Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich ein Wort
zur aktuellen Entwicklung in der Ukraine sagen: Mit
großer Sorge verfolgen wir die Eskalation der Gewalt.
Die Nachricht von den vielen Toten und Verletzten
macht uns tief betroffen. Unsere Gedanken sind bei den
Familien und Angehörigen. Gemeinsam mit unseren
Partnern in Europa wollen wir dazu beitragen, dass der
Konflikt so schnell wie möglich beendet wird und die
Menschen in der Ukraine ein Leben in Freiheit und
Selbstbestimmung führen können. Wir werden uns als
Parlament mit der Entwicklung schon morgen in einer
vereinbarten Debatte weiter beschäftigen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/527
Als Erstes ist der Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Ernährung und Landwirtschaft gefordert. Zur
Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Peter Bleser bereit.
Frage 1 ist von der Kollegin Abgeordneten
Dr. Kirsten Tackmann, Fraktion Die Linke:
Welche nichtintensive Steuerung des Milchmarktes hält
die Bundesregierung für das sogenannte Soft Landing für den
im Jahr 2015 geplanten Ausstieg aus dem Milchquotensystem
für geeignet, wenn sie eine „intensive Steuerung des Milch-
marktes“ ablehnt – siehe Vorbericht zum Agrar- und Fische-
reirat, Ausschussdrucksache 18(10)025 des Ausschusses für
Ernährung und Landwirtschaft des Deutschen Bundestages?
Herr Staatssekretär, bitte.
P
Vielen Dank, Herr Präsident. – Werte Frau Kollegin
Tackmann, die Bundesregierung setzt den Kurs der
Marktausrichtung der Milchwirtschaft fort. Die staatli-
chen Rahmenbedingungen sollten der Nutzung der sich
bietenden Marktchancen nicht entgegenstehen.
Für den Fall außergewöhnlicher Marktkrisen setzt die
Bundesregierung weiterhin auf das wirksame und ver-
lässliche Sicherheitsnetz der Europäischen Union. Das
Sicherheitsnetz hat sich in der Milchkrise bewährt und
hat funktioniert. Die Bundesregierung wird darauf ach-
ten, dass die Europäische Kommission ihre Aufgaben im
Rahmen des Sicherheitsnetzes gegebenenfalls rechtzei-
tig und verantwortungsvoll wahrnimmt und erforderli-
che Krisenmaßnahmen ergreift. Die Direktzahlungen
stabilisieren zusätzlich das Einkommen der Milcherzeu-
ger.
Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Kollegin?
Ja.
Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
der Ausstieg aus der Milchquote ist für 2015 angekün-
digt und ein sogenanntes Soft Landing mit der EU ver-
einbart. Deswegen meine Frage: Hat die Bundesregie-
rung Kenntnisse darüber, wie sich die Erwartungen an
die Zeit nach der Milchquote bisher auf den Milchmarkt
ausgewirkt haben und wie viele Arbeitsplätze dort verlo-
ren gegangen sind?
P
Frau Kollegin Tackmann, es bleibt dabei: Die Milch-quotenregelung endet am 31. März 2015. Das SoftLanding funktioniert. Sie kennen die Marktlage. Die Er-zeugerpreise haben sich erfreulicherweise sehr gut er-holt. Wir befinden uns zurzeit sogar in einer Preissitua-tion, die wir so nicht erwartet haben.Ich kann Ihnen darüber hinaus, obwohl Sie jetzt garnicht danach gefragt haben, berichten, dass die Bundes-regierung sich dafür einsetzt, Möglichkeiten zu finden,
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Parl. Staatssekretär Peter Bleser
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dass die Höhe der Superabgabe, die fällig wird, weil eineleichte Überlieferung der Quote festzustellen ist, re-duziert wird. Wir denken daran, die sogenannte Fett-quote wieder abzuschaffen. Damit würde den deutschenMilcherzeugern ein erheblicher Millionenbetrag zugute-kommen. Allerdings ist dieser unser Vorschlag in derEuropäischen Union noch nicht mehrheitsfähig.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin? –
Bitte schön.
Der Parlamentarische Staatssekretär hat in vorausei-
lendem Gehorsam meinen Gedanken schon aufgegriffen.
Die Frage der Überlieferung wird natürlich sehr intensiv
diskutiert. Im Rahmen des Soft Landings im Milchmarkt
war vereinbart, dass sich die Milchquote jährlich um
1 Prozent erhöht. Das war mit allen Mitgliedstaaten ab-
gesprochen. Jetzt stellt sich die Frage, ob Ihre Position,
die Regelung zur Überlieferung infrage zu stellen und
die Strafzahlungen, die sich für Deutschland ergeben
würden, zurückzunehmen, nicht unsolidarisch im Ge-
samtzusammenhang der Vereinbarung ist. Ich frage dies
vor allem vor dem Hintergrund, dass es nach einer
Onlineumfrage von top agrar die Mehrheit der Rinder-
halter für durchaus richtig hält, die Vereinbarung einzu-
halten und die Überlieferung mit Geld abzugleichen.
P
Frau Kollegin, wir bewegen uns hier in einem engen
rechtlichen Rahmen; da haben Sie völlig recht. Es
könnte höchstens dazu kommen, dass man eine einmal
veränderte Fettquote wieder rückführt. Dort sehen wir
rechtliche Möglichkeiten.
Lassen Sie mich eine Bewertung anschließen. Gerade
die Milcherzeuger haben in der Milchkrise 2008/2009
wirklich schwerwiegenden finanziellen Schaden davon-
tragen müssen. Wenn jetzt eine Chance bestünde, not-
wendige oder erforderliche Strafzahlungen zu reduzie-
ren, dann wäre das eine willkommene Möglichkeit,
einen kleinen Ausgleich für die damaligen Beschwer-
nisse zu schaffen.
Eine zusätzliche Frage vom Kollegen Ostendorff,
Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön.
Schönen Dank. – Herr Staatssekretär, Sie haben völlig
richtig geschildert, dass wir eine außerordentlich posi-
tive Preisentwicklung haben, wie sie keiner – egal ob Sie
oder wir als Opposition – erwartet hätte. Trotzdem bleibt
die Frage nach den sensiblen Räumen. Milchwirtschaft
in Deutschland geht einher damit – Sie kennen dies von
Ihrer heimischen Situation –, dass sie auch in Räumen
dringend gebraucht wird, in denen aber höhere Geste-
hungskosten vorherrschen. Sehen Sie als Bundesregie-
rung nicht die Notwendigkeit, sehr genau im Blick zu
behalten, ob bestimmte Räume beim Soft Landing in
Schieflage geraten? Gibt es Ihrerseits Überlegungen
dazu?
P
Herr Kollege Ostendorff, man muss klar sagen, dass
wir solche Überlegungen nur für die zweite Säule anstel-
len können. Hier können wir Bewirtschaftungserschwer-
nisse durch Zulagen für benachteiligte Gebiete ausglei-
chen. Dass das möglich ist, begrüßen wir nach wie vor.
Das wird aber von den Ländern umgesetzt. Andererseits
haben wir uns – daran war Ihre Partei ja mit beteiligt –
bei der Agrarreform 2004 für die Entkopplung aller Di-
rektzahlungen ausgesprochen. Das gilt auch jetzt.
Ihren Wunsch jedoch, dass man ein besonderes Au-
genmerk auf diesen Teil der Flächen in Deutschland, die
insbesondere von Grünland geprägt sind, legt, halte ich
für berechtigt.
Danke schön. – Dann kommen wir zur Frage 2 der
Kollegin Dr. Kirsten Tackmann, Fraktion Die Linke:
Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus dem
Ergebnis des Abschlussberichts zum sogenannten Blutschwit-
krankung durch BVD-Impfungen ausgelöst wurde, hinsicht-
lich eines Änderungsbedarfs beim Zulassungsverfahren für
veterinärmedizinische Impfstoffe mit dem Ziel, solche Neben-
wirkungen zukünftig rechtzeitig, das heißt vor der Zulassung,
zu erkennen?
Herr Staatssekretär Bleser, bitte.
P
Herr Präsident! In dem Forschungsvorhaben sollteprimär die Ursächlichkeit des sogenannten Blutschwit-zens – Bovine Neonatale Panzytopenie, BNP – vor demHintergrund geklärt werden, dass die Anwendung einesbestimmten BVD-Impfstoffes im Verdacht stand, dasKrankheitsbild des Blutschwitzens zu verursachen. Dieepidemiologischen Untersuchungen ergaben einen ein-deutigen Zusammenhang zwischen der Impfung mit demin Rede stehenden Impfstoff und dem Auftreten vonBNP. Verantwortlich für BNP sind nach diesen Untersu-chungen gegen bestimmte Zellen des Kalbes gerichteteAllo-Antikörper, welche nach Impfung genetisch prädis-ponierter weiblicher Rinder von diesen gebildet und vonKälbern über das Kolostrum aufgenommen werden.Im Abschlussbericht heißt es, dass nach gegenwärti-gem Kenntnisstand BNP ein komplexes, primär durchdie Applikation eines bestimmten Tierimpfstoffes ausge-löstes Geschehen ist, dessen Genese zudem von indivi-duellen immunologischen und genetischen Faktoren be-einflusst wird. Vor diesem Hintergrund wurde nicht dieNotwendigkeit gesehen, das Zulassungsverfahren veteri-närmedizinischer Impfstoffe zu ändern.
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Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Kollegin? – Bitte
schön.
Vielen Dank. – Alle, die mit dem Geschehen befasst
waren, können sich ja noch sehr genau daran erinnern,
wie dramatisch die Situation damals war, weil niemand
wusste, warum es bei den betroffenen Kälbern zu solch
einem hochakuten Verlauf kommt und sie versterben.
Deswegen befriedigt mich Ihre Antwort, dass das Zulas-
sungsverfahren nicht überdacht werden müsse, natürlich
nicht so ganz.
Natürlich ist es eine schwierige Situation, wenn es bei
Rindern eine genetische Prädisposition gibt. Trotzdem
möchte ich an der Stelle nachfragen, ob es nicht doch ei-
nen Anlass dazu gibt, zu prüfen, wie man dem Auftreten
solcher Zwischenfälle, die wirklich schwerwiegende
Auswirkungen haben, im Zulassungsverfahren verstärkt
präventiv begegnen kann, also ob es nicht Forschungs-
vorhaben geben sollte, bei denen möglicherweise die ge-
netische Prädisposition für solche Erkrankungen unter-
sucht wird.
P
Frau Kollegin, der besagte Impfstoff, der diese Folgen
hervorgerufen hat, wurde natürlich vom Markt genom-
men. Man hat aber nach Überprüfung keine Notwendig-
keit gesehen, das Zulassungsverfahren an sich, das bei
der Europäischen Arzneimittel-Agentur durchgeführt
wird, zu verändern.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage?
Ja, ich habe eine zweite Zusatzfrage.
Bitte.
Wie wurden denn Entschädigungen für die Betriebe
geleistet? Halten Sie es nicht gerade auch vor dem Hin-
tergrund dieses Falles, des Blutschwitzens bei Kälbern,
für notwendig – die Linke hat die entsprechende Debatte
in der vergangenen Wahlperiode sehr intensiv vorange-
bracht –, einen Nothilfefonds für tierhaltende Betriebe
einzurichten? In diesem Fall war es nämlich so, dass die
Betriebe null Chancen hatten, sich davor zu schützen. Es
ging hier also um ein Risiko, dem man, wie bei höherer
Gewalt und ähnlichen Dingen, nicht ausweichen konnte.
Sollte es dafür nicht tatsächlich einen Nothilfefonds ge-
ben?
P
Ich denke, hier handelt es sich um ein privatrechtli-
ches Problem, das zwischen den Marktbeteiligten gere-
gelt werden muss. Ob man dafür einen Fonds braucht,
bezweifle ich. Ich will aber gerne Ihrem Wunsch nach-
kommen und Ihnen Zahlen dazu zur Verfügung stellen,
wie die Entschädigung gelaufen ist, sofern wir Zugang
dazu haben; die Zuständigkeit hierfür liegt ja nicht bei
der Bundesregierung.
Danke schön. – Die Fragen 3 und 4 des Kollegen
Harald Ebner werden gemäß Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien
für die Fragestunde schriftlich beantwortet.
Wir haben damit den Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft abge-
schlossen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung steht
der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe
bereit.
Ich rufe Frage 5 der Abgeordneten Doris Wagner,
Bündnis 90/Die Grünen, auf:
Welche konkreten Erwägungen veranlassen das Bundes-
ministerium der Verteidigung, den Regelbetrieb für die seit
dem Jahr 2011 in der Ausbildung befindlichen „Lotsen für
Einsatzgeschädigte“ erst im Jahr 2015 beginnen zu lassen,
und weshalb werden für die bereits ausgebildeten Lotsen noch
Herr Staatssekretär, bitte.
D
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin, ich ant-worte Ihnen wie folgt: Lotsinnen und Lotsen für Einsatz-geschädigte werden bereits seit dem Jahr 2010 in beson-ders betroffenen Truppenteilen der Bundeswehreingesetzt. In der seit dem Jahr 2012 am Zentrum InnereFührung in Koblenz stattfindenden Lotsenausbildungwurden seither rund 150 Lotsen ausgebildet. Der Lehr-gangsbetrieb wird auch in diesem Jahr unvermindertfortgesetzt, und die ausgebildeten Lotsen werden ihrerAusbildung entsprechend bedarfsgerecht haupt- bzw. ne-benamtlich eingesetzt.Dies geschieht unabhängig von den entsprechendenorganisatorischen Maßnahmen im Zuge der Neuausrich-tung und einer noch nicht vollständig abgeschlossenenstrukturellen Verortung im Rahmen eines zukünftigenRegelbetriebes, der für die Wahrnehmung der Arbeit derLotsen zunächst als nachrangig zu betrachten ist. Wich-tig ist, dass die Lotsenleistung nach der Ausbildung ent-sprechend verfügbar ist und im konkreten Bedarfsfallauch abgerufen bzw. angewendet werden kann.Zur Schaffung einheitlicher Grundlagen für die Auf-gaben und die Aus- und Weiterbildung sowie zur struk-turellen Verankerung der Lotsen wurden im Bundes-ministerium der Verteidigung bundeswehrgemeinsameZielvorgaben entwickelt, die in Kürze erlassen werden.Eine Fortbildung der Lotsen, verbunden mit Bera-tungselementen, erfolgt bereits im Rahmen der fachli-
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Parl. Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe
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chen Begleitung vor Ort, unter anderem durch Truppen-psychologen. Ferner beginnen wir in diesem Jahr damit,am Zentrum Innere Führung jährlich eine Fachtagungfür die Weiterbildung und den Erfahrungsaustausch derbis jetzt ausgebildeten Lotsen abzuhalten.
Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Kollegin?
Ja.
Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Danke, Herr Staatsse-
kretär, für die Beantwortung meiner Frage. Ich habe in
der Tat eine Nachfrage. Sie sagten gerade, dass die struk-
turelle Verortung im Rahmen der Umstrukturierung noch
etwas auf sich warten lassen wird. Es wird doch offenbar
als Hürde wahrgenommen, dass nicht ganz klar ist, an
welchem Standort der jeweilige Lotse oder die jeweilige
Lotsin zu finden ist. Würden Sie es nicht auch für sinn-
voll halten, die verschiedenen Ansprechpartner des Psy-
chosozialen Dienstes gemeinsam an einem Ort, in einer
Kaserne, zu bündeln?
D
Frau Kollegin, ich bin der Meinung, dass es zunächst
einmal gut ist, dass wir ein solches Lotsensystem haben.
Es ist bei weitem nicht selbstverständlich.
Ich habe eingeräumt, dass der Prozess der strukturel-
len Neuausrichtung in dem Zusammenhang eine Rolle
spielt. Was aus unserer Sicht entscheidend ist: Jedem
Einzelnen, der Hilfe braucht, wird geholfen. Das ist ge-
währleistet, und das ist aus unserer Sicht in diesem Zu-
sammenhang das Wichtigste.
Danke schön. – Haben Sie noch eine Zusatzfrage? –
Zu diesem Thema gibt es keine Fragen mehr.
Die Frage 6 der Kollegin Agnieszka Brugger wird
schriftlich beantwortet.
Frage 7 des Kollegen Abgeordneten Hans-Christian
Ströbele:
In welchen Gebieten werden die von der Bundeswehr an-
geschafften drei Mobilen Geschützten Fernmeldeaufklärungs-
setzt, und unter welchen Voraussetzungen werden die in den
betroffenen Frequenzbereichen vollständig und auch ver-
dachtsunabhängig erfassten elektromagnetischen Aussendun-
gen bzw. Funk- und Telekommunikationsdaten erhoben, aus-
gewertet und an nichtdeutsches Militär bzw. nichtdeutsche
Nachrichtendienste weitergegeben?
Herr Staatssekretär, bitte.
D
Herr Kollege Ströbele, ich antworte Ihnen wie folgt:
Bei dem in Rede stehenden Mobilen Geschützten Fern-
meldeaufklärungssystem, MoGeFA, handelt es sich um
ein Demonstratorsystem, bestehend aus drei Aufklä-
rungstrupps, das sich zurzeit noch in der Erprobung
beim Kommando Strategische Aufklärung befindet. Das
Demonstratorsystem wird operationell nicht genutzt und
dient als Grundlage für die vom Jahr 2016 an geplante
Serienbeschaffung.
Eine Überprüfung der operationellen Leistungsfähig-
keit hat noch nicht stattgefunden. Im Rahmen der takti-
schen Einsatzprüfung wird durch die Truppe ein künstli-
ches Funkszenario mit truppeneigenen Funkgeräten
erzeugt und entsprechend aufgeklärt. Daher erübrigt sich
auch die Frage nach der Erfassung und eventuellen Wei-
tergabe von Daten.
Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege Ströbele? –
Bitte schön.
Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, mir
drängt sich die Frage auf: Haben Sie das Vorhaben, ein
Funkszenario zu simulieren – ich habe Sie so verstan-
den, dass es hier um Feldversuche geht –, mit dem Da-
tenschutzbeauftragten abgeklärt bzw. dessen Stellung-
nahme dazu eingeholt? Wir wird ausgeschlossen, dass
auch andere Telekommunikationsverkehre als die der
Bundeswehr dabei erfasst werden?
D
Herr Kollege Ströbele, ich habe darauf hingewiesen,
dass sich das System in der Erprobung befindet.
Lassen Sie mich einsortieren, worüber wir überhaupt
reden. Wir reden über militärisch relevante Funkver-
kehre, die aufgeklärt werden sollen, wenn die Erprobung
erfolgreich abgeschlossen ist. Es geht um den Ersatz be-
stehender Technik durch bessere, fortschrittlichere Tech-
nik. Es geht um den Landeinsatz und um den Schutz der
eigenen Truppe. Ich bin zwar kein Experte im Bereich
des Datenschutzes, aber ich glaube nicht, dass das zum
klassischen Aufgabengebiet eines Datenschutzbeauf-
tragten gehört. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass
wir uns darum bemühen, unsere Soldaten durch moderne
Maßnahmen zu schützen.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege Ströbele?
Sie haben nur den ersten Teil meiner Frage beantwor-tet, in dem es um die Rolle des Datenschutzbeauftragtenging.
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Hans-Christian Ströbele
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Meine Nachfrage bezieht sich auf die Erfassung vonTelekommunikationsverkehr; ich weiß nicht, um welcheReichweite es geht. Können Sie ausschließen, dass dieTelekommunikationsverkehre anderer Nutzer ausge-späht oder – ich formuliere es einmal neutral – festge-stellt werden?Teile meiner schriftlich eingereichten Frage haben Sieübrigens auch noch nicht beantwortet: Wo werden dieSysteme ausprobiert? In Deutschland oder anderswo?D
Herr Kollege Ströbele, das eine Demonstratorsystem,
um das es hier geht, steht in Daun in der Eifel.
Ansonsten kann ich nur meine Ausführungen noch
einmal wiederholen: Es geht um militärisch relevanten
Funkverkehr. Ich vermute, dass Sie sich auf das Thema
der sogenannten Beifangfähigkeit beziehen, das heißt
auf die Frage, ob auf diesem Wege möglicherweise auch
anderer Funk- bzw. Nachrichtenverkehr aufgenommen
werden kann, dessen Empfang vom System gar nicht be-
absichtigt ist.
Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich darüber erst
dann detaillierter Auskunft geben kann, wenn die Erpro-
bung des Systems abgeschlossen ist. Prinzipiell ist das
nach meinem Kenntnisstand allerdings nicht ausge-
schlossen. Das heißt aber nicht, dass die Weitergabe ir-
gendwelcher Daten an Dritte beabsichtigt wäre. Schon
gar nicht ist sie erfolgt, weil, wie gesagt, dieses System
in der Erprobung ist.
Frau Kollegin Keul, Bündnis 90/Die Grünen, hat dazu
eine Zusatzfrage.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Auch ich muss da
noch einmal nachfragen: Warum ist, wenn Sie nicht aus-
schließen können, dass nebenbei auch Telekommunika-
tion, in diesem Fall in der Eifel, mit aufgenommen wer-
den könnte, der Datenschutzbeauftragte nicht
einbezogen worden, um die ordnungsgemäße Löschung
und Vernichtung dieser Daten sicherzustellen?
Herr Staatssekretär.
D
Frau Kollegin, es ist schwer – so stelle ich es mir je-
denfalls vor –, Daten zu löschen, die man noch gar nicht
empfangen hat, weil man mit dem System noch gar nicht
so weit ist.
Aber ich ziehe gern Erkundigungen ein, ob es üblich ist,
in dem derzeitigen Erprobungsstadium den Datenschutz-
beauftragten hinsichtlich der Erfassung von Daten, deren
Erfassung gar nicht beabsichtigt ist,
einzubeziehen, und ob dies gegebenenfalls auch erfolgt
ist. Das liefere ich gerne nach.
Danke schön. – Wir kommen zur Frage 8 des Kolle-
gen Abgeordneten Andrej Hunko, Fraktion Die Linke:
Inwiefern trifft ein Bericht des Magazins Technology Re-
view zu oder nicht zu, wonach die Bundes-
wehr mit einem Kommando „Computer Netzwerk Operatio-
nen“ Kapazitäten für „gezielte Angriffe auf Drohnen und
andere elektronische Ziele“ aufbaut, hierfür zur Tarnung
„Stealth-Techniken“ nutzt und lernt, Firewalls und Intrusion-
Detection-Systeme oder Verschlüsselungsverfahren zu umge-
hen, und inwiefern teilt die Bundesregierung die Position,
dass elektronische Systeme aus rechtlicher und moralischer
Sicht nur dann militärische Ziele sein können, wenn sie allein
militärischen Zwecken dienen, was zum Beispiel Angriffe auf
Infrastrukturen der Energieversorgung, des Transportes oder
der Telekommunikation pauschal ausschließt?
Herr Staatssekretär Brauksiepe, bitte.
D
Herr Kollege Hunko, ich antworte auf Ihre Frage wiefolgt: Die Bundeswehr hat im Jahr 2007 die Gruppe„Computer Netzwerk Operationen“ innerhalb des Kom-mandos Strategische Aufklärung eingerichtet. Im Rah-men ihres Auftrages werden zur Unterstützung vonKräften der Bundeswehr in den Einsatz- und Krisenge-bieten gegnerische Fähigkeiten analysiert, aber auch dasWirken in gegnerischen Computernetzwerken simuliert.Nach derzeitigem Stand wird davon ausgegangen, dassdiese Fähigkeiten dabei nicht isoliert zur Anwendungkommen, sondern nur eingebunden im Rahmen einerGesamtoperation.Die in dem in Ihrer Frage genannten Artikel beschrie-benen Fähigkeiten sind grundsätzlicher Natur. Überdiese wurden die Vertreter des Deutschen Bundestagesunter anderem in Sitzungen des Verteidigungsausschus-ses am 16. Juni 2012 und am 30. Januar 2013 umfassendund detailliert informiert.Der Aufbau eines gesonderten Kommandos „Compu-ter Netzwerk Operationen“ ist derzeit nicht geplant.Aus rechtlicher Sicht gelten auch elektronische Sys-teme während eines bewaffneten Konflikts als militäri-sche Ziele, wenn sie entsprechend der Definition des hu-manitären Völkerrechts aufgrund ihrer Beschaffenheit,ihres Standorts, ihrer Zweckbestimmung oder ihrer Ver-wendung wirksam zu militärischen Handlungen beitra-gen und deren gänzliche oder teilweise Zerstörung oderNeutralisierung einen eindeutigen militärischen Vorteildarstellt. Eine rein militärische Nutzung eines Objektsoder Objektkonglomerats ist gemäß geltendem Rechtkeine Voraussetzung für dessen Einordnung als militäri-sches Ziel.
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Parl. Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe
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Das humanitäre Völkerrecht bestimmt keinen absolu-ten Schutz von Energieversorgungseinrichtungen, desTransportwesens oder der Telekommunikation. Ob einelektronisches System ein ziviles Objekt oder aber einmilitärisches Ziel darstellt, kann nur unter Berücksichti-gung aller Umstände des konkreten Einzelfalls bestimmtwerden.
Danke schön. – Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr
Kollege?
Ja.
Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Dr. Brauksiepe. Es geht ja um die
Frage, inwieweit dieses Kommando der Bundeswehr im
Rahmen des sogenannten Cyberwar defensiv bzw. offen-
siv trainiert und inwieweit es bei einem offensiven Trai-
ning, also beim Eindringen in andere Netzwerke, um
rein militärische Aspekte geht oder ob zum Beispiel
auch Infrastrukturen wie Energieversorgung, Transport-
wesen oder Telekommunikation eines Staates, mit dem
ein militärischer Konflikt besteht, angegriffen werden
können. Dazu lautet meine Nachfrage: Sind die von mir
erwähnten Systeme, die auch der Grundversorgung der
Bevölkerung dienen – Energieversorgung, Transportwe-
sen, Telekommunikation –, Gegenstand solcher Trai-
nings, oder können Sie das ausschließen?
D
Herr Kollege, ich habe darauf hingewiesen, dass unter
anderem gegnerische Fähigkeiten analysiert werden und
das Wirken in gegnerischen Computernetzwerken simu-
liert wird. Netzwerke bzw. Infrastruktureinrichtungen,
die von keinerlei militärischer Bedeutung sind, sind in
diesem Zusammenhang nicht als gegnerisch anzusehen.
Ich habe aber auch schon darauf hingewiesen – das
kann ich hier nur noch einmal wiederholen –, dass die
Frage, ob ein bestimmtes elektronisches System, ob ein
bestimmtes Objekt gegebenenfalls ein ziviles oder mili-
tärisches Ziel darstellt, nur unter Berücksichtigung aller
Umstände des konkreten Einzelfalls entschieden werden
kann. Selbstverständlich erfolgt alles, was seitens der
Bundeswehr getan wird, nur im Rahmen ihres verfas-
sungsmäßigen Auftrags bzw. im Rahmen ihrer manda-
tierten Einsätze.
Dazu noch eine Zusatzfrage? – Bitte schön.
Den verfassungsmäßigen Auftrag nehme ich ja auch
durch solche Nachfragen wahr. – Ich habe eine zweite
Nachfrage. Mit welchen weiteren Partnern, also zum
Beispiel entsprechenden Einheiten anderer Staaten oder
auch Herstellern, wird über Technologie zum Eindringen
in Computersysteme diskutiert? Mit wem sind Sie zu
diesem Thema in Kooperationen oder im Gespräch?
D
Es gibt derzeit keine Kooperationen mit anderen Staa-
ten, Herr Kollege. Was nationale Kooperationen angeht,
kann ich Ihnen Folgendes mitteilen: Es gibt keine CNO-
spezifischen, also „Computer Netzwerk Operationen“
betreffende Kooperationsvereinbarungen mit anderen
Ressorts. Die Bundeswehr wird zum Beispiel im Natio-
nalen Cyber-Abwehrzentrum des Bundesamts für Sicher-
heit in der Informationstechnik durch Verbindungsperso-
nal des Computer Emergency Response Teams, des
Betriebszentrums IT-System Bw und des MAD vertreten.
Herzlichen Dank. – Dann sind wir bei der Frage 9,
ebenfalls des Kollegen Hunko, Fraktion Die Linke:
Welche über Berichte der Mitteldeutschen Zeitung vom
13. Februar 2014 hinausgehenden Details kann die Bundesre-
gierung zum jüngsten Crash der bereits früher in mindestens
52 Fällen kontrolliert oder unkontrolliert abgestürzten Drohne
des Typs LUNA in Colbitz mitteilen – bitte insbesondere den
Grund des Fluges, die für die Steuerung verantwortlichen Ein-
heiten/privaten Firmen, genauere Angaben zum „technischen
Problem“ als Ursache des Crashs sowie darüber, warum die
Drohne offensichtlich außerhalb des Flugbeschränkungsge-
bietes niederging –, und wo in Deutschland oder im Ausland
sollen in diesem Jahr weitere Übungsflüge mit LUNA-Droh-
nen stattfinden – bitte mit genauem oder wenigstens nähe-
rungsweisem Datum angeben?
Herr Staatssekretär.
D
Herr Kollege Hunko, ich antworte Ihnen darauf wiefolgt: Während eines Übungsfluges des Aufklärungsba-taillons 6 im Rahmen der Einsatzvorbereitung verlor dasunbemannte Luftfahrzeug des Typs LUNA am 12. Fe-bruar 2014 im Flugbeschränkungsgebiet ED-R74 desTruppenübungsplatzes Altmark um circa 11.50 Uhr dasNavigationssignal des Global Positioning Systems.Nachdem die Verbindung nicht wiederhergestellt werdenkonnte, leitete der Luftfahrzeugführer über unbewohn-tem Gebiet, über einem Feld eine Sicherheitslandungein. Das Luftfahrzeug landete daraufhin am Fallschirmaußerhalb des Flugbeschränkungsgebietes auf dem Lan-defeld, das per Kamera-Livebild ausgewählt wurde.Eine Gefahr für Personen bestand nicht. Meldungenüber Sach- sowie Flurschäden liegen nicht vor. Derzeituntersucht der Verband in Abstimmung mit der Abtei-lung Flugsicherheit der Bundeswehr die Ursachen desZwischenfalls. Mit einem Ergebnisbericht der AbteilungFlugsicherheit der Bundeswehr ist in circa 30 Tagen zurechnen.Übungsvorhaben mit unbemannten Luftfahrzeugenfinden grundsätzlich bundesweit auf Truppenübungs-plätzen und in den dazugehörigen Flugbeschränkungs-gebieten statt. Für das Jahr 2014 sind mit heutigem
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014 1167
Parl. Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe
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Planungsstand bundesweit 128 Übungswochen von Ver-bänden mit unbemannten Luftfahrzeugen vom TypLUNA, von denen bereits 18 durchgeführt wurden, ge-plant. Eine Konzentration der Übungsaktivitäten ist aufden Truppenübungsplätzen Munster und Bergen zu er-warten. Inwieweit und in welchem Umfang unbemannteLuftfahrzeuge in den Übungswochen tatsächlich einge-setzt werden, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichtkonkretisiert werden, da die Planung und die Durchfüh-rung von Flügen mit unbemannten Luftfahrzeugen denübenden Einheiten obliegen.
Zusatzfrage, Herr Kollege?
Ja. – Vielen Dank, Herr Dr. Brauksiepe. Wenn ich das
richtig verstanden habe, ist diese LUNA-Drohne – es
handelt sich ja nicht um eine kleine, sondern um eine
mittelgroße Drohne – außerhalb des Gefechtsübungszen-
trums abgestürzt, und es war Glück, dass sie nicht auf
bewohntes Gebiet gestürzt ist. Deshalb frage ich: Wie
soll für die Zukunft sichergestellt werden, dass derartige
Flugunfälle nicht künftig Menschenleben gefährden, zu-
mal – das kam ja im Ergebnis auf meine Fragen im letz-
ten Jahr heraus – gerade die LUNA-Drohne sehr häufig
abstürzt. Dies wurde zwar als systemkonforme Landung
bezeichnet, aber de facto ist sie abgestürzt. Wie wollen
Sie also sicherstellen, dass es in Zukunft nicht zu einer
Gefährdung der Bevölkerung kommt?
D
Herr Kollege Hunko, der Begriff „Absturz“ ist von
Ihnen gewählt worden. Es war kein Absturz, es war eine
Sicherheitslandung.
Sie ist auch nicht rein zufällig nicht über bewohntem Ge-
biet erfolgt, sondern, wie gesagt, diese Sicherheitslan-
dung ist, nachdem die Verbindung zum GPS nicht wie-
derhergestellt werden konnte, eingeleitet worden.
Es hat in den vergangenen Jahren eine auch Ihnen be-
kannte Zahl von Zwischenfällen gegeben. Es wird
selbstverständlich immer daran gearbeitet, die Zahl die-
ser Zwischenfälle zu reduzieren. Dem Ziel, daraus Kon-
sequenzen zu ziehen, dient auch der Ergebnisbericht der
Abteilung Flugsicherheit, den wir, wie schon gesagt, in
circa 30 Tagen erwarten. Wenn wir den Ergebnisbericht
haben, sind wir in der Lage, daraus Konsequenzen zu
ziehen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Hunko?
Ja, vielen Dank. – In Ihrer Antwort auf die Frage nach
den Flügen von US-Drohnen in der Oberpfalz, in Bay-
ern, teilten Sie mit, man wisse nichts über die Absturz-
raten der dort geflogenen US-Drohnen. Da sollen ja
zwischen den zwei Militärstützpunkten Korridore einge-
richtet werden, in denen auch Flugmöglichkeiten für
Drohnen geschaffen werden sollen. Daher meine Frage:
Nimmt die Bundesregierung den neuerlichen Absturz ei-
ner Bundeswehrdrohne – oder wie auch immer man das
bezeichnet – zum Anlass, ihre Haltung zu überdenken
und die US-Armee in Grafenwöhr um entsprechende
Auskünfte zu bitten? Denn es liegen nach wie vor keine
Informationen des US-Militärs in Grafenwöhr vor.
D
Herr Kollege Hunko, ich wiederhole mich: Die Er-
stellung eines solchen Ergebnisberichts ist kein Selbst-
zweck, sondern dient dem Zweck, den Ursachen des
Zwischenfalls, der zu dieser Sicherheitslandung geführt
hat, möglichst auf den Grund zu gehen. Im Lichte der
gewonnenen Erkenntnisse wird dann über Konsequen-
zen zu beraten und zu entscheiden sein.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Ströbele, Bündnis 90/
Die Grünen. – Bitte.
Herr Staatssekretär, jetzt haben Sie mein Interesse ge-
weckt. Was ist denn eine Sicherheitslandung? Wie viel
bleibt dann von dem Gegenstand, der da zur Sicherheit
landet, übrig?
Oder wird er beschädigt? Können Sie dazu eine Statistik
nennen? Kann er noch einmal fliegen? Oder was muss
gemacht werden, damit er noch einmal fliegen kann?
Herr Staatssekretär.
D
Herr Kollege Ströbele, es gibt bei Vorkommnissenmit Luftfahrzeugen gemäß der Zentralen Dienstvor-schrift ZDv 19/6 grundsätzlich eine Klassifizierung invier Kategorien: von A bis D. Bei der Kategorie A han-delt es sich um einen Unfall, ein Vorkommnis, bei demmindestens eine Person tödlich oder schwer verletztworden ist oder als verschollen gilt oder ein Luftfahr-zeug zerstört wurde, vermisst wird oder unzugänglichist. Der Schweregrad wird bis zur Kategorie D immergeringer. Es hat in den Jahren 2011 bis 2014 bei derLUNA, über die wir hier reden, bundesweit insgesamtzwei solcher Unfälle gegeben. Ich wiederhole: Im Zeit-raum von 2011 bis heute gab es zwei Unfälle mit ent-sprechend schweren Schäden.In anderen Fällen handelte es sich um Zwischenfälle.Bei dem hier angesprochenen Fall ist es so, dass das un-bemannte Luftfahrzeug, um Ihre Frage präzise zu beant-
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1168 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014
Parl. Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe
(C)
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worten, unbeschädigt am Boden angekommen ist. Es be-stand nicht nur keine Gefahr für Personen, sondern esgab auch weder Sach- noch Flurschäden. Auch das Luft-fahrzeug selbst hat den Boden unbeschädigt erreicht. Eswird jetzt selbstverständlich untersucht. Natürlich wirdüber einen Wiedereinsatz nicht entschieden, bevor dieUntersuchungsergebnisse vorliegen. Aber nach meinerKenntnis hat es auch schon in der Vergangenheit Sicher-heitslandungen von Luftfahrzeugen gegeben, die dieseunbeschadet überstanden haben und die dann auch wie-der eingesetzt werden konnten.
Danke schön. – Eine Zusatzfrage von Frau Kollegin
Vogler, Fraktion Die Linke.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Dr. Brauksiepe,
auch mich hat Ihre Antwort neugierig gemacht. Sie ha-
ben uns gerade erklärt, dass es, nachdem das GPS-Sys-
tem wieder funktionsfähig war, gelungen sei, diese
Drohne notzulanden. Jetzt ergibt sich für mich natürlich
die Frage, was denn in dem Fall passiert wäre, wenn die-
ses GPS-System nicht wieder angesprungen wäre. Wie
groß ist denn die Reichweite einer solchen LUNA-
Drohne? Das heißt, wo hätte sie dann gegebenenfalls
selbsttätig wieder den Boden erreichen können?
D
Frau Kollegin, Sie haben mich bedauerlicherweise
falsch verstanden. Ich habe genau das Gegenteil gesagt:
Ich habe gesagt, dass um circa 11.50 Uhr das Naviga-
tionssignal des GPS verloren wurde und dass – ich
wiederhole es gerne; Sie können das im Protokoll nach-
lesen –, nachdem die Verbindung eben nicht wieder her-
gestellt werden konnte, der zuständige Luftfahrzeugfüh-
rer dann sozusagen manuell die Sicherheitslandung
dieses Luftfahrzeugs eingeleitet hat.
Danke schön.
Die Fragen 10 und 11 der Kollegin Höger werden
schriftlich beantwortet.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des
Bundesministeriums der Verteidigung.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staats-
sekretärin Elke Ferner bereit.
Wir kommen zur Frage 12 der Kollegin Ulle
Schauws, Bündnis 90/Die Grünen:
Wird die Bundesregierung beim deutsch-französischen
Ministertreffen am 19. Februar 2014 die französische Regie-
rung als starke Verfechterin der EU-Richtlinie zur Frauen-
quote unterstützen und, falls ja, wie?
Frau Staatssekretärin, bitte.
E
Frau Kollegin Schauws, die Antwort lautet wie folgt:
Im Rahmen des deutsch-französischen Ministerrates hat
es ein bilaterales Treffen zwischen Frau Ministerin
Manuela Schwesig und der Ministerin für die Rechte
von Frauen und Sprecherin der französischen Regierung,
Frau Najat Vallaud-Belkacem, gegeben. Dabei ist auch
der Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie
zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung
von Frauen und Männern unter den Direktoren börsen-
notierter Gesellschaften und über damit zusammenhän-
gende Maßnahmen, die sogenannte Führungspositionen-
richtlinie, angesprochen worden.
Deutschland und Frankreich werden den Austausch
darüber, was sich in der Praxis insbesondere hinsichtlich
der Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben be-
währt hat, intensivieren. Sie werden die nötigen Maß-
nahmen für eine bessere Gleichstellung von Frauen und
Männern treffen, welche ein bestimmendes Element für
die Wettbewerbsfähigkeit, das Wachstum und den sozia-
len Fortschritt darstellt. Sie werden insbesondere vor-
schlagen, dass in Verbindung mit den Sozialpartnern die
Teilhabe der Frauen am Arbeitsmarkt in vollem Umfang
in die Strategie „Europa 2020“ einbezogen wird.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Schauws?
Ja. – Vielen Dank, Frau Staatssekretärin Ferner. Ich
sehe eine gewisse Diskrepanz, wenn auf der EU-Ebene
für Aufsichtsräte eine 40-Prozent-Quote angestrebt wird,
in Ihrem Ministerium dagegen von einer 30-Prozent-
Quote die Rede ist. Wird dieses Thema angesprochen?
Gibt es dazu noch weitere Ausführungen von Ihrer
Seite?
E
Sie wissen – die Ministerin hat das in der letzten Aus-schusssitzung dargelegt –, dass die Bundesregierung indiesem Jahr ein Gesetz einbringen will, durch das dreiPunkte geregelt werden:Erstens. In börsennotierten und voll mitbestimmungs-pflichtigen Unternehmen soll ab dem Jahr 2016 für neuzu besetzende Aufsichtsräte eine Frauenquote von min-destens 30 Prozent eingeführt werden.Zweitens soll für börsennotierte oder mitbestimmungs-pflichtige Unternehmen eine gesetzliche Verpflichtungverankert werden, wonach sich diese Unternehmen ab2015 eigene Zielvorgaben hinsichtlich einer Frauen-quote für ihre Führungspositionen geben müssen, die bisEnde dieser Wahlperiode des Deutschen Bundestages,bis 2017, erfüllt werden müssen und die auch nicht mehrunterschritten werden dürfen.Drittens will der Bund selber mit gutem Beispiel vo-rangehen, indem er sich das Bundesgremienbesetzungs-
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014 1169
Parl. Staatssekretärin Elke Ferner
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gesetz und das Bundesgleichstellungsgesetz noch einmalvornimmt.Das Ganze wird im Rahmen eines Artikelgesetzes indiesem Jahr im Bundestag beraten werden.
Haben Sie dazu eine Zusatzfrage? – Nein.
Dann rufe ich die Frage 13 der Kollegin Schauws auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, beim Treffen der Ar-
beits- und Sozialminister der Europäischen Union am
10. März 2014 das Thema Frauenquote konstruktiv voranzu-
bringen und damit die Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag
zwischen CDU, CSU und SPD umzusetzen, und, falls ja, wie?
Frau Staatssekretärin, bitte.
E
Frau Kollegin Schauws, ich beantworte Ihre Frage
wie folgt: Das Thema Frauenquote bzw. der Entwurf der
Führungspositionenrichtlinie steht nicht auf der Tages-
ordnung des Rates der EU-Arbeits- und -Sozialminister
am 10. März 2014. Es findet dazu also auch keine Aus-
sprache statt. Die Präsidentschaft wird unter dem Tages-
ordnungspunkt „Verschiedenes“ allenfalls über den
Stand der Beratungen informieren.
Haben Sie dazu eine Zusatzfrage? – Nein.
Dann verlassen wir den Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend und kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Gesundheit.
Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staats-
sekretärin Ingrid Fischbach bereit.
Ich rufe die Frage 14 der Abgeordneten Kathrin
Vogler, Fraktion Die Linke, auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die Firma
Booz & Company, eine Ausgründung der US-Firma Booz
Allen Hamilton, an der Entwicklung von Sicherheitsverfahren
diese Firma bzw. ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keinen
Kontakt mehr zum US-Geheimdienst NSA, National Security
Agency, unterhalten – angesichts der Tätigkeit von Edward
Frau Staatssekretärin, bitte.
I
Herr Präsident! Frau Kollegin Vogler, gerne antworte
ich Ihnen wie folgt: Für den Aufbau eines sicheren Net-
zes für das Gesundheitswesen – es geht um die gesamte
Telematikinfrastruktur – sind die Organisationen der
Selbstverwaltung zuständig. Sie haben hierfür die Ge-
sellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheits-
karte mbH, die sogenannte gematik, gegründet.
Die gematik hat im Dezember 2013 nach zuvor er-
folgter europaweiter Ausschreibung den Zuschlag für
großflächige Tests der ersten Ausbaustufe der Telematik-
infrastruktur erteilt. Getestet werden ein modernes Versi-
chertenstammdatenmanagement – hier geht es um die
Onlineüberprüfung und Onlineaktualisierung der Versi-
chertenstammdaten – und die qualifizierte elektronische
Signatur, mit der Dokumente elektronisch rechtswirk-
sam unterschrieben werden können.
Für die Vergabeverfahren gelten rechtliche Vorgaben,
die von der gematik einzuhalten waren. Die Bundesre-
gierung hat keine Anhaltspunkte dafür, dass die gematik
diese Vorgaben nicht beachtet hat.
Eine Bietergemeinschaft, die den Zuschlag erhalten
hat, besteht aus den Firmen Booz & Company GmbH,
CompuGroup Medical AG und KoCo Connector AG.
Sie hat den Auftrag, ein großflächiges Testverfahren in
der Testregion Nordwest durchzuführen.
Die Firma Booz & Company ist nach den vorliegen-
den Kenntnissen seit 2008 organisatorisch und rechtlich
von Booz Allen Hamilton, der Mutterfirma, getrennt und
hat seit diesem Zeitpunkt keinerlei Verflechtungen mehr
mit ihr. Nach Auskunft der gematik hat die Bieterge-
meinschaft im Teilnahmewettbewerb sämtliche von der
gematik geforderten Nachweise zur Fachkunde, Leis-
tungsfähigkeit und Zuverlässigkeit – die sogenannte Eig-
nungsprüfung – erbracht.
Die gematik hat darüber hinaus mitgeteilt, dass die
Firma Booz & Company vor allem die Aufgabe der Pro-
jektsteuerung hat. Sie ist nicht an der Festlegung der An-
forderungen für die Sicherheitsinfrastruktur beteiligt.
Das ist Aufgabe der gematik, die dabei die Bundesbeauf-
tragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
und das Bundesamt für Sicherheit in der Informations-
technik intensiv eingebunden hat.
Bevor Hard- und Softwareprodukte in der Telematik-
infrastruktur des deutschen Gesundheitswesens verwen-
det werden, werden sie durch die gematik getestet und
zugelassen. Voraussetzung dafür ist die Überprüfung der
Sicherheit der Produkte durch das BSI.
Danke schön. – Eine Zusatzfrage der Frau Kollegin
Vogler.
Vielen Dank. – Frau Staatssekretärin, Sie werden mirverzeihen, dass ich mir die Bemerkung nicht verkneifenkann, dass wir bisher auch immer davon ausgegangensind, dass das Handy der Kanzlerin sicherheitsüberprüftund abgeschirmt ist. Jetzt haben wir hier aber neue Er-kenntnisse.Es ist ja nichts Neues, dass Booz & Company nichtnur die gematik, sondern seit 2013 auch die Bundesre-gierung berät. Der Spiegel berichtet:Für einen Auftragswert zwischen 16,5 Millionenund 19,5 Millionen Euro solle die Firma die Regie-rung bei „strategischen IT-Grundsatzentscheidungen
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1170 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014
Kathrin Vogler
(C)
(B)
und deren Umsetzung in die Praxis unterstützen“.Der Vertrag umfasse Leistungen zu „Datenschutz“und „Gewährleistung von Sicherheit“.Da Sie das in Bezug auf die gematik ausschließen,frage ich jetzt noch einmal nach, ob Sie auch für diesenRahmenvertrag, den die Bundesregierung mit derBooz & Company geschlossen hat, ausschließen kön-nen, dass an irgendeiner Stelle dieses Projektes Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter dieser Firma beteiligt sind, dienach wie vor Kontakte zum US-Geheimdienst NSA un-terhalten.I
Frau Kollegin, ich kann Ihnen versichern, dass alle
Vorgaben eingehalten und alle eingegangenen Eingaben
und Erklärungen überprüft worden sind. Ich glaube, alles
andere wäre Kaffeesatzleserei. Sie wissen selber, dass
man Menschen nur vor den Kopf gucken kann. Man
weiß aber nicht, was dahinter vor sich geht.
All das, was wir sicherheitstechnisch überprüfen kön-
nen und müssen, haben wir überprüft. Das kann ich Ih-
nen versichern.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage?
Ich habe noch eine zweite Nachfrage.
Bitte schön.
Die Bundesregierung ist nicht nur über die Firma
Booz & Company indirekt in Beziehung mit Booz Allen
Hamilton, sondern auch ganz direkt. So hat zum Beispiel
die Secartis AG zusammen mit der Unternehmensbera-
tung Booz Allen Hamilton in den Jahren 2002 bis 2005
die E-Government-Initiative „BundOnline 2005“ mit er-
arbeitet. Sie hatte dabei den Auftrag, Konzepte und Lö-
sungen zu erarbeiten, um Behördengänge per Mausklick
sicher zu gestalten.
Da habe ich jetzt die Frage, ob die Bundesregierung im
Lichte der neuesten Erkenntnisse und der Informationen,
die uns Edward Snowden hat zukommen lassen, schon
einmal daran gedacht hat, zu überprüfen, ob in dem Zeit-
raum von 2002 bis 2005, in dem erstmals auch das Handy
von Kanzler Schröder abgehört wurde, Vorfälle passiert
sein könnten, die die Sicherheit der E-Government-Initia-
tive der Bundesrepublik Deutschland gefährden könn-
ten.
Frau Staatssekretärin.
I
Frau Kollegin, ich kann Ihnen versichern, dass immer
dann, wenn neue Erkenntnisse vorliegen, die Bundes-
regierung dementsprechend handeln wird und gehandelt
hat und Überprüfungen stattfinden werden. Aber dann,
wenn noch keine Erkenntnisse da sind, kann man auch
nicht handeln. Das tun wir immer zu dem Zeitpunkt, zu
dem neue Erkenntnisse vorliegen.
Eine Nachfrage von Frau Kollegin Zimmermann,
Fraktion Die Linke.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Fischbach, die
Firma Booz & Company hat ihren Sitz in London. In
Bezug auf die eben im Zusammenhang mit den Sicher-
heitsüberprüfungen genannten Kriterien frage ich: Kann
die Bundesregierung eine Zusammenarbeit mit dem bri-
tischen Geheimdienst GCHQ definitiv ausschließen?
I
Frau Kollegin, zu der Bietergemeinschaft, die den Zu-
schlag bekommen hat, gehört auch die Firma Booz &
Company. Bei der Firma Booz & Company handelt es
sich um ein deutsches Unternehmen unter der Geschäfts-
führung deutscher Partner mit Sitz in Düsseldorf.
Sie dürfen leider keine Nachfrage mehr stellen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reak-
torsicherheit.
Zur Beantwortung steht die Frau Parlamentarische
Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter zur Verfü-
gung.
Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Peter
Meiwald, Bündnis 90/Die Grünen, auf:
Plant die Bundesregierung, über die EU-weit festgeschrie-
benen Rücknahmen von Elektrokleingeräten im Handel
hinaus die Vorschläge der Expertinnen und Experten des
Nachhaltigkeitsrates und des Sachverständigenrates für Um-
weltfragen zur Einführung eines
Handypfandes umzusetzen, um die Rücklaufquoten von Han-
dys und Smartphones zu verbessern und sicherzustellen, dass
wertvolle Rohstoffe aus Elektrogeräten zukünftig sachgerecht
recycelt werden können?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Ri
Herr Präsident! Lieber Kollege Meiwald, auch wenndie Rückgewinnung von umweltrelevanten Metallen ausElektro- und Elektronikgeräten unter Ressourcen-schutzaspekten von großer Bedeutung ist und deshalb
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014 1171
Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter
(C)
(B)
grundsätzlich alle Maßnahmen und Instrumente zu prü-fen sind, mit denen die Sammelmenge und damit auchdie Menge der zurückzugewinnenden Metalle gesteigertwerden kann, plant die Bundesregierung nicht, ein Han-dypfand einzuführen.Die Erhebung eines Pfands für Handys wird als kri-tisch betrachtet, da beim Erlass von Vorschriften zu be-achten ist, dass der staatliche Eingriff in einem angemes-senen Verhältnis zum Nutzen der betreffenden Regelungstehen muss. Es ist nicht auszuschließen, dass durch dieEinführung eines Pfands auf die Handys Potenziale zurRückgewinnung von umwelt- und ressourcenrelevantenMetallen erschlossen werden können. Um aber ein Han-dypfand europarechtskonform und zugleich bürger-freundlich zu gestalten, müsste sichergestellt sein, dassdie Rückgabe nicht nur dort möglich ist, wo das Handyursprünglich erworben wurde. Dieses wiederum würdeden Aufbau eines Pfand-Clearing-Systems erfordern,das die interne Verrechnung der einzelnen Pfandbeträgesicherstellt. Hierdurch entstünde ein nicht unerheblicherbürokratischer Aufwand, der letztendlich den Verbrau-chern in Form erhöhter Handypreise angelastet würde.Darüber hinaus werden Handys in Deutschland nichtnur über den im Inland ansässigen Händler, sondern zu-nehmend auch durch Fernabsatzverkäufer, insbesondereüber den Internethandel, vertrieben. Die Durchsetzungeines Handypfands auch für Fernabsatzverkäufer er-scheint problematisch. Ein alleiniges Handypfand für inDeutschland ansässige Händler hingegen würde zu Wett-bewerbsverzerrungen zulasten dieser Händler führen.Darüber hinaus können Hersteller Elektroaltgerätewie Handys auch freiwillig zurücknehmen.Aus den zuvor genannten Gründen und vor dem Hin-tergrund des wachsenden wirtschaftlichen Interesses derHersteller an den in den Handys enthaltenen Wertstoffensetzt das Bundesumweltministerium außer auf die be-reits vorgesehenen gesetzlichen Rücknahmeverpflich-tungen insbesondere auch auf die freiwillige Initiativevon Produktverantwortlichen und Umweltverbänden zurOptimierung der Sammlung von Althandys.
Zusatzfrage, Herr Kollege Meiwald? – Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin, für die klare Antwort. So etwas ist nicht
immer selbstverständlich.
Trotz alledem bleibt natürlich das Problem bestehen.
Die Recyclingquoten bei Elektroschrott einschließlich
der darin enthaltenen Rohstoffe sind – das ist auch Ihnen
bekannt – sehr gering. Plant die Bundesregierung bei der
Überarbeitung des ElektroG andere Maßnahmen, um
diese Quoten zu verbessern?
Ri
Mit der Novelle des Elektro- und Elektronikgerätege-
setzes sollen entscheidende Weichen mit Blick auf die
Steigerung der Sammelmenge gestellt werden. Dabei
wird es insbesondere darum gehen, die Sammlung von
Elektro- und Elektronikaltgeräten für die Verbraucherin-
nen und Verbraucher so zu vereinfachen, dass zukünftig
deutlich mehr Elektro- und Elektronikaltgeräte einer ge-
trennten Sammlung und damit einem hochwertigen Re-
cycling zugeführt werden können.
Die Vereinfachung bei der Sammlung soll dabei
durch eine Verdichtung des Sammelnetzes erreicht wer-
den. Bei dieser Verdichtung des Sammelnetzes kommt
dem Handel aufgrund seiner Verbreitung und der damit
verbundenen räumlichen Nähe zu den Verbraucherinnen
und Verbrauchern eine ganz zentrale Rolle zu. Die Um-
setzung der in der WEEE-Richtlinie vorgesehenen Ver-
pflichtungen des Handels zur Rücknahme von Elektro-
und Elektronikaltgeräten kann insofern einen wichtigen
Beitrag zur Steigerung der Ressourceneffizienz und zur
Erreichung der angehobenen Sammelvorgaben der
WEEE-Richtlinie leisten.
Weitere Zusatzfrage?
Ja, ganz kurz nur. – Vielen Dank. Das lässt ja hoffen.
Haben Sie schon eine Einschätzung zum Zeitplan?
Ri
Wir sind quasi in der Ressortabstimmung. Also, wir
sind dabei. Die Frist lief ja bis 14. Februar. Insofern: Wir
arbeiten daran, dass es möglichst zeitnah umgesetzt
wird.
Danke schön.Die Frage 16 der Abgeordneten Kotting-Uhl wirdschriftlich beantwortet.Wir kommen damit zu Frage 17 der AbgeordnetenSylvia Kotting-Uhl:Teilt die Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt bzw.nach derzeitiger Kenntnislage bereits vollumfänglich die Aus-sage des Betreibers des Kernkraftwerks Gundremmingen,KRB, dass „die Auslegung der Nachkühlsysteme den Anfor-derungen“ entspricht – bitte mit Begründung; vergleiche hierzuPressemitteilung des Betreibers vom 9. Februar 2014 sowie dieAntworten der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage derFraktion Bündnis 90/Die Grünen zu den Fragen 11 bis 13 und14 bis 16 auf Bundestagsdrucksache 17/14606 zu noch nichtvorliegenden abschließenden Bewertungen –, und teilt sie ins-besondere die Aussage des Betreibers in der oben genanntenPressemitteilung, die Antwort der Bundesregierung auf dieschriftliche Frage 41 auf Bundestagsdrucksache 18/298 zuEinzelaspekten des Zusätzlichen Nachwärmeabfuhr- und Ein-speisesystems, ZUNA, im KRB würde bestätigen, dass dieAuslegung der Nachkühlsysteme des KRB den Anforderun-gen entspricht – bitte mit Begründung?Frau Staatssekretärin, bitte.
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1172 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014
(C)
(B)
Ri
Liebe Kollegin Kotting-Uhl, in der auf seiner Inter-
netseite veröffentlichten Pressemitteilung vom 9. Fe-
bruar 2014 teilt der Betreiber des Kernkraftwerkes
Gundremmingen mit Verweis auf Aussagen der Bundes-
regierung mit – ich zitiere –:
… dass die Auslegung der Nachkühlsysteme den
Anforderungen entspricht. Von behördlicher Seite
wurde das zuletzt durch die Antwort der Bundesre-
gierung auf eine schriftliche Frage der Abgeordne-
ten Kotting-Uhl im Januar 2014 erneut bestätigt.
Es wird auf die Drucksache 18/298 verwiesen. In der
Antwort der Bundesregierung auf diese schriftliche
Frage wurde ausgeführt – ich zitiere ebenfalls –:
Nach Aussage der zuständigen Aufsichtsbehörde,
dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt
und Verbraucherschutz, liegen auch für alle im nu-
klearen Betriebsgebäude befindlichen Teile des
zusätzlichen Nachwärmeabfuhr- und Einspeisesys-
tems selbst vollständige Erdbebensicher-
heitsnachweise vor.
Die Aussagen in dieser Antwort beziehen sich aus-
schließlich auf die Erdbebensicherheit des ZUNA. Die
Beurteilung der Frage, ob eine Anlage den strengen An-
forderungen des Atomgesetzes genügt, obliegt dem
zuständigen Landesministerium. Dessen Gesamtbetrach-
tung ist ein Ergebnis laufender Kontrollen, wiederkeh-
render Prüfungen und der Ergebnisse aus den Sicher-
heitsprüfungen nach § 19 a Atomgesetz.
Aus der Sicht des Bayerischen Staatsministeriums für
Umwelt und Verbraucherschutz haben sich keine An-
haltspunkte ergeben, dass die nach dem Stand von Wis-
senschaft und Technik erforderliche Schadensvorsorge
im Hinblick auf die Auslegung der Not- und Nachkühl-
systeme des Kernkraftwerks Gundremmingen infrage zu
stellen wäre.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Kotting-Uhl.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin, für diese Antwort. Ich habe schon des
Öfteren nach den Sicherheitsbedingungen und der Re-
gelkonformität vor allem des Betriebssystems ZUNA
beim AKW Gundremmingen gefragt, auch in der letzten
Legislaturperiode die Vorgängerregierung, als das Um-
weltministerium noch Minister Altmaier unterstand. Auf
eine Kleine Anfrage zu diesem ganzen Komplex bekam
ich am 22. August 2013 die Antwort – es waren mehrere
Fragen, die dann gemeinsam beantwortet wurden –, dass
die abschließende Bewertung zu diesen Sicherheitsnach-
weisen noch nicht vorliegt. Darf ich davon ausgehen,
dass die inzwischen vorliegt?
Ri
Liebe Frau Kollegin Kotting-Uhl, das Bundesministe-
rium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher-
heit steht in ständigem Kontakt mit dem Bayerischen
Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz.
Dieses hat uns mitgeteilt, dass seine Bewertung in Kürze
schriftlich vorliegt.
Noch eine Zusatzfrage?
Ja.
Bitte.
Danke schön. – Sie haben sich in Ihrer Eingangsant-
wort darauf bezogen, was das bayerische Umweltminis-
terium, also die bayerische Atomaufsicht, Ihnen über-
mitteln wird. Darf ich das so verstehen, dass Sie sich mit
der Aussage der bayerischen Atomaufsicht gemeinma-
chen, dass Sie das also für sich übernehmen?
Ri
Nein. Wir werden, wenn uns die Bewertung vorliegt,
diese prüfen.
Danke schön. – Die Fragen 18 und 19 des KollegenStephan Kühn werden schriftlich beantwortet.Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs desBundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau undReaktorsicherheit.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung. Die Frage 20 der Abgeordneten HeikeHänsel wird schriftlich beantwortet.Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzle-rin und des Bundeskanzleramtes. Die Fragen 21 und 22des Kollegen Christian Kühn sowie die Fragen 23 und 24der Abgeordneten Steffi Lemke werden schriftlich be-antwortet.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Wirtschaft und Energie. Die Fragen 25und 26 des Kollegen Oliver Krischer sowie die Fragen 27und 28 der Kollegin Dr. Julia Verlinden werden schrift-lich beantwortet.Wir kommen zum Geschäftsbereich des AuswärtigenAmts. Zur Beantwortung steht Staatsministerin Profes-sor Dr. Maria Böhmer bereit.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014 1173
Vizepräsident Peter Hintze
(C)
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Die Frage 29 der Kollegin Bärbel Höhn und die Fra-ge 30 der Kollegin Agnieszka Brugger werden schrift-lich beantwortet.Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen, auf:Warum will die Bundesregierung Bundeswehrsoldaten zurTeilnahme an der EU-Ausbildungsmission EUTM Somalia
Wochen als zu unsicher und gefährlich abgelehnt – fehlende„Rahmenbedingungen zum Schutz“, „adäquate medizinischeund logistische Versorgung“ und nötige Infrastruktur, verglei-che Spiegel Online vom 11. Januar 2014 – sowie daher alle20 Bundeswehrausbilder bei EUTM Somalia aus Uganda ab-gezogen hatte, als die EUTM Somalia von da nach Moga-dischu umzog, und wie hat die Bundesregierung bei diesemPositionswechsel – neben 61 Prozent Wählerablehnung sol-cher Einsätze laut aktueller ARD-Umfrage sowie dem nötigenBundestagsvotum zu solchem Einsatz – bedacht, dass nichtnur 1993 beim gescheiterten US-Einsatz in Mogadischu18 US-Soldaten starben – Black Hawk Down –, sondern dortbis heute häufig Ausländer durch Anschläge getötet werden –
wobei die Täter nicht unterscheiden nach zivilem, Kampf-oder „nur“ Ausbildungsauftrag der Opfer, wie sich etwa am18. Juni 2013 bei der Tötung von mindestens acht UN-Ent-wicklungshelfern und Sprengung ihres UNDP-Gebäudes– UNDP: United Nations Development Programme – wenige100 Meter vom Flughafen zeigte?Frau Staatsministerin, bitte.D
Herr Kollege Ströbele, ich darf wie folgt antworten:
Die Ausbildungs- und Beratungsmission der Europäi-
schen Union für Somalia ist ein wesentliches Element
des internationalen Engagements zur Befriedung und
Stabilisierung des Landes nach jahrzehntelangem Bür-
gerkrieg und zum Wiederaufbau staatlicher Institutio-
nen. Der Aufbau funktionierender somalischer Sicher-
heitskräfte ist hierbei besonders wichtig. Bis Ende 2013
hat die EUTM Somalia etwa 3 600 somalische Soldaten
in Bihanga in der Republik Uganda ausgebildet. Wir ha-
ben uns dort durchaus sehr erfolgreich engagiert.
Die Verlegung der Aktivitäten nach Mogadischu
stand im Kontext der Etablierung neuer politischer
Strukturen wie Parlament, Übergangsverfassung, Präsi-
dent und Regierung in der Republik Somalia im Herbst
2012. Die neue Regierung in Somalia ist glaubhaft be-
müht, eine Befriedung und Stabilisierung herbeizuführen
und hierzu ihren Einflussbereich im Land auszuweiten.
Hinter der Verlegung der Mission nach Mogadischu
stand daher der Wunsch der somalischen Regierung, ihre
Soldaten im eigenen Land auszubilden. Das Trainingsla-
ger der Mission in Uganda, in dem das deutsche Kontin-
gent eingesetzt war, wurde Ende 2013 geschlossen. Da-
mit wurde auch der deutsche Einsatz zunächst beendet.
Die ehemalige Bundesregierung hatte entschieden,
eine mögliche erneute deutsche Beteiligung der neuen
Bundesregierung zu überlassen. Die Bundesregierung
prüft die Frage derzeit auch vor dem Hintergrund der Si-
cherheitslage in Mogadischu. Sie analysiert diese sehr
sorgfältig und wertet dabei Informationen über die Hin-
tergründe der jüngsten Anschläge, die Ergebnisse einer
gemeinsamen Dienstreise von Vertretern des Auswärti-
gen Amts und des Bundesministeriums der Verteidigung
in der vorvergangenen Woche und die Ergebnisse einer
Reise des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr
aus.
Herr Kollege, da die Zeit etwas knapp ist, bringe ich
es auf den Punkt: Über Einzelheiten zur Sicherheitslage
werden weiterhin die Fachausschüsse des Deutschen
Bundestages unterrichtet. Der Präsident des Bundes-
nachrichtendienstes hat hierzu am 12. Februar im Vertei-
digungsausschuss vorgetragen.
Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege Ströbele.
Letzteres ist richtig. Wir haben auch heute im Aus-
wärtigen Ausschuss darüber gesprochen. Trotzdem ha-
ben Sie meine Frage nicht beantwortet. Noch vor sechs
oder sieben Wochen hat die Bundesregierung es abge-
lehnt – weil die Situation zu gefährlich ist und weil keine
ausreichende medizinische Versorgung vorhanden ist –,
im Rahmen der Ausbildungsmission am Flughafen von
Mogadischu tätig zu werden. In der Zwischenzeit gab es
dort einen schlimmen Anschlag. Was veranlasst die Bun-
desregierung, nun dieser Frage wieder näherzutreten?
Welche Erkenntnisse hat sie darüber, dass die Gefähr-
dungen geringer sind und dass sich die medizinische
Versorgung verbessert hat?
D
Herr Kollege Ströbele, ich will gern noch einmal an
den Wunsch der somalischen Regierung erinnern, dass
die Ausbildung nun in Somalia selbst, also in Mogadi-
schu, stattfinden soll. Dass die vorangegangene Mission
in Uganda beendet worden ist, stellt uns vor diese Frage.
Aber ich habe sehr deutlich gemacht, dass wir die Risi-
kosituation sehr ernst nehmen und die Sicherheitsfrage
vor diesem Hintergrund sehr ausführlich und gründlich
prüfen werden, dass dies aber noch nicht abschließend
geschehen ist. Ich kann Ihnen versichern, dass es uns ein
ganz zentrales Anliegen ist, dass wir so weit wie irgend-
wie möglich zu einer Risikominimierung kommen. Aber
das muss gut und gründlich geprüft werden.
Noch eine Zusatzfrage? – Bitte schön.
Ich habe noch eine Zusatzfrage. Der letzte Anschlag,den ich schon erwähnt habe, soll knapp 100 Meter ent-fernt stattgefunden haben. Der war ziemlich fürchterlich.Wie kann man dann auf die Idee kommen, zu sagen:„Jetzt geht es; jetzt können wir ausbilden, ohne dassBundeswehrsoldaten gefährdet werden“? 100 Meter sindnicht weit.
Metadaten/Kopzeile:
1174 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014
(C)
(B)
Frau Staatsministerin.
D
Herr Ströbele, genau das ist ein Punkt, der mit geprüft
wird. Es gibt die eine Sicht, dass innerhalb des Flugha-
fens selbst die Lage relativ sicher ist. Der Gefährdungs-
situation außerhalb sind wir uns sehr wohl bewusst.
Wenn hier geprüft wird, dann muss dieses – das habe ich
explizit gesagt – vor dem Hintergrund der jüngsten An-
schläge getan werden. Dazu gehört auch dieser An-
schlag.
Mir ist es genauso gegangen. Auch ich habe überlegt:
Wenige Meter entfernt, was bedeutet das? Wie kann man
schützen? Damit ist es umso wichtiger, dass bei dem
Ausbau der Mission auch immer wieder deutlich wird,
welche Schritte erfolgen, um Sicherheit zu schaffen. Das
bewegt uns, und das wird auch geprüft, und zwar sehr in-
tensiv und sehr gründlich.
Danke schön. – Eine Zusatzfrage der Kollegin
Dağdelen, Fraktion Die Linke. Danach gibt es eine Zu-
satzfrage der Kollegin Keul, Bündnis 90/Die Grünen.
Erst Frau Kollegin Dağdelen, bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatsministerin,
wie mein Kollege Ströbele schon gesagt hat, haben wir
das Thema heute schon im Ausschuss gehabt, wo Sie lei-
der nicht zugegen sein konnten. Deshalb möchte ich eine
Frage an Sie richten. Neben der Neubewertung der Si-
cherheitslage in Somalia, in Mogadischu, die laut Pres-
seberichten immer noch katastrophal ist, würde ich
gerne Folgendes wissen: Sie berichteten, dass 3 600 so-
malische Sicherheitskräfte fertig ausgebildet worden
sind. Laut der Somalia Monitoring Group der Vereinten
Nationen sind 80 Prozent der auszubildenden Sicher-
heitskräfte bei dieser Mission mitsamt der Ausrüstung
desertiert und sind teilweise zu der anderen Seite überge-
laufen, die man vorgeblich bekämpfen möchte, nämlich
zu den Milizen, zu der Al-Schabab-Miliz oder auch zu
anderen Milizen, die für die Privatinteressen verschiede-
ner Warlords kämpfen.
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den
Verbleib der mitsamt der Ausrüstung Desertierten? Wie
viele sind desertiert? Wie viele haben die Ausbildung
abgebrochen? Können Sie sicherstellen, dass nicht wie
2010 Kindersoldaten von der deutschen Bundeswehr im
Rahmen dieser Mission als somalische Sicherheitskräfte
ausgebildet werden?
Frau Staatsministerin.
D
Frau Kollegin Dağdelen, mir ist bekannt, dass Sie die
Frage nach den Kindersoldaten schon einmal gestellt ha-
ben. Sie stellen jetzt weitere, sehr detaillierte Fragen. Ich
bitte um Verständnis, wenn ich hier nicht direkt ant-
worte, sondern Ihnen auf diese detaillierten Fragen eine
schriftliche Antwort zukommen lassen werde. Das tue
ich gerne.
Das wird angenommen. – Frau Kollegin Keul, Bünd-
nis 90/Die Grünen, zu einer Nachfrage.
Vielen Dank. – Frau Staatsministerin, mich würde in-
teressieren, wie eigentlich unsere europäischen Partner
darauf reagiert haben, dass wir zunächst dezidiert aus Si-
cherheitsgründen aus einer EU-Mission aussteigen, und
zwar mit der Begründung, nach Mogadischu könnten
wir wegen mangelnder Sicherheit nicht mitgehen, und es
uns sieben Wochen später wieder anders überlegen und
sagen: Vielleicht ist die Sicherheitslage doch gar nicht so
schlecht. – Wie haben unsere europäischen Partner da-
rauf reagiert?
D
Wir pflegen hier eine Gemeinsamkeit, und Sie wis-
sen, dass wir uns bei der Entscheidung gut abgestimmt
haben. Sie heben insbesondere auf die Einschätzung der
Sicherheitslage ab, die – das habe ich gesagt – geprüft
wird.
Ich will aber noch einen zweiten Punkt nennen, der zu
bedenken ist. Das habe ich auch in meiner ersten Ant-
wort gesagt: Wir haben den Übergang von der alten Bun-
desregierung zur neuen Bundesregierung und damit auch
den Übergang vom bisherigen Parlament zum neuen
Deutschen Bundestag zu bewältigen. Ich finde, es gebie-
tet auch der Respekt vor dem Bundestag genauso wie
vor der Arbeit einer neuen Bundesregierung, dass man in
dieser neuen Situation noch einmal zusammenkommt
und gemeinsam abwägt. Sie wissen: Wenn eine Ent-
scheidung in diese Richtung getroffen werden würde,
würde diese Frage dem Bundestag zur Befassung vorge-
legt werden.
Danke schön.
Wir kommen zur Frage 32 der Abgeordneten Sevim
Dağdelen, Die Linke:
Welche Instanz hat, unter Angabe des Zeitpunkts – ange-
sichts des Beschlusses 2013/44/GASP zur Änderung und Ver-
längerung des Beschlusses 2010/96/GASP über eine Militär-
mission der Europäischen Union als Beitrag zur Ausbildung
somalischer Sicherheitskräfte des Rates der Europäischen
Union vom 22. Januar 2013, in welchem es hieß, dass das
Hauptquartier lediglich „möglicherweise nach Somalia“ ver-
legt wird –, beschlossen, das Hauptquartier der Mission
EUTM Somalia nach Mogadischu zu verlegen?
D
Im EU-Ratsbeschluss 2013/44/GASP zur Verlänge-rung und Ausweitung der Ausbildungs- und Beratungs-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014 1175
Staatsministerin Dr. Maria Böhmer
(C)
(B)
mission der Europäischen Union vor Somalia wird aufdas durch den Rat am 10. Dezember 2012 gebilligteüberarbeitete Krisenmanagementkonzept der EU-Mili-tärmission verwiesen, in dem die Schließung des Trai-ningslagers in der Republik Uganda und die schrittweiseVerlegung der Missionsaktivitäten in die Republik So-malia bereits grundsätzlich angelegt sind.Weitere Grundlage für die Ausweitung der Mission istder am 20. März 2013 vom Rat gebilligte Missionsplan,der eine schrittweise Entwicklung vorsieht, bei der jedePhase an die Erfüllung konkreter Voraussetzungen ge-bunden ist. Am 6. Januar 2014 informierte der Missions-kommandeur den Vorsitzenden des EU-Militärausschus-ses, dass die Voraussetzungen für die Verlegung desHauptquartiers gemäß Missionsplan nunmehr vorliegenund die Verlegung mit Wirkung vom 14. Januar 2014wirksam würde.
Haben Sie dazu eine Zusatzfrage, Frau Kollegin
Dağdelen?
Ja.
Bitte schön.
Vielen herzlichen Dank. – Frau Ministerin, es war
wirklich ganz schwierig, überhaupt einen Beschluss zu
finden. Der einzige uns Abgeordneten vorliegende ist
nämlich der vom 22. Januar 2013, in dem eigentlich nur
steht: Möglicherweise kann das Hauptquartier der Mis-
sion EUTM nach Somalia verlegt werden und diese EU-
Militärmission könnte Somalia und Uganda – beides –
umfassen. Ist es möglich, dass die Mitglieder des Deut-
schen Bundestages den formalen Beschluss, von dem
Sie jetzt hier gesprochen haben, zur Verfügung gestellt
bekommen? Bis heute liegt uns kein Beschluss vor, und
nichts ist an uns weitergegeben worden.
Frau Staatsministerin.
D
Frau Kollegin, ich sehe auf den ersten Blick keinen
Hinderungsgrund.
Wir kommen damit zur Frage 33, ebenfalls der Kolle-
gin Sevim Dağdelen:
Wie schätzt die Bundesregierung die Situation im Kosovo
Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Studierenden-
proteste Anfang Februar 2014 in Pristina und deren gewalt-
same Niederschlagung durch die dortige Polizei?
D
Die Studierendenproteste an der Universität Pristina
wurden ausgelöst durch eine Presseveröffentlichung
vom 22. Januar 2014, wonach der Rektor der Universität
sich internationale Veröffentlichungen erschlichen haben
soll. Diese bilden einen Teil der Amtsvoraussetzung. Die
Demonstranten forderten in erster Linie den Rücktritt
des Rektors.
Am 7. Februar 2014 kam es im Rahmen der Proteste
zu gewalttätigen Ausschreitungen, gegen die die Polizei
vorging. Bei den Auseinandersetzungen zwischen ge-
walttätigen Demonstranten und der Polizei wurden laut
Medienberichten 33 Polizisten und 39 Demonstranten
verletzt. Über 30 Demonstranten wurden wegen Wider-
stands gegen die Staatsgewalt vorübergehend festge-
nommen. Von diesen ist zumindest ein Teil inzwischen
wieder auf freiem Fuß.
Nachdem am darauffolgenden Wochenende die Uni-
versitätsleitung zurückgetreten war, sagten die Studieren-
den weitere Protestkundgebungen ab. Die Studierenden-
proteste, die von verschiedenen zivilgesellschaftlichen
Gruppen unterstützt wurden und Gegenstand einer Son-
dersitzung des Parlaments waren, sind Ausdruck einer
funktionierenden Demokratie. Die Bundesregierung ver-
urteilt die Gewalt. Die Proteste haben jedoch keine Aus-
wirkungen auf die allgemeine Sicherheitslage im Süden
Kosovos, die seit langem stabil ist.
Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Kollegin?
Das habe ich, Herr Präsident.
Bitte schön.
Weil es in Bosnien-Herzegowina in den letzten Wo-
chen und Monaten wirklich viele harte Proteste gegeben
hat und der Hohe Vertreter dort angekündigt hatte, Trup-
pen gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten
einzusetzen – die Bundeswehr ist auch vor Ort –, würde
ich gern fragen, ob im Kosovo die KFOR-Einheiten für
die Niederschlagung der Studierendenproteste angefragt
worden sind.
Frau Staatsministerin.
D
Frau Kollegin Dağdelen, mir ist davon nichts be-kannt.
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1176 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014
(C)
(B)
Danke schön.
Dann kommen wir zur Frage 34 der Kollegin
Christine Buchholz, Fraktion Die Linke:
Wird die auf Beschluss der EU-Außenminister eingerich-
tete Mission EUFOR RCA die Regierungstruppen der Forces
Armées Centrafricaines, FACA, als Verbündete oder als Geg-
ner betrachten, nachdem der Kommandeur der vor Ort operie-
renden Mission der Afrikanischen Union, General Martin
Tumenta Chomu, die FACA am 8. Februar 2014 aufforderte,
in den Kasernen zu bleiben, da sie sonst als „gesetzlose Ban-
diten“ betrachtet werden würden?
Frau Staatsministerin.
D
Die staatlichen Sicherheitskräfte der Zentralafrikani-
schen Republik sind bis auf Restbestände zerfallen und
verfügen nur über sehr begrenzte funktionsfähige Kom-
mandostrukturen. Ich glaube, das sagt an und für sich al-
les zu der Einschätzung.
Ich kann aber gern fortfahren: Die Mission im Rah-
men der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungs-
politik der EU in der Zentralafrikanischen Republik ist
zeitlich befristet sowie funktional und räumlich be-
grenzt. Sie hat das Ziel, im Verbund mit den bereits vor
Ort im Einsatz befindlichen Truppen der von der Afrika-
nischen Union geführten internationalen Unterstützungs-
mission in der Zentralafrikanischen Republik und der
französischen Operation die Sicherheitslage in Bangui
zu stabilisieren. Dies ist wichtig, um auch humanitäre
Hilfe für die notleidende Bevölkerung zu ermöglichen.
Alle drei vorgenannten Missionen haben den Auftrag,
die Zivilbevölkerung zu schützen und die Anwendung
von Gewalt zu verhindern, insbesondere durch Ab-
schreckung und Entwaffnung irregulär bewaffneter
Gruppen.
Nachfrage, Frau Kollegin? – Bitte schön.
Frau Kollegin, ich habe eine Nachfrage: Warum
wurde in dem Einrichtungsbeschluss der EU gar kein
Verhältnis zu der Armee Zentralafrikas bestimmt, die,
wie Sie richtigerweise sagen, in einem desolaten Zu-
stand ist, aber zumindest noch agiert und aus der heraus
in einzelnen Fällen auch Gewalttaten verübt wurden?
Frau Staatsministerin.
D
Frau Kollegin, ich würde inzwischen sehr bezweifeln,
ob es sich noch um Regierungstruppen handelt; das habe
ich, glaube ich, auch dargelegt. Zu der eigentlichen
Frage und zu dem, worauf Sie rekurriert haben, kann ich
Ihnen gern eine Antwort nachreichen.
Haben Sie dazu noch eine Zusatzfrage? – Bitte schön.
Wie erklären Sie sich dann, dass die Präsidentin
Samba-Panza, ich glaube, noch vor zwei Wochen eine
Ansprache an, ich glaube, 1 000 Soldaten gehalten hat?
Da stellt sich die Frage ja schon. Offensichtlich gibt es in
Zentralafrika ein Verhältnis der Regierung zu der Ar-
mee, der FACA.
D
Ich glaube, wir müssen sehen, dass in diesem Land
Zustände und Strukturen herrschen, die nicht mit norma-
len Maßstäben gemessen werden können. Es ist eine
chaotische Lage. Deshalb wird auch von Regierungs-
seite versucht, die Dinge einigermaßen nach vorn zu
treiben. Wir sind dort mit einer wirklich sehr desolaten
Situation konfrontiert.
Danke schön. – Nachfrage der Kollegin Dağdelen,
Fraktion Die Linke.
Frau Ministerin, heute soll nach uns vorliegenden In-
formationen Bundeskanzlerin Merkel den ersten Einsatz
der Deutsch-Französischen Brigade, dieser Spezialein-
heit, in Paris verkünden. Es soll nach Zentralafrika ge-
hen. Ich möchte Sie gern Folgendes fragen, auch insge-
samt zu der Mission in Zentralafrika: Wie gehen Sie
eigentlich mit der Kritik um, die es aus dem Land und
aus umliegenden Ländern auf dem Kontinent Afrika
gibt, nämlich dass das nichts weiter ist als eine Neuauf-
lage der kolonialistischen Politik von Françafrique? Es
gibt in der französischsprachigen Presse in Afrika eine
ganz massive Kritik daran, wie in Afrika – in Mali, in
Zentralafrika, aber auch in anderen Ländern dort – inter-
veniert wird. Da möchte ich gerne wissen: Wie geht die
Bundesregierung eigentlich mit dieser Kritik um, die es
aus der Region gibt?
Frau Staatsministerin.
D
Frau Kollegin Dağdelen, ich kann Ihre Einschätzung
nicht nachvollziehen.
Danke.Dann kommen wir zur Frage 35 der AbgeordnetenChristine Buchholz:Zum Schutz gegen welche potenziell feindliche Armeeoder gegen welche sonstige potenziell feindliche Gruppierungrichtet sich der anvisierte Begleitschutz durch die deutscheMarine bei dem Transport syrischer Giftgasbestände über dasMittelmeer, und über welche maritimen Fähigkeiten verfügendiese potenziellen Bedrohungen?Frau Staatsministerin, bitte.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014 1177
(C)
(B)
D
Ja, gerne. – Frau Kollegin Buchholz, Ziel der Opera-
tion ist es, das US-Spezialschiff „Cape Ray“ auf seinen
Fahrten und auch während der Hydrolyse selbst gegen
potenzielle Bedrohungen zu schützen. Wir haben ein
großes Interesse daran, dass Transport und Hydrolyse
der hochtoxischen syrischen Chemiekampfstoffe in einer
sicheren und störungsfreien Umgebung stattfinden kön-
nen. Ein unbewaffnetes US-Schiff mit aufwendiger um-
gerüsteter Hochtechnologie und hochgefährlichen che-
mischen Kampfstoffen an Bord ist grundsätzlich ein
potenzielles Angriffsziel. Der Schaden im Falle eines
Angriffs auf das mit Chemiewaffen beladene US-Schiff
oder eines Raubes der Chemiewaffen wäre so groß, dass
eine Absicherung in jedem Fall geboten ist.
Danke schön. – Eine Nachfrage, Frau Kollegin
Buchholz? – Bitte.
Ich würde gern wissen, von wem genau die Anfrage
kam. Im Verteidigungsausschuss wurde der NATO-
Russland-Rat erwähnt. Kam sie von dort, oder kam sie
von der OPCW, also der Organisation für das Verbot
chemischer Waffen, oder von der UNO oder von der
Joint Mission, also der UN und der OPCW, oder von Dä-
nemark, dem Lead Country?
Frau Staatsministerin.
D
Gerne. – Im Rahmen der laufenden Beratung des
NATO-Russland-Rates – Sie haben ihn schon erwähnt –
hat das oberste NATO-Hauptquartier wie bei der Vorbe-
reitung eines jeden Einsatzes die Alliierten um Anzeige
von Fähigkeiten, die zur Eskortierung auf dem Transit
bzw. zum Schutz der „Cape Ray“ im Operationsgebiet
geeignet sind, gebeten. Auch die USA haben an einer
deutschen Beteiligung an der Begleitoperation Interesse
gezeigt. Ich sage auch ganz deutlich, dass Deutschland
selbst ein Interesse daran hat, dass Abtransport und Ver-
nichtung der syrischen Chemiekampfstoffe erfolgreich
und in einem sicheren und störungsfreien Umfeld ge-
schehen.
Noch eine Zusatzfrage? – Bitte.
Meine zweite Nachfrage: Auf Basis welcher Sicher-
heitsanalyse wird der Einsatz durchgeführt? Kommt sie
von der Sicherheitsabteilung der UNO oder von der Joint
Mission oder von Dänemark? Liegt diese Analyse vor,
und ist es möglich, uns das jeweilige Dokument, das die
Grundlage des Einsatzes darstellt, vorzulegen?
D
Frau Kollegin, ich will das gerne klären. Wenn es
möglich ist, Ihnen zusätzliche Informationen zu geben,
dann sollen Sie sie auch erhalten.
Danke schön. – Kollege Dr. Neu, Ihre Zusatzfrage.
Frau Staatsministerin, teilen Sie meine Auffassung,
dass dieser Begleitschutz auch im Rahmen von OAE ge-
schehen könnte? Schließlich beinhaltet das Mandat, das
der Bundestag vor wenigen Wochen verabschiedet hat,
auch die Nothilfe und die Selbstverteidigung. Es wäre
also durchaus möglich, dass ein Bundeswehrschiff, das
im Rahmen von OAE im Mittelmeer herumschippert,
unter diesem Mandat Begleitschutz gibt. Das ist die erste
Frage.
Meine zweite Frage. Wie sieht es derzeit aus: Laufen
die Kriegsschiffe, die den Transport von Syrien nach Ita-
lien begleiten, unter OAE oder unter irgendeiner anderen
Mission? Und werden die Schiffe, zum Beispiel der
USA – sie haben ja angekündigt, dass sie gegebenenfalls
Schiffe zur Verfügung stellen werden –, auch unter OAE
laufen, oder ist das jenseits von OAE?
D
Zu Ihrer ersten Frage will ich sagen, dass ich diese
Gemeinschaftsaktion zum Schutz der „Cape Ray“ für
wichtig halte. Denn damit zeigt die internationale Ge-
meinschaft, dass sie zusammensteht. Mir ist wichtig,
dass diese Aktion nicht nur auf einer Schulter liegt, son-
dern gemeinsam getragen wird. Von daher ist das ein
wichtiges Signal, das wir hier aussenden.
Ihre zweite Frage war eine sehr spezielle Nachfrage.
Ich mache es genau wie vorher: Sie erhalten die detail-
lierteren Informationen gerne schriftlich.
Danke schön. – Kollegin Dağdelen hat noch eine Zu-satzfrage.
– Hat sich erledigt; danke schön.Die Frage 36 der Kollegin Hänsel wird schriftlich be-antwortet.Wir verlassen damit den Geschäftsbereich des Aus-wärtigen Amts.Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-ministers des Innern. Zur Beantwortung steht der HerrParlamentarische Staatssekretär Professor Dr. GünterKrings bereit.
Metadaten/Kopzeile:
1178 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014
Vizepräsident Peter Hintze
(C)
(B)
Ich rufe die Frage 37 der Abgeordneten MartinaRenner auf:Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dassdas Landesamt für Verfassungsschutz Niedersachsen übermehrere Jahre die Daten von mindestens sieben Journalistin-nen und Journalisten, darunter der Rechtsextremismusexper-tin Andrea Röpke, erhoben und diese Daten dem Bundesamtfür Verfassungsschutz, BfV, zur Verfügung gestellt hat unddas BfV darüber hinaus eigene Daten zu den in Niedersachsenbetroffenen Journalistinnen und Journalisten erhoben hat?Herr Staatssekretär, bitte.D
Frau Kollegin, es geht hier um mögliche Daten im
Kontext des Nachrichtendienstlichen Informationssys-
tems NADIS. Die im Nachrichtendienstlichen Informa-
tionssystem gespeicherten Daten stehen aufgrund der
Verbundeigenschaft dieser Datei den zugriffsberechtig-
ten Verfassungsschutzbehörden der Länder und des Bun-
des zur Verfügung. Das muss man sich in etwa wie folgt
vorstellen: Alle Verfassungsschutzbehörden können dort
hineinschreiben, und alle können das entsprechend auch
lesen.
Eine Speicherung seitens des Bundesamtes für Ver-
fassungsschutz erfolgt nach den einschlägigen Bestim-
mungen des Bundesverfassungsschutzgesetzes, also § 10
Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 in Verbindung mit den §§ 3 und 4
des Bundesverfassungsschutzgesetzes, und ist – weil Sie
auf den Begriff „Journalist“ in der Frage abhoben – un-
abhängig von der beruflichen Betätigung der Person.
Nähere Einzelheiten zu den in Ihrer Frage angespro-
chenen Journalisten kann ich öffentlich sowohl zur Wah-
rung von deren Persönlichkeitsrechten als auch aus
Gründen der operativen Sicherheit hier nicht darlegen.
Haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte schön.
Danke, Herr Präsident. – Herr Dr. Krings, ich würde
gerne wissen, ob das BfV neben der Datenverarbeitung
zu diesen Personen in NADIS in anderen Speicherungs-
systemen – es gibt daneben ja durchaus noch eine andere
Aktenhaltung – zu diesen Personen Daten erfasst hat.
D
Mir liegen keine Kenntnisse darüber vor. Im Übrigen
bleibt es dabei: Das sind Fragen der operativen Sicher-
heit. Es sind auch Persönlichkeitsrechte betroffen. In
dieser Sitzung werden wir das nicht erörtern können.
Das gilt auch für weitere Nachfragen; denn wir können
das hier nicht einfach als Verschlusssache einstufen.
Danke schön. – Haben Sie dazu noch eine Zusatz-
frage? – Nein.
Wir kommen zur Frage 38, ebenfalls von der Kollegin
Martina Renner, Fraktion Die Linke:
Mit welchen personenbezogenen Daten, Merkmalen und
Berufsbezeichnungen werden Personen in dem Nachrichten-
dienstlichen Informationssystem, NADIS, gespeichert?
Auch hier steht der Parlamentarische Staatssekretär
Dr. Günter Krings bereit. – Bitte schön.
D
Das Nachrichtendienstliche Informationssystem
NADIS ist eine Datei des Bundesamtes und der Landes-
behörden für Verfassungsschutz. Eine Speicherung in
NADIS erfolgt nach Maßgabe der gesetzlichen Bestim-
mungen der entsprechenden Verfassungsschutzgesetze.
NADIS enthält vor allem Daten, die zur Identifizierung
erforderlich sind. Dazu zählen personenbezogene
Grunddaten der Betroffenen wie zum Beispiel Name,
Anschrift, Geburtsdatum etc.
Ich bitte auch hier um Verständnis, dass ich aus Grün-
den der operativen Sicherheit keine weiteren detaillier-
ten Ausführungen zum Datenmodell des NADIS und zur
Datenspeicherung öffentlich machen darf, da dadurch
möglicherweise Rückschlüsse auf Arbeitsweise und Be-
obachtungsschwerpunkte gezogen werden könnten bzw.
nachrichtendienstliche Arbeitsweisen des Verfassungs-
schutzverbundes offenbart würden. Man kann also jetzt
nicht alle Datensätze im Einzelnen auflisten. Wie gesagt:
Im Mittelpunkt steht das Ziel der Identifizierung der be-
troffenen Personen.
Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin? – Bitte
schön.
Herr Dr. Krings, ich möchte keine Datensätze von Ih-
nen bekommen. Ich hatte gefragt, nach welchen Krite-
rien in NADIS personenbezogene Daten gespeichert
werden. Meine Nachfrage lautet ganz konkret, ob dort
neben Name, Anschrift und Alter – diese Kriterien ha-
ben Sie genannt – auch eine Berufsbezeichnung erfasst
ist.
D
Das Ziel ist ganz klar – das ist sozusagen auch die
Zweckbestimmung –: Es geht um verfassungsfeindliche
Tendenzen und um Gefahren für die Verfassung. Darauf-
hin sind diese Kriterien angeordnet. Es gibt wohl ein
Freifeld, in das Berufsbezeichnungen eingetragen wer-
den können. Es ist aber kein festes Feld mit bestimmten
Kriterien, die zur Identifizierung geeignet sind. Es gibt
keinen Katalog mit bestimmten Berufen oder Berufs-
gruppen, die dort systematisch erfasst werden. Es gibt
aber, wie gesagt, ein Freifeld, in das man einen Beruf
eintragen kann.
Haben Sie eine zweite Zusatzfrage? – Bitte schön,Frau Kollegin Renner.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014 1179
(C)
Für mich würde sich die Nachfrage anschließen, ob
denn, wenn in dieses Freifeld eine Berufsbezeichnung
eingetragen ist, dann auch mit einem Suchbegriff, zum
Beispiel „Journalist“, „Arzt“ oder „Anwalt“, nach Perso-
nen gesucht werden kann.
D
Ich gehe davon aus, dass die gesamte Datei eine
Suchfunktion hat. Es ist bei einem Freifeld natürlich
nicht sichergestellt, dass immer der gleiche Begriff ver-
wandt wird. Nehmen wir beispielsweise einmal einen
ganz anderen Beruf: Man kann „Metzger“, „Schlachter“
oder „Fleischer“ eintragen. Insofern ist es kein klassi-
sches kategorisiertes Suchsystem. Natürlich ist aber die
gesamte Datei – soweit mir bekannt – suchfähig.
Schönen Dank. – Damit sind wir am Ende der Beant-
wortung. Die restlichen Fragen sind zur schriftlichen Be-
antwortung angemeldet oder werden gemäß Nr. 2 Abs. 2
der Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwor-
tet.
Ich unterbreche die Sitzung des Deutschen Bundesta-
ges. Die Aktuelle Stunde wird pünktlich um 15 Uhr hier
im Plenarsaal stattfinden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD
Umgang in der Bundesregierung und im
Deutschen Bundestag mit den Vorwürfen ge-
gen Sebastian Edathy
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
der Kollege Stephan Mayer für die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegin-nen! Sehr geehrte Kollegen! Die Angelegenheit, deret-wegen heute die Aktuelle Stunde stattfindet, ist mit Si-cherheit nicht schön und auch nicht angenehm. Ichglaube, man kann auch behaupten: Es gab in dieser An-gelegenheit bisher nur Verlierer. Verlierer waren alle be-troffenen Personen, aus meiner Sicht aber auch die Par-teien. Die Integrität und die Rechtschaffenheit desParlamentes, des Bundestages insgesamt, ist in Zweifelgezogen worden. Aber auch die Justiz ist in der Kritik.Ich möchte zu Beginn dem bisherigen Bundesminis-ter Dr. Hans-Peter Friedrich hohen Respekt und Hoch-achtung aussprechen, der am vergangenen Freitag dieEntscheidung getroffen hat, sein Amt als Bundesland-wirtschaftsminister niederzulegen. Ich möchte hier beto-nen: Hans-Peter Friedrich ist ein in höchstem Maße inte-grer, rechtschaffener und angesehener Kollege.
Ich möchte auch behaupten, meine sehr verehrtenKolleginnen und Kollegen, dass sich Hans-Peter Friedrichmoralisch vollkommen anständig verhalten hat, als er imHerbst letzten Jahres die Information, dass der damaligeKollege Sebastian Edathy Gegenstand eines Ermitt-lungsverfahrens ist – es wird zwar nicht gegen ihn ermit-telt –, an den SPD-Vorsitzenden Gabriel weitergegebenhat. Er wollte damit nicht kungeln, sondern er wollte un-seren jetzigen und sich damals anbahnenden Koalitions-partner – ich sage ganz offen: auch die Bundesregierunginsgesamt und die Bundesrepublik Deutschland – vorSchaden bewahren. Dies hat aus meiner Sicht Respektund Hochachtung verdient.
Ob sich der Kollege Hans-Peter Friedrich ein straf-rechtlich vorwerfbares Verhalten vorhalten lassen muss,wird an anderer Stelle zu klären sein. Hier gibt es unter-schiedliche Rechtsauffassungen. Aber das ist mit Sicher-heit jetzt nicht Gegenstand der Debatte.Es gibt, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kolle-gen – das kann man gut nachvollziehen –, eine großeEntrüstung und Enttäuschung insbesondere in der CSU,auch an der CSU-Basis, dass ein höchst angesehener undveritabler CSU-Bundesminister sein Amt aufgrund desmöglicherweise strafrechtlich vorwerfbaren Verhaltenseines ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten nieder-legen musste. Ich glaube, auch für diese Entrüstung unddieses Unverständnis muss man Verständnis haben.Infolge dieser Angelegenheit gibt es auch einen Ver-trauensverlust für die Bundesregierung. Das Vertrauenist erschüttert. Ich sage aber auch ganz offen, meine Kol-leginnen und Kollegen: Es kann hier nicht nach dem ar-chaischen Grundsatz „Auge um Auge, Zahn um Zahn“gehen.
Es geht uns, der CDU/CSU, insbesondere darum, einevollständige und lückenlose Aufklärung zu ermöglichen.Wir sinnen nicht auf Rache, sondern wir wollen wirklichTransparenz und Offenheit in diese Angelegenheit brin-gen.Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, einsehr wichtiger erster Beitrag dazu ist aus meiner Sichtschon heute Vormittag in der Innenausschusssitzung ge-leistet worden. Wir sind im Innenausschuss nicht Anklä-ger; wir sind kein Untersuchungsausschuss, und wir ver-anstalten auch kein Tribunal. Wir haben heute den BKA-Präsidenten Ziercke und den Staatssekretär Fritsche auffreiwilliger Basis befragt. Sie haben uns sehr profund
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1180 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014
Stephan Mayer
(C)
(B)
Auskunft gegeben. BKA-Präsident Ziercke hat den Ab-lauf des Telefongesprächs vom 17. Oktober letzten Jah-res zwischen ihm und dem Kollegen Oppermann aus sei-ner Sicht dargestellt. Ich sage ganz offen: Der Ball liegtjetzt bei der SPD; sie ist in der Bringschuld und muss fürTransparenz und Klarheit sorgen. Ich sehe hier natürlichvor allem den SPD-Fraktionsvorsitzenden ThomasOppermann in der Verantwortung, insbesondere in deranschließenden Innenausschusssitzung den Ablauf desTelefongesprächs vom 17. Oktober aus seiner Sicht dar-zustellen und darüber Auskunft zu geben, welchenZweck dieses Telefongespräch überhaupt hatte.Ich sage aber auch ganz offen: Bei aller Aufgeregtheitund Entrüstung angesichts mancher Abläufe in dieserAngelegenheit sollten wir das Wesentliche nicht aus demBlick verlieren. Es geht hier nicht um eine AffäreFriedrich, und es geht hier nicht – auch das sage ich hierganz offen – um eine Affäre Oppermann; es geht umeine Affäre um den ehemaligen Kollegen SebastianEdathy.
Der ehemalige Bundestagskollege Sebastian Edathy hatsich offenbar seit 2005 über Jahre hinweg fortgesetztwirklich sehr unappetitliche und geschmacklose Bilderund Videos bestellt und schicken lassen, in insgesamt31 Fällen. Ich muss ganz offen gestehen: Ich wusste garnicht, dass es da verschiedene Kategorisierungen gibt.Es handelt sich hier offenbar um Material der sogenann-ten Kategorie 2, das strafrechtlich nicht relevant ist. Ichsage aber auch ganz offen, meine sehr verehrten Kolle-ginnen und Kollegen: Insbesondere vor dem Hinter-grund des Artikels im Spiegel in der Ausgabe dieser Wo-che, der uns vor Augen führt, unter welchen Umständendiese Videos und Fotos etwa in Rumänien zustandekommen – man weiß, dass die Jungen, die auf diesenBildern zu sehen sind, dies beileibe nicht freiwillig ge-macht haben –, müssen wir uns hier im Haus die Fragestellen, ob es nicht erforderlich ist, den entsprechendenStraftatbestand der Verbreitung, des Erwerbs und desBesitzes kinderpornografischer Schriften entsprechendzu verschärfen.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, esgibt die klare Erwartung unserer Bürger, dass wir seriösund verantwortungsvoll zusammenarbeiten. Die Grund-lage dieser Zusammenarbeit kann nur Vertrauen sein.Vertrauen entsteht in erster Linie nicht durch Worte, son-dern durch Taten. Es ist hier – das möchte ich zum Ab-schluss sagen – wie so häufig im Leben, wenn man sichzusammenfindet, egal, in welcher Konstellation, sei esim beruflichen, im privaten oder auch im politischen Be-reich: So ein Schuss vor den Bug tut hin und wieder malganz gut. Die Folge kann durchaus sein, dass wir auf-grund der Erfahrungen der letzten Tage und Wochennoch besser zusammenwachsen und damit auch zusam-menarbeiten. In diesem Sinne sollten wir unsere Zukunftgestalten.Danke schön.
Der Kollege Dietmar Bartsch ist der nächste Redner
für die Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! DasThema der Aktuellen Stunde lautet: Umgang in der Bun-desregierung und im Deutschen Bundestag mit den Vor-würfen gegen Sebastian Edathy. – Auch der KollegeMayer hat eben ausgeführt, dass es darum geht. Wir sindda gänzlich anderer Auffassung.
Hier geht es nicht zuallererst um einen Fall Edathy. Esgeht hier um eine Krise der Bundesregierung.
Es geht darum, wie die Bundesregierung mit demRechtsstaat umgeht; das ist hier die Frage. Da ist imÜbrigen eine Aktuelle Stunde – um das gleich vorweg zusagen – wirklich unangemessen. Wir haben überlegt– die Kollegen von den Grünen sicherlich auch –, ob sieder richtige Umgang damit ist. Das ist sie mit Sicherheitnicht. Denn in der Aktuellen Stunde kommt es nicht zurAufklärung; es werden nur nacheinander Reden gehal-ten. Das ist nach unserer Auffassung der falsche Weg.Das wirkt wie eine Alibiveranstaltung, und so etwasbrauchen wir angesichts der Dimensionen wirklichnicht, meine Damen und Herren.
Es ist und es bleibt Fakt: Es gibt extrem viel aufzuklä-ren. Aber wie ist das mit dem Willen zur Aufklärung?Herr Oppermann ist hier – nichts gegen die KollegenLischka und Rix –, redet aber nicht. Der AbgeordneteFriedrich könnte hier zum Thema Stellung nehmen, aberauch das ist nicht der Fall. Alles wird eher herunterge-kocht.Wir als Parlament, aber vor allen Dingen die Öffent-lichkeit, haben ein Recht darauf, präzise zu erfahren, wiedie Abläufe waren. Sie müssen die Fakten auf den Tischlegen! Sie müssen Nachfragen zulassen. Eine AktuelleStunde erweckt den Eindruck, dass Sie etwas vertuschenwollen, meine Damen und Herren.
Es gibt den Verdacht, dass der Betroffene vorher et-was erfahren hat. Wir müssen doch irgendwie herausfin-den, auf welchem Weg das geschehen ist. Das muss dochaufgeklärt werden, oder nicht? – Natürlich muss es das.Ein ehemaliger Innenminister aus Niedersachsen sagt,Herr Edathy habe von mehreren Quellen von den Vor-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014 1181
Dr. Dietmar Bartsch
(C)
(B)
gängen erfahren. Auch hier müssen wir aufklären, wa-rum das so war. Wieso konnte er Festplatten vernichten?Wieso konnte er offensichtlich seinen Laptop verschwin-den lassen?Die Kernfrage ist allerdings: Welches Rechtsstaats-verständnis hat die Bundesregierung?
Damit komme ich auf den von Ihnen hochgelobtenHerrn Friedrich zu sprechen. Beim besten Willen: Wiekann es sein, dass Herr Friedrich, der einmal Verfas-sungsminister war, Herrn Gabriel über die Vorgänge in-formiert? Das ist rechtswidrig, meine Damen und Her-ren.
Nebenbei gefragt: Herrn Seehofer und Frau Merkel hater nicht informiert? Das werden wir vielleicht noch he-rausbekommen. Aber inakzeptabel ist, dass er diesenWeg gewählt hat.Es ist auch sehr überraschend, wie schnell das in derSPD herumging. Herr Gabriel informiert Herrn Steinmeierund Herrn Oppermann, und Herr Oppermann informiertdann Frau Lambrecht. Das soll alles in Ordnung sein?Nein, meine Damen und Herren, das alles ist rechtswi-drig.Herr Friedrich wurde auf dem CSU-Parteitag ebensowie hier gefeiert. Aber auch für denjenigen, der die abso-lute Mehrheit hat, gilt, sich an Recht und Gesetz zu hal-ten.
Unser Land würde sich andernfalls zu einer Gurkenrepu-blik entwickeln.Zu dem berühmten Telefonat zwischen HerrnOppermann und Herrn Ziercke. Hier gibt es sehr unter-schiedliche Varianten. Erst haben wir gehört, dass HerrOppermann telefoniert und eine Bestätigung erhaltenhat. Herr Ziercke hat heute im Innenausschuss offen-sichtlich etwas anderes gesagt. Das ist schon sehr bemer-kenswert. Nun gilt es, sehr genau herauszufinden, werwas gesagt hat.Was soll der normale Bürger denken? Denkt er, dasser seinen Polizeichef anrufen kann: Ich habe da eineFrage, die meinen Nachbarn betrifft, könnten Sie mirAuskunft geben?
Wollen wir uns in diese Richtung entwickeln? Das kannja wohl nicht wahr sein!
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen.Wir stehen vor folgendem Problem, auch Sie, Herr Bun-destagspräsident: Wer bearbeitet hier im Hause die Post?Das ist offensichtlich kein Problem der Poststelle. Zu le-sen war, dass der Brief der Staatsanwaltschaft Hannoveroffensichtlich abgegriffen wurde. Er hatte beispielsweisezwei Stempel. Was ist das für ein Staat, in dem Briefevon Staatsanwälten an den Bundestagspräsidenten geöff-net werden? Wo leben wir denn, wenn das eventuell so-gar Normalität ist? Das kann doch nicht wahr sein!Zu den viele Spekulationen. Herr Mayer sagt, Ver-trauen entstehe durch Taten. Das impliziert offensicht-lich das, was einige in der Öffentlichkeit sagen: Die So-zialdemokratie muss jetzt einen Preis zahlen. Wie solldenn das in der Praxis aussehen? Das hat mit Rechtsstaatüberhaupt nichts zu tun. Das ist Teil eines Vertuschungs-szenarios!
Für uns gilt – und ich hoffe in diesem Fall: gemein-sam für die Linke und die Grünen, ich bin da sehr zuver-sichtlich –: Wir werden an diesem Thema dranbleiben.Aufklärung, Aufklärung und nochmals Aufklärung darfman nicht nur postulieren. Wir werden alle Mittel nut-zen, damit uns dies auch gelingt.
Dazu zählt nicht in erster Linie die Aktuelle Stunde, son-dern der Innenausschuss; eventuell müssen weitere Mit-tel zum Einsatz kommen.Herzlichen Dank.
Das Wort erhält nun die Kollegin Eva Högl für die
SPD Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!Liebe Kollegen! Die Vorwürfe gegen unseren ehemali-gen Kollegen Sebastian Edathy haben nicht nur uns allehier erschüttert, sondern die gesamte Öffentlichkeit. Ichsage deshalb ganz deutlich: Es ist richtig und wichtig,dass wir heute im Innenausschuss Befragungen und hierdiese Aktuelle Stunde durchführen. Es ist absolut richtig,dass wir uns heute hier mit diesen Vorgängen beschäfti-gen. Wir dürfen dabei nicht – Herr Bartsch, das muss ichganz deutlich sagen – mit Unterstellungen arbeiten undargumentieren.
Das hilft uns in diesem komplizierten Sachverhalt über-haupt nicht weiter. Wir tun hier genau das Gegenteil vondem, was Sie uns unterstellt haben. Es gibt gerade keinVertuschungsszenario, sondern eine öffentliche Debatte
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1182 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014
Dr. Eva Högl
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hier, in der Aktuellen Stunde, und eine Befragung im In-nenausschuss. Das ist das Gegenteil von einem Vertu-schungsszenario.
Wir haben heute Vormittag im Innenausschuss desDeutschen Bundestages sehr ruhig, sehr konzentriert undsehr sachlich Befragungen vorgenommen. Die Befra-gungen von Staatssekretär Fritsche und BKA-PräsidentZiercke haben ganz klar zur Aufklärung des Sachver-halts und der Informationswege beigetragen. Ich möchtedrei Punkte festhalten:Erstens. Nach den Befragungen heute im Innenaus-schuss steht fest, dass bereits Mitte Oktober 2013 zahl-reiche Stellen im gesamten Bundesgebiet Akten desBundeskriminalamtes vorliegen hatten, in denen derName von Sebastian Edathy zu finden war. Das Bundes-kriminalamt hatte sämtliche Landeskriminalämter gebe-ten, die Hinweise zu überprüfen und die notwendigenpolizeilichen Ermittlungen vor Ort zu übernehmen. Washeute neu war bei den Befragungen im Innenausschussdes Deutschen Bundestages und was uns alle einigerma-ßen erstaunt hat, ist, dass der Name Edathy erst am15. Oktober 2013 bei der örtlichen Polizei in Nienburgerkannt worden ist und dort angeblich wie eine Bombeeingeschlagen ist. Man kann sich gut vorstellen, wie dasist, wenn die örtliche Polizei in so einem Vorermittlungs-verfahren auf den Namen eines Bundestagsabgeordnetenstößt. Damit ist auch klar: Die örtliche Polizei wussteBescheid. Die örtliche Polizei hat das Bundeskriminal-amt informiert. Damit war eine Vielzahl von Personenim ganzen Bundesgebiet, auch in Niedersachsen – diewaren in diesen Informationsfluss eingebunden –, davonin Kenntnis gesetzt worden, dass der Name SebastianEdathy im Zusammenhang mit diesem gefundenen Ma-terial aufgetaucht ist. Diese Bombe in Nienburg war füruns alle heute im Innenausschuss eine neue Information.Zweitens steht fest – das haben die Befragungen heuteganz klar ergeben –, dass der BKA-Präsident Ziercke so-fort den Innenstaatssekretär Fritsche über den Umstandinformiert hat, dass der Name Sebastian Edathy auf die-ser Liste zu finden ist. Ziercke hat damit tadellos gehan-delt und alles richtig gemacht. Er hat nämlich auf demDienstweg den zuständigen Staatssekretär informiert. Erwusste, dass das Informationen von besonderer Bedeu-tung, von gewaltiger Tragweite waren. Er hat deswegensehr richtig und vor allen Dingen sehr verantwortungs-voll gehandelt, indem er den Staatssekretär Fritsche in-formiert hat. Im Übrigen gibt es auch entsprechendeWeisungen, die in der Geschäftsordnung der Bundes-ministerien niedergelegt sind. Es ist völlig klar, dass derInformationsfluss so zu laufen hat.Drittens. Die Befragungen heute haben auch ergeben,dass das Telefonat zwischen BKA-Präsident Ziercke undunserem Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermannvöllig korrekt ablief. Thomas Oppermann hat sich alleinaus Fürsorgepflicht, als er erfahren hat, dass der NameSebastian Edathy im Zusammenhang mit diesen gefun-denen Unterlagen auftaucht, dass der Name SebastianEdathy auf den Listen steht, erkundigen müssen, ob daskorrekt ist.
Deswegen war das Telefonat völlig richtig. Herr Zierckehat heute im Innenausschuss ganz klar und ganz deutlichgesagt, dass er das nicht kommentiert hat, dass er keineweiteren Informationen gegeben hat, dass ThomasOppermann aber aus seiner Reaktion schließen durfte,dass die Informationen, die Thomas Oppermann hatte,korrekt waren und zutrafen. Deswegen ist das Telefonatzwischen Thomas Oppermann und BKA-PräsidentZiercke meiner Meinung nach völlig zu Unrecht skanda-lisiert worden. Es ist völlig korrekt abgelaufen.
Wir dürfen von einem Parlamentarischen Geschäftsfüh-rer im Übrigen erwarten, dass er sich informiert, dass ernachfragt, wenn er solche Informationen hat. Dass dasstrafrechtlich nicht relevant ist, hat die Staatsanwalt-schaft in Hessen, die keinen Ansatz für ein Fehlverhaltenvon Herrn Ziercke erkennt, im Übrigen längst festge-stellt. Das Weitere wird die Befragung um 16 Uhr im In-nenausschuss ergeben. Da wird Thomas Oppermann vonuns befragt werden.Meine Damen und Herren, ich bin sehr optimistisch,dass wir am Ende dieses Tages sagen können: Die Fra-gen zumindest zu dem Umgang mit den Vorwürfen ge-gen Sebastian Edathy sind beantwortet, auch wenn wirsicherlich rund um den ganzen Komplex noch viele wei-tere Fragen haben werden.Herzlichen Dank.
Konstantin von Notz ist der nächste Redner für dieFraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine100 Tage gibt es Ihre Große Koalition, schon jetzt ist einMinister weg und die GroKo steht wie ein Kartenhausim Wind da. So sieht es doch aus.
Zu der Aktuellen Stunde hier sage ich Folgendes: Sietun ja so, als sei das ein großer Dienst an der Demokra-tie. Tatsächlich haben Sie hier ein taktisches Manövervollzogen. Wir hatten hier Fragen angemeldet, Fragen,die wir in der Fragestunde in der Öffentlichkeit stellenwollten statt in der nichtöffentlichen Ausschusssitzung.Weil Sie sich diesen Fragen nicht stellen wollten, habenSie hier heute eine Aktuelle Stunde angesetzt, obwohldie Sitzung des Innenausschusses noch lange nicht been-det ist.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014 1183
Dr. Konstantin von Notz
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Das ist ein rein taktisches Manöver. So geht Aufklärungnicht.
Insofern kann das, was wir hier heute machen, nur einZwischenbericht der Arbeit des Innenausschusses sein.Frau Högl hat eben damit angefangen und einige Ergeb-nisse vorgetragen. Hier Menschen freizusprechen oderauch zu verurteilen, ist nicht angezeigt. Die Sitzung desInnenausschusses läuft ja heute Nachmittag weiter. Nachden ersten Stunden bleiben noch viele Fragen. Ichmöchte nur zwei nennen.Die Rechtsgrundlage bezüglich der Weitergabe diesersensiblen Informationen aus dem BKA an das BMI stehtinfrage. Sie ist nicht schlüssig dargelegt worden. Es istnur sehr allgemein auf Art. 20 des Grundgesetzes ver-wiesen worden. Außerdem ist angesichts der Sensibilitätder Informationen nicht verständlich, warum der Staats-sekretär dazwischengeschaltet wurde und warum derBKA-Präsident den Minister nicht direkt informierte.
Bezüglich des ominösen Telefonats sage ich – HerrOppermann, Sie äußern sich ja leider erst heute Abend innichtöffentlicher Sitzung dazu –: Die ganze Verwirrunggibt es nur, weil Sie am 13. Februar eine schriftliche Er-klärung abgegeben haben, in der Sie geschrieben haben,dass Sie sich den Sachverhalt haben bestätigen lassen.Jetzt sollen wir glauben, dass ein Telefonat – so wurde esheute dargestellt – ohne Ziel und ohne Inhalt stattgefun-den hat. Zwei Männer schweigen sich an, und beide wis-sen danach Bescheid – wer soll denn das bitte schönglauben?
Über diese relevanten Vorgänge machen dann zwei solcherfahrene Menschen keinen Vermerk. Man ist sich alsoder Brisanz bewusst, und deswegen schweigt man undfertigt lieber keinen Vermerk an. Auch das wirkt aufmich wenig schlüssig.Zu der These, dass jetzt das Vertrauen in die GroKowiederhergestellt werden soll – das war heute auch dieAnsage für den Innenausschuss –, kann ich nur sagen:Das ist nicht Sinn und Zweck dieses Parlaments. Daskönnen Sie in Kamingesprächen mit der Kanzlerin ma-chen. Dieses Parlament ist für tatsächliche Aufklärungzuständig.
Sie haben den Vorwurf der Kumpanei leider nochnicht ausgeräumt. Es ist eben unklar, wie sich die Exeku-tive im Verhältnis zu parteipolitischen Interessen, imVerhältnis zu den Interessen der Koalitionsbildung zudiesem sensiblen Zeitpunkt verhalten hat. Sie verklärendas hier, Herr Kollege Mayer, indem Sie sagen, HerrFriedrich hätte für Deutschland gehandelt. Der Vorwurf,der im Raum steht, ist, dass er für die GroKo gehandelthat.
Das ist ein Skandal, wenn es so ist.
Bis heute läuft die CSU angesichts des Wahlkampfesin Bayern herum und sagt, das sei alles so traurig. HerrFriedrich ist doch nicht zurückgetreten, weil die Grünenoder die Linken das gefordert haben. Herr Friedrich istzurückgetreten, weil Frau Merkel und Herr Seehofer esfür politisch opportun hielten, dass er zurücktritt.
Die Kanzlerin hat gesagt, dass das Vertrauen in denRechtsstaat erschüttert ist. Ich teile ihre Ansicht.
Ganz zum Schluss. Ich lese bei Spiegel Online: DerMinisterpräsident von Bayern droht damit, einen Parla-mentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen.
Das ist ja an Kuriosität nicht mehr zu überbieten. Dawahlkämpfelt es an allen Ecken. Dass Sie sich solcheAussagen gefallen lassen, müssen Sie mit Ihrem Selbst-wertgefühl als Parlamentarier irgendwie in Einklangbringen. Aber ich sage Ihnen: Um den Eindruck zu er-wecken, dass sich die Große Koalition den Staat nicht zueigen macht, ist das denkbar ungeeignet. Deswegen leh-nen wir auch das aufs Schärfste ab.Ganz herzlichen Dank.
Das Wort erhält nun der Kollege Armin Schuster für
die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Lieber Herr Tempel, lieber Herr Korte und liebeFrau Jelpke, wer auch immer das bei Ihnen entscheidet:Schicken Sie uns doch bitte jemanden hier vorne ansPult, der Sachkenntnis hat.
Die konnte man heute Morgen im Innenausschuss reich-lich erwerben. Ich erinnere daran, dass Herr Dr. Risse
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1184 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014
Armin Schuster
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zum Thema „Brief und Briefversand“ eine wirklich be-merkenswert eindeutige Klarstellung vorgenommen hat.Keiner der Kollegen im Innenausschuss hat noch irgend-einen Zweifel, dass da etwas schiefgelaufen sei.Herr von Notz, den Vorwurf der Kumpanei weise ichauf das Schärfste zurück. Das ist eine unverschämte Un-terstellung.
Wir bieten Ihnen im Innenausschuss alles, was demokra-tisch möglich ist, und wir bieten Ihnen eine AktuelleStunde, die dann angeblich Mauschelei sein soll; dasschließt sich ja sowieso gegenseitig aus.
Selbst das Angebot eines Ministerpräsidenten, einen Un-tersuchungsausschuss einzusetzen, könnte ein demokra-tisches Angebot sein.
Ich weiß gar nicht, was Sie noch mehr wollen. Sie krie-gen von der Großen Koalition all-inclusive. Da kannman sich einmal bedanken.
Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitiere ich denLeiter der Staatsanwaltschaft Hannover, der am 14. Fe-bruar 2014 sagte:Die Frage, ob es sich um Kinderpornos handelt, isteine schwierige Bewertungsfrage. Auf jeden Fallbefinden wir uns hier im Grenzbereich zu dem, wasJustiz unter Kinderpornografie versteht.Genau das haben wir heute Morgen auch im Innenaus-schuss von etlichen Experten gehört. Zwar verlangt derFall Edathy nach vielen Antworten, nach einer Antwortaber ganz besonders – das trifft auch auf große Verwun-derung bei den Menschen –: Warum kann jemand in die-sem Land derartige Bilder und Videos erwerben, und wirstreiten darüber, ob das strafbar sein soll?
Meine Damen und Herren, wenn Sie an die Kinderdenken, die man benötigt, um so etwas herzustellen,dann muss das Signal, das von dieser Debatte ausgeht,wohl sein: Da muss etwas geändert werden. Der § 184 bdes Strafgesetzbuches gehört präzisiert.
Jetzt zu den unangenehmeren Punkten. Bundesminis-ter Friedrich hat aus meiner Sicht – ich bin Nichtjurist;vielleicht fällt es mir leichter, dazu arglos etwas zu sa-gen –
menschlich, moralisch und auch juristisch einwandfreigehandelt; das sage ich jetzt einfach mal so.
Er hat weder Strafvereitelung begangen noch das Amts-geheimnis verletzt. Herr Friedrich hatte einen sehr be-rechtigten Grund. Deshalb war er auch befugt, HerrnGabriel – Achtung, nicht als SPD-Parteivorsitzenden,ausdrücklich nicht, sondern als künftigen Vizekanzler ei-ner Regierung,
wie deutlich zu erkennen war – vor einer eventuell fal-schen Personalentscheidung zu warnen.
Meine Damen und Herren, die Sorge um eine Schädi-gung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland,hätte man beispielsweise einen Staatsminister Edathy imAuswärtigen Amt – Vorwurf: Pädophilie –, ist derGrund, warum Herr Friedrich so handeln musste, warumer gezwungen war, Herrn Gabriel diese Information zugeben, nämlich mit Blick auf eine mögliche künftige Re-gierung.
Liebe SPD, bei aller Koalitionsliebe: Wir haben bzw.Herr Friedrich hat das nicht Ihrem Parteivorsitzendengesagt. Wir haben es dem potenziellen Vizekanzler ge-sagt.
Ich kenne aus meinem Führungsalltag von früher denSatz: Führen macht hin und wieder einsam. Je grüner derStift, desto einsamer bist du.
Meine Damen und Herren, die Entscheidung, HerrnGabriel diese Information zu geben, war richtig. DieEntscheidung von Herrn Gabriel, sie weiterzugeben, war
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014 1185
Armin Schuster
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in dem Sinne nicht richtig. Das war eines der Dinge, dieer hätte aushalten müssen; so sind diese einsamen Ent-scheidungen. Vier Wochen – vielleicht drei Wochen –hätte er in diesem Fall einfach sagen müssen: Nicht mitmir!
Sie hätten sich vielleicht gewundert; aber drei Wochenspäter hätten Sie es verstanden. Dann hätten wir heuteüberhaupt nicht diese Debatte. Die Weitergabe der Infor-mation an Herrn Oppermann, an Herrn Steinmeier seheich an dem Punkt wirklich kritisch.Herr Oppermann, ich finde es stark, dass Sie da sind.Ich brauche Sie gar nicht reden zu hören, weil Sie da-nach im Ausschuss sind. Sie stellen sich heute hier derDebatte; das finde ich gut. Ich fordere nicht Ihren Rück-tritt, auf keinen Fall. Aber Sie müssen sich gefallen las-sen, dass man Ihnen sagt, dass das einfach zu häufig pas-siert: Wenn Sie mit Menschen reden, kommen die sofortin Schwierigkeiten – ob das Ihre Kollegin Lambrecht ist,die neben Ihnen sitzt, oder ob das der BKA-Präsident ist.Er sagte heute Morgen im Ausschuss: Der Anruf war fürmich einfach schwierig. – Er war, wie er sagte, deswe-gen an der Grenze der Freundlichkeit, weil er wusste:Ich kann eigentlich gar nicht mit ihm reden.Der Pressedruck, dem Sie am Mittwoch erlegen sind,verursachte Herrn Friedrich Schwierigkeiten mit ultima-tiven Auswirkungen. Deswegen müssen Sie das jetztaushalten, und ich glaube, das kann man aushalten – Siebenutzen auch einen grünen Stift –; so ist das Leben.Wie das am Ende ausgeht, entscheiden Sie nachher sel-ber. Wir sind gespannt darauf, was Sie uns dann zu sagenhaben.Meine Damen und Herren, bei meinen Wahlkreis-terminen habe ich in den letzten Wochen gesagt: So siehtder Start einer guten Koalition aus. – Ich habe schon ein-mal einen mitgemacht, den ich am Anfang nicht so starkfand.
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
Wir sollten uns nicht aus der Bahn werfen lassen
durch diesen Vorgang,
sondern, wie es Herr Mayer gesagt hat, neue Kraft
schöpfen, uns unmissverständlich aussprechen – manch-
mal auch hinter verschlossenen Türen wie gestern
Abend –,
nachher sauber abarbeiten und aufklären und dann,
meine Damen und Herren, uns gemeinsam dem § 184 b
Strafgesetzbuch zuwenden, damit solche Debatten hier
ein Ende haben.
Ich danke Ihnen.
Frank Tempel erhält nun das Wort für die Fraktion
Die Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damenund Herren! Sehr geehrter Herr Schuster, „potenziellerVizekanzler“ ist keine Rechtsstellung. Vielleicht könntesich jemand von Ihnen in den nächsten Beiträgen etwaskompetenter damit auseinandersetzen.
In meiner Zeit als Kriminalbeamter hatte ich mit Kor-ruptionsdelikten zu tun. Dabei habe ich persönlich denEindruck gewonnen, dass ab einer gewissen gesell-schaftlichen Position Menschen dazu neigen – dem Ge-fühl nachgeben –, rechtliche Spielräume für sich weiterauslegen zu können, als das für den normalen Bürgergilt. In Ihrer Abgeordnetentätigkeit werden Sie ein Kli-schee kennengelernt haben, das uns in der Bevölkerungrecht häufig begegnet: Die Großkopferten machen docheigentlich, was sie wollen. – Das politische Verhalten,das heute in dieser Diskussion zutage tritt, hat diesesKlischee, dass es innerhalb der politischen Elite ein ein-geschränktes Rechtsstaatsverhältnis gibt, sehr deutlichbedient.
Wenn wir heute häufig hören, dass es darum gegangensei, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, muss ichsagen: Hier ist politischer Schaden entstanden.Es wurde ganz richtig gesagt, dass es in unserem Sys-tem eine Gewaltenteilung gibt. Das heißt, die Entschei-dung, wer sich tatsächlich strafbar gemacht hat, obliegtden Gerichten. Das gilt auch für den Fall Edathy. Deswe-gen bitte ich Sie, vom eigenen Verhalten nicht perma-nent mit Hinweisen auf den Fall Edathy abzulenken.
Was wir zu beurteilen und zu diskutieren haben, istpolitisches Fehlverhalten von einzelnen Abgeordneten,von Bundesbehörden und auch von Bundesministern. Daheißt es, politische Größe zu zeigen, auch einmal zu sa-gen: Hier lag ein Fehler vor, hier müssen wir umsteuern;wir müssen schauen, dass dieser Fehler nie wieder pas-siert. – Da kann man nicht permanent in Verteidigungs-haltung gehen und sagen, man habe doch alles richtiggemacht.
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1186 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014
Frank Tempel
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Wenn weder Frau Merkel noch Herr Seehofer HerrnFriedrich Rückendeckung geben will, dann kann ja wohlnicht alles richtig gewesen sein. Warum haben Sie nichtdie politische Größe, in dieser Aktuellen Stunde, die Sieauf die Tagesordnung gesetzt haben, auch einmal zu sa-gen: „Das war falsch, und das müssen wir ändern“?
Der Innenausschuss ist durchaus geeignet, ein gewis-ses Maß an Aufklärung zu ermöglichen. Es ist aber be-dauerlich, dass das hinter verschlossenen Türen erfolgt.Wir haben konkrete Sachverhalte und Vorwürfe zu-mindest zu diskutieren, unter anderem, was ein Ministerdarf und was nicht. Der Geheimnisverrat ist nicht nur einStraftatbestand, sondern damit geht auch der Vorwurf ei-ner Dienstpflichtverletzung einher, und natürlich habenwir uns damit zu beschäftigen.Was ein Geheimnisverrat ist, ist im Gesetz nun einmaldefiniert. Wenn ein Amtsträger ein Geheimnis an unbe-rechtigte Personen weitergibt, ist das strafbar. Bei derrechtlichen Bewertung ist übrigens zu bedenken, dassdas öffentliche Interesse besonders groß ist, wenn es umstaatsanwaltschaftliche Ermittlungen geht. Das kannman in jedem Rechtskommentar nachlesen, HerrSchuster. Auch Polizeibeamte haben durchaus dieseKenntnis. Sie kommen in ihrer beruflichen Laufbahnnämlich permanent mit dem Thema Geheimnisverrat inBerührung und haben entsprechende Regelungen zu be-achten.Ich verstehe in dieser Diskussion auch nicht, warumpermanent in Verteidigungshaltung darauf abgestelltwird, dass zu diesem Zeitpunkt noch kein Strafverfahrenbestand. Das spielt keine Rolle. Auch Geheimnisse inBezug auf staatsanwaltschaftliche Vorermittlungen dür-fen nicht weitergegeben werden. Das müssen wir einfacheinmal festhalten. Es ist ein Ablenkungsmanöver, dassSie permanent darüber sprechen, dass noch nicht fest-steht, ob eine Straftat definitiv vorliegt. Dieses Argu-ment ist einfach falsch.Warum müssen wir darüber reden? Dieser ganze Vor-gang hat doch dazu geführt, dass der Innenminister indem Moment, in dem er die Information weitergegebenhat – und zwar an Personen, bei denen die Informationvielleicht doch nicht zuverlässig verblieben ist –, nichtmehr Herr über diese Information war. Das ist ganz ein-fach Fakt. Er hat die Hoheit über diese Information auf-gegeben. Er hat aber politisch zu verantworten, was mitdieser Information passiert.Sie stellen sehr gerne darauf ab, wie viele Menschenin den Landeskriminalämtern, in den Dienststellen vonden Ermittlungen insgesamt Bescheid gewusst habenmüssen. Bisher ist lediglich bekannt, dass Herr Friedrichdie Information aus dieser Kette weitergegeben hat. Al-les andere sind Unterstellungen, die geprüft werdenmüssen.
Wir haben heute Herrn Ziercke im Innenausschussgefragt, ob bekannt ist, dass irgendwo in einer dieserDienststellen gegen die Verschwiegenheitspflicht versto-ßen wurde. Die Antwort war: Das ist bisher nicht be-kannt. – Bekannt ist aber aus der Aussage von HerrnGabriel und aus der Aussage von Herrn Friedrich – öf-fentlich vor Kameras –, dass die Information zumindestzwischen diesen beiden ausgetauscht wurde. Das ist dereinzig vorliegende Fakt im Zusammenhang mit der Wei-tergabe dieser Information.Was ist die Folge daraus? Der Geschädigte in diesemVerfahren ist in jedem Fall der Rechtsstaat; denn mitBlick auf die Schuld eines Herrn Edathy wird es Zweifelgeben, weil es den Vorwurf gibt, dass hier Geheimnisseweitergegeben worden sind.Damit komme ich zum Schluss. Wir müssen auch fra-gen – die Sitzung des Innenausschusses ist noch nichtbeendet; wir haben viele Fragen noch nicht gestellt –,aus welcher Rechtsstellung heraus der AbgeordneteOppermann Herrn Ziercke angerufen hat, der sich beiBeantwortung der telefonischen Anfrage ebenfalls desGeheimnisverrates schuldig gemacht hätte. Das hat erheute im Innenausschuss übrigens auch noch einmal be-stätigt: Er konnte nicht antworten. Er war durch den An-ruf von Herrn Oppermann rechtlich in einer Bredouille.Denn wie soll er mit diesem Anruf anders umgehen, alszu schweigen, was de facto als Bestätigung gesehen wer-den kann?Diese Frage werden wir Herrn Oppermann heute imInnenausschuss selbstverständlich stellen, damit er sichdazu äußern kann – leider nicht öffentlich.Danke schön.
Für die weiteren Redner will ich nur noch einmal da-
rauf hinweisen, dass in unserer Geschäftsordnung hin-
sichtlich der Aktuellen Stunden unmissverständlich fest-
gehalten ist, dass der einzelne Redner nicht länger als
fünf Minuten sprechen darf. Insofern ist der Großzügig-
keit des Präsidenten hier eine ziemlich unmissverständli-
che Grenze gesetzt. Deswegen bitte ich, das Signal so
ernst zu nehmen, wie es im Übrigen auch bei anderen
Debatten eigentlich gemeint ist.
Als nächster Redner hat nun der Kollege Burkhard
Lischka das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der FallSebastian Edathy, den wir heute hier debattieren, wirftzahlreiche Fragen auf. So ist bei diesem Fall beispiels-weise sehr häufig die Rede davon, dass sich die Bilder,die Herr Edathy offensichtlich bezogen hat, in einer so-genannten rechtlichen Grauzone zur Kinderpornografiebefinden. Das muss uns als Gesetzgeber ja hellhörig ma-
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014 1187
Burkhard Lischka
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chen: Grauzone! Ich finde, eine Grauzone ist, wenn esum den Schutz unserer Kinder und Jugendlichen geht,nicht hinnehmbar.
Wenn Fotos von nackten Kindern und Jugendlichenvermarktet werden, dann ist das ein schwerer Verstoßgegen die Menschenwürde dieser Kinder und Jugendli-chen. Wir als Gesetzgeber sind aufgefordert, ernsthaftdarüber nachzudenken, ob wir in der Vergangenheit al-les, aber auch wirklich alles getan haben, um Kinder undJugendliche als die schwächsten Mitglieder unserer Ge-sellschaft bestmöglich zu schützen. Ich sage für meineFraktion ganz deutlich: Mit den Bildern, auf denen dieKörper von nackten Kindern und Jugendlichen zu sehensind, dürfen keine Geschäfte gemacht werden. Das istnicht zu tolerieren.
Was sich hinter diesen Bildern verbirgt, sind sehr häu-fig gebrochene Kinderseelen; Menschen, die sehr oft einLeben lang darunter leiden, dass Nacktfotos von ihnenim Internet vertrieben werden. Deshalb werden wir sorg-fältig zu prüfen haben, wie wir diese ekelhaften „Grau-zonen“ beseitigen.Sehr grundsätzlich müssen wir uns alle gemeinsamfragen, wie wir mit diesem Fall eigentlich umgehen. Mitjeder neuen voreiligen Schuldzuweisung, mit jeder insBlaue gemachten Spekulation und Mutmaßung säen wirzusätzliches Misstrauen gegen Politik im Allgemeinen,und zwar grundsätzlich gegen jede Form von Politik, un-abhängig von der Farbe.Der Fall Sebastian Edathy ist ein Einzelfall. Was esheute noch an offenen Fragen gibt, das muss aufgeklärtwerden und das wird aufgeklärt werden. Was die straf-rechtliche Aufklärung angeht, so ist das Sache der zu-ständigen Staatsanwaltschaft. Bei aller Kritik, die ich ander staatsanwaltschaftlichen Arbeit in den letzten Tagenlesen konnte, sage ich hier sehr deutlich: Lasst dieStaatsanwälte ihre Arbeit machen. Bei ihnen ist die straf-rechtliche Aufklärung gut aufgehoben.
Was die sonstige Aufarbeitung dieses Falles angeht,so sage ich für meine Fraktion: Wir haben nichts zu ver-tuschen. Wir haben nichts zu verheimlichen. Mein Frak-tionsvorsitzender hat von Anfang an in dieser Sache rei-nen Tisch gemacht.
Er hat offengelegt, was er wusste. Dafür hat er Kritikeinstecken müssen, ja. Aber er hat vor allen Dingen dieTransparenz und die Wahrhaftigkeit an den Tag gelegt,die die Bürgerinnen und Bürger von uns Politikern jedenTag zu Recht erwarten dürfen.
Deshalb sage ich allen, die jetzt sehr leichtfertig, wieich finde, von einer „Koalitionskrise“ oder gar einer„Regierungskrise“ sprechen: Wir, CDU, CSU und SPD,werden uns wegen dieser Sache nicht entzweien.Recht herzlichen Dank.
Die Kollegin Irene Mihalic hat nun das Wort für die
Fraktion Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!Liebe Kollegen! Liebe Vertreterinnen und Vertreter derKoalition! Herr Lischka, diese Aktuelle Stunde „Kriseder Großen Koalition“ zu nennen, wäre weitaus treffen-der gewesen.
Ich gehe sogar noch weiter: Ihr Lavieren, Ihre Wider-sprüche und Ihre gegenseitigen Schuldzuweisungen indieser Sache sind ein Offenbarungseid. Das ist eineschwere Hypothek für die politische Kultur unseres Lan-des.
Die Krise der Großen Koalition hat drei Dimensio-nen:Erstens. Die politische Krise: Ein Minister musste be-reits gehen, weitere Funktionsträger stehen hier massivunter Druck. Aber wo war denn die Kanzlerin in denletzten Tagen? Das ist ihre Regierung.
Sie sollte doch diejenige sein, die im Zentrum der Kri-senkommunikation steht. Sie sollte diejenige sein, die er-kennbar dafür sorgt, dass diese Vorgänge umfassend auf-geklärt werden. Stattdessen erklärt die Kanzlerin eherbeiläufig in der Öffentlichkeit, dass sie wieder Vertrauenherstellen will, hält aber dann Geheimtreffen im Kanz-leramt ab. Das, was hier in Sachen Krisenmanagementabgeliefert wird, ist ein Trauerspiel.
Zweitens. Wir erleben eine schwere Vertrauenskrisein Bezug auf die Institutionen unseres Rechtsstaates.Auch hier wäre ein entsprechendes Krisenmanagementbitter nötig. Die Kommunikation zwischen dem BKAund dem Bundesinnenministerium verlief – zumindestrechtlich – auf sehr zweifelhaften Bahnen. Landeskrimi-nalämter werden breit über den Fall Edathy informiert.Herr Oppermann ruft beim BKA-Präsidenten an, umsich Sachverhalte aus laufenden Ermittlungen bestätigenzu lassen. Frau Högl und auch Herr Schuster – er istoffenbar gerade nicht anwesend; wir sind beide Polizis-ten –, wir wissen doch, dass ein Polizist, der zu so etwas
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1188 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014
Irene Mihalic
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Auskunft geben würde, sofort vom Dienst suspendiertwerden würde. Das muss doch klar sein.
Die Menschen vertrauen darauf, dass solche Dingenach Recht und Gesetz ablaufen und dass Informations-wege stets nachvollziehbar sind und auf einer klarenRechtsgrundlage basieren. Dieses Vertrauen muss drin-gend wiederhergestellt werden, indem haarklein aufge-klärt wird. Aber dazu sind Sie offensichtlich nicht bereit.Herr Oppermann hat gestern auch deutlich gemacht,dass Sie in den Alltagsmodus zurückkehren möchten.Sie ducken sich weg, aber das werden wir Ihnen nichtdurchgehen lassen.
Drittens haben wir es mit einer tiefen moralischenKrise in dieser Regierungskoalition zu tun. Kaum hatHerr Friedrich die richtigen Konsequenzen für seinenUmgang mit den Informationen gezogen, beginnt jetzteine völlig schiefe Debatte. Statt nun im Bewusstsein fürdie staatspolitische Verantwortung klare Konsequenzenim Regierungshandeln zu ziehen, zerlegen Sie sich imParteienstreit.Das Hauptproblem der CSU ist doch die Frage, werjetzt aufseiten der SPD als Kompensation für HerrnFriedrich seinen Posten räumen muss. Selbst bei Rück-tritten soll es also proportional zugehen. Am Samstagholte Herr Seehofer empört zum Gegenschlag aus undzeigte damit, dass ihm die rechtsstaatlichen Aspekte indieser Angelegenheit völlig egal sind. Er beklagt sichüber die Geschwätzigkeit der SPD, statt die verantwor-tungslose Informationspolitik der Regierung selbstkri-tisch zu hinterfragen. Das zeigt wieder einmal deutlichdas Verhältnis der CSU zur politischen Kultur: Partneroder Freunde taugen eben nur etwas, wenn sie sich alsAmigos beweisen. Da dies nicht geschehen ist, wird nurnoch über Rache statt über Aufklärung geredet.
Es wird sogar laut darüber nachgedacht, ob Zugeständ-nisse der SPD, zum Beispiel bei der Pkw-Maut, nicht dieSchmerzen über den Rücktritt etwas lindern können.Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo sind wir denn hier?
Dieser Cliquengeist, der in den Äußerungen der letz-ten Tage deutlich wurde, war doch der entscheidendeKitt bei den Koalitionsverhandlungen. Wir fordern Sieauf, endlich im Sinne derjenigen zu handeln, die Sie re-gieren sollen. Die Bürgerinnen und Bürger haben einesolche Selbstbezogenheit der Großen Koalition nichtverdient. Wir müssen alles dafür tun, dass das Vertrauenin unseren Rechtsstaat und in die Politik wiederherge-stellt wird. Das alles beginnt mit einer lückenlosen Auf-klärung.Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD,wie auch Sie, Herr Oppermann, können Ihren Beitragdazu heute Nachmittag im Innenausschuss noch leisten.Ganz herzlichen Dank.
Nun hat die Kollegin Silke Launert das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Verkehrte Welt: Das habe ich Freitagabendgedacht, als ich erfahren habe, dass der ehemalige Bun-desinnenminister, inzwischen Landwirtschaftsminister,Dr. Hans-Peter Friedrich zurücktreten musste.
– Jetzt auch ehemals. Das stimmt. – Der Grund: Erwollte durch das Informieren von Herrn Gabriel verhin-dern, dass jemand, der Bilder von nackten Jungs käuflicherworben hat, zum Beispiel Staatssekretär oder vielleichtsogar Justizminister wird.Ich bin baff angesichts der juristischen Kenntnisse ei-niger Kolleginnen und Kollegen. Ich war zehn Jahrelang in der Justiz, aber ich konnte Fragen im Zusammen-hang mit einem solchen Fall nicht so schnell eindeutigbeantworten, die Staatsanwaltschaft auch nicht. Sie prüfterst einmal, ob sie ein Ermittlungsverfahren einleitet.Aber Sie wissen, wie das alles zu beurteilen ist. Donner-wetter!Unabhängig davon, wie man das letztlich juristischbeurteilt, muss ich sagen: Ich finde es menschlich sehrnachvollziehbar, dass er nicht wollte, dass so jemandStaatssekretär oder Minister wird.
Auf der anderen Seite gibt es großes Geschrei. HerrEdathy fühlt sich als Opfer. Denn der Kauf von Bildernnackter Jungs ist kein strafbares Verhalten. Jetzt wirdauch noch im Ernst die Frage aufgeworfen, ob dieserstraffreie Besitz überhaupt eine Durchsuchung rechtfer-tigen kann. Wissen Sie, was ich mich sofort gefragthabe? – Wer denkt denn an die Opfer? Wer denkt an dieKinder, und warum sind Besitz und Erwerb von Bildernmit nackten Kindern nicht strafbar? Diese Fragen habeich mir schon gestellt, als ich noch als Staatsanwältin mitder Verfolgung von Kinderpornografie befasst war.Wie sieht die Praxis aus? Sie haben endlich genügendAnhaltspunkte gegen einen Pädophilen, ordnen eineDurchsuchung an und finden dabei Hunderte Bilder mitnackten Kindern. Dann muss das gesamte Material ge-sichtet werden: Ist das eine sexuelle Handlung von, anoder vor einem Kind? Ist das eine geschlechtsbetontePose, ja oder nein? Ist es eine Handlung in diesem
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Dr. Silke Launert
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Rechtssinne, wenn das Kind nackt schläft und breitbei-nig daliegt? Häufig lautet die Antwort in der Praxis:Nein, das ist keine solche Handlung. Das ist also nichtstrafbar. – Wenn aber jemand eine Kopie von einer DVDoder CD macht, dann kann strafbares Verhalten vorlie-gen. Auf der einen Seite geht es um Vermögensinteres-sen, auf der anderen Seite um das Wohl der Kinder.Auch wenn es bedauerlich ist, dass es erst einen FallEdathy brauchte, freue ich mich sehr, dass nun endlicheine Diskussion über die Verschärfung der Strafvor-schriften im Bereich der Kinderpornografie in Gang ge-kommen ist.
Meiner Ansicht nach sollten diese Straftaten strenger be-wertet und härter bestraft werden. Der Erwerb von Bil-dern mit nackten Kindern sollte strafbar sein; denn dieseBilder müssen irgendwo gemacht werden. Es ist nichtso, dass ein Nachbar über den Gartenzaun schaut und fo-tografiert, wie nackte Kinder durch den Garten rennen.Vielmehr werden die Kinder ganz gezielt angesprochen,beeinflusst und für die Herstellung solcher Bilder be-nutzt. Glauben Sie, dass die Herstellung und die Tatsa-che, dass solche Nacktbilder vielleicht ein Leben lang imInternet stehen, spurlos an den Kindern vorbeigehen?Sowohl diejenigen, die solche Bilder herstellen, alsauch diejenigen, die solche Bilder erwerben und damitüberhaupt erst einen entsprechenden Markt ermöglichen,spielen mit den Seelen von Kindern, die vielleicht einLeben lang darunter leiden. Deshalb ist der Staat ver-pflichtet, sich vor diese Kinder zu stellen. Es ist toll, dassschon viele andere das gesagt haben. Es ist toll, dass vonhier aus das Signal ausgeht: Wir wollen die Opfer schüt-zen. – Denn es darf nicht immer nur – das weiß ich auf-grund meiner eigenen praktischen Erfahrungen – um Tä-terschutz gehen. Wir brauchen auch Opferschutz.
Ganz ehrlich, das ist mir viel wichtiger als die Frage, obein Herr Oppermann geht oder nicht.Vielen Dank.
Frau Kollegin Launert, das war Ihre erste Rede im
Deutschen Bundestag. Es gibt einfachere Debatten als
diese. Ich gratuliere Ihnen herzlich zu Ihrem ersten Bei-
trag und wünsche Ihnen alles Gute für die weitere parla-
mentarische Arbeit.
Sönke Rix erhält nun das Wort für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird uns allenso gehen: Wenn es um das Thema Kindesmissbrauchgeht, wenn es um Gewalt, insbesondere um sexuelle Ge-walt, gegen Kinder geht, dann haben wir einen Kloß imHals. Wir verspüren Unbehagen und sind emotional sehrergriffen. Das ist auch gut so; denn es gibt nichts Schlim-meres, als Kindern Gewalt anzutun, egal ob seelischeoder körperliche.
Ganz besonders schockierend ist es, wenn diese The-matik mit jemandem in Verbindung gebracht wird, denman persönlich kennt. Dann ist man emotional nochmehr ergriffen. Umso schwieriger ist es dann, mit einersolchen Thematik umzugehen. Aber wir als Familien-,Kinder- und Jugendpolitiker gehen regelmäßig mit die-ser Thematik um. Es ist unsere Aufgabe, uns ständig umden Kinder- und Jugendschutz zu kümmern. Es ist einedauerhafte Aufgabe für uns, nicht nur dann, wenn der so-genannte Fall Edathy auf der Tagesordnung steht. Unab-hängig von diesem Fall ist es leider harter Alltag, dasssich pädophile, kranke Menschen an solchen Bildern er-götzen. Es ist aber auch harter Alltag, dass Menschenmit solchem Bildmaterial Geschäfte machen. Es ist un-sere Aufgabe, dieses zu beenden.
Das haben wir in den letzten Jahren auch getan. Vorzwei Wahlperioden haben wir uns mit genau diesemThema schon auseinandergesetzt und sind teilweise auchzu gesetzlichen Verschärfungen in diesem Bereich ge-kommen.Aber eine vielleicht viel wichtigere Aufgabe ist es, zuschauen, wie wir präventiv mit dieser Thematik umge-hen. Wie gehen wir damit um, dass es Menschen gibt,die sich durch das Betrachten solcher Bilder befriedigen,und solche, die mit diesen Bildern Geld verdienen? Waskönnen wir dafür tun, dass Kinder nicht Opfer solcherGewalt werden? Wie stärken wir Kinder in dieser Situa-tion? Wie klären wir Eltern, Erzieherinnen und Erzieher,Lehrerinnen und Lehrer darüber auf? Ich glaube nicht,dass wir in einen Wettlauf darüber eintreten sollten, wiehoch wir die einzelnen Strafgrenzen setzen, wobei ichsagen muss: Wir müssen genau an dieser Grauzone– Burkhard Lischka hat es bereits gesagt – ansetzen; esdarf in diesem Bereich keine Grauzone geben. Es darfaber nicht das Einzige sein, dass wir nur an den straf-rechtlichen Grenzen arbeiten.
Ich bin der Familienministerin und dem Justizminis-ter sehr dankbar, dass sie gesagt haben, dass sie sich mitdiesem Thema beschäftigen werden. Beide haben aberauch gesagt, dass sie zunächst einmal Möglichkeitenprüfen werden, und haben davor gewarnt, zu hohe An-sprüche an dieser Stelle zu haben. Wir müssen tatsäch-lich sagen: Es gibt leider Grenzen, an die der Rechtsstaat
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Sönke Rix
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und die Gesellschaft stoßen. Aber wir müssen immerweiter daran arbeiten, dass diese Grenzen neu gesetztwerden, sodass die Grauzonen überwunden werden kön-nen. Ziel unserer Politik muss dabei vor allen Dingen einGrundsatz sein: Bildmaterial von kleinen Kindern, nacktoder freizügig, darf keine Ware sein.
Vor 25 Jahren ist die UN-Kinderrechtskonventionverabschiedet worden. Wir feiern jetzt das 25-jährige Ju-biläum. Eines der wichtigsten Rechte, die dort formuliertsind, ist, dass Kinder ohne körperliche und seelische Ge-walt aufwachsen sollen. Ich finde, das ist ein guterGrundsatz. Wir sollten unsere Arbeit im Parlament indiesem Jahr diesem Grundsatz widmen und daran arbei-ten, dass dieser Grundsatz Wirklichkeit wird.Lassen Sie mich abschließend noch eine Bemerkungzu der Frage machen, ob wir eine Staatskrise, eine Re-gierungskrise oder eine Koalitionskrise haben. Es be-zweifelt gar keiner, dass in der Koalition natürlich jetztVertrauen wiederhergestellt werden muss. Ich glaube,Herr Kollege Seehofer hat heute gesagt: Wir haben eineArbeitsgrundlage, aber an der Vertrauensgrundlage müs-sen wir noch arbeiten. – Ich sage Ihnen aber: Durch ver-nünftige Arbeit – die wird diese Große Koalition machen –wird auch wieder Vertrauen entstehen.Herzlichen Dank.
Hans-Peter Uhl erhält nun das Wort für die CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen undKollegen! Der Präsident des Bundeskriminalamts hatheute früh eindrucksvoll berichtet, dass uns allein imRahmen der Aktion der Kanadier 800 Menschen ausDeutschland gemeldet worden sind, nicht nur einer,nicht nur Edathy; es gibt 800 Edathys unter uns. Wirsollten nicht pharisäerhaft in eine Richtung zeigen. Siesind überall unter uns. Es ist gut so, dass wir heute diesesehr ernsthafte und offene Debatte über die Umständeund über die Fragen führen, wie wir mit solchen Fällenumgehen und wie wir rechtspolitisch darauf antwortenwollen.Zunächst zu der Frage, wie der Rechtsstaat damit um-geht. Die Bürger achten sehr genau darauf, ob sie Ver-trauen in diesen Staat haben können. Das gilt gerade fürden Fall, wenn ein Prominenter in ein so schrecklichesVerbrechen verstrickt ist, in welcher Form auch immer;ich will nichts unterstellen. Sie wollen sehen, ob diePolitiker und die Justiz, die Exekutive und die Legisla-tive korrekt mit dem Fall umgehen. Auf diese Frage derKorrektheit möchte ich eingehen.Ich möchte mit dem auslösenden Element, also mitdem Handeln des ehemaligen BundesinnenministersFriedrich, anfangen. Dazu sind einige richtige Dinge undeinige nicht ganz richtige gesagt worden.Stichwort „Geheimnisverrat“. Der Tatbestand heißt– das ist nachzulesen in § 353 b Strafgesetzbuch –:Wenn ein Amtsträger „unbefugt“ – ganz wichtig: unbe-fugt – Geheimnisse „offenbart und dadurch wichtige öf-fentliche Interessen gefährdet …“. Wenden Sie diesenTatbestand auf das Verhalten von Friedrich an. EinMinister ist im Umgang mit Abgeordneten oder wemauch immer befugt, zu entscheiden, was er sagen darfund was nicht. Ein Polizist, Herr Kollege von den Lin-ken, ist dazu nicht befugt, sondern er ist im Weisungs-strang; er darf Geheimnisse nicht verraten. Beim Minis-ter sieht das anders aus.
– Ja, so ist das. – Er kann ja niemanden fragen. DerMinister ist der Chef der Behörde.
Die Frage, ob wichtige öffentliche Interessen gefähr-det sind, wurde hinreichend diskutiert; sie will ich jetztnicht weiter erörtern. Da kann man verschiedene Mei-nungen vertreten.Ich sage Ihnen eines – zur Frage: geht der Rechtsstaatkorrekt mit den Dingen um? –: Ich an seiner Stelle hättedie Dinge nicht weiterberichtet, auch nicht andeutungs-weise. Ich hätte mich anders verhalten. Wenn er in einpaar Monaten noch einmal darüber nachdenkt und insich geht, wird er vielleicht zum gleichen Ergebnis kom-men, vielleicht auch nicht. Nur, rechtswidrig war seinVerhalten zu keinem Zeitpunkt. Das wird auch dieStaatsanwaltschaft in Berlin noch zu lernen haben.
Auf die Staatsanwaltschaft will ich ganz gern einge-hen, weil ich mich immer wieder wundere über die Öf-fentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaften in Deutsch-land. Meine Damen und Herren, es kann so nichtweitergehen,
dass schon die Vorermittlungen per Presseerklärung mit-geteilt werden, mit allen Details von betroffenen Men-schen, völlig unschuldigen Menschen. Das geht so nichtweiter! Die Justizminister unserer Länder müssen auf dieGeneralstaatsanwälte und diese auf die Staatsanwalt-schaften einwirken, dass sie dieses Treiben unterlassenund die Medien dabei leider enttäuschen. Es ist ihrePflicht, zu schweigen.
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Dr. Hans-Peter Uhl
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Nun zu Ihnen, Herr Oppermann. Ich will Sie hiernicht ohne Not angreifen. Die Dinge sind ja zum großenTeil aufgeklärt. Sie werden nachher noch die Gelegen-heit haben, im Innenausschuss zu sprechen. Herr Zierckehat es ja eindrucksvoll getan. Er schilderte seinen Ein-druck von dem Telefonat mit Ihnen. Er hat geschwiegen,weil er durch das Telefonat in Verlegenheit gebrachtwurde. Denn bei ihm wäre es natürlich Geheimnisverratgewesen, wenn er gesprochen hätte, vielleicht sogar einweiter gehendes Delikt, nämlich Strafvereitelung imAmte. Also, er hat geschwiegen. Das glaube ich ihmauch.Aber auch Sie sollten sich überlegen: Wie geht derRechtsstaat mit solchen Fällen um, wenn ein Abgeord-neter betroffen ist? War es politisch klug – ich rede nichtvon Rechtswidrigkeit –, den Anschein zu erwecken, ineinem Telefongespräch könnte das eine oder anderenicht ganz sauber ausgehandelt werden? Das darf in ei-ner unabhängigen Judikative nicht sein. – Das hätten Sievielleicht doch besser vermeiden sollen.
Ich komme zum Schluss. Ich finde, wir sollten aus al-len diesen Dingen lernen. Es ist schon angesprochenworden: Wenn Staatsanwaltschaften in ganz Deutsch-land mit dem Umstand, dass widerwärtige Menschennackte Buben fotografieren – sie müssen gegen ihrenWillen posieren – und damit Geld machen und dass an-dere – kranke Menschen, pädophile Menschen – Geldfür diese Bilder geben, umzugehen haben und unsereStaatsanwaltschaften sagen: „Das ist eine Grauzone“,dann stimmt etwas nicht in unserem Rechtsstaat. Diemuss weg, diese Grauzone. Das ist unsere gemeinsameAufgabe. Ich möchte Sie alle gemeinsam bitten, mög-lichst rasch die Vorschriften zu verbessern.
Letzter Redner in der Aktuellen Stunde ist der Kol-
lege Helmut Brandt für die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Lassen Sie mich als letzten Rednerzu Beginn auf zwei Kollegen eingehen, die gesprochenhaben.Herr Bartsch, natürlich haben Sie das gute Recht, hierzu diesem Thema zu reden. Aber Sie sollten sich dannwirklich vorher über das Ergebnis des heutigen Innen-ausschusses informieren.
Dann hätten Sie gewusst, dass das mit der Postversen-dung etwas anders war, als Sie es hier dargestellt haben.
Worüber ich mich auch sehr wundere, sind die Aus-führungen von Konstantin von Notz. Herr von Notz, Sieals Jurist müssten im Grunde genommen wissen – ohnedass Sie es im Innenausschuss noch hinterfragen müs-sen –, dass eine Unterrichtungsverpflichtung zwischendem Bundeskriminalamt und dem Innenministerium be-steht.
Dass Sie das hinterfragen, kann ich wirklich nicht mehrnachvollziehen.
Dass hier dann aber auch noch behauptet wird, das seiheute Morgen nicht hinreichend geklärt worden, machtmich – das muss ich ehrlich sagen – fast sprachlos.
Es ist mir wirklich ein Anliegen, hier noch einmal aufHans-Peter Friedrich zu sprechen zu kommen. Ich findees schon unanständig, bei jemandem, der Minister gewe-sen ist, der sich während seiner ganzen Amtszeit gegen-über jedermann immer fair und ordentlich benommenhat und der wegen einer solchen Sache zurücktretenmusste, hier und heute sozusagen nachzutreten. Dasfinde ich wirklich nicht angemessen; im Gegenteil. Ichhabe mit vielen anderen gerade Hans-Peter Friedrich im-mer wieder als einen rechtschaffenen und wirklich sehrguten und sehr gewissenhaften Minister erlebt. Ichmöchte mich für seine Tätigkeit in der Vergangenheit andieser Stelle einmal ganz herzlich bedanken.
Neben dem Rücktritt, neben dieser politischen Di-mension, derentwegen wir heute diese Debatte führen– das ist eben schon angesprochen worden, auch vonHerrn Tempel; ich will darauf zum Schluss noch einmalzurückkommen –, gibt es natürlich die Frage: Hat sichder Minister seinerzeit in irgendeiner Form strafbar ge-macht? Es gibt ja immerhin die Meldung, dass das vonder Staatsanwaltschaft überprüft wird. Hans-Peter Uhlhat die Vorschrift bereits zitiert. Ich möchte das nocheinmal etwas genauer beleuchten, weil auch hier immerwieder der Eindruck erweckt wird – das höre ich ja auchbei den Zwischenrufen –, als sei ganz klar, dass das, wasHans-Peter Friedrich in dieser konkreten Situation getanhat, etwas Rechtswidriges gewesen ist. Ich bin der festenÜberzeugung, dass das nicht der Fall ist, und zwar auszwei Gründen.Den Hintergrund brauche ich nicht noch einmal dar-zustellen. Dass in der konkreten Situation zumindest dieMöglichkeit bestand, dass der inzwischen ausgeschie-dene Kollege Edathy in ein Regierungsamt kommt, weißjeder; das wusste natürlich auch der Minister. Dass er indieser Situation Schaden von uns allen abwenden wollte,dass er verhindern wollte, dass dies passiert, war die Mo-tivation.Aber die Fragen sind: Erstens. War er dazu befugt?Zweitens. Standen dieser vertraulichen Weiterleitung an
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1192 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2014
Helmut Brandt
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Herrn Gabriel öffentliche Interessen entgegen? Warensolche gefährdet? Da muss man bei sachlicher und nüch-terner Überlegung Folgendes sehen: Wir haben heuteMorgen im Ausschuss von Herrn Staatssekretär Fritschegehört, dass Hans-Peter Friedrich dem Herrn Gabrieldiese Information vertraulich und in der notwendigenKürze – sie lag ihm auch nur so vor – zur Kenntnis ge-bracht hat. Einmal könnte man sagen, dass er als Minis-ter durchaus dazu befugt war; da teile ich die Meinungvon Hans-Peter Uhl. Damit hat er auch nichts getan, waswichtige öffentliche Interessen gefährdet hätte, sondernim Gegenteil: Was er in der konkreten Situation empfun-den hat, war, dass wichtige öffentliche Interessen geradedafür sprachen, so zu handeln, wie er gehandelt hat. Des-halb ist nach meiner Auffassung das, was er getan hat,weder strafrechtlich noch moralisch, noch politisch in ir-gendeiner Form in Zweifel zu ziehen.
– Er ist zurückgetreten, Herr Kollege Beck, weil er auf-grund der öffentlichen Handhabung dieses Themas ineine Situation geraten ist, in der man als verantwortungs-voller Politiker überlegen muss: Kann ich in dieser Si-tuation, bei dieser öffentlichen Darstellung das Amtnoch weiter ausfüllen? – Er hat im Morgenmagazinselbst sehr deutlich gemacht, dass er nicht mehr das Ge-fühl hatte, dass das geht.
Man ist – das muss ich ganz ehrlich sagen – verantwor-tungsbewusst, wenn man daraus die entsprechendenKonsequenzen zieht.Wir haben gleich nach dieser Aktuellen Stunde dieFortsetzung der Innenausschusssitzung. Die eben Ange-sprochenen, aber auch Herr Gabriel und Herr Steinmeierwerden dem Innenausschuss heute Rede und Antwortstehen. Wir sind natürlich gespannt – nachdem wir heuteMorgen schon einiges erfahren konnten –, wie diese Sa-che sich aufklärt. Dann kann letztlich auch, denke ich,die Arbeit in diesem Hause, in der Großen Koalition undmit allen erfolgreich fortgesetzt werden.Besten Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord-
nung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf
morgen, Donnerstag, den 20. Februar, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.