Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 19 a bis 19 c auf:a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bun-desregierung eingebrachten Entwurfs einesGesetzes über Leistungsverbesserungen inder gesetzlichen Rentenversicherung
Drucksache 18/909Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
Drucksache 18/1489
Drucksache 18/1490b) Zweite und dritte Beratung des von den Abge-ordneten Sabine Zimmermann ,Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, weiterenAbgeordneten und der Fraktion DIE LINKE ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ver-besserung des ErwerbsminderungsschutzesDrucksache 18/9Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-schusses für Arbeit und Soziales
Drucksache 18/148c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
– zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias
und der Fraktion DIE LINKEVollständige Gleichstellung und gerechteFinanzierung der Kindererziehungszeitenin der Rente umsetzen – Mütterrente ver-bessern– zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias
und der Fraktion DIE LINKERentenniveau anheben, Leistungen ver-bessern und die wesentlichen Ursachen fürsinkende Renten und Altersarmut be-kämpfenDrucksachen 18/765, 18/767, 18/1489Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegendrei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. DesWeiteren liegen ein Entschließungsantrag der Fraktionender CDU/CSU und der SPD sowie je ein Entschlie-ßungsantrag der Fraktion Die Linke und der FraktionBündnis 90/Die Grünen vor. Über die drei Änderungsan-träge sowie über den Gesetzentwurf der Bundesregie-rung werden wir später namentlich abstimmen. Insge-samt werden wir vier namentliche Abstimmungendurchführen.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Bun-desministerin Andrea Nahles.
Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit undSoziales:Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inden letzten 15 Jahren haben wir in diesem Haus weitrei-chende Reformen beschlossen, Reformen, die Deutsch-land und Europa stabilisiert haben. Diese Reformen ha-ben auch den Wohlstand in Deutschland gesichert.Durch eine kluge Politik wurden neue Spielräume eröff-net. Zu diesen Reformen haben die Bürgerinnen undBürger unseres Landes einen enormen Beitrag geleistet.Wir haben ihnen auch einiges abverlangt. Für viele wardas nicht einfach. Mit dem heute vorliegenden Renten-
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Bundesministerin Andrea Nahles
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paket können wir nun die Arbeit und die Lebensleistungunserer Bürgerinnen und Bürger würdigen. Wir könnenein deutliches Signal setzen, dass vom Wohlstand in die-sem Land auch diejenigen profitieren, die ihn mit ge-schaffen haben.
Das ist der Kern des Rentenpaketes, das heute hier vor-liegt.Nicht nur harte Arbeit und die Reformfähigkeit unse-res Landes haben dazu beigetragen, dass wir heute Vor-reiter in Europa sind. Es liegt auch und nicht zuletzt amZusammenhalt in unserem Land, an unserer Bereit-schaft, füreinander einzustehen, an einer starken Sozial-partnerschaft. Es liegt, mit anderen Worten, an gelebterSolidarität: Solidarität zwischen Jungen und Alten, zwi-schen Reichen und Armen, Starken und Schwachen.Dass unsere Sozialsysteme stabil sind, ist aber keinSelbstläufer. Sie müssen immer wieder erneuert und an-gepasst werden. Genau da setzt das Rentenpaket an. DieMenschen nehmen es im Übrigen auch so wahr. Eineüberwiegende Mehrheit in unserem Land sagt: DiesesRentenpaket ist gerecht und notwendig.
Dass Leistung und Solidarität in der richtigen Balancesind, haben wir uns in den letzten Monaten zusammenerarbeitet. Mein Dank geht deshalb zuallererst an die Re-gierungsfraktionen. Gemeinsam haben wir gute Lösun-gen zur Verhinderung missbräuchlicher Frühverren-tungen gefunden und auch flexiblere Übergänge in dieRente ermöglicht. Das hat die Sache rund gemacht. Derkonstruktive Einsatz der beiden Fraktionsvorsitzendenhat im Schlussspurt viel zum Gelingen beigetragen. Des-wegen möchte ich Ihnen, lieber Volker Kauder, und auchdir, lieber Thomas Oppermann, meinen persönlichenDank für diese gute Zusammenarbeit aussprechen.
Genauso wichtig wie die genannten beiden Punkte istmir, dass wir uns darüber verständigen konnten, kurzeZeiten der Arbeitslosigkeit bei der Rente ab 63 anzuer-kennen. Das ist nur fair, meine lieben Kolleginnen undKollegen.
Menschen und Medien in unserem Land behauptengern, die großen Parteien seien nicht mehr unterscheid-bar. Die Debatte der letzten Monate und das Ringen umdas Rentenpaket haben gezeigt, dass es Unterschiedegibt. Aber Union und SPD haben auch gezeigt, dass wirin der Lage sind, mit der notwendigen Ernsthaftigkeit,mit solidem politischem Handwerk
und mit dem Blick fürs Ganze zu guten Ergebnissen zukommen. Unser gemeinsames Ziel ist es, dass es denMenschen in unserem Land gut geht. Unser gemeinsa-mes Ziel ist es, dass Leistung sich lohnt und anerkanntwird. Unser gemeinsames Ziel ist es, gelebte Solidaritätals Grundprinzip unserer Gesellschaft zu stärken.
Deshalb ist das, was wir heute vorlegen, ein gutes Ergeb-nis für den Zusammenhalt und die Stabilität in Deutsch-land.Mit der Stärkung des Prinzips „Reha vor Rente“ sor-gen wir dafür, dass Menschen erst gar nicht in die Er-werbsminderung kommen. Mit der Verbesserung der Er-werbsminderungsrente sorgen wir für Solidarität mitdenen, die wirklich nicht mehr können. Mit der Mütter-rente erkennen wir die großartige Leistung von Millio-nen Müttern und auch Vätern an. Das ist nicht ge-schenkt. Mit der abschlagsfreien Rente mit 63 geben wirdenen Anerkennung, die früh angefangen und 45 Jahrelang ihren Beitrag geleistet haben. Das ist verdient.
Zu guter Letzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, schaf-fen wir die Möglichkeit, dass die, die länger arbeitenwollen, das auch können.
Wir passen die Rente den veränderten Lebensbedin-gungen der Menschen in unserem Land an. Die Arbeits-welt hat sich verändert. Die Biografien haben sich verän-dert. Die Lebenswege sind nicht mehr so vorgezeichnet,nicht mehr so planbar wie in der Vergangenheit. So kanneben beides sein: Wer 45 Jahre hart gearbeitet hat, sollfrüher ohne Abschläge gehen; wer noch fit ist und wei-termachen möchte, soll länger arbeiten dürfen. Das isteben: Rente flexibler machen.
Wir passen die Rente den veränderten Lebensbiografienan, und wir haben damit gerade erst begonnen.Aus all diesen Gründen bitte ich Sie sehr herzlich umIhre Zustimmung. Ich bitte Sie auch noch aus einem an-deren Grund um Zustimmung. Mit diesem Rentenpaketlösen wir ein, was wir den Menschen versprochen haben.Mit diesem Rentenpaket halten wir Wort. Auch das istein wichtiges und gutes Signal für unsere Bürgerinnenund Bürger.Vielen Dank.
Als nächstem Redner erteile ich das Wort Matthias W.
Birkwald, Die Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-ren! Frau Bundesministerin Nahles, mit Ihrem Renten-paket haben Sie durchaus etwas geschafft:
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Matthias W. Birkwald
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Erstens. Millionen Mütter, die ihre Kinder vor 1992bekommen haben, werden sich am 1. Juli freuen, dassdie Erziehung ihrer Kinder in der Rente besser anerkanntwird,
vor allem im Westen, etwas weniger im Osten.Zweitens. Der im Juli 1951 geborene Industriemecha-niker und die im Dezember 1952 geborene Verkäuferin,die beide 45 Jahre Beiträge in die Rentenkasse gezahlthaben, werden sich freuen, in diesem bzw. im kommen-den Jahr an ihrem 63. Geburtstag ohne Abschläge inRente gehen zu können.
Drittens – Frau Nahles, Sie können übrigens zuhören;ich lobe Sie – wird sich die Altenpflegerin mit dem völ-lig kaputten Rücken, die am 1. Juli in Erwerbsminde-rungsrente gehen muss, über durchschnittlich 36 Euromehr Erwerbsminderungsrente freuen.Ja, manches wird besser.
Das ist gut, und das erkennt die Linke ausdrücklich an.
Aber vieles bleibt so schlecht, wie es ist. Das Rentenni-veau sinkt für alle. Daran ändern Sie nichts.
Das heißt, der Lebensstandard der Rentnerinnen undRentner sinkt immer weiter.
Sie halten am Zwang zur privaten Altersvorsorge fest,und Sie halten an der unsäglichen Rente erst ab 67 fest.Das, Frau Nahles, ist unverantwortlich.
Meine Damen und Herren, der 28-jährige Program-mierer Jens Patzke aus Köln sagt zu diesen Sündenfäl-len, also der Rentenkürzung und der Rente erst ab 67,klipp und klar: Ich würde gerne zwei, drei Prozent mehrRentenbeitrag zahlen, damit wir alle mehr Rente bekom-men und früher in Rente gehen können.Das ist nachzulesen in der aktuellen metallzeitung.Jens Patzke sagt zur Rente ab 63 bzw. 65: Es wäre ge-rechter, wenn die Rente ab 63 für alle gelten würde.– Recht hat er. Die Altersgrenze soll nicht auf 65 anstei-gen – auch für die Jungen nicht.
Er erkennt in dem Interview auch die Lebensleistungseiner älteren Kolleginnen und Kollegen neidlos an, imGegensatz zu den vielen Gegnern der Rente ab 63 in derCDU/CSU und auch im Gegensatz zu vielen Grünen.Die Grünen lehnen nämlich das Rentenpaket ab, weil esihnen viel zu weit geht. Wir Linken enthalten uns bei derAbstimmung über das Rentenpaket, weil es uns nichtweit genug geht.
Wir Linken werden uns enthalten, weil das Rentenpaketviel zu gut ist, um es abzulehnen, und weil es viel zuschlecht ist, um zuzustimmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, vor vierTagen sind Sie bei Ihrem sogenannten Rentenkompro-miss wieder einmal vor dem CDU-Wirtschaftsflügel desHerrn von Stetten eingeknickt. Okay, Sie wollen, dassÄltere auch nach Erreichen ihrer Regelaltersgrenze in ih-rem Job weiterarbeiten können. Das ist gut und schön.Ich freue mich über jede 65-jährige Buchhalterin, die ineinem guten Betrieb zu einem guten Gehalt arbeitet, sichfit fühlt und sich dann mit ihrem Chef darauf einigt, wei-terzumachen. Aber auf dem Bau werden Sie da wohlniemanden finden. Gerade einmal 11,7 Prozent der so-zialversicherungspflichtig beschäftigten Männer dieserBranche sind 55 Jahre oder älter. Genau diese Menschenbrauchen die Unterstützung der Politik:
ältere Beschäftigte, denen das Unternehmen über Jahrehinweg jede Weiterbildung verweigert hat oder die kranksind, sich aber trotzdem Tag für Tag zur Arbeit schlep-pen, oder die mit dem Tempo und den neuen Methodendes Juniorchefs nicht mehr mitkommen. Vor allem fürdiese Menschen muss etwas getan werden.
Dazu findet sich kein Wort in Ihrem Kompromiss.Oder habe ich da etwas überlesen? Gründen Sie etwaeine Kommission gegen die absolut unakzeptablen Ar-beitsbedingungen von älteren Bauarbeitern und älterenKrankenschwestern? Nein, das tun Sie natürlich nicht.Diese Menschen bekommen keine Reha und nur einemickrige Erhöhung der Erwerbsminderungsrente, weilwegen der Mütterrente, die Sie fälschlicherweise ausBeiträgen finanzieren, kein Geld mehr in der Renten-kasse ist. Das ist die soziale Schieflage Ihres Rentenpa-ketes, und das ist der eigentliche Skandal.
Meine Damen und Herren von der Koalition, dasRentenpaket hat noch mehr Gerechtigkeitslücken. Sierechnen Hartz-IV-Zeiten nicht auf die 45 Beitragsjahrefür die Rente ab 63 an. Wer einmal vier Jahre arbeitsloswar, hat genauso viel oder wenig in seinem Arbeitslebengeleistet wie jemand, der viermal ein Jahr arbeitslos war.Die eine bekommt die Rente ab 63 bzw. 65, der anderenicht. Das ist ungerecht.
Aber es kommt noch dicker. Am Montag haben SieIhren rollierenden Stichtag verabredet. Zwei Jahre vor
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Matthias W. Birkwald
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der Rente ab 63 darf man in Ihrer Welt nicht mehr ar-beitslos werden; denn diese werden dann nicht mehr aufdie 45 Jahre Wartezeit angerechnet.
Das ist nicht nur ungerecht, sondern einfach auch eineSauerei!
Frau Ministerin, dazu ein Beispiel. Sie kommen ja ausdem schönen Rheinland-Pfalz. Sie wissen: Der Nähma-schinenhersteller Pfaff stand vergangenes Jahr vor derdritten Insolvenz. Die konnte zum Glück verhindert wer-den – nicht von der Politik. Nein, die Firma konnte ge-rettet werden, weil 40 von 220 Mitarbeiterinnen undMitarbeitern freiwillig und solidarisch in eine Beschäfti-gungsgesellschaft gewechselt sind. Ein Pfaff-Mitarbeiterist an seinem 60. Geburtstag in diese Gesellschaft ge-wechselt, um damit die Kündigung eines Jüngeren zuverhindern. Das hat auch geklappt.Dank der Zeit in der Beschäftigungsgesellschaft undanschließend zwei Jahren Arbeitslosigkeit konnte er sichauf die Rente ab 63 ohne Abschläge freuen – bis vergan-genen Montag. Da kam Ihr rollierendes Monster ausAngst vor der Frühverrentung – für Ihren Koalitionsfrie-den. Die zwei Jahre Arbeitslosigkeit vor dem 63. Ge-burtstag zählen plötzlich nicht mehr zu den 45 Versiche-rungsjahren. Das heißt, dieser Kollege wird von Ihnenallen dafür bestraft, dass er den Arbeitsplatz eines jünge-ren Kollegen gerettet hat. So schafft der CDU-Wirt-schaftsflügel Generationenkonflikte. Ist das, was ich ge-schildert habe, etwa die Form von Frühverrentung, dieSie unbedingt verhindern wollen? Nein, das ist solida-risch. Darum fordert die Linke: Stampfen Sie diesen rol-lierenden Stichtag ein!
Und schließlich: Schließen Sie von den vielen Ge-rechtigkeitslücken Ihres Rentenpaketes wenigstens diefolgenden drei:Erstens. Finanzieren Sie die Mütterrente aus Steuer-geldern. Das ist gerecht,
und das schafft finanzielle Spielräume für höhere Rentenfür alle. Ich will es hier noch einmal deutlich sagen: AlleGewerkschaften, alle Arbeitgeber, alle Sozialverbände,die Linke, die Grünen und vor allen Dingen alle sachver-ständigen Professoren in der Anhörung des Bundestags-ausschusses für Arbeit und Soziales haben Ihnen gesagt,dass die Mütterrente aus Steuergeldern finanziert werdenmuss. Bei dieser Breite: Hören Sie doch einmal auf denRat der Sachverständigen! Machen Sie es einfach! Kin-dererziehung geht alle an.
Zweitens. Hören Sie auf den Appell der Fraueninitia-tive der Volkssolidarität „Gleiche Mütterrente in Ost undWest“,
und sorgen Sie dafür, dass die vielen Mütter und die we-nigen Väter für ihr Kind 86 Euro auf dem Rentenkontogutgeschrieben bekommen – egal, ob es 1970 in Dresdenoder 1998 in Düsseldorf geboren wurde.
Drittens. Schaffen Sie die willkürlichen Kürzungenvon 10,8 Prozent bei den Erwerbsminderungsrenten end-lich ab, und verlängern Sie die Zurechnungszeit um dreiJahre! Das brächte durchschnittlich 130 Euro mehr imMonat, und es hülfe vielen kranken Rentnerinnen undRentnern aus der Sozialhilfe heraus.Meine Damen und Herren, unsere Vorschläge zu alldem liegen auf dem Tisch. Stimmen Sie ihnen zu – imInteresse der Menschen!Herzlichen Dank.
Als nächstem Redner erteile ich das Wort Karl
Schiewerling, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Mehr Gerechtigkeit für Mil-lionen Mütter, Anerkennung von Lebensleistung, besseresoziale Absicherung bei Erwerbsminderung, Hilfestellun-gen, die berufliche Tätigkeit nach Krankheit wieder fort-setzen zu können, neue Perspektiven beim Übergang ausdem Arbeitsleben in die Ruhephase: Das ist Inhalt desgemeinsam verhandelten Rentenpaketes. Es ist ein gutesRentenpaket. Wir helfen vielen Menschen. Deswegenwird die CDU/CSU-Fraktion dem auch zustimmen.
Insbesondere die Verbesserung der Rente und derRentenansprüche für Millionen von Frauen, die vor 1992Kinder geboren und erzogen haben, ist ein Herzensanlie-gen vieler Frauenverbände wie der Frauen-Union, derKatholischen Frauengemeinschaft Deutschlands unddem Deutschen LandFrauenverband. Sie haben dieses indie Union hineingetragen, das wurde von uns aufgegrif-fen, und wir setzen es jetzt um. Meine Damen und Her-ren, das ist ein gutes Zeichen, das wir hier für diese be-troffenen Frauen setzen.
Warum tun wir das? Wir tun das, weil es um Generati-onengerechtigkeit geht. Unserer Generation ginge esheute nicht so gut, hätten diese Frauen nicht Kinder ge-boren und erzogen – und zwar zu Rahmenbedingungen,
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Karl Schiewerling
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die nicht mit den heutigen zu vergleichen sind. Sie habensie so erzogen, dass lebenstüchtige Menschen herausge-kommen sind, die in der Lage sind, unseren Wirtschafts-standort Deutschland zu stärken. Wer Familienpolitikund Sozialpolitik, wer Erziehung und Rente voneinandertrennt, hat nicht begriffen, dass es wirtschaftliche, inhalt-liche und gesellschaftliche Zusammenhänge gibt.
Deswegen ist das, was wir hier tun, ein wichtiges Zei-chen für Gerechtigkeit.Die Rente mit 67 bis 2029 bleibt unser Ziel. Wir wer-den es erreichen.
Wir werden dann auch zu den alten Regelungen wiederzurückkehren, wozu auch die Renteneintrittsmöglichkeitfür besonders langjährig Versicherte 65-Jährige, also mit45 Beitragsjahren und mehr, gehört. Wir ändern das jetztim Rahmen einer vereinbarten befristeten Regelung. Eswird nun die Rente mit 63 geben, und das Eintrittsalterwird in den nächsten 15 Jahren sukzessive ansteigen. Ichsage Ihnen: Das Ziel der Union ist und bleibt, dass wir2029 wieder zu den alten Regelungen – das heißt auch:ohne Zeiten der Arbeitslosigkeit – zurückkehren. Aberjetzt bleibt es so, wie wir es vereinbart haben. Wir wer-den sehen, wie sich die Dinge entwickeln.
Meine Damen und Herren, wir bekommen mit diesemGesetz aber auch flexiblere Übergänge von der Erwerbs-arbeit in den Ruhestand. Wir wollen eine längere Le-bensarbeitszeit. Derjenige, der länger arbeiten will, solldas auch können. Durch die Initiative unseres KollegenCarsten Linnemann hat die Union diesen Punkt auf dieTagesordnung gesetzt und damit deutlich gemacht, dasswir für flexiblere Übergänge aus dem Erwerbslebensind. Den Einstieg bekommen wir mit diesem Gesetz.Wir werden es in der zweiten Jahreshälfte gemeinsammit dem Koalitionspartner, der dies aktiv unterstützt undes genauso sieht, gestalten und nach vorne bringen.
Wir nehmen dabei zwei Lebenssituationen in denBlick, nämlich die Zeit vor dem Eintrittsalter für die Re-gelaltersrente und die Zeit danach. Wir wollen jetzt zu-nächst einmal, dass diejenigen, die länger arbeiten wol-len und bei denen das Renteneintrittsalter naht, dieMöglichkeit dazu erhalten, den Beendigungszeitpunktfür ihr Arbeitsverhältnis hinauszuschieben. Das bedarfeiniger rechtlicher Regelungen. Das erfolgt mit dem vor-liegenden Gesetzentwurf, über den wir heute entscheiden.Und auch denjenigen, die schon Rentner sind, denen abereinfällt, sie könnten wieder erwerbstätig werden, wollenwir diesen Weg ermöglichen. Schließlich wollen wirdenjenigen, die noch nicht das Renteneintrittsalter er-reicht haben, aber einen fließenderen Übergang in dieRente brauchen – aus welchen Gründen auch immer –,dies ermöglichen.Dazu werden wir überlegen, wie man die Anreize, diedas Rentensystem heute schon setzt, nämlich dass je-mand, der die Rente erst später in Anspruch nimmt, einedeutlich höhere Rente bekommt – das ist heute schon ge-regelt: 6 Prozent mehr –, verbessert, und auch entspre-chende weitere Anreize setzen. So kann man überlegen,ob man die Teilrente, die es heute schon gibt, flexibili-siert. Aber über all diese Fragen werden wir miteinandersprechen.Lassen Sie mich ein letztes Wort zur Frage der Finan-zierung sagen: Die Finanzierung dieses Rentenpakets istverantwortlich gestaltet. Wir werden das Rentenniveaunicht absenken.
Wir werden in den nächsten Jahren erleben, dass derRentenversicherungsbeitrag nicht steigt. Wir werden er-leben, dass wir trotz dieses umfänglichen Rentenpaketeseinen ausgeglichenen Bundeshaushalt erreichen. Wirwerden die Steuern nicht erhöhen und dennoch denMenschen soziale Leistungen zukommen lassen.Auf Dauer gesehen wird der Staat, egal wie sich dieRegierung zusammensetzt, kein Interesse daran haben,dass der Rentenversicherungsbeitrag durch die Deckeschießt und dass das Rentenniveau ins Bodenlose fällt.
Das, was im Gesetz steht, ist keine Pflichtaufgabe, son-dern das, was kommen wird, wenn nichts passiert. Biswir so weit sind, wird noch einiges geschehen. Dafürwerden wir in der Union sorgen.Ich bitte Sie herzlich um Ihre Zustimmung zu diesemRentenpaket.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege
Birkwald.
Herr Kollege Schiewerling, Sie haben gerade behaup-tet, das Rentenniveau würde nicht absinken.
Diese Aussage ist wahrheitswidrig. Sie ist komplettfalsch.
Das Rentenniveau betrug im vorigen Jahr 48,7 Pro-zent, beträgt in diesem Jahr 47,8 Prozent und wird aus-weislich des Gesetzes, das wir hier heute in abschließen-
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Matthias W. Birkwald
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der Lesung diskutieren, im Jahr 2030 auf 43,7 Prozentabsinken. Durch dieses Gesetz wird es stärker sinken, alses ohne dieses Gesetz gesunken wäre; dann wäre esnämlich auf nur – in Anführungsstrichen – 44,4 Prozentgesunken. Was sagen Sie zu dem Widerspruch zwischendem, was in dem Gesetz steht, das wir heute verabschie-den, und dem, was Sie eben gesagt haben? Das ist meineFrage.Außerdem möchte ich die Gelegenheit nutzen, demHohen Hause und der Öffentlichkeit noch einmal deut-lich zu machen, was das Rentenniveau ist; das ist vielenMenschen nämlich gar nicht bewusst. Der aktuelle Be-griff des Rentenniveaus lautet korrekt „Sicherungsni-veau vor Steuern“ und ist wie folgt definiert – jetzt bittegut aufpassen –:
durchschnittlichen Bruttolohn nach Abzug der So-zialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer und derBeiträge zur geförderten freiwilligen Zusatzvor-sorge, aber vor Abzug der Lohnsteuer.Das ist das Rentenniveau, und das, Herr Schiewerling,sinkt, egal, welche schönen Worte Sie hier machen.Danke schön.
Kollege Schiewerling zur Antwort.
Herr Kollege Birkwald, ich finde es immer etwas be-
fremdlich, wenn Sie Ihre Zwischenbemerkungen zu
Grundsatzvorlesungen zum Rentenrecht nutzen.
Das ist typisch. Vielleicht sollten Sie das anderweitig
machen.
Ich glaube schon, dass die Menschen wissen, was ein
Rentenniveau ist.
Das bedarf nicht der Erläuterung durch die Linke.
– Beruhigen Sie sich doch mal!
Jetzt sage ich Ihnen etwas zur Situation. Ja, Sie haben
recht: Das steht im Gesetzentwurf, ist aber mit der Jah-
reszahl 2030 versehen.
Die Bundesregierung war sogar verpflichtet, dies reinzu-
schreiben, weil sie von der jetzigen Istsituation ausgehen
muss. Das heißt nicht, dass es bis zum Jahre 2030 tat-
sächlich so eintritt, dass der Staat nicht eingreifen darf
und dass es nicht zu positiven Auswirkungen aufgrund
einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung kommt.
Was ist denn, wenn das wirtschaftliche Niveau weiter
steigt, und was ist denn, wenn es sinkt und der Staat stär-
ker eingreift? Dann kann es sein, dass das Rentenniveau
bis 2030 nicht so sinkt.
Ich sage Ihnen voraus: Ich kann mir nicht vorstellen,
dass es eine Bundesregierung geben wird, die im Jahre
2030 allen Ernstes ein Rentenniveau von 43,8 Prozent
haben will. Bis zum Jahre 2030 gehen noch viele Jahre
ins Land.
Etwas Weiteres sage ich Ihnen: Selten sind Prognosen
für die Rentenversicherung mit 20 oder 30 Jahren Vor-
lauf Wirklichkeit geworden. Wenn es nach den Progno-
sen für die heutige Situation ginge, müsste der Renten-
versicherungsbeitrag nicht bei 18,9 Prozent bzw., wenn
wir ihn abgesenkt hätten, bei 18,3 Prozent liegen, son-
dern er hätte nach den Planungen bei 19,4 Prozent liegen
müssen; das war eine der früheren Voraussagen. Mittler-
weile hat sich die Situation völlig geändert. Das, was im
Gesetz steht, ist das, was die Bundesregierung rein-
schreiben musste, weil sie nicht vorhersagen kann, wie
eine Bundesregierung im Jahr 2021 reagieren will und
wird. Dabei bleibe ich.
Meine Kernaussage lautet deswegen – da habe ich
nichts zurückzunehmen –: Die CDU/CSU wird alles da-
ransetzen, dass der Rentenversicherungsbeitrag in den
nächsten 20 Jahren nicht durch die Decke schießt und
dass das Rentenniveau nicht ins Bodenlose fällt. – Das
ist meine Kernaussage; daran fühlen wir uns gebunden.
Sie werden es erleben. Denn wir haben in der Vergan-
genheit so gehandelt, und wir werden es auch in Zukunft
tun. Das ist meine Kernaussage.
Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen
Markus Kurth, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! An die Entscheidungen des heutigen Tages werdenin den nächsten Jahren, Jahrzehnten noch viele Bürge-rinnen und Bürger denken, beginnend spätestens im Jahr2018, wenn wegen des Rentenpakets die Rücklagen derRentenversicherung aufgebraucht sind und 10 Milliar-den Euro jährlich finanziert sein wollen.
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Markus Kurth
(B)
Die Abgeordneten der nächsten Wahlperioden werdensich vielleicht daran erinnern, dass diejenigen, die heutedas sogenannte Rentenpaket beschließen, eben nicht andie kommenden Jahrzehnte gedacht haben.Wenn in den 20er-Jahren dieses Jahrhunderts die Al-tersarmut rapide zunimmt, werden sich die Menschenfragen, wie es denn passieren konnte, dass die früherenÜberschüsse der Rentenkasse nicht für eine armutsfesteGarantierente zurückgelegt wurden, wie das damals dieGrünen vorgeschlagen haben,
weil schon 2014 absehbar war, dass das Risiko der Al-tersarmut steigt.Und in den 30er-Jahren dieses Jahrhunderts werdensich die dann politisch Verantwortlichen die Haare rau-fen, wieso denn eigentlich in der letzten demografischenSchönwetterphase dieses Jahrhunderts, als die Genera-tion der Babyboomer noch erwerbstätig war, die dama-lige Große Koalition keine Vorsorge getroffen hat.
Die Geschichtswissenschaftler des Jahres 2034 wer-den dann nachvollziehen, dass damals im Jahr 2014 diebeiden größten Fraktionen im Deutschen Bundestag ei-nen Pakt schmiedeten, um kurzfristige Interessenpolitikfür ihre Stammwähler zu betreiben.
Die Historiker werden erforschen, welche Engstirnig-keit, Selbstbezogenheit und verzerrte Wirklichkeits-wahrnehmung dazu geführt haben, dass der Blick aufdas Gesamtsystem der Rente bei der letzten Kanzler-schaft Angela Merkels verloren gegangen ist.
Alle Erklärungen können dann aber nicht mehr die fata-len, falschen Weichenstellungen jenes verhängnisvollen23. Mai 2014 zurücknehmen.Meine Damen und Herren von der Regierungskoali-tion, Sie kleiden Ihr Rentenpaket in das Gewand der Ge-rechtigkeit. Tatsächlich schaffen Sie aber zahllose neueUngerechtigkeiten. Wie absurd!
Ein Beispiel: Eine 56-jährige Krankenpflegerin, die inden nächsten Jahren wegen körperlichen Verschleißesmit vollen rentenmindernden Abschlägen in die Er-werbsminderungsrente gehen muss, hat nichts von derabschlagsfreien Rente mit 63, sie muss diese aber erstmit höheren Rentenbeiträgen, ein zweites Mal mit ihrenSteuern und ein drittes Mal mit einem niedrigeren Ren-tenniveau bezahlen. Denn das Rentenpaket belastet nichtnur die Beitragszahler; es wirkt sich über die kompli-zierte Formel zur Berechnung der Rentenhöhe natürlichauch auf die heutigen und zukünftigen Rentnerinnen undRentner aus.
Deren Rente wird nach Zahlen der Deutschen Renten-versicherung um 1,6 Prozent niedriger ausfallen. HerrSchiewerling, Ihr Geeier, Ihre Argumentation, Ihr Hoff-nungslauf eben – sie drücken die Daumen, das wirdschon nicht so schlimm bis zum Jahr 2030 – könnenüber diese Tatsache nicht hinwegtäuschen.
Was ist daran eigentlich gerecht? Meine Kolleginnenund Kollegen von der SPD, Sie und auch Sie, FrauNahles, brüsten sich damit, Sie täten jetzt etwas für die-jenigen, die etwas geleistet hätten. Hat denn die Kran-kenpflegerin aus meinem Beispiel nichts geleistet? Ha-ben etwa diejenigen, die 40 Beitragsjahre auf demBuckel haben und unverschuldet mehrere Jahre langzeit-arbeitslos waren, nichts geleistet?
Wie mag sich in deren Ohren das Gerede von der be-lohnten Leistung anhören? Es ist nachgerade zynisch,wie Sie mit wackeren Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmern umgehen, die alles gegeben haben, aber ausnicht selbstverschuldeten Gründen die Hürde für dieRente mit 63 nicht schaffen.Aber diese Ungerechtigkeiten alleine sind es nicht,die mich verstören. Sie versuchen ja auch, den Eindruckzu erwecken, Sie würden die Rente mit 67 zurückneh-men – daran leiden Sie ja immer noch –, aber das istnicht so. Auch wenn die konservativen Medien sagen:Oh, Agenda 2010, das wird zurückgedreht, Rückkehr indie Zeit von vor 20 Jahren. –
All das stimmt gar nicht! Die Rente mit 67 bleibt erhal-ten, und auch die Absenkungen des Rentenniveaus wer-den natürlich über die bereits erfolgten hinausgehen.Was Sie machen, ist eine selektive Begünstigung von15 Jahrgängen, die eine relativ lückenlose Erwerbsbio-grafie haben.
Alle anderen lassen Sie im Regen stehen und mit denzum Teil durchaus problematischen Resultaten der letz-ten Rentenreformen allein. Sie setzen sich nicht grund-sätzlich mit der Anhebung des Renteneintrittsalters aus-einander. Wir Grüne wollen flexible Renteneintritte fürdie, die es brauchen, aber keine falschen Anreize für die,die noch arbeiten können und wollen.
Bevor ich hier nur auf die Sozialdemokraten einhaue,verliere ich lieber auch noch ein paar Worte zur Mütter-rente; denn das ist ja finanziell insgesamt der größte Pos-ten. Dazu sage ich: Ja, Sie verringern mit der Stichtags-regelung eine vorhandene Gerechtigkeitslücke. ZweiFragen müssen Sie sich aber stellen. Erstens: Ist das der-
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Markus Kurth
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zeit wirklich unser größtes sozialpolitisches Problem? Istdas die richtige Prioritätensetzung? Und zweitens: Wirddas vernünftig finanziert?Zu der ersten Frage muss ich sagen: Wenn ich mir dieZukunft anschaue, sehe ich, dass Altersarmut in dennächsten Jahrzehnten das größte Problem sein wird.
Ursache dafür sind gebrochene Erwerbsbiografien undein zum Teil niedrigeres Lohnniveau. Hier ist nach derPrioritätensetzung zu fragen. Ich setze meine Mittel, dienun einmal auch in der Politik begrenzt sind, doch dortein, wo sie am nötigsten gebraucht werden. Wenn in ei-nem Haus mit zwei Zimmern in dem einen Zimmer tape-ziert werden müsste und es in das andere Zimmer rein-regnet, dann fange ich doch bei begrenzten Mitteln nichtan zu tapezieren, sondern stopfe erst einmal die größtenLöcher.
Jetzt zur Finanzierung: Sie finanzieren die Mütter-rente nicht über Steuern – Kollege Birkwald hat dasschon gesagt –, obwohl wirklich ausnahmslos alle Sach-verständigen in der Anhörung das gefordert haben. Siestellen sich aber hier hin und sagen: Wir erhöhen dieSteuern nicht, und wir nehmen keine neuen Schuldenauf. – Zugleich lassen Sie das aber die kleinen Leuteüber ihre Sozialversicherungsbeiträge bezahlen. Das,was Sie da machen, ist im Grunde genommen Wahlbe-trug.
Mir fehlt jetzt die Zeit, um auf Ihre Änderungsan-träge, die im Wesentlichen nichts ändern, einzugehen. Esgab das große Gegackere des Wirtschaftsgeflügels derUnion.
Deswegen mussten Sie noch ein bisschen nachbessern.Die brauchten auch noch einen Skalp, den sie mit nachHause nehmen können. Aber weder der rollierendeStichtag noch andere freiwillige Beitragsregelungen än-dern grundsätzlich etwas an dem gesamten Paket. Inso-fern kann man sagen: Ihr Ablenkungsmanöver ist nochnicht einmal aufgegangen. Der Wirtschaftsrat der CDUsagt: Es handelt sich bei der Flexirente um ein „notdürf-tiges Feigenblatt“. Die Nachverhandlungen konnten alsonoch nicht einmal die Funktion, die Sie ihnen zugedachthaben, erfüllen. Sie haben nur Verschlimmbesserungenerreicht.
Ich komme zu dem Fazit, dass heute im Grunde ge-nommen ein schlechter Tag für Deutschland und auchein schlechter Tag für Europa ist. Sie tun genau das, wasSie den südeuropäischen Staaten vorwerfen: Klientel-geschenke auf Pump. Damit gefährden Sie die langfristi-gen Aussichten und die Nachhaltigkeit im Rentensys-tem. Das ist wirklich beschämend.Ich würde mir wünschen, Sie würden dieses Paket sonicht beschließen.
Und ich sage noch einmal: Wir alle werden in den nächs-ten Jahren noch häufig an diesen Tag und diese Entschei-dung zurückdenken.Danke.
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort Kollegin
Dr. Carola Reimann, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Heute ist ein guter Tag für viele Menschen in unse-rem Land,
für Millionen von Menschen in unserem Land, die in ih-rem Leben viel geleistet haben. Mit der heutigen Lesungschließen wir die Beratungen zum Leistungsverbesse-rungsgesetz erfolgreich ab, und das ist gut; denn dieMenschen warten auf diese Verbesserungen. Wir könnenheute sagen: Wir halten Wort. Das Rentenpaket wird Ge-setz.
Kolleginnen und Kollegen, wir haben wie immer imparlamentarischen Verfahren noch Ergänzungen vorge-nommen. Uns ist es gelungen, mögliche Frühverren-tungen auszuschließen und gleichzeitig dafür zu sorgen,dass unverschuldete Arbeitslosigkeit nicht bestraft wird.Wir haben Ergänzungen für freiwillig Versicherte vorge-nommen und den Einstieg in flexible Übergänge in dieRente erleichtert, und das ohne die Absenkung bishervereinbarter Arbeitsbedingungen.
Das ist mir besonders wichtig. Wir Sozialdemokratenund Sozialdemokratinnen wollen Flexibilität für Arbeit-nehmer und nicht zulasten von Arbeitnehmern.
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Dr. Carola Reimann
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Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich höreschon die ersten Kritiker und Kommentatoren: Rente mit63 auf der einen Seite und arbeiten nach der Regelalters-grenze auf der anderen Seite, das sei doch widersprüch-lich; die Große Koalition wisse nicht, was sie wolle. Ichkann Sie da beruhigen: Wir wissen sehr genau, was wirwollen. Wir wollen, dass sich unsere Rentengesetzge-bung an den individuellen Bedürfnissen der Menschenorientiert. Und diese sind bekanntlich vielfältig.
Der eine oder die eine ist froh, wenn sie mit über 70noch arbeiten kann, weil sie ihre Arbeit liebt, weil siedort ihre sozialen Kontakt hat und weil sie dazu führt,dass sie sich gebraucht fühlt. Aber es gibt eben auch denanderen Lebensentwurf, diejenigen, die froh sind, wennsie nicht mehr arbeiten müssen, weil sie genug geschuf-tet haben, die froh sind, wenn sie einmal Zeit für Fami-lie, Kinder, Ehrenamt und Hobby haben. Es gibt natür-lich auch diejenigen, die arbeiten wollen, aber schlichtund einfach nicht mehr arbeiten können. Deshalb müs-sen wir unterschiedliche individuelle Ausstiegsmöglich-keiten anbieten. Für uns Sozialdemokratinnen und So-zialdemokraten gehört die Rente mit 63 genauso dazuwie Modelle für die sogenannten Silver Workers, diefreiwillig länger arbeiten. Das ist kein Widerspruch, son-dern Politik, die sich an den individuellen Bedürfnissender Menschen orientiert.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe mich in denletzten Wochen das eine oder andere Mal über die Auf-geregtheiten gewundert. Wir schaffen für langjährig Ver-sicherte die Möglichkeit, abschlagsfrei in Rente zu ge-hen. Wir drehen hier kein Rad zurück. Uns geht es ummehr Gerechtigkeit, mehr Anerkennung der Lebensleis-tung und darum, mehrere Optionen für Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmer zu schaffen. Niemand glaubt jaernsthaft, Kollege Kurth, dass Menschen, die gerne län-ger arbeiten möchten, wegen der Rente mit 63 nun frü-her in Rente gehen.
Wir als Gesetzgeber wollen den Menschen doch nichtsvorschreiben. Wir wollen die Rahmenbedingungen dafürschaffen, dass Menschen den für sie passenden Über-gang in die Rente wählen können.Unsere Aufgabe in den kommenden Wochen und Mo-naten wird sein, gemeinsam mit den Gewerkschaftenund Arbeitgebern dafür zu sorgen, dass diese Übergängein die Rente künftig noch besser an die Lebenswirklich-keit angepasst werden. Zwei Punkte sind mir dabei sehrwichtig. Ich will, dass alle, wenn sie denn wollen, mög-lichst lange gesund-aktiv im Berufsleben stehen können.Das darf kein Privileg gut ausgebildeter Akademikersein. Ich will, dass auch am Ende des Arbeitslebens or-dentliche Arbeitsverhältnisse herrschen. Ein Zweiklas-senarbeitsrecht darf und wird es mit uns nicht geben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Rentenpaket istein wichtiger Baustein für die Weiterentwicklung unse-res Rentensystems. Es schließt Gerechtigkeitslücken undstärkt das Vertrauen in unsere gesetzliche Rentenversi-cherung. Mit unseren Vorschlägen zu flexiblen Übergän-gen in den Ruhestand und zur Solidarrente werden wir inden kommenden Monaten weiter daran arbeiten, diesesVertrauen zu stärken.Vielen Dank fürs Zuhören.
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kolle-
gen Peter Weiß, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Die Finanzierung des Rentenpakets ist hier kritisiertworden. Ich darf erinnern: Letztes Jahr war Bundestags-wahl. Bündnis 90/Die Grünen hatten ein Wahlprogrammvorgelegt, das verschiedenste rentenpolitische Vorhabenenthielt.
Die Gesamtkosten hätten im Jahr 2030 15 bis 20 Milliar-den Euro betragen. Das ist beinahe das Doppelte dessen,was jetzt die Große Koalition macht.
Wer solche Versprechungen macht, eignet sich nicht,heute hier im Parlament oder in der Öffentlichkeit derGralshüter der Rentenfinanzen zu sein, im Gegenteil.
Wir legen ein insgesamt solide finanziertes Renten-paket vor. Wir beschließen bereits heute, dass wir in dernächsten Legislaturperiode 2 Milliarden Euro Steuergel-der zusätzlich drauflegen, um die Rente nachhaltig zu fi-nanzieren.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es war im Jahr1986 ein geradezu revolutionärer Akt, dass der DeutscheBundestag endlich zum ersten Mal Kindererziehungszei-ten rentensteigernd im Rentenrecht anerkannt hat. Dennunser Rentensystem ist vor allem auf eines angewiesen,darauf, dass es Kinder und Enkelkinder gibt, die eines
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Peter Weiß
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Tages mit dazu beitragen, dass unser Rentensystem fi-nanziert ist und den Älteren eine Rente ausbezahlt wird.
Deshalb ist die Anerkennung von Kindererziehungszei-ten in der Rente das allererste Gebot von Generationen-gerechtigkeit.
Wenn wir heute für die Mütter von vor 1992 gebore-nen Kindern die Mütterrente verdoppeln, dann ist daskeine Beschädigung des Rentensystems, wie manche be-haupten. Nein, es macht das Rentensystem stärker, als esje war. Es sichert die Zukunftsfähigkeit des Rentensys-tems. Die Mütterrente ist richtig für die Zukunft unsererRente.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit dem Renten-paket kehren wir auch nicht auf dem Weg um, dass dieArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer künftig längerarbeiten sollen und die Regelaltersgrenze auf 67 angeho-ben wird. Aber die Menschen sollen auch bitte bis 67 ge-sund bleiben. Deshalb ist die Erhöhung der Rehaleistun-gen der Rentenversicherung, die wir heute beschließen,substanzieller Bestandteil einer klugen Politik, die dasArbeiten bis 67 erst möglich macht.
Wir eröffnen zudem die Möglichkeit, dass auch überdie Regelaltersgrenze hinaus weitergearbeitet wird. Wirwollen im deutschen Rentenrecht individuelle Antwor-ten – die Kollegin Reimann hat es gesagt – und nicht eineinseitiges Fallbeil, wann mit dem Arbeiten Schluss ist.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, auch wenn manvorübergehend nach 45 Beitragsjahren – das ist einelange Zeit – abschlagsfrei mit 63 in Rente gehen kann,bleibt es dabei: Wir werden auch diese Grenze Schrittfür Schritt, in Zwei-Monats-Schritten, erhöhen. Übri-gens: Wer länger als bis 63 arbeitet, bekommt auch mehrRente. Deswegen: Wer mehr Rente haben möchte, dermuss länger arbeiten. Dabei bleibt es auch in Zukunft.
Wer wirklich nicht mehr kann, dauerhaft erkrankt istoder einen Unfall hat, für den ist wichtig, dass er weiß:Ich habe die Möglichkeit, Erwerbsminderungsrente zubeantragen, und ich kann davon auch leben. – Deswegensind die Verbesserungen bei der Berechnung der Höheder Erwerbsminderungsrente, die wir heute beschließen,eine wichtige Voraussetzung dafür, dass auch für künf-tige Generationen von Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmern klar ist: Diese Rentenversicherung bietet mirnicht nur Sicherheit im Alter, sondern sie gibt mir auchSicherheit, falls mir in meinem Arbeitsleben ein Unfallpassiert und ich frühzeitig ausscheiden muss. – Heutewird die Rentenversicherung für alle Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer in Deutschland ein Stück sozialer undzuverlässiger.
Das war an sich schon ein ganz schöner Schlussge-
danke. Ihre Redezeit ist nämlich vorbei.
Jawohl, Herr Präsident. – Zum Schluss: Mancher Zei-
tungskommentar erweckt den Eindruck, als ob das, was
wir heute beschließen, etwas völlig Neues sei. Nein, im
letzten Jahr sind wir mit klaren Aussagen zur Rente in
unserem Wahlprogramm in den Wahlkampf gegangen.
Heute setzen wir das um und tun, was die Bürgerinnen
und Bürger von uns erwarten: Wir halten Wort.
Vielen Dank.
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kolle-
gen Michael Gerdes, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit demheutigen Tag wird die Rente ein Stück weit gerechter.Wir beschließen Verbesserungen für langjährig Versi-cherte, für Mütter und Väter und für Arbeitnehmer, dieaus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nur ein-geschränkt arbeiten können. Das ist gut und richtig. Wirzollen damit Arbeits- und Lebensleistungen Respekt.Und: Wir passen das System der Arbeitswirklichkeit vonheute an. Wer im Laufe seines Lebens kurzfristig ohneArbeit war, wird nicht auch noch im Alter dafür bestraft.Die Rente ab 63 nach 45 Beitragsjahren ist nun da.Die Kritiker sagen uns, das Rentensystem müsse nochviel gerechter werden. Ja, gerechter zwischen den Gene-rationen, gerechter zwischen Ost und West, gerechter fi-nanziert. Wie auch immer wir Gerechtigkeit definieren:Es ist falsch, einzelne Gruppen gegeneinander auszu-spielen.
Das Rentensystem ist keine Wundertüte, aus der sich je-der das Beste nehmen kann.Wichtig ist, finde ich, eine gewisse Balance. Die Älte-ren müssen von ihrer verdienten Rente leben können.Für die Mittelalten und Jüngeren müssen die Beiträge al-lerdings bezahlbar bleiben. Klar ist auch, dass uns dieRente weiterhin beschäftigen wird; der demografischeWandel und die Veränderung der Arbeitswelt bringendas mit sich. Wir wollen ein Rentensystem, das zukunfts-
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Michael Gerdes
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fähig ist. Deshalb werden wir über individuelle Renten-eintritte reden müssen. Wer länger arbeiten will undkann, soll das auch ohne Einschränkung tun dürfen.Bei der heutigen Reform hätte ich mir persönlichnoch eine Schippe mehr im Bereich der Erwerbsminde-rungsrenten gewünscht. Dass die Verbesserungen drin-gend notwendig sind, war bei vielen Sachverständigenunstrittig. Dennoch: Die Mehrheit der Bezieher einer Er-werbsminderungsrente kommt aus Tätigkeiten mit gerin-gem Einkommen. Damit ist klar, dass auch mit der spä-teren Altersrente keine großen Sprünge zu machen sind.Schließlich wirken sich niedrige Entgeltpunkte unmittel-bar auf die Absicherung im Alter aus. Hier haben wireine Lücke geschlossen, indem wir die Berechnung derZurechnungszeiten verbessert haben.
Die Erhöhung des Rehabudgets ist ein gelungenerAnfang. Wir investieren in die Gesundheit der Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir erhöhen damit ihreChance auf Teilhabe am Arbeitsleben.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte nochauf einen Änderungsantrag von Union und SPD einge-hen, der auf den ersten Blick unscheinbar wirkt, den ichaber dennoch enorm wichtig finde. Mit der heutigen Ab-stimmung entscheiden wir auch über ein Verfahren, dasdie sogenannten Ehrenbeamten betrifft, sprich: ehren-amtliche Bürgermeister oder Ortsvorsteher. Wir verlän-gern die aktuelle Regelung, wonach die Aufwandsent-schädigung keinen Einfluss auf den Hinzuverdienst beiAlters- und Erwerbsminderungsrenten hat. Damit stär-ken wir das politische Ehrenamt in den Kommunen, da-mit erhalten und stärken wir den Personenkreis derer, diesich für kommunale Belange engagieren. Ich meine, dasist gut.
Unterm Strich bin ich davon überzeugt, dass der ge-fundene Kompromiss rund um das Rentenpaket ein gu-tes Ergebnis ist. Soziale Härten werden verringert – sofunktioniert ein Sozialstaat.Andrea Nahles und ihr Haus haben Erstaunliches ge-leistet: Das Rentenpaket wurde schnell und professionellgepackt. Schon im Juli werden die Ersten von den Be-schlüssen profitieren. Solch ein Tempo beim Regierenkann sich sehen lassen. Deshalb, meine Damen und Her-ren, ist heute ein guter Tag.Herzlichen Dank und Glück auf!
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kolle-
gen Stephan Stracke, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Union und SPD haben sich mit dem Ko-alitionsvertrag auf eine Politik für hohe Beschäftigungund eine gerechte Sozialpolitik verständigt. Genau diesmachen wir. Wir wissen: Nur dann, wenn die Wirtschaftgut läuft, wir einen hohen Beschäftigungsstand haben,haben wir auch den Spielraum für Leistungsverbesserun-gen. Diesen Spielraum haben wir uns in den letzten Jah-ren erwirtschaftet. Für uns stehen dabei zwei Prioritätenfest:Erstens: keine neuen Schulden. Zum ersten Mal seit1969, seit Franz Josef Strauß Bundesfinanzminister war,werden wir 2015 einen ausgeglichenen Haushalt vorle-gen. Das ist gelebte Generationengerechtigkeit; denn wirwollen unseren jungen Generationen Chancen vererbenund nicht Schulden.
Zweitens. Wir investieren in die Zukunft unseres Lan-des; denn wir müssen heute die Grundlagen für morgenschaffen. Deshalb geben wir einen zweistelligen Milliar-denbetrag aus, vor allem für Infrastruktur, Wissenschaftund Bildung. Diese Politik ist der Grund, warum Deutsch-land heute so gut dasteht und warum wir heute Spiel-raum für unser Rentenpaket haben.Ich darf daran erinnern: Ende November 2005brauchte die Rentenkasse noch eine Liquiditätshilfe desBundes in Höhe von 900 Millionen Euro. Heute hat sieein Finanzpolster von über 32 Milliarden Euro. In denvergangenen beiden Jahren konnten wir die Beitragszah-ler jährlich um 10 Milliarden Euro entlasten, indem wirden Beitragssatz entsprechend abgesenkt haben. Heutekönnen wir auch für diese Legislaturperiode sagen: DerBeitragssatz bleibt stabil.
All dies ist Ergebnis unserer unionsgeführten Politik.Das ist ein wirklich gutes Ergebnis für Deutschland unddie Menschen in diesem Land.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere Poli-tik ist getragen vom Grundgedanken einer solidarischenLeistungsgesellschaft. Genau deshalb machen wir dieMütterrente. Sie ist verdienter Lohn für die Lebensleis-tung von über 9,5 Millionen Müttern in diesem Land.Das ist der Lohn für Erziehungsleistungen, die wir hierentsprechend honorieren. Sie verdienen für das, was sieein Lebtag gemacht haben, unsere höchste Anerken-nung. Die Mütterrente ist Ausdruck davon; deswegenmachen wir sie.
Ausdruck einer solidarischen Leistungsgesellschaftist es auch, zu sagen: Wer 45 Jahre gearbeitet hat in die-
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3190 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Stephan Stracke
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sem Land, darf früher in Rente gehen. Deswegen habenwir die Rente mit 65 gemacht. Wir ziehen dies nun be-fristet um zwei Jahre vor – ich gebe zu: ein Gedanke, aufden wir nicht spontan selbst gekommen wären.
Wir werden hier auch Zeiten der Arbeitslosigkeit ent-sprechend berücksichtigen. Dabei ist es uns gelungen,eine Frühverrentungswelle zu verhindern, und zwar miteiner Stichtagslösung. Ich glaube, dass diese Stichtagslö-sung eine gute ist.Wir berücksichtigen in Zukunft auch freiwillige Bei-träge. Damit schließen wir auch eine Gerechtigkeitslü-cke, die entstanden ist durch die Anerkennung von Zei-ten der Arbeitslosigkeit. Ansonsten würden Zeiten derArbeitslosigkeit bessergestellt als freiwillige Beitrags-zahlungen. Deswegen haben wir uns darauf verständigt,dass freiwillige Beiträge auf die Wartezeit von 45 Jahrenangerechnet werden. Das ist eine sehr gute Lösung fürdie Menschen in diesem Land: für Selbstständige, fürHandwerker, aber natürlich auch für all die anderen, diePflichtbeiträge und zusätzlich freiwillige Beiträge ge-zahlt haben. Mit dieser guten Lösung schließen wir eineGerechtigkeitslücke.
Ein Letztes möchte ich hier herausstellen: Der größ-ten Schätze, die wir in dieser Bundesrepublik Deutsch-land haben, sind unser Vorsprung an Wissen und Könnenund unsere herausragend qualifizierten Arbeitskräfte.Diese Arbeitskräfte gilt es zu pflegen, egal ob sie jungoder alt sind. Deswegen sagen wir: Diejenigen, die fitsind und arbeiten wollen – auch über das für die Rentegeltende Regeleintrittsalter hinaus –, sollen ab jetzt ein-facher weiterarbeiten können. Deshalb werden wir hierdie Möglichkeit einführen, dass solche Arbeitsverhält-nisse – sogar mehrfach – verlängert werden können. Da-mit werden wir den Menschen mehr passgenaue Mög-lichkeiten an die Hand geben, ihr Arbeitsleben zugestalten. Auch das bringt dieses Rentenpaket mit sichund ist Ausdruck einer guten Politik.
Im Ergebnis halte ich fest: Dieses Rentenpaket trägtklar die Handschrift der Union. Es ist ein gutes Renten-paket, und deswegen bitte ich um Zustimmung.Herzlichen Dank.
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kolle-
gen Dr. Martin Rosemann, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Carola Reimannund Michael Gerdes haben es ja bereits gesagt: Heute istein guter Tag für die Rentnerinnen und Rentner und fürdie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesemLand; denn zum ersten Mal seit vielen Jahren beschlie-ßen wir heute Leistungsverbesserungen in der gesetzli-chen Rentenversicherung.Diese Leistungsverbesserungen sind in das Gesamt-konzept „Gute Arbeit, Gute Rente“ der Großen Koali-tion eingebettet; denn wir wissen, dass auch der gesetzli-che Mindestlohn und die Stärkung der Tarifparteieneinen Beitrag zur Sicherung eines guten Rentenniveausin Deutschland leisten und damit die Alterssicherung inunserem Land stärken.
Es ist ein guter Tag für die SPD; denn wir setzenheute sozialdemokratische Politik um, und wir halten,was wir versprochen haben.
Es ist ein guter Tag für die Große Koalition; denn siezeigt ihre Handlungsfähigkeit: Sie verabschiedet ihr ers-tes großes Reformpaket und setzt vor allem um, was wirgemeinsam im Koalitionsvertrag vereinbart haben.
Das gilt auch für die Berücksichtigung von Arbeitslosen-zeiten bei der Anrechnung für die Rente mit 63 – undzwar ohne Verfallsdatum. Das ist ein Beitrag zu mehrGenerationengerechtigkeit.
Wenn die Regierung eine so gute Politik macht, dannist es natürlich nicht leicht für die Opposition.
Sie haben sich redlich bemüht und hier Beispiele aufge-führt, zum Beispiel die Krankenschwester, die mit56 Jahren nicht mehr kann. Nicht dazugesagt haben Sie,dass genau diese Krankenschwester von den Verbesse-rungen bei der Erwerbsminderungsrente profitieren wird.
Die Linken fordern immer mehr, aber immerhin ent-halten sie sich, weil sie erkannt haben, dass die Richtungstimmt.Die Grünen haben hier die Strategie entwickelt, unsvorzuwerfen, dass wir nicht alles, was im Koalitionsver-trag steht, bereits in den ersten 100 Tagen umgesetzt ha-ben. Ihnen kann ich sagen, dass die Rentenpolitik derGroßen Koalition mit dem heutigen Tag nicht zu Endesein wird. Ich nenne nur folgende Stichworte: solidari-sche Lebensleistungsrente zur Verhinderung von Alters-armut,
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3191
Dr. Martin Rosemann
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Verbesserungen bei den Betriebsrenten, Rentenanglei-chung in Ost und West.
Herr Kollege, Sie haben jetzt eine Reihe von Frage-
wünschen ausgelöst, und zwar bei einem Kollegen von
den Grünen und einem Kollegen von der SPD. Mögen
Sie die Fragen zulassen?
Normalerweise beantworte ich gern Zwischenfragen.
Ich habe aber nur noch sechs Sekunden Redezeit.
Die Uhr würden wir dafür anhalten.
Wie viele Zwischenfragen sind es denn?
Ich habe jetzt erst einmal einen Kollegen von den
Grünen und einen Kollegen von der SPD gesehen. Sie
können entscheiden.
Jetzt haben Sie aber die Uhr in der Zeit, in der Sie mit
mir diskutiert haben, nicht angehalten.
Nein, aber das kriegen wir schon geregelt.
Also bitte.
Danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Die Zeit
für Ihre Antwort wird nicht auf Ihre Redezeit angerech-
net, sodass Sie durch meine Frage eine Verlängerung Ih-
rer Redezeit bekommen.
Sie verweisen auf den Koalitionsvertrag. Hoho, der
Koalitionsvertrag! Sie wollen uns erzählen, dass Sie das
alles umsetzen? Darf ich Sie daran erinnern, dass zum
Beispiel die solidarische Lebensleistungsrente ausdrück-
lich unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt worden
ist? In Ihrem Koalitionsvertrag findet sich eine Liste mit
Prioritäten ohne Finanzierungsvorbehalt. Schon jetzt ha-
ben Sie – ich erinnere nur an die ausgebliebene Entlas-
tung für die Kommunen in Höhe von 5 Milliarden Euro –
einiges von dieser Prioritätenliste gestrichen.
Wie plausibel sollen Ihre Zusagen sein, wenn Sie am
Anfang noch nicht einmal Ihre prioritären Vorhaben fi-
nanzieren können? Wie glaubwürdig soll es denn sein,
dass Sie etwas umsetzen wollen, was unter einem Finan-
zierungsvorbehalt steht? Das glaubt doch kein Mensch.
Dass Sie das nicht glauben, glaube ich Ihnen gern.
Ich kann Ihnen nur sagen: Einer Regierung, die in den
ersten 100 Tagen zwei große Reformpakete auf den Weg
gebracht hat und damit Zusagen aus dem Koalitionsver-
trag eins zu eins umsetzt, können Sie auch glauben, was
sie schwarz auf weiß im Koalitionsvertrag gemeinsam
verabredet hat, Herr Kurth.
Lassen Sie mich bei diesem Punkt bleiben. Die Ren-
tenpolitik der Großen Koalition wird nach dem heutigen
Tag nicht zu Ende sein. Ich will an dieser Stelle gerne
das Stichwort „flexible Übergänge“ aufgreifen. Das
Thema „flexible Übergänge“ hat nicht die CDU/CSU-
Mittelstandsvereinigung erfunden. Wir als Sozialdemo-
kraten haben hierzu Anträge zu einer Zeit gestellt, als
noch Schwarz-Gelb regiert hat, als „Rentenreform“ für
Sie ein Fremdwort war, etwas, was Sie damals nicht an-
gegangen sind.
Wir als Sozialdemokraten haben dafür gesorgt, dass
das Thema „flexible Übergänge“ überhaupt Eingang in
den Koalitionsvertrag gefunden hat. Es freut mich, dass
sich unser Koalitionspartner und auch die CDU/CSU-
Mittelstandsvereinigung dieses Themas angenommen
haben und es mit Nachdruck mit verfolgen. Deswegen
freue ich mich auch auf die Diskussion, die wir darüber
gemeinsam mit unserem Koalitionspartner unter Beteili-
gung der Tarifparteien führen werden. Dazu lade ich die
Opposition herzlich ein.
Es gab noch die Bitte einer Kurzintervention aus der
SPD-Fraktion. – Bitte.
Mich interessiert die Stellungnahme und Bewertungdes Kollegen Rosemann zu folgendem Sachverhalt: Erhat doch, wie wir alle mitbekommen haben, gesagt, dassnach demoskopischen Umfragen eine große Mehrheitjunger und alter Menschen, unabhängig von jeder politi-schen Bindung – Grüne, Schwarze, Rote –, für den vor-gezogenen Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren ist. Wie,Herr Kollege Rosemann, erklären Sie sich, dass geradedie Vertreter der Grünenfraktion und auch der Linken so
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3192 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Dr. Hans-Joachim Schabedoth
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tun, als würde sie das überhaupt nicht interessieren? Ha-ben Sie dafür eine Erklärung?
Herr Rosemann, möchten Sie antworten? – Bitte.
Vielen Dank. – Das gibt mir die Gelegenheit, noch
einmal darauf hinzuweisen, dass die Zustimmung zum
Rentenpaket in der Bevölkerung bei 80 Prozent liegt.
Diese Zustimmung lag vor der Kampagne der Initiative
Neue Soziale Marktwirtschaft bei 80 Prozent, und sie
liegt auch nach der Kampagne bei 80 Prozent.
Daraus ziehe ich die Schlussfolgerung: Die Initiative
Neue Soziale Marktwirtschaft hätte das Geld besser an-
derswo angelegt, vielleicht für einen guten Zweck ge-
spendet oder sogar in die Rentenkassen gezahlt.
Als nächster Rednerin in dieser Debatte erteile ich das
Wort Sabine Weiss, CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine Damen und Herren! Seit Wochen,wenn nicht sogar seit Monaten wird intensiv über dasRentenpaket geredet, geschrieben und gestritten. Daswar richtig so. Streiten gehört zur gelebten Demokratie,und Demokratie ist die beste aller Staatsformen, wennauch die schwierigste, weil immer um Überzeugungenund Ziele gerungen werden muss.Aber heute ist es so weit: Wir stimmen gleich überdas vorliegende Rentenpaket ab. Wir stimmen über dieErhöhung der Erwerbsminderungsrente, die Verstär-kung von Rehabilitationsleistungen, die Einführung derRente mit 63 nach 45 Beitragsjahren ab, und – verspro-chen und gehalten! – die Mütterrente kommt.
Gestatten Sie mir, dies heute zu meinem zentralenThema zu machen.Frauen, die vor 1992 Kinder geboren haben, erhalteneinen zusätzlichen Rentenentgeltpunkt. Dies entsprichtpro Monat und pro Kind einer Rentenerhöhung von rund28 Euro.
Dies ist – das gibt es tatsächlich noch in der Politik – einwahrer Grund zur Freude.
Etwa 9,5 Millionen Frauen und auch ein paar Männerwerden von der Erhöhung dieser Mütterrente profitieren,wobei – das spüre ich, wenn ich im Wahlkreis unterwegsbin – der finanzielle Wert nicht der wirklich ausschlag-gebende ist. Viele Frauen empfinden es schlicht als ge-recht, dass ihre Lebensleistung der Kindererziehungheute ein Stück mehr Anerkennung findet.
Diese Frauen – wer würde dem nicht zustimmen, meineDamen und Herren? – haben diese Anerkennung auchverdient.
Daher ist heute – das möchte ich noch einmal wiederho-len, Herr Kurth – für uns ein Tag der Freude.Bei dieser Freude sollte man auch an die erinnern, dieimmer wieder und nachhaltig daran erinnert haben, dasseine echte Gerechtigkeitslücke besteht, also an die Müt-ter des heutigen Erfolges.
Denn es waren die Frauen, die durch Beharrlichkeit denvorliegenden Gesetzentwurf in Bezug auf die Mütter-rente durchgesetzt haben.
Auf Initiative der Frauen-Union, liebe Maria Böhmer,hat sich die CDU bereits 2003 auf ihrem Leipziger Par-teitag klar für eine stärkere Anerkennung der Kinder-erziehungszeiten in der Rente ausgesprochen. Begleitetwurde diese Forderung der Frauen-Union immer von derGruppe der Frauen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Aber erst 2009 wurde im Koalitionsvertrag verein-bart, im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten zu prü-fen, ob Kindererziehungszeiten in der Rente verstärktberücksichtigt werden können. Die Frauen-Union ließaber nicht locker. Sie reichte beim Parteitag der CDU2011 wiederum einen entsprechenden Antrag ein, dereine breite Mehrheit fand. Mit einer bundesweiten Un-terschriftenaktion konnte die Frauen-Union den politi-schen Druck verstärken.Die Frauen in der CDU/CSU-Fraktion und die Frauen-Union erhielten starke Unterstützerinnen. Zum Beispieldie katholischen Frauenverbände kfd und KDFB und derDeutsche LandFrauenverband sammelten Hunderttau-sende von Unterschriften. Onlinepetitionen wurden ein-gereicht; Postkartenaktionen wurden gestartet. Diese breiteBewegung für mehr Rentengerechtigkeit führte dazu,dass das Projekt Mütterrente 2013 in das Regierungspro-gramm der CDU/CSU aufgenommen wurde.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3193
Sabine Weiss
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An dieser Stelle möchte ich im Namen aller Frauenausdrücklich unserer Bundeskanzlerin und Parteivorsit-zenden danken, die sich für unser Anliegen eingesetzt,dieses unterstützt und nachdrücklich dafür geworbenhat.
Frau Kollegin Weiss, die Frau Kollegin Maisch,
Bündnis 90/Die Grünen, hat den Wunsch, eine Frage zu
stellen oder eine Bemerkung zu machen.
Sehr gerne.
Bitte, Frau Maisch.
Frau Kollegin, Sie haben gerade im Namen aller
Frauen gesprochen. Das finde ich mutig und ambitio-
niert. Deshalb möchte ich Sie fragen: Sprechen Sie auch
im Namen der Frauen, die so arm sind und deren Rente
so gering ist, dass die Mütterrente auf die Grundsiche-
rung im Alter angerechnet wird? Das heißt, diese Frauen
können so viele Kinder geboren und so viele Erzie-
hungsleistungen in ihrem Leben erbracht haben, wie sie
wollen, sie werden trotzdem keinen zusätzlichen Cent in
der Tasche haben. Deshalb frage ich Sie: Finden Sie,
dass heute auch für die armen Frauen in Deutschland ein
Tag zum Feiern ist?
Frau Kollegin, diese Fälle haben wir in den letzten
Wochen und Monaten rauf und runter diskutiert. Wir ha-
ben nie behauptet, dass wir nun außerhalb des Systems
agieren und die Mütterrente zusätzlich gewähren. Viel-
mehr sollten diejenigen, die bislang einen Rentenentgelt-
punkt bekommen haben, noch einen zweiten erhalten.
Aber der finanzielle Ausgleich ist nicht das entschei-
dende Moment. Vielmehr handelt es sich hier um eine
Frage der Gerechtigkeit. Wenn wir die wenigen Ausnah-
mefälle, die es leider noch immer gibt,
zum Normalfall erheben, uns also ständig aus dem Man-
gel heraus definieren, dann kann man alles schlechtre-
den. Aber wir lassen heute nichts schlechtreden. Die
Mütterrente ist eine Erfolgsgeschichte, und zwar insbe-
sondere eine der CDU. Das müssen Sie jetzt einfach ein-
mal aushalten.
Ganz besonders stolz waren wir natürlich, als unser
Fraktionsvorsitzender Volker Kauder unser Anliegen
unterstützte. Damit war der Weg bis zur heutigen Ab-
stimmung freigegeben. Dann haben sich unser Koali-
tionspartner und die Bundesarbeitsministerin bei den
Unterstützern eingereiht, sodass wir heute mit einer brei-
ten Mehrheit rechnen können. Den vielen Frauen, die
sich in Verbänden und Vereinen und wo auch immer für
die Mütterrente starkgemacht haben, darf ich nun aus
vollem Herzen sagen: Euer Einsatz hat sich gelohnt. Die
Mütterrente kommt.
Herzlichen Dank.
Als nächstem Redner erteile ich das Wort Dr. Peter
Tauber, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! MeineHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlichwollte ich ganz kurz und knapp die vier Eckpunkte desRentenpakets referieren, um vor allem den Kolleginnenund Kollegen von den Grünen die Zustimmung etwas zuerleichtern. Nun hat sich aber der Kollege Kurth als Ora-kel von Delphi versucht und sich in die Situation derHistoriker in 20 Jahren versetzt, um nachzuspüren, wiedann dieses Rentenpaket historisch eingeordnet wird. Da– lieber Herr Kurth, sehen Sie es mir nach – bin ich alsHistoriker herausgefordert.Ich will Ihnen sagen, was ich persönlich glaube, wiedieses Rentenpaket eingeordnet wird. Sie sprachen vonder letzten Kanzlerschaft Angela Merkels. Ich schildereIhnen einmal, wie die Bewertung der dritten Kanzler-schaft Angela Merkels aussehen wird. Als die Union mitAngela Merkel in der ersten Kanzlerschaft Regierungs-verantwortung in diesem Land übernahm, waren 5 Mil-lionen Menschen arbeitslos. Am Ende der ersten GroßenKoalition stand die Bewältigung einer Finanz- und Wirt-schaftskrise, die in der Geschichte dieser Republik ein-malig war.In der zweiten Kanzlerschaft von Angela Merkelstand Europa vor einer großen Herausforderung. Alleklugen Institute, auch diejenigen, die Sie zitiert haben,haben prognostiziert: Das geht schief; dieses Europasteht am Rande des Zusammenbruchs. – Das Gegenteilist eingetreten dank einer klugen Politik.
Am Ende der zweiten Kanzlerschaft von Angela Merkelging es dem Land gut: niedrige Arbeitslosigkeit, hohesWirtschaftswachstum sowie eine prallgefüllte Renten-kasse im Vergleich zu der Zeit, als Sie Verantwortunghatten.
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3194 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Dr. Peter Tauber
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Zu Beginn der dritten Kanzlerschaft von AngelaMerkel haben sich Sozialdemokraten und Christdemo-kraten darauf verständigt, dass auch diejenigen, die ei-nen maßgeblichen Anteil an dem Erfolg haben, nämlichdie ältere Generation, an diesem Erfolg und an dieser gu-ten Situation in unserem Land partizipieren sollen.In dieser Großen Koalition reden wir also nicht nurüber Zahlen und Tabellen, sondern wir nehmen uns auchder Frage an, was wir eigentlich tun können, um den Zu-sammenhalt in diesem Land zu stärken. Deswegen ist esbei allem Erfolg – steigende Löhne für Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmer und eine niedrige Jugendarbeits-losigkeit – gut und richtig, sich auch zu fragen, was wirfür die ältere Generation tun. Die Antwort liefern wir ge-meinsam mit diesem Paket. Deswegen wird, glaube ich,die Bewertung sehr viel positiver sein, als Sie sie vorge-nommen haben.
Ich weiß aus vielen Briefen und Gesprächen, dass vorallem die Mütterrente die Frauen umtreibt. Eine Frau hatmir geschrieben: Als Mutter von vier Kindern ist mir dasThema schon seit langer Zeit sehr wichtig. Es ist ja nichtso, dass wir älteren Mütter in all den Jahren unserer Kin-derpause die Hände in den Schoß gelegt haben. – Daranmerkt man eines: Natürlich geht es um den zusätzlichenRentenpunkt und um die damit verbundene Erhöhungder Rente. Aber es geht auch noch um einen zweiten As-pekt: Es geht um die Anerkennung und Wertschätzungmindestens in gleichem Maße. Auch deswegen ist dieMütterrente so wichtig. Deswegen sage ich Dank an allein unserer Partei und Fraktion, die mit viel Herzblut da-für gekämpft haben.
Das DIW hat in seiner Bewertung der Mütterrente üb-rigens gesagt, dass vor allem die niedrigen und mittlerenRenten besonders davon profitieren. Auch das mag einkleiner Hinweis an Ihre Adresse sein. Sie haben eben indiese Richtung gefragt.Fakt ist: Am Ende profitieren über 9 Millionen Müttervon der Mütterrente. Das ist eine ganz wichtige sozial-politische Entscheidung dieser Großen Koalition. Es gibtübrigens auch noch 200 000 Väter – die werden immerunterschlagen; auch für die muss man einmal eine Lanzebrechen –, die ebenfalls von der sogenannten Mütter-rente profitieren.
Sie werden die gleichen Zuschriften bekommen wiewir. Diese Menschen, über 9 Millionen, freuen sich überdiese Entscheidung unserer Politik. Deswegen ist es einguter Tag, nicht nur für die Große Koalition und die be-troffenen Mütter und Väter, sondern auch für unser gan-zes Land. Unsere Entscheidung zeigt: Wir setzen unsernsthaft mit der Frage auseinander, was wir für den Zu-sammenhalt der Generationen und für die Gerechtigkeitin diesem Land tun.Herzlichen Dank.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat Herr Kollege
Dr. Strengmann-Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Kollege Tauber, Sie tun so, als würde die ge-
samte Gesellschaft von dem Gesetz profitieren. Viele
Mütter gehen davon aus, dass sie jetzt viel mehr Geld
bekommen; es sind aber nur circa 28 Euro. Das ist weni-
ger als 1 Euro pro Tag. Im Osten ist es sogar noch weni-
ger.
Diejenigen, die Grundsicherung beziehen, haben
nichts davon. Ich glaube, auch viele Leute mit geringem
Einkommen werden denken, sie bekämen jetzt 28 Euro
mehr pro Kind, wenn sie Kinder erzogen haben. In der
Tat aber bekommen sie nichts. Diejenigen, die später
einmal Witwenrente beziehen, werden feststellen, dass
der Betrag angerechnet wird. Sie haben nur zum Teil et-
was davon, obwohl auch sie etwas geleistet haben.
Was aber viel wichtiger ist: Diese Menschen müssen
es bezahlen, und zwar am Anfang durch höhere Beiträge
und später durch geringere Renten. Dann ist viel von den
28 Euro, die Sie jetzt ausschütten, wieder weg. Insofern
profitieren nicht alle, nicht die ältere Generation als Ge-
samtheit.
Man könnte darüber reden, das gesamte Rentenniveau
anzuheben, aber tatsächlich sinkt das gesamte Rentenni-
veau für alle, und die Beiträge steigen für alle Beitrags-
zahlerinnen und Beitragszahler. Es müssen insbesondere
die mit den geringsten Einkommen das bezahlen, was
Sie jetzt vorlegen. Die Prognosen von meinem Kollegen
Markus Kurth – glauben Sie an meine Worte – werden
zutreffen.
Möchten Sie antworten, Herr Dr. Tauber?
Lieber Herr Kollege, grundsätzlich muss man festhal-ten: Die Rente basiert auf dem, was Menschen sich erar-beitet haben. Das ist der Unterschied zur Sozialhilfe.Deswegen vergleichen Sie an der Stelle Äpfel mit Bir-nen.Es gilt noch ein Zweites, das wir uns von Ihnen andiesem Tag nicht kaputtmachen lassen. Ich gebe Ihnennoch das Zitat eines Historikers mit auf den Weg. ErnstBloch hat einmal gesagt: „Man muß ins Gelingen ver-liebt sein, nicht ins Scheitern.“ Bei den Grünen habe ichzu oft den Eindruck, sie sind ins Scheitern verliebt. Wirdagegen sind ins Gelingen verliebt.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3195
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Als letztem Redner in dieser Aussprache erteile ich
das Wort Dr. Carsten Linnemann, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Unser ehe-
maliger Kollege Peter Struck hat einmal den Satz ge-
prägt, dass kein Gesetz aus dem Deutschen Bundestag so
herauskommt, wie es eingebracht worden ist. Ich freue
mich, dass das Struck’sche Gesetz heute erneut bestätigt
wird.
Mit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages fiel
bereits die Entscheidung, dass wir Änderungen bei der
Erwerbsminderungsrente und beim Rehadeckel sowie
die Mütterrente und die Rente mit 63 bekommen. Was
aber nicht klar war, war die Frage der konkreten Umset-
zung. Insofern ist es gut, dass wir heute über einen Ge-
setzentwurf abstimmen, der sich in wesentlichen Punk-
ten vom ersten Entwurf unterscheidet.
Allerdings können diese Änderungen – das ist meine
persönliche Meinung – die grundsätzlichen Fehler dieses
Rentenpaketes, die in der Finanzierung und vor allem
bei der Rente mit 63 liegen, nicht aufwiegen. Die Rente
mit 63 ist und bleibt ein falsches Signal in einer Gesell-
schaft, die immer älter wird.
Nun aber zu den meiner Meinung nach wichtigsten
Änderungen, die vorgenommen wurden:
Erstens. Wir haben einem möglichen Missbrauch bei
der Rente mit 63 einen Riegel vorgeschoben. Die Gefahr
einer Frühverrentungswelle ist gebannt. Ich begrüße es,
möchte aber einschränkend hinzufügen, dass ich nach
wie vor der Meinung bin, dass Zeiten der Arbeitslosig-
keit nicht wie Zeiten der Arbeit behandelt werden dür-
fen.
Zweitens. Mit der Flexirente öffnen wir heute das Tor
zu einem flexiblen Renteneintritt. Das ist gerade in einer
Zeit wichtig, in der wir das Alter neu denken. Starre Re-
geln sind nicht mehr zeitgemäß.
Wir leben im 21. Jahrhundert, im Jahrhundert der Kreati-
vität, der Flexibilität und nicht mehr im 20. Jahrhundert,
wo der Bevormundungsgedanke und damit der Betreu-
ungsgedanke dominierten. Kurzum, wir brauchen in Zu-
kunft alle: die Jüngeren und auch die Älteren. Viele von
ihnen wollen und können länger arbeiten. Wir sind auf
ihr Wissen, ihre Erfahrungen und ihre sozialen Kompe-
tenzen angewiesen.
Daher freue ich mich, dass wir bereits in diesem Ren-
tenpaket eine konkrete Maßnahme vereinbaren konnten:
Das Verbot der befristeten Weiterbeschäftigung von Ar-
beitnehmern im Rentenalter wird aufgehoben. Die Flexi-
rente ist aber nur der Anfang – da haben alle Redner
recht – einer großen Debatte, und in dieser Debatte soll-
ten wir keine gedanklichen Schranken aufbauen. Wir
sollten frei und offen mit den Experten, mit den Fachleu-
ten in den nächsten Wochen und Monaten über die wei-
tere Flexibilisierung reden.
Mir ist bewusst – das lassen Sie mich zum Schluss sa-
gen –, dass mit der Flexirente ein völlig neuer Punkt im
Rentenpaket verankert werden konnte. Ich möchte mich
an dieser Stelle ausdrücklich bei allen Beteiligten der
Großen Koalition bedanken, dass dieser Punkt mit auf-
genommen wurde.
Ich wünsche mir nun, dass daraus auch der Mut ent-
steht, dass wir weitere wichtige Weichenstellungen hin
zu mehr Flexibilisierung bekommen, dass Menschen
nicht nur länger arbeiten können, sondern dies freiwillig
auch wollen. Wir brauchen den Mentalitätswechsel. Das
könnte das Thema der nächsten Wochen, Monate und
Jahre sein. Lassen Sie es uns angehen. Insofern trage ich
am Ende des Tages diesen Kompromiss mit.
Herzlichen Dank.
Die Aussprache ist damit beendet.Es gibt eine Reihe von Erklärungen nach § 31 der Ge-schäftsordnung, die wir zu Protokoll nehmen.1)Wir kommen nun zur Abstimmung über den von derBundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzesüber Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Ren-tenversicherung. Der Ausschuss für Arbeit und Sozialesempfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlungauf Drucksache 18/1489, den Gesetzentwurf der Bun-desregierung auf Drucksache 18/909 in der Ausschuss-fassung anzunehmen. Hierzu liegen drei Änderungsan-träge der Fraktion Die Linke vor. Die antragstellendeFraktion wünscht jeweils namentliche Abstimmung.Nach diesen drei namentlichen Abstimmungen unterbre-che ich die Sitzung bis zum Vorliegen der Ergebnisse.Anschließend erfolgen die namentliche Schlussabstim-mung und weitere einfache Abstimmungen.Wir kommen damit zur ersten namentlichen Abstim-mung, und zwar über den Änderungsantrag auf Druck-sache 18/1495. Ich bitte die Schriftführerinnen undSchriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.– Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist derFall. Dann eröffne ich die namentliche Abstimmungüber den ersten Änderungsantrag.1) Anlagen 2 bis 8
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3196 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Vizepräsident Peter Hintze
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Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seineStimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schrift-führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zubeginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmungwird Ihnen später bekannt gegeben.Wir kommen damit zur zweiten namentlichen Ab-stimmung, und zwar über den Änderungsantrag aufDrucksache 18/1496. Sind die Plätze an den Urnen be-setzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmungüber den zweiten Änderungsantrag.Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seineStimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schrift-führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zubeginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnenspäter bekannt gegeben.1)Wir kommen damit zur dritten namentlichen Abstim-mung, und zwar über den Änderungsantrag auf Drucksa-che 18/1497. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? –Das ist der Fall. Ich eröffne die namentliche Abstim-mung über den dritten Änderungsantrag. Gibt es nochein Mitglied des Hauses, das seine Stimme nicht abgege-1) Ergebnis Seite 3198 Bben hat?2) – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ichdiese Abstimmung.Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der namentlichenAbstimmungen unterbreche ich die Sitzung. Ich emp-fehle aber, im Bereich des Plenarsaals zu bleiben.
Die Sitzung ist wieder eröffnet.Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-mung über den ersten Änderungsantrag auf Drucksache18/1495 der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, SabineZimmermann , Roland Claus, weiterer Abge-ordneter und der Fraktion Die Linke zu der zweiten Be-ratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung mit demTitel „Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesse-rungen in der gesetzlichen Rentenversicherung“ – Druck-sachen 18/909, 18/1489 – bekannt: abgegebene Stimmen588. Mit Ja haben gestimmt 114, mit Nein haben ge-stimmt 474, Enthaltung keine. Der Änderungsantrag istdamit abgelehnt.2) Ergebnis Seite 3201 A
Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 586;davonja: 113nein: 473JaDIE LINKEJan van AkenDr. Dietmar BartschHerbert BehrensKarin BinderMatthias W. BirkwaldHeidrun BluhmChristine BuchholzEva Bulling-SchröterRoland ClausDr. Diether DehmKlaus ErnstWolfgang GehrckeDiana GolzeAnnette GrothDr. Gregor GysiDr. André HahnHeike HänselInge HögerAndrej HunkoSigrid HupachUlla JelpkeSusanna KarawanskijKerstin KassnerKatja KippingJan KorteJutta KrellmannKatrin KunertCaren LaySabine LeidigRalph LenkertMichael LeutertStefan LiebichDr. Gesine LötzschThomas LutzeCornelia MöhringNiema MovassatThomas NordPetra PauHarald Petzold
Richard PitterleMartina RennerMichael SchlechtDr. Petra SitteKersten SteinkeDr. Kirsten TackmannAzize TankFrank TempelDr. Axel TroostKathrin VoglerHalina WawzyniakHarald WeinbergBirgit WöllertJörn WunderlichHubertus ZdebelPia ZimmermannBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENLuise AmtsbergKerstin AndreaeAnnalena BaerbockVolker Beck
Dr. Franziska BrantnerAgnieszka BruggerEkin DeligözKatja DörnerKatharina DrögeHarald EbnerDr. Thomas GambkeMatthias GastelKai GehringKatrin Göring-EckardtAnja HajdukBritta HaßelmannDr. Anton HofreiterDieter JanecekUwe KekeritzSven-Christian KindlerMaria Klein-SchmeinkTom KoenigsSylvia Kotting-UhlOliver KrischerStephan Kühn
Christian Kühn
Renate KünastMarkus KurthMonika LazarDr. Tobias LindnerNicole MaischPeter MeiwaldIrene MihalicBeate Müller-GemmekeÖzcan MutluDr. Konstantin von NotzOmid NouripourFriedrich OstendorffLisa PausBrigitte PothmerTabea RößnerClaudia Roth
Corinna RüfferManuel SarrazinElisabeth ScharfenbergUlle SchauwsDr. Gerhard SchickDr. Frithjof SchmidtKordula Schulz-AscheDr. Wolfgang Strengmann-KuhnHans-Christian StröbeleDr. Harald TerpeMarkus TresselJürgen TrittinDr. Julia VerlindenDoris WagnerBeate Walter-RosenheimerDr. Valerie WilmsNeinCDU/CSUStephan Albani
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3197
Vizepräsident Peter Hintze
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Katrin AlbsteigerPeter AltmaierArtur AuernhammerDorothee BärThomas BareißNorbert BarthleJulia BartzGünter BaumannMaik BeermannManfred Behrens
Veronika BellmannSybille BenningDr. André BergheggerDr. Christoph BergnerUte BertramPeter BeyerSteffen BilgerClemens BinningerPeter BleserDr. Maria BöhmerWolfgang BosbachNorbert BrackmannKlaus BrähmigMichael BrandDr. Reinhard BrandlHelmut BrandtDr. Ralf BrauksiepeHeike BrehmerRalph BrinkhausCajus CaesarGitta ConnemannAlexandra Dinges-DierigAlexander DobrindtMichael DonthThomas DörflingerMarie-Luise DöttHansjörg DurzJutta EckenbachHermann FärberUwe FeilerDr. Thomas FeistIngrid FischbachDirk Fischer
Dr. Maria FlachsbarthKlaus-Peter FlosbachThorsten FreiDr. Astrid FreudensteinDr. Hans-Peter Friedrich
Michael FrieserDr. Michael FuchsHans-Joachim FuchtelAlexander FunkIngo GädechensDr. Peter GauweilerDr. Thomas GebhartAlois GerigEberhard GiengerCemile GiousoufJosef GöppelReinhard GrindelUrsula Groden-KranichHermann GröheKlaus-Dieter GröhlerMichael Grosse-BrömerAstrid GrotelüschenMarkus GrübelManfred GrundOliver GrundmannMonika GrüttersDr. Herlind GundelachFritz GüntzlerOlav GuttingChristian HaaseFlorian HahnDr. Stephan HarbarthJürgen HardtGerda HasselfeldtMatthias HauerMark HauptmannDr. Stefan HeckDr. Matthias HeiderHelmut HeiderichMechthild HeilFrank Heinrich
Mark HelfrichUda HellerJörg HellmuthRudolf HenkeMichael HennrichAnsgar HevelingPeter HintzeChristian HirteDr. Heribert HirteAlexander HoffmannKarl HolmeierFranz-Josef HolzenkampDr. Hendrik HoppenstedtMargaret HorbBettina HornhuesCharles M. HuberAnette HübingerHubert HüppeErich IrlstorferThomas JarzombekSylvia JörrißenAndreas JungDr. Franz Josef JungXaver JungDr. Egon JüttnerBartholomäus KalbHans-Werner KammerSteffen KanitzAlois KarlAnja KarliczekBernhard KasterVolker KauderDr. Stefan KaufmannRoderich KiesewetterDr. Georg KippelsVolkmar KleinAxel KnoerigJens KoeppenMarkus KoobCarsten KörberHartmut KoschykKordula KovacMichael KretschmerGunther KrichbaumRüdiger KruseBettina KudlaDr. Roy KühneGünter LachUwe LagoskyAndreas G. LämmelDr. Norbert LammertKatharina LandgrafUlrich LangeBarbara LanzingerPaul LehriederDr. Katja LeikertDr. Philipp LengsfeldDr. Andreas LenzPhilipp Graf LerchenfeldDr. Ursula von der LeyenAntje LeziusIngbert LiebingMatthias LietzAndrea LindholzDr. Carsten LinnemannPatricia LipsWilfried LorenzDr. Claudia Lücking-MichelDr. Jan-Marco LuczakDaniela LudwigKarin MaagYvonne MagwasThomas MahlbergDr. Thomas de MaizièreGisela ManderlaMatern von MarschallHans-Georg von der MarwitzStephan Mayer
Reiner MeierDr. Michael MeisterDr. Angela MerkelJan MetzlerMaria MichalkDr. h. c. Hans MichelbachDr. Mathias MiddelbergPhilipp MißfelderDietrich MonstadtKarsten MöringMarlene MortlerElisabeth MotschmannDr. Gerd MüllerCarsten Müller
Stefan Müller
Dr. Philipp MurmannDr. Andreas NickMichaela NollHelmut NowakDr. Georg NüßleinWilfried OellersFlorian OßnerDr. Tim OstermannHenning OtteIngrid PahlmannSylvia PantelMartin PatzeltDr. Martin PätzoldDr. Joachim PfeifferSibylle PfeifferRonald PofallaEckhard PolsThomas RachelKerstin RadomskiAlexander RadwanAlois RainerDr. Peter RamsauerEckhardt RehbergKatherina Reiche
Lothar RiebsamenJosef RiefDr. Heinz RiesenhuberJohannes RöringDr. Norbert RöttgenErwin RüddelAlbert RupprechtAnita Schäfer
Dr. Wolfgang SchäubleAndreas ScheuerKarl SchiewerlingJana SchimkeNorbert SchindlerTankred SchipanskiHeiko SchmelzleChristian Schmidt
Gabriele Schmidt
Patrick SchniederNadine Schön
Dr. Ole SchröderBernhard Schulte-DrüggelteDr. Klaus-Peter SchulzeUwe Schummer
Christina SchwarzerDetlef SeifJohannes SelleReinhold SendkerDr. Patrick SensburgBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerTino SorgeJens SpahnCarola StaucheDr. Frank SteffelDr. Wolfgang StefingerAlbert StegemannPeter SteinErika SteinbachSebastian SteinekeJohannes SteinigerChristian Freiherr von StettenDieter StierRita StockhofeGero StorjohannStephan StrackeMax StraubingerMatthäus StreblKarin StrenzThomas StritzlThomas Strobl
Lena StrothmannMichael StübgenDr. Sabine Sütterlin-WaackDr. Peter TauberAntje TillmannAstrid Timmermann-FechterDr. Hans-Peter UhlDr. Volker UllrichOswin VeithThomas ViesehonMichael VietzVolkmar Vogel
Sven VolmeringChristel Voßbeck-KayserKees de VriesDr. Johann Wadephul
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3198 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Vizepräsident Peter Hintze
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Marco WanderwitzNina WarkenKai WegnerAlbert WeilerMarcus Weinberg
Dr. Anja WeisgerberPeter Weiß
Sabine Weiss
Ingo WellenreutherKarl-Georg WellmannMarian WendtKai WhittakerPeter WichtelAnnette Widmann-MauzHeinz Wiese
Klaus-Peter WillschElisabeth Winkelmeier-BeckerOliver WittkeDagmar G. WöhrlBarbara WoltmannTobias ZechHeinrich ZertikEmmi ZeulnerDr. Matthias ZimmerGudrun ZollnerSPDNiels AnnenIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHeike BaehrensUlrike BahrHeinz-Joachim BarchmannDr. Katarina BarleyDr. Hans-Peter BartelsKlaus BarthelDr. Matthias BartkeSören BartolBärbel BasDirk BeckerLothar Binding
Burkhard BlienertWilli BraseEdelgard BulmahnMarco BülowMartin BurkertDr. Lars CastellucciPetra CroneBernhard DaldrupDr. Daniela De RidderDr. Karamba DiabySabine DittmarMartin DörmannElvira Drobinski-WeißSiegmund EhrmannMichaela Engelmeier-HeiteDr. h. c. Gernot ErlerPetra ErnstbergerSaskia EskenKarin Evers-MeyerDr. Johannes FechnerDr. Fritz FelgentreuElke FernerChristian FlisekGabriele FograscherDr. Edgar FrankeUlrich FreeseDagmar FreitagMichael GerdesMartin GersterIris GleickeUlrike GottschalckKerstin GrieseGabriele GronebergUli GrötschWolfgang GunkelBettina HagedornRita Hagl-KehlMetin HakverdiUlrich HampelSebastian HartmannMichael Hartmann
Dirk HeidenblutHubertus Heil
Gabriela HeinrichMarcus HeldWolfgang HellmichDr. Barbara HendricksHeidtrud HennGustav HerzogGabriele Hiller-OhmPetra Hinz
Thomas HitschlerDr. Eva HöglChristina JantzFrank JungeJosip JuratovicThomas JurkOliver KaczmarekJohannes KahrsChristina KampmannRalf KapschackGabriele KatzmarekUlrich KelberMarina KermerCansel KiziltepeArno KlareLars KlingbeilDr. Bärbel KoflerDaniela KolbeBirgit KömpelAnette KrammeDr. Hans-Ulrich KrügerHelga Kühn-MengelChristine LambrechtChristian Lange
Dr. Karl LauterbachSteffen-Claudio LemmeBurkhard LischkaGabriele Lösekrug-MöllerHiltrud LotzeKirsten LühmannDr. Birgit Malecha-NissenCaren MarksKatja MastHilde MattheisDr. Matthias MierschKlaus MindrupSusanne MittagBettina MüllerMichelle MünteferingDr. Rolf MützenichAndrea NahlesDietmar NietanUlli NissenThomas OppermannMahmut Özdemir
Aydan ÖzoğuzMarkus PaschkeChristian PetryJeannine PflugradtDetlev PilgerSabine PoschmannJoachim PoßFlorian PostAchim Post
Dr. Wilhelm PriesmeierDr. Sascha RaabeDr. Simone RaatzMartin RabanusMechthild RawertStefan RebmannGerold ReichenbachDr. Carola ReimannAndreas RimkusSönke RixDennis RohdeDr. Martin RosemannRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannMichael Roth
Susann RüthrichBernd RützelJohann SaathoffAnnette SawadeDr. Hans-JoachimSchabedothAxel Schäfer
Dr. Nina ScheerMarianne SchiederUdo SchiefnerDr. Dorothee SchlegelUlla Schmidt
Matthias Schmidt
Dagmar Schmidt
Carsten Schneider
Ursula SchulteSwen Schulz
Ewald SchurerStefan SchwartzeRita Schwarzelühr-SutterDr. Carsten SielingRainer SpieringNorbert SpinrathSvenja StadlerMartina Stamm-FibichSonja SteffenPeer SteinbrückDr. Frank-Walter SteinmeierChristoph SträsserKerstin TackClaudia TausendMichael ThewsWolfgang TiefenseeCarsten TrägerRüdiger VeitUte VogtDirk VöpelGabi WeberBernd WestphalAndrea WickleinDirk WieseWaltraud Wolff
Gülistan YükselStefan ZierkeDr. Jens ZimmermannIch gebe nun das von den Schriftführerinnen undSchriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichenAbstimmung über den zweiten Änderungsantrag aufDrucksache 18/1496 der Abgeordneten Matthias W.Birkwald, Sabine Zimmermann , Klaus Ernst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion Die Linke zuder zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesre-gierung mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes überLeistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenver-sicherung“ – Drucksachen 18/909, 18/1489 – bekannt:abgegebene Stimmen 580. Mit Ja haben gestimmt 110,mit Nein haben gestimmt 470, Enthaltung keine. Derzweite Änderungsantrag ist ebenfalls abgelehnt.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3199
Vizepräsident Peter Hintze
(C)
(B)
Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 584;davonja: 113nein: 471JaDIE LINKEJan van AkenDr. Dietmar BartschHerbert BehrensKarin BinderMatthias W. BirkwaldHeidrun BluhmChristine BuchholzEva Bulling-SchröterRoland ClausDr. Diether DehmKlaus ErnstWolfgang GehrckeDiana GolzeAnnette GrothDr. Gregor GysiDr. André HahnHeike HänselInge HögerAndrej HunkoSigrid HupachUlla JelpkeSusanna KarawanskijKerstin KassnerKatja KippingJan KorteJutta KrellmannKatrin KunertCaren LaySabine LeidigRalph LenkertMichael LeutertStefan LiebichDr. Gesine LötzschThomas LutzeCornelia MöhringNiema MovassatThomas NordPetra PauHarald Petzold
Richard PitterleMartina RennerMichael SchlechtDr. Petra SitteKersten SteinkeDr. Kirsten TackmannAzize TankFrank TempelDr. Axel TroostKathrin VoglerHalina WawzyniakHarald WeinbergBirgit WöllertJörn WunderlichHubertus ZdebelPia ZimmermannBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENLuise AmtsbergKerstin AndreaeAnnalena BaerbockVolker Beck
Dr. Franziska BrantnerAgnieszka BruggerEkin DeligözKatja DörnerKatharina DrögeHarald EbnerDr. Thomas GambkeMatthias GastelKai GehringKatrin Göring-EckardtAnja HajdukBritta HaßelmannDr. Anton HofreiterDieter JanecekUwe KekeritzSven-Christian KindlerMaria Klein-SchmeinkTom KoenigsSylvia Kotting-UhlOliver KrischerStephan Kühn
Christian Kühn
Renate KünastMarkus KurthMonika LazarDr. Tobias LindnerNicole MaischPeter MeiwaldIrene MihalicBeate Müller-GemmekeÖzcan MutluDr. Konstantin von NotzOmid NouripourFriedrich OstendorffLisa PausBrigitte PothmerTabea RößnerClaudia Roth
Corinna RüfferManuel SarrazinElisabeth ScharfenbergUlle SchauwsDr. Gerhard SchickDr. Frithjof SchmidtKordula Schulz-AscheDr. Wolfgang Strengmann-KuhnHans-Christian StröbeleDr. Harald TerpeMarkus TresselJürgen TrittinDr. Julia VerlindenDoris WagnerBeate Walter-RosenheimerDr. Valerie WilmsNeinCDU/CSUStephan AlbaniKatrin AlbsteigerPeter AltmaierArtur AuernhammerDorothee BärThomas BareißNorbert BarthleJulia BartzGünter BaumannMaik BeermannManfred Behrens
Veronika BellmannSybille BenningDr. André BergheggerDr. Christoph BergnerUte BertramPeter BeyerSteffen BilgerClemens BinningerPeter BleserDr. Maria BöhmerWolfgang BosbachNorbert BrackmannKlaus BrähmigMichael BrandDr. Reinhard BrandlHelmut BrandtDr. Ralf BrauksiepeHeike BrehmerRalph BrinkhausCajus CaesarGitta ConnemannAlexandra Dinges-DierigAlexander DobrindtMichael DonthThomas DörflingerMarie-Luise DöttHansjörg DurzJutta EckenbachHermann FärberUwe FeilerDr. Thomas FeistIngrid FischbachDirk Fischer
Dr. Maria FlachsbarthKlaus-Peter FlosbachThorsten FreiDr. Astrid FreudensteinDr. Hans-Peter Friedrich
Michael FrieserDr. Michael FuchsHans-Joachim FuchtelAlexander FunkIngo GädechensDr. Peter GauweilerDr. Thomas GebhartAlois GerigEberhard GiengerCemile GiousoufJosef GöppelReinhard GrindelUrsula Groden-KranichHermann GröheKlaus-Dieter GröhlerMichael Grosse-BrömerAstrid GrotelüschenMarkus GrübelManfred GrundOliver GrundmannMonika GrüttersDr. Herlind GundelachFritz GüntzlerOlav GuttingChristian HaaseFlorian HahnDr. Stephan HarbarthJürgen HardtGerda HasselfeldtMatthias HauerMark HauptmannDr. Stefan HeckDr. Matthias HeiderHelmut HeiderichMechthild HeilFrank Heinrich
Mark HelfrichUda HellerJörg HellmuthRudolf HenkeMichael HennrichAnsgar HevelingPeter HintzeChristian HirteDr. Heribert HirteAlexander HoffmannKarl HolmeierFranz-Josef HolzenkampDr. Hendrik HoppenstedtMargaret HorbBettina HornhuesCharles M. HuberAnette HübingerHubert HüppeErich IrlstorferThomas JarzombekSylvia JörrißenAndreas JungDr. Franz Josef JungXaver JungDr. Egon JüttnerBartholomäus KalbHans-Werner KammerSteffen KanitzAlois KarlAnja KarliczekBernhard KasterVolker KauderDr. Stefan KaufmannRoderich KiesewetterDr. Georg KippelsVolkmar KleinAxel KnoerigJens KoeppenMarkus KoobCarsten KörberHartmut KoschykKordula KovacMichael KretschmerGunther KrichbaumRüdiger KruseBettina KudlaDr. Roy KühneGünter LachUwe LagoskyAndreas G. LämmelDr. Norbert LammertKatharina Landgraf
Metadaten/Kopzeile:
3200 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Vizepräsident Peter Hintze
(C)
(B)
Ulrich LangeBarbara LanzingerPaul LehriederDr. Katja LeikertDr. Philipp LengsfeldDr. Andreas LenzPhilipp Graf LerchenfeldDr. Ursula von der LeyenAntje LeziusIngbert LiebingMatthias LietzAndrea LindholzDr. Carsten LinnemannPatricia LipsWilfried LorenzDr. Claudia Lücking-MichelDr. Jan-Marco LuczakDaniela LudwigKarin MaagYvonne MagwasThomas MahlbergDr. Thomas de MaizièreGisela ManderlaMatern von MarschallHans-Georg von der MarwitzStephan Mayer
Reiner MeierDr. Michael MeisterDr. Angela MerkelJan MetzlerMaria MichalkDr. h. c. Hans MichelbachDr. Mathias MiddelbergPhilipp MißfelderDietrich MonstadtKarsten MöringMarlene MortlerElisabeth MotschmannDr. Gerd MüllerCarsten Müller
Stefan Müller
Dr. Philipp MurmannDr. Andreas NickMichaela NollHelmut NowakDr. Georg NüßleinWilfried OellersFlorian OßnerDr. Tim OstermannHenning OtteIngrid PahlmannSylvia PantelMartin PatzeltDr. Martin PätzoldDr. Joachim PfeifferSibylle PfeifferRonald PofallaEckhard PolsThomas RachelKerstin RadomskiAlexander RadwanAlois RainerDr. Peter RamsauerEckhardt RehbergKatherina Reiche
Lothar RiebsamenJosef RiefDr. Heinz RiesenhuberJohannes RöringDr. Norbert RöttgenErwin RüddelAlbert RupprechtAnita Schäfer
Dr. Wolfgang SchäubleAndreas ScheuerKarl SchiewerlingJana SchimkeNorbert SchindlerTankred SchipanskiHeiko SchmelzleChristian Schmidt
Gabriele Schmidt
Patrick SchniederNadine Schön
Dr. Ole SchröderBernhard Schulte-DrüggelteDr. Klaus-Peter SchulzeUwe Schummer
Christina SchwarzerDetlef SeifJohannes SelleReinhold SendkerDr. Patrick SensburgBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerTino SorgeJens SpahnCarola StaucheDr. Frank SteffelDr. Wolfgang StefingerAlbert StegemannPeter SteinErika SteinbachSebastian SteinekeJohannes SteinigerChristian Freiherr von StettenDieter StierRita StockhofeGero StorjohannStephan StrackeMax StraubingerMatthäus StreblKarin StrenzThomas StritzlThomas Strobl
Lena StrothmannMichael StübgenDr. Sabine Sütterlin-WaackDr. Peter TauberAntje TillmannAstrid Timmermann-FechterDr. Hans-Peter UhlDr. Volker UllrichThomas ViesehonMichael VietzVolkmar Vogel
Sven VolmeringChristel Voßbeck-KayserKees de VriesDr. Johann WadephulMarco WanderwitzNina WarkenKai WegnerAlbert WeilerMarcus Weinberg
Dr. Anja WeisgerberPeter Weiß
Sabine Weiss
Ingo WellenreutherKarl-Georg WellmannMarian WendtKai WhittakerPeter WichtelAnnette Widmann-MauzHeinz Wiese
Klaus-Peter WillschElisabeth Winkelmeier-BeckerOliver WittkeDagmar G. WöhrlBarbara WoltmannTobias ZechHeinrich ZertikEmmi ZeulnerDr. Matthias ZimmerGudrun ZollnerSPDNiels AnnenIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHeike BaehrensUlrike BahrHeinz-Joachim BarchmannDr. Katarina BarleyDr. Hans-Peter BartelsKlaus BarthelDr. Matthias BartkeSören BartolBärbel BasDirk BeckerLothar Binding
Burkhard BlienertWilli BraseEdelgard BulmahnMarco BülowMartin BurkertDr. Lars CastellucciPetra CroneBernhard DaldrupDr. Daniela De RidderDr. Karamba DiabySabine DittmarMartin DörmannElvira Drobinski-WeißSiegmund EhrmannMichaela Engelmeier-HeiteDr. h. c. Gernot ErlerPetra ErnstbergerSaskia EskenKarin Evers-MeyerDr. Johannes FechnerDr. Fritz FelgentreuElke FernerChristian FlisekGabriele FograscherDr. Edgar FrankeDagmar FreitagMichael GerdesMartin GersterIris GleickeUlrike GottschalckKerstin GrieseGabriele GronebergUli GrötschWolfgang GunkelBettina HagedornRita Hagl-KehlMetin HakverdiUlrich HampelSebastian HartmannMichael Hartmann
Dirk HeidenblutHubertus Heil
Gabriela HeinrichMarcus HeldWolfgang HellmichDr. Barbara HendricksHeidtrud HennGustav HerzogGabriele Hiller-OhmPetra Hinz
Thomas HitschlerDr. Eva HöglChristina JantzFrank JungeJosip JuratovicThomas JurkOliver KaczmarekJohannes KahrsChristina KampmannRalf KapschackGabriele KatzmarekUlrich KelberMarina KermerCansel KiziltepeArno KlareLars KlingbeilDr. Bärbel KoflerDaniela KolbeBirgit KömpelAnette KrammeDr. Hans-Ulrich KrügerHelga Kühn-MengelChristine LambrechtChristian Lange
Dr. Karl LauterbachSteffen-Claudio LemmeBurkhard LischkaGabriele Lösekrug-MöllerHiltrud LotzeKirsten LühmannDr. Birgit Malecha-NissenCaren MarksKatja MastHilde MattheisDr. Matthias MierschKlaus MindrupSusanne MittagBettina MüllerMichelle MünteferingDr. Rolf MützenichAndrea NahlesDietmar NietanUlli NissenThomas OppermannMahmut Özdemir
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3201
Vizepräsident Peter Hintze
(C)
Aydan ÖzoğuzMarkus PaschkeChristian PetryJeannine PflugradtDetlev PilgerSabine PoschmannJoachim PoßFlorian PostAchim Post
Dr. Wilhelm PriesmeierDr. Sascha RaabeDr. Simone RaatzMartin RabanusMechthild RawertStefan RebmannGerold ReichenbachDr. Carola ReimannAndreas RimkusSönke RixDennis RohdeDr. Martin RosemannRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannMichael Roth
Susann RüthrichBernd RützelJohann SaathoffAnnette SawadeDr. Hans-JoachimSchabedothAxel Schäfer
Dr. Nina ScheerMarianne SchiederUdo SchiefnerDr. Dorothee SchlegelUlla Schmidt
Matthias Schmidt
Dagmar Schmidt
Carsten Schneider
Ursula SchulteSwen Schulz
Ewald SchurerStefan SchwartzeRita Schwarzelühr-SutterDr. Carsten SielingRainer SpieringNorbert SpinrathSvenja StadlerMartina Stamm-FibichSonja SteffenPeer SteinbrückDr. Frank-Walter SteinmeierChristoph SträsserKerstin TackClaudia TausendMichael ThewsWolfgang TiefenseeCarsten TrägerRüdiger VeitUte VogtDirk VöpelGabi WeberBernd WestphalAndrea WickleinDirk WieseWaltraud Wolff
Gülistan YükselStefan ZierkeDr. Jens ZimmermannIch gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-mung über den dritten Änderungsantrag der Abgeordne-ten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann ,Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DieLinke zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs derBundesregierung auf den genannten Drucksachen be-kannt: abgegebene Stimmen 588. Mit Ja haben gestimmt115, mit Nein haben gestimmt 473, Enthaltungen keine.Damit ist auch der dritte Änderungsantrag abgelehnt.
Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 585;davonja: 112nein: 473JaDIE LINKEJan van AkenDr. Dietmar BartschHerbert BehrensKarin BinderMatthias W. BirkwaldHeidrun BluhmChristine BuchholzEva Bulling-SchröterRoland ClausDr. Diether DehmKlaus ErnstWolfgang GehrckeDiana GolzeAnnette GrothDr. Gregor GysiDr. André HahnHeike HänselInge HögerAndrej HunkoSigrid HupachUlla JelpkeSusanna KarawanskijKerstin KassnerKatja KippingJan KorteJutta KrellmannKatrin KunertCaren LaySabine LeidigRalph LenkertMichael LeutertStefan LiebichDr. Gesine LötzschThomas LutzeCornelia MöhringNiema MovassatThomas NordPetra PauHarald Petzold
Richard PitterleMartina RennerMichael SchlechtDr. Petra SitteKersten SteinkeDr. Kirsten TackmannFrank TempelDr. Axel TroostKathrin VoglerHalina WawzyniakHarald WeinbergBirgit WöllertJörn WunderlichHubertus ZdebelPia ZimmermannBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENLuise AmtsbergKerstin AndreaeAnnalena BaerbockVolker Beck
Dr. Franziska BrantnerAgnieszka BruggerEkin DeligözKatja DörnerKatharina DrögeHarald EbnerDr. Thomas GambkeMatthias GastelKai GehringKatrin Göring-EckardtAnja HajdukBritta HaßelmannDr. Anton HofreiterDieter JanecekUwe KekeritzSven-Christian KindlerMaria Klein-SchmeinkTom KoenigsSylvia Kotting-UhlOliver KrischerStephan Kühn
Christian Kühn
Renate KünastMarkus KurthMonika LazarDr. Tobias LindnerNicole MaischPeter MeiwaldIrene MihalicBeate Müller-GemmekeÖzcan MutluDr. Konstantin von NotzOmid NouripourFriedrich OstendorffLisa PausBrigitte PothmerTabea RößnerClaudia Roth
Corinna RüfferManuel SarrazinElisabeth ScharfenbergUlle SchauwsDr. Gerhard SchickDr. Frithjof SchmidtKordula Schulz-AscheDr. Wolfgang Strengmann-KuhnHans-Christian StröbeleDr. Harald TerpeMarkus TresselJürgen TrittinDr. Julia VerlindenDoris WagnerBeate Walter-RosenheimerDr. Valerie WilmsNeinCDU/CSUStephan AlbaniKatrin AlbsteigerPeter AltmaierArtur AuernhammerDorothee BärThomas BareißNorbert BarthleJulia BartzGünter BaumannMaik BeermannManfred Behrens
Veronika BellmannSybille BenningDr. André BergheggerDr. Christoph BergnerUte BertramPeter BeyerSteffen BilgerClemens BinningerPeter BleserDr. Maria BöhmerWolfgang BosbachNorbert BrackmannKlaus BrähmigMichael BrandDr. Reinhard BrandlHelmut Brandt
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3202 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Vizepräsident Peter Hintze
(C)
(B)
Dr. Ralf BrauksiepeHeike BrehmerRalph BrinkhausCajus CaesarGitta ConnemannAlexandra Dinges-DierigAlexander DobrindtMichael DonthThomas DörflingerMarie-Luise DöttHansjörg DurzJutta EckenbachHermann FärberUwe FeilerDr. Thomas FeistIngrid FischbachDirk Fischer
Dr. Maria FlachsbarthKlaus-Peter FlosbachThorsten FreiDr. Astrid FreudensteinDr. Hans-Peter Friedrich
Michael FrieserDr. Michael FuchsHans-Joachim FuchtelAlexander FunkIngo GädechensDr. Peter GauweilerDr. Thomas GebhartAlois GerigEberhard GiengerCemile GiousoufJosef GöppelReinhard GrindelUrsula Groden-KranichHermann GröheKlaus-Dieter GröhlerMichael Grosse-BrömerAstrid GrotelüschenMarkus GrübelManfred GrundOliver GrundmannMonika GrüttersDr. Herlind GundelachFritz GüntzlerOlav GuttingChristian HaaseFlorian HahnDr. Stephan HarbarthJürgen HardtGerda HasselfeldtMatthias HauerMark HauptmannDr. Stefan HeckDr. Matthias HeiderHelmut HeiderichMechthild HeilFrank Heinrich
Mark HelfrichUda HellerJörg HellmuthRudolf HenkeMichael HennrichAnsgar HevelingPeter HintzeChristian HirteDr. Heribert HirteAlexander HoffmannKarl HolmeierFranz-Josef HolzenkampDr. Hendrik HoppenstedtMargaret HorbBettina HornhuesCharles M. HuberAnette HübingerHubert HüppeErich IrlstorferThomas JarzombekSylvia JörrißenAndreas JungDr. Franz Josef JungXaver JungDr. Egon JüttnerBartholomäus KalbHans-Werner KammerSteffen KanitzAlois KarlAnja KarliczekBernhard KasterVolker KauderDr. Stefan KaufmannRoderich KiesewetterDr. Georg KippelsVolkmar KleinAxel KnoerigJens KoeppenMarkus KoobCarsten KörberHartmut KoschykKordula KovacMichael KretschmerGunther KrichbaumRüdiger KruseBettina KudlaDr. Roy KühneGünter LachUwe LagoskyAndreas G. LämmelDr. Norbert LammertKatharina LandgrafUlrich LangeBarbara LanzingerPaul LehriederDr. Katja LeikertDr. Philipp LengsfeldDr. Andreas LenzPhilipp Graf LerchenfeldDr. Ursula von der LeyenAntje LeziusIngbert LiebingMatthias LietzAndrea LindholzDr. Carsten LinnemannPatricia LipsWilfried LorenzDr. Claudia Lücking-MichelDr. Jan-Marco LuczakDaniela LudwigKarin MaagYvonne MagwasThomas MahlbergDr. Thomas de MaizièreGisela ManderlaMatern von MarschallHans-Georg von der MarwitzStephan Mayer
Reiner MeierDr. Michael MeisterDr. Angela MerkelJan MetzlerMaria MichalkDr. h. c. Hans MichelbachDr. Mathias MiddelbergPhilipp MißfelderDietrich MonstadtKarsten MöringMarlene MortlerElisabeth MotschmannDr. Gerd MüllerCarsten Müller
Stefan Müller
Dr. Philipp MurmannDr. Andreas NickMichaela NollHelmut NowakDr. Georg NüßleinWilfried OellersFlorian OßnerDr. Tim OstermannHenning OtteIngrid PahlmannSylvia PantelMartin PatzeltDr. Martin PätzoldDr. Joachim PfeifferSibylle PfeifferRonald PofallaEckhard PolsThomas RachelKerstin RadomskiAlexander RadwanAlois RainerDr. Peter RamsauerEckhardt RehbergKatherina Reiche
Lothar RiebsamenJosef RiefDr. Heinz RiesenhuberJohannes RöringDr. Norbert RöttgenErwin RüddelAlbert RupprechtAnita Schäfer
Dr. Wolfgang SchäubleAndreas ScheuerKarl SchiewerlingJana SchimkeNorbert SchindlerTankred SchipanskiHeiko SchmelzleChristian Schmidt
Gabriele Schmidt
Patrick SchniederNadine Schön
Dr. Ole SchröderBernhard Schulte-DrüggelteDr. Klaus-Peter SchulzeUwe Schummer
Christina SchwarzerDetlef SeifJohannes SelleReinhold SendkerDr. Patrick SensburgBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerTino SorgeJens SpahnCarola StaucheDr. Frank SteffelDr. Wolfgang StefingerAlbert StegemannPeter SteinErika SteinbachSebastian SteinekeJohannes SteinigerChristian Freiherr von StettenDieter StierRita StockhofeGero StorjohannStephan StrackeMax StraubingerMatthäus StreblKarin StrenzThomas StritzlThomas Strobl
Lena StrothmannMichael StübgenDr. Sabine Sütterlin-WaackDr. Peter TauberAntje TillmannAstrid Timmermann-FechterDr. Hans-Peter UhlDr. Volker UllrichOswin VeithThomas ViesehonMichael VietzVolkmar Vogel
Sven VolmeringChristel Voßbeck-KayserKees de VriesDr. Johann WadephulMarco WanderwitzNina WarkenKai WegnerAlbert WeilerMarcus Weinberg
Dr. Anja WeisgerberPeter Weiß
Sabine Weiss
Ingo WellenreutherKarl-Georg WellmannMarian WendtKai WhittakerPeter WichtelAnnette Widmann-MauzHeinz Wiese
Klaus-Peter WillschElisabeth Winkelmeier-BeckerOliver WittkeDagmar G. WöhrlBarbara WoltmannTobias ZechHeinrich ZertikEmmi ZeulnerDr. Matthias ZimmerGudrun Zollner
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3203
Vizepräsident Peter Hintze
(C)
(B)
SPDNiels AnnenIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHeike BaehrensUlrike BahrHeinz-Joachim BarchmannDr. Katarina BarleyDr. Hans-Peter BartelsKlaus BarthelDr. Matthias BartkeSören BartolBärbel BasDirk BeckerLothar Binding
Burkhard BlienertWilli BraseEdelgard BulmahnMarco BülowMartin BurkertDr. Lars CastellucciPetra CroneBernhard DaldrupDr. Daniela De RidderDr. Karamba DiabySabine DittmarMartin DörmannElvira Drobinski-WeißSiegmund EhrmannMichaela Engelmeier-HeiteDr. h. c. Gernot ErlerPetra ErnstbergerSaskia EskenKarin Evers-MeyerDr. Johannes FechnerDr. Fritz FelgentreuElke FernerChristian FlisekGabriele FograscherDr. Edgar FrankeUlrich FreeseDagmar FreitagMichael GerdesMartin GersterIris GleickeUlrike GottschalckKerstin GrieseGabriele GronebergUli GrötschWolfgang GunkelBettina HagedornRita Hagl-KehlMetin HakverdiUlrich HampelSebastian HartmannMichael Hartmann
Dirk HeidenblutHubertus Heil
Gabriela HeinrichMarcus HeldWolfgang HellmichDr. Barbara HendricksHeidtrud HennGustav HerzogGabriele Hiller-OhmPetra Hinz
Thomas HitschlerDr. Eva HöglChristina JantzFrank JungeJosip JuratovicThomas JurkOliver KaczmarekJohannes KahrsChristina KampmannRalf KapschackGabriele KatzmarekUlrich KelberMarina KermerCansel KiziltepeArno KlareLars KlingbeilDr. Bärbel KoflerDaniela KolbeBirgit KömpelAnette KrammeDr. Hans-Ulrich KrügerHelga Kühn-MengelChristine LambrechtChristian Lange
Dr. Karl LauterbachSteffen-Claudio LemmeBurkhard LischkaGabriele Lösekrug-MöllerHiltrud LotzeKirsten LühmannDr. Birgit Malecha-NissenCaren MarksKatja MastHilde MattheisDr. Matthias MierschKlaus MindrupSusanne MittagBettina MüllerMichelle MünteferingDr. Rolf MützenichAndrea NahlesDietmar NietanUlli NissenThomas OppermannMahmut Özdemir
Aydan ÖzoğuzMarkus PaschkeChristian PetryJeannine PflugradtDetlev PilgerSabine PoschmannJoachim PoßFlorian PostAchim Post
Dr. Wilhelm PriesmeierDr. Sascha RaabeDr. Simone RaatzMartin RabanusMechthild RawertStefan RebmannGerold ReichenbachDr. Carola ReimannAndreas RimkusSönke RixDennis RohdeDr. Martin RosemannRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannMichael Roth
Susann RüthrichBernd RützelJohann SaathoffAnnette SawadeDr. Hans-JoachimSchabedothAxel Schäfer
Dr. Nina ScheerMarianne SchiederUdo SchiefnerDr. Dorothee SchlegelUlla Schmidt
Matthias Schmidt
Dagmar Schmidt
Carsten Schneider
Ursula SchulteSwen Schulz
Ewald SchurerStefan SchwartzeRita Schwarzelühr-SutterDr. Carsten SielingRainer SpieringNorbert SpinrathSvenja StadlerMartina Stamm-FibichSonja SteffenPeer SteinbrückDr. Frank-Walter SteinmeierChristoph SträsserKerstin TackClaudia TausendMichael ThewsWolfgang TiefenseeCarsten TrägerRüdiger VeitUte VogtDirk VöpelGabi WeberBernd WestphalAndrea WickleinDirk WieseWaltraud Wolff
Gülistan YükselStefan ZierkeDr. Jens ZimmermannWir stimmen nun über den Gesetzentwurf in der Aus-schussfassung ab. Wer dem Gesetzentwurf in der Aus-schussfassung zustimmen möchte, den bitte ich um seinHandzeichen. – Wer stimmt gegen den Gesetzentwurf inder Ausschussfassung? – Wer enthält sich? – Dann istder Gesetzentwurf in der Ausschussfassung in zweiterBeratung mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD ge-gen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Ent-haltung der Fraktion Die Linke angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Die Fraktionen der CDU/CSUund SPD haben namentliche Abstimmung verlangt. Sinddie Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Icheröffne damit die vierte namentliche Abstimmung, dieSchlussabstimmung über den Gesetzentwurf.Ich darf darauf hinweisen: Es folgen gleich Abstim-mungen über Entschließungsanträge. Es wäre alsoschön, wenn ein Teil der Kollegen so nett wäre, hier imParlament zu bleiben.Gibt es jemanden im Haus, der seine Stimme nochnicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Dann istdie Abstimmung geschlossen. Ich bitte die Schriftführe-rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-nen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen späterbekannt gegeben.1)Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen über dieEntschließungsanträge.1) Ergebnis Seite 3205 D
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3204 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Vizepräsident Peter Hintze
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Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSUund SPD auf Drucksache 18/1507. Wer stimmt dafür? –Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist dasmit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und derSPD bei Gegenstimmen der Linken so angenommen.
– Es war, offen gestanden, nicht zu erkennen, wofür Siegestimmt haben. Entschuldigung, dann nehmen wir dasins Protokoll auf: Auch die Grünen haben dem Ent-schließungsantrag auf Drucksache 18/1507 zugestimmt.Er ist also mit Zustimmung von CDU/CSU, SPD undBündnis 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der FraktionDie Linke angenommen.Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Druck-sache 18/1508. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage-gen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Entschließungs-antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/1508abgelehnt. Dafür stimmte die Fraktion Die Linke, dage-gen stimmten alle anderen Fraktionen.Wir kommen zum Entschließungsantrag der FraktionBündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/1498. Werstimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthältsich? – Dann ist der Antrag gegen die Stimmen der Grü-nen, aber mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD undLinke abgelehnt.Tagesordnungspunkt 19 b. Wir kommen nun zur Ab-stimmung über den Entwurf eines Gesetzes der FraktionDie Linke zur Verbesserung des Erwerbsminderungs-schutzes. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales emp-fiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung aufDrucksache 18/1489, den Gesetzentwurf der FraktionDie Linke auf Drucksache 18/9 abzulehnen. Ich bittediejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-hält sich? – Dafür haben gestimmt die Fraktionen DieLinke und Bündnis 90/Die Grünen, dagegen haben ge-stimmt SPD und CDU/CSU. Der Gesetzentwurf ist da-mit in zweiter Beratung abgelehnt. Damit entfällt nachunserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.Tagesordnungspunkt 19 c. Wir setzen die Abstim-mung über die Beschlussempfehlung des Ausschussesfür Arbeit und Soziales auf Drucksache 18/1489 fort.Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Be-schlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak-tion Die Linke auf Drucksache 18/765 mit dem Titel„Vollständige Gleichstellung und gerechte Finanzierungder Kindererziehungszeiten in der Rente umsetzen –Mütterrente verbessern“. Wer stimmt für die Beschluss-empfehlung des Ausschusses? – Wer stimmt dagegen? –Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung des Aus-schusses ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD undBündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FraktionDie Linke angenommen.Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buch-stabe d seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung desAntrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/767mit dem Titel „Rentenniveau anheben, Leistungen ver-bessern und die wesentlichen Ursachen für sinkendeRenten und Altersarmut bekämpfen“. Wer stimmt für dieBeschlussempfehlung des Ausschusses? – Wer stimmtdagegen? – Damit ist die Beschlussempfehlung des Aus-schusses angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU,SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen derLinken.
Ich begrüße Sie. Von meiner Seite aus einen schönen
guten Tag! Auch unseren Gästen einen schönen guten
Tag!
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der
CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs ei-
nes Gesetzes zur Reform der Besonderen Aus-
gleichsregelung für stromkosten- und han-
delsintensive Unternehmen
Drucksache 18/1449
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Ich höre und
sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Wolfgang Tiefensee für die SPD.
Guten Tag, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! ImJahr 2000 war die eigentliche Energiewende. Das EEGwar der Durchbruch zur Einführung der erneuerbarenEnergien.
Am 8. April dieses Jahres wurde im Kabinett ein Ge-setzentwurf verabschiedet und ins Hohe Haus einge-bracht, der dieses EEG reformiert. Im Jahre 2014 war esnotwendig – vor dem Hintergrund der zweiten Energie-wende oder der erneuten Bestätigung des Atomausstie-ges –, das Erneuerbare-Energien-Gesetz von einemMarkteinführungsinstrument hin zur Marktdurchdrin-gung zu reformieren.Was wir in der Zukunft brauchen, ist die Entwicklungeines neuen Strommarktdesigns auf europäischer Ebene.Wir müssen darüber sprechen, wie wir Kapazitätsmecha-
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3205
Wolfgang Tiefensee
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nismen einführen. Wir werden uns den großen Heraus-forderungen stellen müssen, die Energieeffizienzrichtli-nie der EU umzusetzen bzw. in unserem Land zu einemDurchbruch zu verhelfen. Eine Debatte über das KWK-Gesetz steht an. Wie in einem Baukasten müssen wirjetzt die verschiedenen Teile, die die Energiewende vo-ranbringen, zusammenfügen.
Heute beraten wir über die Reform der BesonderenAusgleichsregelung, die ganz eng verschränkt ist mit derReform des EEG. Wir müssen auf der einen Seite denBereich der erneuerbaren Energien fördern – dabei müs-sen wir sowohl die Kosten im Griff behalten als auch fürdie Stabilität der Versorgung sorgen – und auf der ande-ren Seite unseren Wirtschaftsstandort, unseren Industrie-standort erhalten. Das ist eine immense Herausforde-rung. Nur wenn das gelingt, wird das Erneuerbare-Energien-Gesetz eine Blaupause auch für andere sein.
Jetzt geht es darum, dass wir nicht nur für Kosten-und Versorgungssicherheit sorgen, sondern auch für Pla-nungssicherheit. Ich bin Sigmar Gabriel und den Mitar-beiterinnen und Mitarbeitern seines Hauses dankbar,dass nicht nur das EEG in unglaublicher Geschwindig-keit und mit hoher Professionalität reformiert wird, son-dern wir jetzt auch dafür sorgen, dass die strom- undhandelsintensiven Unternehmen – das meint den Mittel-stand genauso wie die große Industrie – verlässlich da-rauf bauen können, dass sie international wettbewerbsfä-hig bleiben. Aus diesem Grund beraten wir heute überdie Reform der Besonderen Ausgleichsregelung.Worum geht es? Es geht darum, dafür zu sorgen, dassenergie- und handelsintensive Unternehmen nicht wegender Förderung des Bereichs der erneuerbaren Energienund den mit der EEG-Umlage verbundenen gestiegenenKosten im Wettbewerb so stark benachteiligt werden,dass Arbeitsplätze gefährdet werden. Die Koalition stehtsowohl für die Förderung des Bereichs der erneuerbarenEnergien als auch für die Förderung des Wirtschafts- undIndustriestandorts Deutschland. Beides muss zusam-mengehen, und das schaffen wir mit diesem Gesetz.
In extrem schwierigen Verhandlungen ist es SigmarGabriel, aber auch der Bundeskanzlerin gelungen, vordem Hintergrund der Umwelt- und Energiebeihilfeleitli-nien dafür zu sorgen, dass für diese Unternehmen Pla-nungssicherheit besteht. Sie werden entlastet, damit wirin der gesamten Wertschöpfungskette, von der Grund-stoffindustrie bis zum Nanoprodukt, Arbeitsplätze inDeutschland erhalten und durch den Erhalt von Techno-logien wettbewerbsfähig bleiben.Diese Unternehmen werden aber nicht generell be-freit. In der Öffentlichkeit ist vielfach nicht bekannt,dass ein namhafter Milliardenbetrag, ein Betrag von7 Milliarden bis 8 Milliarden Euro – zählt man Dienst-leistungen, Handel und Gewerbe hinzu, sind es etwa12 Milliarden Euro –, gezahlt wird, um die Lasten desEEG gemeinsam mit den anderen Endkunden zu tragen.Wir haben eine Regelung eingeführt, nach der dieQuote für die Befreiung, die sich aus der Stromintensitätbzw. dem Stromverbrauch und der Bruttowertschöpfungeines Unternehmens ergibt, erhöht wird, und zwar fürdie Unternehmen und Branchen der Liste 1 von 14 auf16 Prozent, später auf 17 Prozent, und für die Unterneh-men, die auf der Liste 2 stehen, auf 20 Prozent. Wir wol-len so dafür sorgen, dass die Aufwendungen, die getra-gen werden müssen – das sind etwa 5 Milliarden Euro –,auch in Zukunft stabil auf diesem Niveau bleiben. Dasist Verlässlichkeit, und das ist ein fairer Umgang mit alldenen, die dafür bezahlen müssen.Für die erste Gigawattstunde muss zudem die volleEEG-Umlage gezahlt werden und für die weiteren Kilo-wattstunden jeweils 0,1 Cent. Also, auch hier gibt eseine Erhöhung.Ferner haben wir dafür gesorgt, dass die Unterneh-men, die früher befreit waren und in Zukunft nicht mehrbefreit sind, von einer moderaten Übergangsregelungprofitieren. Dies betrifft unter anderem Unternehmen,deren Stromintensität zwar 14 Prozent, aber nicht 16, 17respektive 20 Prozent der Bruttowertschöpfung beträgt.Wenn in der Öffentlichkeit jetzt der Stromkunde ge-gen die Unternehmen und damit gegen die Arbeitsplätzeund den Erhalt der Technologie in Deutschland ausge-spielt wird, dann ist das nicht richtig. Wir haben eine Ba-lance geschaffen. Hätten wir diese Ausgleichsregelungnicht, dann könnten wir die Haushalte im Monat umdurchschnittlich 3,50 Euro entlasten. So erhalten wiraber Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze und die Wert-schöpfungsketten in Deutschland.
Dieser Gesetzentwurf ist ein guter Schritt. HerzlichenDank dafür. Wir gehen in die Beratungen. Ich bin sicher,dass die Energiewende so gelingen wird.Vielen Dank.
Danke, Herr Kollege Tiefensee.Ich darf Ihnen, bevor ich Frau Bulling-Schröter dasWort erteile, das von den Schriftführerinnen und Schrift-führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab-stimmung bekannt geben. Der Entwurf eines Gesetzesüber Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Ren-tenversicherung ist angenommen: abgegebene Stimmen584. Mit Ja haben 460 Kolleginnen und Kollegen ge-stimmt, mit Nein haben 64 Kollegen und Kolleginnengestimmt, 60 haben sich enthalten. Damit ist der Gesetz-entwurf angenommen.
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3206 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Vizepräsidentin Claudia Roth
(C)
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Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 584;davonja: 460nein: 64enthalten: 60JaCDU/CSUStephan AlbaniPeter AltmaierArtur AuernhammerDorothee BärThomas BareißNorbert BarthleJulia BartzGünter BaumannMaik BeermannManfred Behrens
Veronika BellmannSybille BenningDr. André BergheggerDr. Christoph BergnerUte BertramPeter BeyerSteffen BilgerClemens BinningerPeter BleserDr. Maria BöhmerWolfgang BosbachNorbert BrackmannKlaus BrähmigMichael BrandDr. Reinhard BrandlHelmut BrandtDr. Ralf BrauksiepeHeike BrehmerRalph BrinkhausCajus CaesarGitta ConnemannAlexandra Dinges-DierigAlexander DobrindtMichael DonthThomas DörflingerMarie-Luise DöttHansjörg DurzJutta EckenbachHermann FärberUwe FeilerDr. Thomas FeistIngrid FischbachDirk Fischer
Dr. Maria FlachsbarthKlaus-Peter FlosbachThorsten FreiDr. Astrid FreudensteinDr. Hans-Peter Friedrich
Michael FrieserDr. Michael FuchsHans-Joachim FuchtelAlexander FunkIngo GädechensDr. Peter GauweilerDr. Thomas GebhartAlois GerigEberhard GiengerCemile GiousoufJosef GöppelReinhard GrindelUrsula Groden-KranichHermann GröheKlaus-Dieter GröhlerMichael Grosse-BrömerAstrid GrotelüschenMarkus GrübelManfred GrundOliver GrundmannMonika GrüttersDr. Herlind GundelachFritz GüntzlerOlav GuttingChristian HaaseFlorian HahnDr. Stephan HarbarthJürgen HardtGerda HasselfeldtMatthias HauerDr. Matthias HeiderHelmut HeiderichMechthild HeilFrank Heinrich
Mark HelfrichUda HellerJörg HellmuthRudolf HenkeMichael HennrichAnsgar HevelingPeter HintzeChristian HirteAlexander HoffmannKarl HolmeierFranz-Josef HolzenkampDr. Hendrik HoppenstedtMargaret HorbBettina HornhuesCharles M. HuberAnette HübingerHubert HüppeErich IrlstorferThomas JarzombekSylvia JörrißenAndreas JungDr. Franz Josef JungXaver JungDr. Egon JüttnerBartholomäus KalbHans-Werner KammerSteffen KanitzAlois KarlAnja KarliczekBernhard KasterVolker KauderDr. Stefan KaufmannRoderich KiesewetterDr. Georg KippelsVolkmar KleinAxel KnoerigJens KoeppenMarkus KoobHartmut KoschykKordula KovacMichael KretschmerGunther KrichbaumRüdiger KruseBettina KudlaDr. Roy KühneGünter LachUwe LagoskyAndreas G. LämmelDr. Norbert LammertKatharina LandgrafUlrich LangeBarbara LanzingerPaul LehriederDr. Katja LeikertDr. Philipp LengsfeldDr. Andreas LenzPhilipp Graf LerchenfeldDr. Ursula von der LeyenAntje LeziusIngbert LiebingMatthias LietzAndrea LindholzDr. Carsten LinnemannWilfried LorenzDr. Claudia Lücking-MichelDr. Jan-Marco LuczakDaniela LudwigKarin MaagYvonne MagwasThomas MahlbergDr. Thomas de MaizièreGisela ManderlaMatern von MarschallHans-Georg von der MarwitzStephan Mayer
Reiner MeierDr. Michael MeisterDr. Angela MerkelJan MetzlerMaria MichalkDr. h. c. Hans MichelbachDr. Mathias MiddelbergPhilipp MißfelderDietrich MonstadtKarsten MöringMarlene MortlerElisabeth MotschmannDr. Gerd MüllerCarsten Müller
Stefan Müller
Dr. Philipp MurmannDr. Andreas NickMichaela NollHelmut NowakDr. Georg NüßleinWilfried OellersFlorian OßnerDr. Tim OstermannHenning OtteIngrid PahlmannSylvia PantelMartin PatzeltDr. Martin PätzoldDr. Joachim PfeifferSibylle PfeifferRonald PofallaThomas RachelKerstin RadomskiAlexander RadwanAlois RainerDr. Peter RamsauerEckhardt RehbergKatherina Reiche
Lothar RiebsamenJosef RiefDr. Heinz RiesenhuberJohannes RöringDr. Norbert RöttgenErwin RüddelAlbert RupprechtAnita Schäfer
Dr. Wolfgang SchäubleAndreas ScheuerKarl SchiewerlingJana SchimkeNorbert SchindlerTankred SchipanskiHeiko SchmelzleGabriele Schmidt
Patrick SchniederNadine Schön
Dr. Ole SchröderBernhard Schulte-DrüggelteDr. Klaus-Peter SchulzeUwe Schummer
Christina SchwarzerDetlef SeifJohannes SelleReinhold SendkerDr. Patrick SensburgBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerTino SorgeJens SpahnCarola StaucheDr. Frank SteffelDr. Wolfgang StefingerAlbert StegemannPeter SteinSebastian SteinekeDieter StierRita StockhofeGero StorjohannStephan StrackeMax StraubingerMatthäus StreblKarin StrenzThomas StritzlThomas Strobl
Lena StrothmannMichael StübgenDr. Sabine Sütterlin-WaackDr. Peter TauberAntje TillmannAstrid Timmermann-FechterDr. Hans-Peter UhlDr. Volker UllrichOswin VeithThomas ViesehonMichael VietzVolkmar Vogel
Sven VolmeringChristel Voßbeck-KayserKees de Vries
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3207
Vizepräsidentin Claudia Roth
(C)
(B)
Dr. Johann WadephulMarco WanderwitzNina WarkenKai WegnerAlbert WeilerMarcus Weinberg
Dr. Anja WeisgerberPeter Weiß
Sabine Weiss
Ingo WellenreutherKarl-Georg WellmannKai WhittakerPeter WichtelAnnette Widmann-MauzHeinz Wiese
Elisabeth Winkelmeier-BeckerOliver WittkeDagmar G. WöhrlBarbara WoltmannTobias ZechHeinrich ZertikEmmi ZeulnerDr. Matthias ZimmerGudrun ZollnerSPDNiels AnnenIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHeike BaehrensUlrike BahrHeinz-Joachim BarchmannDr. Katarina BarleyDr. Hans-Peter BartelsKlaus BarthelDr. Matthias BartkeSören BartolBärbel BasDirk BeckerLothar Binding
Burkhard BlienertWilli BraseEdelgard BulmahnMarco BülowMartin BurkertDr. Lars CastellucciPetra CroneBernhard DaldrupDr. Daniela De RidderDr. Karamba DiabySabine DittmarMartin DörmannElvira Drobinski-WeißSiegmund EhrmannMichaela Engelmeier-HeiteDr. h. c. Gernot ErlerPetra ErnstbergerSaskia EskenKarin Evers-MeyerDr. Johannes FechnerDr. Fritz FelgentreuElke FernerChristian FlisekGabriele FograscherDr. Edgar FrankeUlrich FreeseDagmar FreitagMichael GerdesMartin GersterIris GleickeUlrike GottschalckKerstin GrieseGabriele GronebergUli GrötschWolfgang GunkelBettina HagedornRita Hagl-KehlMetin HakverdiUlrich HampelSebastian HartmannMichael Hartmann
Dirk HeidenblutHubertus Heil
Gabriela HeinrichMarcus HeldWolfgang HellmichDr. Barbara HendricksHeidtrud HennGustav HerzogGabriele Hiller-OhmPetra Hinz
Thomas HitschlerDr. Eva HöglChristina JantzFrank JungeJosip JuratovicThomas JurkOliver KaczmarekJohannes KahrsChristina KampmannRalf KapschackGabriele KatzmarekUlrich KelberMarina KermerCansel KiziltepeArno KlareLars KlingbeilDr. Bärbel KoflerDaniela KolbeBirgit KömpelAnette KrammeDr. Hans-Ulrich KrügerHelga Kühn-MengelChristine LambrechtChristian Lange
Dr. Karl LauterbachSteffen-Claudio LemmeBurkhard LischkaGabriele Lösekrug-MöllerHiltrud LotzeKirsten LühmannDr. Birgit Malecha-NissenCaren MarksKatja MastHilde MattheisDr. Matthias MierschKlaus MindrupSusanne MittagBettina MüllerMichelle MünteferingDr. Rolf MützenichAndrea NahlesDietmar NietanUlli NissenThomas OppermannMahmut Özdemir
Aydan ÖzoğuzMarkus PaschkeChristian PetryJeannine PflugradtDetlev PilgerSabine PoschmannJoachim PoßFlorian PostAchim Post
Dr. Wilhelm PriesmeierDr. Sascha RaabeDr. Simone RaatzMartin RabanusMechthild RawertStefan RebmannGerold ReichenbachDr. Carola ReimannAndreas RimkusSönke RixDennis RohdeDr. Martin RosemannRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannMichael Roth
Susann RüthrichBernd RützelJohann SaathoffAnnette SawadeDr. Hans-JoachimSchabedothAxel Schäfer
Dr. Nina ScheerMarianne SchiederUdo SchiefnerDr. Dorothee SchlegelUlla Schmidt
Matthias Schmidt
Dagmar Schmidt
Carsten Schneider
Ursula SchulteSwen Schulz
Ewald SchurerFrank SchwabeStefan SchwartzeRita Schwarzelühr-SutterDr. Carsten SielingRainer SpieringNorbert SpinrathSvenja StadlerMartina Stamm-FibichPeer SteinbrückDr. Frank-Walter SteinmeierChristoph SträsserKerstin TackClaudia TausendMichael ThewsWolfgang TiefenseeCarsten TrägerRüdiger VeitUte VogtDirk VöpelGabi WeberBernd WestphalAndrea WickleinDirk WieseWaltraud Wolff
Gülistan YükselStefan ZierkeDr. Jens ZimmermannNeinCDU/CSUKatrin AlbsteigerMark HauptmannDr. Stefan HeckDr. Heribert HirteCarsten KörberJohannes SteinigerChristian Freiherr von StettenMarian WendtKlaus-Peter WillschBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENLuise AmtsbergKerstin AndreaeAnnalena BaerbockVolker Beck
Dr. Franziska BrantnerAgnieszka BruggerEkin DeligözKatja DörnerKatharina DrögeHarald EbnerDr. Thomas GambkeMatthias GastelKai GehringKatrin Göring-EckardtAnja HajdukBritta HaßelmannDr. Anton HofreiterDieter JanecekUwe KekeritzSven-Christian KindlerMaria Klein-SchmeinkTom KoenigsSylvia Kotting-UhlOliver KrischerStephan Kühn
Christian Kühn
Renate KünastMarkus KurthDr. Tobias LindnerNicole MaischPeter MeiwaldIrene MihalicÖzcan MutluDr. Konstantin von NotzOmid NouripourFriedrich OstendorffLisa PausBrigitte PothmerTabea RößnerClaudia Roth
Corinna RüfferManuel SarrazinElisabeth ScharfenbergUlle SchauwsDr. Gerhard SchickDr. Frithjof Schmidt
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3208 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Vizepräsidentin Claudia Roth
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Kordula Schulz-AscheDr. Wolfgang Strengmann-KuhnHans-Christian StröbeleDr. Harald TerpeMarkus TresselDr. Julia VerlindenDoris WagnerBeate Walter-RosenheimerDr. Valerie WilmsEnthaltenCDU/CSUPatricia LipsEckhard PolsDIE LINKEJan van AkenDr. Dietmar BartschHerbert BehrensKarin BinderMatthias W. BirkwaldHeidrun BluhmChristine BuchholzEva Bulling-SchröterRoland ClausDr. Diether DehmKlaus ErnstWolfgang GehrckeDiana GolzeAnnette GrothDr. Gregor GysiDr. André HahnHeike HänselInge HögerAndrej HunkoSigrid HupachUlla JelpkeSusanna KarawanskijKerstin KassnerKatja KippingJan KorteJutta KrellmannKatrin KunertCaren LaySabine LeidigRalph LenkertMichael LeutertStefan LiebichDr. Gesine LötzschThomas LutzeCornelia MöhringNiema MovassatThomas NordPetra PauHarald Petzold
Richard PitterleMartina RennerMichael SchlechtDr. Petra SitteKersten SteinkeDr. Kirsten TackmannAzize TankFrank TempelDr. Axel TroostKathrin VoglerHalina WawzyniakHarald WeinbergBirgit WöllertJörn WunderlichHubertus ZdebelPia ZimmermannBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENMonika LazarBeate Müller-GemmekeJürgen Trittin
Das Wort in der laufenden Debatte hat Eva Bulling-Schröter für die Linke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Der hier zur Debatte stehende Entwurf einesGesetzes zur Reform der Besonderen Ausgleichsrege-lung für stromkosten- und handelsintensive Unterneh-men betrifft nur einen winzigen Teilaspekt des Erneuer-bare-Energien-Gesetzes. Dieser Teilaspekt wurde abervon Minister Gabriel von Beginn an als Lokomotive be-nutzt, um einen enormen und völlig unnötigen Zeitdruckauf die gesamte EEG-Reform aufzubauen.Ich erinnere daran, wie das damals im Dezember war:EU-Wettbewerbskommissar Almunia leitete das Verfah-ren ein, zu prüfen, ob die EEG-Entlastungen der Indus-trie wettbewerbsrechtlich zulässig seien. Einige Stimmenforderten schon damals, die Besondere Ausgleichsrege-lung für die Industrie unabhängig vom EEG in einem ei-genen Gesetz zu regeln, um den großen Zeitdruck vonder EEG-Reform zu nehmen. Herr Gabriel lehnte das ab.Deshalb ist es eine Ironie der Geschichte, dass die Indus-trieprivilegien nun tatsächlich in einem eigenen gesetzli-chen Akt geregelt werden, terminiert sogar nach demEEG. Hätte man dies von Anfang an so getrennt, hätteman die EEG-Reform mit Sorgfalt, Abwägung und in-tensiverer demokratischer Diskussion vielleicht auf ei-nen zukunftsträchtigeren Weg gebracht.
Aber das wollten Sie nicht. Das wollte MinisterGabriel nicht. Er wollte dieses Tempo, basta. Damithaben Sie in der gesamten Branche der erneuerbarenEnergien für eine fundamentale Verunsicherung, eine an-stehende Klagewelle und kaum absehbare Investitions-verzögerungen gesorgt.Was ist nun bei der Reform der Besonderen Aus-gleichsregelung herausgekommen? Eine Umschichtung,aber in der Summe keine nennenswerte Rücknahme derPrivilegien für die energieintensiven Unternehmen. Ei-nige Unternehmen werden künftig nicht mehr als an-tragsberechtigt gelten, dafür rutschen andere in die Privi-legierung hinein. Doch selbst für die, die herausfallen,haben Sie ein weiches Polster: Sie gelten als sogenannteHärtefälle, die durch Sonderregelungen eine Umlagevon durchschnittlich nur 0,5 Cent pro Kilowattstundezahlen. Der Skandal dabei ist, dass dies zeitlich sogarunbefristet ist. Ich halte das für unverantwortlich.
Diese Dauersubventionen von eigentlich nicht dazu be-rechtigten Unternehmen kann man niemandem mehr er-klären, vor allem nicht den privaten Stromverbrauchern.Ich möchte heute auch darüber reden, welche Privile-gien im Energiebereich die Industrie gegenüber den pri-vaten Haushalten sonst noch genießt. Im vergangenenJahr wurde die deutsche Industrie mit insgesamt 16 Mil-liarden Euro bei Energie- und Emissionsabgaben be-schenkt. Ich zähle einmal auf, was dies alles umfasst:Entlastung von der Energie- und Stromsteuer in Höhevon 5,1 Milliarden Euro, kostenlose Verteilung von Emis-sionszertifikaten in Höhe von 1,1 Milliarden Euro, soge-nannter Eigenverbrauch der Industrie und Kraftwerksei-genverbrauch in Höhe von 1,5 Milliarden Euro – davonprofitiert vor allem der Braunkohletagebau –, Befreiungvon Netzentgelten, Ermäßigungen bei der Offshorehaf-tungsumlage, Ermäßigungen bei der Umlage für Kraft-Wärme-Kopplung und reduzierte Konzessionsabgaben.Das alles bekommt die Industrie zusätzlich. Insge-samt sind dies 16 Milliarden Euro. Der Posten im Rah-men des vorliegenden Gesetzentwurfes beträgt nur einViertel davon. Ich sage: Diese verdeckten Energiesub-ventionen verschaffen den deutschen Unternehmen ge-genüber anderen europäischen Staaten Vorteile.
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Eva Bulling-Schröter
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So sichert sich Deutschland in Europa seine Stärke, undso sehr pfeift Deutschland auf den Rest von Europa.
Danke, Frau Kollegin. – Nächster Redner in der De-
batte: Dr. Joachim Pfeiffer für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Kollege Tiefensee hat ja schon deutlich gemacht, umwas es geht; er hat auch die Zahlen genannt. Ich will ver-suchen, das Gesagte zu unterstreichen und es an ein paarBeispielen zu erläutern. Es geht heute darum, dass wirdas EEG europafest machen, dass wir die Umwelt- undBeihilfeleitlinien der Europäischen Union in nationalesRecht umsetzen und damit dauerhafte Planungs- und In-vestitionssicherheit schaffen, und zwar im Hinblick aufdie industriellen Arbeitsplätze insbesondere in den ener-gieintensiven Unternehmen in Deutschland. Über 1 Mil-lion Arbeitsplätze gibt es direkt in den energieintensivenUnternehmen.
Diese wollen wir mit der Umsetzung dieses Gesetzent-wurfes sichern.
Insbesondere wollen wir – auch das hat KollegeTiefensee bereits angesprochen – die industriellen Wert-schöpfungsketten hier in Deutschland erhalten. Wir allesind stolz darauf, dass wir in Deutschland einen höherenIndustrieanteil haben als unsere Wettbewerber bzw. alsdie anderen Länder in Europa. In Deutschland liegt derAnteil der industriellen Wertschöpfung am Bruttosozial-produkt immer noch bei rund 23 Prozent. In anderenLändern ist er geringer: In Frankreich beträgt er knapp12 Prozent, in Großbritannien 11 Prozent und in denUSA knapp 13 Prozent. Das ist ein entscheidender Vor-teil, den Deutschland im internationalen Wettbewerb hat.
Diese Wertschöpfungsketten müssen erhalten werden;denn sie sind die Grundvoraussetzung für viele Pro-dukte, auf die wir stolz sind. Auch mit dem EEG undtrotz des Umbaus der Energieversorgung würde keinWindrad in Deutschland aufgestellt, wenn es diese in-dustriellen Wertschöpfungsketten nicht gäbe; denn in je-dem Windrad ist beispielsweise Kupfer aus der Grund-stoffindustrie zu finden. Ohne diese Grundstoffe, diehier gesichert werden, würde kein Hochgeschwindig-keitszug in Deutschland fahren. Ohne die industriellenWertschöpfungsketten, um die es hier geht, würde inDeutschland kein Flugzeugtriebwerk installiert, und eswürde kein Automobil in Deutschland gebaut und ver-kauft.Da erschließt sich mir nicht – das muss ich schon sa-gen –, warum die Linken und auch die Grünen hier skan-dalisieren und von „unverantwortlich“, „Dauersubven-tion“ und anderen Dingen sprechen;
das waren Begriffe, die gerade gefallen sind und diegleich wahrscheinlich auch beim Kollegen Krischer fal-len werden. Da wird der Eindruck erweckt, als würdendie entsprechenden Unternehmen subventioniert und alswürde man ihnen etwas schenken, was sie eigentlichnicht verdient haben.Wie sieht denn die Realität aus? Tatsache ist, dassdiese Unternehmen teilweise einen Nachteilsausgleichbekommen, einen Ausgleich für die Nachteile, die sieam Standort Deutschland haben. Ob es Ihnen gefälltoder nicht: Tatsache ist, dass die Industriestrompreise inDeutschland zu den höchsten in Europa gehören. Sie be-wegen sich in einer Größenordnung von 9,2 Cent bis10 Cent pro Kilowattstunde. Vergleicht man sie mit denStrompreisen in den Ländern, mit denen wir im Wettbe-werb stehen – ich habe sie gerade schon genannt –, stelltman fest: Das sind etwa 40 Prozent mehr, als die Indus-trie in Frankreich für Strom zahlen muss; dort sind esnämlich 5,6 Cent pro Kilowattstunde.
In Norwegen sind 5 Cent pro Kilowattstunde zu zahlen.In Schweden muss man nicht einmal die Hälfte dessenzahlen, was in Deutschland zu zahlen ist.Es ist ja nicht so – auch diese Zahlen hat der KollegeTiefensee genannt –, dass nichts zu zahlen ist. Insgesamtzahlt die Industrie etwa die Hälfte der gesamten EEG-Umlage. Hier wird aber der Eindruck erweckt, als würdesie überhaupt nichts zahlen und als würde sie etwas be-kommen, was sie eigentlich nicht verdient hat. Wie ge-sagt, das Gegenteil ist der Fall.Auch der weltweite Vergleich zeigt: Unsere Strom-preise sind mehr als doppelt so hoch wie die in den USA,mehr als doppelt so hoch wie die in Russland, 25 Pro-zent höher als die in China
und über 30 Prozent höher als die Strompreise in einemanderen BRIC-Land, nämlich in Brasilien.Diese Zusatzbelastungen gefährden die Wertschöp-fung in Deutschland. Deshalb versuchen wir, einen Spa-gat hinzubekommen: Auf der einen Seite wollen wir dieFörderung der Erneuerbaren weiter vorantreiben, undzwar kostenbewusst. Mengenmäßig ist sie ja ein großerErfolg, aber die Kosten sind uns aus dem Ruder gelau-fen. Deshalb versuchen wir, den Anstieg der Kostendurch die EEG-Reform abzubremsen. Auf der anderenSeite versuchen wir mit dem, was wir heute hier disku-tieren und was dann in den nächsten Wochen im Aus-
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Dr. Joachim Pfeiffer
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schuss und in den Anhörungen noch intensiv diskutiertwerden wird, Planungs- und Investitionssicherheit fürdie Industrie zu schaffen. Auch dies machen wir nichtwillkürlich, sondern in einer sinnvollen Kaskade, undzwar nach der Energieintensität:Erstens. Für jedes Unternehmen, das strom- und han-delsintensiv ist – die Kriterien sind jetzt EU-weit sekto-renweise in den Umwelt- und Beihilfeleitlinien festge-legt worden –, gilt ein Selbstbehalt von 15 Prozent derEEG-Umlage. Damit werden auch europaweit Wettbe-werbsgleichheit und Planungssicherheit geschaffen.Zweitens. Bei besonders stromintensiven Unterneh-men wird die Belastung auf 4 Prozent der Bruttowert-schöpfung begrenzt – nicht der Kosten, sondern der Brut-towertschöpfung –, die diese Unternehmen am StandortDeutschland erbringen. Sie können doch nicht ernsthaftetwas dagegen haben, dass diese Unternehmen inDeutschland Wertschöpfung erbringen!
Wenn wir die Belastung für diese Unternehmen nicht be-grenzten, würden sie aus Deutschland weggehen müs-sen.
Drittens, der sogenannte Superdeckel: Bei besondersstromintensiven Unternehmen – Kupfer-, Aluminium-,Stahlindustrie und andere mehr – wird die EEG-Belas-tung auf nur 0,5 Prozent der Bruttowertschöpfung gede-ckelt.Viertens. Wir machen zudem etwas zwingend Not-wendiges; denn wegen der veränderten Systematik derEU und jetzt auch der nationalen Umsetzung entfallenfür zahlreiche Unternehmen Entlastungen, die bisher fürsie galten. Wenn diese Entlastungen von heute auf mor-gen entfielen – zum Teil würde sich die Belastung für dieUnternehmen nicht nur verdoppeln, sondern im Einzel-fall verzwanzigfachen –, dann wären diese Unternehmenvon heute auf morgen nicht mehr wettbewerbsfähig undmüssten hier schließen bzw. den Standort verlassen.
Das wollen wir nicht. Deshalb haben wir die Härtefallre-gelung geschaffen: Unternehmen, die aus der bisherigenRegelung herausfallen, müssen zukünftig 20 Prozent derEEG-Umlage – daran werden sie schon hart genug zutragen haben – zahlen; somit bleibt eine gewisse Entlas-tung.Das alles versuchen wir mit dem vorliegenden Gesetzumzusetzen.
Wir sichern damit den Standort.Jetzt wird wieder argumentiert werden: Das ist zu vielEntlastung, zahlen müssen das die Verbraucher. – Aberdas wäre eine Milchmädchenrechnung: Wenn alle Ent-lastungen für energieintensive Industrien gestrichen wür-den, würde die EEG-Umlage in einer Größenordnungvon 1 Cent pro Kilowattstunde sinken, von 6,3 Cent auf,sagen wir einmal, 5 Cent pro Kilowattstunde. Das wärenatürlich eine gewisse Entlastung. Aber insgesamt wirddeutlich: Der wahre Kostentreiber ist der Ausbau der er-neuerbaren Energien. Die Kosten in diesem Bereich sindzu hoch. Deshalb will man an anderer Stelle dagegenvorgehen. Die energieintensiven Unternehmen sind aberder falsche Ansatzpunkt, sie sind Opfer dieser Entwick-lung und nicht Täter. Genau deshalb versuchen wir,diese Unternehmen zu entlasten.
Herr Pfeiffer, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder
-bemerkung?
Gerne.
Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Kollege
Pfeiffer.
Sie haben gerade sehr eindrücklich beschrieben, dass
die EEG-Umlage nur um 1 Cent pro Kilowattstunde ge-
senkt werden könnte, wenn Sie bei den Entlastungen für
die Industrie vernünftige Einschnitte machen würden.
Wie erklären Sie sich dann, dass Ihre Regierung die Be-
lastung der Selbstversorgung mit Strom aus erneuerba-
ren Quellen – die Streichung der Befreiung von Eigen-
strom von der EEG-Umlage würde wahrscheinlich zu
einer Senkung von noch nicht einmal 0,1 Cent pro Kilo-
wattstunde führen – trotzdem mit solcher Verve ver-
folgt? Warum sollen Menschen, die sich Strom aus er-
neuerbaren Quellen selber dezentral erzeugen, belastet
werden?
Wir befinden uns in einem Diskussionsprozess; dieAnhörung findet in der nächsten Sitzungswoche statt.Wir werden uns bei diesem Thema innerhalb der Koali-tion, aber in der Anhörung auch mit allen Fraktionenauseinandersetzen.Wir wollen und werden sicherstellen – das ist gegen-über dem ursprünglichen Gesetzentwurf auch schondeutlich verbessert –, dass der Umfang an Eigenstrom-verbrauch – wir reden hier über insgesamt 50 Terawatt-stunden – erhalten wird. Hier geht es ja insbesondere umdie Kraft-Wärme-Kopplung, also eine besonders effi-ziente Form der Energieerzeugung.
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Dr. Joachim Pfeiffer
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Wir werden auch sicherstellen, dass die Bestandsin-vestitionen nicht nur gesichert sind, sondern auch erwei-tert werden können, nämlich um eine Größenordnungvon bis zu 30 Prozent. Auch diesbezüglich werden wirden Eigenstromverbrauch weiter privilegieren und si-cherstellen.
Daneben werden wir uns sehr genau anschauen – dashaben Sie angesprochen –, ob die jetzige Staffelung von15, 30 und 50 Prozent – am Anfang waren es ja einmalbis zu 90 Prozent – sinnvoll ist, ob wir zwischen deneinzelnen Verbrauchern differenzieren sollten und wodieser Strom herkommt. Gerade einmal 3,2 Terawatt-stunden der 50 Terawattstunden werden heute aus erneu-erbaren Energien produziert.Andererseits gibt es natürlich schon die Tendenz– das werden Sie uns morgen oder übermorgen in derDebatte wieder vorwerfen –,
dass sich manche von der Solidarität verabschieden, in-dem sie nur auf Eigenstromverbrauch setzen,
um ihre Belastungen durch die EEG-Umlage entspre-chend zu reduzieren, was natürlich nachvollziehbar ist.Wir sind uns dieser Problematik bewusst, und wir wer-den hier im parlamentarischen Verfahren auch noch zuÄnderungen gegenüber dem kommen, was bisher aufdem Tisch liegt.
Kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.
Ja. – Er hat ja eine Sekunde vor dem Ende meiner Re-
dezeit die Zwischenfrage gestellt, sodass ich die Mög-
lichkeit hatte, dieses zu erläutern.
Ich habe die Uhr selbstverständlich angehalten.
Vielen Dank dafür.
Ich lade Sie ein, diesen Gesetzentwurf im weiteren
Prozess dort noch besser zu machen, wo es noch Verbes-
serungsbedarf gibt; auch wir sehen noch den einen oder
anderen kritischen Punkt.
Ich bitte Sie aber wirklich noch einmal nachdrücklich,
die energieintensive Industrie nicht gegen die anderen
Industrien in Deutschland auszuspielen. Wir brauchen
beide für den Standort Deutschland, damit wir wettbe-
werbsfähig sind und bleiben, und das wollen wir mit die-
sem Gesetz erreichen.
Vielen Dank.
Danke schön, Herr Kollege Pfeiffer. – Nächster Red-
ner in der Debatte ist Oliver Krischer von Bündnis 90/
Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Pfeiffer, das war ja gerade ein emotionaler Aus-bruch in puncto industriepolitischem Engagement. Das,was Sie gestern zu TTIP gesagt haben, gefiel mir besser.Da habe ich wenigstens etwas zum deutschen Reinheits-gebot und von Heineken-Bier an der Hotelbar gehört.Bei dem, was Sie hier jetzt vorgetragen haben, fiel es einbisschen schwer, nachzuvollziehen, wo Sie hinwollen.
Es gibt hier – darüber sprechen Sie nicht – zumindestzwischen der Großen Koalition und den Grünen – dieLinken haben hier manchmal interessante Ansichten –0,0 Dissens hinsichtlich der energie-, strom- und außen-handelsintensiven Industrien.
Aluhütten, Stahlhütten, Chemieunternehmen, Metall-gießereien: Selbstverständlich brauchen wir für sie Aus-nahmetatbestände. Das streitet hier niemand ab, und dasist auch nicht Gegenstand der Debatte, auch wenn Sieselber das hier immer zum Problem machen und so tun,als würde man das infrage stellen.
Man muss aber benennen, was Sie tun. Sie legen unshier ernsthaft eine Besondere Ausgleichsregelung vor, inder 219 Branchen genannt werden. Darunter sind Pan-zerschmieden, Fantasieschmuckhersteller, Fruchtsaftpro-duzenten und Schlachtereien. Sie definieren alles alsenergie-, strom- und außenhandelsintensiv und schaffendie Möglichkeit, dass sie eine entsprechende Befreiungerhalten. Es bleibt fast nichts mehr übrig, was in andereBereiche fällt.Selbst wenn Sie etwas ausnehmen – zum Beispiel denBraunkohletagebau –, wird entsprechend gestaltet: Vat-tenfall definiert seine Tagebaue, die vorher unter die Be-sondere Ausgleichsregelung fielen, um, setzt auf das Ei-genstromprivileg und ist wieder komplett befreit. Das isteine Kostenverlagerung von der einen Seite auf die an-dere.
Minister Gabriel hat angekündigt, die privaten Ver-braucher um 1 Milliarde Euro zu entlasten. Dazu hat erletzte Sitzungswoche gesagt: Das war ein großes Miss-verständnis. – Man muss einfach feststellen: Es gibtkeine Entlastung der privaten Verbraucher, sondern esgibt eine Belastung. Sie schieben die Kosten von der ei-
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Oliver Krischer
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nen Seite auf die andere Seite. Die privaten Verbraucherauf der einen Seite bezahlen für das, was Sie auf der an-deren Seite an Geschenken in Richtung Industrie vertei-len.
Zur Wahrheit gehört auch: Die energieintensive In-dustrie zahlt 300 Millionen Euro an EEG-Umlage. Dasist völlig in Ordnung, das ist richtig. Aber nach einerkonservativen Schätzung Ihrer Bundesregierung wirddavon ausgegangen, dass der strompreissenkende Effektder erneuerbaren Energien 1 Milliarde Euro beträgt. Dasmacht nach Adam Riese, nach betriebswirtschaftlicherRechnung, einen Gewinn in Höhe von 700 MillionenEuro. Das ist ein Geschenk. Davon profitiert die energie-intensive Industrie.
Die Industrie profitiert von der Energiewende. Dann istauch eine gewisse Belastung der Industrie gerecht. Mandarf nicht nur die privaten Verbraucher zahlen lassen.
Mich ärgert es immer, wenn hier über Arbeitsplätzegeredet wird, aber offensichtlich immer nur eine parti-elle Sicht auf die Arbeitsplätze vorherrscht, nämlich aufdie Arbeitsplätze in der energieintensiven Industrie.Selbstverständlich kämpfen wir um jeden Arbeitsplatz.In diesem Zusammenhang wünsche ich mir einmal eineAnsprache an die Manager von ThyssenKrupp, damit sienicht in Stahlwerke in Brasilien investieren. Dazu möchteich gerne etwas vom Wirtschaftsminister oder von dieserKoalition hören. Aber dazu hört man bei Ihnen nichts.Sie reden immer nur über Arbeitsplätze in energieinten-siven Industrien. Sie reden hier nie über Arbeitsplätze inder Branche der Erneuerbaren. Das waren in Deutsch-land einmal 400 000 Arbeitsplätze.
Bisher hat jede Bundesregierung im März eines Jah-res immer die Zahl der Arbeitsplätze in der Branche derErneuerbaren veröffentlicht. Zum ersten Mal, im Jahr2014, gibt es hierzu keine Zahlen mehr. Ich habe nachge-fragt, warum. Die Antwort ist, man müsse etwas an derStatistik ändern, das Institut, das die Zahlen erhebe, habePersonalprobleme usw. – Ich sage Ihnen, was die Wahr-heit ist: Sie wollen die Zahlen nicht veröffentlichen, weilman daran die Bremsspuren Ihrer Politik sehen würde.
Diese Verunsicherung durch Ihre Politik hat schon Zehn-tausende Arbeitsplätze gekostet. Damit müssen Sie sicheinmal auseinandersetzen.Ich höre immer, dass Sie so viel unterwegs sind, dassSie häufig mit den Menschen in den Betrieben sprechen.Dann gehen Sie doch einmal zu PlanET nach Borken, zuden verschiedenen Standorten von Enercon. Gehen Siezu SMA oder zu SenerTec. Sprechen Sie mit den Men-schen, und hören Sie sich einmal an, wozu Ihre Politikführt. Die Menschen stehen mit ihren Betrieben vor demAus und wissen nicht, wie es weitergehen soll. Denenbieten Sie null und nichts an. Das ist Ihr Defizit.
Man muss noch über einen weiteren Punkt sprechen.Eigentlich hatten Sie im Koalitionsvertrag vereinbart,dass Sie keine Steuern erhöhen und keine neuen Steuerneinführen wollen. Sie führen aber eine neue Steuer ein:eine Sonnensteuer. Sie wollen, dass privat erzeugterStrom, also Eigenstrom, mit einer EEG-Umlage belegtwird. Sie konterkarieren damit das, was Sie gleichzeitigfördern. Auf der einen Seite fördern Sie Photovoltaikan-lagen über das EEG und dezentrale Kraft-Wärme-Kopp-lung über das KWKG. Auf der anderen Seite wollen Sieden Menschen dieses Geld über die Sonnensteuer wiederwegnehmen. Damit machen Sie genau das kaputt, wasSie im Koalitionsvertrag und in den entsprechenden Ge-setzen als Ziel genannt haben. Das ist widersinnig. Dasist das Gegenteil einer Energiewende.
Das Verrückte dabei ist, dass Sie das Falsche auchnoch ungerecht machen; das muss man erst einmal hin-bekommen.
Sie machen folgende Einteilung: Der Bäckermeister miteiner Eigenstromanlage soll in Zukunft 50 Prozent derEEG-Umlage zahlen. Dessen Nachbar mit einem Metall-erzeugungsbetrieb – sagen wir: eine Härterei – soll inZukunft nur noch 15 Prozent der EEG-Umlage zahlen.Warum das so ist, können Sie niemandem erklären; dasist überhaupt nicht nachvollziehbar.Es kommt noch besser. Alle beide gucken dann aufdas schöne Braunkohlekraftwerk von Herrn Terium vonRWE. Dieser sitzt in seinem Büro und lacht sich kaputt:Er soll nämlich für seinen im Kohlekraftwerk erzeugtenEigenstrom gar nichts an EEG-Umlage zahlen. Das istabsurd. Das ist ungerecht. Das widerspricht allen Zielender Energiewende, was Sie hier machen.
Ich sage Ihnen: In vielen Gutachten wird darauf hin-gewiesen, dass das nicht mit der Verfassung vereinbar istund dem Gleichbehandlungsgrundsatz widerspricht. Ichfordere Sie auf, Herr Pfeiffer – ich habe Ihnen bei IhrerRede sehr genau zugehört –: Ändern Sie diese Regelungoder nehmen Sie sie zurück. Lassen Sie das mit der Son-nensteuer, sonst stehen Sie irgendwann in Karlsruhe vorGericht, das Ihnen dann Ihr ganzes Gesetz für null undnichtig erklären wird.
Sie haben noch etwas anderes vor: Sie wollen Aus-schreibungen einführen und in Zukunft die Vergütungs-höhe per Ausschreibung ermitteln. Ich habe kein Pro-blem damit, dass man Modellversuche durchführt und
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prüft, wie man die Förderung der Erneuerbaren effizien-ter gestalten kann.Aber Sie sehen vor, dass die Ermittlung der Förder-höhe über Ausschreibungen ab 1. Januar 2017 für alleverbindlich gelten soll. Dabei haben Sie selber über-haupt keine Vorstellung, wie das Ganze funktionierensoll.
Es gibt europaweit nur negative Erfahrungen. Es gibtkeine positiven Erfahrungen. In anderen Ländern ist ent-weder nichts mehr gebaut worden oder es ist teurer ge-worden. Es ist gescheitert.Das macht keinen Sinn. Damit machen Sie die Bürger-energie, die dezentrale Energiewende, kaputt. Die vielenMenschen, die sich engagieren wollen, können mit die-sem Modell nicht klarkommen. Sie können gerne einenVersuch machen; aber Sie sollten sich nicht hinter derEU-Kommission verstecken und darauf verweisen, dasssie uns zu diesen Ausschreibungen verpflichte. NutzenSie lieber die vorhandenen Spielräume! Das ist eineChance und eine Perspektive.
Dass wir überhaupt noch einen Ausbau der erneuerba-ren Energien haben, nämlich in der Windenergie – denndie PV- und die Biomasseförderung stellen Sie ganz ab,im Fall der PV über die Eigenstromregelung –, habenwir überwiegend den rot-grün geführten Ländern zu ver-danken, die durchgesetzt haben, dass der Ausbau weiter-gehen kann.Aber dann haben Sie natürlich das Nächste vor. Jetztkommen Sie mit der Lex Seehofer, die vorsieht, dass2 000 Meter Abstand zur nächstgelegenen Wohnbebau-ung eingehalten werden.
Das wollen Sie einführen. Sie haben dazu eine Sachver-ständigenanhörung im Umweltausschuss des Bundesta-ges durchgeführt, aber Sie haben keinen einzigen Sach-verständigen gefunden, der Ihre Position unterstützt. Siemussten drei Antiwind-Bürgerinitiativen einladen, dieganz steile Thesen vertreten. Ich appelliere an Ihren An-stand: Lassen Sie diesen Unsinn! Hören Sie damit auf!Verzichten Sie auf die Lex Seehofer!
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss. – Der Entwurf der EEG-No-
velle mit der Besonderen Ausgleichsregelung, die Sie
vorlegen, bremst den Ausbau der erneuerbaren Energien.
Er schadet dem Klimaschutz und sichert das Geschäfts-
modell der Großkraftwerke. Er vernichtet Arbeitsplätze
in der Branche der Erneuerbaren. Er ist ungerecht gegen-
über Privatverbrauchern und Handwerk. Er ist kompli-
ziert, und er ist das Gegenteil von kosteneffizient. Und er
würgt dem Bürger Energie ab. Kurzum: Er ist ein An-
schlag auf die Energiewende.
Danke schön.
Und es war jetzt überzogen, was die Zeit angeht. Das
haben Sie aber auch gemacht, Herr Pfeiffer. Ich bin ja
sehr gerecht.
Nächster Redner in der Debatte ist Johann Saathoff
für die SPD.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Lieber Kollege Krischer, herzlichen Glück-wunsch zu Ihrer Rede zum Erneuerbare-Energien-Ge-setz. Ich habe es während Ihrer Rede noch einmal nach-gelesen: In dem Gesetzentwurf, über den wir heutedebattieren, ist ganz wenig von dem enthalten, was Sieheute angesprochen haben.
Deswegen herzlichen Glückwunsch zur EEG-Rede!Auf das Thema Enercon möchte ich ganz besonderseingehen; denn Enercon befindet sich in meinem Wahl-kreis. Sie können sicher sein, dass ich mit den Mitarbei-tern intensive Gespräche führe.
Fragen Sie dort nach, welche Auswirkungen es hätte,wenn die Stahl- oder Kupferpreise erhöht würden!Liebe Kolleginnen und Kollegen, für Betriebe, die be-sonders viel Strom bei der Herstellung ihrer Produktebenötigen und im internationalen Wettbewerb stehen,stellt die Energie einen bedeutenden Kostenfaktor dar.Diese Unternehmen stehen häufig im Wettbewerb mitBetrieben in anderen Ländern, die zum Teil deutlichniedrigere Stromkosten haben, weil deren Regierungensich noch nicht auf den Weg der erneuerbaren Energiengemacht haben. In dem vorliegenden Gesetzentwurfgeht es um die internationale Wettbewerbsfähigkeit un-serer Unternehmen unter Berücksichtigung des Wettbe-werbsfaktors Stromkosten.Darüber hinaus muss das am Ende beschlossene Ge-setz auch mit den neuen Umwelt- und Energiebeihilfe-leitlinien in Einklang stehen, die die Europäische Kom-mission am 9. April dieses Jahres beschlossen hat.
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Johann Saathoff
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Deshalb prüft die Kommission auch parallel zu unseremGesetzgebungsverfahren den hier diskutierten Gesetz-entwurf. Etwaige Änderungsanträge müssten noch inBrüssel notifiziert werden.Würde die Besondere Ausgleichsregelung nicht mehrgreifen, hätte dies schwerwiegende Folgen für die Men-schen in Deutschland. Viele Arbeitsplätze wären durchdrohende Schließungen und Abwanderung insbesondereder produzierenden Betriebe bedroht. Das hätte auch un-mittelbar zur Folge, dass die dringend notwendige Ak-zeptanz der Bürgerinnen und Bürger bei der Energie-wende durch den Verlust ihrer Existenzgrundlage nichtmehr gegeben wäre.
Die Abwanderung der Betriebe würde in Länder er-folgen, die sich noch nicht auf den Weg der Erneuerba-ren gemacht haben, die also nicht Klimaziele in ihr je-weiliges Leit- und Wertebild aufgenommen haben. DerAnreiz zu klimafreundlichem Verhalten anderer Natio-nen würde also unterdrückt, wenn wir die stromintensi-ven Betriebe in unserem Land nicht durch die BesondereAusgleichsregelung international wettbewerbsfähig ma-chen würden.Zum Dritten stellt dieses Gesetz sicher, dass die be-günstigten Unternehmen trotz der Begünstigung eineneigenen Beitrag zur Förderung der erneuerbaren Ener-gien leisten; Kollege Pfeiffer hat darauf gerade hinge-wiesen.Weiterhin wird durch die Erhöhung der Eingangs-schwelle im Gesetz sichergestellt, dass der sonst zu er-wartende weitere Anstieg der Anzahl der privilegiertenUnternehmen sowie des Entlastungsvolumens begrenztwird.Letztlich soll im Gesetz normiert werden, dass dieUnternehmen ein zertifiziertes Energie- und Umweltma-nagementsystem betreiben. Es wird also sichergestellt,dass diese Unternehmen die Energieeffizienz deutlichstärker in den Fokus nehmen. Ich würde mich freuen,wenn wir zusätzlich die Umsetzung der aus dem Um-weltmanagementsystem gewonnenen Erkenntnisse si-cherstellen könnten.Es ist gut, dass nun auch auf europäischer EbeneKlarheit darüber besteht, welche Branchen als stromkos-ten- und handelsintensiv einzustufen sind. Damit ist eingroßer Beitrag zur Planungssicherheit der betroffenenBetriebe geleistet. Allerdings finde ich es in der Diskus-sion nicht redlich, so zu tun, als seien alle Betriebe der68 Branchen automatisch von der EEG-Umlage befreit.Man suggeriert damit, die privaten Verbraucher müsstenihren Beitrag zur Energiewende leisten, während die In-dustrie fein raus sei. Dem ist definitiv nicht so. Mit demGesetz, über dessen Entwurf wir heute erstmalig beraten,wird die Industrie keinesfalls aus den Kosten der Ener-giewende entlassen. Sie soll vielmehr weiterhin ange-messen an den Kosten beteiligt werden, ohne dass sienachhaltig im Wettbewerb geschädigt und damit in derExistenz bedroht wird.Die Zugehörigkeit zu den Branchen ist zunächst ein-mal die Voraussetzung, überhaupt einen Antrag stellenzu dürfen, als stromintensiver Betrieb anerkannt zu wer-den. Weiterhin ist Voraussetzung, dass die Betriebe ei-nen Mindestanteil von Stromkosten an ihrer Bruttowert-schöpfung zu Faktorkosten als Eintrittsschwelleaufweisen. Die Eintrittsschwelle wird schrittweise ange-hoben, um dem Anstieg der EEG-Umlage Rechnung zutragen und dafür zu sorgen, dass sich der Kreis der privi-legierten Unternehmen nicht weiter vergrößert. UnserZiel ist es, dass wir die Eingangsschwelle in Zukunftnicht weiter anheben müssen, dass also die EEG-Umlagenicht weiter steigt. Es gibt allerdings Kritik: DieSchwelle sei nicht deutlich genug erhöht worden. Ichhalte diese Kritik für unberechtigt. Diese Anpassung istmit Augenmaß sorgsam gewählt, um das Kind nicht mitdem Bade auszuschütten, oder wie wir Ostfriesen sagen:Man sall’t Pullstock neet wieder setten, as man springenkann.
Was wollen Sie uns damit sagen?
Frau Präsidentin, ich gebe die Übersetzung zu Proto-
koll.
Gut. Danke.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Begriff„Faktorkosten“, also quasi alle Kosten, die zur Produk-tion eines Produkts erforderlich sind, und damit auch dieKosten für zum Beispiel Leiharbeitsverträge, die sonstnicht eingerechnet wurden. Mit diesem Gesetz wird alsosichergestellt, dass die Betriebe nicht mehr – wie ge-schehen – Personal aus Arbeitsverträgen entlassen undüber Leiharbeitsverträge wieder beschäftigen, um denAnteil der Stromkosten an der Bruttowertschöpfung überdie Eintrittsschwelle zu heben und so privilegiert zusein. Dieser falsche Anreiz ist durch dieses Gesetz end-lich gestoppt.
Weiterhin leisten nun auch die privilegierten Unter-nehmen ihren Beitrag zur Energiewende, nämlich grund-sätzlich 15 Prozent der EEG-Umlage. Diese Belastungwird nur bei ganz wenigen Betrieben auf 4 Prozent bzw.0,5 Prozent der Bruttowertschöpfung begrenzt.
Darüber hinaus ist künftig von jeder Abnahmestelle fürdie erste Gigawattstunde die EEG-Umlage in vollerHöhe zu zahlen und weiterhin eine Mindestumlage inHöhe von 0,1 Cent für jede weitere Kilowattstunde, umden Grundbetrag der privilegierten Unternehmen für dasEEG-Konto sicherzustellen. In diesem Rahmen könnten
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Johann Saathoff
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wir uns allerdings noch einmal Gedanken über die Här-tefallregelung machen.Der vorliegende Gesetzentwurf, den wir nun in denAusschüssen zu beraten haben, stellt einen Schritt in dierichtige Richtung dar und wird ein wichtiger Faktor beider Sicherstellung der internationalen Wettbewerbsfä-higkeit unserer Unternehmen sowie im Sinne unsererArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sein.Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. Sie denken an die Über-
setzung.
Nächste Rednerin in der Debatte ist Caren Lay für die
Linke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Es verwundert mich natürlich nicht, dass die
Union auch heute das Ausmaß der Industrierabatte ver-
teidigt; das war schon in der letzten Legislaturperiode
so. Wir haben nichts anderes erwartet.
Dass die SPD in dieser Legislaturperiode mit einer sol-
chen Vehemenz in diesen Chor einstimmt, verwundert
mich schon sehr. Denn von welcher Seite haben Sie Ap-
plaus für diesen Gesetzentwurf bekommen? Das war der
Applaus von den Chefetagen der Industrie. Dort haben
regelrecht die Sektkorken geknallt. Ich muss mich wun-
dern. Dass Sie so viel Applaus
nur von der Wirtschaftsseite bekommen, während sich
die Bürgerinnen und Bürger, wie ich finde zu Recht, be-
schweren und übrigens auch das Gros der Medien in der
Berichterstattung die zusätzliche Belastung beklagt,
sollte Ihnen wirklich zu denken geben.
Es ist meiner Aufmerksamkeit nicht entgangen, dass
sowohl Herr Gabriel als auch Herr Tiefensee und die an-
deren Redner der Koalition versuchen, den Eindruck zu
verwischen, es gehe ihnen nur um die Industrieinteres-
sen. Sie tun so, als ob es ihnen auch um die Interessen
der Verbraucherinnen und Verbraucher ginge. Dazu
muss ich sagen: Außer dieser Beteuerung habe ich kein
einziges Argument gehört, das mich davon überzeugt.
Schauen wir uns die Fakten doch einmal an. Erstens.
Das Entlastungsvolumen der Industrie soll bei gut 5 Mil-
liarden Euro bleiben. Wir reden dabei nur über die
Stromrechnung. Es sind aber noch Entlastungen im Bun-
deshaushalt versteckt, über die wir überhaupt noch nicht
gesprochen haben. Zweitens. Die Anzahl der Branchen,
die entlastet werden sollen, steigt sogar an. Lag die Zahl
bisher faktisch bei 168 Branchen, so soll sie jetzt auf 219
festgelegt werden. Wenn man weiß, dass in Deutschland
insgesamt nur 246 Branchen gezählt werden, dann kann
man ausrechnen, dass faktisch ein Großteil der Branchen
prinzipiell Entlastungen beantragen kann.
Mit diesem Vorgang hat Sigmar Gabriel dafür ge-
sorgt, dass er Gerhard Schröder den Ruf als Genosse der
Bosse abspenstig gemacht hat. Ich habe noch nicht ge-
hört, dass Sie dem entgegengewirkt haben. Am Ende ist
er auch noch stolz darauf. Ich finde, auch das sollte der
SPD zu denken geben.
Frau Kollegin Lay, erlauben Sie eine Zwischenbemer-
kung oder eine Zwischenfrage von Herrn Tiefensee?
Ja, sehr gerne.
Herr Tiefensee.
Frau Lay, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen.
Sie haben gerade die Summe der Branchen erwähnt, die
in den Listen 1 und 2 des Gesetzes zur Reform der Be-
sonderen Ausgleichsregelung zu finden sind. Ist es so,
dass Sie wider besseres Wissen oder weil Sie es nicht an-
ders wissen die Liste 1 und die Liste 2 in eins fügen?
Denn Sie könnten wissen, dass wir 68 Branchen und
nicht über 200 entlasten. Die Liste 2 umfasst die Mög-
lichkeit für einzelne Unternehmen einer dieser Bran-
chen, eine Entlastung zu beantragen; sie umfasst nicht
die Möglichkeit für die gesamte Branche.
Wir müssen also auch für die Öffentlichkeit deutlich
zwischen der Liste 1 mit 68 Branchen und der Liste 2
unterscheiden, aufgrund welcher nicht die Branche be-
freit ist, sondern möglicherweise einzelne Unternehmen,
die einer solchen Branche angehören. Ist Ihnen dieser
Unterschied bekannt, und, wenn ja, warum vermengen
Sie in Ihrer Rede diese beiden Listen und suggerieren so-
mit eine größere Anzahl von befreiten Branchen?
Mir ist dieser Unterschied durchaus bekannt. Ich be-danke mich für die Zwischenfrage, weil ich dadurch aufdiesen Umstand und die Liste 2 noch einmal eingehenkann. In der Tat steckt darin kein Automatismus, aberimmerhin die Möglichkeit, eine Befreiung zu beantra-gen. Wenn ich mir die Liste 2 ansehe, wundere ich michan mancher Stelle, was alles, zu Ihrem Stolz oder auch
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3216 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Caren Lay
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zu Ihrer Begeisterung, in die Liste hineinverhandeltwurde. Es ist schon von dem Kollegen Krischer erwähntworden, welche Branchen dort aufgeführt sind.Ich habe mir notiert: Auf Liste 2, Nummer 212, isteine potenzielle Entlastung für Fantasieschmuckunter-nehmen vorgesehen. Man kann dafür privat eine Affini-tät haben, aber dass eine solche Firma potenziell eineBelastung beantragen kann, halte ich einfach nur für lä-cherlich. Es gibt noch andere Stellen, bei denen für michder Spaß aufhört. Auf der Liste 2 ist auch eine möglicheEntlastung von Herstellern von militärischen Kampf-fahrzeugen vorgesehen. Wenn ich es richtig verstehe,geht es um die Panzerproduktion. Wenn es am Endedazu kommt, dass die Bürger mit ihrer Stromrechnungnoch das Geschäft mit dem Krieg subventionieren, dannkann ich dem einfach nicht zustimmen, und da bleibe ichauch bei meiner Kritik.
Ich will auf den Vorwurf eingehen, der uns in dieserDebatte, auch gerade vorhin wieder, gemacht wurde,nämlich die Linke sei industriefeindlich und uns lägendie Arbeitsplätze nicht am Herzen. Ich will Sie wirklichdarum bitten, den Antrag zu lesen, den wir vorgelegt ha-ben. Herr Krischer, ich verstehe gar nicht, warum wiruns gegenseitig einen mitgeben müssen. Als wir dasletzte Mal auf der Grundlage von Anträgen darüber de-battiert haben, waren die ersten beiden Kriterien, dieLinke und Grüne vorgeschlagen haben, identisch.
Also, die Firmen sollten tatsächlich im internationalenWettbewerb stehen und tatsächlich energieintensiv sein.Die EU hatte ursprünglich 15 Branchen festgelegt. Dazustehen wir, und dazu stehen auch die Umweltverbände.Das heißt, auch nach unserer Vorstellung könntenStahl-, Chemie- und Grundstoffindustrie von der EEG-Umlage entsprechend entlastet werden; das will ich hierklipp und klar sagen. Das jetzt geplante Ausmaß derAusweitung der Befreiung von der EEG-Umlage findeich wirklich unerhört. Zu argumentieren, es gehe Ihnenhier nur um den Erhalt der Arbeitsplätze in Deutschland,und kein einziges Wort zu all den Arbeitsplätzen zu ver-lieren, die im Bereich der erneuerbaren Energien schonverloren gegangen sind, finde ich ebenfalls wirklich un-erhört.
Ich bin zuletzt von einem Redner der SPD gefragtworden, ob ich bereit sei, mit ihm in seinen Wahlkreis imRuhrgebiet zu fahren, wo die Stahlindustrie beheimatetist. Ich habe geantwortet: Erstens, ja, sehr gerne, und,zweitens, auch wir als Linke wollen die Stahlindustrieentlasten. Umgekehrt bitte ich Sie alle, einmal in meinenWahlkreis in der Lausitz zu kommen. Die Situation dortist folgendermaßen: Alle drei Solarfirmen, die sich dortangesiedelt und gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffenhatten,
sind durch die Politik in der letzten Legislaturperiodeeingegangen. Auch diese Wahrheit gehört zu dieser De-batte.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.Mit diesem Gesetzentwurf hat Sigmar Gabriel den Bür-gerinnen und Bürgern, aber auch seiner Partei keinengroßen Gefallen getan. Die Industrierabatte werden amEnde das für die SPD, was die Hoteliersteuer für dieFDP war. Ich kann Sie nur auffordern: Ziehen Sie diesenGesetzentwurf zurück!Vielen Dank.
Danke, Frau Kollegin Lay. – Nächster Redner in die-
ser Debatte ist Thomas Bareiß, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen!Meine Herren! Nach den Reden der Opposition, der Lin-ken und der Grünen, muss ich schon präzisieren, worumes heute geht: Es geht heute darum, dass wir mit diesemGesetz langfristig über 1 Million Arbeitsplätze sichernwerden. Wir versuchen, mit der Besonderen Ausgleichs-regelung für die Branchen, die angesprochen wordensind, langfristig innovative und gute Arbeit zu sichern.Die Umsetzung aller Vorschläge, die Sie, Frau Lay, ein-gebracht haben, sorgt dafür, dass diese Arbeitsplätze ge-fährdet werden; deswegen sind wir gegen Ihre Vor-schläge. Wir versuchen, hier eine ordentliche, guteIndustriepolitik für unser Land zu machen.
Hier wird ständig von „Befreiung“ gesprochen. In denReden hier wird der Eindruck suggeriert, dass wir be-stimmte Unternehmen und Branchen von der EEG-Um-lage komplett befreien. Auch das ist falsch; daraufmöchte ich zu Beginn meiner Rede hinweisen. Das Ge-genteil ist wahr. Durch die Verabschiedung des jetzt vor-liegenden Gesetzentwurfs schaffen wir es, die begünstig-ten rund 2 000 Unternehmen in die Bezahlung derEnergiewende einzubinden; mit der neuen Ausgleichsre-gelung steigt der Beitrag der begünstigten Unternehmenvon bisher 300 Millionen Euro um etwa 4 MillionenEuro. Auch das zeigt, dass sich hier keiner aus dem
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Thomas Bareiß
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Staub macht, sondern dass jeder seinen Beitrag leistet,diese Energiewende zu meistern.
– Lieber Oliver Krischer, du sprichst hier immer von Pri-vilegien, die wir verteilen. Noch einmal: Diese Industrie-vergünstigungen wurden damals von Rot-Grün unterdem Umweltminister Jürgen Trittin eingeführt.
Der große Unterschied ist, dass damals nur wenigeGroßkonzerne von diesen Privilegien profitiert haben.Schwarz-Gelb hat es geschafft, den industriellen Mittel-stand in den Kreis der Privilegierten aufzunehmen. Wirhaben dafür gesorgt, dass diejenigen von der EEG-Um-lage profitieren, die diese Vergünstigung wirklich brau-chen.
Der Kollege Saathoff hat es schon gesagt: Wir spre-chen heute nicht über Fragen des Zubaus im Bereich dererneuerbaren Energien, und das, obwohl das ein interes-santes Thema wäre, liebe Frau Lay; auch Sie haben da-rauf Bezug genommen. Ich möchte noch einmal sagen:Wir hatten in den letzten vier Jahren einen Zubau im Be-reich der erneuerbaren Energien, den keiner, auch nie-mand in diesem Parlament, vorhergesehen hat. Geradeim Bereich der Solarbranche, die vorhin beschriebenworden ist, gab es jedes Jahr einen Zubau von über8 000 Megawatt.
Deutschland hatte so viel Zubau wie kein anderes Landauf dem Erdball. Dieser Zubau hat dazu geführt, dass derAnteil der erneuerbaren Energien jetzt bei 25 Prozentliegt; einen so großen Anteil an Erneuerbaren hat keineandere Industrienation der Welt. Das heißt, hinter unsliegt eine einmalige Erfolgsgeschichte. Gemeinsam soll-ten wir jetzt aufpassen, dass diese Erfolgsgeschichtekeine Arbeitsplätze in wichtigen Bereichen unsererWertschöpfung gefährdet. Deshalb brauchen wir drin-gend dieses Gesetz. Es ist für die nächsten Jahre eineGrundlage zur Arbeitsplatzsicherung.
Ich möchte noch einmal in besonderer Weise die Be-deutung der Industrie unterstreichen. Sie kam mir in denletzten Reden, gerade in denen von Abgeordneten derGrünen und der Linken, viel zu kurz.Deutschland war und ist die Industrienation in Eu-ropa, und das soll auch zukünftig so bleiben. Wir habenes trotz Finanzkrise, trotz Euro-Krise geschafft, den In-dustrieanteil auf über 20 Prozent zu halten; wir sind jetztsogar bei 23 Prozent und sind damit Schrittmacher inEuropa. Im Gegensatz zu anderen Ländern, die eher aufDienstleistungen und auf Banken gesetzt haben, habenwir auf unsere Industrie gesetzt und haben damit unsereArbeitsplätze gesichert. Die Arbeitslosigkeit in derEuro-Zone liegt im Durchschnitt bei 12,1 Prozent.Deutschland hat dank der deutschen Industrie nur eineArbeitslosenquote von 6,8 Prozent und ist damit bei derBeschäftigung in Europa an der Spitze. Wir sind dieviertgrößte Industrienation der Welt – nach China, denUSA und Japan –, haben einen Industrieproduktionsan-teil in der Welt von über 6 Prozent. Auch das ist eine Er-folgsgeschichte.Da wir in dieser Woche auch sehr intensiv über dieThemen „Welthandel“ und „Globalisierung“ gespro-chen haben: Die deutsche Industrie sorgt mit ihren Pro-dukten dafür, dass in ganz Europa Arbeitsplätze entste-hen oder gehalten werden. Über 40 Prozent der inDeutschland produzierten Exportgüter werden mit Zulie-ferprodukten aus Europa hergestellt. Auch da zeigt sich,dass Europa immer wichtiger wird und dass die Industriein Deutschland dafür sorgt, dass ganz Europa weiterhinhoffentlich eine gute Beschäftigungslage hat. Auch des-halb brauchen wir unser Gesetz zur Besonderen Aus-gleichsregelung, meine sehr verehrten Damen und Her-ren.
Herr Bareiß, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder
-bemerkung der Kollegin Annalena Baerbock?
Sehr gern.
Ja. – Bitte.
Vielen Dank, Herr Bareiß. – Meine Frage bezieht sichauf Folgendes: Niemand hier will die bestehenden Aus-nahmen, die unter Rot-Grün eingeführt wurden, abschaf-fen, sondern es geht darum: Warum kommen jetzt neueBranchen dazu, und warum kommen über die Liste 2 derAnlage 4 neue Unternehmen dazu? Das ist der Casusknaxsus der ganzen Debatte; es geht nicht um die Unter-nehmen, die bereits ausgenommen wurden.Von den Branchen, die neu dazukommen, und vonden Unternehmen, die neu dazukommen, hätte es in denletzten Monaten und Jahren wahnsinnig viele Alarmrufegeben müssen: Achtung! Wir wandern aus Deutschlandab. Es muss hier etwas getan werden. – Wir haben solcheWarnrufe nicht gehört. Wir haben, auch auf Initiativevon Herrn Kollegen Krischer, eine Anfrage an die Bun-desregierung gestellt, um zu erfahren, was es denn fürBeispiele gibt, wer besonders hart betroffen ist, wer ab-zuwandern droht. In Brüssel wird ja gerade die Carbon-Leakage-Liste verhandelt. Auch da gibt es keine konkre-ten Beispiele. Die Antwort der Bundesregierung war: Esgibt keine empirischen Daten darüber, wer weiter ge-fährdet ist und abzuwandern droht.Auf welcher Grundlage sagen Sie jetzt: „Aber trotz-dem müssen wir weitere Branchen ausnehmen; trotzdemmüssen wir weitere Unternehmen ausnehmen“? KönntenSie einmal konkrete Beispiele aufführen, vielleicht auch
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3218 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Annalena Baerbock
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aus dem Panzerbereich, und sagen, wann sich die Unter-nehmen gemeldet haben mit der Drohung, abzuwan-dern?
Sie sagen, Sie hätten keine Hilferufe gehört. Ich habeviele Hilferufe gehört, nicht nur von Arbeitgebern, son-dern auch von vielen Arbeitnehmern, übrigens auch vonGewerkschaften; die haben große Sorge, dass in ihrenBereichen Arbeitsplätze abgebaut werden.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Branchenoder Unternehmen gar nicht mehr zu den Grünen gehen,weil sie wissen, dass sie da eh auf taube Ohren stoßen.
Ich will hier noch einmal deutlich sagen, auch zu dervorhergegangenen Zwischenfrage: Sie kritisieren dieAnzahl von 68 Branchen. Sie gehen davon aus, dass wirdamit den Begünstigtenkreis erweitern. Tatsächlich sinddie Unternehmen dieser Branchen nur antragsberechtigt,und es gibt neue Grundlagen dafür, wann solche Anträgebewilligt werden und die Begünstigung dann auch wirk-sam wird.
Diese Grundlagen sind ganz klar definiert: Es müssenUnternehmen sein, die stromintensiv sind und die im in-ternationalen Wettbewerb stehen,
also eine gewisse Handelsintensität haben. Diese beidenKriterien sind die Grundlage dafür, dass wir wirklich be-günstigen.Es wird dafür gesorgt – wir alle werden es noch er-leben –, dass der Kreis der Begünstigten massiv redu-ziert wird. Wir gehen davon aus, dass dieser Kreisvon 2 400 Unternehmen in den nächsten Jahren auf2 000 Unternehmen zurückgeführt wird. Deshalb brau-chen wir die Härtefallregelung. Es gibt immer noch Un-ternehmen, gerade in wichtigen Feldern unserer Wirt-schaft, die bisher begünstigt sind und die auch zukünftigbegünstigt werden müssen, weil wir sie sonst verlierenwürden. Das wollen wir für die Zukunft ausschließen,meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich will in ganz besonderer Weise noch einmal zumThema Mittelstandskomponente kommen. Gerade in denenergieintensiven Bereichen des Maschinen- und Anla-genbaus, des Automobilbaus, der Chemie- oder auch derGrundstoffindustrie gibt es hochwertige Arbeitsplätze,besonders in mittelständischen deutschen Betrieben, dieeigentümergeführt sind. Auch deshalb ist es wichtig,dass wir die Mittelstandskomponente im Bereich der Be-sonderen Ausgleichsregelung beibehalten.Wir haben dafür im Wahlkampf sehr viel Kritik ein-stecken müssen, weil wir vor zwei Jahren diese Mittel-standskomponente eingeführt und dadurch den Begüns-tigtenkreis verdreifacht haben. Das geschah aber zueinem Preis, der überschaubar war. Die Erweiterung isttatsächlich nur mit 10 Prozent höheren Kosten zu Buchegeschlagen. Das war etwas, was wenig gekostet und vielgebracht hat. Ich bin dankbar, dass wir die Mittelstands-komponente zukünftig beibehalten können. Das war– Herr Tiefensee hat es vorhin schon gesagt – eine harteVerhandlung in Brüssel. Deshalb auch von unserer Seitenoch einmal ein herzliches Dankeschön an unseren Bun-deswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.
Meine Damen und Herren, ich habe schon erwähnt,was die zukünftigen Grundlagen für die Besondere Aus-gleichsregelung sind. Ich möchte noch einmal dreiPunkte herausgreifen.Erster Punkt. Wir werden weiterhin darauf setzen,dass wir wirklich nur die Unternehmen begünstigen, diedarauf angewiesen sind. Wir wollen den starken interna-tionalen Wettbewerb als Kriterium nehmen, und wirwollen die besonders energieintensiven Bereiche miteinbinden.Wir wollen zweitens ein besonderes Augenmerk aufdiejenigen Unternehmen legen, die besonders energiein-tensiv sind und die eine wichtige Rolle in unserer Wert-schöpfungskette, gerade in der Grundstoffindustrie, spie-len. Dazu gehört die Aluminiumbranche. Aluminium wirdin vielen Bereichen gebraucht, beispielsweise im Auto-mobilbau, wo durch die Verwendung dieses sehr leichtenWerkstoffs dafür gesorgt wird, dass Autos in Zukunftweniger Kraftstoff verbrauchen und sparsamer werden.Dazu gehört genauso die Kupferverarbeitung. Kupfer wirdbeispielsweise beim Bau von Windkrafträdern dringendgebraucht. In einem Offshorewindrad werden 30 TonnenKupfer verbaut. Auch daran sieht man, dass die Entlas-tung energieintensiver Unternehmen eng mit den The-men Energiewende und Energieeffizienz verbunden ist.Beides geht Hand in Hand. Deshalb sind das zwei Seitender gleichen Medaille. Beides wird in den nächsten Jah-ren dringend gebraucht.Neben diesen beiden Kriterien, die ich beschriebenhabe, brauchen wir drittens eine Regelung für diejeni-gen, die jetzt trotz der Ausweitung der Branchenliste he-rausfallen würden. Wir brauchen die Härtefallregelungfür die wirklich energieintensiven Bereiche, die hier eineSonderrolle spielen. Wir müssen auch noch einmal imGesetzgebungsverfahren diskutieren, welche Bereichewir wirklich entsprechend begünstigen wollen. Aberauch da glaube ich, dass wir zu einer sinnvollen Lösungkommen.Prinzipiell ist diese Besondere Ausgleichsregelungeingebettet in unsere EEG-Novelle. Ich will noch einmalbesonders betonen, dass wir auch auf die Unternehmenschauen müssen, die nicht begünstigt werden. Sie stellen
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3219
Thomas Bareiß
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nämlich die Mehrzahl der Unternehmen in Deutschlanddar. Sie zahlen ihre EEG-Umlage in vollem Umfang undtragen mit über 7 Milliarden Euro dazu bei, dass dieEnergiewende wirklich finanziert werden kann. Dazugehören auch Unternehmen, die wir bisher nicht imBlick haben, beispielsweise die Rechenzentren, diedurchaus mit Berechtigung eine Begünstigung fordernkönnen, die Härtereien und Schmiedereien, die derzeitim Gegensatz zu dem, was Oliver Krischer vorhin gesagthat, nicht eingebunden sind, oder ein ganz normaler Bä-ckerbetrieb, der schon heute im Schnitt 6 000 EuroEEG-Umlage zahlt.Diese Unternehmen verlassen sich darauf, dass dieEEG-Novelle in den nächsten Wochen umgesetzt wird,dass wir die EEG-Reform jetzt auch kostendämpfend an-gehen. Wir brauchen eine EEG-Reform, die auf der ei-nen Seite für die nächsten Jahre Verlässlichkeit bietet,auf der anderen Seite aber auch wirtschaftlich und be-zahlbar ist – und das auch für die ganz normalen Privat-verbraucher. Das ist unser Anliegen. Daran wollen wirarbeiten. In diesem Sinne freue ich mich auf das kom-mende Gesetzgebungsverfahren.Danke schön.
Danke, Herr Kollege Bareiß. – Nächster Redner für
die SPD Florian Post.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnenund Kollegen! Die Besondere Ausgleichsregelung ist einwichtiger Bestandteil der Reform des Erneuerbare-Ener-gien-Gesetzes. Diese Reform ist notwendig, um unserehrgeiziges Ziel der Energiewende auch zum Erfolg zuführen. Bei den industriellen Verbrauchern, die im inter-nationalen Wettbewerb stehen, geht es nicht nur um dieAkzeptanz, sondern in vielen Fällen schlichtweg um dasknallharte wirtschaftliche Überleben. Es ist daher rich-tig, die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen zu si-chern und das viel beschworene industrielle Rückgratunserer Wirtschaft zu schützen. Viele Tausend Arbeits-plätze hängen davon ab, ob wir diese Aufgabe hier imParlament erfolgreich meistern.Unser beispielloses Vorhaben der Energiewende isteine deutsche Leistung und Aufgabe, auf die wir stolzsein können. Kein anderes Industrieland hat sich das Zielgesetzt, aus der Atomenergie auszusteigen und gleich-zeitig ehrgeizige Klimaschutzziele zu erreichen. Das istnur mit einem erheblichen Anteil an Stromproduktionaus erneuerbaren Energien zu schaffen.Auch wenn es einige nicht begreifen bzw. nicht be-greifen wollen, steht unsere nationale Energiepolitik je-doch nicht im luftleeren Raum, sondern muss vielmehrrechtlich und politisch in einen europäischen Kontexteingebunden werden.Nur zur Erinnerung: Die EU-Kommission war denk-bar kurz davor, die Befreiungen von der EEG-Umlagefür energieintensive Unternehmen als unzulässige Bei-hilfe einzustufen. Das zeigt, wie weit die rechtlichen Be-wertungen, die eben auch im politischen Kontext stehen,auseinanderliegen. Das müssen wir uns vor Augen füh-ren, wenn wir das Verhandlungsergebnis beurteilen wol-len. Sigmar Gabriel ist es gelungen, unter erheblichemZeitdruck eine Einigung mit der EU-Kommission zu er-zielen, damit wir die Chance haben, auch noch für 2015Bescheide über Befreiungen von der EEG-Umlage bzw.über eine Privilegierung auszustellen.Der jetzige Gesetzentwurf steht im Einklang mit denUmwelt- und Beihilfeleitlinien der EU. Dass die Befrei-ung von energieintensiven Unternehmen, die im interna-tionalen Wettbewerb stehen, notwendig ist, ist in weitenTeilen unumstritten. Die Frage ist aber, wie diese Be-freiung umgesetzt wird. Dazu haben wir jetzt klare Vor-gaben mit Definitionen von Branchen, die überhauptantragsberechtigt sind. Im Übrigen gehört der Braunkoh-letagebau nicht dazu.
– Frau Kollegin Baerbock, antragsberechtigt – man musshier auf die Begrifflichkeiten achten – heißt noch langenicht, dass der Antrag auch bewilligt wird. Das wirdnämlich in der politischen Diskussion hier auch immerfalsch dargestellt.
Außerdem sind auch Unternehmen, die vorher privile-giert waren, jetzt nicht mehr privilegiert und herausge-fallen. Das gehört nämlich auch zur Wahrheit und wirdhier immer gerne verschwiegen.
– Ich tue Ihnen den Gefallen nicht, die Redezeit am Frei-tagnachmittag zu verlängern. Das mache ich auch mitRücksicht auf die Kollegen. Sie geben das hier schonzum Besten. In allen politischen Diskussionen wurde dasin dem Zusammenhang schon zur Genüge erläutert.
Wir unterbinden bestehende Ungerechtigkeiten undMissbrauchsmöglichkeiten. Es wird in Zukunft nichtmehr möglich sein, Personal in Leiharbeitsfirmen auszu-lagern und dann dafür auch noch mit der Befreiung oderPrivilegierung bei der EEG-Umlage belohnt zu werden.
In dem Zusammenhang gebe ich gerne zu, dass mir per-sönlich das noch nicht weit genug geht. Man müsste imparlamentarischen Verfahren noch darüber reden, dasshier auch auf Werkverträge abgestellt wird.Eine Neuerung ist auch die Verpflichtung der antrags-berechtigten Unternehmen, ein umfassendes Energie-und Umweltmanagementsystem einzuführen; denn die-
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3220 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Florian Post
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ses dient als Grundlage und Anreiz für Maßnahmen derEnergieeffizienz.Aus den Reihen der Opposition wird oft die Forde-rung erhoben, dass die Ausnahmen zu weit gingen unddadurch die übrigen Verbraucher zusätzlich belastet wür-den. Das sollten wir doch bitte sein lassen bzw. zurückneh-men. Sie versuchen hier, die Stromkunden gegeneinanderauszuspielen, und tun so, als sei das ein Nullsummen-spiel. Das Gleiche machen Sie auch bei der Arbeitsplatz-debatte, wenn Sie von den Arbeitsplätzen sprechen, dieangeblich in der Erneuerbare-Energien-Branche gefähr-det sind. Es ist aber eben kein Nullsummenspiel.Wenn wir die energieintensiven Unternehmen angrei-fen, schaden wir Deutschland als Land der Industrie.„Made in Germany“ ist für industrielle Produkte eineMarke, die in der Welt ihresgleichen sucht. „Made inGermany“ bedeutet aber nicht nur Qualität für die Käu-fer, sondern das ist auch ein Versprechen an die Männerund Frauen, die in dieser Industrie arbeiten.Wenn die Stromrechnung knapp ein Fünftel der Kos-ten ausmacht, überlegt sich jeder Kaufmann zweimal, ober seine Fabrik nicht doch lieber nach Frankreich oder indie USA verlagert.Um es auf einen einfachen Satz herunterzubrechen:Was nützt es dem privaten Verbraucher, wenn die Kostenfür die EEG-Umlage wegen einer eventuellen Rück-nahme der Privilegierung für stromintensive Unterneh-men ein wenig sinken – das hat Kollege Pfeiffer auchschon vorgerechnet, und auch Kollege Tiefensee ist,glaube ich, darauf eingegangen; das bewegt sich unge-fähr in der Größenordnung von 3,50 Euro monatlich –,aber dadurch gleichzeitig Tausende Arbeitsplätze verlo-rengehen?
– Sie widersprechen sich auch in dem Punkt. Wenn wirall das machen würden, was von Ihnen immer gefordertwird, dann würde das zu einer Steigerung der EEG-Um-lage – und nicht zu einer Senkung – führen.Das ist der Unterschied: Wir Sozialdemokraten ma-chen nämlich Energiepolitik auch für die Leute, die sichnicht jede Wohnung und jede Stromrechnung leistenkönnen und die nicht täglich im Bioladen einkaufen kön-nen.
Könnten Sie dennoch an Ihre Redezeit denken?
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Die
Energiewende kann nur gelingen, wenn wir gemeinsam
daran arbeiten, einen Ausgleich zwischen berechtigten
Interessen zu finden. Dafür haben wir hier einen Ge-
setzesentwurf vorgelegt, den wir im parlamentarischen
Verfahren beraten werden.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und wün-
sche von meiner Seite aus schon einmal ein schönes Wo-
chenende. Danke.
Danke, Herr Kollege. – Letzter Redner in der Debatte
ist Dr. Andreas Lenz für die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wahrlich
wurde vieles schon von meinen Kolleginnen und Kolle-
gen vorweggenommen, aber, ich glaube, die Wahrheit
darf man ruhig wiederholen. Die Opposition hat heute
viel Neues und Gutes beigetragen, aber leider war das
Neue nicht gut und das Gute nicht neu. So ist das mit den
Beiträgen der Opposition.
Jetzt haben Sie natürlich jemanden provoziert. Erlau-
ben Sie, das Gute vom Neuen und das Neue vom Guten
zu trennen? Herr Krischer, hat sich gemeldet und möchte
Sie etwas fragen.
Ja.
Gut. – Dann Herr Krischer.
Herr Kollege, Sie haben gerade gesagt, wir hätten
nichts Neues und nichts Gutes beigetragen.
Nein, nein.
Wir haben gerade die Meldung bekommen, dass der
Bundesrat 26 Änderungsanträge bezüglich des EEG be-
schlossen hat. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Die Frage
der Neuregelung der Eigenstromregelung sieht der Bun-
desrat unter anderem ganz anders als die Koalition und
die Bundesregierung. Freuen Sie sich darüber, dass der
Bundesrat massive Verbesserungen am gültigen EEG
vorschlägt? Unterstützen Sie das? Ist das eine gute und
neue Nachricht für Sie?
Sie haben mich falsch verstanden. Ich habe gesagt:Sie haben viel Neues und viel Gutes gesagt; aber für unswar das Neue nicht gut und das Gute nicht neu.
Zu Ihrem Einwand: Natürlich werden wir die 26 Än-derungsanträge, wie es der parlamentarischen Gepflogen-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3221
Dr. Andreas Lenz
(C)
(B)
heit gebührt, prüfen und beim parlamentarischen Verfah-ren dementsprechend berücksichtigen.Wir beraten heute das Gesetz zur Reform der Beson-deren Ausgleichsregelung für stromkosten- und handels-intensive Unternehmen. Grundlage der gesetzlichenNeuregelung bilden die inzwischen abgeschlossenenbeihilferechtlichen Verhandlungen der Bundesregierungmit der EU-Kommission. Um es gleich vorwegzuneh-men: Auch ich bin der Meinung, dass hier ordentlichverhandelt wurde. Der Erfolg der Energiewende musssich schließlich auch daran messen lassen, dass Deutsch-land ein wettbewerbsfähiger Wirtschafts- und Industrie-standort bleibt.
Dazu sind Sonderregelungen für die stromintensiveIndustrie erforderlich. Unternehmen mit sehr hohenStromkosten und einer hohen Handelsintensität könnenauch weiterhin privilegiert werden. Unternehmen aus68 aufgeführten Branchen zahlen in Zukunft grundsätz-lich, wie erwähnt, 15 Prozent der vollen EEG-Umlage.Ebenso ist eine Mindestumlage – für die erste Gigawatt-stunde die EEG-Umlage in voller Höhe und 0,1 Cent fürjede darüber hinausgehende Kilowattstunde – vorgese-hen. Für die Privilegierung ist Voraussetzung, dass derStromkostenanteil an der Bruttowertschöpfung ab 2015mindestens 17 Prozent beträgt. Darüber hinaus greift fürdiese Unternehmen eine zweiteilige Deckelung. Keinprivilegiertes Unternehmen muss mehr als 4 Prozent sei-ner Bruttowertschöpfung zahlen. Besonders strominten-sive Unternehmen mit einer Stromkostenintensität höherals 20 Prozent zahlen nicht mehr als 0,5 Prozent ihrerBruttowertschöpfung. Allein durch diese Anpassungenwerden circa 400 Unternehmen aus der Privilegierungherausfallen. Dies kann, wie erwähnt, im Einzelfall exis-tenzbedrohend sein. Deshalb gibt es für diese Fälle eineHärtefallregelung, sodass diese Unternehmen dauerhaft20 Prozent der EEG-Umlage bezahlen. Ich glaube – imGegensatz zu Frau Bulling-Schröter –, dass dies keineverantwortungslose Politik, sondern im Gegenteil ver-antwortungsvolle Politik ist, um die Industriearbeits-plätze langfristig in Deutschland zu sichern.
Insgesamt wird damit das Niveau der Entlastung mitcirca 5,1 Milliarden Euro pro Jahr konstant gehalten.Jetzt wird oft gesagt – dies haben wir heute schon gehört –,die Industrie leiste keinen Beitrag zur Energiewende.Das ist weit gefehlt. Die deutsche Industrie zahlt circa7,4 Milliarden Euro EEG-Umlage. Das ist nahezu so vielwie die privaten Haushalte insgesamt bezahlen. Die In-dustrie trägt somit rund ein Drittel der gesamten EEG-Umlage. Man muss auch betonen, dass ohne die Beson-dere Ausgleichsregelung für stromkostenintensive Un-ternehmen die EEG-Umlage – Kollege Pfeiffer hat esangesprochen – lediglich um 1,36 Cent pro Kilowatt-stunde für den Normalbürger geringer ausfallen würde.Das würde für einen privaten Haushalt im Schnitt jähr-lich circa 45 Euro Einsparung bedeuten. Wegen der zuerwartenden Wohlstandsverluste würde das real verfüg-bare Einkommen jedoch im Schnitt um rund 500 Europro Jahr sinken.Es wird häufig bewusst die Mär verbreitet – wir ha-ben sie auch heute wieder gehört –, dass die Industrie-strompreise in Deutschland sehr gering seien. Damitwird versucht, die privaten Stromkunden gegen dieIndustriestromkunden auszuspielen. Ich halte das für un-verantwortlich. Lassen Sie mich eines betonen: InDeutschland ist der Industriestrom im Vergleich zuFrankreich und den Niederlanden um rund 40 Prozentteurer. Das Gerücht, die Industrie wäre vom steigendenStrompreis nicht betroffen, da es für sie Ausnahmerege-lungen gäbe, hält sich ebenso hartnäckig, wie es falschist.Auch die Stromkosten sind ein Kostenfaktor im inter-nationalen Wettbewerb, und diese Kosten wirken sichaus. So ist die Investitionstätigkeit in den energieinten-siven Branchen in Deutschland inzwischen ausgespro-chen schwach. Die Abwanderung der Industrie geschiehtnicht mit einem lauten Knall, sondern schleichend. Diehohen Energiekosten haben bereits zu einer chronischenInvestitionsschwäche der energieintensiven Industrie ge-führt. Wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirt-schaft Köln zeigt, deckten die Investitionen der ener-gieintensiven Branchen in den Jahren 2000 bis 2010nicht einmal ihre Abschreibungen. Das heißt, es wurde– und wird anhaltend – weniger investiert, als nötigwäre, um den Verschleiß der Produktionsstätten auszu-gleichen. Ich bitte die Grünen, das in ihren Anträgen, indenen die mangelnde Investitionstätigkeit in Deutsch-land bemängelt wird, zu berücksichtigen. Wir brauchenlangfristige Planungs- und Investitionssicherheit für un-sere Unternehmen, und diese schaffen wir durch dasneue Gesetz.Häufig wird betont, die energieintensiven Unterneh-men hätten noch Effizienzpotenziale. Das trifft zum Teilzu. Aber ich kann jedem nur empfehlen, sich einmal eineGlashütte oder eine Stahlkocherei anzuschauen und mitden Verantwortlichen zu sprechen. Hier sind die Effi-zienzgrenzen bereits erreicht. Die Frage lautet dannnicht: effizient oder ineffizient? Die Frage lautet dann: inDeutschland produzieren oder eben nicht? Wir wollen,dass das produzierende Gewerbe in Deutschland eineZukunft hat.
Im Übrigen wird uns die Frage der steigendenNetzentgelte auch in diesem Bereich noch vor Heraus-forderungen stellen, die es anzunehmen gilt. Wir sagenhäufig – und das zu Recht –, was wir mit der Energie-wende erreichen wollen: den stetigen Ausbau der erneu-erbaren Energien und deren Integration bei gleichzeiti-ger Versorgungssicherheit, eine erhebliche Steigerungder Energieeffizienz sowie die ambitionierte Reduktionder Treibhausgasemissionen. Aber wir müssen auch sa-gen, was wir mit der Energiewende nicht erreichen wol-len: Wir wollen keine Deindustrialisierung unseres Lan-des. Die deutsche Industrie erwirtschaftet mehr als20 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung. Daraufkönnen wir nicht nur, nein, darauf müssen wir stolz sein.
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3222 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Dr. Andreas Lenz
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Wir können stolz darauf sein, dass wir nicht so stark voneinem Finanzdienstleistungssektor abhängig sind wiebeispielsweise Großbritannien. Es ist maßgeblich demindustriellen Kern unserer Volkswirtschaft zu verdanken,dass wir im Vergleich sehr gut durch die Finanz- undWirtschaftskrise gekommen sind.Es geht bei der Besonderen Ausgleichsregelung da-rum, den Industriestandort Deutschland und damit Tau-sende von Arbeitsplätzen langfristig zu erhalten. JederArbeitsplatz im energieintensiven Bereich sichert zweiArbeitsplätze in anderen Industriezweigen und imDienstleistungssektor. Rund 80 Prozent der Unterneh-men des verarbeitenden Gewerbes haben enge Lieferbe-ziehungen zur energieintensiven Industrie; 40 Prozentder Unternehmen befinden sich in engen Forschungs-und Entwicklungskooperationen. Es gilt also einmalmehr, einem schleichenden Deindustrialisierungsprozessvorzubeugen. Das wollen und werden wir durch den ver-lässlichen Rahmen für die Industrie, den wir nun schaf-fen, erreichen.
Mit der europarechtskonformen Neuregelung der Be-sonderen Ausgleichsregelung schaffen wir langfristigePlanungs- und Investitionssicherheit für die energie-intensive Industrie in Deutschland. Das ist gut für unserLand.Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. Ich wünsche Ihnen ein
gutes Wochenende mit vielen neuen Eindrücken. Sie wa-
ren ja sehr philosophisch; heute ist sowieso der Tag der
Philosophie.
Damit schließe ich die Aussprache zu diesem Tages-
ordnungspunkt.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 18/1449 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? – Ich sehe keine, ich
höre keine. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Halina Wawzyniak, Jan Korte, Ulla Jelpke, wei-
teren Abgeordneten und der Fraktion DIE
LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
Gesetzes über das Verfahren bei Volksinitiati-
weiterer Gesetze
Drucksache 18/825
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Nach interfraktioneller Übereinkunft sind für die
Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Halina
Wawzyniak für die Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnenund Kollegen! Alle Jahre wieder reden wir über dieMöglichkeit von Einwohnerinnen und Einwohnern, überGesetze oder Gegenstände der politischen Willensbil-dung selbst und direkt zu entscheiden. Alle bis auf dieUnion wollen, dass Einwohnerinnen und Einwohner di-rekt entscheiden können. Die Linke hat nun heute hiereinen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem dies praktischumgesetzt werden kann.Der Gesetzentwurf – darauf hat die Frau Präsidentinschon hingewiesen – enthält sowohl die Änderungen desGrundgesetzes, um Volksinitiativen, Volksbegehren undVolksentscheide zu ermöglichen, aber er enthält auch– und das ist eine Neuerung – ein Bundesabstimmungs-gesetz.In dem Bundesabstimmungsgesetz regeln wir konkretdas Verfahren einer Volksabstimmung. Wir haben hiereinen Vorschlag von „Mehr Demokratie e. V.“ aufge-nommen – das haben wir im Gesetzentwurf auch trans-parent verzeichnet –
und diesen leicht verändert übernommen.
Wir wollen, dass 100 000 Wahlberechtigte Initiativenin den Bundestag einbringen können. Wir wollen, dassein Volksbegehren zustande gekommen ist, wenn min-destens 1 Million Wahlberechtigte binnen neun Monatendiesem zugestimmt haben. Bei einem das Grundgesetzändernden Volksbegehren müssen 2 Millionen Wahlbe-rechtigte unterschreiben.Wir wollen – und das ist uns besonders wichtig –,dass alle seit fünf Jahren in Deutschland lebenden Men-schen abstimmungsberechtigt sind.
Wir wollen, dass auch 16-Jährige abstimmen dürfen.Ausgeschlossen sind Volksinitiativen zu den in denArtikeln 1 und 20 Grundgesetz niedergelegten Grundsät-zen und zum Haushaltsgesetz, und natürlich darf keinGrundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
Wir wollen auch, dass diejenigen mit entscheidenkönnen, die derzeit nach § 13 Bundeswahlgesetz ausge-schlossen sind. Das betrifft zum Beispiel die Menschen,die unter Vollbetreuung stehen.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3223
Halina Wawzyniak
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Um vorwegzunehmen, was an Gegenargumentenkommen könnte: Die Todesstrafe ist damit einem Volks-entscheid entzogen; denn sie verstößt unzweifelhaft ge-gen die Menschenwürde.Unser Gesetzentwurf ist ein Angebot. SPD und Grünehaben sicherlich Änderungsbedarf. Ich kann Sie nur auf-fordern: Äußern Sie den! Wir sind bereit, mit Ihnen inGespräche einzutreten. Unser Gesetzentwurf ist ein An-gebot. Wir wollen es gemeinsam schaffen, Volksbegeh-ren, Volksinitiativen und Volksentscheide zur Realitätwerden zu lassen. Wir kleben nicht an Semikolons, wirkleben nicht an Kommas. Wir laden Sie ein: DiskutierenSie mit uns gemeinsam.
Nun führen wir diese Debatte nicht zum ersten Mal.Ich will deshalb präventiv auf einige Argumente einge-hen, die insbesondere der Kollege Helmut Brandt, derheute gar nicht spricht, in der Vergangenheit vorgetragenhat.Am 8. Juli 2010 sagte er, „dass durch diese Form desPlebiszits in der Weimarer Zeit das Volk aufgewühlt undgespalten und das Vertrauen in das Parlament zusätzlicherschüttert wurde.“ Ich finde es, ehrlich gesagt, etwasbedauerlich, dass das Argument Weimar immer wiedervorgetragen wird. Dieses Argument ist nicht tragfähig.
Jens Kersten weist in dem sehr lesenswerten BuchWeimars lange Schatten – „Weimar“ als Argument nach1945 nach, dass nach Memoiren und rückschauendenSchriften politischer Akteure der damaligen Zeit das In-stitut der direkten Demokratie überwiegend positiv biswohlwollend neutral besetzt war. Kann es nicht viel-leicht sein, dass die Weimarer Republik daran geschei-tert ist, dass es zu wenige Demokratinnen und Demokra-ten gegeben hat, die bereit waren, sie zu verteidigen?Mir kommt es immer so vor, als würde Weimar zitiert,weil das gut ankommt. Aber das Kernproblem desScheiterns der Weimarer Republik wurde nicht begrif-fen.
Eine Demokratie muss von Demokratinnen und Demo-kraten demokratisch verteidigt werden.
Am 14. Juni 2013 erklärte der Kollege, dass einVolksentscheid „ein auf einen Punkt reduziertes Verfah-ren, bei dem die gestellte Frage nur mit Ja oder Nein zubeantworten ist“, sei. Ich muss Ihnen – mit Verlaub –ehrlich sagen: Das ist kein Argument gegen direkte De-mokratie. Wenn wir hier im Plenum sitzen, tun wirnichts anderes, als eine gestellte Frage regelmäßig mitJa, Nein oder Enthaltung zu beantworten.
Das Verfahren der direkten Demokratie ist nicht redu-ziert. Bis es zu einem Volksentscheid kommt, dauert eseine Weile, und das Für und Wider kann öffentlich abge-wogen werden. Wer sich die Realität der Behandlungvon Vorlagen in Ausschüssen und hier im Plenum vorAugen führt, der könnte möglicherweise sogar zu derAnnahme kommen, dass bei einem Gesetzgebungsver-fahren über Volksentscheide eine umfassendere Behand-lung mit einer Sachfrage vorliegt als bei einer Abstim-mung hier im Bundestag.
Am 14. Juni 2013 sagte der Kollege Brandt, es müssebedacht werden, „dass bei Volksentscheiden die Gefahrbesteht, dass wichtige Sachfragen nicht nach sachbezo-genen Gesichtspunkten entschieden werden, sondern da-nach, wie schlagwortartig und populistisch Parolen unterdas Volk gebracht werden“.Am 8. Juli 2010 ergänzte er, „dass wichtige Fragennicht nach sachbezogenen Gesichtspunkten entschiedenwerden, sondern danach, welche Interessengruppe diebessere Lobbyarbeit macht“.Ehrlich gesagt: Das finde ich schon wieder lustig;denn es suggeriert, dass wir alle hier im Parlament völligfrei von Schlagworten und völlig frei von populistischenParolen Entscheidungen treffen, und es suggeriert, dassdas Parlament ein Raum frei von Lobbyarbeit von Inte-ressengruppen ist. Wir wissen alle, dass dem so nicht ist.Wir sollten einfach zur Kenntnis nehmen: Wir sind nichtdie besseren Menschen. Wir sollten auch nicht so tun, alswären wir es.
Denken Sie an Ihre Redezeit?
Ich komme zum Schluss.
Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir ein ganz be-
sonderes Maß an Transparenz herstellen; denn die Ein-
flussnahme Dritter soll dadurch deutlich werden, dass
Geld- und Sachspenden zur Unterstützung eines Volks-
entscheids ab 2 000 Euro offengelegt werden sollen. Ich
bitte Sie also: Prüfen Sie unseren Gesetzentwurf – ich
meine nicht Sie von der CDU/CSU; Sie machen da eh
nicht mit –, kommen Sie mit uns ins Gespräch, und las-
sen Sie uns gemeinsam mehr direkte Demokratie einfüh-
ren.
Danke, Frau Kollegin. – Nächster Redner: Dr. TimOstermann für die CDU/CSU-Fraktion.
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3224 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundes-
tag hat in der Vergangenheit bereits elfmal über eine
Vorlage zum Thema direkte Demokratie debattiert. Der
Kollege Michael Hartmann hat sich in der letzten Wahl-
periode die Mühe gemacht, dies zurückzuverfolgen. Das
heißt, heute diskutieren wir über dieses Thema zum
zwölften Mal.
Ich glaube, dass Sie, werte Kolleginnen und Kollegen
von der Linksfraktion, sich eingestehen müssen, dass
Ihre Ideen nicht so verfangen, wie Sie sich das wün-
schen.
Das Ergebnis der Bundestagswahl hat gezeigt, dass das
offenbar nicht funktioniert hat.
Die Bürger dieses Landes stehen mehrheitlich hinter der
repräsentativen Demokratie, und sie stehen zu der Ent-
scheidung der Mütter und Väter des Grundgesetzes, die
vor 65 Jahren getroffen worden ist.
Eine Umfrage von TNS Infratest vom November
2013 hat ergeben, dass insgesamt 70 Prozent der Deut-
schen mit der Art und Weise, wie die Demokratie in
Deutschland funktioniert, zufrieden oder sogar sehr zu-
frieden sind.
Daher kann es nicht verwundern, dass die Plebiszit-
anträge in der Vergangenheit keine große Resonanz ge-
funden haben, dass den Anträgen keine breite Debatte in
der Bevölkerung gefolgt ist. Heute wird es also zum
zwölften Mal versucht. Respekt für die Beharrlichkeit!
Inhaltlich haben Sie mit diesem Antrag jedoch wenig
Neues zur Debatte beizutragen. Gleichwohl möchte ich
Ihnen erneut die Argumente in Erinnerung rufen, mit de-
nen wir Ihren Antrag auch zum zwölften Mal ablehnen
werden.
Das Argument Weimar ist übrigens nicht dabei.
– Es tut mir leid, dass ich Sie da enttäuschen muss.
Erlauben Sie mir eine Bemerkung vorab. In Ihrer Be-
gründung zum Gesetzentwurf haben Sie gleich im ersten
Satz eine Steilvorlage geliefert. Dort heißt es: „Seit dem
Jahr 1990 hat sich das Verfassungsleben intensiviert.“
Sie stellen wahrscheinlich deshalb auf das Jahr 1990 ab,
weil Sie selbst erkannt haben, dass es im Osten unseres
Landes bis zur Wende gar kein Verfassungsleben gab
bzw. kein Verfassungsleben, das diesen Namen verdient.
Bis zur Wende – das will ich noch einmal in Erinnerung
rufen – gab es keine freien Wahlen. Die Wahlen waren
manipuliert. Man konnte nur für Einheitslisten abstim-
men.
Die sogenannte Deutsche Demokratische Republik war
alles, nur nicht demokratisch.
Das Volk im östlichen Teil unseres Landes hat dem
Treiben Ihrer Vorgängerpartei, der SED, daher im Jahr
1989 ein Ende bereitet. Gott sei Dank!
Die Menschen dort haben sich stattdessen für die Demo-
kratie entschieden, für ein System der repräsentativen
Demokratie, das in der Bundesrepublik schon jahrzehn-
telang erfolgreich praktiziert worden ist.
Dieses haben wir heute Morgen in einer Feierstunde ge-
würdigt. Für uns ist die repräsentative Demokratie ein
wesentlicher Grund für die Stabilität unseres politischen
Systems, gerade auch im Vergleich zu anderen Staaten.
Die repräsentative Demokratie ist ein Stabilitätsanker.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder
Bemerkung von Herrn Lenkert?
Erlaube ich. Bitte.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3225
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Herr Kollege, Sie sagten, dass sich die Bürgerinnen
und Bürger in den neuen Bundesländern für die reprä-
sentative Demokratie entschieden haben. Ich kann Ihnen
versichern: Wir haben die Thüringer Landesverfassung
mit einem Volksentscheid in Kraft gesetzt.
Über diesen Volksentscheid ist ausdrücklich auch die di-
rekte Demokratie in der Thüringer Verfassung verankert
worden. Das war der Wille der Bürgerinnen und Bürger
in Thüringen. Die Verfassung wurde mit 75 Prozent an-
genommen.
Ich kann Ihnen versichern: Wir wollten die direkte De-
mokratie. Jetzt wollen wir sie endlich auch auf Bundes-
ebene.
Nun ist es aber so, Herr Kollege, dass die Volkskam-mer den Beitritt zum Geltungsbereich des Grundgesetzeserklärt hat. Und darum geht es heute: um die Bundes-ebene.
– Nein, es geht um die Bundesebene. Darüber reden wirheute.Meine Damen und Herren, das Gesetzgebungsverfah-ren, an dem dieses Hohe Haus ja nicht unmaßgeblich be-teiligt ist, ist in der Lage, verschiedene Interessen zubündeln und aufzunehmen. Es lässt am Ende Gesetzeentstehen, die diese unterschiedlichen Interessen berück-sichtigen. Das Gesetzgebungsverfahren – das haben Sieeben etwas arg verkürzt dargestellt – ist ein sogenannteslernendes Verfahren.
Es bringt hierfür alle Voraussetzungen mit. Denn es gibteben nicht nur eine Abstimmung hier im Plenum, son-dern auch drei Lesungen, Ausschussberatungen, Sach-verständigenanhörungen und Berichterstattergespräche.Aus all diesen Beratungen gehen nahezu immer Ände-rungen und Anpassungen am Gesetzentwurf hervor.
Es gilt das Struck’sche Gesetz – man darf es hier heutewieder zitieren; dies wurde heute schon mindestens ein-mal getan –:
Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hineinge-kommen ist.Kurzum: Das Gesetzgebungsverfahren, wie wir eskennen, bietet ein hohes Maß an thematischer Tiefe undFlexibilität. Ein solch ausdifferenziertes und umfassen-des Verfahren kann ein Plebiszit nicht bieten. Denn beieiner Volksabstimmung – das haben Sie richtig wieder-gegeben; Kollege Brandt hat es hier schon dargestellt –geht es letztlich immer nur um die Frage: ja oder nein,schwarz oder weiß?
Ein „Ja, aber“ ist nicht vorgesehen, und Farbnuancengibt es nicht.Die Gesetzgebung ist oftmals aber sehr vielschichtigund muss eine kaum überschaubare Vernetzung mit an-deren Regelungsbereichen berücksichtigen. Volksent-scheide erlauben eine solch detailreiche Abstimmungnicht. Die unangemessene Verkürzung vieler Sachthe-men könnte leicht zu populistisch beeinflussten Ergeb-nissen führen, Ergebnissen, bei denen die notwendigenKompromisse der parlamentarischen Diskussion auf derStrecke bleiben. Es besteht die Gefahr, dass nicht aufGrundlage von sachlichen Erwägungen entschiedenwird, sondern dass sich Tür und Tor für Stimmungen undEmotionen öffnen.
Wir wären jedoch schlecht beraten, wenn wir uns inwichtigen Sachfragen von Stimmungen und vor allemvon Stimmungsmachern leiten lassen würden.
Ich bin davon überzeugt: Dies würde insbesondereauch – das dürfte Sie besonders interessieren – zulastenvon Minderheiten und gesellschaftlich benachteiligtenGruppen gehen. Hinzu kommt: Bei einem Volksent-scheid kann die größere Finanzkraft – das ist wieder einArgument von Herrn Brandt; das erwähne ich, um Sie zuerfreuen – bestimmter Akteure den Ausschlag hinsicht-lich Erfolg oder Misserfolg geben: ein größeres Werbe-budget für eine bessere Präsenz in den Medien, Ab-mahnwellen und juristische Spielchen durch Anwältezur Einschüchterung des politischen Gegners, um nur ei-nige Aspekte zu nennen. In der Welt der Volksentscheidegilt oftmals das Recht des Stärkeren und nicht unbedingtdas des besseren Arguments.
Sie werden jetzt vermutlich einwenden, dass man mitkommunalen Formen der Bürgerbeteiligung bisher keineschlechten Erfahrungen gemacht hat. Das mag sein. Al-lerdings lassen sich Volksentscheide auf diesen Ebenennur schlecht mit solchen auf der Bundesebene verglei-
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3226 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Dr. Tim Ostermann
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chen. In einem kommunalen Kontext sind die politi-schen Fragen zumeist überschaubarer.
Sie können einfacher überblickt werden. Auf Bundes-ebene sähe das anders aus, auch deshalb, weil dort vieleSachfragen eine europäische oder internationale Dimen-sion haben.Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Abgeordnetesind von den Bürgern gewählt und dazu berufen, dasVolk zu vertreten. Dafür stellen wir uns alle vier Jahrezur Wahl. Der Bürger befindet mit seiner Stimme da-rüber, ob wir seine Interessen überzeugend vertreten ha-ben oder eben nicht. Nicht zuletzt aufgrund von nament-lichen Abstimmungen können jede Wählerin und jederWähler nachvollziehen, ob wir unsere Aufgabe in ihrembzw. seinem Sinne erledigt haben.Ich bin der Meinung, dass in den letzten Jahren vor al-lem die Möglichkeiten des Internets die Teilhabe derBürger an politischen Prozessen verbessert haben. Esbieten sich zahlreiche Foren und Plätze, sich in den Ge-setzgebungsprozess einzubringen.
Genannt seien hier etwa die Onlinepetition, sozialeNetzwerke und Partizipationsplattformen Dritter. Für dieBürger war es noch nie so einfach, sich politisch zu be-teiligen und ihre Meinung auch auf Bundesebene kund-zutun.
Schließen möchte ich mit einem Verweis auf die Fest-rede von Navid Kermani heute Morgen in der Feier-stunde. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass mirnicht alle Passagen dieser Rede gefallen haben.
Aber die Passage, die ich jetzt mit Ihrer Erlaubnis, FrauPräsidentin, zitieren möchte, hat mir schon gefallen;denn er hat gesagt – ich zitiere –:Das Interesse der Öffentlichkeit am Grundgesetzwar aus heutiger Sicht beschämend gering, die Zu-stimmung innerhalb der Bevölkerung marginal. Be-fragt, wann für sie die beste Zeit gewesen sei, ent-schieden sich noch 1951 in einer repräsentativenUmfrage 45 Prozent der Deutschen für das Kaiser-reich, 7 Prozent für die Weimarer Republik– da ist sie dann doch einmal, die Weimarer Republik –,
42 Prozent für die Zeit des Nationalsozialismus undnur 2 Prozent für die Bundesrepublik. … Wie frohmüssen wir sein, dass am Anfang der Bundesrepu-blik Politiker standen, die ihr Handeln nicht nachUmfragen, sondern nach ihren Überzeugungen aus-richteten.Herzlichen Dank.
Ja, wo er recht hat, hat er recht. – Vielen Dank, Herr
Kollege.
Es gab mehrere Zwischenrufe in Bezug auf Bayern
vom Kollegen Konstantin von Notz, der weit weg von
Bayern, in Schleswig-Holstein, lebt. Ich glaube, Herr
von Notz, ich kann Ihnen im Namen all meiner bayeri-
schen Kollegen versichern, dass wir eine recht lebendige
Demokratie bei uns haben, die auch ziemlich direkt ist.
Der nächste Redner in der Debatte: Özcan Mutlu,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LiebeFrau Wawzyniak, wir nehmen Ihr Gesprächsangebotgerne an.
Bündnis 90/Die Grünen ist nämlich die Partei, die sichseit ihrer Gründung konsequent für die Stärkung und dieErweiterung der direkten Demokratie in Deutschlandeingesetzt hat und sich auch weiter dafür einsetzen wird.So haben wir seit 2002 in mehreren Anläufen in diesemHohen Hause für eine Mehrheit geworben, damit dasGrundgesetz geändert werden kann und bundesweiteVolksentscheide möglich werden.
Unser letzter Anlauf ist an der Mehrheit von CDU/CSUund FDP, um nicht zu sagen: an der Verweigerung dieserParteien, leider gescheitert. So wird es vermutlich auchIhrem Gesetzentwurf ergehen. Ich bin auf die Debattenim Ausschuss gespannt.Meine Damen und Herren, auch wenn es Teile desHohen Hauses wohl immer noch nicht wahrhaben wol-len: Die Ergänzung unserer parlamentarischen Demo-kratie durch direktdemokratische Entscheidungsmög-lichkeiten ist auf kommunaler wie auf Landesebene eineErfolgsstory, ein Erfolgsmodell. Ich bin mir ziemlich si-cher: Sie wird bei richtiger Ausgestaltung auch auf Bun-desebene ein Erfolgsmodell werden.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3227
Özcan Mutlu
(B)
Weil wir hier verschiedene Kollegen gehört haben, seimir an dieser Stelle noch folgende Randbemerkung er-laubt: Gerade diejenigen, die hier am lautesten immerwieder gegen Plebiszite argumentieren und die gegen dieSchaffung von Volksentscheiden auf Bundesebene sind,gerade diese verstehen es am besten, auf kommunalerEbene und auf Landesebene Volksentscheide zu nutzenund sie für ihre parteipolitischen Zwecke zu instrumen-talisieren.
Als Berliner Abgeordneter kann ich Ihnen da gerne zweiBeispiele nennen:Ich erinnere an den Volksentscheid gegen die Schlie-ßung des Flughafens Tempelhof,
wo die CDU Berlin an vorderster Front marschiert ist,obwohl sie immer gegen Volksentscheide war.
Das andere Beispiel aus Berlin ist die Einführung desSchulfachs Ethik; auch da hat die CDU mit erhobenerFahne an vorderster Front im Rahmen eines Volksent-scheids gegen die Einführung dieses Schulfachs ge-kämpft.
Kollege Ostermann hat das Stichwort „Stimmungs-macher“ in den Raum gestellt. Da sage ich: Schaut nachBayern! Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Meine Damen und Herren, uns ist bewusst, dass eineEntscheidung noch Zeit braucht, und wir werden weiteran diesem dicken Brett bohren, vielleicht auch mit denLinken, vielleicht auch mit den Sozialdemokraten. Den-noch können wir – da muss ich die Freude leider schonstoppen – dem Gesetzentwurf der Linken in der vorlie-genden Form nicht zustimmen.
Wir lehnen die von Ihnen vorgeschlagene Regelung ab,dass vertragliche Grundlagen der Europäischen Union,die das Grundgesetz ändern, zukünftig per Volksabstim-mung angenommen werden müssen. Diese Regelungkann durchaus europafeindlich wirken und birgt die Ge-fahr, parteipolitisch instrumentalisiert zu werden.
Zugleich ist dieser Gesetzentwurf für mich – auch wennSie das jetzt nicht gerne hören – irgendwie auch ein Aus-druck des Fremdelns der Linken mit der EuropäischenUnion.
– In der Rede haben Sie nichts dazu gesagt; aber ich lesedas aus Ihrem Gesetzentwurf.
Dieses Gefühl teilen wir ganz und gar nicht. WirGrüne sind eine entschieden proeuropäische Partei.
Wir finden es richtig, dass das Grundgesetz – wir habenheute den 65. Jahrestag seines Inkrafttretens gefeiert –die Verankerung Deutschlands und die immer tiefere In-tegration Europas substanziell festschreibt. Die Euro-paoffenheit unseres Grundgesetzes, der darin festge-schriebene Auftrag der europäischen Integration, das istkeine Schwäche, sondern eine Stärke unseres Grundge-setzes.
– Das ist sehr schön; dann werden wir ja sehen, was Siein den Ausschussberatungen sagen.Deshalb können wir dem Gesetzentwurf der Linkenin dieser Form nicht zustimmen. Wir finden sehr wohl,dass europäische Angelegenheiten auch europäisch – vonallen Bürgerinnen und Bürgern Europas – entschiedenwerden müssen. Wir Grüne wollen die Bürgerinnen undBürger in Europa – und auch in Deutschland selbstver-ständlich – stärken. Wir wollen mit dem Ziel einer weite-ren Demokratisierung Europas die Institutionen Europasund die Entscheidungsrechte des Europäischen Parla-ments stärken, statt sie durch nationale Vorbehalte einzu-schränken.
In unseren Augen ist der Konflikt zwischen den Ele-menten direkter Demokratie und den Werten und Zieleneiner proeuropäischen Politik nur auflösbar, wenn undindem wir mit aller Konsequenz daran arbeiten, die Ent-scheidungsprozesse auf europäischer Ebene weiter zudemokratisieren und zu festigen.
Denken Sie an Ihre Redezeit!
Ich denke an meine Redezeit.
Ich hoffe, ich konnte ein wenig deutlich machen, FrauPräsidentin, liebe Linke,
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3228 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Özcan Mutlu
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wie wichtig uns diese Punkte sind und was wir alsschädlich für die weitere Entwicklung Europas ansehen.Ein letzter Satz sei mir erlaubt,
weil ich Berliner bin: Am Sonntag wählt Berlin nicht nurdas Europäische Parlament, in Berlin steht auch einVolksentscheid an. Das ist eine exzellente Gelegenheit,zu zeigen, wie gut direkte Demokratie funktionierenkann. Als Berliner Abgeordneter wünsche ich mir, dassviele Berlinerinnen und Berliner am Sonntag zur Wahlgehen –
Das wünschen wir auch – und dass Sie jetzt zum Ende
kommen.
– und sich für die nachhaltige Zukunft des Tempelho-
fer Feldes einsetzen.
Danke sehr, Frau Präsidentin.
Danke, Herr Kollege. – Nächster Redner: Dr. Lars
Castellucci für die SPD.
Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Kolleginnen!
Meine Damen und Herren! Das ist ein guter Tag, um
über Demokratie zu sprechen; denn wir haben noch ein
weiteres Geburtstagskind
– neben dem Grundgesetz –, nämlich die SPD. Sie wird
heute 151 Jahre alt.
Ich gehe davon aus, dass wir jetzt nicht singen, Frau
Präsidentin.
Was müssten wir denn dann jetzt singen? – Das tun
wir jetzt aber nicht; nein, das lassen wir.
Das üben wir noch.
Brüder, zur Sonne, zur Freiheit, und die Frauen put-
zen die Fenster. – Nein, Entschuldigung.
Gut. – Die Geschichte der SPD ist eine Demokratisie-rungsgeschichte: Die Arbeiterbewegung hat einst dasallgemeine, freie und gleiche Wahlrecht erkämpft, späterkam das Frauenwahlrecht dazu.Willy Brandt ist heute schon sehr oft zitiert worden:„Wir wollen mehr Demokratie wagen.“ Das ist nicht nurunsere Geschichte, sondern auch unser Auftrag. Deshalbunterstützen wir als Sozialdemokratinnen und Sozialde-mokraten auch, dass es mehr Mitwirkungsmöglichkeitenfür die Menschen in Deutschland geben soll. Wir sindfür die Einführung von Volksinitiativen, Volksbegehrenund Volksentscheiden auf Bundesebene.
Wir wollen auch das Wahlalter auf 16 Jahre senken,wir wollen die Menschen direkter in die vielfältigen For-men der Bürgerbeteiligungsverfahren einbeziehen, undwir wollen auch, dass Gruppen, die heute noch nichtwählen können, die Möglichkeit dazu erhalten. Denkenwir zum Beispiel an die Menschen mit ausländischemPass. Wir glauben, dass die generelle Hinnahme derMehrstaatlichkeit ein geeigneter Schlüssel sein kann, umhier Schritte nach vorne zu gehen. Im Koalitionsvertraghaben wir uns daneben immerhin vorgenommen, dasswir für diejenigen, die umfassend betreut werden, dierechtlichen Hemmnisse zur Ausübung des Wahlrechtsabbauen wollen. Wir müssen miteinander besprechen,wie das gehen kann.Demokratie ist also ein sehr wichtiges Thema. Des-wegen ist es auch grundsätzlich sehr gut, dass wir heutediese Debatte führen.
Gleichzeitig handelt es sich ja um eine Übung, dieschon eine gewisse Wiederholung kennt, weil leider mitder Union nichts zu machen ist.
Auch in den Koalitionsverhandlungen haben wir darannichts ändern können.
Heute war ja schon einmal von Carlo Schmid, einemunserer Verfassungsväter, die Rede. Carlo Schmid be-richtet in seinen Memoiren von einer Begegnung mitAdenauer. Adenauer sagte ihm – ich zitiere –:
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3229
Dr. Lars Castellucci
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Was uns beide unterscheidet …– also Schmid und Adenauer –:Sie glauben an den Menschen, ich glaube nicht anden Menschen und habe nie an den Menschen ge-glaubt.
Das ist zwar etwas entfernt von einem christlichen Men-schenbild, aber man kann bei der Biografie des Altkanz-lers vielleicht Respekt vor dieser Meinung haben. Mansollte möglicherweise aber nicht bei Adenauer stehenbleiben.Wir haben heute wirklich viel Grund dazu, die Betei-ligungsmöglichkeiten der Menschen auszuweiten, und,anders als Herr Ostermann gesagt hat – man findet im-mer die Umfrage, die man gebrauchen kann –, wünschensich die Menschen auch die Beteiligungsmöglichkeiten.
Nach einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung sind es80 Prozent.Passen Sie jetzt einmal auf: Es gibt sogar Hinweise,dass Ihre Wählerinnen und Wähler das nicht nur wollen,sondern dass sie bei diesen direkten Verfahren sogar ver-stärkt zur Abstimmung gehen würden, womit Sie einenweiteren Hebel in der Hand hätten, Ihre Politik durchzu-setzen.
Das habe ich Ihnen jetzt natürlich nicht verraten, abervielleicht gibt Ihnen das zu denken.Es ist sicherlich falsch, von einer Krise der Demokra-tie zu sprechen. Wir haben heute zu Recht darauf hinge-wiesen, dass sich die repräsentative Demokratie bewährthat. Gleichzeitig bangen wir alle und fragen uns, wiehoch die Wahlbeteiligung am Sonntag werden wird.
Die Mitgliederzahlen der Parteien sinken. Deswegensind wir gut beraten, zu überlegen, wie wir die Demokra-tie lebendig halten und mehr Menschen für sie begeis-tern können.Verehrte Kollegen von den Linken, an dieser Stellemöchte ich einen Punkt aus Ihrem Antrag herausgreifen,bei dem ich glaube, dass Sie damit dem Wunsch, Begeis-terung auszulösen, zuwiderhandeln.Sie schlagen vor, dass, wenn es einen Volksentscheidgibt, jede Fraktion im Deutschen Bundestag ihren Vor-schlag gleichzeitig auch zur Abstimmung stellen kann.
Damit leisten Sie der direkten Demokratie einen Bären-dienst. In Wahrheit werden damit die Rechte von Parla-mentsfraktionen ausgeweitet, und das ist eigentlich dasGegenteil von mehr Beteiligung der Bürgerinnen undBürger.
Wie können wir für Demokratie begeistern? Wie kön-nen wir in die Demokratie mehr Leben bekommen? Dasgelingt in erster Linie dadurch, dass wir bessere Politik-ergebnisse erzielen. Hierfür ist es wichtig, dass wir dieunterschiedlichen Formen von Demokratie – direkte De-mokratie, repräsentative Demokratie und auch Bürgerbe-teiligung – nicht gegeneinander ausspielen, sondern dasswir ihre Chancen nutzen.Ich erinnere an den letzten SPD-Antrag für mehr di-rekte Demokratie. Da sehen Sie, dass dort die Möglich-keit eines Kompromisses gegeben ist: Diejenigen, dieden Volksentscheid eingebracht haben, und der Bundes-tag können sich auf einen gemeinsamen Vorschlag eini-gen. Das halte ich für ein gutes Verfahren, gemeinsam zubesseren Lösungen zu kommen. Das könnte auch derDemokratie guttun.
Es hilft nichts, wenn wir hier zustimmen würden. Wirwarten also auf die Union. Wir warten hier immerhinnicht auf Godot. Bekanntermaßen kam er nie.
Man wusste nicht, ob es ihn überhaupt gibt. Sie dagegensind sehr real.Ich möchte Ihnen Folgendes zu denken geben: Siewaren einmal für Atomenergie, und jetzt sind Sie gegenAtomenergie. Sie waren einmal für das dreigliedrigeSchulsystem, und jetzt sind Sie häufig daran beteiligt, esabzuschaffen.
Sie haben die Wehrpflicht befürwortet, und jetzt ha-ben Sie sie mit abgeschafft. Deswegen ist auch in dieserSache das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Irgendwann kommt auch beim Thema direkte Demo-kratie Bewegung in Ihre Reihen. Ich wünsche uns dafürGeduld und gute Beratungen.
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3230 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
(C)
(B)
Vielen Dank, Herr Kollege, und von Herzen Glück-
wunsch zu einem bemerkenswerten Geburtstag. – Jetzt
kommt als nächster Redner ein Vertreter Bayerns – nein,
Entschuldigung: ein Vertreter Frankens; wir müssen
schon korrekt sein, sonst bekomme ich Ärger –:
Michael Frieser für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Keine Angst, Sie bekommen keinenÄrger. Ich halte es kraft Persönlichkeit und Gewichtsaus, als beides zu gelten: sowohl als Franke als auch alsBayer.
Auch ich möchte der SPD zu ihrem 151. Geburtstaggratulieren und sage dazu: Wir haben die Flexirentedoch schon umgesetzt. Jetzt muss man doch langsameinmal ans Aufhören denken.
Ich halte diese Diskussion heute mit Blick auf denGeburtstag des deutschen Grundgesetzes für ideal. Es istein gutes Buch – Sie sollten es einmal lesen. Es steheneine ganze Reihe von interessanten Sachen drin. Die ein-zigen Sätze, die in dem Gesetzentwurf der Linken stim-men, sind die Zitate aus dem Grundgesetz. Aber schon inIhren ersten Sätzen heißt es sinngemäß: Artikel 20 desGrundgesetzes enthält den Grundsatz, dass die Souverä-nität vom Volke ausgeht. Da müssen wir Sie berichtigen:Die Souveränität in diesem Land geht immer vom Volkaus, und zwar ausschließlich. Das wird auch durch die-sen Gesetzentwurf nicht geändert.
Nachdem wir über dieses Thema schon ein gutes Dut-zend Mal beraten haben, sollten wir es abschließen dür-fen.
Das, was Sie uns vorlegen, ist alter Wein in alten Schläu-chen. Das ist dann in Ordnung, wenn man alten Weinliebt. Wenn man genauer hinschaut, dann ist klar: Das istnoch nicht einmal alter Wein, vielmehr wird er langsamzu Essig. Es gibt zwar guten Essig, aber davon kann andieser Stelle nicht die Rede sein.Es geht vor allem um eine fehlerhafte Staatstheorie.Wenn man den Gedanken des Artikels 20 Absatz 2Satz 1 Grundgesetz mit dem in Satz 2 ins Verhältnissetzt, also die Sätze „Die Souveränität, also die Staatsge-walt, geht vom Volke aus“ und „Sie wird vom Volke inWahlen und in Abstimmungen ausgeübt“ betrachtet,dann wird offensichtlich: Sie widersprechen sich, wennSie das in dieser Form umsetzen.Jetzt fehlt der Zwischenruf von Herrn von Notz vonden Grünen. Er müsste an dieser Stelle „Bayern“ rufen.Da der Zwischenruf nicht kommt, machen wir ihn ebenselber. Darauf kommt es nicht an; das ist egal.
In Bayern gibt es wirklich eine direkte Demokratie,und sie funktioniert sogar. Seit 1956 wurden fast 50 Volks-entscheide durchgeführt, knapp 20 davon haben es biszur zweiten Stufe gebracht. Auf der Länderebene ist daseine sehr interessante Geschichte. Auch das Grundgesetzkennt den Volksentscheid: in ganz bestimmten Fällen,beispielsweise bei der Weitergabe von Kompetenzen andie EU. Glauben Sie mir: Als CSUler habe ich dafürdurchaus Sympathien, besonders mit Blick auf den kom-menden Sonntag.Ich glaube, der vorliegende Gesetzentwurf hat auchetwas damit zu tun, dass am kommenden Sonntag Euro-pawahlen sind; das könnte zumindest theoretisch sein.Es gibt bestimmt Themen, die für eine Volksabstimmunggeeignet sein könnten. Aber man kann so etwas ebennicht als Buffet organisieren, sondern man muss schonkonkret sagen, womit man die Menschen tatsächlich be-fassen will.In dem Gesetzentwurf der Linken steht der entschei-dende Satz: Wenn die in den Artikeln 1 und 20 enthalte-nen Grundsätze tangiert werden, dann sind Volksent-scheide oder Volksabstimmungen selbstverständlichnicht möglich.
Herzlichen Glückwunsch! Das haben Sie nett formuliert.Das Bundesverfassungsgericht möge bitte einmal ausle-gen, was es mit den Grundsätzen der Artikel 1 und 20auf sich hat.
Das Ergebnis wird sein: Sie nehmen genau das, was Ih-nen in Ihrer Vorgehensweise, nämlich der Instrumentali-sierung der Minderheiten, um zur Mehrheit zu kommen,gerade in den Kram passt. Die Folge wird ein Zeitgeist-katalog sein, der dann zur Abstimmung gestellt wird. Esgeht in keiner Weise um eine Stärkung der direkten De-mokratie.Im Ergebnis läuft es doch immer darauf hinaus, dassman versucht, ein Thema, mit dem man in der repräsen-tativen Demokratie nicht weiterkommt, auf marktschrei-erische Art umzusetzen. Es ist doch Ihre Aufgabe als di-rekt bzw. über Listen gewählte Abgeordnete, darüber zuentscheiden und daran mitzuwirken, die Menschen überdie Themen zu informieren und vor allem deren Sinn,Geist, Zweck und Anregungen mit aufzunehmen, siehier zusammenzuführen und zu einem Ergebnis zu brin-gen. Das ist Ihre persönliche Aufgabe. Diese persönlicheAufgabe redelegieren Sie jetzt an den eigentlichen Ge-setzgeber, nämlich den Souverän.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3231
Michael Frieser
(C)
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Wenn die Linke der Auffassung ist, dass sie an der Wil-lensbildung in diesem Land nicht mehr teilhaben will:Herzlichen Glückwunsch und auf Wiedersehen! Wir se-hen uns an anderer Stelle wieder.
Unsere Definition von Politik ist definitiv eine an-dere.
Unsere Definition ist, dass wir Abgeordnete nicht nuraus praktischen Gründen, sondern auch, weil wir aus-schließlich unserem Gewissen unterworfen sind, für diejeweiligen Themen eintreten, die wir mit unseren Grund-sätzen abstimmen müssen, um sie dann zu einem kon-sensualen Ergebnis zu bringen. Das ist Gesellschaftspo-litik. Das übersetzt letzten Endes die Staatstheorie ingelebte Politik für die Bürger und damit für die Men-schen in diesem Land.
Aber wir wollen – und dazu fordern wir Sie auch auf –,dass man an dieser Stelle mitwirkt.Da wir immer wieder das pädagogische Prinzip derWiederholung anwenden müssen, halte ich fest: EineVolksabstimmung als solche, die Sie auf einen Grund-satz verknappen müssen, damit die Menschen mit Jaoder Nein abstimmen können, kann bei bestimmten The-men nicht funktionieren. Eine Aushöhlung der repräsen-tativen Demokratie, in der Ihre persönliche Verantwor-tung im Vordergrund steht, wird nicht dazu führen, dassSie am Ende mehr Politikbeteiligung erreichen. Sie wer-den sie vielmehr zergliedern und wahrscheinlich sogar ingewisser Weise ad absurdum führen, weil es Ihnen umdie Etablierung einer Dagegen-Demokratie geht.
Herr Frieser, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder
-bemerkung?
Sofort, wenn ich meinen Gedanken zu Ende gebracht
habe.
Alles klar.
Für die Dagegen-Demokratie gibt es ein schlimmes
Beispiel. Wer hat das erfunden? Die Schweizer haben es
erfunden. Kollege Schuster hat völlig zu Recht darauf
hingewiesen, dass bei den Volksabstimmungen in der
Schweiz die niedrigste Wahlbeteiligung herrscht. – In
Bayern ist es ähnlich – jetzt vermisse ich wieder einen
Zwischenruf von Herrn von Notz –: Dort gibt es dieses
wunderbare Element der direkten Demokratie. Was ist
die Folge? Eine niedrigere Wahlbeteiligung bei diesen
Abstimmungen.
Das sollte uns zu denken geben. Eine Volksabstim-
mung als solche kann nicht das alleinige Heilmittel sein.
Wir müssten die entsprechenden Regelungen klar und
genau formulieren, wie es das wunderbare Grundgesetz
bereits macht.
Bitte, Frau Kollegin.
Danke, Herr Frieser. – Frau Wawzyniak.
Herr Frieser, ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass
wir uns in einzelnen Punkten durchaus verständigen und
einigen könnten. Ich frage Sie deshalb, wie Sie es sich
erklären, dass es uns bei bestimmten Themen, in denen
wir uns einig sind und wir als Linke Formulierungen
vorlegen, die wortgleich mit Ihren sind, unmöglich ist,
einen gemeinsamen Antrag zustande zu bringen, weil es
in Ihrer Fraktion offensichtlich eine Kauder-Doktrin
gibt, nach der wir nicht mit Ihnen gemeinsam Anträge
vorlegen können. Können Sie mir das erklären, wenn Sie
sagen, dass alles so gut funktioniert?
Abgesehen von der Tatsache, dass das ein bisschenvon der Diskussion ablenkt, will ich mich gerne auf dieFrage einlassen. Ich widerspreche selbstverständlichdem Begriff „Kauder-Doktrin“. Eine solche Doktrin gibtes in keiner Weise. In dieser Frage gibt es in der CDU/CSU-Fraktion noch nicht einmal einen Fraktionszwang.Sie müssen es uns schon selbst überlassen, mit wemwir als Demokraten entweder erklärtermaßen kraft Ver-trägen oder aber manchmal aus Sympathie gemeinsameAnträge einbringen. Wenn die CDU/CSU-Fraktion zu ei-nem Ergebnis kommt und das, was sie in einen Antragaufnimmt, für richtig hält, bin ich der Auffassung, dasses dafür nicht unbedingt des Briefkopfes der Linken be-darf. Es gibt in diesem Hause aber sehr wohl auch Grup-penanträge, in denen Abgeordnete unabhängig von ihrerFraktionszugehörigkeit übereinstimmen.Frau Kollegin, ich muss trotzdem sagen: Damit täu-schen Sie über den Grundgedanken und das Problem,über das wir diskutieren, nicht hinweg. Im Ergebnisbleibt es dabei. Sie können die deutsche Politik nichtnach Buffetart organisieren, indem Sie sagen: Das passtmir gerade in mein Konzept der marktschreierischenPolitik. – Sie tun damit nicht nur der Politik und denMenschen keinen Gefallen, sondern Sie vergehen sichein Stück weit auch – ausgerechnet am heutigen Ge-denktag – am Grundgesetz. Das wollen wir nicht. Des-halb bleibt es bei unserer ablehnenden Haltung gegen-über Ihrem Gesetzentwurf. Ich glaube, das ist ganz gutso.
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3232 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
(C)
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Danke, Herr Kollege Frieser. Ich wünsche Ihnen eine
schöne Fußballsaison. Das ist Ausdruck meines Mit-
leids.
– Ja, wir sind auf Platz acht.
Der letzte Redner in dieser Debatte ist Matthias
Schmidt für die SPD.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren auf den Zuschauertribünen! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Wir diskutieren heute in erster Beratungden Gesetzentwurf der Linken, der einen sehr langenund sperrigen Titel trägt. Die Präsidentin hat ihn am An-fang komplett vorgelesen. Damit der Titel des Gesetz-entwurfs auf die Anzeigetafel passt, musste er etwas ver-kürzt werden. Nun ist dort nur noch zu lesen:Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid. Dastrifft auch den Kern Ihres Gesetzentwurfs, beschreibt ihnaber nicht umfassend; denn er enthält weitere Aspekte,über die wir sehr intensiv reden sollten.Etwas verkürzt und flapsig ausgedrückt, wollen dieLinken mit ihrem Gesetzentwurf etwas mehr Demokra-tie wagen.
Das findet natürlich – die Parallele zum Zitat von WillyBrandt ist unverkennbar – die Sympathie der Sozialde-mokratie.
Auch wir sind für Volksinitiativen, Volksbegehren undVolksentscheide. So haben wir es auch in unserem Wahl-programm zur Bundestagswahl 2013 festgeschrieben.Hier im Plenum haben wir an zahlreichen Stellen und inverschiedenen Legislaturperioden Anträge in diese Rich-tung gestellt. In unserem schwarz-roten Regierungspro-gramm findet sich dazu allenfalls eine Andeutung. Dasliegt daran – das weiß jeder –, dass die Union demThema gegenüber eher kritisch eingestellt ist. Die Kolle-gen von der Union haben das eben argumentativ ausge-führt. Unter demokratischen Aspekten muss ich sagen:Man kann auch diesen Argumenten folgen und zu dieserErkenntnis kommen, obwohl auf der linken Seite desHauses in der Mehrheit eine andere Auffassung herrscht.Frau Kollegin Wawzyniak, wenn man ein Gesetz än-dern will – Sie wollen sogar das Grundgesetz ändern –,dann muss es einen Zustand geben, dem man unbedingtabhelfen will. Sie haben sich aber gar nicht die Mühe ge-macht, einen Zustand zu beschreiben, dem Sie abhelfenwollen. Vielmehr haben Sie in Ihrer Argumentationgleich Bezug darauf genommen, was der Kollege Brand,den ich im Übrigen sehr schätze, in den Jahren 2003 und2008 gesagt hat, und haben versucht, das zu entkräften.Anschließend haben Sie uns und den Grünen ein Diskus-sionsangebot unterbreitet, nicht aber der Union. Sie wis-sen sicherlich, dass es zur Änderung des Grundgesetzeseiner Zweidrittelmehrheit bedarf und dass die Unionüber mehr als ein Drittel der Stimmen verfügt.
Das alles passt nicht richtig zusammen.Ihr Gesetzentwurf bietet uns allerdings eine gute Ge-legenheit, den Zustand unserer Demokratie zu beleuch-ten. Das haben wir schon heute früh in der Feierstundegetan. Dem Grundgesetz und damit der parlamentari-schen Demokratie wurde ein gutes Zeugnis ausgestellt.Die kurzfristigen Debatten sind natürlich immer sehrkontrovers und werden in der Regel so geführt, dass dieOpposition alles schlecht findet, was die Regierung vor-trägt, während die die Regierung tragenden Fraktionendas, was die Regierung macht, ganz gut finden und dasvoranbringen. Das gehört zum Austausch in einer parla-mentarischen Demokratie selbstverständlich dazu.Um den Zustand der parlamentarischen Demokratieeinschätzen zu können, ist es allerdings hilfreich, eherauf die langen Linien zu schauen. Da schneidet die par-lamentarische Demokratie sehr gut ab. Die Politik derWestintegration Adenauers stellt heute niemand mehr in-frage. Auch Willy Brandts Ostpolitik, die damals heißumkämpft war, wird heute von keiner Seite mehr infragegestellt. Beides zusammen führte zur deutschen Einheit.Im Rückblick kann man immer sagen: Die Kompro-misse, die wir hier im Bundestag nach langen Diskussio-nen finden, können sich sehen lassen. Im Großen undGanzen wird von der Bevölkerung langfristig akzeptiert,was wir hier machen. Es gibt eine Ausnahme. Einmal hatder Bundestag mit seiner Entscheidung danebengelegen.Das war aus meiner Sicht der Boykott der OlympischenSpiele in Moskau 1980. Damals hat der Bundestag einefalsche Entscheidung getroffen. Auch im Rückblick hatsich diese Entscheidung nicht als richtig erwiesen.Wenn Sie meinen Ausführungen folgen, könnten Sieden Eindruck haben, ich stünde der Einführung direkterdemokratischer Elemente sehr kritisch gegenüber. Demist aber nicht so. Ich stelle nur Fragen und versuche, mirein Bild zu machen. Im Ergebnis komme ich zu der Er-kenntnis, dass die direkte Demokratie eine sehr gute Er-gänzung unserer parlamentarischen Demokratie seinkönnte.
Sie zwingt uns Parlamentarier dazu, zu kommunizierenund zu argumentieren. Das machen wir augenscheinlichnicht an jeder Stelle genug. Die Initiative „Mehr Demo-kratie“ hat dafür gute Beispiele geliefert und gute Argu-mente aufgeschrieben. In Berlin gibt es – Herr Mutlu hatvorhin schon darauf hingewiesen – aktuell einen Volks-entscheid. Es geht um das Tempelhofer Feld. Es wird in
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3233
Matthias Schmidt
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der Stadt momentan sehr heiß argumentiert. Ich bin si-cher, dass sich am Ende die guten Argumente für einebehutsame Randbebauung des Tempelhofer Feldesdurchsetzen werden und dafür eine Mehrheit gefundenwird.
Kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede. Die Berliner
haben sicher noch die Möglichkeit, darüber in den
nächsten Stunden zu diskutieren.
Ja, das stimmt. – Ich komme zum Schluss. Ich freue
mich auf die Ausschussberatungen und möchte mit ei-
nem Zitat von Goethe enden: „Die Demokratie rennt
nicht, aber sie kommt sicherer zum Ziel“. Das werden
wir in den Ausschussberatungen beweisen.
Vielen herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Danke für die span-nende Debatte.Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-wurfs auf Drucksache 18/825 an die in der Tagesord-nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Ich sehekeine anderweitigen Vorschläge. Dann ist das so be-schlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Franziska Brantner, Katja Dörner, KaiGehring, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENQualität in der frühkindlichen Bildung för-dernDrucksache 18/1459Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
InnenausschussInterfraktionell sind für die Aussprache 38 Minutenvereinbart. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist dasso beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hatDr. Franziska Brantner für Bündnis 90/Die Grünen.
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-legen! Liebe Bürgerinnen und Bürger, die heute am Frei-tagnachmittag noch zuhören! Im Zwischenbericht zurEvaluation des Kinderförderungsgesetzes, den die Bun-desregierung selbst in Auftrag gegeben hat, steht ge-schrieben, die Betreuungssituation sei in manchenEinrichtungen unter fachlichen Gesichtspunkten bedenk-lich. Auch die unter anderem vom Familienministeriumin Auftrag gegebene NUBBEK-Studie zeigte, dass dieQualität der frühkindlichen Bildung in deutschen Be-treuungseinrichtungen überwiegend mittelmäßig bisschlecht ist. Jeder zweite Kindergarten bekam die Note„unzureichend“. Unserer Meinung nach ist das für un-sere Kinder nicht verantwortbar.
Auch viele Erzieherinnen und Erzieher sind heute an derGrenze des Belastbaren.Der Ausbau der Kinderbetreuung und die Einführungdes Rechtsanspruchs waren ein Meilenstein. Doch dieQualität der Kinderbetreuung darf jetzt nicht auf derStrecke bleiben. Wir müssen vom Kind her denken undsicherstellen, dass seine Bedürfnisse wirklich berück-sichtigt werden. Es liegt in der Verantwortung aller Kol-leginnen und Kollegen hier, gemeinsam dafür zu sorgen,dass die Kinder nicht auf der Strecke bleiben.
Was ist zu tun? Viele Faktoren spielen für die Qualitätvon Kinderbetreuung eine Rolle, wie die Ausstattung derKitas und die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzie-her. Nicht alle Qualitätsfaktoren können oder sollten vonder Bundesebene bestimmt werden. Aber es gibt einenFaktor, den gar keiner infrage stellt und von dem alle sa-gen, dass er für eine gute Betreuung und Bildung not-wendig ist: Das ist die Zeit, die Erzieherinnen und Erzie-her direkt mit Kindern verbringen können. Es gibt einenStandard, den uns Expertinnen und Experten an dieHand geben – ohne seine Einhaltung kommt die Ent-wicklung zu kurz –: eine gute Fachkraft-Kind-Relation.Worum geht es dabei? Es geht um die direkte pädago-gische Arbeit mit den Kindern. Bis jetzt gibt es in deneinzelnen Bundesländern ganz unterschiedliche Defini-tionen. In einigen Bundesländern werden Schlüssel fest-geschrieben, die kaum Ausfallzeiten, Fortbildung oderetwa Elterngespräche berücksichtigen. Wir finden aber,dass alle Kinder bundesweit das gleiche Recht auf einegute Betreuung und Bildung haben. Wir wollen nicht nurdas Recht jedes Kindes auf einen Kitaplatz, sondernauch das Recht jedes Kindes auf einen guten Kitaplatz.
Wie wollen wir das gewährleisten? Als Standort füreine gesetzliche Regelung kommt § 22 a im SGB VIII inBetracht. Ich lese Ihnen einmal eine Formulierung auseinem juristischen Gutachten vor:Zur Qualität der Förderung gehört auch eine Perso-nalausstattung, die die Erfüllung des Förderungsauf-trags gewährleistet. Das Nähere über die Mindest-anforderungen hinsichtlich der Personalausstattungbezogen auf das Alter der Kinder und die Dauer dertäglichen Förderung wird durch Rechtsverordnung
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3234 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Dr. Franziska Brantner
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des zuständigen Bundesministeriums mit Zustim-mung des Bundesrates bestimmt.Das heißt, die Details, die genaue Fachkraft-Kind-Rela-tion, werden in einer Rechtsverordnung bestimmt. Wirfordern ein Verhältnis, das sich an der Maximalgrößevon 1 : 4 für unter Dreijährige und 1 : 10 für über Drei-jährige orientiert. Außerdem sollte der Anteil der Ar-beitszeit für Tätigkeiten ohne Kinder von 25 Prozent be-rücksichtigt werden. Darüber hinaus wollen wir dieFortführung des Bundesprogramms „Offensive FrüheChancen: Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“.Natürlich wird das Geld kosten. Qualität kostet Geld.Daher müssen sich Bund, Länder und Kommunen zu-sammentun und gemeinsam planen, wie sie die Finan-zierung der Qualität gestalten.
– Ja. – Uns geht es darum, dass man gemeinsam mit denLändern und den Kommunen Qualitätsziele vom Kindher gedacht definiert und dann gemeinsam über die Fi-nanzen redet. Erst sollten also die Ziele definiert werden,und dann sollten die finanziellen Mittel für deren Errei-chung zur Verfügung gestellt werden.
Dafür brauchen wir ein breites Bündnis für Qualität.2007 gab es den Kitagipfel, um den Ausbau voranzu-bringen. Was wir jetzt brauchen, ist ein Qualitätsgipfel.
Dabei ist der Bund unserer Meinung nach klar mit in derVerpflichtung; er muss sich an der Finanzierung beteili-gen. Wir müssen aber auch sicherstellen, dass das Geldwirklich vor Ort ankommt. Es darf nicht sein wie beijenen 6 Milliarden Euro, bei denen leider nicht klar, ge-schweige denn sicher ist, wie viel sich davon in der Qua-lität niederschlägt. Deswegen ist unserer Meinung nachdie rechtliche Verankerung so wichtig für eine zielge-naue Finanzierung.Gerade tagte die Jugend- und Familienministerkonfe-renz in Mainz. Sie befasste sich ebenfalls mit diesemwichtigen Thema. Man forderte vom Bund 2 MilliardenEuro für den Kitaausbau. Wir sind uns doch im Grundealle einig: Wir brauchen mehr Qualität. Lassen Sie unszu neuen Gipfeln aufbrechen, vielleicht auch zu einemQualitätsgipfel! Das sind wir unseren Kindern schuldig.Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Brantner. – Nächster
Redner in dieser Debatte ist Marcus Weinberg für die
CDU/CSU.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Liebe Kollegin Brantner, ich habe gesagt: Ichwerde nett zu Ihnen sein – fast immer in den nächstensieben Minuten. Ein- oder zweimal muss ich aber auchetwas kritischer auf Ihren Antrag eingehen.Wir sind dankbar, dass Sie diesen Antrag gestellt ha-ben, weil uns das die Möglichkeit bietet, zwei Dinge an-zusprechen. Zum einen tatsächlich das für uns wichtigeThema der Qualität: Wie können wir früher, besser, ziel-genauer und bedarfsorientierter fördern? Zum anderen:Wir nehmen gern Anträge von Ihnen, von den Grünen,entgegen, wenn Sie das, was passiert ist, in einer Nach-betrachtung so beschreiben. Das, was wir 2007, damalsin der ersten Großen Koalition der neueren Zeit, be-schlossen haben, haben Sie als Meilenstein definiert. Da-für noch einmal ein herzliches Dankeschön!
Frau Dörner, ich erinnere mich an die Debatten hierim Deutschen Bundestag. Von 2007 bis 2013 haben Siebei jeder Debatte immer dieselben Szenarien an dieWand gemalt: dass der Rechtsanspruch nicht umzuset-zen ist, dass es einen Riesenaufschrei geben wird in derGesellschaft, bei jungen Müttern und Vätern und, und,und. Was ist passiert? Wenn man sich klar und verbind-lich einigt – da stimme ich Ihnen zu –, wenn man sagt:„Das ist unser Ziel; das sind die verbindlichen Finanz-zusagen; wir setzen ein Datum, bis zu dem wir etwas er-reichen wollen“, dann bekommt man das hin, und wirhaben es hinbekommen. Das ist ein Riesenerfolg für diejungen Familien und auch ein Erfolg insofern, als derBund über 5 Milliarden Euro bereitgestellt hat und inZukunft diese 845 Millionen bereitstellt.Wenn man über Finanzen spricht, muss man immereines sagen: Das ist originäre Aufgabe der Länder. Beiall dem, was wir gemeinsam und in bestimmt heftigenund anstrengenden Diskussionen mit den Ländern defi-nieren wollen, werden wir darauf hinweisen, dass sichder Bund der Frage des Qualitätsausbaus nicht verweh-ren wird. Im Gegenteil, wir werden Qualität einfordern.„Einfordern“ heißt auch, dass die Länder sagen müssen,was sie liefern, und zwar verbindlich. Ich möchte nicht,dass Mittel des Bundes von Finanzsenatoren oder Fi-nanzministern benutzt werden, um Haushaltslöcher zuschließen. Wenn wir uns mit den Ländern verständigen,dann erwarten wir, dass das auch umgesetzt wird. Des-wegen kann ich das zumindest in weiten Teilen so mitunterstützen.Wir hatten 2007 einen Ausbaustand – dieser Meilen-stein sei noch einmal genannt – von 8 Prozent in denwestlichen Ländern und 37 Prozent in den neuen Bun-desländern und haben jetzt einen Ausbaustand von unge-fähr 40,2 Prozent erreicht. Nun haben Sie im Antrag for-muliert – das haben die Länder auf der Jugend- undFamilienministerkonferenz heute auch noch einmal
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3235
Marcus Weinberg
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deutlich gemacht –: Das wird nicht das Ende der be-rühmten Fahnenstange sein. Wenn es denn 42,5 Prozentund vielleicht noch ein paar Prozentpunkte darüber hi-naus sind, werden wir uns darüber verständigen müssen,wie wir das in einem möglichen dritten Investitionspakethinbekommen. Ich bin mir sicher, dass das klappen wird.Im Übrigen reden wir über Qualität. Das ist tatsäch-lich die Aufgabe der nächsten Epoche. Nach dem Aus-bau der Quantität im Kindergarten- und im Krippenbe-reich sowie bei der Ganztagsbetreuung gilt es jetzt,verstärkt über Qualität zu reden. Ich will dazu nur we-nige Punkte ansprechen.Der Bund hat sich der Frage der Qualität bereits inden letzten Jahren gestellt. Wir haben das Programm„Offensive Frühe Chancen“ auf den Weg gebracht. Esmuss eine Fortsetzung geben – die wollen auch wir –,weil das ein gutes Programm ist. Wer wie ich – und wieSie wahrscheinlich auch – einmal hospitiert hat, der wirderlebt haben, dass das in den Wahlkreisen gut ankommt.Wir haben im Bereich der Tagespflege mit Fortbil-dungs- und Qualifizierungsprogrammen die Qualifizie-rung auf den Weg gebracht. Tagespflege war vor 20 oder25 Jahren Nachbarschaftsunterstützung. Wir haben er-reicht, dass heute in den neuen Bundesländern über80 Prozent und in den westlichen Bundesländern fast70 Prozent der Männer und Frauen, die in der Tages-pflege arbeiten, ein Qualifizierungsniveau erreicht ha-ben, das sonst bei einer pädagogischen Ausbildung er-reicht wird. Auch das war ein Erfolg des Bundes; dashaben wir in den letzten Jahren auf den Weg gebracht.
Es wäre an der Zeit, viele weitere Programme anzu-sprechen, übrigens auch aus dem Bildungsbereich. Wereinmal bei den „kleinen Forschern“ hospitiert hat, derweiß, wie die Implikationen aus dem Bildungsbereichbei den Kindertagesstätten ankommen. Deshalb wird dieQualität auch hier zu Recht in den nächsten JahrenThema sein.Eine Bemerkung möchte ich noch machen. Qualitätheißt nicht: Höher, weiter, schneller! Qualität ist auchdann gegeben, wenn ein Dreijähriger auf dem Rasenliegt und zehn Minuten lang die vorbeiziehenden Wol-ken zählt. Auch das ist eine Form von Qualität.
Insoweit werden wir uns auch sehr stark Gedanken da-rüber machen müssen: Was heißt eigentlich „Kind sein“?„Kind sein“ heißt für mich und, ich denke, für alle, diedas einmal erfahren haben, als Kind nicht in einem„Hamsterrad“ zu verkommen, sondern das „Kind sein“wirklich genießen zu können, aber bei einer gewissenQualität der Betreuung, Stichwort „Bildungsimplikatio-nen“.Nun habe ich mich aber doch geärgert. Ich habe ge-sagt: Ich will Sie viel loben. Aber einmal muss ich Siedann doch ein bisschen kritisieren, wenn Sie es mir ge-statten.
Man kann darüber diskutieren, dass es Defizite und nochAusbaumöglichkeiten gibt. Aber was mich wirklich är-gert, ist Folgendes: Sie haben im Vorfeld mit der Süd-deutschen Zeitung gesprochen; daraus darf ich Sie ein-mal zitieren. Da sagen Sie bezüglich der Qualität derKindertagesbetreuung: „Da geht es oft nur noch um sattund sauber ...“ Ich sage Ihnen ganz deutlich: Das findeich nicht in Ordnung.
Es gibt viele Probleme. Viele Erzieher sind an derGrenze des Möglichen. Viele Kindertagesstätten müssenjetzt die neuen Anforderungen umsetzen, auch die Zerti-fizierungsmaßnahmen. Es gibt, gerade im Personalbe-reich, in einigen Kindertagesstätten große Probleme.Aber es gibt durchaus einen Riesenschritt in der Qualitätder Kindertagesbetreuung. Ich glaube, das sollte manentsprechend anerkennen. Es ist jetzt unsere Aufgabe,die nächsten Schritte einzuleiten und insbesondere zu sa-gen, wie wir die Erzieherinnen und Erzieher unterstüt-zen; denn die leisten tagtäglich harte Arbeit.
Nun haben Sie schon die Jugend- und Familienminis-terkonferenz angesprochen, die heute große Beschlüssegefasst hat. Es sei erwähnt: Wenn Länder sich zusam-mentun, gibt es zumindest in der Frage der Finanzen im-mer einen sehr klaren Beschluss. Dieser lautet: DerBund soll mehr zahlen. Die Frage nach einem Qualitäts-gipfel haben wir übrigens auch schon einmal gestellt.Wir haben bereits vor einem Jahr hier im DeutschenBundestag gesagt: Es geht darum, jetzt Qualitätssiche-rung zu betreiben. Die Aufgabe wird sein, verbindlicheZiele zu definieren, die Finanzierungsfragen zu klärenund übrigens von Zeit zu Zeit zu überprüfen: Wo kom-men wir eigentlich hin?Jetzt gibt es mehrere Optionen. Da bin ich der Mei-nung: Das muss regional geprüft werden. Es gibt Bun-desländer, die bereits einen guten Betreuungsschlüsselhaben. Es gibt Bundesländer, die einen sehr schlechtenBetreuungsschlüssel haben. In Ihrem Antrag fordern Sieeinen Betreuungsschlüssel von 4 : 1; die BertelsmannStiftung fordert einen Betreuungsschlüssel von 3 : 1. Dasist zu diskutieren. Es gibt Kitas, die bestens ausgestattetsind. Es gibt Kitas, die schlecht ausgestattet sind. Es gibtKitas, bei denen die Erzieherinnen ein hohes Qualifika-tionsniveau im Bildungsbereich haben. Es gibt Kitas, beidenen das sehr überschaubar ist. Deswegen ist unserVorschlag, regional zu differenzieren, einen Instrumen-tenkasten zu entwickeln und ganz deutlich zu sagen:Länder und Kommunen, beteiligt euch! Wir wollen einneues Ziel erreichen. – Das heißt für uns, dass wir zu-sammen schauen, wie wir dieses Ziel erreichen können.Das kann mal der Personalschlüssel, mal die Ausstattungder Kita sein. Das kann auch mal ein Programm wie
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3236 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Marcus Weinberg
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„Offensive Frühe Chancen“ sein. Das wird jetzt mit denLändern zu besprechen sein.Dabei gelten zwei Grundsätze; ich wiederhole siegerne noch einmal.
Ja, Herr Kollege, aber kurz.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Ich sage
es sehr gerne: Das werden wir gemeinsam mit den Län-
dern hinbekommen. Wir haben 2007 den Gipfel hinbe-
kommen. Er war ein Erfolg. Wir werden jetzt den nächs-
ten Schritt tun im Hinblick auf die Qualität. Auch das
wird ein Erfolg werden. Dafür werden wir einstehen.
Das werden wir garantieren.
Schönes Wochenende und vielen Dank für die Auf-
merksamkeit.
Danke, Herr Kollege Weinberg. – Ich würde, ehrlich
gesagt, gerne Ihre Anregung aufgreifen, hier unterbre-
chen und mit allen zusammen Wolken zählen gehen. Ich
bin mir nicht sicher, ob sich das so leicht mehrheitlich
durchsetzen lässt; aber es ist vielleicht eine gute Idee.
Wir sollten im Ältestenrat einmal darüber diskutieren.
Mich hat die Erinnerung an das Wolkenzählen sehr ins-
piriert.
Diana Golze für die Linke ist die nächste Rednerin in
der Debatte. – Frau Golze, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, ich freue mich auch darauf, dass wirmit diesem schönen Tagesordnungspunkt diese Wochebeenden und ich dann nach Hause zu meinen Kinderndarf, um mit ihnen Wolken zu zählen.Sehr geehrte Damen und Herren! Ende Mai 2012,also ziemlich genau vor zwei Jahren, stellte die damaligeFamilienministerin Kristina Schröder ein Zehn-Punkte-Programm für ein bedarfsgerechtes Angebot in der Kin-dertagesbetreuung vor. In diesem Programm hieß es da-mals unter Punkt neun:Durch ein Qualitätsgesetz soll ein „Rahmen-Bil-dungsplan“ mit bundesweiter Gültigkeit geschaf-fen werden, der den Förderauftrag mit Mindeststan-dards konkretisiert und den Bildungsplänen derLänder trotzdem noch Spielraum für landesspezifi-sche Gestaltung überlässt.Heute, zwei Jahre später und um einen Koalitionsvertragreicher, sind wir in dieser Frage leider nicht einen Schrittweiter. Herr Weinberg, es ist eben nicht nur originäreAufgabe der Länder, Mindeststandards festzulegen. Daskönnen wir auch im Bund.
Unter Schwarz-Gelb ist ein solches Gesetz nicht zu-stande und unter der jetzigen schwarz-roten Regierungnicht einmal in den Koalitionsvertrag gekommen. Ichbedaure es an dieser Stelle sehr, dass die MinisterinSchwesig heute nicht an dieser Debatte teilnimmt; denngerade sie war es damals, die eine Neuauflage des Krip-pengipfels von Bund, Ländern und Kommunen undmehr Initiative vom Bund gefordert hat. Sie ist nun fünfMonate im Amt. Von einem Krippengipfel redet sienicht mehr. Dass er notwendig ist, dafür nur ein Beispiel.In der sächsischen Tageszeitung Freie Presse hieß esgestern – ich zitiere –:Sachsens CDU will die Personalausstattung in denKitas verbessern, ohne den Betreuungsschlüssel zusenken.Klingt seltsam, oder? – Weiter heißt es in dem Artikelmit Zitaten von Herrn Tillich:Nicht für alle Aufgaben in den Kitas sei hoch quali-fiziertes Personal nötig – und die Hälfte der Ar-beitslosen in Sachsen älter als 50… Also könnedoch auch „eine kontinuierliche Zusammenarbeit“von „älteren Menschen mit Kindererzieherinnenund Kindern“ ein Lösungsweg sein… Auch bei derKinderbetreuung sei „Augenmaß“ nötig, und eskomme auf „flexiblere Elemente“ an …Um es ganz deutlich zu sagen: Ich habe kein Problemdamit, dass Omas und Opas in Kitas kommen – aberdoch nicht als billiger Ersatz für ausgebildete, qualifi-zierte Fachkräfte! Das kann es ja wohl nicht sein.
Ein Ministerpräsident, der ältere Erwerbslose zur Ver-handlungsmasse im Poker um die billigste Kita macht,ist das eine; ein Ministerpräsident, der die bildungspoli-tische Notwendigkeit von Kitas nicht erkennen kannoder will und der zudem den pädagogischen Fachkräftenauch noch solch eine Ohrfeige erteilt, ist das andere. Ichhoffe sehr auf eine entsprechende Reaktion der Betroffe-nen vor Ort.
Das Beispiel zeigt aber: Ein Krippengipfel ist auchnach Inkrafttreten des Rechtsanspruchs für unter Drei-jährige noch dringend nötig – oder wieder dringend nö-tig. Es macht aber auch deutlich, dass an einem solchenVerhandlungstisch nicht nur Bund, Länder und Kommu-nen sitzen sollten. In Anbetracht der nur sehr schwerüberschaubaren und regional sehr unterschiedlichen De-fizite beim Kitaausbau sollten dort alle Beteiligten sit-zen: zum Beispiel auch Gewerkschaften, weil es um dieArbeitsbedingungen der Beschäftigten geht; zum Bei-spiel auch die Wissenschaft; zum Beispiel auch nicht-kommunale Träger von Kindertageseinrichtungen. Dasist erforderlich, um die Baustellen deutlich zu benennen,um die man sich dann gemeinsam kümmern muss.
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Diana Golze
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Wieder nur die drei großen Bauherren an den Tisch zuholen, hieße, dass die Kindertagesbetreuung so wie bis-her weiterhin nur nach Kassenlage gestaltet wird und auszeitlich begrenzten Projekten nicht herauskommt. Soging der Ausbau nämlich bisher vonstatten – das Sonder-vermögen: befristet; begleitende Programme: befristet.Es gibt aber so viele Baustellen und Fragen, die sich stel-len und bei denen nicht befristet werden kann, etwa: Wiemüssen entsprechende Mindeststandards aussehen? Wasist überhaupt eine Fachkraft in der Kindertagesbetreu-ung? Welchen Anspruch haben wir an diese Person? Wiesichern wir die Qualität auch in der Kindertagespflege?Reicht uns ein 160-Stunden-Curriculum, oder sollte esvielleicht noch ein bisschen mehr sein? Welche Rollespielen Zeiten für Weiter- und Fortbildungen, Krank-heitsvertretungen, Leiterinnenstunden bei der Berech-nung des Personalschlüssels? Um all diese Fragen gehtes.Es geht auch um die Frage – Herr Weinberg hat ja dasProgramm „Frühe Chancen“ angesprochen –: Brauchenwir Sonderprogramme für die Sprachbildung? Oder ge-hört das nicht eher zu der allgemeinen Aufgabe von Kin-dertagesbetreuung, alltagsintegriert und in jeder Einrich-tung, und nicht nur in einem Bruchteil der Kitas?Müssen diese dann nicht auch in ein schlüssiges, finan-ziell untersetztes Qualitätskonzept einbezogen werden?All diese Fragen werden seit Jahren in der Fachweltbenannt und seit einigen Monaten von den Verbändenauch ganz konkret diskutiert. Ich bin deshalb den Grü-nen sehr dankbar, dass sie mit diesem Antrag die Diskus-sion darüber auch in dieses Hohe Haus tragen.
Der Ministerin sollte diese Debatte, wenn sie sich dasProtokoll durchliest, eines deutlich zeigen: Eine Diskus-sion über die Qualität der Angebote ist dringend notwen-dig. Wir brauchen sie, denn Notlösungen und Ausweich-taktiken wie in Sachsen machen sonst, wenn sie zurNormalität werden, den Weg schwer.Auch das gestern mit den Ländern beratene Paket von6 Milliarden Euro für Kitas, Schulen und Unis wird nichtdie letztendliche Lösung sein, denn in keinem der Berei-che wird es ausreichen. Ich kann die Ministerin nur auf-fordern: Folgen Sie dem, was Sie von Kristina Schrödergefordert haben: Nicht kleckern, sondern klotzen beimAusbau der Kitabetreuung!Vielen Dank.
Danke Frau Kollegin. – Nächster Redner ist Sönke
Rix für die SPD.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wir haben einen Meilenstein erreicht. Ich bin sehr dank-bar für das Lob darüber, dass wir mit den sehr wichtigenBausteinen Elternzeit und Elterngeld, die wir in der letz-ten Großen Koalition auf den Weg gebracht haben,
nicht nur etwas für die Vereinbarkeit von Familie undBeruf gemacht haben, sondern dass wir auch mit demAusbau der Krippenplätze dazu beigetragen haben, dassFamilie und Beruf besser unter einen Hut gebracht wer-den können. Das sind wirklich Meilensteine.Wir haben aber auch von Anfang an, liebe Kollegin-nen und Kollegen, die frühkindliche Bildung mit in denBlick genommen. Ich will betonen, dass wir das nichterst jetzt aufgrund des Antrags der Grünen entdecken.Aber ich gebe zu, es hätte eher, schneller und besser auseinem Guss kommen können. Es ist gar keine Frage: Wirhaben erst Elternzeit und dann Elterngeld eingeführt.Danach kamen die Krippenplätze. Dann fiel uns ein,dass wir dabei die frühkindliche Bildung nicht vergessendürfen und nicht nur Verwahranstalten einrichten dürfen.Wir haben es jedenfalls hinbekommen.An dieser Stelle sollten wir ruhig einmal denen dan-ken, die diese Mammutaufgabe vor Ort erfüllen. Dassind nicht nur die Länder und die Kommunen, die dasGeld verteilen und die Organisation leisten, sondern essind vor allem die Träger, die Einrichtungen und dieFachkräfte vor Ort. Das ist eine große Herausforderung.Dafür vielen Dank.
Ich will an die Kritik anknüpfen, das seien, wie es inder Süddeutschen hieß, so eine Art Verwahranstaltenoder wie man das auch immer nennen mag, da passierenicht viel außer Saubermachen und Füttern.
– Gut, vielleicht ist das ein falscher Zungenschlag. – Mitsolchen Äußerungen tut man jedenfalls den Kolleginnenund Kollegen – ich darf Kolleginnen und Kollegen sa-gen, da ich selber staatlich anerkannter Erzieher bin –vor Ort unrecht.
Der Anspruch ist ja tatsächlich größer geworden. Zu derZeit, als die allermeisten aus diesem Haus im Kindergar-ten waren, war es etwas anderes. Man war von 9 bis12 Uhr im Kindergarten – ich sage es etwas despektier-lich –, damit Mama einkaufen gehen konnte.
– Nicht bei allen. Bei Ihnen nicht. Deswegen ist aus Ih-nen ja auch etwas geworden, Frau Golze.Ich will nur sagen, dass sich die Situation sehr starkgewandelt hat. Der Druck auf die Einrichtung ist auchviel größer geworden. Der Anspruch ist nicht nur größergeworden, weil die Kinder mehr Zeit verbringen in denKindertagesstätten, sondern der Anspruch ist auch grö-ßer geworden, weil vieles von dem aufgefangen bzw. er-gänzt werden muss, was Eltern nicht schaffen oder nicht
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3238 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Sönke Rix
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leisten können, weil sie keine Zeit haben. Ich warne aberauch davor, den Einrichtungen vor Ort, den Schulen undden Kindertagesstätten, zu viel aufzubürden. Sie könnenund müssen nicht all das auffangen, was eigentlich Auf-gabe der Erziehung durch die Eltern ist. Aber wir müs-sen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass dieEinrichtungen nicht nur Verwahranstalten sind. Das tunwir auch, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das tun wir zum einen mit dem schon angesproche-nen Programm „Frühe Chancen“. Wir haben es nichtaufgegeben. Im Koalitionsvertrag steht – das wird auchin der nächsten Zeit bei den Haushaltsberatungen eineRolle spielen –, dass wir es ausbauen und verstetigenwollen. Wesentlich ist ja nicht nur der Personalschlüssel,sondern auch der Punkt, wie qualifiziert die Förderungder Kinder ist, bei denen die Einrichtungen Defizite vonzu Hause aufarbeiten müssen. Sprachförderung spieltdabei eine ganz wesentliche Rolle. Gerade in Ballungs-zentren wie Berlin und Frankfurt spielt diese Frage einegrößere Rolle, weil diese Probleme dort vor Ort sehrstark vertreten sind. Es ist gut, dass wir uns da als Bundeinmischen.Eine andere Sache – ich greife das Stichwort „einmi-schen“ auf –: Ist es eigentlich unsere Aufgabe, dafür zusorgen, einen Personalschlüssel zu erstellen? Nehmenwir uns hier nicht wieder einer Aufgabe an, die eigent-lich gar nicht bei uns, sondern bei den Kommunen undLändern angesiedelt ist? Ich bin sehr dafür, dass wir be-züglich des Personalschlüssels zu einheitlichen und ver-gleichbaren Standards in den Ländern kommen. Ich binaber nicht dafür, dass wir noch eine weitere Aufgabe anuns ziehen und anschließend feststellen, dass wir sie garnicht finanzieren können. Die Aufgabe, einen Personal-schlüssel zu erstellen, liegt bei den Ländern. Das ist auchrichtig so.Nichtsdestotrotz würde ich mich freuen, wenn sichdie zuständigen Fachministerinnen und Fachministervon Bund und Ländern intensiver darüber austauschen,in welcher Art und Weise und in welcher Qualität dieAusbildung von Erzieherinnen und Erziehern stattfindet.In 16 Bundesländern gibt es fast 16 unterschiedlicheAusbildungswege. Das ist keine Wertschätzung der Per-sonen, die diese Arbeit leisten. Fast jeder andere Berufhat eine einheitliche Ausbildung. Aber ausgerechnet die-jenigen, denen wir unsere Kinder am Anfang ihrer Le-benszeit anvertrauen, haben keine einheitliche Ausbil-dung. Wir sollten dazu beitragen, dass der Beruf stärkervereinheitlicht wird, und dazu sollten wir mit den Län-dern intensiv ins Gespräch kommen.
Das ist übrigens nicht nur eine Aufgabe der Familien-und Jugendminister, sondern auch die Bildungsministersind dafür zuständig.Eine andere Frage ist die der Bezahlung. Auch das hatetwas mit der Wertschätzung des Personals zu tun, daswir in den Kindertagesstätten haben. Dies wiederum hatetwas mit der Ausbildungssituation zu tun: Auf der einenSeite mache ich vier, fünf Jahre eine Ausbildung, wofürich kein Geld bekomme, und verdiene am Anfang nurwenig. Solch eine Bezahlung vorzusehen, aber auf deranderen Seite zu erwarten, dass Sprachdefizite, Defiziteaus den Familien und gesellschaftliche Probleme aufge-fangen und vor Ort aufgearbeitet werden sollen, davorkann man nur warnen. Deshalb müssen wir auch darüberreden, die Bezahlung von Fachkräften in den Kinderta-gesstätten deutlich zu verbessern.
Ein letzter Punkt, den ich beim Personal neben derBezahlung ansprechen möchte, ist die Frage – wir redenderzeit darüber –: Sollen wir den Beruf des Erziehersakademisieren? Wollen wir, dass die Erzieher gleich einStudium absolvieren müssen, weil ihre Tätigkeit viel-leicht genauso wertvoll ist wie die der Grundschullehrerund -lehrerinnen? Ich persönlich – das ist aber jetzt einesehr spezielle Frage – würde davor warnen. Ich würdesagen: lieber eine anständige, vielleicht sogar duale Aus-bildung für die Erzieherinnen und Erzieher und eine qua-litative Stärkung der frühkindlichen Bildung, indem wirAbsolventen akademischer Berufe, etwa Pädagogen undSozialpädagogen, verstärkt in diesen Bereich einbinden.Ich glaube, angesichts der Komplexität wäre es sinnvoll,dass verschiedene Menschen vor Ort dafür zuständigsind. Dabei sollten wir die Erzieher an die erste Stellesetzen und ihre Arbeit würdigen.Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Rix. – Nächste Rednerin
in der Debatte ist Christina Schwarzer.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich
glaube, unsere Ministerin hat heute Besseres zu tun; sie
wird heute nämlich 40 Jahre alt. Ich glaube, in dem Alter
kann man das noch sagen. An dieser Stelle herzlichen
Glückwunsch aus dem Familienausschuss!
Ach, das hätten wir hier aber auch schön mit ihr gefei-
ert. So ist es nicht!
Ja, bei Torte.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3239
Christina Schwarzer
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– Herzlichen Glückwunsch. Wenn wir schon dabei sind:Hat noch jemand Geburtstag?
Zurück zum Thema. Sehr geehrte Damen und Herren,Kindertagesbetreuung muss – gerade in den ersten Le-bensjahren – hohen qualitativen Ansprüchen genügen.Ich bin mir sicher, darüber sind wir uns heute im ganzenHaus einig.Als ich jedoch den vorliegenden Antrag der Grünengelesen habe, über den wir heute debattieren, war ichschon sehr überrascht darüber, wie schlecht es scheinbarum die Kindertagesstätten in unserem Land steht – daszumindest lese ich in Ihrem Antrag und aus der Bericht-erstattung in der Süddeutschen Zeitung. Diese Art derDarstellung – das ist sicherlich kein Geheimnis – ist ei-ner der Gründe, warum die CDU/CSU-Fraktion den vor-liegenden Antrag ablehnen wird.
Die Qualität der Kindertagesbetreuung in unserenKindertagesstätten ist sehr gut. In unseren Kitas arbeitenMitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich jeden Tag auf-opferungsvoll um unsere Kleinsten sorgen und sich nachbestem Wissen und Gewissen um die ihnen anvertrautenKinder kümmern. Oftmals bringen diese Kinder vielfäl-tige Herausforderungen mit sich, seien es fehlendes So-zialverhalten, mangelnde Sprachkenntnisse, gesundheit-liche Probleme oder, wie wir gestern gelernt haben, garStress. Für unsere Erzieherinnen und Erzieher ist derhundertprozentige Einsatz zum Wohl unserer Kindereine Selbstverständlichkeit. Ich denke, dies ist hier einegute Gelegenheit, ihnen noch einmal „Vielen Dank!“ zusagen.
Es gibt im vorliegenden Antrag aber auch Punkte, mitdenen ich und meine Fraktion selbstverständlich kon-form gehen, vor allem mit den Punkten, die wir bereitsseit Jahren umsetzen oder im Koalitionsvertrag festge-schrieben haben. Die Einführung des Rechtsanspruchs– Sie haben es selbst erkannt – war in der Tat ein Mei-lenstein. Ich freue mich über diese Einsicht.Als der Rechtsanspruch in Kraft getreten ist, war ichnoch nicht Mitglied dieses Hauses, sondern in Berlin-Neukölln in der Kommunalpolitik tätig. Auch wenn ichan der Entscheidung, das Recht auf einen Betreuungs-platz für unter Dreijährige gesetzlich festzuschreiben,noch nicht im parlamentarischen Prozess beteiligt war,war ich von Anfang an davon überzeugt, dass sie richtigund wichtig war. Aber selbstverständlich gilt: UnsereArbeit ist an dieser Stelle noch lange nicht vorbei.Mein Heimatbezirk Neukölln befindet sich in einemstarken Wandel. Wir erleben den Zuzug junger Familien,die ihre berechtigten Bedürfnisse hinsichtlich staatlicherInfrastruktur mitbringen. Daher möchte ich sagen: DerAusbau der Kindertagesbetreuung ist weiterhin eine derwichtigsten familienpolitischen Aufgaben dieser Legis-laturperiode, und zwar ein quantitativ ausgewogener undqualitativ optimaler Ausbau.
Wir werden zur weiteren Realisierung des Rechtsan-spruchs auf U-3-Kinderbetreuung ein drittes Investi-tionsprogramm auflegen. Die Mittel aus den Investiti-onsprogrammen I und II sind fast vollständig bewilligtund zu großen Teilen bereits abgerufen. Das Investiti-onsprogramm II läuft erst in diesem Jahr aus. Ich höreaber aus meinem Wahlkreis – Sie kennen das sicherlichauch –, dass weiterhin großer Bedarf besteht. Wir müs-sen also nachlegen, und das werden wir auch tun.Das Thema Qualität steht selbstverständlich auch inunserem Fokus. Die Erzieherinnen und Erzieher in unse-ren Einrichtungen werden wir bestmöglich unterstützenund die Kindertagespflege und ihr Berufsbild weiterhinstärken. Und wir müssen uns darum kümmern, ihnenweitere qualifizierte Kolleginnen und Kollegen zur Seitezu stellen. Wir werden weiter offensiv für die Gewin-nung von Fachkräften im Bereich Kinderbetreuung wer-ben. Natürlich setzen wir uns auch mit der Frage der Per-sonalausstattung auseinander. Die Qualifizierung vonTagespflegepersonen und die Rahmenbedingungen fürihre Tätigkeit müssen weiterhin verbessert werden. Sowird die Kindertagespflege in das Gesamtkonzept einerqualitativ hochwertigen Betreuung, Erziehung und Bil-dung eingebunden.Gestatten Sie mir noch eine Nebenbemerkung: Wirsprechen hier und heute von der Qualität der Kinderbe-treuung in der Kindertagesstätte oder in anderen Einrich-tungen. Was wir jedoch nicht vergessen sollten, ist: Guteund qualitative Kinderbetreuung gibt es auch in den Fa-milien. Wenn wir von frühkindlicher Bildung sprechen,sprechen wir nicht vom berühmten Chinesischunterrichtin der Vorschule. Wir sprechen vor allen Dingen überdas, was unsere fürsorglichen Mütter und Väter ihrenKindern in den ersten Monaten und Jahren ihres Lebensmitgeben.
Ich fürchte, das wird in dieser Debatte manchmal ver-gessen.Mein Fazit. Der Kitaausbau hat uns vor große Heraus-forderungen gestellt. Wir haben viel Geld in die Handgenommen, Personalschlüssel verbessert und Gruppenverkleinert. Große Anstrengungen, die es wert sind – imSinne unserer Kleinsten und der berechtigten Forderun-gen nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und derKitaausbau wird uns weiter herausfordern. Frühkindli-che Bildung braucht, gerade unter föderalen Bedingun-gen, verlässliche Qualitätsstandards. Quantität und Qua-lität des Ausbaus müssen Hand in Hand gehen. Daran
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3240 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Christina Schwarzer
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werden wir weiter arbeiten – mit einem umfassenden,ganzheitlichen Konzept.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Das ganze Haus gratu-
liert Ihnen zu Ihrer ersten Rede hier im Bundestag.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrer zukunftsbe-
deutenden Arbeit, die Sie hier machen.
Ich rufe jetzt Svenja Stadler für die SPD auf.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Kennen Sieeine familienpolitische Maßnahme, die größere Auswir-kungen hat als die Bereitstellung frühkindlicher Bil-dung? Und kennen Sie George Bernard Shaw? Er hateinmal ganz treffend gesagt: „Das unterhaltsamste Spiel-zeug eines Kindes ist ein anderes Kind.“ Kinder brau-chen andere Kinder.
Die Erfahrungen, die sie in einer Kita machen, die früh-kindliche Bildung, die sie dort erfahren, gehören zu demBesten und Wichtigsten, was wir unseren Kindern mit-geben können.Es war daher ein großer und vor allem ein mutigerSchritt, als die SPD den Rechtsanspruch auf einen Be-treuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr durchgesetzthat. Seit dem 1. August 2013 haben alle Kinder ab einseinen Anspruch auf die Förderung in einer Kita oderKindertagespflege. Das ist ein Meilenstein in der deut-schen Familienpolitik, ein Meilenstein, auf den wir stolzsind.
Der Ausbau der Betreuungsplätze läuft deutschland-weit auf Hochtouren, und der Bund lässt die Länder undKommunen bei dieser wichtigen gesamtgesellschaftli-chen Aufgabe bestimmt nicht im Stich: 5,4 MilliardenEuro werden den Ländern bis 2014 insgesamt für dieKosten des Ausbaus der U-3-Betreuung zur Verfügunggestellt. 5,4 Milliarden Euro! Ab dem nächsten Jahrstellt der Bund dann jährlich 845 Millionen Euro für dieBetriebskosten der Kitas bereit, und das dauerhaft. Da-mit schaffen wir die Voraussetzungen für eine flächende-ckende Versorgung mit guten Betreuungsangeboten.Doch es kann – und in diesem Punkt stimme ich Ih-rem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von denGrünen, völlig zu – nicht nur um Platzzahlen gehen,auch die Qualität muss stimmen. Gute Bildung, Betreu-ung und Erziehung setzen gute Rahmenbedingungen vo-raus.
Es geht um nichts weniger als um die Förderung und dieZukunft unserer Kinder. Hier besteht derzeit in einigenBereichen noch Nachholbedarf – keine Frage. Dies zeigtauch die Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreu-ung und Erziehung in der frühen Kindheit.Fakt ist aber doch: In Deutschland hat sich in den ver-gangenen Jahren viel getan. In allen Bundesländern wur-den Bildungspläne und Sprachförderkonzepte in derfrühkindlichen Bildung erarbeitet und umgesetzt. Zu-sätzliche Erzieherstellen wurden geschaffen. Das bedeu-tet mehr Zeit und bessere Betreuung für jedes einzelneKind.Die Einführung des Rechtsanspruchs war ein Meilen-stein. Aber natürlich ist der Weg damit noch lange nichtzu Ende. Als nächsten Schritt wünsche ich mir ganz per-sönlich einen weiteren flächendeckenden Ausbau guterGanztagsschulangebote; denn wir, die SPD, wollen, dassEltern endlich unabhängig und selbstständig entscheidenkönnen, wie sie Beruf und Familie miteinander verein-baren, ohne von äußeren Zwängen in ein bestimmtesModell gedrängt zu werden.
Übrigens zielt in diese Richtung auch die kürzlichvon Manuela Schwesig vorgestellte Reform des Bundes-elterngeld- und Elternzeitgesetzes. Jede Familie soll denfür sie richtigen Weg finden, um Familie und Beruf zuvereinbaren. Durch das ElterngeldPlus und den Partner-schaftsbonus flexibilisieren wir die Elternzeit. Wir er-möglichen Eltern, individueller zu sein und mehr Zeitfür und mit ihren Familien zu haben.
Diese Verbesserung der Arbeits- und Elternzeitenmuss einen weiteren Ausbau der Betreuungsangebotenach sich ziehen – ist ja logisch. Ohne eine ausreichendeVersorgung mit qualitativ hochwertigen Betreuungsan-geboten werden junge Eltern die geschaffenen Wahl-möglichkeiten nicht ausschöpfen können. Langfristigkämpfen wir deshalb dafür, dass jede Familie überall inDeutschland ein ganztägiges Betreuungsangebot vorfin-det, ein Betreuungsangebot, das zu ihr und ihren Lebens-umständen passt, damit jedes Kind in Deutschland dieChance erhält, mit anderen Kindern zu spielen und zulernen – unabhängig von seiner Herkunft, unabhängigvon Handicaps, unabhängig vom sozialen Status seinerEltern.Lassen Sie uns gemeinsam weiter für dieses Ziel ar-beiten. Packen wir es an!Vielen Dank.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014 3241
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Vielen Dank, Frau Kollegin Stadler. Auch Ihnen gra-
tuliert das ganze Haus zu Ihrer ersten Rede.
Auch Ihnen wünschen wir viel Erfolg und Durchset-
zungskraft bei Ihrer Arbeit hier im Deutschen Bundes-
tag.
Zum Abschluss dieser Aussprache hat das Wort Paul
Lehrieder für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Vizepräsidentin Roth! Sehr geehrte Damen undHerren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es freutmich, Frau Vizepräsidentin, dass Sie mich als krönendenHöhepunkt dieser Plenarwoche angekündigt haben.
Ich darf zunächst die Gelegenheit nutzen, Ihnen, HerrKollege Schwartze, zu Ihrem heutigen Geburtstag allesGute zu wünschen. Wir haben seit Jahren das Vergnü-gen, im Petitionsausschuss und mittlerweile auch im Fa-milienausschuss zusammenzuarbeiten. Es macht Spaß,mit offenem Visier mit Ihnen um richtige Lösungen zuringen.
Wir diskutieren heute über einen Antrag der Grünen,der in vielen Bereichen sicherlich sinnvolle Anregungenenthält, der aber – hierauf hat Kollege Weinberg bereitshingewiesen – vom Prozedere her einen etwas unglückli-chen Weg genommen hat. Auch ich bin am Dienstagmit-tag von einer großen deutschen Zeitung angerufen wor-den. Ich sollte etwas zu dem Antrag der Grünen sagen.Ich sagte: Ich kenne ihn leider noch nicht. Dann wolltemir die Dame von der Zeitung den Antrag vorlesen. Ichsagte: Ich hätte ihn gerne vor mir liegen. – Vielleichtkönnen wir es in Zukunft so machen, Frau KolleginBrantner, dass Sie die Anträge zumindest parallel denKollegen zur Verfügung stellen, damit wir sprechfähigsind. Dann können wir das, was Sie uns Gutes vorschla-gen, viel wohlwollender prüfen.
Es ist richtig – Frau Kollegin Brantner, Sie haben dasin Ihrer Rede völlig zu Recht angedeutet –: Der Ausbauder Krippen war ein Meilenstein. Das ist tatsächlich einehistorische Leistung gewesen.
Mit dem seit dem 1. August 2013 geltenden Rechtsan-spruch auf einen Krippenplatz haben wir hinsichtlich derQuantität viel geleistet.Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen,mich bei den Ländern und bei den Kommunen sehr herz-lich zu bedanken. Das geht ja nur gemeinsam. Es ist janicht so, dass wir als Bund sagen können: Ihr müsst dasmachen. Es gilt das Konnexitätsprinzip. Wir müssen mitden Ländern vernünftige Lösungen finden. Ich darf Siedarauf hinweisen, Frau Kollegin Brantner
– Herr PGF, lenken Sie bitte die Kollegin von den Grü-nen nicht ab, wenn ich sie anspreche –, dass gestern undheute in Mainz die Familienministerkonferenz der Lan-desfamilienminister mit der Bundesfamilienministerinstattgefunden hat. Wir stehen in engem Kontakt. Natür-lich haben wir das Anliegen, das Sie in diesem Antragansprechen, schon längst auf dem Schirm.Bisher haben wir in die Masse, in Zukunft wollen wirin die Klasse der frühkindlichen Ausbildung investieren.Ja, es ist richtig, auch ich habe natürlich nach Inkrafttre-ten des Kinderförderungsgesetzes am 1. August 2013feststellen dürfen: Es war ein toller Kraftakt von Bund,Ländern und Gemeinden, der dies ermöglicht hat.Ich will Ihnen eines sagen: Ich habe mir zu der Mate-rie noch einmal Ihren Antrag vom 26. Juni 2013 heraus-gesucht; er ist noch keine elf Monate alt. In diesem An-trag haben die Grünen ausgeführt: „Die Erfüllung desRechtsanspruchs ab Herbst 2013 steht auf der Kippe.“Zum Glück stimmt nicht alles, was die Grünen schrei-ben. Damals hatten Sie noch einen anderen Schlüssel ge-fordert. Jetzt fordern Sie eine Fachkraft-Kind-Relationvon eins zu vier für unter Dreijährige und eins zu zehnfür über Dreijährige. Im heute vorliegenden Antrag ha-ben Sie in fünf Punkten gefordert, was alles gemachtwerden muss. Unter Punkt 6 steht dann dort ganz ver-schämt, dass mit den Ländern und den Kommunen auchüber die Finanzierung geredet werden muss. Ich würdeschon darum bitten, dass man möglichst zeitnah mit denPartnern, mit denen wir es zusammen erfolgreich hinbe-kommen wollen, über diese Vorstellungen, über den In-halt Ihres Antrags diskutiert. Trotzdem, wie gesagt:Keine Idee ist so schlecht, dass nicht etwas Gutes darinsein kann.Bis Ende dieses Jahres wird sich der Bund mit insge-samt 5,4 Milliarden Euro an den Kosten beteiligt haben.Ab nächstem Jahr stellt der Bund für die Kosten desAufbaus und der Qualitätssicherung in den Kindertages-einrichtungen dauerhaft jährlich 845 Millionen Euro be-reit. Darüber hinaus hat der Bund weitere 550 MillionenEuro für ein KfW-Programm zur Verfügung gestellt,durch das Kommunen zur Schaffung und Sicherung vonU-3-Plätzen verbilligte Kredite bekommen können. Mitdiesem Programm konnten bis heute über 27 000 weitereBetreuungsplätze geschaffen und gesichert werden.Ich will auch anmerken, dass der U-3-Ausbau, so ra-sant er in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen hat,möglicherweise noch nicht am Ende ist. Hier schafft An-gebot Nachfrage. Wir wissen, dass die 38 Prozent, diewir derzeit haben, sicherlich nicht das Ende der Fahnen-
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3242 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Mai 2014
Paul Lehrieder
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stange sein werden. Deshalb haben wir im Koalitions-vertrag mit unseren Koalitionspartnern von der SPD einweiteres U-3-Paket vereinbart. Aber ich bitte um Ver-ständnis, dass man in fünf Monaten nicht die ganze Weltändern kann. Wir werden daran arbeiten, und wir werdendie Qualität verbessern. Wir werden aber auch bei derQuantität hinschauen müssen.Die Kollegin Stadler hat es vorhin in ihrer erstenRede richtig ausgeführt: Wir werden nicht nur die U-3-Plätze betrachten müssen – beim Kindergarten haben wirVollversorgung –, sondern wir sollten auch bei den überSechsjährigen hinschauen, bei den Kindern, die in derSchule sind: Wie ist die Nachmittagsbetreuung gestaltet?Was können die Länder und was können die Kommunenda ein Stück weit machen? Wir sollten auch die Ferien-betreuung betrachten. Diese stellt viele berufstätigejunge Mütter vor Schwierigkeiten. Nicht jeder hat zwölfWochen Urlaub im Jahr. Deshalb ist es angezeigt, mitden Kommunen und Ländern auch über solche Lösun-gen konstruktiv zu reden.Ich bitte Sie: Kommen Sie weiterhin mit konstrukti-ven Vorschlägen – in Zukunft etwas eher – auf uns zu.Ich wünsche Ihnen noch ein schönes Wochenende, allenviel Spaß beim Wolkenzählen und Stefan Schwartze vielSpaß beim Biertrinken heute Nachmittag im Biergarten.Alles Gute und ein schönes Wochenende.
Vielen Dank, unserem Höhepunktredner Herrn
Lehrieder. – Auch von mir, lieber Herr Schwartze, alles
Gute zu Ihrem kugelrunden Geburtstag, eigentlich dop-
pelt und dreifach abgesichert am Tag des Grundgesetzes,
am Tag Ihrer Partei. Dieser Geburtstag wird wahrschein-
lich nie vergessen. Bitte genießen Sie den Tag.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/1459 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie einverstan-
den? – Ja. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Mittwoch, den 4. Juni 2014, 13 Uhr, ein.
Ich wünsche uns ein gutes Wochenende. Ich glaube,
den Kolleginnen und Kollegen brauche ich nicht zu sa-
gen, dass sie zur Europawahl gehen sollen. Aber viel-
leicht kann ich hier bei Ihnen, meine sehr geehrten Da-
men und Herren, noch einmal werben. Es ist nämlich,
wie Sie jetzt gemerkt haben, überhaupt nicht egal, wer in
einem Parlament sitzt. Gehen Sie zur Europawahl! Wäh-
len Sie die demokratischen Parteien, die für mehr Eu-
ropa, die für ein besseres Europa stehen. Das ist, glaube
ich, die allerwichtigste Botschaft an diesem Tag, an dem
wir nicht nur den Geburtstag von Herrn Schwartze fei-
ern, sondern auch den Geburtstag unseres Grundgeset-
zes.
Ich wünsche Ihnen ein schönes, erfolgreiches und eu-
ropäisches Wochenende.
Die Sitzung ist geschlossen.