Stabilität der Versorgung sorgen – und auf der ande-
ren Seite unseren Wirtschaftsstandort, unseren Industrie-
standort erhalten. Das ist eine immense Herausforde-
rung. Nur wenn das gelingt, wird das Erneuerbare-
Energien-Gesetz eine Blaupause auch für andere sein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Jetzt geht es darum, dass wir nicht nur für Kosten-
und Versorgungssicherheit sorgen, sondern auch für Pla-
nungssicherheit. Ich bin Sigmar Gabriel und den Mitar-
beiterinnen und Mitarbeitern seines Hauses dankbar,
dass nicht nur das EEG in unglaublicher Geschwindig-
keit und mit hoher Professionalität reformiert wird, son-
dern wir jetzt auch dafür sorgen, dass die strom- und
handelsintensiven Unternehmen – das meint den Mittel-
stand genauso wie die große Industrie – verlässlich da-
rauf bauen können, dass sie international wettbewerbsfä-
hig bleiben. Aus diesem Grund beraten wir heute über
die Reform der Besonderen Ausgleichsregelung.

Worum geht es? Es geht darum, dafür zu sorgen, dass
energie- und handelsintensive Unternehmen nicht wegen
der Förderung des Bereichs der erneuerbaren Energien
und den mit der EEG-Umlage verbundenen gestiegenen
Kosten im Wettbewerb so stark benachteiligt werden,
dass Arbeitsplätze gefährdet werden. Die Koalition steht
sowohl für die Förderung des Bereichs der erneuerbaren
Energien als auch für die Förderung des Wirtschafts- und
Industriestandorts Deutschland. Beides muss zusam-
mengehen, und das schaffen wir mit diesem Gesetz.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


In extrem schwierigen Verhandlungen ist es Sigmar
Gabriel, aber auch der Bundeskanzlerin gelungen, vor
dem Hintergrund der Umwelt- und Energiebeihilfeleitli-
nien dafür zu sorgen, dass für diese Unternehmen Pla-
nungssicherheit besteht. Sie werden entlastet, damit wir
in der gesamten Wertschöpfungskette, von der Grund-
stoffindustrie bis zum Nanoprodukt, Arbeitsplätze in
Deutschland erhalten und durch den Erhalt von Techno-
logien wettbewerbsfähig bleiben.

Diese Unternehmen werden aber nicht generell be-
freit. In der Öffentlichkeit ist vielfach nicht bekannt,
dass ein namhafter Milliardenbetrag, ein Betrag von
7 Milliarden bis 8 Milliarden Euro – zählt man Dienst-
leistungen, Handel und Gewerbe hinzu, sind es etwa
12 Milliarden Euro –, gezahlt wird, um die Lasten des
EEG gemeinsam mit den anderen Endkunden zu tragen.

Wir haben eine Regelung eingeführt, nach der die
Quote für die Befreiung, die sich aus der Stromintensität
bzw. dem Stromverbrauch und der Bruttowertschöpfung
eines Unternehmens ergibt, erhöht wird, und zwar für
die Unternehmen und Branchen der Liste 1 von 14 auf
16 Prozent, später auf 17 Prozent, und für die Unterneh-
men, die auf der Liste 2 stehen, auf 20 Prozent. Wir wol-
len so dafür sorgen, dass die Aufwendungen, die getra-
gen werden müssen – das sind etwa 5 Milliarden Euro –,
auch in Zukunft stabil auf diesem Niveau bleiben. Das
ist Verlässlichkeit, und das ist ein fairer Umgang mit all
denen, die dafür bezahlen müssen.

Für die erste Gigawattstunde muss zudem die volle
EEG-Umlage gezahlt werden und für die weiteren Kilo-
wattstunden jeweils 0,1 Cent. Also, auch hier gibt es
eine Erhöhung.

Ferner haben wir dafür gesorgt, dass die Unterneh-
men, die früher befreit waren und in Zukunft nicht mehr
befreit sind, von einer moderaten Übergangsregelung
profitieren. Dies betrifft unter anderem Unternehmen,
deren Stromintensität zwar 14 Prozent, aber nicht 16, 17
respektive 20 Prozent der Bruttowertschöpfung beträgt.

Wenn in der Öffentlichkeit jetzt der Stromkunde ge-
gen die Unternehmen und damit gegen die Arbeitsplätze
und den Erhalt der Technologie in Deutschland ausge-
spielt wird, dann ist das nicht richtig. Wir haben eine Ba-
lance geschaffen. Hätten wir diese Ausgleichsregelung
nicht, dann könnten wir die Haushalte im Monat um
durchschnittlich 3,50 Euro entlasten. So erhalten wir
aber Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze und die Wert-
schöpfungsketten in Deutschland.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Unsinn, was Sie da erzählen! Das wissen Sie auch!)


Dieser Gesetzentwurf ist ein guter Schritt. Herzlichen
Dank dafür. Wir gehen in die Beratungen. Ich bin sicher,
dass die Energiewende so gelingen wird.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803705500

Danke, Herr Kollege Tiefensee.

Ich darf Ihnen, bevor ich Frau Bulling-Schröter das
Wort erteile, das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab-
stimmung bekannt geben. Der Entwurf eines Gesetzes
über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Ren-
tenversicherung ist angenommen: abgegebene Stimmen
584. Mit Ja haben 460 Kolleginnen und Kollegen ge-
stimmt, mit Nein haben 64 Kollegen und Kolleginnen
gestimmt, 60 haben sich enthalten. Damit ist der Gesetz-
entwurf angenommen.





Vizepräsidentin Claudia Roth


(A) (C)



(D)(B)

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 584;
davon

ja: 460
nein: 64
enthalten: 60

Ja

CDU/CSU

Stephan Albani
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Julia Bartz
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Jutta Eckenbach
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Christian Hirte
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Andreas Jung
Dr. Franz Josef Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Paul Lehrieder
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Dr. Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Carsten Linnemann
Wilfried Lorenz
Dr. Claudia Lücking-Michel
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr. Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr. Philipp Murmann
Dr. Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr. Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)

Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Patrick Schnieder
Nadine Schön (St. Wendel)

Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Hans-Peter Uhl
Dr. Volker Ullrich
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries





Vizepräsidentin Claudia Roth


(A) (C)



(D)(B)

Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr. Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G. Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Dr. Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Dirk Becker
Lothar Binding (Heidelberg)

Burkhard Blienert
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Dr. Lars Castellucci
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier-Heite
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr. Johannes Fechner
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Dirk Heidenblut
Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Thomas Hitschler
Dr. Eva Högl
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr. Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr. Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)

Ursula Schulte
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Wolfgang Tiefensee
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Dirk Wiese
Waltraud Wolff

(Wolmirstedt)


Gülistan Yüksel
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann

Nein

CDU/CSU

Katrin Albsteiger
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Heribert Hirte
Carsten Körber
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Marian Wendt
Klaus-Peter Willsch

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Volker Beck (Köln)

Dr. Franziska Brantner
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)

Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Özcan Mutlu
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt





Vizepräsidentin Claudia Roth


(A) (C)



(B)

Kordula Schulz-Asche
Dr. Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Dr. Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Dr. Valerie Wilms

Enthalten

CDU/CSU

Patricia Lips
Eckhard Pols

DIE LINKE

Jan van Aken
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Dr. André Hahn
Heike Hänsel
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Kathrin Vogler
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Monika Lazar
Beate Müller-Gemmeke
Jürgen Trittin

(D)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Das Wort in der laufenden Debatte hat Eva Bulling-
Schröter für die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803705600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Der hier zur Debatte stehende Entwurf eines
Gesetzes zur Reform der Besonderen Ausgleichsrege-
lung für stromkosten- und handelsintensive Unterneh-
men betrifft nur einen winzigen Teilaspekt des Erneuer-
bare-Energien-Gesetzes. Dieser Teilaspekt wurde aber
von Minister Gabriel von Beginn an als Lokomotive be-
nutzt, um einen enormen und völlig unnötigen Zeitdruck
auf die gesamte EEG-Reform aufzubauen.

Ich erinnere daran, wie das damals im Dezember war:
EU-Wettbewerbskommissar Almunia leitete das Verfah-
ren ein, zu prüfen, ob die EEG-Entlastungen der Indus-
trie wettbewerbsrechtlich zulässig seien. Einige Stimmen
forderten schon damals, die Besondere Ausgleichsrege-
lung für die Industrie unabhängig vom EEG in einem ei-
genen Gesetz zu regeln, um den großen Zeitdruck von
der EEG-Reform zu nehmen. Herr Gabriel lehnte das ab.
Deshalb ist es eine Ironie der Geschichte, dass die Indus-
trieprivilegien nun tatsächlich in einem eigenen gesetzli-
chen Akt geregelt werden, terminiert sogar nach dem
EEG. Hätte man dies von Anfang an so getrennt, hätte
man die EEG-Reform mit Sorgfalt, Abwägung und in-
tensiverer demokratischer Diskussion vielleicht auf ei-
nen zukunftsträchtigeren Weg gebracht.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Aber das wollten Sie nicht. Das wollte Minister
Gabriel nicht. Er wollte dieses Tempo, basta. Damit
haben Sie in der gesamten Branche der erneuerbaren
Energien für eine fundamentale Verunsicherung, eine an-
stehende Klagewelle und kaum absehbare Investitions-
verzögerungen gesorgt.
Was ist nun bei der Reform der Besonderen Aus-
gleichsregelung herausgekommen? Eine Umschichtung,
aber in der Summe keine nennenswerte Rücknahme der
Privilegien für die energieintensiven Unternehmen. Ei-
nige Unternehmen werden künftig nicht mehr als an-
tragsberechtigt gelten, dafür rutschen andere in die Privi-
legierung hinein. Doch selbst für die, die herausfallen,
haben Sie ein weiches Polster: Sie gelten als sogenannte
Härtefälle, die durch Sonderregelungen eine Umlage
von durchschnittlich nur 0,5 Cent pro Kilowattstunde
zahlen. Der Skandal dabei ist, dass dies zeitlich sogar
unbefristet ist. Ich halte das für unverantwortlich.


(Beifall bei der LINKEN)


Diese Dauersubventionen von eigentlich nicht dazu be-
rechtigten Unternehmen kann man niemandem mehr er-
klären, vor allem nicht den privaten Stromverbrauchern.

Ich möchte heute auch darüber reden, welche Privile-
gien im Energiebereich die Industrie gegenüber den pri-
vaten Haushalten sonst noch genießt. Im vergangenen
Jahr wurde die deutsche Industrie mit insgesamt 16 Mil-
liarden Euro bei Energie- und Emissionsabgaben be-
schenkt. Ich zähle einmal auf, was dies alles umfasst:
Entlastung von der Energie- und Stromsteuer in Höhe
von 5,1 Milliarden Euro, kostenlose Verteilung von Emis-
sionszertifikaten in Höhe von 1,1 Milliarden Euro, soge-
nannter Eigenverbrauch der Industrie und Kraftwerksei-
genverbrauch in Höhe von 1,5 Milliarden Euro – davon
profitiert vor allem der Braunkohletagebau –, Befreiung
von Netzentgelten, Ermäßigungen bei der Offshorehaf-
tungsumlage, Ermäßigungen bei der Umlage für Kraft-
Wärme-Kopplung und reduzierte Konzessionsabgaben.

Das alles bekommt die Industrie zusätzlich. Insge-
samt sind dies 16 Milliarden Euro. Der Posten im Rah-
men des vorliegenden Gesetzentwurfes beträgt nur ein
Viertel davon. Ich sage: Diese verdeckten Energiesub-
ventionen verschaffen den deutschen Unternehmen ge-
genüber anderen europäischen Staaten Vorteile.


(Andrea Wicklein [SPD]: Wollen Sie die Arbeitsplätze nicht schützen?)






Eva Bulling-Schröter


(A) (C)



(D)(B)

So sichert sich Deutschland in Europa seine Stärke, und
so sehr pfeift Deutschland auf den Rest von Europa.


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803705700

Danke, Frau Kollegin. – Nächster Redner in der De-

batte: Dr. Joachim Pfeiffer für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1803705800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Kollege Tiefensee hat ja schon deutlich gemacht, um
was es geht; er hat auch die Zahlen genannt. Ich will ver-
suchen, das Gesagte zu unterstreichen und es an ein paar
Beispielen zu erläutern. Es geht heute darum, dass wir
das EEG europafest machen, dass wir die Umwelt- und
Beihilfeleitlinien der Europäischen Union in nationales
Recht umsetzen und damit dauerhafte Planungs- und In-
vestitionssicherheit schaffen, und zwar im Hinblick auf
die industriellen Arbeitsplätze insbesondere in den ener-
gieintensiven Unternehmen in Deutschland. Über 1 Mil-
lion Arbeitsplätze gibt es direkt in den energieintensiven
Unternehmen.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch mehr! Das nimmt ja zu!)


Diese wollen wir mit der Umsetzung dieses Gesetzent-
wurfes sichern.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Insbesondere wollen wir – auch das hat Kollege
Tiefensee bereits angesprochen – die industriellen Wert-
schöpfungsketten hier in Deutschland erhalten. Wir alle
sind stolz darauf, dass wir in Deutschland einen höheren
Industrieanteil haben als unsere Wettbewerber bzw. als
die anderen Länder in Europa. In Deutschland liegt der
Anteil der industriellen Wertschöpfung am Bruttosozial-
produkt immer noch bei rund 23 Prozent. In anderen
Ländern ist er geringer: In Frankreich beträgt er knapp
12 Prozent, in Großbritannien 11 Prozent und in den
USA knapp 13 Prozent. Das ist ein entscheidender Vor-
teil, den Deutschland im internationalen Wettbewerb hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Diese Wertschöpfungsketten müssen erhalten werden;
denn sie sind die Grundvoraussetzung für viele Pro-
dukte, auf die wir stolz sind. Auch mit dem EEG und
trotz des Umbaus der Energieversorgung würde kein
Windrad in Deutschland aufgestellt, wenn es diese in-
dustriellen Wertschöpfungsketten nicht gäbe; denn in je-
dem Windrad ist beispielsweise Kupfer aus der Grund-
stoffindustrie zu finden. Ohne diese Grundstoffe, die
hier gesichert werden, würde kein Hochgeschwindig-
keitszug in Deutschland fahren. Ohne die industriellen
Wertschöpfungsketten, um die es hier geht, würde in
Deutschland kein Flugzeugtriebwerk installiert, und es
würde kein Automobil in Deutschland gebaut und ver-
kauft.
Da erschließt sich mir nicht – das muss ich schon sa-
gen –, warum die Linken und auch die Grünen hier skan-
dalisieren und von „unverantwortlich“, „Dauersubven-
tion“ und anderen Dingen sprechen;


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe doch noch gar nicht gesprochen!)


das waren Begriffe, die gerade gefallen sind und die
gleich wahrscheinlich auch beim Kollegen Krischer fal-
len werden. Da wird der Eindruck erweckt, als würden
die entsprechenden Unternehmen subventioniert und als
würde man ihnen etwas schenken, was sie eigentlich
nicht verdient haben.

Wie sieht denn die Realität aus? Tatsache ist, dass
diese Unternehmen teilweise einen Nachteilsausgleich
bekommen, einen Ausgleich für die Nachteile, die sie
am Standort Deutschland haben. Ob es Ihnen gefällt
oder nicht: Tatsache ist, dass die Industriestrompreise in
Deutschland zu den höchsten in Europa gehören. Sie be-
wegen sich in einer Größenordnung von 9,2 Cent bis
10 Cent pro Kilowattstunde. Vergleicht man sie mit den
Strompreisen in den Ländern, mit denen wir im Wettbe-
werb stehen – ich habe sie gerade schon genannt –, stellt
man fest: Das sind etwa 40 Prozent mehr, als die Indus-
trie in Frankreich für Strom zahlen muss; dort sind es
nämlich 5,6 Cent pro Kilowattstunde.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum beschwert sich die französische Industrie dann über Strompreisdumping?)


In Norwegen sind 5 Cent pro Kilowattstunde zu zahlen.
In Schweden muss man nicht einmal die Hälfte dessen
zahlen, was in Deutschland zu zahlen ist.

Es ist ja nicht so – auch diese Zahlen hat der Kollege
Tiefensee genannt –, dass nichts zu zahlen ist. Insgesamt
zahlt die Industrie etwa die Hälfte der gesamten EEG-
Umlage. Hier wird aber der Eindruck erweckt, als würde
sie überhaupt nichts zahlen und als würde sie etwas be-
kommen, was sie eigentlich nicht verdient hat. Wie ge-
sagt, das Gegenteil ist der Fall.

Auch der weltweite Vergleich zeigt: Unsere Strom-
preise sind mehr als doppelt so hoch wie die in den USA,
mehr als doppelt so hoch wie die in Russland, 25 Pro-
zent höher als die in China


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und? Fällt da der Strom aus?)


und über 30 Prozent höher als die Strompreise in einem
anderen BRIC-Land, nämlich in Brasilien.

Diese Zusatzbelastungen gefährden die Wertschöp-
fung in Deutschland. Deshalb versuchen wir, einen Spa-
gat hinzubekommen: Auf der einen Seite wollen wir die
Förderung der Erneuerbaren weiter vorantreiben, und
zwar kostenbewusst. Mengenmäßig ist sie ja ein großer
Erfolg, aber die Kosten sind uns aus dem Ruder gelau-
fen. Deshalb versuchen wir, den Anstieg der Kosten
durch die EEG-Reform abzubremsen. Auf der anderen
Seite versuchen wir mit dem, was wir heute hier disku-
tieren und was dann in den nächsten Wochen im Aus-





Dr. Joachim Pfeiffer


(A) (C)



(D)(B)

schuss und in den Anhörungen noch intensiv diskutiert
werden wird, Planungs- und Investitionssicherheit für
die Industrie zu schaffen. Auch dies machen wir nicht
willkürlich, sondern in einer sinnvollen Kaskade, und
zwar nach der Energieintensität:

Erstens. Für jedes Unternehmen, das strom- und han-
delsintensiv ist – die Kriterien sind jetzt EU-weit sekto-
renweise in den Umwelt- und Beihilfeleitlinien festge-
legt worden –, gilt ein Selbstbehalt von 15 Prozent der
EEG-Umlage. Damit werden auch europaweit Wettbe-
werbsgleichheit und Planungssicherheit geschaffen.

Zweitens. Bei besonders stromintensiven Unterneh-
men wird die Belastung auf 4 Prozent der Bruttowert-
schöpfung begrenzt – nicht der Kosten, sondern der Brut-
towertschöpfung –, die diese Unternehmen am Standort
Deutschland erbringen. Sie können doch nicht ernsthaft
etwas dagegen haben, dass diese Unternehmen in
Deutschland Wertschöpfung erbringen!


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben nichts dagegen! Überhaupt nichts!)


Wenn wir die Belastung für diese Unternehmen nicht be-
grenzten, würden sie aus Deutschland weggehen müs-
sen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Drittens, der sogenannte Superdeckel: Bei besonders
stromintensiven Unternehmen – Kupfer-, Aluminium-,
Stahlindustrie und andere mehr – wird die EEG-Belas-
tung auf nur 0,5 Prozent der Bruttowertschöpfung gede-
ckelt.

Viertens. Wir machen zudem etwas zwingend Not-
wendiges; denn wegen der veränderten Systematik der
EU und jetzt auch der nationalen Umsetzung entfallen
für zahlreiche Unternehmen Entlastungen, die bisher für
sie galten. Wenn diese Entlastungen von heute auf mor-
gen entfielen – zum Teil würde sich die Belastung für die
Unternehmen nicht nur verdoppeln, sondern im Einzel-
fall verzwanzigfachen –, dann wären diese Unternehmen
von heute auf morgen nicht mehr wettbewerbsfähig und
müssten hier schließen bzw. den Standort verlassen.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie der Braunkohletagebau!)


Das wollen wir nicht. Deshalb haben wir die Härtefallre-
gelung geschaffen: Unternehmen, die aus der bisherigen
Regelung herausfallen, müssen zukünftig 20 Prozent der
EEG-Umlage – daran werden sie schon hart genug zu
tragen haben – zahlen; somit bleibt eine gewisse Entlas-
tung.

Das alles versuchen wir mit dem vorliegenden Gesetz
umzusetzen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja leidenschaftliche Industriepolitik! Meine Herren!)


Wir sichern damit den Standort.
Jetzt wird wieder argumentiert werden: Das ist zu viel
Entlastung, zahlen müssen das die Verbraucher. – Aber
das wäre eine Milchmädchenrechnung: Wenn alle Ent-
lastungen für energieintensive Industrien gestrichen wür-
den, würde die EEG-Umlage in einer Größenordnung
von 1 Cent pro Kilowattstunde sinken, von 6,3 Cent auf,
sagen wir einmal, 5 Cent pro Kilowattstunde. Das wäre
natürlich eine gewisse Entlastung. Aber insgesamt wird
deutlich: Der wahre Kostentreiber ist der Ausbau der er-
neuerbaren Energien. Die Kosten in diesem Bereich sind
zu hoch. Deshalb will man an anderer Stelle dagegen
vorgehen. Die energieintensiven Unternehmen sind aber
der falsche Ansatzpunkt, sie sind Opfer dieser Entwick-
lung und nicht Täter. Genau deshalb versuchen wir,
diese Unternehmen zu entlasten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803705900

Herr Pfeiffer, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder

-bemerkung?


Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1803706000

Gerne.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803706100

Bitte schön.


Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803706200

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Kollege

Pfeiffer.

Sie haben gerade sehr eindrücklich beschrieben, dass
die EEG-Umlage nur um 1 Cent pro Kilowattstunde ge-
senkt werden könnte, wenn Sie bei den Entlastungen für
die Industrie vernünftige Einschnitte machen würden.
Wie erklären Sie sich dann, dass Ihre Regierung die Be-
lastung der Selbstversorgung mit Strom aus erneuerba-
ren Quellen – die Streichung der Befreiung von Eigen-
strom von der EEG-Umlage würde wahrscheinlich zu
einer Senkung von noch nicht einmal 0,1 Cent pro Kilo-
wattstunde führen – trotzdem mit solcher Verve ver-
folgt? Warum sollen Menschen, die sich Strom aus er-
neuerbaren Quellen selber dezentral erzeugen, belastet
werden?


Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1803706300

Wir befinden uns in einem Diskussionsprozess; die

Anhörung findet in der nächsten Sitzungswoche statt.
Wir werden uns bei diesem Thema innerhalb der Koali-
tion, aber in der Anhörung auch mit allen Fraktionen
auseinandersetzen.

Wir wollen und werden sicherstellen – das ist gegen-
über dem ursprünglichen Gesetzentwurf auch schon
deutlich verbessert –, dass der Umfang an Eigenstrom-
verbrauch – wir reden hier über insgesamt 50 Terawatt-
stunden – erhalten wird. Hier geht es ja insbesondere um
die Kraft-Wärme-Kopplung, also eine besonders effi-
ziente Form der Energieerzeugung.





Dr. Joachim Pfeiffer


(A) (C)



(D)(B)

Wir werden auch sicherstellen, dass die Bestandsin-
vestitionen nicht nur gesichert sind, sondern auch erwei-
tert werden können, nämlich um eine Größenordnung
von bis zu 30 Prozent. Auch diesbezüglich werden wir
den Eigenstromverbrauch weiter privilegieren und si-
cherstellen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Daneben werden wir uns sehr genau anschauen – das
haben Sie angesprochen –, ob die jetzige Staffelung von
15, 30 und 50 Prozent – am Anfang waren es ja einmal
bis zu 90 Prozent – sinnvoll ist, ob wir zwischen den
einzelnen Verbrauchern differenzieren sollten und wo
dieser Strom herkommt. Gerade einmal 3,2 Terawatt-
stunden der 50 Terawattstunden werden heute aus erneu-
erbaren Energien produziert.

Andererseits gibt es natürlich schon die Tendenz
– das werden Sie uns morgen oder übermorgen in der
Debatte wieder vorwerfen –,


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Morgen ist Samstag!)


dass sich manche von der Solidarität verabschieden, in-
dem sie nur auf Eigenstromverbrauch setzen,


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit Kohlekraftwerken?)


um ihre Belastungen durch die EEG-Umlage entspre-
chend zu reduzieren, was natürlich nachvollziehbar ist.
Wir sind uns dieser Problematik bewusst, und wir wer-
den hier im parlamentarischen Verfahren auch noch zu
Änderungen gegenüber dem kommen, was bisher auf
dem Tisch liegt.


(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Genau!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803706400

Kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.


Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1803706500

Ja. – Er hat ja eine Sekunde vor dem Ende meiner Re-

dezeit die Zwischenfrage gestellt, sodass ich die Mög-
lichkeit hatte, dieses zu erläutern.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803706600

Ich habe die Uhr selbstverständlich angehalten.


Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1803706700

Vielen Dank dafür.

Ich lade Sie ein, diesen Gesetzentwurf im weiteren
Prozess dort noch besser zu machen, wo es noch Verbes-
serungsbedarf gibt; auch wir sehen noch den einen oder
anderen kritischen Punkt.

Ich bitte Sie aber wirklich noch einmal nachdrücklich,
die energieintensive Industrie nicht gegen die anderen
Industrien in Deutschland auszuspielen. Wir brauchen
beide für den Standort Deutschland, damit wir wettbe-
werbsfähig sind und bleiben, und das wollen wir mit die-
sem Gesetz erreichen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803706800

Danke schön, Herr Kollege Pfeiffer. – Nächster Red-

ner in der Debatte ist Oliver Krischer von Bündnis 90/
Die Grünen.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803706900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Pfeiffer, das war ja gerade ein emotionaler Aus-
bruch in puncto industriepolitischem Engagement. Das,
was Sie gestern zu TTIP gesagt haben, gefiel mir besser.
Da habe ich wenigstens etwas zum deutschen Reinheits-
gebot und von Heineken-Bier an der Hotelbar gehört.
Bei dem, was Sie hier jetzt vorgetragen haben, fiel es ein
bisschen schwer, nachzuvollziehen, wo Sie hinwollen.


(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Ihnen kann man es nie recht machen!)


Es gibt hier – darüber sprechen Sie nicht – zumindest
zwischen der Großen Koalition und den Grünen – die
Linken haben hier manchmal interessante Ansichten –
0,0 Dissens hinsichtlich der energie-, strom- und außen-
handelsintensiven Industrien.


(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Das war im Wahlkampf aber anders!)


Aluhütten, Stahlhütten, Chemieunternehmen, Metall-
gießereien: Selbstverständlich brauchen wir für sie Aus-
nahmetatbestände. Das streitet hier niemand ab, und das
ist auch nicht Gegenstand der Debatte, auch wenn Sie
selber das hier immer zum Problem machen und so tun,
als würde man das infrage stellen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Man muss aber benennen, was Sie tun. Sie legen uns
hier ernsthaft eine Besondere Ausgleichsregelung vor, in
der 219 Branchen genannt werden. Darunter sind Pan-
zerschmieden, Fantasieschmuckhersteller, Fruchtsaftpro-
duzenten und Schlachtereien. Sie definieren alles als
energie-, strom- und außenhandelsintensiv und schaffen
die Möglichkeit, dass sie eine entsprechende Befreiung
erhalten. Es bleibt fast nichts mehr übrig, was in andere
Bereiche fällt.

Selbst wenn Sie etwas ausnehmen – zum Beispiel den
Braunkohletagebau –, wird entsprechend gestaltet: Vat-
tenfall definiert seine Tagebaue, die vorher unter die Be-
sondere Ausgleichsregelung fielen, um, setzt auf das Ei-
genstromprivileg und ist wieder komplett befreit. Das ist
eine Kostenverlagerung von der einen Seite auf die an-
dere.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Minister Gabriel hat angekündigt, die privaten Ver-
braucher um 1 Milliarde Euro zu entlasten. Dazu hat er
letzte Sitzungswoche gesagt: Das war ein großes Miss-
verständnis. – Man muss einfach feststellen: Es gibt
keine Entlastung der privaten Verbraucher, sondern es
gibt eine Belastung. Sie schieben die Kosten von der ei-





Oliver Krischer


(A) (C)



(D)(B)

nen Seite auf die andere Seite. Die privaten Verbraucher
auf der einen Seite bezahlen für das, was Sie auf der an-
deren Seite an Geschenken in Richtung Industrie vertei-
len.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zur Wahrheit gehört auch: Die energieintensive In-
dustrie zahlt 300 Millionen Euro an EEG-Umlage. Das
ist völlig in Ordnung, das ist richtig. Aber nach einer
konservativen Schätzung Ihrer Bundesregierung wird
davon ausgegangen, dass der strompreissenkende Effekt
der erneuerbaren Energien 1 Milliarde Euro beträgt. Das
macht nach Adam Riese, nach betriebswirtschaftlicher
Rechnung, einen Gewinn in Höhe von 700 Millionen
Euro. Das ist ein Geschenk. Davon profitiert die energie-
intensive Industrie.


(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Ich hatte die Strompreise genannt! Sie sind höher!)


Die Industrie profitiert von der Energiewende. Dann ist
auch eine gewisse Belastung der Industrie gerecht. Man
darf nicht nur die privaten Verbraucher zahlen lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Mich ärgert es immer, wenn hier über Arbeitsplätze
geredet wird, aber offensichtlich immer nur eine parti-
elle Sicht auf die Arbeitsplätze vorherrscht, nämlich auf
die Arbeitsplätze in der energieintensiven Industrie.
Selbstverständlich kämpfen wir um jeden Arbeitsplatz.
In diesem Zusammenhang wünsche ich mir einmal eine
Ansprache an die Manager von ThyssenKrupp, damit sie
nicht in Stahlwerke in Brasilien investieren. Dazu möchte
ich gerne etwas vom Wirtschaftsminister oder von dieser
Koalition hören. Aber dazu hört man bei Ihnen nichts.
Sie reden immer nur über Arbeitsplätze in energieinten-
siven Industrien. Sie reden hier nie über Arbeitsplätze in
der Branche der Erneuerbaren. Das waren in Deutsch-
land einmal 400 000 Arbeitsplätze.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Bisher hat jede Bundesregierung im März eines Jah-
res immer die Zahl der Arbeitsplätze in der Branche der
Erneuerbaren veröffentlicht. Zum ersten Mal, im Jahr
2014, gibt es hierzu keine Zahlen mehr. Ich habe nachge-
fragt, warum. Die Antwort ist, man müsse etwas an der
Statistik ändern, das Institut, das die Zahlen erhebe, habe
Personalprobleme usw. – Ich sage Ihnen, was die Wahr-
heit ist: Sie wollen die Zahlen nicht veröffentlichen, weil
man daran die Bremsspuren Ihrer Politik sehen würde.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Diese Verunsicherung durch Ihre Politik hat schon Zehn-
tausende Arbeitsplätze gekostet. Damit müssen Sie sich
einmal auseinandersetzen.

Ich höre immer, dass Sie so viel unterwegs sind, dass
Sie häufig mit den Menschen in den Betrieben sprechen.
Dann gehen Sie doch einmal zu PlanET nach Borken, zu
den verschiedenen Standorten von Enercon. Gehen Sie
zu SMA oder zu SenerTec. Sprechen Sie mit den Men-
schen, und hören Sie sich einmal an, wozu Ihre Politik
führt. Die Menschen stehen mit ihren Betrieben vor dem
Aus und wissen nicht, wie es weitergehen soll. Denen
bieten Sie null und nichts an. Das ist Ihr Defizit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Man muss noch über einen weiteren Punkt sprechen.
Eigentlich hatten Sie im Koalitionsvertrag vereinbart,
dass Sie keine Steuern erhöhen und keine neuen Steuern
einführen wollen. Sie führen aber eine neue Steuer ein:
eine Sonnensteuer. Sie wollen, dass privat erzeugter
Strom, also Eigenstrom, mit einer EEG-Umlage belegt
wird. Sie konterkarieren damit das, was Sie gleichzeitig
fördern. Auf der einen Seite fördern Sie Photovoltaikan-
lagen über das EEG und dezentrale Kraft-Wärme-Kopp-
lung über das KWKG. Auf der anderen Seite wollen Sie
den Menschen dieses Geld über die Sonnensteuer wieder
wegnehmen. Damit machen Sie genau das kaputt, was
Sie im Koalitionsvertrag und in den entsprechenden Ge-
setzen als Ziel genannt haben. Das ist widersinnig. Das
ist das Gegenteil einer Energiewende.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Verrückte dabei ist, dass Sie das Falsche auch
noch ungerecht machen; das muss man erst einmal hin-
bekommen.


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie machen folgende Einteilung: Der Bäckermeister mit
einer Eigenstromanlage soll in Zukunft 50 Prozent der
EEG-Umlage zahlen. Dessen Nachbar mit einem Metall-
erzeugungsbetrieb – sagen wir: eine Härterei – soll in
Zukunft nur noch 15 Prozent der EEG-Umlage zahlen.
Warum das so ist, können Sie niemandem erklären; das
ist überhaupt nicht nachvollziehbar.

Es kommt noch besser. Alle beide gucken dann auf
das schöne Braunkohlekraftwerk von Herrn Terium von
RWE. Dieser sitzt in seinem Büro und lacht sich kaputt:
Er soll nämlich für seinen im Kohlekraftwerk erzeugten
Eigenstrom gar nichts an EEG-Umlage zahlen. Das ist
absurd. Das ist ungerecht. Das widerspricht allen Zielen
der Energiewende, was Sie hier machen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich sage Ihnen: In vielen Gutachten wird darauf hin-
gewiesen, dass das nicht mit der Verfassung vereinbar ist
und dem Gleichbehandlungsgrundsatz widerspricht. Ich
fordere Sie auf, Herr Pfeiffer – ich habe Ihnen bei Ihrer
Rede sehr genau zugehört –: Ändern Sie diese Regelung
oder nehmen Sie sie zurück. Lassen Sie das mit der Son-
nensteuer, sonst stehen Sie irgendwann in Karlsruhe vor
Gericht, das Ihnen dann Ihr ganzes Gesetz für null und
nichtig erklären wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie haben noch etwas anderes vor: Sie wollen Aus-
schreibungen einführen und in Zukunft die Vergütungs-
höhe per Ausschreibung ermitteln. Ich habe kein Pro-
blem damit, dass man Modellversuche durchführt und





Oliver Krischer


(A) (C)



(D)(B)

prüft, wie man die Förderung der Erneuerbaren effizien-
ter gestalten kann.

Aber Sie sehen vor, dass die Ermittlung der Förder-
höhe über Ausschreibungen ab 1. Januar 2017 für alle
verbindlich gelten soll. Dabei haben Sie selber über-
haupt keine Vorstellung, wie das Ganze funktionieren
soll.


(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Deshalb machen wir das Modell! Deshalb machen wir die Pilotprojekte!)


Es gibt europaweit nur negative Erfahrungen. Es gibt
keine positiven Erfahrungen. In anderen Ländern ist ent-
weder nichts mehr gebaut worden oder es ist teurer ge-
worden. Es ist gescheitert.

Das macht keinen Sinn. Damit machen Sie die Bürger-
energie, die dezentrale Energiewende, kaputt. Die vielen
Menschen, die sich engagieren wollen, können mit die-
sem Modell nicht klarkommen. Sie können gerne einen
Versuch machen; aber Sie sollten sich nicht hinter der
EU-Kommission verstecken und darauf verweisen, dass
sie uns zu diesen Ausschreibungen verpflichte. Nutzen
Sie lieber die vorhandenen Spielräume! Das ist eine
Chance und eine Perspektive.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dass wir überhaupt noch einen Ausbau der erneuerba-
ren Energien haben, nämlich in der Windenergie – denn
die PV- und die Biomasseförderung stellen Sie ganz ab,
im Fall der PV über die Eigenstromregelung –, haben
wir überwiegend den rot-grün geführten Ländern zu ver-
danken, die durchgesetzt haben, dass der Ausbau weiter-
gehen kann.

Aber dann haben Sie natürlich das Nächste vor. Jetzt
kommen Sie mit der Lex Seehofer, die vorsieht, dass
2 000 Meter Abstand zur nächstgelegenen Wohnbebau-
ung eingehalten werden.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Wollen Sie die Menschen nicht schützen, Herr Krischer?)


Das wollen Sie einführen. Sie haben dazu eine Sachver-
ständigenanhörung im Umweltausschuss des Bundesta-
ges durchgeführt, aber Sie haben keinen einzigen Sach-
verständigen gefunden, der Ihre Position unterstützt. Sie
mussten drei Antiwind-Bürgerinitiativen einladen, die
ganz steile Thesen vertreten. Ich appelliere an Ihren An-
stand: Lassen Sie diesen Unsinn! Hören Sie damit auf!
Verzichten Sie auf die Lex Seehofer!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803707000

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803707100

Ich komme zum Schluss. – Der Entwurf der EEG-No-

velle mit der Besonderen Ausgleichsregelung, die Sie
vorlegen, bremst den Ausbau der erneuerbaren Energien.
Er schadet dem Klimaschutz und sichert das Geschäfts-
modell der Großkraftwerke. Er vernichtet Arbeitsplätze
in der Branche der Erneuerbaren. Er ist ungerecht gegen-
über Privatverbrauchern und Handwerk. Er ist kompli-
ziert, und er ist das Gegenteil von kosteneffizient. Und er
würgt dem Bürger Energie ab. Kurzum: Er ist ein An-
schlag auf die Energiewende.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803707200

Und es war jetzt überzogen, was die Zeit angeht. Das

haben Sie aber auch gemacht, Herr Pfeiffer. Ich bin ja
sehr gerecht.

Nächster Redner in der Debatte ist Johann Saathoff
für die SPD.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johann Saathoff (SPD):
Rede ID: ID1803707300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Lieber Kollege Krischer, herzlichen Glück-
wunsch zu Ihrer Rede zum Erneuerbare-Energien-Ge-
setz. Ich habe es während Ihrer Rede noch einmal nach-
gelesen: In dem Gesetzentwurf, über den wir heute
debattieren, ist ganz wenig von dem enthalten, was Sie
heute angesprochen haben.


(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Genau! Thema verfehlt! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich habe eine ganze Menge dazu gesagt!)


Deswegen herzlichen Glückwunsch zur EEG-Rede!

Auf das Thema Enercon möchte ich ganz besonders
eingehen; denn Enercon befindet sich in meinem Wahl-
kreis. Sie können sicher sein, dass ich mit den Mitarbei-
tern intensive Gespräche führe.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und sind sie begeistert von dem Gesetzentwurf? Was sagen sie denn?)


Fragen Sie dort nach, welche Auswirkungen es hätte,
wenn die Stahl- oder Kupferpreise erhöht würden!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für Betriebe, die be-
sonders viel Strom bei der Herstellung ihrer Produkte
benötigen und im internationalen Wettbewerb stehen,
stellt die Energie einen bedeutenden Kostenfaktor dar.
Diese Unternehmen stehen häufig im Wettbewerb mit
Betrieben in anderen Ländern, die zum Teil deutlich
niedrigere Stromkosten haben, weil deren Regierungen
sich noch nicht auf den Weg der erneuerbaren Energien
gemacht haben. In dem vorliegenden Gesetzentwurf
geht es um die internationale Wettbewerbsfähigkeit un-
serer Unternehmen unter Berücksichtigung des Wettbe-
werbsfaktors Stromkosten.

Darüber hinaus muss das am Ende beschlossene Ge-
setz auch mit den neuen Umwelt- und Energiebeihilfe-
leitlinien in Einklang stehen, die die Europäische Kom-
mission am 9. April dieses Jahres beschlossen hat.





Johann Saathoff


(A) (C)



(D)(B)

Deshalb prüft die Kommission auch parallel zu unserem
Gesetzgebungsverfahren den hier diskutierten Gesetz-
entwurf. Etwaige Änderungsanträge müssten noch in
Brüssel notifiziert werden.

Würde die Besondere Ausgleichsregelung nicht mehr
greifen, hätte dies schwerwiegende Folgen für die Men-
schen in Deutschland. Viele Arbeitsplätze wären durch
drohende Schließungen und Abwanderung insbesondere
der produzierenden Betriebe bedroht. Das hätte auch un-
mittelbar zur Folge, dass die dringend notwendige Ak-
zeptanz der Bürgerinnen und Bürger bei der Energie-
wende durch den Verlust ihrer Existenzgrundlage nicht
mehr gegeben wäre.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Abwanderung der Betriebe würde in Länder er-
folgen, die sich noch nicht auf den Weg der Erneuerba-
ren gemacht haben, die also nicht Klimaziele in ihr je-
weiliges Leit- und Wertebild aufgenommen haben. Der
Anreiz zu klimafreundlichem Verhalten anderer Natio-
nen würde also unterdrückt, wenn wir die stromintensi-
ven Betriebe in unserem Land nicht durch die Besondere
Ausgleichsregelung international wettbewerbsfähig ma-
chen würden.

Zum Dritten stellt dieses Gesetz sicher, dass die be-
günstigten Unternehmen trotz der Begünstigung einen
eigenen Beitrag zur Förderung der erneuerbaren Ener-
gien leisten; Kollege Pfeiffer hat darauf gerade hinge-
wiesen.

Weiterhin wird durch die Erhöhung der Eingangs-
schwelle im Gesetz sichergestellt, dass der sonst zu er-
wartende weitere Anstieg der Anzahl der privilegierten
Unternehmen sowie des Entlastungsvolumens begrenzt
wird.

Letztlich soll im Gesetz normiert werden, dass die
Unternehmen ein zertifiziertes Energie- und Umweltma-
nagementsystem betreiben. Es wird also sichergestellt,
dass diese Unternehmen die Energieeffizienz deutlich
stärker in den Fokus nehmen. Ich würde mich freuen,
wenn wir zusätzlich die Umsetzung der aus dem Um-
weltmanagementsystem gewonnenen Erkenntnisse si-
cherstellen könnten.

Es ist gut, dass nun auch auf europäischer Ebene
Klarheit darüber besteht, welche Branchen als stromkos-
ten- und handelsintensiv einzustufen sind. Damit ist ein
großer Beitrag zur Planungssicherheit der betroffenen
Betriebe geleistet. Allerdings finde ich es in der Diskus-
sion nicht redlich, so zu tun, als seien alle Betriebe der
68 Branchen automatisch von der EEG-Umlage befreit.
Man suggeriert damit, die privaten Verbraucher müssten
ihren Beitrag zur Energiewende leisten, während die In-
dustrie fein raus sei. Dem ist definitiv nicht so. Mit dem
Gesetz, über dessen Entwurf wir heute erstmalig beraten,
wird die Industrie keinesfalls aus den Kosten der Ener-
giewende entlassen. Sie soll vielmehr weiterhin ange-
messen an den Kosten beteiligt werden, ohne dass sie
nachhaltig im Wettbewerb geschädigt und damit in der
Existenz bedroht wird.
Die Zugehörigkeit zu den Branchen ist zunächst ein-
mal die Voraussetzung, überhaupt einen Antrag stellen
zu dürfen, als stromintensiver Betrieb anerkannt zu wer-
den. Weiterhin ist Voraussetzung, dass die Betriebe ei-
nen Mindestanteil von Stromkosten an ihrer Bruttowert-
schöpfung zu Faktorkosten als Eintrittsschwelle
aufweisen. Die Eintrittsschwelle wird schrittweise ange-
hoben, um dem Anstieg der EEG-Umlage Rechnung zu
tragen und dafür zu sorgen, dass sich der Kreis der privi-
legierten Unternehmen nicht weiter vergrößert. Unser
Ziel ist es, dass wir die Eingangsschwelle in Zukunft
nicht weiter anheben müssen, dass also die EEG-Umlage
nicht weiter steigt. Es gibt allerdings Kritik: Die
Schwelle sei nicht deutlich genug erhöht worden. Ich
halte diese Kritik für unberechtigt. Diese Anpassung ist
mit Augenmaß sorgsam gewählt, um das Kind nicht mit
dem Bade auszuschütten, oder wie wir Ostfriesen sagen:
Man sall’t Pullstock neet wieder setten, as man springen
kann.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803707400

Was wollen Sie uns damit sagen?


Johann Saathoff (SPD):
Rede ID: ID1803707500

Frau Präsidentin, ich gebe die Übersetzung zu Proto-

koll.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803707600

Gut. Danke.


Johann Saathoff (SPD):
Rede ID: ID1803707700

Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Begriff

„Faktorkosten“, also quasi alle Kosten, die zur Produk-
tion eines Produkts erforderlich sind, und damit auch die
Kosten für zum Beispiel Leiharbeitsverträge, die sonst
nicht eingerechnet wurden. Mit diesem Gesetz wird also
sichergestellt, dass die Betriebe nicht mehr – wie ge-
schehen – Personal aus Arbeitsverträgen entlassen und
über Leiharbeitsverträge wieder beschäftigen, um den
Anteil der Stromkosten an der Bruttowertschöpfung über
die Eintrittsschwelle zu heben und so privilegiert zu
sein. Dieser falsche Anreiz ist durch dieses Gesetz end-
lich gestoppt.


(Beifall bei der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


Weiterhin leisten nun auch die privilegierten Unter-
nehmen ihren Beitrag zur Energiewende, nämlich grund-
sätzlich 15 Prozent der EEG-Umlage. Diese Belastung
wird nur bei ganz wenigen Betrieben auf 4 Prozent bzw.
0,5 Prozent der Bruttowertschöpfung begrenzt.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Benachteiligung der kleinen Unternehmen!)


Darüber hinaus ist künftig von jeder Abnahmestelle für
die erste Gigawattstunde die EEG-Umlage in voller
Höhe zu zahlen und weiterhin eine Mindestumlage in
Höhe von 0,1 Cent für jede weitere Kilowattstunde, um
den Grundbetrag der privilegierten Unternehmen für das
EEG-Konto sicherzustellen. In diesem Rahmen könnten





Johann Saathoff


(A) (C)



(D)(B)

wir uns allerdings noch einmal Gedanken über die Här-
tefallregelung machen.

Der vorliegende Gesetzentwurf, den wir nun in den
Ausschüssen zu beraten haben, stellt einen Schritt in die
richtige Richtung dar und wird ein wichtiger Faktor bei
der Sicherstellung der internationalen Wettbewerbsfä-
higkeit unserer Unternehmen sowie im Sinne unserer
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sein.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803707800

Vielen Dank, Herr Kollege. Sie denken an die Über-

setzung.


(Johann Saathoff [SPD]: Sehr gerne!)


Nächste Rednerin in der Debatte ist Caren Lay für die
Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Caren Lay (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803707900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Es verwundert mich natürlich nicht, dass die
Union auch heute das Ausmaß der Industrierabatte ver-
teidigt; das war schon in der letzten Legislaturperiode
so. Wir haben nichts anderes erwartet.


(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Wir stehen für Arbeitsplätze!)


Dass die SPD in dieser Legislaturperiode mit einer sol-
chen Vehemenz in diesen Chor einstimmt, verwundert
mich schon sehr. Denn von welcher Seite haben Sie Ap-
plaus für diesen Gesetzentwurf bekommen? Das war der
Applaus von den Chefetagen der Industrie. Dort haben
regelrecht die Sektkorken geknallt. Ich muss mich wun-
dern. Dass Sie so viel Applaus


(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Von den Gewerkschaften!)


nur von der Wirtschaftsseite bekommen, während sich
die Bürgerinnen und Bürger, wie ich finde zu Recht, be-
schweren und übrigens auch das Gros der Medien in der
Berichterstattung die zusätzliche Belastung beklagt,
sollte Ihnen wirklich zu denken geben.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist meiner Aufmerksamkeit nicht entgangen, dass
sowohl Herr Gabriel als auch Herr Tiefensee und die an-
deren Redner der Koalition versuchen, den Eindruck zu
verwischen, es gehe ihnen nur um die Industrieinteres-
sen. Sie tun so, als ob es ihnen auch um die Interessen
der Verbraucherinnen und Verbraucher ginge. Dazu
muss ich sagen: Außer dieser Beteuerung habe ich kein
einziges Argument gehört, das mich davon überzeugt.


(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: 1 Million Arbeitsplätze!)


Schauen wir uns die Fakten doch einmal an. Erstens.
Das Entlastungsvolumen der Industrie soll bei gut 5 Mil-
liarden Euro bleiben. Wir reden dabei nur über die
Stromrechnung. Es sind aber noch Entlastungen im Bun-
deshaushalt versteckt, über die wir überhaupt noch nicht
gesprochen haben. Zweitens. Die Anzahl der Branchen,
die entlastet werden sollen, steigt sogar an. Lag die Zahl
bisher faktisch bei 168 Branchen, so soll sie jetzt auf 219
festgelegt werden. Wenn man weiß, dass in Deutschland
insgesamt nur 246 Branchen gezählt werden, dann kann
man ausrechnen, dass faktisch ein Großteil der Branchen
prinzipiell Entlastungen beantragen kann.

Mit diesem Vorgang hat Sigmar Gabriel dafür ge-
sorgt, dass er Gerhard Schröder den Ruf als Genosse der
Bosse abspenstig gemacht hat. Ich habe noch nicht ge-
hört, dass Sie dem entgegengewirkt haben. Am Ende ist
er auch noch stolz darauf. Ich finde, auch das sollte der
SPD zu denken geben.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803708000

Frau Kollegin Lay, erlauben Sie eine Zwischenbemer-

kung oder eine Zwischenfrage von Herrn Tiefensee?


Caren Lay (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803708100

Ja, sehr gerne.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803708200

Herr Tiefensee.


Wolfgang Tiefensee (SPD):
Rede ID: ID1803708300

Frau Lay, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen.

Sie haben gerade die Summe der Branchen erwähnt, die
in den Listen 1 und 2 des Gesetzes zur Reform der Be-
sonderen Ausgleichsregelung zu finden sind. Ist es so,
dass Sie wider besseres Wissen oder weil Sie es nicht an-
ders wissen die Liste 1 und die Liste 2 in eins fügen?
Denn Sie könnten wissen, dass wir 68 Branchen und
nicht über 200 entlasten. Die Liste 2 umfasst die Mög-
lichkeit für einzelne Unternehmen einer dieser Bran-
chen, eine Entlastung zu beantragen; sie umfasst nicht
die Möglichkeit für die gesamte Branche.

Wir müssen also auch für die Öffentlichkeit deutlich
zwischen der Liste 1 mit 68 Branchen und der Liste 2
unterscheiden, aufgrund welcher nicht die Branche be-
freit ist, sondern möglicherweise einzelne Unternehmen,
die einer solchen Branche angehören. Ist Ihnen dieser
Unterschied bekannt, und, wenn ja, warum vermengen
Sie in Ihrer Rede diese beiden Listen und suggerieren so-
mit eine größere Anzahl von befreiten Branchen?


Caren Lay (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803708400

Mir ist dieser Unterschied durchaus bekannt. Ich be-

danke mich für die Zwischenfrage, weil ich dadurch auf
diesen Umstand und die Liste 2 noch einmal eingehen
kann. In der Tat steckt darin kein Automatismus, aber
immerhin die Möglichkeit, eine Befreiung zu beantra-
gen. Wenn ich mir die Liste 2 ansehe, wundere ich mich
an mancher Stelle, was alles, zu Ihrem Stolz oder auch





Caren Lay


(A) (C)



(D)(B)

zu Ihrer Begeisterung, in die Liste hineinverhandelt
wurde. Es ist schon von dem Kollegen Krischer erwähnt
worden, welche Branchen dort aufgeführt sind.

Ich habe mir notiert: Auf Liste 2, Nummer 212, ist
eine potenzielle Entlastung für Fantasieschmuckunter-
nehmen vorgesehen. Man kann dafür privat eine Affini-
tät haben, aber dass eine solche Firma potenziell eine
Belastung beantragen kann, halte ich einfach nur für lä-
cherlich. Es gibt noch andere Stellen, bei denen für mich
der Spaß aufhört. Auf der Liste 2 ist auch eine mögliche
Entlastung von Herstellern von militärischen Kampf-
fahrzeugen vorgesehen. Wenn ich es richtig verstehe,
geht es um die Panzerproduktion. Wenn es am Ende
dazu kommt, dass die Bürger mit ihrer Stromrechnung
noch das Geschäft mit dem Krieg subventionieren, dann
kann ich dem einfach nicht zustimmen, und da bleibe ich
auch bei meiner Kritik.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das ist an Dummheit nicht zu überbieten!)


Ich will auf den Vorwurf eingehen, der uns in dieser
Debatte, auch gerade vorhin wieder, gemacht wurde,
nämlich die Linke sei industriefeindlich und uns lägen
die Arbeitsplätze nicht am Herzen. Ich will Sie wirklich
darum bitten, den Antrag zu lesen, den wir vorgelegt ha-
ben. Herr Krischer, ich verstehe gar nicht, warum wir
uns gegenseitig einen mitgeben müssen. Als wir das
letzte Mal auf der Grundlage von Anträgen darüber de-
battiert haben, waren die ersten beiden Kriterien, die
Linke und Grüne vorgeschlagen haben, identisch.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann haben wir einen Ansatz!)


Also, die Firmen sollten tatsächlich im internationalen
Wettbewerb stehen und tatsächlich energieintensiv sein.
Die EU hatte ursprünglich 15 Branchen festgelegt. Dazu
stehen wir, und dazu stehen auch die Umweltverbände.

Das heißt, auch nach unserer Vorstellung könnten
Stahl-, Chemie- und Grundstoffindustrie von der EEG-
Umlage entsprechend entlastet werden; das will ich hier
klipp und klar sagen. Das jetzt geplante Ausmaß der
Ausweitung der Befreiung von der EEG-Umlage finde
ich wirklich unerhört. Zu argumentieren, es gehe Ihnen
hier nur um den Erhalt der Arbeitsplätze in Deutschland,
und kein einziges Wort zu all den Arbeitsplätzen zu ver-
lieren, die im Bereich der erneuerbaren Energien schon
verloren gegangen sind, finde ich ebenfalls wirklich un-
erhört.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich bin zuletzt von einem Redner der SPD gefragt
worden, ob ich bereit sei, mit ihm in seinen Wahlkreis im
Ruhrgebiet zu fahren, wo die Stahlindustrie beheimatet
ist. Ich habe geantwortet: Erstens, ja, sehr gerne, und,
zweitens, auch wir als Linke wollen die Stahlindustrie
entlasten. Umgekehrt bitte ich Sie alle, einmal in meinen
Wahlkreis in der Lausitz zu kommen. Die Situation dort
ist folgendermaßen: Alle drei Solarfirmen, die sich dort
angesiedelt und gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffen
hatten,


(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Subventionierte!)


sind durch die Politik in der letzten Legislaturperiode
eingegangen. Auch diese Wahrheit gehört zu dieser De-
batte.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.
Mit diesem Gesetzentwurf hat Sigmar Gabriel den Bür-
gerinnen und Bürgern, aber auch seiner Partei keinen
großen Gefallen getan. Die Industrierabatte werden am
Ende das für die SPD, was die Hoteliersteuer für die
FDP war. Ich kann Sie nur auffordern: Ziehen Sie diesen
Gesetzentwurf zurück!

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803708500

Danke, Frau Kollegin Lay. – Nächster Redner in die-

ser Debatte ist Thomas Bareiß, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Thomas Bareiß (CDU):
Rede ID: ID1803708600

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen!

Meine Herren! Nach den Reden der Opposition, der Lin-
ken und der Grünen, muss ich schon präzisieren, worum
es heute geht: Es geht heute darum, dass wir mit diesem
Gesetz langfristig über 1 Million Arbeitsplätze sichern
werden. Wir versuchen, mit der Besonderen Ausgleichs-
regelung für die Branchen, die angesprochen worden
sind, langfristig innovative und gute Arbeit zu sichern.
Die Umsetzung aller Vorschläge, die Sie, Frau Lay, ein-
gebracht haben, sorgt dafür, dass diese Arbeitsplätze ge-
fährdet werden; deswegen sind wir gegen Ihre Vor-
schläge. Wir versuchen, hier eine ordentliche, gute
Industriepolitik für unser Land zu machen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie „versuchen“ es!)


Hier wird ständig von „Befreiung“ gesprochen. In den
Reden hier wird der Eindruck suggeriert, dass wir be-
stimmte Unternehmen und Branchen von der EEG-Um-
lage komplett befreien. Auch das ist falsch; darauf
möchte ich zu Beginn meiner Rede hinweisen. Das Ge-
genteil ist wahr. Durch die Verabschiedung des jetzt vor-
liegenden Gesetzentwurfs schaffen wir es, die begünstig-
ten rund 2 000 Unternehmen in die Bezahlung der
Energiewende einzubinden; mit der neuen Ausgleichsre-
gelung steigt der Beitrag der begünstigten Unternehmen
von bisher 300 Millionen Euro um etwa 4 Millionen
Euro. Auch das zeigt, dass sich hier keiner aus dem





Thomas Bareiß


(A) (C)



(D)(B)

Staub macht, sondern dass jeder seinen Beitrag leistet,
diese Energiewende zu meistern.


(Zuruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Lieber Oliver Krischer, du sprichst hier immer von Pri-
vilegien, die wir verteilen. Noch einmal: Diese Industrie-
vergünstigungen wurden damals von Rot-Grün unter
dem Umweltminister Jürgen Trittin eingeführt.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war gut und richtig!)


Der große Unterschied ist, dass damals nur wenige
Großkonzerne von diesen Privilegien profitiert haben.
Schwarz-Gelb hat es geschafft, den industriellen Mittel-
stand in den Kreis der Privilegierten aufzunehmen. Wir
haben dafür gesorgt, dass diejenigen von der EEG-Um-
lage profitieren, die diese Vergünstigung wirklich brau-
chen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Kollege Saathoff hat es schon gesagt: Wir spre-
chen heute nicht über Fragen des Zubaus im Bereich der
erneuerbaren Energien, und das, obwohl das ein interes-
santes Thema wäre, liebe Frau Lay; auch Sie haben da-
rauf Bezug genommen. Ich möchte noch einmal sagen:
Wir hatten in den letzten vier Jahren einen Zubau im Be-
reich der erneuerbaren Energien, den keiner, auch nie-
mand in diesem Parlament, vorhergesehen hat. Gerade
im Bereich der Solarbranche, die vorhin beschrieben
worden ist, gab es jedes Jahr einen Zubau von über
8 000 Megawatt.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 8 000? Höchstens 7 500!)


Deutschland hatte so viel Zubau wie kein anderes Land
auf dem Erdball. Dieser Zubau hat dazu geführt, dass der
Anteil der erneuerbaren Energien jetzt bei 25 Prozent
liegt; einen so großen Anteil an Erneuerbaren hat keine
andere Industrienation der Welt. Das heißt, hinter uns
liegt eine einmalige Erfolgsgeschichte. Gemeinsam soll-
ten wir jetzt aufpassen, dass diese Erfolgsgeschichte
keine Arbeitsplätze in wichtigen Bereichen unserer
Wertschöpfung gefährdet. Deshalb brauchen wir drin-
gend dieses Gesetz. Es ist für die nächsten Jahre eine
Grundlage zur Arbeitsplatzsicherung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ich möchte noch einmal in besonderer Weise die Be-
deutung der Industrie unterstreichen. Sie kam mir in den
letzten Reden, gerade in denen von Abgeordneten der
Grünen und der Linken, viel zu kurz.

Deutschland war und ist die Industrienation in Eu-
ropa, und das soll auch zukünftig so bleiben. Wir haben
es trotz Finanzkrise, trotz Euro-Krise geschafft, den In-
dustrieanteil auf über 20 Prozent zu halten; wir sind jetzt
sogar bei 23 Prozent und sind damit Schrittmacher in
Europa. Im Gegensatz zu anderen Ländern, die eher auf
Dienstleistungen und auf Banken gesetzt haben, haben
wir auf unsere Industrie gesetzt und haben damit unsere
Arbeitsplätze gesichert. Die Arbeitslosigkeit in der
Euro-Zone liegt im Durchschnitt bei 12,1 Prozent.
Deutschland hat dank der deutschen Industrie nur eine
Arbeitslosenquote von 6,8 Prozent und ist damit bei der
Beschäftigung in Europa an der Spitze. Wir sind die
viertgrößte Industrienation der Welt – nach China, den
USA und Japan –, haben einen Industrieproduktionsan-
teil in der Welt von über 6 Prozent. Auch das ist eine Er-
folgsgeschichte.

Da wir in dieser Woche auch sehr intensiv über die
Themen „Welthandel“ und „Globalisierung“ gespro-
chen haben: Die deutsche Industrie sorgt mit ihren Pro-
dukten dafür, dass in ganz Europa Arbeitsplätze entste-
hen oder gehalten werden. Über 40 Prozent der in
Deutschland produzierten Exportgüter werden mit Zulie-
ferprodukten aus Europa hergestellt. Auch da zeigt sich,
dass Europa immer wichtiger wird und dass die Industrie
in Deutschland dafür sorgt, dass ganz Europa weiterhin
hoffentlich eine gute Beschäftigungslage hat. Auch des-
halb brauchen wir unser Gesetz zur Besonderen Aus-
gleichsregelung, meine sehr verehrten Damen und Her-
ren.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803708700

Herr Bareiß, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder

-bemerkung der Kollegin Annalena Baerbock?


Thomas Bareiß (CDU):
Rede ID: ID1803708800

Sehr gern.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803708900

Ja. – Bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Herr Bareiß. – Meine Frage bezieht sich
auf Folgendes: Niemand hier will die bestehenden Aus-
nahmen, die unter Rot-Grün eingeführt wurden, abschaf-
fen, sondern es geht darum: Warum kommen jetzt neue
Branchen dazu, und warum kommen über die Liste 2 der
Anlage 4 neue Unternehmen dazu? Das ist der Casus
knaxsus der ganzen Debatte; es geht nicht um die Unter-
nehmen, die bereits ausgenommen wurden.

Von den Branchen, die neu dazukommen, und von
den Unternehmen, die neu dazukommen, hätte es in den
letzten Monaten und Jahren wahnsinnig viele Alarmrufe
geben müssen: Achtung! Wir wandern aus Deutschland
ab. Es muss hier etwas getan werden. – Wir haben solche
Warnrufe nicht gehört. Wir haben, auch auf Initiative
von Herrn Kollegen Krischer, eine Anfrage an die Bun-
desregierung gestellt, um zu erfahren, was es denn für
Beispiele gibt, wer besonders hart betroffen ist, wer ab-
zuwandern droht. In Brüssel wird ja gerade die Carbon-
Leakage-Liste verhandelt. Auch da gibt es keine konkre-
ten Beispiele. Die Antwort der Bundesregierung war: Es
gibt keine empirischen Daten darüber, wer weiter ge-
fährdet ist und abzuwandern droht.

Auf welcher Grundlage sagen Sie jetzt: „Aber trotz-
dem müssen wir weitere Branchen ausnehmen; trotzdem
müssen wir weitere Unternehmen ausnehmen“? Könnten
Sie einmal konkrete Beispiele aufführen, vielleicht auch





Annalena Baerbock


(A) (C)



(D)(B)

aus dem Panzerbereich, und sagen, wann sich die Unter-
nehmen gemeldet haben mit der Drohung, abzuwan-
dern?


Thomas Bareiß (CDU):
Rede ID: ID1803709000

Sie sagen, Sie hätten keine Hilferufe gehört. Ich habe

viele Hilferufe gehört, nicht nur von Arbeitgebern, son-
dern auch von vielen Arbeitnehmern, übrigens auch von
Gewerkschaften; die haben große Sorge, dass in ihren
Bereichen Arbeitsplätze abgebaut werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Branchen
oder Unternehmen gar nicht mehr zu den Grünen gehen,
weil sie wissen, dass sie da eh auf taube Ohren stoßen.


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will hier noch einmal deutlich sagen, auch zu der
vorhergegangenen Zwischenfrage: Sie kritisieren die
Anzahl von 68 Branchen. Sie gehen davon aus, dass wir
damit den Begünstigtenkreis erweitern. Tatsächlich sind
die Unternehmen dieser Branchen nur antragsberechtigt,
und es gibt neue Grundlagen dafür, wann solche Anträge
bewilligt werden und die Begünstigung dann auch wirk-
sam wird.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nennen Sie doch einmal eine Branche! Eine!)


Diese Grundlagen sind ganz klar definiert: Es müssen
Unternehmen sein, die stromintensiv sind und die im in-
ternationalen Wettbewerb stehen,


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Branche!)


also eine gewisse Handelsintensität haben. Diese beiden
Kriterien sind die Grundlage dafür, dass wir wirklich be-
günstigen.

Es wird dafür gesorgt – wir alle werden es noch er-
leben –, dass der Kreis der Begünstigten massiv redu-
ziert wird. Wir gehen davon aus, dass dieser Kreis
von 2 400 Unternehmen in den nächsten Jahren auf
2 000 Unternehmen zurückgeführt wird. Deshalb brau-
chen wir die Härtefallregelung. Es gibt immer noch Un-
ternehmen, gerade in wichtigen Feldern unserer Wirt-
schaft, die bisher begünstigt sind und die auch zukünftig
begünstigt werden müssen, weil wir sie sonst verlieren
würden. Das wollen wir für die Zukunft ausschließen,
meine sehr verehrten Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Andrea Wicklein [SPD] – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein Unternehmen! Keine Branche! Nichts!)


Ich will in ganz besonderer Weise noch einmal zum
Thema Mittelstandskomponente kommen. Gerade in den
energieintensiven Bereichen des Maschinen- und Anla-
genbaus, des Automobilbaus, der Chemie- oder auch der
Grundstoffindustrie gibt es hochwertige Arbeitsplätze,
besonders in mittelständischen deutschen Betrieben, die
eigentümergeführt sind. Auch deshalb ist es wichtig,
dass wir die Mittelstandskomponente im Bereich der Be-
sonderen Ausgleichsregelung beibehalten.

Wir haben dafür im Wahlkampf sehr viel Kritik ein-
stecken müssen, weil wir vor zwei Jahren diese Mittel-
standskomponente eingeführt und dadurch den Begüns-
tigtenkreis verdreifacht haben. Das geschah aber zu
einem Preis, der überschaubar war. Die Erweiterung ist
tatsächlich nur mit 10 Prozent höheren Kosten zu Buche
geschlagen. Das war etwas, was wenig gekostet und viel
gebracht hat. Ich bin dankbar, dass wir die Mittelstands-
komponente zukünftig beibehalten können. Das war
– Herr Tiefensee hat es vorhin schon gesagt – eine harte
Verhandlung in Brüssel. Deshalb auch von unserer Seite
noch einmal ein herzliches Dankeschön an unseren Bun-
deswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Meine Damen und Herren, ich habe schon erwähnt,
was die zukünftigen Grundlagen für die Besondere Aus-
gleichsregelung sind. Ich möchte noch einmal drei
Punkte herausgreifen.

Erster Punkt. Wir werden weiterhin darauf setzen,
dass wir wirklich nur die Unternehmen begünstigen, die
darauf angewiesen sind. Wir wollen den starken interna-
tionalen Wettbewerb als Kriterium nehmen, und wir
wollen die besonders energieintensiven Bereiche mit
einbinden.

Wir wollen zweitens ein besonderes Augenmerk auf
diejenigen Unternehmen legen, die besonders energiein-
tensiv sind und die eine wichtige Rolle in unserer Wert-
schöpfungskette, gerade in der Grundstoffindustrie, spie-
len. Dazu gehört die Aluminiumbranche. Aluminium wird
in vielen Bereichen gebraucht, beispielsweise im Auto-
mobilbau, wo durch die Verwendung dieses sehr leichten
Werkstoffs dafür gesorgt wird, dass Autos in Zukunft
weniger Kraftstoff verbrauchen und sparsamer werden.
Dazu gehört genauso die Kupferverarbeitung. Kupfer wird
beispielsweise beim Bau von Windkrafträdern dringend
gebraucht. In einem Offshorewindrad werden 30 Tonnen
Kupfer verbaut. Auch daran sieht man, dass die Entlas-
tung energieintensiver Unternehmen eng mit den The-
men Energiewende und Energieeffizienz verbunden ist.
Beides geht Hand in Hand. Deshalb sind das zwei Seiten
der gleichen Medaille. Beides wird in den nächsten Jah-
ren dringend gebraucht.

Neben diesen beiden Kriterien, die ich beschrieben
habe, brauchen wir drittens eine Regelung für diejeni-
gen, die jetzt trotz der Ausweitung der Branchenliste he-
rausfallen würden. Wir brauchen die Härtefallregelung
für die wirklich energieintensiven Bereiche, die hier eine
Sonderrolle spielen. Wir müssen auch noch einmal im
Gesetzgebungsverfahren diskutieren, welche Bereiche
wir wirklich entsprechend begünstigen wollen. Aber
auch da glaube ich, dass wir zu einer sinnvollen Lösung
kommen.

Prinzipiell ist diese Besondere Ausgleichsregelung
eingebettet in unsere EEG-Novelle. Ich will noch einmal
besonders betonen, dass wir auch auf die Unternehmen
schauen müssen, die nicht begünstigt werden. Sie stellen





Thomas Bareiß


(A) (C)



(D)(B)

nämlich die Mehrzahl der Unternehmen in Deutschland
dar. Sie zahlen ihre EEG-Umlage in vollem Umfang und
tragen mit über 7 Milliarden Euro dazu bei, dass die
Energiewende wirklich finanziert werden kann. Dazu
gehören auch Unternehmen, die wir bisher nicht im
Blick haben, beispielsweise die Rechenzentren, die
durchaus mit Berechtigung eine Begünstigung fordern
können, die Härtereien und Schmiedereien, die derzeit
im Gegensatz zu dem, was Oliver Krischer vorhin gesagt
hat, nicht eingebunden sind, oder ein ganz normaler Bä-
ckerbetrieb, der schon heute im Schnitt 6 000 Euro
EEG-Umlage zahlt.

Diese Unternehmen verlassen sich darauf, dass die
EEG-Novelle in den nächsten Wochen umgesetzt wird,
dass wir die EEG-Reform jetzt auch kostendämpfend an-
gehen. Wir brauchen eine EEG-Reform, die auf der ei-
nen Seite für die nächsten Jahre Verlässlichkeit bietet,
auf der anderen Seite aber auch wirtschaftlich und be-
zahlbar ist – und das auch für die ganz normalen Privat-
verbraucher. Das ist unser Anliegen. Daran wollen wir
arbeiten. In diesem Sinne freue ich mich auf das kom-
mende Gesetzgebungsverfahren.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803709100

Danke, Herr Kollege Bareiß. – Nächster Redner für

die SPD Florian Post.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Florian Post (SPD):
Rede ID: ID1803709200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Die Besondere Ausgleichsregelung ist ein
wichtiger Bestandteil der Reform des Erneuerbare-Ener-
gien-Gesetzes. Diese Reform ist notwendig, um unser
ehrgeiziges Ziel der Energiewende auch zum Erfolg zu
führen. Bei den industriellen Verbrauchern, die im inter-
nationalen Wettbewerb stehen, geht es nicht nur um die
Akzeptanz, sondern in vielen Fällen schlichtweg um das
knallharte wirtschaftliche Überleben. Es ist daher rich-
tig, die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen zu si-
chern und das viel beschworene industrielle Rückgrat
unserer Wirtschaft zu schützen. Viele Tausend Arbeits-
plätze hängen davon ab, ob wir diese Aufgabe hier im
Parlament erfolgreich meistern.

Unser beispielloses Vorhaben der Energiewende ist
eine deutsche Leistung und Aufgabe, auf die wir stolz
sein können. Kein anderes Industrieland hat sich das Ziel
gesetzt, aus der Atomenergie auszusteigen und gleich-
zeitig ehrgeizige Klimaschutzziele zu erreichen. Das ist
nur mit einem erheblichen Anteil an Stromproduktion
aus erneuerbaren Energien zu schaffen.

Auch wenn es einige nicht begreifen bzw. nicht be-
greifen wollen, steht unsere nationale Energiepolitik je-
doch nicht im luftleeren Raum, sondern muss vielmehr
rechtlich und politisch in einen europäischen Kontext
eingebunden werden.
Nur zur Erinnerung: Die EU-Kommission war denk-
bar kurz davor, die Befreiungen von der EEG-Umlage
für energieintensive Unternehmen als unzulässige Bei-
hilfe einzustufen. Das zeigt, wie weit die rechtlichen Be-
wertungen, die eben auch im politischen Kontext stehen,
auseinanderliegen. Das müssen wir uns vor Augen füh-
ren, wenn wir das Verhandlungsergebnis beurteilen wol-
len. Sigmar Gabriel ist es gelungen, unter erheblichem
Zeitdruck eine Einigung mit der EU-Kommission zu er-
zielen, damit wir die Chance haben, auch noch für 2015
Bescheide über Befreiungen von der EEG-Umlage bzw.
über eine Privilegierung auszustellen.

Der jetzige Gesetzentwurf steht im Einklang mit den
Umwelt- und Beihilfeleitlinien der EU. Dass die Befrei-
ung von energieintensiven Unternehmen, die im interna-
tionalen Wettbewerb stehen, notwendig ist, ist in weiten
Teilen unumstritten. Die Frage ist aber, wie diese Be-
freiung umgesetzt wird. Dazu haben wir jetzt klare Vor-
gaben mit Definitionen von Branchen, die überhaupt
antragsberechtigt sind. Im Übrigen gehört der Braunkoh-
letagebau nicht dazu.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die machen Eigenstrom! – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eigenstrom!)


– Frau Kollegin Baerbock, antragsberechtigt – man muss
hier auf die Begrifflichkeiten achten – heißt noch lange
nicht, dass der Antrag auch bewilligt wird. Das wird
nämlich in der politischen Diskussion hier auch immer
falsch dargestellt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Außerdem sind auch Unternehmen, die vorher privile-
giert waren, jetzt nicht mehr privilegiert und herausge-
fallen. Das gehört nämlich auch zur Wahrheit und wird
hier immer gerne verschwiegen.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche? Sagen Sie mal, welche?)


– Ich tue Ihnen den Gefallen nicht, die Redezeit am Frei-
tagnachmittag zu verlängern. Das mache ich auch mit
Rücksicht auf die Kollegen. Sie geben das hier schon
zum Besten. In allen politischen Diskussionen wurde das
in dem Zusammenhang schon zur Genüge erläutert.


(Beifall bei der SPD)


Wir unterbinden bestehende Ungerechtigkeiten und
Missbrauchsmöglichkeiten. Es wird in Zukunft nicht
mehr möglich sein, Personal in Leiharbeitsfirmen auszu-
lagern und dann dafür auch noch mit der Befreiung oder
Privilegierung bei der EEG-Umlage belohnt zu werden.


(Beifall bei der SPD)


In dem Zusammenhang gebe ich gerne zu, dass mir per-
sönlich das noch nicht weit genug geht. Man müsste im
parlamentarischen Verfahren noch darüber reden, dass
hier auch auf Werkverträge abgestellt wird.

Eine Neuerung ist auch die Verpflichtung der antrags-
berechtigten Unternehmen, ein umfassendes Energie-
und Umweltmanagementsystem einzuführen; denn die-





Florian Post


(A) (C)



(D)(B)

ses dient als Grundlage und Anreiz für Maßnahmen der
Energieeffizienz.

Aus den Reihen der Opposition wird oft die Forde-
rung erhoben, dass die Ausnahmen zu weit gingen und
dadurch die übrigen Verbraucher zusätzlich belastet wür-
den. Das sollten wir doch bitte sein lassen bzw. zurückneh-
men. Sie versuchen hier, die Stromkunden gegeneinander
auszuspielen, und tun so, als sei das ein Nullsummen-
spiel. Das Gleiche machen Sie auch bei der Arbeitsplatz-
debatte, wenn Sie von den Arbeitsplätzen sprechen, die
angeblich in der Erneuerbare-Energien-Branche gefähr-
det sind. Es ist aber eben kein Nullsummenspiel.

Wenn wir die energieintensiven Unternehmen angrei-
fen, schaden wir Deutschland als Land der Industrie.
„Made in Germany“ ist für industrielle Produkte eine
Marke, die in der Welt ihresgleichen sucht. „Made in
Germany“ bedeutet aber nicht nur Qualität für die Käu-
fer, sondern das ist auch ein Versprechen an die Männer
und Frauen, die in dieser Industrie arbeiten.

Wenn die Stromrechnung knapp ein Fünftel der Kos-
ten ausmacht, überlegt sich jeder Kaufmann zweimal, ob
er seine Fabrik nicht doch lieber nach Frankreich oder in
die USA verlagert.

Um es auf einen einfachen Satz herunterzubrechen:
Was nützt es dem privaten Verbraucher, wenn die Kosten
für die EEG-Umlage wegen einer eventuellen Rück-
nahme der Privilegierung für stromintensive Unterneh-
men ein wenig sinken – das hat Kollege Pfeiffer auch
schon vorgerechnet, und auch Kollege Tiefensee ist,
glaube ich, darauf eingegangen; das bewegt sich unge-
fähr in der Größenordnung von 3,50 Euro monatlich –,
aber dadurch gleichzeitig Tausende Arbeitsplätze verlo-
rengehen?


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gehen sie ja nicht!)


– Sie widersprechen sich auch in dem Punkt. Wenn wir
all das machen würden, was von Ihnen immer gefordert
wird, dann würde das zu einer Steigerung der EEG-Um-
lage – und nicht zu einer Senkung – führen.

Das ist der Unterschied: Wir Sozialdemokraten ma-
chen nämlich Energiepolitik auch für die Leute, die sich
nicht jede Wohnung und jede Stromrechnung leisten
können und die nicht täglich im Bioladen einkaufen kön-
nen.


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803709300

Könnten Sie dennoch an Ihre Redezeit denken?


Florian Post (SPD):
Rede ID: ID1803709400

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Die

Energiewende kann nur gelingen, wenn wir gemeinsam
daran arbeiten, einen Ausgleich zwischen berechtigten
Interessen zu finden. Dafür haben wir hier einen Ge-
setzesentwurf vorgelegt, den wir im parlamentarischen
Verfahren beraten werden.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und wün-
sche von meiner Seite aus schon einmal ein schönes Wo-
chenende. Danke.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803709500

Danke, Herr Kollege. – Letzter Redner in der Debatte

ist Dr. Andreas Lenz für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Andreas Lenz (CSU):
Rede ID: ID1803709600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wahrlich
wurde vieles schon von meinen Kolleginnen und Kolle-
gen vorweggenommen, aber, ich glaube, die Wahrheit
darf man ruhig wiederholen. Die Opposition hat heute
viel Neues und Gutes beigetragen, aber leider war das
Neue nicht gut und das Gute nicht neu. So ist das mit den
Beiträgen der Opposition.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803709700

Jetzt haben Sie natürlich jemanden provoziert. Erlau-

ben Sie, das Gute vom Neuen und das Neue vom Guten
zu trennen? Herr Krischer, hat sich gemeldet und möchte
Sie etwas fragen.


Dr. Andreas Lenz (CSU):
Rede ID: ID1803709800

Ja.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803709900

Gut. – Dann Herr Krischer.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803710000

Herr Kollege, Sie haben gerade gesagt, wir hätten

nichts Neues und nichts Gutes beigetragen.


Dr. Andreas Lenz (CSU):
Rede ID: ID1803710100

Nein, nein.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803710200

Wir haben gerade die Meldung bekommen, dass der

Bundesrat 26 Änderungsanträge bezüglich des EEG be-
schlossen hat. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Die Frage
der Neuregelung der Eigenstromregelung sieht der Bun-
desrat unter anderem ganz anders als die Koalition und
die Bundesregierung. Freuen Sie sich darüber, dass der
Bundesrat massive Verbesserungen am gültigen EEG
vorschlägt? Unterstützen Sie das? Ist das eine gute und
neue Nachricht für Sie?


Dr. Andreas Lenz (CSU):
Rede ID: ID1803710300

Sie haben mich falsch verstanden. Ich habe gesagt:

Sie haben viel Neues und viel Gutes gesagt; aber für uns
war das Neue nicht gut und das Gute nicht neu.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)


Zu Ihrem Einwand: Natürlich werden wir die 26 Än-
derungsanträge, wie es der parlamentarischen Gepflogen-





Dr. Andreas Lenz


(A) (C)



(D)(B)

heit gebührt, prüfen und beim parlamentarischen Verfah-
ren dementsprechend berücksichtigen.

Wir beraten heute das Gesetz zur Reform der Beson-
deren Ausgleichsregelung für stromkosten- und handels-
intensive Unternehmen. Grundlage der gesetzlichen
Neuregelung bilden die inzwischen abgeschlossenen
beihilferechtlichen Verhandlungen der Bundesregierung
mit der EU-Kommission. Um es gleich vorwegzuneh-
men: Auch ich bin der Meinung, dass hier ordentlich
verhandelt wurde. Der Erfolg der Energiewende muss
sich schließlich auch daran messen lassen, dass Deutsch-
land ein wettbewerbsfähiger Wirtschafts- und Industrie-
standort bleibt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dazu sind Sonderregelungen für die stromintensive
Industrie erforderlich. Unternehmen mit sehr hohen
Stromkosten und einer hohen Handelsintensität können
auch weiterhin privilegiert werden. Unternehmen aus
68 aufgeführten Branchen zahlen in Zukunft grundsätz-
lich, wie erwähnt, 15 Prozent der vollen EEG-Umlage.
Ebenso ist eine Mindestumlage – für die erste Gigawatt-
stunde die EEG-Umlage in voller Höhe und 0,1 Cent für
jede darüber hinausgehende Kilowattstunde – vorgese-
hen. Für die Privilegierung ist Voraussetzung, dass der
Stromkostenanteil an der Bruttowertschöpfung ab 2015
mindestens 17 Prozent beträgt. Darüber hinaus greift für
diese Unternehmen eine zweiteilige Deckelung. Kein
privilegiertes Unternehmen muss mehr als 4 Prozent sei-
ner Bruttowertschöpfung zahlen. Besonders strominten-
sive Unternehmen mit einer Stromkostenintensität höher
als 20 Prozent zahlen nicht mehr als 0,5 Prozent ihrer
Bruttowertschöpfung. Allein durch diese Anpassungen
werden circa 400 Unternehmen aus der Privilegierung
herausfallen. Dies kann, wie erwähnt, im Einzelfall exis-
tenzbedrohend sein. Deshalb gibt es für diese Fälle eine
Härtefallregelung, sodass diese Unternehmen dauerhaft
20 Prozent der EEG-Umlage bezahlen. Ich glaube – im
Gegensatz zu Frau Bulling-Schröter –, dass dies keine
verantwortungslose Politik, sondern im Gegenteil ver-
antwortungsvolle Politik ist, um die Industriearbeits-
plätze langfristig in Deutschland zu sichern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Insgesamt wird damit das Niveau der Entlastung mit
circa 5,1 Milliarden Euro pro Jahr konstant gehalten.
Jetzt wird oft gesagt – dies haben wir heute schon gehört –,
die Industrie leiste keinen Beitrag zur Energiewende.
Das ist weit gefehlt. Die deutsche Industrie zahlt circa
7,4 Milliarden Euro EEG-Umlage. Das ist nahezu so viel
wie die privaten Haushalte insgesamt bezahlen. Die In-
dustrie trägt somit rund ein Drittel der gesamten EEG-
Umlage. Man muss auch betonen, dass ohne die Beson-
dere Ausgleichsregelung für stromkostenintensive Un-
ternehmen die EEG-Umlage – Kollege Pfeiffer hat es
angesprochen – lediglich um 1,36 Cent pro Kilowatt-
stunde für den Normalbürger geringer ausfallen würde.
Das würde für einen privaten Haushalt im Schnitt jähr-
lich circa 45 Euro Einsparung bedeuten. Wegen der zu
erwartenden Wohlstandsverluste würde das real verfüg-
bare Einkommen jedoch im Schnitt um rund 500 Euro
pro Jahr sinken.
Es wird häufig bewusst die Mär verbreitet – wir ha-
ben sie auch heute wieder gehört –, dass die Industrie-
strompreise in Deutschland sehr gering seien. Damit
wird versucht, die privaten Stromkunden gegen die
Industriestromkunden auszuspielen. Ich halte das für un-
verantwortlich. Lassen Sie mich eines betonen: In
Deutschland ist der Industriestrom im Vergleich zu
Frankreich und den Niederlanden um rund 40 Prozent
teurer. Das Gerücht, die Industrie wäre vom steigenden
Strompreis nicht betroffen, da es für sie Ausnahmerege-
lungen gäbe, hält sich ebenso hartnäckig, wie es falsch
ist.

Auch die Stromkosten sind ein Kostenfaktor im inter-
nationalen Wettbewerb, und diese Kosten wirken sich
aus. So ist die Investitionstätigkeit in den energieinten-
siven Branchen in Deutschland inzwischen ausgespro-
chen schwach. Die Abwanderung der Industrie geschieht
nicht mit einem lauten Knall, sondern schleichend. Die
hohen Energiekosten haben bereits zu einer chronischen
Investitionsschwäche der energieintensiven Industrie ge-
führt. Wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirt-
schaft Köln zeigt, deckten die Investitionen der ener-
gieintensiven Branchen in den Jahren 2000 bis 2010
nicht einmal ihre Abschreibungen. Das heißt, es wurde
– und wird anhaltend – weniger investiert, als nötig
wäre, um den Verschleiß der Produktionsstätten auszu-
gleichen. Ich bitte die Grünen, das in ihren Anträgen, in
denen die mangelnde Investitionstätigkeit in Deutsch-
land bemängelt wird, zu berücksichtigen. Wir brauchen
langfristige Planungs- und Investitionssicherheit für un-
sere Unternehmen, und diese schaffen wir durch das
neue Gesetz.

Häufig wird betont, die energieintensiven Unterneh-
men hätten noch Effizienzpotenziale. Das trifft zum Teil
zu. Aber ich kann jedem nur empfehlen, sich einmal eine
Glashütte oder eine Stahlkocherei anzuschauen und mit
den Verantwortlichen zu sprechen. Hier sind die Effi-
zienzgrenzen bereits erreicht. Die Frage lautet dann
nicht: effizient oder ineffizient? Die Frage lautet dann: in
Deutschland produzieren oder eben nicht? Wir wollen,
dass das produzierende Gewerbe in Deutschland eine
Zukunft hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Im Übrigen wird uns die Frage der steigenden
Netzentgelte auch in diesem Bereich noch vor Heraus-
forderungen stellen, die es anzunehmen gilt. Wir sagen
häufig – und das zu Recht –, was wir mit der Energie-
wende erreichen wollen: den stetigen Ausbau der erneu-
erbaren Energien und deren Integration bei gleichzeiti-
ger Versorgungssicherheit, eine erhebliche Steigerung
der Energieeffizienz sowie die ambitionierte Reduktion
der Treibhausgasemissionen. Aber wir müssen auch sa-
gen, was wir mit der Energiewende nicht erreichen wol-
len: Wir wollen keine Deindustrialisierung unseres Lan-
des. Die deutsche Industrie erwirtschaftet mehr als
20 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung. Darauf
können wir nicht nur, nein, darauf müssen wir stolz sein.


(Beifall bei der CDU/CSU)






Dr. Andreas Lenz


(A) (C)



(D)(B)

Wir können stolz darauf sein, dass wir nicht so stark von
einem Finanzdienstleistungssektor abhängig sind wie
beispielsweise Großbritannien. Es ist maßgeblich dem
industriellen Kern unserer Volkswirtschaft zu verdanken,
dass wir im Vergleich sehr gut durch die Finanz- und
Wirtschaftskrise gekommen sind.

Es geht bei der Besonderen Ausgleichsregelung da-
rum, den Industriestandort Deutschland und damit Tau-
sende von Arbeitsplätzen langfristig zu erhalten. Jeder
Arbeitsplatz im energieintensiven Bereich sichert zwei
Arbeitsplätze in anderen Industriezweigen und im
Dienstleistungssektor. Rund 80 Prozent der Unterneh-
men des verarbeitenden Gewerbes haben enge Lieferbe-
ziehungen zur energieintensiven Industrie; 40 Prozent
der Unternehmen befinden sich in engen Forschungs-
und Entwicklungskooperationen. Es gilt also einmal
mehr, einem schleichenden Deindustrialisierungsprozess
vorzubeugen. Das wollen und werden wir durch den ver-
lässlichen Rahmen für die Industrie, den wir nun schaf-
fen, erreichen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit der europarechtskonformen Neuregelung der Be-
sonderen Ausgleichsregelung schaffen wir langfristige
Planungs- und Investitionssicherheit für die energie-
intensive Industrie in Deutschland. Das ist gut für unser
Land.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803710400

Vielen Dank, Herr Kollege. Ich wünsche Ihnen ein

gutes Wochenende mit vielen neuen Eindrücken. Sie wa-
ren ja sehr philosophisch; heute ist sowieso der Tag der
Philosophie.

Damit schließe ich die Aussprache zu diesem Tages-
ordnungspunkt.

Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 18/1449 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? – Ich sehe keine, ich
höre keine. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:

Erste Beratung des von den Abgeordneten
Halina Wawzyniak, Jan Korte, Ulla Jelpke, wei-
teren Abgeordneten und der Fraktion DIE
LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes

(Einführung der dreistufigen Volksgesetzgebung in das Grundgesetz)

Gesetzes über das Verfahren bei Volksinitiati-

(Bundesabstimmungsgesetz)

weiterer Gesetze
Drucksache 18/825
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Nach interfraktioneller Übereinkunft sind für die
Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Halina
Wawzyniak für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803710500

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen

und Kollegen! Alle Jahre wieder reden wir über die
Möglichkeit von Einwohnerinnen und Einwohnern, über
Gesetze oder Gegenstände der politischen Willensbil-
dung selbst und direkt zu entscheiden. Alle bis auf die
Union wollen, dass Einwohnerinnen und Einwohner di-
rekt entscheiden können. Die Linke hat nun heute hier
einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem dies praktisch
umgesetzt werden kann.

Der Gesetzentwurf – darauf hat die Frau Präsidentin
schon hingewiesen – enthält sowohl die Änderungen des
Grundgesetzes, um Volksinitiativen, Volksbegehren und
Volksentscheide zu ermöglichen, aber er enthält auch
– und das ist eine Neuerung – ein Bundesabstimmungs-
gesetz.

In dem Bundesabstimmungsgesetz regeln wir konkret
das Verfahren einer Volksabstimmung. Wir haben hier
einen Vorschlag von „Mehr Demokratie e. V.“ aufge-
nommen – das haben wir im Gesetzentwurf auch trans-
parent verzeichnet –


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist urheberrechtlich voll korrekt!)


und diesen leicht verändert übernommen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir wollen, dass 100 000 Wahlberechtigte Initiativen
in den Bundestag einbringen können. Wir wollen, dass
ein Volksbegehren zustande gekommen ist, wenn min-
destens 1 Million Wahlberechtigte binnen neun Monaten
diesem zugestimmt haben. Bei einem das Grundgesetz
ändernden Volksbegehren müssen 2 Millionen Wahlbe-
rechtigte unterschreiben.

Wir wollen – und das ist uns besonders wichtig –,
dass alle seit fünf Jahren in Deutschland lebenden Men-
schen abstimmungsberechtigt sind.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir wollen, dass auch 16-Jährige abstimmen dürfen.

Ausgeschlossen sind Volksinitiativen zu den in den
Artikeln 1 und 20 Grundgesetz niedergelegten Grundsät-
zen und zum Haushaltsgesetz, und natürlich darf kein
Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir wollen auch, dass diejenigen mit entscheiden
können, die derzeit nach § 13 Bundeswahlgesetz ausge-
schlossen sind. Das betrifft zum Beispiel die Menschen,
die unter Vollbetreuung stehen.





Halina Wawzyniak


(A) (C)



(D)(B)

Um vorwegzunehmen, was an Gegenargumenten
kommen könnte: Die Todesstrafe ist damit einem Volks-
entscheid entzogen; denn sie verstößt unzweifelhaft ge-
gen die Menschenwürde.

Unser Gesetzentwurf ist ein Angebot. SPD und Grüne
haben sicherlich Änderungsbedarf. Ich kann Sie nur auf-
fordern: Äußern Sie den! Wir sind bereit, mit Ihnen in
Gespräche einzutreten. Unser Gesetzentwurf ist ein An-
gebot. Wir wollen es gemeinsam schaffen, Volksbegeh-
ren, Volksinitiativen und Volksentscheide zur Realität
werden zu lassen. Wir kleben nicht an Semikolons, wir
kleben nicht an Kommas. Wir laden Sie ein: Diskutieren
Sie mit uns gemeinsam.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun führen wir diese Debatte nicht zum ersten Mal.
Ich will deshalb präventiv auf einige Argumente einge-
hen, die insbesondere der Kollege Helmut Brandt, der
heute gar nicht spricht, in der Vergangenheit vorgetragen
hat.

Am 8. Juli 2010 sagte er, „dass durch diese Form des
Plebiszits in der Weimarer Zeit das Volk aufgewühlt und
gespalten und das Vertrauen in das Parlament zusätzlich
erschüttert wurde.“ Ich finde es, ehrlich gesagt, etwas
bedauerlich, dass das Argument Weimar immer wieder
vorgetragen wird. Dieses Argument ist nicht tragfähig.


(Beifall bei der LINKEN)


Jens Kersten weist in dem sehr lesenswerten Buch
Weimars lange Schatten – „Weimar“ als Argument nach
1945 nach, dass nach Memoiren und rückschauenden
Schriften politischer Akteure der damaligen Zeit das In-
stitut der direkten Demokratie überwiegend positiv bis
wohlwollend neutral besetzt war. Kann es nicht viel-
leicht sein, dass die Weimarer Republik daran geschei-
tert ist, dass es zu wenige Demokratinnen und Demokra-
ten gegeben hat, die bereit waren, sie zu verteidigen?
Mir kommt es immer so vor, als würde Weimar zitiert,
weil das gut ankommt. Aber das Kernproblem des
Scheiterns der Weimarer Republik wurde nicht begrif-
fen.


(Beifall bei der LINKEN)


Eine Demokratie muss von Demokratinnen und Demo-
kraten demokratisch verteidigt werden.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ach was!)


Am 14. Juni 2013 erklärte der Kollege, dass ein
Volksentscheid „ein auf einen Punkt reduziertes Verfah-
ren, bei dem die gestellte Frage nur mit Ja oder Nein zu
beantworten ist“, sei. Ich muss Ihnen – mit Verlaub –
ehrlich sagen: Das ist kein Argument gegen direkte De-
mokratie. Wenn wir hier im Plenum sitzen, tun wir
nichts anderes, als eine gestellte Frage regelmäßig mit
Ja, Nein oder Enthaltung zu beantworten.


(Michael Frieser [CDU/CSU]: Das ist ein ganz schiefer Vergleich!)


Das Verfahren der direkten Demokratie ist nicht redu-
ziert. Bis es zu einem Volksentscheid kommt, dauert es
eine Weile, und das Für und Wider kann öffentlich abge-
wogen werden. Wer sich die Realität der Behandlung
von Vorlagen in Ausschüssen und hier im Plenum vor
Augen führt, der könnte möglicherweise sogar zu der
Annahme kommen, dass bei einem Gesetzgebungsver-
fahren über Volksentscheide eine umfassendere Behand-
lung mit einer Sachfrage vorliegt als bei einer Abstim-
mung hier im Bundestag.


(Beifall bei der LINKEN – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Nur wenn man sich falsch vorbereitet! Oder gar nicht!)


Am 14. Juni 2013 sagte der Kollege Brandt, es müsse
bedacht werden, „dass bei Volksentscheiden die Gefahr
besteht, dass wichtige Sachfragen nicht nach sachbezo-
genen Gesichtspunkten entschieden werden, sondern da-
nach, wie schlagwortartig und populistisch Parolen unter
das Volk gebracht werden“.

Am 8. Juli 2010 ergänzte er, „dass wichtige Fragen
nicht nach sachbezogenen Gesichtspunkten entschieden
werden, sondern danach, welche Interessengruppe die
bessere Lobbyarbeit macht“.

Ehrlich gesagt: Das finde ich schon wieder lustig;
denn es suggeriert, dass wir alle hier im Parlament völlig
frei von Schlagworten und völlig frei von populistischen
Parolen Entscheidungen treffen, und es suggeriert, dass
das Parlament ein Raum frei von Lobbyarbeit von Inte-
ressengruppen ist. Wir wissen alle, dass dem so nicht ist.
Wir sollten einfach zur Kenntnis nehmen: Wir sind nicht
die besseren Menschen. Wir sollten auch nicht so tun, als
wären wir es.


(Beifall bei der LINKEN – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Aber es liegt doch an Ihnen, ob Sie sich beeinflussen lassen oder nicht! Sind Sie so wenig selbstbewusst? Wenn Sie so schnell beeinflussbar sind, müssen Sie sich nicht wundern, dass Ihre Politik schlecht ist!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803710600

Denken Sie an Ihre Redezeit?


Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803710700

Ich komme zum Schluss.

Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir ein ganz be-
sonderes Maß an Transparenz herstellen; denn die Ein-
flussnahme Dritter soll dadurch deutlich werden, dass
Geld- und Sachspenden zur Unterstützung eines Volks-
entscheids ab 2 000 Euro offengelegt werden sollen. Ich
bitte Sie also: Prüfen Sie unseren Gesetzentwurf – ich
meine nicht Sie von der CDU/CSU; Sie machen da eh
nicht mit –, kommen Sie mit uns ins Gespräch, und las-
sen Sie uns gemeinsam mehr direkte Demokratie einfüh-
ren.


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803710800

Danke, Frau Kollegin. – Nächster Redner: Dr. Tim

Ostermann für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)


Dr. Tim Ostermann (CDU):
Rede ID: ID1803710900

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundes-
tag hat in der Vergangenheit bereits elfmal über eine
Vorlage zum Thema direkte Demokratie debattiert. Der
Kollege Michael Hartmann hat sich in der letzten Wahl-
periode die Mühe gemacht, dies zurückzuverfolgen. Das
heißt, heute diskutieren wir über dieses Thema zum
zwölften Mal.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Vielleicht lernen Sie ja mal hinzu!)


Ich glaube, dass Sie, werte Kolleginnen und Kollegen
von der Linksfraktion, sich eingestehen müssen, dass
Ihre Ideen nicht so verfangen, wie Sie sich das wün-
schen.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Noch nicht! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die Argumente auch nicht!)


Das Ergebnis der Bundestagswahl hat gezeigt, dass das
offenbar nicht funktioniert hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Bürger dieses Landes stehen mehrheitlich hinter der
repräsentativen Demokratie, und sie stehen zu der Ent-
scheidung der Mütter und Väter des Grundgesetzes, die
vor 65 Jahren getroffen worden ist.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht in Bayern!)


Eine Umfrage von TNS Infratest vom November
2013 hat ergeben, dass insgesamt 70 Prozent der Deut-
schen mit der Art und Weise, wie die Demokratie in
Deutschland funktioniert, zufrieden oder sogar sehr zu-
frieden sind.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Daher kann es nicht verwundern, dass die Plebiszit-
anträge in der Vergangenheit keine große Resonanz ge-
funden haben, dass den Anträgen keine breite Debatte in
der Bevölkerung gefolgt ist. Heute wird es also zum
zwölften Mal versucht. Respekt für die Beharrlichkeit!


(Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE] – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Es kommen auch noch Nummer 13 und 14!)


Inhaltlich haben Sie mit diesem Antrag jedoch wenig
Neues zur Debatte beizutragen. Gleichwohl möchte ich
Ihnen erneut die Argumente in Erinnerung rufen, mit de-
nen wir Ihren Antrag auch zum zwölften Mal ablehnen
werden.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Die habe ich doch gerade genannt und widerlegt!)


Das Argument Weimar ist übrigens nicht dabei.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ach, schade!)

– Es tut mir leid, dass ich Sie da enttäuschen muss.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Da haben Sie was gelernt!)


Erlauben Sie mir eine Bemerkung vorab. In Ihrer Be-
gründung zum Gesetzentwurf haben Sie gleich im ersten
Satz eine Steilvorlage geliefert. Dort heißt es: „Seit dem
Jahr 1990 hat sich das Verfassungsleben intensiviert.“
Sie stellen wahrscheinlich deshalb auf das Jahr 1990 ab,
weil Sie selbst erkannt haben, dass es im Osten unseres
Landes bis zur Wende gar kein Verfassungsleben gab
bzw. kein Verfassungsleben, das diesen Namen verdient.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Richtig! Haben Sie recht!)


Bis zur Wende – das will ich noch einmal in Erinnerung
rufen – gab es keine freien Wahlen. Die Wahlen waren
manipuliert. Man konnte nur für Einheitslisten abstim-
men.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Da haben Sie recht! Das war schlimm!)


Die sogenannte Deutsche Demokratische Republik war
alles, nur nicht demokratisch.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE] – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das denn jetzt mit dem Volksentscheid zu tun? – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zur Sache!)


Das Volk im östlichen Teil unseres Landes hat dem
Treiben Ihrer Vorgängerpartei, der SED, daher im Jahr
1989 ein Ende bereitet. Gott sei Dank!


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das war die Vorvorgängerpartei! Da müssen Sie schon richtig zurückrechnen!)


Die Menschen dort haben sich stattdessen für die Demo-
kratie entschieden, für ein System der repräsentativen
Demokratie, das in der Bundesrepublik schon jahrzehn-
telang erfolgreich praktiziert worden ist.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht in Bayern!)


Dieses haben wir heute Morgen in einer Feierstunde ge-
würdigt. Für uns ist die repräsentative Demokratie ein
wesentlicher Grund für die Stabilität unseres politischen
Systems, gerade auch im Vergleich zu anderen Staaten.
Die repräsentative Demokratie ist ein Stabilitätsanker.


(Richard Pitterle [DIE LINKE]: Die Schweiz! Ist die Schweiz stabil?)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803711000

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder

Bemerkung von Herrn Lenkert?


Dr. Tim Ostermann (CDU):
Rede ID: ID1803711100

Erlaube ich. Bitte.






(A) (C)



(D)(B)


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803711200

Herr Kollege, Sie sagten, dass sich die Bürgerinnen

und Bürger in den neuen Bundesländern für die reprä-
sentative Demokratie entschieden haben. Ich kann Ihnen
versichern: Wir haben die Thüringer Landesverfassung
mit einem Volksentscheid in Kraft gesetzt.


(Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])


Über diesen Volksentscheid ist ausdrücklich auch die di-
rekte Demokratie in der Thüringer Verfassung verankert
worden. Das war der Wille der Bürgerinnen und Bürger
in Thüringen. Die Verfassung wurde mit 75 Prozent an-
genommen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!)


Ich kann Ihnen versichern: Wir wollten die direkte De-
mokratie. Jetzt wollen wir sie endlich auch auf Bundes-
ebene.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Tim Ostermann (CDU):
Rede ID: ID1803711300

Nun ist es aber so, Herr Kollege, dass die Volkskam-

mer den Beitritt zum Geltungsbereich des Grundgesetzes
erklärt hat. Und darum geht es heute: um die Bundes-
ebene.


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hä? Wie bitte? – Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Es geht um Volksinitiative!)


– Nein, es geht um die Bundesebene. Darüber reden wir
heute.

Meine Damen und Herren, das Gesetzgebungsverfah-
ren, an dem dieses Hohe Haus ja nicht unmaßgeblich be-
teiligt ist, ist in der Lage, verschiedene Interessen zu
bündeln und aufzunehmen. Es lässt am Ende Gesetze
entstehen, die diese unterschiedlichen Interessen berück-
sichtigen. Das Gesetzgebungsverfahren – das haben Sie
eben etwas arg verkürzt dargestellt – ist ein sogenanntes
lernendes Verfahren.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: In der Theorie, aber nicht in der Praxis!)


Es bringt hierfür alle Voraussetzungen mit. Denn es gibt
eben nicht nur eine Abstimmung hier im Plenum, son-
dern auch drei Lesungen, Ausschussberatungen, Sach-
verständigenanhörungen und Berichterstattergespräche.
Aus all diesen Beratungen gehen nahezu immer Ände-
rungen und Anpassungen am Gesetzentwurf hervor.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: In der Theorie, nicht in der Praxis!)


Es gilt das Struck’sche Gesetz – man darf es hier heute
wieder zitieren; dies wurde heute schon mindestens ein-
mal getan –:


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht aber nicht in der Verfassung!)

Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hineinge-
kommen ist.

Kurzum: Das Gesetzgebungsverfahren, wie wir es
kennen, bietet ein hohes Maß an thematischer Tiefe und
Flexibilität. Ein solch ausdifferenziertes und umfassen-
des Verfahren kann ein Plebiszit nicht bieten. Denn bei
einer Volksabstimmung – das haben Sie richtig wieder-
gegeben; Kollege Brandt hat es hier schon dargestellt –
geht es letztlich immer nur um die Frage: ja oder nein,
schwarz oder weiß?


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Oder Enthaltung!)


Ein „Ja, aber“ ist nicht vorgesehen, und Farbnuancen
gibt es nicht.

Die Gesetzgebung ist oftmals aber sehr vielschichtig
und muss eine kaum überschaubare Vernetzung mit an-
deren Regelungsbereichen berücksichtigen. Volksent-
scheide erlauben eine solch detailreiche Abstimmung
nicht. Die unangemessene Verkürzung vieler Sachthe-
men könnte leicht zu populistisch beeinflussten Ergeb-
nissen führen, Ergebnissen, bei denen die notwendigen
Kompromisse der parlamentarischen Diskussion auf der
Strecke bleiben. Es besteht die Gefahr, dass nicht auf
Grundlage von sachlichen Erwägungen entschieden
wird, sondern dass sich Tür und Tor für Stimmungen und
Emotionen öffnen.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das passiert hier nie!)


Wir wären jedoch schlecht beraten, wenn wir uns in
wichtigen Sachfragen von Stimmungen und vor allem
von Stimmungsmachern leiten lassen würden.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie in Bayern!)


Ich bin davon überzeugt: Dies würde insbesondere
auch – das dürfte Sie besonders interessieren – zulasten
von Minderheiten und gesellschaftlich benachteiligten
Gruppen gehen. Hinzu kommt: Bei einem Volksent-
scheid kann die größere Finanzkraft – das ist wieder ein
Argument von Herrn Brandt; das erwähne ich, um Sie zu
erfreuen – bestimmter Akteure den Ausschlag hinsicht-
lich Erfolg oder Misserfolg geben: ein größeres Werbe-
budget für eine bessere Präsenz in den Medien, Ab-
mahnwellen und juristische Spielchen durch Anwälte
zur Einschüchterung des politischen Gegners, um nur ei-
nige Aspekte zu nennen. In der Welt der Volksentscheide
gilt oftmals das Recht des Stärkeren und nicht unbedingt
das des besseren Arguments.


(Beifall bei der CDU/CSU – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Aber hier auch nicht! Hier gelten die besseren Argumente auch nicht! Das sieht man ja gerade wieder!)


Sie werden jetzt vermutlich einwenden, dass man mit
kommunalen Formen der Bürgerbeteiligung bisher keine
schlechten Erfahrungen gemacht hat. Das mag sein. Al-
lerdings lassen sich Volksentscheide auf diesen Ebenen
nur schlecht mit solchen auf der Bundesebene verglei-





Dr. Tim Ostermann


(A) (C)



(D)(B)

chen. In einem kommunalen Kontext sind die politi-
schen Fragen zumeist überschaubarer.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ja, ja, schon klar!)


Sie können einfacher überblickt werden. Auf Bundes-
ebene sähe das anders aus, auch deshalb, weil dort viele
Sachfragen eine europäische oder internationale Dimen-
sion haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Abgeordnete
sind von den Bürgern gewählt und dazu berufen, das
Volk zu vertreten. Dafür stellen wir uns alle vier Jahre
zur Wahl. Der Bürger befindet mit seiner Stimme da-
rüber, ob wir seine Interessen überzeugend vertreten ha-
ben oder eben nicht. Nicht zuletzt aufgrund von nament-
lichen Abstimmungen können jede Wählerin und jeder
Wähler nachvollziehen, ob wir unsere Aufgabe in ihrem
bzw. seinem Sinne erledigt haben.

Ich bin der Meinung, dass in den letzten Jahren vor al-
lem die Möglichkeiten des Internets die Teilhabe der
Bürger an politischen Prozessen verbessert haben. Es
bieten sich zahlreiche Foren und Plätze, sich in den Ge-
setzgebungsprozess einzubringen.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Aber nicht, um mitzuentscheiden!)


Genannt seien hier etwa die Onlinepetition, soziale
Netzwerke und Partizipationsplattformen Dritter. Für die
Bürger war es noch nie so einfach, sich politisch zu be-
teiligen und ihre Meinung auch auf Bundesebene kund-
zutun.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Aber sie können nicht mitentscheiden!)


Schließen möchte ich mit einem Verweis auf die Fest-
rede von Navid Kermani heute Morgen in der Feier-
stunde. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass mir
nicht alle Passagen dieser Rede gefallen haben.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum nicht?)


Aber die Passage, die ich jetzt mit Ihrer Erlaubnis, Frau
Präsidentin, zitieren möchte, hat mir schon gefallen;
denn er hat gesagt – ich zitiere –:

Das Interesse der Öffentlichkeit am Grundgesetz
war aus heutiger Sicht beschämend gering, die Zu-
stimmung innerhalb der Bevölkerung marginal. Be-
fragt, wann für sie die beste Zeit gewesen sei, ent-
schieden sich noch 1951 in einer repräsentativen
Umfrage 45 Prozent der Deutschen für das Kaiser-
reich, 7 Prozent für die Weimarer Republik

– da ist sie dann doch einmal, die Weimarer Republik –,


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre aber nicht abstimmungsfähig!)


42 Prozent für die Zeit des Nationalsozialismus und
nur 2 Prozent für die Bundesrepublik. … Wie froh
müssen wir sein, dass am Anfang der Bundesrepu-
blik Politiker standen, die ihr Handeln nicht nach
Umfragen, sondern nach ihren Überzeugungen aus-
richteten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Bayern hat das Grundgesetz 1949 abgelehnt! – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Da hat er recht! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, da hat er recht!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803711400

Ja, wo er recht hat, hat er recht. – Vielen Dank, Herr

Kollege.

Es gab mehrere Zwischenrufe in Bezug auf Bayern
vom Kollegen Konstantin von Notz, der weit weg von
Bayern, in Schleswig-Holstein, lebt. Ich glaube, Herr
von Notz, ich kann Ihnen im Namen all meiner bayeri-
schen Kollegen versichern, dass wir eine recht lebendige
Demokratie bei uns haben, die auch ziemlich direkt ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: In Festzelten!)


Der nächste Redner in der Debatte: Özcan Mutlu,
Bündnis 90/Die Grünen.


Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803711500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Frau Wawzyniak, wir nehmen Ihr Gesprächsangebot
gerne an.


(Beifall bei der LINKEN – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Danke!)


Bündnis 90/Die Grünen ist nämlich die Partei, die sich
seit ihrer Gründung konsequent für die Stärkung und die
Erweiterung der direkten Demokratie in Deutschland
eingesetzt hat und sich auch weiter dafür einsetzen wird.
So haben wir seit 2002 in mehreren Anläufen in diesem
Hohen Hause für eine Mehrheit geworben, damit das
Grundgesetz geändert werden kann und bundesweite
Volksentscheide möglich werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Unser letzter Anlauf ist an der Mehrheit von CDU/CSU
und FDP, um nicht zu sagen: an der Verweigerung dieser
Parteien, leider gescheitert. So wird es vermutlich auch
Ihrem Gesetzentwurf ergehen. Ich bin auf die Debatten
im Ausschuss gespannt.

Meine Damen und Herren, auch wenn es Teile des
Hohen Hauses wohl immer noch nicht wahrhaben wol-
len: Die Ergänzung unserer parlamentarischen Demo-
kratie durch direktdemokratische Entscheidungsmög-
lichkeiten ist auf kommunaler wie auf Landesebene eine
Erfolgsstory, ein Erfolgsmodell. Ich bin mir ziemlich si-
cher: Sie wird bei richtiger Ausgestaltung auch auf Bun-
desebene ein Erfolgsmodell werden.





Özcan Mutlu


(C)



(D)(B)

Weil wir hier verschiedene Kollegen gehört haben, sei
mir an dieser Stelle noch folgende Randbemerkung er-
laubt: Gerade diejenigen, die hier am lautesten immer
wieder gegen Plebiszite argumentieren und die gegen die
Schaffung von Volksentscheiden auf Bundesebene sind,
gerade diese verstehen es am besten, auf kommunaler
Ebene und auf Landesebene Volksentscheide zu nutzen
und sie für ihre parteipolitischen Zwecke zu instrumen-
talisieren.


(Michael Frieser [CDU/CSU]: Falsch!)


Als Berliner Abgeordneter kann ich Ihnen da gerne zwei
Beispiele nennen:

Ich erinnere an den Volksentscheid gegen die Schlie-
ßung des Flughafens Tempelhof,


(Michael Frieser [CDU/CSU]: Ah!)


wo die CDU Berlin an vorderster Front marschiert ist,
obwohl sie immer gegen Volksentscheide war.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was, die haben Volksentscheide gemacht?)


Das andere Beispiel aus Berlin ist die Einführung des
Schulfachs Ethik; auch da hat die CDU mit erhobener
Fahne an vorderster Front im Rahmen eines Volksent-
scheids gegen die Einführung dieses Schulfachs ge-
kämpft.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört! – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Die haben eine Fahne? – Dr. Tim Ostermann [CDU/CSU]: Weil sie recht hat!)


Kollege Ostermann hat das Stichwort „Stimmungs-
macher“ in den Raum gestellt. Da sage ich: Schaut nach
Bayern! Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.


(Dr. Tim Ostermann [CDU/CSU]: Von Bayern lernen heißt siegen lernen! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Seehofer will keine Konkurrenz!)


Meine Damen und Herren, uns ist bewusst, dass eine
Entscheidung noch Zeit braucht, und wir werden weiter
an diesem dicken Brett bohren, vielleicht auch mit den
Linken, vielleicht auch mit den Sozialdemokraten. Den-
noch können wir – da muss ich die Freude leider schon
stoppen – dem Gesetzentwurf der Linken in der vorlie-
genden Form nicht zustimmen.


(Michael Frieser [CDU/CSU]: Oh!)


Wir lehnen die von Ihnen vorgeschlagene Regelung ab,
dass vertragliche Grundlagen der Europäischen Union,
die das Grundgesetz ändern, zukünftig per Volksabstim-
mung angenommen werden müssen. Diese Regelung
kann durchaus europafeindlich wirken und birgt die Ge-
fahr, parteipolitisch instrumentalisiert zu werden.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Hä? Verstehe ich nicht!)


Zugleich ist dieser Gesetzentwurf für mich – auch wenn
Sie das jetzt nicht gerne hören – irgendwie auch ein Aus-
druck des Fremdelns der Linken mit der Europäischen
Union.


(Michael Frieser [CDU/CSU]: Das ist sehr vorsichtig formuliert! – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das müssen Sie noch einmal erklären!)


– In der Rede haben Sie nichts dazu gesagt; aber ich lese
das aus Ihrem Gesetzentwurf.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dieses Gefühl teilen wir ganz und gar nicht. Wir
Grüne sind eine entschieden proeuropäische Partei.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Wir auch!)


Wir finden es richtig, dass das Grundgesetz – wir haben
heute den 65. Jahrestag seines Inkrafttretens gefeiert –
die Verankerung Deutschlands und die immer tiefere In-
tegration Europas substanziell festschreibt. Die Euro-
paoffenheit unseres Grundgesetzes, der darin festge-
schriebene Auftrag der europäischen Integration, das ist
keine Schwäche, sondern eine Stärke unseres Grundge-
setzes.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Sehen wir auch so!)


– Das ist sehr schön; dann werden wir ja sehen, was Sie
in den Ausschussberatungen sagen.

Deshalb können wir dem Gesetzentwurf der Linken
in dieser Form nicht zustimmen. Wir finden sehr wohl,
dass europäische Angelegenheiten auch europäisch – von
allen Bürgerinnen und Bürgern Europas – entschieden
werden müssen. Wir Grüne wollen die Bürgerinnen und
Bürger in Europa – und auch in Deutschland selbstver-
ständlich – stärken. Wir wollen mit dem Ziel einer weite-
ren Demokratisierung Europas die Institutionen Europas
und die Entscheidungsrechte des Europäischen Parla-
ments stärken, statt sie durch nationale Vorbehalte einzu-
schränken.


(Beifall der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


In unseren Augen ist der Konflikt zwischen den Ele-
menten direkter Demokratie und den Werten und Zielen
einer proeuropäischen Politik nur auflösbar, wenn und
indem wir mit aller Konsequenz daran arbeiten, die Ent-
scheidungsprozesse auf europäischer Ebene weiter zu
demokratisieren und zu festigen.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803711600

Denken Sie an Ihre Redezeit!


Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803711700

Ich denke an meine Redezeit.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Zu wenig!)


Ich hoffe, ich konnte ein wenig deutlich machen, Frau
Präsidentin, liebe Linke,


(Heiterkeit)


(A)






Özcan Mutlu


(A) (C)



(D)(B)

wie wichtig uns diese Punkte sind und was wir als
schädlich für die weitere Entwicklung Europas ansehen.

Ein letzter Satz sei mir erlaubt,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Da werden die Satzzeichen plötzlich ganz wichtig!)


weil ich Berliner bin: Am Sonntag wählt Berlin nicht nur
das Europäische Parlament, in Berlin steht auch ein
Volksentscheid an. Das ist eine exzellente Gelegenheit,
zu zeigen, wie gut direkte Demokratie funktionieren
kann. Als Berliner Abgeordneter wünsche ich mir, dass
viele Berlinerinnen und Berliner am Sonntag zur Wahl
gehen –


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803711800

Das wünschen wir auch – und dass Sie jetzt zum Ende

kommen.


Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803711900

– und sich für die nachhaltige Zukunft des Tempelho-

fer Feldes einsetzen.

Danke sehr, Frau Präsidentin.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803712000

Danke, Herr Kollege. – Nächster Redner: Dr. Lars

Castellucci für die SPD.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Lars Castellucci (SPD):
Rede ID: ID1803712100

Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Kolleginnen!

Meine Damen und Herren! Das ist ein guter Tag, um
über Demokratie zu sprechen; denn wir haben noch ein
weiteres Geburtstagskind


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das Grundgesetz!)


– neben dem Grundgesetz –, nämlich die SPD. Sie wird
heute 151 Jahre alt.


(Zurufe von der SPD: Ganz schön jung! – Das sieht man ihr aber nicht an! – Michael Frieser [CDU/CSU]: Knapp vor der Rente! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Jetzt verstehe ich die Rente mit 63!)


Ich gehe davon aus, dass wir jetzt nicht singen, Frau
Präsidentin.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803712200

Was müssten wir denn dann jetzt singen? – Das tun

wir jetzt aber nicht; nein, das lassen wir.

Dr. Lars Castellucci (SPD):
Rede ID: ID1803712300

Das üben wir noch.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803712400

Brüder, zur Sonne, zur Freiheit, und die Frauen put-

zen die Fenster. – Nein, Entschuldigung.


Dr. Lars Castellucci (SPD):
Rede ID: ID1803712500

Gut. – Die Geschichte der SPD ist eine Demokratisie-

rungsgeschichte: Die Arbeiterbewegung hat einst das
allgemeine, freie und gleiche Wahlrecht erkämpft, später
kam das Frauenwahlrecht dazu.

Willy Brandt ist heute schon sehr oft zitiert worden:
„Wir wollen mehr Demokratie wagen.“ Das ist nicht nur
unsere Geschichte, sondern auch unser Auftrag. Deshalb
unterstützen wir als Sozialdemokratinnen und Sozialde-
mokraten auch, dass es mehr Mitwirkungsmöglichkeiten
für die Menschen in Deutschland geben soll. Wir sind
für die Einführung von Volksinitiativen, Volksbegehren
und Volksentscheiden auf Bundesebene.


(Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Wir wollen auch das Wahlalter auf 16 Jahre senken,
wir wollen die Menschen direkter in die vielfältigen For-
men der Bürgerbeteiligungsverfahren einbeziehen, und
wir wollen auch, dass Gruppen, die heute noch nicht
wählen können, die Möglichkeit dazu erhalten. Denken
wir zum Beispiel an die Menschen mit ausländischem
Pass. Wir glauben, dass die generelle Hinnahme der
Mehrstaatlichkeit ein geeigneter Schlüssel sein kann, um
hier Schritte nach vorne zu gehen. Im Koalitionsvertrag
haben wir uns daneben immerhin vorgenommen, dass
wir für diejenigen, die umfassend betreut werden, die
rechtlichen Hemmnisse zur Ausübung des Wahlrechts
abbauen wollen. Wir müssen miteinander besprechen,
wie das gehen kann.

Demokratie ist also ein sehr wichtiges Thema. Des-
wegen ist es auch grundsätzlich sehr gut, dass wir heute
diese Debatte führen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Gleichzeitig handelt es sich ja um eine Übung, die
schon eine gewisse Wiederholung kennt, weil leider mit
der Union nichts zu machen ist.


(Dr. Tim Ostermann [CDU/CSU]: Was? – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Mit uns ist viel gelungen!)


Auch in den Koalitionsverhandlungen haben wir daran
nichts ändern können.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was wir heute schon alles gemeinsam gemacht haben! – Richard Pitterle [DIE LINKE]: Die Betonung liegt auf „nichts“!)


Heute war ja schon einmal von Carlo Schmid, einem
unserer Verfassungsväter, die Rede. Carlo Schmid be-
richtet in seinen Memoiren von einer Begegnung mit
Adenauer. Adenauer sagte ihm – ich zitiere –:





Dr. Lars Castellucci


(A) (C)



(D)(B)

Was uns beide unterscheidet …

– also Schmid und Adenauer –:

Sie glauben an den Menschen, ich glaube nicht an
den Menschen und habe nie an den Menschen ge-
glaubt.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wer soll das gesagt haben?)


Das ist zwar etwas entfernt von einem christlichen Men-
schenbild, aber man kann bei der Biografie des Altkanz-
lers vielleicht Respekt vor dieser Meinung haben. Man
sollte möglicherweise aber nicht bei Adenauer stehen
bleiben.

Wir haben heute wirklich viel Grund dazu, die Betei-
ligungsmöglichkeiten der Menschen auszuweiten, und,
anders als Herr Ostermann gesagt hat – man findet im-
mer die Umfrage, die man gebrauchen kann –, wünschen
sich die Menschen auch die Beteiligungsmöglichkeiten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Michael Frieser [CDU/CSU]: Wieder Applaus von der falschen Seite!)


Nach einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung sind es
80 Prozent.

Passen Sie jetzt einmal auf: Es gibt sogar Hinweise,
dass Ihre Wählerinnen und Wähler das nicht nur wollen,
sondern dass sie bei diesen direkten Verfahren sogar ver-
stärkt zur Abstimmung gehen würden, womit Sie einen
weiteren Hebel in der Hand hätten, Ihre Politik durchzu-
setzen.


(Michael Frieser [CDU/CSU]: Schauen Sie nach Bayern!)


Das habe ich Ihnen jetzt natürlich nicht verraten, aber
vielleicht gibt Ihnen das zu denken.

Es ist sicherlich falsch, von einer Krise der Demokra-
tie zu sprechen. Wir haben heute zu Recht darauf hinge-
wiesen, dass sich die repräsentative Demokratie bewährt
hat. Gleichzeitig bangen wir alle und fragen uns, wie
hoch die Wahlbeteiligung am Sonntag werden wird.


(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Das ist bei Volksentscheiden nicht besser!)


Die Mitgliederzahlen der Parteien sinken. Deswegen
sind wir gut beraten, zu überlegen, wie wir die Demokra-
tie lebendig halten und mehr Menschen für sie begeis-
tern können.

Verehrte Kollegen von den Linken, an dieser Stelle
möchte ich einen Punkt aus Ihrem Antrag herausgreifen,
bei dem ich glaube, dass Sie damit dem Wunsch, Begeis-
terung auszulösen, zuwiderhandeln.

Sie schlagen vor, dass, wenn es einen Volksentscheid
gibt, jede Fraktion im Deutschen Bundestag ihren Vor-
schlag gleichzeitig auch zur Abstimmung stellen kann.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das können wir verhandeln!)

Damit leisten Sie der direkten Demokratie einen Bären-
dienst. In Wahrheit werden damit die Rechte von Parla-
mentsfraktionen ausgeweitet, und das ist eigentlich das
Gegenteil von mehr Beteiligung der Bürgerinnen und
Bürger.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Verhandelbar! Das können wir verhandeln!)


Wie können wir für Demokratie begeistern? Wie kön-
nen wir in die Demokratie mehr Leben bekommen? Das
gelingt in erster Linie dadurch, dass wir bessere Politik-
ergebnisse erzielen. Hierfür ist es wichtig, dass wir die
unterschiedlichen Formen von Demokratie – direkte De-
mokratie, repräsentative Demokratie und auch Bürgerbe-
teiligung – nicht gegeneinander ausspielen, sondern dass
wir ihre Chancen nutzen.

Ich erinnere an den letzten SPD-Antrag für mehr di-
rekte Demokratie. Da sehen Sie, dass dort die Möglich-
keit eines Kompromisses gegeben ist: Diejenigen, die
den Volksentscheid eingebracht haben, und der Bundes-
tag können sich auf einen gemeinsamen Vorschlag eini-
gen. Das halte ich für ein gutes Verfahren, gemeinsam zu
besseren Lösungen zu kommen. Das könnte auch der
Demokratie guttun.


(Beifall bei der SPD – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Auch das können wir aufnehmen! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aber die Wahlbeteiligung bei Volksbefragungen ist doch deutlich geringer als bei Wahlen!)


Es hilft nichts, wenn wir hier zustimmen würden. Wir
warten also auf die Union. Wir warten hier immerhin
nicht auf Godot. Bekanntermaßen kam er nie.


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er wird auch nie kommen!)


Man wusste nicht, ob es ihn überhaupt gibt. Sie dagegen
sind sehr real.

Ich möchte Ihnen Folgendes zu denken geben: Sie
waren einmal für Atomenergie, und jetzt sind Sie gegen
Atomenergie. Sie waren einmal für das dreigliedrige
Schulsystem, und jetzt sind Sie häufig daran beteiligt, es
abzuschaffen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch Sie waren mal für Atomenergie und für Gentechnik!)


Sie haben die Wehrpflicht befürwortet, und jetzt ha-
ben Sie sie mit abgeschafft. Deswegen ist auch in dieser
Sache das letzte Wort noch nicht gesprochen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie waren doch immer für Gentechnik und für Atomenergie! Sie müssen sich schon mal Ihre Geschichte angucken!)


Irgendwann kommt auch beim Thema direkte Demo-
kratie Bewegung in Ihre Reihen. Ich wünsche uns dafür
Geduld und gute Beratungen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)







(A) (C)



(D)(B)


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803712600

Vielen Dank, Herr Kollege, und von Herzen Glück-

wunsch zu einem bemerkenswerten Geburtstag. – Jetzt
kommt als nächster Redner ein Vertreter Bayerns – nein,
Entschuldigung: ein Vertreter Frankens; wir müssen
schon korrekt sein, sonst bekomme ich Ärger –:


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Michael Frieser für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1803712700

Frau Präsidentin! Keine Angst, Sie bekommen keinen

Ärger. Ich halte es kraft Persönlichkeit und Gewichts
aus, als beides zu gelten: sowohl als Franke als auch als
Bayer.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Notfalls als Deutscher!)


Auch ich möchte der SPD zu ihrem 151. Geburtstag
gratulieren und sage dazu: Wir haben die Flexirente
doch schon umgesetzt. Jetzt muss man doch langsam
einmal ans Aufhören denken.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich halte diese Diskussion heute mit Blick auf den
Geburtstag des deutschen Grundgesetzes für ideal. Es ist
ein gutes Buch – Sie sollten es einmal lesen. Es stehen
eine ganze Reihe von interessanten Sachen drin. Die ein-
zigen Sätze, die in dem Gesetzentwurf der Linken stim-
men, sind die Zitate aus dem Grundgesetz. Aber schon in
Ihren ersten Sätzen heißt es sinngemäß: Artikel 20 des
Grundgesetzes enthält den Grundsatz, dass die Souverä-
nität vom Volke ausgeht. Da müssen wir Sie berichtigen:
Die Souveränität in diesem Land geht immer vom Volk
aus, und zwar ausschließlich. Das wird auch durch die-
sen Gesetzentwurf nicht geändert.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nachdem wir über dieses Thema schon ein gutes Dut-
zend Mal beraten haben, sollten wir es abschließen dür-
fen.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Stimmen Sie zu?)


Das, was Sie uns vorlegen, ist alter Wein in alten Schläu-
chen. Das ist dann in Ordnung, wenn man alten Wein
liebt. Wenn man genauer hinschaut, dann ist klar: Das ist
noch nicht einmal alter Wein, vielmehr wird er langsam
zu Essig. Es gibt zwar guten Essig, aber davon kann an
dieser Stelle nicht die Rede sein.

Es geht vor allem um eine fehlerhafte Staatstheorie.
Wenn man den Gedanken des Artikels 20 Absatz 2
Satz 1 Grundgesetz mit dem in Satz 2 ins Verhältnis
setzt, also die Sätze „Die Souveränität, also die Staatsge-
walt, geht vom Volke aus“ und „Sie wird vom Volke in
Wahlen und in Abstimmungen ausgeübt“ betrachtet,
dann wird offensichtlich: Sie widersprechen sich, wenn
Sie das in dieser Form umsetzen.

Jetzt fehlt der Zwischenruf von Herrn von Notz von
den Grünen. Er müsste an dieser Stelle „Bayern“ rufen.
Da der Zwischenruf nicht kommt, machen wir ihn eben
selber. Darauf kommt es nicht an; das ist egal.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In Bayern gibt es wirklich eine direkte Demokratie,
und sie funktioniert sogar. Seit 1956 wurden fast 50 Volks-
entscheide durchgeführt, knapp 20 davon haben es bis
zur zweiten Stufe gebracht. Auf der Länderebene ist das
eine sehr interessante Geschichte. Auch das Grundgesetz
kennt den Volksentscheid: in ganz bestimmten Fällen,
beispielsweise bei der Weitergabe von Kompetenzen an
die EU. Glauben Sie mir: Als CSUler habe ich dafür
durchaus Sympathien, besonders mit Blick auf den kom-
menden Sonntag.

Ich glaube, der vorliegende Gesetzentwurf hat auch
etwas damit zu tun, dass am kommenden Sonntag Euro-
pawahlen sind; das könnte zumindest theoretisch sein.
Es gibt bestimmt Themen, die für eine Volksabstimmung
geeignet sein könnten. Aber man kann so etwas eben
nicht als Buffet organisieren, sondern man muss schon
konkret sagen, womit man die Menschen tatsächlich be-
fassen will.

In dem Gesetzentwurf der Linken steht der entschei-
dende Satz: Wenn die in den Artikeln 1 und 20 enthalte-
nen Grundsätze tangiert werden, dann sind Volksent-
scheide oder Volksabstimmungen selbstverständlich
nicht möglich.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Schon mal was von Ewigkeitsgarantie gehört?)


Herzlichen Glückwunsch! Das haben Sie nett formuliert.
Das Bundesverfassungsgericht möge bitte einmal ausle-
gen, was es mit den Grundsätzen der Artikel 1 und 20
auf sich hat.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Artikel 1 und 20, Ewigkeitsgarantie!)


Das Ergebnis wird sein: Sie nehmen genau das, was Ih-
nen in Ihrer Vorgehensweise, nämlich der Instrumentali-
sierung der Minderheiten, um zur Mehrheit zu kommen,
gerade in den Kram passt. Die Folge wird ein Zeitgeist-
katalog sein, der dann zur Abstimmung gestellt wird. Es
geht in keiner Weise um eine Stärkung der direkten De-
mokratie.

Im Ergebnis läuft es doch immer darauf hinaus, dass
man versucht, ein Thema, mit dem man in der repräsen-
tativen Demokratie nicht weiterkommt, auf marktschrei-
erische Art umzusetzen. Es ist doch Ihre Aufgabe als di-
rekt bzw. über Listen gewählte Abgeordnete, darüber zu
entscheiden und daran mitzuwirken, die Menschen über
die Themen zu informieren und vor allem deren Sinn,
Geist, Zweck und Anregungen mit aufzunehmen, sie
hier zusammenzuführen und zu einem Ergebnis zu brin-
gen. Das ist Ihre persönliche Aufgabe. Diese persönliche
Aufgabe redelegieren Sie jetzt an den eigentlichen Ge-
setzgeber, nämlich den Souverän.





Michael Frieser


(A) (C)



(D)(B)


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ja, an den eigentlichen Gesetzgeber! Richtig!)


Wenn die Linke der Auffassung ist, dass sie an der Wil-
lensbildung in diesem Land nicht mehr teilhaben will:
Herzlichen Glückwunsch und auf Wiedersehen! Wir se-
hen uns an anderer Stelle wieder.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Vermissen werden wir sie nicht!)


Unsere Definition von Politik ist definitiv eine an-
dere.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Sie lehnen alles ab, was wir machen!)


Unsere Definition ist, dass wir Abgeordnete nicht nur
aus praktischen Gründen, sondern auch, weil wir aus-
schließlich unserem Gewissen unterworfen sind, für die
jeweiligen Themen eintreten, die wir mit unseren Grund-
sätzen abstimmen müssen, um sie dann zu einem kon-
sensualen Ergebnis zu bringen. Das ist Gesellschaftspo-
litik. Das übersetzt letzten Endes die Staatstheorie in
gelebte Politik für die Bürger und damit für die Men-
schen in diesem Land.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Aber das funktioniert doch nicht!)


Aber wir wollen – und dazu fordern wir Sie auch auf –,
dass man an dieser Stelle mitwirkt.

Da wir immer wieder das pädagogische Prinzip der
Wiederholung anwenden müssen, halte ich fest: Eine
Volksabstimmung als solche, die Sie auf einen Grund-
satz verknappen müssen, damit die Menschen mit Ja
oder Nein abstimmen können, kann bei bestimmten The-
men nicht funktionieren. Eine Aushöhlung der repräsen-
tativen Demokratie, in der Ihre persönliche Verantwor-
tung im Vordergrund steht, wird nicht dazu führen, dass
Sie am Ende mehr Politikbeteiligung erreichen. Sie wer-
den sie vielmehr zergliedern und wahrscheinlich sogar in
gewisser Weise ad absurdum führen, weil es Ihnen um
die Etablierung einer Dagegen-Demokratie geht.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803712800

Herr Frieser, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder

-bemerkung?


Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1803712900

Sofort, wenn ich meinen Gedanken zu Ende gebracht

habe.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803713000

Alles klar.


Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1803713100

Für die Dagegen-Demokratie gibt es ein schlimmes

Beispiel. Wer hat das erfunden? Die Schweizer haben es
erfunden. Kollege Schuster hat völlig zu Recht darauf
hingewiesen, dass bei den Volksabstimmungen in der
Schweiz die niedrigste Wahlbeteiligung herrscht. – In
Bayern ist es ähnlich – jetzt vermisse ich wieder einen
Zwischenruf von Herrn von Notz –: Dort gibt es dieses
wunderbare Element der direkten Demokratie. Was ist
die Folge? Eine niedrigere Wahlbeteiligung bei diesen
Abstimmungen.

Das sollte uns zu denken geben. Eine Volksabstim-
mung als solche kann nicht das alleinige Heilmittel sein.
Wir müssten die entsprechenden Regelungen klar und
genau formulieren, wie es das wunderbare Grundgesetz
bereits macht.

Bitte, Frau Kollegin.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803713200

Danke, Herr Frieser. – Frau Wawzyniak.


Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803713300

Herr Frieser, ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass

wir uns in einzelnen Punkten durchaus verständigen und
einigen könnten. Ich frage Sie deshalb, wie Sie es sich
erklären, dass es uns bei bestimmten Themen, in denen
wir uns einig sind und wir als Linke Formulierungen
vorlegen, die wortgleich mit Ihren sind, unmöglich ist,
einen gemeinsamen Antrag zustande zu bringen, weil es
in Ihrer Fraktion offensichtlich eine Kauder-Doktrin
gibt, nach der wir nicht mit Ihnen gemeinsam Anträge
vorlegen können. Können Sie mir das erklären, wenn Sie
sagen, dass alles so gut funktioniert?


Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1803713400

Abgesehen von der Tatsache, dass das ein bisschen

von der Diskussion ablenkt, will ich mich gerne auf die
Frage einlassen. Ich widerspreche selbstverständlich
dem Begriff „Kauder-Doktrin“. Eine solche Doktrin gibt
es in keiner Weise. In dieser Frage gibt es in der CDU/
CSU-Fraktion noch nicht einmal einen Fraktionszwang.

Sie müssen es uns schon selbst überlassen, mit wem
wir als Demokraten entweder erklärtermaßen kraft Ver-
trägen oder aber manchmal aus Sympathie gemeinsame
Anträge einbringen. Wenn die CDU/CSU-Fraktion zu ei-
nem Ergebnis kommt und das, was sie in einen Antrag
aufnimmt, für richtig hält, bin ich der Auffassung, dass
es dafür nicht unbedingt des Briefkopfes der Linken be-
darf. Es gibt in diesem Hause aber sehr wohl auch Grup-
penanträge, in denen Abgeordnete unabhängig von ihrer
Fraktionszugehörigkeit übereinstimmen.

Frau Kollegin, ich muss trotzdem sagen: Damit täu-
schen Sie über den Grundgedanken und das Problem,
über das wir diskutieren, nicht hinweg. Im Ergebnis
bleibt es dabei. Sie können die deutsche Politik nicht
nach Buffetart organisieren, indem Sie sagen: Das passt
mir gerade in mein Konzept der marktschreierischen
Politik. – Sie tun damit nicht nur der Politik und den
Menschen keinen Gefallen, sondern Sie vergehen sich
ein Stück weit auch – ausgerechnet am heutigen Ge-
denktag – am Grundgesetz. Das wollen wir nicht. Des-
halb bleibt es bei unserer ablehnenden Haltung gegen-
über Ihrem Gesetzentwurf. Ich glaube, das ist ganz gut
so.


(Beifall bei der CDU/CSU – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Wir sehen uns nächste Sitzungswoche!)







(A) (C)



(D)(B)


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803713500

Danke, Herr Kollege Frieser. Ich wünsche Ihnen eine

schöne Fußballsaison. Das ist Ausdruck meines Mit-
leids.


(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: FC Augsburg!)


– Ja, wir sind auf Platz acht.


(Michael Frieser [CDU/CSU]: Wir bereuen nicht nur die Liebe nicht, sondern auch das Mitleid nicht!)


Der letzte Redner in dieser Debatte ist Matthias
Schmidt für die SPD.


(Beifall bei der SPD)



Matthias Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1803713600

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren auf den Zuschauertribünen! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Wir diskutieren heute in erster Beratung
den Gesetzentwurf der Linken, der einen sehr langen
und sperrigen Titel trägt. Die Präsidentin hat ihn am An-
fang komplett vorgelesen. Damit der Titel des Gesetz-
entwurfs auf die Anzeigetafel passt, musste er etwas ver-
kürzt werden. Nun ist dort nur noch zu lesen:
Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid. Das
trifft auch den Kern Ihres Gesetzentwurfs, beschreibt ihn
aber nicht umfassend; denn er enthält weitere Aspekte,
über die wir sehr intensiv reden sollten.

Etwas verkürzt und flapsig ausgedrückt, wollen die
Linken mit ihrem Gesetzentwurf etwas mehr Demokra-
tie wagen.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Richtig!)


Das findet natürlich – die Parallele zum Zitat von Willy
Brandt ist unverkennbar – die Sympathie der Sozialde-
mokratie.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Sehr gut!)


Auch wir sind für Volksinitiativen, Volksbegehren und
Volksentscheide. So haben wir es auch in unserem Wahl-
programm zur Bundestagswahl 2013 festgeschrieben.
Hier im Plenum haben wir an zahlreichen Stellen und in
verschiedenen Legislaturperioden Anträge in diese Rich-
tung gestellt. In unserem schwarz-roten Regierungspro-
gramm findet sich dazu allenfalls eine Andeutung. Das
liegt daran – das weiß jeder –, dass die Union dem
Thema gegenüber eher kritisch eingestellt ist. Die Kolle-
gen von der Union haben das eben argumentativ ausge-
führt. Unter demokratischen Aspekten muss ich sagen:
Man kann auch diesen Argumenten folgen und zu dieser
Erkenntnis kommen, obwohl auf der linken Seite des
Hauses in der Mehrheit eine andere Auffassung herrscht.

Frau Kollegin Wawzyniak, wenn man ein Gesetz än-
dern will – Sie wollen sogar das Grundgesetz ändern –,
dann muss es einen Zustand geben, dem man unbedingt
abhelfen will. Sie haben sich aber gar nicht die Mühe ge-
macht, einen Zustand zu beschreiben, dem Sie abhelfen
wollen. Vielmehr haben Sie in Ihrer Argumentation
gleich Bezug darauf genommen, was der Kollege Brand,
den ich im Übrigen sehr schätze, in den Jahren 2003 und
2008 gesagt hat, und haben versucht, das zu entkräften.
Anschließend haben Sie uns und den Grünen ein Diskus-
sionsangebot unterbreitet, nicht aber der Union. Sie wis-
sen sicherlich, dass es zur Änderung des Grundgesetzes
einer Zweidrittelmehrheit bedarf und dass die Union
über mehr als ein Drittel der Stimmen verfügt.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ich dachte, Sie überzeugen die Union und bringen die dann mit!)


Das alles passt nicht richtig zusammen.

Ihr Gesetzentwurf bietet uns allerdings eine gute Ge-
legenheit, den Zustand unserer Demokratie zu beleuch-
ten. Das haben wir schon heute früh in der Feierstunde
getan. Dem Grundgesetz und damit der parlamentari-
schen Demokratie wurde ein gutes Zeugnis ausgestellt.
Die kurzfristigen Debatten sind natürlich immer sehr
kontrovers und werden in der Regel so geführt, dass die
Opposition alles schlecht findet, was die Regierung vor-
trägt, während die die Regierung tragenden Fraktionen
das, was die Regierung macht, ganz gut finden und das
voranbringen. Das gehört zum Austausch in einer parla-
mentarischen Demokratie selbstverständlich dazu.

Um den Zustand der parlamentarischen Demokratie
einschätzen zu können, ist es allerdings hilfreich, eher
auf die langen Linien zu schauen. Da schneidet die par-
lamentarische Demokratie sehr gut ab. Die Politik der
Westintegration Adenauers stellt heute niemand mehr in-
frage. Auch Willy Brandts Ostpolitik, die damals heiß
umkämpft war, wird heute von keiner Seite mehr infrage
gestellt. Beides zusammen führte zur deutschen Einheit.

Im Rückblick kann man immer sagen: Die Kompro-
misse, die wir hier im Bundestag nach langen Diskussio-
nen finden, können sich sehen lassen. Im Großen und
Ganzen wird von der Bevölkerung langfristig akzeptiert,
was wir hier machen. Es gibt eine Ausnahme. Einmal hat
der Bundestag mit seiner Entscheidung danebengelegen.
Das war aus meiner Sicht der Boykott der Olympischen
Spiele in Moskau 1980. Damals hat der Bundestag eine
falsche Entscheidung getroffen. Auch im Rückblick hat
sich diese Entscheidung nicht als richtig erwiesen.

Wenn Sie meinen Ausführungen folgen, könnten Sie
den Eindruck haben, ich stünde der Einführung direkter
demokratischer Elemente sehr kritisch gegenüber. Dem
ist aber nicht so. Ich stelle nur Fragen und versuche, mir
ein Bild zu machen. Im Ergebnis komme ich zu der Er-
kenntnis, dass die direkte Demokratie eine sehr gute Er-
gänzung unserer parlamentarischen Demokratie sein
könnte.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie zwingt uns Parlamentarier dazu, zu kommunizieren
und zu argumentieren. Das machen wir augenscheinlich
nicht an jeder Stelle genug. Die Initiative „Mehr Demo-
kratie“ hat dafür gute Beispiele geliefert und gute Argu-
mente aufgeschrieben. In Berlin gibt es – Herr Mutlu hat
vorhin schon darauf hingewiesen – aktuell einen Volks-
entscheid. Es geht um das Tempelhofer Feld. Es wird in





Matthias Schmidt (Berlin)



(A) (C)



(D)(B)

der Stadt momentan sehr heiß argumentiert. Ich bin si-
cher, dass sich am Ende die guten Argumente für eine
behutsame Randbebauung des Tempelhofer Feldes
durchsetzen werden und dafür eine Mehrheit gefunden
wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das sehe ich anders!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803713700

Kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede. Die Berliner

haben sicher noch die Möglichkeit, darüber in den
nächsten Stunden zu diskutieren.


Matthias Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1803713800

Ja, das stimmt. – Ich komme zum Schluss. Ich freue

mich auf die Ausschussberatungen und möchte mit ei-
nem Zitat von Goethe enden: „Die Demokratie rennt
nicht, aber sie kommt sicherer zum Ziel“. Das werden
wir in den Ausschussberatungen beweisen.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803713900

Vielen Dank, Herr Kollege. – Danke für die span-

nende Debatte.

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 18/825 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Ich sehe
keine anderweitigen Vorschläge. Dann ist das so be-
schlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner, Kai
Gehring, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Qualität in der frühkindlichen Bildung för-
dern

Drucksache 18/1459
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Innenausschuss

Interfraktionell sind für die Aussprache 38 Minuten
vereinbart. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das
so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat
Dr. Franziska Brantner für Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-
legen! Liebe Bürgerinnen und Bürger, die heute am Frei-
tagnachmittag noch zuhören! Im Zwischenbericht zur
Evaluation des Kinderförderungsgesetzes, den die Bun-
desregierung selbst in Auftrag gegeben hat, steht ge-
schrieben, die Betreuungssituation sei in manchen
Einrichtungen unter fachlichen Gesichtspunkten bedenk-
lich. Auch die unter anderem vom Familienministerium
in Auftrag gegebene NUBBEK-Studie zeigte, dass die
Qualität der frühkindlichen Bildung in deutschen Be-
treuungseinrichtungen überwiegend mittelmäßig bis
schlecht ist. Jeder zweite Kindergarten bekam die Note
„unzureichend“. Unserer Meinung nach ist das für un-
sere Kinder nicht verantwortbar.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch viele Erzieherinnen und Erzieher sind heute an der
Grenze des Belastbaren.

Der Ausbau der Kinderbetreuung und die Einführung
des Rechtsanspruchs waren ein Meilenstein. Doch die
Qualität der Kinderbetreuung darf jetzt nicht auf der
Strecke bleiben. Wir müssen vom Kind her denken und
sicherstellen, dass seine Bedürfnisse wirklich berück-
sichtigt werden. Es liegt in der Verantwortung aller Kol-
leginnen und Kollegen hier, gemeinsam dafür zu sorgen,
dass die Kinder nicht auf der Strecke bleiben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Was ist zu tun? Viele Faktoren spielen für die Qualität
von Kinderbetreuung eine Rolle, wie die Ausstattung der
Kitas und die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzie-
her. Nicht alle Qualitätsfaktoren können oder sollten von
der Bundesebene bestimmt werden. Aber es gibt einen
Faktor, den gar keiner infrage stellt und von dem alle sa-
gen, dass er für eine gute Betreuung und Bildung not-
wendig ist: Das ist die Zeit, die Erzieherinnen und Erzie-
her direkt mit Kindern verbringen können. Es gibt einen
Standard, den uns Expertinnen und Experten an die
Hand geben – ohne seine Einhaltung kommt die Ent-
wicklung zu kurz –: eine gute Fachkraft-Kind-Relation.

Worum geht es dabei? Es geht um die direkte pädago-
gische Arbeit mit den Kindern. Bis jetzt gibt es in den
einzelnen Bundesländern ganz unterschiedliche Defini-
tionen. In einigen Bundesländern werden Schlüssel fest-
geschrieben, die kaum Ausfallzeiten, Fortbildung oder
etwa Elterngespräche berücksichtigen. Wir finden aber,
dass alle Kinder bundesweit das gleiche Recht auf eine
gute Betreuung und Bildung haben. Wir wollen nicht nur
das Recht jedes Kindes auf einen Kitaplatz, sondern
auch das Recht jedes Kindes auf einen guten Kitaplatz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Wie wollen wir das gewährleisten? Als Standort für
eine gesetzliche Regelung kommt § 22 a im SGB VIII in
Betracht. Ich lese Ihnen einmal eine Formulierung aus
einem juristischen Gutachten vor:

Zur Qualität der Förderung gehört auch eine Perso-
nalausstattung, die die Erfüllung des Förderungsauf-
trags gewährleistet. Das Nähere über die Mindest-
anforderungen hinsichtlich der Personalausstattung
bezogen auf das Alter der Kinder und die Dauer der
täglichen Förderung wird durch Rechtsverordnung





Dr. Franziska Brantner


(A) (C)



(D)(B)

des zuständigen Bundesministeriums mit Zustim-
mung des Bundesrates bestimmt.

Das heißt, die Details, die genaue Fachkraft-Kind-Rela-
tion, werden in einer Rechtsverordnung bestimmt. Wir
fordern ein Verhältnis, das sich an der Maximalgröße
von 1 : 4 für unter Dreijährige und 1 : 10 für über Drei-
jährige orientiert. Außerdem sollte der Anteil der Ar-
beitszeit für Tätigkeiten ohne Kinder von 25 Prozent be-
rücksichtigt werden. Darüber hinaus wollen wir die
Fortführung des Bundesprogramms „Offensive Frühe
Chancen: Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“.

Natürlich wird das Geld kosten. Qualität kostet Geld.
Daher müssen sich Bund, Länder und Kommunen zu-
sammentun und gemeinsam planen, wie sie die Finan-
zierung der Qualität gestalten.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Diese Treffen sind immer kompliziert! Glauben Sie es mir!)


– Ja. – Uns geht es darum, dass man gemeinsam mit den
Ländern und den Kommunen Qualitätsziele vom Kind
her gedacht definiert und dann gemeinsam über die Fi-
nanzen redet. Erst sollten also die Ziele definiert werden,
und dann sollten die finanziellen Mittel für deren Errei-
chung zur Verfügung gestellt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Dafür brauchen wir ein breites Bündnis für Qualität.
2007 gab es den Kitagipfel, um den Ausbau voranzu-
bringen. Was wir jetzt brauchen, ist ein Qualitätsgipfel.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Diana Golze [DIE LINKE])


Dabei ist der Bund unserer Meinung nach klar mit in der
Verpflichtung; er muss sich an der Finanzierung beteili-
gen. Wir müssen aber auch sicherstellen, dass das Geld
wirklich vor Ort ankommt. Es darf nicht sein wie bei
jenen 6 Milliarden Euro, bei denen leider nicht klar, ge-
schweige denn sicher ist, wie viel sich davon in der Qua-
lität niederschlägt. Deswegen ist unserer Meinung nach
die rechtliche Verankerung so wichtig für eine zielge-
naue Finanzierung.

Gerade tagte die Jugend- und Familienministerkonfe-
renz in Mainz. Sie befasste sich ebenfalls mit diesem
wichtigen Thema. Man forderte vom Bund 2 Milliarden
Euro für den Kitaausbau. Wir sind uns doch im Grunde
alle einig: Wir brauchen mehr Qualität. Lassen Sie uns
zu neuen Gipfeln aufbrechen, vielleicht auch zu einem
Qualitätsgipfel! Das sind wir unseren Kindern schuldig.

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803714000

Vielen Dank, Frau Kollegin Brantner. – Nächster

Redner in dieser Debatte ist Marcus Weinberg für die
CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Marcus Weinberg (CDU):
Rede ID: ID1803714100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Kollegin Brantner, ich habe gesagt: Ich
werde nett zu Ihnen sein – fast immer in den nächsten
sieben Minuten. Ein- oder zweimal muss ich aber auch
etwas kritischer auf Ihren Antrag eingehen.

Wir sind dankbar, dass Sie diesen Antrag gestellt ha-
ben, weil uns das die Möglichkeit bietet, zwei Dinge an-
zusprechen. Zum einen tatsächlich das für uns wichtige
Thema der Qualität: Wie können wir früher, besser, ziel-
genauer und bedarfsorientierter fördern? Zum anderen:
Wir nehmen gern Anträge von Ihnen, von den Grünen,
entgegen, wenn Sie das, was passiert ist, in einer Nach-
betrachtung so beschreiben. Das, was wir 2007, damals
in der ersten Großen Koalition der neueren Zeit, be-
schlossen haben, haben Sie als Meilenstein definiert. Da-
für noch einmal ein herzliches Dankeschön!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür haben wir auch lange gekämpft!)


Frau Dörner, ich erinnere mich an die Debatten hier
im Deutschen Bundestag. Von 2007 bis 2013 haben Sie
bei jeder Debatte immer dieselben Szenarien an die
Wand gemalt: dass der Rechtsanspruch nicht umzuset-
zen ist, dass es einen Riesenaufschrei geben wird in der
Gesellschaft, bei jungen Müttern und Vätern und, und,
und. Was ist passiert? Wenn man sich klar und verbind-
lich einigt – da stimme ich Ihnen zu –, wenn man sagt:
„Das ist unser Ziel; das sind die verbindlichen Finanz-
zusagen; wir setzen ein Datum, bis zu dem wir etwas er-
reichen wollen“, dann bekommt man das hin, und wir
haben es hinbekommen. Das ist ein Riesenerfolg für die
jungen Familien und auch ein Erfolg insofern, als der
Bund über 5 Milliarden Euro bereitgestellt hat und in
Zukunft diese 845 Millionen bereitstellt.

Wenn man über Finanzen spricht, muss man immer
eines sagen: Das ist originäre Aufgabe der Länder. Bei
all dem, was wir gemeinsam und in bestimmt heftigen
und anstrengenden Diskussionen mit den Ländern defi-
nieren wollen, werden wir darauf hinweisen, dass sich
der Bund der Frage des Qualitätsausbaus nicht verweh-
ren wird. Im Gegenteil, wir werden Qualität einfordern.
„Einfordern“ heißt auch, dass die Länder sagen müssen,
was sie liefern, und zwar verbindlich. Ich möchte nicht,
dass Mittel des Bundes von Finanzsenatoren oder Fi-
nanzministern benutzt werden, um Haushaltslöcher zu
schließen. Wenn wir uns mit den Ländern verständigen,
dann erwarten wir, dass das auch umgesetzt wird. Des-
wegen kann ich das zumindest in weiten Teilen so mit
unterstützen.

Wir hatten 2007 einen Ausbaustand – dieser Meilen-
stein sei noch einmal genannt – von 8 Prozent in den
westlichen Ländern und 37 Prozent in den neuen Bun-
desländern und haben jetzt einen Ausbaustand von unge-
fähr 40,2 Prozent erreicht. Nun haben Sie im Antrag for-
muliert – das haben die Länder auf der Jugend- und
Familienministerkonferenz heute auch noch einmal





Marcus Weinberg (Hamburg)



(A) (C)



(D)(B)

deutlich gemacht –: Das wird nicht das Ende der be-
rühmten Fahnenstange sein. Wenn es denn 42,5 Prozent
und vielleicht noch ein paar Prozentpunkte darüber hi-
naus sind, werden wir uns darüber verständigen müssen,
wie wir das in einem möglichen dritten Investitionspaket
hinbekommen. Ich bin mir sicher, dass das klappen wird.

Im Übrigen reden wir über Qualität. Das ist tatsäch-
lich die Aufgabe der nächsten Epoche. Nach dem Aus-
bau der Quantität im Kindergarten- und im Krippenbe-
reich sowie bei der Ganztagsbetreuung gilt es jetzt,
verstärkt über Qualität zu reden. Ich will dazu nur we-
nige Punkte ansprechen.

Der Bund hat sich der Frage der Qualität bereits in
den letzten Jahren gestellt. Wir haben das Programm
„Offensive Frühe Chancen“ auf den Weg gebracht. Es
muss eine Fortsetzung geben – die wollen auch wir –,
weil das ein gutes Programm ist. Wer wie ich – und wie
Sie wahrscheinlich auch – einmal hospitiert hat, der wird
erlebt haben, dass das in den Wahlkreisen gut ankommt.

Wir haben im Bereich der Tagespflege mit Fortbil-
dungs- und Qualifizierungsprogrammen die Qualifizie-
rung auf den Weg gebracht. Tagespflege war vor 20 oder
25 Jahren Nachbarschaftsunterstützung. Wir haben er-
reicht, dass heute in den neuen Bundesländern über
80 Prozent und in den westlichen Bundesländern fast
70 Prozent der Männer und Frauen, die in der Tages-
pflege arbeiten, ein Qualifizierungsniveau erreicht ha-
ben, das sonst bei einer pädagogischen Ausbildung er-
reicht wird. Auch das war ein Erfolg des Bundes; das
haben wir in den letzten Jahren auf den Weg gebracht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es wäre an der Zeit, viele weitere Programme anzu-
sprechen, übrigens auch aus dem Bildungsbereich. Wer
einmal bei den „kleinen Forschern“ hospitiert hat, der
weiß, wie die Implikationen aus dem Bildungsbereich
bei den Kindertagesstätten ankommen. Deshalb wird die
Qualität auch hier zu Recht in den nächsten Jahren
Thema sein.

Eine Bemerkung möchte ich noch machen. Qualität
heißt nicht: Höher, weiter, schneller! Qualität ist auch
dann gegeben, wenn ein Dreijähriger auf dem Rasen
liegt und zehn Minuten lang die vorbeiziehenden Wol-
ken zählt. Auch das ist eine Form von Qualität.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Insoweit werden wir uns auch sehr stark Gedanken da-
rüber machen müssen: Was heißt eigentlich „Kind sein“?
„Kind sein“ heißt für mich und, ich denke, für alle, die
das einmal erfahren haben, als Kind nicht in einem
„Hamsterrad“ zu verkommen, sondern das „Kind sein“
wirklich genießen zu können, aber bei einer gewissen
Qualität der Betreuung, Stichwort „Bildungsimplikatio-
nen“.

Nun habe ich mich aber doch geärgert. Ich habe ge-
sagt: Ich will Sie viel loben. Aber einmal muss ich Sie
dann doch ein bisschen kritisieren, wenn Sie es mir ge-
statten.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das finde ich nicht so schlimm!)


Man kann darüber diskutieren, dass es Defizite und noch
Ausbaumöglichkeiten gibt. Aber was mich wirklich är-
gert, ist Folgendes: Sie haben im Vorfeld mit der Süd-
deutschen Zeitung gesprochen; daraus darf ich Sie ein-
mal zitieren. Da sagen Sie bezüglich der Qualität der
Kindertagesbetreuung: „Da geht es oft nur noch um satt
und sauber ...“ Ich sage Ihnen ganz deutlich: Das finde
ich nicht in Ordnung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es gibt viele Probleme. Viele Erzieher sind an der
Grenze des Möglichen. Viele Kindertagesstätten müssen
jetzt die neuen Anforderungen umsetzen, auch die Zerti-
fizierungsmaßnahmen. Es gibt, gerade im Personalbe-
reich, in einigen Kindertagesstätten große Probleme.
Aber es gibt durchaus einen Riesenschritt in der Qualität
der Kindertagesbetreuung. Ich glaube, das sollte man
entsprechend anerkennen. Es ist jetzt unsere Aufgabe,
die nächsten Schritte einzuleiten und insbesondere zu sa-
gen, wie wir die Erzieherinnen und Erzieher unterstüt-
zen; denn die leisten tagtäglich harte Arbeit.


(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sagen Sie doch mal was dazu!)


Nun haben Sie schon die Jugend- und Familienminis-
terkonferenz angesprochen, die heute große Beschlüsse
gefasst hat. Es sei erwähnt: Wenn Länder sich zusam-
mentun, gibt es zumindest in der Frage der Finanzen im-
mer einen sehr klaren Beschluss. Dieser lautet: Der
Bund soll mehr zahlen. Die Frage nach einem Qualitäts-
gipfel haben wir übrigens auch schon einmal gestellt.
Wir haben bereits vor einem Jahr hier im Deutschen
Bundestag gesagt: Es geht darum, jetzt Qualitätssiche-
rung zu betreiben. Die Aufgabe wird sein, verbindliche
Ziele zu definieren, die Finanzierungsfragen zu klären
und übrigens von Zeit zu Zeit zu überprüfen: Wo kom-
men wir eigentlich hin?

Jetzt gibt es mehrere Optionen. Da bin ich der Mei-
nung: Das muss regional geprüft werden. Es gibt Bun-
desländer, die bereits einen guten Betreuungsschlüssel
haben. Es gibt Bundesländer, die einen sehr schlechten
Betreuungsschlüssel haben. In Ihrem Antrag fordern Sie
einen Betreuungsschlüssel von 4 : 1; die Bertelsmann
Stiftung fordert einen Betreuungsschlüssel von 3 : 1. Das
ist zu diskutieren. Es gibt Kitas, die bestens ausgestattet
sind. Es gibt Kitas, die schlecht ausgestattet sind. Es gibt
Kitas, bei denen die Erzieherinnen ein hohes Qualifika-
tionsniveau im Bildungsbereich haben. Es gibt Kitas, bei
denen das sehr überschaubar ist. Deswegen ist unser
Vorschlag, regional zu differenzieren, einen Instrumen-
tenkasten zu entwickeln und ganz deutlich zu sagen:
Länder und Kommunen, beteiligt euch! Wir wollen ein
neues Ziel erreichen. – Das heißt für uns, dass wir zu-
sammen schauen, wie wir dieses Ziel erreichen können.
Das kann mal der Personalschlüssel, mal die Ausstattung
der Kita sein. Das kann auch mal ein Programm wie





Marcus Weinberg (Hamburg)



(A) (C)



(D)(B)

„Offensive Frühe Chancen“ sein. Das wird jetzt mit den
Ländern zu besprechen sein.

Dabei gelten zwei Grundsätze; ich wiederhole sie
gerne noch einmal.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803714200

Ja, Herr Kollege, aber kurz.


Marcus Weinberg (CDU):
Rede ID: ID1803714300

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Ich sage

es sehr gerne: Das werden wir gemeinsam mit den Län-
dern hinbekommen. Wir haben 2007 den Gipfel hinbe-
kommen. Er war ein Erfolg. Wir werden jetzt den nächs-
ten Schritt tun im Hinblick auf die Qualität. Auch das
wird ein Erfolg werden. Dafür werden wir einstehen.
Das werden wir garantieren.

Schönes Wochenende und vielen Dank für die Auf-
merksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803714400

Danke, Herr Kollege Weinberg. – Ich würde, ehrlich

gesagt, gerne Ihre Anregung aufgreifen, hier unterbre-
chen und mit allen zusammen Wolken zählen gehen. Ich
bin mir nicht sicher, ob sich das so leicht mehrheitlich
durchsetzen lässt; aber es ist vielleicht eine gute Idee.
Wir sollten im Ältestenrat einmal darüber diskutieren.
Mich hat die Erinnerung an das Wolkenzählen sehr ins-
piriert.

Diana Golze für die Linke ist die nächste Rednerin in
der Debatte. – Frau Golze, Sie haben das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Diana Golze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1803714500

Frau Präsidentin, ich freue mich auch darauf, dass wir

mit diesem schönen Tagesordnungspunkt diese Woche
beenden und ich dann nach Hause zu meinen Kindern
darf, um mit ihnen Wolken zu zählen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ende Mai 2012,
also ziemlich genau vor zwei Jahren, stellte die damalige
Familienministerin Kristina Schröder ein Zehn-Punkte-
Programm für ein bedarfsgerechtes Angebot in der Kin-
dertagesbetreuung vor. In diesem Programm hieß es da-
mals unter Punkt neun:

Durch ein Qualitätsgesetz soll ein „Rahmen-Bil-
dungsplan“ mit bundesweiter Gültigkeit geschaf-
fen werden, der den Förderauftrag mit Mindeststan-
dards konkretisiert und den Bildungsplänen der
Länder trotzdem noch Spielraum für landesspezifi-
sche Gestaltung überlässt.

Heute, zwei Jahre später und um einen Koalitionsvertrag
reicher, sind wir in dieser Frage leider nicht einen Schritt
weiter. Herr Weinberg, es ist eben nicht nur originäre
Aufgabe der Länder, Mindeststandards festzulegen. Das
können wir auch im Bund.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Unter Schwarz-Gelb ist ein solches Gesetz nicht zu-
stande und unter der jetzigen schwarz-roten Regierung
nicht einmal in den Koalitionsvertrag gekommen. Ich
bedaure es an dieser Stelle sehr, dass die Ministerin
Schwesig heute nicht an dieser Debatte teilnimmt; denn
gerade sie war es damals, die eine Neuauflage des Krip-
pengipfels von Bund, Ländern und Kommunen und
mehr Initiative vom Bund gefordert hat. Sie ist nun fünf
Monate im Amt. Von einem Krippengipfel redet sie
nicht mehr. Dass er notwendig ist, dafür nur ein Beispiel.
In der sächsischen Tageszeitung Freie Presse hieß es
gestern – ich zitiere –:

Sachsens CDU will die Personalausstattung in den
Kitas verbessern, ohne den Betreuungsschlüssel zu
senken.

Klingt seltsam, oder? – Weiter heißt es in dem Artikel
mit Zitaten von Herrn Tillich:

Nicht für alle Aufgaben in den Kitas sei hoch quali-
fiziertes Personal nötig – und die Hälfte der Ar-
beitslosen in Sachsen älter als 50… Also könne
doch auch „eine kontinuierliche Zusammenarbeit“
von „älteren Menschen mit Kindererzieherinnen
und Kindern“ ein Lösungsweg sein… Auch bei der
Kinderbetreuung sei „Augenmaß“ nötig, und es
komme auf „flexiblere Elemente“ an …

Um es ganz deutlich zu sagen: Ich habe kein Problem
damit, dass Omas und Opas in Kitas kommen – aber
doch nicht als billiger Ersatz für ausgebildete, qualifi-
zierte Fachkräfte! Das kann es ja wohl nicht sein.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Sönke Rix [SPD] – Zuruf des Abg. Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/ CSU])


Ein Ministerpräsident, der ältere Erwerbslose zur Ver-
handlungsmasse im Poker um die billigste Kita macht,
ist das eine; ein Ministerpräsident, der die bildungspoli-
tische Notwendigkeit von Kitas nicht erkennen kann
oder will und der zudem den pädagogischen Fachkräften
auch noch solch eine Ohrfeige erteilt, ist das andere. Ich
hoffe sehr auf eine entsprechende Reaktion der Betroffe-
nen vor Ort.


(Beifall bei der LINKEN)


Das Beispiel zeigt aber: Ein Krippengipfel ist auch
nach Inkrafttreten des Rechtsanspruchs für unter Drei-
jährige noch dringend nötig – oder wieder dringend nö-
tig. Es macht aber auch deutlich, dass an einem solchen
Verhandlungstisch nicht nur Bund, Länder und Kommu-
nen sitzen sollten. In Anbetracht der nur sehr schwer
überschaubaren und regional sehr unterschiedlichen De-
fizite beim Kitaausbau sollten dort alle Beteiligten sit-
zen: zum Beispiel auch Gewerkschaften, weil es um die
Arbeitsbedingungen der Beschäftigten geht; zum Bei-
spiel auch die Wissenschaft; zum Beispiel auch nicht-
kommunale Träger von Kindertageseinrichtungen. Das
ist erforderlich, um die Baustellen deutlich zu benennen,
um die man sich dann gemeinsam kümmern muss.





Diana Golze


(A) (C)



(D)(B)

Wieder nur die drei großen Bauherren an den Tisch zu
holen, hieße, dass die Kindertagesbetreuung so wie bis-
her weiterhin nur nach Kassenlage gestaltet wird und aus
zeitlich begrenzten Projekten nicht herauskommt. So
ging der Ausbau nämlich bisher vonstatten – das Sonder-
vermögen: befristet; begleitende Programme: befristet.
Es gibt aber so viele Baustellen und Fragen, die sich stel-
len und bei denen nicht befristet werden kann, etwa: Wie
müssen entsprechende Mindeststandards aussehen? Was
ist überhaupt eine Fachkraft in der Kindertagesbetreu-
ung? Welchen Anspruch haben wir an diese Person? Wie
sichern wir die Qualität auch in der Kindertagespflege?
Reicht uns ein 160-Stunden-Curriculum, oder sollte es
vielleicht noch ein bisschen mehr sein? Welche Rolle
spielen Zeiten für Weiter- und Fortbildungen, Krank-
heitsvertretungen, Leiterinnenstunden bei der Berech-
nung des Personalschlüssels? Um all diese Fragen geht
es.

Es geht auch um die Frage – Herr Weinberg hat ja das
Programm „Frühe Chancen“ angesprochen –: Brauchen
wir Sonderprogramme für die Sprachbildung? Oder ge-
hört das nicht eher zu der allgemeinen Aufgabe von Kin-
dertagesbetreuung, alltagsintegriert und in jeder Einrich-
tung, und nicht nur in einem Bruchteil der Kitas?
Müssen diese dann nicht auch in ein schlüssiges, finan-
ziell untersetztes Qualitätskonzept einbezogen werden?

All diese Fragen werden seit Jahren in der Fachwelt
benannt und seit einigen Monaten von den Verbänden
auch ganz konkret diskutiert. Ich bin deshalb den Grü-
nen sehr dankbar, dass sie mit diesem Antrag die Diskus-
sion darüber auch in dieses Hohe Haus tragen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Ministerin sollte diese Debatte, wenn sie sich das
Protokoll durchliest, eines deutlich zeigen: Eine Diskus-
sion über die Qualität der Angebote ist dringend notwen-
dig. Wir brauchen sie, denn Notlösungen und Ausweich-
taktiken wie in Sachsen machen sonst, wenn sie zur
Normalität werden, den Weg schwer.

Auch das gestern mit den Ländern beratene Paket von
6 Milliarden Euro für Kitas, Schulen und Unis wird nicht
die letztendliche Lösung sein, denn in keinem der Berei-
che wird es ausreichen. Ich kann die Ministerin nur auf-
fordern: Folgen Sie dem, was Sie von Kristina Schröder
gefordert haben: Nicht kleckern, sondern klotzen beim
Ausbau der Kitabetreuung!

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803714600

Danke Frau Kollegin. – Nächster Redner ist Sönke

Rix für die SPD.


(Beifall bei der SPD)



Sönke Rix (SPD):
Rede ID: ID1803714700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben einen Meilenstein erreicht. Ich bin sehr dank-
bar für das Lob darüber, dass wir mit den sehr wichtigen
Bausteinen Elternzeit und Elterngeld, die wir in der letz-
ten Großen Koalition auf den Weg gebracht haben,


(Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Aha!)


nicht nur etwas für die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf gemacht haben, sondern dass wir auch mit dem
Ausbau der Krippenplätze dazu beigetragen haben, dass
Familie und Beruf besser unter einen Hut gebracht wer-
den können. Das sind wirklich Meilensteine.

Wir haben aber auch von Anfang an, liebe Kollegin-
nen und Kollegen, die frühkindliche Bildung mit in den
Blick genommen. Ich will betonen, dass wir das nicht
erst jetzt aufgrund des Antrags der Grünen entdecken.
Aber ich gebe zu, es hätte eher, schneller und besser aus
einem Guss kommen können. Es ist gar keine Frage: Wir
haben erst Elternzeit und dann Elterngeld eingeführt.
Danach kamen die Krippenplätze. Dann fiel uns ein,
dass wir dabei die frühkindliche Bildung nicht vergessen
dürfen und nicht nur Verwahranstalten einrichten dürfen.
Wir haben es jedenfalls hinbekommen.

An dieser Stelle sollten wir ruhig einmal denen dan-
ken, die diese Mammutaufgabe vor Ort erfüllen. Das
sind nicht nur die Länder und die Kommunen, die das
Geld verteilen und die Organisation leisten, sondern es
sind vor allem die Träger, die Einrichtungen und die
Fachkräfte vor Ort. Das ist eine große Herausforderung.
Dafür vielen Dank.


(Beifall im ganzen Hause)


Ich will an die Kritik anknüpfen, das seien, wie es in
der Süddeutschen hieß, so eine Art Verwahranstalten
oder wie man das auch immer nennen mag, da passiere
nicht viel außer Saubermachen und Füttern.


(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat niemand gesagt!)


– Gut, vielleicht ist das ein falscher Zungenschlag. – Mit
solchen Äußerungen tut man jedenfalls den Kolleginnen
und Kollegen – ich darf Kolleginnen und Kollegen sa-
gen, da ich selber staatlich anerkannter Erzieher bin –
vor Ort unrecht.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Der Anspruch ist ja tatsächlich größer geworden. Zu der
Zeit, als die allermeisten aus diesem Haus im Kindergar-
ten waren, war es etwas anderes. Man war von 9 bis
12 Uhr im Kindergarten – ich sage es etwas despektier-
lich –, damit Mama einkaufen gehen konnte.


(Diana Golze [DIE LINKE]: Bei mir nicht!)


– Nicht bei allen. Bei Ihnen nicht. Deswegen ist aus Ih-
nen ja auch etwas geworden, Frau Golze.

Ich will nur sagen, dass sich die Situation sehr stark
gewandelt hat. Der Druck auf die Einrichtung ist auch
viel größer geworden. Der Anspruch ist nicht nur größer
geworden, weil die Kinder mehr Zeit verbringen in den
Kindertagesstätten, sondern der Anspruch ist auch grö-
ßer geworden, weil vieles von dem aufgefangen bzw. er-
gänzt werden muss, was Eltern nicht schaffen oder nicht





Sönke Rix


(A) (C)



(D)(B)

leisten können, weil sie keine Zeit haben. Ich warne aber
auch davor, den Einrichtungen vor Ort, den Schulen und
den Kindertagesstätten, zu viel aufzubürden. Sie können
und müssen nicht all das auffangen, was eigentlich Auf-
gabe der Erziehung durch die Eltern ist. Aber wir müs-
sen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die
Einrichtungen nicht nur Verwahranstalten sind. Das tun
wir auch, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Das tun wir zum einen mit dem schon angesproche-
nen Programm „Frühe Chancen“. Wir haben es nicht
aufgegeben. Im Koalitionsvertrag steht – das wird auch
in der nächsten Zeit bei den Haushaltsberatungen eine
Rolle spielen –, dass wir es ausbauen und verstetigen
wollen. Wesentlich ist ja nicht nur der Personalschlüssel,
sondern auch der Punkt, wie qualifiziert die Förderung
der Kinder ist, bei denen die Einrichtungen Defizite von
zu Hause aufarbeiten müssen. Sprachförderung spielt
dabei eine ganz wesentliche Rolle. Gerade in Ballungs-
zentren wie Berlin und Frankfurt spielt diese Frage eine
größere Rolle, weil diese Probleme dort vor Ort sehr
stark vertreten sind. Es ist gut, dass wir uns da als Bund
einmischen.

Eine andere Sache – ich greife das Stichwort „einmi-
schen“ auf –: Ist es eigentlich unsere Aufgabe, dafür zu
sorgen, einen Personalschlüssel zu erstellen? Nehmen
wir uns hier nicht wieder einer Aufgabe an, die eigent-
lich gar nicht bei uns, sondern bei den Kommunen und
Ländern angesiedelt ist? Ich bin sehr dafür, dass wir be-
züglich des Personalschlüssels zu einheitlichen und ver-
gleichbaren Standards in den Ländern kommen. Ich bin
aber nicht dafür, dass wir noch eine weitere Aufgabe an
uns ziehen und anschließend feststellen, dass wir sie gar
nicht finanzieren können. Die Aufgabe, einen Personal-
schlüssel zu erstellen, liegt bei den Ländern. Das ist auch
richtig so.

Nichtsdestotrotz würde ich mich freuen, wenn sich
die zuständigen Fachministerinnen und Fachminister
von Bund und Ländern intensiver darüber austauschen,
in welcher Art und Weise und in welcher Qualität die
Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern stattfindet.
In 16 Bundesländern gibt es fast 16 unterschiedliche
Ausbildungswege. Das ist keine Wertschätzung der Per-
sonen, die diese Arbeit leisten. Fast jeder andere Beruf
hat eine einheitliche Ausbildung. Aber ausgerechnet die-
jenigen, denen wir unsere Kinder am Anfang ihrer Le-
benszeit anvertrauen, haben keine einheitliche Ausbil-
dung. Wir sollten dazu beitragen, dass der Beruf stärker
vereinheitlicht wird, und dazu sollten wir mit den Län-
dern intensiv ins Gespräch kommen.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist übrigens nicht nur eine Aufgabe der Familien-
und Jugendminister, sondern auch die Bildungsminister
sind dafür zuständig.

Eine andere Frage ist die der Bezahlung. Auch das hat
etwas mit der Wertschätzung des Personals zu tun, das
wir in den Kindertagesstätten haben. Dies wiederum hat
etwas mit der Ausbildungssituation zu tun: Auf der einen
Seite mache ich vier, fünf Jahre eine Ausbildung, wofür
ich kein Geld bekomme, und verdiene am Anfang nur
wenig. Solch eine Bezahlung vorzusehen, aber auf der
anderen Seite zu erwarten, dass Sprachdefizite, Defizite
aus den Familien und gesellschaftliche Probleme aufge-
fangen und vor Ort aufgearbeitet werden sollen, davor
kann man nur warnen. Deshalb müssen wir auch darüber
reden, die Bezahlung von Fachkräften in den Kinderta-
gesstätten deutlich zu verbessern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Ein letzter Punkt, den ich beim Personal neben der
Bezahlung ansprechen möchte, ist die Frage – wir reden
derzeit darüber –: Sollen wir den Beruf des Erziehers
akademisieren? Wollen wir, dass die Erzieher gleich ein
Studium absolvieren müssen, weil ihre Tätigkeit viel-
leicht genauso wertvoll ist wie die der Grundschullehrer
und -lehrerinnen? Ich persönlich – das ist aber jetzt eine
sehr spezielle Frage – würde davor warnen. Ich würde
sagen: lieber eine anständige, vielleicht sogar duale Aus-
bildung für die Erzieherinnen und Erzieher und eine qua-
litative Stärkung der frühkindlichen Bildung, indem wir
Absolventen akademischer Berufe, etwa Pädagogen und
Sozialpädagogen, verstärkt in diesen Bereich einbinden.
Ich glaube, angesichts der Komplexität wäre es sinnvoll,
dass verschiedene Menschen vor Ort dafür zuständig
sind. Dabei sollten wir die Erzieher an die erste Stelle
setzen und ihre Arbeit würdigen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803714800

Vielen Dank, Herr Kollege Rix. – Nächste Rednerin

in der Debatte ist Christina Schwarzer.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Christina Schwarzer (CDU):
Rede ID: ID1803714900

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich
glaube, unsere Ministerin hat heute Besseres zu tun; sie
wird heute nämlich 40 Jahre alt. Ich glaube, in dem Alter
kann man das noch sagen. An dieser Stelle herzlichen
Glückwunsch aus dem Familienausschuss!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803715000

Ach, das hätten wir hier aber auch schön mit ihr gefei-

ert. So ist es nicht!


(Heiterkeit)



Christina Schwarzer (CDU):
Rede ID: ID1803715100

Ja, bei Torte.





Christina Schwarzer


(A) (C)



(D)(B)


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hier ist noch ein Geburtstagskind! – Sönke Rix [SPD]: Stefan Schwartze hat auch Geburtstag!)


– Herzlichen Glückwunsch. Wenn wir schon dabei sind:
Hat noch jemand Geburtstag?


(Heiterkeit)


Zurück zum Thema. Sehr geehrte Damen und Herren,
Kindertagesbetreuung muss – gerade in den ersten Le-
bensjahren – hohen qualitativen Ansprüchen genügen.
Ich bin mir sicher, darüber sind wir uns heute im ganzen
Haus einig.

Als ich jedoch den vorliegenden Antrag der Grünen
gelesen habe, über den wir heute debattieren, war ich
schon sehr überrascht darüber, wie schlecht es scheinbar
um die Kindertagesstätten in unserem Land steht – das
zumindest lese ich in Ihrem Antrag und aus der Bericht-
erstattung in der Süddeutschen Zeitung. Diese Art der
Darstellung – das ist sicherlich kein Geheimnis – ist ei-
ner der Gründe, warum die CDU/CSU-Fraktion den vor-
liegenden Antrag ablehnen wird.


(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wissen Sie schon, bevor wir ihn beraten haben? Was ist das denn?)


Die Qualität der Kindertagesbetreuung in unseren
Kindertagesstätten ist sehr gut. In unseren Kitas arbeiten
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich jeden Tag auf-
opferungsvoll um unsere Kleinsten sorgen und sich nach
bestem Wissen und Gewissen um die ihnen anvertrauten
Kinder kümmern. Oftmals bringen diese Kinder vielfäl-
tige Herausforderungen mit sich, seien es fehlendes So-
zialverhalten, mangelnde Sprachkenntnisse, gesundheit-
liche Probleme oder, wie wir gestern gelernt haben, gar
Stress. Für unsere Erzieherinnen und Erzieher ist der
hundertprozentige Einsatz zum Wohl unserer Kinder
eine Selbstverständlichkeit. Ich denke, dies ist hier eine
gute Gelegenheit, ihnen noch einmal „Vielen Dank!“ zu
sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Es gibt im vorliegenden Antrag aber auch Punkte, mit
denen ich und meine Fraktion selbstverständlich kon-
form gehen, vor allem mit den Punkten, die wir bereits
seit Jahren umsetzen oder im Koalitionsvertrag festge-
schrieben haben. Die Einführung des Rechtsanspruchs
– Sie haben es selbst erkannt – war in der Tat ein Mei-
lenstein. Ich freue mich über diese Einsicht.

Als der Rechtsanspruch in Kraft getreten ist, war ich
noch nicht Mitglied dieses Hauses, sondern in Berlin-
Neukölln in der Kommunalpolitik tätig. Auch wenn ich
an der Entscheidung, das Recht auf einen Betreuungs-
platz für unter Dreijährige gesetzlich festzuschreiben,
noch nicht im parlamentarischen Prozess beteiligt war,
war ich von Anfang an davon überzeugt, dass sie richtig
und wichtig war. Aber selbstverständlich gilt: Unsere
Arbeit ist an dieser Stelle noch lange nicht vorbei.
Mein Heimatbezirk Neukölln befindet sich in einem
starken Wandel. Wir erleben den Zuzug junger Familien,
die ihre berechtigten Bedürfnisse hinsichtlich staatlicher
Infrastruktur mitbringen. Daher möchte ich sagen: Der
Ausbau der Kindertagesbetreuung ist weiterhin eine der
wichtigsten familienpolitischen Aufgaben dieser Legis-
laturperiode, und zwar ein quantitativ ausgewogener und
qualitativ optimaler Ausbau.


(Beifall der Abg. Petra Crone [SPD])


Wir werden zur weiteren Realisierung des Rechtsan-
spruchs auf U-3-Kinderbetreuung ein drittes Investi-
tionsprogramm auflegen. Die Mittel aus den Investiti-
onsprogrammen I und II sind fast vollständig bewilligt
und zu großen Teilen bereits abgerufen. Das Investiti-
onsprogramm II läuft erst in diesem Jahr aus. Ich höre
aber aus meinem Wahlkreis – Sie kennen das sicherlich
auch –, dass weiterhin großer Bedarf besteht. Wir müs-
sen also nachlegen, und das werden wir auch tun.

Das Thema Qualität steht selbstverständlich auch in
unserem Fokus. Die Erzieherinnen und Erzieher in unse-
ren Einrichtungen werden wir bestmöglich unterstützen
und die Kindertagespflege und ihr Berufsbild weiterhin
stärken. Und wir müssen uns darum kümmern, ihnen
weitere qualifizierte Kolleginnen und Kollegen zur Seite
zu stellen. Wir werden weiter offensiv für die Gewin-
nung von Fachkräften im Bereich Kinderbetreuung wer-
ben. Natürlich setzen wir uns auch mit der Frage der Per-
sonalausstattung auseinander. Die Qualifizierung von
Tagespflegepersonen und die Rahmenbedingungen für
ihre Tätigkeit müssen weiterhin verbessert werden. So
wird die Kindertagespflege in das Gesamtkonzept einer
qualitativ hochwertigen Betreuung, Erziehung und Bil-
dung eingebunden.

Gestatten Sie mir noch eine Nebenbemerkung: Wir
sprechen hier und heute von der Qualität der Kinderbe-
treuung in der Kindertagesstätte oder in anderen Einrich-
tungen. Was wir jedoch nicht vergessen sollten, ist: Gute
und qualitative Kinderbetreuung gibt es auch in den Fa-
milien. Wenn wir von frühkindlicher Bildung sprechen,
sprechen wir nicht vom berühmten Chinesischunterricht
in der Vorschule. Wir sprechen vor allen Dingen über
das, was unsere fürsorglichen Mütter und Väter ihren
Kindern in den ersten Monaten und Jahren ihres Lebens
mitgeben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich fürchte, das wird in dieser Debatte manchmal ver-
gessen.

Mein Fazit. Der Kitaausbau hat uns vor große Heraus-
forderungen gestellt. Wir haben viel Geld in die Hand
genommen, Personalschlüssel verbessert und Gruppen
verkleinert. Große Anstrengungen, die es wert sind – im
Sinne unserer Kleinsten und der berechtigten Forderun-
gen nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und der
Kitaausbau wird uns weiter herausfordern. Frühkindli-
che Bildung braucht, gerade unter föderalen Bedingun-
gen, verlässliche Qualitätsstandards. Quantität und Qua-
lität des Ausbaus müssen Hand in Hand gehen. Daran





Christina Schwarzer


(A) (C)



(D)(B)

werden wir weiter arbeiten – mit einem umfassenden,
ganzheitlichen Konzept.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803715200

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Das ganze Haus gratu-

liert Ihnen zu Ihrer ersten Rede hier im Bundestag.


(Beifall)


Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrer zukunftsbe-
deutenden Arbeit, die Sie hier machen.

Ich rufe jetzt Svenja Stadler für die SPD auf.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Svenja Stadler (SPD):
Rede ID: ID1803715300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Kennen Sie
eine familienpolitische Maßnahme, die größere Auswir-
kungen hat als die Bereitstellung frühkindlicher Bil-
dung? Und kennen Sie George Bernard Shaw? Er hat
einmal ganz treffend gesagt: „Das unterhaltsamste Spiel-
zeug eines Kindes ist ein anderes Kind.“ Kinder brau-
chen andere Kinder.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Erfahrungen, die sie in einer Kita machen, die früh-
kindliche Bildung, die sie dort erfahren, gehören zu dem
Besten und Wichtigsten, was wir unseren Kindern mit-
geben können.

Es war daher ein großer und vor allem ein mutiger
Schritt, als die SPD den Rechtsanspruch auf einen Be-
treuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr durchgesetzt
hat. Seit dem 1. August 2013 haben alle Kinder ab eins
einen Anspruch auf die Förderung in einer Kita oder
Kindertagespflege. Das ist ein Meilenstein in der deut-
schen Familienpolitik, ein Meilenstein, auf den wir stolz
sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Ausbau der Betreuungsplätze läuft deutschland-
weit auf Hochtouren, und der Bund lässt die Länder und
Kommunen bei dieser wichtigen gesamtgesellschaftli-
chen Aufgabe bestimmt nicht im Stich: 5,4 Milliarden
Euro werden den Ländern bis 2014 insgesamt für die
Kosten des Ausbaus der U-3-Betreuung zur Verfügung
gestellt. 5,4 Milliarden Euro! Ab dem nächsten Jahr
stellt der Bund dann jährlich 845 Millionen Euro für die
Betriebskosten der Kitas bereit, und das dauerhaft. Da-
mit schaffen wir die Voraussetzungen für eine flächende-
ckende Versorgung mit guten Betreuungsangeboten.

Doch es kann – und in diesem Punkt stimme ich Ih-
rem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von den
Grünen, völlig zu – nicht nur um Platzzahlen gehen,
auch die Qualität muss stimmen. Gute Bildung, Betreu-
ung und Erziehung setzen gute Rahmenbedingungen vo-
raus.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es geht um nichts weniger als um die Förderung und die
Zukunft unserer Kinder. Hier besteht derzeit in einigen
Bereichen noch Nachholbedarf – keine Frage. Dies zeigt
auch die Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreu-
ung und Erziehung in der frühen Kindheit.

Fakt ist aber doch: In Deutschland hat sich in den ver-
gangenen Jahren viel getan. In allen Bundesländern wur-
den Bildungspläne und Sprachförderkonzepte in der
frühkindlichen Bildung erarbeitet und umgesetzt. Zu-
sätzliche Erzieherstellen wurden geschaffen. Das bedeu-
tet mehr Zeit und bessere Betreuung für jedes einzelne
Kind.

Die Einführung des Rechtsanspruchs war ein Meilen-
stein. Aber natürlich ist der Weg damit noch lange nicht
zu Ende. Als nächsten Schritt wünsche ich mir ganz per-
sönlich einen weiteren flächendeckenden Ausbau guter
Ganztagsschulangebote; denn wir, die SPD, wollen, dass
Eltern endlich unabhängig und selbstständig entscheiden
können, wie sie Beruf und Familie miteinander verein-
baren, ohne von äußeren Zwängen in ein bestimmtes
Modell gedrängt zu werden.


(Beifall bei der SPD)


Übrigens zielt in diese Richtung auch die kürzlich
von Manuela Schwesig vorgestellte Reform des Bundes-
elterngeld- und Elternzeitgesetzes. Jede Familie soll den
für sie richtigen Weg finden, um Familie und Beruf zu
vereinbaren. Durch das ElterngeldPlus und den Partner-
schaftsbonus flexibilisieren wir die Elternzeit. Wir er-
möglichen Eltern, individueller zu sein und mehr Zeit
für und mit ihren Familien zu haben.


(Beifall bei der SPD – Petra Crone [SPD]: Sehr richtig!)


Diese Verbesserung der Arbeits- und Elternzeiten
muss einen weiteren Ausbau der Betreuungsangebote
nach sich ziehen – ist ja logisch. Ohne eine ausreichende
Versorgung mit qualitativ hochwertigen Betreuungsan-
geboten werden junge Eltern die geschaffenen Wahl-
möglichkeiten nicht ausschöpfen können. Langfristig
kämpfen wir deshalb dafür, dass jede Familie überall in
Deutschland ein ganztägiges Betreuungsangebot vorfin-
det, ein Betreuungsangebot, das zu ihr und ihren Lebens-
umständen passt, damit jedes Kind in Deutschland die
Chance erhält, mit anderen Kindern zu spielen und zu
lernen – unabhängig von seiner Herkunft, unabhängig
von Handicaps, unabhängig vom sozialen Status seiner
Eltern.

Lassen Sie uns gemeinsam weiter für dieses Ziel ar-
beiten. Packen wir es an!

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803715400

Vielen Dank, Frau Kollegin Stadler. Auch Ihnen gra-

tuliert das ganze Haus zu Ihrer ersten Rede.


(Beifall)


Auch Ihnen wünschen wir viel Erfolg und Durchset-
zungskraft bei Ihrer Arbeit hier im Deutschen Bundes-
tag.

Zum Abschluss dieser Aussprache hat das Wort Paul
Lehrieder für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Crone [SPD])



Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1803715500

Frau Vizepräsidentin Roth! Sehr geehrte Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es freut
mich, Frau Vizepräsidentin, dass Sie mich als krönenden
Höhepunkt dieser Plenarwoche angekündigt haben.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD – Beifall der Abg. Svenja Stadler [SPD])


Ich darf zunächst die Gelegenheit nutzen, Ihnen, Herr
Kollege Schwartze, zu Ihrem heutigen Geburtstag alles
Gute zu wünschen. Wir haben seit Jahren das Vergnü-
gen, im Petitionsausschuss und mittlerweile auch im Fa-
milienausschuss zusammenzuarbeiten. Es macht Spaß,
mit offenem Visier mit Ihnen um richtige Lösungen zu
ringen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir diskutieren heute über einen Antrag der Grünen,
der in vielen Bereichen sicherlich sinnvolle Anregungen
enthält, der aber – hierauf hat Kollege Weinberg bereits
hingewiesen – vom Prozedere her einen etwas unglückli-
chen Weg genommen hat. Auch ich bin am Dienstagmit-
tag von einer großen deutschen Zeitung angerufen wor-
den. Ich sollte etwas zu dem Antrag der Grünen sagen.
Ich sagte: Ich kenne ihn leider noch nicht. Dann wollte
mir die Dame von der Zeitung den Antrag vorlesen. Ich
sagte: Ich hätte ihn gerne vor mir liegen. – Vielleicht
können wir es in Zukunft so machen, Frau Kollegin
Brantner, dass Sie die Anträge zumindest parallel den
Kollegen zur Verfügung stellen, damit wir sprechfähig
sind. Dann können wir das, was Sie uns Gutes vorschla-
gen, viel wohlwollender prüfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Es ist richtig – Frau Kollegin Brantner, Sie haben das
in Ihrer Rede völlig zu Recht angedeutet –: Der Ausbau
der Krippen war ein Meilenstein. Das ist tatsächlich eine
historische Leistung gewesen.


(Nadine Schön [St. Wendel] [CDU/CSU]: Durch von der Leyen!)


Mit dem seit dem 1. August 2013 geltenden Rechtsan-
spruch auf einen Krippenplatz haben wir hinsichtlich der
Quantität viel geleistet.
Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen,
mich bei den Ländern und bei den Kommunen sehr herz-
lich zu bedanken. Das geht ja nur gemeinsam. Es ist ja
nicht so, dass wir als Bund sagen können: Ihr müsst das
machen. Es gilt das Konnexitätsprinzip. Wir müssen mit
den Ländern vernünftige Lösungen finden. Ich darf Sie
darauf hinweisen, Frau Kollegin Brantner


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Bei Frau Ursula von der Leyen müssen wir uns auch noch bedanken!)


– Herr PGF, lenken Sie bitte die Kollegin von den Grü-
nen nicht ab, wenn ich sie anspreche –, dass gestern und
heute in Mainz die Familienministerkonferenz der Lan-
desfamilienminister mit der Bundesfamilienministerin
stattgefunden hat. Wir stehen in engem Kontakt. Natür-
lich haben wir das Anliegen, das Sie in diesem Antrag
ansprechen, schon längst auf dem Schirm.

Bisher haben wir in die Masse, in Zukunft wollen wir
in die Klasse der frühkindlichen Ausbildung investieren.
Ja, es ist richtig, auch ich habe natürlich nach Inkrafttre-
ten des Kinderförderungsgesetzes am 1. August 2013
feststellen dürfen: Es war ein toller Kraftakt von Bund,
Ländern und Gemeinden, der dies ermöglicht hat.

Ich will Ihnen eines sagen: Ich habe mir zu der Mate-
rie noch einmal Ihren Antrag vom 26. Juni 2013 heraus-
gesucht; er ist noch keine elf Monate alt. In diesem An-
trag haben die Grünen ausgeführt: „Die Erfüllung des
Rechtsanspruchs ab Herbst 2013 steht auf der Kippe.“
Zum Glück stimmt nicht alles, was die Grünen schrei-
ben. Damals hatten Sie noch einen anderen Schlüssel ge-
fordert. Jetzt fordern Sie eine Fachkraft-Kind-Relation
von eins zu vier für unter Dreijährige und eins zu zehn
für über Dreijährige. Im heute vorliegenden Antrag ha-
ben Sie in fünf Punkten gefordert, was alles gemacht
werden muss. Unter Punkt 6 steht dann dort ganz ver-
schämt, dass mit den Ländern und den Kommunen auch
über die Finanzierung geredet werden muss. Ich würde
schon darum bitten, dass man möglichst zeitnah mit den
Partnern, mit denen wir es zusammen erfolgreich hinbe-
kommen wollen, über diese Vorstellungen, über den In-
halt Ihres Antrags diskutiert. Trotzdem, wie gesagt:
Keine Idee ist so schlecht, dass nicht etwas Gutes darin
sein kann.

Bis Ende dieses Jahres wird sich der Bund mit insge-
samt 5,4 Milliarden Euro an den Kosten beteiligt haben.
Ab nächstem Jahr stellt der Bund für die Kosten des
Aufbaus und der Qualitätssicherung in den Kindertages-
einrichtungen dauerhaft jährlich 845 Millionen Euro be-
reit. Darüber hinaus hat der Bund weitere 550 Millionen
Euro für ein KfW-Programm zur Verfügung gestellt,
durch das Kommunen zur Schaffung und Sicherung von
U-3-Plätzen verbilligte Kredite bekommen können. Mit
diesem Programm konnten bis heute über 27 000 weitere
Betreuungsplätze geschaffen und gesichert werden.

Ich will auch anmerken, dass der U-3-Ausbau, so ra-
sant er in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen hat,
möglicherweise noch nicht am Ende ist. Hier schafft An-
gebot Nachfrage. Wir wissen, dass die 38 Prozent, die
wir derzeit haben, sicherlich nicht das Ende der Fahnen-





Paul Lehrieder


(A) (C)



(D)(B)

stange sein werden. Deshalb haben wir im Koalitions-
vertrag mit unseren Koalitionspartnern von der SPD ein
weiteres U-3-Paket vereinbart. Aber ich bitte um Ver-
ständnis, dass man in fünf Monaten nicht die ganze Welt
ändern kann. Wir werden daran arbeiten, und wir werden
die Qualität verbessern. Wir werden aber auch bei der
Quantität hinschauen müssen.

Die Kollegin Stadler hat es vorhin in ihrer ersten
Rede richtig ausgeführt: Wir werden nicht nur die U-3-
Plätze betrachten müssen – beim Kindergarten haben wir
Vollversorgung –, sondern wir sollten auch bei den über
Sechsjährigen hinschauen, bei den Kindern, die in der
Schule sind: Wie ist die Nachmittagsbetreuung gestaltet?
Was können die Länder und was können die Kommunen
da ein Stück weit machen? Wir sollten auch die Ferien-
betreuung betrachten. Diese stellt viele berufstätige
junge Mütter vor Schwierigkeiten. Nicht jeder hat zwölf
Wochen Urlaub im Jahr. Deshalb ist es angezeigt, mit
den Kommunen und Ländern auch über solche Lösun-
gen konstruktiv zu reden.

Ich bitte Sie: Kommen Sie weiterhin mit konstrukti-
ven Vorschlägen – in Zukunft etwas eher – auf uns zu.
Ich wünsche Ihnen noch ein schönes Wochenende, allen
viel Spaß beim Wolkenzählen und Stefan Schwartze viel
Spaß beim Biertrinken heute Nachmittag im Biergarten.

Alles Gute und ein schönes Wochenende.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1803715600

Vielen Dank, unserem Höhepunktredner Herrn

Lehrieder. – Auch von mir, lieber Herr Schwartze, alles
Gute zu Ihrem kugelrunden Geburtstag, eigentlich dop-
pelt und dreifach abgesichert am Tag des Grundgesetzes,
am Tag Ihrer Partei. Dieser Geburtstag wird wahrschein-
lich nie vergessen. Bitte genießen Sie den Tag.

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/1459 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie einverstan-
den? – Ja. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Mittwoch, den 4. Juni 2014, 13 Uhr, ein.

Ich wünsche uns ein gutes Wochenende. Ich glaube,
den Kolleginnen und Kollegen brauche ich nicht zu sa-
gen, dass sie zur Europawahl gehen sollen. Aber viel-
leicht kann ich hier bei Ihnen, meine sehr geehrten Da-
men und Herren, noch einmal werben. Es ist nämlich,
wie Sie jetzt gemerkt haben, überhaupt nicht egal, wer in
einem Parlament sitzt. Gehen Sie zur Europawahl! Wäh-
len Sie die demokratischen Parteien, die für mehr Eu-
ropa, die für ein besseres Europa stehen. Das ist, glaube
ich, die allerwichtigste Botschaft an diesem Tag, an dem
wir nicht nur den Geburtstag von Herrn Schwartze fei-
ern, sondern auch den Geburtstag unseres Grundgeset-
zes.

Ich wünsche Ihnen ein schönes, erfolgreiches und eu-
ropäisches Wochenende.


(Beifall)


Die Sitzung ist geschlossen.