Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie
herzlich zu unserer Plenarsitzung und rufe gleich den Ta-
gesordnungspunkt 1 auf:
– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über den Umfang der Personensorge bei einer
Beschneidung des männlichen Kindes
– Drucksache 17/11295 –
– Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Marlene Rupprecht , Katja
Dörner, Diana Golze und weiteren Abgeordneten
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den
Umfang der Personensorge und die Rechte des
männlichen Kindes bei einer Beschneidung
– Drucksache 17/11430 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses
– Drucksache 17/11800, 17/11814 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Andrea Astrid Voßhoff
Burkhard Lischka
Stephan Thomae
Raju Sharma
Jerzy Montag
Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen
drei Änderungsanträge vor. Über die Gesetzentwürfe
und die drei Änderungsanträge werden wir später na-
mentlich abstimmen. Wir werden also voraussichtlich
fünf namentliche Abstimmungen am Schluss der Aus-
sprache durchführen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu
keinen Widerspruch. Dann haben wir das so vereinbart.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst dem Kollegen Stephan Thomae für die FDP-
Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen!
Verehrte Kollegen! Bundestag und Bundesregierung hat-
ten in einem sehr sachlichen, sehr respektvollen und sehr
ernsthaften Verfahren eine schwierige Frage zu meistern.
Ich möchte zunächst allen Kolleginnen und allen Kolle-
gen Dank und Respekt aussprechen, die derart konstruk-
tiv an diesem Verfahren mitgewirkt haben.
Die Beschneidung von Knaben rührt an drei delikate
Tabuthemen. Zum Ersten geht es um das Wohl von Kin-
dern. Zu Recht gibt es einen Konsens in unserer Gesell-
schaft, dass Kinder, die sich nicht selbst schützen und
nicht für sich selbst sprechen können, Anspruch auf den
Schutz durch staatliche Gewalt haben.
Zum Zweiten geht es um die religiösen Gefühle von
Menschen und um den Schutz religiöser Minderheiten.
Über die Religionsfreiheit gibt es in unserer Gesellschaft
keinen derartigen Konsens mehr. Viele Menschen in
Deutschland stehen der Religion gleichgültig, manche
ablehnend und einige sogar feindselig gegenüber.
Zum Dritten stehen Menschen jüdischen Glaubens im
Mittelpunkt der Diskussion, und damit geht es auch um
ein Stück deutscher Geschichte, bei dem in Deutschland
zu Recht weiterhin der Konsens besteht, dass diese Ge-
schichte unser Tun in die Pflicht nimmt. Die Zurückhal-
tung, bestimmte Dinge nicht einmal zu sagen oder auch
nur zu denken, ist in Deutschland in Bewegung geraten.
In der Mitte dieses Kräftedreiecks stehen der Deut-
sche Bundestag und die Bundesregierung. Auch ich
stand schon einmal hier, um den Gesetzentwurf der Bun-
desregierung, der im Auftrag dieses Parlaments entstan-
den ist, zu vertreten. Heute will ich mich in meinem
zweiten Beitrag zu dem Alternativentwurf und zu den
Änderungsanträgen äußern.
26074 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Stephan Thomae
(C)
(B)
Der Alternativentwurf aus den Federn der Kollegin-
nen Dörner und Rupprecht will die Beschneidung erst ab
dem 14. Lebensjahr des Knaben erlauben. Darin erblicke
ich zwei Probleme. Erstens verlagert dieser Entwurf den
frühesten Zeitpunkt einer Beschneidung in eine Lebens-
phase erwachender oder erwachter Sexualität eines Jun-
gen, in der nach ärztlicher Expertise nicht nur die opera-
tiven Wunden langsamer verheilen als bei einem
Säugling oder einem Kleinkind. Man erlegt auch die
durchaus unvermeidlich schwierige Entscheidung, die-
sen immerhin nicht zu vernachlässigenden Eingriff an
sich vornehmen zu lassen oder ihn abzulehnen mit der
Konsequenz, dass man aus der Religionsgemeinschaft
seiner Eltern, seiner Familie ausgeschlossen bleibt und
an der kulturellen Identität seines eigenen Volkes jeden-
falls nicht ganz und gar teilhaben kann, einem Jungen in
seiner Pubertät auf. Und das ist kein kluger Weg.
Zweitens löst dieser Alternativentwurf nicht den Kon-
flikt, den zu lösen doch unsere Aufgabe als Gesetzgeber
ist, nämlich Eltern jüdischen Glaubens einen Weg freizu-
halten – der übrigens in allen Ländern der Welt und auch
immer in der deutschen Geschichte freigehalten war –,
ihre neugeborenen Söhne gemäß jahrtausendealter Tra-
dition beschneiden zu lassen, ohne sich dabei strafbar zu
machen. Dies gelingt dem Alternativentwurf nicht. Es
gelingt aber dem Regierungsentwurf, der deshalb dem
Alternativentwurf vorzuziehen ist.
Zu dem Regierungsentwurf stehen drei Änderungsan-
träge zur Abstimmung. Der Änderungsantrag, den die
SPD-Kolleginnen und -Kollegen Lambrecht und
Lischka verantworten, hat zweierlei zum Inhalt: Zum ei-
nen zielt er auf eine Evaluierung des Gesetzes nach Ab-
lauf von fünf Jahren. Damit soll sicher auch Zweiflern
eine Zustimmung erleichtert werden, denn gemäß die-
sem Antrag kann man nach fünf Jahren noch einmal über
alles nachdenken und das Thema noch einmal aufrollen.
Wir sollten jedoch den Mut haben, heute eine ab-
schließende Regelung zu finden. Die Vertagung auf ei-
nen Zeitpunkt in der Zukunft weicht davor zurück.
Herr Kollege Thomae, darf der Kollege Kilic Ihnen
eine Zwischenfrage stellen?
Selbstverständlich, Herr Kollege Kilic, gerne.
Vielen Dank, Herr Kollege Thomae. – Sie haben den
alternativen Gesetzentwurf „unklug“ genannt. Was fin-
den Sie am Regierungsentwurf so klug, wenn ein Säug-
ling in einem medizinisch hochentwickelten Land ohne
Arzt, ohne Krankenhaus, ohne entsprechende Betäubung
beschnitten werden soll? Ist das aus Ihrer Sicht klug?
Herr Kollege Kilic, vielen Dank für diese Zwischen-
frage, mit der ich mich zum Teil schon in meiner ersten
Rede befasst habe. Der Regierungsentwurf erlaubt reli-
giösen Beschneidern, innerhalb einer bestimmten Zeit,
nämlich in den ersten sechs Monaten nach der Geburt,
die Beschneidung vorzunehmen. Nun schwebt uns viel-
leicht manchmal vor, dass es sich bei diesen Beschnei-
dern um Menschen handelt, die eigentlich Geistliche
sind, Theologen, Rabbiner, in der christlichen Version so
etwas wie der Dorfpfarrer. Wir müssen aber von der Vor-
stellung Abschied nehmen, dass es sich dabei um reine
Geistliche handelt, die lediglich für die Seelsorge zu-
ständig sind, aber von der Beschneidung eines Kindes
– also einem medizinischen Eingriff – keine Ahnung ha-
ben.
In Deutschland sind, Herr Kollege Kilic, fünf Be-
schneider jüdischer Konfession tätig, die alle eine medi-
zinische Qualifikation besitzen, die es ihnen erlaubt, die-
sen Eingriff medizinisch qualifiziert vorzunehmen;
zudem haben sie eine lange berufliche Erfahrung.
Deswegen glaube ich, dass wir gut daran tun, solchen
Beschneidern, die vielleicht nicht so wie andere Ärzte
am offenen Herzen oder Knochenbrüche operieren kön-
nen, die aber insgesamt viel Erfahrung besitzen und sehr
wohl in der Lage sind, diesen spezifischen Eingriff vor-
zunehmen, diese Maßnahme zu erlauben.
Erlauben Sie mir, zu dem Änderungsantrag der Kolle-
gen Lischka und Lambrecht zurückzukehren, der des
Weiteren verlangt, die medizinische Ausbildung nicht-
ärztlicher Beschneider durch Rechtsverordnung zu re-
geln. Das ist genau das, wonach Kollege Kilic gefragt
hat. Daraus spricht ein gewisses Misstrauen dahin ge-
hend, dass die Glaubensgemeinschaften nicht selbst da-
für Sorge tragen könnten, inwieweit die Beschneider
diesen medizinischen Eingriff vornehmen können. Wie
ich jedoch gerade ausgeführt habe, ist dem nicht so.
Diese Rabbiner sind zum Teil selber Ärzte, die mit der
Durchführung dieser Maßnahme Erfahrung haben und
diesen Eingriff qualifizierter vornehmen können als
viele andere Mediziner in Deutschland. Deswegen halte
ich diesen Änderungsantrag für nicht stichhaltig.
Die anderen Änderungsanträge befassen sich mit der
Frage der Sechsmonatsfrist, innerhalb derer der Eingriff
auch von einem anderen als einem Arzt vorgenommen
werden kann. Damit aber eröffnen diese beiden Ände-
rungsanträge wiederum das Problem in jenen Fällen, in
denen die Beschneidung zum Beispiel wegen einer Früh-
geburt oder einer nachgeburtlichen Gelbsucht erst einige
Monate nach der Geburt vorgenommen werden kann.
Der Regierungsentwurf orientiert sich hier an einer in Is-
rael geübten Praxis; er verschafft auch in solchen Fällen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26075
Stephan Thomae
(C)
(B)
Rechtssicherheit. Eltern können sich also in einer
schwierigen Situation an der israelischen Praxis orientie-
ren.
Die Änderungsanträge rücken einen Nebenpunkt,
nämlich die Frage der zeitlichen Fristen, unnötig in den
Mittelpunkt. Denn der Zeitraum, innerhalb dessen eine
Beschneidung durch einen nichtärztlichen Beschneider
zulässig ist, ist für den Schutz des Kindes eigentlich von
geringerer Bedeutung als ein anderer Punkt im Regie-
rungsentwurf: die gesetzliche Maßgabe, dass die Be-
schneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorge-
nommen werden muss und der religiöse Beschneider bei
Vornahme des Eingriffs eine Qualifikation aufweisen
muss, die mit der Qualifikation des Arztes vergleichbar
ist. Diese Bestimmung sorgt für den eigentlichen Kin-
desschutz. Denn die Regeln der ärztlichen Kunst sind
nicht der freien Auslegung zugänglich. Die Regeln der
ärztlichen Kunst können nicht das eine Mal streng und
ein anderes Mal lockerer ausgelegt werden. Die Regeln
der ärztlichen Kunst sind das Maß der Dinge. Sie sind
der höchste Standard – bei der Qualifikation, bei der
Aufklärung, bei der Dokumentation, bei der Durchfüh-
rung und bei der Nachsorge.
Insofern bringt der Regierungsentwurf nach Abwä-
gung aller Gesichtspunkte die berührten Grundrechte
von Kindern, Eltern und Glaubensgemeinschaft in den
besten Ausgleich. Deswegen empfehle ich, diesen Re-
gierungsentwurf heute ohne Änderungen anzunehmen.
Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Frank-Walter
Steinmeier für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wer in den letzten Wochen in den jüdischen und musli-
mischen Gemeinden unterwegs war, der wird Verun-
sicherung gespürt haben. Insofern weiß jeder, dass eine
gesetzliche Regelung zur Beschneidung jedenfalls zur
Wiederherstellung von Rechtssicherheit zwingend erfor-
derlich ist, eine Regelung, die unseren jüdischen und
muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus mei-
ner Sicht die Aufrechterhaltung eines Ritus erlauben
sollte, der für die Ausübung ihrer Religion unverzichtbar
ist. Ich finde, der Regierungsentwurf orientiert sich an
diesem Ziel; das will ich ausdrücklich einräumen. Inso-
weit ist er gut. Aber, meine sehr verehrten Damen und
Herren aus der Koalition, Sie hätten vielen – und ich
glaube, nicht nur aus der Opposition – die Zustimmung
einfacher gemacht, wenn Sie an einigen Punkten we-
nigstens die Bereitschaft zur Diskussion gezeigt hätten.
Wir haben einige wenige, aber sinnvolle Verbesse-
rungsvorschläge vorgelegt. Es wäre klug gewesen, im
Rechtsausschuss wenigstens eine Verständigung über
eine Rechtsverordnungsermächtigung hinzubekommen,
mit der später zum Beispiel Aufklärungspflichten und
Qualifikationsanforderungen an die Beschneider präzi-
ser hätten geregelt werden können. Auch den Zeitraum,
in dem religiöse Beschneider den Eingriff vornehmen
können, hätten wir vernünftig und – da bin ich mir sicher –
ohne Verletzung irgendwelcher religiöser Pflichten re-
geln können.
Das sind Vorschläge, meine Damen und Herren, die im-
merhin in Übereinstimmung mit dem Votum des Deut-
schen Ethikrates formuliert worden sind. Deshalb er-
staunt mich schon, dass Sie in einer derart sensiblen
Frage nicht mehr Wert auf eine aus meiner Sicht erreich-
bare gemeinsame Lösung gelegt haben.
Ganz unabhängig von dieser Kritik kann ich mir aller-
dings nicht vorstellen, dass wir hier in diesem Hause im
Streit um die eine oder andere Ergänzung des Regie-
rungsentwurfs am Ende zu einem Votum kommen, das
den Ritus religiöser Beschneidungen gesetzlich aufhebt,
strafrechtlich sanktioniert oder aber von entsprechenden
Voraussetzungen abhängig macht und das faktisch Mos-
lems und Juden ein Leben in Übereinstimmung mit ihren
religiösen Grundregeln in unserem Land unmöglich
macht.
Mit Blick auf die Tragweite der heutigen Entschei-
dung, mit Blick auf eine drohende Veränderung der Le-
bensumstände derjenigen, die wir eingeladen haben, mit
uns zu leben und hier zu arbeiten, und erst recht derjeni-
gen, die wir in Kenntnis ihrer religiösen Rituale aufge-
fordert und ermutigt haben, jüdisches Leben in Deutsch-
land wiederzubegründen, mit Blick auf all das, meine
Damen und Herren, dürfen Kritik und Verärgerung aus
meiner Sicht nicht ausreichen, um in diesem Hause ein
klares, breites und notwendiges Votum für den Fortbe-
stand religiöser Beschneidung zu verhindern.
Ich unterstelle: Niemand von uns, auch ich nicht,
macht sich die Entscheidung einfach; denn worüber wir
entscheiden, das ist ebenso anspruchsvoll wie emotional.
Die Beschneidung rührt für viele am Kern der religiösen
Identität, für andere am Kern ihrer säkularen, vielleicht
auch agnostischen Überzeugungen.
So haben das in den letzten Monaten auch viele erfah-
ren. Die E-Mails, die uns zugegangen sind, sind nicht
nur zahlreich; sie sind in einem hohen Maße auch völlig
26076 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Dr. Frank-Walter Steinmeier
(C)
(B)
unerfreulich. Da werden Befürworter einer gesetzlichen
Regelung als Kinderschänder beschimpft; Gegner der
Beschneidung werden dem Verdacht ausgesetzt, anti-
semitisch zu sein. Beide Vorwürfe sind völlig unange-
messen.
So schwarz und weiß, wie uns das aus den Briefen
oder E-Mails entgegenspringt, ist die Frage eben nicht.
Im Grundgesetz ist das Kindeswohl zu Recht als hoher
Wert definiert. Aber die ganze Wahrheit ist: Es steht
eben nicht allein, sondern auf gleicher Ebene mit elterli-
cher Sorge, Religionsfreiheit und Freiheit der Religions-
ausübung. Das sind Rechtsgüter desselben verfassungs-
rechtlichen Ranges. Deshalb – das will ich begründen –
trägt für mich folgende Argumentation nicht: Ich bin für
das Kindeswohl, und deshalb bin ich automatisch gegen
Beschneidung. – Kindeswohl ist auch körperliche Un-
versehrtheit. Es erschöpft sich aber eben nicht darin,
sondern es geht auch um Werte, Sicherheit und Identität.
Kindeswohl bedeutet auch Zugehörigkeit. Deshalb
wehre ich mich dagegen, einen Ritus, der für einen Teil
unserer Mitbürger nun einmal zum Kern ihrer Identität,
zum Kern ihrer Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft ge-
hört, per se als kindeswohlfeindlich abzustempeln.
Ich finde es richtig, wenn Juden und Muslime disku-
tieren, ob bei der Beschneidung alles Notwendige getan
wird, um Schmerzen und Beeinträchtigungen für das
Kind zu vermeiden, um für sein Wohl und in seinem
Sinne zu handeln. Aber aus meiner Erfahrung weiß ich:
Das findet doch statt, und nicht mit weniger Sorge als in
anderen Familien. Es ist doch gegen jede unserer Erfah-
rungen, dass das Kindeswohl in jüdischen und muslimi-
schen Familien eine geringere Rolle spielt als in christli-
chen oder säkularen Familien.
Offen gesagt – das zum Schluss –: Ich fühle mich aus-
gesprochen unwohl mit der Vorstellung, dass ausgerech-
net wir Deutsche unseren jüdischen Mitbürgern beibrin-
gen, was Inhalt von Lebensschutz und Kindeswohl ist.
Dasselbe gilt für Muslime. Ich fände es sogar unerträg-
lich, wenn wir das erste Land in Europa wären, das
nichtärztliche oder ärztliche jüdische Beschneider mit
dem Staatsanwalt verfolgt und mit Strafrecht sanktio-
niert, und das ab morgen, nach mehreren Tausend Jahren
Geschichte.
Ich vertraue auf die aktuellen und weiterführenden
Diskurse in den Religionsgemeinschaften. Für mich
bleibt das Prinzip der religiösen Toleranz ein Kern vom
großen Erbe der europäischen Aufklärung.
Vielen Dank.
Andrea Voßhoff ist die nächste Rednerin für die
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Kollege Steinmeier, die Kritik, die Sie am Anfang
Ihrer Rede geäußert haben, kann ich so nicht stehen
lassen. Zumindest nach meinem Kenntnisstand ist auf
politischer Ebene sehr wohl das Gespräch angeboten
worden. Was die fachlich-inhaltliche Auseinanderset-
zung mit den Änderungsanträgen angeht – die von einer
Vielzahl aus Ihren Reihen kommt –: Wir haben im
Rechtsausschuss – Sie hätten dabei sein müssen, dann
hätten Sie es auch gemerkt – inhaltlich sehr intensiv und
sehr ausführlich diskutiert. So gesehen ist die Kritik
nicht berechtigt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir schließen heute
ein Gesetzgebungsvorhaben ab, das nicht in die Katego-
rie des politischen Alltagsgeschäfts passt, bei dem wir
üblicherweise in einem Diskurs politisch unterschied-
liche Grundauffassungen vorbringen und dann miteinan-
der bzw. gegeneinander entscheiden. Unsere heutige
Debatte bewegt sich in einer anderen Dimension. Mit
dem Urteil des Landgerichts Köln wurde eine öffentliche
Diskussion über das Für und Wider der religiös moti-
vierten Beschneidung männlicher Kinder ausgelöst, die
vor allem – das ist hier schon gesagt worden – in jüdi-
schen und muslimischen Glaubensgemeinschaften für
erhebliche Verunsicherung gesorgt hat. Bei manchen hat
sie sogar die Frage aufgeworfen, ob insbesondere jüdi-
sches Leben bei uns noch erwünscht ist. In einer Zeit, in
der wir uns darüber freuen, dass jüdisches Leben in
Deutschland zunehmend wieder selbstverständlich wird,
ist das ein, wie ich finde, untragbarer Zustand.
Natürlich stand jeder von uns plötzlich vor der Frage:
Wie gehen wir damit um, mit einem jahrtausendealten
religiösen Ritual, das in Deutschland bisher zwar erlaubt
war, aber in unserer immer säkularer werdenden Welt
doch sehr fremd erscheint, mit einer Tradition, die durch
das Urteil des Landgerichts Köln infrage gestellt wurde,
was eine öffentliche Diskussion ausgelöst hat, deren
Tonlage uns manchmal erschrecken musste? Ich hätte
mir gewünscht, wir hätten das Urteil eines Landgerichts
als das nehmen können, was es ist, nämlich als Einzelfall-
entscheidung eines Gerichts ohne Bindungswirkung
über den konkreten Fall hinaus.
Wir konnten das aus bekannten Gründen nicht. Ich bin
daher der Mehrheit dieses Hohen Hauses außerordent-
lich dankbar, dass wir mit dem im Juli dieses Jahres
beschlossenen Entschließungsantrag schnell und un-
missverständlich deutlich gemacht haben, dass das, was
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26077
Andrea Astrid Voßhoff
(C)
(B)
bisher in Deutschland rechtlich zulässig war, auch wei-
terhin rechtlich zulässig sein soll.
Wir alle haben uns mit dem Thema intensiv auseinan-
dergesetzt – jeder von Ihnen weiß das –; wir haben
Gespräche geführt, Studien und E-Mails gelesen, und
zwar noch intensiver als sonst üblich. Ich persönlich
habe in der Zeit viel über die muslimische und die jüdi-
sche Religion und die Beschneidung erfahren. Ich bin
dankbar für die Informationen, die ich in diesem Zusam-
menhang erhalten habe. Das Ritual der Beschneidung
mag vielen von uns nach wie vor fremd bleiben; aber ich
bekenne auch, dass ich mit Respekt erfahren habe, von
welch elementarer Bedeutung das sichtbare Zeichen der
Beschneidung für die jüdische und die muslimische
Religionsgemeinschaft ist.
Unsere Aufgabe im Lichte einer hektischen und teil-
weise irrlichternden öffentlichen Diskussion ist es nun,
die Frage zu beantworten: Passt ein solches sichtbares
Zeichen der Religionszugehörigkeit – und das ist die
Beschneidung – weiterhin in unsere Rechtsordnung, in
unsere Verfassung, die insbesondere auch die Religion
und deren Riten schützt, wenn auch selbstverständlich
nicht grenzenlos? Ja, ich bin der Auffassung, es passt
auch weiterhin.
Bin ich durch meine religiöse Bindung vielleicht vor-
eingenommen? Meine religiöse Erziehung, meine mir
von meinen Eltern ungefragt und ohne staatliche Einmi-
schung gegebenen Wurzeln – meine religiöse Bindung,
die sie mir mit auf den Weg gegeben haben – waren und
sind für mich das wertvollste Rüstzeug meines Lebens,
und ich bin dankbar dafür. Ich respektiere, wenn viele
andere in ihrem Leben ohne religiöse Bindung und damit
ohne die zugehörigen Riten und Symbole auskommen.
Sind sie auch voreingenommen, weil ihnen religiöse
Riten in Gänze fremd sind? Sicher nicht. Auch hier gilt:
Vielfalt und Toleranz machen uns aus und verpflichten
uns zur gegenseitigen Anerkennung.
Auch darum geht es bei dem heute anstehenden
Gesetzesvorhaben. Gerade der Gesetzgeber hat dies in
besonderer Weise zu berücksichtigen. Das hätte ich mir
– es sei mir erlaubt, dies zu sagen – auch vom Land-
gericht Köln gewünscht.
Aber der Gesetzgeber hat ebenso einen möglichst unver-
stellten Blick darauf zu werfen, was unsere Verfassung,
was unsere Rechtsordnung zulässt. Er hat einen unver-
stellten Blick darauf zu werfen, ob insbesondere und
gerade das Kindeswohl, das Recht auf körperliche
Unversehrtheit, das elterliche Sorgerecht und die Reli-
gionsfreiheit im Einklang stehen. Ich denke, das haben
wir in diesem Haus in mehreren Debatten in den Aus-
schüssen und in einer umfassenden Anhörung des
Rechtsausschusses miteinander getan, auch wenn wir
heute zu differenzierten Ergebnissen kommen.
Zwei Gesetzentwürfe – das ist gesagt worden – liegen
heute neben diversen Änderungsanträgen zur Abstim-
mung vor. Auch wenn ich dem Gesetzentwurf einer
Gruppe von Kolleginnen und Kollegen nicht zustimmen
kann, die die Beschneidung von Jungen erst ab dem
14. Lebensjahr unter bestimmten Voraussetzungen erlau-
ben wollen und damit inzidenter das Verbot einer früher
durchgeführten Beschneidung mit strafrechtlichen Kon-
sequenzen in Kauf nehmen, weiß ich aus den geführten
Diskussionen, dass dieser Gesetzentwurf nicht gegen jü-
disches und muslimisches Leben in Deutschland gerich-
tet ist. Ich achte auch die Motive der Initiatoren, die die
Kindeswohlbelange in ihrem Sinne interpretieren. Ich
lege aber auch und besonders Wert auf die Feststellung,
dass diejenigen, die dem Gesetzentwurf der Bundesre-
gierung heute zustimmen werden, weder einer Verharm-
losung des Eingriffs der Beschneidung das Wort reden
noch das Kindeswohl unzureichend im Blick haben.
Dies vorausgeschickt sage ich: Der Gruppen-
gesetzentwurf, der Beschneidung erst ab dem 14. Le-
bensjahr erlauben will, ist insbesondere abzulehnen, weil
er verfassungsrechtlich bedenklich ist. Das hat uns die
Mehrzahl der Sachverständigen in der Anhörung deut-
lich gemacht. Er könnte einen Verstoß gegen Art. 6 des
Grundgesetzes beinhalten. Unsere Verfassung vertraut in
Art. 6 die Erziehung der Kinder den Eltern an. Dieses
Elternrecht beruht auf der Vorstellung, dass Eltern in al-
ler Regel das Wohl ihres Kindes mehr am Herzen liegt
als irgendeiner anderen Person oder Institution. Bei aller
Unterschiedlichkeit der Auffassungen und Schlussfolge-
rungen sollten wir aus voller Überzeugung feststellen,
dass jüdische und muslimische Eltern natürlich genau
dieses Wohl der Kinder am Herzen liegt.
Für den Begriff des Kindeswohls ist nach unserem
geltenden Familienrecht daher wesentlich, dass die
Eltern seinen konkreten Inhalt bestimmen, dass sie ent-
scheiden, was nach ihrem Verständnis dem Kindeswohl
dienlich ist. Eine grundgesetzliche Schutzpflicht des
Staates gegenüber dem Kind ergibt sich nur dort, wo die
von den Eltern getroffenen Entscheidungen klar und ein-
deutig nicht mehr mit dem Kindeswohl vereinbar sind,
wenn also das Kindeswohl gefährdet ist. Diese Grenze
ist bei einem medizinisch nicht indizierten Eingriff in die
körperliche Unversehrtheit, also bei einem Eingriff in
die in Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes genannten
Rechte, nicht automatisch überschritten. Das Wohl des
Kindes –
Frau Voßhoff, darf Frau Griese eine Zwischenfrage
stellen?
– gerne, ja – lässt sich nicht nur biologisch definieren,
sondern es bezieht sich auf die gesamte persönliche Ent-
wicklung. – Ich wollte zumindest den Satz beenden.
Ich habe Sie den Satz gerne zu Ende sprechen lassen. –
Liebe Frau Kollegin Voßhoff, Sie haben auf die Anhö-
26078 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Kerstin Griese
(C)
(B)
rung verwiesen und gesagt, dass wir dort vieles gelernt
haben. Der Kollege Steinmeier hat auch schon appelliert,
dass es gut wäre, Anregungen aus diesen parlamentari-
schen Beratungen aufzunehmen. Deshalb will ich Sie
ganz konkret etwas fragen, auch vor dem Hintergrund,
dass die Kollegin Dr. Reimann und ich einen Ände-
rungsantrag eingebracht haben, in dem wir fordern, die
Frist, innerhalb der speziell ausgebildete Menschen, die
nicht Ärzte sind, die Beschneidung vornehmen dürfen,
auf zwei Monate zu setzen.
Ich stelle meine Frage, weil der Sachverständige Pro-
fessor Graf, der Leiter des Jüdischen Krankenhauses, in
der Anhörung des Rechtsausschusses ausdrücklich ge-
sagt hat, die Frist von sechs Monaten sei zu lang; eine
solche Frist sei nicht notwendig. Auch Professor
Hakenberg, Leiter der Urologischen Universitätsklinik
in Rostock, hat gesagt, eine Frist von sechs Monaten sei
zu lang. Ich erinnere daran, dass Professor Willutzki, der
Familienrechtler, der am Gesetzentwurf mitgewirkt hat,
ebenfalls gesagt hat, dass es für die Festlegung auf sechs
Monate keine Begründung gibt. Wir haben im Aus-
schuss darüber diskutiert. Vonseiten des BMJ ist einge-
standen worden, dass dies eine willkürlich gegriffene
Zahl ist.
Nun haben wir mit unserem Vorschlag versucht, einen
Weg zu finden, der einerseits die Idee des Kollegen
Montag, die Frist zu verkürzen, aufgreift, andererseits
aber auch unserer Auffassung, dass 14 Tage ein sehr kur-
zer Zeitraum ist, gerecht wird. Deshalb haben wir zwei
Monate vorgeschlagen. In dieser Zeit soll die jüdische
Beschneidung von Mohalim vorgenommen werden kön-
nen.
Ich appelliere an Sie, diese Anregung aus der Anhö-
rung aufzunehmen. Uns würde es dann leichter fallen,
dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zuzustimmen.
Ich glaube, diese Frist festzulegen, ist auch in der Sache
richtig. Denn uns haben die Medizinerinnen und Medizi-
ner gesagt: Wenn nicht am achten Tag, wie es in der
jüdischen Religion notwendig ist, oder ein paar Tage
später, wenn zum Beispiel Gelbsucht bestand, beschnit-
ten wird, dann sollte man lieber bis zu etwa einem Jahr
warten und dann unter Vollnarkose beschneiden. Des-
halb frage ich: Können Sie sich diesem Ansinnen an-
schließen?
Frau Kollegin Griese, ich will Ihnen gern darauf ant-
worten.
Wir haben ja auch schon im Rechtsausschuss darüber
gesprochen. Auf eine ähnliche Frage eines Kollegen der
Grünen hat auch schon Herr Thomae geantwortet. Man
kann natürlich über die Festlegung der Frist diskutieren.
Das haben wir selbstverständlich zugestanden. Aber bei
dieser Forderung kommt eines nicht deutlich zum Aus-
druck – das muss man auch einmal sagen –: Wir legen ja
gerade im zweiten Absatz in der Ausnahmeregelung
fest, dass die Mohalim es vergleichbar den Regeln der
ärztlichen Kunst tun müssen. Das heißt, all diese Krite-
rien sind von den Mohalim zu berücksichtigen, Frau
Kollegin Griese. Deshalb haben wir gesagt, dass diese
Frist von sechs Monaten vertretbar ist.
Der Gruppengesetzentwurf sieht vor, die Beschnei-
dung erst ab dem 14. Lebensjahr zuzulassen. Dies wäre
ein staatliches Verbot, und dies wäre – ich habe das vor-
hin schon ausgeführt – ein nicht gerechtfertigter Eingriff
in die elterliche Sorge. Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Sie diesen Gesetzentwurf unterstützen, er würde
Eltern, die ihrem Kind weiterhin die Religionszugehö-
rigkeit zugestehen wollen, dazu zwingen, ins Ausland zu
gehen. Sie laufen Gefahr, die Eltern zu kriminalisieren.
Das kann doch nicht ernsthaft gewollt sein.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der Ge-
setzentwurf der Bundesregierung eine, wie ich finde,
gute und tragfähige Lösung. Ich wiederhole gerne, was
ich im Rechtsausschuss gesagt habe: Ich bin dem Bun-
desjustizministerium außerordentlich dankbar, Frau
Ministerin, dass man gerade bei der Gesetzesbegrün-
dung sehr ausführlich war und sehr viel Wert darauf ge-
legt hat, alle infrage kommenden Faktoren sowie mit-
einander kollidierenden Rechte in Abwägung zu bringen
und dann zu einem Ergebnis zu kommen, von dem ich
meine, dass es verantwortbar ist. Ich hoffe, dass dieses
Ergebnis heute eine große Mehrheit finden wird.
Wir setzen die Voraussetzungen für die künftige Be-
schneidung dahin gehend, dass sie nach den Regeln der
ärztlichen Kunst durchgeführt werden muss, das heißt
fachgerecht, hygienisch einwandfrei und natürlich auch
mit der im Einzelfall notwendigen Schmerzbehandlung.
Ich hätte hier eigentlich noch Ausführungen zur Frist
gemacht; zu diesem Bereich habe ich aber bereits im Zu-
sammenhang mit der Beantwortung der Frage der Kolle-
gin Griese etwas gesagt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde mich
freuen – auch im Interesse der jüdischen und muslimi-
schen Glaubensgemeinschaften, die verunsichert sind –,
wenn wir heute diesen Gesetzentwurf mit großer Mehr-
heit und im Ergebnis ohne Änderung beschließen.
Vielen Dank.
Für die Fraktion Die Linke erhält nun die Kollegin
Diana Golze das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und
Kollegen! Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentral-
rats der Juden in Deutschland, hat vor einigen Wochen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26079
Diana Golze
(C)
(B)
ein, wie ich finde, sehr wichtiges Interview gegeben. Er
hat darin gesagt – ich zitiere –:
Wir müssen auch begründen, wie wir rechtfertigen,
dass die körperliche Züchtigung eines Kindes – zu
Recht – verboten ist, aber ihm ein Stück von der
Vorhaut abzuschneiden soll in Ordnung sein.
Genau zu diesen Rechtfertigungen, zu diesen Grün-
den, die dafür sprechen, haben wir uns in den letzten
Wochen intensiv ausgetauscht, auch in der Anhörung im
Rechtsausschuss. Ich möchte einige der Themen, die
dort angesprochen worden sind, noch einmal aufgreifen.
Da ist zunächst der Punkt der effektiven Schmerzbe-
handlung. In der Anhörung ist, wie ich finde, sehr deut-
lich geworden, dass die Anwendung der sogenannten
Emla-Salbe, selbst wenn sie durch Schmerzzäpfchen er-
gänzt wird, aus der Sicht der Medizinerinnen und Medi-
ziner absolut unzureichend ist. Ich frage diejenigen, die
sich darüber noch keine Gedanken gemacht haben, ob
sie sich einmal den Beipackzettel der Emla-Salbe ange-
schaut haben. Auf ihm steht – ich zitiere –:
Die Wirksamkeit von Emla bei der Blutentnahme
an der Ferse von Neugeborenen konnte durch Stu-
dien nicht belegt werden.
Sie ist also nicht einmal ausreichend, um die Blutent-
nahme an der Ferse schmerzfrei zu gestalten. Es heißt
dann weiter:
Bei der Beschneidung von Neugeborenen hat sich
die Anwendung … allerdings als unbedenklich er-
wiesen.
Sie ist also unbedenklich, aber nicht effektiv.
Deshalb finde ich, es ist zu wenig, wenn es in der Be-
gründung des Regierungsentwurfs heißt, es könne wie
bisher gehandhabt weitergehen. Ich werde aus diesem
Grund dem Änderungsantrag des Abgeordneten Lischka
und anderer zustimmen, in dem eine Rechtsverordnung
gefordert wird, in der Mindeststandards auch für die
Schmerzbehandlung festgelegt werden.
Professor Graf – er ist Arzt am Jüdischen Kranken-
haus Berlin – hat in der Anhörung gesagt, dass in seinem
Krankenhaus eine Beschneidung mit medizinischer Indi-
kation erst nach dem zweiten Geburtstag des Kindes vor-
genommen wird, genau aus den Gründen, dass erst dann
eine wirklich wirksame Schmerzprävention erfolgen
kann.
Meine Vorrednerinnen haben darauf verwiesen, dass
die Beschneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst
erfolgen soll. Ein Nichtarzt hat gar nicht die gleichen
Möglichkeiten wie ein Arzt: Er darf gar keine wirklich
wirksame Anästhesie vornehmen; das verbietet ihm das
Arzneimittelgesetz. Die Rechtfertigung: „Wir wollen ja
auch, dass die Beschneidung nach den Regeln der ärztli-
chen Kunst vorgenommen wird“, ist also nicht haltbar;
denn Nichtärzte dürfen gar nicht handeln, wie ein Arzt
es darf.
Der Deutsche Ethikrat hat eine qualifizierte Schmerz-
behandlung gefordert. An diesem Punkt bleibt der Ge-
setzentwurf der Bundesregierung deutlich hinter den
Vorgaben des Deutschen Ethikrates zurück.
In meiner Fraktion haben wir sehr sachlich, sehr aus-
führlich, sehr intensiv über dieses Thema debattiert. Wir
haben auch mit einem Betroffenen gesprochen. Er hat
auf die Frage, warum erst jetzt solch eine Diskussion ge-
führt wird und Widerstand aufkommt, gesagt: Bis zum
Urteil des Landgerichts Köln dachte ich, ich wäre allein
auf der Welt mit meinem Schmerz und meiner negativen
Einstellung zur Beschneidung. Auch meine Eltern dach-
ten, sie würden im Sinne des Kindeswohls handeln.
Heute tut es ihnen unendlich leid, aber es ist nicht rück-
gängig zu machen. – Die Betroffenen empfinden den
Gesetzentwurf der Bundesregierung als zweite Entrech-
tung. Sie beginnen nun, sich zu organisieren; es gibt
bereits Petitionen dazu. Ich finde diese Debatte daher
äußerst richtig und wichtig.
Die Debatte zur Beschneidung lief natürlich schon
weit vor dem Kölner Urteil. Vor allem unter Kinder- und
Jugendärzten ist sie geführt worden, aber auch in den
Religionsgemeinschaften selbst, und sie wird auch nach
der heutigen Beschlussfassung weitergehen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, Deutschland hat
eine große Schuld auf sich geladen. Menschenrechte
sind mit Füßen getreten worden. Jüdinnen und Juden,
Muslimen und Angehörigen anderer Religionsgemein-
schaften ist unsägliches Leid zugefügt worden. Ich kann
und will und werde das nie vergessen, ausblenden oder
nicht berücksichtigen. Meine Generation trägt dafür
selbstverständlich die politische Verantwortung. Sie
trägt die politische Verantwortung auch dafür, deutlich
zu machen, dass Menschenrechte in Deutschland heute
zu Recht ein hohes Gut sind, das wir verteidigen müssen.
Wir haben als Gesetzgeber die Verantwortung dafür.
Kinderrechte haben in den letzten Jahrzehnten zum
Glück eine deutliche Aufwertung erfahren. Aber ich
kann mich doch nicht glaubhaft für das Recht des Kindes
auf Schutz, Förderung und Beteiligung sowie für die
Schaffung kindgerechter Lebensverhältnisse einsetzen,
wenn ich gleichzeitig sage: Die Rechte des Kindes hören
dort auf, wo Religion anfängt.
Den Vorwurf, mein Einsatz für Kinderrechte sei nur
vorgeschoben und in Wahrheit steckten antisemitische
oder muslimfeindliche Einstellungen dahinter, weise ich
in aller Deutlichkeit zurück.
Ich bin sehr froh über die sachliche Debatte hier im
Plenum und auch über die kritischen Töne, die zum Bei-
26080 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Diana Golze
(C)
(B)
spiel auch aus dem Zentralrat der Juden gekommen sind
und zum Ausdruck bringen, dass die Argumente des
Kinderschutzes sehr ernst genommen werden.
Ich wünsche den jungen Männern, die schon jetzt da-
von betroffen sind, dass sie den Mut finden, sich anderen
anzuvertrauen und ihre Einschätzungen über das, was
mit ihnen geschehen ist, öffentlich zu machen. Ich wün-
sche ihnen die Kraft, die Debatte in die Gesellschaft zu
tragen, vor allem in ihre Religionsgemeinschaften. Den
zukünftigen Eltern wünsche ich die Chance, für ihre
Kinder anders entscheiden zu dürfen, auch wenn der Ge-
setzentwurf der Bundesregierung heute eine Mehrheit
findet.
Vielen Dank.
Das Wort erhält nun die Kollegin Renate Künast,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will
über Zweifel reden. Viele draußen und auch viele in mei-
ner Fraktion haben gefragt: Müssen wir das denn regeln?
Ist das nach vielen Jahrzehnten, in denen Muslime und
Juden in diesem Land Beschneidungen vorgenommen
haben, eigentlich notwendig? – Ich kann an dieser Stelle
nur sagen: Ja, wir müssen. Ich glaube, wir müssen das
sogar sehr klar regeln. Warum? Wir als Deutscher Bun-
destag sind der Gesetzgeber, und uns obliegt es, den An-
forderungen des Strafrechts gerecht zu werden.
Das Strafrecht enthält nämlich ein Bestimmtheitsge-
bot, wonach das, was dort steht, tatsächlich so bestimmt
und klar sein muss, dass die Menschen in ihrem Alltag
damit umgehen können. Hier sind wir gefordert: Es
muss so klar formuliert sein, dass die Tragweite, die
Ausnahmen und der Anwendungsbereich der Normen
für die Adressaten klar sind.
Manche sagen jetzt: Es ging doch lange anders. Nie-
mand wurde bestraft, außer jetzt in Köln, wo eine Ent-
scheidung rechtskräftig gefällt und von einem unver-
meidbaren Verbotsirrtum gesprochen wurde. – Ich sage
Ihnen aber: Das wird in Zukunft nicht mehr so sein. Des-
halb kommen wir um eine Entscheidung in diesem
Hause nicht herum.
Es wird nicht mehr so sein, weil sich der nächste Richter
eben nicht mehr auf einen unvermeidbaren Verbotsirr-
tum der einwilligenden Eltern beziehen kann. Insofern
haben wir als Gesetzgeber jetzt die Aufgabe, für Klarheit
zu sorgen.
Manche haben gefragt: Können wir nicht ein Morato-
rium machen? – Ich habe auch darüber nachgedacht. Das
Problem ist: Es geht hier um die körperliche Unversehrt-
heit, das elterliche Erziehungsrecht und die Religions-
freiheit. Diese drei im Grundrechtsteil des Grundgeset-
zes normierten Bereiche können nicht einfach einem
Moratorium unterworfen werden. Denn 365 Tage im
Jahr müssen Menschen Entscheidungen treffen. Also
sind wir jetzt an der Stelle, an der wir zu einem Ergebnis
kommen müssen.
Ich gebe für mich als Abgeordnete ganz persönlich
zu, dass ich am Anfang des Sommers nach der Gerichts-
entscheidung sehr schnell und klar gesagt habe: Ich
möchte mit Ja stimmen. – Dann kamen mir nach vielen
Veranstaltungen und Diskussionen Zweifel. Ich habe
Veranstaltungen mit vielen Jüdinnen und Juden besucht,
bei denen Menschen in scharfer Form gesagt haben: Das
habt nicht ihr zu entscheiden. Das regeln wir, das ist
Ausübung der Religionsfreiheit. – Ich habe darauf geant-
wortet: Doch, wir müssen das entscheiden; denn der Tat-
bestand der Körperverletzung ist erfüllt.
Ich habe Debatten über die elterliche Sorge und die
Frage erlebt, was Eltern dürfen und was nicht, auch De-
batten über die Frage, was Eltern als Treuhänder des
Kindes – das Kind darf ja nicht selbst entscheiden – dür-
fen. Bei der elterlichen Sorge und bei der elterlichen Er-
ziehung geht es um eine treuhänderische Aufgabe im
Sinne des Kindeswohls. Was dürfen die Eltern, was dür-
fen sie nicht? Ich habe viele Diskussionen über diese
Frage mitgemacht und Zweifel erlebt. Auch in der De-
batte über Religionsfreiheit und das Recht der Eltern,
das Kind in ihre Gruppe, in ihre Religionsgemeinschaft
aufzunehmen, ging es hin und her. Zeitweise wurde mit
Blick auf das Judentum und den Holocaust auf die Histo-
rie verwiesen. Auch davon will ich meine Entscheidung
nicht abhängig machen.
Ich sage: Beschneidungen erfüllen den Tatbestand der
Körperverletzung. Jetzt ist die Frage, ob es Rechtferti-
gungsgründe gibt – ähnlich wie im Falle von Notwehr
und Notstand –, aufgrund derer man von einer strafrecht-
lichen Verfolgung absieht.
Für Erwachsene gilt: Jeder und jede entscheidet
selbst, ob er oder sie in einen bestimmten Eingriff ein-
willigt. Für minderjährige Kinder machen das die Eltern.
Mit dieser Einwilligung nehmen die Eltern das Selbstbe-
stimmungsrecht für ihr Kind wahr. In diesem Zusam-
menhang haben manche gesagt: Denkt an das Züchti-
gungsverbot; auch Züchtigungen sind verboten. – Zu
Recht haben Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erzie-
hung; für dieses Recht wurde lange gekämpft. Im Bür-
gerlichen Gesetzbuch steht:
Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen
und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzu-
lässig.
Eine Beschneidung ist aber keine andere entwürdigende
Maßnahme oder eine körperliche Bestrafung. Das hat
mir also nicht weitergeholfen.
Ich komme am Ende zu der Frage, ob Eltern als Treu-
händer ihrer Kinder zu dem Ergebnis kommen können:
Ja, wir willigen in die Beschneidung ein. – Finde ich,
dass das im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit
möglich ist, oder meine ich, dass das ein so großes Un-
recht ist, dass dies ein strafrechtliches Unwerturteil ver-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26081
Renate Künast
(C)
(B)
langt? Auch wenn ich das, was zum Beispiel im Juden-
tum konstitutiv für den Bund mit Gott ist, vielleicht nicht
verstehe, komme ich zu dem Ergebnis: Die möglichen
Folgen will ich nach aller Abwägung, bei allen Zweifeln
und Sorgen nicht haben. Ich will nicht, dass im Normal-
fall nach einer Beschneidung am Ende Polizei, Staatsan-
waltschaft und Gericht stehen.
Deswegen sage ich Ihnen: Die Konsequenz in der
Praxis heißt für mich, Beschneidungen nicht zu krimina-
lisieren. Ich meine, dass Eltern vor dem Hintergrund der
elterlichen Sorge und der Zugehörigkeit zu einer Reli-
gionsgemeinschaft bei gesunden Kindern und bei Ein-
haltung der Hygiene verantwortungsvoll zu dem Ergeb-
nis kommen können, einer Beschneidung zuzustimmen.
Ich würde mir wünschen, die Religion würde sich erneu-
ern. Aber das entscheide nicht ich, sondern das entschei-
det die Religion von innen.
Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu dem Regie-
rungsentwurf. Ich bitte aber auch die Koalitionsfraktio-
nen, kluge Änderungsanträge, die hier gestellt worden
sind, aufzunehmen. Das wäre heute das richtige gesell-
schaftliche Zeichen.
Florian Toncar von der FDP-Fraktion ist der nächste
Redner.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im
Rahmen einer Debatte wie der heutigen sollten wir uns,
so glaube ich, alle miteinander noch einmal klarmachen,
dass eine Beschneidung zumeist nicht irgendeine leicht
verschiebbare Beitrittserklärung zu einer Religion ist,
sondern dass sie für Juden und für viele Muslime konsti-
tutiv ist. Dabei spielt nicht allein die Religionszuge-
hörigkeit eine Rolle, sondern oft auch die soziale Zu-
gehörigkeit, also die Zugehörigkeit zur Familie, zur
Gemeinschaft und zur Volksgruppe. Sie hat eine ganz
hohe Bedeutung, und sie ist nicht leicht verschiebbar
oder beliebig nachholbar.
Die Beschneidung ist Voraussetzung für die Teil-
nahme an vielen religiösen oder gemeinschaftlichen Ver-
anstaltungen und damit natürlich auch ein Stück weit die
Voraussetzung dafür, dass ein Kind in einem von seiner
eigenen Kultur oder Religion geprägten Umfeld unver-
sehrt und gut aufwachsen kann.
Das sollten wir anerkennen, genauso wie wir uns klar-
machen sollten, dass gerade Minderheiten oft ein beson-
ders großes Interesse daran haben, dass die Mehrheit
ihre Traditionen und Gepflogenheiten, mag sie sie auch
nicht immer verstehen, zumindest akzeptiert und auch
möglich macht. Die Verunsicherung – nicht nur in den
jüdischen Gemeinden, sondern oft auch im Ausland –
unter Muslimen oder unter Ärzten war in den letzten
Monaten mit Händen zu greifen.
Das Urteil des Landgerichts Köln und auch einige
Beiträge in der Debatte danach sind von vielen Betroffe-
nen oft auch als Unwerturteil über ihre eigene kulturelle
und religiöse Identität angesehen worden. Das gilt für
die jüdische Gemeinde mit Blick auf die Geschichte der
Juden in Deutschland und in Europa in ganz besonderer
Art und Weise, und es ist gut, dass wir diese Verunsiche-
rung heute beenden, indem wir eine gesetzliche Ent-
scheidung treffen.
Natürlich gibt es auch Diskussionen im Judentum
über den Stellenwert der Tradition der Beschneidung
heute und über die Frage, ob das noch wünschenswert
ist. Wir sollten diese Diskussion der Religionsgruppe
überlassen. Wir sollten ihren Ausgang nicht gesetzgebe-
risch vorwegnehmen, sondern es der Religionsgruppe
überlassen, das zu entscheiden. Vielleicht entscheidet sie
es auch von Fall zu Fall ganz unterschiedlich. Vielleicht
entwickelt sich die Diskussion auch. Aber es ist nicht
Sache des Gesetzgebers, einer solchen Diskussion vor-
zugreifen.
Wir haben im Falle der Beschneidung aus religiösen
Gründen mehrere Grundrechte auszugleichen, nämlich
die Glaubensfreiheit nach Art. 4 Grundgesetz, das Recht
bzw. die Pflicht der Eltern auf bzw. zur Erziehung der ei-
genen Kinder nach Art. 6 sowie die körperliche Unver-
sehrtheit des Kindes nach Art. 2. Das Grundgesetz ver-
langt von uns, dass wir diese drei Grundrechte so in
Ausgleich bringen, dass von jedem Grundrecht mög-
lichst viel übrig bleibt und dass jedes dieser drei Grund-
rechte möglichst stark erlebbar und lebbar ist.
Dass der Glaube nach Art. 4 und das Erziehungsrecht
der Eltern nach Art. 6 des Grundgesetzes besonders stark
geschützt sind, war eine Werteentscheidung, die der Par-
lamentarische Rat 1948 getroffen hat, um den Keimzel-
len der menschlichen Gemeinschaft Schutz vor zu star-
ker staatlicher Einflussnahme zu geben. Denn der
Parlamentarische Rat ist bei der Erarbeitung des Grund-
gesetzes davon ausgegangen, dass die Familien, das so-
ziale Umfeld und auch die Religionsgemeinschaften
Keimzellen menschlicher Gesellschaft sind, in die der
Staat nicht eingreifen soll, außer es liegen zwingende
Gründe dafür vor.
Ich habe im Übrigen – auch in Vorbereitung der heuti-
gen Debatte und der Beratungen der letzten Wochen – ab
und zu an eines gedacht: Viele der damals noch verblie-
benen Demokraten, die 1948/49 im Parlamentarischen
Rat unser Grundgesetz beraten haben, hätten sich wahr-
scheinlich nicht vorstellen können, dass nach der Ka-
tastrophe des Holocaust in Deutschland noch einmal jü-
disches Leben, wie wir es heute haben, entstehen könnte.
Das ist etwas, was sich die Mütter und Väter des Grund-
gesetzes gewünscht hätten. Ich glaube, sie hätten auch
26082 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Dr. Florian Toncar
(C)
(B)
gewollt, dass man dieses Leben möglich macht, ohne
dass man dem das Strafrecht oder andere Hürden entge-
genstellt. Ich glaube, dass das mit Blick auf die letzten
60 Jahre etwas ist, das sich viele der Gründerväter und
-mütter unserer Bundesrepublik so nicht hätten vorstel-
len können und wofür wir als Deutsche alle miteinander
dankbar sein sollten.
Herr Toncar, darf der Kollege Sharma Ihnen eine
Zwischenfrage stellen?
Bitte schön.
Bitte sehr.
Herr Kollege Toncar, Sie haben gesagt, diese Frage
sollten die Religionsgemeinschaften selbst für sich ent-
scheiden. Ich frage Sie: Können Sie sich bestimmte Ri-
tuale von bestimmten Religionsgemeinschaften vorstel-
len, die die Religionsgemeinschaften nicht selber regeln
sollten, sondern bei denen der Gesetzgeber eingreifen
sollte?
Herr Kollege, selbstverständlich gibt es auch Gren-
zen. Das hängt von der Schwere des Eingriffs ab. Dass
sie eine Rolle spielt, ist aus der Gesetzesbegründung
ohne Weiteres ersichtlich. Aber in dem konkreten Fall,
über den wir reden – ich glaube, das ergibt sich nicht nur
aus dem Gesetzentwurf selber, sondern auch aus der An-
hörung –, ist eine Abwägung getroffen worden, die auch
Schutzvorkehrungen für das Kindeswohl enthält und mit
der es gelingt, die drei Grundrechte, um die es geht,
möglichst schonend miteinander in Einklang zu bringen.
Frau Kollegin Reimann möchte auch noch eine Frage
stellen. – Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege, Sie ha-
ben sehr auf die Akzeptanz des religiösen Ritus abge-
hoben. Wenn ich das richtig sehe, muss der Ritus nach
§ 1631 d Abs. 2 des BGB, wie ihn der Gesetzentwurf der
Bundesregierung vorsieht, gewährleistet sein. Sehen Sie
diese Akzeptanz auch gewährleistet, wenn die Frist für
die Beschneidung von sechs auf zwei Monate verringert
wird? In der Anhörung hatte die Fristsetzung eine große
Rolle gespielt. Alle Experten haben gesagt, dass diese
sechs Monate eine herausgegriffene Frist sind und dass
das auch innerhalb von zwei Monaten gewährleistet ist.
Vielen Dank, Frau Kollegin. Ich wäre darauf noch
eingegangen. Aber ich beantworte das gerne sofort.
Die Frist orientiert sich an der Praxis in Israel, in ei-
nem Land, das damit, glaube ich, Erfahrung hat und eine
solche Frist nicht grundlos oder – wie zum Teil behaup-
tet – sogar willkürlich eingeführt hat. Natürlich stellt
sich bei Fristsetzungen immer die Frage, wie sie zu-
stande kommen. Da es sich heute offenbar um ein
Hauptthema handelt, möchte ich dazu sagen: Ich glaube
nicht, dass die Frage, ob die Frist sechs oder zwei Mo-
nate beträgt, letzten Endes entscheidend für das Kindes-
wohl ist. Von dieser Regelung sind zunächst nur die jü-
dischen Gemeinden betroffen. Es geht dabei um fünf
nichtärztliche Beschneider, die Beschneidungen gemäß
den Geboten des Judentums in Deutschland durchführen
und die das in chirurgischer Hinsicht sehr gut können.
Da eine Beschneidung in der Regel innerhalb der ersten
acht Tage stattfindet – so verhält es sich beim Gros der
Fälle; eine spätere Beschneidung ist eher die Ausnahme –,
halte ich die Frage nach der Fristsetzung für nicht so ent-
scheidend.
Wenn es um das Kindeswohl geht, müssen wir also
vor allem die Kinder im Blick haben, die innerhalb der
ersten acht Tage beschnitten werden. Das bedeutet nicht,
dass die Fristsetzung trivial wäre. Aber ich glaube, dass
man beim Kindeswohl von dem Fall ausgehen muss, der
die Regel ist. Der Regelfall ist eine Beschneidung inner-
halb der ersten acht Tage durch nichtärztliche Beschnei-
der nach den religiösen Geboten des Judentums.
Wie gesagt, es geht darum, drei Grundrechte scho-
nend in Einklang zu bringen. Ich habe das Gefühl, dass
im Alternativentwurf sehr einseitig das Kindeswohl be-
tont wird, das übrigens überwiegend körperlich definiert
wird. Die seelische Befindlichkeit, die im Zusammen-
hang mit der Frage nach der Zugehörigkeit zu einer
Gruppe steht, wird gar nicht richtig einbezogen. Zudem
bleibt vom Erziehungsrecht der Eltern und von der Glau-
bensfreiheit im Alternativentwurf relativ wenig übrig.
So wird empfohlen, dass das Kind im Alter von 14 Jah-
ren die Entscheidung über den Eingriff selbst treffen
soll. Das ist unter medizinischen Gesichtspunkten so-
wohl in körperlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf
die damit verbundenen seelischen Belastungen eigent-
lich nicht der bessere, sondern der schlechtere Zeitpunkt.
Ich glaube, der Alternativentwurf krankt daran, dass
Religionsfreiheit und Erziehungsrecht untergewichtet
werden, ohne dass das Kindeswohl und die körperliche
Unversehrtheit besser geschützt sind. Deswegen denke
ich nicht, dass dieser Gesetzentwurf die bessere Alterna-
tive darstellt.
Ich möchte mich bei der Bundesjustizministerin be-
danken. Sie hat im Gespräch mit vielen Betroffenen und
denjenigen, die sich damit auskennen, eine insgesamt
sehr gelungene Abwägung bei einem schwierigen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26083
Dr. Florian Toncar
(C)
(B)
Thema vorgenommen. Sie leistet damit einen Beitrag
dazu, dass religiöse Minderheiten in Deutschland auch
in Zukunft rechtssicher leben können, ohne dass die
Rechte und die Gesundheit des Kindes vernachlässigt
werden. Wir werden deshalb dem von der Bundesregie-
rung eingebrachten Gesetzentwurf zustimmen.
Das Wort erhält jetzt die Kollegin Marlene
Rupprecht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger – Groß und
Klein! Kinder sind – sie stehen heute im Mittelpunkt –
der lebendige Ausdruck für den Fortbestand des mensch-
lichen Lebens. Deshalb beschäftigen wir uns alle mit
großer Ernsthaftigkeit mit dieser Thematik, bei der es
um einen Eingriff in das Leben von Kindern geht.
Für das Aufwachsen von Kindern sind zuallererst die
Eltern zuständig. Nach Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes
ist es ihr Recht und die zuvörderst ihnen obliegende
Pflicht, Kinder zu erziehen. Das heißt auch, sie in Wer-
ten und für Werte zu erziehen, und dazu gehört die reli-
giöse Erziehung ebenfalls. Es ist also ihre Pflicht, Kinder
auf das Leben vorzubereiten und ihnen zu helfen, eigen-
ständige Persönlichkeiten und verantwortungsbewusste
Mitglieder unserer Gesellschaft zu werden.
Da hat sich der Staat nicht einzumischen; aber dieses
Recht der Eltern ist ein Verantwortungsrecht und kein
Verfügungsrecht. Der Staat hat Kinder als Rechtssub-
jekte zu respektieren, als Inhaber von Grundrechten.
Das Elternrecht ist nicht grenzenlos. Das haben wir
schon des Öfteren diskutiert und auch gesetzlich in
§ 1631 Abs. 2 BGB geregelt. Im Zusammenhang mit der
gewaltfreien Erziehung haben wir dem Elternrecht Gren-
zen gesetzt. Wir haben in unserem Land das Recht, alles
zu glauben und alles zu denken. Dafür stehe auch ich
hier ein; aber wir haben nicht das Recht in diesem Land,
alles zu tun.
Wodurch wird nun das Elternrecht begrenzt? Einmal
durch die auch bei uns geltenden Allgemeinen Men-
schenrechte und zum anderen durch unsere nationale
Wertebasis, nämlich das Grundgesetz. In Art. 2 Abs. 2
ist jedem Menschen das Recht auf körperliche Unver-
sehrtheit verbrieft. Ich kann nachvollziehen, wenn Men-
schen dieses Recht hier nicht gefährdet sehen. Sie müs-
sen sich aber mit den Erkenntnissen der Wissenschaft,
speziell der Medizin, der letzten 30 Jahre auseinander-
setzen: mit den Erkenntnissen der Schmerzforschung,
mit der Erkenntnis, wie Gewebe aufgebaut ist, mit den
Erkenntnissen der Traumaforschung bis hin zu denen der
Psychologie. Dies haben die Fachverbände, die in die-
sem Bereich die Berufenen sind, getan. Sie haben sich
eindeutig und klar dahin gehend geäußert, dass die Be-
schneidung ein sehr risikobehafteter, ein irreversibler
und ein mit lebenslangen Folgen behafteter Eingriff ist.
Wenn Sie zu dieser Erkenntnis kommen, müssen Sie
dafür sorgen, dass wir, weil der Eingriff so gravierend
ist, die Einsicht und die Einwilligungsfähigkeit des Be-
troffenen brauchen. Dies haben wir mit unserem Alter-
nativgesetzentwurf gemacht. Wir gehen aufgrund der Er-
kenntnisse der medizinischen Forschung davon aus, dass
der Eingriff so gravierend ist, dass die Einsichtsfähigkeit
von Kindern vorausgesetzt werden muss. Das muss ge-
nerell gelten. Der Gesetzgeber kann nicht individuell
entscheiden. Deshalb wollen wir bis zum 14. Lebensjahr
der Kinder warten und sie dann fragen, ob sie mit dem
Eingriff einverstanden sind.
Frau Rupprecht, darf der Kollege Beck eine Zwi-
schenfrage stellen?
Wenn er meint, ja. Gerne.
Vielen Dank. – Auch ich war schon einmal so großzü-
gig bei Ihnen.
Genau.
Frau Rupprecht, Sie haben in Ihrer letzten Rede zu
diesem Thema hier im Plenum gesagt: Wir wollen nicht,
dass Eltern vor den Kadi gestellt werden. – Ich frage Sie,
was Ihrer Ansicht nach die Rechtsfolgen Ihres Gesetz-
entwurfs sind, wenn der Gesetzgeber mehrheitlich Ihrem
Entwurf folgen würde.
Ich habe diese Frage auch im Menschenrechtsaus-
schuss dem Bundesjustizministerium gestellt. Dies hat
mir gesagt: Selbstverständlich kann es dann zu Strafver-
folgungen kommen, entweder aufgrund einfacher oder
sogar aufgrund schwerer Körperverletzung; denn es ist
eine schwere Körperverletzung, wenn man ein Skalpell
benutzt und dafür keine rechtsgültige Einwilligung vor-
liegt. Auf die Frage „Welche Konsequenzen hat das
beim Familienrecht?“ antwortete das Justizministerium:
Die ganze Palette familienrichterlicher Interventionen ist
dann denkbar. – Dies ist zum Beispiel bei einer Familie
der Fall, in der schon ein Junge beschnitten ist und in der
ein weiterer Junge geboren worden ist. Darf man dieses
Kind noch bei den Eltern lassen, die es der Gefährdung
einer Beschneidung aussetzen?
Ich möchte von Ihnen wissen, was nach Ihrer Vorstel-
lung die Konsequenz Ihres Gesetzentwurfs – Sie sagen,
26084 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Volker Beck
(C)
(B)
die Eltern sollen nicht vor den Kadi gezogen werden –
sein soll. Was folgt Ihrer Ansicht nach aus der Verab-
schiedung Ihres Gesetzentwurfs in der Rechtswirklich-
keit? Warum liegt da Ihrer Meinung nach das Bundes-
justizministerium mit seiner Rechtsauffassung falsch?
Wir nehmen zunächst einmal an, dass ein Gesetz, das
wir hier beschließen, beachtet und befolgt wird. Das ist
angesichts unseres Gesetzentwurfs eine hohe Zumutung
für Eltern. Das bedeutet für Eltern auch Schmerz. Aber
in der Abwägung zwischen dem Schmerz der Eltern, et-
was nicht zu tun, was sie als Verpflichtung sehen, und
dem körperlichen Verändern und dem Schmerz beim
Kind sind wir als Initiativgruppe zu der Überzeugung
gekommen, dass wir den Schmerz den Erwachsenen
– sie haben entwicklungsmäßig den Verstand, es sich
klarzumachen – zumuten können, dass hingegen ein sol-
cher Eingriff für ein Neugeborenes, ein kleines Kind
eine Überforderung bedeuten würde, dass man ihm auf-
grund der Tragweite dessen, was mit ihm – mit Auswir-
kungen für sein ganzes Leben – geschieht, einen solchen
Eingriff nicht zumuten kann.
– Die Konsequenzen sind dieselben wie beim Regie-
rungsentwurf: Wenn die Fristen nicht eingehalten wer-
den und jemand ohne entsprechende medizinische Aus-
bildung den Eingriff vornimmt, wenn also jemand nach
der Frist, die heute eventuell beschlossen wird – nach
dem Regierungsentwurf beträgt sie sechs Monate –, ei-
nen solchen Eingriff nicht von einem Arzt durchführen
lässt, ist der Vorgang ebenfalls strafrechtlich bewehrt.
Es ist ebenfalls strafrechtlich bewehrt, Herr Beck, wenn
jemand eine Beschneidung vornimmt und ein Kind dabei
verletzt; denn damit hat er eine Körperverletzung began-
gen, auch wenn er eigentlich ganz legal gehandelt hat.
Es gibt also keinen rechtsfreien Raum; das Ganze ist
rechtlich klar geregelt.
Ich will keine Eltern kriminalisieren. Das haben wir
noch nie gemacht.
Aber ich möchte, dass sie die Verantwortung auch für
die Kinder übernehmen. Wir wollen deshalb, dass die
Beschneidung von Ärzten durchgeführt wird, und zwar
von Kinderchirurgen. Wir haben gemeinsam, interfrakti-
onell 2002 festgelegt, dass Kinder von Kinderärzten
behandelt werden und nicht von anderen Medizinern.
Ich nehme an, dass dieser Beschluss nicht aufgehoben
wird. Wir sind der Überzeugung, dass dieser Eingriff
von Kinderchirurgen durchgeführt werden muss.
Frau Kollegin.
Ich habe gesagt: Wir muten unseren Eltern viel zu.
Ich weiß dies und bin mir der Verantwortung bewusst.
Ich stehe für alle, die wir glauben, dass wir Kindern noch
wesentlich mehr zumuten. Die Diskussion hat begonnen,
und ich hoffe, sie wird in den Religionsgemeinschaften
fortgesetzt. Weltweit ist sie im Gange. Der Europarat
wird im kommenden Frühjahr einen Bericht über die
körperliche Unversehrtheit von Kindern verfassen. Ich
hoffe, dass wir damit im Sinne der Kinderrechte einen
Schritt weiterkommen.
Danke.
Nächster Redner ist der Kollege Johannes
Singhammer für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Wir wollen heute mit dem Gesetzentwurf der Bun-
desregierung eine klare Botschaft aussenden:
Erstens. Die Beschneidung von Jungen ist zulässig.
Zweitens. Alle Zweifel, welche das Landgericht Köln
mit seiner Entscheidung vom 7. Mai dieses Jahres aufge-
worfen hat, werden damit ausgeräumt. Wir haben sorg-
fältig beraten, die Argumente des Für und Wider ge-
wichtet, gewertet und gewogen. Jetzt aber ist es an der
Zeit, zu entscheiden, und es ist nichts auf die lange Bank
zu schieben. Dabei haben wir das Kindeswohl, das elter-
liche Erziehungsrecht und die Religionsfreiheit zu be-
rücksichtigen.
Für uns ist die Religionsfreiheit, die Freiheit der Reli-
gionsausübung, ein herausragendes Recht. Für zwei Re-
ligionsgemeinschaften ist die Beschneidung von zentra-
ler religiöser Bedeutung. Für Menschen jüdischen
Glaubens ist die Beschneidung konstitutiv, ein binden-
des Gebot von höchster Bedeutung und zentraler Be-
standteil jüdischer Identität. Die Beschneidung steht im
Judentum symbolisch für den Bund zwischen Gott und
dem jüdischen Volk. Im Islam zählt die Beschneidung zu
den Glaubensüberzeugungen; bei den meisten schiiti-
schen Rechtsschulen gilt sie als religiöse Pflicht.
In unserem Land, in Deutschland, leben viele Men-
schen, die von ihrer Religion geprägt sind, die ihr Leben
ausrichten an ihren religiösen Überzeugungen. Für an-
dere in unserem Land spielt eine religiöse Überzeugung
eine geringe Rolle. Eine nicht geringe Zahl von Men-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26085
Johannes Singhammer
(C)
(B)
schen lehnt ein religiöses Bekenntnis ebenso ab wie jede
Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft.
Manche Menschen bei uns in Deutschland, aber auch
in Europa sind überrascht von der Wiederkehr des Reli-
giösen. Sie fühlen sich unerwartet mit Religion konfron-
tiert, wo sie doch nicht mehr damit gerechnet haben,
weil sie die Welt für säkularisiert, entzaubert, ernüchtert
durch Wissenschaft und Politik gehalten und darin einen
unumkehrbaren Prozess gesehen haben. So jedenfalls
hat es ein bekannter Soziologe, nämlich Josef Schmid,
vor kurzem in einer Rundfunksendung beschrieben. Und
nun merken viele Menschen, dass sich ein nicht unbe-
trächtlicher Teil ihrer Mitbürger wesentlich über eine
Beziehung zu Gott definiert.
Alle denkbaren Entscheidungen, für oder gegen eine
Glaubensgemeinschaft, sind in unserem Land möglich,
und sie sind nicht nur möglich, sondern sie sind von un-
serer Verfassung garantiert – mit der Konsequenz: Was
dem einen fremd erscheinen mag, darf der andere für
eine unverzichtbare religiöse Identität und Heimat in
Anspruch nehmen.
Grundsätzlich unterschiedliche Betrachtungsweisen
und Überzeugungen lassen sich, wenn es um Religion,
um religiöse Überzeugungen geht, weniger durch sonst
übliche klassische Kompromisse auflösen. Besser lassen
sie sich mit Toleranz und Respekt bewältigen.
Dabei nutzt weniger eine theoretische Bereitschaft zur
Toleranz, sondern mehr die Fähigkeit zu praktischer
Toleranz. Dieser Gesetzentwurf, den wir vorgelegt ha-
ben, ist eine in Form gegossene praktische Toleranz.
Das Kindeswohl bleibt ein sensibler Bereich jegli-
chen staatlichen Handelns, auch des Handelns des Ge-
setzgebers. Ich warne aber vor dem Versuch, über das
Kindeswohl umfassend festzulegen, was zulässigerweise
Inhalt einer Religion ist und was nicht. Der Gesetzent-
wurf wahrt das Kindeswohl, indem er festlegt: eine fach-
gerechte Durchführung der Beschneidung, eine effektive
Schmerzbehandlung, eine umfassende Aufklärung und
eine Beachtung des Kindeswillens, sofern er schon ge-
bildet werden kann.
Das elterliche Erziehungsrecht bleibt gewahrt. Dabei
spielt eine Rolle, dass die Beschneidung seit Jahrhunder-
ten, ja seit Jahrtausenden von Eltern praktiziert worden
ist. Kinder können sich gegen die Religion ihrer Eltern
entscheiden, wenn sie alt genug sind. Dass Eltern für
Kinder Entscheidungen übernehmen und – auch auf-
grund ihrer religiösen Erfahrungen – das Beste für sie
wollen, ist nichts Absonderliches, sondern schlicht etwas
Selbstverständliches.
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen. Ich
bin froh über das Niveau der Debatte hier bei uns im Ho-
hen Hause, froh darüber, dass die Verknüpfungen und
Vergleiche mit der weiblichen Genitalverstümmelung
hier nicht mehr vorkommen und keine Rolle mehr spie-
len; denn sie wären allenfalls mit dem bewussten Willen
zum Missverständnis erklärbar.
Unser Gesetzentwurf bringt Elternrecht, Kindeswohl
und Religionsfreiheit in Einklang, in Balance, ins
Gleichgewicht und leistet damit einen wichtigen Beitrag
für den inneren Frieden in unserem Land.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Luc Jochimsen,
Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es wäre wunderbar,
wenn wir freiwillig und selbstbestimmt unser Leben be-
ginnen könnten. Aber die Realität des Anfangs unserer
Existenz ist genau das Gegenteil: Wir kommen unge-
fragt auf die Welt. Wir können uns unsere Eltern nicht
aussuchen, auch die Zeit nicht, in die wir hineingeboren
werden, oder das Land. Ist Krieg? Herrscht Frieden,
Armut oder Wohlstand?
Als Neugeborene, als Säuglinge, als Kleinkinder und
Kinder sind wir angewiesen auf Eltern, Familie, auf
Erwachsene, die sich unserer annehmen. Wir sind ange-
wiesen auf ihre Zuwendung und Verantwortung. Über
den Anfang unseres Lebens entscheiden sie. Insofern
sind die Kinder von den Eltern nicht zu trennen, und
auch nicht das Kindeswohl vom elterlichen Willen.
Glauben und Religion gehören zu diesem frühen
Eltern-Kind-Verhältnis für Millionen Menschen dazu,
auch in unserer weitgehend säkularisierten Gesellschaft.
Für Eltern kann der Weg ihres Kindes zu Gott, der Weg
in die Religionsgemeinschaft existenziell sein. Da wir
insgesamt die Kinder in die Obhut und Verantwortung
der Eltern geben und geben müssen, müssen wir auch
diese religiösen Haltungen achten.
Kein Land auf der Welt verbietet Beschneidungen der
Jungen aus religiösen Gründen. Eine Gruppe meiner
Fraktion hält den Gedanken für unerträglich, dass
Deutschland – ausgerechnet Deutschland! – das erste
Land sein sollte, welches nun ein Verbot einführt.
Wie sollen wir in einem solchen Land mit Juden und
Muslimen zusammenleben? Stellen wir uns vor, der Al-
ternativvorschlag würde Gesetz und Eltern dürften nur
dann in eine Beschneidung aus religiösen Gründen ein-
willigen, wenn der Sohn das 14. Lebensjahr vollendet
hat und selbst einwilligt. Welche Auswirkungen hätte
dies auf die Abertausend Jungen unter 14 Jahren, die be-
schnitten sind, und ihre Eltern in unserem Alltag, beim
gemeinsamen Schulsport, bei den üblichen ärztlichen
26086 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Dr. Lukrezia Jochimsen
(C)
(B)
Untersuchungen, im vielfachen Miteinander? „Du bist
beschnitten? Das ist aber verboten. Was haben deine El-
tern da gemacht? Das ist hierzulande nicht erlaubt!“
Ausgrenzung wird sich verstärken, wo jetzt schon
Ausgrenzung stattfindet.
Das Gefühl der Illegalität wird sich ausbreiten, ein ge-
fährliches Gift im Zusammenleben, und eine Tendenz
zur Isolierung, vor allem der jüdischen Minderheit, wird
einsetzen.
Wenn möglich, geht der jüdische Junge dann in einen
jüdischen Kindergarten oder eine jüdische Schule. Wo
das nicht möglich ist, wird er als anders empfunden und
seine Eltern auch. Eine solche Situation können wir doch
nicht wollen. Ich meine sogar, eine solche Situation dür-
fen wir nicht sehenden Auges schaffen.
Machen wir uns nichts vor: Das Zusammenleben mit
der jüdischen und muslimischen Minderheit in unserem
Land ist nach wie vor nicht selbstverständlich und frei
von Ängsten. Ich erachte es als Aufgabe von uns Parla-
mentariern, gerade im Mehrheit-Minderheiten-Verhält-
nis hierzulande Rechtssicherheit und Schutz zu schaffen,
anstatt Verbote aufzustellen.
Wie gesagt, kein einziges Land verbietet Beschnei-
dung aus religiösen Gründen. Wir sollten und dürfen es
auch nicht. Aus diesem Grund wird eine Gruppe der
Linksfraktion für den Gesetzentwurf der Bundesregie-
rung stimmen.
Danke sehr.
Ich erteile das Wort der Kollegin Katja Keul, Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Obwohl ich den alternativen Gesetzentwurf
mitgezeichnet habe, geht es mir wie manchen anderen:
Eigentlich wäre mir gar kein Gesetz am liebsten gewe-
sen. Wir können nämlich mit einer einfachgesetzlichen
Regelung gar nicht beschließen, ob die Beschneidung ei-
nes Kindes rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Letztlich
kommt es bei dieser Frage auf eine verfassungsrechtliche
Abwägung von Grundrechtsgütern an. Die Grundrechte
sind oft genannt worden: das Recht auf körperliche Un-
versehrtheit, die Religionsfreiheit und das Erziehungs-
recht der Eltern. Zu welchem Ergebnis man an dieser
Stelle auch kommt: Das Grundrecht des Kindes auf kör-
perliche Unversehrtheit können wir mit einer Regelung
im Sorgerecht nicht außer Kraft setzen.
Ich verstehe den Alternativentwurf daher auch primär
als eine deklaratorische Klarstellung gegenüber den El-
tern, eine Klarstellung dahin gehend, dass wir die Be-
schneidung eines 14-Jährigen mit seiner Einwilligung
für mit unserer Rechtsordnung vereinbar halten. Das ist
insofern eine Verbesserung im Hinblick auf den bisheri-
gen Zustand, aber auch die weitestgehende, die wir mei-
ner Auffassung nach anbieten können.
Worum geht es bei dieser grundrechtsrelevanten Ent-
scheidung? Zunächst einmal kann es nicht darum gehen,
eine Abwägung zwischen der Religionsfreiheit der El-
tern und der körperlichen Unversehrtheit des Kindes
vorzunehmen; denn die Religionsfreiheit eines Men-
schen kann nach unserer Grundwerteordnung niemals ei-
nen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines an-
deren Menschen legitimieren, und das Kind ist unstreitig
ein eigenes Rechtssubjekt.
Es kann daher nur um das Recht der Eltern auf reli-
giöse Erziehung und um die Religionsfreiheit des Kindes
selbst gehen. Deshalb knüpft der Alternativentwurf auch
konsequent an das Alter der Religionsmündigkeit des
Kindes an.
Das Erziehungsrecht der Eltern wiederum bezieht
sich zweifelsohne auf die Vermittlung von religiösen
Werten und Normen. Eine Einwilligung in nicht medizi-
nisch indizierte Eingriffe ist allerdings auch sonst nicht
vom elterlichen Sorgerecht umfasst. Der Arzt kann auch
auf meinen ausdrücklichen Wunsch ohne medizinische
Veranlassung bei meinem Kind kein Blut abnehmen und
dazu eine Spritze setzen. Wenn schon ein solch kleiner
ärztlicher Eingriff nicht in meinem elterlichen Ermessen
steht, kann es ein deutlich schwererer erst recht nicht.
Ein solcher Eingriff bleibt rechtswidrig. Ob der Staat
in diesen Fällen allerdings zum Mittel der Strafverfol-
gung greifen will, ist eine ganz andere Frage. Niemand
hat in dieser Debatte verlangt, die Eltern muslimischer
und jüdischer Kinder strafrechtlich zu verfolgen. Diese
wiederholte Unterstellung gegenüber den Unterzeich-
nern des Alternativentwurfs weise ich ebenso zurück wie
den Vorwurf des Antisemitismus.
Der Staat kann seine Schutzpflicht zwar nicht einfach
aufheben, der Staat hat allerdings durchaus ein Ermes-
sen, mit welchen Mitteln er dieser Schutzpflicht Nach-
druck verleihen will. Ohne Strafantrag des Verletzten
und ohne öffentliches Interesse bleibt eine Körperverlet-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26087
Katja Keul
(C)
(B)
zung schon jetzt nach § 230 StGB ohne strafrechtliche
Ahndung.
Auf diesem Wege können die Existenz und die Bedeu-
tung religiöser Zeremonien rechtlich angemessen be-
rücksichtigt werden. Und so ist es bisher schon immer
geschehen, da es trotz der langjährigen Auseinanderset-
zung unter Juristen bei uns und in aller Welt um die
rechtliche Bewertung der Beschneidung niemals zur
Verurteilung islamischer oder jüdischer Eltern gekom-
men ist.
Wenn mir jetzt an dieser Stelle entgegengehalten
wird, das sei nun aber wegen des Kölner Urteils für die
Zukunft zu befürchten, dann möchte ich doch für etwas
mehr Vertrauen in unsere rechtsstaatlichen Institutionen
plädieren.
Wem dieses Vertrauen nicht ausreicht und wer auf Num-
mer sicher gehen will, der müsste die Voraussetzungen
der Straffreiheit tatsächlich normieren.
Frau Kollegin Keul, darf der Kollege Volker Beck Ih-
nen eine Zwischenfrage stellen?
Nein danke, ich habe mit dem Kollegen Beck schon
ausführlich diskutiert.
Vor einer solchen gesetzgeberischen Herausforderung
standen wir Anfang der 90er-Jahre schon einmal. Beim
Abtreibungsrecht haben wir bis heute die Situation, dass
die Abtreibung zwar rechtswidrig, aber unter bestimm-
ten Umständen nicht strafbar ist. Auch bei dieser grund-
rechtsrelevanten Konstellation wollte man den Eingriff
nicht strafrechtlich verfolgen, weil alle wussten, dass er
ohnehin vorgenommen würde. Das Bundesverfassungs-
gericht sah jedoch wegen Art. 1 Grundgesetz keine
Möglichkeit, den Eingriff generell für rechtmäßig zu er-
klären. Der Staat hat an dieser Stelle Rücksicht genom-
men auf gesellschaftliche Realitäten und ungewünschte
Nebenaspekte einer möglichen Strafverfolgung und hat
ausdrücklich geregelt, unter welchen Umständen die
Strafbarkeit entfallen soll.
Wer also meint, es gäbe tatsächlich einen Regelungs-
bedarf im Hinblick auf die Straffreiheit von Beschnei-
dungen, hätte konsequenterweise diesen Weg gehen
müssen.
Eine Regelung im Sorgerecht kann dagegen nur präzisie-
ren, nicht aber einen grundrechtswidrigen Eingriff für
rechtmäßig erklären.
Auch den Änderungsanträgen, die sich auf der Grund-
lage des Koalitionsentwurfs auf die Berücksichtigung
des kindlichen Willens beziehen, kann ich nicht zustim-
men. Diese Änderungsanträge versuchen die Quadratur
des Kreises. Soll das Sorgerecht der Eltern die Beschnei-
dung eines Säuglings mit umfassen, kommt es auf einen
entgegenstehenden Willen des Kindes gerade nicht an.
Kinder haben eben kein Recht, sich dem Erziehungs-
recht ihrer Eltern zu entziehen; deswegen ist es ja auch
ein Erziehungsrecht. Soll es auf den Willen des Kindes
ankommen, dann kann dies konsequenterweise frühes-
tens ab der Religionsmündigkeit gelten.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.
Ich komme zum Ende.
Ich betone noch einmal abschließend: Niemand will
muslimischen oder jüdischen Eltern die Staatsanwalt-
schaft ins Haus schicken. Der von der Mehrheit des Hau-
ses vorgelegte Gesetzentwurf ist allerdings schlicht nicht
geeignet, die von ihm selbst anvisierte und für nötig be-
fundene Rechtsklarheit herzustellen.
Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Norbert Geis für die
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Man kann in dieser Sache zwar verschiedener
Auffassung sein. Eines kann man aber festhalten, näm-
lich dass diese Debatte im gesamten Gesetzgebungsver-
fahren sowohl hier im Bundestag als auch im Bundesrat
sowie in den Ausschüssen zur Versachlichung des The-
mas beigetragen hat. Diese Feststellung, anknüpfend an
die diesbezügliche Bemerkung von Herrn Thomae,
scheint mir wichtig zu sein. Das Gleiche gilt auch für die
Diskussion draußen in der Bevölkerung. Hier ist ver-
sucht worden und wird weiter versucht, sachlich Argu-
ment gegen Argument abzuwägen.
Allerdings, Frau Kollegin Keul, glaube ich nicht, dass
man die Möglichkeit der Beschneidung allein auf Straf-
freiheit stützen kann. Vielmehr muss ein klares Wort
dazu gesprochen werden, dass die Beschneidung nicht
nur straffrei, sondern darüber hinaus rechtsgemäß ist,
dass sie im Einklang steht mit unserer Rechtsordnung.
Das will der vorgelegte Gesetzentwurf erreichen, und
insbesondere deswegen unterstützen wir ihn.
26088 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Norbert Geis
(C)
(B)
Wir diskutieren über dieses Thema, weil die Frage
aufgekommen ist, ob ein Arzt oder eine Person, die von
einer Religionsgemeinschaft dazu besonders autorisiert
und ausgebildet worden ist, sich strafbar macht, also ge-
setz- und rechtswidrig handelt, wenn sie ein noch nicht
einsichts- und urteilsfähiges Kind aus nichtmedizini-
schen Gründen beschneidet und hierzu die Einwilligung
der Eltern vorliegt. Das ist die Frage, um die es geht.
In anderen europäischen Ländern spielte diese Dis-
kussion seit Jahrtausenden keine Rolle. Nun liegt jedoch
das Urteil des Landgerichts Köln auf dem Tisch, und wir
haben uns auch im Bundestag mit dieser Frage zu befas-
sen. Man kann an dieser Frage nicht vorbeigehen, weil
Unsicherheit in der Bevölkerung, insbesondere bei den
Ärzten, entstanden ist. Der Gesetzentwurf der Bundesre-
gierung versucht, hier Klarheit zu schaffen, und ich
meine, dies ist auch gelungen.
Es gibt in der Rechtswissenschaft verschiedene Mei-
nungen darüber, ob die Beschneidung, wenn sie aus reli-
giösen Gründen vorgenommen wird, überhaupt tatbe-
standsmäßig im Sinne des § 223 StGB ist, ob sie also
nicht sozial adäquat ist. Zum einen gibt es die Meinung,
dass die Einwilligung der Eltern diese Tat rechtfertigt.
Zum anderen gibt es die Meinung – sie wird auch hier
teilweise vertreten –, dass die Beschneidung trotz Ein-
willigung der Eltern eine Körperverletzung bleibt und
deshalb strafrechtlich zu verfolgen ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Gesetz-
entwurf der Bundesregierung lässt die beiden genannten
Fragen offen und entscheidet sich dafür, zu sagen, dass
die Beschneidung im Einklang mit unserer Rechtsord-
nung steht.
Es stellt sich zunächst einmal die Frage, was mit der
Einwilligung der Eltern gemeint ist, die Voraussetzung
für die Beschneidung ist. Die Einwilligung der Eltern
basiert auf Art. 6 Grundgesetz, die sogenannte elterliche
Sorge, die den Eltern zusteht. Das Recht aus Art. 6
Grundgesetz ist kein klassisches – –
Der Kollege Ströbele würde Ihnen gerne eine Zwi-
schenfrage stellen.
Lassen Sie mich diesen Gedanken gerade zu Ende
führen.
Ja, gerne. – Einen kleinen Augenblick, Herr Ströbele.
Die Frage, ob die Einwilligung der Eltern ein Recht
nach Art. 6 Grundgesetz ist, ist zu bejahen. Art. 6
Grundgesetz ist kein klassisches Freiheitsrecht, sondern
die Anerkennung des Staates, dass Eltern zusammen mit
ihren Kindern, in der Familie, in einem Raum leben kön-
nen, in dem der Staat zunächst einmal nichts zu suchen
hat, sondern ihm nur das Wächteramt zugewiesen wor-
den ist. Das ist, glaube ich, eine Voraussetzung, die man
sich vergegenwärtigen muss, um zu dem Ergebnis zu
kommen, dass die Beschneidung mit unserer Rechtsord-
nung in Einklang steht. – Jetzt bitte, Herr Ströbele.
Herr Kollege Geis, ich bin trotzdem nicht überzeugt,
dass der Vorschlag der Bundesregierung der richtige ist.
Wirft nicht jede gesetzliche Regelung, die Sie hier tref-
fen – wenn Sie sagen: „Das und das ist erlaubt“, oder:
„Das und das ist das Recht der Eltern“ –, die Frage auf:
Was ist denn, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt
sind? Muss man dann nicht, wenn der Gesetzgeber über-
haupt tätig wird, den Schluss ziehen: „Wenn der Gesetz-
geber den einen Fall geregelt hat, dann meint er, das
Recht der Eltern beziehe sich nicht auf den Rest“?
Ich will es ganz konkret machen. Nehmen wir den in
Art. 1 des Regierungsentwurfes vorgesehenen § 1631 d
Abs. 2 BGB. Darin steht, dass in den ersten sechs Mona-
ten nach der Geburt des Kindes auch jemand, der nicht
Arzt ist, eine Beschneidung durchführen kann. Was ist,
wenn jemand, der nicht Arzt ist, nach sechs Monaten
und drei Tagen eine Beschneidung durchführt? Sagen
Sie nicht dadurch, dass Sie dieses Gesetz überhaupt ma-
chen, dass es in diesem Falle nicht mehr das Recht der
Eltern ist, eine wirksame Einwilligung abzugeben?
Deshalb sage ich: Manchmal ist es besser, gar kein
Gesetz zu machen, als ein Gesetz zu machen, das unun-
terbrochen neue, zusätzliche Fragen aufwirft. Wir haben
das Strafgesetzbuch seit mehr als 140 Jahren, und mir ist
in diesem Zusammenhang nicht eine einzige Verurtei-
lung bekannt, völlig zu Recht.
Lieber Herr Ströbele, ich glaube, dass ein Gesetz not-
wendig ist, weil im Land, zum Beispiel bei den Ärzten,
Verwirrung entstanden ist. Die Ärzte haben die Furcht,
sich strafbar zu machen, wenn sie eine Beschneidung
vornehmen. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Per-
sonen, die dazu durch die Religionsgemeinschaften be-
sonders autorisiert sind. Deswegen glaube ich, dass es
schon notwendig ist, eine gesetzliche Regelung zu tref-
fen. Ich unterstütze das ganz ausdrücklich.
Ich möchte im Laufe meiner Ausführungen zu Ihrer
weiteren Frage Stellung nehmen. Sie gehen, wie ich
meine, auf ein Kernelement ein. Es geht um die Frage,
welchem Ziel die Gewährung dieses Elternrechts nach
unserer Verfassung dient. Ziel ist die Wahrung des Kin-
deswohls. Das Elternrecht heißt elterliche Sorge und hat
keinen anderen Zweck und Sinn, als für das Kindeswohl
zu sorgen.
Nun muss man sich fragen: Was ist unter Kindeswohl
zu verstehen? Ist eine Beschneidung im Sinne des Kin-
deswohls? Ich komme zu dem Ergebnis, dass die Eltern
das ihnen von der Verfassung eingeräumte Recht haben,
darüber zu entscheiden, was richtig und was falsch für
das Kind ist, was dem Kindeswohl entspricht und was
nicht. Nicht der Staat hat das Interpretationsrecht, nicht
die Ärzte, nicht die Gesellschaft oder sonst irgend-
jemand, sondern zunächst haben allein die Eltern das
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26089
Norbert Geis
(C)
(B)
Interpretationsrecht, zu entscheiden, was dem Wohl des
Kindes entspricht.
Wenn die Frage geklärt ist, ob den Eltern das Interpre-
tationsrecht bezüglich des Kindeswohls zusteht, dann
stellen sich weitere Fragen, nämlich ob das auch die
Entscheidung über die Beschneidung erfasst – wie ich
vorhin schon gefragt habe – und ob die Beschneidung
dem Kindeswohl entspricht oder nicht. Hier muss man
zubilligen, dass der Staat dies durch den freiheitlichen
Raum ermöglicht, den er den Eltern zur Verfügung stellt.
Natürlich ist nicht jede Entscheidung, die Eltern angeb-
lich im Sinne des Kindeswohls treffen, wirklich im
Sinne des Kindeswohls. Dann darf der Staat aufgrund
seines Wächteramtes eingreifen. Die Frage ist, ob die
Beschneidung dazugehört. Der Gesetzentwurf sagt ganz
klar: Die Beschneidung gehört dazu.
In dem Gesetzentwurf wird nicht nach den Motiven
gefragt, es wird nicht gefragt, aus welchen Gründen die
Beschneidung vorgenommen wird. Der Gesetzentwurf
lässt dies offen, und zwar aus gutem Grund; denn es gibt
vielerlei Gründe dafür, dass eine Beschneidung dem
Kindeswohl entsprechen kann. Aber es gibt natürlich
auch Gerichte, die unter Umständen sagen – diese Mög-
lichkeit muss der Gesetzentwurf auch offenlassen –:
Eine Beschneidung etwa aus kosmetischen Gründen ent-
spricht nicht dem Kindeswohl. Da stellt sich natürlich
die Frage: Könnte ein Gericht nicht auch sagen: Eine Be-
schneidung, die aus religiösen Gründen vorgenommen
wird, entspricht nicht dem Kindeswohl?
Wir leben im Zeitalter des Relativismus. Da ist es
durchaus möglich, dass man den Einfluss der Religion
zurückdrängt. Hier kommt Art. 4 Grundgesetz ins Spiel.
Wir haben die Religionsfreiheit, und die Eltern haben die
Pflicht und auch die Verantwortung, für das Kind die
vielleicht wichtigste Entscheidung, nämlich ob und,
wenn ja, welcher Religion es angehört, zu treffen. Hier
kommt der Aspekt ins Spiel, der schon öfters erwähnt
worden ist, dass nämlich für die Juden die Beschneidung
ein konstitutives Element ist. Man kann nicht Jude wer-
den, man kann nicht Mitglied des Bundes von Abraham
und Gott werden – der über alle Jahrtausende hinweg bis
heute getragen wurde –, wenn die Beschneidung nicht
vorgenommen worden ist. Das haben wir zu respektie-
ren. Ich glaube, dass der vorliegende Gesetzentwurf
Klarheit schafft. Ich hoffe sehr, dass wir eine große
Mehrheit dafür finden.
Ich danke Ihnen.
Das Wort erhält nun die Kollegin Christine
Lambrecht für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nach Monaten der intensiven Debatte über den Umgang
mit der Beschneidung von männlichen Kindern haben
wir heute über zwei Gesetzentwürfe und mehrere Ände-
rungsanträge zu entscheiden. Bei beiden Gesetzentwür-
fen steht das Kindeswohl im Mittelpunkt, und zwar völ-
lig zu Recht; denn es geht um kleine Jungs, die noch
nicht für sich selbst sprechen können. Obwohl in beiden
Gesetzentwürfen das Kindeswohl in den Mittelpunkt ge-
stellt wird, werden unterschiedliche Schlussfolgerungen
gezogen.
Der Entwurf der Kollegin Rupprecht und anderer
enthält nach einer Abwägung zwischen dem Recht auf
körperliche Unversehrtheit, der elterlichen Sorge und der
Religionsfreiheit die Schlussfolgerung, dass Beschnei-
dung in Deutschland möglich sein soll, aber nur durch
einen Arzt, unter Narkose und ab einem Alter des
Jungen von 14 Jahren. Ich weiß, dass die Unterstützer
dieses Gesetzentwurfs wollen, dass jüdisches und musli-
misches Leben in Deutschland auch in Zukunft möglich
ist. Tatsächlich wäre die Konsequenz aus diesem Gesetz-
entwurf aber – das haben wir schon mehrere Male ge-
hört; das muss jedem bewusst sein –, dass dieses Leben
entweder nicht mehr möglich wäre oder Eltern,
Beschneider, Ärzte, die an diesem Ritual weiterhin fest-
halten, mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen
müssten. Dessen muss man sich bewusst sein.
Auch wenn es für viele von uns ein fremdes Ritual
darstellt, ist es für das Judentum konstitutiv, dass Jungen
am achten Tag ihres Lebens beschnitten werden, von ei-
nem Mohel, in der Synagoge, ohne Narkose. Da stellt
sich die Frage: Können wir das vor dem Hintergrund un-
seres Grundgesetzes und unserer Wertvorstellungen zu-
lassen? Ich sage: Ja. Ich möchte das erläutern: Dieses
jahrtausendealte Ritual ist im Judentum von so großer
Bedeutung, dass es sogar durchgeführt wird, wenn dieser
achte Tag auf Jom Kippur fällt, auf den höchsten Feier-
tag im Judentum, an dem sonst fast alles jüdische Leben
stillsteht. Das verdeutlicht die Bedeutung des Ganzen:
Durch diese Beschneidung – auch wenn es uns fremd ist;
ich sage es noch einmal – wird der Junge mit Gott ver-
bunden.
Was im Judentum aber noch wichtiger ist als der
Grundsatz der Beschneidung, ist ein Grundsatz, der sich
– ich bitte um Verständnis, wenn ich das nicht ganz
korrekt ausspreche – Pikuach Nefesch nennt. Dieser
Grundsatz im Judentum besagt, dass die Gefährdung von
Gesundheit und Leben unter allen Umständen zu
vermeiden ist. Das heißt, dass kein Junge beschnitten
werden darf, wenn eine Gefährdung der Gesundheit oder
gar des Lebens droht. Das ist ein ganz klarer Grundsatz,
der über dem Grundsatz der Beschneidung steht.
Im Kern geht es hier um die Frage, ob die elterliche
Sorge das Recht umfasst, in eine nicht medizinisch indi-
zierte Beschneidung, eine gefährliche Körperverletzung
– man muss es so deutlich aussprechen –, einzuwilligen.
Die elterliche Sorge muss zum Wohle des Kindes aus-
geübt werden. Aber was ist das Kindeswohl in genau
diesem Fall? Ist es wirklich ausschließlich das Recht auf
körperliche Unversehrtheit? Ich meine, das Kindeswohl
26090 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Christine Lambrecht
(C)
(B)
ist viel umfassender zu begreifen. Wir alle sind uns ei-
nig, dass das Kindeswohl ganz klar eine gewaltfreie
Erziehung umfasst. Es umfasst meiner Einschätzung
nach aber auch die Entscheidung der Eltern darüber, dass
das Kind im gesellschaftlichen Umfeld der Familie als
akzeptiertes Mitglied aufwachsen und sich entwickeln
kann. Diese Möglichkeit wäre nicht gegeben, wenn die
Eltern die Entscheidung über eine Beschneidung nicht
treffen könnten.
Ganz klar ist: Die elterliche Sorge muss verantwor-
tungsvoll ausgeübt werden. Das heißt, immer dann,
wenn die Gesundheit des Kindes in Gefahr ist, muss von
dieser Beschneidung abgesehen werden. Hiervon haben
mich zahlreiche Gespräche mit jüdischen Eltern über-
zeugt. Diese haben ein zutiefst eigenes Interesse daran,
ihre Söhne keiner gesundheitlichen Gefährdung auszu-
setzen, zum Beispiel, wenn das Kind als Frühchen mit
einem ganz geringen Gewicht auf die Welt kommt oder
eine Erkrankung, zum Beispiel eine Gelbsucht aufweist.
Dann kommt der Grundsatz Pikuach Nefesch zum
Tragen. Dann ist eine solche Beschneidung ganz klar
verboten.
Ich halte es für richtig, dass der Regierungsentwurf
vorsieht, diese Regelung im Bereich der Personensorge
anzusiedeln – genau da gehört er hin – und die Entschei-
dung bei den Eltern belässt. Ich hätte mir aber ge-
wünscht – das muss ich noch einmal deutlich sagen –,
dass einige Unklarheiten, die aus meiner Sicht sehr wohl
vorhanden sind, im Interesse der Rechtssicherheit hätten
geklärt werden können. Deswegen haben der Kollege
Lischka, andere Kollegen und ich einen Änderungsan-
trag vorgelegt, der insbesondere die Frage der ärztlichen
Aufklärung über die Risiken, über mögliche Folgen ei-
ner solchen Beschneidung regelt. Es wird klargestellt,
dass darüber aufgeklärt werden muss, und zwar mit ent-
sprechendem Sachverstand. An dieser Stelle möchte ich
noch einmal an Sie, die Kolleginnen und Kollegen der
Koalitionsfraktionen, appellieren: Stimmen Sie diesem
Änderungsantrag zu. Er enthält Klarstellungen und er-
möglicht dennoch gemäß dem Regierungsentwurf die
Beschneidung des männlichen Kindes am achten Tag in
der Synagoge ohne Narkose entsprechend dem jüdischen
Ritual. Stimmen Sie diesem Änderungsantrag im Inte-
resse der Rechtssicherheit zu.
Lassen Sie mich zum Schluss noch ganz kurz auf ei-
nen Vorwurf eingehen –
Das muss aber jetzt ganz zügig erfolgen.
– das mache ich ganz zügig –, der mich in den letzten
Wochen und Monaten – das muss ich zugeben – sehr be-
troffen gemacht hat. Mir wurde vorgeworfen, ich würde,
wenn ich jetzt heute hier zustimme, Tür und Tor dafür
öffnen, dass auch weibliche Genitalverstümmelung in
Zukunft möglich wird, weil auch das ein religiöses
Ritual ist. Ich glaube, man muss schlicht und ergreifend
darstellen: Weibliche Genitalverstümmelung ist nicht
nur in Deutschland strafbar, sondern sie ist sogar eine
Menschenrechtsverletzung. Dies haben die Vereinten
Nationen bereits im Jahr 1995 klargestellt.
Deswegen kann doch niemand eine Verbindung zwi-
schen der männlichen Beschneidung, über die es niemals
eine solche Entscheidung gegeben hat, und einer
Menschenrechtsverletzung herstellen. Niemand kann be-
haupten, ich wäre, weil ich die männliche Beschneidung
zulasse, mit einer Menschenrechtsverletzung einverstan-
den. Ich sage an dieser Stelle ganz klar: Wer sich heute
für diesen Regierungsentwurf – mit den Änderungen,
um die ich noch einmal bitte – entscheidet, öffnet kei-
neswegs die Tür für weibliche Genitalverstümmelung.
Diese muss in Deutschland strafbar bleiben.
Vielen Dank für Ihre Geduld.
Das Wort erhält nun der Berliner Justizsenator
Thomas Heilmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Das Kölner Urteil – das hat auch die heutige
Debatte wieder gezeigt – hat uns alarmiert. Es hat uns
Wertungswidersprüche aufgezeigt und unsere Toleranz
gegenüber Muslimen und Juden durchaus infrage ge-
stellt. Im Ergebnis aber – das kann man heute sagen –
hat das Urteil durchaus Positives bewirkt. Dies möchte
ich gerne darstellen.
Die Fragen, die das Urteil aufgeworfen hat, können
wir heute gut beantworten. Mit diesen Antworten leben
wir besser als vor dem Urteil. Wir haben ein religiöses
Ritual besser verstanden – dies gilt jedenfalls für mich –,
seinen Wert für Muslime und Juden wahrgenommen und
gleichzeitig den dahinterstehenden Grundrechtewider-
streit deutlich gemacht. Es hat eine Debatte gegeben,
und sie hat – bei allem Disput im Einzelnen; diesen gibt
es auch heute – ein klares und eindeutiges Signal gesetzt.
Unser Signal heute heißt: Jüdisches und muslimisches
Leben ist bei uns in Deutschland willkommen.
Im Sommer war das durchaus anders. Nach dem
Kölner Urteil kamen zuerst die Leitung des Jüdischen
Krankenhauses in Berlin, später weitere Ärzte, Bürger,
Rabbiner und Muslime zu mir und zur Staatsanwalt-
schaft in Berlin. Sie alle trugen sehr besorgt vor, sie
wüssten nicht, ob sie sich mit der Ausübung ihrer Reli-
gion strafbar machen. Lieber Herr Ströbele, ich kann Ih-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26091
Senator Thomas Heilmann
(C)
(B)
nen versichern: Kein Gesetz ist keine Lösung. Die
Staatsanwaltschaft Berlin hat mir sehr deutlich gemacht,
dass sie ohne die Entschließung im Deutschen Bundes-
tag vor der Sommerpause nach Abwägung aller Details
Beschneidungen verfolgt hätte. Deshalb war der Be-
schluss, also der ernsthafte Wille des Gesetzgebers, es zu
dulden, durchaus strafvermeidend und hat eine aus mei-
ner Sicht furchtbare Debatte für Deutschland vermieden.
Herr Senator Heilmann, würden Sie eine Zwischen-
frage der Kollegin Beck gestatten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, gestatte ich.
Marieluise Beck (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Schönen Dank, Herr Senator. – Sie haben eben noch
einmal betont, dass mit diesem Gesetzentwurf das Zei-
chen gesetzt werden soll, dass jüdisches und muslimi-
sches Leben in unserem Land gewollt und gewünscht ist.
Könnten Sie diese Aussage vielleicht um den Satz erwei-
tern, dass jüdisches und muslimisches Leben auch zu
den Bedingungen der Juden und Muslime gewünscht ist
und nicht nur zu unseren Bedingungen?
Ich möchte das kurz erklären. Ich habe einige Jahre
als Integrationsbeauftragte gearbeitet, und wir haben
sehr hitzige Debatten über das Thema Leitkultur geführt.
Es ging immer um die Frage: Wo ist das Recht auf Diffe-
renz? Wo müssen wir denen, die mit anderen Wertvor-
stellungen zu uns kommen, das Recht einräumen, ihr
Leben so einzurichten, dass sie einen Teil davon behal-
ten können? Schließlich wollen wir nur Integration und
nicht Assimilation.
Könnten Sie der Überlegung folgen, dass wir uns mit
einer Setzung „Diesem inhärenten Teil des jüdischen
und des muslimischen Glaubens können wir keinen
Raum einräumen“ stark in Richtung einer Assimilations-
aufforderung bewegen, statt das Recht auf Differenz und
Vielfalt zu betonen, die eine Politik der Vielfalt eigent-
lich beinhalten muss?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Mit Verlaub, ich kann in meinen acht Minuten jetzt
keine ganze Integrationsdebatte ausrollen.
Aber wenn Sie etwas lauter sprechen würden, würde
das, was Sie erläutern wollen, auch ein bisschen besser
zu verstehen sein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann Ihre Frage insofern eindeutig bejahen, als
dass „willkommen“ heißt, dass sie ihre Identität wahren
dürfen und sie nicht abgeben müssen. Darum geht es
auch in diesem Einzelfall.
Heißt das, dass sie dann alles dürfen, was sie mitge-
bracht haben? Natürlich nicht.
Ich fühle mich jetzt, ehrlich gesagt, leicht überfordert,
das nun in aller Breite als Antwort auf Ihre Frage auszu-
führen.
Heute können wir sagen – wenn ich fortfahren darf –,
dass die Frage der Zulässigkeit der Beschneidung auch
schnell und zügig beantwortet wird. Das ist zuallererst
– ich habe es eben erwähnt – Ihrer Initiative, lieber Herr
Kauder, zu verdanken. Ihnen, Frau Ministerin Leutheusser-
Schnarrenberger, ist aus meiner Sicht ein Gesetzentwurf
gelungen, der heute in diesem Haus und am Freitag im
Bundesrat eine breite Mehrheit erwarten kann. Somit
kann ich in Berlin rasch Antwort geben. Das ist nicht
selbstverständlich, und dafür danke ich heute.
Es ist nach meiner festen Überzeugung nicht nur eine
zügige und klare Antwort gelungen, sondern es ist vor
allem die richtige Antwort gelungen.
Denn mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz wird
nicht entschieden, dass und wann Beschneidungen an
Knaben zu befürworten sind. Ich selbst gehöre nicht zu
den Befürwortern einer Beschneidung, wenn sie an nicht
einwilligungsfähigen Knaben vorgenommen wird. Mehr
noch, ich begrüße es sogar, wenn sich Eltern trotz ihres
Glaubens zu einem Verzicht auf eine Beschneidung ihres
Sohnes durchringen können. Der Diskurs über die Be-
schneidung und ihre Begleitumstände ist aus meiner
Sicht erwünscht – insofern gebe ich auch der linken
Seite des Hauses durchaus recht –, gerade wenn er aus-
gewogen, sachlich und nicht feindlich geführt wird.
Was das Gesetz aber festlegen muss, ist, dass das
Strafrecht in dieser Debatte nichts zu suchen hat; darum
geht es im Kern.
Das Strafrecht sichert die wichtigsten Regeln unseres
Zusammenlebens im Interesse eines friedlichen Mitei-
nanders in unserer Gesellschaft. Zu diesem Rechtsfrie-
den gehört insbesondere, dass die Strafjustiz nur als Ul-
tima Ratio des Rechts eingesetzt wird, der Staat sich also
zurückhält. Der Staat vertraut seinen Bürgern – allen
Bürgern: Er vertraut seinen christlichen Bürgern ge-
nauso wie den atheistischen, seinen muslimischen Bür-
gern genauso wie seinen jüdischen Bürgern, und zwar
gerade im Hinblick auf die Erziehung, Pflege und Liebe
zu ihren Kindern.
Die Zurückhaltung des Strafrechts ist eine Errungen-
schaft des Rechtsstaats. Wesentliche Elemente dieser
Entwicklung waren und sind die Trennung von Kirche
und Staat und der in Deutschland geltende Religionsfrie-
den.
26092 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Senator Thomas Heilmann
(C)
(B)
In dieser Tradition – dieser Hinweis kam bisher nicht
vor – hat schon der Staat Preußen – wohlgemerkt: per
Gesetz von 1806 – Beschneidungen in Deutschland aus-
drücklich gestattet. Die damalige gesetzlich normierte
Wertung stellen wir heute wieder her. Für die, die es
nicht wissen: Sie ist letztlich über den Nationalsozialis-
mus verloren gegangen.
Den Juden wurde vor fast 2 000 Jahren durch die Er-
oberung Jerusalems durch die Römer und den damit ein-
hergehenden Massenmord ihr Staatsgebiet genommen.
Die seitdem in alle Welt zerstreuten Juden fanden über
die Jahrhunderte ihren bewundernswerten Halt in ihrer
Religion. Identität fanden und finden sie eben nicht in ei-
ner Heimat, die sie nicht hatten, sondern in ihrem Be-
kenntnis, zu dem gehört, dass der Bund mit Gott in der
Beschneidung seinen Ausdruck findet. Der Islam hat
diese Tradition in abgewandelter Form übernommen.
Der jahrtausendelange Überlebenskampf des jüdi-
schen Volkes, der in der Schoah bekanntermaßen einen
furchtbaren Höhepunkt erreicht hat, war auch deshalb
erfolgreich, weil zur jüdischen Identität Rituale wie die
Beschneidung gehören,
mit denen der Bund mit ihrem Gott symbolisiert wird –
jenem Gott, der seinem Volk Beistand zugesagt hat, auf
den es in den finstersten Stunden der Geschichte hoffen
durfte. Das verdient mehr als unseren Respekt.
Das verdient, dass wir als Staat diese Tradition im Wort-
sinne anerkennen, also erkennen und achten.
Die Beschneidung der Knaben ist kein Symbol der
Unterdrückung, wie etwa die Beschneidung von Mäd-
chen, sondern ein Zeichen des Überlebenskampfes und
des Bekenntnisses. Darin liegt der Unterschied. Deswe-
gen werten wir auch unterschiedlich.
Auch Muslime beanspruchen zu Recht unser Verste-
hen und unser Respektieren in gleicher Weise wie die Ju-
den. Die Beschneidung ist integraler Bestandteil des Is-
lam. Ohne sie gibt es für viele Muslime keine rituelle
Reinheit.
Auf der Basis eines solchen Anerkenntnisses lässt
sich dann das Gespräch über denkbare Weiterentwick-
lungen der Beschneidung gut führen – mit und vor allem
innerhalb der Religionsgemeinschaften. Der alternative
Gesetzentwurf, der eine Beschneidung erst ab 14 Jahren
vorsieht, leistet das gerade nicht. Deshalb kann man
zwar die gute Absicht anerkennen, aber es wird eben ge-
nau zu dem führen, was wir nicht wollen, nämlich zur
Einschaltung der Staatsanwaltschaft.
In den letzten Monaten wurde aus meiner Sicht Gutes
bewirkt. Wir haben nicht verschleiert, sondern deutlich
gemacht, dass legitime Weltsichten und Normen in
Deutschland aufeinandertreffen. Sie zu versöhnen, ist
die Voraussetzung für eine gedeihliche Zukunft unseres
Landes.
Der ausgewogene Gesetzentwurf der Bundesregie-
rung leistet einen wertvollen Beitrag dafür, dass unsere
Gesellschaft zusammenwächst und das wechselseitige
Verständnis größer wird. Dafür brauchen wir Respekt,
Argumente und Debatten, aber eben keine strafrechtli-
chen Sanktionen. Deshalb unterstütze ich den neuen Ge-
setzentwurf ausdrücklich.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Das Wort erhält nun der Kollege Jerzy Montag.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
unterstütze den Gesetzentwurf der Bundesregierung aus
der vollen Überzeugung heraus, dass der Deutsche Bun-
destag als Gesetzgeber in Deutschland Eltern, die sich
für eine Beschneidung ihrer Kinder aussprechen, nicht
den Vorwurf machen sollte, sie verstießen gegen das Ge-
setz und würden ihre elterlichen Sorgfaltspflichten über-
schreiten. Wir wollen ihnen auch nicht den Vorwurf ma-
chen, dass sie eine Körperverletzung an ihren Kindern
begehen.
Aber auch dieser Gesetzentwurf könnte noch verbes-
sert werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass das
Kindeswohl an zwei Stellen nicht ausreichend beachtet
wird und er deswegen eine Änderung erfahren sollte.
Beim ersten Punkt geht es um die Beachtung des
kindlichen Willens. Wir müssen uns klar werden: Der
Gesetzentwurf, über den wir gleich abstimmen, behan-
delt Beschneidungen an nicht einsichtsfähigen und nicht
urteilsfähigen Kindern. Das sind nicht nur Babys. Nicht
einsichts- und nicht urteilsfähig sind Kinder bis zum 14.,
manchmal bis zum 16. Lebensjahr. Es geht also um Jun-
gen bis zu diesem Alter.
Ich sage Ihnen: Wenn ein 13-jähriger Junge eindeutig
und klar erklärt, er möchte nicht beschnitten werden,
dann muss die Antwort des Gesetzes klar sein: Dieser
Wille ist zu beachten. Der Fehler im Gesetzentwurf der
Bundesregierung ist hier, dass diese Beachtung nicht
grundsätzlich stattfindet.
In der Begründung auf Seite 18 lesen wir, dass die
Eltern in Ausnahmefällen eine solche Meinung ihres
13-jährigen Sohnes berücksichtigen könnten. Mir ist das
zu wenig. Deswegen habe ich den Änderungsantrag ge-
stellt, dass dann, wenn die Kinder alt genug sind, um
eine klare Position zu beziehen, diese auch zu achten
und eine Einwilligung gegen eine Erklärung des Kindes
nicht zulässig ist.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26093
Jerzy Montag
(C)
(B)
Der zweite Punkt, der mir am Herzen liegt, ist die in
Abs. 2 des neuen § 1631 d BGB geregelte Ausnahme.
Bei der Beschneidung handelt es sich um einen medizi-
nisch nicht indizierten operativen Eingriff.
Ein medizinisch nicht indizierter operativer Eingriff
muss nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenom-
men werden; das bedeutet: mit einer narkotisierenden
Schmerzlinderung. Wir müssen jetzt also nach einer Lö-
sung suchen, die das unbedingte Erfordernis des Kindes-
wohls – Schmerzlinderung – auf der einen Seite mit den
Erfordernissen – ich sage das klar und deutlich – der jü-
dischen Kultusgemeinde, also der jüdischen Religion,
auf der anderen Seite in Einklang bringt. Das ist mög-
lich! Das ist deswegen möglich, weil, wie uns jedenfalls
Ärzte gesagt haben, in den ersten 14 Lebenstagen leichte
operative Eingriffe an Babys, wenn sie überhaupt vorge-
nommen werden, ohne Narkotisierung stattfinden, weil
die Narkotisierung den Babykörper mehr belastet als der
Eingriff selbst. Wir haben also mit der 14-Tage-Frist
eine Frist, die medizinisch begründet ist, die vom Kin-
deswohl begründet ist und die die Möglichkeit der Be-
schneidung nach dem jüdischen Glauben am 8. Tag
durch einen Mohel belässt.
Die beiden Änderungsanträge, die wir jetzt zur Ab-
stimmung stellen, sind nicht gegen den Gesetzentwurf
der Bundesregierung gerichtet. Wir werden für diesen
Gesetzentwurf stimmen. Aber wir könnten ihn besser
machen. Wir könnten die Zustimmung in diesem Hause
vergrößern. Ich bitte Sie herzlich, das noch einmal zu be-
denken und den beiden Änderungsanträgen, die Kolle-
gen und ich eingebracht haben, zu folgen.
Danke schön.
Bevor ich der Kollegin Özoğuz als letzter Rednerin
das Wort erteile, darf ich diejenigen, die im Saal stehen,
bitten, Platz zu nehmen, zumal, bevor wir in die Abstim-
mungen eintreten, noch einige Erläuterungen zum Ab-
stimmungsverfahren erfolgen.
Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Wir sind nun am Ende der Debatte an-
gelangt. Daher möchte ich nur noch auf wenige Punkte
Bezug nehmen, die mir besonders wichtig sind.
Die freie Entfaltung der Persönlichkeit ist eine der zen-
tralen Errungenschaften der Aufklärung. Aufklärung be-
deutet auch, dass zum Beispiel Weltreligionen ihre Be-
rechtigung im weltanschaulich neutralen Staat haben. Wir
sind eine plurale und äußerst heterogene Gesellschaft in
Deutschland. Das ist auf der einen Seite eine große
Chance. Denn jeder und jede kann eine individuelle Le-
bensplanung und individuelle Priorisierung vornehmen;
natürlich stets im Rahmen unseres Grundgesetzes. Auf
der anderen Seite ist es aber auch anstrengend und erfor-
dert ständige Mühen, anzuerkennen und manchmal auch
auszuhalten, dass Menschen unterschiedliche Auffassun-
gen darüber haben, was für sie wichtig ist oder nicht und
was für sie richtig oder falsch ist.
Was diese Debatte in meinen Augen erschwert, sind,
wie häufig, die Emotionen. Inhaltlich wird hier von meh-
reren der Anstoß gegeben, darüber nachzudenken, ob
eine jahrtausendealte Tradition heute noch ihre Richtig-
keit hat und ob sie tatsächlich nützt oder nicht. In meinen
Augen kann eine solche Frage oder Anregung niemals
falsch sein. Ich würde mir eine gute und sachliche De-
batte – und zwar hauptsächlich, wenn ich das einmal so
sagen darf, innerhalb der Religionsgemeinschaften – da-
rüber wünschen, auch wenn es zunächst einmal einige
Irritationen darüber gab, dass ein solcher Stein durch ein
Gerichtsurteil ins Rollen gebracht wurde.
Aber wir hier in diesem Hause können den Religions-
gemeinschaften diese Debatte nicht abnehmen. Wir füh-
ren eine andere Debatte. Es ist mir auch ein besonderes
Anliegen, auszudrücken, dass wir uns immer wieder die
Mühe machen sollten, diejenigen, die ein ernsthaftes An-
liegen haben – ich schaue einmal Marlene Rupprecht ex-
tra an –, deutlich von denjenigen zu unterscheiden, die
jede Gelegenheit nutzen, um sich selbst und die eigenen
Überzeugungen über die Lebensweise anderer zu stellen.
Ich möchte erwähnen, dass es leider auch bei dieser
Debatte, so etwa in Bürgerbriefen oder Mails, seit dem
Urteil des Kölner Landgerichts in Teilen eine Begleitmu-
sik gab, die überheblich, streckenweise verletzend und
zum Teil respektlos bis hin zu islamophob und antisemi-
tisch war. Das, glaube ich, dürfen wir alle nicht akzeptie-
ren und hinnehmen.
In Klammern darf ich hinzufügen: Fast ein wenig ab-
surd mutet es auch an, dass Muslime in diesen letzten
Wochen und Monaten fast ein Stück erleichtert darüber
sein mussten, dass das Urteil auch Jüdinnen und Juden in
Deutschland betrifft. Sie haben selber immer wieder
zum Ausdruck gebracht, dass man gar nicht wissen
möchte, wie diese Debatte sonst verlaufen wäre. Ich
möchte das einfach mal kritisch gesagt haben.
Es geht doch heute um Folgendes: Der Deutsche Bun-
destag kann nicht darüber entscheiden, wie Religionsge-
meinschaften – in diesem Fall Islam oder Judentum –
sich inhaltlich definieren und wie sie ihre Überlieferun-
gen und Glaubensschriften deuten. Das ist ausdrücklich
weder das Recht noch die Aufgabe des Deutschen Bun-
destags. Wir können und wollen heute festlegen, dass die
Anhänger verschiedener Religionsgemeinschaften ihre
Religionen bei uns leben können. Eine besondere He-
26094 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Aydan Özoğuz
(C)
(B)
rausforderung ist dabei natürlich auch, dass hier im
Hause nur sehr wenige diesen Glaubensgemeinschaften
– also der muslimischen, dem Islam, oder auch der jüdi-
schen Glaubensgemeinschaft – angehören und das Bild
entsteht, dass hier Mehrheiten über Minderheiten urtei-
len.
Ich respektiere – das zu sagen ist mir ganz wichtig –
die Meinung derjenigen Kolleginnen und Kollegen, die
sich gegen die Beschneidung von Jungen aussprechen
oder diese erst ab dem 14. Lebensjahr ermöglichen wol-
len, auch wenn ich persönlich diese Überzeugung nicht
teile. Denn ich halte es nicht für einen richtigen Weg
– das hat in meinen Augen auch nichts mehr mit Aus-
einandersetzung und Verständigung zu tun –, wenn wir
in Zukunft durch ein Verbot die staatsanwaltschaftliche
Verfolgung ermöglichen und damit Juden und Muslime
sehr pauschal kriminalisieren. Ich bezweifle stark, dass
Deutschland sich damit einen Gefallen tun würde, aus-
gerechnet mit einem solchen Weg weltweit eine Vorrei-
terstellung einzunehmen.
Zu guter Letzt möchte ich noch sagen – das wurde in
der ersten Beratung sehr schön dargestellt –, dass sich
weder Juden noch Muslime vorwerfen lassen müssen,
dass sie ihre Kinder weniger lieben und achten oder auf
ihr Wohl nicht allergrößten Wert legen würden.
Damit möchte ich diese Debatte beschließen und noch
einmal für die Änderungsanträge von Burkhard Lischka
und Kerstin Griese werben.
Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Ich bitte diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die
mit weiteren Wünschen nach Zwischenfragen oder
Kurzinterventionen nicht zum Zuge gekommen sind, um
Verständnis. Wir haben statt der vereinbarten Debatten-
zeit von 90 Minuten jetzt zwei Stunden über das Thema
diskutiert. Das ist sicherlich auch angemessen. Aber wir
haben noch unsere weitere Tagesordnung zu bewältigen,
was mich zu einer Anregung führt.
Es kommt jetzt wiederum verständlicherweise eine
Reihe der für die spätere Tagesordnung vorgesehenen
angemeldeten Fragen für die Fragestunde mit dem Hin-
weis auf schriftliche Beantwortung im Tagespräsidium
an. Ich habe den Eindruck, dass wir möglicherweise für
die Fragestunde nicht die vorgesehenen zwei Stunden
brauchen, sondern uns vielleicht vorab auf eine oder ein-
einhalb Stunden verständigen könnten. Ich bitte daher
darum, vielleicht während der namentlichen Abstim-
mung zwischen den Geschäftsführern eine Verständi-
gung herbeizuführen. Darauf können dann auch die wei-
teren Planungen für den späteren Nachmittag und Abend
abzielen. Vielleicht kann das während der ersten na-
mentlichen Abstimmung zwischen den Geschäftsführern
geklärt werden.
Bevor wir nun zur Abstimmung kommen, bitte ich
um Aufmerksamkeit für einige Hinweise zum Abstim-
mungsverfahren einschließlich des Hinweises, dass mir
mehrere schriftliche Erklärungen nach § 31 unserer Ge-
schäftsordnung zu den einzelnen Anträgen bzw. zum
Gesetzentwurf vorliegen sowie die Bitte um eine münd-
liche Erklärung des Kollegen Schwanitz, die ich nachher
zwischen den Abstimmungen aufrufen werde.1)
Interfraktionell ist vereinbart, zuerst über den Gesetz-
entwurf der Abgeordneten Marlene Rupprecht und wei-
terer Abgeordneter abzustimmen. Danach werden wir
über die drei Änderungsanträge zum Gesetzentwurf der
Bundesregierung und anschließend über diesen Gesetz-
entwurf in veränderter oder nicht veränderter Form ab-
stimmen.
Zu den Gesetzentwürfen wie auch zu den Änderungs-
anträgen ist jeweils namentliche Abstimmung verlangt.
Zur Feststellung der Ergebnisse der namentlichen Ab-
stimmungen werde ich die Sitzung jeweils unterbrechen
müssen, weil das Abstimmungsergebnis von Bedeutung
für den jeweils folgenden Abstimmungsgegenstand ist.
Bitte vergewissern Sie sich vor der Stimmabgabe, ob die
Stimmkarte, die Sie verwenden, Ihren Namen trägt. Darf
ich fragen, ob irgendjemand Einwände gegen die vorge-
schlagene Reihenfolge und das Verfahren der Abstim-
mung erhebt? – Das ist nicht der Fall. Dann haben wir
das einvernehmlich so beschlossen.
Wir stimmen zunächst über den von den Abgeord-
neten Marlene Rupprecht, Katja Dörner, Diana Golze
und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurf eines
Gesetzes über den Umfang der Personensorge und die
Rechte des männlichen Kindes bei einer Beschneidung
ab. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe b
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksachen 17/11800
und 17/11814, diesen Gesetzentwurf auf Drucksache
17/11430 abzulehnen. Es ist dazu eine namentliche Ab-
stimmung verlangt. Ich darf die Schriftführerinnen und
Schriftführer bitten, mir ein Zeichen zu geben, wenn die
Urnen jeweils doppelt besetzt sind. – Alle Urnen sind
ordnungsgemäß besetzt. Ich eröffne damit die erste na-
mentliche Abstimmung.
Darf ich fragen, ob noch jemand im Saal anwesend
und stimmberechtigt ist, der seine Stimmkarte für die
erste namentliche Abstimmung nicht abgegeben hat? –
Das ist jedenfalls für uns erkennbar nicht der Fall. Dann
schließe ich die erste namentliche Abstimmung.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit
der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Er-
gebnisses unterbreche ich die Sitzung.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
1) Anlagen 2 bis 6
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26095
Präsident Dr. Norbert Lammert
(C)
(B)
Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der ersten namentli-
chen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes
über den Umfang der Personensorge und die Rechte des
männlichen Kindes bei einer Beschneidung bekannt
– hier handelt es sich um den Gesetzentwurf der Kolle-
gin Rupprecht und weiterer Kolleginnen und Kollegen –:
abgegebene Stimmen 584. Mit Ja haben gestimmt 91,
mit Nein haben gestimmt 462, 31 Mitglieder des Hauses
haben sich der Stimme enthalten. Damit ist dieser Ge-
setzentwurf abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 583;
davon
ja: 91
nein: 461
enthalten: 31
Ja
CDU/CSU
Olav Gutting
Andreas Mattfeldt
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Bärbel Bas
Dirk Becker
Lothar Binding
Klaus Brandner
Ulla Burchardt
Ingo Egloff
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Angelika Graf
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz
Christel Humme
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Steffen-Claudio Lemme
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Hilde Mattheis
Gerold Reichenbach
René Röspel
Karin Roth
Marlene Rupprecht
Annette Sawade
Bernd Scheelen
Ewald Schurer
Rolf Schwanitz
Dr. Carsten Sieling
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Andrea Wicklein
Dagmar Ziegler
DIE LINKE
Agnes Alpers
Herbert Behrens
Matthias W. Birkwald
Steffen Bockhahn
Eva Bulling-Schröter
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Diana Golze
Annette Groth
Heike Hänsel
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Andrej Hunko
Ulla Jelpke
Katja Kipping
Jan Korte
Katrin Kunert
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Thomas Lutze
Ulrich Maurer
Cornelia Möhring
Wolfgang Nešković
Jens Petermann
Richard Pitterle
Yvonne Ploetz
Ingrid Remmers
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Johanna Voß
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Katja Dörner
Bettina Herlitzius
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Maria Klein-Schmeink
Sylvia Kotting-Uhl
Agnes Krumwiede
Monika Lazar
Friedrich Ostendorff
Ulrich Schneider
Dorothea Steiner
Dr. Valerie Wilms
Nein
CDU/CSU
Peter Aumer
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
Manfred Behrens
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Börnsen
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer
Dirk Fischer
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Andreas G. Lämmel
26096 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Präsident Dr. Norbert Lammert
(C)
(B)
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Stephan Mayer
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Nadine Schön
Dr. Kristina Schröder
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß
Sabine Weiss
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-
Becker
Dagmar G. Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Rainer Arnold
Dr. Hans-Peter Bartels
Sören Bartol
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Uwe Beckmeyer
Gerd Bollmann
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Petra Crone
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
Hubertus Heil
Wolfgang Hellmich
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Dr. Eva Högl
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Fritz Rudolf Körper
Christine Lambrecht
Christian Lange
Dr. Karl Lauterbach
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Katja Mast
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Thomas Oppermann
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth
Anton Schaaf
Marianne Schieder
Werner Schieder
Ottmar Schreiner
Swen Schulz
Frank Schwabe
Dr. Martin Schwanholz
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Kerstin Tack
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Dr. Marlies Volkmer
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine Aschenberg-
Dugnus
Daniel Bahr
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Hans-Werner Ehrenberg
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Holger Krestel
Patrick Kurth
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Dr. Martin Lindner
Michael Link
Oliver Luksic
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26097
Präsident Dr. Norbert Lammert
(C)
(B)
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Jörg von Polheim
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Manfred Todtenhausen
Dr. Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff
DIE LINKE
Jan van Aken
Christine Buchholz
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Werner Dreibus
Nicole Gohlke
Dr. Gregor Gysi
Dr. Rosemarie Hein
Dr. Lukrezia Jochimsen
Harald Koch
Caren Lay
Sabine Leidig
Ulla Lötzer
Dorothée Menzner
Niema Movassat
Petra Pau
Paul Schäfer
Michael Schlecht
Dr. Axel Troost
Kathrin Vogler
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck
Volker Beck
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Agnes Brugger
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Harald Ebner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Priska Hinz
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Thilo Hoppe
Sven-Christian Kindler
Ute Koczy
Tom Koenigs
Oliver Krischer
Fritz Kuhn
Renate Künast
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller
Beate Müller-Gemmeke
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Dr. Hermann E. Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Claudia Roth
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Gerhard Schick
Dr. Wolfgang Strengmann-
Kuhn
Markus Tressel
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
Enthalten
CDU/CSU
Norbert Schindler
SPD
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Klaus Barthel
Dr. Peter Danckert
Dagmar Freitag
Michael Groß
Gustav Herzog
Petra Merkel
Ullrich Meßmer
Stefan Rebmann
Ulla Schmidt
Carsten Schneider
Christoph Strässer
FDP
Dr. Erwin Lotter
Torsten Staffeldt
DIE LINKE
Dr. Dietmar Bartsch
Jutta Krellmann
Dr. Gesine Lötzsch
Kornelia Möller
Thomas Nord
Sabine Stüber
Alexander Ulrich
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Dr. Anton Hofreiter
Markus Kurth
Undine Kurth
Tabea Rößner
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Beate Walter-Rosenheimer
Arfst Wagner
Wir kommen nun zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zum
gleichen Gegenstand. Der Rechtsausschuss empfiehlt
unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf den
Drucksachen 17/11800 und 17/11814, den Gesetzent-
wurf der Bundesregierung auf der Drucksache 17/11295
anzunehmen. Hierzu liegen drei Änderungsanträge vor.
Wir kommen zunächst zum Änderungsantrag der Ab-
geordneten Burkhard Lischka, Christine Lambrecht,
Rainer Arnold und weiterer Abgeordneter auf der
Drucksache 17/11815. Die Abgeordnete Viola von
Cramon-Taubadel hat die Teilung der Frage nach § 47
der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages bean-
tragt – das ist vorhin erläutert worden –, der die Ände-
rungsantragsteller nicht widersprechen. Deswegen soll
zunächst über Nr. 2 des Änderungsantrags – hier geht es
um das Inkrafttreten und die Evaluationspflicht – einfach
abgestimmt werden. Danach soll über den Rest des Än-
derungsantrags namentlich abgestimmt werden. Wir
kommen jetzt also zu Nr. 2 des Änderungsantrags auf
Drucksache 17/11815. Wer stimmt für diesen Teil des
Änderungsantrags? – Wer stimmt dagegen? – Das
Zweite ist die Mehrheit, so ist hier oben die übereinstim-
mende Auffassung. Damit ist dieser Teil des Änderungs-
antrags abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über den übrigen Teil des Ände-
rungsantrags auf der Drucksache 17/11815 auf Verlan-
gen der SPD-Fraktion namentlich ab. Ich darf deswegen
die Schriftführerinnen und Schriftführer bitten, wieder
die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Ich eröffne die
zweite namentliche Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied anwesend, das seine Stimmkarte
für die zweite namentliche Abstimmung nicht abgege-
ben hat? – Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann
schließe ich die zweite namentliche Abstimmung und
bitte um Auszählung.
Bevor ich die Sitzung unterbreche, bis wir das Ergeb-
nis dieser namentlichen Abstimmung erhalten, möchte
ich Sie noch um Zustimmung zu einer kleinen Änderung
im Ablauf der heutigen Plenarsitzung bitten. In der Zwi-
schenzeit ist unter den Fraktionen eine Verständigung
darüber erfolgt, dass die Fragestunde im weiteren Ver-
lauf unserer heutigen Tagesordnung nicht zwei Stunden,
sondern eine Stunde dauern soll. Darf ich dazu Ihr Ein-
vernehmen feststellen? – Dann haben wir die einschlägi-
gen Vereinbarungen in dieser Weise korrigiert. – Ich be-
danke mich.
Die Sitzung ist unterbrochen.
26098 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
(C)
(B)
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich darf Ihnen das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der zweiten nament-
lichen Abstimmung mitteilen – hier geht es um den
Änderungsantrag der Kollegen Lischka, Lambrecht und
anderer –: Zu dieser zweiten Abstimmung liegen
579 Stimmkarten vor. 69 Kollegen haben sich enthalten.
Mit Ja haben gestimmt 131, mit Nein haben gestimmt 379.
Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 579;
davon
ja: 131
nein: 379
enthalten: 69
Ja
SPD
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Ingo Egloff
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Gabriele Groneberg
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Michael Hartmann
Hubertus Heil
Wolfgang Hellmich
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Dr. Karl Lauterbach
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Katja Mast
Hilde Mattheis
Petra Merkel
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Thomas Oppermann
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth
Annette Sawade
Anton Schaaf
Marianne Schieder
Werner Schieder
Ottmar Schreiner
Swen Schulz
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Sonja Steffen
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
Dagmar Ziegler
FDP
Frank Schäffler
DIE LINKE
Dr. Dietmar Bartsch
Matthias W. Birkwald
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Dr. Rosemarie Hein
Jan Korte
Caren Lay
Ralph Lenkert
Stefan Liebich
Thomas Lutze
Dorothée Menzner
Kornelia Möller
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Jens Petermann
Richard Pitterle
Paul Schäfer
Sabine Stüber
Dr. Axel Troost
Kathrin Vogler
Harald Weinberg
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Harald Ebner
Kai Gehring
Thilo Hoppe
Nicole Maisch
Kerstin Müller
Beate Müller-Gemmeke
Krista Sager
Dr. Gerhard Schick
Dr. Wolfgang Strengmann-
Kuhn
Nein
CDU/CSU
Peter Aumer
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
Manfred Behrens
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Börnsen
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer
Dirk Fischer
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26099
Präsident Dr. Norbert Lammert
(C)
(B)
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Nadine Schön
Dr. Kristina Schröder
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß
Sabine Weiss
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-
Becker
Dagmar G. Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Bärbel Bas
Dirk Becker
Elke Ferner
Michael Gerdes
Klaus Hagemann
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz
Christel Humme
Fritz Rudolf Körper
Christian Lange
Steffen-Claudio Lemme
Caren Marks
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
René Röspel
Marlene Rupprecht
Bernd Scheelen
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Peer Steinbrück
Rüdiger Veit
Andrea Wicklein
Manfred Zöllmer
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine Aschenberg-
Dugnus
Daniel Bahr
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Hans-Werner Ehrenberg
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Holger Krestel
Patrick Kurth
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Dr. Martin Lindner
Michael Link
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Jörg von Polheim
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Manfred Todtenhausen
26100 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Präsident Dr. Norbert Lammert
(C)
(B)
Dr. Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Steffen Bockhahn
Christine Buchholz
Sevim Dağdelen
Werner Dreibus
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Annette Groth
Heike Hänsel
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Katrin Kunert
Sabine Leidig
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Ulrich Maurer
Thomas Nord
Petra Pau
Ingrid Remmers
Michael Schlecht
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Alexander Süßmair
Frank Tempel
Halina Wawzyniak
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Dr. Thomas Gambke
Bettina Herlitzius
Priska Hinz
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Agnes Krumwiede
Fritz Kuhn
Markus Kurth
Monika Lazar
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Manuel Sarrazin
Ulrich Schneider
Dorothea Steiner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler
Enthalten
CDU/CSU
Norbert Schindler
SPD
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Bernhard Brinkmann
Ulla Burchardt
Karin Evers-Meyer
Dagmar Freitag
Angelika Graf
Kerstin Griese
Michael Groß
Dr. Eva Högl
Hans-Ulrich Klose
Karin Roth
Ulla Schmidt
Carsten Schneider
Dr. Carsten Sieling
Wolfgang Tiefensee
Brigitte Zypries
DIE LINKE
Herbert Behrens
Dr. Martina Bunge
Andrej Hunko
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jutta Krellmann
Dr. Gesine Lötzsch
Cornelia Möhring
Yvonne Ploetz
Dr. Kirsten Tackmann
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck
Volker Beck
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Agnes Brugger
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Renate Künast
Undine Kurth
Dr. Tobias Lindner
Jerzy Montag
Dr. Konstantin von Notz
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth
Elisabeth Scharfenberg
Hans-Christian Ströbele
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Daniela Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Arfst Wagner
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ände-
rungsantrag der Abgeordneten Jerzy Montag, Kerstin
Andreae, Volker Beck und weiterer Abgeordneter auf
der Drucksache 17/11816. Auch hier ist namentliche Ab-
stimmung verlangt. Ich bitte die Schriftführer, mir ein
Zeichen zu geben, wenn die Urnen besetzt sind. – Ich er-
öffne die dritte namentliche Abstimmung.
Ist noch ein Kollege anwesend, der seine Stimme in
der dritten namentlichen Abstimmung nicht abgegeben
hat? Ich schließe den dritten Abstimmungsvorgang und
bitte, auch hier das Ergebnis ähnlich schnell wie bei den
ersten beiden Vorgängen auszuzählen.
Die Sitzung ist unterbrochen.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich darf Ihnen das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der dritten nament-
lichen Abstimmung mitteilen – hier geht es um den
Änderungsantrag der Kollegen Jerzy Montag, Kerstin
Andreae und weiterer Abgeordneter –: abgegebene
Stimmen jetzt wieder 581. Enthaltungen 82, mit Ja
haben gestimmt 71, mit Nein 428. Damit ist dieser
Änderungsantrag abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 581;
davon
ja: 71
nein: 428
enthalten: 82
Ja
CDU/CSU
Jürgen Hardt
Rudolf Henke
SPD
Klaus Barthel
Dr. h. c. Gernot Erler
Michael Gerdes
Gustav Herzog
Oliver Kaczmarek
Franz Müntefering
Frank Schwabe
Sonja Steffen
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Waltraud Wolff
FDP
Christian Ahrendt
Björn Sänger
DIE LINKE
Dr. Dietmar Bartsch
Eva Bulling-Schröter
Dr. Rosemarie Hein
Katja Kipping
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26101
Präsident Dr. Norbert Lammert
(C)
(B)
Michael Leutert
Stefan Liebich
Niema Movassat
Petra Pau
Paul Schäfer
Dr. Axel Troost
Kathrin Vogler
Harald Weinberg
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck
Volker Beck
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Viola von Cramon-Taubadel
Agnes Brugger
Ekin Deligöz
Harald Ebner
Hans-Josef Fell
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Priska Hinz
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Thilo Hoppe
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Fritz Kuhn
Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller
Beate Müller-Gemmeke
Dr. Konstantin von Notz
Dr. Hermann E. Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Claudia Roth
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Gerhard Schick
Ulrich Schneider
Dr. Wolfgang Strengmann-
Kuhn
Markus Tressel
Daniela Wagner
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Peter Aumer
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
Manfred Behrens
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer
Dirk Fischer
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Nadine Schön
Dr. Kristina Schröder
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß
Sabine Weiss
26102 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Präsident Dr. Norbert Lammert
(C)
(B)
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-
Becker
Dagmar G. Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Bärbel Bas
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Dirk Becker
Lothar Binding
Bernhard Brinkmann
Edelgard Bulmahn
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Ingo Egloff
Siegmund Ehrmann
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dagmar Freitag
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Gabriele Groneberg
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
Rolf Hempelmann
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz
Christel Humme
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Fritz Rudolf Körper
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange
Steffen-Claudio Lemme
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Katja Mast
Petra Merkel
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Thomas Oppermann
Heinz Paula
Johannes Pflug
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth
Marlene Rupprecht
Annette Sawade
Anton Schaaf
Bernd Scheelen
Marianne Schieder
Werner Schieder
Ulla Schmidt
Ottmar Schreiner
Swen Schulz
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Jens Ackermann
Christine Aschenberg-
Dugnus
Daniel Bahr
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Hans-Werner Ehrenberg
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Heiner Kamp
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Holger Krestel
Patrick Kurth
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Dr. Martin Lindner
Michael Link
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Jörg von Polheim
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Manfred Todtenhausen
Dr. Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Steffen Bockhahn
Christine Buchholz
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Annette Groth
Heike Hänsel
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Katrin Kunert
Sabine Leidig
Ulla Lötzer
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Cornelia Möhring
Kornelia Möller
Wolfgang Nešković
Thomas Nord
Jens Petermann
Ingrid Remmers
Michael Schlecht
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Alexander Süßmair
Frank Tempel
Johanna Voß
Halina Wawzyniak
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Dr. Thomas Gambke
Bettina Herlitzius
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Agnes Krumwiede
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dorothea Steiner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Enthalten
CDU/CSU
Dr. Stefan Kaufmann
Norbert Schindler
Stefanie Vogelsang
SPD
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Sören Bartol
Uwe Beckmeyer
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Marco Bülow
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Dr. Edgar Franke
Angelika Graf
Kerstin Griese
Michael Groß
Bettina Hagedorn
Hubertus Heil
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Dr. Eva Högl
Ulrich Kelber
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26103
Präsident Dr. Norbert Lammert
(C)
(B)
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Dr. Karl Lauterbach
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hilde Mattheis
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Aydan Özoğuz
Joachim Poß
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
Michael Roth
Carsten Schneider
Ewald Schurer
Stefan Schwartze
Dr. Carsten Sieling
Franz Thönnes
Dagmar Ziegler
FDP
Michael Kauch
DIE LINKE
Herbert Behrens
Matthias W. Birkwald
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Dr. Dagmar Enkelmann
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Andrej Hunko
Dr. Lukrezia Jochimsen
Harald Koch
Jan Korte
Jutta Krellmann
Caren Lay
Ralph Lenkert
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Richard Pitterle
Yvonne Ploetz
Sabine Stüber
Dr. Kirsten Tackmann
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Katja Dörner
Dr. Anton Hofreiter
Ute Koczy
Undine Kurth
Tabea Rößner
Krista Sager
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Beate Walter-Rosenheimer
Arfst Wagner
Wir kommen nun zu dem Änderungsantrag der Abge-
ordneten Dr. Carola Reimann, Kerstin Griese, Sabine
Bätzing-Lichtenthäler und weiterer Abgeordneter auf
der Drucksache 17/11835. Auch hierzu ist namentliche
Abstimmung beantragt. Ich darf die Schriftführerinnen
und Schriftführer bitten, ihre Plätze einzunehmen und
mir zu signalisieren, wenn sie alle an den vorgesehenen
Stellen versammelt sind. – Ich eröffne die vierte nament-
liche Abstimmung.
Ich darf den Kollegen Koeppen bitten, sich bei mir zu
melden.
Hat ein anwesendes Mitglied des Hauses seine
Stimmkarte für die vierte namentliche Abstimmung –
hier geht es um den Änderungsantrag der Abgeordneten
Reimann und anderer – noch nicht eingeworfen? – Das
ist offensichtlich nicht der Fall. Dann schließe ich auch
diese namentliche Abstimmung und bitte um Auszäh-
lung.1)
Nun erteile ich dem Kollegen Schwanitz das Wort zu
einer persönlichen Erklärung.
Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, die sich im
Saal aufhalten, sich zu setzen.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Ich gebe diese Er-
klärung auch im Namen meines Fraktionskollegen
Rüdiger Veit ab.
Sehr geehrte Damen und Herren! Der Schutz und die
Weiterentwicklung der bürgerlichen Rechte gehören
zum Kernbereich der demokratischen und offenen Ge-
sellschaft. Deutschland hat seit 1949 viele ebenso große
wie schwierige gesellschaftliche Diskussionen erlebt, an
deren Ende sich das Parlament für die Stärkung der
Rechte der Bürgerinnen und Bürger entschieden hat, und
meist wurden diese Entscheidungen im Konflikt und ge-
gen die traditionellen Gepflogenheiten in der Gesell-
schaft getroffen. Erinnert sei zum Beispiel an die Dis-
kussionen über die Gleichstellung der Frau im Familien-
und Eherecht in den 50er- und 70er-Jahren, an die
Gleichstellung unehelicher Kinder und an die bis heute
nicht abgeschlossene Debatte über die Rechte von kran-
ken und zu pflegenden Menschen in Deutschland.
Auch und gerade die Rechte der Kinder unterliegen in
Deutschland und weltweit einer solchen rechtspoliti-
schen Entwicklung, die bis heute noch nicht abgeschlos-
sen ist. Jahrtausendelang wurden Kinder zum Besitztum
der Eltern gezählt, mussten sich bedingungslos unterord-
nen und waren ausschließlich einer elterlichen Gewalt
unterworfen. Spätestens seit der Kinderrechtskonvention
ist aber anerkannt, dass Kinder eigenständige Träger von
Rechten sind, dass allen Kindern die Menschenrechte
zustehen, dass Kinder ein Recht auf Entwicklung haben
und dass dabei das Wohl des Kindes stets Vorrang be-
sitzt.
Der heute zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf
der Bundesregierung ist in meinen Augen ein rechtspoli-
tischer Rückschritt und ein schwerer Rückschlag für die
immer noch unzureichend geregelten Rechte der Kinder
in Deutschland.
Der Gesetzentwurf relativiert das Recht des Kindes auf
körperliche Unversehrtheit. Er legitimiert eine dauer-
hafte, irreversible und medizinisch nicht notwendige
Verletzung des kindlichen Körpers. Er ignoriert die
schweren gesundheitlichen Risiken und Folgen, die mit
dieser Körperverletzung verbunden sind, und basiert
deshalb auf einer fehlerhaften Güterabwägung. Der Ge-
setzentwurf sichert keine adäquate Schmerzbehandlung
des Kindes, er erlaubt den schweren medizinischen Ein-
griff auch durch nicht hinreichend qualifiziertes, nicht-
ärztliches Personal, eine Regelung, die in Deutschland
sowohl dem geltenden Recht als auch den üblichen me-
dizinischen und rechtspolitischen Standards wider-
spricht.
All dies meint die Bundesregierung so regeln zu müs-
sen, weil nur so den Erwartungen und Traditionen von
Religionsgemeinschaften entsprochen werden kann. Der 1) Ergebnis Seite 26104 C
26104 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Rolf Schwanitz
(C)
(B)
frühere Richter am Bundesverfassungsgericht Dieter
Grimm hat unlängst in der Süddeutschen Zeitung unter
der Fragestellung „Was schuldet der Staat der Religion?“
darauf hingewiesen, dass – ich zitiere – „keiner Reli-
gionsgemeinschaft die öffentliche Infragestellung oder
Kritik ihrer Glaubensinhalte, ihrer religiösen Praxis und
ihrer Ansprüche an die Gläubigen erspart werden“ kann.
Ich teile diese Einschätzung ausdrücklich. Es ist dem sä-
kularen Rechtsstaat deshalb nicht erlaubt, die Grund-
rechte Einzelner wegen der tradierten Praxis von Glau-
bensgemeinschaften zurückzusetzen.
Eine solche Zurücksetzung ist auch dann nicht erlaubt,
wenn alle Religionsgemeinschaften dies in einer selte-
nen Eintracht mit großem Nachdruck fordern.
Die Rechte des Kindes werden im Gesetzentwurf zu-
gunsten der Rechtssicherheit religiöser Gewohnheiten
bewusst verleugnet. Dazu ist auch das Parlament nicht
legitimiert; denn dies ist mit der Wertestruktur des
Grundgesetzes nicht vereinbar. Deshalb kann ich dieses
Gesetz nur als unrichtiges Recht, nur als gesetzliches
Unrecht begreifen.
Zum Schluss kann ich der Mehrheit im Parlament
auch eine Verfahrenskritik nicht ersparen: Mit der Art
und Weise, wie mit den Gesetzentwürfen im Parlament
umgegangen wurde, wie sie beraten worden sind, ist
man der Schwere der zu entscheidenden Sachverhalte in
keiner Weise gerecht geworden.
Das betrifft vor allem die kurze Beratungszeit und die
Tatsache, dass im federführenden Ausschuss noch nicht
einmal den kritischen Betroffenengruppen eine Teil-
nahme an der Anhörung eröffnet worden ist.
Bedenkt man zum Beispiel, dass der Gesetzentwurf zur
Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs
seit 18 Monaten im federführenden Rechtsausschuss
liegt und die Beratungen darüber bis heute kein Ende ge-
funden haben, so erscheint das hier gewählte Eilverfah-
ren unverhältnismäßig und unangemessen.
All dies kann in meinen Augen nur eine Konsequenz
haben: die Ablehnung des Gesetzentwurfs der Bundesre-
gierung.
Herzlichen Dank.
Weitere mündliche Erklärungen zur Abstimmung lie-
gen mir nicht vor.
Ich kann Ihnen nun das von den Schriftführerinnen
und Schriftführern ermittelte Ergebnis der vierten na-
mentlichen Abstimmung mitteilen – hier ging es um
den Änderungsantrag der Abgeordneten Carola
Reimann, Kerstin Griese und weiterer Abgeordneter –:
abgegebene Stimmen wieder 581. Enthaltungen 49, mit
Ja haben gestimmt 153, mit Nein haben gestimmt 379.
Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 581;
davon
ja: 153
nein: 379
enthalten: 49
Ja
CDU/CSU
Rudolf Henke
Dr. Norbert Lammert
SPD
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Sören Bartol
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Uwe Beckmeyer
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
Hubertus Heil
Wolfgang Hellmich
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Dr. Eva Högl
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Fritz Rudolf Körper
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange
Dr. Karl Lauterbach
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Katja Mast
Petra Merkel
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Thomas Oppermann
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26105
Präsident Dr. Norbert Lammert
(C)
(B)
Anton Schaaf
Marianne Schieder
Werner Schieder
Ottmar Schreiner
Swen Schulz
Frank Schwabe
Dr. Martin Schwanholz
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Dagmar Ziegler
FDP
Michael Kauch
DIE LINKE
Jan van Aken
Dr. Dietmar Bartsch
Eva Bulling-Schröter
Dr. Rosemarie Hein
Katja Kipping
Ralph Lenkert
Stefan Liebich
Niema Movassat
Paul Schäfer
Dr. Axel Troost
Kathrin Vogler
Harald Weinberg
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck
Volker Beck
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Agnes Brugger
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Harald Ebner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Priska Hinz
Bärbel Höhn
Thilo Hoppe
Sven-Christian Kindler
Tom Koenigs
Oliver Krischer
Fritz Kuhn
Renate Künast
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller
Beate Müller-Gemmeke
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Dr. Hermann E. Ott
Brigitte Pothmer
Claudia Roth
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Gerhard Schick
Ulrich Schneider
Dr. Wolfgang Strengmann-
Kuhn
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Peter Aumer
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
Manfred Behrens
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Börnsen
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer
Dirk Fischer
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Nadine Schön
Dr. Kristina Schröder
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Detlef Seif
26106 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Präsident Dr. Norbert Lammert
(C)
(B)
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß
Sabine Weiss
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-
Becker
Dagmar G. Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Bärbel Bas
Dirk Becker
Lothar Binding
Ulla Burchardt
Ingo Egloff
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz
Christel Humme
Steffen-Claudio Lemme
Kirsten Lühmann
Caren Marks
René Röspel
Marlene Rupprecht
Bernd Scheelen
Rolf Schwanitz
Rüdiger Veit
Andrea Wicklein
Manfred Zöllmer
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine Aschenberg-
Dugnus
Daniel Bahr
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Mechthild Dyckmans
Hans-Werner Ehrenberg
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Heiner Kamp
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Holger Krestel
Patrick Kurth
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Dr. Martin Lindner
Michael Link
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Jörg von Polheim
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Manfred Todtenhausen
Dr. Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff
DIE LINKE
Agnes Alpers
Matthias W. Birkwald
Steffen Bockhahn
Christine Buchholz
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Heike Hänsel
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Jan Korte
Katrin Kunert
Sabine Leidig
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Thomas Lutze
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Cornelia Möhring
Kornelia Möller
Wolfgang Nešković
Thomas Nord
Petra Pau
Jens Petermann
Richard Pitterle
Ingrid Remmers
Michael Schlecht
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Frank Tempel
Johanna Voß
Halina Wawzyniak
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Bettina Herlitzius
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Agnes Krumwiede
Markus Kurth
Monika Lazar
Friedrich Ostendorff
Dorothea Steiner
Markus Tressel
Dr. Valerie Wilms
Enthalten
CDU/CSU
Norbert Schindler
SPD
Klaus Barthel
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Angelika Graf
Michael Groß
Hans-Ulrich Klose
Hilde Mattheis
Ullrich Meßmer
Gerold Reichenbach
Karin Roth
Annette Sawade
Ulla Schmidt
Carsten Schneider
Ewald Schurer
Dr. Carsten Sieling
Waltraud Wolff
Brigitte Zypries
DIE LINKE
Herbert Behrens
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Dr. Gregor Gysi
Andrej Hunko
Dr. Lukrezia Jochimsen
Harald Koch
Jutta Krellmann
Caren Lay
Dr. Gesine Lötzsch
Yvonne Ploetz
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Katja Dörner
Dr. Anton Hofreiter
Ingrid Hönlinger
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26107
Präsident Dr. Norbert Lammert
(C)
(B)
Sylvia Kotting-Uhl
Undine Kurth
Dr. Tobias Lindner
Lisa Paus
Tabea Rößner
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Daniela Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Arfst Wagner
Wir kommen nun zur Schlussabstimmung über den
Gesetzentwurf der Bundesregierung. Ich darf diejenigen,
die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das
Handzeichen bitten. – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich der Stimme? – Das war eine deutliche Mehrheit
bei zahlreichen Gegenstimmen und wenigen Enthaltun-
gen. Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung
angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung. Auch hierzu ist namentliche
Abstimmung verlangt. Ich darf um ein Zeichen bitten,
wenn die Urnen besetzt sind. – Ich eröffne die fünfte und
letzte namentliche Abstimmung zu diesem Themenkom-
plex.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme für die letzte namentliche Abstimmung – hier
geht es um den Gesetzentwurf der Bundesregierung –
nicht abgegeben hat? – Alle, die sich jetzt noch melden,
kommen zu spät. Ich schließe damit die fünfte namentli-
che Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, das Ergebnis auszuzählen. Wir werden es,
wie üblich, nach Vorliegen während des nächsten Tages-
ordnungspunktes bekannt geben.1)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe den Tages-
ordnungspunkt 2 auf:
Beratung des Antrags der Bundesregierung
Entsendung bewaffneter deutscher Streit-
kräfte zur Verstärkung der integrierten Luft-
verteidigung der NATO auf Ersuchen der
Türkei und auf Grundlage des Rechts auf kol-
schlusses des Nordatlantikrates vom 4. Dezem-
ber 2012
– Drucksache 17/11783 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Die Frak-
tionen sind damit einverstanden. Dann haben wir das so
beschlossen.
Ich darf als erstem Redner in unserer Debatte für die
Bundesregierung das Wort Herrn Bundesminister
Dr. Thomas de Maizière erteilen. Bitte schön, Herr Bun-
desminister.
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Ver-
teidigung:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Türkei ist das vom syrischen Bürgerkrieg am meisten
betroffene Land. Mehr als 150 000 syrische Flüchtlinge
befinden sich mittlerweile in der Türkei. Die Türkei ist
in einer außergewöhnlich großzügigen und offenherzi-
gen Weise auf diese Flüchtlinge zugegangen, im Übrigen
– nur ganz leise gesagt – besser als manches EU-Land.
Bis heute gab es zahlreiche Grenzverletzungen von syri-
scher Seite mit Toten unter der türkischen Zivilbevölke-
rung. Syrien verfügt über eine große Anzahl von Rake-
ten, die nahezu jeden Ort in der Türkei erreichen
könnten. Diese Raketen sind auch mit chemischen Waf-
fen bestückbar. Ich sage ausdrücklich: Bisher gibt es
keine Anzeichen dafür, dass Syrien die Absicht haben
könnte, diese Waffen einzusetzen, aber die Fähigkeit
dazu besitzt Syrien.
Es ist deshalb nachvollziehbar, dass sich die Men-
schen in der Türkei zunehmend von der Lage in Syrien
bedroht fühlen und sich Sorgen machen. Dies gilt erst
recht, wenn – meine Damen und Herren, ich sage das mit
Bedacht und ganz vorsichtig – dieser Bürgerkrieg viel-
leicht schon bald in die Schlussphase übergeht, wofür es
einige Anzeichen gibt.
Am 21. November dieses Jahres hat die Türkei die
NATO zum Schutz ihrer Bevölkerung und ihres Territo-
riums um Unterstützung gebeten. Konkret wurden die
modernen Flugabwehrraketensysteme Patriot zur Ver-
stärkung der integrierten Luftverteidigung der NATO
durch die Türkei angefragt. Die USA, die Niederlande
und Deutschland verfügen über diese Systeme. Der
Nordatlantikrat hat dieser Bitte durch seinen Beschluss
vom 4. Dezember entsprochen.
Mit der Stationierung der Patriot-Systeme sollen eine
Ausweitung der bewaffneten Auseinandersetzungen über
Syrien hinaus und eine Beeinträchtigung der Sicherheit
der Türkei gerade verhindert werden. Wir sind bereit,
uns – gemeinsam mit den Niederlanden und den USA –
mit zwei Feuereinheiten Patriot an dieser Maßnahme zu
beteiligen. Für den Einsatz unserer Soldaten sind drei
Punkte entscheidend:
Erstens. Der Einsatz erfolgt ausschließlich zu defensi-
ven Zwecken: zum Schutz der türkischen Bevölkerung
und des türkischen Staatsgebietes.
Zweitens. Eine Einrichtung oder Unterstützung einer
Flugverbotszone in Syrien wird explizit ausgeschlossen.
Das steht so in dem türkischen Antrag, das steht so in 1) Ergebnis Seite 26110 C
26108 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Bundesminister Dr. Thomas de Maizière
(C)
(B)
dem Beschluss der NATO, und das ist auch im Bundes-
tagsmandat klar niedergelegt.
Drittens. Unsere Soldaten werden dem NATO-Ober-
befehlshaber und den NATO-Kommandostrukturen un-
terstellt. Das heißt: Nur die NATO ist zur Führung unse-
rer Soldaten beauftragt, und nur die NATO kann über
einen gegebenenfalls erforderlichen Einsatz entscheiden.
Ein Stationierungsort – ich weiß, dass das in den Aus-
schusssitzungen heute eine Rolle gespielt hat – wird in
enger Abstimmung mit den beteiligten Nationen und der
Türkei in Kürze festgelegt. Dieser Ort wird sich nicht in
unmittelbarer Nähe der türkisch-syrischen Grenze befin-
den. Er wird aber natürlich so gewählt, dass man von
dort aus den Schutzauftrag erfüllen kann. Die Wirkung
bleibt auf türkisches Gebiet begrenzt, um das unmissver-
ständlich zu sagen.
Ich weiß, dass dies, wenn es darum geht, zuzustimmen,
für viele ein wichtiger Punkt ist. Deswegen lege ich auf
diesen Punkt besonderen Wert.
Die personelle Obergrenze wird auf bis zu 400 Solda-
tinnen und Soldaten festgelegt. Ich will dazu ganz kurz
etwas sagen: Natürlich werden für ein Patriot-Modul aus
zwei Feuereinheiten nur etwa 170 Soldatinnen und Sol-
daten benötigt. Es werden aber zusätzlich Soldaten be-
nötigt, damit das System aufgebaut und dauerhaft ein-
satzbereit gehalten werden kann. Damit sind Kräfte der
Einsatz- und Führungsunterstützung, Sanitätskräfte,
Kräfte für logistische und sonstige Unterstützung, aber
auch die Militärseelsorge usw. gemeint.
Im Mandatsumfang und in der Mandatsbeschreibung
sind auch Soldatinnen und Soldaten enthalten, die Auf-
gaben in der Aufklärung und Überwachung erfüllen.
Diese versehen unter dem Kommando der NATO ihren
Dienst in den AWACS-Flugzeugen und liefern dort ei-
nen wichtigen Beitrag für ein umfassendes Lagebild.
Wann und wie diese AWACS-Aufklärungsflugzeuge ein-
gesetzt werden, entscheidet wiederum der NATO-Ober-
befehlshaber. Das liegt in seiner Befugnis und ist gän-
gige Routine. Im Zusammenhang mit diesem Einsatz
haben wir, um verfassungsrechtlich auf der sicheren
Seite zu sein, die Beteiligung an den AWACS-Flügen
mit mandatiert. Ich glaube, auch das ist ein Schritt zu auf
manche, die sich sonst vielleicht schwergetan hätten,
diesem Einsatz zuzustimmen.
In der NATO und in der Türkei sind noch einige De-
tails offen, zum Beispiel der genaue Umfang dessen, was
die Türkei an Unterstützungsleistungen zur Verfügung
stellt. Wir haben deshalb eine gewisse Personalreserve
von etwa 50 Soldatinnen und Soldaten vorgesehen, die
in den 400 enthalten ist. Ich bitte um Verständnis dafür,
dass diese Zahl jetzt nicht detaillierter begründet werden
kann; aber ich glaube, die Obergrenze gibt genügend Si-
cherheit.
Ich will noch ein Wort zur Mandatsdauer sagen. Wir
hoffen, dass der Einsatz nicht bis zum 31. Januar 2014
dauert. Es könnte sein, dass die Auseinandersetzung um
das Assad-Regime in die Schlussphase kommt. Trotz-
dem schlagen wir ein Mandat für fast 14 Monate vor, um
auch hier auf der sicheren Seite zu sein und den Grund-
satz, dass wir Mandate in der Regel für ein Jahr erteilen
bzw. verlängern, beizubehalten.
Wenn wir Soldaten in die Türkei entsenden, dann ist
das ein klares Zeichen an die Türkei und an die interna-
tionale Völkergemeinschaft, dass die Sicherheit der Tür-
kei alle Bündnispartner angeht. Wir Deutsche haben
Jahrzehnte davon profitiert, dass unsere Partner uns das
Gefühl einer verlässlichen Sicherheit gegeben haben.
Jetzt sind wir in der Lage – ich füge hinzu: und in der
Pflicht –, einmal unseren Teil beizutragen.
Es ist an uns, zu zeigen, dass das für uns selbstverständ-
lich ist und dass es uns ernst ist mit unserer internationa-
len Verantwortung und unserer Bündnissolidarität.
Wir haben dieses Mandat umfangreich konsultiert
und in den Ausschüssen im Wege der Selbstbefassung
beraten. Dafür bedanke ich mich. Ich hoffe sehr auf eine
breite Unterstützung durch dieses Parlament.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Bundesminister. – Als Nächstes
gebe ich unserem Kollegen Dr. Rolf Mützenich für die
Fraktion der Sozialdemokraten das Wort. Bitte schön,
Kollege Rolf Mützenich.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Auch wenn derzeit nur wenig darauf hindeu-
tet: Wir alle wünschen den Menschen in Syrien, dass die
Waffen schweigen und Frieden endlich wieder eine
Chance bekommt. Wir danken denen, die sich für eine
Waffenruhe einsetzen, an erster Stelle dem Beauftragten
des Generalsekretärs der Vereinten Nationalen, Lakhdar
Brahimi.
Umso mehr sage ich in Richtung der Landesregierungen,
aber auch der Bundesregierung: Ich hätte mir schon ge-
wünscht, dass insbesondere der Zuzug von Familienan-
gehörigen zu ihren syrischen Verwandten, die derzeit in
Deutschland wohnen, etwas einfacher möglich wäre und
dass wir vielleicht auch ohne andere Partner bereit wä-
ren, stärker Flüchtlinge aufzunehmen. Ich finde, das ge-
hört genauso in diese Debatte.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26109
Dr. Rolf Mützenich
(C)
(B)
Meine Damen und Herren, zu Beginn dieser Debatte
war nach meinem Dafürhalten durchaus Skepsis ange-
bracht. Diese Skepsis hat die Bundesregierung meiner
Meinung nach mit zu verantworten, weil sie zunächst
einmal die Frage gestellt hat: Brauchen wir überhaupt
ein Mandat? Dann ging es um AWACS und vieles an-
dere. Es wurden Fragen aus dem Parlament heraus vor-
getragen. Dies haben einige Kolleginnen und Kollegen
dieses Parlaments so kommentiert: Wir müssen uns
fremdschämen. – Das ist nicht mein Verständnis von ei-
nem Parlament, wie wir mit einem Mandat umzugehen
haben. Wir müssen vorher unsere Fragen stellen, unsere
Skepsis äußern
und, wie ich glaube, durchaus auch einen Hinweis an die
Bundesregierung geben dürfen.
Ich finde, dieses Verfahren hat sich gelohnt. In dem
Mandat, das dem Deutschen Bundestag heute vorliegt,
sind die Kriterien, unter denen die Bundeswehr in die
Türkei gehen kann und denen sich die türkischen Streit-
kräfte im Rahmen dieses Mandats unterzuordnen haben,
besonnen, unabhängig und sorgfältig erörtert worden.
Ich finde, auch das ist eine wichtige Festlegung, weil die
Türkei jetzt in internationale Strukturen und Regeln ein-
gebettet ist.
Das ist auch ein wichtiges Zeichen dieses Mandates und,
ich denke, ein Erfolg der Diskussion, die dieser Deut-
sche Bundestag gemeinsam geführt hat.
Ich glaube, die rein defensive Stationierung, die de-
fensive Aufstellung der Raketen, ist, wie es auch in dem
Brief des türkischen Botschafters bei der NATO zum
Ausdruck gekommen ist, als Zeichen an die internatio-
nale Politik und in Richtung der Sicherheitspolitik rich-
tig und wichtig. Dadurch werden weiter Chancen eröff-
net, zu einer diplomatischen Lösung zu kommen. Wir
haben heute im Ausschuss erfahren, dass die Patriot-
Systeme – und offensichtlich auch die niederländischen
Systeme – rund 100 Kilometer von der Grenze entfernt
stationiert werden. Dass sie nicht in den syrischen Luft-
raum hineinwirken werden, ist ein wichtiger Beitrag
dazu, die defensive Struktur zu unterstreichen. Gleich-
zeitig ist dieses Mandat auch rechtsfest gemacht worden.
Wir haben heute im Auswärtigen Ausschuss in der
Tat noch Fragen an die Bundesregierung gestellt, die
nach meinem Dafürhalten befriedigend beantwortet wor-
den sind, soweit dies möglich war. Wir haben über die
Äußerung von Rasmussen gesprochen. Herr Staatsminis-
ter Link, Sie haben die Antworten sozusagen in einen
gewissen Rahmen eingebunden. Wir haben auch über
die roten Linien gesprochen. Diese Debatte muss, wie
ich finde, in den nächsten Wochen weiter erfolgen. Sie
endet nicht mit dem Mandat. Die Herausforderungen
sind letztlich vorhanden, insbesondere was die Rolle ein-
zelner Nationen betrifft.
Der Iran und Russland haben Bedenken gegen die
Stationierung geäußert. Vielleicht wird der eine oder an-
dere gleich auf Russland und den Iran zu sprechen kom-
men. Meine Bitte in diesem Zusammenhang ist, zu über-
legen, ob das wirklich gute Ratgeber sind – gerade diese
beiden Länder, die nichts unversucht gelassen haben, mit
Waffenlieferungen diesen Konflikt anzuheizen. Deswe-
gen: Vorsicht vor Ratgebern, die in diesem Konflikt bis-
her leider nicht die diplomatische Rolle übernommen ha-
ben, wie wir es uns gewünscht hätten!
Zur Realität und zur Wahrheit gehört mit dazu: Syrien
bedroht die Region mit einer Mehrzahl von Waffen und
Trägersystemen, die über mehrere Hundert Kilometer
reichen. Wenn ich das richtig gelesen habe – es gibt dazu
unterschiedliche Äußerungen –, wird von mehreren
Hundert bis zu tausend gesprochen. Wir müssen beden-
ken: In der vergangenen Woche sind vonseiten der syri-
schen Streitkräfte das erste Mal Scud-Raketen auf
Aleppo abgeschossen worden. Auch das gehört nach
meinem Dafürhalten mit zu einer angemessenen und
wahrheitsgemäßen Bedrohungsanalyse. Verantwortung
trägt das Regime Assad an der Brutalisierung dieses
Konfliktes in den ersten Monaten.
Meine Damen und Herren, ob wir wollen oder nicht,
ist mit dieser Entscheidung erneut die Rolle Deutsch-
lands in Partnerschaften und Bündnissen angesprochen
worden. Ich hatte gedacht, dass diese Fragen, die es in
den letzten Wochen und Monaten immer wieder an
Deutschland gegeben hat, nach einer langen Politik
verschiedener und auch unterschiedlich getragener Bun-
desregierungen eigentlich nicht mehr erforderlich sind.
Dabei geht es um die Frage der Verlässlichkeit in Bünd-
nissen. Diese Frage ist auch deshalb aufgekommen, weil
die Bundesregierung sie sowohl in europapolitischen
Zusammenhängen als auch insbesondere im Zusammen-
hang mit der Libyen-Entscheidung – vielleicht auch
unbewusst – auf den Tisch gebracht hat. Wenn ein polni-
scher Außenminister fragt, ob Deutschland noch verläss-
lich ist, und sagt, ihm sei ein Deutschland lieber, das
seine Rolle übernimmt, dann müssen bei uns, so glaube
ich, die Alarmglocken schlagen. In dieser Frage hier
übernehmen wir Verantwortung. Dass aber im Zusam-
menhang mit diesem Mandat die Frage nach der Verläss-
lichkeit hintergründig wieder aufgekommen ist, hat mich
erschreckt.
Wir Sozialdemokraten rufen nicht Hurra, aber wir
entziehen uns auch nicht der Verantwortung in Form ei-
ner Ohne-mich-Politik, die ansonsten von einer immer
stärker vernetzten Welt gut lebt. Als Sozialdemokraten
wissen wir: Entspannungspolitik war nur im Bündnis
möglich. Die erfolgreiche Politik von Willy Brandt, von
Egon Bahr, von Helmut Schmidt und vielen anderen
26110 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Dr. Rolf Mützenich
(C)
(B)
wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht Bündnispartner
zu dieser Entspannungspolitik gestanden hätten.
Zum Abschluss will ich Willy Brandt zitieren. Am
7. August 1983 hat in der Washington Post gestanden:
Meine sozialdemokratische Partei hat das Bündnis
mit dem Westen unterstützt und mitgeholfen, seine
Politik zu gestalten. Unter sozialdemokratischen
Bundeskanzlern und Verteidigungsministern hat die
Bundeswehr … ihren Beitrag zur westlichen Si-
cherheit erhöht. Die westlichen Demokratien wer-
den Partner der Sicherheit bleiben, und wir werden
Partner im Atlantischen Bündnis bleiben.
Auch im Sinne dieser Interpretation werden wir am
Freitag mit großer Mehrheit dem Mandat zustimmen.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Rolf Mützenich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich dem
nächsten Redner, Herrn Staatsminister Michael Link, das
Wort gebe, darf ich Ihnen das von den Schriftführerinnen
und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentli-
chen Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundes-
regierung bekannt geben – es ging um den Entwurf eines
Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer
Beschneidung des männlichen Kindes –: abgegebene
Stimmen 580. Mit Ja haben gestimmt 434, mit Nein ha-
ben gestimmt 100, Enthaltungen 46. Der Gesetzentwurf
ist damit angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 580;
davon
ja: 434
nein: 100
enthalten: 46
Ja
CDU/CSU
Peter Aumer
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
Manfred Behrens
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer
Dirk Fischer
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Stephan Mayer
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Thomas Rachel
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Tankred Schipanski
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26111
Vizepräsident Eduard Oswald
(C)
(B)
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Nadine Schön
Dr. Kristina Schröder
Dr. Ole Schröder
Uwe Schummer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß
Sabine Weiss
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-
Becker
Dagmar G. Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Sören Bartol
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Uwe Beckmeyer
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Petra Crone
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Gabriele Fograscher
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
Hubertus Heil
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Dr. Eva Högl
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Fritz Rudolf Körper
Christine Lambrecht
Christian Lange
Dr. Karl Lauterbach
Burkhard Lischka
Katja Mast
Petra Merkel
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Thomas Oppermann
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth
Anton Schaaf
Marianne Schieder
Werner Schieder
Ottmar Schreiner
Swen Schulz
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Jens Ackermann
Christine Aschenberg-
Dugnus
Daniel Bahr
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Mechthild Dyckmans
Hans-Werner Ehrenberg
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Patrick Kurth
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Dr. Martin Lindner
Michael Link
Oliver Luksic
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Jörg von Polheim
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Manfred Todtenhausen
Dr. Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff
DIE LINKE
Jan van Aken
Christine Buchholz
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Werner Dreibus
Nicole Gohlke
Dr. Gregor Gysi
Dr. Rosemarie Hein
Dr. Lukrezia Jochimsen
Harald Koch
Caren Lay
Ulla Lötzer
Dorothée Menzner
Petra Pau
Paul Schäfer
Michael Schlecht
Dr. Axel Troost
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck
Volker Beck
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Priska Hinz
Bärbel Höhn
Sven-Christian Kindler
Tom Koenigs
26112 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Vizepräsident Eduard Oswald
(C)
(B)
Fritz Kuhn
Renate Künast
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller
Beate Müller-Gemmeke
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Claudia Roth
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Gerhard Schick
Markus Tressel
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Olav Gutting
Dr. Egon Jüttner
Andreas Mattfeldt
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Bärbel Bas
Dirk Becker
Lothar Binding
Ulla Burchardt
Ingo Egloff
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Dagmar Freitag
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz
Christel Humme
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Steffen-Claudio Lemme
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Gerold Reichenbach
René Röspel
Karin Roth
Marlene Rupprecht
Annette Sawade
Bernd Scheelen
Ulla Schmidt
Ewald Schurer
Rolf Schwanitz
Dr. Carsten Sieling
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Dagmar Ziegler
FDP
Christian Ahrendt
Sylvia Canel
Heiner Kamp
Burkhardt Müller-Sönksen
Torsten Staffeldt
DIE LINKE
Agnes Alpers
Herbert Behrens
Matthias W. Birkwald
Steffen Bockhahn
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Diana Golze
Annette Groth
Heike Hänsel
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Andrej Hunko
Ulla Jelpke
Katja Kipping
Jan Korte
Katrin Kunert
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Thomas Lutze
Ulrich Maurer
Cornelia Möhring
Wolfgang Nešković
Thomas Nord
Jens Petermann
Richard Pitterle
Yvonne Ploetz
Ingrid Remmers
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Johanna Voß
Halina Wawzyniak
Jörn Wunderlich
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Katja Dörner
Harald Ebner
Kai Gehring
Bettina Herlitzius
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Agnes Krumwiede
Monika Lazar
Friedrich Ostendorff
Ulrich Schneider
Dorothea Steiner
Dr. Valerie Wilms
Enthalten
CDU/CSU
Eckhard Pols
Norbert Schindler
Bernhard Schulte-Drüggelte
SPD
Klaus Barthel
Dr. Peter Danckert
Petra Ernstberger
Dr. Edgar Franke
Angelika Graf
Michael Groß
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Gabriele Lösekrug-Möller
Hilde Mattheis
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Dr. Sascha Raabe
Dr. Carola Reimann
Carsten Schneider
Dr. Martin Schwanholz
FDP
Dr. Erwin Lotter
Dr. Martin Neumann
DIE LINKE
Dr. Dietmar Bartsch
Eva Bulling-Schröter
Jutta Krellmann
Dr. Gesine Lötzsch
Kornelia Möller
Niema Movassat
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Harald Weinberg
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Agnes Brugger
Dr. Anton Hofreiter
Ingrid Hönlinger
Thilo Hoppe
Oliver Krischer
Markus Kurth
Undine Kurth
Dr. Tobias Lindner
Tabea Rößner
Krista Sager
Dr. Wolfgang Strengmann-
Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Beate Walter-Rosenheimer
Arfst Wagner
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fahre in der
Rednerliste fort und erteile nun, wie angekündigt, Herrn
Staatsminister Michael Link das Wort. Bitte schön, Herr
Kollege Michael Link.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
will gleich zu Anfang den Dank der Bundesregierung
dafür ausdrücken, dass sich der Bundestag bereit erklärt
hat, diesen Mandatsantrag so schnell zu behandeln – wir
wissen, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist –,
gleichzeitig aber auch gründlich. Es ist darauf hingewie-
sen worden: Die Ausschüsse, der Auswärtige Ausschuss
und der Verteidigungsausschuss, haben sich heute Mor-
gen bereits in Selbstbefassung damit befasst. Das zeigt,
was unser bewährtes parlamentarisches Verfahren leis-
tet, nämlich einerseits die Grundlage für den Charakter
der Bundeswehr als Parlamentsarmee zu erhalten und
andererseits trotzdem, wo nötig, Schnelligkeit, Präzision
und Gründlichkeit unter einen Hut zu bringen. Das ist
ein ganz wichtiges Signal, das wir hier gemeinsam ge-
ben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Außenminister
Westerwelle nimmt heute in Marrakesch am Treffen der
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26113
Staatsminister Michael Link
(C)
(B)
Gruppe der Freunde des syrischen Volkes teil. Einige
von Ihnen werden es bereits über die Agenturen gehört
haben: Die Gruppe hat heute in Marrakesch beschlossen,
die Nationale Koalition der syrischen Revolution als die
legitime Vertretung des syrischen Volkes anzuerkennen,
und damit deren Einbindung in den politischen Prozess
deutlich vorangetrieben. Ich möchte mit Erlaubnis des
Präsidenten aus Punkt 13 der Erklärung zitieren und
werde den Fraktionen diese Erklärung, die heute in Mar-
rakesch verabschiedet wurde, auch nachher zur Kenntnis
geben. Darin wird ausdrücklich gesagt – ich übersetze
frei –, dass die Nationale Koalition als die Dachorgani-
sation, unter der sich die syrischen Oppositionsgruppen
versammeln und arbeiten, anerkannt wird. Das ist – weil
es dazu Fragen gab – das, was heute in Marrakesch zu
diesem Thema beschlossen wurde.
Es bleibt auf jeden Fall dabei, dass die Lage in Syrien
extrem unübersichtlich ist.
Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage
der Frau Kollegin Hänsel aus der Fraktion Die Linke?
Während der Einbringung bitte nicht. Ich möchte das
im Zusammenhang darstellen.
Sie haben es gehört, Frau Kollegin. – Herr Staatsmi-
nister, bitte fahren Sie fort.
Die Lage in Syrien bleibt unübersichtlich, und die
Verbrechen des syrischen Regimes gegen seine Bevölke-
rung gehen weiter. Vieles deutet darauf hin, dass sich das
Regime in seiner Endphase befindet. Unser Bündnispart-
ner Türkei hat deshalb die NATO um Unterstützung ge-
beten, und die NATO hat am vergangenen Dienstag be-
schlossen, diese Unterstützung zu gewähren.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist konkrete
Bündnissolidarität im Sinne einer gegenseitigen Rück-
versicherung. Das zeigt auch: Die NATO ist kein Schön-
wetterbündnis, sondern steht zusammen, wenn es darauf
ankommt. Daran, Kollege Mützenich, lassen wir auch
keinen Zweifel. Wir verstehen natürlich, dass es kriti-
sche Fragen gibt. Sie sind auch aus Sicht der Bundesre-
gierung selbstverständlich immer willkommen. Aber ge-
rade in Sachen NATO ist es, glaube ich, völlig klar, dass
bei Bündnisfragen Bündnissolidarität immer an erster
Stelle steht. Daran haben wir niemals einen Zweifel ge-
lassen. Im Gegenteil: Wir haben das von Anfang an in
den Vordergrund gestellt und dann zusammen an diesem
Mandat gearbeitet.
In der Tat, weil wir eine möglichst große Unterstüt-
zung auch hier im Hause anstreben, war es dabei auch
wichtig, dass aus allen Fraktionen immer wieder die eine
oder andere kritische Frage kommt. Die Oppositions-
fraktionen haben kritisch gefragt. Aber lassen Sie mich
versichern: Kein Abgeordnetenmandat zählt hier gerin-
ger. Auch die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen
haben sehr präzise und konkret nachgefragt, wie das eine
oder andere im Mandat formuliert sein könne. Insofern
ist das, glaube ich, ein Punkt, den wir – das darf ich als
Abgeordneter sagen – in diesem Bereich gemeinsam
hinbekommen haben.
Es geht, wie gesagt, konkret um die Verlegung der Pa-
triot-Systeme. Zu der Mandatsobergrenze, der Bestü-
ckung, der Personenzahl und der Zahl der Mannschaften,
hat der Verteidigungsminister bereits Ausführungen ge-
macht. Lassen Sie mich deshalb noch auf einige wich-
tige politische Elemente dieses Mandatsantrags einge-
hen.
Der Einsatz der zu verlegenden Systeme erfolgt – das
möchte ich ausdrücklich wiederholen – zu rein defensi-
ven Zwecken. Das hat die Türkei in ihrem Ersuchen
auch ausdrücklich so festgehalten, und der NATO-Rat
hat es bekräftigt. Das Einsatzgebiet ist so definiert, dass
die Systeme nicht zur Errichtung einer Flugverbotszone
im syrischen Luftraum oder zu anderen offensiven Maß-
nahmen beitragen können. Das ist im Mandatstext fest-
gehalten. Gerade weil heute noch einmal die Diskussion
aufkam, möchte ich ausdrücklich festhalten: Die Sys-
teme werden dem militärischen Oberbefehlshaber der
NATO, dem SACEUR, unterstellt, der durch den NATO-
Rat politisch mandatiert ist. Das ist ausdrücklich so der
Fall.
All diese Punkte waren in den Gesprächen im NATO-
Rat wichtige Anliegen. Sie belegen, wie gesagt, den rein
defensiven Charakter. Es geht ausschließlich um den
Schutz der Bevölkerung und des Territoriums unseres
türkischen Alliierten. Daran werden sich auch die deut-
schen Besatzungen beteiligen, die – wie bisher – routine-
mäßig zur Überwachung des Luftraums in AWACS-
Flugzeugen eingesetzt sind. Aus Gründen der Mandats-
klarheit sind auch diese Einsätze im Mandatsantrag der
Bundesregierung erwähnt. Auch diese Soldaten sind von
der Personalobergrenze des Mandats gedeckt.
Was nun die Standorte der Patriot-Einheiten angeht,
so haben wir uns hier eng mit unseren türkischen und
niederländischen Verbündeten abgestimmt. Die gegen-
wärtigen Planungen laufen auf eine Verlegung in die
Stadt Kahramanmaras hinaus, die rund 100 Kilometer
von der syrischen Grenze entfernt liegt. In jedem Fall
werden wir das berücksichtigen, was im Mandatsantrag
eindeutig festgelegt ist. Die Patriot-Systeme werden
nicht in den syrischen Luftraum hineinwirken. Mit ihrer
Reichweite von rund 70 Kilometern können sie das auch
gar nicht. Auch dies belegt den defensiven Charakter des
Einsatzes noch einmal. Darauf hat auch der Außenminis-
ter bei der Vorbereitung ausdrücklich hingewiesen.
Mit der Patriot-Verlegung schaffen wir eine glaub-
würdige Abschreckung und einen effizienten Schutz ge-
gen ein syrisches Regime, das in seinem Untergang auch
zu Verzweiflungstaten in der Lage sein könnte. Die Tür-
kei hat die berechtigte Sorge, dass sich solche Taten auch
gegen sie richten. Angesichts des syrischen Raketenarse-
nals und dessen Reichweite teilen wir diese Sorge und
26114 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Staatsminister Michael Link
(C)
(B)
leisten unseren Beitrag zum Schutz unseres Verbünde-
ten. Ich möchte auf Punkt 6 der Erklärung von Marra-
kesch, die wir nachher an Sie verteilen, hinweisen, in
dem die heute in Marrakesch versammelten Außen-
minister den Einsatz der NATO und die Patriot-Statio-
nierung in der Türkei als einen Beitrag zur Reduzierung
der Bedrohung der Türkei ausdrücklich begrüßen.
Eine breite Unterstützung aus diesem Hohen Hause
wäre ein wichtiges Signal für die Angehörigen der Bun-
deswehr, die wir in die Türkei entsenden wollen. Wir
wären dankbar für ein möglichst starkes und geschlosse-
nes Signal in diesem Bereich. Auch die Türkei selbst,
glaube ich, wäre dafür dankbar. Es ist ein wichtiger
Schritt der gegenseitigen Rückversicherung. Was wir
hier machen, ist gelebtes Bündnis, auch in der offenen
Debatte um das Mandat, das wir Ihnen zur Entscheidung
vorlegen. Wir bitten nach der endgültigen Befassung der
Ausschüsse um – wie beantragt – eine zeitnahe Abstim-
mung am kommenden Freitag.
Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Staatsminister Michael Link. –
Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke unser
Kollege Jan van Aken. Bitte schön, Kollege Jan van
Aken.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie wollen
einen völlig neuen Auslandseinsatz der Bundeswehr be-
schließen. 400 deutsche Soldaten samt Patriot-Raketen
sollen in der Türkei stationiert werden, und zwar direkt
an der syrischen Grenze. 25 Millionen Euro soll uns das
kosten.
Ich frage mich – ich glaube, das geht ganz vielen Men-
schen draußen genauso –: Warum eigentlich? Sie nennen
genau zwei Gründe für diesen neuen Bundeswehrein-
satz: Die Türkei sei bedroht, und man müsse einem
NATO-Partner zur Seite stehen. Sie wissen doch ganz
genau, dass der erste Grund komplett falsch und der
zweite auch nicht ganz richtig ist.
Kommen wir zum ersten Grund. Sie behaupten, es
gebe eine Bedrohung der Türkei durch Syrien. Sie alle
wissen doch ganz genau, dass das kompletter Unsinn ist.
Das Assad-Regime in Syrien hat die Türkei nicht be-
droht und bedroht sie auch jetzt nicht. Assad weiß doch
ganz genau, dass nur eine einzige Rakete aus Syrien
Richtung Türkei fliegen muss, und schon ist die gesamte
Militärmacht der NATO da und würde einmarschieren.
Innerhalb weniger Tage wäre das Assad-Regime hin-
weggefegt. Das wäre politischer Selbstmord, und Assad
weiß das natürlich.
Herr de Maizière, Sie haben die Chemiewaffen ange-
sprochen. Sie können jetzt aber nicht die gleiche Panik
mit Hinweis auf die Chemiewaffen schüren wie vor zehn
Jahren im Zusammenhang mit den Biowaffen im Irak.
Sie wissen ganz genau, dass die syrischen Chemiewaf-
fen überhaupt nichts mit dem Einsatz der Patriot-Sys-
teme zu tun haben. Ich finde, Herr de Maizière, wenn Sie
noch einmal diese Chemiewaffen anführen, dann sollen
Sie wirklich viele Jahre – eingeklemmt zwischen Colin
Powell und George W. Bush – im Fegefeuer schmoren.
Natürlich gab es in den letzten Wochen Granatenein-
schläge auf türkischem Gebiet; dabei sind Menschen ge-
storben. Das ist schlimm. Aber selbst die türkische Re-
gierung hat gesagt: Das waren Fehlschläge; das war
nicht gegen die Türkei gerichtet. – Die Türkei fühlt sich
also gar nicht bedroht. Aber Sie begründen nun einen
Auslandseinsatz der Bundeswehr mit einer angeblichen
Bedrohung der Türkei. Sie wissen, dass das nicht
stimmt. Damit ist der erste Grund schon einmal hinfällig.
Ich komme zum zweiten Grund, den Sie nennen. Das
ist die Bündnistreue: Ein NATO-Partner ist bedroht. Da
muss man doch helfen. – Dazu will ich eines klarstellen;
denn darüber gibt es in der Bevölkerung eine große Ver-
wirrung und Missverständnisse: Deutschland muss über-
haupt nichts. Deutschland muss auch in Afghanistan
nichts, Deutschland musste auch im Irak nichts, in Li-
byen nichts, und auch jetzt, im Fall der Türkei, gibt es
keinen einzigen Vertrag, der die Bundesregierung
zwingt, deutsche Soldaten in den Nahen Osten zu schi-
cken. Das ist schon einmal die erste Bemerkung dazu.
Dann muss man sich genau anschauen, wofür die Tür-
kei jetzt Beistand haben möchte. Sie blenden völlig aus,
dass die Türkei doch ganz eigene Interessen in der Re-
gion verfolgt,
dass sie seit vielen Jahren – im Moment ganz beson-
ders – daran arbeitet, zur Regionalmacht zu werden. Das
ist der Grund, warum die türkische Regierung syrische
bewaffnete Rebellen unterstützt, womit sie schon jetzt
Teil des syrischen Bürgerkriegs geworden ist.
Sie können doch keine, Sie dürfen keine Bündnistreue
zeigen, weil die Türkei ganz eigene Interessen verfolgt.
Mit diesem Einsatz kann Deutschland direkt Kon-
fliktpartei im Nahen Osten werden. Das ist doch ein Pul-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26115
Jan van Aken
(C)
(B)
verfass. Es genügt ein Funke in Syrien oder im Iran, und
– paff! – schon ist die Bundeswehr mitten in einem
neuen Kriegsgebiet. Deshalb wird die Linke diesen An-
trag ablehnen.
Anstatt militärisch aufzurüsten, könnten Sie auf zivi-
ler Ebene helfen. Das ist schon angesprochen worden.
Warum helfen Sie nicht einmal ganz anders? Warum hel-
fen Sie nicht den Menschen in Syrien auch dadurch, dass
Sie syrische Flüchtlinge nach Deutschland lassen?
Machen Sie doch die Grenzen auf für die Menschen, die
im Moment unter diesem Bürgerkrieg leiden! Sie ma-
chen die Grenzen zu und versuchen, mit deutschen Sol-
daten an der syrischen Grenze zu helfen. Ich glaube, das
können Sie nicht wirklich ernst meinen.
Am besten wäre den Menschen in Syrien natürlich
mit einer schnellen Beendigung des Bürgerkriegs gehol-
fen. Dafür bedarf es Länder und Institutionen, die eine
politische Lösung wollen, das Ziel einer Lösung verfol-
gen und die vermitteln können. Aber diese Rolle haben
Sie völlig aufgegeben. Jetzt, da Sie deutsche Soldaten an
die syrische Grenze entsenden, können Sie nicht mehr
Vermittler sein, auf gar keinen Fall.
Dieser Militäreinsatz ist das Gegenteil von Hilfe. Er
wird die Situation weiter eskalieren lassen. Deswegen
lehnen wir ihn ab.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland
keine Waffen mehr exportieren sollte.
Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner in un-
serer Aussprache ist für die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen unser Kollege Omid Nouripour. Bitte schön,
Kollege Omid Nouripour.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ein
Partnerstaat um Beistand bittet, dann braucht man sehr
gute Gründe, wenn man nicht Ja sagen will. Deshalb
wäre es höchste Zeit, dass die Bundesregierung uns ein-
mal erklärt, warum sie eigentlich nicht, so wie die Türkei
es sich gewünscht hat, diesem Land bei der Unterstüt-
zung der Flüchtlinge, die über die Grenzen gekommen
sind, hilft. Es ist einfach nicht hinnehmbar, dass die Tür-
kei die gesamte Last trägt und kaum Unterstützung sei-
tens der Europäischen Union findet.
Diese Begründungsverpflichtung besteht aber auch
dann, wenn die Türkei um ein Waffensystem zum eige-
nen Schutz bittet.
Kommen wir zur Frage der Bedrohung. Herr Kollege
van Aken, ich bin ein wenig verwirrt; denn Sie haben
vieles gesagt, was ich richtig finde.
Aber eines haben Sie ausgeblendet. Sie haben gesagt,
Assad habe gar keinen Grund, die Türkei anzugreifen.
Ich teile diese Meinung; das wäre hoch irrational. Aber
Sie verkennen, dass wir es in Syrien mittlerweile mit ei-
nem zerfallenden Staat zu tun haben, in dem nicht mehr
klar ist, wie lange welche Kommandostrukturen halten
werden. Deshalb greift die Analyse der Bedrohungssitu-
ation, die Sie gerade dargelegt haben, ein Stückchen zu
kurz.
Auf der anderen Seite reicht es nicht, nur auf die
Bündnisverpflichtung zu verweisen. Wir als Parlament,
das die Armee entsendet, haben Prüfaufträge. Es geht
nicht nur darum, zu schauen, welche Risiken es für die
Soldatinnen und Soldaten gibt, sondern auch darum, zu
analysieren, in welches politische Umfeld wir sie schi-
cken. Ich finde die einen, die sofort Nein sagen, genauso
suspekt wie diejenigen, die sofort Ja sagen. Ich bin ziem-
lich stolz darauf, dass meine Fraktion viele Diskussionen
geführt hat und wir ernsthaft viele Fragen gestellt haben,
von denen viele beantwortet worden sind. Ich komme
gleich darauf zurück. Wir werden morgen eine Sonder-
sitzung unserer Fraktion haben, in der wir abschließend
miteinander sprechen werden.
Uns geht es um zwei Dinge. Das eine ist, dass in das
syrische Territorium nicht hineingewirkt werden darf.
Das ist nicht nur deswegen wichtig, weil das völker-
rechtswidrig wäre, sondern auch deswegen, weil wir
nicht wollen, dass die NATO in diesen Konflikt hinein-
gezogen wird; denn das hätte ein riesiges Eskalationspo-
tenzial. Nicht in das türkische Gebiet hineinzuwirken,
das steht jetzt im Mandat.
Wir haben als Bedingung formuliert: Das Kommando
muss bei der NATO sein. Auch das steht jetzt im Man-
dat. Wir haben gefordert, dass die Flugverbotszone von
Patriots nicht unterstützt werden darf. Auch das steht im
Mandat. Ich bin dafür sehr dankbar.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist, dass unsere Soldatin-
nen und Soldaten nicht dort stehen sollen, wo sie einfach
beschossen werden können, und zwar deswegen, weil
das ein Politikum wäre und weil es auf der anderen Seite
der Grenze einen Haufen von Provokateuren gibt. Ich
gebe dem Kollegen van Aken recht: Es sind in erster Li-
nie nicht die Anhänger von Assad, die einen Nutzen da-
von hätten, die NATO in einen Konflikt hineinzuziehen,
der mittlerweile dschihadistisch, der mittlerweile regio-
nal, konfessionell und ethnisiert ist. Deshalb ist die
Frage des Standortes so unglaublich wichtig.
26116 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Omid Nouripour
(C)
(B)
Deshalb ist es so wichtig, dass die Systeme nicht direkt
an der Grenze stehen.
Uns ist heute im Ausschuss gesagt worden: Erst mor-
gen wird entschieden. – Vieles spricht dafür, dass es so
kommen wird, wie es heute im Ausschuss gesagt worden
ist: Die Bundesregierung hat auch diese Bedingung er-
füllt. Man muss den morgigen Beschluss also abwarten.
Wesentlich ist das, was wir an Bedingungen gestellt ha-
ben. Deren Erfüllung ist aus unserer Sicht notwendig,
damit es nicht zu einer Rutschbahn kommt, damit die
NATO in Syrien nicht Bürgerkriegspartei wird. Es ist
schlicht nicht ganz seriös, wenn man Bedingungen
nennt, sie werden erfüllt, und dann macht man sich von
dannen. Insofern werde ich meiner Fraktion morgen
empfehlen, dem Mandat zuzustimmen.
Ich will zum Schluss aber noch eines sagen: Wir ma-
chen das nicht, um der Bundesregierung aus der Libyen-
Patsche zu helfen. Wir machen das wegen der Sache und
weil wir eine lange Abwägung vorgenommen haben.
Wir sehen nämlich, dass in diesem Fall nicht nur die
Bündnissolidarität zählt, sondern dass der Einsatz auch
Sinn machen kann.
Vielen Dank, Kollege Omid Nouripour. – Nächster
Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU Dr. Andreas
Schockenhoff. Bitte schön, Kollege Schockenhoff.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Über vier Jahrzehnte haben die Nordatlantische Allianz
und unsere Verbündeten die Freiheit und Sicherheit
Deutschlands verteidigt. Wenn sich heute ein Bündnis-
partner bedroht fühlt, sollte unsere Solidarität deshalb
eine Selbstverständlichkeit sein. Die CDU/CSU wird
deshalb der Verstärkung der integrierten Luftverteidi-
gung der NATO durch die Stationierung von Patriot-Sys-
temen in der Türkei zustimmen. Wir stehen an der Seite
unseres Bündnispartners Türkei.
Die Luftangriffe des Assad-Regimes auf syrische
Städte und Dörfer an der türkischen Grenze bedrohen
auch die türkische Bevölkerung. Erst in der vergangenen
Woche sind bei Luftangriffen auf die syrische Stadt Ras
al-Ain an der türkischen Grenze zum wiederholten Male
Geschosse in einer benachbarten türkischen Stadt einge-
schlagen.
Das gesamte Bündnis kann diese Bedrohung eines
Bündnispartners nicht ignorieren. Dies gilt erst recht, da
niemand darauf vertrauen kann, dass das untergehende
Assad-Regime nicht auch seine Scud-Raketen oder gar
chemische Massenvernichtungswaffen einsetzt. Der
Kollege Mützenich hat zu Recht darauf hingewiesen,
dass dieses Regime im vergangenen Jahr immer wieder
auf zynische Weise seine Irrationalität und Unmensch-
lichkeit unter Beweis gestellt hat.
Die Patriot-Stationierung soll eine abschreckende und
damit deeskalierende Wirkung haben. Die Stationierung
der Patriots und die Geschlossenheit der NATO sind un-
zweideutige Signale an das Assad-Regime, den Konflikt
in Syrien nicht weiter über die Landesgrenzen hinauszu-
tragen.
Der Einsatz der Bundeswehr erfolgt ausschließlich
auf NATO-Gebiet. Er ist rein defensiv. Es geht nicht um
eine Flugverbotszone in Syrien oder gar um ein aktives
Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg. Beides wird in
dem von der Bundesregierung vorgelegten Mandat ein-
deutig ausgeschlossen. Das haben die Vorredner hinrei-
chend dargelegt.
Wichtig ist uns dabei allerdings auch, dass das Han-
deln der Bündnispartner, auch das der Türkei, in den
politischen Ordnungsrahmen der Allianz eingebunden
ist. Das heißt im konkreten Fall: Die deutschen Patriots
und ihr Bedienungspersonal werden voll in die NATO-
Kommandostruktur eingegliedert und damit dem NATO-
Oberbefehlshaber unterstellt – und niemandem sonst.
Ein Zweites ist für uns politisch wichtig: Es hat seit
der Libyen-Entscheidung immer wieder im Bündnis, vor
allem hinter vorgehaltener Hand, Äußerungen gegeben,
die Zweifel an der Verlässlichkeit Deutschlands als
Bündnispartner zum Ausdruck brachten.
Solche Zweifel waren nicht gerechtfertigt. Aber es
war zu spüren, dass derartige Zweifel beispielsweise ein
Hindernis für die notwendige Vertiefung der Zusammen-
arbeit in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidi-
gungspolitik bedeuteten; ich nenne nur die Stichworte
„Pooling“ und „Sharing“. Deshalb ist es wichtig, dass
unsere Bündnispartner wissen: Auf Deutschland können
sie sich verlassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, viel zu lange schon
lesen wir täglich Berichte über Bombardierungen syri-
scher Städte durch Assads Luftwaffe – mit vielen zivilen
Toten. Insgesamt kamen schon über 40 000 Menschen
ums Leben. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir uns dann
nicht auch die Frage stellen, ob es keinen eindeutigeren
Fall für eine Schutzverpflichtung der internationalen Ge-
meinschaft gibt als das massenhafte Töten von Zivilisten
in Syrien, das es zu unterbinden gilt?
Da der UN-Sicherheitsrat bis heute blockiert ist und
keine wirksamen Maßnahmen ergreifen konnte, war kein
anderer Weg möglich, als die syrische Opposition mit
Waffen zu versorgen, um das syrische Regime zu stop-
pen.
– Ja, ich sage das ganz offen, und ich sage das auch
mit dem Hinweis darauf, dass durch das monatelange
Nichthandeln des UN-Sicherheitsrates auch Kräfte
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26117
Dr. Andreas Schockenhoff
(C)
(B)
wie al-Qaida in Syrien tätig geworden sind, die die Lage
– insbesondere dann auch nach einem Ende des Assad-
Regimes – nur noch schwieriger machen.
Ich sage in aller Deutlichkeit: Diejenigen, die den Si-
cherheitsrat in der Syrien-Frage immer wieder blockiert
haben, tragen dafür eine Mitverantwortung.
Wir hoffen, dass das Jahr 2013 das Jahr des freien
Syrien wird, wie es der französische Außenminister
Fabius gestern formuliert hat. Wir begrüßen daher die
Entscheidung der Bundesregierung, die Beziehungen
zum jetzigen Regime auf ein absolutes Minimum zu re-
duzieren. Wir hoffen, dass dann der syrische Opposi-
tionsblock als die legitime Vertretung des syrischen Vol-
kes zu einer Befriedung der Bevölkerungsgruppen in der
Lage ist. Dafür werden ihm die EU und die Freunde Sy-
riens jede politische und wirtschaftliche Unterstützung
geben müssen.
Bis das erreicht wird, besteht die Gefahr – darauf ha-
ben Sie, Herr Mützenich und Herr Staatsminister Link,
hingewiesen –, dass das Assad-Regime in seiner Irratio-
nalität den Einsatz von chemischen Waffen und weitere
Eskalationen zu verantworten haben wird. Ich hoffe
nicht, dass wir über konkrete Maßnahmen beraten müs-
sen, weil diese rote Linie überschritten wurde.
Ich bin mir aber sicher, dass erst recht nach einem
Sturz des Assad-Regimes das syrische Volk unsere Soli-
darität und Unterstützung braucht. Deswegen ist am
Freitag ein breites Votum für die Stationierung von Pa-
triot-Raketen ein wichtiges Signal, dass wir im Bundes-
tag gemeinsam auch längerfristig, über diese Entschei-
dung hinaus, dem geschundenen syrischen Volk helfen
wollen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Kollege Dr. Andreas Schockenhoff war der letzte
Redner in unserer Aussprache, die ich damit auch
schließe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, interfraktionell
wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/11783
an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse
vorgeschlagen. – Sie sind damit einverstanden; ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist die Überweisung so be-
schlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie einver-
standen sind, kommen wir zum Tagesordnungspunkt 3,
den ich damit auch aufrufe:
Befragung der Bundesregierung
– Ich darf Sie bitten, sicherzustellen, dass die Befragung
auch möglich ist.
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Reform des Verkehrszentral-
registers.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtent-
wicklung, Dr. Peter Ramsauer. Bitte schön, Herr Bun-
desminister, Sie haben das Wort.
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es
ist etwas ungewohnt, nicht vom Rednerpult aus zu spre-
chen. Die Usancen der Regierungsbefragung legen es
dem Redner auf, vom Platz aus zu sprechen. Deswegen
stehe ich jetzt hier an der Regierungsbank.
Meine Damen und Herren, das Bundeskabinett hat
heute die Reform des Verkehrszentralregisters oder
– wie es im Umgangsdeutsch heißt – die Punktereform
durch Beschluss eines Entwurfs zur Änderung des Stra-
ßenverkehrsgesetzes und der Fahrerlaubnisverordnung
gesetzgeberisch auf den Weg gebracht. Diesem Kabi-
nettsbeschluss ging eine lange Vorarbeit voraus. Wir ha-
ben in den vergangenen zwei Jahren eine ausgesprochen
intensive Abstimmung mit den Ländern betrieben. Wir
haben vor allen Dingen erstmals eine sehr umfassende
Öffentlichkeitsbeteiligung hergestellt, indem wir in den
ersten Mai-Wochen dieses Jahres eine dreiwöchige In-
ternetanhörung mit über 30 000 Eingaben durchgeführt
haben, die wir in mehreren Punkten auch berücksichtigt
haben. Sowohl bei der Länderanhörung als auch bei der
Internetanhörung hat sich gezeigt, dass diese Materie
von einer ausgesprochen großen Überparteilichkeit, von
einer Unabhängigkeit von den Fraktionsgrenzen geprägt
ist. Es ist also eine Materie mitten aus dem praktischen
Alltag der Öffentlichkeit heraus.
Es hat sich auch eines gezeigt: Entgegen unseren Er-
wartungen sind bei der Internetanhörung weniger Kla-
gen darüber gekommen, dass etwas strenger wird, son-
dern – im Gegenteil; das hat uns überrascht – es sind in
hohem Maße Verschärfungen gefordert worden. Das ist
erklärbar mit dem übergeordneten Ziel, das wir mit die-
ser Reform verbinden, nämlich mehr Verkehrssicherheit
herzustellen. Das ist das überragende Ziel. Deswegen
setzen wir auch an der Fahreignung eines Verkehrsteil-
nehmers an. Deswegen wird das Verkehrszentralregister
auch in Fahreignungsregister umbenannt. Es geht also
immer um die Frage: Gibt der Verkehrsteilnehmer die
Gewähr dafür, dass er zuverlässig und regelkonform am
Straßenverkehr teilnimmt? Das gilt übrigens nicht nur
für Fahrzeughalter, also für Personen mit motorisierten
Fahrzeugen jeder Art, sondern auch für Radfahrer oder
– theoretisch und praktisch – für Fußgänger. Das wird
gerne übersehen, ist aber nicht minder wichtig.
Wir wollen damit auch erreichen, dass das ganze Sys-
tem einfacher wird, dass es gerechter und vor allen Din-
gen auch überschaubarer, transparenter wird.
26118 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Bundesminister Dr. Peter Ramsauer
(C)
(B)
Die wichtigsten Änderungen in einem kurzen Über-
blick: In Zukunft wird jeder Verstoß für sich verjähren.
Jeder Punkt, der in Zukunft gegeben wird, wird für sich
abgebaut und nicht in komplizierten gegenseitigen Ver-
webungen stehen, die im Grunde genommen nur noch
ganz wenige ausgewiesene Experten im Detail über-
blickt haben.
Mit Punkten werden außerdem nur noch solche Ver-
stöße geahndet, die wirklich verkehrssicherheitsrelevant
sind. Verstöße, die nicht die Sicherheit gefährden, wer-
den in Zukunft nicht mehr erfasst, beispielsweise das
Einfahren in eine Umweltzone ohne die erforderliche
Plakette. Dafür gab es nach dem alten System bisher ei-
nen Punkt. In Zukunft wird das nicht mehr der Fall sein,
weil das nicht die Sicherheit gefährdet. Gleichwohl – das
will ich betonen – muss derjenige, der dabei erwischt
wird, künftig mit 80 Euro Verwarngeld rechnen.
Wir haben in Zukunft eine klare Differenzierung nach
drei Punktekategorien. In die Kategorie ein Punkt fallen
schwere Verstöße, in die Kategorie zwei Punkte beson-
ders schwere Verstöße und in die Kategorie drei Punkte
besonders schwere Verstöße, die mit einem Straftat-
bestand verbunden sind. Das ist beispielsweise der Fall,
wenn zu einer Fahrt unter Alkoholeinfluss Fahrerflucht
hinzukommt.
In Zukunft haben wir auch eine sehr klare Einstufung
in unterschiedliche Kategorien. Wenn drei Punkte ange-
sammelt sind, kommt es zu einer Vormerkung, der Be-
troffene wird also noch nicht informiert. Bei vier und
fünf Punkten kommt es zu einer Ermahnung, das heißt,
er wird informiert und ihm wird Hilfe angeboten, wie er
sich bessern kann. Bei sechs und sieben Punkten kommt
es zu einer Verwarnung. Dabei wird auch ein Seminar
angeordnet. Bei acht Punkten kommt es schließlich zum
Entzug der Fahrerlaubnis. Das war bisher bei 18 Punkten
der Fall. Also: Es wird nicht bei 18 Punkten, sondern be-
reits bei acht Punkten der Führerschein entzogen. Dafür
gibt es aber nicht, wie bisher, bis zu sieben Punkte für
eine Tat, sondern nur bis zu drei Punkte.
Wir werden die Eintragungsgrenze von bisher
35 Euro auf 55 Euro anheben. Das heißt, ab 60 Euro
wird ein Punkt eingetragen. Auch dieser Vorschlag, dass
hier schärfer zugegriffen werden soll, kam aus der öf-
fentlichen Anhörung. Es gibt aber einige Ausnahmen:
Das BMU hat beispielsweise verlangt, dass für das
Einfahren in eine Umweltzone ohne Plakette ein Ver-
warngeld von 80 Euro fällig werden soll, auch wenn es
dafür keinen Punkt mehr gibt.
Das waren in Kürze der Hintergrund und die wich-
tigsten Bestandteile dieser Reform.
Ich bedanke mich.
Vielen Dank, Herr Bundesminister. – Eine Fülle von
Fragestellern hat sich schon gemeldet. Erster Fragestel-
ler ist unser Kollege Sören Bartol.
Herr Minister Ramsauer, vielen Dank für Ihre Aus-
führungen. – Ich habe eine Frage: Schließen Sie bei der
Umstellung des geltenden Systems eine Amnestie, also
eine Streichung von Punkten, generell aus? Wenn nein:
Für welche Fälle können Sie sich eine Streichung von
Punkten vorstellen?
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Bei der Umstellung vom alten System auf das neue
System wird wie folgt vorgegangen: Am Stichtag – das
ist der Zeitpunkt des Inkrafttretens – wird festgestellt,
welcher Punktestand für einen Verkehrsteilnehmer beim
Verkehrszentralregister – so heißt es noch bis zu diesem
Zeitpunkt – aufgelaufen ist. Dieser Punktestand wird
dann in das neue System umgerechnet. Dabei wird so
vorgegangen, dass dieser erreichte Punktestand zunächst
um diejenigen Punkte bereinigt wird, für die im neuen
System keine Punkte gegeben werden. Das ist keine
Amnestie, sondern eine Bereinigung.
– Ich verstehe nicht. Sie sind die ersten Lacher.
Liebe Kollegen aus der Sozialdemokratie und von den
Grünen – nur ein Grüner ist noch verblieben, das ist ja
ziemlich wenig; die interessieren sich nicht dafür –, mit
Ihren Länderkollegen habe ich ausgesprochen ernsthaft
zusammengearbeitet, und ich bin außerordentlich dank-
bar, dass ich sozialdemokratische und grüne Länder-
kollegen habe, die so sachgerecht arbeiten. Das möchte
ich an dieser Stelle auch einmal gesagt haben.
In diesem Zusammenhang möchte ich einen grünen
Kollegen zitieren, nämlich den Kollegen Hofreiter, der
in der Schweriner Volkszeitung am 14. November dieses
Jahres Folgendes gesagt hat:
Ja, ist schon klar. Ich brauche keinen Hinweis, ich
mache das schon. – Herr Bundesminister, Sie haben
nicht die Erfahrung wie so manch anderer, der öfter an
dieser Stelle steht. Ich weise darauf hin, dass wir uns
gemeinsam ein Zeitkontingent für die Beantwortung der
Fragen gegeben haben. Ich wäre dankbar, wenn Sie
jeweils kurz antworteten. Für die Frage haben Sie eine
Minute und für die Antwort auch eine Minute.
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Okay; dann mache ich das schneller. – Der Kollege
Hofreiter hat gesagt:
Eine Amnestie für … rücksichtslose Raser und
Drängler ist ein falscher und gefährlicher Weg.
Da hat er vollkommen recht. Ich unterstreiche diesen
Satz ausdrücklich.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26119
Bundesminister Dr. Peter Ramsauer
(C)
(B)
Allerdings muss ich festhalten: Erstens gibt es keine
Amnestie und zweitens schon gleich keine solche; denn
Drängler und Raser werden in Zukunft heftigst bepunk-
tet. Für diese Leute brechen schwere Zeiten an. Das sind
andere Verkehrssünder als diejenigen, die in eine Um-
weltzone einfahren oder die im Sommer, wenn überall
die Volksfeste stattfinden, einen Festwagen mit einer
Girlande schmücken, die das Kennzeichen verdeckt, und
die deshalb bisher einen Punkt bekommen haben. Da
gibt es einen großen Unterschied.
Herr Bundesminister, Sie haben gerade eben etwas
versprochen.
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Kurze Antwort: Keine Amnestie.
Jawohl, kurze Antworten, kurze Fragen. – Der
nächste Fragesteller kommt jetzt aus der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen, Stephan Kühn.
Herr Minister, folgende Frage: Sie wollen das freiwil-
lige Aufbauseminar zum Punkteabbau abschaffen. Mich
würde interessieren, ob Sie die bisherigen Aufbausemi-
nare in der Evaluierung für nicht erfolgreich halten. Gab
es sozusagen Wiederholungstäter, die das Instrument
missbraucht haben?
Wenn nun diese Abbaumöglichkeiten nicht mehr zur
Verfügung stehen, wie geht man mit denjenigen um, die
das „Begleitete Fahren mit 17“ als Erwachsene unter-
stützen sollen, oder speziell mit Taxifahrern, die ja auch
sehr schnell in eine solche Situation geraten können und
dann keine Möglichkeit mehr haben, Punkte abzubauen?
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Konkrete Antwort: Die Erfahrungen mit dem freiwil-
ligen Aufbauseminar zum Punkteabbau, bei dem man
bisher drei oder vier Punkte abbauen konnte, wenn man
sich der Zahl von 18 Punkten genähert hat, waren so
– das haben alle Praktiker gesagt, egal ob Fahrlehrer,
Polizei oder Verkehrspsychologen –, dass ein überwie-
gender Anteil der Teilnehmer in die Schulungen hinein-
geht, dort das angeordnete Seminar absitzt, wieder
hinausgeht und dann genau so weiterfährt wie vorher. Da
muss ich sagen, dass damit nicht viel bewirkt ist.
Deshalb bieten wir jetzt einem Verkehrsteilnehmer,
der mit vier Punkten auffällig wird, die Möglichkeit an,
freiwillig an einem solchen Seminar teilzunehmen, aller-
dings ohne dass er damit Punkte abbauen kann. Eine
Ausnahme machen wir in solchen Fällen, in denen – das
ist Ihr Punkt – jemand als Erwachsener für das „Beglei-
tete Fahren ab 17“ eingetragen ist, sodass diese Person
nicht über die Drei-Punkte-Grenze kommt. Hierbei dür-
fen nicht mehr als zwei Punkte aufgelaufen sein.
Vielen Dank, Herr Bundesminister. Nächster Frage-
steller ist der Kollege Uwe Beckmeyer.
Herr Bundesminister, es geht ja um Vereinfachung.
Worin sehen Sie die Vereinfachung bei der Anwendung
des Tattagsprinzips zur Berechnung des Punktestandes,
welches weiterhin eine einjährige Überliegefrist erfor-
dert, die sich an die Tilgungsreife anschließt und nach
der erst die endgültige Tilgung der Punkteeintragung er-
folgt?
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Herr Kollege Beckmeyer, das ist in der Tat ein schwer
zu erklärendes Phänomen, das unter heftiger Mitwirkung
des Bundesjustizministeriums zustande kam.
– Da muss ich selbst etwas schmunzeln; das gebe ich zu.
Aber wissen Sie, wenn man Juristen darübergehen lässt,
dann – –
Das ist ein fraktionsübergreifendes Phänomen; ich
glaube, da sind wir alle uns einig.
Insofern, Herr Beckmeyer, danke für die Frage. Ich
habe sie mir selbst oft gestellt. Ich versuche, es Ihnen zu
erklären: Mit dem Tattag kommen die Punkte zustande,
aber erst mit dem Tag der Rechtskraft – das kann in
Deutschland bis zu eineinhalb Jahren dauern – beginnt
die Tilgungsfrist. Wir setzen beginnend am Zeitpunkt
des Eintritts der Tilgungsreife, also wenn die Punkte ge-
tilgt sind – wir haben hier Fristen von zwei Jahren, fünf
Jahren oder gar zehn Jahren, je nach Schwere des
Delikts –, eine Überliegefrist von einem Jahr drauf, um
sicherzustellen, dass erfasst wird, ob zwischen dem Tag
der Rechtskraft und der Tilgungsreife eine neue Tat be-
gangen wurde, die angesichts der dabei erworbenen
Punkte zu einer Maßnahme führt. – Das ist die kürzest-
mögliche Antwort, lieber Herr Kollege Beckmeyer. Ich
lade Sie ein, zu mir zu kommen. Ich erkläre es Ihnen
gerne auch noch grafisch.
Herr Bundesminister, es gibt auch die Chance, be-
stimmte Dinge hinterher im Protokoll nachzulesen, um
sich das wirklich zu vergegenwärtigen. Vielen Dank. –
Herbert Behrens ist der nächste Fragesteller.
Herr Minister, Sie haben auf die Bedeutung der Semi-
nare hingewiesen, die dazu führen sollen, dass die Delin-
quenten zu einem besseren Fahrverhalten kommen.
Diese Seminare werden wohl um die 600 Euro kosten.
Bei bestimmten Vergehen, wie Trunkenheit am Steuer,
ist es durchaus üblich, dass Bußgelder nach Tagessätzen
erhoben werden. Wie bewertet die Bundesregierung die
26120 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Herbert Behrens
(C)
(B)
Möglichkeit, auch die Kosten von Fahreignungssemina-
ren nach Tagessätzen zu berechnen, entsprechend der
Schwere des Vergehens?
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Darf ich einmal nachfragen? Ich habe jetzt den Kern
Ihrer Frage nicht ganz verstanden: Welche Verbindung
stellen Sie zwischen den Tagessätzen und den Kosten ei-
nes solchen Seminars her?
Es ist in der Tat so, dass je nachdem, welches Verge-
hen ein Delinquent verursacht hat – etwa bei Trunken-
heit am Steuer –, gesagt wird: Das Bußgeld für das Ver-
gehen wird in Tagessätzen, gemessen am Einkommen,
erhoben. Gleichwohl liegt die Gebühr für die verpflich-
tende Teilnahme an Eignungsseminaren, wenn ich es
richtig lese, statisch bei 600 Euro.
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Jetzt habe ich es verstanden. Vielen Dank. – Man
muss bei dem, was im künftigen Fahreignungsregister
aufläuft, zwischen der Sphäre der Gerichte und dem, was
die Behörden auferlegen, unterscheiden. Die Gerichte
sind in ihrer Sphäre – innerhalb der gegebenen Leitplan-
ken des Gesetzes und der Rechtsprechung – in ihrem
Urteil darüber, welches Einkommen und welche Tages-
sätze sie zugrunde legen, quasi frei.
Völlig unabhängig davon ist die Frage, welche Maß-
nahme auferlegt wird. Wenn ein Besserungsseminar oder
gar eine medizinisch-psychologische Untersuchung an-
geordnet wird, dann müssen die entsprechenden Kosten
getragen werden. Ich sehe im Grunde genommen keine
praktikable Möglichkeit, auch bei den Kosten dieser
Maßnahmen nach Einkommen oder ähnlichen sozial
relevanten Größen zu differenzieren.
Vielen Dank. – Die nächste Frage stellt unsere Kolle-
gin Frau Kirsten Lühmann. Bitte schön, Frau Kollegin
Lühmann.
Herr Minister, es geht nochmals um die schon mehr-
fach angesprochenen Kurse, die, wie wir gehört haben,
recht teuer sind. Wenn ich es richtig verstanden habe,
kann man jederzeit freiwillig an einem solchen Kurs teil-
nehmen. Dies hat aber im Hinblick auf das Fahreig-
nungsregister nur eine Auswirkung: Wenn man inner-
halb der ersten zwei Jahre nach Teilnahme an einem
solchen Kurs die von Ihnen erwähnte Grenze von sechs
oder sieben Punkten überschreitet, kann der Kurs nicht
noch einmal angeordnet werden. Wenn man also freiwil-
lig am Kurs teilgenommen hat – so habe ich das gelesen
–, kann die nochmalige Teilnahme nicht angeordnet
werden. Jetzt könnte man sagen: Das hat auch keine
Wirkung.
Wenn man aber in Ihrem Entwurf weiterliest, sieht
man, dass dort steht: Wenn man zweimal innerhalb von
zwei Jahren einen solchen Kurs angeordnet bekommt,
dann wird der Führerschein entzogen. Ich bitte um eine
Erklärung Ihrerseits. Heißt das: Wenn ich genug Geld
habe oder clever genug bin, dann mache ich freiwillig ei-
nen Kurs, wodurch beim ersten Mal der Kurs nicht ange-
ordnet und deshalb beim zweiten Mal die Fahrerlaubnis
nicht entzogen wird? Ich kaufe mir also ein bisschen
Zeit, weil so erst beim dritten Mal der Führerschein ent-
zogen wird? Das ist doch eine Ungleichbehandlung ge-
genüber denjenigen, die diese Möglichkeit nicht aus-
schöpfen können, weil sie nicht das Geld haben oder
diese Regelung nicht kennen.
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Es ist allgemein festzustellen, dass im Straßenverkehr
jeder gleich zu behandeln ist. Das darf nicht von sozialen
Kriterien abhängen, zum Beispiel was jemand verdient
oder ob er Arbeit hat oder nicht. Die Regeln müssen
überall gleich angewandt werden.
Zu den Seminaren. Es ist in der Tat so: Wenn es zu ei-
ner Ermahnung kommt, dann kann der Betroffene frei-
willig – ohne dass das zu einem Punkteabbau führt – ein
Seminar besuchen. Das angeordnete Seminar muss ab-
solviert werden, bevor der Führerschein entzogen wird.
Ich bitte Sie, den komplexen Fall, den Sie vorge-
tragen haben, sauber zu Papier zu bringen. Wir werden
Ihnen dann schriftlich die Regelung, die für Ihren spe-
ziellen, fast künstlich verkomplizierten Fall gilt, diffe-
renziert darlegen.
Vielen Dank. – Nächster Fragesteller, unser Kollege
Michael Groß.
Ich habe eine Frage zu einem Punkt, den Sie in Ihrer
Einführung zweimal erwähnt haben: das Fahren in einer
Umweltzone ohne gültige Plakette. Sie haben darge-
stellt, dass es dafür demnächst keinen Punkt mehr gibt;
stattdessen wird das Bußgeld von 40 auf 80 Euro erhöht.
Können Sie das vor dem Hintergrund, dass verschiedene
Gutachten die Wirksamkeit von Umweltzonen infrage
stellen, begründen?
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Bei Gutachten muss man immer schauen, wer sie
schreibt. Aus eigener früherer wissenschaftlicher Tätig-
keit weiß ich sehr genau, wie das mit Gutachten ist. Man
muss immer darauf achten: Wer schreibt welche Gutach-
ten? Außerdem können Sie zu jedem Gutachten ein Ge-
gengutachten in Auftrag geben. So viel zum Thema Gut-
achten im Allgemeinen.
Sie haben Gutachten genannt, die die Wirksamkeit
von Umweltzonen infrage stellen. Damit wird die Wirk-
samkeit aber noch lange nicht verneint. Ich sage Ihnen
eines: Wenn ein älterer Verkehrsteilnehmer versehent-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26121
Bundesminister Dr. Peter Ramsauer
(C)
(B)
lich ohne Umweltplakette widerrechtlich in die Innen-
stadt fährt, dann wird dadurch nicht die Umwelt in dieser
Innenstadtlage verpestet. Das sind Ausnahmefälle. Vor
allen Dingen führt dies nicht zu einer Gefährdung der Si-
cherheit.
Wir knüpfen an die Frage der Verkehrssicherheit an,
an die Sicherheitsgefährdung als solche. Deswegen ha-
ben sich BMJ, BMU und mein Ressort auf den Kompro-
miss geeinigt, dass wir der Vereinfachung wegen zwar
keinen Punkt mehr geben, aber gleichwohl 80 Euro neh-
men. Auch von diesen 80 Euro geht eine abschreckende
Wirkung aus, sodass Ihre Befürchtung, dass Ortskerne
verpestet werden, nicht eintreffen wird.
Vielen Dank. – Es folgt eine Fragestellung aus der
Fraktion der CDU/CSU. Frau Kollegin Daniela Ludwig.
Herr Minister, Sie haben in Ihrem Eingangsstatement
erwähnt, dass Sie im Hinblick auf die Reform eine um-
fangreiche Bürgerbeteiligung durchgeführt haben. Ich
möchte vorausschicken: Es haben sich nicht wenige an
der Reform von Flensburg – wie es im Volksmund so
schön heißt – versucht und sind meistens daran geschei-
tert, weil das sehr kompliziert ist. Ich möchte festhalten,
dass es in meinen Augen gelungen ist, für Transparenz
und Vereinfachung zu sorgen. Mich würde trotzdem in-
teressieren – ich gehe davon aus, Ihr Haus verfügt über
entsprechende Zahlen –: Wie viele Bürger haben sich ak-
tiv an der Onlinediskussion beteiligt? Und können Sie
uns etwas zu den inhaltlichen Schwerpunkten sagen? –
Vielen Dank.
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Frau Kollegin Ludwig, an dieser Internetumfrage ha-
ben sich über 30 000 Personen beteiligt. Allein die Zahl
der Seitenaufrufe liegt im sechsstelligen Bereich; die ge-
naue Zahl müsste ich heraussuchen. Interessant ist auch
die durchschnittliche Verweildauer auf der Seite: sieben-
einhalb Minuten. Das ist sensationell lang.
– Ich finde, das ist sehr lang.
In diesen drei Wochen standen in einem Schaltraum
– ich glaube, von 7 bis 22 Uhr – sechs Experten und Ex-
pertinnen zur Verfügung, die telefonisch oder per E-Mail
eingehende Fragen beantwortet haben.
Dies zeigt, wie gut, wichtig und ertragreich es ist, die
Öffentlichkeit zu beteiligen. Man kann auch sagen: Dies
ist der allererste Gesetzentwurf einer Bundesregierung,
der in der Internetöffentlichkeit zustande gekommen ist.
Ich glaube, auch das ist ein Wert an sich, getreu dem
Grundsatz, Betroffene zu Beteiligten zu machen.
Vielen Dank, Herr Bundesminister. – Nächster Frage-
steller ist der Kollege Gustav Herzog. Bitte schön.
Herr Bundesminister – – Bei diesem Mikrofon
braucht man Geduld.
– Herr Kollege, ich bin nominiert.
Herr Bundesminister, Stichtage sind immer eine
schwierige Angelegenheit. Für den Rechtsunterworfe-
nen kann es durchaus interessant sein, ob er für seine Tat
nach altem oder nach neuem Recht sanktioniert wird.
Deswegen die Frage: Angenommen, Ihr Praktikant fährt
heute viel zu schnell und kassiert Punkte, hat aber gute
Anwälte und stellt fest, dass er nach neuem Recht besser
behandelt würde. Jetzt hat er die Tat aber sozusagen
noch unter altem Recht begangen. Können Sie mir als
Nichtjuristen die entsprechende Übergangsregelung er-
läutern?
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Herr Kollege Herzog, auf den ersten Teil Ihrer Frage,
der mit Ihrer Aussage, dass Sie nominiert sind, zu tun
hat, kann ich nicht antworten, weil ich diesen Teil der
Frage nicht verstanden habe.
– Ach so, das hatte nichts mit Fahreignung zu tun. Dann
habe ich das falsch verstanden.
– Ich höre Ihnen besonders aufmerksam zu.
Ich möchte Ihnen die Sache mit den Stichtagen noch
einmal erläutern. Das Inkrafttreten des neuen Fahreig-
nungsregisters erfolgt am Monatsersten des sechsten
Monats nach Verkündung des Gesetzes. Wenn das Ge-
setz beispielsweise am 20. Juni 2013 verkündet wird,
tritt das Gesetz am Monatsersten des sechsten folgenden
Monats in Kraft, also am 1. Dezember. Alle Punkte, die
bis dahin aufgelaufen sind – das Auflaufen der Punkte
beginnt mit dem Tattag; das habe ich vorhin erläutert –,
werden nach altem Recht behandelt. Alles, was ab die-
sem Stichtag aufläuft, wird nach neuem Recht behandelt.
Die Punktestände werden nach einem gewissen Muster
umgerechnet, das ich Ihnen gerne erläutere. – Die
Lampe blinkt noch nicht. Die Uhr ist abgeschaltet.
26122 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Bundesminister Dr. Peter Ramsauer
(C)
(B)
Ich kann Ihnen das gerne erläutern. – Einen Augenblick,
bitte.
Wir haben ja noch lange Zeit. Bitte.
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Die Überführung der Punkte erfolgt nach folgendem
Muster: Ein Punktestand von ein bis drei Punkten vor
dem Stichtag wird umgerechnet in einen neuen Punkt.
Vier oder fünf alte Punkte werden in zwei neue Punkte
umgerechnet. Sechs oder sieben alte Punkte werden in
drei neue Punkte umgerechnet. Acht, neun oder zehn alte
Punkte werden in vier neue Punkte umgerechnet. 11, 12
oder 13 alte Punkte werden in fünf neue Punkte umge-
rechnet. 14 und 15 alte Punkte werden in sechs neue
Punkte umgerechnet. 16 und 17 alte Punkte werden in
sieben neue Punkte umgerechnet. 18 und mehr alte
Punkte entsprechen acht neuen Punkten und somit dem
Entzug der Fahrerlaubnis.
Gustav Herzog hat alles verstanden wie auch der Prä-
sident hier oben.
Martin Burkert ist der nächste Fragesteller.
Herr Minister, ich will Sie fragen, was Sie unternom-
men haben oder unternehmen werden, um zu verhindern,
dass es bei den Fahreignungsseminaren, die zukünftig
erforderlich sind, in Flächenländern, also zum Beispiel
bei uns in Bayern, im ländlichen Raum, zu Kapazitäts-
problemen kommt. Denn im Entwurf ist vorgesehen,
dass nur noch drei Teilnehmerinnen bzw. Teilnehmer an
dieser verkehrspädagogischen Maßnahme teilnehmen
dürfen und dass das Seminar innerhalb von drei Monaten
absolviert werden muss. Ich gehe davon aus, dass bei so
etwas nicht mit Praktikanten gearbeitet werden kann.
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Lieber Kollege Martin Burkert, das ist eine Frage, die
inhaltlich all den Sorgen zuwiderläuft, die an mich he-
rangetragen werden. Mir ist von den Betroffenen gesagt
worden, es führe möglicherweise zu erheblichen Über-
kapazitäten bzw. einer erheblichen Unterbeschäftigung
der hierfür derzeit bestehenden Kapazitäten in den Be-
reichen Schulung, Verkehrspsychologie und Verkehrs-
pädagogik, weil das bisherige freiwillige Absitzen ent-
fällt. Man befürchtet also keine Kapazitätsengpässe,
sondern man befürchtet, dass Überkapazitäten entstehen.
Wir werden sehen, wie es sich entwickelt. Wir werden
das genau beobachten.
Eines ist mir dabei wichtig: Wir arbeiten an einer
deutlichen strukturellen und inhaltlichen Verbesserung
des Fahreignungsseminars. Die Bundesanstalt für Stra-
ßenwesen arbeitet sehr stark wissenschaftlich, also auch
verkehrspsychologisch und verkehrspädagogisch. Wir
wollen, dass die Fahreignungsseminare psychologisch
und pädagogisch noch besser und nachhaltiger wirken,
damit der- oder diejenige, der oder die solch ein Seminar
absolviert hat, sich dann im Straßenverkehr tatsächlich
sicherheitskonformer und regelkonformer verhält, als es
bislang der Fall war.
Danke. – Jetzt Stephan Kühn. Bitte schön, Kollege
Stephan Kühn.
Herr Minister, ich habe eine Frage dazu, dass Sie
künftig nur noch Punkte für Verstöße, die tatsächlich
verkehrssicherheitsrelevant sind, vergeben wollen. In
diesem Zusammenhang ist im Entwurf neben dem
Thema Umweltzone vom Kennzeichenmissbrauch die
Rede gewesen. Nun ist Kennzeichenmissbrauch zum
Beispiel im Zusammenhang mit Fahrerflucht aus meiner
Sicht durchaus verkehrssicherheitsrelevant. Ich habe
nicht alle Details der finalen Fassung des Entwurfs lesen
können. Daher frage ich, ob weiterhin vorgesehen ist,
dass Kennzeichenmissbrauch, der bei einer Unfallflucht
durchaus verkehrssicherheitsrelevant sein kann, nicht
mit Punkten bestraft werden soll.
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Bei der Ahndung und Verfolgung solcher Delikte, wie
Sie sie gerade darstellen, Herr Kollege Kühn, sind an-
dere Bestandteile der Tat sicherlich wesentlich virulenter
und wichtiger als die Frage, was mit dem Kennzeichen
passiert ist. Hier gilt die alte Volksweisheit: Das große
Wasser nimmt das kleine mit. Wir denken dabei an fol-
gende Fälle – ich wiederhole es noch einmal –, die wir
alle kennen: Wenn zum Beispiel im Mai und Juni die
Umzüge und Feste bei uns im Land stattfinden, kann es
sein, dass geschmückte Festwagen ein Stück über öffent-
liche Straßen fahren müssen und ein Kennzeichen durch
ein Banner, ein Schmucktuch oder eine Girlande ver-
deckt ist. Ich bin schon des Öfteren heftigst angegangen
worden nach dem Motto: Jetzt nehmen wir uns die Zeit
und schmücken ein Pferdegespann, einen Festwagen,
und wenn wir so das Stück bis zum Beginn des Festzu-
ges fahren, erwischt uns die Polizei und wir müssen be-
zahlen. – Da sollte man die bisherigen Regelungen wirk-
lich überdenken und diese Fälle anders behandeln als
solche, in denen mit einem Auto vorsätzlich schwere
Straftaten begangen werden und damit die Sicherheit der
Verkehrsteilnehmer gefährdet wird.
Vielen Dank, Herr Bundesminister. – Nächster Frage-
steller: Kollege Herbert Behrens.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26123
(C)
(B)
Herr Minister, Sie haben gesagt, dass sich an der Dis-
kussion im Internet etwa 30 000 Menschen beteiligt ha-
ben. Ich habe die Kollegin Ludwig so verstanden, dass
sie auch nach den Schwerpunkten der Beiträge gefragt
hat. Darauf haben wir noch keine Antwort.
Sie haben Anregungen vom Deutschen Verkehrssi-
cherheitsrat oder vom Kollegen Luksic, der sagte, frei-
willige Seminare sollten auch zum Punkteabbau führen,
und möglicherweise auch andere Vorschläge aus der In-
ternetdiskussion offenbar nicht aufgenommen. Warum
haben Sie das nicht getan? Was wir jetzt sehen, unter-
scheidet sich ja nicht sehr groß von dem ursprünglichen
Entwurf.
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Herr Kollege Behrens, wir haben uns mit allen Ver-
kehrssicherheitsverbänden – davon gibt es eine ganze
Reihe – intensivst beratschlagt, ebenso mit anderen Ver-
bänden wie Automobilklubs oder Fahrradklubs, kurz:
mit allem an verbandlicher Organisation, was sich mit
der Straßenverkehrssicherheit befasst. Wir haben – das
gehört zu dem übergreifenden Ansatz, von dem ich ein-
gangs gesprochen habe – hier wirklich breiteste Überein-
stimmung erzielt.
Ich habe noch einmal die Unterlagen zur Bürgerbetei-
ligung herausgesucht. Es waren 160 000 Seitenaufrufe;
diese Zahl wollte ich noch nennen.
Sie haben gefragt: Was haben die Bürgerinnen und
Bürger gefordert? Ich nenne nur einige Beispiele: Es
wurde eine größere Differenzierung bei den Punkten ge-
fordert. Dafür haben wir gesorgt. Ursprünglich waren
nur zwei Punkte vorgesehen: einer für schwere und zwei
für besonders schwere Vergehen. Nun sind wir auf drei
Punkte hochgegangen. Wir haben das mit dem Parla-
ment immer wieder intensiv abgestimmt. Ich erinnere
mich an ein langes Telefonat mit dem Kollegen Luksic;
er schaut gerade her.
– So schnell geht das.
Viele haben eine Änderung des Bußgeldkatalogs in
Form von Erhöhungen gefordert. Gefordert wurden auch
Maßnahmen zur Steigerung der Verkehrssicherheit, zum
Beispiel mehr Kontrollen. Wir bekommen – das ist inte-
ressant – zwei Arten von Beschwerden: Wir bekommen
Beschwerden über zu viele Kontrollen; wir bekommen
aber auch Beschwerden über zu wenige Kontrollen. Je
betroffener jemand ist – zum Beispiel wenn er an einer
Durchgangsstraße wohnt –, desto mehr Kontrollen ver-
langt er. Das ist das Phänomen der mehreren Wahrhei-
ten. Gefordert wurde auch, den Punkteabbau weiter zu
ermöglichen. Auch hier haben wir reagiert.
Ich könnte hier noch mehr ausführen zu Punkten, die
von den Bürgerinnen und Bürgern unterstützt worden
sind – ich weiß nicht, ob Sie das noch interessiert –; aber
hier blinkt es rot. Ich breche an dieser Stelle ab.
So ist das, Herr Minister. Trotzdem herzlichen Dank
für die umfassende Beantwortung.
Ich habe noch zwei Wortmeldungen zur Befragung
der Bundesregierung, lasse die auch noch zu und werde
das dann entsprechend unseren Regeln auf die Frage-
stunde anrechnen. – Die Kollegin Lühmann hat das
Wort.
Herr Minister, ich muss noch einmal auf die Frage des
Kollegen Kühn eingehen. Ich glaube, da gab es ein Miss-
verständnis. Wenn ich den Kollegen Kühn richtig ver-
standen habe – wenn ich ihn falsch verstanden habe, stelle
ich diese Frage –, ging es ihm nicht um ein Fahren mit
verdecktem oder verdrecktem Kennzeichen, wie Sie es
bei den Festumzügen erlebt haben – das kostet 10 Euro;
das kann, glaube ich, jede Vereinskasse tragen –, sondern
dem Kollegen Kühn ging es um Kennzeichenmissbrauch.
Kennzeichenmissbrauch – wenn jemand an einem Fahr-
zeug, das nicht zugelassen ist, ein Kennzeichen anbringt,
das den Anschein eines amtlichen Kennzeichens erweckt,
oder wenn jemand an einem Fahrzeug, das zugelassen ist,
ein anderes Kennzeichen anbringt – ist eine Straftat.
Wenn ich nur das mache, dann ist das zwar eine Straf-
tat, aber das zieht kein Fahrverbot nach sich. Ich tue das
dann allerdings mit einer gewissen Intention. Diese In-
tention könnte eine andere Straftat sein. Vielleicht werde
ich aber entdeckt, bevor ich diese andere Straftat, wie
zum Beispiel Tanken, ohne zu bezahlen, oder Unfall-
flucht, begehe. Wenn ich also vor dieser anderen Straftat
erwischt werde, dann habe ich nur die Straftat des Kenn-
zeichenmissbrauchs begangen, wofür ich kein Fahrver-
bot und nach den von Ihnen jetzt vorgesehenen Regelun-
gen auch keine Punkte bekommen würde.
Halten Sie das bei einem so schweren Vergehen wie
dem Kennzeichenmissbrauch für sinnvoll? Noch einmal:
Es geht nicht um ein verdrecktes oder verdecktes Kenn-
zeichen.
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Ich verstehe Sie schon. – Nein, das hielte ich in der
Praxis natürlich für nicht gerechtfertigt. Deswegen steht
es dem Gericht bei Vorliegen einer solchen Straftat, bei
entsprechenden Erkenntnissen über eine solche Art von
Vorsatz letztlich selbstverständlich frei, die Fahrerlaub-
nis zu entziehen. Diese kann dann nur entsprechend den
gegebenen Regelungen wiedererlangt werden, zum Bei-
spiel durch das Ableisten eines Seminars oder mögli-
cherweise durch eine medizinisch-psychologische Un-
tersuchung.
Auch diese Debatte müssen Sie anderswo fortset-
zen. – Der Kollege Gustav Herzog hat noch eine Nach-
26124 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Vizepräsidentin Petra Pau
(C)
(B)
frage. Das ist dann auch die letzte bei diesem Tagesord-
nungspunkt.
Herr Bundesminister, Sie haben in Ihren einleitenden
Worten ja mit der Bürgerbeteiligung begonnen. Ich finde
es gut, dass sich so viele Tausend Menschen über das In-
ternet mit einer Eingabe an der Diskussion beteiligt ha-
ben. Sie haben im Frühjahr aber auch eine Hochglanz-
broschüre herausgegeben. Dazu stelle ich meine Fragen
– Sie können sie auch gerne schriftlich beantworten –:
Wie viele Bürgerinnen und Bürger haben sich aufgrund
der Hochglanzbroschüre an dem Diskussionsprozess be-
teiligt? Können Sie mir sagen, was die jeweiligen Instru-
mente, also die Schaltung im Internet und die Hoch-
glanzbroschüre, gekostet haben?
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Ich habe damals die Eckpunkte dieser Reform vorge-
stellt. Entweder wollen wir Transparenz der Gesetzge-
bung oder wir wollen sie nicht. Gleichzeitig haben wir
an dem Handbuch für eine gute Bürgerbeteiligung bei
der Planung von Großvorhaben im Verkehrssektor gear-
beitet. Ich wollte damit demonstrieren, dass wir auch in
der Gesetzgebung Transparenz herstellen und die Mög-
lichkeit breitester Bürgerbeteiligung garantieren wollen.
Dazu, dass jetzt daran herumgekrittelt und gesagt
wird, dass das zu teuer ist, kann ich nur sagen: Transpa-
rente Demokratie und Bürgerbeteiligung müssen ihr
Geld auch wert sein.
Ich stelle das ganz klar fest.
Sie sind es vielleicht gewohnt, alles in die Schemata
von Tarifverträgen hineinzupressen. Solche Dinge tue
ich nicht. Es ist schlicht und einfach Erbsenzählerei, das
zu einer Informationsbroschüre zu fragen, die übrigens
keine Hochglanzbroschüre war, sondern ein einfaches
Faltblatt, das mit minimalen Kosten hergestellt werden
kann. Ich würde das sofort wieder tun. Dass es richtig
war, zeigt die Tatsache, dass es uns regelrecht aus den
Händen gerissen worden ist. Das war eine richtige Maß-
nahme und ist ein hervorragender Beitrag zur Bürgerbe-
teiligung.
Ich bedanke mich für mein Haus und für die Bundes-
regierung bei allen Bürgerinnen und Bürgern unseres
Landes, die von dieser Bürgerbeteiligung Gebrauch ge-
macht haben, und ich bedanke mich auch deshalb dafür,
weil dadurch sehr viel praktisches Wissen in diese Ge-
setzgebung eingeflossen ist.
Ich beende die Befragung der Bundesregierung.
Danke, Herr Minister.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:
Fragestunde
– Drucksache 17/11786 –
Ich rufe die mündlichen Fragen auf Drucksache
17/11786 in der üblichen Reihenfolge auf.
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Enak Ferlemann zur Verfügung.
Bevor wir zu den Fragen kommen, mache ich darauf
aufmerksam, dass es im Laufe des Nachmittags die Ver-
ständigung zwischen den Parlamentarischen Geschäfts-
führern gegeben hat, dass wir die Fragestunde auf maxi-
mal 60 Minuten begrenzen.
Die Fragen 1 und 2 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter
sollen schriftlich beantwortet werden.
Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Uwe Beckmeyer
auf:
Warum hat sich der Bundesminister für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, trotz öffentlicher Zusi-
cherung nicht für die Umsetzung des Auftrages aus dem Ko-
alitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP eingesetzt, in
den Bundeshaushalten für die Jahre 2012 und 2013 eine Di-
rektzuweisung der Lkw-Maut an die Verkehrsinfrastrukturfi-
nanzierungsgesellschaft mbH, VIFG, vorzunehmen, und plant
die Bundesregierung eine Umsetzung noch in dieser Legisla-
turperiode?
Bitte, Herr Staatssekretär.
E
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich beantworte die Frage wie folgt: Der Koali-
tionsvertrag sieht lediglich die Prüfung einer direkten
Zuweisung der Einnahmen aus der Lkw-Maut an die
VIFG vor. Feste Zeitvorgaben gibt es darin nicht. Die
Prüfung ist abgeschlossen. Eine Umsetzung in dieser Le-
gislaturperiode erfolgt daraufhin nicht.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Kann die Bundesregierung Medienberichte bestäti-
gen, wonach der Bund bereit ist, auf einen Teil seiner
Schadenersatzforderungen gegenüber dem Betreiber-
konsortium Toll Collect GmbH zu verzichten?
E
Herr Kollege, diese Presseberichte kann ich nicht be-
stätigen.
Ihre zweite Nachfrage.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26125
(C)
(B)
Welche Bedingungen müssten aus Sicht der Bundes-
regierung erfüllt werden, um entsprechende Verabredun-
gen mit den Beklagten zu erfüllen?
E
Da es um laufende Verhandlungen geht, kann ich da-
rüber hier keine Auskunft geben.
Wir kommen zur Frage 4 des Kollegen Uwe
Beckmeyer:
Inwieweit teilt die Bundesregierung die Einschätzung,
dass das sogenannte Mautmoratorium vor dem Hintergrund
der inzwischen eingeführten Lkw-Maut auf vierspurigen Bun-
desstraßen nicht länger aufrechtzuerhalten ist, und wird das
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
innerhalb der nächsten zehn Monate eine neue Verordnung
zur Festsetzung der Höhe der Autobahnmaut für schwere
Nutzfahrzeuge vorlegen, um Euro-6-Fahrzeuge einzubeziehen
und eine Internalisierung externer Kosten zu erreichen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
E
Ich beantworte die Frage wie folgt: Das Mautmorato-
rium bezieht sich darauf, die Lkw-Mautsätze in dieser
Legislaturperiode nicht zu erhöhen, während die Einfüh-
rung der Lkw-Maut auf vier- und mehrstreifigen Bun-
desstraßen als eine Ausweitung des mautpflichtigen
Streckennetzes anzusehen ist. Diese Strecken besitzen
einen autobahnähnlichen Ausbaustandard und unterlie-
gen denselben Mautsätzen wie Autobahnen, sodass das
Mautmoratorium auch weiterhin Bestand hat. Nach Vor-
lage der relevanten Ergebnisse des in Arbeit befindli-
chen neuen Wegekostengutachtens ist vorgesehen, neue
Mautsätze mit Gültigkeit ab Oktober 2013 noch in dieser
Legislaturperiode zu beschließen. Euro-6-Fahrzeuge sol-
len Bestandteil dieser Regelung sein, eine Internalisie-
rung externer Kosten hingegen nicht.
Sie haben das Wort zur Nachfrage.
Herr Staatssekretär, ist der Abschluss des Schiedsver-
fahrens zwischen Bund und Toll Collect nach Einschät-
zung der Bundesregierung die Voraussetzung dafür, dass
der Bund Anteile an dem Unternehmen an neue Gesell-
schafter verkaufen kann?
E
Der Abschluss des Schiedsverfahrens hängt vor allem
davon ab, dass wir erst einmal einen Vorsitzenden des
Schiedsgerichts bekommen, nachdem der bisherige Vor-
sitzende ausgefallen ist. Von daher kann man den Ab-
schluss dieses Schiedsverfahrens noch nicht absehen.
Ihre zweite Nachfrage.
Herr Staatssekretär, wann soll die Beratergruppe
Maut 2015 erste Ergebnisse vorlegen?
E
Die Beratergruppe Maut wird bis dahin nichts vorle-
gen. Vielmehr haben wir bereits ein Wegekostengutach-
ten in Auftrag gegeben, das in der ersten Hälfte 2013
vorgelegt werden soll. Daraufhin werden die Mautsätze
neu berechnet und dementsprechend umgesetzt. Von ei-
nem Zeitpunkt 2015 kann hier keine Rede sein.
Wir kommen zur Frage 5 des Kollegen Martin
Burkert:
Warum hat sich der Bundesminister für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, trotz öffentlicher Zusi-
cherungen nicht für die Umsetzung des Auftrags des Koali-
tionsvertrags, die rechtlichen Voraussetzungen für eine be-
grenzte Kreditfähigkeit der VIFG zu schaffen, eingesetzt, und
stimmt die Bundesregierung zu, dass eine Umsetzung in die-
Bitte, Herr Staatssekretär.
E
Ich beantworte die Frage wie folgt: Der Koalitions-
vertrag sieht die Prüfung der Kreditfähigkeit der VIFG
vor. Ein Auftrag zu ihrer Herstellung oder feste Zeitvor-
gaben sind damit nicht verbunden. Die Einführung einer
Kreditfähigkeit der VIFG in dieser Legislaturperiode
wird nicht erfolgen.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung über-
haupt irgendwelche Maßnahmen ergriffen, wie in Ihrem
Koalitionsvertrag vereinbart, um die Verkehrsinfrastruk-
turfinanzierungsgesellschaft weiterzuentwickeln?
E
Wir befinden uns in einem ständigen Dialog mit der
Gesellschaft. Wir halten ihre Arbeit für ausgezeichnet
und unterstützen sie nachdrücklich.
Die zweite Nachfrage.
Ich frage nach: Welche Rolle wird die VIFG im Rah-
men der Planungen für den Bundesverkehrswegeplan
2015 spielen? Spielt sie überhaupt eine Rolle?
26126 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
(C)
(B)
E
Die Erstellung des Bundesverkehrswegeplans wird
durch die Länder, die DB Netz AG sowie die Wasser-
und Schifffahrtsverwaltung und natürlich durch unser
Haus bestimmt. Die VIFG hat dabei keine spezifische
Aufgabe.
Damit kommen wir zur Frage 6 des Kollegen Martin
Burkert:
Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer
den Auftrag des Koalitionsvertrags, eine rechtliche Vorausset-
zung für die Finanzierung nichtbundeseigener Eisenbahn-
infrastruktur für die Einbindung in das Schienengüterfernver-
kehrsnetz zu schaffen, nicht umgesetzt, und auf welcher
Grundlage sollen die vom Bundeshaushaltsgesetzgeber für
das Jahr 2013 bereits zur Verfügung gestellten Mittel verge-
ben werden?
Bitte, Herr Staatssekretär.
E
Ich bin dem Kollegen Burkert sehr dankbar für diese
Frage, die ich wie folgt beantworte: Das Bundesministe-
rium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung setzt den
Auftrag des Koalitionsvertrags von CDU, CSU und FDP
um. Die Ressortabstimmung und die Anhörung der Län-
der und Verbände zu einem entsprechenden Gesetzent-
wurf sind eingeleitet. Das Gesetzesvorhaben schafft die
Grundlage für die Vergabe der Mittel, die der Bundes-
haushaltsgesetzgeber für das Jahr 2013 zur Verfügung
gestellt hat.
Sie haben das Wort zur Nachfrage.
Vielen Dank. – Welche Bewertungskriterien werden
für die Förderung dieser nichtbundeseigenen Eisenbahn-
strecken angesetzt, und wann ist konkret mit einem ers-
ten Mittelabfluss zu rechnen?
E
Mit einem Mittelabfluss ist, wenn der Gesetzentwurf
durch dieses Hohe Haus verabschiedet wird, im Jahr
2013 zu rechnen. Als Förderkriterium gilt, dass es sich
um Strecken handelt, bei denen Investitionen in die In-
frastruktur vorgenommen werden. Dabei muss es sich
um Schienengüterfernverkehr handeln. Dieser ist defi-
niert als Verkehr auf einer Strecke von mindestens
50 Kilometern.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Werden bei diesen Güterfernverkehrsstrecken nur Ei-
gentümer dieser Strecken anspruchsberechtigt sein, oder
ist es auch möglich, dass Pächter diese Mittel beantragen
können?
E
Wir haben in dem Gesetzentwurf vorgesehen, dass
Antragsteller immer die Eigentümer der jeweiligen In-
frastruktur sein müssen. Das ergibt sich logischerweise
daraus, dass nur sie die Investitionen rechtssicher vor-
nehmen können. Die Maßnahmen werden dann einge-
reicht und von uns mit 50 Prozent bezuschusst. Das lässt
den Ländern die Möglichkeit, eine eigene Regelung über
die anderen 50 Prozent zu schaffen. Da wollen wir nicht
eingreifen. Wir beziehen uns nur auf die bundesseitige
Förderung. Sie wird für solche Strecken bei 50 Prozent
liegen.
Damit kommen wir zur Frage 7 des Kollegen Florian
Pronold:
Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer
den Auftrag des Koalitionsvertrags, eine ertragsoptimierte
Privatisierung der Transport- und Logistiksparten der Deut-
schen Bahn AG schrittweise einzuleiten, trotz persönlicher
Zusicherung nicht umgesetzt, und stimmt die Bundesregie-
rung zu, dass dies in dieser Legislaturperiode nicht mehr er-
folgen wird?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
E
Ich beantworte die Frage nach der Kapitalprivatisie-
rung wie folgt: Die Voraussetzungen für eine solche
Kapitalprivatisierung sind derzeit nicht gegeben.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Herr Staatssekretär, gibt es Pläne der Bundesregie-
rung oder der sie tragenden Fraktionen zu einer solchen
Kapitalprivatisierung, wie man aus manchen Andeutun-
gen in den Medien schließen kann?
E
Solche Medienberichte kann ich nicht bestätigen. Im
Übrigen sollten wir uns in der Politik nicht auf Medien-
berichte fokussieren. Ich kann nur feststellen: Solche
Bestrebungen gibt es derzeit nicht.
Zweite Nachfrage? – Sie verzichten.
Dann kommen wir zur Frage 8 des Kollegen Florian
Pronold:
Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer
den Auftrag des Koalitionsvertrags, bei der Deutschen Bahn
AG Doppelmandate bei der Holding und den Infrastrukturge-
sellschaften auszuschließen, trotz öffentlicher Zusicherung
nicht umgesetzt, und stimmt die Bundesregierung zu, dass
dies in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen wird?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26127
(C)
(B)
E
Ich beantworte die Frage wie folgt: Die Frage der
Doppelmandate ist Teil des Vertragsverletzungsverfah-
rens zum ersten Eisenbahnpaket. Das Urteil steht noch
aus. Anschließend wird die Bundesregierung das weitere
Vorgehen prüfen.
Ihre erste Nachfrage.
Sehen Sie es denn gerade in der aktuellen Debatte um
Stuttgart 21, wo der Vorstand Dr. Kefer eine solche Dop-
pelfunktion wahrnimmt, nicht als problematisch an, dass
Sie für diese Trennung nicht gesorgt haben?
E
Herr Dr. Kefer ist eine herausragende Persönlichkeit
mit einer hohen Fachkompetenz, und deswegen sehe ich
das als nicht problematisch an.
Ich sehe, Sie haben nicht den Wunsch nach einer
zweiten Nachfrage.
Dann erlaube ich mir den Hinweis an die fragenden
Kolleginnen und Kollegen und an die Mitglieder der
Bundesregierung – wir haben uns im Präsidium gerade
noch einmal vergewissert –: Wir haben die Regeln für
die Fragestunde nicht geändert. Daraus folgt – das auch
als Erklärung für diejenigen, die unsere Debatte hier ver-
folgen –, dass diejenigen, die fragen, und diejenigen, die
antworten, sich zu diesem Zwecke erheben, sich also ge-
genüberstehen. Offensichtlich sind einige nach dem un-
üblichen Ablauf des heutigen Plenartags etwas erschöpft
und haben diese Regel vergessen. Aber wir machen ab
sofort so weiter.
Die Frage 9 des Kollegen Hans-Joachim Hacker wird
schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Ulrich Kelber auf:
Wie bewertet die Bundesregierung das Modell für Lärm-
schutz, bei dem die Umrüstung von Güterwaggons auf lärm-
mindernde Bremssysteme neben gespreizten Trassenpreisen
auch mit einem nahezu 100-Prozent-Zuschuss gefördert wird,
wie es beispielsweise in der Schweiz umgesetzt wird, und
welche Konsequenzen erwartet die Bundesregierung daraus
im Hinblick auf die ab 2020 in der Schweiz verbotenen Grau-
gussbremsen auf den Schienengüterverkehr in Deutschland?
Bitte, Herr Staatssekretär.
E
Ich antworte wie folgt: Die Bundesregierung hat mit
dem Netzfahrplan 2012/2013 ein lärmabhängiges Tras-
senpreissystem eingeführt. Die Förderung des Bundes in
Höhe von maximal 152 Millionen Euro über acht Jahre
für die Umrüstung von Bestandsgüterwagen auf lärm-
arme Verbundstoffbremssohlen unterliegt der beihilfe-
rechtlichen Genehmigung durch die EU-Kommission.
Die von der Schweiz geleistete Förderung kann daher
nicht in gleicher Weise von einem EU-Mitgliedstaat ge-
währt werden. Die Bundesregierung geht davon aus,
dass bis 2020 etwa 80 Prozent der Bestandsgüterwagen
umgerüstet sein werden. Das von der Schweiz beabsich-
tigte faktische Verbot der Graugusssohle ab 2020 schafft
einen zusätzlichen Anreiz zur Umrüstung.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Aufgrund welcher
Erkenntnisse geht die Bundesregierung davon aus, dass
80 Prozent der Güterwaggons bis 2020 umgerüstet sein
werden? Die derzeitige Umrüstungsgeschwindigkeit –
auch aufgrund eines Zuschusses, der sich im Vergleich
zur Schweiz im Promillebereich bewegt – lässt eher eine
Fertigstellung der Umrüstung im Jahr 2200 vermuten.
E
Die Zahlen sind Bestandteil unseres Lärmschutz-
programms.
Ihre zweite Nachfrage.
Auf welcher Grundlage kommt man mit Blick auf das
Lärmschutzprogramm zu der Ansicht, dass die Ge-
schwindigkeit der Umrüstung der Güterwaggons unter
Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der Zuschuss
der Bundesregierung im Vergleich zum Schweizer
Programm nur im Promillebereich bewegt, derartig zu-
nimmt, dass die Umrüstung bis 2020 80 Prozent der
Waggons umfasst und nicht erst – hochgerechnet – im
Jahr 2200 endet?
E
Wir gehen davon aus, Herr Kollege, dass alle, die Ei-
senbahngüterverkehr betreiben bzw. ihn steigern wollen
– eine solche Steigerung ist das erklärte Ziel der Bundes-
regierung –, ein Interesse daran haben, die Akzeptanz
des Schienengüterfernverkehrs zu erhöhen. Dafür sind
Verbesserungen am Rad-Schiene-System notwendig.
Deswegen gehen wir davon aus, dass wir mindestens
80 Prozent erreichen werden.
Dazu hat nun der Kollege Gustav Herzog eine Nach-
frage.
Herr Staatssekretär, welches Interesse soll nach Ihrer
Meinung ein Wageninhaber bei einem Aufschlag auf den
Trassenpreis von 1 Prozent und deutlich erhöhten Be-
triebskosten haben, schon jetzt umzurüsten? Warum
sollte er mit der Umrüstung nicht bis kurz vor 2020 war-
ten?
26128 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
(C)
(B)
E
Herr Kollege, das gilt sicherlich für die K-Sohle in
besonderem Maße, weil die Kosten hier höher sind als
bei der LL-Sohle. Wir gehen davon aus, dass ab 2013 die
LL-Sohle genehmigt wird, sodass wir sie einsetzen las-
sen können. Dann werden die Kosten wesentlich gerin-
ger sein. Das heißt, der Anreiz für eine Umrüstung wird
wesentlich höher sein.
Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Ulrich Kelber auf:
Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung
unternommen, um ein EU-weites Umrüstprogramm für laute
Güterwaggons zu erreichen, um damit den Schienenlärm bis
2020 zu halbieren?
Bitte, Herr Staatssekretär.
E
Ich beantworte die Frage wie folgt: Die Bundesregie-
rung hat sich im Rahmen der Erarbeitung der Richtlinie
2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitli-
chen europäischen Eisenbahnraumes sowie auf Arbeits-
ebene wiederholt für die einheitliche Handhabung von
lärmabhängigen Trassenpreissystemen eingesetzt, um
Anreize für die Umrüstung lauter Güterwagen zu schaf-
fen. Hinsichtlich eines faktischen Verbots der lauten
Graugussbremssohlen wirbt die Bundesregierung für
eine EU-weite Regelung schon ab 2013, die möglichst
zeitnah wirksam werden soll.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Ihre Antwort hat
nicht ganz zu meiner Frage gepasst. In meiner Frage
geht es um ein Umrüstprogramm, aber nicht um ein ein-
heitliches System für Trassenpreise, auch nicht um ein-
heitliche Grenzwerte für neue Güterwaggons und auch
nicht um ein entsprechendes Verbot. Ich frage daher
nach: Gibt es einen konkreten Zeitpunkt, zu dem die
Bundesregierung bei der Europäischen Kommission in
Brüssel für ein europäisches Umrüstprogramm gewor-
ben hat, bei dem es dann die von Ihnen bei der Beant-
wortung meiner letzten Frage erwähnten beihilferechtli-
chen Probleme nicht geben würde?
E
In einer ganzen Reihe von Gesprächen hat die
Bundesregierung darauf gedrungen, dass es zu einem
Programm kommt. Bis zum heutigen Tage ist darüber
jedoch noch nicht entschieden.
Ihre zweite Nachfrage.
Ich komme auf meine Frage zurück. Bitte nennen Sie
mir konkret einen Anlass, bei dem die Bundesregierung
diesen Wunsch in Brüssel vorgebracht hat, damit ich die-
sen Zeitpunkt prüfen kann.
E
Damit Sie es intensiv prüfen können, werde ich diese
Frage schriftlich beantworten.
Der Kollege Gustav Herzog stellt noch eine Nach-
frage.
Ich stelle eine weitere Frage zu Europa, Herr Staatsse-
kretär. Die Kommission hat vorgeschlagen, das Beihil-
feregime kurzfristig nicht zu genehmigen, und Sie muss-
ten umplanen. Können Sie mir sagen, auf welcher Ebene
die Verhandlungen mit der Kommission geführt worden
sind? Waren der Minister persönlich oder Sie als zusätz-
licher Parlamentarischer Staatssekretär im Einsatz? Wie
wichtig hat die Bundesregierung das Thema, auch was
den persönlichen Einsatz betrifft, genommen?
E
Ich weiß nicht, ob ich „zusätzlich“ bin, aber auf jeden
Fall ist von allen Ebenen hierauf Einfluss genommen
worden.
Wir bleiben beim Kollegen Gustav Herzog.
Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Gustav Herzog
auf:
Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer
den Auftrag des Koalitionsvertrags, „die … verstärkte Be-
rücksichtigung der Bundeswasserstraßen bei der Verteilung
von Investitionsmitteln fortsetzen“ zu wollen, nicht umgesetzt
und die Mittel für den Ausbau und Erhalt von Bundeswasser-
Bitte, Herr Staatssekretär.
E
Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Der Koalitions-
vertrag wurde im Hinblick auf die Entwicklung der In-
vestitionen im Bereich der Bundeswasserstraßen umge-
setzt. Die Ansätze der in den Kapiteln 1203 und 1202
veranschlagten Investitionen liegen seit 2009 rund
10 Prozent über den Ansätzen von 2008 und sind seit-
dem auf dem verstärkten Niveau gehalten worden.
Die bereitgestellten Mittel für Ausbau und Erhalt der
Bundeswasserstraßen stiegen in diesem Zeitraum sogar
von 590 Millionen Euro auf im Mittel gleichbleibend
rund 780 Millionen Euro. Die Entwicklung der Soll-
ansätze für die Wasserstraßeninvestitionen ist einer Ta-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26129
Parl. Staatssekretär Enak Ferlemann
(C)
(B)
belle zu entnehmen, auf die ich hinweisen möchte. Ich
kann die einzelnen Zahlen vorlesen, wenn der Kollege
Herzog es wünscht. – Ich sehe, der Kollege wünscht das.
2008 standen für Investitionen insgesamt 800 Millio-
nen Euro zur Verfügung, für Um-, Aus- und Neubau so-
wie Erhaltung 590,159 Millionen Euro. 2009 standen für
Investitionen 889,800 Millionen Euro zur Verfügung, für
Um-, Aus- und Neubau sowie Erhaltung 783,331 Millio-
nen Euro. 2010 standen für Investitionen 863,526 Mil-
lionen Euro zur Verfügung, für Um-, Aus- und Neubau
sowie Erhaltung 743,555 Millionen Euro. 2011 waren es
für Investitionen 878,217 Millionen Euro, für Um-, Aus-
und Neubau sowie Erhaltung 786,977 Millionen Euro.
2012 standen für Investitionen insgesamt 882,200 Mil-
lionen Euro zur Verfügung, für Um-, Aus- und Neubau
sowie Erhaltung 795,661 Millionen Euro.
Im Mittelwert der Jahre – das dürfte für die Diskus-
sion interessant sein – sind Investitionen von insgesamt
878,436 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden,
für Um-, Aus- und Neubau sowie Erhaltung
777,381 Millionen Euro.
Zusätzlich wurden 2009 bis 2011 aus dem Konjunk-
turprogramm I insgesamt 430 Millionen Euro und aus
dem Konjunkturprogramm II weitere 350 Millionen
Euro bereitgestellt. Des Weiteren werden ab 2012 aus
dem Infrastrukturbeschleunigungsprogramm I mit einem
Ansatz von 1 000 Millionen Euro für den Neubau der
fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel 300 Millionen
Euro zur Verfügung gestellt. Außerdem sind im Infra-
strukturbeschleunigungsprogramm II, das heute vom
Haushaltsausschuss genehmigt wurde, für Bundeswas-
serstraßenvorhaben 140 Millionen Euro mit Fälligkeit in
den Jahren 2013 und 2014 eingeplant.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die präzise
Beantwortung. – Die aufstockenden Mittel aus den Kon-
junkturprogrammen I und II haben wir gemeinsam
beschlossen, und zwar in einer schwierigen Zeit. Jetzt
haben Sie die zusätzlichen Mittel angesprochen, die
noch on top kommen. Halten Sie es für hilfreich für die
Planung und Umsetzung von Baumaßnahmen im Was-
serstraßenbereich, wenn immer um Weihnachten herum
der Bundesminister um zusätzliches Geld nachsucht, er
es bekommt und dann geschaut wird, wo man es inves-
tieren kann? Wäre es nicht besser, die Mittel langfristig
zu erhöhen?
Ich bin für die Mittel für Brunsbüttel und freue mich
über die Mittel für die Moselschleuse. Teilen Sie meine
Auffassung, dass hier – bei Bauprojekten, deren Planung
und Umsetzung Jahre dauern – eine langfristige Aufsto-
ckung wesentlich besser wäre?
E
Die Bitte des Ministers hat nichts mit Weihnachten zu
tun, sondern hängt einfach damit zusammen, dass in die-
sem Zeitraum die Haushaltsplanberatungen laufen und
somit entsprechende Beschlüsse und deren Umsetzung
anstehen.
Sicher ist es gut, dass wir zusätzliche Mittel bekom-
men haben. Wir freuen uns sehr darüber. Ich freue mich
auch sehr, dass Sie uns dabei unterstützen und sich eben-
falls freuen, dass wir die Schleusenreparatur in Trier
ebenso wie die in Brunsbüttel und viele andere Maßnah-
men finanzieren können.
Insgesamt muss man sagen: Für ein Bauressort, für
ein Verkehrsressort ist es immer sinnvoll, über viele
Jahre einen Plafond für die Mittel zu haben und diesen
Plafond anzuheben. Sie wissen, dass sowohl der Minis-
ter als auch ich uns seit vielen Jahren dafür einsetzen,
diesen Mittelansatz insgesamt zu erhöhen.
Wie ich sehe, verzichten Sie auf die zweite Nach-
frage, Herr Herzog.
Dann kommen wir zur Frage 13 des Kollegen Gustav
Herzog:
Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer
den Auftrag des Koalitionsvertrags, ein Gesetz zur Reform
der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung vorzulegen, noch
nicht umgesetzt, und stimmt die Bundesregierung zu, dass
eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfol-
gen wird ?
E
Für die im 5. Bericht des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zur Reform der
WSV des Bundes genannten organisatorischen Verände-
rungen ist kein WSV-Reformgesetz erforderlich. Die
WSV-Reform ist damit in dieser Legislaturperiode nach
Beschluss des Verkehrsausschusses und des Haushalts-
ausschusses umgesetzt.
Ihre erste Nachfrage, Herr Herzog. – Sie verzichten.
Dann kommen wir schon zur Frage 14 der Kollegin
Kirsten Lühmann:
Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer
den Auftrag des Koalitionsvertrags, eine gesetzliche Initiative
zur Präzisierung des Luftverkehrsgesetzes mit dem Ziel, inter-
national wettbewerbsfähige Betriebszeiten sicherzustellen,
vorzulegen, trotz öffentlicher Zusicherung nicht umgesetzt,
und stimmt die Bundesregierung zu, dass eine Umsetzung in
E
Der Lärmschutz der Bevölkerung, insbesondere in der
Nacht, hat für die Bundesregierung einen hohen Stellen-
wert. Zu den nachteiligen Auswirkungen des Flugver-
kehrs gehören leider auch Lärmbelastungen. Wichtig ist,
dass im Umgang mit Lärm auf den größtmöglichen Aus-
gleich aller Interessen gesetzt wird und dass bestmög-
liche Kompromisse und Lösungen gefunden werden.
Insoweit hat die Entscheidung des Bundesverwaltungs-
gerichts wichtige Hinweise zur Anwendung des Luftver-
26130 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Parl. Staatssekretär Enak Ferlemann
(C)
(B)
kehrsgesetzes gegeben. Die Bundesregierung hat zur
Kenntnis genommen, dass hiernach auch weiterhin in
Deutschland Nachtflüge grundsätzlich zugelassen sind.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dies jedoch wegen
der betroffenen Lärmschutzinteressen der Flughafenan-
wohner mit einem gesteigerten Rechtfertigungszwang
verbunden. Es muss hiernach ein über das allgemeine
Verkehrsbedürfnis deutlich hinausgehender gesteigerter
Bedarf für die Durchführung von Nachtflügen dargelegt
werden, differenziert nach Kernstunden und Randstun-
den der Nacht. Angesichts dieser klaren Darlegung des
Gerichts sieht die Bundesregierung keine Notwendigkeit
einer Präzisierung des Luftverkehrsgesetzes.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Das nehme ich zur Kenntnis. – Was sagt die Bundes-
regierung zu den Wünschen der Luftverkehrswirtschaft?
Die Luftverkehrswirtschaft weist nämlich darauf hin,
mit der bestehenden Regelung habe sie keine ausrei-
chende Planungssicherheit. Sie wünscht sich von der
Bundesregierung, dass sie diese Planungssicherheit wie-
der bekommt.
E
Frau Kollegin, Planungssicherheit haben wir. Es gibt
hier ein Gerichtsurteil. Das haben wir umzusetzen und
zu beachten. Von daher gibt es eigentlich keine offenen
Fragen.
Haben Sie eine zweite Nachfrage?
Nein. – Das sieht die Wirtschaft anders. Also müssen
wir das so stehen lassen. Ich stelle fest, dass wir das un-
terschiedlich sehen.
Gut. – Dann kommen wir zur Frage 15 der Kollegin
Lühmann:
Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer
den Auftrag des Koalitionsvertrags, eine weitere Entbüro-
kratisierung der Fahrzeugzulassung zu prüfen und über eine
Neuregelung im Sinne eines Onlinezulassungsverfahrens zu
entscheiden, trotz öffentlicher Zusicherung noch nicht umge-
setzt, und stimmt die Bundesregierung zu, dass eine Umset-
zung in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen wird
?
E
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt-
entwicklung hat entsprechend der Vereinbarung im
Koalitionsvertrag mehrere Rechtsvorschriften verabschie-
det, die der Entbürokratisierung der Fahrzeugzulassung
dienen, darunter die Ermöglichung landesrechtlicher
Ausnahmen von der Fahrzeug-Zulassungsverordnung
– das ist die Verordnung zur landesrechtlichen Regelung
von Ausnahmen von der Fahrzeug-Zulassungsverord-
nung vom 24. November 2010 – und die Verordnung zur
Verringerung von Meldepflichten.
Außerdem wurden, wie ebenfalls im Koalitionsver-
trag erwähnt, die Pilotverfahren des Onlinezulassungs-
verfahrens fortgesetzt und durch das Statistische Bun-
desamt auf ihre Entlastungswirkung für Bürger,
Wirtschaft und Verwaltung überprüft. Das steht in der
Studie Einfacher zur Fahrzeugzulassung des Statis-
tischen Bundesamtes von September 2011.
Im Ergebnis wurde festgestellt, dass für die bundes-
weite Einführung entsprechender Lösungen keine weite-
ren Änderungen von Rechtsvorschriften erforderlich
sind. Da den Ländern die Ausführung des Zulassungs-
rechts als eigene Angelegenheit obliegt, wurde ihnen
empfohlen, die Schlussfolgerungen im praktischen Ver-
waltungsvollzug umzusetzen. Darüber hinaus wird das
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
lung auf der Grundlage der Ergebnisse der Projekt-
gruppe „Kfz-Wesen“ einen Vorschlag für weiter gehende
Regelungen für die internetbasierte Zulassung erarbei-
ten.
Sie haben das Wort zur Nachfrage.
Bis zur Vorlage dieses Vorschlags habe ich keine wei-
tere Nachfrage.
Dann kommen wir zur Frage 16 des Kollegen Sören
Bartol:
Warum hat sich Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer
trotz öffentlicher Zusicherungen nach drei Jahren nicht für
eine Umsetzung des Auftrags des Koalitionsvertrags, bis
Mitte der Legislaturperiode über die Höhe der Finanzausstat-
tung für die ehemalige Gemeindeverkehrsfinanzierung bis
2019 zu entscheiden, eingesetzt, und wird die Bundesregie-
rung die Finanzausstattung auf dem bisherigen Niveau fort-
führen oder erhöhen?
E
Die Antwort lautet wie folgt: Im Zuge der Beratungen
zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrages ha-
ben Bund und Länder vereinbart, dass eine Entscheidung
über die Höhe der vom Bund für den Zeitraum 2014 bis
2019 zur Aufgabenerfüllung der Länder zu zahlenden
Kompensation nach Art. 143 c des Grundgesetzes, so-
genannte Entflechtungsmittel, zum Beispiel zur Verbes-
serung der kommunalen Verkehrsverhältnisse, im Herbst
dieses Jahres erfolgt. Der Bund hat in verschiedenen Ge-
sprächen Bereitschaft zu einer Verständigung signali-
siert; eine Einigung mit den Ländern konnte dennoch
bislang nicht erfolgen. Die Gespräche unter Federfüh-
rung des BMF werden fortgesetzt.
Sie haben das Wort zur Nachfrage.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26131
(C)
(B)
Erst einmal vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die
Beantwortung der Frage. Sie haben sie allerdings nicht
ganz beantwortet. Ich habe ja auch gefragt, welches Ni-
veau Sie anstreben.
Meine Nachfrage: Halten Sie es für ausgeschlossen,
dass in den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss im
Ergebnis eine Fortführung der Mittel auf dem bisherigen
Niveau bis 2019 beschlossen wird, und sehen Sie nicht
auch die Gefahr, dass im Moment Projekte, die notwen-
dig sind, jetzt auf die lange Bank geschoben werden,
weil nichts vorangeht?
E
Im Vermittlungsausschuss liegt dazu bisher nichts.
Aber es gibt Verhandlungen zwischen Bund und Län-
dern. In der Tat ist es so, dass wir uns wünschen, mög-
lichst schnell zu einem Abschluss zu kommen, weil Pla-
nungs- und Investitionssicherheit für die Länder und für
die Kommunen gegeben sein müssen. Deswegen drän-
gen wir sehr stark auf einen schnellen Abschluss der
Verhandlungen.
Nachfrage? – Sie verzichten auf die zweite Nach-
frage.
Dann kommen wir gleich zu Ihrer Frage 17, Kollege
Bartol:
Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer
trotz gegenteiliger öffentlicher Zusicherung den Auftrag des
Koalitionsvertrags, dass „die Städtebauförderung … auf bis-
herigem Niveau“ fortgeführt wird, nicht umgesetzt und seit
2009 die Fördermittel kontinuierlich zusammengestrichen
?
Bitte, Herr Staatssekretär.
E
Ich beantworte die Frage wie folgt: Der Bund hat für
die Städtebauförderung im Jahr 2009 Finanzhilfen in
Höhe von rund 570 Millionen Euro bereitgestellt, im
Jahre 2010 in Höhe von rund 535 Millionen Euro und in
den Jahren 2011 und 2012 in Höhe von jeweils 455 Mil-
lionen Euro. Im Jahr 2013 werden im dritten Jahr in
Folge wiederum 455 Millionen Euro bereitgestellt wer-
den. Die Annahme des Fragestellers, dass die Fördermit-
tel kontinuierlich zusammengestrichen worden sind,
trifft somit offensichtlich nicht zu.
Sie haben das Wort zur Nachfrage.
Lieber Herr Staatssekretär, das ist offensichtlich eine
falsche Antwort. Natürlich haben Sie die Mittel für die
Städtebauförderung gekürzt; das wissen Sie. Sie können
nicht Mittel dazurechnen, die nicht in die Systematik der
Städtebauförderung gehören. Deswegen bitte ich Sie,
Ihre Antworten präziser zu fassen.
Konkrete Nachfrage. Sie wissen, dass gerade die Mit-
tel für das Programm „Soziale Stadt“ massiv gekürzt
worden sind. Wie bewerten Sie die Kritik der Städte und
Kommunen, dass gerade durch Ihre Kürzungspolitik
Projekte vor Ort jetzt eingestellt werden müssen oder
neue Projekte erst gar nicht begonnen werden können?
E
Sehr geschätzter Herr Kollege, die Mittel – ich habe
sie genannt – sind nicht gekürzt worden, sondern fortge-
schrieben worden, zumindest für die Jahre 2011, 2012
und 2013. Richtig ist, dass innerhalb des Programms An-
sätze erhöht worden sind und Ansätze gekürzt worden
sind. Dass bei erhöhten Ansätzen natürlich immer große
Freude bei betroffenen Kommunen und Ländern
herrscht, ist klar. Wo Kürzungen vorgenommen werden
müssen, ist Kritik da; das ist auch klar. Aber im Endef-
fekt stehen insgesamt die Mittel zur Verfügung, die wir
vorgesehen haben, auch wieder für den Haushalt 2013.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Lieber Kollege Staatssekretär, Sie sind ja nicht ganz
so leicht zu fassen. Ich glaube, Ihre Regierungszeit be-
gann schon etwas früher, und da waren die Mittel höher.
Das war auch in der Frage so angelegt, nämlich: seit
2009. Seitdem sind die Mittel nicht auf der gleichen
Höhe geblieben. Sie können jetzt gern noch einmal ver-
suchen, das zu präzisieren.
Wie bewerten Sie denn den Umstand, dass der Haus-
haltsausschuss in seinen Beratungen in der Bereini-
gungssitzung die Mittel für das Programm „Soziale
Stadt“ um weitere 10 Millionen Euro gekürzt hat, und
was sagen Sie den Leuten vor Ort?
E
Der Bundesregierung steht es nicht zu, dem Hohen
Haus irgendwelche Vorgaben zu machen und Bewertun-
gen abzugeben. Natürlich habe ich meine persönliche
Meinung; die spielt hier aber keine Rolle. Wenn das
Hohe Haus eine solche Vorgabe macht und das im Haus-
halt so beschlossen wird, haben wir als Regierung das zu
akzeptieren und auszuführen.
Die Kollegin Lühmann hat noch eine Nachfrage.
Herr Staatssekretär, ich finde es bemerkenswert, wie
Sie den Parlamentarismus erklärt haben. Meine Frage
ist: Was hat denn die Bundesregierung getan und welche
Argumente hat sie dem Haushaltsausschuss vorgelegt,
damit dieser die Kürzungen nicht beschließt?
26132 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
(C)
(B)
E
Wir haben einen Haushaltsentwurf gemacht, auf des-
sen Grundlage dann die Beratungen begonnen haben.
Während der Beratungen haben wir immer wieder für
unsere Position geworben; wir haben den Beschluss aber
so hinzunehmen, wie er gefasst worden ist.
Die Fragen 18 und 19 der Kollegin Gottschalck wie
auch die Frage 20 des Kollegen Hacker und die Frage 21
der Kollegin Kumpf werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Michael Groß auf:
Wie viele Brückenbauwerke bundesweit an Bundesfern-
straßen sind dem Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer
bekannt, die konkret zurzeit gesperrt sind bzw. drohen inner-
E
Ich beantworte die Frage wie folgt: Die Bauwerksprü-
fungen von Brücken im Zuge von Bundesfernstraßen
werden im Rahmen der Auftragsverwaltung durch die
Länder durchgeführt. Der Zustand wird kontinuierlich,
systematisch und umfassend geprüft. Die sich daraus er-
gebenden Bauwerks- und Zustandsdaten werden jährlich
jeweils zum 1. März und zum 1. September durch die
Länder an die Bundesanstalt für Straßenwesen geliefert,
die auf dieser Basis jeweils eine aktuelle Auswertung er-
stellt. Entsprechende statistische Auswertungen werden
in der Regel auch in den Verkehrsinvestitionsbericht auf-
genommen. Diese Daten sind jedoch nicht tagesaktuell.
Dem Bundesministerium sind keine konkreten Zahlen zu
zurzeit gesperrten Brücken bzw. zu Brücken, bei denen
innerhalb eines Jahres eine Sperrung droht, bekannt.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Ist es richtig, dass Sie speziell die Länder vor zwei
Jahren aufgefordert haben, Problembrücken aufzuzeigen
und Ihnen zu melden?
E
Das ist richtig.
Aber anscheinend gibt es darüber keine Liste, die ak-
tuell verwendbar ist.
E
Doch, es gibt diese Listen, die aktuell verwendbar
sind. Diese können Sie auch einsehen.
Damit kommen wir zur Frage 23 des Kollegen Groß:
Welche kurzfristigen Lösungen bietet Bundesverkehrsmi-
nister Dr. Peter Ramsauer in Zusammenarbeit mit den Bun-
desländern an, um dem Problem gesperrter Bundesfernstra-
ßenbrücken, den damit zusammenhängenden Staus, dem
Verkehrschaos sowie der in diesem Zusammenhang stehenden
stärkeren Belastung von Ausweichstrecken zu begegnen?
E
Ich gebe dazu folgende Antwort: Bei Brückensper-
rungen ist zu unterscheiden zwischen geplanten Maß-
nahmen, um zum Beispiel Brückensanierungsarbeiten
durchzuführen, und kurzfristig erforderlichen Maßnah-
men, zum Beispiel aufgrund von Unfallschäden oder
plötzlich auftretenden Brückenschäden. Soweit Brü-
ckensperrungen im Rahmen von Sanierungsarbeiten,
wie zum Beispiel einer Deckenerneuerung oder dem
Austausch von Farbe an Übergängen, erforderlich sind,
erfolgt selbstverständlich durch die zuständige Landes-
straßenbauverwaltung eine Abstimmung zu Art, Umfang
und Dauer der Maßnahme, wobei auch die möglichen
Umleitungsstrecken einbezogen werden.
Bei kurzfristig erforderlichen Brückensperrungen, die
jedoch relativ selten sind, sind derartige Abstimmungen
in der Regel nicht im Voraus möglich, da jeweils die
aktuelle regionale und bei weiträumigen Umleitungen
auch überregionale Verkehrssituation einzubeziehen ist.
Grundsätzlich erfolgen aber eine kurzfristige Berück-
sichtigung im Verkehrsfunk sowie im Rahmen der Straßen-
verkehrstelematik und eine entsprechende Beschilderung.
Gegebenenfalls sind auch kurzfristige Anpassungen im
Netz, zum Beispiel durch Ummarkierungen in Knoten-
punkten oder bei Anschlussstellen, von den Landesstra-
ßenbauverwaltungen zu prüfen. In relativ kurzer Zeit
kann in begrenztem Umfang auch Festbrückengerät mit
Spannweiten von bis zu 80 Metern als provisorisches Er-
satzbauwerk zum Einsatz kommen. Ein Beispiel hierfür
ist die Brücke Dormagen für die A 57 nach dem Brand-
schaden.
Ihre erste Nachfrage, bitte.
Jetzt war zu lesen, dass einer Ihrer Staatssekretäre in
NRW mit einem Schutzhelm unterhalb einer Brücke
– Stichwort: Sperrung A 1 – unterwegs war und zuge-
sagt hat, dem Land Nordrhein-Westfalen 1 Million Euro
zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Avisieren Sie jetzt
jedem Land zusätzlich 1 Million Euro für die Planung
neuer Brücken?
E
Wenn Schäden auftreten und gehandelt werden muss,
ist das Ministerium jederzeit in der Lage – egal, in wel-
chem Bundesland und auf welcher Autobahn oder Bun-
desstraße –, Hilfestellung auch finanzieller Art zu geben.
Wir sind dafür verantwortlich, dass der Verkehrsfluss ge-
währleistet ist.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26133
Parl. Staatssekretär Enak Ferlemann
(C)
(B)
Bei der Brücke in Leverkusen, die Sie ansprechen,
geht es darum, Ermittlungen darüber anzustellen, ob die
Brücke in Zukunft standsicher ist und ob sie auch für
den Schwerlastverkehr wieder freigegeben werden kann,
was dafür gemacht werden muss bzw. welche Notwen-
digkeiten bestehen. Das soll sehr kurzfristig geschehen.
Daneben sollen Planungen aufgenommen werden für
den Ersatzbau dieser Brücke. Ich finde es nur richtig und
gut, dass sowohl die Auftragsverwaltung des Landes
NRW als auch das Bundesverkehrsministerium sich
schnell darauf verständigt haben, die erforderlichen Mit-
tel bereitzustellen, um einen zügigen Ablauf zu gewähr-
leisten.
Ihre zweite Nachfrage.
Das heißt, Sie haben ein Konzept, das Sie verfolgen,
und Sie wissen genau, welche Brücken demnächst sa-
niert werden müssen. Stehen die notwendigen Haus-
haltsmittel auch zur Verfügung?
E
Im Rahmen der Mittel, die wir den Ländern zuweisen,
stehen auch Mittel für die Brückensanierung – auch für
den Ersatzneubau – zur Verfügung. Jedoch würden wir
gerne mehr Geld einsetzen, weil wir die zunehmende
Problematik sehen. Die Brücken sind zum Teil aus den
60er-, 70er-Jahren und nicht für den heutigen Schwer-
lastverkehr ausgelegt. Deswegen müssen wir an vielen
Stellen noch zusätzliche Maßnahmen vornehmen, die ei-
gentlich so nicht eingeplant waren, für die wir aber das
Geld dann bereitstellen werden.
Die Fragen 24 und 25 des Kollegen Kühn werden
schriftlich beantwortet, wie auch die Frage 26 der Kolle-
gin Brugger und die Frage 27 der Kollegin Behm.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. –
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parla-
mentarische Staatssekretärin Katherina Reiche zur
Verfügung.
Ich rufe die Frage 28 des Kollegen Gerd Bollmann
auf.
Ka
Der ist aber nicht da.
Dann verfahren wir mit Frage 28 und auch mit Frage
29 des Kollegen Bollmann, wie in der Geschäftsordnung
vorgesehen.
Die Fragen 30 und 31 der Kollegin Kofler sollen
schriftlich beantwortet werden, wie auch die Fragen 32
und 33 des Kollegen Ott. Die Fragen 34 und 35 der Kol-
legin Paus werden ebenfalls schriftlich beantwortet.
Ich schaue einmal: Auch der Kollege Schwabe ist
nicht im Saal. Dann verfahren wir mit den Fragen 36 und
37 des Kollegen Schwabe, wie in der Geschäftsordnung
vorgesehen.
Die Fragen 38 und 39 der Kollegin Sylvia Kotting-
Uhl sollen schriftlich beantwortet werden.
Damit, Frau Staatssekretärin, herzlichen Dank für die
Vorbereitung und Übermittlung der Antworten an die
Kolleginnen und Kollegen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Bildung und Forschung. Auch hier
sollen die Fragen 40 und 41 der Kollegin Schieder, die
Frage 42 des Kollegen Kaczmarek sowie die Fragen 43
und 44 des Kollegen Swen Schulz schriftlich beantwor-
tet werden.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur
Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Hans-Joachim Otto zur Verfügung.
Die Frage 45 der Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann
sowie die Fragen 46 und 47 der Kollegin Höhn sollen
schriftlich beantwortet werden. Die Fragen 48 und 49
des Kollegen Krischer werden ebenfalls schriftlich be-
antwortet.
Ich rufe die Frage 50 des Kollegen Jan van Aken auf:
Wann und in welcher Höhe hat das Unternehmen Neupack
Verpackungen GmbH & Co. KG in den zurückliegenden
20 Jahren öffentliche Fördermittel im Rahmen der Wirt-
schafts- und Arbeitsmarktförderung erhalten?
Bitte, Herr Staatssekretär.
H
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Herr Kollege
van Aken, wie Sie sicherlich wissen, ist die Beantwor-
tung einer solchen Frage in einer mündlichen Frage-
stunde aus vielerlei Gründen nicht zulässig. Dagegen
spricht zunächst einmal das Datenschutzrecht. Die
Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen un-
terliegt Art. 12 Grundgesetz, was die Bundesregierung
natürlich auch bei der Beantwortung parlamentarischer
Fragen beachten muss. Einfachgesetzlich sind Betriebs-
und Geschäftsgeheimnisse den Sozialdaten gleich-
gestellt; auch sie unterliegen dem Sozialgeheimnis nach
§ 35 SGB I.
Die Informationen – jetzt komme ich schon zu
Ratschlägen und Anregungen – dürfen daher nur dann
weitergegeben werden, wenn das Geheimhaltungsinte-
resse wirksam geschützt ist. Eine Unterrichtung im Rah-
men des parlamentarischen Informationsanspruchs kann
daher nur in nichtöffentlicher, vertraulicher oder gehei-
mer Form in Betracht gezogen werden. Ich rege an, Herr
Kollege van Aken, dass Sie, wenn Sie wirklich eine Ant-
wort auf Ihre Fragen wünschen, in schriftlicher Form
26134 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto
(C)
(B)
nachfragen, damit wir Ihnen über den Weg der Ver-
schlusssache antworten können.
Haben Sie trotzdem Nachfragen? – Dann haben Sie
natürlich das Wort.
Auf jeden Fall habe ich Nachfragen. – Zunächst ein-
mal: Ich werde meine Frage schriftlich einreichen. Dann
werde ich die Antwort wahrscheinlich als Verschlusssa-
che zugesandt bekommen.
H
Zugesandt nicht, aber einsehen können Sie sie.
Das werde ich dann machen. Es ist schade, dass Sie
über diese Daten nichts sagen können. Aber, wie man in
Hamburg sagt: Es ist, wie es ist.
Ich habe trotzdem eine Nachfrage: Die Firma Neu-
pack wird seit über 40 Tagen bestreikt, weil sie keinen
Tarifvertrag abschließen will, weil sie Billiglöhne zahlt.
Viele der Beschäftigten müssen aufstocken. Da stellt
sich mir doch die Frage, ob Sie oder die Bundesregie-
rung es eigentlich richtig finden, dass öffentliche Förder-
mittel und Steuergelder an Betriebe fließen, die Billig-
löhne zahlen und die keinen Tarifvertrag abschließen.
Ich halte es für eine sehr gute Idee, in die Kriterien für
die Vergabe solcher öffentlichen Fördermittel das Krite-
rium „gute Arbeit“ aufzunehmen, das heißt, kein Geld
für Firmen, die keine Tarifverträge abschließen. Das
Ganze wäre auch keine Weltrevolution. Wie Sie wissen,
gibt es Bundesländer, in denen es beispielsweise Höchst-
quoten für Leiharbeitnehmer gibt. Können Sie sich also
vorstellen, Kriterien wie „gute Arbeit“, „keine Auf-
stockerlöhne“ und „Tarifverträge“ mit in Ihre Förder-
programme aufzunehmen?
H
Lieber Herr Kollege van Aken, auch durch die Hinter-
tür kann ich Ihre Frage nicht beantworten. Sie haben
eben unterstellt, dass das Unternehmen Neupack öffent-
lich-rechtliche Förderleistungen bekommt. Das kann ich
Ihnen aber aus den eben geschilderten Gründen nicht be-
stätigen.
Ich denke auch, dass eine Verknüpfung dieser beiden
Punkte, also die Tarifgebundenheit eines einzelnen Un-
ternehmens und öffentliche Fördermittel, sehr schwierig
sein wird. Deswegen ist es, glaube ich, nicht sehr sinn-
voll, jetzt am Beispiel Neupack solche grundsätzlichen
Fragen zu erörtern. Das würde meines Erachtens zu weit
führen.
Haben Sie eine zweite Nachfrage?
Nicht wirklich. – Ich weiß aber nicht, warum das zu
weit führen würde. Sie könnten doch generell antworten,
aber das wollen Sie nicht. Dann kann ich mir die zweite
Frage im Grunde sparen. Ich bedanke mich.
H
Herr Kollege van Aken, es gibt gesetzliche Kriterien.
Es liegt nicht im Ermessen des Bundeswirtschaftsminis-
teriums, welche Fördermittel verteilt werden, sondern
hierfür gibt es klare Kriterien. Wenn Sie diese Kriterien
ändern wollen, wenn Sie andere, zusätzliche Kriterien
einführen möchten, dann steht Ihnen dafür der parlamen-
tarische Weg offen. Aber Sie können jetzt doch nicht von
mir als Staatssekretär verlangen, Ihnen zu sagen, ob ich
das für gut hielte oder nicht.
– Nein, darum geht es nicht. Es ist die Aufgabe des
Parlamentes, der Regierung Kriterien vorzugeben, nach
denen Fördermittel verteilt werden. Wir vergeben die
Fördermittel getreu den gesetzlichen Bestimmungen, im
Einklang mit den Gesetzen. Die Gesetze machen Sie, das
Parlament, und die Bundesregierung fühlt sich daran ge-
bunden.
Gleichwohl hat die Kollegin Zimmermann eine Nach-
frage.
Herr Staatssekretär, Sie wissen vielleicht, dass gerade
bei Neupack Stundenlöhne von 8 Euro und darunter ge-
zahlt werden. Das bedeutet natürlich, dass die Kollegin-
nen und Kollegen aufstocken müssen. Da stellt sich für
uns schon die Frage, inwieweit es nach Ansicht der
Bundesregierung vertretbar ist, dass Unternehmen ihr
Geschäftsmodell darauf aufbauen, dass die Kolleginnen
und Kollegen so wenig verdienen und sich noch Zu-
schüsse vom Amt holen müssen.
H
Liebe Frau Kollegin Zimmermann, ich weiß nicht, ob
bei Neupack 8 Euro in der Stunde oder mehr oder weni-
ger gezahlt werden. Ich kenne allerdings die Presse-
berichte, dass es dort einen sehr heftigen und langandau-
ernden Streik gibt. Welche Löhne dort aber tatsächlich
gezahlt werden, weiß ich nicht. Es ist auch nicht die
Aufgabe des Bundeswirtschaftsministeriums, dort nach-
zufragen.
Ich sage Ihnen in aller Klarheit: Es ist auch nicht die
Aufgabe der Bundesregierung, hier einzelne Unterneh-
men und deren Lohnpolitik zu bewerten. Es steht Ihnen
als Abgeordnete des Deutschen Bundestages absolut
frei, hier einen solchen Wunsch zu äußern. Die Bundes-
regierung hat sich in diesen Fällen jedoch neutral zu ver-
halten. Hierfür bitte ich um Verständnis.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26135
(C)
(B)
Die letzte Nachfrage hierzu stellt der Kollege
Lenkert.
Herr Staatssekretär, ich habe mir einmal die Mühe
gemacht, auszurechnen, wie hoch die Fördermittel pro
Arbeitsplatz, also die Investitionszuschüsse, in etwa
sind. Das sind in etwa 40 000 bis 45 000 Euro pro ge-
schaffenen Arbeitsplatz. Gerechtfertigt wird dies mit den
Mehreinnahmen, die durch die wirtschaftliche Belebung
und die höheren Steuerzahlungen erzielt werden.
Wie ist die Haltung der Bundesregierung – unabhän-
gig von der Firma und vom Einzelfall –, wenn mit sol-
chen Fördermitteln Arbeitsplätze geschaffen werden und
die Mitarbeiter danach zum Aufstocken zum Arbeitsamt
gehen müssen? Haben Sie als Bundesregierung – Sie
haben ja auch ein Gesetzgebungsvorschlagsrecht – die
Absicht, die Förderrichtlinien dahin gehend zu über-
arbeiten, dass zukünftig Unternehmen, die keine Min-
destlöhne zahlen und das Aufstocken nicht verhindern,
von Fördermaßnahmen der Bundesregierung ausge-
schlossen werden?
H
Lieber Herr Kollege, Sie haben gleich eine ganze
Fülle von Unterstellungen gemacht, die ich in dieser
Form nicht bestätigen kann und möchte. Ich kann Ihnen
nicht sagen, ob bei dem Unternehmen Neupack über-
haupt eine Tarifgebundenheit vorliegt oder ob 8 Euro
Stundenlohn gezahlt werden. Das kann ich Ihnen nicht
bestätigen. Ich kann Ihnen aus den eben genannten
Gründen auch nicht bestätigen, ob es – etwa sogar in der
Höhe, die Sie eben genannt haben – irgendwelche
öffentlichen Fördermittel gibt.
Klar ist, dass Fördermittel nach klaren Kriterien ver-
geben werden. Diese Kriterien können Sie selbst einse-
hen. Mir ist im Moment nicht bekannt, dass es irgend-
welche Initiativen der Bundesregierung mit dem Ziel
gibt, diese Kriterien zu verändern. Aber Ihre Fraktion ist
selbstverständlich in der Lage, einen Antrag zu stellen
und darin zu fordern, dass die Förderkriterien beispiels-
weise berücksichtigen, dass Tarifgebundenheit, Mindest-
löhne und was auch immer gegeben sind.
Die Frage ist – ich kann sie ebenfalls nicht beantwor-
ten –, ob es in diesem Bereich überhaupt Mindestlöhne
gibt. Denn Mindestlöhne sind, wie Sie wissen, nicht in
allen Bereichen vorgesehen. Fragen Sie mich deswegen
jetzt nicht nach konkreten Einzelheiten bei der Firma
Neupack. Es ist nicht die Aufgabe der Bundesregierung,
Fragen zu solchen Einzelfällen zu beantworten; das
überlasse ich Ihnen.
Die Frage 51 der Kollegin Keul soll schriftlich beant-
wortet werden.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. –
Danke, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes. Zur Beantwortung steht die Staatsministerin
Cornelia Pieper zur Verfügung.
Die Frage 52 der Kollegin Keul wie auch die Fra-
gen 53 und 54 des Kollegen Koppelin werden schriftlich
beantwortet.
Ich rufe die Frage 55 der Kollegin Dittrich auf:
Welche Gründe führen nach Kenntnis der Bundesregie-
rung dazu, dass für palästinensische Studierende in der Bun-
desrepublik Deutschland, vor allem angesichts der Anerken-
nung des Beobachterstatus Palästinas am 29. November 2012
vor den Vereinten Nationen, in den ausgestellten Pässen der
Autonomiebehörde Palästinas jeweils verschiedene Staatsan-
gehörigkeitsangaben wie „Keine“ oder „Staatenlos“ oder
„Sonstige asiatische Länder“ eingetragen werden?
C
Frau Abgeordnete, bei den von der Palästinensischen
Behörde ausgestellten Dokumenten handelt es sich um
ein „Passport/travel document“ mit Bezug auf das Os-
loer Interimsabkommen von 1995, also nicht um einen
Reisepass im klassischen Sinne, wie wir ihn kennen. Die
Dokumente enthalten in Übereinstimmung mit dem in-
soweit maßgeblichen Abkommen über die Internationale
Zivilluftfahrtorganisation lediglich in der maschinenles-
baren Zone mit „PSE“ eine Angabe zur Nationalität.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Ich hatte in meiner Frage nach der Angabe der Natio-
nalität gefragt: Wie kann es sein, dass „Keine“ oder
„Staatenlos“ oder „Sonstige asiatische Länder“ eingetra-
gen wird? Ich habe auch gefragt, ob es Änderungen bei
den Eintragungen gibt, seit Palästina bei den Vereinten
Nationen den Beobachterstatus beantragt hat und geneh-
migt bekam.
C
Nein, Änderungen gibt es nicht; es bleibt so, wie es
ist.
Ich erläutere es noch einmal: Das Osloer Interims-
abkommen von 1995 sieht vor, dass die Palästinensische
Behörde für die palästinensischen Bewohner des West-
jordanlands und des Gazastreifens von Israel anerkannte
Reisedokumente erstellen kann. Das Interimsabkom-
men präzisiert, dass diese Reisedokumente ihre Inhaber
dazu berechtigen, über die sicheren Übergänge zwischen
dem Gazastreifen und dem Westjordanland und über
Ausreisepunkte in Israel ins Ausland zu reisen.
Was den Status anbelangt, kann ich nur wiederholen,
Frau Abgeordnete, dass die Aufwertung Palästinas zum
Beobachterstaat in der VN-Generalversammlung an den
visarechtlichen Bestimmungen, die ich Ihnen vorgetra-
gen habe, nichts ändert.
26136 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
(C)
(B)
Sie haben eine zweite Nachfrage. Bitte.
Mit welchen Staatsangehörigkeiten reisen die palästi-
nensischen Studierenden überwiegend ein, und welche
Eintragung gibt es, wenn sie aus dem Gebiet des Gaza-
streifens oder aus dem Westjordanland kommen?
C
Ich habe ein solches Visadokument, einen solchen
Passport dabei. Ich weiß nicht, ob Sie das kennen; Sie
können es sich gerne ansehen. Es ist so, wie ich es Ihnen
sagte: Die einzige Eintragung, die es gibt, ist „PSE“. Sie
steht für „Occupied Palestinian Territory“. Es gibt keine
anderen Eintragungen.
Danke, Frau Staatsministerin.
Die übrigen Fragen zum Geschäftsbereich des Aus-
wärtigen Amtes werden schriftlich beantwortet. Es han-
delt sich um die Fragen 56 und 57 der Kollegin Kerstin
Müller, die Frage 58 des Kollegen Tom Koenigs und die
Frage 59 der Kollegin Sevim Dağdelen.
Auch die Fragen zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums des Innern werden schriftlich beant-
wortet. Es handelt sich um Frage 60 des Kollegen
Dr. Konstantin von Notz, Frage 61 der Kollegin Viola
von Cramon-Taubadel sowie um die Fragen 62 und 63
des Kollegen Volker Beck.
Die Frage 64 des Kollegen Andrej Hunko zum Ge-
schäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz wird
ebenfalls schriftlich beantwortet.
Auch die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Finanzen werden schriftlich beantwor-
tet. Es handelt sich um Frage 65 des Kollegen Klaus
Ernst und Frage 66 der Kollegin Cornelia Behm.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Arbeit und Soziales. Die Frage 67 des
Kollegen Gehring und die Frage 68 des Kollegen Hunko
werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 69 der Kollegin Heidrun Dittrich
auf:
Wie viele Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslo-
sengeld II sind nach Kenntnis der Bundesregierung unter Be-
treuung gestellt worden, nachdem sie vom Jobcenter zu einer
psychiatrischen Begutachtung gesandt wurden?
Der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim
Fuchtel steht bereit, um diese Frage zu beantworten. –
Bitte, Herr Staatssekretär.
H
Verehrte Frau Kollegin, der Bundesregierung liegen
zu der Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von Ar-
beitslosengeld II, die unter Betreuung gestellt worden
sind, nachdem sie vom Jobcenter zu einer psychiatri-
schen Begutachtung gesandt wurden, keinerlei Informa-
tionen vor.
Haben Sie dazu noch eine Nachfrage?
Welche Maßnahmen können Sie ergreifen, um sich
diese Informationen zu beschaffen?
H
Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass uns keine
Informationen vorliegen.
Es ist so, dass die Jobcenter unter Umständen, die ich Ih-
nen gerne näher erläutere, psychologische Gutachten
einholen können. Aber in gar keinem Fall wird durch
diese psychologischen Dienste begutachtet, ob die Not-
wendigkeit einer Betreuung gegeben ist. Daher ist klar,
dass weitere Untersuchungen nicht möglich sind.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Als Expertin für den sozialen Bereich, vor allem für
die Bundesagentur für Arbeit, könnte ich der Bundesre-
gierung einen Tipp geben. Monatlich wird die Arbeitslo-
senstatistik erstellt. Sie haben daher die Möglichkeit
– ich denke, Ihre Computer lassen das zu –, dort eine
Rubrik einzuführen, in der aufgeführt wird, was das Job-
center unternimmt und wohin das Jobcenter die Men-
schen zur psychiatrischen Begutachtung sendet. Das
heißt, Sie könnten diese Daten erheben.
Das war jetzt keine Nachfrage, Herr Staatssekretär;
vielmehr hat die Kollegin einen Hinweis zu Protokoll
gegeben. – Ich danke Ihnen für die Beantwortung der
Fragen.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Alle übri-
gen Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD
Panzerlieferungen an Saudi-Arabien – Rüs-
tungsexportentscheidungen der Bundesregie-
rung und Vereinbarkeit mit den geltenden Re-
geln
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Klaus Barthel für die SPD-Fraktion.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26137
(C)
(B)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
SPD-Fraktion hat diese Aktuelle Stunde heute beantragt,
weil wir in Bezug auf die Rüstungsexporte gegenüber
diesem Parlament und der Öffentlichkeit riesigen Auf-
klärungs-, Diskussions- und vor allen Dingen Korrektur-
bedarf sehen.
Es ist doch gespenstisch, dass einerseits heute im fe-
derführenden Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
– auf Antrag der Koalition wohlgemerkt – der Rüstungs-
exportbericht für das Jahr 2010 beraten wird, dieser dann
2013 im Plenum beraten werden soll und er von Vorgän-
gen handelt, die zwei bis drei Jahre zurückliegen, und
andererseits in der Öffentlichkeit über mehrere aktuelle,
sehr fragwürdige Rüstungsexportentscheidungen der
Bundesregierung diskutiert wird. Es handelt sich dabei
um mögliche Entscheidungen, die eine Abkehr von den
bisher geltenden Richtlinien bedeuten, die einen Para-
digmenwechsel nicht nur in der Rüstungsexportpolitik,
sondern möglicherweise in der gesamten Außen- und Si-
cherheitspolitik der Bundesrepublik bedeuten.
Es ist doch ein Stück aus dem Tollhaus, dass unseren
Anträgen, den Bundestag zeitnäher, umfassender und
zunächst vertraulich über Rüstungsexportgenehmigun-
gen zu informieren, immer wieder entgegengehalten
wird: Das ist alles wegen Sicherheitsinteressen und zum
Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ganz
geheim. Gleichzeitig wird, ohne dass irgendein sozusa-
gen undichter Abgeordneter auch nur ein Blatt Papier
oder eine Mail gesehen hat, in den einschlägigen Medien
über Rüstungsexporte berichtet. Aktuell geht es um Pan-
zerlieferungen nach Saudi-Arabien, vorher ging es um
Algerien und davor um Indonesien usw.
Sie, liebe Abgeordnete der Koalition, müssen später
etwas vertreten, was Sie eigentlich gar nicht wissen dür-
fen und was Sie auch gar nicht begründen können. Dann
sagen die einen, wie heute Vertreter der Bundesregie-
rung im Auswärtigen Ausschuss: Es gibt keinen Paradig-
menwechsel. – Die anderen sagen aber etwas anderes.
Das kann man alles nachlesen. Die Aussagen der Kanz-
lerin in der sogenannten Strausberger Rede will ich aus
Zeitgründen gar nicht erst zitieren. Verteidigungsminis-
ter de Maizière sagte – das steht im Spiegel –: „Das
Thema ‚Ertüchtigung statt Einmischung‘ ist richtig.“ Er
redet von der Erweiterung der Märkte und von Absatz-
chancen für Rüstungsgüter. Der Fraktionsvorsitzende
Kauder, ein großer Kämpfer gegen die Christenverfol-
gung, sagte der Welt am Sonntag zur Verteidigung der
Panzerlieferungen:
Die Saudis mögen selbst judenfeindlich sein,
aber sie sorgen auch dafür, dass der Iran die Juden
nicht ins Meer treiben kann.
Das ist das alte Motto: Der Feind meines Feindes ist
mein Freund. Er gibt sogar zu, dass es Menschenrechts-
verletzungen gibt und es leichter ist, Panzer nach Saudi-
Arabien zu liefern als deutsche Bibeln. Ich möchte ein-
mal wissen, wie diese Äußerungen, die wir alle hören, zu
verstehen sind.
Nicht zu vergessen die FDP. Frau Hoff sagte:
Die Bundesregierung wird sicher noch aktiver als
bisher die deutsche wehrtechnische Industrie im
harten internationalen Wettbewerb unterstützen
müssen.
Nennen Sie mir eine gültige Rüstungsexportrichtlinie
oder ein Gesetz, wodurch solche Äußerungen irgendwie
abgedeckt sind.
Schauen wir in den Rüstungsexportbericht 2011
– klare Sprache –: Der Anteil der Einzelausfuhrgenehmi-
gungen an sogenannte Drittstaaten beträgt mittlerweile
42 Prozent – ein Jahr vorher waren es 29 Prozent –, und
das bei einem gleichzeitigen Anstieg des Gesamtvolu-
mens der Genehmigungen.
Als ich im Mai dieses Jahres hier ausgeführt habe,
dass der deutsche Rüstungsexport in den letzten fünf
Jahren um mehr als 50 Prozent schneller gewachsen ist
als der weltweite Rüstungshandel, vermerkte das Proto-
koll einen interessanten Zwischenruf aus den Reihen der
CDU/CSU: „Das ist doch erfreulich!“
Wenn das alles keine Hinweise auf einen Paradigmen-
wechsel im Bereich des Rüstungsexports sein sollen,
dann soll uns die Bundesregierung das hier einmal erklä-
ren, anstatt sich hinter Geheimhaltung zu verschanzen.
Wenn das alles nicht so ist, wie wir behaupten, dann
stimmen Sie bitte wenigstens in der Schlussberatung im
Plenum im nächsten Jahr den Anträgen von SPD und
Grünen zu, in denen nichts anderes als die Einhaltung
der bisherigen Regeln und die Einführung parlamentari-
scher Kontrollen gefordert wird. Sie brauchen keine
Angst zu haben – Ihre Reden kenne ich schon –; denn
wir fordern das in Zukunft auch von einer rot-grünen
Koalition.
Beweisen Sie einmal Weitsicht – das ist in Ihrem eige-
nen Interesse –, und unterstützen Sie diese Anträge. Sie
könnten das vielleicht brauchen.
Das Wort hat der Kollege Andreas Lämmel für die
Unionsfraktion.
26138 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
(C)
(B)
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Barthel, wir füh-
ren hier eine Debatte aufgrund von Zeitungsmeldungen.
Diese Debatte führen wir zum wiederholten Mal auf Ih-
ren Antrag hin.
Sie sitzen nicht im Bundessicherheitsrat, ich sitze
nicht im Bundessicherheitsrat. Selbst wenn Sie dort sä-
ßen, könnten Sie hier nicht an das Pult treten und Erklä-
rungen dazu abgeben, weil die Sitzungen des Bundessi-
cherheitsrates geheim sind.
– Herr Barthel, bevor Sie sich weiter aufregen: Die
ganze Konstruktion des Bundessicherheitsrates und die
Entscheidungskriterien stammen aus rot-grünen Zeiten.
Man muss doch einfach einmal zur Kenntnis nehmen,
dass die Bundesregierung auf der Basis der von Ihnen
geschaffenen Grundlagen Entscheidungen fällt.
Herr Barthel, Sie dürfen nicht einfach alles durchei-
nanderrühren. Sie dürfen der Öffentlichkeit nicht sugge-
rieren, dass die SPD der Heilsbringer ist, und darauf ver-
weisen, dass wir Ihre Anträge nächstes Jahr, wenn Sie
regieren, vielleicht brauchen.
Wir haben jetzt zwei Anhörungen im Wirtschaftsaus-
schuss durchgeführt, eine Anhörung zum Rüstungs-
export und die andere zum Außenwirtschaftsgesetz. Herr
Barthel, ich weiß nicht, ob Sie dabei waren; vielleicht
konnten Sie der Debatte ja nicht folgen. Ich sage Ihnen
daher: Kein einziger Gutachter hat die Dinge, die Sie
vorschlagen – ich habe das heute extra im Protokoll
nachgelesen –, positiv gesehen.
Alle Gutachter haben gesagt, dass man sich genau über-
legen muss, ob man Änderungen des Modus will, ob
man im Rahmen des Parlaments wirklich ein Geheim-
gremium braucht, das über Entscheidungen der Regie-
rung zeitnah unterrichtet wird. Das wissen Sie ganz ge-
nau. Es wurden große Vorbehalte bezüglich der Modelle
in Großbritannien und Schweden, die immer genannt
werden – auch gestern wieder bei der Anhörung –, ange-
führt.
Sie können im Protokoll nachlesen, dass berichtet
wurde, unter welchem Druck aufgrund der großen Ak-
tenberge die Abgeordneten in Großbritannien stehen und
dass sie diese Entscheidungen daher überhaupt nicht
nachvollziehen können.
Die Anträge der SPD werden nicht besser.
Sie schreiben immer das Gleiche. Ich sage es noch ein-
mal: Entscheidungsgrundlage der Bundesregierung
heute sind die Kriterien, die Sie aufgestellt haben. Wenn
Sie die Entscheidungen jetzt kritisieren, dann kritisieren
Sie das, was Sie früher gemacht haben. Das ist ganz ein-
fach. Sie müssen sich einmal an Ihre eigene Nase fassen
und überlegen, ob das, was Sie in Gang gesetzt haben,
möglicherweise falsch war.
Ich möchte noch etwas anmerken, damit deutlich
wird, dass die Heuchelei auf diesem Gebiet keine Gren-
zen kennt. Der oberste Lobbyist für die Rüstungsindus-
trie – er war auch bei der letzten Anhörung anwesend –
ist ein Mitglied der SPD. Sie sollten vielleicht einmal
mit diesem Herrn sprechen und ihn fragen, warum er für
die Wehrwirtschaft lobbyiert. Wir sagen: Die Wehrwirt-
schaft ist ein sehr wichtiger Industriezweig in Deutsch-
land. Das sagen sogar die Gewerkschaften. Herr Barthel,
Sie vertreten doch die Gewerkschaften. Die Gewerk-
schaften schreiben uns, dass wir dafür sorgen sollen,
dass die wehrtechnische Industrie in Deutschland erhal-
ten bleibt, dass sie genügend Möglichkeiten hat, ihre
Produkte abzusetzen. – Mir ist klar, dass Sie das über die
Gewerkschaften nicht hören wollen; deshalb hören Sie
mir gerade wohl nicht zu.
Ich will noch einmal deutlich sagen: Die Heuchelei
bei Ihnen kennt keine Grenzen. Es wäre sinnvoll, in ei-
ner ruhigen Atmosphäre darüber zu sprechen, wie man
erreichen kann, dass der Rüstungsexportbericht zeitna-
her ins Plenum kommt. Ich habe schon mehrfach von
diesem Rednerpult aus gesagt, dass auch ich es nicht gut
finde, dass wir erst jetzt über den Rüstungsbericht von
2011 diskutieren. Aber das ändert nichts an den Ent-
scheidungskriterien. Diese beiden Themen muss man
auseinanderhalten. Der Exportbericht ist praktisch ein
Blick nach hinten. Wir sollten zeitnäher darüber beraten,
aber auch das würde nichts daran ändern, dass die
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26139
Andreas G. Lämmel
(C)
(B)
Grundlagen, auf denen die Entscheidungen getroffen
werden, von Ihnen geschaffen wurden.
Ich sehe der Beratung Ihrer Anträge sehr zuversicht-
lich entgegen. Dem Betrachter der Szene fällt mittler-
weile auf, dass Sie nicht um des Themas willen hier dis-
kutieren, sondern dass Sie auf der Grundlage von
Zeitungsmeldungen versuchen, der Öffentlichkeit zu
suggerieren, dass die Entscheidungen bereits getroffen
wurden. Dies kann ich nicht bestätigen, Herr Barthel,
und Sie wissen es genauso wenig wie ich.
Vielen Dank.
Die Kollegin Inge Höger hat für die Fraktion Die
Linke das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Rüs-
tungsgeschäfte sind todsichere Geschäfte. Jede Waffe
findet ihren Krieg. Die deutsche Rüstungsindustrie ist
inzwischen drittgrößter Waffenlieferant weltweit. Das ist
ein Skandal.
Deutsches Kriegsgerät wird immer ungenierter an
Diktatoren und in Spannungsgebiete geliefert. Entgegen
anderen Behauptungen schaffen Rüstungsexporte weder
Frieden noch Stabilität. Die aktuell diskutierte Lieferung
von Radpanzern des Typs Boxer an Saudi-Arabien ist
nur das neueste Beispiel einer ganzen Reihe verheeren-
der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates. Im letz-
ten Sommer wurde der Export von Leopard-2-Panzern
nach Saudi-Arabien genehmigt, auch wenn immer noch
die Rede davon ist, dass man dies ja nicht wisse, weil es
ja geheim ist. Ich denke, dass diese Meldung richtig war.
Die Spezialausrüstung dieser Panzer ermöglicht Einsätze
gegen Barrikaden und im Häuserkampf. In diesem
Sommer haben deutsche Soldaten beim Schießtraining
mit ebendiesen Panzern assistiert. Seit Bekanntwerden
dieser Exportgenehmigung fordern viele Menschen:
Legt den Leo an die Kette!
Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall freuen sich
sicherlich über die Umsatzsteigerung durch den Export
des Leos und des Boxers. Für all diejenigen, die Frieden
und Menschenrechte noch ernst nehmen, ist der Export
dieser Hightechkriegsgeräte eine Tragödie.
Ein Inhaber einer dieser Firmen hat behauptet, er habe
nie gewusst, dass Rüstungsexporte getätigt werden. Das
muss ich anzweifeln; denn wenn man Aktien hält und im
Aufsichtsrat sitzt, dann weiß man das auch.
Allein die Lobeshymnen, die die Rüstungsindustrie
selber über das Gefechtsfahrzeug Boxer singt, sollten ei-
nen Export insbesondere in Krisenregionen undenkbar
machen. Experten schwärmen davon, dass die gestiege-
nen militärischen Anforderungen hinsichtlich einer gro-
ßen Mobilität durch die hohe Geschwindigkeit des Bo-
xers erfüllt werden. Die Radpanzer können sowohl
gegen feindliche Armeen als auch gegen Demonstranten
im eigenen Land eingesetzt werden. Es darf nicht sein,
dass wieder einmal deutsche Waffen für den Häuser-
kampf und für den Bürgerkrieg geliefert werden!
Aber nicht nur für die innenpolitischen Situationen
sind Waffenlieferungen in den Nahen und Mittleren Os-
ten brandgefährlich. Gleiches gilt für die außenpolitische
Situation: Wer die Golfstaaten gegen den Iran aufrüstet,
der verschärft das Wettrüsten und erhöht die Kriegsge-
fahr in der gesamten Region.
Ähnliches gilt für Waffenlieferungen an Israel. In der-
selben unsäglichen Sitzung des Bundessicherheitsrates,
in der der Export an die Saudis angebahnt wurde, wurde
eine Lieferung von Abschussgeräten für Panzerfäuste
und für bunkerbrechende Munition an Israel genehmigt.
Es besteht die Gefahr, dass diese Waffen für den Häuser-
kampf bei einer Bodenoffensive in Gaza eingesetzt wer-
den. Die Bundesregierung bestärkt somit Israel auf dem
Weg in die militärische Sackgasse.
Wer politische Lösungen will, der muss sich für Ver-
handlungen und Abrüstung einsetzen. Waffenlieferun-
gen sind das falsche Signal.
Deutsche Waffen und deutsche Soldaten machen die
Welt nicht besser und nicht sicherer. Statt Konflikte
friedlich zu lösen, werden deutsche Truppen geschickt
oder deutsche Waffen geliefert. Dies kommt einer Bank-
rotterklärung der deutschen Außenpolitik gleich.
Wir erleben hier eine Bundesregierung, die Macht-
politik und die Verfolgung von wirtschaftlichen Interes-
sen über alle rechtlichen und moralischen Erwägungen
stellt. Diese Tradition begann aber lange vor Frau
Merkel. Die zur Schau gestellte Entrüstung von Rot-
Grün ist heuchlerisch.
Es war die rot-grüne Regierung, die im Verhältnis zur
Kohl-Regierung die deutschen Rüstungsexporte mehr
als verdoppelt hat.
Rot-Grün genehmigte die Lieferung von Komponenten
für Panzer, Kampfflugzeuge und Maschinengewehre an
Saudi-Arabien.
26140 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Inge Höger
(C)
(B)
Diese Liste ließe sich fortsetzen. Exkanzler Schröder
sorgte – teils persönlich –, wenn Regierungsdelegatio-
nen arabische Staaten besucht haben, für die Anbahnung
von Rüstungsgeschäften. Diese unselige Tradition setzt
Frau Merkel nun fort.
Damit wird eines klar: Die angeblich restriktiven Re-
gelungen der deutschen Rüstungsexportpolitik haben
viel zu viele Schlupflöcher. Die Gesetzeslage muss ge-
ändert werden. Wir brauchen ein eindeutiges und voll-
ständiges Verbot von Rüstungsexporten.
Stoppt den Export von Rüstungsgütern in alle Welt!
Der Kollege Dr. Martin Lindner hat nun für die FDP-
Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Damen! Meine Herren!
Ich werde heute nicht zu dem Thema Ihrer Anträge spre-
chen; dazu findet eine gesonderte Beratung statt. Das
Thema der heutigen Aktuellen Stunde sind etwaige Ex-
porte von Panzern nach Saudi-Arabien. Sie sollten sich
wenigstens an die selbst gewählte Thematik halten!
Eine zweite Vorbemerkung, an meine Vorrednerin ge-
richtet: Man muss entschieden trennen zwischen etwai-
gen Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien oder an-
derswo und Hilfen, die wir selbstverständlich an unseren
Hauptverbündeten in dieser Region – Israel – leisten.
Es ist für diese Bundesregierung und diese Koalition
selbstverständlich, dass wir Israel auf allen Ebenen bei-
stehen.
Daran wird sich, jedenfalls solange wir regieren, über-
haupt nichts ändern.
Zu den etwaigen Panzerlieferungen nach Saudi-Ara-
bien. Ich habe mir die politischen Grundsätze, die Rot-
Grün damals selbst so aufgestellt hat, noch einmal vor
Augen gehalten. Unter „Allgemeine Prinzipien“ heißt
es:
3. Genehmigungen für Exporte von Kriegswaffen
und sonstigen Rüstungsgütern werden grundsätz-
lich nicht erteilt, wenn hinreichender Verdacht be-
steht, dass diese zur internen Repression … miss-
braucht werden.
Die in Rede stehenden Panzer Boxer und Leopard 2 sind
nicht primär geeignet, um Aufruhr oder innere Auf-
stände niederzuschlagen.
– Ihre heilige Einfalt bei diesen Dingen kann und will
ich nicht stören, aber diejenigen, die ein bisschen inte-
ressierter sind und versuchen, sich sachlich damit zu be-
schäftigen, kommen zu dem Ergebnis, dass dies primär
Waffen sind, die dazu geeignet sind, wenige Menschen
über ein militärisches Gefechtsfeld zu transportieren.
Die Waffen, die unter Ihrer Verantwortung nach Saudi-
Arabien geliefert wurden, beispielsweise 1 200 Panzer-
fäuste, sind dagegen wesentlich geeigneter zur Aufruhr-
bekämpfung als ein Radpanzer, der mehrere Millionen
Euro teuer
und eher dazu geeignet ist, sich defensiv über ein Ge-
fechtsfeld zu bewegen.
Aber wie gesagt: Wer sich sachlich nicht damit beschäf-
tigen will und in seiner Welt abgeschlossen ist, der
braucht sich mit solchen Details nicht aufzuhalten.
Ich komme zu dem nächsten Punkt. Der Beachtung
der Menschenrechte in bestimmten Bestimmungs- und
Endverbleibsländern wird bei der Entscheidung über Ex-
porte von Kriegswaffen besonderes Gewicht beigemes-
sen.
Man kann sich natürlich darauf zurückziehen – wie
Sie das tun – und sagen: Wir mischen uns nicht ein; wir
exportieren in diese Länder gar nicht. – Ich sage Ihnen
aber: Wenn Sie es mit den Menschenrechten ernst mei-
nen, dann sollten Sie eher überlegen, ob es nicht gerade
im Sinne eines positiven Einflusses in diesen Regionen
und Ländern wesentlich besser wäre, Sicherheitspartner-
schaften mit ihnen zu begründen und zu unterhalten.
Auf diese Weise würden wir nämlich durch eine Interde-
pendenz in den Beziehungen über ganz andere Einfluss-
möglichkeiten verfügen, als wenn wir einseitig von der
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26141
Dr. Martin Lindner
(C)
(B)
Lieferung energetischer oder nichtenergetischer Roh-
stoffe aus diesen Ländern abhängig sind.
Sie müssen sich einfach einmal den Unterschied zwi-
schen Ländern wie China, den USA und uns anschauen,
wenn es um Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien geht.
Sie werden dann zu folgendem Ergebnis kommen: Bezo-
gen auf ihre Gesamtexporte sind China und die USA we-
sentlich stärker in Saudi-Arabien engagiert als wir. Sie
können sich also in etwa ausrechnen, wer dort wesent-
lich stärker Einfluss nehmen kann als wir.
Ich glaube, wenn Sie das nüchtern überlegen, dann
werden Sie zum Ergebnis kommen, dass man gerade
beispielsweise über Schulungen und Wartungen ganz an-
dere Möglichkeiten hat, langfristig positiv in diesen Län-
dern Einfluss zu nehmen,
als wenn man sich einfach bequem an den Rand stellt.
Dadurch kann man vielleicht in der einen oder anderen
Diskussion im Wahlkreis besser bestehen,
aber verantwortungsvolle Politik sieht nicht so, sondern
ganz anders aus: Gerade in diesen Regionen muss man
versuchen, über alle möglichen Sicherheitspartnerschaf-
ten und Rohstoffpartnerschaften in unserem Sinne posi-
tiv etwas zu bewirken.
Dadurch kann man wesentlich mehr erreichen als durch
populistische Anträge und das Bemühen, vor der einen
oder anderen Galerie zu glänzen.
Das ist das typische Gehabe einer Opposition, und das
werden Sie auch immer bleiben.
Sie, die SPD, müssen sich aber wirklich überlegen, ob
Sie sich als große Oppositionsfraktion auf diese Ebene
hinabführen lassen
oder nicht versuchen und sich bemühen wollen, gemein-
sam mit uns berechtigte Fragen, wie zur lückenhaften In-
formation des Parlaments, zu stellen und sich hier ein
wenig redlicher, ehrlicher und verantwortungsbewusster
– auch aufgrund Ihrer Verantwortung in den vergange-
nen Jahren, als Sie selbst in Regierungsverantwortung
waren – zu zeigen und zu versuchen, die Dinge in
schwierigen Regionen der Welt – das wissen Sie genau;
da gibt es kein Schwarz und kein Weiß, sondern sehr viel
Grau – in die richtige Richtung zu manövrieren. Dies
kann man dort langsam versuchen.
Dann sind Sie auch herzlich eingeladen, hier ernsthaft
zu diskutieren. Mit Populismus und Schaumschlägerei
wie von der ganz linken Seite des Hauses und teilweise
von den Grünen sollten Sie als SPD nichts zu tun haben.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Katja Keul für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, das
Schlimmste in dieser Debatte haben wir hinter uns.
Ich möchte mit einem Zitat beginnen:
Körperstrafen wie z. B. das Auspeitschen werden
regelmäßig vollzogen, Dissidenten werden inhaf-
tiert, Geständnisse erzwungen, Frauen werden
wesentliche Menschenrechte vorenthalten, minder-
jährige Mädchen zwangsverheiratet, freie Mei-
nungsäußerung ist nur teilweise möglich, die Reli-
gionsausübung für nicht-muslimische Religionen
verboten …
Das ist keine Aussage einer Nichtregierungsorganisa-
tion und auch keine Aussage eines staatlichen Geheim-
dienstes. Das ist ein Zitat aus dem aktuellen und öffentli-
chen Menschenrechtsbericht der Bundesregierung.
Warum dürfen wir das dann nicht endlich im Zusam-
menhang mit Rüstungsgeschäften thematisieren?
Meinen Sie im Ernst, dass das zu mehr diplomatischen
Verwicklungen führt als Ihr schriftlicher Bericht? Das
hätte ich übrigens gern auch das Auswärtige Amt ge-
fragt, das aber nicht mehr vertreten ist.
26142 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Katja Keul
(C)
(B)
Der wahre Grund, warum Sie über Panzerlieferungen
auf die Arabische Halbinsel lieber im Geheimen ent-
scheiden, ist doch schlicht, dass es Ihnen unangenehm
ist, Ihre Gründe zu nennen und zu Ihrer Entscheidung zu
stehen.
Immer wieder versichern Sie uns in jeder Antwort,
dass Sie sich an die Grundsätze, die sogenannte Rüs-
tungsexportrichtlinie, halten wollen. Darin werden aber
systematische Menschenrechtsverletzungen als Aus-
schlusskriterium deutlich benannt. Jetzt müsste Herr
Westerwelle, wenn er da wäre, einmal erklären, was sys-
tematische Menschenrechtsverletzungen anderes sein
sollen als das, was wir in dem in Ihrem Ressort erstellten
Bericht beschrieben finden.
Mit Blick auf die Kanzlerin sage ich ganz deutlich:
Wer autokratische Regime aufrüstet, macht sich mit-
schuldig, wenn die gelieferten Waffen eines Tages gegen
die Bevölkerung eingesetzt werden oder gar den interna-
tionalen Frieden bedrohen. Über diesen Umstand kann
auch die sogenannte Merkel-Doktrin nicht hinweghel-
fen, wonach wir seit neuestem strategische Partner durch
deutsche Waffen ertüchtigen, um damit eigene Militär-
einsätze zu vermeiden. Schlau daran ist, dass Rüstungs-
exporte hinter verschlossener Tür genehmigt werden,
während Militäreinsätze dummerweise immer im Parla-
ment diskutiert werden müssen.
Weniger schlau ist, zu glauben, der Feind meines Fein-
des sei automatisch mein strategischer Partner. Das ist
keine Doktrin, sondern schlicht mangelnder strategi-
scher Weitblick.
Wir können davon ausgehen, dass die Haltbarkeit
deutscher Panzer deutlich länger währt als die aktuellen
Frontverläufe und Interessenkoalitionen im Nahen und
Mittleren Osten. Wenn das kein Spannungsgebiet im
Sinne der Richtlinie ist, dann gibt es wohl weltweit kein
Spannungsgebiet. Geben Sie doch endlich ehrlich zu,
dass in Ihrer neuen Doktrin kein Platz für die alten
Grundsätze ist.
Nicht einmal die wirtschaftlichen Interessen Deutsch-
lands eignen sich zur Begründung solcher Exporte. Die
Sorgen und Nöte der deutschen Rüstungsindustrie sind
hausgemacht. Der Kalte Krieg ist seit über 20 Jahren
vorbei. Die Bundeswehr wird grundlegend umgebaut
und verkleinert; ihre Hauptaufgabe ist längst nicht mehr
die Panzerschlacht um die Lüneburger Heide. Alles hat
sich verändert – nur die Rüstungsindustrie nicht.
Wir leisten uns weiterhin industrielle Fertigungskapa-
zitäten für ein Fähigkeitsspektrum, das die Bundeswehr
längst nicht mehr braucht. Allein in Deutschland gibt es
mit Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann zwei Her-
steller, die sich auf Panzerbau spezialisiert haben.
Der Exportdruck der Industrie rührt daher, dass wir
längst weniger staatlichen Eigenbedarf haben und unsere
Bündnispartner ihre Militärhaushalte massiv zusam-
menstreichen.
Bald wird die Hälfte der deutschen Rüstungsexporte in
Staaten außerhalb von EU und NATO gehen. Die Aus-
nahme wird so immer mehr zur Regel.
An einer Konsolidierung der europäischen Rüstungs-
industrie führt aber langfristig kein Weg vorbei. Um die-
sen Prozess politisch zu steuern, müssten wir in Europa
zunächst einmal gemeinsam militärische Kernfähigkei-
ten definieren. Was an Wehrindustrie nicht mehr ge-
braucht wird, muss auf zivile Produktion umgestellt wer-
den.
Hierzu könnte der Staat Anreize liefern und bei Bedarf
Hilfestellung leisten.
Technologien, die sich bei geringer Produktionskapa-
zität nicht wirtschaftlich rechnen, aber zum sicherheits-
politischen Kernbereich gehören, müssen dann eben an-
derweitig gefördert werden; dann allerdings transparent
und nicht geheim.
Haben Sie endlich den Mut, sich dieser Debatte im
Parlament und in der Öffentlichkeit zu stellen!
Wir Grüne fordern seit langem weniger Geheimhal-
tung und mehr parlamentarische Beteiligung. Wir wollen
die freiwilligen Grundsätze der Bundesregierung im
Hinblick auf Menschenrechte und Spannungsgebiete
endlich verbindlich in Gesetzesform beschließen und die
Möglichkeit eröffnen, die Genehmigungen von Rüs-
tungsexporten langfristig im Wege der Verbandsklage
gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Kirchen haben die-
sen Vorschlag in ihrem am Montag vorgestellten Bericht
der GKKE ausdrücklich gelobt.
Erfreulicherweise wird auch in Ihren eigenen Reihen
der Widerstand immer lauter. Als Erster kritisierte Herr
Polenz: Man muss über diese Fragen grundsätzlich öf-
fentlich reden können. – Der Kollege Stinner wünscht
sich inzwischen ein Gremium des Bundestages, das vor
kritischen Rüstungsentscheidungen informatorisch ein-
geschaltet wird.
Selbst der Parlamentarische Staatssekretär Schmidt fin-
det, es bestehe ein legitimes Interesse an der Informa-
tion, ob die Richtlinie eingehalten wird.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26143
Katja Keul
(C)
(B)
Ich begrüße es sehr, dass nach jahrelangem Verharren
in alten Denkmustern endlich Bewegung in Ihre Reihen
einzieht.
Lassen Sie uns etwas daraus machen. Unsere Vorschläge
liegen auf dem Tisch.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Ulrich Lange für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Die Wirtschafts- und Handelsordnung der Bundes-
republik Deutschland ist zunächst auf dem freien welt-
weiten Austausch von Wirtschaftsgütern aufgebaut. Eine
Ausnahme davon sind Rüstungsgüter, und dies seit Jahr-
zehnten.
Mit dieser Aktuellen Stunde versuchen Sie, liebe Kol-
leginnen und Kollegen der SPD, ein bisschen den Ein-
druck zu vermitteln, als ob Rüstungsexporte etwas Ne-
gatives sind.
– Jawohl: Schwerter zu Pflugscharen;
ich müsste jetzt eigentlich zitieren, was der Kollege
Grund vorhin gesagt hat. – Sie unterliegen aber, glaube
ich, in unserem Land sehr strengen Exportkontrollen.
Ein Blick in die derzeitigen Richtlinien der Rüstungs-
exportkontrolle zeigt, dass man sowohl begründen als
auch argumentieren muss, wenn man ausführt.
Sie verlangen eine sorgfältige Abwägung außenpoliti-
scher und sicherheitspolitischer Aspekte, die Berück-
sichtigung von Menschenrechtsargumenten, Konflikt-
prävention und die Beachtung der Menschenrechte in
den Empfängerländern.
– Jawohl, wir sind uns einig.
Warum sind wir uns einig, meine Damen und Herren vor
allem der SPD? Weil wir uns an den Kodex halten, den
Sie selber in der rot-grünen Koalition aufgestellt haben.
Die aktuell gültigen politischen Grundsätze für den Ex-
port von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern
haben Sie festgelegt,
und an die halten wir uns.
– Daran halten wir uns. Liebe Kollegin der Grünen, Ihre
wiedergewählte Parteivorsitzende Claudia Roth war so-
gar in der interministeriellen Arbeitsgruppe dabei, als
diese Richtlinien aufgestellt worden sind.
Deshalb verstehe ich nicht, wieso Sie uns das, was Sie
selber beschlossen haben, jetzt vorhalten.
Es ist schön, dass Sie sich jetzt kurz vor Weihnachten
einig sind, was den großen Weltfrieden betrifft. Ich
möchte Sie nur daran erinnern, dass es 2004 nach dem
Ende des Waffenembargos gegen Libyen – Libyen ist
vorhin angesprochen worden – die rot-grüne Regierung
war, die erste Rüstungsexporte dorthin zugelassen hat.
Ich halte das Ganze für etwas pharisäerhaft angesichts
der Tabelle, in der aufgeführt ist, wann wir die bisher
höchste Zahl an Rüstungsexporten hatten,
nämlich 2007. Die Exportanträge damals sind unter Rot-
Grün eingegangen und genehmigt worden. Wenn Sie uns
das jetzt vorhalten, Kollege Barthel, dann muss ich nur
nachschauen, wie viele Anträge wir auch in der Großen
Koalition genehmigt haben. Also bleiben wir doch
bitte bei den Fakten. Verantwortungsbewusste Rüstungs-
exportpolitik sollten wir anerkennen.
Auch ist die wehrtechnische Industrie ein nicht uner-
heblicher Wirtschaftsfaktor in der Bundesrepublik
Deutschland, wenn man so wie wir verantwortungsbe-
wusst damit umgeht.
Zur Parlamentskontrolle: Beim Bundesausfuhramt
gehen jährlich circa 16 000 Genehmigungsanträge ein.
Über mehr als 2 000 wird unter Beteiligung des Auswär-
26144 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Ulrich Lange
(C)
(B)
tigen Amtes und zum Teil des Bundesministeriums für
Verteidigung entschieden. Ich weiß nicht, wie wir eine
sinnvolle Kontrolle durch das Parlament durchführen
sollten.
Dass das Ganze außerdem Sache der Exekutive und
nicht bei uns angesiedelt ist, brauche ich, glaube ich,
nicht zu erörtern.
Wenn ich diese Debatte heute verfolge, dann frage ich
mich, wie Kunden bzw. Empfängerländer, denen wir
rechtmäßig liefern, zukünftig mit uns und unseren Fir-
men umgehen, wenn hier alles in dieser Form in der Öf-
fentlichkeit diskutiert wird.
Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist, um solche
Geschäfte zu stützen.
Eine Ausdehnung der parlamentarischen Kontroll-
rechte ist unseres Erachtens derzeit nicht sinnvoll. Eine
Vielzahl von politischen, wirtschaftlichen und prakti-
schen Problemen steht auf der Tagesordnung. Ich glaube,
die geltende Rüstungskontrolle, die sich an den Maßstä-
ben von Rot-Grün orientiert und an die wir uns halten, ist
der richtige Weg. Wir haben ein funktionierendes Kon-
trollsystem. Wir werden es weiter stärken.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Peter Bartels für
die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich begrüße, dass Herr Staatssekretär Otto nicht mehr
ganz alleine auf der Regierungsbank sitzt.
Er könnte mehr Gesellschaft haben. Schließlich geht es
hier um ein Thema des Bundessicherheitsrats; dieser ist
etwas größer als die Versammlung auf der Regierungs-
bank.
Ich will ein paar Anmerkungen zur Geschichte von
Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien machen. Fangen
wir einmal im Jahr 1990 an. Damals gab es die Anfrage
nach der Lieferung von Fuchs-Spürpanzern. Die dama-
lige Kohl-Regierung hat die Betreffenden – quasi mit
langen Zähnen – hingehalten. Nach der Bundestagswahl
und erneuten Erörterungen in der Bundesregierung gab
es plötzlich im Februar 1991 eine Genehmigung. Wo-
rüber man sich schon damals wunderte, war der Preis:
36 gebrauchte Panzer für 446 Millionen D-Mark. Exper-
ten sagten, 100 Millionen D-Mark seien realistisch. Man
hat dann später gerichtliche Nachforschungen darüber
anstellen können. Ich lese Ihnen vor, was die Süddeut-
sche Zeitung über den Abschluss des Thyssen-Henschel-
Prozesses am 12. Januar 2007 – es hat lange gedauert –
geschrieben hat:
Im Gesamtpreis … waren etwa 220 Millionen soge-
nannter Provisionen versteckt. Der Löwenanteil da-
von ging mutmaßlich an Mitglieder der saudischen
Königsfamilie. 28 Millionen aber kassierte der
Lobbyist Karlheinz Schreiber. Ein Großteil dieses
Geldes lagerte er auf Schweizer Rubrikkonten, de-
ren Bezeichnungen verschlüsselt auf die Personen
verwiesen, denen das Geld zugedacht war – „Hol-
gart“ zum Beispiel für den früheren Rüstungsstaats-
sekretär Ludwig-Holger Pfahls.
„Winter“ stand für Winfried Haastert, „Jürglund“ für
Jürgen Maßmann. Beide waren Manager bei Thyssen
Henschel. Die Geschichte ist sicherlich dem einen oder
anderen noch geläufig.
Es gab Haftstrafen auf Bewährung für die Manager. Herr
Schreiber und Herr Pfahls haben versucht, sich durch
Flucht der Strafverfolgung zu entziehen. Man hat sie
dann eines Tages doch vor Gericht stellen können und
beide zu Haftstrafen verurteilt.
Ein Ausfluss dieses Skandals, der damit noch nicht zu
Ende war, war die Parteispendenaffäre 1999. Im Jahr
1991 ist 1 Million D-Mark von Herrn Schreiber an den
damaligen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep
übergeben worden. Niemand kann sagen, warum. 1994
wurden 100 000 D-Mark an Herrn Schäuble übergeben.
Niemand weiß, warum. Es handelte sich eben um Spen-
den. 1999 wurde daraus eine Affäre, in deren Folge der
damalige Parteivorsitzende Schäuble zurücktrat und
Frau Merkel die Chance bekam, CDU-Vorsitzende zu
werden. Heute hat sie als Bundeskanzlerin erneut über
Lieferungen an Saudi-Arabien zu entscheiden. Ich kann
ihr nur zurufen: Vorsicht bei Saudi-Arabien! Das ist ganz
dünnes Eis. Bei der Lieferung deutscher Panzer an
Saudi-Arabien geht es um eine Korruptionsgeschichte.
Zur Lieferung von Eurofightern von Großbritannien
nach Saudi-Arabien wollte das Unterhaus einen Untersu-
chungsausschuss einrichten. Es ist zwar nicht dazu ge-
kommen. Aber hier war von Korruption nicht allein die
Rede. Vielmehr hat man dazu entsprechende Unterlagen
gesammelt.
Ich erinnere an ein Projekt der EADS, die Absiche-
rung der saudischen Grenze. Eine britische Firma ist in
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26145
Dr. Hans-Peter Bartels
(C)
(B)
diesem Zusammenhang Gegenstand einer Untersuchung
britischer Antikorruptionsermittler.
Jetzt reden wir über Leopard- und Boxer-Panzer. Ich
hoffe, dass das in Ordnung ist. Wir können die Bundes-
regierung ja fragen.
Unser Problem besteht darin, dass Sie ein Geschäft zu
verteidigen versuchen, von dem Sie noch gar nicht sagen
können, ob es überhaupt genehmigt ist. Worüber reden
wir hier eigentlich?
Das ist das Problem der Rüstungsexportpraxis. Wir
brauchen eine Information des Parlaments, wenn es im
Bundessicherheitsrat positive Entscheidungen gegeben
hat, insbesondere dann, wenn diese mit einem Strategie-
wechsel verbunden sind. Die Aussage von Frau Bundes-
kanzlerin, neue Partnerschaften zu suchen, ist schon
zitiert worden. Dazu kann ich nur sagen: Über Partner-
schaften in der Welt kann man reden. Die wollen wir su-
chen. Wir haben eine solche mit Indien und wollen sie
mit Australien. Aber Saudi-Arabien ist ganz bestimmt
kein strategischer Partner und kein Partner für den Rüs-
tungsexport aus Deutschland.
Schönen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Rainer Stinner für die
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Selten konnte man erleben, dass das deutsche Sprich-
wort „Das Sein prägt das Bewusstsein“ so dokumentiert
wird wie in dieser Debatte.
Wenn ich höre, wie Herr Barthel und Frau Keul und
jetzt auch Herr Bartels Saudi-Arabien skizzieren und kri-
tisieren, dass in dieses schlimme Land Waffen exportiert
werden,
sie aber mit keinem Wort erwähnen, dass auch in ihrer
Regierungszeit Saudi-Arabien kein Hüter von Men-
schenrechten und kein Ausbund an Rechtsstaatlichkeit
war, die damaligen Bundesregierungen aber dennoch
Waffen nach Saudi-Arabien geliefert haben, dann kann
ich doch mit Fug und Recht sagen, dass hier offensicht-
lich mit zweierlei Maß gemessen wird. Als Sie, Frau
Keul, an der Regierung waren, war das alles in Ordnung,
wenn wir an der Regierung sind, dann ist das falsch.
– Ich komme gleich zu dem Unterschied der Waffen. Ich
sehe in Ihren Reihen viele Waffenexperten; darauf
würde ich gerne eingehen. Ich finde es fabelhaft, wie Sie
über Panzerfäuste geredet haben. Das war ganz großar-
tig. Das zeugt von großem Wissen darüber, was man mit
Panzerfäusten macht.
Ich gehe davon aus, dass diese Bundesregierung in
gleicher Art und Weise ihre Verantwortung wahrnimmt,
wie das vorherige Bundesregierungen gemacht haben,
unter einem Außenminister Fischer und unter einem Au-
ßenminister Steinmeier, einer von den Grünen, der an-
dere von der SPD, die auch Waffenexporte nach Saudi-
Arabien gebilligt haben. Da ging es um Teile für gepan-
zerte Fahrzeuge im Jahr 1999, um Handfeuerwaffen, Re-
volver, Pistolen, Munition, Herstellungsausrüstung für
Teile von Maschinenpistolen, Herstellungsausrüstung
für Handfeuerwaffen, Maschinengewehre etc. pp.
Jetzt sage ich Ihnen etwas dazu: Wenn Sie mir erzäh-
len wollen, dass die Bedrohung für Aufständische durch
Panzer, die schwerfällig sind, größer ist als die durch
Maschinengewehre,
dann kann ich nur feststellen, dass Sie die Zahl der Men-
schen, die bei der Aufstandsbekämpfung in den letzten
Jahrzehnten umgekommen sind, überhaupt nicht kennen.
Mit der Lieferung von Maschinengewehren bedrohen
Sie Aufständische viel mehr, als wenn Sie Boxer und an-
dere Fahrzeuge liefern würden.
Wie gesagt, ich gehe davon aus, dass diese Bundesregie-
rung mit derselben Verantwortung, die ich früheren Bun-
desregierungen zugestanden habe, ihre Aufgabe wahr-
nimmt.
Ich komme zum zweiten Aspekt, zur Information. Ich
bin hier angesprochen worden. Ich persönlich gestehe zu
– das habe ich auch öffentlich gesagt –, dass ich mit der
Informationspolitik nicht zufrieden bin. Hier muss ich an
die Bundesregierung appellieren und sagen: Dafür, dass
geleakt wird, haben Sie die Verantwortung, meine Da-
men und Herren von der Bundesregierung. Dass wir als
Abgeordnete dafür in Anspruch genommen werden,
finde ich nicht gut. Wenn es so ist, dass Sie nicht dicht-
halten können, dann müssen wir etwas daran ändern.
26146 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Dr. Rainer Stinner
(C)
(B)
In unseren Fraktionen reden wir darüber. Wir haben uns
noch keine abschließende Meinung gebildet. Deshalb
kann ich auch noch kein Ergebnis hier verkünden. Aber
ich sehe das Problem sehr wohl. Ich habe das sehr offen
angesprochen. Da mache ich aus meinem Herzen keine
Mördergrube.
Lassen Sie mich noch auf ein drittes Thema eingehen,
das ich für sehr wichtig halte. Wir müssen uns ehrlich
machen, was die Rolle der deutschen wehrtechnischen
Industrie betrifft.
Da gilt für mich folgender Dreisatz:
Erstens. Ich bin dafür, dass wir weiterhin eine Bun-
deswehr haben. Ich glaube, alle hier vertretenen Parteien
bis auf die Linke sind dafür.
Zweitens. Ich bin nachhaltig dafür, dass diese Bun-
deswehr nicht nur mit ausländischen Waffen ausgestattet
wird.
– Wenn Sie diesen beiden Punkten zustimmen, liebe
Frau Keul, dann folgt daraus:
Drittens. Da weder Sie noch wir noch irgendeine Par-
tei wollen, dass unser Wehretat so hoch ist, dass wir eine
veritable deutsche Rüstungsindustrie erhalten können,
damit sie die Bundeswehr ausstatten kann, kommt das
Thema Rüstungsexport zwangsläufig ins Spiel,
wenn wir eine ehrliche Debatte führen wollen.
Frau Keul, Sie haben nach meinen ersten beiden
Punkten genickt: Jawohl, eine Bundeswehr zu haben, ist
richtig. Jawohl, auch Sie sind dafür, dass wir die Bun-
deswehr nicht nur mit amerikanischen, britischen, tsche-
chischen und was auch immer für Waffen ausstatten. –
Die Konsequenz daraus ist, dass eine wehrtechnische In-
dustrie in Deutschland weiterhin notwendig ist.
– Richtig. Ich habe ja gar nichts gegen eine europäische
wehrtechnische Industrie. Ich habe gar nichts gegen
Konsolidierung. Aber dieses Thema wird für Sie doch
nicht besser, wenn wir sagen: Die Panzer bauen jetzt die
Franzosen, und die Franzosen, also Europäer, exportie-
ren Panzer dorthin, wo sie Ihrer Meinung nach nicht hin-
sollen. Das löst Ihr Problem doch in keiner Weise. Daher
ist das nicht glaubwürdig. Sie müssen sich dieser De-
batte stellen.
Sie können ja sagen: Wir wollen das alles nicht. Sie
können sagen – das sagen die Damen und Herren von
der Linken –: Wir wollen keine Bundeswehr. Sie können
auch sagen: Wir wollen keine wehrtechnische Industrie.
Das müssen Sie dann aber auch gegenüber den Betrieben
vertreten. Herr Barthel, tun Sie das bitte! Wir gehen sehr
gern gemeinsam mit Ihnen in Betriebe der wehrtechni-
schen Industrie. Wir gehen sehr gern gemeinsam mit Ih-
nen zu den Betriebsräten. Wir gehen sehr gern gemein-
sam mit Ihnen zu Betriebsversammlungen. Dann möchte
ich einmal sehen, wer von uns beiden dabei besser aus-
sieht. Frohes Gelingen!
Ich danke Ihnen.
Der Kollege Dr. Rolf Mützenich spricht nun für die
SPD-Fraktion.
Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und
Kollegen! Ich möchte diese Aktuelle Stunde gern dazu
benutzen, das Selbstverständnis dieses Parlamentes zu
referieren oder zumindest ein bisschen zu stärken. Ich
versuche, das gegenüber allen Fraktionen zu tun. Wir
sollten nämlich als Parlament erst einmal so auftreten,
dass wir in der Außenpolitik noch stärker mitreden kön-
nen, als wir es in den letzten Jahren geschafft haben. Die
Außenpolitik war lange Jahre, ja Jahrzehnte eigentlich
immer nur ein Gebiet der Bundesregierung. Es ist durch-
aus schwer gewesen, das Parlament stärker in die Ver-
antwortung einzubeziehen. Die Bundesverfassungsge-
richtsurteile über eine Parlamentsarmee und viele andere
Dinge gehören letztlich mit dazu. Deswegen glaube ich
– das ist mein Selbstverständnis –, dass die derzeitige
Praxis bei der Frage der Rüstungsexporte vordemokra-
tisch ist.
Wir brauchen eine andere Form der Mitbestimmung, der
Mitberatung und letztlich auch der Empfehlung.
Ich finde, zu einem Parlament, das ein gewisses
Selbstverständnis und auch eine gewisse Stärke einzu-
bringen hat, gehört auch, diese Forderung aufzustellen.
Das ist etwas, was ich mir als Abgeordneter wünsche.
Insofern wäre es mir schon recht gewesen, wenn auch
das Bundeskanzleramt heute Abend mit dabei wäre;
denn es sitzt auch dem Bundessicherheitsrat vor. Ich
finde zwar schön, dass die im Bundessicherheitsrat ver-
tretenen einzelnen Ressorts hier anwesend sind, aber ich
hätte mir letztlich schon gewünscht, dass gerade das
Bundeskanzleramt hier das hört, was ein selbstbewusstes
Parlament in diese Debatte mit einbringen will.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26147
Dr. Rolf Mützenich
(C)
(B)
Ein Weiteres. In der Tat kritisieren Sie oft genug und,
wie ich glaube, in einzelnen Teilen zu Recht das, was
Vorgängerregierungen getan haben. Aber Sie vergessen
dabei immer einen Aspekt: Abgeordnete meiner Frak-
tion haben bestimmte Entscheidungen auch zu rot-grü-
ner Zeit – darauf bin ich stolz – kritisiert. Da hätte ich
Sie gern an unserer Seite gehabt. Eine solche Kritik
kennzeichnet ein selbstbewusstes Parlament, das mit der
Frage der Rüstungsexporte umgeht.
Ich finde, dieses Parlament verdient schon, dass wir über
die Rüstungsexporte kritisch diskutieren, egal wer in der
jeweiligen Situation die Koalition stellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitions-
fraktionen, ich würde mir schon wünschen, dass Sie mit
der Bundeskanzlerin hinter verschlossenen Türen – ich
glaube, da gehört diese Sache erst einmal hin – über die
gefährliche Gratwanderung reden, die sie hinsichtlich
der Rüstungsexporte in den letzten Monaten offensicht-
lich begonnen hat. Weil sie weiß, dass es bei den Bun-
desbürgerinnen und Bundesbürgern nicht populär ist,
für Auslandseinsätze einzutreten, hat sie die Schlussfol-
gerung gezogen: Dann liefere ich doch lieber Waffen an
andere Länder.
Ich glaube, der eine oder andere in den Koalitions-
fraktionen weiß, welch gefährliche Gratwanderung die
Bundesregierung hier gerade zu machen versucht.
Schauen wir uns noch einmal die Zahlen der Rüstungsin-
dustrie an: Die Rüstungsindustrie ist doppelt so stark ge-
wachsen wie die deutsche Industrie insgesamt. Das ist
doch bereits die Antwort auf diese neue Doktrin.
Damit bin ich bei einem weiteren Aspekt, der für ein
selbstbewusstes Parlament spricht. Bitte helfen Sie dabei
mit, die Bundesregierung auf einen anderen Weg zu
bringen! Man darf Waffenlieferungen nicht mit deut-
scher souveräner Außenpolitik verwechseln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch von den Ko-
alitionsfraktionen, wir haben noch einige Monate in die-
ser Legislaturperiode. Ich bin Herrn Stinner, Herrn
Polenz und vielen anderen sehr dankbar, die gesagt ha-
ben: In der Tat, da gibt es Nachbesserungsbedarf. – Ich
habe Sie vor einigen Tagen eingeladen und gesagt: Las-
sen Sie uns darüber reden und möglicherweise auch Vor-
schläge einbringen!
Wenn ich aus der heutigen Ausschusssitzung referie-
ren darf: Sie wollen ja auch mehr Information. Sie wol-
len im Grunde genommen auch den souveränen Abge-
ordneten in die Diskussion bringen, mit dem Ziel, die
Bundesregierung zu beraten und von bestimmten Ent-
scheidungen abzuhalten. Dann lassen Sie es uns doch
gemeinsam tun und die Bundesregierung auf einen
neuen Weg bringen! Liebe Kolleginnen und Kollegen,
geben Sie sich einen Ruck! Ich glaube, gerade die bun-
desrepublikanische Politik hätte es verdient, dass nicht
nur über eine andere Rüstungsexportpolitik diskutiert
wird, sondern dass das Parlament auch stärker einbezo-
gen wird.
Vielen Dank.
Der Kollege Erich G. Fritz hat nun für die Unionsfrak-
tion das Wort.
Herr Barthel, Sie haben ja nur das Spiel gespielt: Die
einen sind die Bösen, die anderen die Braven oder die
Guten. Ich glaube, solange die Debatte so läuft, wird
man eine konstruktive Auseinandersetzung um den rich-
tigen Weg eher verhindern als befördern.
Das Kanzleramt übrigens – wenn ich das eben sagen
darf – hat sich entschuldigt.
– Deshalb sage ich es ja. – Die Vertreter sind bei einer
parallel stattfindenden Ausschusssitzung.
Bismarck hat einmal gesagt, dass sich das Schicksal
einer Nation in der Außenpolitik entscheidet.
– Es gibt in der Hinsicht bestimmt noch weitere gute Zi-
tate, die wir austauschen können.
Richtig ist, dass wir Außen- und Sicherheitspolitik so-
wie die Frage einer wehrtechnischen Basis, einer Bünd-
nisfähigkeit, einer Kooperationsfähigkeit und der Ent-
wicklung einer europäischen Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik nicht jeweils getrennt voneinander be-
handeln sollten. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir den
Versuch machen, das zusammenzudenken.
Nur dann wird ein Schuh daraus.
26148 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Erich G. Fritz
(C)
(B)
Ganz klar ist: Sie haben diese Aktuelle Stunde unter
Vortäuschung falscher Tatsachen angemeldet.
Das Thema haben Sie gar nicht verfolgt.
Es ging Ihnen um die Fortsetzung der Diskussion, die
wir heute Morgen schon in zwei Ausschüssen in, ich
finde, vergleichsweise guter Art geführt haben.
Worum geht es? Es geht im Kern um den Vorwurf, die
jetzige Rüstungsexportpolitik unterscheide sich massiv
von der der Vorgängerregierung.
Dafür gibt es von den Zahlen her keinen Beleg.
– Nein.
Der zweite Vorwurf ist, es gebe einen Paradigmen-
wechsel.
Den entwickeln Sie aus zwei Sätzen der Bundeskanz-
lerin – aus zwei Sätzen! –
in der Strausberger Rede. Der eine Satz lautet, es sei da-
rüber nachzudenken, ob es nicht sinnvoller sein kann,
Partner, Sicherheitspartner auszustatten,
anstatt eigene Soldaten hinzuschicken. Diesen Gedanken
halte ich für legitim.
Ich möchte, dass es eine ausführliche Debatte darüber
gibt
und dass so etwas nicht sofort als Kampfmittel instru-
mentalisiert wird. Richtig ist doch, dass die rüstungspoli-
tischen Grundsätze der Bundesregierung immer lange
getragen haben, dass sich aber auf dieser Strecke die au-
ßen- und sicherheitspolitische Lage permanent verändert
hat
und dass jede Bundesregierung vor der Notwendigkeit
stand, darauf jeweils adäquat zu reagieren.
Wenn ich bei dieser Debatte hier Frau Keul gewesen
wäre, hätte ich die ganze Rede darauf beschränkt, den
Menschenrechtsbericht zu Saudi-Arabien vorzulesen.
Der ist nämlich noch viel spannender als das, was sie zi-
tiert hat.
Ich glaube, jeder im Parlament kann verstehen, dass
nach diesem Menschenrechtsbericht alleine der Gedanke
an solche Lieferungen, wie sie jetzt angeblich im Raume
stehen – wir wissen es ja gar nicht; es hat offensichtlich
auch keine Beschlüsse gegeben –, dazu führt, dass nicht
nur Fragen entstehen, sondern auch Emotionen. Das ist
mir auch ganz klar. Das geht mir doch nicht anders. Aber
man kann nur dann eine Antwort darauf finden, wenn
man sich einer umfassenden Debatte stellt.
Ich habe von diesem Pult aus schon mehrfach gesagt
– deshalb bin ich jetzt ein bisschen sauer, dass ich nicht
zitiert worden bin –,
dass das jetzige Vorgehen eine Zumutung für das Parla-
ment ist und nicht so bleiben kann.
Ich habe mich sehr gefreut, dass nicht nur Herr
Stinner heute Abend hier, sondern dass unser Koalitions-
partner sowohl im Auswärtigen Ausschuss als auch im
Wirtschaftsausschuss dezidiert gesagt hat, dass er eben-
falls für eine solche Veränderung ist.
Ich habe Kollegen von Ihnen schon vor vier, fünf
Monaten gesagt: Wenn ihr aufhört, das Thema ständig in
der Weise zu behandeln, dann wird es leichter, darüber
zu reden und etwas zu ändern, als wenn dauernd dieser
Verteidigungsdruck da ist.
Es ist doch ganz klar, dass jede Regierung – egal, wie
sie aussieht – Verantwortung übernehmen muss in der
Frage: Sind wir kooperationsfähig und in der Lage, Aus-
rüstung zur Verfügung zu stellen, etc.? – Ich bin sicher,
dass wir einen Weg finden werden, der das, was wir ge-
meinsam beklagen, ein Stück weit verändert. Ob es mög-
lich sein wird – die Anhörungen haben ja eine Fülle von
Material dafür geboten –, alles sozusagen in der öffentli-
chen Debatte auszutragen, weiß ich nicht. Ich glaube
eher, nein. Aber dass die Arbeitsteilung „Wir tagen ge-
heim, und ihr als jeweilige Mehrheitsfraktionen vertei-
digt das“ so nicht bleiben wird, da bin ich ganz sicher.
Letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde ist der Kol-
lege Christoph Strässer aus der SPD-Fraktion.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26149
(C)
(B)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Kollege Fritz, herzlichen Dank für Ihre Rede. Ich
glaube, sie führt uns auf den richtigen Pfad. Sie haben
zwei Stichwörter genannt, die ich gerne aufgreifen
möchte. Das ist – das wird Sie nicht wundern – das
Thema Menschenrechte in Saudi-Arabien, aber es ist
auch das Thema eines Paradigmenwechsels.
Ich erlaube mir ganz einfach, Herr Stinner und Herr
Lindner, einen früheren gemeinsamen Parteivorsitzen-
den von uns zu zitieren, nämlich Hans-Dietrich
Genscher. Sie wissen wahrscheinlich, dass ich bis 1982
in der FDP gewesen bin.
Hans-Dietrich Genscher hat am 2. November 2012 in
der Zeit eine, wie ich finde, bemerkenswerte Feststellung
in Richtung der aktuellen und früheren Rüstungsexport-
politik getroffen. Er hat gesagt – so jedenfalls das Zitat –:
Die deutsche Zurückhaltung in der Rüstungsexport-
politik hat sich auch rückblickend als richtig erwie-
sen, und man sollte daran festhalten.
Zitat von Hans-Dietrich Genscher. Vielleicht hören
Sie auf ihn. Er hat das natürlich angesichts der aktuellen
Diskussion über die möglichen, wahrscheinlichen, je-
denfalls in der Öffentlichkeit stehenden Exporte von
Panzern nach Saudi-Arabien gesagt. Ich sage nur: Recht
hat der Mann.
Das ist die eine Geschichte.
Die zweite Geschichte, Herr Lindner und Herr
Stinner, ist: Sie haben die unterschiedliche Qualität von
Waffen bei der Aufstandsbekämpfung angesprochen. Ich
will das an dieser Stelle nicht auf Saudi-Arabien be-
schränken, sondern Sie – Sie wissen es möglicherweise;
auch das hat mit deutscher Rüstungsexportpolitik zu
tun – auf ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwalt-
schaft Stuttgart gegen die Firma Heckler & Koch hin-
weisen. Die Firma Heckler & Koch – das scheint sich zu
bestätigen – hat mehr als 4 000 G-36-Gewehre an vier
Provinzen in Mexiko geliefert. Diese vier Provinzen,
insbesondere Chiapas, wurden von allen Bundesregie-
rungen bisher als so gefährlich eingestuft, dass Rüs-
tungsexporte dorthin schlichtweg untersagt waren. Dort
sind diese Gewehre jetzt aufgetaucht. Ich halte es für ei-
nen Skandal, dass wir dies aus der Öffentlichkeit erfah-
ren und hier im Parlament nicht diskutieren. Das ist ganz
schlimm. Diese G-36-Gewehre sind die modernsten auf
dem Markt. Dies muss aufhören.
Zu Saudi-Arabien. Herr Lindner, ich fand es bemer-
kenswert, wie Sie über das Thema Menschenrechte ge-
sprochen haben. Ich glaube, Sie unterliegen immer noch
dem Irrglauben, dass man Menschenrechte dadurch ver-
teidigen bzw. verwirklichen kann, dass man Panzer und
Waffensysteme an menschenverachtende Regime liefert.
Nichts anderes ist das saudi-arabische Regime. Es steht
in der Hierarchie der Menschenrechte an unterster Stelle.
Ich will Ihnen diese Tatsache nicht verschweigen. Das
Thema Frauenrechte ist schon angesprochen worden.
Wir sind uns über das, was dort passiert, einig. Frauen,
die heiraten wollen, stehen unter der Vormundschaft ih-
res Mannes. Wenn sie ein Studium aufnehmen wollen,
stehen sie unter der Vormundschaft ihres Ehemannes. Es
gibt weitere Beispiele.
Ich will jetzt aber ein Thema aufgreifen, das heute
überhaupt noch keine Rolle gespielt hat. Das ist das Al-
lerschlimmste. Es ist das Thema Todesstrafe. Ich kann
wirklich nicht akzeptieren, dass wir einem Regime Waf-
fen liefern, das im Jahr 2011 mindestens 86 Menschen
hingerichtet hat.
Sie sollten sich über den Charakter dieses Regimes im
Klaren sein. Wenn wir argumentieren wie Frau Merkel,
wie Herr Kauder und andere, dann haben wir das Thema
„lessons learnt“ noch nicht begriffen.
Punkt 2 der Rüstungsexportrichtlinien besagt nicht,
dass zwischen Menschenrechten und anderen Interessen
abzuwägen ist, sondern er besagt, dass Menschenrechte
ein besonderes Gewicht haben. Unter diesem Aspekt
sind natürlich auch solche Entscheidungen zu diskutie-
ren. Es ist völlig klar, dass der Export von Waffen nach
Saudi-Arabien, in diese Region überhaupt – das ist
meine feste Überzeugung nach den Erfahrungen, die wir
in Libyen, in Syrien, in Jordanien und anderen Ländern
gemacht haben – diese Region nicht stabilisiert, sondern
destabilisiert. Hinterher werden wir wieder aufgefordert,
wenn die Menschen auf die Straßen gehen, denjenigen
die Waffen abzunehmen, denen wir sie geliefert haben.
Das haben wir gelernt. Daraus sollten wir Schlüsse zie-
hen und Schluss machen mit Rüstungsexporten in diese
Länder.
Herzlichen Dank.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 13. Dezember
2012, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen heute
Abend noch ein wenig Erholung.