Gesamtes Protokol
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist er-öffnet. Bitte nehmen Sie Platz.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vor-schlag für eine Verordnung des Rates zurÜbertragung besonderer Aufgaben im Zusam-menhang mit der Aufsicht über Kreditinsti-tute auf die Europäische Zentralbank– Drucksachen 17/13829, 17/13901 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss RechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschussEine Aussprache ist für heute nicht vorgesehen. Wirkommen daher gleich zur Überweisung.Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-wurfes auf Drucksache 17/13829 und 17/13901 an die inder Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-gen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das istnicht der Fall. Dann haben wir gemeinsam die Überwei-sung so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 2 a und 2 b auf:a) Beratung des Antrags der Abgeordneten KerstinTack, Elvira Drobinski-Weiß, Doris Barnett, wei-terer Abgeordneter und der Fraktion der SPDVerbraucherinnen und Verbraucher stärken –Marktwächter einführen– Drucksache 17/13709 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz InnenausschussRechtsausschussFinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und Technologie
richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt-schaft und Verbraucherschutz
– zu dem Antrag der Abgeordneten KerstinTack, Elvira Drobinski-Weiß, Willi Brase,weiterer Abgeordneter und der Fraktion derSPDVerbraucherschutz stärken – Finanzmarkt-wächter einführen– zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Lay,Dr. Axel Troost, Dr. Kirsten Tackmann, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEFinanzmärkte verbrauchergerecht regulie-ren – Finanzwächter und Finanz-TÜV ein-führen– zu dem Antrag der Abgeordneten NicoleMaisch, Dr. Gerhard Schick, Cornelia Behm,weiterer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENFinanzmarktwächter im Verbraucherinte-resse einrichten– Drucksachen 17/8894, 17/8764, 17/6503,17/9759 –Berichterstattung:Abgeordnete Mechthild HeilKerstin TackDr. Erik SchweickertCaren LayNicole MaischNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Auchhier gibt es keinen Widerspruch. Dann haben wir das sobeschlossen.
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31152 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013
Vizepräsident Eduard Oswald
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Jetzt eröffne ich die Aussprache. Ich habe gerade dieListe der Redner bekommen. Die erste Rednerin – –
– Dann können wir doch tauschen.
Dann machen wir das problemlos, es sei denn, siekommt in diesen Sekunden noch herein. – Nein.Dann ist der erste Redner für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Ralph Brinkhaus. Bitte schön, Kol-lege Ralph Brinkhaus.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Um die Verwirrungein bisschen aufzulösen: Diese Debatte, die sehr wichtigist, wollten wir eigentlich am Donnerstagabend letzterWoche durchführen. Wie der eine oder andere von denZuschauern in der Zeitung gelesen hat, ist der Bundestagam Donnerstagabend bei einer Abstimmung nicht mehrbeschlussfähig gewesen. Ich finde es richtig, dass dieseDebatte nun heute stattfindet. Wundern Sie sich abergleich bitte nicht, wenn einige Kollegen und Kollegin-nen aus dem Finanzausschuss wie eine Polonaise ausdem Saal ziehen. Diese Debatte kollidiert nämlich mitwichtigen Ausschusssitzungen, die schon lange ange-setzt waren, bevor diese Verschiebung stattgefunden hat.Grundsätzlich freue ich mich, dass ich als Finanzpoli-tiker über Verbraucherschutz reden kann. Ich freue michdeswegen, weil es ein sehr wichtiges Thema ist. Ichfreue mich auch deswegen, weil wir sehr viel im Bereichdes finanziellen Verbraucherschutzes gemacht haben.Das wird der Schwerpunkt meiner Ausführungen sein.Ich werde gleich darauf zurückkommen. Aber zunächsteinmal drei Vorbemerkungen:Die erste Vorbemerkung bezieht sich auf den BegriffFinanzmarktwächter bzw. Marktwächter. Er ist sehr irri-tierend. Ich finde, Sie sollten sich dafür einen anderenBegriff überlegen.
Der Begriff Wächter hört sich nach Überwachungsstaatin einem schlechten Science-Fiction-Film an. Ich glaube,mit diesem Begriff werden Sie dem Anliegen, welchesdurchaus ehrenwert ist, nicht gerecht.Zweite Vorbemerkung. Formulierungen in den einzel-nen Anträgen, insbesondere im jüngsten Antrag der SPDzu diesem Thema, sind ganz großes Drama. Im Antragsteht zum Beispiel der Satz: „Die soziale Marktwirt-schaft ist aus dem Lot geraten.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier kann man etwasmehr in die Tiefe gehen.Malatevn–dDtisgtuaMabeJmwwAvbreRushaAatuHOimddledsadHrawd
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Wir haben das große AIFM-Umsetzungsgesetz verab-schiedet. Wir haben damit einen riesigen Bereich ausdem grauen Kapitalmarkt herausgebrochen. Dadurchwurden geschlossene Fonds, die in der Tat Problempro-dukte waren, wie offene Fonds reguliert und vieles an-dere mehr auf den Weg gebracht.Wir haben uns darüber hinaus mit vielen kleinen The-men beschäftigt: mit Kontonummern, mit Geldautoma-ten, mit E-Geld. Wir haben – das ist sehr interessant –die Provision im Bereich der privaten Krankenversiche-rungen und der Lebensversicherungen gedeckelt.Wir haben also sehr viel gemacht. Wir sind nicht nurbei den Regeln stehen geblieben, sondern haben auchdas gemacht, was Sie fordern: Wir haben Aufsichtsstruk-turen im Hinblick auf den Verbraucherschutz neu organi-siert. Wir haben die deutschen Aufsichtsstrukturen refor-miert. Wir haben den Begriff „Verbraucherschutz“– auch das ist neu – in die Politik der BaFin, der Bundes-anstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, eingeführt. DerVerbraucherbeirat, der von uns eingerichtet worden ist,wird in diesen Wochen das erste Mal tagen. Wir habendarüber hinaus versucht, Beschwerdeverfahren weiter zunormieren.Es ist also ganz viel gemacht worden. Es ist jetzt na-türlich das Privileg der Opposition, zu sagen: Es ist nichtgenug; es hätte noch höher, schneller und weiter ge-macht werden können. Aber dafür sind Sie Oppositionund wir Regierung; wir müssen ja etwas haben, über daswir uns kabbeln können. Ich denke, es ist ganz vernünf-tig gelaufen und wird auch weiterhin so laufen.Jetzt kommen Sie, nachdem Sie die Aufsichtsstruktu-ren abgearbeitet haben, zu einer sehr interessanten Er-kenntnis: Der Staat kann nicht alles regeln. Da müsstejetzt eigentlich Beifall von der liberalen Seite kommen.
Das ist auch richtig: Der Staat kann in diesem Bereichnicht alles regeln. Sie kommen nun zu der Erkenntnisund sagen, na ja, es gibt ja neben dem Staat noch etwasanderes: die NGOs und die Verbraucherzentralen. Diesemachen doch einen guten Job in Deutschland. – Das istrichtig. Wir haben über 200 Beratungsstellen inDeutschland, die tagtäglich viele Beratungen durchfüh-ren und darauf achten, dass die Verbraucherrechte, imÜbrigen auch die individuellen Verbraucherrechte, be-achtet werden.Sie von der Opposition haben nun eine Idee und sa-gen: Machen wir diese Verbraucherzentrale doch zuMarktwächtern; ich benutze dieses Wort jetzt einmal,obwohl ich es eigentlich nicht mag. Das hat einen gewis-sen Charme und hört sich gut an. Jetzt muss ich aberzweimal Wasser in Ihren Wein gießen:Erstens. Wenn die Verbraucherzentralen die Interes-senvertreter der Verbraucher sind, dann sind sie partei-isch. Das heißt, sie müssten Partei ergreifen.
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Zum zweiten Widerspruch in Ihrem Anliegen: Dererbraucherzentrale Bundesverband und die einzelnenerbraucherzentralen, werden – je nachdem, in welchemundesland sie sich befinden – bis zu 85 Prozent durchtaatliche Gelder refinanziert. Wenn sie dann – so stehts zwar nicht in Ihrem Hauptantrag, aber in einigennderen Anträgen – quasi hoheitliche Aufgaben über-ehmen, also das Recht haben, die BaFin zu etwas auf-ufordern, dann stellt das eine Verlagerung in den außer-emokratischen Bereich dar; das muss man auch wissen.
er kontrolliert denn eigentlich dann das Verhalten dererbraucherzentralen? Wenn Sie dieser Zivilgesellschaftegierungsrechte übertragen, dann haben Sie damit einroblem. Das muss man anerkennen.Dementsprechend weiß ich nicht, meine Damen underren, ob es eine gute Idee ist, die Verbraucherzentra-n zu Marktwächtern zu machen. Aber ich würde Ihnenin Angebot machen, denn wir haben eine Lücke: Wirönnen die Informationen, die die Verbraucherzentralenglich in vielen Gesprächen in den 200 Beratungsstellenenerieren, viel besser nutzen, indem wir die BaFin aufer einen Seite und die Verbraucherzentralen auf der an-eren Seite zusammenbringen und einfach für einen ver-ünftigen Informationsfluss sorgen. Ich würde mir wün-chen, dass der Verbraucherbeirat bei der BaFin dieseufgabe angeht.Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen. Ichlaube – da sind wir uns wohl alle einig –, dass die Ver-raucherpolitik insbesondere im Bereich des finanziellenerbraucherschutzes noch nicht vollkommen ist; da sindir noch nicht fertig. Wir werden in der nächsten Legis-turperiode eine Menge Projekte anpacken müssen. Wiraben es bewusst so aufgeteilt; denn die beste Verbrau-herschutzpolitik besteht darin, dass die Finanzmärktetabil sind. Wir haben in dieser Legislaturperiode ange-ngen, dafür zu sorgen, und haben fast alles, was aufationaler Ebene zu regeln war, geregelt, haben über5 Gesetze auf den Weg gebracht. Ich denke, die nächsteegislaturperiode ist für uns Finanzer zumindest im Hin-lick auf das, was wir auf nationaler Ebene machen müs-en, die Legislaturperiode, in der der Verbraucherschutzoch viel stärker in den Fokus gerückt werden muss. Wirüssen zusehen, dass die unglaublich vielen Informatio-en, die wir generiert haben, für den Verbraucher lesba-r werden. Wir müssen an der einen oder anderen Stelleachschärfen, wir müssen das Ganze unbürokratischerachen. Das haben wir uns als Regierungskoalition fest
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Ralph Brinkhaus
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vorgenommen, und wir denken, wir bekommen auch denAuftrag dafür.Danke.
Vielen Dank, Kollege Ralph Brinkhaus. – Nächste
Rednerin in unserer Aussprache ist für die Fraktion der
Sozialdemokraten unsere Kollegin Frau Kerstin Tack.
Bitte schön, Frau Kollegin Tack.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 3. Juni,also vor anderthalb Wochen, hatten wir den DeutschenVerbrauchertag. Das ist traditionell der Tag, an dem sichVertreter aller Fraktionen vor die Kameras stellen unddie Wertschätzung für den Verbraucherschutz und diehervorragende Arbeit der Verbraucherorganisationenzum Ausdruck bringen, aber auch die Mängel anspre-chen, die wir feststellen müssen, wenn es um Informa-tion, um Transparenz und um die Stärkung der Rechteder Verbraucherinnen und Verbraucher geht.Am 3. Juni hat auch die Bundeskanzlerin in ihremBeitrag bei der Veranstaltung des VerbraucherzentraleBundesverbands zum Deutschen Verbrauchertag sehrdeutlich gesagt, dass der Verbraucherschutz und dieStärkung der Verbraucherrechte Anliegen dieser Bun-desregierung seien. Jetzt geht es darum, zu schauen: Washat diese Behauptung mit den Taten zu tun, die wir vor-finden? Dazu sagen wir: Bei der Stärkung der Rechte derVerbraucherinnen und Verbraucher geht es um mehr alsdie Frage, ob man bei der BaFin oder anderen Aufsichts-behörden Verbraucherbeiräte ohne jegliche Kompetenzeinrichtet, nur um zu zeigen, dass man da etwas für dieVerbraucher vorgesehen hat. Das kann es nicht sein.
Verbraucherpolitik – auch das sagen wir ganz deut-lich – darf sich auch nicht nur auf den Bereich der Le-bensmittel fokussieren. Beim Verbraucherschutz geht esum Gesundheit, um die digitale Welt, um den Anleger-schutz, aber auch um Fragen der Datensicherheit und derEnergiewende. All das ist Verbraucherschutz. Wir in denOppositionsfraktionen sind uns sehr einig, dass wir fürdie Finanzmärkte in unserem Land einen Finanzmarkt-wächter konzipieren sollten. Wir von der SPD sagen au-ßerdem, dass wir auch für andere wesentliche Märkte soetwas wie eine Marktwächterfunktion benötigen.Was sollen diese Marktwächter denn nun tun? Sie sol-len in unserem Gesamtsystem der Aufsicht ein Stückweit die Funktion eines Sensors und Frühwarnsystemsübernehmen, quasi eine kollektive Wahrnehmung vonVerbraucherinteressen; und das ist auch richtig so. Denndas, was der individuelle Verbraucher als sein Problemwvbin–bVeVgcteLhbfüpMVkaaazimbwfoainbnkVwAGHdzszsBsc
Deswegen wollen wir neben dem Finanzmarktwäch-r einen Marktwächter für Energie, für digitale Welt, fürebensmittel und für Gesundheit. Diese Marktwächteraben fünf Funktionen: Sie sollen beobachten, beraten,ewerten, bearbeiten und bekämpfen.Was sollen sie beobachten? Sie sollen den Markt innf Kernbereichen systematisch beobachten und stich-robenhaft analysieren, an welcher Stelle der Marktissstände aufweist. Auch Testkäufe sollen erfolgen.erbraucherministerin Aigner hat sie einmal gewollt,onnte sich aber nicht durchsetzen. Jetzt schiebt sie esuf angebliche Verfassungsprobleme; dabei sind die alleusgeräumt. Wir wollen, dass systematische Analysenm Markt möglich sind.Wir wollen, dass die Marktwächter beraten. Die der-eit bereits geleistete Beratung soll systematisch undmens ausgeweitet werden. Wir wissen, dass die Ver-raucherzentralen diese Kompetenz haben. Die Markt-ächter sollen ihre Erkenntnisse bündeln. Sie sollen In-rmationsportale im Internet aufbauen, damit jeder,uch derjenige, der keine Verbraucherzentrale fußläufig der Nähe hat, Beratung und Unterstützung findet.Die Marktwächter sollen bewerten, und zwar das ver-rauchergerechte Verhalten von Unternehmen; denn ge-au an dieser Stelle sind Transparenz und Vergleichbar-eit häufig nicht gegeben. Das kann der Verbraucher, dieerbraucherin nicht alleine leisten. Deswegen wollenir, dass das Vorgehen ein Stück weit kollektiviert wird.uch die AGBs und andere Aspekte wollen wir in eineesamtschau stellen.Dann sollen die Marktwächter bearbeiten, und zwarinweise. Diese sollen sie an die Aufsichtsbehörden mitem Recht auf Gehör und an die Politik weitergeben.Schließlich sollen die Marktwächter bekämpfen, undwar rechtswidrige Marktpraktiken. Um hier die Interes-en der Verbraucherinnen und Verbraucher durchzuset-en, sollen sie kollektive Klagerechte erhalten.Wir wollen 50 Millionen Euro für diese Arbeit bereit-tellen. Finanzieren wollen wir das über die Kartell- undußgeldstrafen. Gerade gab es einen Skandal wegen Ab-prache der Kartoffelpreise. Hier hat man den Verbrau-herinnen und Verbrauchern Geld genommen.
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Kerstin Tack
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Das geben wir ihnen zurück, indem wir die Arbeit derVerbraucherzentralen unterstützen.Man kann also heute sehen, wem Verbraucherschutzwirklich wichtig ist. Sie hatten ja arge Probleme, unse-rem Konzept etwas Kritisches abzuringen. Deswegengehen wir davon aus, dass Sie heute zustimmen.Danke.
Vielen Dank, Frau Kollegin Kerstin Tack. – Nächste
Rednerin für die Fraktion Die Linke ist unsere Kollegin
Frau Caren Lay. Bitte schön, Frau Kollegin.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir, die Linke, waren die erste Partei, die zu Be-ginn dieser Legislaturperiode einen umfangreichen An-trag zur Stärkung des finanziellen Verbraucherschutzeseingebracht hat.
Das schien uns logisch und völlig richtig; denn wirsteckten mitten in der Finanzkrise. Viele Menschen hat-ten ihre Wertpapiere, ihre Lebensversicherungen verlo-ren und hatten Angst, dass sie weiterhin Geld bei denBanken und an den Börsen verlieren. Es ist nicht gerademotivierend – das sage ich als jemand, der in dieser Le-gislaturperiode zum ersten Mal in den Deutschen Bun-destag gewählt wurde –, wenn ich das Gefühl habe, dasssich nichts geändert hat. Ich könnte den gleichen Antragheute noch einmal einreichen, ich könnte die gleicheRede noch einmal halten, weil diese Regierung ihreEnergien eher darauf verwendet hat, Banken zu retten,statt die Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen.
– Ich habe den Zwischenruf von der FDP „VölligerBlödsinn!“ gehört. Ich will Ihnen einmal sagen, wasdiese Koalition in dieser Legislaturperiode aus meinerSicht hätte tun müssen, um die Verbraucherinnen undVerbraucher zu schützen.
Bevor wir anfangen, über Zinsen und Aufsichten zureden, müssen wir erst einmal dafür sorgen, dass jederBürger und jede Bürgerin ein Konto hat. Es ist allerdingstraurige Realität, dass immer noch über 600 000 Men-schen in diesem Land kein Girokonto besitzen. StellenSMWtrdsDgnlenfüBbd0cRm1ssSbgzDdsündds–hksdn
ie größte Ungerechtigkeit ist, dass diejenigen, die we-en ihrer Armut kein Girokonto bekommen, dann auchoch die Überweisungs- und Einzahlungsgebühren zah-n müssen. Es ist beschämend, dass es diese Regierungicht geschafft hat, das Recht auf ein Girokonto einzu-hren. Das wird höchste Zeit.
Ich komme zu einem weiteren Punkt: Was tun dieanken, wenn sie kein Geld haben? Sie leihen sich Geldei anderen Banken. Die Europäische Zentralbank sorgta für günstige Konditionen. Der Leitzins liegt mit,5 Prozent auf einem historischen Tiefpunkt. Was ma-hen die Verbraucher, wenn sie kein Geld haben? In alleregel müssen sie ihren Dispokredit in Anspruch neh-en. Dann zahlen sie im Schnitt sage und schreibe2 Prozent Dispozinsen – bei manchen Banken müssenogar 18 Prozent Dispozinsen gezahlt werden –, das ent-pricht einer Gewinnspanne von 11,5 Prozentpunkten imchnitt, die die Banken auf Kosten der schwächsten Ver-raucherinnen und Verbraucher erzielen. Ich finde, dasehört sich nicht. Das ist unfair. Wir nennen das Ab-ocke.
Ich bin vor diesem Hintergrund froh, dass die Parteiie Linke als erste Partei schon vor fünf Jahren gefor-ert hat, die Dispozinsen endlich einmal zu deckeln. Un-er Vorschlag lautet seit fünf Jahren: 5 Prozentpunkteber dem Basiszinssatz. Dann können die Banken immeroch Gewinn machen, aber diese Regelung wäre fair fürie Verbraucherinnen und Verbraucher. Ich freue mich,ass Grüne und SPD im Kern unserer Forderung gefolgtind. Das zeigt doch, dass die Linke wirkt.
Ich freue mich, dass auch die SPD diese Forderung er-ebt. Sie fordern maximal 8 Prozent Dispozinsen. Ichann mich sehr gut daran erinnern, dass Sie sich bei un-eren Anträgen zu diesem Thema enthalten haben. Es istoch schön, dass wir diesbezüglich eine gemeinsame Li-ie gefunden haben.
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Caren Lay
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Ich komme zum letzten Punkt, zum Thema Finanz-aufsicht. Wir als Linke fragen zunächst einmal: Waswollen die Verbraucher? Sie wollen, dass ihr Geld sicherangelegt ist, sie wollen gut beraten werden, und sie wol-len vertrauen können. Deswegen sagen wir ganz klar:Wir brauchen vor allen Dingen erst einmal einen Finanz-TÜV, damit Schrottpapiere überhaupt nicht auf denMarkt kommen. Diese Schrottpapiere gehören nicht aufden Markt, sondern in den Schredder.
Stichwort „Finanzwächter“: Herr Kollege Brinkhaus,Sie haben gesagt, dass die Aufsicht im Kern eine hoheit-liche Aufgabe sein muss. Diese Position teilen wir alsLinke. Deswegen fordern wir beispielsweise in unseremAntrag die Einrichtung einer auch für die Finanzmärktezuständigen Verbraucherbehörde. Das ist eine hoheitli-che Aufgabe. Es gibt überhaupt keinen Grund, dass eszwar bezogen auf andere Märkte solche behördlichenStrukturen gibt, bezogen auf die Finanzmärkte abernicht. Das alles ist aber kein Argument gegen die Fi-nanzwächter.Auch wir wollen die Verbraucherzentralen stärken.
Wir wollen in der Tat, dass sie sich parteiisch für die In-teressen der Verbraucherinnen und Verbraucher einset-zen können. Beispielsweise wollen wir das Recht aufSammelklagen und Verbandsklagerechte erweitern. Dasist ein Weg, den Sie vielleicht mitgehen können. Siekönnten ja dem Antrag der Linken gleich bei der Ab-stimmung zustimmen.
Meine Damen und Herren, die Menschen fragen sichnatürlich: Wo ist mein Geld sicher? Wo kann ich es anle-gen? In den letzten Tagen konnten sie in den Zeitungenlesen, dass sie, wenn sie es auf der Bank haben, faktischGeld verlieren, weil die Zinsen niedriger sind als die In-flationsrate. Ich glaube, dass der Deutsche Bundestag einSignal aussenden sollte, dass wir den finanziellen Ver-braucherschutz ernst nehmen. Deswegen sage ich: Eswird Zeit, dass Sie endlich unseren Anträgen zustimmen.Sonst dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Menschenirgendwann wieder anfangen, Omas Sparstrumpf zustopfen.Vielen herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Caren Lay. – Nächster
Redner für die Fraktion der FDP ist unser Kollege
Dr. Erik Schweickert. Bitte schön, Kollege Erik
Schweickert.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verbraucher-chutz hat die Aufgabe, Informationsasymmetrien zwi-chen Wirtschaft und Verbrauchern auszubalancieren.er Markt der Möglichkeiten ist dabei meistens ein Se-en; denn der Markt schafft Auswahl, Wettbewerb umualität, Preis und Leistung, und er versetzt die Verbrau-her in die Lage, zwischen innovativen Produkten undienstleistungen das individuell Geeignetste auszuwäh-n.Ich bestreite nicht, liebe Kolleginnen und Kollegener Opposition, dass die Auswahl manchmal zu Unüber-ichtlichkeit führt. Informationen bleiben zuweilen un-erständlich, Angebote vielleicht sogar undurchschau-ar. Das machen sich schwarze Schafe zunutze, umerbraucher hinters Licht zu führen. Klar ist: Verbrau-her benötigen Orientierung, sie benötigen Schutz vorbzockern und Gesundheitsgefahren – ich denke, dasint uns –, und sie benötigen Wissen über die Funktions-eise von Märkten, über wirtschaftliche Zusammen-änge, über die Konsumentenrolle und den Umgang mitienstleistungen. Genau dafür haben wir eine Vielzahlon Institutionen und Organisationen, die einen hervor-genden Job dabei machen, Verbrauchern genau dieserientierung zu geben und Verbraucherkompetenzen zuermitteln. Wir haben also bereits, wenn Sie es so nen-en wollen, Marktwächter. Weil wir als schwarz-gelbeoalitionsfraktionen um die große Bedeutung undichtigkeit dieser Institutionen und Organisationen wis-en,
aben wir diese während unserer Regierungszeit ge-tärkt, und wir haben neue Ratgeber und neue Anlauf-tellen für die Verbraucherinnen und Verbraucher ge-chaffen.
Wir haben an erster Stelle die Verbraucherzentralen.ie leisten einen unschätzbar hohen Beitrag für die Bil-ung von Verbrauchern, aber auch in der Beratung.urch das Instrument der Abmahnung ist es ihnen auchöglich, Marktteilnehmer zur Räson zu rufen, die sichicht an die Gesetze halten und versuchen, Verbraucheru täuschen oder zu betrügen. Wir wissen um die Wich-gkeit der Verbraucherzentralen. Deshalb haben wir dieittel allein bei der institutionellen Förderung des Bun-es von 8,7 auf jährlich 9,44 Millionen Euro erhöht. Wiraben auch dafür gesorgt, dass die Verbraucherzentralein Verbindungsbüro in Brüssel aufbauen konnte,
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Dr. Erik Schweickert
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um insbesondere die Einflüsse auf europäischer Ebenebesser beobachten und somit auch besser auf die euro-päische Politik reagieren zu können.
Wir haben zusammen mit dem vzbv die DeutscheStiftung Verbraucherschutz ins Leben gerufen, die sichinsbesondere um die Verbraucherbildung kümmert. Eswar die schwarz-gelbe Bundesregierung, die die Grün-dung dieser Stiftung durch das Bereitstellen von Grund-kapital in Höhe von 10 Millionen Euro ermöglicht hat.Denn es ist uns wichtig, Verbraucherinnen und Verbrau-cher über die Herausforderungen der Märkte aufzuklärenund ihre Rolle als selbstbestimmte Marktteilnehmer zustärken.Wir haben die Stiftung Warentest, die mit Informatio-nen und Produkttests den Verbrauchern wichtige Hin-weise über Angebote gibt und vor möglichen Gesund-heitsgefahren sowie vor Abzockmaschen warnt.
Die schwarz-gelbe Regierung hat durch Aufstockungdes Stiftungskapitals um 50 Millionen Euro dazu beige-tragen,
dass diese Stiftung von den jährlichen Zuweisungen desDeutschen Bundestages unabhängiger wird, dass sie tat-sächlich die Unabhängigkeit hat, die sie braucht. Wir ha-ben außerdem mit weiteren 2 Millionen Euro im Haus-halt 2013 für die Stiftung Finanztest dafür gesorgt, dassauch ihr wichtiger Beitrag beim finanziellen Verbrau-cherschutz stärker zur Geltung kommt.
Da wir gerade beim Thema Finanzmarkt sind: Dazugehört natürlich auch, dass wir die nationale Finanzauf-sicht in den Verbraucherschutz einbezogen haben. Aufden Beirat bei der BaFin wurde vorhin schon hingewie-sen. Ich kann mich da nur anschließen: Banken zu rettenheißt auch, das Vermögen der Verbraucherinnen undVerbraucher zu retten.
Wir haben im Energiebereich nicht nur eine Schlich-tungsstelle für Verbraucher eingerichtet, sondern aucheine Markttransparenzstelle für Strom und Gas. Damithaben wir neue Möglichkeiten geschaffen, dass zumBeispiel die Verbraucher Beratung und Unterstützungbekommen, wenn es Probleme gibt. Im Telekommunika-tionsbereich haben wir die Bundesnetzagentur. Es gibtverschiedene Ombudsleute, beispielsweise für Banken,Versicherungen und auch im Gesundheitsbereich. DemVerbraucher fehlt es also nicht an Informations-, Auf-sichts- und Beschwerdestellen.
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Hinsichtlich des Beißens sage ich: Ich bin der Mei-ung, dass dies eine staatliche Aufgabe ist. Schwarzechafe haben am Markt nichts zu suchen. Mich wundertchon, dass ausgerechnet die SPD das Beißen an eineichtstaatliche Stelle auslagern möchte.
ber mir ist auch klar, warum Sie das möchten. Sie fol-en dem Sprichwort: Hunde, die bellen, beißen nicht.
o ist es ja auch mit der SPD: Vorher wird ordentlich ge-ellt, aber dann, wenn man Regierungsverantwortungat, wird nicht gebissen.
Das zeigt sich auch daran – dieser Seitenhieb sei mirestattet –, dass die ehemalige Justizministerin Frauypries im sogenannten Kompetenzteam von Herrnteinbrück jetzt plötzlich für Verbraucherschutz zustän-ig sein soll. Wir aber waren es, die schwarz-gelbe Re-ierungskoalition, nicht Frau Zypries, die die Abzocke Internet beendet haben. Wir haben Abofallen im In-rnet mit dem Bestätigungsbutton einen Riegel vorge-choben.
ir waren es, nicht Frau Zypries, die die Abzocke beielefonwarteschleifen beendet haben. Wir waren es,icht Frau Zypries, die die Schlichtungsstelle Luftver-ehr auf den Weg gebracht haben, um geprellten Ver-rauchern die Möglichkeit zu geben, ihre Rechte einzu-lagen.Wir waren es, nicht Frau Zypries und nicht Herrteinbrück, die dafür gesorgt haben, dass der Anleger-chutz besser wird. Sie haben die Hedgefonds einge-hrt. Wir haben Produktinformationsblätter, Sachkun-enachweise bei Beratern, die Regulierung des grauenapitalmarkts und den Verbraucherbeirat bei der BaFiningeführt. Das waren wir und nicht Frau Zypries.
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Dr. Erik Schweickert
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Es waren wir, diese schwarz-gelbe Regierungskoali-tion, und nicht Frau Zypries, die ein Verbraucherinfor-mationsgesetz auf den Weg gebracht haben, das seinenNamen verdient.
Dabei mussten wir genau die Fehler ausmerzen, die Sieim ersten Entwurf dieses Gesetzes gemacht haben.
Das VIG, das Verbraucherinformationsgesetz, ist nun un-bürokratischer, es informiert auch über die Produkt-sicherheit, und es lässt eine schnellere Veröffentlichungzu.
Meine Damen und Herren, wir haben die schwarzenSchafe gebissen und ihre betrügerischen Geschäfts-modelle kaputt gemacht, und nicht Sie, Frau Zypries.Insofern kann ich nur feststellen: Nicht immer stehtein sogenanntes Kompetenzteam auch für Kompetenz.Schwarz-Gelb hat im Bereich der Verbraucherschutzesseinen Auftrag erfüllt. Einen besseren Marktwächter alsdiese christlich-liberale Koalition
können sich die Verbraucherinnen und Verbraucher garnicht wünschen.
Vielen Dank, Kollege Dr. Schweickert. – Nächste
Rednerin für die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen
ist unsere Kollegin Frau Nicole Maisch. Bitte schön,
Frau Kollegin Maisch.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Diese Debatte und ganz besonders die Beiträge derKoalition zeigen deutlich, wie wenig sich konzeptionellin acht Jahren unter Federführung der Union im Verbrau-cherschutzministerium getan hat.
Horst Seehofer und später Ilse Aigner haben die Ver-braucherpolitik in zwei Legislaturperioden an den politi-schen Katzentisch manövriert.
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ie lassen Millionen genervter und geschädigter Opferon unerlaubter Telefonwerbung, Abmahnfirmen undetrügerischem Inkasso im Regen stehen. Es ist dochde Woche im Verbraucherausschuss das Gleiche: Wirarten auf das Anti-Abzocke-Gesetz der FDP, undieder kommt es nicht;
h finde, das ist eine verbraucherpolitische Bankrott-rklärung.
en Satz „Das kommt nächste Woche“ können Sie jetztoch genau einmal sagen; dann ist die Legislatur zunde.
Sie lehnen eine einheitliche Finanzaufsicht mit kla-m Verbrauchermandat immer noch ab. Sie blockierenie Deckelung der Dispozinsen und das Girokonto fürdermann. Mit dem Produktinformationsblatt und demeratungsprotokoll haben Sie Instrumente geschaffen,ie kaum Verbraucherschutzwirkung entfalten, sondernor allem dazu dienen, dass sich Banken und Sparkassenor Gericht gegenüber den geschädigten Anlegern absi-hern.Aber die Bürgerinnen und Bürger in diesem Landurchschauen Ihre halbherzige Politik und sehen die ne-ativen Konsequenzen. Zwei Drittel der Verbraucherin-en und Verbraucher vermuten, dass sie von Anbieternon Produkten im Finanzbereich oder bei Lebensmittelnetäuscht oder geschädigt werden.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 31159
Nicole Maisch
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Über die Hälfte der Verbraucherinnen und Verbraucherfühlt sich schlecht oder falsch informiert.Das schlägt sich natürlich auch in der Bewertung derpolitischen Arbeit der Koalition nieder. In Sachen Ver-braucherkompetenz wird der Union nach acht Jahren Re-gierungsverantwortung ein durchaus peinliches Zeugnisausgestellt. 9 Prozent der befragten Verbraucherinnenund Verbraucher halten die CDU/CSU für die politischeKraft, die sich am stärksten für die Verbraucherinnenund Verbraucher einsetzt; 9 Prozent, wohlgemerkt nachzwei Legislaturperioden, in denen das Verbraucher-ministerium in Unionshand war. Die Selbstzufriedenheit,die Herr Brinkhaus hier zur Aufführung gebracht hat,spiegelt sich also nicht in der Meinung der Bevölkerungwider.
Ich denke, das ist die Quittung dafür, dass Sie konse-quent auf PR statt auf Sacharbeit setzen.
Die Debatte um den Marktwächter ist eine strategischwichtige Debatte. Die Zustände auf dem Finanzmarktzeigen exemplarisch, wie notwendig neue Instrumenteder Verbraucherpolitik sind. Es war interessant, zusehen, wie Sie versucht haben, sich an dem Begriff „Fi-nanzmarktwächter“ aufzuhängen, um Argumente gegensystematische Marktbeobachtung zu finden. Wir könnendas Ding auch „Ralph“ oder „Erik“ nennen, wenn esIhnen hilft und Sie unseren Konzepten dann folgen.
Ich finde diese verklausulierten Debatten um die Be-griffe eher albern. Es geht uns darum, die Verbraucher-zentralen in ihrer Marktwächterfunktion zu stärken –nicht als Ersatz für staatliches Handeln, sondern als sinn-volle zivilgesellschaftliche Ergänzung. Es gibt in ande-ren Bereichen durchaus sinnvolle Zusammenarbeit zwi-schen zivilgesellschaftlichen Akteuren und staatlichemHandeln. Denken Sie zum Beispiel an den Fall, dass beiIhnen zu Hause in der Kommune Baugebiete ausgewie-sen werden: Bei der Regionalplanung bringen sich dieTräger öffentlicher Belange ein, arbeiten Umweltver-bände mit. Das ist doch nicht vordemokratisch oder un-demokratisch, sondern die moderne Art, die Zivilgesell-schaft zu beteiligen.
Statt Finanzmarktwächter zum Schutz des Verbrau-cherinteresses weiterzuentwickeln, speisen Sie die Anle-gerinnen und Anleger mit Placebos ab. Statt mehr Geldin systematische Marktbeobachtung und Analyse derBriealiemaPreariwszswksdRKguWSemswsGwuh
Auch beim kollektiven Rechtsschutz für Verbrauche-nnen und Verbraucher hat Schwarz-Gelb nichts vorzu-eisen. Europa geht voran, und die Grünen waren unwe-entlich schneller: Wir haben Ihnen einen Gesetzentwurfur Gruppenklage vorgelegt. Wir hoffen, dass Sie darausinnvolle Inspiration für Ihre politische Arbeit ziehenerden.
Die Debatte über die Marktwächter und über die Zu-unft der Verbraucherpolitik in diesem Land ist mit un-erem heutigen Antrag nicht zu Ende. Sie haben gezeigt,ass Sie diese Zukunft nicht weiter gestalten sollten.
Vielen Dank, Frau Kollegin Nicole Maisch. – Nächste
ednerin für die Fraktion von CDU und CSU ist unsere
ollegin Frau Mechthild Heil. Bitte schön, Frau Kolle-
in Heil.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnennd Kollegen! Man sagt: Mit Speck fängt man Mäuse. –enn der Wahlkampf beginnt, holt die Opposition großepeckstücke heraus.
Sie glauben wohl, dass Ihre Finanzmarktwächter alsine riesige Speckschwarte dienen können. „Finanz-arktwächter“, das klingt einfach super, eine tolle Wort-chöpfung. Die SPD fordert sogar gleich mehrere Markt-ächter. Sie wollen, dass nicht nur für Finanzen,ondern auch für Energie, für die digitale Welt, füresundheit und für Lebensmittel Wächter eingesetzterden. Sie malen das Bild eines Wächters, der die ver-nsicherten Verbraucher beschützen will und sie beru-igt, eines Wächters, der in seinem Bereich über alle
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31160 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013
Mechthild Heil
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Produkte gleichermaßen wacht und sie in gute undschlechte Produkte einteilt, eines Wächters, der allesüberprüft und auch in die letzte dunkle Ecke hinein-leuchtet,
eines Wächters, der uns die Welt erklärt und sie inmundgerechte Bissen zerlegt. Fragt sich, wer dieserWächter sein soll: Wer hat das Recht, das Wissen undauch die Unabhängigkeit, ein solcher Wächter zu sein?Gute, helfende Wächter – was für ein falsches, naivesBild malen Sie da!
Mit der Realität hat dieses Bild überhaupt nichts zu tun.Ihr Vorschlag löst auch gar keines der Probleme, vordenen wir stehen. Im Gegenteil: Mit den Doppel- undDreifachstrukturen, die Sie schaffen, wachsen die Büro-kratie und die Kosten.Die Verbraucherpolitik der Union betrachtet dagegendie Wirklichkeit.
Die Wirklichkeit ist viel komplexer, als Sie denken. DieFinanzmärkte, die digitale Welt, der Energiemarkt, jasogar Lebensmittel lassen sich nicht einfach, wie Sie esgerne hätten, in gut und schlecht oder in gesund und un-gesund einteilen. Wir setzen deswegen nicht aufWächter, sondern auf Wissen, Erfahrung und Durchset-zungskraft.
Das beweisen auch die Maßnahmen, die wir in der Fi-nanzkrise getroffen haben: Wir haben über 30 Gesetzefür den Verbraucherschutz im Bereich Finanzen be-schlossen.
Ein Beispiel dazu: Seit 2011 müssen die Kunden beieiner Wertpapierberatung ein kurzes, verständliches undwertungsfreies Produktinformationsblatt erhalten. Sokönnen sie die verschiedenen Finanzprodukte besservergleichen und herausfinden, welche Anlage sich fürsie am besten eignet. Wir wissen dabei: Produktinforma-tion ist nie fertig. Sie ist immer im Fluss. Sie muss im-mer weiter entwickelt werden. Genau das verlangen wirauch von den Anbietern. Sie dürfen eben nicht in demBemühen nachlassen, ein noch so komplexes Anlage-produkt leicht verständlich und gleichzeitig umfassenddarzustellen. Damit sind wir auf dem richtigen Weg. Daszeigt auch eine Studie, in deren Rahmen herausgefundenwurde, dass fast alle Verbraucher – nämlich 80 Prozent –die Produktinformationsblätter sehr interessiert lesen.Die anderen haben sie zumindest überflogen. Verbrau-caBd„sSkMnswtrWVtrSssDwbbaoVgcwhdKmbdZAccsD2z
ir schaffen dafür gute Rahmenbedingungen, damit dieerbraucherinnen und Verbraucher den Märkten ver-auen können. Deswegen haben wir mit dem Gesetz zurtärkung der deutschen Finanzaufsicht die Bundesan-talt für Finanzdienstleistungen, die BaFin, zu einer nochchlagkräftigeren Behörde ausgebaut.
ie BaFin hat jetzt mehr Kompetenz bekommen. Sieurde ausdrücklich auch damit beauftragt, für mehr Ver-raucherschutz zu sorgen. Es gibt den Verbraucherbeiratei der BaFin, in dem das Verbraucherministerium, aberuch Vertreter von Verbraucher- und Anlegerschutz-rganisationen vertreten sind. Für Verbraucher underbraucherverbände wurde ein Beschwerdeverfahreneschaffen, sodass die BaFin Verstöße gegen Verbrau-herschutzbestimmungen jetzt auch verfolgen kann.Die BaFin kennt den Finanzmarkt und seine Produkteie kein anderer auf dem Markt. Sie ist getragen vonoher Sach- und Fachkompetenz. Warum sollte manann einen neuen Marktwächter einführen, der dieseompetenz nun einmal nicht hat und sich diese erstühsam erarbeiten müsste? Nein, wir sagen: Die BaFinleibt die zentrale Finanzaufsichtsbehörde.
Neben der BaFin stehen noch weitere Akteure aufem Marktplatz, die für den Verbraucherschutz sorgen.um Beispiel haben wir die Stiftung Warentest. Ihrnspruch ist ein bisschen anders, nämlich den Verbrau-hern die Informationen zu Finanzfragen zu geben, wel-he die allermeisten Verbraucher betreffen und interes-ieren. Die Stiftung leistet eine hervorragende Arbeit.eshalb unterstützen wir sie jetzt jährlich mit zusätzlich Millionen Euro. Die Stiftung Warentest hat einen ex-ellenten Ruf und genießt ein hohes Vertrauen bei den
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Menschen. Warum sollen wir dann daneben einen neuenWächter etablieren?Wir haben auch noch die Verbraucherzentralen. Sieleisten ebenfalls gute Arbeit, indem sie die Verbrauche-rinnen und Verbraucher individuell und unkompliziertberaten. Man könnte es auch so ausdrücken: Sie arbeitenniederschwellig. Auch sie weisen auf Missstände hin.Deshalb kann man sagen, dass sie ebenfalls einen Teildes Finanzmarktes überwachen. Sie sind – wie Sie, FrauTack, es gefordert haben – der „Sensor“ in dem Markt.Die Verbraucherzentralen haben aber nicht genügendPersonal und nicht das Know-how, um die gewünschtenMarktwächterfunktionen wahrzunehmen. Außerdemkönnen sie keine öffentlich-rechtliche Überwachungs-funktion übernehmen.Was für den Finanzmarkt gilt, trifft auch auf die ande-ren Märkte zu: Wir brauchen kein Mehr an Wachen, keinMehr an Bevormundung und auch kein Mehr an Behör-den.
Wir haben gute Strukturen. Wir müssen diese gutenStrukturen nur nutzen und stärken. Genau das machenwir in der christlich-liberalen Verbraucherpolitik sehr er-folgreich.Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Mechthild Heil. – Letzte
Rednerin in unserer Aussprache ist für die Fraktion der
Sozialdemokraten unsere Kollegin Frau Brigitte Zypries.
Bitte schön, Frau Kollegin Zypries.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Liebe Frau Heil, wahrscheinlich ist
es in der Tat so, dass man sich darüber unterhalten muss,
wie man den Verbraucherschutz sinnvoll gestaltet. Sie
nehmen das für sich in Anspruch. Wir nehmen es ebenso
für uns in Anspruch.
– Sekunde; lassen Sie mich einfach ausreden. – Dann
muss man überlegen, was man Vernünftiges macht. Wir
haben Ihnen ein Konzept vorgestellt, das Sie zur Kennt-
nis nehmen und mit uns diskutieren sollten. Herr
Dr. Schweickert, es ist in der Tat so, dass Sie versucht
haben, die eine oder andere Lücke zu stopfen.
– Moment mal! – Das funktioniert nur nicht. Ich nenne
Ihnen ein Beispiel:
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Ich habe Ihnen gerade schon Beispiele genannt, und
h finde, wir können sinnvoll darüber diskutieren.
Können Sie jetzt mal die – –
h mache Ihnen das gerne noch einmal verständlich.
Herr Präsident, können Sie dem jetzt nicht einmal sa-
en, dass er ruhig sein soll?
Frau Kollegin, wir kennen Sie natürlich; Sie haben esoch immer geschafft, sich durchzusetzen. Aber natür-ch haben Sie recht.
Sie hat zumindest recht, dass sie das Recht hat, dasslle ihr zuhören, Herr Kollege. – Bitte schön, Frau Kol-gin Zypries, Sie haben das Wort.
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Sie brauchen nicht zuzuhören, Sie sollen nur nicht da-
zwischenreden.
Mir geht es nur darum, Ihnen noch einmal zu erklä-
ren, was wir hinsichtlich der Marktwächter wollen. Wir
wollen, dass diese Marktwächter eine Funktion als Sen-
sor und Frühwarnsystem für systemische Verbraucher-
probleme übernehmen. Es geht nicht um individuelle
Verbraucherprobleme, sondern um systemische. Das
kann ich Ihnen an einem Beispiel schön deutlich ma-
chen, nämlich am Beispiel des Energiemarkts.
– Ich lasse keine Zwischenfrage zu.
Herr Schweickert, Sie haben es gehört.
Wir wollen natürlich, dass die Verbraucherinnen und
Verbraucher den Wettbewerb am Energiemarkt durch ei-
nen Anbieterwechsel ankurbeln. Gleichzeitig haben wir
aber zugeschaut, wie Hunderttausende Verbraucher
durch die Pleiten von TelDaFax und FlexStrom geschä-
digt wurden. Wir glauben, das sollte nicht sein; denn so
verlieren die Verbraucherinnen und Verbraucher ihr Ver-
trauen in die soziale Marktwirtschaft.
Deswegen sind wir froh, dass die Bundesnetzagentur
jetzt ihre Aufgabe wahrnimmt und dem Anbieter Care
Energy stärker auf die Finger schaut. Das ist genau un-
sere Idee: Wir wollen, dass systemische Probleme be-
obachtet und angegangen werden.
Die Verbraucherzentralen wussten in diesem Fall aus
ihrer Beratungstätigkeit früh, dass die genannten Anbie-
ter die Rückzahlung von Abschlägen hinauszögerten
oder die Bonuszahlungen mit windigen Begründungen
verweigerten. Dieses Wissen wollen wir den Verbrau-
cherschützern gerne zugänglich machen. Deswegen sa-
gen wir auch gar nicht, Frau Heil, dass hier irgendje-
mand gegeneinander arbeiten oder dass die BaFin
bestimmte Aufgaben nicht mehr haben sollte, sondern
wir sagen: Die Verbraucherschützer sollen die Aufsichts-
behörden über genau solche systemischen Probleme in-
formieren, damit die Aufsichtsbehörden handeln kön-
nen.
Es geht um eine Zusammenarbeit zwischen der Zivil-
gesellschaft und den staatlichen Aufsichtsbehörden. Ich
meine, das ist ein vernünftiger Ansatz, weil es doch ein-
fach nicht zu verkennen ist, dass die Verbraucherinnen
und Verbraucher in dieser digitalen und vernetzten Welt
– gerade in den Bereichen Finanzmarkt, Telekommuni-
kation, Internet und digitale Welt und vor allem auch im
Bereich Gesundheit, wo die digitale Welt eine immer
größere Rolle spielt – unbedingt noch eine Unterstüt-
zung brauchen, um ihre Position zu stärken.
Viele wissen doch gar nicht mehr richtig, was eigent-
lich geschieht, was zum Beispiel Netzneutralität heißt,
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Peer Steinbrück für Verbraucherschutz zuständig bin,mich 50 Leute auf diese besonderen Anrufnummern unddie neuen Warteschleifen angesprochen haben.
Alle sagen, da liege eine erneute Umgehung der gesetzli-chen Regelungen vor, und ich habe keinen Grund, daranzu zweifeln.
Der Kollege Kelber hat richtig darauf hingewiesen, dassdiese Sache bereits bei der Bundesnetzagentur anhängigist. Mir ging es nur darum, Ihnen zu sagen: Seien Siedoch nicht so selbstgerecht, sondern erkennen Sie dochdie Bemühungen aller an, bestimmte Veränderungen zuerreichen, wobei an vielen Stellen im Gesetz immer wie-der nachjustiert werden muss.Die Sache mit den Mitternachtsnotaren, bei der wirdamals Regelungen beschlossen haben und Sie jetztnachgebessert haben, ist doch das beste Beispiel dafür,dass nachjustiert werden muss, weil immer wieder ver-sucht wird, die gesetzlichen Regelungen zu umgehen.Auf diesen Sachverhalt kann man sich doch verständi-gen; das ist doch kein Problem, oder?
Im Übrigen möchte ich gerne noch etwas zu denMarktwächtern sagen. Nein, wir legen diese B’s nicht soaus, wie Sie das tun. Wir sagen: Die Marktwächter sol-len beobachten, beraten, bewerten, bekämpfen und be-teiligen, nämlich die Aufsichtsbehörde. Bekämpfen ge-schieht in vielen Bereichen schon dadurch, dass manÖffentlichkeit herstellt. Insofern ist das eine Vorstufe,wenn Sie so wollen, und entspricht dem, was Verbrau-cherberatungen heute schon tun; denn inzwischen funk-tioniert schon eine Menge in der Selbstregulation.
Vielen Dank, Frau Kollegin Zypries. – Ich schließe
nun die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/13709 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sie sind damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann haben wir die Über-
weisung so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz auf Drucksache 17/9759.
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be-
schlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak-
tion der SPD auf Drucksache 17/8894 mit dem Titel
„Verbraucherschutz stärken – Finanzmarktwächter ein-
führen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! – Das
sind Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grünen.
Enthaltungen? – Fraktion Die Linke. Die Beschlussemp-
fehlung ist angenommen.
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werk genutzt und auf Innovationen und neue Entwick-lungen reagiert werden können.Im Kern beschäftigt sich die MKS mit dem Themen-bereich Verkehr und Energie. Sie beschreibt, welche An-triebs- und Kraftstoffoptionen der Verkehrssektor, undzwar alle Verkehrsträger – Straße, Luft, Schiff undSchiene –, hat und welche Energieinfrastrukturen benö-tigt werden, um bis 2050 die Ziele des Energiekonzeptesund der Energiewende in Deutschland zu erfüllen.Deutlich wird, dass wir eine 40-prozentige Endener-giereduktion im Verkehrsbereich bis 2050 nur erreichen,wenn wir zusammengefasst folgenden Weg beschreiten:Erstens müssen wir weiter konsequent den Weg derEnergieeffizienz gehen. Hier bekommen neue Antriebs-technologien mit Batterie und Brennstoffzelle und dieNutzung von Strom aus erneuerbaren Energiequellenlangfristig entscheidende Bedeutung für den Straßenver-kehr.Zweitens müssen wir die Energiebasis des Verkehrsauf ein breiteres Fundament stellen. Der Slogan „Wegvom Öl“ ist kein Selbstzweck, sondern ökonomisch undökologisch sinnvoll. In dem Zusammenhang erhält Erd-gas im Übrigen auch als Speicher für Strom aus fluktuie-renden erneuerbaren Energiequellen zunehmende Be-deutung, und zwar auch in Verbindung mit Biomethanoder zum Beispiel als LNG, Liquefied Natural Gas, inder Schifffahrt sowie ganz entscheidend Strom aus Windund Sonne für den Verkehrsbereich.Drittens. Wir brauchen eine robuste Biokraftstoffstra-tegie. Hier herrschen vor dem Hintergrund sich derzeitverändernder Rahmenbedingungen und DiskussionenUnsicherheiten über die künftigen nachhaltigen Poten-ziale. Hier braucht der Verkehrsbereich Planungssicher-heit: eine zentrale Aufgabe für die MKS als lernendeStrategie und Arbeitsauftrag für die kommenden Mo-nate.Viertens. In dem Zusammenhang müssen wir für denStraßengüterverkehr sowie den Luftverkehr robuste Zu-kunftskonzepte entwickeln. Für beide Bereiche gibt eseine besondere Herausforderungssituation. Hier müssenwir zum Beispiel nicht nur die Rolle von Biokraftstof-fen, die derzeit einzige Kraftstoffalternative beispiels-weise in der Luftfahrt, bewerten, sondern auch die Tech-nologieentwicklung insbesondere in den Blick nehmen.Dies gilt zum Beispiel für die Elektrifizierung des Lkwoder sogenannte Dual-Fuel-Lösungen mit Erdgas oderLNG.Bei alledem gilt: Es gibt nicht die eine Lösung. Des-halb bleibt es wichtig, technologieoffen und ohne ideo-logische Scheuklappen alle Optionen im Blick zu behal-ten. Bevor wir die Strategie formuliert haben, gab es einbreites Beteiligungsverfahren mit Wissenschaft, Wirt-schaft, Zivilgesellschaft und Politik.
Vielen herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. – Wir
kommen nun zu den Fragen dieses Themenbereichs.
Erster Fragesteller ist der Kollege Stephan Kühn.
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Zu Ihrer Frage nach der Novellierung des Erneuer-bare-Energien-Gesetzes: Ja, die Ausnahmen für dieSchiene sollten nach Möglichkeit erhalten werden.
Vielen Dank. – Nächster Fragesteller ist Herbert
Behrens.
Herr Staatssekretär, ich schließe mich der Feststellung
des Kollegen Kühn an, dass es sich, wenn überhaupt, um
eine Kraftstoffstrategie handelt. Aber selbst da beant-
worten Sie bestimmte Fragen nicht. Sie haben sich mit
300 Fachleuten beraten. Dabei wird die Energieversor-
gung mittels Biokraftstoffen sicherlich eine Rolle ge-
spielt haben. Bitte sagen Sie uns doch, in welchen Grö-
ßenordnungen Sie Biokraftstoffe einsetzen wollen, um
fossile Brennstoffe zu ersetzen. Für eine 100-prozentige
Deckung des Bedarfs durch Biokraftstoffe reichen un-
sere Ackerflächen bei weitem nicht aus. Das würde zu
einem massiven Kolonialismus führen, weil wir unseren
Biokraftstoffbedarf dann nur durch das Besetzen von
Ackerflächen irgendwo anders decken könnten.
E
Kollege Behrens, ich bin bereits in meinem Statement
auf die Frage nach der Bioenergie eingegangen. Man
darf nicht vergessen, dass es bei dieser Diskussion – ich
verkürze das sehr stark und formuliere es plastisch – um
die Frage „Tank oder Teller?“ geht. Es ist ganz klar, dass
für die Bundesregierung der „Teller“ und nicht der
„Tank“ Vorrang hat. Daran muss sich die Strategie orien-
tieren. Gleichzeitig ist die Kraftstoffstrategie in welt-
weite Entwicklungen eingebunden. Wie Sie wissen, geht
es in der internationalen Diskussion, gerade wenn es die
Bioenergie betrifft, um andere Gesichtspunkte als um
die, über die wir diskutieren. Insofern hat die Bioenergie
sicherlich einen Vorteil, den sie auch in die Kraft-
stoffstrategie einbringen kann. Aber er ist begrenzt.
Vielen Dank. – Nun hat Kollege Gustav Herzog das
Wort.
Herr Staatssekretär, Sie haben im ersten Punkt Ihrer
einführenden Worte die Energieeffizienz angesprochen
und dabei auch die Brennstoffzelle erwähnt. Nun kann
man bei einem solchen kurzen einführenden Vortrag
keine langen Ausführungen machen. Deswegen will ich
die Gelegenheit nutzen, nachzufragen, was von Ihrer
Strategie in Sachen Wasserstoff und Brennstoffzelle zu
erwarten ist.
E
Herr Kollege Herzog, Sie wissen aus Ihrer Erfahrung
im Verkehrsausschuss, dass wir große Anstrengungen
unternehmen, um die Brennstoffzelle in vielen Berei-
chen zum Einsatz zu bringen. Das gilt insbesondere für
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)
Kollege Stephan Kühn.
Herzlichen Dank. – Damit nicht der Eindruck ent-
steht, ich hätte nur Wörter gezählt, komme ich zu einer
konkreten inhaltlichen Frage.
Sie haben eine Biokraftstoffstrategie im Rahmen der
Kraftstoffstrategie angemahnt. Ich komme in diesem Zu-
sammenhang auf den Luftverkehr zu sprechen. Auf
Seite 44 haben Sie das theoretische Potenzial der Bio-
kraftstoffe beschrieben. Wenn man alle verfügbaren Res-
sourcen für Biokraftstoffe in Europa zusammennehmen
und ins Verhältnis zu dem gesamten Kerosinverbrauch
der deutschen Luftfahrtwirtschaft setzen würde, dann
käme man zu dem Ergebnis, dass die Biokraftstoffe rein
theoretisch maximal 11 Prozent ausmachen würden. Das
heißt, eine Biokraftstoffstrategie allein wird dem Luft-
verkehr, was die Abhängigkeit von Kerosin angeht, nicht
helfen. Daher die Frage: Welche weiteren Instrumente
und Maßnahmen wollen Sie konkret ergreifen, um dieser
Branche bei der Lösung ihres Problems der Abhängig-
keit vom fossilen Kerosin zu helfen?
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Herr Kollege Kühn, in der Tat beschreiben Sie das
Problem sehr richtig. Wir haben beim Flugverkehr der-
zeit keine andere Möglichkeit, als auf diese Kraft-
stoffstrategie, wie Sie es geschildert haben, hinzuweisen
und daran zu arbeiten. Gleichwohl beschäftigen wir uns
intensiv damit, dass die Forschung, Wasserstoff als
Energieträger auch in diesem Bereich mehr zum Einsatz
zu bringen, vorangetrieben wird. Der Luftverkehr hat
bisher aber nur diese Möglichkeit. Deswegen ist er aus
Sicht der Kraftstoffstrategie unser größtes Sorgenkind.
Vielen Dank. – Die nächste Fragestellerin ist Frau
Kollegin Sabine Leidig.
Ich möchte in meiner Frage auf die Elektroautos zu
sprechen kommen, die Sie als ein zentrales Element der
Mobilitätsstrategie beschreiben. Sie sprechen jetzt von
1 Million Fahrzeugen, was etwa 2 Prozent des Gesamt-
Pkw-Bestandes im Jahr 2020 entspräche. Zugleich ge-
hen Sie davon aus, dass der Pkw-Bestand insgesamt um
3 Prozent steigt. Es ist an dieser Stelle also gar nicht er-
sichtlich, worin die Kraftstoffsparstrategie eigentlich be-
stünde.
Ich möchte folgende Frage stellen: Wie wollen Sie
mit dem Problem umgehen, dass zur Herstellung von
Batterien in hohem Maße seltene Rohstoffe benötigt
werden, die praktisch komplett importiert werden müs-
sen und um die es schon heute eine heftige Konkurrenz
gibt? Sie könnten sehr leicht dem Vorwurf ausgesetzt
sein, eine Art Rohstoffkolonialismus zu betreiben; denn
insbesondere im globalen Süden wehren sich immer
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Ihre Feststellung kann ich nicht bestätigen. Denn wir
lauben nicht, dass die Menschen sich dagegen wehren.
ir glauben, dass sie vielmehr froh sind, wenn sie an der
ntwicklung der Weltwirtschaft teilhaben können. Das
ilt auch für den Abbau von Rohstoffen. Richtig ist, dass
ir auch Seltene Erden gerade für die Produktion von
atterien und anderem brauchen. Darum werden wir
icht herumkommen; diesem Problem müssen wir uns
tellen.
Auf der anderen Seite ist es so: Die Elektromobilität
t die Antwort auf den Klimawandel. Sie haben zu
echt darauf hingewiesen, dass das Ziel, dass bis
020 1 Million Elektrofahrzeuge zugelassen sind, zwar
urchaus ehrgeizig klingt, wir aber natürlich versuchen
ollen, danach wesentlich höhere Ziele zu erreichen.
ie Zukunft des Automobils wird in der Elektromobili-
t liegen. Die Frage ist natürlich, ob wir auf direkte
tromladung oder auf Transmissionsriemen, wie es etwa
eim Wasserstoff als Energieträger der Fall ist, setzen.
as wird die Zukunft zeigen.
Wir sind technologieoffen; das habe ich in meinem
ingangsstatement erwähnt. Wir machen dabei keine
orgaben und forschen und fördern deswegen in allen
ereichen, um möglichst viele Elektromobile auf die
traße zu bringen.
Nächster Fragesteller ist der Kollege Dirk Becker.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,ie haben eben mehrfach die Biokraftstoffstrategie ange-prochen. Aktuell debattieren wir europäische Vorgaben,prich: die Deckelung der Biokraftstoffe der ersten Ge-eration auf 5 Prozent. Die restlichen 5 Prozent sollennter anderem aus Altfetten bzw. aus Biokraftstoffen derweiten Generation stammen.Das Problem bei den Altfetten ist die Zertifizierung;arüber diskutieren wir parallel. Es wird in Zukunft soein, dass das vorgesehene Zertifizierungssystem der EUazu führt, dass Pflanzenkraftstoffe aus Deutschlandicht mehr auf die Quote angerechnet werden können,eil sie aufgrund globaler Abholzungen mit einem sehregativen Faktor belegt werden. Man kann aber Palmöl,as nach einer Regenwaldrodung gewonnen wird undas früher als Speisefett eingesetzt worden wäre, nacheutschland bringen und es auf die Quote anrechnen las-en, und zwar doppelt. Wie wird sich die Bundesregie-ng bezüglich dieser beiden Gegebenheiten in europäi-chen Diskussionen in Brüssel verhalten?
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 31167
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Sehr geehrter Herr Kollege, das ist in der Tat eine
schwierige Diskussion. Deswegen habe ich gesagt, dass
wir gerade bei den Biokraftstoffen im internationalen,
vor allem im europäischen Zusammenhang vor großen
Diskussionen stehen. Die Bundesregierung beteiligt sich
intensiv an der Diskussion, um zu vernünftigen Lösun-
gen zu kommen.
Vielen Dank. – Nächster Fragesteller ist der Kollege
Martin Burkert.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
die deutsche Automobilbranche wünscht sich Unterstüt-
zung in Form von finanziellen Mitteln. Beabsichtigt die
Bundesregierung, einen Kaufpreisanreiz zu setzen,
sprich: Bargeld zu geben, wenn jemand ein Elektroauto
kauft? Wenn ja: Kann man etwas über die Höhe dieses
Betrages erfahren?
E
Sehr geehrter Kollege Burkert, die Antwort ist Nein.
Nächster Fragesteller ist unser Kollege Herbert
Behrens.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
noch einmal zu der Frage, die Sie mir vorhin beantwortet
haben, nämlich bezüglich der Reflexion des Problems:
Zielkonflikt bei biogenen Kraftstoffen. Sie haben er-
wähnt, dass Sie – wie haben Sie es genannt? – einen ge-
wissen Anteil biogener Kraftstoffe einsetzen möchten.
Gibt es eine konkrete Zahl, die das ein bisschen präzi-
siert? Ich möchte eine Vorstellung davon bekommen, ob
es möglich ist, diesen Bedarf national zu decken, oder ob
es zu solchen Effekten kommen wird, wie sie eben be-
schrieben wurden. Gibt es in der Strategie – eine Strate-
gie muss ja eigentlich mit einer Taktik unterlegt werden,
damit sie umgesetzt werden kann – dazu Zahlen?
E
Konkrete Zahlen wären genau das Falsche; denn es ist
eine lernende Strategie – so habe ich es bezeichnet –,
weil wir wollen, dass sich die Richtung, in die sich ein
Markt entwickelt, auch verändern kann. Ein Fragesteller
hatte sich vorhin danach erkundigt, wie es mit der Strate-
gie hinsichtlich der biogenen Kraftstoffe aussieht. Es
kann sich durchaus ergeben, dass wir ihren Anteil deut-
lich reduzieren wollen. Von daher wäre jede Festlegung
einer Quote genau das Falsche.
Nächster Fragesteller: Kollege Hans-Joachim Hacker.
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Die Frage, die ich habe, lautet: Wo steckt denn eigent-lich die Mobilitätsstrategie in Ihrem Papier? Die EU-Kommission sagt im Weißbuch Verkehr ganz eindeutig,dass wir die CO2-Emissionen senken müssen. Da hilftuns nicht der große Fächer. Ich vermisse die Vision. Wo-hin wollen Sie eigentlich? Wie wollen Sie das strate-gisch umsetzen? Es geht mir um die Ziele. Wo wollenSie landen? Wie stellen Sie sich das vor? Oder wollenwir nur diese lernende Nummer haben und hoffen, dasses dann irgendwann zu einem Ende kommt?E
Sehr verehrte Frau Kollegin, die lernende Nummer,
wie Sie das nennen, ist schon einmal ein großer Fort-
schritt. Die bisherigen Bundesregierungen haben diese
lernende Nummer nie auf die Reihe bekommen. So sind
wir ganz froh, dass wir so weit sind, dass wir diese Stra-
tegie jetzt haben.
Vor allem geht es darum, die Dinge technologieoffen
zu diskutieren. Bei der Mobilität geht es unserer Regie-
rung nicht darum, den Leuten vorzuschreiben, wie, wo
und wann sie zu fahren haben. Vielmehr sollen sie das
Verkehrsmittel ihrer Wahl nutzen können, nur muss das
Verkehrsmittel ihrer Wahl so umweltfreundlich wie nur
möglich sein. Zur Erreichung dieser Mobilität müssen
umweltgerechte Kraftstoffe und umweltgerechte An-
triebstechnologien zur Verfügung stehen. Sie können in
der Strategie erkennen, wie wir diese Verknüpfung vor-
genommen haben.
Der nächste Fragesteller ist Thomas Jarzombek. Bitte
schön, Kollege Jarzombek.
Herr Staatssekretär, ich komme noch einmal auf die
Frage nach der Subventionierung von Elektrofahrzeugen
zurück, die vorhin gestellt wurde. Hängt es in Anbe-
tracht der Schaufenster für Elektromobilität und der ge-
samten Forschungsförderung, die vorgenommen wurden
sowie des Nachteilausgleiches, bei dem der Staat eine
Menge gemacht hat, jetzt nicht von der Industrie ab,
faszinierende Produkte auf den Markt zu bringen? Ich
habe gelesen, dass Tesla in Amerika von dem neuen Mo-
dell mehr Fahrzeuge verkauft hat als Audi und Mercedes
mit ihren entsprechenden Topmodellen zusammen. Die-
ses Auto ist total faszinierend. Die Kinder drücken sich
die Nase an der Scheibe platt. Ist die Industrie jetzt nicht
viel stärker gefordert, als dass es auf Subventionen an-
käme?
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Sehr verehrter Kollege, ihre Leidenschaft für ein be-
stimmtes Automobil teile ich vielleicht privat. Aus Sicht
der Bundesregierung muss ich deutlich machen: Wir
sind für alle Modelle von allen Herstellern offen.
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Die Frage, ob wir diesen Bereich noch mehr fördern
ollten, habe ich beantwortet. Ich glaube, dass die För-
ermöglichkeiten, die die Bundesregierung auf den Weg
ebracht hat, sehr umfangreich und umfassend sind. Ich
ebe Ihnen absolut recht: Jetzt ist die Industrie am Zuge,
as umzusetzen. Ich habe bereits gesagt, dass die deut-
che Automobilindustrie noch in diesem Jahr eine Reihe
on neuen Fahrzeugen vorstellen wird, die elektromobil
ind. Wir hingen etwas zurück. Aber die deutsche Indus-
ie hat absolut aufgeholt. Die Förderung der Bundesre-
ierung hat dafür gesorgt, dass wir jetzt vorankommen.
h glaube, dass sich diese Entwicklung weltweit fortset-
en wird.
Wenn Sie das Modell, das Ihnen vorschwebt, in
eutschland genießen wollen, so können Sie das schon
tzt tun.
Nächster Fragesteller ist der Kollege Dirk Becker.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
ie haben vorhin die Rolle des Biomethans innerhalb der
iokraftstoffstrategie erwähnt. Bei diesem Thema bin
h an Ihrer Seite. Ich kämpfe schon seit vier Jahren für
ine Verbesserung des Umfeldes, um Biomethan stärker
den Verkehr zu bringen. Es hat die beste CO2-Bilanz
nd ist der günstigste Treibstoff. Leider sieht das keiner.
Es gibt wenig Hemmnisse, die zu beseitigen keine
örderung erforderlich macht: Bei der Preisauszeich-
ung könnte das Eichgesetz angepasst werden – eine
leinigkeit –, und der steuerliche Nachteil im Vergleich
um Erdgas könnte abgeschafft werden. Biomethan wird
Unterschied zum Erdgas nämlich regulär besteuert.
iese kleinen Hemmnisse sind innerhalb von zwei Mi-
uten durch das Kabinett zu beseitigen. Gedenkt die
undesregierung, diesbezüglich etwas zu tun?
E
Ich teile Ihren Optimismus nicht, dass wir innerhalbon zwei Minuten eine solche Regelung im Kabinett er-digen können.
as Kabinett kann zwar in dieser Geschwindigkeit be-chließen. Der Zeitbedarf für die Vorbereitung solcheraßnahmen ist aber erheblich größer.Auch ich bin ein großer Anhänger des Methans. Werhemie in der achten Klasse hatte, weiß, dass es eintoff ist, der sehr umweltfreundlich ist und den wir sehrut nutzen können – Stichwort: Power to Gas. Sie wer-en dieses Prinzip kennen. Ich nehme Ihre Anregungerne auf und werde sie in die Regierungsarbeit einbrin-en.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 31169
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Nächster Fragesteller: Stephan Kühn.
Herzlichen Dank. – Ich komme noch einmal auf das
Thema Erdgas zu sprechen. Wir wissen, dass es, je mehr
Erdgasfahrzeuge wir haben wollen, dann um die Frage
der Steuervergünstigungen geht. Die Hersteller brauchen
darüber Klarheit, weil sie ihre Produkte auf den Markt
bringen wollen. Auch für denjenigen, der ein solches
Produkt kaufen möchte, ist es relevant, wie es mit der
Steuervergünstigung nach 2018 weitergeht. Dies ist
keine allzu komplexe Frage, aber man muss sich zeitnah
entscheiden.
Ich dachte, beim Lesen der Kraftstoffstrategie finde
ich eine Erklärung. Aber: Der Satz, den ich dazu gefun-
den habe, beginnt so:
Die Bundesregierung wird prüfen, ob und gegebe-
nenfalls welche Maßnahmen in Betracht gezogen
werden können …
Warum ist es nicht gelungen, innerhalb von zwei Jahren,
die Frage, ob es nach 2018 diese Steuervergünstigungen
weiter geben wird, zu klären? Warum ist es in zwei Jah-
ren in Zusammenarbeit mit dem BMF – diese Frage
könnte auch Herr Staatssekretär Kampeter beantwor-
ten – nicht gelungen, Klarheit für den Hersteller und für
die Kunden zu schaffen?
E
Sicherlich kann diese Frage auch der Kollege
Kampeter beantworten. Da ich sie aber auch beantwor-
ten kann, will ich die geschätzte Arbeit des Kollegen
Kampeter nicht stören und werde die Frage selber beant-
worten.
Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach: Das
steht im Moment nicht an. Wie Sie wissen, dient diese
Steuererleichterung der Markteinführung von Erdgas-
fahrzeugen. In den Jahren 2016, 2017 müssen wir sehen,
ob das, was wir gemeinsam beschlossen haben, gegriffen
hat oder nicht.
Ich sehe, dass wir jedes Jahr eine zunehmende Anzahl
an erdgasbetriebenen Fahrzeugen zu verzeichnen haben.
Es sind sogar meist Dual-Fuel-Fahrzeuge, die auf den
Markt kommen. Bei weiter steigenden Benzinpreisen
dürfte der Trend dorthin noch deutlich zunehmen. Das
liegt vor allem daran, dass Erdgas in der Bevölkerung
ein sehr positives Image hat und dieser Antrieb im Mo-
ment technologisch ausgereift zu sein scheint. Es gibt
immer Weiterentwicklungen. Zumindest in den Augen
der Bevölkerung ist das Produkt nun aber markt- und
serienreif.
Insofern stellt sich folgende Frage: Wenn es ein ganz
normales Produkt auf dem Markt ist, muss es dann noch
weiter steuerlich gefördert werden? Sie werden wahr-
scheinlich erleben, wie Herr Kampeter und ich im Jahr
2017 darüber intensiv verhandeln und dann auch zu gu-
ten Lösungen kommen werden.
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Vorschläge aus der Opposition nehmen wir an. Sie
erden auf Ernsthaftigkeit geprüft und dann abgewogen.
Nächster Fragesteller ist Martin Burkert.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Der ländliche Raum
t der SPD ein besonderes Anliegen. Ich frage die Bun-
esregierung: Welche Marktanreize will man schaffen,
m die Betreiber von land- und forstwirtschaftlichen
aschinen im ländlichen Raum dazu zu bringen, Bio-
inkraftstoffe einzusetzen?
E
Ich glaube nicht, dass es Aufgabe der Bundesregie-
ng ist, einen ganz speziellen Zweig extra zu fördern.
as gilt für die ganze Breite der Produktion von land-
irtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Maschinen.
ber wir fördern zum Beispiel Anwendungen, die auf
er Hybridisierung aufbauen. Das kann auch eine Mög-
chkeit für den forstwirtschaftlichen Bereich sein, muss
s aber nicht. Wir sind technologieoffen und überlassen
s der Industrie, die entsprechenden Fahrzeuge so zu
onstruieren, dass sie im ländlichen Raum eingesetzt
erden können.
Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin Sabine
eidig.
Meine Frage lautet, wie Sie die Perspektive, die Sie
eschreiben, in Verbindung bringen mit dem Istzustand
nd mit der Tatsache, dass heutzutage eine enorme
enge an Subventionen in den Verbrauch konventioneller
raftstoffe fließt. Da ist das sogenannte Dienstwagenpri-
ileg mit 500 Millionen Euro, die Steuervergünstigung
r Diesel mit 6,6 Milliarden Euro, die Mineralölsteuer-
efreiung des Kerosins mit 7 Milliarden Euro bis hin zu
ehreren Milliarden Euro, die in den Lkw-Verkehr ge-
teckt werden; denn die Mauteinnahmen decken die ge-
ellschaftlichen Kosten nicht.
Wenn Sie von Energieeinsparungen in der Perspek-
ve sprechen: Wie stellen Sie sich vor, diese Subventio-
en abzubauen? Wie können Sie den Verbrauch von
onventionellem Kraftstoff mit den Zielen bezüglich
raftstoffeinsparungen und Klimaschutz in Deckung
ringen?
E
Frau Kollegin Leidig, ich teile Ihre Einschätzungicht, dass es hier zu einer ungewollten Ausnutzung vonteuergeldern kommt. Jede Unterstützung, sei es für eineranche, sei es für eine bestimmte Antriebsart, sei es für
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31170 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013
Parl. Staatssekretär Enak Ferlemann
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eine bestimmte Verbrauchsart, hat ihren Sinn. Denn wirleben nicht auf einer Insel in Deutschland, so gern dasdie Linken vielleicht hätten. Wir sind Teil des euro-päischen Verbundes und müssen uns im europäischenWettbewerb behaupten können. Deswegen gibt es dieseunterschiedlichen Unterstützungen. Daran wird die Bun-desregierung auch festhalten.Unabhängig davon analysieren wir – das steht im Be-richt – die heutige Situation. Wir beschreiben relativdeutlich, mit welchen Mitteln wir zum Ziel eines ande-ren Kraftstoffverbrauchs kommen wollen. Im Grundegenommen kann man es relativ einfach zusammenfas-sen: Los vom Öl.
Nächster Fragesteller ist der Kollege Thomas
Jarzombek. – Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, ich möchte gern eine Frage in Be-
zug auf wasserstoffbetriebene Elektromobilität stellen.
Da findet sich im Bericht der Hinweis, dass mit Serien-
fahrzeugen ab 2017 zu rechnen sei. Jetzt hat ein asiati-
scher Hersteller – ich nenne die Marke jetzt nicht –
angekündigt, tatsächlich schon in diesem Jahr erste
Fahrzeuge für Kunden als Leasingfahrzeuge zur Verfü-
gung zu stellen. Wer mit einem solchen Auto gefahren
ist, merkt auch, dass die Serienreife nicht mehr fern ist.
Man hört von den Ingenieuren dieser Autos immer die
Klage, dass dieser Bereich in ihren Unternehmen zu we-
nig Beachtung findet, weil es noch keine ausreichende
Infrastruktur gibt. Denn es gibt für diese Art von Fahr-
zeugen nur 15 Tankstellen, wie auch in Ihrem Bericht er-
wähnt wird. Insofern würde ich Sie bitten, darzustellen,
wie diese Infrastruktur ausgebaut werden soll.
Nachdem schon andere Kollegen nach lokalen Beson-
derheiten gefragt haben, frage ich nach der Wasserstoff-
pipeline, die schon heute quer durch Nordrhein-Westfa-
len, an den Chemiestandorten entlang, verläuft.
E
Wir haben Wasserstoff als Energieträger sehr wohl im
Blick. Allerdings entscheidet die Industrie, was sie bei
den Kraftfahrzeugen zur Anwendung bringen will. Rich-
tig ist, dass wir in den Testserien sehr gute Erfahrungen
mit den Testmodellen gesammelt haben. Auch hier in
Berlin gibt es Wasserstofftankstellen sowie Firmen, die
bereits Wasserstoff als Treibstoff für ihre Kraftfahrzeuge
nutzen. Das wird sicherlich noch ausgeweitet.
Ich glaube, dass die deutsche Industrie genauso leis-
tungsfähig ist wie die asiatische. Wir haben schon viele
Ankündigungen gehört, was der eine und was der andere
kann. Als Vertreter der Bundesregierung vertraue ich der
deutschen Industrie. Sie wird die Produkte rechtzeitig so
weit entwickelt haben, dass sie marktreif und marktfähig
sind und im Wettbewerb bestehen können. Es kann im
Jahr 2017 so weit sein, es kann aber auch eher sein – je
schneller, desto besser. Wichtig ist aber, dass bei uns
Technologieoffenheit herrscht. Wir werden die Techno-
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Um die Frage konkret zu beantworten: Wir, dasundesverkehrsministerium, testen sowohl die Elektro-obilität als auch die wasserstoffbetriebene Mobilitätirekt; wir haben unsere eigenen Erfahrungen mit diesenahrzeugen. Wir sehen aber, dass diese Fahrzeuge nochicht so serienreif sind, wie wir es gerne hätten. Wennh meinen geschätzten Kollegen Staatssekretären, deninistern und vor allem der Bundeskanzlerin ein solchesahrzeug zwangsweise per Verordnung oder Richtlinie,ie Sie es sagen, zur Verfügung stellen soll, dann mussie Technologie so ausgereift sein, dass die Bundeskanz-rin, jeder Bundesminister und jede Bundesministerinicher von A nach B kommen,
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 31171
Parl. Staatssekretär Enak Ferlemann
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vor allem auch die Staatssekretäre mit ihren vielfältigenAufgaben.
Deswegen werde ich dies dann anregen, wenn wir tech-nologisch so weit sind, dass wir dies umsetzen können.Aber Ihre Anregung ist vom Grundsatz her für die fer-nere Zukunft richtig.
Vielen Dank. – Nächster Fragesteller: Kollege
Herbert Behrens.
Herr Präsident, vielen Dank. – Herr Staatssekretär,
warum setzt die Bundesregierung nicht stärker auf Ver-
kehrsvermeidung? Energie nicht zu verbrauchen, ist,
glaube ich, die beste Strategie. In Ihrer Strategie, gerade
auch im Kapitel zur „lernenden Strategie“, ist sehr wenig
zum Thema Schienenpersonennahverkehr zu lesen. Das
einzig Konkrete ist, dass es dazu leider nur sehr schlech-
tes statistisches Material gibt. Welche Schlussfolgerun-
gen ziehen Sie daraus?
Die zweite Frage ist – sie gehört dazu –: Inwieweit
sind die 300 Experten, mit denen Sie zusammengearbei-
tet haben, auf die Frage der Verkehrsverlagerung hin zu
mehr öffentlichem Personennahverkehr eingegangen?
Spiegelt das, was wir dazu in Ihrem Bericht lesen,
wirklich die Bedeutung dieses Themas in der Diskussion
wider?
E
Herr Kollege Behrens, Verkehrsvermeidung ist für ein
Verkehrsministerium eine einzigartige Provokation. Wir
sind dafür da, den Verkehr zu organisieren. Wir wollen
Verkehr – in jeder Form.
Der Bürger und die Wirtschaft sollen sich aussuchen,
welchen Verkehrsträger sie nutzen möchten. Wir
möchten Verkehr nicht vermeiden, sondern ihn intelli-
gent organisieren.
Zu einer intelligenten Organisation gehört zum Bei-
spiel das Verlagern des Individualverkehrs auf den öf-
fentlichen Personennahverkehr. Wir haben derzeit in
Deutschland einen großen Zuzug in die großstädtischen
Ballungsräume zu verzeichnen. Deutschland verändert
sich damit in seinem Aufbau. Wir werden deutlich mehr
schienengebundenen Personennahverkehr und auch öf-
fentlichen Personennahverkehr brauchen. Ein wichtiger
Ansatz in unserer Strategie ist, auch für diese Verkehrs-
träger eine entsprechende Kraftstoff- und Mobilitätsstra-
tegie zu entwickeln; denn wir müssen dem steigenden
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ir müssen in der nächsten Wahlperiode das Ministe-
um in „Mobilitätsministerium“ umbenennen, damit Sie
icht nur an den Bau von Verkehrswegen denken; sogar
r Kollege Außenminister hat eben gezögert.
Zu meiner Frage. Die Bundesregierung hat sich
wenn wir das richtig wahrgenommen haben – gewisse
iele in Bezug auf die Reduzierung des Endenergiever-
rauchs gesetzt. Dazu sagen Sie in Ihrem Bericht auch
twas. Wie gedenken Sie diese ernsthaft umzusetzen?
In Ihrer Kraftstoffstrategie fehlen mir griffige Lösun-
en. Sie hoffen, dass Ihnen von der Industrie etwas zuge-
efert wird. Ich erwarte schon etwas mehr. Es ist etwas
ursorisch über „Power to Gas“ sinniert worden, ohne
ass ein Gesamtkonzept dahintersteckt. Gerade LNG
nd Ähnliches könnten wir nicht nur in der Schifffahrt,
ondern auch im Flugverkehr einsetzen. Mir fehlt eine
rklärung, wie Sie das überhaupt machen wollen.
E
Sehr geehrte Frau Kollegin, zuallererst: Unser Minis-rium als Mobilitätsministerium zu bezeichnen, darüberann man nachdenken.
ie dürfen dabei aber nicht vergessen, dass wir auch füren Baubereich zuständig sind. Wir werden häufiglschlicherweise als Verkehrsministerium bezeichnet,ber wir sind genauso das Bauministerium. Darauf mussh hinweisen. Denn wir haben in diesem Bereich sehrngagierte Kolleginnen und Kollegen; derzeit wird zumeispiel der Grundstein für das Stadtschloss gelegt.
h lege großen Wert darauf, dass wir nicht nur dasinisterium für Mobilität sind – das auch gerne –, son-ern genauso auch das Ministerium für das Bauwesennd für die Raumordnung.
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31172 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013
Parl. Staatssekretär Enak Ferlemann
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Zu Ihrer Frage. Wir haben beschrieben, wie wir dieZiele erreichen wollen. Sie haben das Beispiel der See-schifffahrt herausgegriffen. Natürlich ist unser großesZiel die Landstromversorgung. Es macht absolut Sinn,dass wir die Schiffe in den Häfen an Landstrom an-schließen. So könnten wir verhindern, dass die Energie-versorgung der Schiffe durch Diesel, wie es derzeit derFall ist, erfolgt. Das ist technologisch, vor allem anwen-dungstechnologisch, heute in dem von uns gewünschtenUmfang leider noch nicht möglich.Stellen Sie sich vor, in einem Welthafen wie Hamburgwürden alle Schiffe mit Landstrom versorgt. Wir brauch-ten einen Kraftwerkspark, um die dafür benötigte Mengean Energie erzeugen zu können. Hier wird die Dimen-sion des Problems deutlich.LNG kann eine Lösung sein, sie wird auch Anwen-dung finden. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Wirhaben die SECA-Gebiete ausgewiesen; das betrifft – Siewissen das – auch die Nord- und die Ostsee. Das wirddazu führen, dass wir in der Schifffahrt vermehrt aufLNG als Energieträger zurückgreifen müssen. Es gibtalso eine Bandbreite verschiedener Anwendungen, diewir nutzen wollen. Diese sind auch beschrieben worden.
Vielen Dank. Wir sind am Ende dieses Komplexes.
Es gibt noch eine Frage zur heutigen Kabinetts-
sitzung. Dazu gebe ich dem Kollegen Volker Beck das
Wort. – Bitte schön, Kollege Volker Beck.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Das Kabinett hat heute
infolge des Urteils vom letzten Donnerstag den Gesetz-
entwurf zur Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit
der Ehe im Einkommensteuerrecht verabschiedet.
Bei der Lektüre des Gesetzentwurfes ist mir aufgefal-
len, dass einiges fehlt. Sie haben sich auf eine Regelung
beschränkt, die lautet:
Die Regelungen dieses Gesetzes zu Ehegatten und
Ehen sind auch auf Lebenspartner und Lebenspart-
nerschaften anzuwenden.
So weit, so schön, so gut.
Aber warum sind die Folgeänderungen bei der Abgaben-
ordnung, beim Wohnungsbau-Prämiengesetz und bei der
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung nicht ent-
halten?
Eine Frage beschäftigt mich wirklich; denn das ist
mehr als ein rechtstechnischer Fehler. – Herr Kampeter,
Sie müssen mir zuhören; denn man kann die Frage nicht
beantworten, wenn man sie nicht kennt. Das ist selbst
Ihnen nicht gegeben. – Sie haben zwar den im Einkom-
mensteuergesetz festgelegten Kinderfreibetrag in den
Gesetzentwurf übertragen, das Kindergeld aber nicht an-
gefasst. Steckt eine rechtspolitische Absicht dahinter,
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 31173
)
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Vielen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. –
Ich danke auch dem Parlamentarischen Staatssekretär
Enak Ferlemann für die Beantwortung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nun den
Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen CDU/CSU und
FDP
Aktuelle Situation in der Türkei
Erster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist der
Bundesminister des Auswärtigen, Herr Dr. Guido
Westerwelle. – Bitte schön, Herr Außenminister, Sie ha-
ben das Wort.
Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
wärtigen:
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und
Herren Kolleginnen und Kollegen! Die jüngsten Ent-
wicklungen in der Türkei bereiten uns große Sorgen.
Deswegen ist es gut und richtig, dass der Deutsche
Bundestag sich jetzt in einer Aktuellen Stunde mit der
Situation in der Türkei befasst. Wir wollen dem Ernst
der Lage mit großer Ernsthaftigkeit in der Debatte be-
gegnen.
Die Bilder, die uns vom Taksim-Platz in Istanbul und
aus anderen Städten in der Türkei erreichen, sind verstö-
rend. Dazu gehört der erneute massive Polizeieinsatz bei
der Räumung des Platzes. Die türkische Regierung sen-
det mit dieser Eskalation das falsche Signal – das falsche
Signal ins eigene Land, aber auch das falsche Signal
nach Europa.
Versammlungsfreiheit und das Recht auf freie Mei-
nungsäußerung sind unveräußerliche Grundrechte in
jeder Demokratie und in jedem modernen Staat.
Jetzt muss sich zeigen, dass sich die Modernisierung
der Türkei nicht nur auf die Wirtschaft beschränkt. Diese
Modernisierung muss auch gesellschaftliche Pluralität
und Bürgerrechte umfassen. Das ist die wohl größte Be-
währungsprobe der türkischen Regierung seit Amts-
antritt der Partei von Ministerpräsident Erdogan. Die tür-
kische Regierung muss Europa und der Welt zeigen, dass
sie sich von den Grundsätzen leiten lässt, zu denen sie
sich im Rahmen des Europarates verpflichtet hat: Demo-
kratie, Freiheitsrechte und die Herrschaft des Rechts.
Die Gewalt muss ein Ende haben. Der Konflikt wird
nicht durch harsche Rhetorik, sondern nur durch Dialog
und Deeskalation zu lösen sein. Deswegen möchte ich
um eine differenzierte Debatte bitten und erlaube mir
den Hinweis, dass es in der Türkei sehr differenzierte
Reaktionen gibt. Ich möchte hier ausdrücklich die sehr
besonnene Reaktion von Staatspräsident Gül positiv er-
wähnen und würdigen. Jetzt geht es darum, dass die Ge-
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Ich erwarte, dass Ministerpräsident Erdogan im
eiste europäischer Werte deeskaliert und einen kon-
truktiven Austausch und friedlichen Dialog sucht.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Bundesminister. – Nächster Red-
er für die Fraktion der Sozialdemokraten: unser Kol-
ge Johannes Kahrs. Bitte schön, Kollege Johannes
ahrs.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Herr Minister Westerwelle, Sie haben hier inrer Rede das Richtige und Notwendige gesagt. Dazuann ich Sie nur beglückwünschen. Ich glaube, dass dieituation in der Türkei so ernst ist, dass es wichtig ist,ass wir als Deutscher Bundestag und die Bundesregie-ng gemeinsam das Signal an die Regierung Erdoganussenden, dass diese Zustände nicht tolerabel und nichtaltbar sind.
Ich glaube, dass ganz besonders zu betonen ist, wieichtig es für uns ist, dass sich die Türkei jetzt nichtpaltet. Wir alle kennen die innere Verfasstheit der Tür-ei, die Aufteilung nach Regionen, nach Nationalitäten,
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31174 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013
Johannes Kahrs
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nach Religionen. Wenn man sich die Situation in Syrienund im Libanon anschaut, dann weiß man, dass genaudas in der Türkei nicht passieren soll und darf. Wichtigist, dass sich die Türkei als Ganzes findet und ihren Wegnach Europa weiter fortsetzt.
Wenn man sich die Entwicklung anguckt, dann stelltman fest – das ist eben dargestellt worden –, dass die De-monstrationen eher ein Zeichen dafür sind, dass sich dieTürkei in die richtige Richtung entwickelt, dass sich eineBürgergesellschaft, eine Zivilgesellschaft entwickelt,dass dies aber auch das Ergebnis des jahrelang andauern-den Beitrittsverfahrens ist; der EU-Beitritt der Türkeiwurde ja von großen Teilen dieses Hauses angestrebt. Inder Vergangenheit hatten wir durch das EU-Beitrittsver-fahren immer auch die Möglichkeit, in der Türkei für dieWerte zu werben, für die Europa steht und für die dieDemonstranten kämpfen. Diese Werte fordern wir nichtnur ein, sondern wir hoffen auch, dass sie sich in derTürkei am Ende durchsetzen werden.
Die Türkei ist eine Demokratie auf dem Weg nachEuropa. Deswegen haben wir es als sehr bedauerlich er-achtet, dass der EU-Beitrittsprozess von Sarkozy undFrau Merkel gestoppt wurde, dass das Signal Europas andie Türkei war: Wir wollen euch nicht.
Eine privilegierte Partnerschaft alleine hat nicht ge-reicht; diese Diskussion haben wir auch in der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe geführt. Wichtig ist,heute zu sagen, dass der EU-Beitrittsprozess weitergewollt wird, dass wir die Türkei auffordern, ihn weitervoranzutreiben, dass wir uns wünschen, dass auch dieeuropäischen Staaten diesen Prozess weiter vorantrei-ben.
Keiner will die Türkei, so wie sie jetzt ist – eins zueins –, als Mitglied der Europäischen Union. Aber wiralle wollen, dass es einen Beitrittsprozess gibt, und zwardeshalb, weil Europa eine Wertegemeinschaft ist. Wirwollen, dass der Beitrittsprozess die Türkei in die rich-tige Richtung führt und in der Türkei eine Entwicklungbefördert, die es uns erlaubt, die Türkei als Mitglied derEuropäischen Union begrüßen zu können. Dieser Wegist lang, und er wird hart, insbesondere für die Türkei.Sie wird sich in vielen Punkten ändern und weiterentwi-ckeln müssen. Ich glaube, jede Form der Unterstützungist dort wichtig. Die Werte, die die Demonstranten ein-fordern, sind zu einem wesentlichen Teil die Werte, dieauch im Rahmen des Beitrittsprozesses eingefordertwerden.Da ich gerade Claudia Roth sehe, möchte ich sagen:Bei unseren vielen Besuchen in der Türkei haben wir inAnbetracht des Beitrittsprozesses immer wieder einfor-dkgEcsMcWgzruSurelaimvwgpaRvBmgtoPZdcdALznbjebwledütiLE
Vielen Dank, Kollege Johannes Kahrs. – Nächster
edner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion
on CDU und CSU unser Kollege Ruprecht Polenz.
itte schön, Kollege Ruprecht Polenz.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichöchte mit einer Vorbemerkung beginnen. Heute Mor-en konnte man in den Zeitungen lesen, dass der Direk-r der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volkererthes, im Hinblick auf Syrien davor warnt, dass dortustände wie in Somalia eintreten könnten. Analysten,ie sich mit der Region beschäftigen, sehen ein Zerbre-hen der – in Anführungszeichen – „Ordnung“, die nachem Ersten Weltkrieg ausgehend vom Sykes-Picot-bkommen von 1916 entstanden ist und die wir auf derandkarte an den wie mit dem Lineal gezogenen Gren-en erkennen können. Diese Grenzen sind natürlichicht gut; sie sind aber – da sind sich bisher alle einig –esser als Grenzen, die infrage gestellt sind. Wir stehentzt vor der Situation, dass möglicherweise Syrien zer-richt, der Irak seine staatliche Einheit nicht wirklichiederfindet und der Libanon das gleiche Schicksal er-iden könnte. Auch Jordanien steht unter entsprechen-em Druck.In dieser Region ist die Türkei trotz aller Mängel,ber die wir heute leider sprechen müssen, ein demokra-scher stabiler Staat. Wir hoffen, dass die Türkei in derage sein wird, die rechtsstaatlichen Defizite, die in denreignissen der letzten Tage noch einmal sehr deutlich
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 31175
Ruprecht Polenz
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zutage getreten sind, zu überwinden. Diese Defizite sind,wie man in den Fortschrittsberichten der EuropäischenUnion immer wieder nachlesen konnte, auch strukturel-ler Art.Ich will eine zweite kurze Vorbemerkung machen:Wenn wir uns heute mit dieser Frage beschäftigen, dannist das keine Einmischung in die inneren Angelegenhei-ten der Türkei.
Aus der Souveränität eines Staates folgt nicht, dass mandie Gewährleistung der Grund- und Menschenrechtenicht beachten müsse. Spätestens seit der Wiener Konfe-renz ist klar: Das geht uns alle an. – Deshalb bringen wirdas hier auch zur Sprache.Im Falle der Türkei kommt hinzu, dass sie seit 1949Mitglied im Europarat ist – übrigens ein Jahr länger alsdie Bundesrepublik Deutschland – und dass die TürkeiMitglied der Europäischen Union werden will. Verhan-delt wird seit 2005 mit dem Ziel des Beitritts. Die Türkeiist also aufgefordert – das haben die Vorredner zu Rechtgesagt –, die Grundrechte der Meinungsfreiheit und derDemonstrationsfreiheit zu respektieren. Angesichts derüberharten Polizeieingriffe in den zurückliegenden Ta-gen muss man sagen: Das hat die Türkei nicht getan. –Ich fordere dazu auf, diese Vorfälle zu untersuchen unddie dafür Verantwortlichen auch zur Rechenschaft zuziehen.
Wenn man sich anschaut, wie aus einem Protest imZusammenhang mit einem sicherlich wichtigen zentra-len Platz in Istanbul landesweite Proteste – jedenfalls inden Städten der Türkei – geworden sind, dann wird deut-lich: Es geht auch noch um etwas anderes. Es geht da-rum, dass es in der Türkei eine wachsende Zivilgesell-schaft gibt, die sich nicht bevormunden lassen möchteund die einen Teil der gegenwärtigen Regierungspraxisim Allgemeinen und des Ministerpräsidenten im Beson-deren als genau diese Art der Bevormundung von obenherab empfindet und dagegen aufbegehrt. Es ist wichtig,das anzusprechen; denn wie wir diese ganze Entwick-lung beurteilen, hängt damit wesentlich zusammen.Wenn es in der Türkei gelingen würde, dass alle Seitenaufeinander zugehen und man die demokratischenGrundtugenden Toleranz und Kompromissbereitschaftan den Tag legt, dann besteht die Chance, dass die türki-sche Demokratie aus dieser Situation gestärkt hervorgehtund dass Zivilgesellschaft und Staat einander in Zukunftstärker auf Augenhöhe begegnen, als das in der Vergan-genheit der Fall war.Was können wir tun? Ich denke, wir müssen den Pro-zess des EU-Beitritts neu beleben.
IcGeddwsdhmiswpIcepIntiakRFDlewdRsRDPDsemPR
h möchte dazu auffordern, auf Zypern in dieser Frageinzuwirken; denn das Kapitel 23 wird allein von Zy-ern blockiert.
diesem Falle bestünde die Möglichkeit, auch institu-onell – über das, was wir in dieser Aktuellen Stundensprechen, hinaus – nachhaltig auf die Türkei einzuwir-en.Vielen Dank.
Vielen Dank, Kollege Ruprecht Polenz. – Nächste
ednerin für die Fraktion Die Linke ist unsere Kollegin
rau Sevim Dağdelen. Bitte schön, Frau Kollegin
ağdelen.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol-gen! Lieber Herr Polenz, ich kenne Sie aus dem Aus-ärtigen Ausschuss als einen sehr integren Vorsitzen-en; aber eines muss ich Ihnen – auch angesichts derede meines Kollegen Kahrs – schon sagen: Ihre Illu-ion über die Türkei verstellt Ihnen den Blick für dieealität. Die Realität ist eben nicht so, dass es dortinge wie Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit undressefreiheit gibt. All das gibt es nicht in der Türkei.eshalb gehen dort seit fast zwei Wochen Hunderttau-ende Menschen auf die Straße. Diese jedoch begegneninem Polizeiterror bzw. einem staatlichen Terror. Dasuss meines Erachtens Konsequenzen haben. Sie solltenolitik nicht an Illusionen ausrichten, sondern an derealität in der Türkei.
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Sevim Dağdelen
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Der Polizeiterror auf Befehl des türkischen Minister-präsidenten Erdogan hat gestern einen traurigen Höhe-punkt erreicht. Wir alle zusammen sollten hier im Bun-destag ein Zeichen dagegen setzen und sagen: HerrErdogan, stoppen Sie diesen staatlichen Terror gegen dieDemonstranten. – Wir als Linke sind mit der Protestbe-wegung und den Demonstranten, die für Freiheit,Rechtsstaat und soziale Gerechtigkeit auf die Straße ge-hen, solidarisch.
Nachdem es bisher nicht gelang, diese vielfältige,bunte, junge, breite und dynamische Protestbewegungdurch staatlichen Terror verstummen zu lassen, sollenjetzt die einzig noch verbliebenen regierungskritischenFernsehsender mundtot gemacht werden. Ihr Vergehenist es, dass sie über den Protest der letzten 14 Tage be-richtet haben. Dafür soll es jetzt Geldstrafen geben. Ichfinde das unerträglich. An dieser Stelle muss auch einklares Signal an Erdogan gesendet werden, dass dieserUnterdrückungsstaat – der mittlerweile ein islamisti-scher Unterdrückungsstaat ist – auch vom DeutschenBundestag verurteilt wird.
Auch von Minister Westerwelle sind hier wohlfeileAppelle in dem Sinne ergangen, dass in der Türkei jetztendlich die rechtsstaatlichen Normen umgesetzt werdenmüssten. Das alles finde ich ganz toll. Politikerinnen undPolitiker werden aber nicht nur an dem gemessen, wassie sagen, sondern auch an dem, was sie tun. Was machtdie deutsche Bundesregierung? Diese deutsche Bundes-regierung kooperiert polizeilich, militärisch und geheim-dienstlich mit der Türkei. Das ist meines Erachtens an-gesichts dieser harschen Menschenrechtsverletzungen inder Türkei unverantwortlich. Diese Kooperation mit derAKP-Regierung – das sagt die Linke ganz klar – mussbeendet werden. Es müssen Konsequenzen folgen.
Die Menschen in der Türkei gehen nicht nur gegeneine Politik im Stil eines autoritären Neoliberalismus aufdie Straße, sondern auch gegen die Privatisierungspoli-tik. Bei ihnen handelt es sich nicht nur um Mitglieder derBürgergesellschaft, sondern das ist eine ganz breite Pro-testbewegung, die Linke ebenso wie Nationalisten ein-schließt. Sie sind gegen die islamistische Gängelungdurch den Tugendterror der AKP.Bei meinem Besuch der Demonstranten im IstanbulerGezi-Park letzte Woche konnte ich erfahren, dass auchsie Sehnsucht nach Frieden haben.
Sie möchten Frieden in der Türkei und eine auf Friedenzielende Außenpolitik. Sie wollen keinen Krieg gegenSyrien, und sie verurteilen die Unterstützung Erdogansfür die Al-Qaida-Milizen in Syrien.Deshalb stehen wir solidarisch hinter dieser Protest-bewegung. Die Bundesregierung wie auch die SPD unddie Grünen sollten diese gefährliche Militärpolitik desSdgtrmteriusBncmedundwtrtitrDbdemnSWTssuwririreSti
enn Erdogan geht gestärkt aus dieser Situation hervor,enn die EU, wie er sagt, jetzt auch noch weitere Bei-ittskapitel aufmacht.
Die Linke sagt: Angesichts dieser massiven systema-schen Menschenrechtsverletzungen müssen die Bei-ittsgespräche ausgesetzt werden, Herr Westerwelle.iese autoritäre AKP-Regierung darf nicht auch nochelohnt werden. Das ist die Antwort der Linken aufiese autoritäre AKP-Politik.
Lassen Sie mich dem Bundestag zum Schluss nochinen Vorschlag machen. Ich sage Ihnen: Solidaritätuss sich in konkreten Handlungen ausdrücken. Es darficht nur bei einem wohlfeilen Appell bleiben. Lassenie uns gemeinsam als Deutscher Bundestag an diesemochenende eine parlamentarische Delegation in dieürkei entsenden, die mehr Öffentlichkeit herstellt undich dafür einsetzt, dass endlich statt der Gewalt ein tat-ächlicher, wirklicher Dialog mit den Protestierendennd nicht mit den AKP-nahen Organisationen eröffnetird. Lassen Sie uns das tun! Dies wäre ein Schritt in diechtige Richtung und Ausdruck der praktischen Solida-tät mit den Demonstranten. Die Linke ist jedenfalls be-it für diesen konkreten Schritt als Ausdruck unsererolidarität.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Claudia Roth für die Frak-on Bündnis 90/Die Grünen.
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Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wir sind mit unseren Herzen bei den Tausenden vonMenschen, die seit 14 Tagen in Istanbul, in Ankara, inAdana, in Izmir, in Bodrum friedlich demonstrieren. Wirsind in Gedanken bei den sehr vielen Verletzten undtrauern um die Opfer massiver staatlicher Repression.Wir klagen brachiale Gewalt und den Einsatz von Trä-nengas, Wasserwerfern und Gummigeschossen an, undwir sind wütend über die brutale Räumung des Taksim-Platzes gestern Abend, auf dem sich Zehntausende vonMenschen friedlich versammelt hatten – darunter sehrviele Familien.Erdogan hat gestern im Parlament gefragt – ich zitiere –:Gibt es etwas, was wir nicht verstanden haben? – Ichsage: Ja, Tayyip Bey, Sie haben nicht verstanden, dassdie Gewährung demokratischer Grund- und Freiheits-rechte kein Gnadenakt eines Ministerpräsidenten ist.
Sie haben nicht verstanden, dass das Demonstrations-recht, das Recht auf freie Meinungsäußerung und diePressefreiheit Grundnahrungsmittel in jeder Demokratiesind. Sie sperren diese Freiheit hinter Gitter und lassendie Menschenrechte niederknüppeln. Sie verwechselnStärke mit bloßer Gewalt.
Ein Präsident, der Sie ja werden wollen oder wollten,darf die türkische Gesellschaft aber nicht spalten, son-dern muss sie zusammenführen. Er darf nicht rhetorischaufrüsten und, wie gestern wieder, Hass predigen, indemer Demonstranten kriminalisiert und als Terroristen, vonaußen gelenkte Spione und Vandalen bezeichnet.Sind die jungen Frauen und Männer, die den Gezi-Park, eine der letzten grünen Oasen in Istanbul, schützenwollen, die Vandalen, die der Türkei schaden? Schadetnicht eher eine Politik, die nicht nur 600 Bäume, sondernauch den demokratischen Protest plattmachen will?
Sie haben den Kern der neuen Protestbewegung nichtverstanden, Tayyip Erdogan. Diese neuen Proteste undihre Akteure machen Schluss mit dem alten, klassischenKultur- und Machtkampf in der Türkei, der die Ge-schichte des Landes in den letzten Jahrzehnten entschei-dend geprägt hat: die kemalistische Elite zusammen mitdem Militär gegen die sogenannten Traditionalisten undReligiös-Konservativen.Die aktuellen Proteste zeigen, dass dieses Muster derVergangenheit angehört. Sie zeigen, worum es geht: Esgeht gegen den Ausverkauf der Natur, gegen einen radi-kalen Umbau der Gesellschaft, gegen eine von Betonüberzogene Türkei, gegen riesige Staudammprojekteug–dsnsDtikfüVRmSaZregsdtrsfäsDvGsGVdzee
Diese Türkei wird durch Erdogans Politik nicht reprä-entiert. Wenn wir von der Türkei sprechen, dann istamit nicht Erdogans Politik gemeint. Wer jetzt den Bei-ittsprozess abbrechen will, wer jetzt die Türen ver-chließen will,
llt dem demokratischen Protest in den Rücken undtärkt damit Erdogan.
as ist das Gegenteil dessen, was die Linke angeblichertritt.
enau das wäre ein gefährlich falsches Signal. Ichtimme absolut mit Ruprecht Polenz überein, der sagt:enau das Gegenteil muss jetzt passieren, nämlich eineerstärkung des demokratischen Prozesses, indem wirie Beitrittsperspektive offenhalten.Was fordern wir? Wir fordern die türkische Regierungum sofortigen Ende der Gewalt auf. Wir fordern sie auf,inen glaubwürdigen Dialog mit den Protestierendeninzuleiten,
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Claudia Roth
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ernsthafte Gesprächsbereitschaft zu zeigen; denn es gehtdarum, dass Politik im Interesse der Menschen und ge-meinsam mit den Menschen gemacht wird und nicht ineiner Bulldozer-Logik à la Erdogan.Nur die Schaffung und die Gewährung von demokra-tischer Teilhabe aller Menschen in der Türkei kann zumsozialen Frieden führen, wobei die alten Konflikte, wiedie Kurdenfrage, die Armenierfrage und auch die Frageder Religionsfreiheit für alle Glaubensrichtungen, wei-terhin mit besonderem Augenmerk, mit besonderemElan und mit besonderem Krafteinsatz angepackt undgelöst werden müssen.
Kollegin Roth, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit.
Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Letzter Satz. – Angesichts dieses Demokratiewachs-
tums und der damit verbundenen Glaubwürdigkeit in
Bezug auf die Beitrittsperspektive wollen wir die Demo-
kraten und Demokratinnen in der Türkei aktiv unterstüt-
zen.
Der Kollege Hans-Werner Ehrenberg hat nun für die
FDP-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lage inder Türkei ist besorgniserregend. Die Proteste in Istan-bul und in vielen anderen Städten haben in den letztenTagen eine gefährliche Dynamik entwickelt, die kaumvorauszusehen war. Deshalb begrüßt auch die FDP-Fraktion ausdrücklich diese Aktuelle Stunde; denn siegibt uns nicht nur Gelegenheit, Schlüsse aus der aktuel-len Entwicklung zu ziehen, sondern vor allem auch dieChance, unseren Standpunkt hinsichtlich der Türkei zuüberdenken.Wir alle haben uns in der Vergangenheit viel zu sehrmit Europa beschäftigt und es darüber versäumt, uns mitunserem Nachbarn und Partner Türkei ausführlich zu be-schäftigen. Dabei gehört die Türkei zu Europa. Das ha-ben wir als FDP schon seit langem erkannt und einePolitik gefordert, die der Bedeutung dieses wichtigenLandes gerecht wird.Erdogans wirtschafts- und reformpolitische Leistun-gen der letzten zehn Jahre, zu denen im Übrigen auch dieBeschneidung der Macht des Militärs gehört, sind unbe-stritten. Die wirtschaftliche Reformpolitik hat der Türkeiein Wachstum und einen Wohlstand beschert, der sie dieFinanzkrise fast unbeschadet hat überstehen lassen.vhBurireteuwndNndeuLsvPfesdUDsInEhwsliSsaWsDFnliüleih
An der Stelle darf ich ruhig einmal an den klugenmgang mit der PKK in den letzten Monaten erinnern.ies zeigt, dass Erdogan auch durchaus fähig ist, übereinen Schatten zu springen.
gewisser Weise ist der Aufstand auch eine Folge derrdogan’schen Reformen. Denn unter seiner Regierungat sich die türkische Zivilgesellschaft entfalten könnenie nie zuvor. Jetzt offenbart sich sehr deutlich, dassich große Teile der türkischen Gesellschaft unversöhn-ch gegenüberstehen. Das ist nicht allein Erdoganschuld. Die Entstehung der Risse in der türkischen Ge-ellschaft reicht weit in die Zeit vor seinem Regierungs-ntritt zurück.Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass die Türkei ihreneg nach Europa findet, ohne dass Teile ihrer Gesell-chaft auf der Strecke bleiben. Denn letztendlich sind dieemonstrationen ein Schrei nach Europa, nach mehrreiheit, nach mehr Mitsprache. Es kann eigentlich auchur im Interesse der Türkei und der Regierung Erdoganegen, diesen Wunsch aufzunehmen und umzusetzen.Genau hier sind wir jetzt gefragt. Auch wir solltenber unseren Schatten springen und durch gewisse Vor-istungen der Türkei die Chance und den Anreiz geben,ren damals eingeschlagenen Reformweg weiterzuge-
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Hans-Werner Ehrenberg
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hen. Das ist gut für uns, das ist gut für Europa, und dasist vor allem gut für die Menschen in der Türkei.Schönen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Angelika Graf für die SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Schauen wir uns die Entwicklung in der Türkei in denletzten Tagen an: Am Anfang ging es „nur“ um einenPark bzw. um ein Bauvorhaben in Istanbul. Die Men-schen haben sich zusammengetan, um friedlich ihreMeinung kundzutun. Die Polizei hat diese Demonstra-tion unverhältnismäßig gewaltsam niedergeschlagen undDemonstrierende willkürlich festgenommen.Die Reaktion der politischen Führung darauf war sehrzwiespältig: Unter dem internationalen Druck hat sichGül entschuldigt und geschworen, es werde nicht mehrvorkommen. Kurz darauf wurde aber wieder Gewalt ge-gen die Protestierenden eingesetzt. Letzte Nacht ist derTaksim-Platz geräumt worden. Nun bietet Erdogan Ge-spräche mit den Demonstranten an. So kann es nicht ge-hen.Aus dem Konflikt um den Park hat sich ein Aufbe-gehren gegen gesellschaftliche und politische Miss-stände, gegen eine restriktive, frauenfeindliche Gesetz-gebung in der jüngsten Zeit und gegen die Wandlung derTürkei – so empfinde ich es zumindest – von einemlaizistischen Staat in ein eher autokratisches Gemeinwe-sen entwickelt, in dem die Religion immer mehr Staats-ziel ist.Was denken Sie: Worüber hat die Presse informiert?
Mir wurde berichtet, man habe über Pinguine, Kochsen-dungen und Quizshows berichtet, immer nach demMotto: Was man nicht zeigt, das passiert vielleicht auchnicht. Jedoch über die neuen Medien, über Twitter undFacebook, wurde öffentlich, was die Regierung und dieregierungstreuen Medien meinten den Bürgern vorent-halten zu müssen. Die Ignoranz der Medien gegenüberden Ereignissen draußen wurde im Internet heftig disku-tiert und kritisiert und über die Grenzen der Türkei hi-naus verbreitet. Die Selbstzensur der Fernsehsender er-boste neben der ausufernden Gewalt die Menschen. Vorallen Dingen Schauspieler, Schriftsteller, Musiker undIntellektuelle prangerten die Berichterstattung an. Da-raus hat sich der Konflikt gespeist und weiterentwickelt.Die Ereignisse in Istanbul, Ankara und anderen Städ-ten der Türkei in diesen Tagen führen uns ein Problemvor Augen, welches den Kern der sich entwickelndentüsSlighssdTDuRzDcRvliIcpwwesJfeihdhotuInledadkvKwdwgfüukPmstidstäD
den jüngsten EU-Fortschrittsberichten werden vor al-m die Defizite bei der Meinungs- und Pressefreiheit,ie zum aktuellen Konflikt in der Türkei geführt haben,ngemahnt. Es geht um die sich verschärfende Situationer christlichen Kirchen sowie um die Kurden und ihreulturellen und sozialen Rechte, mit denen wir uns seitielen Jahren befassen. Immer wieder schütteln wir denopf über Urteile, die wir nicht nachvollziehen können,ie zum Beispiel das Urteil gegen Pinar Selek.Ich hoffe, dass der Umgang mit den Verhafteten unden Demonstranten nicht ein weiterer Punkt ist, mit demir uns in den nächsten Jahren befassen müssen. Ichlaube aber, dass wir den Beitrittsprozess dringend fort-hren müssen. Daher ist es mir und meiner Fraktionmso wichtiger, endlich das Kapitel der Rechtsstaatlich-eit in den Beitrittsverhandlungen anzugehen; Herrolenz hat das schon angesprochen. Dies scheint auseiner Sicht eine echte Chance zu sein, den Demokrati-ierungsprozess voranzutreiben. In der aktuellen Situa-on müssen aber auch Signale der Besonnenheit gesen-et werden. Wir sollten uns – da bin ich bei allen, die daschon angesprochen haben – ganz massiv um die Stabili-t in der Region, vor allem mit Blick auf Syrien, sorgen.as geht nur in Gesprächen. Man kann nicht einfach sa-
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Angelika Graf
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gen: Wir sprechen jetzt nicht mehr mit euch. – Wir müs-sen massiv Druck machen und dafür sorgen, dass in Zu-kunft entsprechende Gespräche stattfinden werden.
Das Wort hat der Kollege Thomas Silberhorn für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Es erreichen uns schlimme Bilder aus Istanbul, Ankaraund anderen Städten der Türkei. Zehntausende Demon-stranten hat die Polizei heute Nacht mit Gewalt aus-einandergetrieben. Dieses gewaltsame Vorgehen ist einmassiver Angriff auf die Freiheitsrechte der Bürger, aufdie Meinungsfreiheit, auf die Versammlungsfreiheit unddie Pressefreiheit, auf Grund- und Menschenrechte, zuderen Gewährung sich die Türkei als Mitgliedstaat desEuroparats verpflichtet hat.Deswegen müssen wir schon den Finger in dieseWunde legen. Wir beobachten hier ein zunehmend auto-ritäres Regime, das die Grund- und Menschenrechte vonfriedlichen Demonstranten und von regierungskritischenJournalisten missachtet und diese Leute nach dem eige-nen Antiterrorgesetz verfolgt. Die Botschaft dieser Stun-den muss lauten: Die Europäische Union steht auf derSeite der Freiheit und auf der Seite des Rechts.
Es müssen nun alle, die daran mitwirken können, ei-nen Beitrag dazu leisten, diese Auseinandersetzung zudeeskalieren, einen Dialog in Gang zu setzen. Das gehtauch uns etwas an. Die Türkei ist unser Partner imEuroparat, in der NATO, in den Beziehungen zur Euro-päischen Union, und diese Beziehungen müssen wir jetztnutzen; denn wenn Partnerschaft etwas wert sein soll,dann jetzt. Jetzt besteht unsere Aufgabe darin, klare Er-wartungen an die türkische Seite zu formulieren.Erdogan hat in den letzten Tagen mehrfach Gesprächemit den Demonstranten angekündigt. Bevor diese fürheute in Aussicht gestellten Gespräche stattgefunden ha-ben, wurden die Demonstrationen mit Gewalt aufgelöst.Das ist keine Basis für einen Dialog. Erdogan hat seineGlaubwürdigkeit im Kern infrage gestellt, weil auf seinWort derzeit offenbar kein Verlass ist.
Deswegen muss die klare Botschaft sein: Erdogan musseinlenken, wenn die Eskalation gestoppt werden und einDialog in Gang kommen soll.sisrounGJIcnKsnPawmeswDfüfrfüvfüEgmRRla
Auch wir als Europäische Union müssen konsequentein, damit wir glaubwürdig bleiben können. Die Türkeit offenkundig noch nicht reif für einen Beitritt zur Eu-päischen Union. Wir verzeichnen eher Rückschrittend keine Fortschritte. Diese klare Analyse darf manicht ignorieren. Es gibt gravierende Verstöße gegenrund- und Menschenrechte von Demonstranten undournalisten, Religionsfreiheit wird nicht gewährleistet.h bin der Meinung: Wir dürfen diese Vorkommnisseicht auch noch dadurch belohnen, dass wir ein weiteresapitel in den Beitrittsverhandlungen eröffnen,
ondern wir sollten kritisch überprüfen, ob wir auch dieötige Distanz zu der Regierung Erdogan halten.
Wir sollten uns bemühen, dies alles einmal aus dererspektive der Demonstrantinnen und Demonstrantenuf den Plätzen zu betrachten. Denn welche Botschaftird denen vermittelt? Wir dürfen doch nicht den De-onstranten den Eindruck vermitteln, dass wir Erdoganinen Freibrief ausstellen,
ondern wir müssen ein Stoppschild gegen dieses ge-altsame Vorgehen aufstellen.
eswegen halte ich es für notwendig, dass wir ein Signalr Freiheit und Recht setzen, ein Signal für Meinungs-eiheit, für Versammlungsfreiheit, für Pressefreiheit undr Religionsfreiheit.
Deswegen wäre jetzt der Zeitpunkt, um die Beitritts-erhandlungen zumindest auszusetzen und dieses Signalr Recht und Freiheit zu setzen.
s ist doch jetzt nicht die Zeit für einseitige Vorleistun-en der Europäischen Union an die Türkei, sondern wirüssen im Gegenteil klarmachen, dass es die türkischeegierung ist, die jetzt liefern muss; sie muss von denückschritten Abstand nehmen und zu Fortschritten ge-ngen.
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Thomas Silberhorn
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Deswegen plädiere ich sehr dafür, unmissverständlichklarzumachen, dass wir hinter den friedlichen Demon-stranten stehen und sie auf ihrem Weg zu Demokratie, zuMenschenrechten und Rechtsstaatlichkeit in der Türkeiunterstützen.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Der Kollege Lars Klingbeil hat für die SPD-Fraktion
das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Die Bilder, die uns in den letzten zwei Wo-chen aus der Türkei erreicht haben, haben uns, glaubeich, alle schockiert. Ich begrüße es ausdrücklich, dasswir heute in einer Aktuellen Stunde über die aktuelle Si-tuation in der Türkei diskutieren. Die überzogene Härtedurch die Polizei und den türkischen Staat werden wirhier kritisch diskutieren. Das haben wir gezeigt. Wir sindder Meinung: Diese überzogene Härte, die wir erlebt ha-ben, hat in einem demokratischen Staat nichts zu suchen.Das autoritäre Auftreten des Ministerpräsidenten derTürkei hat die Lage verschärft, anstatt sie zu beruhigen.Es ist gut, dass aus dieser Aktuellen Stunde ein deutli-ches Signal an die friedlichen Demonstranten in der Tür-kei geht: dass wir an ihrer Seite stehen, wenn es darumgeht, für die Rechte in der Türkei zu kämpfen.
Sehr geehrte Kollegen, es macht Mut, die jungenMenschen in der Türkei auf der Straße zu sehen. Die Zu-sammensetzung und Vielfalt der Demonstranten zeigt,dass es hier nicht um einzelne Strömungen oder einzelneGruppen geht. Es sind verschiedene gesellschaftlicheSchichten mit unterschiedlichen politischen Überzeu-gungen, die dort gemeinsam auf die Straße gehen, unddas nicht nur in Istanbul und Ankara, sondern in allenRegionen und Provinzen des Landes. Sogar die Fans derdrei großen Istanbuler Fußballvereine haben sich zusam-mengetan – das ist eine besondere Situation –, und siedemonstrieren gemeinsam für mehr Demokratie, fürFreiheitsrechte und für ein Ende der übertriebenen Härtedurch die Polizei.Es geht auch nicht länger um die Frage von 600 Bäu-men auf dem Taksim-Platz. Das harte Vorgehen derRegierung gegen die jungen Demonstranten hat dazu ge-führt, dass sich in der türkischen Gesellschaft etwas ent-laden hat: Wir sehen, dass die Regierungspolitik als Gan-zes infrage gestellt wird. Es geht um die Polarisierung inder türkischen Gesellschaft. Es geht um IntransparenzuDrecdwdFAIcefrdcSdBgPeDreEmtitesfüsRmkncmSügm
Für uns sollten daraus drei Punkte folgen:Erstens. Die Menschen, die gerade in der Türkeiiedlich demonstrieren, gehen für Werte auf die Straße,ie auch unserem Verständnis von Demokratie entspre-hen.
ie gehen für die Meinungsfreiheit auf die Straße, füras Recht auf Versammlungen, für das Recht auf freieerichterstattung, und sie kämpfen für eine freie Zivil-esellschaft. Diesen friedlichen Kräften müssen wir alsarlament in aller Deutlichkeit sagen: Wir stehen anurer Seite. Wir teilen euren Wunsch nach Freiheit undemokratie. Wir unterstützen euch.
Zweitens. Wir als Parlament müssen unsere Bundes-gierung auffordern, den Druck auf Ministerpräsidentrdogan zu erhöhen, damit es einen ernsthaften Dialogit den Demonstranten gibt. Es muss in der Türkei zuefgreifenden Reformen kommen. Das politische Sys-m und das Vorgehen der Sicherheitsbehörden müssenich an demokratischen Maßstäben messen lassen. Ichge auch an: Erdogan hat in den letzten Wochen ver-agt, wenn es darum ging, eine Vorbildfunktion in deregion im Umgang mit Demonstranten und im Umgangit der politischen Opposition zu erfüllen.
Drittens. Wir müssen der Türkei eine deutliche, einelare europäische Perspektive aufzeigen. Da geht esicht um weniger europäische Perspektive, wie es man-her in der Diskussion heute gesagt hat, sondern umehr europäische Perspektive.
elbst Mitglieder der Regierungsfraktionen haben sichber Ihre Türkei-Politik in den letzten Jahren kritischeäußert. Die „privilegierte Partnerschaft“ gehört ineinen Augen an dieser Stelle beerdigt. Wir müssen
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Lars Klingbeil
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endlich über eine ernsthafte europäische Beitrittsper-spektive für die Türkei reden.
Herr Silberhorn, ich hatte mir eigentlich vorgenom-men, an dieser Stelle friedlich zu bleiben. Aber ich willschon sagen: Wenn Sie davon sprechen, dass es um Be-lohnung geht, dann offenbart das ein Verständnis, dasdoch nicht unseres sein kann.
Es geht darum, dass in Europa Menschen mit den glei-chen Wertvorstellungen zusammenwachsen. Daher istdie Zeit vorbei, wo die Deutschen in Europa Belohnun-gen verteilen; so ähnlich war Ihre Wortwahl. Ich binschockiert darüber. Ich denke, wir sind da weiter in derDiskussion.Liebe Kolleginnen und Kollegen, was soll es für einSignal an die Demonstranten sein, wenn wir sagen: „Wirwissen, ihr geht für dieselben Werte wie wir auf dieStraße“, aber wenn wir dann auch sagen: „Wir machendie Tür an dieser Stelle zu“? Das ist das falsche Signal.Noch einmal: Es geht um mehr Europa und nicht umweniger. Das muss doch Linie des Parlaments, der Bun-desregierung sein. Hier bitte ich um Unterstützung.Vielen Dank fürs Zuhören.
Das Wort hat der Kollege Gunther Krichbaum für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Bilder, die uns gegenwärtig aus der Türkei errei-chen, erfüllen uns mit großer Sorge. Sie dürfen uns nichtgleichgültig sein, und sie sind uns auch nicht gleichgül-tig, wie allein schon die Aktuelle Stunde heute Nachmit-tag beweist. Es wurde schon mehrfach angesprochen:Der geplante Bau eines Einkaufszentrums auf dem Ge-lände des Gezi-Parks ist nur der Anlass, aber keinesfallsdie Ursache dessen, was wir hier erleben. Es ist eine Pro-testbewegung, die erfüllt ist von der Sorge, dass genaudas infrage gestellt wird, was sich an politischer Ent-wicklung in den letzten 20 Jahren in der Türkei vollzo-gen hat. Nach einer schwierigen Geschichte, geprägt voneiner Militärdiktatur, befand sich die Türkei auf einemguten Weg der Demokratisierung. Viele fürchten, dassgenau das, was mühsam erkämpft wurde, jetzt infragegestellt wird.
hüuSUbtesDPMk„wSzmdlaBwnEESinwbdrijew„gsAagsaweti
s wäre, glaube ich, auch ein Fehler, die Regierungrdogan jetzt in Bausch und Bogen zu verurteilen; dieache liegt etwas differenzierter. Diese Regierung wurde demokratischen Wahlen wiederholt an die Macht ge-ählt. Aber es ist wichtig, zu erklären, was Demokratieedeutet: die Respektierung auch einer Minderheit. Esarf nicht sein, dass die Mehrheit die Minderheit igno-ert, diese geradezu an die Wand drückt. Es entsprichtdenfalls auch nicht unserem Demokratieverständnis,enn Ministerpräsident Erdogan fortwährend vonunsere 50 Prozent“ spricht und die Protestbewegungeradezu verunglimpft. Es werden Behauptungen aufge-tellt wie die, dass die Demonstranten in den Moscheenlkohol trinken würden bzw. Frauen mit Kopftüchernngreifen würden. Hier wird Stimmung gemacht, undenau das dürfen wir an dieser Stelle nicht zulassen.
Wir dürfen auch nicht zulassen, wie hier Politik ver-tanden wird. Ministerpräsident Erdogan macht Politikls Machtpolitik. Auch das ist nicht das Verständnis, dasir von Politik haben.Wie können die Konsequenzen aussehen? Ich denke,in Abbruch der Beitrittsgespräche wäre nicht das rich-ge Signal.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 31183
Gunther Krichbaum
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Leere Stühle führen keine Verhandlungen. In diesemMoment würden wir uns der Einwirkungsmöglichkeitenbegeben, die wir an dieser Stelle aber brauchen. Es wirdwichtig sein, dass die Europäische Union mit einerStimme spricht. Es kann geradezu eine Sternstunde derEuropäischen Union werden, wenn wir hier mit einer ab-gestimmten europäischen Haltung aufwarten können.
Diese Signale müssen kommen. Es müssen auchSignale aus der Türkei selbst kommen. Dann haben wirdie Chance, dass „Taksim“ noch in einer anderen Bedeu-tung gelesen werden kann, nämlich in der altosmani-schen. Da bedeutet „Taksim“ nämlich „Einleitung“.„Taksim“ kann auch die Einleitung eines demokrati-schen Prozesses bedeuten, den die ganze Region in je-dem Fall dringend braucht.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Djir-Sarai für die FDP-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Wir sind alle empört über die Bilder, die unsderzeit aus der Türkei erreichen. Wir sind geschocktüber das Ausmaß der Gewalt, die dort stattfindet. DieDemonstrationen auf dem Taksim-Platz haben friedlichbegonnen. Sie sind – das wissen wir inzwischen alle –mittlerweile in heftige Auseinandersetzungen zwischender Polizei und den Protestierenden ausgeartet. Das be-sorgt uns alle sehr. Das muss uns auch besorgen. Dazumuss hier in diesem Haus Stellung bezogen werden. Mitdieser Aktuellen Stunde machen wir das. Es ist aller-dings wichtig, dass wir diese Diskussion ohne Häme undohne Emotionen, sondern sachlich und nüchtern führen.Frau Kollegin Dağdelen, ich möchte noch etwas zuIhrer Rede sagen.
– Selbstverständlich. – Wir beobachten selbstverständ-lich die Ausschreitungen in Istanbul und in anderen Tei-len der Türkei. Aber man kann ja die Ereignisse in derTürkei nicht mit dem arabischen Frühling gleichsetzen.
In Nordafrika und in der arabischen Welt lehnten sichdie Menschen gegen jahrzehntewährende autoritäreHerrschaften auf. Dort sind die Menschen regelrecht un-terdrückt worden. Das können Sie nicht mit der Situationin der Türkei vergleichen. Das ist in der Türkei definitivnicht der Fall.GmwmdsnpmG–mcdGewaudmRseswedsshguahzdnstukdznmtes
Die Türkei hat auf dem Weg zu einer demokratischenesellschaft noch viele Herausforderungen vor sich. Sieuss noch viele Probleme lösen. Aber insgesamt kennenir die Türkei als ein modernes, freundliches und dyna-isches Land. Ich kann nur hoffen, dass sie auch nachen Demonstrationen ein solch modernes und dynami-ches Land bleibt.Die anhaltenden Proteste sind viel eher Ausdruck ei-es demokratischen Verständnisses, an öffentlichen undolitischen Entscheidungen teilhaben zu wollen. De-onstrationen gehören zu einer offenen, demokratischenesellschaft. Gerade deswegen bitten wir beide Seiten die Demonstranten wie die Sicherheitskräfte –, sich zuäßigen, sich zu beruhigen und endlich mit dem friedli-hen Dialog zu beginnen. Das ist jetzt das Entschei-ende, meine Damen und Herren.
Die Türkei ist ein stolzes Land, und sie hat auch allenrund dazu. In den letzten zehn Jahren hat sie einenorme Entwicklung hinter sich gebracht, wirtschaftlichie gesellschaftlich. Sie gilt als das Vorbild in Nord-frika und in der arabischen Welt, weil sie Demokratiend eine islamisch geprägte Kultur modern vereint undamit sehr erfolgreich ist. Die Demokratie ist das Funda-ent, auf dem dieser Erfolg ruht. Wenn die türkischeegierung jetzt endlich mit den Demonstranten des Tak-im-Platzes in den friedlichen Dialog einträte, wäre diesin weiterer Grund für die Türken, stolz auf ihr Land zuein. Es wäre nicht nur ein richtiger Schritt in der Gegen-art, sondern auch der richtige Schritt in eine weiterhinrfolgreiche Zukunft.Wir in Deutschland verstehen uns als enger Freunder Türkei. Unter Freunden wird das offene Wort ge-chätzt. Europa ist eine demokratische Wertegemein-chaft. Die schrecklichen Bilder aus der Türkei sind da-er für uns nicht akzeptabel. Das muss ganz deutlichesagt werden. Daher bitten wir alle Beteiligten, Gewaltnter allen Umständen zu vermeiden. Unsere Botschaftn die türkische Regierung lautet daher: Meinungsfrei-eit und Versammlungsfreiheit sind fundamentale Prin-ipien eines demokratischen Staates. Einschränkungener Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind nicht hin-ehmbar. Bürgerrechte sind nicht nur zu achten, sie müs-en auch in der Türkei gewährleistet sein.
Meine Damen und Herren, eine besondere Verantwor-ng, die Lage zu beruhigen, trägt natürlich auch der tür-ische Ministerpräsident Erdogan; viele Redner habenarauf hingewiesen. Ich muss gestehen, dass ich die der-eitige Rhetorik des türkischen Ministerpräsidentenicht nachvollziehen kann. Ministerpräsident Erdoganuss gerade in dieser schwierigen Situation der Minis-rpräsident aller Türken sein und darf nicht durch ein-eitige Rhetorik das Land spalten. Die jetzigen Proteste,
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Bijan Djir-Sarai
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die auf eine allgemeine Unzufriedenheit hindeuten,sollte die Regierung eher als Chance statt als Bedrohungwahrnehmen. Es ist die Chance, die Demokratie in derTürkei zu stärken. Es ist die Chance, der internationalenGemeinschaft zu zeigen, wie selbstverständlich sich einislamisches Land zur Demokratie bekennt und sie auchlebt.
Ich gebe zu: Die Proteste sind eine harte Probe für dieTürkei. Ich bin aber zuversichtlich, dass die türkischeRegierung diese Probe zusammen mit der türkischen Ge-sellschaft am Ende des Tages bestehen wird.Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Anmerkungmachen: Mit Blick auf die Bilder aus der Türkei fühlensich in diesen Tagen all diejenigen bestätigt, die immerder Meinung waren, die Türkei gehöre nicht nach Eu-ropa, und benutzen diese schrecklichen Bilder als Be-weis dafür. Das ist falsch, und das ist unklug.
Herr Kollege Silberhorn, ich schätze Ihre Analyseund Ihre Einschätzung. Ich glaube aber: In dieser Situa-tion sollte Europa genau das Gegenteil tun. Gerade indieser Situation braucht die Türkei die europäische Per-spektive. Gerade in dieser Situation sollte Europa auf diejunge türkische Generation vertrauen, die gerade zeigt,dass die Türkei und Europa zu einer Wertegemeinschaftgehören.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde ist der Kol-
lege Hartwig Fischer für die Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich bin der festen Überzeugung, dass Rückschläge unsnicht entmutigen dürfen. Das hat sich in der Vergangen-heit auch gezeigt.Es hat im deutsch-türkischen Verhältnis immer wie-der Rückschläge gegeben. Ich erinnere an den Versuchim Jahre 1997, das syrisch-orthodoxe Kloster MorGabriel zu schließen. Ich erinnere daran, dass man dortden Sprach- und Religionsunterricht verhindern wollte.Der Dialog hat dazu geführt, dass der Unterricht trotzder schwierigen Situation weitergeführt werden konnte.2008 hat es erneut Ansätze staatlicher Repression gege-ben, als versucht wurde, das Kloster zu enteignen. Wirhaben erlebt, dass die Bundesregierung und alle Fraktio-nen sich hinter dieses Kloster gestellt und durch Dialoge2mapElikWdEsrepfeAVabwindmwNDsnWgwdnddDsinsncEvWdddE
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 31185
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Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:
Beratung des Berichts des Petitionsausschusses
Bericht und Beschwerden an den Deutschen
Bundestag
Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des
Deutschen Bundestages im Jahr 2012
– Drucksache 17/13660 –
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich bitte, die offensichtlich notwendigen Umgruppie-
rungen im Plenarsaal jetzt zügig vorzunehmen, sodass
ich dann die Aussprache geordnet eröffnen kann.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Vorsit-
zende des Petitionsausschusses, die Kollegin Kersten
Steinke.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter desAusschussdienstes! Seit 2006 habe ich einen Traum: Ichträume davon, dass der Petitionsausschuss des Deut-schen Bundestages seinen Jahresbericht am Donnerstag-vormittag zur Kernzeit vortragen darf.
Leider hat sich mein Traum auch in diesem Jahr nicht er-füllt, aber ich werde ihn mir auf jeden Fall bewahren. Ichmöchte mich trotzdem ganz herzlich beim Präsidenten,Herrn Lammert, und bei den Parlamentarischen Ge-schäftsführern aller Fraktionen dafür bedanken, dass ichder Verwirklichung meines Traums mit der heutigen De-batte zu dieser Uhrzeit etwas näher gekommen bin.
Man sollte bedenken, dass der Petitionsausschuss seitnunmehr 64 Jahren eine Art Innenrevision unseresGrundgesetzes durchführt. Insofern bleibt zu hoffen,dass diese Rolle endlich durch eine angemessene Plat-zierung auf der Tagesordnung gewürdigt wird.Zwei Zahlen prägten die Arbeit des Petitionsaus-schusses im Jahr 2012 in besonderer Weise. Die ersteZahl ist die Zahl der Gesamteingaben: 15 724 Petitionenwurden im Berichtsjahr eingereicht. 6 748 davon gingenauf elektronischem Weg ein; das sind 43 Prozent der Ge-samteingaben, womit der Anteil an online eingereichtenPnJus1EaeotilesVuzmmeaSeIndsleBmkutezRdseAaedhleusadteKlitisggB
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kehr und die Wiedergutmachung nationalsozialistischenUnrechts thematisiert.Hervorzuheben sind die vier öffentlichen Sitzungen,in denen zwölf Petitionen in Einzelberatungen aufgeru-fen wurden. Themen waren unter anderem: die Vergü-tung von medizinischen Leistungen, die bedarfsgerechteVersorgung mit Hospizplätzen, der Schutz von landwirt-schaftlichen Nutzflächen, das Urheberrecht, das europa-weite Verbot der Vorratsdatenspeicherung und die Ein-richtung von Masterstudienplätzen.In drei Fällen führte der Ausschuss Ortsterminedurch. Gemeinsam mit den Petenten und den Vertreternder zuständigen Verwaltungen wurden die Liegenschaf-ten des Bundes in Rottweil sowie das Thema Lärmbeläs-tigung durch Bahnstrecken in Bremen-Walle und Duis-burg-Neudorf besprochen.Die Möglichkeit, Petitionen im Internet zu veröffent-lichen und online zu unterstützen, erlaubt es interessier-ten Menschen, sich gemeinsam für ein Anliegen starkzu-machen. Diese Möglichkeit wird seit 2005 rege genutzt,die Zahlen beweisen das. Neben den bereits erwähnten1,4 Millionen registrierten Nutzerinnen und Nutzern derInternetseite wurden die im Berichtsjahr 526 veröffent-lichten Petitionen mit über 500 000 Mitzeichnungen un-terstützt.Eine weitere Zahl, die ins Auge sticht und demscheinbar politischen Desinteresse der Bürgerinnen undBürger widerspricht: Mit 2 bis 3 Millionen Seitenaufru-fen pro Monat ist das Internetportal des Petitionsaus-schusses klarer Spitzenreiter des Internetangebotes desDeutschen Bundestages.
Die meist mitgezeichneten öffentlichen Petitionen imBerichtsjahr sind die Forderungen nach Steuerfreiheitfür private Ballett-, Tanz- und Musikschulen mit über97 000 Mitzeichnungen und die Forderungen nach Ver-besserungen der Rahmenbedingungen in der Altenpflegemit knapp 93 000 Mitzeichnungen.Mit den öffentlichen Petitionen werden gesellschaftli-che Probleme angesprochen, die zwar von allgemeinemInteresse sind, aber nur eine relativ kleine Gruppe betref-fen. Ein Beispiel: Im letzten Jahr reichte ein Petent eineöffentliche Petition ein, mit der er die bedarfsgerechteVersorgung mit Hospizplätzen forderte. In einer öffentli-chen Sitzung schilderte uns der Petent eindrucksvoll,wie seine Mutter in den letzten Monaten ihres Lebenskeinen Platz im einzigen Hospiz ihrer Heimatstadt be-kommen habe und sie bis kurz vor ihrem Tod mehrfachvon zu Hause ins Krankenhaus und zurück verlegtwurde. Dieser entwürdigende Umgang führte dazu, dassdie Mutter und die ganze Familie nie zur Ruhe kamen.Ergriffen von der Geschichte waren wir uns fraktions-übergreifend einig, dass das sensible Thema des Ster-bens weiter in den Mittelpunkt des gesellschaftlichenund politischen Interesses gerückt werden muss.
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Um unsere Arbeit immer weiter zu verbessern, pfle-en wir eine intensive Zusammenarbeit mit den Peti-onsausschüssen der Landesvolksvertretungen sowieuf europäischer und internationaler Ebene. Turnusge-äß fand 2012 die Tagung der Vorsitzenden und stell-ertretenden Vorsitzenden der Petitionsausschüsse desundes, der Länder sowie der Bürgerbeauftragten auser Bundesrepublik Deutschland und dem deutschspra-higen Raum Europas in Erfurt statt. Viele internationaleäste führten auch 2012 informative Gespräche mit denitgliedern des Petitionsausschusses. Zu den Besuchern Jahr 2012 gehörten Vertreterinnen und Vertreter auser Republik Usbekistan, Mitglieder der Volksanwalt-chaft Tirol und der Generalsekretär des Europäischenmbudsmann-Instituts, Abgeordnete des südafrikani-chen Parlamentsausschusses für Petitionen, Abgeord-ete des mongolischen Petitionsausschusses sowie eineelegation des kambodschanischen Parlaments.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte die heu-ge Debatte dazu nutzen, mich bei den Mitarbeiterinnennd Mitarbeitern des Ausschussdienstes ganz herzlichr ihre fleißige und engagierte Arbeit und für ihren Ein-atz zu bedanken. Ohne sie wären wir aufgeschmissen.h glaube, das gilt jedes Jahr.
Es geht eine Wahlperiode mit vielen Wechseln und ei-er dünnen Personaldecke zu Ende. Nach dreimaligemechsel des Unterabteilungsleiters bin ich froh, dasserr Dr. Schotten nun schon über anderthalb Jahre fürine konstruktive Zusammenarbeit sorgt. Herzlichenank, Herr Dr. Schotten!
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Kersten Steinke
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Mein besonderer Dank gilt Herrn Finger, der michseit zwei Wahlperioden kontinuierlich durch alle Höhenund Tiefen der Petitionsausschussarbeit mit Seriositätund Humor begleitet. Dafür ganz herzlichen Dank!
Darüber hinaus möchte ich mich natürlich ganz, ganzherzlich bei meinen Ausschussmitgliedern für die sachli-che und gute Zusammenarbeit bedanken. Bei aller Ernst-haftigkeit, mit der wir die vielen Petitionen behandeln,bleibt es dabei: Eine sachliche und freundliche Ar-beitsatmosphäre trägt in vielen Fällen zum Erfolg bei.Ich habe mich stets um diese Atmosphäre bemüht. Siehaben es mir aber auch leicht gemacht. Herzlichen Dankdafür!
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe,
möchte ich kurz etwas anmerken: Sie haben gesehen,
dass der Dank der Vorsitzenden an die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter des Petitionsausschusses vom gesamten
Haus getragen wurde.
Das halten wir an dieser Stelle fest. Wir wünschen Ihnen
weiterhin erfolgreiche Arbeit und natürlich die Unter-
stützung der Mitglieder des Petitionsausschusses in der
zukünftigen, der 18. Wahlperiode.
Das Wort hat der Kollege Paul Lehrieder für die
Unionsfraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damenund Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ver-ehrte Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Besucher-tribünen! Ich spreche insbesondere die jungen Leute an,die hier zugegen sind: Sie erleben abermals eine Stern-stunde des deutschen Parlamentarismus. Dies ist eine derwenigen Debatten, in denen wir oft gemeinsam klat-schen. Das kommt in diesem Hohen Hause nicht so oftvor. Ich bin von einem Kollegen aus meiner Fraktion ge-fragt worden: Warum klatscht ihr bei den Linken? – Dahabe ich gesagt: Weil das eine gute Frau ist, weil sie invielen Punkten recht hat.Meine Damen und Herren! Gerne würden wir dergrundlegenden Bedeutung des Petitionsausschusses desDeutschen Bundestages gerecht werden. Dann müsstenwir statt einmal im Jahr jede Sitzungswoche über die Pe-titionen hier im Plenum debattieren. Frau Steinke, Siehaben recht: Eigentlich hätten wir es verdient, am Don-nerstagmorgen in der Kernzeit zu debattieren. Vielleichtschaffen wir das in der nächsten Periode.
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Stellvertretend für die zahlreichen Eingaben an deneutschen Bundestag möchte ich im Folgenden von ei-er Petition berichten, die mir sehr am Herzen liegt. Mitieser Petition forderte der Petent für seinen Musikver-in eine Befreiung von der Künstlersozialabgabe. Derusikverein, der seit 1979 gemeinnützige Tätigkeit imereich der Kultur- und Jugendarbeit leistet, verfügtber ein eigenes Blasorchester. Um später in diesem mit-irken zu können, können die Jugendlichen im Vereinstrumentalunterricht nehmen. Die ehrenamtlichen undienhaften Tätigkeiten der Mitglieder erfolgen aus-chließlich in deren Freizeit. Daher ist es für den Peten-n nicht nachvollziehbar, weshalb der Musikverein zurünstlersozialabgabe verpflichtet wurde.Ich denke, wir alle sind uns einig, dass die Künstler-ozialversicherung, in deren Rahmen die Künstlersozial-bgabe zu entrichten ist, für die soziale Absicherung derunstschaffenden unverzichtbar ist.
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Paul Lehrieder
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Auch Künstler haben selbstverständlich Anspruch aufsoziale Absicherung und natürlich später auf eine aus-kömmliche Rente. Allerdings handelt es sich vorwie-gend um einen sogenannten Laienmusikverein, dessenMusikunterricht ausschließlich der Nachwuchsförderungdes vereinseigenen Orchesters dient. Der Verein fördertdas Musikleben der Stadt und Umgebung und probt hier-für einmal wöchentlich. Sämtliche Mitglieder sind eh-renamtlich tätig.Da mir die Interessen der Blaskapellen und der Mu-sikvereine besonders am Herzen liegen, bin ich persön-lich sehr froh, dass wir alle uns darüber einig waren, dassder gesellschaftlich wertvollen Arbeit unserer Musikver-eine durch eine rechtssichere Regelung bezüglich derAbgabepflicht für die Ausbildung des NachwuchsesRechnung getragen werden muss. Diese Frage wurdevon allen Gerichten, landauf, landab, Sozialgericht, Lan-dessozialgericht bis zum Bundessozialgericht, bereitsbehandelt. Wir haben jetzt in Kooperation mit einemkonstruktiv mitarbeitenden Ministerium eine Regelungfür eine Abgrenzung zwischen Musikschulen und Mu-sikvereinen erreicht. Hierfür ein herzliches Wort desDankes.Ich werde die entsprechende Sitzung im Januar 2013,also vor wenigen Wochen, im Deutschen Bundestagnicht vergessen, lieber Klaus Hagemann. Als die Ob-leute sich am Vorabend abgestimmt hatten, wurde ge-sagt, wir könnten doch warten, bis die Massenpetitiondes Bayerischen Blasmusikverbandes kommt. Ich habedann darauf hingewiesen – so haben Sie es auch geradegesagt, Frau Steinke –, dass dieser Einzelfall, dieser ein-zelne Musikverein einen Anspruch darauf hat, dass wiruns um sein Problem kümmern. Das haben wir getan.Ich darf mich bei allen Kolleginnen und Kollegen dafürbedanken, dass es uns gelungen ist, einstimmig, mit allenParteien, zu sagen: Jawohl, hier ist Handlungsbedarf. –Wir reden nicht nur am Sonntag über das Ehrenamt, son-dern handeln auch am Montag entsprechend. Wir habenhier die bürokratische Belastung der Musikvereine, derVorstände und der Kassierer in den Vereinen, gemindertund dafür eine Regelung geschaffen. Herzlichen Dankdafür!
Mit Bescheid vom 25. April 2013, also vor genausechs Wochen, wurde die ursprünglich im Jahr 1996festgestellte Abgabepflicht von Beginn an aufgehoben.Der Verein hat recht bekommen. Zwischenzeitlich ist derMusikverein Rehau, dessen Petition wir im Januar be-handelt hatten, von der Abgabepflicht freigestellt wor-den. Wir haben innerhalb von wenigen Monaten eineBefreiung des Vereins erreichen können. Dafür ein herz-liches Wort des Dankes!In meinem Manuskript stehen noch einige gute Ge-danken, aber ich möchte, um es nicht zu vergessen, aufjeden Fall meinen Dank vorziehen. Ich darf natürlich,ebenfalls wie die Frau Vorsitzende, dem Ausschuss-dlizWbbuMdZtedritiBbuleBWuWdkednBGtewgswmvcAeIclaAcledslewgAmMteA
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wünsche dir alles Gute. Auch den anderen Kollegen al-les Gute und Gottes Segen. Danke für die Zusammenar-beit!
Der Herr Kollege Klaus Hagemann hat nun für die
SPD-Fraktion das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undliebe Kollegen! Ich darf gleich an das anschließen, wasder Kollege Lehrieder und die Frau Ausschussvorsit-zende ausgeführt haben. Zuvor möchte ich noch eineganz kurze persönliche Bemerkung machen: Dies wirdvoraussichtlich die letzte Rede sein, die ich im Deut-schen Bundestag halte. Ich bin froh und dankbar, dassich diese Rede zum Jahresbericht des Petitionsausschus-ses halten darf; vielen Dank. Wenn meine Redezeitreicht, komme ich nachher noch einmal kurz darauf zusprechen.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen,meine Damen und Herren, in den 15 Jahren, die ich demPetitionsausschuss angehöre – ich glaube, genausolange, Günter Baumann, wie du –, habe ich festgestellt,dass das Petitionswesen, das Petitionsrecht eine Perle– ich sage ausdrücklich: eine Perle – in den Kronjuwelendes Deutschen Bundestages ist.
Das gilt sowohl für das Petitionsrecht als auch für denPetitionsausschuss und den Petitionsausschussdienst.Allerdings ist nicht allen bekannt, welch eine Perle hiervorhanden ist; wenn ich mich jetzt umgucke, meine ich:Auch den Vertretern auf der Regierungsbank ist dasnicht in dem Maße bekannt. Wir, die Mitglieder des Peti-tionsausschusses, können Menschen helfen, wenn es umihr persönliches Schicksal geht. Aber wir können auchdazu beitragen, dass politische Fragen angepackt wer-den.Es ist gut, dass wir im Jahre 2005 nach längeren De-batten, lieber Günter Baumann, das Petitionswesen er-neuern und fortschreiben konnten, dass wir elektroni-sche Petitionen und öffentliche Petitionen eingeführthaben. Die Frau Ausschussvorsitzende hat ausdrücklichund gut dargelegt, dass dies von den Bürgerinnen undBürgern angenommen wird. Die Zahlen sind beeindru-ckend. Ich glaube, das war der richtige Weg. Wir habendie richtige Entscheidung getroffen. Diese Maßnahmewurde auch wissenschaftlich evaluiert. Diese Untersu-chung hat gezeigt, dass unsere Entscheidung richtig warund dass durch diese Maßnahme weitere Bevölkerungs-gruppen erreicht bzw. für Petitionen gewonnen werdenkonnten.bwssmKSEAwvWn–üdzadetuZaclärivaddsSis1KSslaliae–d
Vielleicht ist diese Erwartung aber auch ein bisschenberzogen. Wir jedenfalls wollen daran mitwirken, weilieser Schritt notwendig ist.Ein kleines Reförmchen ist erreicht worden: Die Mit-eichnungsfrist bei öffentlichen Petitionen ist von dreiuf vier Wochen verlängert worden. Das ist ein Schritt inie richtige Richtung, reicht aber nicht aus; deswegenmpfehle ich, diesen Punkt in der nächsten, 18. Legisla-rperiode noch einmal zu behandeln und ihn zu diesemweck in die – wie man das heute nennt – To-do-Listeufzunehmen.
Ich möchte an Beispielen noch einmal deutlich ma-hen, wie wichtig es ist, dass die Mitzeichnungsfrist ver-ngert worden ist. Am Ende der letzten Legislaturpe-ode ging es um ein Gesetz zur „Internetzensur“. Frauon der Leyen bzw. die damalige CDU/CSU-SPD-Ko-lition hat hier ein entsprechendes Gesetz vorgelegt undieses dann auch beschlossen. Es war nicht gut, dass wirieses Gesetz beschlossen haben. Es wurde nämlichchnell deutlich, dass dies so nicht handhabbar ist, dassperren hier nichts bringt und Löschen der richtige Wegt. Das haben wir dank einer Petition, die weit über00 000 Unterschriften gewinnen konnte, erkannt. Derollege Schwartze konnte in seiner ersten öffentlichenitzung deutlich machen, dass hier Handlungsbedarf be-tand. Leider wurde die Änderung von der Koalitionnge hinausgezögert. Erst nach einem Jahr hat man end-ch ein Gesetz vorgelegt, um – das war richtig – dieseslte Gesetz abzuschaffen. Dies wurde, wie gesagt, durchine Petition erreicht.
Ja, gut; aber wir hatten schon früher gründlich nachge-acht, Frau Kollegin Vogelsang,
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Klaus Hagemann
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und hatten gleich Entsprechendes vorgelegt. Ihr solltetöfter einmal unseren Ratschlägen folgen!
Die Frau Bundeskanzlerin tut das ja auch: Beim Miet-recht, bei der Ganztagsschule, beim Mindestlohn und invielen anderen Bereichen schlägt sie jetzt all das vor,was wir schon seit Wochen diskutieren.Aber wieder zurück zu den Petitionen. Uns liegt einePetition von Herrn Scheller aus Tübingen vor, diesmalzur Netzneutralität: dass man nicht der Telekom überlas-sen soll, wer was wann wie ins Netz einstellen kann,sondern dass dies gesetzlich geregelt werden muss. Gottsei Dank konnten wir uns schnell einigen, liebe Kolle-ginnen und Kollegen der Koalition, dass die öffentlicheBehandlung jetzt am 24. Juni stattfindet. Ich hoffe, liebeKollegin Vogelsang, dass wir die Beratung noch in die-ser Legislaturperiode positiv abschließen können unddas spätestens im September so beschlossen werdenkann. Denn 130 000 Menschen haben die Petition mitge-zeichnet.
Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen: diePetitionsbeschlüsse. Wir können sie leider nicht anord-nen. Dazu haben wir nicht das Recht, sondern das ist Sa-che der Bundesregierung, die heute immerhin mit zweiStaatssekretären vertreten ist – herzlich willkommen! –,besser als sonst in den zurückliegenden Jahren. Wir ha-ben in dieser Wahlperiode weniger hohe Voten als in derletzten Legislaturperiode gefasst; aber wir haben auchfeststellen müssen – die Frau Vorsitzende hat darauf hin-gewiesen –, dass die Umsetzung manchmal fehlt. ZweiBeispiele: Es war beantragt worden, dass Telefon- undInternetkosten von Soldaten im Auslandseinsatz vomStaat übernommen werden. Der Beschluss „Berücksich-tigung“ wird nicht umgesetzt durch die Bundesregie-rung. Es war auch beantragt worden, dass Elternassis-tenz für Eltern von behinderten Kindern mitfinanziertwird. Dazu haben wir von der Bundesregierung zweiMeinungen von zwei Ministerien gehört; umgesetztwurde aber nichts Entsprechendes.Im Hinblick auf meine Redezeit will ich noch einenletzten Punkt ganz kurz anschneiden: Die öffentliche Be-ratung von Petitionen und die Vor-Ort-Termine sindwichtig. Ich möchte an die Kolleginnen und Kollegendes nächsten Petitionsausschusses – in der 18. Wahlpe-riode – weitergeben: Gehen Sie vor Ort! Reden Sie mitden Menschen! – Ich habe gerade signalisiert bekom-men, dass dank des Besuches des Petitionsausschussesin Duisburg eine positive Entscheidung getroffen wor-den ist: die Entscheidung, dass Lärmschutzmaßnahmenvorgenommen werden. Viele andere Beispiele sind nochzu nennen.knEIcsgläAndgzDdFuLsnlüPDzwzeeatrlaabtrNhm
h bedanke mich sehr herzlich für die gute und faire Zu-ammenarbeit. Ich darf hier insbesondere meinen Kolle-en Günter Baumann ansprechen, weil ich mit ihm amngsten und am fairsten zusammengearbeitet habe.uch wenn wir mit unseren Ansichten manchmal aufei-andergeprallt sind, lieber Günter Baumann, möchte ichafür herzlichen Dank sagen. Auch den anderen Kolle-en, den Obfrauen und Obmännern und der Frau Vorsit-enden ein herzliches Dankeschön und Glückauf für dieemokratie und das Petitionsrecht im Deutschen Bun-estag!Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Röhlinger für die
DP-Fraktion.
Vielen Dank, Frau Vorsitzende. – Sehr geehrte Damennd Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!iebe Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer! Liebe Zu-chauerinnen und Zuschauer auf den Rängen! Sie ken-en möglicherweise die Emilia Galotti von Lessing: Esftet sich der Vorhang, und am Schreibtisch sitzt derrinz und sagt:Klagen, nichts als Klagen! Bittschriften, nichts alsBittschriften!er Petitionsausschuss sieht sich nicht als die Fortset-ung dessen, was Lessing damit gemeint hat, sondernir fordern die Bürger geradezu auf, dieses Recht wahr-unehmen, weil wir diejenigen sind, die einen besondersngen Kontakt zu ihnen haben. Deshalb gibt es diese be-indruckende Zahl von Petitionen, die wir bearbeiten.Was unseren Ausschuss bzw. unsere Arbeitsgruppengeht, möchte man meinen, dass darin nur Juristen ver-eten sind. Das ist bei unserer Arbeitsgruppe, mit Ver-ub gesagt, nicht der Fall. Ich habe gelernt, dass diesuch ganz gut so ist. Wir lassen uns gerne von Juristeneraten; aber die Entscheidungen dürfen auch andereeffen.
achdem wir jetzt vier Jahre gut zusammengearbeitetaben, kann man sagen: Es geht.
Besonders Ihre Arbeit, Frau Steinke, hat mir Spaß ge-acht. Als Leiterin des Ausschusses zeichnen Sie sich
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Dr. Peter Röhlinger
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insbesondere durch Pünktlichkeit aus: pünktlicher Be-ginn, pünktlicher Abschluss.
Damit verbunden ist auch ein Time-out. Wenn die Leutezu lange reden würden, könnten Sie nie pünktlich sein.Es gelingt Ihnen immer, mit freundlichen Worten zu dis-ziplinieren. Manchmal reicht auch die Körpersprache,um deutlich zu machen: Es ist nun genug geredet wor-den. – Wir arbeiten in einer Stunde 30 und mehr Petitio-nen ab. Das geht natürlich nur, wenn man sich gut vorbe-reitet. Unsere Zuschauer würden ansonsten denken: Damöchte ich dabei sein. Darüber kann doch gar nicht dis-kutiert werden. – Nein, es kann. Auf Wunsch und beiNotwendigkeit kann jede aufgerufene Petition bespro-chen werden. Manchmal ist es so, dass eine Petition nuraufgerufen wird und die Diskussion ausfällt. Wegen derguten Vorbereitung und der guten Gesprächsführungschaffen wir das, Frau Steinke. Daran haben Sie einenhohen Anteil. Gestern haben Sie beim Bundestagspräsi-denten auch erreicht, dass wir nicht in die Zeit gescho-ben worden sind, in der zu Protokoll gegeben wird. Viel-mehr haben Sie erreicht, dass wir immerhin am frühenNachmittag – wenn andere Leute ihren Kaffee trinken –zu Potte kommen können.Ich möchte die Gelegenheit nehmen, mich herzlichbei den Kolleginnen und Kollegen vom Ausschussdienstzu bedanken, auf deren Zuarbeit wir immer rechnen kön-nen. Das ist auch notwendig, wenn wir uns der Juristereidurch Dritte bedienen wollen.Ich möchte noch kurz zwei fachliche Dinge anspre-chen:Erstens. Für einen Kommunalpolitiker ist es ein gutesGefühl, wenn man – und das bei unterschiedlichenGrundpositionen – bisweilen fraktionsübergreifend – dasgelingt uns im Petitionsausschuss – zu einer einheitli-chen Auffassung kommt. Darüber freuen wir uns eigent-lich alle. Das wird durch Applaus und Willenskundge-bungen deutlich gemacht.Zweitens. Wir artikulieren die unterschiedlichen Posi-tionen so, dass wir uns nicht provozieren oder verletzen.Im Plenum erleben wir hin und wieder auch andereTöne. Ich bin heilfroh, dass wir die Zeit nicht damit ver-schwenden, uns gegenseitig zu provozieren und zu belei-digen, sondern dass wir versuchen, bestimmte Dinge mitHumor zur Kenntnis zu nehmen.Ich möchte mich auch bei dieser Gelegenheit für dieangenehme Atmosphäre im Ausschuss bedanken.
Zum Schluss möchte ich mich auch an die Gäste undZuschauer wenden. Ich weiß, dass sich manche unterdem Petitionsausschuss nicht sehr viel vorstellen kön-nen, und möchte Sie bitten: Nehmen Sie zumindest zurKenntnis – ich habe es mir extra noch einmal aufge-schrieben –, dass sich nicht nur deutsche Staatsbürger,sondern alle Mitbürger in diesem schönen Lande mit ih-ren Petitionen an uns wenden können. Das sollte Sie er-muntern, sich mit Ihren Sorgen an uns zu wenden. AlsKcdgimsDamgAmshhVnwkwtiBPtiKARFIhBtemtivcsUPete
eim nächsten Mal können Sie es besser machen. Juris-n sind nämlich – darauf wollte ich hier hinweisen – im-er gut.
Wir stellen heute den letzten Jahresbericht des Peti-onsausschusses in dieser Legislaturperiode vor. In denergangenen vier Jahren haben wir vielen unterschiedli-hen Anliegen der Bürgerinnen und Bürger Gehör ge-chenkt. Wir waren vor Ort, um uns die geschildertenmstände anzusehen, und wir haben die Initiatoren deretitionen nach Berlin zu Berichterstattergesprächeningeladen. Wir beschäftigten uns mit unterschiedlichs-n Themen, sind am Rande der Berichterstattergesprä-
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Memet Kilic
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che mit den Sachverständigen ins Gespräch gekommenund haben dadurch immer gewusst, wo der Schuhdrückt.Das alles wäre ohne den unermüdlichen Einsatz derMitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschussdienstes,innerhalb unserer Fraktionen und in unseren Büros nichtzu bewältigen gewesen. Dafür möchte ich mich bei ih-nen herzlich bedanken.
Das Petitionsrecht nimmt schon dadurch eine Sonder-stellung ein, dass es in der Verfassung verankert ist. Vondiesem Recht haben im vergangenen Jahr über15 000 Bürgerinnen und Bürger Gebrauch gemacht.Oft sind es jahrelange Leidenswege und bewegendeSchicksale, mit denen wir uns befassen und die unserEngagement verlangen. Nicht selten wird eine Petitionverfasst, weil man keinen anderen Weg sieht, um auf dasUnrecht aufmerksam zu machen, das einem widerfahrenist. Daher müssen wir jede einzelne Petition ernst neh-men und angemessen bearbeiten. Dies haben wir auch inden vergangenen vier Jahren nach bestem Wissen undGewissen gemacht.
Unsere Arbeit steht vielleicht nicht immer im Mittel-punkt des Medieninteresses, aber wir sind immer an derSeite der Bürgerinnen und Bürger. Der Petitionsaus-schuss ist immer nah dran an gesellschaftlichen Ent-wicklungen. Ich erinnere nur an ACTA, an die vielen Pe-titionen zum Atomausstieg und aktuell an die Petitionzur Verpflichtung der Internetanbieter zur Netzneutrali-tät. Ende Mai übersprang die Zahl der Petitionen zurVerpflichtung der Internetanbieter zur Netzneutralität in-nerhalb von drei Tagen die 50 000er-Hürde, ein Rekordfür die aktuelle Legislaturperiode. Das ist enorm.Schneller war nur 2009 die Petition zum bedingungslo-sen Grundeinkommen. Es ist gut, dass es der Ausschussnoch vor dieser Sommerpause ermöglichen konnte, ge-meinsam mit den Petenten das Anliegen in einer öffentli-chen Anhörung zu beraten. Dafür herzlichen Dank.
Eine weitere Petition, die ich besonders erwähnenmöchte, befasste sich mit der Entschädigung ehemaligersowjetischer Kriegsgefangener der Nationalsozialisten.Diese Menschen erlebten Hunger, Elend und Tod. Wirmüssen die Überlebenden dieser Gräueltaten angemes-sen entschädigen und ihre Lebensleistungen würdigen.Das sind wir ihnen und all jenen, die nicht mehr am Le-ben sind, schuldig. Deshalb wünsche ich mir, dass derBundestag noch in dieser Legislaturperiode die entspre-chenden vorliegenden Anträge beschließt.
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der nächsten Legislaturperiode muss der Ausschussiesbezüglich endlich eine einfache und für die Bürge-nnen und Bürger zufriedenstellende Lösung finden.Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie am Info-tand stehen oder Hausbesuche machen, erzählen Sie ru-ig ein wenig über unseren Ausschuss. Ich bin mir si-her, dass der Petitionsausschuss seine Arbeit nach derahl am 22. September weiterhin mit großem Elan fort-etzen wird. Wir bedanken uns bei allen Kolleginnennd Kollegen in den unterschiedlichen Fraktionen herz-ch für ihre kollegiale Zusammenarbeit, aber auch beinserer Vorsitzenden für ihre kompetente und sympathi-che Sitzungsleitung.Vielen herzlichen Dank.
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Das Wort hat die Kollegin Patricia Lips für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Meinesehr geehrten Damen und Herren! Der Bericht des Peti-tionsausschusses für 2012 ist einmal mehr beeindru-ckend. Wir haben es schon gehört: Von Anfang an warund ist das Petitionsrecht in der BundesrepublikDeutschland ein Grundrecht, verankert im Grundgesetz.Diesem folgend ist auch die Einrichtung eines Petitions-ausschusses zwingend vorgeschrieben. Man sollte viel-leicht an dieser Stelle erwähnen und hervorheben: Dasist leider bei weitem nicht überall der Fall.Ich selbst bin erst mitten in der Legislaturperiode indiesen Ausschuss gekommen, und ich gestehe, dass ichdiese Arbeit aus unterschiedlichen Gründen nicht mehrmissen möchte, selbst wenn man manches Mal in dasBüro zurückkommt und erneut ein dicker Packen Aktenmit neuen Petitionen auf einen wartet.Wir haben – die Kolleginnen und Kollegen könnendas bestimmt bestätigen – in unseren Büros auch hin undwieder Praktikanten, die uns überallhin begleiten, so-wohl in die eigentlichen Fachausschüsse, aber eben auchin diesen Ausschuss. Oft finden diese jungen Menschenden Petitionsbereich am interessantesten und am span-nendsten. Das hat sicher auch etwas damit zu tun, dasssie die Themen auf Anhieb verstehen und dass es nichtimmer um Gesetzentwürfe und Anträge von Fraktionengeht, die in einer manchmal auch für junge Menschenschweren Sprache verfasst sind, sondern um Petitionenzu Anliegen, die von Menschen aus der Mitte des Le-bens formuliert und vorgetragen werden, so wie es diesejungen Menschen auch selber erleben.Es hat aber auch etwas mit der kollegialen Zusam-menarbeit und der Atmosphäre im Ausschuss zu tun.Auch wenn die eigentlich nicht vorgesehene politischeDiskussion schon mal die Gemüter erhitzt, gerade wennes um Brennpunktthemen wie Arbeit, Soziales oder auchEnergie geht, so kommt man doch eher wieder zusam-men und ist eher bemüht, fraktionsübergreifend Einig-keit herzustellen.Für diese Atmosphäre danke auch ich allen Kollegin-nen und Kollegen am Ende der Legislaturperiode. Wirhaben es gehört: Einige werden dem neuen Parlamentnicht mehr angehören. Sie werden sicher diesen Aus-schuss in einer ganz besonderen Erinnerung behalten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es sind be-reits viele Zahlen genannt worden. Allen gemeinsam ist,dass sie stetig zunehmen, in den letzten Jahren teilweisesprunghaft. Beschäftigt man sich damit, dann kann maneine hohe Sensibilität und auch ein verstärktes Interessean politischen Inhalten der Bürgerinnen und Bürger er-kennen. Manch eine Petition hätte es verdient, heutenoch mehr Erwähnung zu finden, als es schon geschieht.AninriemSuHbaADtidsreaImMkDimreSnuaszluBtröflEemsufümbbImihKbti
Meine sehr geehrten Damen und Herren, jeder Petentrhält im Verfahren die gleiche Aufmerksamkeit. Wirüssen auch in Zukunft darauf achten, dass wir bei dertark steigenden Zahl der Online- oder Massenpetitionennd dem Wunsch nach öffentlichen Petitionen den Blickr das Einzelschicksal nicht vergessen. Stellvertretendöchte ich abschließend eines benennen: Eine Petentineschwerte sich über das Geschäftsgebaren einer Bankzw. Bausparkasse, die ihr zum Kauf einer bestimmtenmobilie geraten hatte. Zur Finanzierung musste siere gesamten Ersparnisse verbrauchen und einen hohenredit aufnehmen. Zu diesem Zeitpunkt war die Petentinereits 64 Jahre alt und hätte den Kredit ohnehin niemalslgen können. Ob und inwieweit durch die Bank Aufklä-
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Patricia Lips
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rungspflichten verletzt wurden, ließ sich abschließendnicht mehr klären, zumal ein Gericht zu diesem Zeit-punkt den Antrag der Petentin auf Prozesskostenhilfemangels Erfolgsaussichten bereits abgelehnt hatte. Wirsind nicht befugt, gerichtliche Entscheidungen zu über-prüfen, aufzuheben oder gar abzuändern. Aber wir konn-ten in mehreren Gesprächen – auch mit der zuständigenBank – der Petentin aus ihrer schwierigen Situation hel-fen, indem nun wenigstens auf die Zahlung noch beste-hender Restforderungen verzichtet wurde.Jede Petition bedarf der Vorbereitung und Aufarbei-tung. Ich danke deshalb besonders den Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern des Ausschussdienstes. Ihnen, meinesehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, habe ich schongedankt. Aber gestatten Sie mir, in Ihrem Namen auchden Mitarbeitern in unseren Büros ausdrücklich Dank zusagen.
Sie haben es nicht immer einfach mit uns. Wir wissen,welche Vorarbeiten sie leisten.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Stefan Schwartze für die
SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-legen! Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Aus-schussdienstes! Liebe Frau Vorsitzende und ganz beson-ders liebe Bürgerinnen und Bürger! Die Vorstellung desJahresberichts des Petitionsausschusses ist das ErgebnisIhrer Eingaben an den Deutschen Bundestag, ein Recht,das Ihnen nach dem Grundgesetz zusteht. Als Mitgliederdes Petitionsausschusses lernen wir bei jedem Anliegenjeden Tag dazu. Wir lernen dazu, was die Menschen inunserem Land bewegt.Es gab viele Einzelanliegen und persönliche Pro-bleme, aber auch viele Petitionen, die sich für das Wohlder Gesellschaft, für Bedürfnisse anderer, also für dasMiteinander, einsetzten. Das Miteinander macht auchwichtige Teile der Ausschussarbeit aus. Als Erstesmöchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern desAusschussdienstes herzlich danken. Wir als Bericht-erstatter sind ganz besonders auf ihre gute fachliche Zu-arbeit angewiesen. Manchmal kommen wir nicht umhin,den einen oder anderen Sonderwunsch an sie zu richten.Dafür, dass sie uns immer zuarbeiten, helfen und unter-stützen, danke ich ihnen ganz besonders. Ich hoffe wei-terhin auf gute Zusammenarbeit; denn ich möchte sie da-für gewinnen, das Petitionswesen in der Zukunft nochpopulärer zu machen. Im Netz tummeln sich mittler-weile Plattformen, die keinen Draht zum Parlament ha-ben,
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ielleicht erreichen wir somit eine größere Bandbreiter unsere öffentlichen Beratungen. Gerade im Bereicher Netzpolitik haben wir gesehen, dass eine große Be-iligung an Mitzeichnungen erfolgt. Das Anliegen,CTA nicht zu ratifizieren, erreichte schon nach kurzereit das notwendige Quorum. In knapp zwei Wocheneht es um die gesetzliche Verankerung der Netzneutra-tät. Da hat es tatsächlich ein 19-Jähriger bereits nachrei Wochen geschafft, fast 80 000 Unterschriften zuammeln. Das heißt, man braucht keine große Organisa-on und auch keinen großen Verband. Auch der Ein-elne kann das schaffen.Wie Sie sehen, hat unser System viel Potenzial, undas müssen wir weiter ausschöpfen. Wir wollen mehr di-kte Demokratie. Es gibt viele Möglichkeiten undeen, die wir als SPD in der nächsten Legislaturperiodeoranbringen möchten. Wir wollen besondere Petitionenuch im Plenum behandeln.
uch das stand in Ihrem Koalitionsvertrag. Ich hoffe,ass wir uns in der nächsten Wahlperiode darauf einigenönnen.Ein weiterer Punkt ist die Ausgestaltung unserer Orts-rmine. Die Ortstermine haben eine besondere, eineanz eigene Gewichtung. Es kommt nicht nur gut an,enn der Ausschuss vor Ort ist, sondern im persönlichenespräch und durch Anschauung vor Ort kommen wirftmals zu einer anderen Sichtweise.
ies wollen die Petenten erreichen, und wir wollen inöglichst vielen Fällen weiterhelfen. Daher spreche ichich klar für die Ausweitung solcher Möglichkeiten aus.Ein weiterer Punkt, den ich gerne ansprechen möchte,t, dass wir weiter mit der technischen Entwicklung mit-ehen. Die E-Petition war eine große Bereicherung, las-en Sie uns gemeinsam darüber nachdenken, ob wiricht eine Petitions-App starten, um den modernen Me-ien Rechnung zu tragen.
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Stefan Schwartze
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– Danke. – An dieser Stelle möchte ich mich bei denKolleginnen und Kollegen aller Fraktionen bedanken.Die Arbeit in den letzten vier Jahren hat mir sehr vielSpaß gemacht. Das liegt nicht zuletzt an dem kollegialenUmgang, den wir miteinander hatten. Der persönlicheEinsatz von jedem und das persönliche Gespräch habenuns oft zum Erfolg gebracht.An einer Stelle hätte ich mir aber ganz besonders ei-nen gemeinsamen Erfolg gewünscht. Leider war das mitder Union bisher nicht zu erreichen. Ich spreche von derPetition des Vereins KONTAKTE-KOHTAKTbl zurWiedergutmachung des Schicksals der ehemaligen sow-jetischen Kriegsgefangenen. Das Anliegen stammt ausder letzten Wahlperiode. Mehr als zwei Drittel der ehe-maligen Kriegsgefangenen haben unter den Nazis dieKriegsgefangenschaft nicht überlebt. Sie wurden sys-tematisch vernichtet. Im Moment leben noch ganze4 000 von ihnen. Lassen Sie uns jetzt helfen, bevor esauch für den letzten Überlebenden zu spät ist. Liebe Kol-leginnen und Kollegen der Union, geben Sie sich an die-ser Stelle einen Ruck! Der gemeinsame Antrag von SPDund Grünen liegt jetzt vor.
Zum Schluss noch einige persönliche Worte. Meinpersönlicher Dank und der Dank unserer Arbeitsgruppegeht an die Mitglieder des Ausschusses, von denen wirwissen, dass wir sie in der nächsten Wahlperiode nichtwiedersehen werden. Ich möchte mich ganz herzlich beiHerrn Dr. Röhlinger für die nette, freundliche und immersehr menschliche und an der Sache orientierte Zusam-menarbeit bedanken. Ich möchte mich bei FrauVogelsang bedanken. Wir haben gemeinsam für die Ster-nenkinder wirklich etwas Gutes auf den Weg gebracht.Ich habe gerne mit Ihnen zusammengearbeitet und wün-sche Ihnen alles Gute.
Bedanken möchte ich mich auch bei meinem FreundToni Schaaf, der uns allen nicht nur als Rentenfachmannfehlen wird. Viel größer, Toni, ist die Lücke, die du alsMensch, als ehrlicher Ratgeber und guter Freund in mei-nem Berliner Alltag hinterlässt. Danke Toni.
Meinen besonderen Dank und den Dank der ganzenAG möchte ich an Klaus Hagemann richten. LieberKlaus, angefangen hast du in der Kommunalpolitik; sie-ben Jahre lang warst du Bürgermeister von Osthofen.Diese Zeit hat dich geprägt und dafür gesorgt, dass duimmer dein Ohr und dein Herz bei den Menschen hast.Seit 19 Jahren bist du im Bundestag. Seit 15 Jahren – wirdurften es eben noch einmal erleben – streitest du leiden-schaftlich für das Petitionsrecht, für das Anliegen desEinzelnen und für die Sache.Du hast in dieser Wahlperiode das Sprecheramt unse-rer Arbeitsgruppe übernommen, mit lauter Neulingen andeiner Seite, und hast uns mutig in das PetitionswesenereDsJdkreMgaregwLIdnaubwGadBFnmShnmmunnsru
eine Klassen hast du dir jede Sitzungswoche neu zu-ammengestellt. Die Zahl der Praktikanten über dieahre kann man nur schätzen. Dein Büro meint, es seieneutlich über Tausend gewesen. Von Brasilien bis Usbe-istan, von Kamerun bis Australien, alle Kontinente wa-n vertreten. Besonders wichtig war es dir, den jungenenschen aus Frankreich und Polen die Möglichkeit zueben, einen Einblick in die Politik in Deutschland, aberuch in das Leben in unserem Land zu geben. Also: Leh-r aus Leidenschaft. Das ist dein ganz persönliches Pro-ramm der Völkerverständigung gewesen und wird esahrscheinlich auch noch bleiben.Du hast uns allen Petitionen nahegebracht und unsereeidenschaft dafür geweckt. In unserer AG werden dieeen der Mitarbeiter und Praktikanten genauso ernst ge-ommen wie die der Abgeordneten. Toni Schaaf hat esuf den Punkt gebracht: AG kann auch Spaß machen.
Lieber Klaus, ich danke dir für deine Unterstützungnd das Vertrauen, das du mir und uns allen entgegenge-racht hast. Ich habe mich über jeden Tag gefreut, denir zusammengearbeitet haben. Ich wünsche dir allesute und sage an dieser Stelle einfach: Danke, Klaus.
Liebe Präsidentin, ich bedanke mich ganz herzlichuch bei Ihnen.
Ich gestehe, in anderen Debatten nützt das Abdecken
es Lichtsignals nichts. Das sage ich vorsorglich mit
lick auf die Folgenden.
Jetzt hat der Kollege Hagen Reinhold für die FDP-
raktion das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-en und Kollegen! Sehr geehrte Bürger! Ich schließeich meinem Vorredner ganz ausdrücklich an: Ohneie, die Bürger, und ihre fleißige Arbeit ständen wireute nicht hier. Jedem sollte bewusst sein, dass es nichtur uns viel Arbeit macht, Petitionen zu bearbeiten; viel-ehr ist auch der Weg zu uns hin tatsächlich nicht im-er ein kurzer, schon gar nicht, wenn die Bürgerinnennd Bürger dafür viele Unterstützer sammeln.Herr Kilic, ich muss Ihnen sagen: Ich sehe es übrigensicht als Defizit, dass ich nicht als Rechtsanwalt vor Ih-en stehe, sondern nur als Bauunternehmer. Ich finde dasogar ganz angenehm und sage Ihnen auch gleich, wa-m. Frau Lips hat sich schon als eine Person geoutet,
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Hagen Reinhold
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der erst später dazugekommen ist. Mir ging es genauso:Vor einigen Monaten stieß ich zu Ihnen und durfte imPetitionsausschuss mitarbeiten. Ich kann aus meinemBlickwinkel Aspekte nennen, die mir in diesen wenigenMonaten aufgefallen sind.Ein Aspekt ist, dass ich es ausgesprochen gut finde,dass sich im Petitionsausschuss Abgeordnete einmalüber das Fachgebiet, das sie sonst vertreten, hinaus, umAngelegenheiten kümmern können. Sie können dabeieine Sichtweise einnehmen, die Fachpolitiker manchmalnicht haben. Ganz aktuell ist mir eine Petition zur Dia-lyse in Erinnerung; dafür wurden in kurzer Zeit, ichglaube, 80 000 Unterschriften gesammelt. Ich gehörenicht dem Gesundheitsausschuss an. Ich fand es unheim-lich angenehm und auch sehr hilfreich, dass wir einmaleinen Blick über den Tellerrand hinaus wagen konnten.Als Personen, die eben nicht im Gesundheitsausschussgefangen sind, konnten wir einen ganz anderen, offenenBlick für die Dinge haben. Ich glaube, so etwas ist anvielen Stellen sehr hilfreich.
Ich freue mich, in dieser Debatte feststellen zu kön-nen, dass wir über alle Fraktionen hinweg diese leben-dige Bürgerbeteiligung unterstützen, weiter hegen undpflegen wollen. Genauso wie Petitionen Legislaturperio-den überleben – Herr Hagemann, da greife ich einmalauf, worauf Sie und andere Ihrer Fraktion hingewiesenhaben –, überleben selbstverständlich gute Ideen. Auchich würde mich freuen, wenn wir es schaffen würden,Bürgerplenarverfahren einzuführen. Es wäre dann mög-lich, dass Bürger Tagesordnungspunkte im Plenum be-stimmen. Ich freue mich einfach darauf, dass Sie demGesetzentwurf, den die Regierungsfraktion FDP in dernächsten Legislaturperiode initiieren wird, zustimmen.Ich bin ganz optimistisch, dass das passieren wird.Es wurde schon viel darüber gesagt, inwiefern dievielen Tausend Petitionen, die beim Petitionsausschusseingegangen sind, ein Seismograf der Gesellschaft sind.Diese Petitionen zeigen uns Missstände und auch Aus-wirkungen von Gesetzen auf, die wir manchmal viel-leicht nicht bedenken.Um ein kurzes Beispiel zu nennen, verweise ich aufeinen ziemlich hartnäckigen Petenten, der es im rechts-politischen Bereich bereits zweimal geschafft hat, dafürzu sorgen, dass sein Anliegen im Bundesgesetzblatt Nie-derschlag findet. Sein Name ist wahrscheinlich vielenbekannt; ich will ihn hier nicht nennen. Das zeigt, Peti-tionen sind nichts, was einfach an einem vorbeigeht.Ganz im Gegenteil, sie wirken. Man kann mit ihnen diePolitiker sehr gut zum Nachdenken bringen. ManchesAnliegen erlangt tatsächlich Gesetzesform. Das sollteden Leuten Mut machen, weiter an Petitionen zu arbei-ten und sie einzureichen.Selbstkritisch sei mit Blick auf meine Erfahrungen inden vergangenen Monaten gesagt: Mir erscheint die Zeitmanchmal ziemlich lang, die es braucht, bis die Antwortauf eine Petition den Petenten erreicht. Ich glaube, andieser Sache sollten wir alle arbeiten. Das zeigt zwar,dass wir uns sehr viel Mühe machen bei der Prüfung, beiBMfüalawdaSdwazmteArotesbAFSBeßNpzkmGZ5sVbRa
Ich rufe alle Bürger auf, weiterhin so fleißig zu sein,ürde mir auch wünschen – dafür muss noch Zeit sein –,ass wir für den nächsten Bericht etwas mehr Petitionenus den neuen Bundesländern – bei aller Skepsis demtaat gegenüber; das hat historische Gründe; ich kannas nachvollziehen – auf den Tisch bekommen. Wennir uns den Bericht anschauen, können wir da eine Un-usgewogenheit feststellen. Petitionen sind wichtig. Sieeigen uns Sachen auf, an die wir im politischen Alltaganchmal nicht denken. Alle sind aufgerufen, hier wei-r mitzumachen.Ich will nicht versäumen, an dieser Stelle auch demusschussdienst zu danken. Den Mitarbeitern in den Bü-s ist schon gedankt worden. Aber auch den Mitarbei-rn in den Fraktionen gilt mein Dank. Es ist schon ge-agt worden: Es ist sehr viel Arbeit, Petitionen zueraten und darüber zu entscheiden. Viele haben einennteil daran. Das sollte an dieser Stelle erwähnt werden.Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat die Kollegin Ingrid Remmers für die
raktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ehr geehrte Damen und Herren des Ausschussdienstes!ei so viel berechtigter Lobhudelei tut es mir fast schonin bisschen leid, jetzt doch etwas Essig in den Wein gie-en zu müssen; es wäre sonst aber auch langweilig.ichtsdestotrotz habe ich dann gleich noch ein paarositive Punkte.Ich freue mich natürlich, auch in diesem Jahr wiederum Jahresbericht des Petitionsausschusses reden zuönnen. Lieber aber noch würde ich über andere The-en reden, zum Beispiel über das bedingungsloserundeinkommen.
u diesem Thema gab es nämlich sage und schreibe6 Petitionen, und sie wurden von mehr als 57 000 Men-chen unterstützt. In fast allen Parteien wurden dazuorschläge erarbeitet, und in der Öffentlichkeit gab esreite Diskussionen dazu. Da kann man sich doch zuecht einmal fragen: Warum wird dieses Thema nichtuch im Plenum des Deutschen Bundestages diskutiert?
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Ingrid Remmers
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Dieselbe Frage kann ich zu vielen anderen Themenstellen, die sich in Form öffentlicher Petitionen als The-men von großem öffentlichen Interesse erweisen. Dazugehören zum Beispiel die Existenzfrage freiberuflicherHebammen, die große Empörungswelle gegen die Sper-rung von Internetseiten, die Forderung nach Abschal-tung der Atomkraftwerke, alles Themen mit überwie-gend mehr als 100 000 Unterschriften, die beweisen,dass das jeweilige Thema die Menschen in diesem Landbewegt. Im Bundestag diskutiert werden dürfen sie abernur, wenn eine Fraktion einen Antrag dazu stellt.
Die Bevölkerung selbst hat keinen direkten Einfluss da-rauf. Wenn aber diese Fragen die Menschen so sehr be-wegen, warum geben wir ihnen dann nicht endlich dieMöglichkeit, ihr Thema über den Weg der öffentlichenPetition selber auf die Tagesordnung des DeutschenBundestages zu setzen?
Auch der Antrag meiner Fraktion dazu konnte dieUnionsfraktion leider nicht bewegen, den Bürgerinnenund Bürgern zu erlauben, eigene Themen zu setzen, unddas, obschon vier von fünf Fraktionen in diesem Hausgenau das fordern. Damit, liebe Kolleginnen und Kolle-gen von der Unionsfraktion, halten Sie sich nicht einmal– das haben wir schon gehört – an Ihren eigenen Koali-tionsvertrag, und Sie zeigen damit, was Sie von mehrBürgerbeteiligung tatsächlich halten, nämlich doch eherwenig. Sie setzen weiterhin darauf, dass wir in Hinter-zimmern Absprachen zu Petitionen treffen, sodass dieBürgerinnen und Bürger außen vor bleiben und mög-lichst nicht ganz so genau erfahren, wie wir mit ihrenAnliegen umgehen. Das sollten wir dringend ändern.
Entscheidend bei einer Petition ist natürlich, was amEnde herauskommt. Es gibt viele Themen, bei denen esgar kein rechts oder links gibt, die Reform der GEMAzum Beispiel. Sie wurde 2012 nun schon mit der zweitenöffentlichen Ausschusssitzung allein in dieser Legisla-turperiode gefordert. Zur Reform der GEMA gab es seit1998 insgesamt 1 063 Petitionen. Herzlichen Dank anden Kollegen Lemme für diese Zahl, wie immer du sieherausbekommen hast. Wir haben es nicht geschafft. DieBundesregierung weiß spätestens seit dem Bericht derEnquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ aus demJahr 2008, was geändert werden muss. Sie tut abernichts.Ähnliches gilt für die Forderung nach einer Finanz-transaktionsteuer. Sie wurde 2012 mit der Begründung,dass dem Anliegen bereits „teilweise entsprochen“wurde, von der Ausschussmehrheit abgesetzt. DieseFormulierung ist eigentlich eine Zumutung für die mehrazhduNTdeBdsMBtipwmpvlaEujennkuicsfo–skKaEEVhgd
Was ist so schlimm daran, solche Anliegen mit einemohen Votum an die Regierung zu überweisen und da-urch zu gewährleisten, dass das Thema nicht versandetnd im Ausschuss regelmäßig über Fortschritte oderichtfortschritte berichtet werden kann? Im Falle derransaktionsteuer haben sich schließlich sogar die Bun-eskanzlerin und der Finanzminister dazu bekannt, sieinführen zu wollen.Ebenfalls im Jahr 2012 erhielten wir die Antwort derundesregierung auf eine Petition, die die Schließunges Bombenabwurfplatzes in Nordhorn in Niedersach-en forderte. Der Ausschuss hatte die Petition alsaterial überwiesen, per einstimmigem Beschluss. Dieundesregierung antwortete im Mai 2012, dass „alterna-ve Übungsmöglichkeiten für die Luftstreitkräfte ge-rüft“ und eine „gerechte Lastenverteilung“ angestrebtürden. Der Presse mussten wir Abgeordnete entneh-en, dass nach der Schließung des Luft-Boden-Schieß-latzes in Siegenburg/Bayern Nordhorn der einzige nocherbleibende Luft-Boden-Schießplatz in ganz Deutsch-nd sein wird. Als wäre es noch nicht genug, dass dieinwohnerinnen und Einwohner seit mehr als 60 Jahrennter dem Lärm und den Gefahren leiden, werden dorttzt zu allem Überfluss auch noch Drohneneinsätze trai-iert. Wenn der Ausschuss seine Arbeit wirklich ernstehmen würde, dann müssten die zuständigen Staatsse-retäre diese Vorgänge im Ausschuss erklären.
Um aber wenigstens zu kleineren Verbesserungen innseren Wirkungsmöglichkeiten zu kommen, möchteh etwas anregen: In der nächsten Legislaturperiodeollte der Petitionsausschuss überlegen, einen Härtefall-nds einzurichten
herzlichen Dank, Frau Kollegin –, mit dem der Aus-chuss in Einzelfällen auch einmal schnell und unbüro-ratisch helfen kann.
Sie erinnern sich sicherlich, liebe Kolleginnen undollegen – Herr Schwartze hat es eben angesprochen –,n die Petition des Vereins KONTAKTE, der sich für dieinbeziehung der sowjetischen Kriegsgefangenen in dientschädigungszahlungen der Stiftung „Erinnerung,erantwortung und Zukunft“ eingesetzt hat. Am Endeieß es, die Stiftung habe kein Geld mehr, und die weni-en noch lebenden Hochbetagten gingen leer aus. Ichenke, es würde dem Ausschuss gut zu Gesicht stehen,
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Ingrid Remmers
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wenn pro Jahr für solche oder ähnliche Fälle eineSumme X zur Verfügung stünde. Der Ausschuss könntedann entscheiden, welche Petenten im Einzelfall eineZuwendung erhalten, zum Beispiel für medizinischeLeistungen oder andere Härtefälle, bei denen keine an-dere Rechtsgrundlage für Hilfe vorhanden ist. Der Peti-tionsausschuss in Thüringen hat übrigens einen solchenHärtefallfonds. Ich würde mich freuen, wenn der künf-tige Petitionsausschuss diesem guten Beispiel folgenwürde.Nichtsdestotrotz hat dieser Ausschuss – wir haben esjetzt vielfach gehört – im vergangenen Jahr viel Gutesgeschafft. Ein Beispiel hat die Kollegin Lips eben schonangesprochen. Es ging um den Fall einer alten Dame, diewir in Zusammenarbeit mit der Kollegin Sabine Weissvon der CDU entschulden konnten. Ich finde, dass dasein sehr schönes Ergebnis ist. Das zeigt, dass man in sol-chen Fällen parteiübergreifend gut zusammenarbeitenkann. Herzlichen Dank auch dafür!
Auch die öffentliche Ausschusssitzung zum ThemaACTA – davon haben wir eben auch schon gehört – undviele andere habe ich in guter Erinnerung. Die vielenZehntausend Unterschriften haben auf jeden Fall mitge-holfen, die geplante Internetüberwachung zu stoppen.Von diesen guten Arbeitsergebnissen gibt es nocheine ganze Reihe. Auch deshalb werde ich die Arbeit imPetitionsausschuss in guter Erinnerung behalten. Ich be-danke mich bei den Ausschussmitgliedern für die, trotzaller Kritik, gute Zusammenarbeit. Mein Dank gebührtnatürlich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterndes Ausschussdienstes für ihre unermüdliche Arbeit mitden vielen Tausend Akten. Ich wünsche dem neu zuwählenden Petitionsausschuss viel Erfolg und hoffe na-türlich, dass dann die Verfahrensgrundsätze, lieberKlaus, wieder auf den Prüfstand kommen. Im digitalenZeitalter müssen wir auch neue Wege für bessere Bür-gerbeteiligung in der Politik finden. Das kann uns nie-mand abnehmen.Vielen Dank.
Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt
hat jetzt die Kollegin Stefanie Vogelsang von der CDU/
CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! Ich glaube, 7 oder 8 Mitar-beiter des Ausschussdienstes sitzen auf der Tribüne stell-vertretend für die 85 Kolleginnen und Kollegen, die fürureNomihdutiGAinzfüdIcDJdJ–gddüawlasimvbkgKdwsbbDwreaFbS
Normalerweise ist es so, dass man als letzte Rednerin einer Debatte versucht, einen versöhnlichen Endpunktu finden, also das Ganze zu einem positiven Ende zuhren. Insofern bin ich Ihnen, Frau Remmers, sehrankbar, dass ich hier mit Kritik nicht ganz alleine stehe.h habe den Jahresbericht gelesen. Hier und vor alleningen in Ihrer Rede, Frau Ausschussvorsitzende, zumahresbericht haben Sie darauf hingewiesen, dass es iniesem Jahr weniger hohe Voten gegeben hat als in denahren davor.
Ich glaube, neben Herrn Hagemann haben Sie es auchesagt. – Sie haben insbesondere kritisiert, dass die Bun-esregierung von den Vorhaben mit einem hohen Votum,ie wir ihr also zur Berücksichtigung oder Erwägungberwiesen haben, relativ wenig umgesetzt hat, dass sien relativ wenig herangegangen ist. Eine Möglichkeit,arum das so ist, haben Sie dabei völlig außer Acht ge-ssen, nämlich die Arbeit des Gesetzgebers. Wenn Sieich einerseits die Petitionen mit den jeweiligen Voten Petitionsausschuss anschauen und andererseits dieerschiedenen Gesetze vergegenwärtigen, über die wireraten haben, dann werden Sie feststellen, dass es inaum einer anderen Wahlperiode so viele Petitionen ge-eben hat, bei denen die besonders aktive Arbeit derolleginnen und Kollegen in ihren Fachausschüssenazu geführt hat, dass es zu dem Votum kam: Abschluss,eil erledigt bzw. teilweise erledigt.Der Kollege von der FDP hat gesagt, dass es hilfreichei, wenn man im Petitionsausschuss Fachbereicheehandle, mit denen man sich nicht im Fachausschusseschäftige, weil man so einen anderen Blick für dieinge habe. Ich glaube, dass auch die Kombination et-as Gutes hat: Einerseits sind Leute da, die einen ande-n Blick haben, andererseits sind Leute da, die im Fach-usschuss – vielleicht dank ihres offenen Blicks – deninger in die Wunde legen können.Ich will Ihnen dazu ein Beispiel aus dem Jahre 2012ringen. Wir hatten eine Petition der Deutschenchmerzliga,
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Stefanie Vogelsang
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vertreten durch Marianne Koch, die wir alle kennen. Wirhaben zur Zeit der Großen Koalition gemeinsam und mitgroßer Unterstützung der Fraktion der Grünen ein Ge-setz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichenKrankenversicherung verabschiedet, durch das die Mög-lichkeit sogenannter Rabattverträge für die gesetzlichenKrankenversicherungen eingeführt wurde. Mit diesenRabattverträgen sollen die Preise nach unten gedrücktwerden. Wir alle haben in unseren Wahlkreisen in denBürgerbüros mit Kritik der Bürgerinnen und Bürger andiesen Rabattverträgen zu tun; gerade ältere Menschensind nicht ganz sicher, ob sie das Richtige bekommen,wenn der Wirkstoff zwar der gleiche ist, aber dasMedikament ausgetauscht wurde. Bei Schmerzpatienten,die mit sehr starken Opioiden oder anderen Schmerz-medikamenten behandelt werden müssen, geht es abernicht nur um den Austausch der Medikamente, sondernauch um entsprechende Begleiterscheinungen, die mitden Medikamenten einhergehen. Von diesen Begleit-erscheinungen hängt das Wohlbefinden der Patientenund die Wirksamkeit des Medikaments ab. Wir, der Peti-tionsausschuss, haben uns in einer öffentlichen Anhö-rung intensiv damit beschäftigt. Diejenigen, die Kontaktzur Gesundheitspolitik haben, haben sehr stark dafür ge-kämpft, dass wir ein Gesetz bekommen, in dem Ausnah-men vorgesehen werden, damit der mit den Rabattverträ-gen verbundene Zwangsaustausch des Medikamentsinsbesondere bei Schmerzpatienten nicht mehr stattfin-den muss.Wir als Gesetzgeber haben im Jahre 2012 dann einentsprechendes Gesetz verabschiedet; dafür haben wirdie Regierung gar nicht gebraucht. Dieses Gesetz ist imOktober 2012 in Kraft getreten. Man müsste nun anneh-men: Der Petitionsausschuss hat das Anliegen aufge-nommen, es ist von den Parlamentariern in den Gesund-heitsausschuss transportiert worden, ein Gesetz wurdeerlassen und den Menschen ist geholfen.Im Gesundheitswesen ist es nun so, dass konkreteEntscheidungen eher von den Fachleuten im Gemein-samen Bundesausschuss getroffen werden. Die gesetzli-che Krankenversicherung und die Apotheker haben die-ses ausgesessen. Wir haben entsprechende Hinweisedarauf bekommen, von der Deutschen Schmerzliga er-hielten wir ein Schreiben, dass sich auch infolge derUmsetzung der Petition nichts getan hat.Wir als Petitionsausschuss haben das bei einem Ge-spräch mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss ange-sprochen. Heute Morgen hat der Gesundheitsausschussdes Deutschen Bundestages eine Entschließung gefasstund darin die Apotheker und die gesetzliche Kranken-versicherung aufgefordert, endlich tätig zu werden. Wirsind einstimmig übereingekommen: Ihr müsst das bis1. August dieses Jahres tun und nicht am Sankt-Nimmer-leins-Tag.Der Petitionsausschuss ist also nicht nur Seismograffür Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern, sondernder Petitionsausschuss ist auch für uns Fachpolitiker sehrwichtig. Wir sollten dabei nicht nur auf das Tun der Bun-desregierung schielen, sondern selbst im Rahmen unse-rer Ausschussarbeit als Gesetzgeber tätig werden, unddsgzisuneahfü
regierung eingebrachten Entwurfs eines SiebtenGesetzes zur Änderung des Filmförderungsge-setzes– Drucksache 17/12370 –Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Kultur und Medien
– Drucksache 17/13689 –Berichterstattung:Abgeordnete Wolfgang Börnsen Angelika Krüger-LeißnerDr. Claudia WintersteinKathrin Senger-SchäferClaudia Roth
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Kultur und Medien
zu dem Antrag der Abgeordne-
ten Wolfgang Börnsen , MarcoWanderwitz, Johannes Selle, weiterer Abgeord-neter und der Fraktion der CDU/CSU sowie derAbgeordneten Dr. Claudia Winterstein, BurkhardtMüller-Sönksen, Reiner Deutschmann, weitererAbgeordneter und der Fraktion der FDPOriginäre Kinderfilme aus Deutschland stär-ker fördern– Drucksachen 17/12381, 17/13689 –Berichterstattung:Abgeordnete Wolfgang Börnsen Angelika Krüger-LeißnerDr. Claudia WintersteinKathrin Senger-SchäferClaudia Roth
c) Zweite Beratung und Schlussabstimmung desvon der Bundesregierung eingebrachten Entwurfseines Gesetzes zu dem Europäischen Überein-kommen vom 8. November 2001 zum Schutzdes audiovisuellen Erbes und zu dem Protokollvom 8. November 2001 zum Europäischen
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
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Übereinkommen zum Schutz des audiovisuel-len Erbes betreffend den Schutz von Fernseh-produktionen– Drucksache 17/12952 –Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Kultur und Medien
– Drucksache 17/13690 –Berichterstattung:Abgeordnete Johannes SelleAngelika Krüger-LeißnerBurkhardt Müller-SönksenKathrin Senger-SchäferTabea RößnerNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. Gibt esWiderspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das sobeschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-ner das Wort dem Staatsminister Bernd Neumann.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kolle-gen, die politisch zu diesem Bereich gehören, sind mitt-lerweile atemlos hier im Saal angekommen. Ich freuemich, dass ich das Thema nicht alleine vertreten muss.
Das Filmförderungsgesetz ist ja ein zeitlich begrenz-tes Gesetz. Alle fünf Jahre ist eine Novellierung erfor-derlich. Ich selbst bin mittlerweile zum vierten Mal aktivdaran beteiligt – passiv noch länger –: zweimal aus derPerspektive des Abgeordneten und zweimal aus derPerspektive des Kulturstaatsministers.Bemerkenswert dabei war und ist, dass wir jedes FFGmit großer Einmütigkeit beschlossen haben. Es gab im-mer so gut wie keine Gegenstimmen, so jetzt auch imKulturausschuss. Das heißt, in Bezug auf den Bereichder Filmpolitik gibt es im Deutschen Bundestag, vonEinzelfragen abgesehen, prinzipiell einen fraktionsüber-greifenden Konsens. Das tut dem deutschen Film undder Filmwirtschaft gut.Dass man ohne Übertreibung sagen kann, dass dieFilmpolitik in den letzten Jahren zu den besonders er-folgreichen Kapiteln der Kulturpolitik auf Bundesebenegehört – so zumindest sieht es die gesamte Community –,ist ein gemeinsamer Erfolg, an dem alle Fraktionen be-teiligt sind. Deshalb danke ich Ihnen dafür sehr herzlich.
Das FFG ist immer wieder Spiegel der aktuellenilmpolitik. Meine Kollegen Selle und Börnsen werdenleich aus Sicht der CDU auf die Veränderungen imeute zu verabschiedenden Entwurf eingehen. Ich selbstöchte zum Ende dieser Legislaturperiode gern eineurze filmpolitische Bilanz ziehen. Lassen Sie mich fünfunkte hervorheben:Erstens. Deutschland ist wieder ein attraktiver inter-ationaler Produktionsstandort. Der Deutsche Filmför-erfonds, den es seit 2007 gibt, der also in der Zeit derroßen Koalition aufgelegt wurde – damals hatte er einolumen von 60 Millionen Euro – und von der jetzigenoalition fortgesetzt wurde – im Jahr 2013 wurde dasolumen auf 70 Millionen Euro erhöht –, ist ein Erfolgs-odell. Viele kleine anspruchsvolle Filme werden stär-er unterstützt. Über das Studio Babelsberg, das fast illi-uide, fast zahlungsunfähig war, kann man mittlerweileagen: Babelsberg lebt und produziert. Internationaleroßproduktionen finden wieder in Deutschland statt.eutsche Schauspieler werden in diese internationalenroduktionen einbezogen und können deshalb Weltstarserden; dazu muss man ja eine gewisse Spielfläche ha-en. Seit 2007 wurden mehr als 375 Millionen Euro För-ermittel im DFFF bewilligt. Sie lösten Folgeinvestitio-en in sechsfacher Höhe aus, also ohne staatliche Mittel.avon wurden allein 2,2 Milliarden Euro in Deutschlandusgegeben. Ich kenne kein anderes Subventionsmodelles Staates, das so rentierlich ist. Deshalb muss derFFF fortgesetzt werden, wenn es nach mir geht, zu-ünftig dauerhaft, ohne Begrenzung.
Zweitens. Die Kinodigitalisierung schreitet voran. Bisnde 2013 wird die Bundesregierung dafür 21 Millionenuro ausgegeben haben. Zurzeit sind in Deutschland fast0 Prozent der Kinosäle digitalisiert. Damit ist auch diechnische Wettbewerbsfähigkeit der Kinos in der Flä-he, der Arthouse- und Programmkinos erreicht; nuriese Kinos unterstützen wir ja. Das war eine Gemein-chaftsleistung von Bund, Ländern und Filmwirtschaft,ie wahrscheinlich Ende dieses Jahres abgeschlossenein wird.Drittens. Langfristig kann das Kino nur bestehen,enn es auch morgen noch wahrgenommen wird. Des-alb ist es wichtig, auch die junge Generation an dasino heranzuführen. Die Vision Kino GmbH leistet hierertvolle Arbeit. Im Schuljahr 2012/2013 nahmen bun-esweit rund 684 000 Schülerinnen und Schüler sowieehrkräfte an Kinovorstellungen in den SchulKinoWo-hen teil. So konnte Vision Kino seinen Status als wich-gstes filmpädagogisches Projekt in Deutschland erneutntermauern.Viertens. Um die entstandenen Filme auch langfristigu erhalten, müssen wir unser Filmerbe schützen.ngelika Krüger-Leißner, da engagieren wir uns schoneit Jahren; schrittweise bewegen wir uns sogar. Mit derovellierung des Bundesarchivgesetzes erfolgt die Ein-
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Staatsminister Bernd Neumann
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führung einer Pflichtregistrierung aller deutschen Kino-filme, sodass alle neu produzierten Filme erfasst werden.Der Produzent muss eine Kopie vorhalten; in der Regelwird es eine digitale sein. Somit kann filmisches Erbezukünftig nicht mehr verloren gehen. Darüber hinausträgt der BKM durch Fördermittel beträchtlich dazu bei,dass eine bedeutende Anzahl von Filmerbe-Klassikern– es muss ja der Wunsch, sie zu sehen, erfüllt werdenkönnen; das ist der besondere Sinn – digitalisiert wirdund auf diese Weise für die Öffentlichkeit zugänglichbleibt.Mit dem heute zu verabschiedenden Gesetzentwurfzur Änderung des FFG wird die Digitalisierung desFilmerbes zudem ausdrücklich in den Aufgabenkatalogder FFA aufgenommen. Hierdurch wird der finanzielleBeitrag der Filmwirtschaft zu dieser wichtigen Aufgabesichergestellt. Es ist ja nicht einzusehen, dass der Staatallein das alles macht. Auch die Filmwirtschaft muss ih-ren Beitrag zum Erhalt ihres kulturellen Erbes leisten.Fünftens. In Brüssel haben wir durch gemeinsamesAuftreten mit Frankreich bei der Überarbeitung der Ki-nomitteilung der Europäischen Kommission bereitswichtige Erfolge erzielt. Im Vergleich zu den ersten Fas-sungen der Kinomitteilung enthält der aktuelle Entwurfdeutlich positive Aspekte, beispielsweise erkennt dieKommission erstmalig an, dass Kinofilme und KinosKultur sind – zu Recht. Für eine weitere wichtige Ände-rung kämpfe ich noch gemeinsam mit meiner französi-schen Kollegin Filippetti und dem italienischen Kolle-gen Bray. Wir verfolgen das Ziel, Fördersysteme wieden DFFF in seiner jetzigen Ausgestaltung zu sichern;denn wir wollen nicht zulassen, dass die Wettbewerbsfä-higkeit des europäischen Films gegenüber der außer-europäischen Konkurrenz beeinträchtigt und die euro-päische Filmkultur ernsthaft gefährdet wird.
Abschließend, meine Damen und Herren: Der Bundder Steuerzahler hat jüngst plakativ gefordert – mancheZeitungen haben sich dem angeschlossen –: „Das Päp-peln der Filmbranche mit Subventionen muss ein Endehaben!“ Das ist in jeder Hinsicht zu kurz gesprungen.Der Kinofilm ist wie das Theater Ausdruck unserer welt-weit einzigartigen kulturellen Vielfalt, die wir erhaltenwollen. Was für das Theater gilt, trifft auch auf den Filmzu. Beide kommen ohne Förderung nicht aus. Da derFilm nicht nur ein Kulturgut, sondern auch ein Wirt-schaftsgut ist,
ist die Filmförderung auch noch eines der erfolgreichs-ten Wirtschaftsförderprogramme, wie es am Beispiel desDFFF deutlich wird.Ich danke allen Fraktionen für die Unterstützung beiden von mir genannten wichtigen erfolgreichen Punkten.Sie waren ja nicht streitig. Man kann sehen: Wenn mansismAFKPFBkKruzisUAmüDtedruwEBdpsHdmwsds4cJaSlenredru
Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin
ngelika Krüger-Leißner von der sozialdemokratischen
raktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Gerade hat es Staatsminister Neumann gesagt.assend zur Verabschiedung der siebten Novelle desilmförderungsgesetzes meldete sich wieder einmal derund der Steuerzahler über seinen Präsidenten und ver-ündete letzte Woche: „Schluss mit den Millionen fürassenschlager!“ Gute Filme bräuchten keine Förde-ng, sie würden auch ohne entstehen.Auch wenn diese Einstellung des Bundes der Steuer-ahler nicht wirklich überrascht, da wir ihn kennen, sot es dennoch sehr ärgerlich, dass es immer noch so vielnkenntnis über die Filmförderung in Deutschland gibt.ufgrund unserer föderalen Strukturen wird sie vonehreren Säulen getragen: über die Länderförderung,ber den Beauftragten für Kultur und Medien, über denFFF, bei internationalen Projekten auch über EU-Mit-l, von den Fernsehsendern und eben über die Filmför-erung des Bundes auf der Grundlage des Filmförde-ngsgesetzes, das wir heute novellieren wollen. Zudemollen wir es an die technischen und wirtschaftlichenntwicklungen der vergangenen fünf Jahre anpassen.Gerade dieses Gesetz erbringt seine Leistung für dieranche aus der Branche, nämlich über die Filmabgabeer Kinos, die Abgabe der öffentlich-rechtlichen undrivaten Sender sowie der Verleiher, die Videoabgabeowie die Rückzahlung und Tilgung der Projektträger.ier werden also keine Steuermittel, sondern Mittel auser Filmbranche eingesetzt. Dies habe ich jetzt noch ein-al dargelegt, damit es in diesem Land wahrgenommenird. Darum ist es auch so wichtig, dass wir uns das Zieletzen, die Leistungsfähigkeit und die Strukturen dereutschen Filmwirtschaft mit jeder Novelle zu verbes-ern.Die Filmförderungsanstalt wird in diesem Jahr5 Jahre alt. Viereinhalb Jahrzehnte hat sie für erfolgrei-he Filmförderung gewirkt. Die ersten Monate diesesahres haben wieder einmal gezeigt, dass die Film-kteure, die Regisseure, die Drehbuchautoren, diechauspieler und die Produzenten, wirklich gute Arbeitisten – aber auch die Filmförderung.Der Marktanteil deutscher Filme liegt in diesem Jahroch bei über 30 Prozent – das ist gut –, und es gibt be-its vier Besuchermillionäre, drei davon gefördert voner FFA, ob über Drehbuch-, Projekt- oder Verleihförde-ng oder Referenzförderung, die für den Erfolg des vor-
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Angelika Krüger-Leißner
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hergehenden Films gezahlt wird. Bei durchschnittlichenHerstellungskosten zwischen 4 und 6 Millionen Euro füreinen abendfüllenden Spielfilm leuchtet eigentlich je-dem ein, dass solche Filmprojekte ohne Förderung garnicht zu realisieren sind.Der große deutsche Filmregisseur und ProduzentBernd Eichinger hat einmal gesagt:Der deutsche Film kann ohne Förderung nichtleben! Das muss allen klar sein. Bei kleinen Projek-ten ist die Bewilligung der Förderung oft existen-tiell, bei großen, auch internationalen Koproduk-tionen hilft sie wesentlich, das Vorhaben auchtatsächlich in absolut höchster Qualität zu realisie-ren.Ich finde, das stimmt. Darum ist es wichtiger denn je, dieüberregionale bundesweite Förderung durch das FFG zustärken. Diese Novellierung steht unter einem besonde-ren Zeichen und, ich glaube, auch unter vielen Blicken.Wir alle wissen, dass das Bundesverfassungsgerichtderzeit die Klage einer Kinokette prüft und entscheidenmuss, ob das FFG verfassungsgemäß ist und der Bunddie Zuständigkeit für diese gesetzliche Regelung hat.Aus unserer Sicht ist das so. Schließlich haben wir dasauch in einer gemeinsamen Stellungnahme so formu-liert; das ist nachzulesen. Dieser besondere Umstand istauch ein Beleg dafür, dass es keine grundlegenden Än-derungen an der Systematik des FFG gibt. Viele aus derFilmbranche hätten sich mutigere Schritte, mehr Ba-lance, mehr Gerechtigkeit bei den Abgaben und Förde-rungen gewünscht. Ich sage: Das läuft uns nicht weg.Das Urteil aus Karlsruhe sollten wir abwarten. Dannwerden wir uns an die große Arbeit machen; das ver-spricht meine Fraktion.Auch wenn ich das Ergebnis etwas einschränkend be-urteilt habe, glaube ich dennoch, dass uns nach einigemEntgegenkommen von allen Seiten ein guter Kompro-miss gelungen ist.
Dafür mein Dank an alle Kollegen, besonders an HerrnBörnsen!
– Also wirklich! Wenn ich ihm einmal danke, bekommter es nicht mit.
Ich darf im Folgenden auf die für meine Fraktionwichtigen Änderungen eingehen.Als zukunftsweisend sehe ich die Verbesserung derMöglichkeiten der Teilhabe behinderter Menschen angeförderten Filmen und zum Besuch eines Kinos an. MitUntertitelung und Audiodeskription eröffnen wir mehraimFsgvsudbeteubeazkdteDsfötecpBDFdwsdfiineKsdbSebdsh–zn
Vielen Dank. Ich weiß: Das liegt auch Ihnen am Her-en.Zuletzt möchte ich einen Punkt ansprechen, der mei-er Fraktion sehr wichtig war: Die Arbeitsbedingungen
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bei Filmproduktionen haben sich in den letzten Jahrenunter dem zunehmenden Kostendruck verschärft. Dazutragen übrigens auch die öffentlich-rechtlichen Senderbei. Dieser Kostendruck wird weitergeleitet an die Film-schaffenden vor und hinter der Kamera. Es kommt im-mer wieder zu Verstößen gegen soziale und tariflicheStandards. Ich finde, da es sich hier um öffentliche För-derung handelt, stehen wir in der politischen Verantwor-tung und müssen handeln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie kennen unserEngagement für diesen Bereich. Daher ist es nicht neufür Sie, dass wir wollen, dass soziale Standards eingehal-ten werden. Die bisherigen Regelungen – aus der letztenNovellierung des Filmförderungsgesetzes – reichennicht aus. In dem Bewusstsein, dass bei deutschen Ko-produktionen mit internationaler Beteiligung das EU-Recht wirkt, haben wir einen Weg gesucht, soziale Min-deststandards deutlich sichtbar im FFG zu verankern.Unser Vorschlag, dass erhoben wird, inwiefern die Stan-dards am Set geförderter Produktionen eingehalten wer-den – er ist weder bürokratisch noch mit Sanktionen ver-bunden –, ist legitim; die Erhebung wäre ein deutlichesSignal an die Branche gewesen. Ich gehe, da ich vieleProduzenten in diesem Bereich kenne, davon aus, dasses zum Selbstverständnis eines jeden Produzenten ge-hört, dass er gute Arbeitsbedingungen am Set bietet. Ichkann nur sagen: Es ist schade, dass Sie uns in diesemPunkt nicht weiter entgegengekommen sind; aber wirwerden dranbleiben.Zum Schluss möchte ich allen Kolleginnen und Kol-legen und Ihnen, Herr Kulturstaatsminister Neumann,meinen Dank aussprechen. Wir haben diese siebte No-velle ganz gut hinbekommen. Sie ist ein Gewinn für dieweitere Entwicklung des deutschen Kinofilms, für dieEntfaltung seiner Qualität und für die Gewährleistungder Vielfalt des deutschen Films. Dieses Signal mögendraußen alle hören!Danke.
Für die FDP-Fraktion hat jetzt die Kollegin
Dr. Claudia Winterstein das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Als das Filmförderungsgesetz 1967 erstmals indiesem Hause diskutiert wurde, ahnte wahrscheinlichkaum jemand, welche Erfolgsgeschichte es in den nächs-ten 45 Jahren tatsächlich schreiben würde. Das Filmför-derungsgesetz ist eine Erfolgsgeschichte, weil alle an derFilmbranche Beteiligten die Finanzierung gemeinsamtragen: die Kinos, die Videowirtschaft, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die privaten Rund-fuwscncdFaHIcBdsribaKmFmdvßßwvsEzfocewZIcdswle
Durch den Konsens von Union, FDP, SPD und Bünd-is 90/Die Grünen senden wir auch ein deutliches Zei-hen an das Bundesverfassungsgericht: Wir stehen zuem System der Filmförderung und der Erhebung derilmabgabe, wir stehen hinter der Filmförderungsanstaltls nationaler Förderinstitution. Das, meine Damen underren, ist die Botschaft aus dem Parlament.
h möchte mich bei meinen Kollegen Wolfgangörnsen, Angelika Krüger-Leißner und Claudia Roth fürie gute Zusammenarbeit an dieser Stelle bedanken.Der FDP war bei der Novelle des Filmförderungsge-etzes Folgendes besonders wichtig: Wir wollen die Bar-erefreiheit für hör- und sehbehinderte Menschen ver-essern. Deshalb muss jetzt von jedem geförderten Filmuch eine barrierefreie Fassung hergestellt werden.Wir wollen den Dokumentarfilm und den originäreninderfilm stärken. Deshalb erleichtern wir Kinderfil-en, die auf Originalstoffen beruhen, den Zugang zuörderung. Weil die Produktion von Kinder- und Doku-entarfilmen ein besonderes wirtschaftliches Risikoarstellt, erweitern wir den Zeitraum für die Sammlungon Referenzpunkten von zwei auf drei Jahre.
Das Filmförderungsgesetz, wie wir es heute beschlie-en, ist auf drei Jahre angelegt. Mit unserem Entschlie-ungsantrag, der von allen Fraktionen mitgetragenurde, machen wir deutlich, dass bei der nächsten No-elle gegebenenfalls auch die Anpassung des Abgabe-ystems angepackt werden muss; denn wir wollen dierfolgsgeschichte des Filmförderungsgesetzes fortset-en. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Diese Er-lgsgeschichte liegt in der Geschlossenheit der Bran-he; sie liegt darin begründet, dass alle Beteiligteninzahlen.Meine Damen und Herren, mit dieser siebten Novelleerden wir den deutschen Film weiter stärken. Diesesiel sollten wir auch alle gemeinsam weiterverfolgen.h glaube, wir empfinden alle so, wie es Bruno Ganz,er ehemalige Präsident der Filmakademie, einmal ge-agt hat: Es gibt keine Magie, die so groß ist wie die,enn im Kino das Licht ausgeht und die Leinwand zuuchten anfängt.
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Dr. Claudia Winterstein
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In diesem Sinne – und weil dies meine letzte Rede imDeutschen Bundestag ist – bedanke ich mich für die kol-legiale Zusammenarbeit im Kulturausschuss, im Rech-nungsprüfungsausschuss und in besonderem Maße imHaushaltsausschuss. Es war eine spannende Zeit,manchmal wie im Film. Auch hier im Plenum hat somanch ein Kollege seine schauspielerischen Fähigkeitengezeigt. Aber Spaß beiseite: Bei aller notwendigen par-teipolitischen Auseinandersetzung war es ein faires Mit-einander. Wir haben in der Sache gestritten, aber auchmiteinander gelacht. Es hat mir viel Freude gemacht,insbesondere in den letzten vier guten Jahren, in denenich so viel mitgestalten konnte. Ich freue mich auf neueHerausforderungen und wünsche allen – ob Sie nun wei-ter in diesem Parlament arbeiten oder zu neuen Ufernaufbrechen – alles erdenklich Gute für die Zukunft.Vielen herzlichen Dank.
Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin
Kathrin Senger-Schäfer das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen undKollegen! Meine Damen und Herren von der Koalition,ganz so harmonisch, wie es Staatsminister Neumann be-schworen hat, ist es dann doch nicht gewesen. Wir sindder Meinung, dass heute eher eine halbherzige Gesetzes-änderung vorliegt. Deshalb werden wir dieser Novellenicht zustimmen.
Die Linke hat von vornherein auf den sozialen Stan-dards für die Filmschaffenden beharrt. Das heißt für unsganz klar: gute Löhne für gute Arbeit. Wir haben diekonkrete Ausgestaltung der Digitalisierung des Film-erbes angemahnt. Auch haben wir – das ist uns ganzwichtig – für die Weiterführung der filmberuflichen Wei-terbildung gekämpft. In Ihrem Gesetz sind diese Punktefür uns jedoch nur ungenügend berücksichtigt worden;daher werden wir nicht zustimmen.Es ist zumindest – das gebe ich gerne zu – gelungen,fraktionsübergreifend in einer Entschließung das Ge-samtproblem zu erfassen. Gut ist Ihre Erkenntnis, dassFilmförderung zugleich Wirtschafts- und Kulturförde-rung ist. Gut ist auch, dass die soziale Lage der Film-schaffenden dem Deutschen Bundestag ein besonderesAnliegen ist. Weiterhin gut ist die Aufforderung an denVerwaltungsrat der Filmförderungsanstalt, die Digitali-sierung des Filmerbes in einer Richtlinie zu konkretisie-ren. Die Linke stellte diese Forderung übrigens schon2008 auf.Diese Entschließung ist also durchaus wegweisend.Allerdings kann man nicht alle Schwierigkeiten undMissstände dauerhaft in die Zukunft delegieren. Regie-ruHsbFssBsFhabSdgszeFSvsztiazstudDSdakdnfuSZsregDM
eshalb frage ich Sie: Warum werden die finanziellenittel für die öffentliche Förderung des Kinderfilms ei-
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Kathrin Senger-Schäfer
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gentlich nicht aufgestockt? Warum soll es lediglich beieiner Selbstverpflichtung von ARD und ZDF zur Steige-rung der Mittel für die Kinderprogramme bleiben? Aufgreifbare Resultate dieser Selbstverpflichtung kann mannach Lage der Dinge lange warten.Die Fraktion Die Linke lehnt den Kinderfilmantragder Koalition vor allem aus diesen beiden Gründen ab.Ich wünsche mir sehr, dass die folgende Novellierungdes FFG tatsächlich auch die sozialen Interessen derFilmschaffenden, Fragen der Integration und die ver-stärkte Förderung von Frauen berücksichtigt.
Wir denken: Wer heute nicht kritisiert, wird morgen kei-nen Fortschritt haben.Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war meineletzte medienpolitische Rede als Mitglied des DeutschenBundestages. Auch ich möchte mich herzlich für diegute und konstruktive Zusammenarbeit bedanken.Vielen Dank.
Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die KolleginClaudia Roth das Wort.
Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Oh, danke schön. – Herr Präsident! Liebe Kollegin-nen und Kollegen! Auch ich möchte mich zuerst beiallen – inklusive Bernd Neumann – für die wirklich kon-struktiven Diskussionen, die wir im Vorfeld der Novellegeführt haben, herzlich bedanken. Wir haben verant-wortlich beraten, gerade – Frau Dr. Winterstein, da ha-ben Sie recht – angesichts der Angriffe durch die großenKinoketten, die aus der solidarischen Filmförderung desBundes aussteigen wollen und deswegen eine Klage-welle losgetreten haben.Es ist wirklich so: Unser gemeinsames Signal ist auchein deutliches Zeichen dafür, dass eine sehr breite Mehr-heit im Deutschen Bundestag hinter unserer Filmförde-rung steht und dass wir dem bornierten und aus kurzfris-tigem Profitdenken erwachsenen Versuch, dieseFilmförderung auszuhebeln, gemeinsam entgegentreten.Das war schon einmal sehr viel wert.
Wir Grüne freuen uns sehr, dass wichtige Anliegenaufgenommen worden sind. Meine Vorrednerinnen ha-ben zu Recht den barrierefreien Film benannt. Dass jetztfür Filme, die mit Bundesmitteln gefördert werden, Au-todeskriptionen und Untertitel angefertigt werden müs-sSmDhdtadnsmDdtebklivdicliVgdteusvasliDcmdFuVECHgink
emokratie lebt von Teilhabe, und ich glaube, hiermitaben wir ein großes Stück dazu beigetragen.Erste Schritte sind auch auf dem Weg der Filmerbe-igitalisierung gegangen worden, die nach der Kinodigi-lisierung ja nur eine logische Konsequenz ist; denn wirürfen unser unendlich reiches Filmerbe nicht von deneuen technischen Entwicklungen abkoppeln lassen,ondern müssen es breiter zugänglich machen. Ich hätteir hier noch mehr vorstellen können, aber immerhin:er Einstieg ist ein wichtiger erster Schritt.Richtig gut – das muss man wirklich sagen – war,ass die ursprünglich beabsichtigte Absenkung der Mit-l für die Referenzfilmförderung in unserem Ausschussuchstäblich im allerletzten Moment verhindert werdenonnte. Danke, Wolfgang Börnsen. Er hat dazu wesent-ch beigetragen. Die Kürzung dieser Förderung hätteor allem die kleineren Player wie die Dokumentar- oderie Kinderfilmer getroffen.
Auch positive Veränderungen im Gesetzentwurf willh explizit benennen. Eine Änderung erfolgte hinsicht-ch der Gremienbesetzungen der FFA. Dass es für dieertreter der Vergabekommission nun 13 Sitze gibt, istut. Das ist wichtig, weil nun gerade die AG Kino-Gilde,ie sich sehr um die Kulturkinos kümmert, einen Vertre-r oder eine Vertreterin eigenständig entsenden kannnd auch die Regisseure und die AG Kurzfilm angemes-en berücksichtigt werden. Der zusätzlich vom BKM zuergebende Sitz in dieser Kommission sollte in Zukunftuch den Kreativen zufallen, so wie es eigentlich vorge-ehen ist.Unser gemeinsamer Entschließungsantrag schließ-ch umfasst wichtige Aufgaben für die Zukunft. Klar ist:as darf jetzt nicht nur eine freundliche und unverbindli-he Absichtserklärung sein, sondern die Entschließunguss Bindungswirkung haben.Als Grüne freue ich mich natürlich ganz besonders,ass es ein ausdrückliches Bekenntnis zum „Greenilm“ und zu der auch in der Filmwirtschaft möglichennd nun anstehenden Ökologisierung von Produktion,ertrieb und Abspiel gibt, die dringend nötig ist.
inige sind hier vorangegangen, zum Beispiel die Filmommission der Filmförderung Hamburg Schleswig-olstein mit einem Grünen Drehpass – das ist richtigut – und anderen Aktivitäten. Wir fordern die FFA auf, diesem Bereich aktiv zu werden, und bieten einenreativen Austausch an.
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Claudia Roth
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In der Frage der Sozialstandards kam es zu erweiter-ten Formulierungen. Natürlich ist klar: Es muss so sein,dass derjenige, der Mittel aus der öffentlichen Filmför-derung erhält, gültige Sozialstandards und bestehendeTarifverträge nicht unterlaufen darf, dass er sie respek-tieren und zur Anwendung bringen muss. Das ist nunwirklich eine elementare Grundfrage der sozialen Ge-rechtigkeit.
Summa summarum: Es ist viel Gutes hinzugekom-men. Wir haben gemeinsam wirklich etwas erreicht. Ichbedanke mich noch einmal dafür, dass diese Zusammen-arbeit möglich war, weil es ein deutliches Signal ist. Wirwerden dieser Novelle aus Überzeugung zustimmenkönnen.
Jetzt hat der Kollege Burkhardt Müller-Sönksen für
die FDP-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Der diesjährige Oscar-Preisträger Amour und der im
Vorjahr nominierte Film Pina sind einige von zahllosen
Beispielen großartiger deutscher Filmproduktionen und
deutscher Koproduktionen. Diese Erfolgsgeschichte
wollen wir fortsetzen. Deshalb freue ich mich über die
breite parlamentarische Unterstützung für die heute zu
beschließende Novelle des Filmförderungsgesetzes. Das
ist ein gutes Zeichen.
Die zahlreichen Erfolgsgeschichten fußen auf einem
stabilen Fundament. Bis heute sichert das Prinzip „Wer
profitiert, der zahlt“ den verlässlichen Rückfluss an die
Filmförderungsanstalt. Wir müssen gemeinsam an die-
sem Prinzip festhalten. Deshalb ist es das richtige Signal,
dass wir uns heute fraktionsübergreifend zu diesem wirt-
schaftlichen Prinzip bekennen.
Der Film ist nicht nur ein Kulturgut, sondern – das ist
schon gesagt worden – auch ein Wirtschaftsgut. Gerade
weil die Förderung auf dem Rückflussprinzip beruht,
müssen wir uns aber auch um die wirtschaftliche Ver-
wertbarkeit Gedanken und leider auch Sorgen machen.
Nur wenn die Verwertungskette lückenlos funktioniert,
stehen Fördergelder auch für Neuproduktionen verläss-
lich zur Verfügung.
Ich will einmal auf ein Themenfeld aufmerksam ma-
chen, das heute noch nicht zur Sprache gekommen ist,
nämlich die Filmpiraterie. Wir dürfen bei diesem Thema
nicht untätig bleiben. Wo kriminelle Netzwerke entstan-
den sind, greift das geltende Strafrecht. Das zeigen die
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eider gleicht der Kampf der Urheberrechtsschützer
em gegen die Hydra: Sobald ein Portal geschlossen
orden ist, wird die Datenbank anderswo gehostet oder
eht irgendwo anders unter einem neuen Namen online.
Wir müssen deshalb das Übel an der Wurzel packen.
s macht mich beispielsweise wütend, dass Movie2k in
er vorvorletzten Woche auf Platz 17 der meistbesuchten
ebseiten in Deutschland stand. Auch wenn die wenigs-
n Besucher in krimineller Absicht unterwegs sind,
hlt es ihnen offensichtlich an Unrechtsbewusstsein.
as sollten wir nicht nur durch Gesetze, sondern auch
urch Diskussionen und gesellschaftspolitisches Han-
eln auch im Deutschen Bundestag entsprechend för-
ern. Meine Damen und Herren, hier muss Abhilfe ge-
chaffen werden.
Wenn wir die Förderung der Filmwirtschaft im digita-
n Zeitalter ernst nehmen, dann müssen wir die gesell-
chaftliche Akzeptanz für den Wert kreativer Leistung
tärken. Das schaffen wir nur gemeinsam mit allen ge-
ellschaftlichen Bereichen. Schon in den Schulen wün-
che ich mir eine entsprechende Wertediskussion, damit
edienkompetenz ganzheitlich vermittelt wird.
Neben der Filmbranche selbst ist insbesondere auch
ie Internetwirtschaft gefragt. Bei der jetzigen FFG-
ovelle hat es keine Ausweitung des Einzahlerkreises
egeben. Wenn aber über Umwege Erlöse erzielt wer-
en, erwarten wir auch größeres Engagement zum Bei-
piel der Provider. Auch die Werbewirtschaft muss sich
agen lassen, warum sie auf illegalen Portalen noch so
tensiv Werbung schaltet. Ich freue mich sehr, dass eine
elbstverpflichtung gegen diese Praxis angestrebt wird.
s ist auch allerhöchste Zeit.
Bevor ich zum Schluss komme, möchte auch ich mei-
en Dank an unseren Kollegen Wolfgang Börnsen rich-
n. Lieber Wolfgang, du hast die Kulturpolitik dieses
auses so viele Jahre erfolgreich gestaltet, und ich per-
önlich schätze dich für deine Erfahrung ebenso wie für
eine norddeutsche Knorrigkeit – auch ich stamme aus
orddeutschland –, die du immer positiv für die Sache
ingesetzt hast. Ab jetzt freue ich mich auf die außerpar-
mentarischen Debatten mit dir, und dann sage ich am
nde: Kiek mol wedder in!
Vielen Dank.
Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der Kollegeohannes Selle das Wort.
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Das kann gar nicht oft genug kommen. – Sehr geehr-ter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heuteneben dem Entwurf der siebten Novelle des Filmförde-rungsgesetzes den Antrag zur Stärkung des originärenKinderfilmes. Die parlamentarische Finte der Linkenletzte Woche hat es möglich gemacht, dass heute unserKollege Börnsen sprechen kann, der letzte Woche ver-hindert war:
eine wichtige Stimme, die sich um den Film sehr ver-dient gemacht hat. Kollege Börnsen hat es stets verstan-den, Humor, große Ernsthaftigkeit und konsequentes En-gagement auf das Glaubwürdigste zu verbinden,
ein Kollege, der trotz seines klaren Standpunktes hoheAnerkennung über die Fraktionsgrenzen hinweg genießt.
Auch in Bezug auf seine letzte Rede im Plenum zudem für Deutschlands Filmwirtschaft so wichtigen Film-förderungsgesetz erwarten wir Leidenschaft und Fach-kompetenz.
Kollege Börnsen lag es daran, dass bei diesem Gesetzdeutlich wird: Alle Fraktionen unterstützen die Film-förderung in Deutschland und halten sie für die weitereEntwicklung für wichtig. Ihm lag daran, dass das Film-förderungsgesetz nicht nur ein Gesetz der Regierungs-fraktionen wird, sondern dass alle Fraktionen zustim-men.
Denn gegen die Filmförderung wird von wenigen, aberbeharrlichen Verweigerern in Deutschland immer nochgeklagt.Wir setzen dem heute unsere Entschlossenheit entge-gen, Filmförderung in Deutschland fortzuführen.
Beim FFG ist uns das gelungen. In der vorletzten Aus-schusssitzung haben in diesem Sinne Kollege Börnsenund Kollegin Krüger-Leißner den Weg freigemacht.Bei dem vorliegenden Antrag „Originäre Kinderfilmeaus Deutschland stärker fördern“ ist uns das leider nichtgelungen. Eigentlich sollte das Thema nicht strittig sein.
TliEmsfimDfüdwdleBdnakSgKWdPgmDdFwtrkptacruisDSnPisRjäcliu1P
Die Arbeit für den Kinderfilm hat an Schwung ge-onnen, als der Freistaat Thüringen sich entschied, me-ienpolitisch einen Schwerpunkt auf Kindermedien zugen und Kindermedienland zu werden.
egleitet und unterstützt von der Mitteldeutschen Me-ienförderung wurde mit „Kids regio“ eine internatio-ale Plattform in Erfurt initiiert, die in der Analyse auchuf internationalem Niveau zu gleichen Erkenntnissenommt und 2009 in der Erfurter Deklaration fünfchwerpunkte herausarbeitet, die in unseren Antrag ein-egangen sind.Seit dem Sommer 2000 veranstaltet die Akademie fürindermedien in Erfurt in Thüringen jährlich einenorkshop für Autoren zu originären Kinderfilmstoffen,essen Ergebnisse dann in einem professionellen Pitchingroduzenten und Sendern vorgestellt werden. Die weni-en originären Kinderfilme, die es gegeben hat, entstam-en überwiegend der Akademie für Kindermedien.iese und weitere Initiativen, zum Beispiel vom Bun-esverband Jugend und Film, sowie das Internationaleilmfestival für Kinder und junges Publikum, Schlingel,aren Vorläufer und Wegbereiter, bis es dann zum An-ag und zu einem parlamentarischen Verfahren kommenonnte. Und da war es auch Kollege Börnsen, der dasarlamentarische Verfahren hier im Deutschen Bundes-g stark beförderte. Ich denke dabei nur an die erfolgrei-hen Anhörungen. Alle Vorschläge an die Bundesregie-ng aus diesem Antrag sind, soweit das FFG betroffent, in die Novellierung eingeflossen.
azu zählt, dass der originäre Kinderfilm nun zu denchwerpunkten gehört und insbesondere mit einer soge-annten vorgezogenen Verleihförderung schon in derroduktionsphase unterstützt werden kann.Der Antrag kommt zur rechten Zeit. Die Filmbranchet der Initiative der Intendantin des Mitteldeutschenundfunks, Frau Professor Wille, zur Produktion vonhrlich zwei besonderen Kinderfilmen mit unglaubli-her Resonanz gefolgt. Die wichtigsten öffentlich-recht-chen Sender sowie die Bundes- und Länderförderernterstützen das Anliegen. Dem ersten Aufruf folgten08 Anträge, darunter die vieler namhafter Autoren undroduktionsfirmen. Zum Filmfest in München werden
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Johannes Selle
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die Auswertungsergebnisse der Jury öffentlich vorge-stellt.Nachlassen dürfen wir allerdings nicht im Engagementfür unsere Kinder und Jugendlichen. In Erfurt wird auchdie erfolgreichste Kinderfernsehserie Schloss Einsteinproduziert, die auf originären Stoffen beruht. Inzwischensind wir bei 800 Folgen. Eine großartige Leistung derAutoren und der Produzenten! Die Qualität ist unbestrit-ten. Die Zuschauerquote ist hervorragend. Trotzdem ge-fährden Partikularinteressen diese erfolgreiche Serie.Auch das muss erwähnt werden. Das Thema originäreStoffe hat eben viele Facetten und benötigt weiteres En-gagement. Kinder brauchen einen starken Partner. Denhaben sie im deutschen Parlament.
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat
jetzt der Kollege Wolfgang Börnsen für die CDU/CSU-
Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kollegen! Beabsichtigt man,diese Debatte über das Filmförderungsgesetz zu dramati-sieren, reicht die Feststellung: Sie findet im Schatten derGuillotine statt. Das Fallbeil steht in Karlsruhe. Noch indiesem Jahr wird das Bundesverfassungsgericht darüberbefinden, ob der Bund eine Kulturkompetenz für dieFilmförderung hat. Große Kinoketten, aus dem Auslandgesteuert, haben dem Film als Kulturgut bei uns denKrieg erklärt. Ihnen reicht die Privilegierung durch eineermäßige Mehrwertsteuer nicht aus. Ihre Gier geht wei-ter. Sie wollen frei von jeder Abgabe sein, sich der Mit-verantwortung für das Filmland Deutschland entziehen.Das ist nicht akzeptabel.
Ich betrachte es genauso wie Claudia Winterstein alseinen elementaren Gewinn für Politik und Gesellschaftunserer Republik, dass Bundestag und Bundesrat, alleFilmverbände genauso wie alle Fraktionen des Deut-schen Bundestages einstimmig in ihrer Stellungnahmezu Karlsruhe erklärt haben: Wir stehen an der Seite derFilmschaffenden. Für uns ist der Film beides: Kultur-wie Wirtschaftsgut. Dabei bleiben wir auch.
Die Verfassungsrichter werden registrieren, ob unsereEinmütigkeit über alle Fraktionen hinweg auch bei deraktuellen Novellierung anhält. Wir vonseiten der Regie-rungskoalition haben nachweislich eine klare Kompro-mteWEssFfitigmbFnkndqdlikVfüK1DEKFwkRereseHsfü5s
ir setzen auf einen gemeinsamen parlamentarischenrfolg. Das neue Filmförderungsgesetz ist eine Gemein-chaftsleistung von Regierung und Parlament; damitchließe ich die Opposition ausdrücklich ein.Dieses FFG ist ein Quantensprung in der deutschenilmpolitik. Erstmalig wird dem lebensnahen Kinder-lm eine Plattform geboten, erstmalig erhalten die Krea-ven Sitz und Stimme bei der FFA, erstmalig wird demrünen Film eine Perspektive gegeben und dem Doku-entarfilm eine Breitenwirkung, erstmalig werden ver-indliche Rahmenbedingungen für den barrierefreienilm geschaffen. Auf mehr als 9 Millionen Mitbürgerin-en und Mitbürger in unserem Land, die seh-, hör- undörperbeschädigt sind, wird endlich mehr Rücksicht ge-ommen. Das war lange überfällig.
Was aussteht und noch angepackt werden muss, wennie Karlsruher Entscheidung gefallen ist, ist ein konse-uentes Konzept für die Verbesserung der sozialen Lageer Künstler. Meine Fraktion wird sich daran aktiv betei-gen. Das gilt auch für die KSK, die Künstlersozial-asse. Sie grundsätzlich infrage zu stellen, wie es großeerbände derzeit tun, halte ich für falsch, unsozial undr unerträglich.
ünstler mit einem Jahresdurchschnittseinkommen von2 500 Euro haben einen Anspruch auf Finanzleistung.ie KSK ist eine notwendige und zu erhaltende sozialerrungenschaft.
Was bei ihrer Gründung galt, gilt auch heute: Diereativen sind ein Gewinn für unser Land, sie habenörderung verdient. Sollte eine Beitragserhöhung not-endig werden, wird auch ein Bundeszuschuss dazu-ommen können. Das halte ich für sachgerecht. Eineückkehr zum alten Satz, wie er einmal gewesen ist, istine mögliche Lösung für dieses Problem.Dieser Beitrag heute wird meine letzte Bundestags-de sein – nach 26 Jahren ununterbrochener Mitglied-chaft im Deutschen Bundestag und davor 24 Jahrenhrenamtlicher kommunalpolitischer Arbeit in meinereimatregion Flensburg-Schleswig, die immer nochüdlich von Kopenhagen liegt. Das sind 50 Jahre Dienstr unser Land,
0 Jahre für unseren Staat und 50 Jahre Einsatz für un-ere Demokratie: Diese Arbeit habe ich gern geleistet.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 31209
Wolfgang Börnsen
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Der Abschied fällt mir schwer. Es ist meine persönlicheEntscheidung.Ich gehöre einer Generation an, die durch die Nach-kriegszeit geprägt wurde, die noch den langen Schattenvon Krieg und Diktatur gespürt hat. Danach habe ichauch mein politisches Handeln ausgerichtet, nämlich alleKraft dafür einzusetzen, dass in unserem Land eine Dik-tatur für alle Zeit ausgeschlossen wird, Freiheit undRecht in unserem Land garantiert sind.
Demokratiesicherung ist mein Leitmotiv über alleJahrzehnte geblieben. Mein erstes Parlamentsbuch– dem habe ich dieses Thema gewidmet – Vorbild mitkleinen Fehlern ist inzwischen in zehn Sprachen über-setzt worden. Gerade in den vielen jungen RepublikenOsteuropas möchte man wissen, weshalb in Deutschlandder Parlamentarismus so erfolgreich praktiziert wird.Das Wort „Vorbild“ im Titel wurde ganz bewusst ge-wählt. Ob wir wollen oder nicht, wir Abgeordnete sindVorbilder. Wir haben eine Vorbildfunktion. Entspre-chend sollten wir uns verhalten; das tun wir nicht immer.
Die Regierung spielt in unserem System zwar dieerste Geige, aber die Musik wird im Parlament gemacht.Die Legislative ist der Kern unserer Demokratie. So willes unsere Verfassung. Dieses Herzstück unseres politi-schen Systems benötigt nach meiner Auffassung eineneue Faszination. Dazu gehört eine Reform an Hauptund Gliedern, angefangen bei mehr Bürgeremanzipationund -partizipation über eine fünfjährige Legislaturpe-riode bis hin zu einer neuen Dramaturgie unserer Parla-mentsdebatten. Es ist doch peinlich, dass Fernsehtalk-shows und nicht wir, das Parlament, versuchen, dieDebattenkultur in unserem Land zu bestimmen.
In meinem neuen Parlamentsbuch wird darüber mehr zuerfahren sein. Damit ist der Werbeblock abgeschlossen.
Die Präsidentin ist hoffentlich gnädig und wird mirnoch eine kurze Bemerkung erlauben.Ein weiterer Punkt treibt mich um. Will ich Rechtsan-walt werden, benötige ich vorher ein Jurastudium. AlsHandwerksmeister komme ich ohne eine Lehre nichtaus. Nur beim Abgeordneten, der mitverantwortlich fürdie Gesetzgebung von über 80 Millionen Menschen ist,genügt allein der gesunde Menschenverstand. Ein biss-chen mehr sollte es schon sein.Für junge Politiker aus 30 verschiedenen Ländernpraktiziert der Deutsche Bundestag seit 25 Jahren eineArt Parlamentsertüchtigung. Fast 2 000 Stipendiaten ha-ben dieses Turbotraining bereits absolviert. Sie alle sinddaran beteiligt. Für sie ist unser Bundestag ein Lernmo-dell. Ich habe dieses weltweit einmalige Konzept vonBeginn an mitverantworten dürfen wie auch dendaWfüisseicgFHasBsdemsnsmZdEamdÄKsedGzG
Herr Kollege Börnsen, ich erlaube mir, Ihnen im Na-en des ganzen Hauses sehr herzlich für 26 Jahre guteusammenarbeit und für Ihren wunderbaren Humor zuanken. Danken muss ich Ihnen auch für Ihren großeninsatz für die Sache, manchmal auch auf Platt, und vorllen Dingen für Ihren nachhaltigen Einsatz für Zusam-enarbeit und Demokratie. Ganz herzlichen Dank!
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-esregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zurnderung des Filmförderungsgesetzes. Der Ausschuss fürultur und Medien empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be-chlussempfehlung auf Drucksache 17/13689, den Gesetz-ntwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/12370 iner Ausschussfassung anzunehmen. Diejenigen, die demesetzentwurf zustimmen wollen, mögen bitte das Hand-eichen geben. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Deresetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenom-
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31210 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
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men. Enthalten hat sich die Fraktion Die Linke. Alle üb-rigen Fraktionen waren dafür.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Wer für den Gesetzentwurf ist,möge sich bitte erheben. – Gegenstimmen? – Enthaltun-gen? – Der Gesetzentwurf ist damit mit dem gleichenStimmenverhältnis wie vorher in dritter Beratung ange-nommen.Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus-ses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Fraktionender CDU/CSU und FDP mit dem Titel „Originäre Kinder-filme aus Deutschland stärker fördern“. Der Ausschussempfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlungauf Drucksache 17/13689, den Antrag der Fraktionen derCDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/12381 anzuneh-men. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – DieGegenstimmen! – Enthaltungen? – Damit ist diese Be-schlussempfehlung angenommen bei Gegenstimmen derFraktion Die Linke und ohne Enthaltungen; die übrigenFraktionen waren dafür.Unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung aufDrucksache 17/13689 empfiehlt der Ausschuss, eineEntschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Be-schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-tungen? – Die Entschließung ist einstimmig angenom-men.Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu demEuropäischen Übereinkommen vom 8. November 2001zum Schutz des audiovisuellen Erbes und zu dem Protokollvom 8. November 2001 zum Europäischen Übereinkom-men zum Schutz des audiovisuellen Erbes betreffend denSchutz von Fernsehproduktionen. Der Ausschuss für Kul-tur und Medien empfiehlt in seiner Beschlussempfehlungauf Drucksache 17/13690, den Gesetzentwurf der Bundes-regierung auf Drucksache 17/12952 anzunehmen.Zweite Beratungund Schlussabstimmung. Wer will dem Gesetzentwurfzustimmen? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –Der Gesetzentwurf ist angenommen bei Zustimmungdurch die Koalitionsfraktionen; die Oppositionsfraktio-nen haben sich enthalten; Gegenstimmen gab es keine.Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 5 auf:Fragestunde– Drucksache 17/13810 –Wir beginnen mit den Fragen zum Geschäftsbereichdes Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht die Parla-mentarische Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser bereit.Ich rufe die Frage 1 von Frau Kotting-Uhl auf:Für wann ist die Abgabe der in der Antwort der Bundesre-
Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, GRS, mbHvereinbart bzw. zu erwarten – bitte möglichst genaues DatumnhGBcbFgnDfrnfrSFhgFtotudteKdmsacrewbgStoRebAlä
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 31211
)
Ur
Ihre Darstellung bezüglich der Leistungserhöhung
des AKW Gundremmingen muss ein bisschen korrigiert
werden. Bereits seit 1999 wird eine Leistungserhöhung
angestrebt. 2001 lag der Antrag des Betreibers in der jet-
zigen Form vor. Es gab immer wieder – ich darf das so
salopp formulieren – ein Schleifen der Überprüfungen.
Heute sind wir in einem neuen Genehmigungsverfahren
zu Gundremmingen. Inwieweit die Reaktor-Sicherheits-
kommission damit befasst ist, kann ich Ihnen zum jetzi-
gen Zeitpunkt nicht sagen. Das müsste ich Ihnen nach-
liefern. Ich gehe davon aus, dass sich auch die RSK noch
einmal damit befassen wird. Zurzeit geht es darum – das
habe ich vorhin geschildert –, dass die sehr komplexen
technischen Fachpunkte abgearbeitet werden.
Frau Kotting-Uhl, Sie haben eine zweite Nachfrage? –
Bitte sehr.
Danke schön; diese Möglichkeit nutze ich gerne. –
2009 gab es eine Ablehnung des Genehmigungsentwurfs
durch die bayerische Atomaufsichtsbehörde, unter ande-
rem mit der Begründung, dass die GRS Defizite festge-
stellt hat. Außerdem spiegelte der Entwurf nicht den
Stand von Wissenschaft und Technik wider, der heutzu-
tage zur Schadensvorsorge maßgeblich ist. Insofern
fände ich es wichtig, dass das BMU tatsächlich verlangt,
dass auch die Reaktor-Sicherheitskommission neben der
GRS eine Stellungnahme abgibt.
Noch eine eher politische Frage. Sie haben gesagt,
wie lange dieser Genehmigungsantrag schon vorliegt.
Dieser lag schon deutlich vor dem Atomausstieg vor.
Deutlich vor dem in dieser Legislaturperiode von vier
Fraktionen gemeinsam beschlossenen Atomausstieg gab
es eine Ablehnung des Genehmigungsentwurfs. Spielt in
der politischen Entscheidung, die zwar mit der Geneh-
migung selbst nichts zu tun hat, sehr wohl aber mit dem
Understanding, das es von Umweltminister zu Umwelt-
minister gibt, die Tatsache eines Atomausstiegs, dass wir
also die Stromproduktion aus Atomkraftwerken zurück-
fahren wollen, eine Rolle?
Ur
Zum ersten Teil Ihrer Frage zur Befassung der Reak-
tor-Sicherheitskommission darf ich sagen: Im Jahr 2007
– das haben Sie zu Recht gesagt – wurde uns schon ein-
mal ein Antrag auf Genehmigung vorgelegt. Damals gab
es eine umfangreiche Stellungnahme und eine Liste sehr
konkreter Fragen der Reaktor-Sicherheitskommission. In
Bayern ist dies sehr gut abgearbeitet worden, und zwar
mit verschiedenen Nachträgen zu TÜV-Gutachten usw.
Das, was damals gefordert wurde, ist entsprechend nach-
gearbeitet worden.
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derdatum bitte) sind weitere derartige Treffen geplant, insbe-
sondere auf Spitzenebene?
Ur
Liebe Kollegin Kotting-Uhl, dieses Thema beschäf-
gt uns zurzeit sehr intensiv im Rahmen unserer Diskus-
ion über das Standortauswahlgesetz. Zwischen Bundes-
inister Altmaier und den Vorstandsvorsitzenden der
ernenergienutzenden Energieversorgungsunternehmen
urde am 24. April 2013 vereinbart, die genehmigungs-
chnischen, rechtlichen und logistischen Fragen sowie
ie Kostenfragen im Zusammenhang mit der Rückfüh-
ng von fünf Behältern mit verglasten mittelradioakti-
en Abfällen aus Frankreich sowie von bis zu 21 Behäl-
rn mit verglasten hochradioaktiven Abfällen aus
roßbritannien vertieft zu erörtern.
In mehreren Gesprächen wurden die offenen Fragen
uf unterschiedlichen Ebenen detailliert erörtert. Weitere
espräche zwischen Bundesminister Altmaier und den
orstandsvorsitzenden haben stattgefunden, eines davon
dieser Woche. Um Ihre nächste Frage vorwegzuneh-
en, damit Sie Raum für weitere Fragen haben, Frau
otting-Uhl, kann ich Ihnen sagen, dass das Gespräch in
ieser Woche sehr konstruktiv verlaufen ist, aber Details
och geklärt werden müssen.
Frau Kotting-Uhl, haben Sie dennoch eine Nach-
age? – Bitte schön.
Ich bin ganz gerührt davon, wie gut mich Fraueinen-Esser zu kennen glaubt. Von den Gesprächenatte ich tatsächlich schon in der Zeitung gelesen. Ichatte diese Frage eingereicht, bevor ich den neuenenntnisstand hatte.Aber ich würde in dem Zusammenhang gerne einesissen. Es gibt immer wieder Gerüchte und Hinweise,ass man zumindest in Sellafield, Großbritannien, viel-icht erleichtert wäre, wenn man noch ein bisschenehr Zeit bekäme. Haben Sie vielleicht aus dem
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31212 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013
Sylvia Kotting-Uhl
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Kontakt mit dem Betreiber in Großbritannien Erkennt-nisse gewinnen können, wann die Transportbehälter dortüberhaupt transportbereit wären?Ur
Es tut mir leid, Frau Kotting-Uhl, dazu habe ich keine
Erkenntnisse. Aber ich werde Ihre Frage gern zum
Anlass nehmen, das zu recherchieren. Wir können es
vielleicht morgen im Rahmen des Berichterstatter-
gespräches vertieft erörtern.
Haben Sie eine zweite Nachfrage?
Ich hatte eigentlich eine zweite Nachfrage, aber ich
glaube, dass ich sie angesichts der aktuellen Gemenge-
lage und der Debatten, die geführt werden, besser ver-
tage, eventuell auf morgen, in der Hoffnung, dass dann
gute Ergebnisse vorliegen und diese Frage überflüssig
ist. – Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin.
Ur
Bitte!
Damit kommen wir zu Frage 3 der Kollegin
Schwarzelühr-Sutter:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass ein Staats-
vertrag mit der Schweiz wegen des unmittelbar in Grenznähe
geplanten Atomendlagers für hochradioaktiven Abfall not-
wendig ist, vor dem Hintergrund, dass die Schweiz weder die
sogenannte Espoo- noch die Aarhus-Konvention unterzeich-
net hat, und welche rechtliche Handhabe hat nach Auffassung
der Bundesregierung die Bundesrepublik Deutschland gegen-
über der Schweiz?
Ur
Sehr geehrte Kollegin Schwarzelühr-Sutter, zur wirk-
samen Einbringung der Belange Deutschlands bei der in
der Schweiz derzeit durchgeführten Suche eines Stand-
orts für ein atomares Endlager für hochradioaktive Ab-
fälle ist der Abschluss eines Staatsvertrags aus Sicht der
Bundesregierung nicht erforderlich. Vielmehr gewähr-
leisten bereits die bestehenden Vereinbarungen, dass die
deutschen Behörden sowie betroffene Gemeinden in
vielfältiger Weise in den Prozess der Standortsuche ein-
bezogen werden.
Die Schweiz ist, anders als in Ihrer Frage vorausge-
setzt, Vertragspartei der Espoo-Konvention. Danach ist
die Schweiz verpflichtet, vor der Zulassung eines End-
lagers für hochradioaktive Stoffe eine Umweltverträg-
lichkeitsprüfung durchzuführen. Eine solche grenz-
überschreitende UVP wäre auch im Verhältnis zu
Deutschland notwendig, wenn sich die Schweiz für ei-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 31213
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entsprechende Antwort zukommen lassen. Zum jetzigenZeitpunkt gehe ich davon aus, dass das UVP-Verfahrendurchgeführt wird.Ich muss dazusagen, dass wir, gerade was die Sucheeines Endlagers angeht, mit der Schweiz sehr eng zu-sammenarbeiten. Ich habe als Staatssekretärin an ent-sprechenden Veranstaltungen mit den schweizerischenBehörden teilgenommen.Es gibt regionale Partizipation, auch auf deutscherSeite. Wir finanzieren zum Beispiel mit dem LandBaden-Württemberg zu gleichen Teilen eine entspre-chende Geschäftsstelle vor Ort. Seit 2005 gibt es die Be-gleitkommission Schweiz des BMU, die sich zweimalim Jahr mit Vertretern der betroffenen Landkreise trifft.Es gibt eine „Expertengruppe Schweizer Tiefenlager“,die das gesamte Verfahren begleitet.
Haben Sie eine zweite Nachfrage? – Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, im Mittelpunkt bleibt aber die
Frage nach der Rechtsverbindlichkeit. Inwieweit kann
die deutsche Seite bei den Regionalkonferenzen mitent-
scheiden? Es stimmt: Die deutschen Kommunen und
Kreise sind mit dabei; aber sie haben kein Beteiligungs-
recht, sie dürfen nicht mitstimmen, sie sitzen quasi am
Katzentisch.
Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie fragen: Auf
welche Rechtsverbindlichkeit kann sich der deutsche
Staat stützen? Denn es geht um ganz andere Laufzeiten
als bei AKWs. Bei einem Endlager geht man davon aus,
dass es mindestens 100 Jahre dauert, bis es verschlossen
wird. Sie wissen, dass man die Zeiträume danach, also
bis der letzte Stoff nicht mehr giftig ist, gar nicht ab-
schätzen kann.
Ur
Im Gegensatz zum Wissenschaftlichen Dienst des
Bundestages gehen wir davon aus, dass die Schweiz Es-
poo-Mitgliedstaat ist und verpflichtet ist, eine grenz-
überschreitende UVP durchzuführen. Wir gehen auf-
grund der geografischen Situation und aufgrund der
bilateralen Zusammenarbeit mit der Schweiz davon aus,
dass die Schweiz nach Vorliegen der erforderlichen
Voraussetzung eine entsprechende Notifizierung gegen-
über Deutschland vornehmen wird. Die Bundesregie-
rung wird sich im Rahmen der rechtlichen Möglichkei-
ten für eine umfassende Beteiligung der deutschen
Öffentlichkeit einsetzen.
Vielen Dank. – Die Frage 4 des Kollegen Holger
Krestel wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Holger Krestel auf:
Wie viele Mitarbeiter des UBA waren vor ihrer dortigen
Tätigkeit für Klimaschutz- und Umweltorganisationen tätig,
und wie viele Mitarbeiter sind neben ihrer Arbeit für das UBA
für solche Organisationen tätig?
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31214 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013
)
Sie haben eine zweite Nachfrage?
Ja.
Bitte schön.
Ich muss noch einmal nachfragen: Wie stellen die
Bundesregierung und das Umweltbundesamt sicher, dass
alle wissenschaftlichen Positionen in der Klimadebatte
bei politischen Entscheidungen berücksichtigt werden,
und wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die ge-
nannte Studie inhaltlich, wenn man in Rechnung stellt,
dass es nicht Aufgabe einer staatlichen Behörde sein
kann, Schiedsrichter in einer wissenschaftlichen Debatte
zu sein? Welche Auswirkungen hat das Handeln des
Umweltbundesamtes für die Freiheit der Wissenschaft?
Ur
Sehr geehrter Herr Kollege Krestel, wir sind nicht Ih-
rer Auffassung, die Sie in Ihrer Frage durchklingen las-
sen. Wir sind nicht der Meinung, dass das Umweltbun-
desamt in dieser Frage Schiedsrichter ist. Das
Umweltbundesamt stellt den zurzeit gesicherten Stand
im Bereich der Klimawissenschaft dar. Dieser Stand
wurde insbesondere auch im letzten Sachstandsbericht
des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderun-
gen sowie in übergreifenden allgemeinverständlichen
Veröffentlichungen von Klimawissenschaftlern darge-
stellt. Die Bundesregierung teilt die Auffassung, dass der
durch menschliches Handeln verursachte Ausstoß von
Treibhausgasen eine Hauptursache für die beobachteten
und projizierten Veränderungen des Weltklimas ist.
Wir sind der Meinung, dass das Umweltbundesamt zu
Recht die in der Öffentlichkeit geführten Debatten skiz-
ziert. Damit erfüllt das UBA seine in § 2 Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 des Gesetzes über die Errichtung eines Umwelt-
bundesamtes verankerte Informationsaufgabe.
Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin. – Alle übri-
gen Fragen zu diesem Geschäftsbereich werden schrift-
lich beantwortet. Es handelt sich dabei um die Fragen 6
und 7 des Abgeordneten Dirk Becker, die Fragen 8 und 9
der Abgeordneten Ute Vogt, die Fragen 10 und 11 des Ab-
geordneten Dr. Matthias Miersch, die Fragen 12 und 13
des Abgeordneten Gerd Bollmann, die Fragen 14 und 15
der Abgeordneten Waltraud Wolff, die Fragen 16 und 17
des Abgeordneten Marco Bülow, die Fragen 18 und 19
des Abgeordneten Hans-Josef Fell, die Fragen 20 und 21
des Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott sowie die Fra-
gen 22 und 23 der Abgeordneten Bettina Herlitzius.
Auch die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Bildung und Forschung werden schrift-
lich beantwortet. Es handelt sich um die Fragen 24 und 25
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Frau Staatsministerin, erst einmal meine Anerken-
ung für Ihren schnellen Fuß, dafür, dass Sie so schnell
ierherkommen konnten. Ich hatte schon auf die schrift-
che Beantwortung warten wollen. Ich bin mit Ihrer
ntwort natürlich trotzdem nicht zufrieden.
C
Das habe ich erwartet.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 31215
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Hat die Bundesregierung aufgrund der Veröffentli-chungen, wie zum Beispiel in der Sendung Panorama,aber auch in Zeitungsartikeln, nicht Anlass, mehr zu tun,als in einem kontinuierlichen Dialog mit den US-ameri-kanischen Freunden zu sein? Sollte sie hier nicht einmalganz konkret nachfragen und möglicherweise auchselbst Ermittlungen anstellen, etwa – das soll sich ja al-les in Deutschland abgespielt haben – in Stuttgart – siehat einen Verbindungsbeamten bei den US-Militärs vonAFRICOM – oder gar in Ramstein, was ja bekannterma-ßen deutsches Gebiet ist?C
Herr Ströbele, ich habe mir schon gedacht, dass Sie
mit der Beantwortung der Frage durch die Bundesregie-
rung nicht ganz zufrieden sein werden. Da ich das Proto-
koll der letzten Fragestunde nachlesen konnte, in der
ähnliche Fragen an meinen Kollegen Staatsminister
Michael Link gestellt wurden, war ich über Ihre Unzu-
friedenheit informiert. Trotzdem kann ich Ihnen an die-
ser Stelle nur sagen, dass der Bundesregierung dazu
keine Erkenntnisse vorliegen und dass Außenminister
Westerwelle zuletzt bei seinem Besuch in den USA beim
Zusammentreffen mit dem Außenminister John Kerry
auch über dieses Thema gesprochen hat. Der amerikani-
sche Außenminister hat ihm versichert, dass jedwedes
Handeln der USA, auch auf deutschem Staatsgebiet,
streng nach den Regeln des Rechts erfolgt.
Herr Ströbele, haben Sie eine weitere Nachfrage?
Ja.
Bitte sehr.
Frau Staatsministerin, ich bekomme immer dieselbe
Antwort. Es ist, glaube ich, nicht nur die gleiche Ant-
wort, sondern dieselbe. – Was hat denn der Herr Bundes-
außenminister den US-Außenminister konkret gefragt?
Hat er diesen Fall angesprochen? Hat er seine Empörung
darüber, wenn es stimmen sollte, zum Ausdruck ge-
bracht? Was hat der US-Außenminister darauf geantwor-
tet? Hat er nur eine allgemeine Floskel dergestalt ver-
wendet, dass man sich immer an das Recht halte, oder
hat er gesagt, dass das nicht stimmt, dass das nicht rich-
tig ist, dass das eine Falschbehauptung von Panorama
und anderen ist?
C
Herr Abgeordneter, bitte gehen Sie davon aus, dass
wir unsere Erkenntnisse natürlich nicht aus Fernsehsen-
dungen erzielen können. Wir haben großes Vertrauen in
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Herr Nouripour dazu, bitte schön.
„streng nach
en Regeln des Rechts“. Welches Recht ist da angespro-
hen worden: amerikanisches Recht, deutsches Recht,
merikanisches Verständnis von Völkerrecht oder deut-
ches Verständnis von Völkerrecht?
C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Rechtstellung und damit die Befugnisse der in der
undesrepublik Deutschland stationierten US-Streit-
räfte – Herr Abgeordneter, das wissen Sie – richten sich
ach dem NATO-Truppenstatut und dem Zusatzabkom-
en zum NATO-Truppenstatut. Gemäß Art. II des
ATO-Truppenstatuts haben Streitkräfte aus NATO-
taaten das Recht des Aufnahmestaats zu beachten und
ich jeder mit dem Geiste des NATO-Truppenstatus
icht zu vereinbarenden Tätigkeit zu enthalten.
Weitere Nachfragen gibt es dazu nicht.
Die Frage 45 des Kollegen Andrej Hunko wird
chriftlich beantwortet.
Die Frage 46 des Kollegen Andrej Hunko wird nicht
eantwortet. Herr Hunko ist nicht anwesend. Es wird
erfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Die Fragen 47 und 48 der Kollegin Erika Steinbach
nd die Frage 49 des Kollegen Memet Kilic werden
chriftlich beantwortet.
Dann kommen wir zur Frage 50 des Kollegen
ehrcke:
Trägt es zur Glaubwürdigkeit der kritischen Kommentie-
rung der Bundesregierung zum Vorgehen der Sicherheits-
kräfte gegen Demonstrantinnen und Demonstranten in der
Türkei und in der Vergangenheit zum Vorgehen russischer Si-
cherheitskräfte gegen Demonstrantinnen und Demonstranten
bei, wenn deutsche Sicherheitskräfte in vergleichbarer Art
und Weise in Frankfurt am Main gegen friedliche Demonst-
rantinnen und Demonstranten vorgegangen sind?
Frau Staatsministerin.
C
Vielen Dank. Ich bin auf die Frage des Abgeordnetenehrcke vorbereitet, Frau Präsidentin. – Aufgrund der
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31216 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013
Staatsministerin Cornelia Pieper
)
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föderalen Aufgabenverteilung ist es nicht Aufgabe derBundesregierung, Herr Abgeordneter, das Demonstra-tionsgeschehen anlässlich der Blockupy-Demonstratio-nen in Frankfurt am Main zu bewerten und auf die je-weilige polizeiliche Strategie und Taktik Einfluss zunehmen. Für die Durchführung des Versammlungsgeset-zes sind, wie Sie wissen, die Länder zuständig. Damitliegt der polizeiliche Einsatz anlässlich dieser Demon-stration in Frankfurt am Main im Juni 2013 ausschließ-lich in hessischer Zuständigkeit und Verantwortung. DieBundesregierung hat stets unterstrichen, dass entspre-chende Einsätze an den selbst eingegangenen internatio-nalen Verpflichtungen zur Einhaltung von Grund- undMenschenrechten zu messen und vor dem Hintergrundder jeweils aktuellen Situation zu betrachten sind.
Herr Gehrcke, haben Sie eine Nachfrage? – Bitte.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Staatsmi-
nisterin, ich möchte ein bisschen Ihre Fantasie bzw. Ihr
Erinnerungsvermögen oder möglichst beides strapazie-
ren, wenn Sie gestatten. Rufen Sie sich die Bilder des
Vorgehens der Polizei in Moskau anlässlich der Demon-
strationen gegen Putin ins Gedächtnis, rufen Sie sich die
Bilder ins Gedächtnis, die zeigen, was gerade in der Tür-
kei passiert ist – ich will das nicht eins zu eins übertra-
gen –, und rufen Sie sich dann die Bilder ins Gedächtnis,
auf denen zu sehen war, was bei den Blockupy-Demon-
strationen im Frankfurter Kessel passiert ist. Finden Sie
nicht, dass sich diese Bilder ungeheuer und auf beängsti-
gende Weise ähneln?
C
Ich kann nur wiederholen, Herr Abgeordneter
Gehrcke, dass die Verantwortung für Polizeieinsätze bei
den Ländern liegt. Sie haben der Aktuellen Stunde ge-
rade entnehmen können, dass die Bundesregierung ver-
urteilt, wie die Menschenrechte bei den Demonstratio-
nen in der Türkei, gerade auch das Versammlungsrecht,
verletzt werden. Die Bundesregierung hat im Hinblick
auf die Zivilgesellschaft und die Nichtregierungsorgani-
sationen in Russland wiederholt Respekt und eine faire
Behandlung gefordert.
Ich glaube allerdings, wir bewegen uns hier auf unter-
schiedlichen Feldern. Man sollte das eine aus meiner
Sicht nicht mit dem anderen vergleichen; denn die Ver-
letzungen der Menschenrechte sind zurzeit gerade in der
Türkei und in Russland dramatisch. Ich glaube, dass wir
im Deutschen Bundestag gut daran tun, sehr oft darüber
zu diskutieren und die Einhaltung der Menschenrechte
anzumahnen.
Sie haben eine zweite Nachfrage? – Bitte schön.
Frau Staatsministerin, dass wir uns hier auf unter-
schiedlichen Feldern bewegen, ist für mich selbstver-
ständlich; das werden Sie mir zugestehen.
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Sie können keine weiteren Nachfragen stellen; das ist
chtig.
Die Frage 51 der Kollegin Sevim Dağdelen und die
rage 52 des Kollegen Dr. Ilja Seifert werden schriftlich
eantwortet.
Wir sind damit beim Geschäftsbereich des Bundes-
inisteriums des Innern. Zur Beantwortung steht der
arlamentarische Staatssekretär Dr. Ole Schröder bereit.
Die Frage 53 des Kollegen Dr. Ilja Seifert und die
rage 54 der Kollegin Ulla Jelpke werden schriftlich be-
ntwortet.
Wir sind damit bei dem Themenbereich Blockupy-
roteste am 1. Juni 2013 in Frankfurt am Main.
Wir kommen zunächst zur Frage 55 der Kollegin
ohlke:
Haben Angehörige der Bundespolizei im originären Zu-
ständigkeitsbereich oder unter Führung des Landes Hessen
Reizmittel gegen Personen im Be-
reich der Demonstrationsroute der Blockupy-Demonstration
am 1. Juni 2013 in Frankfurt am Main eingesetzt, und, wenn
ja, wie schätzt die Bundesregierung die Verhältnismäßigkeit
dieses Einsatzes mit Reizmitteln ein?
D
Frau Präsidentin, ich würde gerne die Fragen 55 und 56
emeinsam beantworten.
Dann rufe ich auch die Frage 56 der Kollegin Gohlkeuf:Wie viele Personen sind durch den Einsatz von Reizmit-teln durch die Bundespolizei verletzt worden, und welche
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 31217
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
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Umstände erlauben es nach Auffassung der Bundesregierungder Polizei, Journalisten, die eine Demonstration bzw. einendamit in Zusammenhang stehenden Polizeieinsatz journalis-tisch begleiten, mit Reizmitteln anzugreifen?D
Im Zusammenhang mit den Blockupy-Aktionstagen
vom 31. Mai bis 1. Juni 2013 in Frankfurt am Main
haben Einsatzkräfte der Bundespolizei im eigenen Auf-
gabenbereich keine Reizstoffsprühgeräte eingesetzt.
Aussagen zu polizeilichen Maßnahmen im Zuständig-
keitsbereich des Landes Hessen obliegen den dort zu-
ständigen Behörden.
Die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch die
Bundespolizei richtet sich nach den Umständen des Ein-
zelfalls auf der Grundlage der jeweiligen gesetzlichen
Bestimmungen.
Frau Kollegin Gohlke hat keine Nachfragen.
Dann kommen wir zu Frage 57 der Kollegin
Dr. Enkelmann:
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
Medienberichten über die Blockupy-Demonstration am
1. Juni 2013 in Frankfurt am Main, laut denen sich der Poli-
zeieinsatz gegen eine friedliche Demonstration gerichtet hat,
und erwägt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang,
künftig die Bereitstellung von Einheiten der Bundespolizei
zumindest für solche Bundesländer, aus denen gravierende
Verstöße gegen Grundrechte berichtet werden, restriktiver zu
handhaben und an Bedingungen zu knüpfen?
D
Frau Enkelmann, ich beantworte Ihre Frage wie folgt:
Aufgrund der föderalen Aufgabenverteilung obliegt die
Zuständigkeit für die Anordnung und Durchführung
polizeilicher Maßnahmen grundsätzlich allein den Län-
dern.
Rechtsgrundlage für eine Unterstützung der Länder
durch die Bundespolizei ist § 11 Bundespolizeigesetz.
Danach werden die Einsatzkräfte der Bundespolizei dem
jeweiligen Land rechtlich und tatsächlich unterstellt. Die
Rechtmäßigkeit des Einsatzes liegt mithin allein in der
Verantwortung des anfordernden Landes. Dies gilt auch
für die Einhaltung des Grundgesetzes.
Daher ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung, das
Demonstrationsgeschehen anlässlich der Blockupy-
Demonstrationen in Frankfurt am Main zu bewerten und
auf die polizeiliche Strategie und Taktik des Landes
Hessen Einfluss zu nehmen. Im Hinblick auf die föde-
rale Aufgabenverteilung verfügt die Bundespolizei über
keine Evaluierungsmechanismen, wie sie in der Frage
beschrieben wurden.
Frau Enkelmann hat eine Nachfrage. – Bitte schön.
Wir halten also fest:
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ngemeldet werden; das ist ein ganz großer Unterschied.
Zum Zweiten ist es so, dass die Ausführung des Ver-
ammlungsrechts allein den Ländern unterliegt. Die Ein-
atzkräfte werden den Ländern vom Bund übertragen.
ir haben rein rechtlich überhaupt keinen Einfluss auf
as Einsatzgeschehen. Deshalb können wir das Einsatz-
eschehen auch nicht bewerten. Wir übergeben die Ein-
atzkräfte den Ländern auch nicht unter Vorbehalt.
Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass die Bun-
espolizei in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich tätig
ar: im Bereich des Bahnhofs. Die Bundespolizei hat in
as von Ihnen kritisierte Geschehen auch nicht einge-
riffen. Selbst wenn sie dort im Einsatz gewesen wäre,
ürden wir keine Bewertung vornehmen. Aber in die-
em konkreten Fall war es so, dass die Bundespolizei-
räfte an der von Ihnen kritisierten Separierung von be-
timmten Demonstrationsteilnehmern nicht beteiligt
ar.
Sie haben eine zweite Nachfrage, Frau Enkelmann.
Halten wir noch einmal fest: Bei dem Einsatz inrankfurt am Main war die Bundespolizei mit dabei.icht nur von uns wird der Einsatz der Landespolizeiritisiert.
as Umgehen mit den Demonstranten wird nicht nuron uns kritisiert, sondern auch von sehr vielen Journa-stinnen und Journalisten sowie von Beobachtern. Auchind Journalisten erheblich verletzt worden. Das heißt,ritik kommt von vielen Seiten.Haben Sie nicht Sorge, dass die Bundesregierung so-usagen in Verantwortung für einen Polizeieinsatz ge-
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31218 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013
Dr. Dagmar Enkelmann
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nommen wird, der sich eindeutig – ich sage das mal so –hart am Rande der Legalität befunden und dazu beigetra-gen hat, dass erhebliche Zweifel an der Versammlungs-freiheit, am Rechtsstaat und an der Demokratie in die-sem Lande aufgekommen sind?D
Diese Befürchtung teilen wir nicht.
Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Hunko.
Vielen Dank. – Herr Schröder, auch ich musste leider
Zeuge dieses rechtswidrigen Polizeieinsatzes in Frank-
furt gegen die Blockupy-Proteste sein. Ich war erfreut,
als ich zwei Tage später folgende Aussage von Regie-
rungssprecher Seibert lesen konnte – ich zitiere –:
Ein rechtsstaatliches Verständnis erfordert auch,
dass die Sicherheitsbehörden stets verhältnismäßig
und angemessen vorgehen.
Bei genauerem Hinsehen musste ich feststellen, dass
sich das auf die Türkei und nicht auf Frankfurt bezog.
Die Bundesregierung ist also in der Lage, auch einen
solchen Polizeieinsatz wie den in der Türkei zu beurtei-
len. Von daher habe ich, auch wenn es Ländersache ist,
die Frage: Würden Sie diese Aussage auch in Bezug auf
den Einsatz in Frankfurt machen?
D
Die Bundesregierung bewertet nicht die Polizeiein-
sätze der Länder. Selbstverständlich sind die Länder ver-
pflichtet, verhältnismäßig zu handeln.
Frau Dittrich hat eine Nachfrage.
Herr Staatssekretär, es geht um die Legalität des Ver-
haltens der Bundes- oder der Länderpolizei. Wie empfin-
den Sie es als Vertreter der Bundesregierung, dass ich als
Bundestagsabgeordnete vor Ort nicht von einem Teil der
Demonstration in den anderen Teil, zum Kessel, durfte?
Die Polizisten haben mich als Bundestagsabgeordnete
trotz Ausweis nicht durchgelassen. Wie finden Sie dieses
Verhalten der Polizei? Damit war mein Mandat für die
Bürger sozusagen gar nicht einsetzbar.
D
Ich kann den Vorfall nicht konkret beurteilen. Es ist
Sache des jeweiligen Einsatzleiters bzw. der Polizei vor
Ort, die Frage zu beurteilen, ob ein Bundestagsabgeord-
neter durch Polizeisperren durchgelassen werden darf
oder nicht. Natürlich ist das immer eine Sache des Ein-
zelfalls.
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Für die Einsätze der Landespolizeien sind einzig und
llein die Länder verantwortlich. Im föderalen Gefüge
t es nicht Aufgabe der Bundesregierung, diese konkre-
n Einsätze zu beurteilen und zu bewerten. Das haben
ir noch nie gemacht, und das werden wir auch zukünf-
g nicht tun. Natürlich ist es in einer außenpolitischen
ebatte auch Aufgabe der Außenpolitiker des Deutschen
undestages, sich darüber auszutauschen, wie Einsätze
anderen Staaten zu beurteilen sind.
Jetzt stellt der Kollege Gehrcke die nächste Frage.
Herr Staatssekretär, nachdem ich Ihre Kollegin Frau
ieper nicht zu Kreativität und Erinnerung habe verfüh-
n können, versuche ich noch einmal, das ein bisschen
ufzublättern.
Sie finden es in Ordnung, dass die Abgeordneten des
eutschen Bundestages und die Bundesregierung von
ier aus beurteilen, ob die Einsätze in Moskau und in der
ürkei in Ordnung waren. Gleichzeitig sagen Sie aber,
ass es nicht in Ordnung und nicht möglich ist, einen
insatz in Frankfurt am Main zu beurteilen. Frankfurt
m Main ist inmitten der EU und liegt nicht hinter dem
ral.
s muss doch möglich sein, auch das zu beurteilen.
D
Es ist selbstverständlich das gute Recht des Deut-chen Bundestages, jeden Polizeieinsatz zu bewertennd die entsprechenden politischen Schlussfolgerungenaraus zu ziehen. Das ist das gute Recht des Plenums,nd das ist heute offensichtlich auch geschehen; ichelbst war nicht dabei.Aber noch einmal: Die Bundesregierung bewerteteine Polizeieinsätze der Länder.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 31219
)
)
Frau Buchholz.
– Das mag ja sein, Frau Dittrich; aber zu den gestellten
Fragen anderer Abgeordneter können Sie jeweils nur
eine Zusatzfrage stellen, und die haben Sie gestellt.
– Ich bedanke mich für die Hilfestellung. – Bitte schön,
Frau Buchholz.
Herr Kollege Schröder, Sie waren selbst nicht zuge-
gen. Ich war bei der Demonstration und Augenzeugin
dieses rechtswidrigen Einsatzes. In diesem Zusammen-
hang möchte ich Ihnen noch eine Frage stellen.
Genauso wie mehrere meiner Kolleginnen und Kolle-
gen bin auch ich von der Polizei nicht durch die Ketten
zu den Demonstrationsteilnehmern gelassen worden. Ich
musste mehrfach intervenieren und belegen, dass ich
tatsächlich Abgeordnete bin, bis ich dann endlich durch-
gehen durfte. Anderen Kolleginnen und Kollegen gegen-
über wurde sogar die Echtheit ihres Abgeordnetenaus-
weises angezweifelt.
Hier stellt sich für mich schon die Frage, wie Sie als
Bundesregierung sicherstellen wollen, dass unsere Ab-
geordnetenrechte in Zukunft auch bei Polizeieinsätzen in
den Bundesländern gewahrt werden, und ob es vielleicht
zweckmäßig wäre, die Länderpolizeien über die Ausge-
staltung der Abgeordnetenausweise zu unterrichten, da-
mit solche Behinderungen unserer parlamentarischen
Tätigkeit –
Frau Kollegin, denken Sie bitte auch an die Zeit.
– in Zukunft nicht mehr vorkommen.
Bitte schön.
D
Noch einmal: Inwieweit es Abgeordneten gestattet
wird, durch Polizeisperren zu gehen, ist immer eine
Frage des Einzelfalls.
Ich war heute beispielsweise in Lauenburg und habe
dort die Einsatzkräfte besucht. Wenn ein Deich droht zu
brechen, wenn sich weitere Personen auf diesem Deich
bewegen, dann können Sie nicht mit Ihrem Abgeordne-
tenausweis in der Hand sagen: Ich möchte jetzt gerne auf
den Deich. – Es gibt also auch Grenzen. Das ist immer
eine Frage des Einzelfalls.
Selbstverständlich sind die Einsatzkräfte der Polizei
arin geschult, zu beurteilen, inwieweit Abgeordnete
urch Polizeisperren dürfen und inwieweit nicht. Wie
as in dem konkreten Einzelfall war, kann ich nicht be-
rteilen. Das möchte ich auch nicht, weil das offensicht-
ch ein Einsatz der Landespolizei war.
Jetzt hat Frau Vogler das Wort. Danach würde ich
erne zur nächsten Frage übergehen.
Herr Staatssekretär, an dieser Stelle würde ich jetzt
erne noch einmal nachhaken. Sie sagen, die Einsatz-
räfte seien darin geschult, Abgeordnetenausweise zu
entifizieren und den Abgeordneten bei der Erfüllung
rer Aufgaben behilflich zu sein, wie das in unserem
bgeordnetenausweis ja auch steht. Nun habe ich per-
önlich schon die Erfahrung gemacht – das gilt für viele
olleginnen und Kollegen ebenfalls –, dass viele Be-
mte dieses Dokument überhaupt noch nie gesehen, ge-
chweige denn in der Hand gehabt haben. Ich möchte
on Ihnen jetzt gerne wissen, ob Sie Erfahrung damit ha-
en, wie in den Bundesländern und bei der Bundespoli-
ei die von Ihnen zitierte Schulung im Umgang mit die-
er Frage aussieht.
D
Ich kann nur für die Bundespolizei sprechen. Es ist
atürlich sichergestellt, dass die Bundespolizisten wis-
en, was die Aufgaben von Abgeordneten sind, und sie
issen auch, damit entsprechend umzugehen.
Ich rufe nun die Frage 58 des Kollegen Birkwald auf:
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
der Tatsache, dass während der Blockupy-Proteste am 1. Juni
2013 in Frankfurt am Main mehreren Hundert eingekesselten
Demonstrantinnen und Demonstranten stundenlang durch die
Bundes- und die Landespolizeien lebenswichtige Grund-
rechte, wie zum Beispiel die Versorgung mit Trinkwasser oder
der Zugriff auf Maßnahmen der Ersten Hilfe, verwehrt wur-
den?
D
Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der Bundes-gierung sind für den originären Zuständigkeitsbereicher Bundespolizei keine der in der Fragestellung ge-annten Vorkommnisse bekannt. Die Bundesregierungimmt zu polizeilichen Einsätzen, soweit sie im Verant-ortungsbereich eines Landes liegen, hier des Landesessen, keine Stellung und bewertet diese nicht.
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31220 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013
Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder
)
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Ich verweise diesbezüglich auf die Zuständigkeit desLandes Hessen und auf die Verpflichtung der Polizei undOrdnungsbehörden, das durch die Verfassung garantierteGrundrecht auf Versammlungsfreiheit im Rahmen dergesetzlichen Vorgaben und gerichtlichen Entscheidun-gen zu gewährleisten.
Zusatzfrage? – Bitte schön, Herr Kollege Birkwald.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
Sie haben jetzt mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass
Sie als Bundesregierung in der Lage sind, Einsätze der
Polizei und deren Umgang mit Demonstrantinnen und
Demonstranten in fernen Ländern zu beurteilen, aber
nicht in Hessen. Das nehme ich sehr verwundert zur
Kenntnis. Sie haben auch immer davon gesprochen, dass
Sie keine rechtliche Bewertung vornehmen. Ich möchte
Sie um eine politische Bewertung bitten.
Darf ich jetzt Ihrer Antwort entnehmen, dass es in
Ordnung ist, dass Bundespolizistinnen und Bundespoli-
zisten, wenn ihnen die Verletzung von Grundrechten be-
kannt wird, nicht auf Landespolizeien einwirken sollen
oder müssen? Das kann ich mir nicht vorstellen. Auch
ich war als parlamentarischer Beobachter meiner Frak-
tion vor Ort, um zur Deeskalation beizutragen und zu
verhandeln. Wenn man Kenntnis von Grundrechtsverlet-
zungen erlangt, kann man doch nicht sagen: Die Landes-
polizei trägt die Verantwortung, das geht uns als Bund
nichts an.
D
Dass hier Grundrechte verletzt worden seien, ist Ihre
Bewertung. Ich schließe mich dieser Bewertung nicht
an, weil wir solche Polizeieinsätze – ich sage es noch
einmal – nicht bewerten. Das fällt einzig und allein in
den Zuständigkeitsbereich der Länder. Auch mögliche
gerichtliche Beschwerden richten sich gegen das Land
Hessen und nicht gegen den Bund, weil der Bund diese
Polizeieinsätze nicht zu verantworten hat.
Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.
Es wurde den Demonstrierenden im Kessel über meh-
rere Stunden die Bereitstellung einer Toilette verwehrt.
Es wurde ihnen über mehrere Stunden verwehrt, mit
Trinkwasser versorgt zu werden. Es wurde ihnen über
mehrere Stunden verwehrt, mit Erster Hilfe versorgt zu
werden. Das sind eindeutig Verletzungen der Grund-
rechte. Da hat sich meines Erachtens die Bundespolizei,
wenn sie in Kenntnis dessen gelangt, so zu verhalten,
dass sie mit der Landespolizei darüber in Verhandlungen
tritt und versucht, mäßigend einzuwirken und auf die
Einhaltung der Grundrechte hinzuwirken. Mit welcher
Begründung lehnen Sie eine solche Position ab?
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)
durch Landesbehörden die Bundesregierung nicht zu-ständig ist. Nun stelle ich Ihnen die Frage: Macht sichdie Bundesregierung eigentlich Gedanken darüber, in-wiefern sie vielleicht wenigstens anständig sein könnte,wenn sie sich schon für nicht zuständig hält?D
Generell berührt es uns alle, wenn Grundrechte nicht
eingehalten werden. Ob in diesem konkreten Fall Grund-
rechte eingehalten wurden oder nicht, haben unabhän-
gige Gerichte zu überprüfen. Es ist nicht Aufgabe der
Bundesregierung, Polizeieinsätze der Länder zu über-
prüfen und zu kontrollieren.
Frau Gohlke.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär
Schröder, Sie haben gerade in Zweifel gezogen, dass
Grundrechte verletzt worden seien, bzw. Sie sagen:
Diese Prüfung obliegt jetzt den Gerichten, die Bundesre-
gierung möchte sich kein Bild machen.
Ich frage Sie nach den Wellen, die dieser Einsatz in-
nenpolitisch und medial geschlagen hat inklusive einer
Rüge der OSZE wegen Behinderung bzw. Beschränkung
der journalistischen Freiheit und vermehrter Einsprüche
auch der journalistischen Verbände: Sieht die Bundes-
regierung keine politische Notwendigkeit, sich ein ge-
naueres Bild zu verschaffen und diese Vorwürfe zumin-
dest zu prüfen, statt es allein auf die juristische Ebene zu
schieben?
D
Die Bundesregierung ist keine Kontrollinstanz für
Polizeieinsätze der Länder, sondern die Gerichte sind die
Kontrollinstanz. Wir sind ein Rechtsstaat, und das ist
auch richtig so. Aber natürlich lässt es uns alle nicht kalt,
wenn wir solche Bilder sehen. Aber ob es am Ende ver-
hältnismäßig war oder nicht, entscheiden die Gerichte,
und das obliegt nicht mir als Parlamentarischem Staats-
sekretär.
Frau Dittrich.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, in
der Antwort auf die Frage meines Kollegen Birkwald,
der darauf hingewiesen hat, dass Essen, Trinken und an-
dere Grundbedürfnisse nicht erfüllt worden sind, haben
Sie gesagt, das sei Ihnen nicht bekannt. Aber als De-
monstrationsteilnehmerin habe ich gesehen, und es
wurde auch gefilmt, dass ein Wassereimer vom dritten
Stock eines Hauses in den Kessel herabgelassen wurde,
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h habe gesagt: Die Bundespolizei war im Einsatz. –
ber auch durch Weglassen kann man ein falsches Bild
alen. Die Bundespolizei war jedenfalls an der Separie-
ngsmaßnahme, um die es Ihnen geht, nicht beteiligt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Aber, Herr Staatssekretär, unbeschadet der Frage, ob
ie die Zusammenfassung teilen, ist die Frage zulässig,
b die Bundesregierung sich an der Aufklärung der Vor-
änge beteiligen kann oder beteiligen will.
D
Noch einmal: Die Bundesregierung beteiligt sich
icht an der rechtlichen Bewertung. Natürlich ist es un-
ere Aufgabe, das Parlament darüber in Kenntnis zu set-
en, was dort passiert ist. Aber das ist Ihnen bekannt,
ie gerade zu vernehmen war. Schließlich waren Sie alle
elbst dabei. Aber eine rechtliche Bewertung nehmen
ir nicht vor.
Herr Kollege Hunko.
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31222 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013
)
)
Wir fragen nach einer politischen und nicht nach einer
rechtlichen Bewertung. Aber das ist nicht der Punkt, den
ich ansprechen wollte.
Eben wurde angesprochen, dass die Polizeieinsätze
bei den Blockupy-Protesten eine internationale Dimen-
sion bekommen haben. Das ist kein Wunder, denn es ist
eine internationale Demonstration gewesen, die vor der
Europäischen Zentralbank stattfinden sollte. Die OSZE
hat sich sehr kritisch dazu geäußert. In der Pressemittei-
lung heißt es:
OSCE media freedom representative expresses con-
cern about police treatment of media at „Blockupy“
protests in Germany.
Es wird ausdrücklich gefordert, die Sicherheit von Jour-
nalisten in solchen Situationen zu gewährleisten.
In der OSZE ist die Bundesregierung vertreten und
nicht das Land Hessen. Argumentieren Sie in der OSZE,
wenn Sie dort auf den Polizeieinsatz bei dieser Demon-
stration angesprochen werden, genauso wie hier, nach
dem Motto: „Damit haben wir nichts zu tun; das ist Län-
dersache“, oder gehen Sie dort anders damit um? Das in-
teressiert mich.
D
Auch gegenüber diesem internationalen Gremium
nehmen wir auf das Bezug, was die Länder berichten.
Für die politische Bewertung ist zunächst einmal die
rechtliche Bewertung entscheidend, ob das am Ende als
verhältnismäßig angesehen wird oder nicht. Sie können
doch eine politische Bewertung nicht völlig frei von ei-
ner rechtlichen Bewertung vornehmen. Was dort gesche-
hen ist, ist in Ihren Augen unverhältnismäßig und rechts-
widrig. Es gibt aber auch noch andere Bewertungen, die
öffentlich gemacht wurden.
Nun müssen unabhängige Gerichte eine rechtliche Beur-
teilung vornehmen.
Herr Kollege Movassat.
Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, ich
möchte darauf hinweisen, dass die Grundrechte alle
Staatsgewalt binden. Die Grundrechte sind nicht so aus-
gestaltet, dass der Staat zuerst mutwillig draufhauen und
vorsätzlich die Grundrechte verletzten darf und dass die
Gerichte das dann retten. Das darf nur der Ausnahmefall
sein. Das grundrechtskonforme Verhalten des Staates
sollte die Regel sein. Das ist eigentlich die Intention des
Grundgesetzes und insbesondere der Grundrechte.
Sie als Exekutive sollten sicherlich keine rechtliche
Einschätzung vornehmen. Das Urteil sprechen letztlich
die Gerichte. Aber Sie sind als Exekutive kraft Grundge-
setz dazu berufen, eine politische Abwägung und Ent-
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)
D
Für uns alle ist die Versammlungsfreiheit wichtig.
Wir alle setzen uns dafür ein, dass Versammlungen fried-
lich stattfinden können. Der Bund und insbesondere die
Bundesregierung ist aber nicht die für Versammlungen
zuständige Behörde. Das sind vielmehr die Länder; die
sind sowohl für die Rechtsetzung im Bereich des Ver-
sammlungsrechts als auch für die Ausführung des Ver-
sammlungsrechts zuständig.
Zu den Fragen 59 und 60 der Kollegin Sabine Leidig
stelle ich fest, dass die Fragestellerin nicht im Saal ist.
Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgese-
hen.
Wir kommen jetzt zur Frage 61 der Kollegin
Buchholz:
Von wem wurde die Bundespolizei im Rahmen der Block-
upy-Demonstration am 1. Juni 2013 in Frankfurt am Main
angefordert – bitte mit Angabe des Datums –, und welche
Stellen innerhalb der Bundespolizei oder des Bundesinnen-
ministeriums haben unabhängig von Polizeieinsatzleiter
Harald Schneider vor dem Einsatzbefehl eine Lageeinschät-
zung vorgenommen?
D
Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Das Hessische
Ministerium des Innern und für Sport hat die Bundes-
polizei um Unterstützung ersucht. Die Lagebeurteilung
für den Polizeieinsatz im Zuständigkeitsbereich des Lan-
des Hessen oblag alleine dem anfordernden Land, also
Hessen.
Eine Zusatzfrage, Frau Buchholz.
Mir stellt sich die Frage, ob es keinerlei eigene Ein-
schätzung der Bundespolizei über die Situation vor Ort
gibt und ob es keinerlei Mechanismen gibt, zu einer ge-
meinsamen Lageeinschätzung während eines laufenden
Einsatzes zu kommen. Diese Vorstellung halte ich wirk-
lich für absurd; denn offensichtlich war klar – das be-
richten auch mehrere Journalisten –, dass diese Eskala-
tion kurz vor der EZB geplant war. Daher würde es mich
schon sehr wundern, wenn die Bundespolizei nicht zu-
mindest im Rahmen der Gesamtlageeinschätzung über
diese Eskalationsschritte informiert gewesen wäre. Dazu
musste sie sich dann auch positionieren.
D
Im eigenen Zuständigkeitsbereich nehmen wir selbst-
verständlich solche Lagebeurteilungen vor, also im Be-
reich des Bahnhofs, weil die Bundespolizei dafür zustän-
dig ist. Wenn die Bundespolizeikräfte allerdings dem
Land unterstellt sind, dann ist es Sache des Landes, diese
Lagebeurteilung vorzunehmen.
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31224 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013
)
Grundrecht auf Versammlungsfreiheit im Rahmen dergesetzlichen Vorgaben und gerichtlichen Entscheidun-gen zu gewährleisten, verwiesen.Zur Gewährleistung der inneren Sicherheit inDeutschland wird die Bundespolizei auch weiterhin inEinklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben aufAnforderung die Polizeien der Länder unterstützen.
Zusatzfrage.
Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie nicht bereit sind,
aus dem Desaster von Frankfurt Konsequenzen zu zie-
hen. Ich will noch einmal nachfragen. Angesichts der
Tatsache, dass sich die Blockupy-Proteste, die sich ge-
gen die Politik der EU-Troika und der Bundesregierung
vor allen Dingen gegenüber den südeuropäischen Län-
dern gerichtet haben, liegt nahe: Solche Demonstratio-
nen werden wir in den nächsten Zeiten vermehrt erleben.
Glauben Sie nicht, dass es aus der Perspektive der Bun-
desregierung sinnvoll ist, eine Diskussion in dem von ihr
zu verantwortenden Bereich darüber zu führen, wie man
sicherstellt, dass Meinungsäußerungen, Pressefreiheit,
Berichterstattung über diese legitimen Proteste tatsäch-
lich gewährleistet werden? Schließlich wollen wir uns
alle gemeinsam – das ist bisher in der Fragestunde, auch
in Ihren Antworten, deutlich geworden – an den hohen
Maßstäben von Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit
und Einhaltung des Grundgesetzes messen lassen. Daher
ist meine Frage: Wie wollen Sie die Einhaltung dieser
Maßstäbe in Zukunft sicherstellen?
D
Für uns alle ist das ein wichtiges Anliegen; wir sind
uns da einig. Das Bundesministerium des Innern ist für
die Bundespolizei zuständig. Zur originären Zuständig-
keit der Bundespolizei gehört in diesem konkreten Fall
der Bereich Bahnhof.
Für alle anderen Bereiche und auch für die Ausfüh-
rung des Versammlungsrechts sind die Länder zuständig,
in diesem konkreten Fall das Land Hessen. Das Land
Hessen hat selbstverständlich sicherzustellen, dass die
Versammlungsfreiheit auch in diesem Kontext gewähr-
leistet wird. Es ist jetzt Sache des Landes Hessen, die
notwendigen Schlussfolgerungen aus den bisherigen
Einsätzen zu ziehen. Das ist aber nicht Sache der Bun-
desregierung. Noch einmal: Wir sind nicht die Kontroll-
instanz für die einzelnen Länderpolizeien.
Frau Buchholz hat das Wort zu einer weiteren Zusatz-
frage.
Auch Sie haben schon deutlich geäußert, dass es of-
fensichtlich ein Problem mit dem Einsatz der hessischen
Polizei gab. Für mich stellt sich die Frage: Beabsichtigen
Sie, den Kontakt zu dem Kollegen Boris Rhein, dem
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Sie können das gern überprüfen: Die Bundesregie-
ng hat noch nie Polizeieinsätze der Länder bewertet.
ir bewerten zum Beispiel auch nicht die Polizeiein-
ätze des Landes Hamburg am 1. Mai; das ist einzig und
llein Sache des Landes Hamburg, unabhängig davon,
er da gerade Erster Bürgermeister ist.
Letzte Zusatzfrage, Frau Dittrich.
Vielen Dank für die Zulassung der Frage. – Würde eser Bundesregierung und Ihnen bei der organisiertenerantwortungslosigkeit der Bundesländer und der Bun-esregierung vielleicht helfen, wenn wir als Linke beiemonstrationen Nichtregierungsorganisationen herbei-olen, um dort zu beobachten, so ähnlich wie das Dele-ationen von Menschenrechtsorganisationen und Wahl-eobachter in der Türkei tun, wie das Mitglieder desuroparats tun?
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 31225
Heidrun Dittrich
)
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Wäre das vielleicht nötig, um dem verfassungsmäßigenRecht der freien Meinungsäußerung zum Durchbruch zuverhelfen?D
Wir haben klare Zuständigkeiten. Das ist auch wich-
tig für einen Rechtsstaat; denn nur bei klaren Zuständig-
keiten, gerade im Bereich des Versammlungsrechts, hat
der Bürger die Möglichkeit, rechtlichen Schutz zu erhal-
ten.
In diesem Fall wird der Polizeieinsatz, weil es ein
Polizeieinsatz des Landes Hessen ist, vom Land Hessen
zu verantworten sein. Die Gerichte werden jetzt überprü-
fen, ob das verhältnismäßig war oder nicht. Das ist nicht
Sache der Bundesregierung, und das finde ich auch rich-
tig, gerade unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten. Es
ist nicht Sache der Bundesregierung, sondern Sache der
unabhängigen Gerichte, zu überprüfen, ob dieser Poli-
zeieinsatz rechtmäßig oder rechtswidrig war.
Ich schließe damit diesen Geschäftsbereich ab.
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz:
Die Fragen 63 und 64 des Kollegen Kolbe sind zurück-
gezogen worden.
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finan-
zen: Die Frage 65 des Kollegen Hofreiter, die Fragen 66
und 67 des Kollegen Troost sowie die Fragen 68 und 69
der Kollegin Höll werden schriftlich beantwortet.
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit
und Soziales: Die Frage 70 der Kollegin Pothmer sowie
die Fragen 71 und 72 der Kollegin Hiller-Ohm werden
schriftlich beantwortet.
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernäh-
rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Die
Fragen 73 und 74 der Kollegin Behm, die Frage 75 des
Kollegen Ostendorff sowie die Fragen 76 und 77 des
Kollegen Ebner werden ebenfalls schriftlich beantwor-
tet.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Verteidigung. Der Kollege Parlamenta-
rischer Staatssekretär Christian Schmidt steht für die Be-
antwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 78 des Kollegen Dr. Tobias Lindner
auf:
Welche Kosten waren zum 3. März 2011 im Euro-Hawk-
Programm bereits beglichen worden, und welche Zahlungs-
verpflichtungen standen zu diesem Zeitpunkt aus?
C
Herr Präsident! Lieber Kollege, zunächst wollte ich
eigentlich sagen, dass die Zuständigkeit für Verteidigung
so dezidiert beim Bund liegt, dass die Beantwortung der
Fragen in kürzerer Zeit erfolgen kann. Dann habe ich
mich daran erinnert, dass im Rahmen der Amtshilfe für
die Bundesländer im Katastrophenschutz die Bundes-
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Vielen Dank, Herr Staatssekretär, dass Sie die Hoff-
ung haben, Fragen beantworten zu können; diese Hoff-
ung hatten wir aufseiten der Opposition in den letzten
ochen nicht immer.
Ich entnehme Ihrer Antwort, dass etwa im Vergleich
u den Mitteln, die heute gebunden sind, durchaus noch
ine Differenz besteht, weshalb das Bundesministerium
er Verteidigung im Laufe dieses Programms auch ver-
chiedene Varianten geprüft hat.
Ich möchte gerne von Ihnen wissen, ob im Verlauf der
rüfung das Bundesministerium der Verteidigung über-
gt hat, die Entwicklung des ISIS-Moduls auf der Basis
er Euro-Hawk-Plattform zu stoppen und das ISIS-Mo-
ul auf einem anderen Trägersystem weiter zu entwi-
keln.
C
Sehr verehrter Kollege, die vertragliche Vereinbarung
Programm Euro Hawk hat die zwei Komponenten
mfasst und umfasst sie noch. Der Vertrag hat nach wie
or Bestand für die Entwicklung eines Full Scale De-
onstrators, also eines Prototypen – wenn man es so
agen darf –, im fliegerischen Bereich und in der Inte-
ration dieses zu entwickelnden Aufklärungssystems In-
grated SIGINT-System. Deswegen sind zu diesem
eitpunkt solche Fragen natürlich nicht anständig gewe-
en. Dass sich im Verlaufe der Diskussion und im Rah-
en der im Verteidigungsausschuss und Haushaltsaus-
chuss in den letzten Tagen sehr intensiv diskutierten
ragen auch die Frage nach alternativen Trägerplattfor-
en stellt, versteht sich von selbst. Vertraglich einge-
unden ist dieses allerdings nicht.
Weitere Zusatzfrage.
Die Diskussion – das schildern Sie zu recht – drehtich um die Frage, ob die Probleme lösbar oder unlösbarind. Mein landläufiges Verständnis von unlösbar ist,ass man es mit Sicherheit weiß, wenn das Problem un-sbar ist. Lösbarkeit ist eher eine Annahme darüber,
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31226 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013
Dr. Tobias Lindner
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etwas lösen zu können. Hat Ihr Haus mit Blick auf dieProbleme, die Sie als lösbar einstufen, eine Risikoana-lyse gemacht oder auf irgendeine Art und Weise eineAnnahme gehabt, mit welcher Wahrscheinlichkeit etwaslösbar sein könnte, oder war es vielmehr eine Annahmenach dem Motto „Da bietet sich ein weiterer letzterStrohhalm, nach dem man greifen könnte“?C
Zur Risikoanalyse will ich vorneweg sagen, Herr
Kollege, dass wir uns bei den sehr komplizierten Be-
schaffungsvorgängen des Bundes, über die wir reden
– übrigens reden wir nicht über das erste Entwicklungs-
programm, das entweder Verzögerungen oder Verände-
rungen erfahren hat –, im Rahmen des sogenannten
CPM befinden. Was heißt CPM? Es heißt Customer
Product Management. Es ist ein Beschaffungssystem,
das den EBMat alter Fassung abgelöst hat. Wieso führe
ich das aus? Das damalige CPM wurde von Rudolf
Scharping als Minister eingeführt, weil er gegenüber
dem alten EBMat die Risk Reduction Phase, also Risiko-
reduzierung, hatte. Das heißt, dass man bei der Bestel-
lung nicht gleich in Serie gegangen ist, sondern ein ein-
zelnes Demonstratorstück hat entwickeln lassen, um zu
verhindern, dass daraus der gesamte Kostenrahmen, der
in Aussicht genommen war, sozusagen im Feuer ist.
Ich will der Beantwortung Ihrer Antwort nicht aus-
weichen, aber ich gebe zu, dass ich in den letzten drei
Wochen sehr viel über Zulassungswesen und technische
Fragen gelernt habe. Ob ich es verstanden habe, weiß ich
nicht. Ich möchte darum bitten, diese Detailfragen zum
Zeitpunkt einer Risikoreduzierung heute nicht zu beant-
worten.
Nein, schon gar nicht in der längst überschrittenen
Zeit.
C
Ich bitte um Entschuldigung, Herr Präsident.
Ich bitte, die Zeit im Auge zu behalten, zumal es
reichlich Nachfragen gibt. Die nächste Nachfrage
kommt von Frau Dittrich.
Geehrter Herr Parlamentarischer Staatssekretär
Schmidt, haben wir jetzt zu befürchten, dass bei jeder
Erwähnung der Bundeswehr zunächst der positive Ein-
satz der Bundeswehr als Katastrophenhelfer bei der Flut
zu hören ist, aber die Schülerinnen und Schüler, die vor
Ort sind, oder auch Abgeordnete der Linken, wie Harald
Koch in seinem Wahlkreis, nicht genannt werden?
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Herr Präsident, es gibt selten Fragen, bei denen ich
er Meinung bin: Ich lasse sie stehen, ohne sie zu beant-
orten. – Ich erlaube mir, dass ich diese Frage in diese
ategorie einordne.
Kollege Brandl.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, dass das Aufklärungs-
ystem ISIS, das jetzt kurz vor der Vollendung steht,
icht hätte weiterentwickelt werden können und jetzt
uch dieses Geld verloren wäre, wenn das Euro-Hawk-
rojekt am 3. März 2011 oder im Laufe des Jahres 2011
bgebrochen worden wäre?
C
Herr Kollege Brandl, das ist insofern richtig, als die
tegration und Entwicklung auf der Plattform von Euro
awk geplant war. Das System an sich kann nach Ent-
icklung natürlich auch auf einer anderen Plattform auf-
ebaut werden. Die Integrationskosten, die Entwick-
ngskosten und möglicherweise Kosten weiterer Art
ären dann allerdings in der Tat verloren gegangen.
Frau Haßelmann.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretärchmidt, meine Frage bezieht sich auf die Berichterstat-ng der Süddeutschen Zeitung von heute. Der Ministerat sowohl im Verteidigungsausschuss als auch in derktuellen Stunde behauptet, er sei nicht vor dem3. Mai über gravierende Probleme informiert gewesen.
un informiert uns die Süddeutsche Zeitung von heuteber ein 50-seitiges Papier, in dem – so wird es in dereitung dargestellt – auf schwere Probleme hingewiesenird, und zwar am 10. Dezember. Wie erklären Sie sichiese Diskrepanz: Obwohl am 10. Dezember aufchwere Probleme hingewiesen wurde, behauptete Herre Maizière in der letzten Woche, er sei am 13. Mai erst-alig über gravierende Probleme informiert worden?
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 31227
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C
Frau Kollegin, wenn Sie gestatten: Ich will der Frage
nicht ausweichen oder die Antwort verlängern, aber der-
art komplizierte technologische Entwicklungen gebären
regelmäßig sehr schwere Probleme. Manchmal lösen sie
sich schneller als gedacht.
– Die Information, die ich nicht im Einzelnen kenne und
in der Süddeutschen Zeitung kursorisch zitiert wird,
diente der Vorbereitung eines Besuchs, bei dem übrigens
das Thema Euro Hawk, soweit ich das weiß, gar nicht im
Mittelpunkt stand, und ist sozusagen eine allgemeine
Übersicht über den gegenwärtigen Stand bei Problemen,
aber kein Hinweis darauf, dass sozusagen keine Mög-
lichkeit mehr bestünde, in dem Programm fortzufahren.
Herr Nouripour.
Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, ich
stelle fest:
Erstens. Das ISIS-System ist nicht auf der Plattform
des Euro Hawk zertifizierbar, weil dies nicht die endgül-
tige Plattform ist. Das heißt, erst muss die Alternative
beschafft werden, dann kann es zertifiziert werden. Das
heißt, die Behauptung, jetzt werde das integrierte System
zu Ende entwickelt, stimmt nicht; denn die Erprobung
muss komplett neu anfangen, wenn die Alternative da
ist.
Zweitens. Es geht hier nicht um gravierende techni-
sche Mängel, so wie Sie es beschrieben haben. Wir ha-
ben es hier mit Zulassungsproblemen zu tun. Es geht
nicht um Hightech oder darum, dass es nicht funktio-
niert.
Meine Frage bezieht sich auf den Zeitpunkt, der in
Frage 78 genannt wird: 3. März 2011. Inwieweit war
sich die Führung des Hauses und wer war sich in der
Führung des Hauses im März 2011 darüber im Klaren,
dass im Vertrag zum Euro Hawk explizit eine Bemü-
hensklausel steht, die dazu führen könnte, dass eine Haf-
tung der Hersteller ausgeschlossen ist?
C
Herr Präsident, jetzt habe ich zwei Probleme: Zum ei-
nen hören wir, dass ein formulierter Antrag besteht, ei-
nen Untersuchungsausschuss einzurichten; er ist noch
nicht beschlossen.
Danke für den Hinweis, Frau Kollegin. Ihre Erfahrung
hrt gepaart mit meiner dazu, dass ich vielleicht doch
arauf hinweise, dass diese Detailfragen, auf die ich aus
wei Gründen nur begrenzt antworte, im Untersuchungs-
usschuss ihren Platz finden mögen.
Lieber Kollege Nouripour, Ihre technischen Kennt-
isse sind sehr beachtlich, aber ich kann sie weder bestä-
gen noch bewerten; denn – das gebe ich zu – ich bin
ein Entwicklungsingenieur. Ich habe gelernt, dass man
ehr gut beraten ist, sich bei der Bewertung, ob ein Zu-
ssungsproblem ein technisches oder ein rechtliches
roblem ist, sehr zurückzuhalten. Wir bewegen uns da
eide auf sehr dünnem Eis.
Ich verstehe, dass Ihr Drang, mich zu einer Aussage
u bringen, sehr groß ist. Ich will mir die Anempfehlung
rlauben, Frau Kollegin Haßelmann, dass wir das im Un-
rsuchungsausschuss vertiefen. Ich hoffe nicht, dass ich
uf Ihren Widerstand stoße.
Ihre zweite Frage befasst sich mit der Bemühensklau-
el in Bezug auf die Zulassung insgesamt. Das ist in der
at ein Thema, gerade wenn es um die Struktur im Be-
chaffungswesen geht. Hier wurden übrigens gerade Än-
erungen vorgenommen.
Die Bemühensklausel ist keine Erfindung des Vertra-
es, sondern in den allgemeinen Bedingungen für Ent-
icklungsverträge mit Ingenieuren enthalten, weil der in
ntwicklungsverträgen vereinbarte Erfolg grundsätzlich
gelmäßig nicht geschuldet werden kann. Im entspre-
henden Vertrag wurde sogar noch einiges von der Be-
ühensklausel ausgenommen und in eine Erfolgsklausel
mgesetzt. Aber das sind rechtliche Fragen, deren Be-
ertung wir en détail ebenso wenig vornehmen können
ie die Bewertung der technischen Fragen.
Ich weiß, dass es gelegentlich schwierig ist, die Fra-
en innerhalb des engen Zeitlimits zu beantworten, aber
ie Uhr läuft – sowohl bei den Fragen als auch bei den
ntworten. Demnächst versuche ich es mit Winken.
Die nächste Frage stellt der Kollege Meßmer.
Herr Präsident! – Herr Staatssekretär, ich habe jetztowohl durch die Veröffentlichung, aber auch durch dieusschusssitzung gelernt, dass bei der Zulassung dienterscheidung zwischen lösbaren Problemen und un-sbaren Problemen eine große Bedeutung hat.
önnen Sie zeitlich ungefähr beziffern, wann im Minis-rium – ich formuliere das jetzt untechnisch – von „lös-ar“ auf „unlösbar“ geschaltet wurde? Welche Informa-
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31228 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013
Ullrich Meßmer
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tion von wem lag zum Zeitpunkt der Einschätzung„lösbar/unlösbar“ zugrunde?C
Die Frage „lösbar/unlösbar“ ist eine für jedermann
durchaus nachvollziehbare: Kommt man mit dem Thema
voran, oder muss man umschalten? Das hat im Zuge der
Vorbereitung der Entscheidungsvorlage vom 13. Mai
stattgefunden. Ein solcher Prozess kann sich natürlich
über einen gewissen Zeitraum hinziehen.
Die Frage „lösbar/unlösbar“ war vorher allerdings
noch nicht zu beantworten. Das mögen Sie meiner Ant-
wort auf eine Frage des Kollegen Lindner vom Januar
– wenn ich mich recht entsinne – entnehmen, als ich von
Zeitverzögerungen berichtet habe, nicht von unlösbaren
Problemen. Der Kollege Kossendey hat sich im März in
ähnlicher Weise geäußert.
Das entsprang natürlich nicht der Vorstellung, dem
Parlament etwas zu verheimlichen. Vielmehr war es in
der Tat so, dass der Euro Hawk damals im Dezember
zum ersten Mal flog. Es gab also Hoffnung.
Frau Brugger möchte jetzt diese Hoffnung aufgreifen.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Staatssekretär,
wie Kollegin Haßelmann möchte auch ich auf den Arti-
kel der Süddeutschen Zeitung Bezug nehmen. Vielleicht
ist Ihnen die Presseerklärung Ihres Hauses, die aufgrund
des Artikels der Süddeutschen Zeitung heute veröffent-
licht wurde, vertrauter.
Der Minister sagte, er sei nicht informiert worden.
Daraus wurde später, er sei nicht schriftlich über die un-
lösbaren Probleme informiert worden. Ihre Pressever-
lautbarung von heute räumt ein, dass für das Gespräch
mit der Firma Cassidian am 10. Dezember letzten Jahres
folgende Formulierungshilfe gegeben war: Es ist „keine
Grundlage gegeben …, um eine Entscheidung für eine
Serienbeauftragung zu befürworten oder gar zu beschaf-
fen“. Das ist für mich ein Widerspruch zu den Aussagen
des Ministers, den Sie uns hoffentlich jetzt erklären kön-
nen.
C
Gerne. Frau Kollegin Brugger, das ist überhaupt kein
Widerspruch. Wir haben zwei Verträge. Der eine betrifft
einen Demonstrator; das habe ich vorhin ausführlich
dargelegt. Der andere betrifft die Beschaffung der Serie.
Solange beim Demonstrator nicht alle Fragen geklärt
sind, denke ich doch nicht im Traum daran, einen Ver-
trag mit Northrop Grumman abzuschließen, um die Serie
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Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
at denn das Bundesministerium der Verteidigung, bevor
s zu den einzelnen Zeitpunkten Zahlungen geleistet hat,
weils überprüft, ob Leistungen, die vertraglich verein-
art wurden, auch korrekt erbracht wurden und sich in
en Fällen, in denen sich, um Sie zu zitieren, „lösbare
robleme“ ergaben, informiert, ob Schadenersatzansprü-
he bestehen? Oder ist die Realität so, dass auch wäh-
nd dieser Zahlungen eine Unklarheit oder verschie-
ene Rechtsauffassungen darüber bestanden, ob die
emühensklausel für einzelne Verfahren des Zulas-
ungsverfahrens anzuwenden ist? Sieht die Realität so
us, dass dies jetzt im Nachhinein über eine externe
nwaltskanzlei geklärt werden muss?
C
Zur ersten Frage: Es hat einen Fall einer Kostenredu-ierung bzw. einer Inanspruchnahme gegeben – ich willas nicht rechtlich qualifizieren, ob es sich um Schaden-rsatz oder um verminderte Leistung handelte –, undwar, wie ich glaube, in der Höhe von 7 Millionen Euro.Ich glaube“ heißt, ich muss Ihnen auch dies konkretoch sagen. Ich gehe davon aus – ich habe keinerlei an-ere Hinweise –, dass die Meilensteine im Vertrags-erlauf natürlich auch in den Zahlungen entsprechendeachtet worden sind. Aber das würde sich dann auchus den Details der Auflistung ergeben.Zu Ihrer zweiten Frage, ob die Bemühensklausel iner Bewertung eine Rolle gespielt hat und wieso einenwaltskanzlei eingeschaltet wurde: Unsere Rechts-
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Parl. Staatssekretär Christian Schmidt
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abteilung kommt in der Tat zu dem Ergebnis, dass dieseBemühensklausel gewisse Einschränkungen hat. Ich willals Rechtsanwalt, der nicht beteiligt ist – wie ich gehörthabe, hat die eine oder andere Kollegin schon Interessegezeigt, sich mandatieren zu lassen –,
doch sagen: Es ist manchmal gut, eine zweite Meinungzu hören, vor allem, wenn man mit öffentlichem Geldund möglichen Ersatzansprüchen umgehen muss. Des-halb halte ich es für richtig, dass wir zur Versicherungnoch einmal eine Kanzlei eingeschaltet haben.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, dass
der Bundesminister der Verteidigung als Inhaber der
Befehls- und Kommandogewalt der oberste Disziplinar-
vorgesetzte der Bundeswehr ist und ihn insofern die
Pflicht zur Dienstaufsicht nach § 10 Abs. 2 des Solda-
tengesetzes trifft?
C
Herr Kollege Lindner, ich bestätige Ihnen, welche
Aufgaben der IBuK hat. Ich unterstreiche, dass der IBuK
nicht die Aufgabe hat, jede einzelne Kostenrechnung
selber nachzurechnen.
Kollege Nouripour.
Ich habe Sie bisher so verstanden, dass sich der
Minister erst dann mit Problemen beschäftigt, wenn sie
unlösbar sind, und vorher liege die Verantwortung woan-
ders. – Sie haben ja selbst gerade von anderen Tätigkei-
ten, die auch Sie ausüben könnten, gesprochen. Mich
würde interessieren, ob Sie der Meinung sind, dass es im
Falle eines Prozesses die Chancen der beauftragten
Rechtsanwaltskanzlei und des Mandanten, also des
Bundesverteidigungsministeriums, erhöht, Schadens-
ersatz oder Haftungsmöglichkeiten bei der Industrie zu
ersuchen, wenn vorher von Ihnen und vom Minister öf-
fentlich erklärt wird, dass Sie davon ausgehen, dass es
diese Haftung gar nicht gibt?
C
Ich habe das nicht öffentlich erklärt. Ich habe nur da-
rauf hingewiesen, Herr Kollege, dass die Bemühensklau-
sel manche Einschränkungen in dieser Frage mit sich
bringen kann und dass die Rechtsabteilung hieraus
Schlüsse zieht.
Sie haben mich auf meinen beruflichen Hintergrund,
der sich im Arbeitsrecht bewegt, angesprochen. Durch
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Ja, es gibt eine De-Maizière-Regelung – das ist die
eue – und eine Scharping-Regelung; das ist die alte.
Der Flieger ist schon so lange unterwegs, dass er nach
er alten Regelung bewertet wird. Die Entscheidungs-
ompetenz liegt bei dem beamteten Staatssekretär, der
ach Innenverteiler für den Bereich „Beschaffung und
usrüstung“ zuständig ist.
Frau Brugger, bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,uro Hawk ist ja sozusagen mit dem Ausdruck, dassine Reißleine gezogen wurde, in die Schlagzeilen gera-n. Deshalb würde ich Sie gerne fragen, ob durch denisherigen Vertrag mögliche weitere Testflüge des Fullcale Demonstrators abgedeckt sind oder ob man hierfüreue vertragliche Vereinbarungen schließen muss und obiese dann Zahlungen an das auftragnehmende Unter-ehmen enthalten.
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31230 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013
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Frau Kollegin, das geschlossene Auftreten des Bun-
desministeriums der Verteidigung auch in meiner Person
umfasst nicht die Übernahme jeder Begrifflichkeit in
bildhafter Art. „Reißleine“ könnte den falschen Ein-
druck erwecken, hier wäre jemand im freien Fall und
müsse die Reißleine ziehen.
Das ist mitnichten so. Gerade vorgestern ist das Flug-
zeug sicher gestartet und nach stundenlangem Flug si-
cher gelandet.
Das heißt, es ist funktionsfähig mit einer vorläufigen
Verkehrszulassung. Das Argument der Ausrichtung der
Zulassung – ich weiß nicht, ob das technisch richtig ist –
dieses Aufklärungssystems erfordert Flüge. Deswegen
kann man auch in Zukunft mit diesem Gerät sicher flie-
gen.
Deswegen würde ich sagen: keine Reißleine, sondern
Testflüge.
– Bitte? Bitte wiederholen Sie die Frage.
– Ach so, nein, die Verträge beinhalten ja bereits die
Testflüge mit dem Abschluss dieses ISIS-Tests. Dies ist
bereits jetzt Teil des Auftrags.
Herr Kollege Hellmich.
Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, ich habe
eine Frage nach dem Zeitpunkt der ersten Testflüge.
Mich interessiert, wann sie absolviert wurden und wel-
che Kosten und welche Punkte der Vertragserfüllung da-
durch ausgelöst wurden. In den Berichten, die Sie dazu
abgeben, heißt es, dass Anfang dieses Jahres das Ge-
samtsystem mit 80 Prozent geflogen und entsprechend
positiv bewertet worden ist, also weiterfliegen konnte.
Auf welcher Grundlage haben Sie diese Entscheidung
getroffen? Wie verhält sich dies zu den Ankündigungen
im Wiener Dokument, Stand 1. Januar 2013, gegebenen-
falls die Nutzung anderer Plattformen zur Schließung
dieser Fähigkeitslücke zu avisieren?
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Das ist der Bericht, den Ihr Haus, vielmehr die Bun-
esregierung, der OSZE zum Stand der Rüstungsbemü-
ungen und der Ausrüstung der Bundeswehr abgeben
uss.
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Ach so, das OSZE-Dokument. Darin sind aber keine
inweise auf technische Fragen enthalten. Da geht es
ur um Abrüstung und gegenseitige Vertrauensbildung.
Frau Haßelmann.
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Moment!
Ach, Sie waren noch nicht fertig?
C
Nein, ich habe die Frage noch gar nicht beantwortet.
Entschuldigung.
C
Mit den Testflügen wurde – ich liefere Ihnen das ge-
aue Datum gerne nach – nach meiner Kenntnis im Früh-
hr dieses Jahres begonnen. Wieso? Weil die vorläufige
erkehrszulassung des Fluggerätes erst im Dezember letz-
n Jahres erteilt worden war; so lange war nach dem
berführungsflug Pause. Dann wurde das SIGINT-Sys-
m eingebaut. Danach hat es – Sie mögen das auch den
eutschen Zulassungsregelungen zuschreiben – über ein
albes Jahr gedauert, bis klar wurde, ob der Hersteller, die
uro Hawk GmbH, ein luftfahrtlizenziertes Unternehmen
t; das ist also nur der administrativen Seite und nicht der
chnischen oder fliegerischen Seite zuzurechnen. Das
rogramm muss jetzt abgewickelt werden. Ohne das Wie-
er Dokument, den Bericht, den wir zum Thema Euro
awk im Rahmen der OSZE abgegeben haben, zu ken-
en, gehe ich davon aus, dass genau dies darin steht, so-
eit es der OSZE zu berichten ist.
Nun Frau Haßelmann.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 31231
(C)
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Wenn es so wäre, dass über Probleme berichtet wird
– das ist jetzt hypothetisch, weil uns der Bericht nicht vor-
liegt –, dann gestatte ich mir, die Gegenfrage zu stellen:
Zu welchem Nutzen? Was will ich herausfinden? Ich
denke, wir alle wollen wissen, ob dieses Projekt zu einem
Erfolg geführt werden kann – wenn ja, zu welchem – und
ob es einen Zeitpunkt gegeben hat – so verstehe ich Sie –,
zu dem klar erkennbar war, dass dieses Projekt nicht mehr
zu einem Erfolg geführt werden kann und deswegen die
Reißleine hätte gezogen werden müssen.
– Ja, und ich antworte.
Ich erlaube mir, festzuhalten, dass die Information des
Ministers verfahrensmäßig nicht ganz optimal gewesen
ist. Aber was die Entscheidung angeht, auch vom Zeit-
punkt her, konnte mir bisher noch niemand sagen – es
gab lediglich den Versuch, innerhalb des Hauses nach-
zuweisen bzw. dem Haus zu unterstellen, hier hätte es
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Berichtig
244. Sitzung, Seite 31047 D,
Satz ist wie folgt zu lesen: „Wir
bei der bisherigen Obergrenze v
ben.“
Soweit ich weiß, hat der Minister diese Frage bereits
ngesprochen und gesagt, dass das in einer Klärung ist.
Diese Frage wurde doch im Verteidigungsausschuss
estellt.
Entschuldigung! Ich will darauf hinweisen, dass da ein
lärungsprozess stattfindet. Ich hoffe, dass wir uns bei
en Informationen, die gegeben sind, nicht in Wortklau-
ereien verlieren, sondern dass es um Fakten geht.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir sind
tzt, was unser Zeitregime angeht, am Ende der Frage-
tunde angelangt. Ich bedanke mich bei allen Beteiligten
r ihre Bemühungen um die Klärung komplizierter
achverhalte.
Wir sind damit zugleich am Ende unserer heutigen
agesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf
orgen, Donnerstag, den 13. Juni, 9 Uhr, ein.
Ich schließe die Sitzung mit allen guten Wünschen für
inen hoffentlich angenehmen Verlauf des verbleibenden
bends.