Protokoll:
17180

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 180

  • date_rangeDatum: 23. Mai 2012

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:10 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/180 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 180. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Gesetzent- wurf zur Verbesserung der Rechte der Pa- tientinnen und Patienten . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,  Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr, Bundesminister  BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr, Bundesminister  BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,  Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Erwin Rüddel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr, Bundesminister  BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,  Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr, Bundesminister  BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,  Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,  Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Steffen-Claudio Lemme (SPD) . . . . . . . . . . . Daniel Bahr, Bundesminister  BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . Daniel Bahr, Bundesminister  BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Bas (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr, Bundesminister  BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr, Bundesminister  BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) . . . . . . Daniel Bahr, Bundesminister  BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr, Bundesminister  BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,  Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,  Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr, Bundesminister  BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr, Bundesminister  BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21403 A 21403 B 21404 A 21404 D 21405 A 21405 B 21405 C 21406 A 21406 B 21406 C 21406 C 21406 D 21407 A 21407 A 21407 B 21407 B 21407 C 21407 D 21408 B 21408 C 21408 D 21408 D 21409 B 21409 C 21409 C 21409 D 21410 A 21410 B 21410 C 21410 C 21410 D 21410 D 21411 A 21411 B 21411 C 21411 D Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde  (Drucksache 17/9677) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 1 Manfred Nink (SPD) Berücksichtigung der besonderen Struk- tur der deutschen Wirtschaft bei den Ver- handlungen über das Gesetzespaket zur Umsetzung von Basel III unter anderem durch Einführung einer Mittelstandsklau- sel Antwort  Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 2 Manfred Zöllmer (SPD) Position der Bundesregierung zu der im Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der deutschen Finanzaufsicht geplanten Re- form des Verwaltungsrates der BaFin Antwort  Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 3 Manfred Zöllmer (SPD) Verhalten der Vertreter der Bundesregie- rung im Aufsichtsrat der Commerzbank zur Frage der Erhöhung der Bezüge des Managements und der geplanten Bonizah- lungen Antwort  Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Bernd Scheelen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 6 Bernd Scheelen (SPD) Verlängerung der Übergangsregelung zur Gelangensbestätigung für innergemein- schaftliche Lieferungen nach § 17 a Um- satzsteuer-Durchführungsverordnung bis Ende 2012 Antwort  Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen  Bernd Scheelen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 7 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Bundeseinheitliche Gewährung des Ehe- gattensplittings bei eingetragenen Le- benspartnerschaften Antwort  Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .  Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . Mündliche Frage 8 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Berücksichtigung von Steuerverkürzun- gen bei natürlichen Personen über Trusts und Stiftungen im Steuerabkommen mit der Schweiz Antwort  Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .  Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . .  Nicolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 12 Nicolette Kressl (SPD) Kritik am zukünftig erhöhten Bürokratie- aufwand in der Elektronischen Bilanz bei kleinen Kapitalgesellschaften Antwort  Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Nicolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 13 Nicolette Kressl (SPD) Kritik steuerberatender Berufe an der Neuregelung der strafbefreienden Selbst- anzeige nach § 371 Abgabenordnung im Massengeschäft der Umsatzsteuerbefreiung 21412 B 21412 B 21412 D 21413 A 21413 C 21413 D 21414 B 21414 C 21415 A 21415 B 21415 C 21415 D 21416 A 21416 B 21416 D 21417 A 21417 B 21417 D 21418 B 21418 C 21418 D 21419 A 21419 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 III Antwort  Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Nicolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 14  Ingrid Arndt-Brauer (SPD) Festhalten an den im Rahmen des Gesetzes zum Abbau der kalten Progression beab- sichtigten Steuersenkungen Antwort  Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Ingrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Bernd Scheelen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 15  Ingrid Arndt-Brauer (SPD) Kompensation der mit dem Gesetz zum Abbau der kalten Progression einherge- henden Steuerausfälle der Länder und Ge- meinden Antwort  Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Ingrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Bernd Scheelen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 18 Andrej Hunko (DIE LINKE) Griechische Forderungen auf Rückzahlung der von den deutschen und italienischen Besatzungsmächten aufgezwungenen Kre- dite Antwort  Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 19 Andrej Hunko (DIE LINKE) Ausscheiden Griechenlands aus der EU durch eine „ungeordnete Staatspleite“ Antwort  Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .  Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . Mündliche Frage 25 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorschläge zur Ausgestaltung der Agrar- zahlungen bei den Verhandlungen um die zukünftige gemeinsame Agrarpolitik Antwort  Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär  BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 41 Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Mehrkosten durch die verspätete Eröff- nung des Flughafens Berlin Brandenburg Antwort  Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . .  Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 42  Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Information des Vertreters des Bundes in den Aufsichtsratssitzungen der Flughafen- gesellschaft Berlin Brandenburg über mög- liche Verzögerungen bei der Fertigstellung des neuen Hauptstadtflughafens Antwort  Jan Mücke, Parl. Staatssekretär  BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 43 Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bewertung und Schlussfolgerungen der Bundesregierung bezüglich Informationen 21419 D 21420 A 21420 C 21420 C 21420 D 21421 A 21421 C 21421 D 21422 A 21422 B 21422 C 21423 A 21423 C 21423 D 21425 A 21425 B 21426 C 21426 C 21427 A 21427 D 21428 A 21428 D 21429 A IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 über mögliche Verzögerungen bei der Fer- tigstellung des Flughafens Berlin Branden- burg Antwort  Jan Mücke, Parl. Staatssekretär  BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 46 Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Termin für den Kabinettsbeschluss über das Gesetz zur Stärkung der Innenentwick- lung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebau- rechts Antwort  Jan Mücke, Parl. Staatssekretär  BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 47 Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ergebnisse der Evaluation der Zielerfül- lung der „Bebauungspläne der Innenent- wicklung“ seit Einführung in das Bau- gesetzbuch und Konsequenzen Antwort  Jan Mücke, Parl. Staatssekretär  BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 53 Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Position der Bundesregierung in den Ver- handlungen zur Energieeffizienzrichtlinie Antwort  Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär  BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- nen der CDU/CSU und FDP: Keine Verge- meinschaftung europäischer Schulden – Euro-Bonds-Pläne der SPD: Haftung für deutsche Steuerzahler? Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . . . . Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Meister (CDU/CSU) . . . . . . . . . Nicolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marco Buschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Spatz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Frank Steffel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Bettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Mündliche Frage 4 Dr. Carsten Sieling (SPD) Information und Beteiligung der Bundes- regierung an Plänen zu Gehaltserhöhun- gen für den Vorstand der Commerzbank sowie etwaige Konsequenzen Antwort  Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Mündliche Frage 5 Dr. Carsten Sieling (SPD) Einführung und Ausgestaltung einer euro- paweiten Finanztransaktionsteuer Antwort  Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21429 B 21429 D 21430 A 21430 A 21430 D 21430 D 21431 B 21431 B 21432 B 21432 C 21433 C 21434 D 21436 A 21437 A 21438 C 21439 D 21441 A 21442 A 21443 A 21444 D 21446 A 21447 A 21448 B 21449 C 21450 D 21451 A 21451 B 21451 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 V Anlage 4 Mündliche Frage 9 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Relevanter Stichtag für die Bemessungs- grundlage der Einmalzahlung im Steuerab- kommen mit der Schweiz Antwort  Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Mündliche Frage 10 Richard Pitterle (DIE LINKE) Nachversteuerung nach dem Schweizer Steuerabkommen bei Schenkung von Ver- mögenswerten vor dem 1. Januar 2013 Antwort  Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Mündliche Frage 11 Richard Pitterle (DIE LINKE) Identifizierung der indirekt aus der Bun- desrepublik abgeflossenen Vermögens- werte und rechnerische Ermittlung des hinsichtlich dieser Vermögenswerte erho- benen Anteils der Einmalzahlung nach dem Schweizer Steuerabkommen Antwort  Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Mündliche Frage 16 Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) Verlässlichkeit der aktuellen Steuerschät- zung angesichts der bestehenden Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung Antwort  Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Mündliche Frage 17 Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) Fälle von Aussetzung der Rücknahme von Anteilen an Immobilien-Sondervermögen gemäß § 81 Investmentgesetz durch Kapi- talanlagengesellschaften Antwort  Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Mündliche Frage 20 Katrin Kunert (DIE LINKE) Verfahren bei der Weiterleitung der im Rahmen der Befragung zu Merkmalen des Migrationshintergrundes gewonnenen Da- ten an die Bundesagentur für Arbeit Antwort  Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär  BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Mündliche Frage 21 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Abschluss von Altersteilzeitvereinbarun- gen seit dem 1. Januar 2010 im Vergleich zum Stand 1. Januar 2009 und Anzahl der Vereinbarungen mit Insolvenzabsicherung Antwort  Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär  BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Mündliche Frage 22 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Tarifliche Grundlagen der seit dem 1. Januar 2010 abgeschlossenen Altersteil- zeitvereinbarungen und Aufteilung auf Privatwirtschaft und öffentlichen Dienst Antwort  Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär  BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Mündliche Frage 23 Anette Kramme (SPD) Änderung der gegenwärtigen Anforderun- gen an die Insolvenzsicherungspflicht für die in Aktivphase erworbenen Wertgutha- ben nach § 8 a Altersteilzeitgesetz ange- sichts der Erfahrungen beim Insolvenzver- fahren der Firma Schlecker Antwort  Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär  BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21452 A 21452 B 21452 C 21452 D 21453 B 21453 C 21453 D 21454 A 21454 B VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 Anlage 13 Mündliche Frage 24 Anette Kramme (SPD) Ergebnisse der Ressortabstimmung zum Entwurf eines Gesetzes zur Anerkennung der Lebensleistung in der Rentenversiche- rung Antwort  Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär  BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Mündliche Fragen 26 und 27 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Behebung steigender Schwarzwildschäden in der Landwirtschaft, insbesondere ver- ursacht durch den Missbrauch von Kir- rungen Antwort  Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär  BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 15 Mündliche Fragen 28 und 29 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung für die mögliche Verhän- gung nationaler Anbauverbote für gen- technisch veränderte Pflanzen durch ein- zelne EU-Mitgliedstaaten Antwort  Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär  BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 16 Mündliche Frage 30 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Personelle Ausstattung der Familienbe- treuungsorganisation für die Betreuung der Familien von Soldaten im Auslandsein- satz Antwort  Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär  BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 17 Mündliche Frage 31 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kindergerechte Vermittlung der Tätigkei- ten von Soldaten im Auslandseinsatz Antwort  Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär  BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 18 Mündliche Frage 32 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Inkrafttreten der vom bayerischen Um- weltminister Dr. Marcel Huber angekün- digten Erleichterungen für militärische Tiefflüge mit der entsprechenden Anhe- bung der Höhe von Bauwerken, insbeson- dere im Bereich Windkraft Antwort  Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär  BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 19 Mündliche Fragen 33 und 34 Steffen-Claudio Lemme (SPD) Auswirkungen der Erhebung von Verwal- tungsgebühren bei den Einsatzstellen für die Zuweisung von Teilnehmern am Bun- desfreiwilligendienst durch die Wohlfahrts- verbände in ihrer Funktion als Zentralstel- len Antwort  Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär  BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 20 Mündliche Frage 35 Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zahlengrundlage für die Aussage zur feh- lenden Anzahl von Krippenplätzen; An- zahl der unter Dreijährigen mit Betreuung in Tageseinrichtungen oder öffentlich ge- förderter Kindertagespflege Antwort  Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär  BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21454 D 21454 D 21455 C 21455 D 21456 A 21456 B 21456 D 21457 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 VII Anlage 21 Mündliche Frage 36 Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Geplante Finanzmittel für das angekün- digte Zehn-Punkte-Programm für den Kitaausbau Antwort  Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär  BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 22 Mündliche Frage 37 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Seit Inkrafttreten des 2. Conterganstif- tungsänderungsgesetzes bei der Stiftung eingegangene Anträge auf Anerkennung als Conterganopfer sowie auf Neubewer- tung der Schadenseingruppierung; Anzahl der positiv bzw. negativ beschiedenen An- träge Antwort  Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär  BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 23 Mündliche Frage 38 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Maßnahmen zur Verbesserung der medizi- nischen Versorgung der Contergangeschä- digten inklusive der Bereitstellung und Kostenübernahme von Hilfs- und Heilmit- teln Antwort  Annette Widmann-Mauz, Parl. Staats- sekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 24 Mündliche Fragen 39 und 40 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zeitpunkt und Kriterien der Benennung der Pilotstrecken für die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung Straße Antwort  Jan Mücke, Parl. Staatssekretär  BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 25 Mündliche Frage 44 Jutta Krellmann (DIE LINKE) Verhinderung eines Lohndumpings bei der Vergabe einer dritten Lizenz für die Bo- dendienste am neuen Flughafen Berlin Brandenburg Antwort  Jan Mücke, Parl. Staatssekretär  BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 26 Mündliche Frage 45 Jutta Krellmann (DIE LINKE) Etwaiger Verfall von Löhnen und Arbeits- bedingungen bei der geplanten Neuord- nung der Bodendienste an europäischen Flughäfen durch die EU Antwort  Jan Mücke, Parl. Staatssekretär  BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 27 Mündliche Frage 48 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Stopp des Preisverfalls bei Emissionszerti- fikaten Antwort  Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin  BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 28 Mündliche Frage 49 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Fragestellungen, Finanzvolumen und Lauf- zeit des zur Unterstützung der Arbeits- gruppe der Strahlenschutzkommission ini- tiierten Forschungsvorhabens Antwort  Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin  BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 29 Mündliche Frage 50 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deutscher Anteil am „Rahmenprogramm der Europäischen Atomgemeinschaft für Forschungs- und Ausbildungsmaßnahmen im Nuklearbereich 2012–2013“ Antwort  Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär  BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21457 C 21457 D 21458 A 21459 A 21459 B 21459 C 21459 D 21460 B 21460 D VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 Anlage 30 Mündliche Fragen 51 und 52 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umsetzung der Einigung zwischen BMU und BMWi zum Verzicht auf die Fracking- Technologie bei Bohrungen nach Schiefer- gas; Einrichtung entsprechender Kapazi- tätsmechanismen Antwort  Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär  BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 31 Mündliche Frage 54 Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nutzung der Ermächtigung nach § 49 Abs. 4 Nr. 8 des Energiewirtschaftsgesetzes Antwort  Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär  BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 32 Mündliche Frage 55 Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gespräche mit dem niederländischen Fi- nanzministerium über eine dem Energie- wirtschaftsgesetz entsprechende Finanz- ausstattung der TenneT TSO GmbH Antwort  Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär  BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 33 Mündliche Fragen 56 und 57 Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) Medienberichte über Pläne der Eon AG zur Stilllegung von Gaskraftwerken in Bayern und Hessen; etwaige Auswirkun- gen auf die Stromversorgung Antwort  Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär  BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 34 Mündliche Frage 58 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einführung einer gesonderten Umlage zur Haftungsübernahme bei fehlender Netz- anbindung von Offshorewindparks Antwort  Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär  BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 35 Mündliche Frage 59 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anzahl und Ergebnisse der vom Bundes- kartellamt seit 2005 durchgeführten Ver- fahren bezüglich § 20 Abs. 4 Nr. 3 des Ge- setzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen Antwort  Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär  BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 36 Mündliche Frage 60 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gesamtkosten Griechenlands für Rüs- tungsimporte im Zeitraum 2009 bis 2012 insbesondere aus Frankreich und Deutsch- land und Einsparungen in diesem Bereich Antwort  Cornelia Pieper, Staatsministerin  AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 37 Mündliche Frage 61 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verbleib von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan nach 2014 und Berücksichti- gung des Bundestagsmandats Antwort  Cornelia Pieper, Staatsministerin  AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 38 Mündliche Frage 62 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Überführung der Kosten für das Büro der beiden Sonderberater des Generalsekre- tärs der Vereinten Nationen für die Schutz- verantwortung und für die Verhinderung von Völkermord in den regulären Haushalt der Vereinten Nationen Antwort  Cornelia Pieper, Staatsministerin  AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21461 A 21461 C 21461 C 21461 D 21462 A 21462 B 21462 C 21462 D 21463 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 IX Anlage 39 Mündliche Frage 63 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beteiligung an der Initiative des Global Center for the Responsibility to Protect zur Einrichtung nationaler Kontaktstellen zur Koordination von Maßnahmen zur Umset- zung der Schutzverantwortung Antwort  Cornelia Pieper, Staatsministerin  AA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 40 Mündliche Frage 64 Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Behebung des Stillstands der Arbeit der United Nations Conference on Disarma- ment Antwort  Cornelia Pieper, Staatsministerin  AA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 41 Mündliche Frage 65 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Beteiligung an NATO-Einsätzen und Be- rücksichtigung des Parlamentsbeteili- gungsgesetzes Antwort  Cornelia Pieper, Staatsministerin  AA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 42 Mündliche Frage 66 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Haltung der Bundesregierung zur Aussage bezüglich Zugehörigkeit des Islam zu Deutschland insbesondere in Bezug auf die Frage der künftigen Ressortzuständigkeit für die Islamkonferenz Antwort  Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär  BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 43 Mündliche Fragen 67 und 68 Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Senkung der Gebühren für langfristig auf- enthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige, insbesondere für türkische Staatsangehö- rige Antwort  Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär  BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 44 Mündliche Frage 69 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Abschiebestopp für die in Deutschland le- benden afghanischen Hindus und Sikhs Antwort  Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär  BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 45 Mündliche Frage 70 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Regelungskompetenz der Universitäten bei der Kostenerstattung weiterer Reisekosten- arten neben der „Dienstreise“ Antwort  Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär  BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21463 C 21464 A 21464 C 21464 D 21465 A 21465 D 21466 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 21403 (A) (C) (D)(B) 180. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 Beginn: 13.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 21451 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Carssten Sieling (SPD) (Druck- sache 17/9677, Frage 4): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den vom Aufsichtsrat der Commerzbank AG beschlossenen Ge- haltserhöhungen für den Vorstand der Commerzbank AG, und wie wurde die Bundesregierung über entsprechende Pläne des Aufsichtsrates informiert und beteiligt? Die vom Finanzmarktstabilisierungsfonds eingegan- genen Beteiligungen an Kreditinstituten dienen der Sta- bilisierung des Finanzmarktes. Die Bundesregierung hat stets betont, dass sie nicht auf das Geschäft stabilisierter Banken Einfluss nimmt. Das Bundesministerium der Fi- nanzen kann daher auch keine Auskünfte und Stellung- nahmen zu unternehmensinternen Entscheidungen dieser Institute, zum Beispiel der Commerzbank AG geben. Auch zu Inhalten der Tätigkeit von Aufsichtsräten kann die Bundesregierung nicht Stellung beziehen. Die durch das Restrukturierungsgesetz neu in das Fi- nanzmarktstabilisierungsfondsgesetz, FMStFG, einge- fügte Vorschrift des § 10 Abs. 2 b FMStFG zur Begren- zung der Vorstandvergütungen wurde im Dezember 2010 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Diese beinhal- tet auch die Öffnungsklausel, nach der Begrenzung bei mehr als hälftiger Rückführung der Stabilisierungsleis- tungen entfällt. Der Wegfall der Vergütungsbegrenzung war dabei vom Gesetzgeber ausdrücklich als Anreiz für eine zügige Rückführung der staatlichen Hilfen vorgese- hen. Die Commerzbank AG im Frühjahr 2011 11,52 Mil- liarden Euro der ihr gewährten Rekapitalisierung von 18,2 Milliarden Euro zurückgezahlt. Die Entscheidun- gen des Aufsichtsrats stehen insoweit im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers. Die Gestaltung des Vergütungssystems für Geschäfts- leiter von Unternehmen wird gemäß den gesetzlichen Vorgaben jährlich veröffentlicht, bei der Commerzbank AG im sogenannten Vergütungsbericht, und ist somit für jedermann einsehbar. Die aktuelle Struktur des Vergü- tungssystems für die Mitglieder des Vorstands (auch die regulär vereinbarte Festvergütung von 750 000 Euro) wurde im Geschäftsbericht für das Jahr 2010 im März 2011 veröffentlicht mit dem Hinweis auf die mögliche gesetzliche Kappungsgrenze. Soweit Beschäftigte der Bundesregierung – im Rah- men des rechtlich zulässigen Auskünfte von Gremien- vertretern entgegennehmen, haben sie nach § 395 Ak- tiengesetz Stillschweigen zu bewahren und dürfen keine Auskünfte erteilen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Carsten Sieling (SPD) (Drucksa- che 17/9677, Frage 5): Wird sich die Bundesregierung auf dem EU-Sondergipfel am 23. Mai 2012 für die Einführung einer europaweiten Fi- nanztransaktionsteuer einsetzen, und mit welchen inhaltlichen Vorstellungen geht die Bundesregierung an die Arbeiten der informellen Arbeitsgruppe, die bis Sommer 2012 einen Alter-  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Ahrendt, Christian FDP 23.05.2012 Bär, Dorothee CDU/CSU 23.05.2012 Becker, Dirk SPD 23.05.2012 Brinkmann (Hildesheim), Bernhard SPD 23.05.2012 Gabriel, Sigmar SPD 23.05.2012 Glos, Michael CDU/CSU 23.05.2012 Groschek, Michael SPD 23.05.2012 Hagedorn, Bettina SPD 23.05.2012 Henke, Rudolf CDU/CSU 23.05.2012 Kipping, Katja DIE LINKE 23.05.2012 Lay, Caren Nicole DIE LINKE 23.05.2012 Dr. Lindner, Tobias BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.05.2012 Nahles, Andrea SPD 23.05.2012 Nestle, Ingrid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.05.2012 Nietan, Dietmar SPD 23.05.2012 Dr. von Notz, Konstantin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.05.2012 Rix, Sönke SPD 23.05.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 23.05.2012 Dr. Schwanholz, Martin SPD 23.05.2012 Thönnes, Franz SPD 23.05.2012 Anlagen 21452 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 (A) (C) (D)(B) nativansatz zur stufenweisen Einführung der Finanztrans- aktionsteuer erarbeiten soll? Deutschland setzt sich weiterhin auf jeder Ebene für die Einführung einer Finanztransaktionsteuer in der EU-27 ein. Die informelle Arbeitsgruppe wurde auf Initiative Deutschlands eingerichtet. In dieser informellen Arbeits- gruppe wird die Einführung einer Finanztransaktion- steuer mit Zwischenschritten diskutiert. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 17/9677, Frage 9): Welcher früheste Stichtag nach dem im September 2011 unterzeichneten und im April 2012 ergänzten Steuerabkom- men mit der Schweiz kann vor dem derzeit geplanten 1. Januar 2013 als relevanter Stichtag für die Bemessungs- grundlage der Einmalzahlung herangezogen werden, und auf welches Datum fällt der Tag der politischen Einigkeit hin- sichtlich offener Steuerfragen mit der Schweiz? Die relevanten Stichtage sind im deutsch-schweizeri- schen Steuerabkommen in Art. 2 Buchstabe j festgelegt. Für die Bemessungsgrundlage der Einmalzahlung ist grundsätzlich als Stichtag der 31. Dezember 2010 ge- wählt worden, um eine manipulationssichere Bemes- sungsgrundlage sicherzustellen. Die Heranziehung ande- rer Stichtage ist nach dem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen nicht möglich. Die politische Einigung findet ihren Ausdruck in der Fassung des deutsch-schweizerischen Steuerabkom- mens, die den gesetzgebenden Körperschaften in der Schweiz und in der Bundesrepublik Deutschland vorge- legt ist. Dies ist das Abkommen vom 21. September 2011 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Zusammenar- beit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt in der Fassung vom 5. April 2012. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Richard Pitterle (DIE LINKE) (Drucksache 17/9677, Frage 10): Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass nach dem im September 2011 unterzeichneten und im April 2012 ergänzten Steuerabkommen mit der Schweiz durch eine Schenkung von Vermögenswerten vor dem 1. Januar 2013 der Zuwendungsgeber sich der Nachversteuerung entziehen kann und somit im Ergebnis keine Möglichkeit für die deutschen Behörden besteht, entsprechende Vermögenswerte einer Nachversteuerung zu unterwerfen, und nach welchen Rechts- grundlagen definiert sich die Ansässigkeit einer natürlichen Person gemäß Art. 2 Buchstabe h des Schweizer Steuer- abkommens? Gehen die gesamten Vermögenswerte nach dem Stichtag 2 (31. Dezember 2010) im Wege der Schenkung an eine andere Person über und beendet der Schenker die Geschäftsbeziehung zur schweizerischen Zahlstelle, können die Vermögenswerte nach dem deutsch-schwei- zerischen Steuerabkommen nicht nachversteuert werden. Beendet der Schenker hingegen nicht die Geschäftsbe- ziehung zur schweizerischen Zahlstelle, muss er aller- dings den am Stichtag 2 (31. Dezember 2010) vorhande- nen Betrag nachversteuern. Dies ergibt sich aus Art. 7 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Anhang I des deutsch- schweizerischen Steuerabkommens. Sofern keine Nachversteuerung erfolgt, unterliegen die Vermögenswerte weiterhin der deutschen Besteue- rung und der deutschen Strafverfolgung. Sie können im Wege eines erweiterten Auskunftsersuchens nach Art. 32 des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens oder im Wege einer Mitteilung im Erbschaftsfall nach Art. 31 des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens entdeckt werden. Die Ansässigkeit einer natürlichen Person definiert sich nach Art. 3 des deutsch-schweizerischen Steuer- abkommens. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Richard Pitterle (DIE LINKE) (Drucksache 17/9677, Frage 11): Wie können nach Art. 7 Abs. 6 des im September 2011 un- terzeichneten und im April 2012 ergänzten Steuerabkommens mit der Schweiz Vermögenswerte identifiziert werden, die in- direkt aus der Bundesrepublik Deutschland abgeflossen sind, und wie wird der hinsichtlich dieser Vermögenswerte erho- bene Anteil der Einmalzahlung – bezogen auf den Gesamtbe- trag der Einmalzahlung – rechnerisch ermittelt? Art. 7 Abs. 6 des deutsch-schweizerischen Steuerab- kommens regelt, dass Vermögenswerte, die direkt oder indirekt aus der Bundesrepublik Deutschland in die Schweiz zwischen Stichtag 2 und dem Inkrafttreten flie- ßen, nicht nachversteuert werden können. Die schweize- rischen Zahlstellen haben im Rahmen ihrer Möglich- keiten damit die Pflicht, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass in diesen Fällen auch keine Nach- versteuerung stattfindet. Stellt sich zu einem späteren Zeitpunkt heraus, dass gleichwohl eine Nachversteue- rung erfolgt ist, ist diese rechtlich wirkungslos. Die gezahlten Beträge gelten dann als Einkommensteuer- vorauszahlung für den Veranlagungszeitraum 2013. Im Übrigen gelten die allgemeinen Sorgfaltspflichten sowie die geldwäscherechtlichen Vorschriften. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) (Drucksache 17/9677, Frage 16): Für wie belastbar und verlässlich hält die Bundesregierung die Ergebnisse der aktuellen Steuerschätzung angesichts der bestehenden Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung, ins- besondere für die Jahre 2014 bis 2016? Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 21453 (A) (C) (D)(B) Die aktuelle Steuerschätzung erfolgte – wie üblich – im Arbeitskreis „Steuerschätzungen“, der als unabhängi- ges Expertengremium im Konsens die Steuereinnahmen für den gesamten Zeitraum der mittelfristigen Finanzpla- nung auf Basis des geltenden Steuerrechts prognosti- ziert. Die Steuerschätzer legten – wie üblich – die aktuelle gesamtwirtschaftliche Projektion der Bundesre- gierung zugrunde, die zuletzt im April im Arbeitskreis „Gesamtwirtschaftliche Vorausschätzungen“ unter Ein- schluss der Bundesressorts, der Deutschen Bundesbank und des Statistischen Bundesamtes abschließend disku- tiert und verabschiedet wurde. Grundsätzlich handelt es sich bei gesamtwirtschaftlichen Projektionen um Erwar- tungen, die von Annahmen zu nationalen und internatio- nalen Rahmenbedingungen abhängen. Insofern sind alle Projektionen – auch diejenigen anderer nationaler und internationaler Institutionen – naturgemäß mit Unsicher- heiten behaftet. Die Frühjahrsprojektion der Bundesregierung, die ak- tuell den Zeitraum 2012 bis 2016 umfasst, ist als sehr vorsichtig einzustufen und trägt insofern bestehenden Risiken Rechnung. Die Erwartungen zum Wirtschafts- wachstum liegen für den gesamten Vorausschätzungs- zeitraum deutlich unter denjenigen der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrer jüngsten Gemein- schaftsdiagnose. Während die Bundesregierung für den Zeitraum 2014 bis 2016 eine reale Zunahme des Brutto- inlandsprodukts von 1,5 Prozent pro Jahr erwartet, gehen die Institute von einem um 0,5 Prozentpunkte höheren Prognosewert aus. Noch mehr liegen die Einschätzungen in nominaler Rechnung auseinander, die für die Steuer- schätzung besonders relevant ist. So erwarten die Insti- tute ein nominales Wirtschaftswachstum von 3,8 Prozent pro Jahr, während die Bundesregierung ein solches von 3,0 Prozent pro Jahr projiziert. Dies macht deutlich, dass in der Frühjahrsprojektion der Bundesregierung im Vergleich zu anderen Prognosen mehr Chancen einer günstigeren als Risiken einer un- günstigeren Entwicklung bestehen. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) (Drucksache 17/9677, Frage 17): Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen eine Kapitalanlagegesellschaft die Rücknahme von Anteilen an Immobilien-Sondervermögen gemäß § 81 des Investment- gesetzes ausgesetzt hat, auch wenn die Bankguthaben und die Erlöse aus dem Anlagevermögen angesichts des – zum Zeit- punkt der Schließung des Fonds – geringen Volumens an Mit- telabflüssen zur Zahlung des Rücknahmepreises ausreichten? Nein, der Bundesregierung sind keine Fälle bekannt, in denen Immobilien-Sondervermögen die Rücknahme der Anteile ausgesetzt haben, obwohl sie über ausrei- chend Liquidität verfügt haben. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Katrin Kunert (DIE LINKE) (Drucksache 17/9677, Frage 20): Werden bezüglich der Personen, die an der von den Job- centern durchgeführten freiwilligen Befragung zur Erhebung der Daten zu Merkmalen des Migrationshintergrundes aus- drücklich nicht teilnehmen wollen, dennoch Daten, die den je- weiligen Jobcentern bereits bekannt sind – zum Beispiel Staatsangehörigkeit –, an die Statistik der Bundesagentur für Arbeit übermittelt und, wenn ja, weshalb bzw. nach welcher Rechtsgrundlage, oder sind für Nichtteilnehmer tatsächlich keine Angaben zu übermitteln? Die Erhebung der Merkmale des Migrationshinter- grundes ist getrennt von anderen Daten zu sehen, die in den Verwaltungsverfahren der Jobcenter erhoben wer- den. Das Merkmal Migrationshintergrund ist daten- schutzrechtlich besonders geschützt und wird daher auf freiwilliger Basis erfasst. Im Gegensatz dazu werden alle Daten, die für die Leistungserbringung des Jobcenters erforderlich sind, im Zuge der Fallbearbeitung nach § 51 b Zweites Buch So- zialgesetzbuch, SGB II, von den Mitarbeitern der Job- center bei den betroffenen Personen erhoben. Dazu ge- hört nach der Verordnung zur Erhebung von Daten nach § 51 b SGB II unter anderem auch die Staatsangehörig- keit. Diese Daten, die im Verwaltungsverfahren ohnehin anfallen, werden standardmäßig von der Statistik der Bundesagentur für Arbeit zur Erstellung von Statistiken verarbeitet. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/9677, Frage 21): Wie hat sich der Abschluss von Altersteilzeitvereinbarun- gen gegenüber dem Stand 1. Januar 2009 seit dem 1. Januar 2010 bis heute entwickelt, und welche Art der Vereinbarun- gen ist gegen Insolvenzen der Arbeitgeber abgesichert? Nach der aktuellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit, BA, zur Altersteilzeit (Berichtsmonat Dezember 2011, veröffentlicht auf der Homepage der BA) lag die Zahl der Altersteilzeitförderfälle im Januar 2009 bei 95 833. Seitdem ist der Bestand der Altersteilzeitförder- fälle kontinuierlich gesunken und betrug im Januar 2010 noch 92 341 und im Dezember 2011 noch 85 791. Auch der Gesamtbestand aller Altersteilzeitfälle (von der Bun- desagentur für Arbeit geförderte und nicht geförderte Altersteilzeit) ist von 2009 mit 681 362 auf 2010 mit 585 363 gesunken. Aktuellere Daten zum Gesamt- bestand der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Altersteilzeit liegen wegen der mit den Erhebungen ver- bundenen Wartezeit derzeit nicht vor. Soweit nach den gegen Insolvenz gesicherten Verein- barungen gefragt ist, gilt Folgendes: Der Arbeitgeber ist nach § 8 a Altersteilzeitgesetz bei Vereinbarung von Altersteilzeit im Blockmodell zur geeigneten Insolvenz- 21454 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 (A) (C) (D)(B) sicherung von Wertguthaben verpflichtet. Es muss ein geeigneter, das heißt insolvenzfester Sicherungsweg ver- einbart werden. Um eine flexible und im Einzelfall passende Siche- rung des Wertguthabens zu ermöglichen, steht es den Vertragsparteien frei, welche Art der Insolvenzsicherung sie wählen. Das Gesetz schließt jedoch bilanzielle Rück- stellungen und konzerninterne Einstandvereinbarungen als ungeeignete Sicherungsmaßnahmen aus. In der Praxis gelten als geeignete Insolvenzsicherungsmodelle beispielsweise treuhänderisch geführte Anlagemodelle, schuldrechtliche Verpfändungs- oder Bürgschafts- sowie Versicherungsmodelle. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/9677, Frage 22): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die tarif- lichen Grundlagen der seit dem 1. Januar 2010 abgeschlosse- nen Altersteilzeitvereinbarungen, und wie gliedern diese sich auf in Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst? Im Tarifregister beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales sind derzeit rund 1 550 Altersteilzeittarif- verträge registriert. Nach der aktuellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit, BA, zur Altersteilzeit (Berichtsmonat Dezember 2011, veröffentlicht auf der Homepage der BA) kann eine Unterscheidung nur nach Wirtschaftsabteilungen (WZ 2008) und für die von der BA geförderten Fälle vorgenommen werden. Der Bestand an Altersteilzeitför- derfällen betrug im Dezember 2011 danach insgesamt 85 791 Personen; davon entfielen auf die Wirtschafts- abteilung 84 (Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherungen) 12 457 Personen. Die genaue Ab- grenzung der Wirtschaftsabteilung kann der entspre- chenden Veröffentlichung des Statistischen Bundesam- tes zur Klassifikation der Wirtschaftszweige entnommen werden. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Anette Kramme (SPD) (Drucksache 17/9677, Frage 23): Sieht die Bundesregierung angesichts der Erfahrungen durch das Insolvenzverfahren der Firma Schlecker die Not- wendigkeit, die gegenwärtigen Anforderungen an die Insol- venzsicherungspflicht für die in der Aktivphase erworbenen Wertguthaben nach § 8 a des Altersteilzeitgesetzes, die dazu führen, dass in der Freistellungsphase nur 50 Prozent des Ent- gelts insolvenzgesichert sind, nicht aber auch die Aufsto- ckungsbeträge zu ändern, und wie bewertet die Bundesregie- rung die Situation, dass das sozialversicherungsrechtliche Altersteilzeitarbeitsverhältnis endet, wenn keine Aufsto- ckungsbeträge oder zusätzlichen Rentenversicherungsbeiträge durch den Insolvenzverwalter gezahlt werden, sodass ein „Störfall“ vorliegt (vergleiche das Rundschreiben von GKV- Spitzenverband, Deutsche Rentenversicherung Bund und Bundesagentur für Arbeit vom 2. November 2010)? Die Insolvenzsicherungspflicht umfasst das bereits in der Arbeitsphase durch die Vorarbeit erarbeitete Wertgutha- ben. Ansprüche auf zukünftig zu zahlende Aufstockungs- beträge sind nicht erfasst, da die Insolvenzsicherung primär der Absicherung des erarbeiteten Wertguthabens und der Beitragsschuld dient. Es steht den Tarifvertragsparteien jedoch frei, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch Tarifvertrag weitergehende Rechte einzuräumen. Weitergehende Rechte können auch auf betrieblicher Ebene durch Betriebsvereinbarung zwischen dem Ar- beitgeber und dem Betriebsrat oder auf einzelvertragli- cher Ebene direkt zwischen Arbeitgeber und Arbeitneh- mer vereinbart werden. Die Insolvenzsicherung ist auch für den Fall, dass im Blockmodell der Altersteilzeit der geschilderte Störfall eintritt, in § 8 a Altersteilzeitgesetz eingeführt worden. Auch im Störfall ist sichergestellt, dass den Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmern das in der Arbeitsphase der Altersteilzeit erarbeitete Wertguthaben erhalten bleibt und keine Beitragsschuld gegenüber den Sozial- versicherungsträgern entsteht. In ihrem gemeinsamen Rundschreiben haben GKV-Spitzenverband, Deutsche Rentenversicherung Bund und Bundesagentur für Arbeit dies klargestellt. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Anette Kramme (SPD) (Drucksache 17/9677, Frage 24): Zu welchen Ergebnissen ist die Bundesregierung anläss- lich der Ressortabstimmung über den vom Bundesministe- rium für Arbeit und Soziales vorgelegten Referententwurf ei- nes Gesetzes zur Anerkennung der Lebensleistung in der Rentenversicherung gelangt, und plant die Bundesregierung, Ideen aus dem von einer Arbeitsgruppe der CSU entwickelten Alternativkonzept, das die „Zuschussrente“ verwirft, da es „als Einstieg in den Ausstieg aus der leistungsbezogenen Rente abzulehnen“ sei (Zitat nach Passauer Neue Presse vom 11. Mai 2011), und stattdessen Zeiten der Kindererziehung und Pflege besser bewerten möchte, in eine Umsetzung einzu- beziehen? Die Ressortabstimmung zum Referentenentwurf ist noch nicht abgeschlossen. Die Ergebnisse der Prüfung der sich aus der Abstimmung ergebenden Anregungen und Vorschläge werden in den Regierungsentwurf ein- fließen. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Fragen der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Fragen 26 und 27): Wie bewertet die Bundesregierung die deutlichen Hin- weise – zum Beispiel gibt es eine Schätzung, derzufolge im Jahr 2008 in Deutschland an den Kirrstellen insgesamt circa 125 000 Tonnen Mais bzw. 12,5 Kilogramm Mais pro Kilo- gramm dort erlegtem Wildbret ausgebracht wurden, massive Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 21455 (A) (C) (D)(B) Beschwerden von Schäfereien über Schwarzwildschäden auf Grünland infolge von durch Kirrungen angelocktes Schwarz- wild, regelmäßige Berichte über große Mengen an Mais, die an Kirrstellen in Tonnen gelagert werden –, dass die Kirrung in einem so großen Maße zu regelmäßiger Wildtierfütterung genutzt bzw. missbraucht wird, dass die bei den Kirrmaßnah- men insgesamt ausgebrachten Energiemengen erheblich zu den stetig steigenden Populationsdichten beim Schwarzwild und damit zu den steigenden Schwarzwildschäden in der Landwirtschaft beitragen, und welche Maßnahmen sind aus Sicht der Bundesregierung dagegen zu ergreifen? Welche jagdrechtlichen Schlussfolgerungen sind aus dem hohen Ausmaß an zur Wildtierfütterung missbrauchter Kir- rung aus Sicht der Bundesregierung zu ziehen, und wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang konkret die Forderung nach einer Beschränkung von Kirr- maßnahmen in Bezug auf Häufigkeit, Menge, Art des Futter- mittels und Art der Kirreinrichtungen, wie es zum Beispiel die Länder Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen umgesetzt haben, die Forderung nach effizienter Kontrolle und Sanktio- nierung von Zuwiderhandlungen sowie nach einem Kirrver- bot für den Fall, dass sich erweist, dass diese Beschränkungen aufgrund kaum möglicher effektiver Kontrollen nicht die nö- tige Wirkung erzielen? Zu Frage 26: Der Bundesregierung sind Schätzungen bekannt, dass große Mengen Mais zu Kirrzwecken in Jagdbezirken ausgebracht werden. Abgesicherte Zahlen liegen ihr al- lerdings nicht vor. Die stark gestiegenen Schwarzwildbestände können jedoch nicht ohne Weiteres auf die Kirrungen zurückge- führt werden. Gestiegener Anbau von Mais und anderen Energiepflanzen, regelmäßigere Masten bei Buche und Eiche sowie durch mildere Winter geringere Sterblich- keit bei Frischlingen, aber auch frühere Geschlechtsreife bei Überläuferbachen sind wesentliche Faktoren, die zu einer Zunahme der Schwarzwildbestände führen. Eine erfolgreiche Senkung der Schwarzwildbestände ist nur möglich, wenn Grundbesitzer, Landbewirtschaf- ter und Jagdausübungsberechtigte Lösungen absprechen und miteinander umsetzen. Die Bundesregierung fördert daher den Dialog zwi- schen Grundeigentümern, Landbewirtschaftern und Jagdausübungsberechtigten und ermuntert diese zu ge- meinsamen Aktionen. Dem diente unter anderem ein vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gefördertes Modellvorhaben zur Bejagung von Schwarzwild in großen Maisschlägen, das gemeinsam vom Deutschen Bauernverband, Deutschen Jagdschutzverband und dem Bundesverband der Jagd- genossenschaften und Eigenjagdbesitzer durchgeführt wurde. Die Ergebnisse des Modellvorhabens sind in ei- nem Leitfaden für Landwirte und Jäger veröffentlicht worden. Zu Frage 27: Die für diese Fragen zuständigen Bundesländer haben durchweg Regelungen zu Fütterung und Kirrung von Wild erlassen und es obliegt ihnen auch, ihre Vorgaben in Bezug auf das Ausbringen von Mais zu Kirrzwecken zu evaluieren. Ihnen obliegen gleichermaßen die Kon- trolle und gegebenenfalls die Sanktionierung von Verstö- ßen gegen diese Regelungen. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Fragen des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Fragen 28 und 29): Welche Bedeutung misst die Bundesregierung den Mög- lichkeiten für die Verhängung nationaler Anbauverbote für gentechnisch veränderte Nutzpflanzen durch die Mitgliedstaa- ten der Europäischen Union bei – auch im Hinblick auf das deutsche Anbauverbot für den gentechnisch veränderten Mais MON810 –, und inwieweit wird sich die Bundesregierung für entsprechende Vorschläge von Kommission oder Ratspräsi- dentschaft einsetzen? Inwieweit wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die in der Entschließung des Europaparlaments vom 6. Juli 2011 festgehaltenen Vorschläge zum Vorschlag der Kommission bezüglich nationaler Anbauverbote für gentech- nisch veränderte Pflanzen – einschließlich der aus Sicht des Europäischen Parlaments notwendigen Verbesserungen der Zulassungsverfahren – in den abschließenden Ratsverhand- lungen auch umgesetzt werden? Zu Frage 28: Der Vorschlag der EU-Kommission für eine Verord- nung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den Anbau von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen, wirft ebenso wie der Kompromissvor- schlag der dänischen EU-Präsidentschaft Fragen auf, insbesondere im Hinblick auf den EU-Binnenmarkt und die Regeln der WTO. Zudem stellt er einen Rückschritt in Richtung Renationalisierung dar. Die Bundesregie- rung lehnt daher den Vorschlag ab. Zu Frage 29: Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit. Den An- bau von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen und damit auch die hierzu gefasste Entschließung des Europäischen Parlament ab, Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Frage 30): Wie ist die Familienbetreuungsorganisation für die Be- treuung der Familien von Soldatinnen und Soldaten im Aus- landseinsatz personell ausgestattet, und wie ist das Verhältnis von hauptamtlichem Personal, dessen Schwerpunkt die Fami- lienbetreuung darstellt, zur Anzahl der betreuten Familien? Unter fachlicher Führung des Leit-Familienbetreu- ungszentrums beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr sind 31 Familienbetreuungszentren so dis- loziert, dass die Angehörigen der Soldatinnen und Soldaten innerhalb einer Stunde Fahrzeit zu einem Fami- lienbetreuungszentrum gelangen können. Ein Familien- betreuungszentrum verfügt als hauptamtliches Personal 21456 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 (A) (C) (D)(B) über fünf Dienstposten, das Kontinuität, Qualität und Professionalität der Betreuungsarbeit gewährleistet. Die Familienbetreuungszentren werden durch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unterstützt. Die hauptamtliche Familienbetreuungsorganisation mit ihren Familienbetreuungszentren wird durch die zeitlich befristete Einrichtung von Familienbetreuungs- stellen ergänzt und verdichtet. Diese werden durch die kontingentstellenden Truppenteile in den Standorten mit nebenamtlichem Personal für die Dauer des Einsatzes aufgestellt und fachlich einem Familienbetreuungszen- trum zugeordnet. Da die Familienbetreuungsorganisation dem Regio- nalprinzip folgt, ist das Verhältnis von hauptamtlichem Personal und der Anzahl der zu betreuenden Familienan- gehörigen maßgeblich vom Wohnort der Familien be- stimmt. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Frage 31): Geht die zur kindergerechten Vermittlung der Tätigkeiten von Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz entwickelte Figur „Karl, der Bärenreporter“ auf die Rolle von Soldatinnen im Einsatz ein, und inwiefern ist es nach Ansicht des Bundes- ministeriums der Verteidigung notwendig, dass auch Soldatin- nen ihren Kindern ihre Tätigkeit im Einsatzland mithilfe der zur Verfügung gestellten Hilfsmittel vermitteln können? Die Kinderbücher „Karl, der Bärenreporter, geht in den Einsatz“ sowie „Karl, der Bärenreporter, bei der Ma- rine“ wurden entwickelt, um auf kindgerechte Weise Fragen des Auslandseinsatzes zu transportieren sowie Kinder und Eltern zu dieser Thematik ins Gespräch zu bringen. Sie stehen sowohl Soldatinnen als auch Solda- ten als Hilfsmittel zur Verfügung, ihren Kindern ihre Tä- tigkeit im Einsatz zu vermitteln. Ziel ist es, auch den Kleinsten eine Vorstellung von der Arbeitswelt ihrer Mütter und Väter zu geben. Die Kinderbücher wurden unter Mitwirkung weiblicher Psychologen erstellt. Die Tätigkeiten von Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz unterscheiden sich verwendungsbezo- gen grundsätzlich nicht voneinander. Die Kinderbücher gehen daher auf unterschiedliche Verwendungen und Lebensumstände im Einsatz ein, jedoch nicht auf ge- schlechterspezifische Aspekte. Es wird dafür Sorge getragen werden, dass bei nächster Gelegenheit der wichtige Beitrag von Soldatinnen in solchen Medien auch deutlicher einbezogen wird. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Frage 32): Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wann die vom bayerischen Staatsminister für Umwelt und Gesundheit, Dr. Marcel Huber, in einem Schreiben vom 15. Mai 2012 zur „Gebietskulisse Windkraft als Umweltplanungshilfe für Kommunen“ angekündigten Erleichterungen in der Frage von militärischen Tiefflügen und die in diesem Zusammenhang geplante Anpassung der Nachttiefflugsysteme, wodurch eine Anhebung der Höhe von Bauwerken bis zu einer Höhe von 213 Metern über Grund – vorbehaltlich sonstiger militärischer Belange – ermöglicht wird, rechtskräftig werden und ob sich diese nur auf Bayern oder auf das ganze Bundesgebiet bezie- hen? Wo immer möglich unterstützt die Bundeswehr die Förderung regenerativer Energien und sucht nach Kom- promissen, um die Genehmigungsverfahren für den Bau von Windenergieanlagen zu erleichtern. Diese Unterstüt- zung hat sich jedoch am verfassungsmäßigen Auftrag der Streitkräfte zu orientieren. Sie darf nicht dazu führen, dass die Streitkräfte im Einsatz und in der Aus- bildung übermäßig eingeschränkt werden. Im Zusammenhang mit der Neuausrichtung der Bundeswehr wurde auch das Nachttiefflugsystem in Deutschland untersucht. In einem ersten Schritt konnte die Bundeswehr im bestehenden Nachttiefflugsystem bereits zahlreiche Streckenabschnitte identifizieren, un- ter denen Bauhöhen von Windenergieanlagen bis zu ei- ner maximalen Höhe von 213 Metern über Grund zuläs- sig sind. Eine dementsprechende Information erfolgte bundeswehrintern an die zuständigen Verwaltungen und über die Bund-Länder-Initiative an die Bundesländer. Auf Grund der Standortentscheidungen und der künf- tigen Luftfahrzeugflotten- und Fähigkeitsentwicklungen konnte nunmehr eine bedarfsabhängige Anhebung der Untergrenze des Nachttiefflugsystems um rund 100 Me- ter ermöglicht werden. Diese Anhebung ist ohne signifi- kante Einschränkungen für die militärische Aufgaben- wahrnehmung mit sofortiger Wirkung gültig. Mit der Entscheidung der Anhebung der Untergrenze des Nachttiefflugsystems leistet die Bundeswehr einen wichtigen Beitrag zum Ausbau der Windenergie. Damit entfallen bundesweit nahezu sämtliche Bauhöhen- beschränkungen für Windenergieanlagen aufgrund des Nachttiefflugsystems. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Fra- gen des Abgeordneten Steffen-Claudio Lemme (SPD) (Drucksache 17/9677, Fragen 33 und 34): Ist es im Rahmen der Regelungen des Bundesfreiwilligen- dienstes von der Bundesregierung beabsichtigt, dass Wohl- fahrtsverbände in ihrer Funktion als Zentralstellen gegenüber den ihnen zugewiesenen Einsatzstellen Verwaltungsgebühren für die Zuweisung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Bundesfreiwilligendienst verlangen, welche zwischen den Verbänden variieren, und wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, dass die Zentral- stellen auf dieser Grundlage zusätzliche Einkünfte erwirt- schaften? Wie beurteilt die Bundesregierung die damit einher- gehende Gefahr einer Zweiklassengesellschaft im Bundesfrei- willigendienst zwischen Vereinen und Verbänden, welche die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 21457 (A) (C) (D)(B) Bearbeitungsgebühren für die Beschäftigung von Dienst- leistenden aufbringen können, und solchen, die die notwen- dige Finanzkraft nicht besitzen, und wie beabsichtigt die Bun- desregierung hier gleichwertige Ausgangsbedingungen für alle Vereine und Verbände zu schaffen? Zu Frage 33: Der Bundesfreiwilligendienst bietet den Einsatzstel- len einen großen Handlungsspielraum. Nach § 6 Abs. 5 BFDG haben die Einsatzstellen des- halb auch die Möglichkeit der Aufgabenübertragung. So wird keine Einsatzstelle einer Zentralstelle „zugewie- sen“, wie es in der Frage heißt, sondern jede Einsatz- stelle ordnet sich nach eigenem Ermessen von sich aus einer Zentralstelle zu. Wenn eine Einsatzstelle von der Möglichkeit Gebrauch macht, Aufgaben zu übertragen und zum Beispiel eine Zentralstelle mit der Erfüllung ei- gener Aufgaben, die sie nicht selbst erledigen möchte, beauftragt, so ist es durchaus angemessen und allgemein üblich, dass dafür eine Gebühr zu zahlen ist. Aus Sicht der Bundesregierung handelt es sich dabei um eine innerverbandliche Angelegenheit, in die sie sich – auch mit Blick auf die von den Verbänden immer wie- der und vehement eingeforderte Unabhängigkeit der Wohlfahrtsverbände und der Zivilgesellschaft – nicht einmischt und auch nicht einmischen will. Zu Frage 34: Da die Einsatzstellen diese Aufgaben selbst erledigen können, besteht für diejenigen Einsatzstellen, die dafür keine Gebühren bezahlen wollen oder können, die Mög- lichkeit der Kostensteuerung, indem sie die Aufgabe selbst übernehmen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf die jahrzehntelange – und im Übrigen nie kritisierte – Praxis im FSJ, wonach Zentralstellen sich von den Trägern im Rahmen des Förderverfahrens Verwaltungskosten per Umlage erstatten lassen und diese je nach Zentralstelle unterschiedlich hoch sind. Die Erfahrung aus dem FSJ zeigt, dass dieses Vor- gehen die Vielfalt von Trägern und Einsatzstellen nicht behindert. Vielmehr wird das FSJ in der Praxis gestärkt, da über den Zentralstellenverbund beispielsweise ein Ausgleich zwischen finanzstarken und finanzschwachen Trägern und Einsatzstellen erfolgen kann. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Frage 35): Auf welche Zahlen beruft sich die Bundesregierung mit ihrer Aussage, „es fehlen noch 130 000 Krippenplätze“ (ver- gleiche Die Welt vom 16. Mai 2012), um das Ausbauziel von 750 000 Plätzen bis August 2013 zu erreichen, wo doch die aktuellste Kinder- und Jugendhilfestatistik zu Kindern und tä- tigen Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich geför- derter Kindertagespflege vom Statistischen Bundesamt vom November 2011 mit dem Stichtag 1. März 2011 stammt, und wie viele unter Dreijährige werden nach Erkenntnis der Bun- desregierung derzeit in Tageseinrichtungen oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege betreut (bitte aufgelistet nach Ländern)? Im März 2011 befanden sich nach der amtlichen Sta- tistik 517 000 Kinder unter drei Jahren bundesweit in Tagesbetreuung. Die Anzahl der im vergangenen Jahr nach dieser Statistik geschaffenen Betreuungsplätze für Kinder in den ersten drei Lebensjahren werden erst mit der neuen Kinder- und Jugendhilfestatistik des Statisti- schen Bundesamts im Herbst 2012 vorliegen. Nach einer Abfrage bei den Ländern, ergibt sich, dass nach Aussa- gen der Länder und entsprechend ihrer eigenen Erhe- bungsmethoden in diesem Zeitraum rund 100 000 Plätze geschaffen wurden. Berücksichtigt man diese Entwicklung des letzten Jahres, ergibt sich bis zu den 750 000 Plätzen noch eine Differenz von rund 130 000. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Frage 36): Wie viele Finanzmittel plant die Bundesregierung für die Realisierung des angekündigten Zehn-Punkte-Programms für den Kitaausbau, zusätzlich zu dem Sondervermögen „Kinder- betreuungsausbau“ und der Umverteilung der Umsatzsteuer- punkte, für die kommenden Jahre als Ausgaben in den Bun- deshaushalt einzustellen? Bundesministerin Schröder erarbeitet derzeit ein Zehn-Punkte-Programm um den weiteren Ausbau der Kindertagesbetreuung für Kinder in den ersten drei Le- bensjahren zu befördern. In diesem Kontext finden der- zeit Gespräche innerhalb der Bundesregierung statt. Weitere Angaben können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gemacht werden. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/9677, Frage 37): Wie viele Anträge auf Anerkennung als Conterganopfer sowie auch auf Neubewertung der Schadenseingruppierung sind seit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes bei der Stiftung eingegangen, und wie viele wurden positiv oder negativ entschieden? Neuanträge seit 1. Juli 2009: Anzahl Anträge: 564 Entscheidungen: 386 Positiv: 61 Negativ: 322 Rücknahmen: 3 21458 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 (A) (C) (D)(B) Anträge auf Neubewertung der Schadenseingruppie- rung seit 1. Juli 2009: Anzahl: 362 Entscheidungen: 229 Positiv: 143 Negativ: 85 Rücknahme: 1 Anlage 23 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/9677, Frage 38): Was hat die Bundesregierung – auch mit Blick auf das Schreiben des Staatssekretärs im Bundesministerium für Ge- sundheit, Dr. Klaus Theo Schröder, vom 15. Mai 2008 an die Spitzenverbände der Krankenkassen – in den letzten zwei Jah- ren unternommen, um die medizinische Versorgung der Con- tergangeschädigten inklusive der Bereitstellung und Kosten- übernahme von Hilfs- und Heilmitteln spürbar zu verbessern? Die Bundesregierung nimmt die medizinische Versor- gungssituation von contergangeschädigten Menschen sehr ernst. Entsprechend des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 22. Januar 2009 zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP „Angemes- sene und zukunftsorientierte Unterstützung der Conter- gangeschädigten sicherstellen“ (Bundestagsdrucksache 16/11223) setzt sich die Bundesregierung dafür ein, die Erschwernisse bei der Gewährung von Leistungen in den Bereichen Gesundheit/Pflege/Assistenz/Mobilität zu be- seitigen und dabei die besonderen Belange von Conter- gangeschädigten in die Entscheidungen mit einfließen zu lassen. Mit dem von Ihnen genannten Schreiben vom 15. Mai 2008 hat der damalige Staatssekretär im Bundesministe- rium für Gesundheit, Dr. Klaus Theo Schröder, Defizite bei der Rechtsanwendung im Bezug auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung angesprochen. Das Bundesministerium für Gesundheit hat seinerzeit die Spitzenverbände der Krankenkassen, die Kassenärztli- che Bundesvereinigung, die Kassenzahnärztliche Bun- desvereinigung, den Gemeinsamen Bundesausschuss so- wie die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu gemeinsamen Fachgesprächen eingeladen, um die Problemlage fach- lich aufzubereiten und nach Lösungen zu suchen, wie die Versorgung der Betroffenen verbessert werden kann. In den Gesprächen haben sich die Beteiligten seinerzeit auf konkrete Hinweise zur Verordnung und Bewilligung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung verständigt. Danach muss unter Ausnutzung der gegebe- nen rechtlichen Möglichkeiten insbesondere auch den unterschiedlichen medizinischen Bedarfen der Conter- gangeschädigten Rechnung getragen werden. Dies gilt insbesondere für die Versorgung mit Heil- und Hilfsmit- teln, die Übernahme von Fahrtkosten sowie die notwen- digen Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen. Um die Versorgungssituation der Betroffenen zu verbessern, sind die Verordnungsmöglichkeiten und Ausnahmetatbe- stände auszuschöpfen und Genehmigungen – so weit möglich – zügig und unbürokratisch zu erteilen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die mit dem Schreiben vom 15. Mai 2008 beigefügten Hinweise zur Verordnung und Bewilligung von bedarfsgerechten Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung von den Krankenkassen bei der Erfüllung ihres Versorgungs- auftrages beachtet werden. Auch in den letzten zwei Jahren hat die Bundesregie- rung konkrete Maßnahmen auf den Weg gebracht, die contergangeschädigten Menschen zugutekommen. Dies betrifft insbesondere das GKV-Versorgungstrukturge- setz, das am 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist. So weit in der Frage konkret die Heilmittelversorgung angespro- chen wird: Mit dem Versorgungsstrukturgesetz wurde Versicherten, die langfristig Heilmittel benötigen, die Möglichkeit eingeräumt, sich die erforderlichen Heilmit- tel für einen geeigneten Zeitraum von ihrer Kranken- kasse genehmigen zu lassen. Mit der gesetzlichen Neuregelung wurde eine vom Gemeinsamen Bundesaus- schuss in der Heilmittel-Richtlinie getroffene Regelung aufgegriffen und weiterentwickelt. Insbesondere unter- liegen die entsprechenden Verordnungen nicht mehr den Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Auch die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskon- vention ist für die Belange contergangeschädigter Men- schen von großer Bedeutung. In Deutschland wird die UN-Behindertenrechtskonvention durch den Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung vom 15. Juni 2011 umgesetzt. Darin ist beispielsweise vorgesehen, dass die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern ein Pro- gramm „Barrierefreie Arztpraxen“ initiiert mit dem Ziel, die Anzahl barrierefreier Praxen in den nächsten zehn Jahren zu erhöhen. Auch das geplante Patientenrechtegesetz, das am 1. Januar 2013 in Kraft treten soll, wird contergange- schädigten Menschen zugutekommen. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung soll das Gesetz die Rechtspositionen der Versicherten stärken. Geplant ist beispielsweise, dass die Versicherten sich bei nicht rechtzeitiger Entscheidung ihrer Krankenkasse Leistun- gen selbst beschaffen können. Um die gesetzliche Krankenversicherung für die Pro- blematik der Versorgung contergangeschädigter Men- schen zu sensibilisieren, hat sich der Vorstand der Con- terganstiftung mit einem Schreiben vom 24. Januar 2012 an die Vorstände der Krankenkassenverbände und an die Kassenärztliche Bundesvereinigung gewandt. Darüber hinaus fand am 16. Mai 2012 ein Gespräch zwischen dem Vorstand der Conterganstiftung und dem Staats- sekretär im Bundesministerium für Gesundheit, Herrn Thomas Ilka, statt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 21459 (A) (C) (D)(B) Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Fragen 39 und 40): Bis wann und nach welchen Kriterien werden voraussicht- lich die Pilotstrecken für die Leistungs- und Finanzierungs- vereinbarung, LuFV, Straße bzw. die entsprechende Alterna- tive (vergleiche Antwort der Bundesregierung auf meine mündliche Frage 89, Plenarprotokoll 17/177, Anlage 59) be- nannt? Wie wird sichergestellt, dass die Kriterien im Rahmen die- ser Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern vergleichbar und überprüfbar sind? Mögliche Dokumentationskriterien und Zielvereinba- rungen befinden sich erst in der Entwicklung. Alle Bundesländer haben Vorschläge für Pilotstrecken gemeldet, an denen Vorschläge für die Dokumentation von Erhaltungsmaßnahmen sowie für mögliche Zielver- einbarungen erarbeitet werden sollen. Am 9. Mai 2012 wurden in einer ersten Dienstbesprechung mit Vertretern der Länder die Thematik auf Arbeitsebene erörtert. Es wurde vereinbart, dass bis Ende Mai vonseiten des Bun- desministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ein Katalog mit Vorschlägen bzw. Kriterien für eine ein- heitliche Darstellung der Erhaltungsmaßnahmen an den Pilotstrecken den Auftragsverwaltungen zur Verfügung gestellt wird. Auf Basis dieses Katalogs werden die Länder mit der Dokumentation ihrer Pilotstrecken beginnen bzw. ihre Streckenauswahl überprüfen und gegebenenfalls geeig- netere Projekte auswählen. Bis spätestens Sommer 2012 werden alle Pilotstrecken dann endgültig benannt sein. Die Überprüfbarkeit und Vergleichbarkeit herzustel- len und abzusichern ist ein wesentliches Ziel der Ent- wicklung und Erprobung geeigneter Kriterien anhand der Pilotstrecken. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der Abgeordneten Jutta Krellmann (DIE LINKE) (Druck- sache 17/9677, Frage 44): Trifft es zu, dass es durch die geplante Vergabe einer drit- ten Lizenz für die Bodendienste am neuen Flughafen Berlin Brandenburg, wie die Gewerkschaft Verdi befürchtet, zu einer Unterbietung der mit den bisherigen beiden Betreibern tarif- vertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen und Löhne kom- men kann, und ist es das Ziel der Bundesregierung, als An- teilseigner der Betreibergesellschaft des Flughafens Berlin Brandenburg eine solche Ausschreibung zum Lohndumping zu verhindern (bitte begründen)? Für den ausgebauten Verkehrsflughafen BER ist eine dritte Lizenz für die Bodenabfertigungsdienste geplant und wird inzwischen vorbereitet. Bei der Größe, dem Verkehrsaufkommen und der Flä- che des Flughafens erscheint diese Anzahl gerechtfer- tigt. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der Abgeordneten Jutta Krellmann (DIE LINKE) (Druck- sache 17/9677, Frage 45): Trifft es zu, dass die Verhandlungen zur Neuordnung der Bodendienste an europäischen Flughäfen durch die Europäi- sche Union zu einer völligen Liberalisierung der Bodendienst- leistungen und damit zu einem Verfall von Löhnen und Ar- beitsbedingungen führen, wie von der Gewerkschaft Verdi befürchtet, unter anderem durch die Vorgabe, mehrere Dienstleis- tungsunternehmen konkurrieren zu lassen, und die Möglichkeit zur Unterauftragsvergabe und der rechtlichen Ausgliederung der Bodenverkehrsdienste aus den Flughafengesellschaften, und was wird die Bundesregierung unternehmen, um dieses zu verhindern (bitte begründen)? Die EU-Kommission sieht in ihrem derzeitigen Vor- schlag für eine Verordnung des Europäischen Parla- ments und des Rats über Bodenabfertigungsdienste auf Flughäfen in der Union und zur Aufhebung der Richtli- nie 96/67/EG eine weitere Liberalisierung des Sektors Bodenabfertigungsdienste vor. Für die Selbstabfertigung durch die Fluggesellschaften ist eine völlige Markt- öffnung vorgesehen. Auf Flughäfen, die bestimmte Pas- sagier-/Frachtmengen (5 Millionen Passagiere oder 100 000 Tonnen Fracht jährlich) überschreiten, müssen statt bisher zwei nun drei Dienstleister zugelassen wer- den (Drittabfertigung). Eine einmalige Unterauftragsver- gabe soll Drittanbietern erlaubt, für Flughäfen jedoch nicht zulässig sein. Weiter sieht der EU-Verordnungsvor- schlag für die Bodenabfertigungsdienste der Flughäfen eine rechtliche Trennung von den Flughafengesellschaf- ten vor. Die Bundesregierung ist bestrebt, dass die Qualität der Dienstleistungen im Hinblick auf die Sicherheits- anforderungen an Flughäfen gewährleistet bleibt. Auch müssen die Belange der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Blick behalten werden. Im EU-Verkehrsministerrat hat sich jedoch gezeigt, dass eine vollständige Ablehnung des Vorschlags keine durchgreifende Erfolgsaussicht hatte, da es kaum Unter- stützung von anderen Mitgliedstaaten hierzu gab. Deutschland hat sich im EU-Verkehrsministerrat enthal- ten. Der Vorschlag der EU-Kommission wird derzeit wei- ter im Europäischen Parlament behandelt. Danach wer- den die Vorstellungen erneut einer ausführlichen Bewer- tung im Hinblick auf die Folgen unterworfen. Anlage 27 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Frage 48): Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um den aktuellen Preisverfall bei den Emissionszertifikaten zu stop- pen, und wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusam- menhang die Vorschläge des Wissenschaftlichen Beirats zur Einführung einer Steuer auf CO2-Emissionen? 21460 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 (A) (C) (D)(B) Der europäische Kohlenstoffmarkt ist zurzeit auf- grund verschiedener Entwicklungen durch ein deutliches Nachlassen der Preise gekennzeichnet. Trotz dieses Preisabfalls ist gewährleistet, dass der Emissionshandel bis 2020 das festgelegte Emissionsminderungsziel er- reicht. Die Funktionsfähigkeit des Emissionshandelssys- tems ist insofern nicht gefährdet. Derzeit wird in verschiedenen Zusammenhängen über die Weiterent- wicklung der EU-Klimaschutzpolitik diskutiert. Dabei stehen auch Fragen im Zusammenhang mit dem derzeiti- gen Preissignal für CO2-Zertifikate und der Erreichung der mittel- und langfristigen Klimaziele der EU auf der Tagesordnung. Die Bundesregierung prüft derzeit ver- schiedene Optionen zur Weiterentwicklung der EU-Kli- maschutzpolitik. Die Meinungsbildung hierzu ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministe- rium für Wirtschaft und Technologie, BMWi, beleuchtet in seinem Gutachten zum Thema „Wege zu einer wirksa- men Klimapolitik“ die aktuelle Diskussion zur Klima- politik und beschäftigt sich vor allem mit den Instrumen- ten zur Bewältigung des globalen Klimawandels. Der Beirat schlägt vor, auf internationaler Ebene von der Mengensteuerung abzugehen (Kioto-System) und statt- dessen den Fokus der Verhandlungen auf eine internatio- nal einheitliche Mindeststeuer auf CO2-Emissionen zu richten. Damit würden die Verteilungsfragen, die bislang eine Einigung auf internationaler Ebene erschweren, nach Auffassung des Beirats an Bedeutung verlieren. Die Bundesregierung steht diesem Vorschlag ableh- nend gegenüber. Das gilt insbesondere dann, wenn eine solche Steuer mit einer Importabgabe verbunden würde. Damit wäre das Risiko eines verstärkten Protektionis- mus verbunden, zum Schaden des internationalen Han- dels und des Wachstums der Weltwirtschaft. Darüber hinaus betrachtet die Bundesregierung den Emissions- handel als das vorrangige Klimaschutzinstrument. Anlage 28 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Frage 49): Wie lauten die bislang geplanten wesentlichen Merkmale des in der Antwort auf meine schriftliche Frage 115 auf Bun- destagsdrucksache 17/9615 genannten, zur Unterstützung der Arbeitsgruppe der Strahlenschutzkommission initiierten For- schungsvorhabens – bitte insbesondere mit Vorhabensbe- schreibung und zu untersuchenden Fragestellungen im Wort- laut, Finanzvolumen und Laufzeit –, und wer soll nach bisheriger Planung daran beteiligt sein (bitte jeweils mit Er- läuterung der konkreten Rolle)? Der Reaktorunfall von Fukushima hat zahlreiche neue Erkenntnisse hervorgebracht. Er ist mit dem Unfall von Tschernobyl, an dem sich die Notfallschutzplanungen bisher orientiert haben, nicht vergleichbar. Dies macht eine Überprüfung des gesamten deutschen Regelwerks für den Notfallschutz erforderlich. Das Forschungsvorhaben dient der fachlichen Unter- stützung der Notfallschutzplanung bei der Aufarbeitung der Erfahrungsrückflüsse aus dem Reaktorunfall in Fu- kushima, auch durch die Auswertung internationaler Entwicklungen im Notfallschutz und der dort eingesetz- ten Hilfsmittel. Insbesondere sollen Einzelfragen beant- wortet, spezielle Aspekte des Notfallschutzes untersucht und Beratungen der Strahlenschutzkommission unter- stützt werden. Die im Rahmen dieses Vorhabens zusammenzutra- genden und aufzubereitenden Erkenntnisse sowie die zu erstellenden Unterlagen dienen der Aktualisierung und somit der Verbesserung des Konzeptes zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland auf der Basis der vertieften Analyse des Verlaufs und der Folgen des Fukushima-Er- eignisses. Es ist beabsichtigt, das Vorhaben in Kürze zu verge- ben. Das Vorhaben ist in sechs Arbeitspakete untergliedert. Dabei geht es um: – die Zusammenstellung des aktuellen Stands von Wis- senschaft und Technik auf dem Gebiet des radiologi- schen Notfallschutzes, – Grundsatzfragen, – Schnittstellen zwischen anlagenexternem und anla- geninternem Notfallschutz, – die Rahmenempfehlungen für den Katastrophen- schutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen, – Methoden der Quelltermentwicklung und – Fragen der Kommunikation und Information. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Frage 50): Wie beziffert sich der deutsche finanzielle Anteil – bitte genauen Betrag in Euro – an den insgesamt 2,56 Milliarden Euro für das „Rahmenprogramm der Europäischen Atomge- meinschaft für Forschungs- und Ausbildungsmaßnahmen im Nuklearbereich (2012-2013)“, und aus welchen Quellen – Haushaltstiteln oder Ähnlichem – kommen diese Mittel? Das „Rahmenprogramm der Europäischen Atomge- meinschaft für Forschungs- und Ausbildungsmaßnah- men im Nuklearbereich (2012-2013)“ ist aufgrund ge- meinschaftsrechtlicher Verpflichtungen integraler Teil des allgemeinen EU-Haushalts (Rubrik 1 a, Titel 08). Der Anteil der Bundesrepublik am EU-Haushalt beträgt rund 20 Prozent. Der EU-Haushalt wird gemäß Art. 311 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unbeschadet der sonstigen Einnahmen vollständig aus den von den Mitgliedstaaten abzuführenden Eigen- mitteln (nach geltendem Recht: Zölle und Agrar- abgaben, Mehrwertsteuereigenmittel, BNE-Eigenmittel) finanziert. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 21461 (A) (C) (D)(B) Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fra- gen des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Fragen 51 und 52): Wie plant die Bundesregierung die angebliche Einigung des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- cherheit, Dr. Norbert Röttgen, und des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp Rösler, in Deutsch- land, bis zur Vorlage des bereits im Herbst 2011 vom Bundes- ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in Auftrag gegebenen Gutachtens zu den Umweltauswirkun- gen der Fracking-Technologie, keine Bohrungen nach Schie- fergas unter Einsatz der Fracking-Technologie zuzulassen (siehe Der Spiegel vom 7. Mai 2012), konkret rechtlich umzu- setzen, und wird die betroffene Regelung auch für Bohrungen nach Kohleflözgas gelten? Welche konkreten Initiativen plant die Bundesregierung bezüglich der Einrichtung von Kapazitätsmechanismen, nach- dem das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Techno- logie in Auftrag gegebene Gutachten des Energiewirtschaftli- chen Instituts an der Universität zu Köln vorgelegt wurde, und wie sieht der weitere Zeitplan diesbezüglich aus? Zu Frage 51: Die Bundesregierung wird einen gesetzlichen Ände- rungsbedarf für Erdgas aus unkonventionellen Lagerstät- ten, insbesondere Schiefergas und Kohleflözgas, vor dem Hintergrund der von ihr in Auftrag gegebenen Stu- dien prüfen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat Ende 2010 die Bundesanstalt für Geo- wissenschaften und Rohstoffe mit einem Forschungspro- jekt zur Erfassung und Bewertung des Potenzials von Kohlenwasserstoffen aus nichtkonventionellen Lager- stätten in Deutschland beauftragt. Erste Ergebnisse wer- den in Kürze vorgelegt werden. Das Umweltbundesamt hat im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit eine Studie über Umweltauswirkungen bei Fracking ausgeschrieben. Erste Ergebnisse werden im Juni 2012 erwartet. Im Übrigen sind nach der im Grundgesetz festgelegten Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern für die Genehmigung oder Ablehnung von bergrechtlichen Erlaubnisanträgen die Länder ausschließlich zuständig. Insofern stellen sich die Fragen nach der Genehmigung oder Ablehnung von sogenannten Fracking-Anträgen nicht. Zu Frage 52: Das Bundeswirtschaftsministerium hat auf der ver- gangenen Sitzung des Kraftwerksforums am 20. April 2012 einen Dialog über die Zukunft unseres Strom- markts begonnen. Das Energiewirtschaftliche Institut der Universität zu Köln, EWI, hat dort ein Gutachten zum Strommarktdesign vorgestellt. Alle im Kraftwerksforum vertretenen Länder und Verbände sind aufgefordert, bis zum August diesen Jahres zu diesem Thema im All- gemeinen und zu den Modellen, die das EWI-Gutachten diskutiert, im Einzelnen Stellung zu beziehen. Das Bundeswirtschaftsministerium wird auf Grundlage auch dieser Stellungnahmen einen zusammenfassenden Be- richt erstellen, der auf dem kommenden Kraftwerks- forum im Herbst vorgestellt und diskutiert werden soll. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Frage 54): Wann beabsichtigt die Bundesregierung von der Ermäch- tigung nach § 49 Abs. 4 Nr. 8 des Energiewirtschaftsgesetzes, durch Rechtsverordnung Anforderungen an die technische und betriebliche Flexibilität neuer Anlagen zur Erzeugung von Energie zu treffen, Gebrauch zu machen? Die Bundesregierung hat noch nicht entschieden, in- wiefern und inwieweit von der Ermächtigung nach § 49 Abs. 4 Nr. 8 des Energiewirtschaftsgesetzes Gebrauch gemacht werden soll. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Frage 55): Plant oder führt die Bundesregierung Gespräche mit dem niederländischen Finanzministerium in seiner Eigenschaft als Eigentümer der TenneT TSO GmbH, um für eine adäquate und den gesetzlichen Anforderungen des Energiewirtschafts- gesetzes entsprechende Finanzausstattung der TenneT TSO GmbH zu werben, und, wenn nein, warum nicht? Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technolo- gie führt Gespräche mit der niederländischen Regierung, in denen die Finanzausstattung der TenneT TSO und die gesetzlichen Verpflichtungen des Unternehmens aus dem Energiewirtschaftsgesetz thematisiert werden. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fra- gen der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) (Drucksache 17/9677, Fragen 56 und 57): Kann die Bundesregierung die Meldung der Financial Times Deutschland vom 14. Mai 2012 bestätigen, wonach der Energieversorger Eon AG plant, im kommenden Jahr Gas- kraftwerke in Bayern und Hessen stillzulegen? Welche Folgen hätte eine Stilllegung dieser Gaskraftwerke für die Sicherheit der Stromversorgung in Süddeutschland? Zu Frage 56: Der Bundesregierung sind diesbezüglich keine end- gültigen Pläne von Eon bekannt. Das Unternehmen ist in engem Kontakt mit der Bundesnetzagentur. Zu Frage 57: Wie die Bundesnetzagentur in ihrem „Bericht zur Notwendigkeit eines Reservekraftwerkes vom 31. Au- gust 2011“ sowie im „Bericht zum Zustand der leitungs- gebundenen Energieversorgung im Winter 2011/2012“ vom 3. Mai 2012 dargelegt hat, ist die Versorgungslage insbesondere in Süddeutschland weiter angespannt. 21462 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 (A) (C) (D)(B) Viele geplante Stilllegungen sind der Bundesnetzagentur bereits seit längerem bekannt und wurden in den Kraft- werkslisten veröffentlicht. Darüber hinausgehende, bis- lang nicht bekannte Stilllegungen von für Versorgungs- sicherheit und Systemstabilität bedeutsamen Kraftwerken in Süddeutschland bedeuten einen erhöhten Bedarf an Reservekraftwerken. Bundeswirtschaftsministerium und Bundesnetzagentur prüfen gegenwärtig gemeinsam auf Grundlage des Berichts der Bundesnetzagentur zur Ver- sorgungslage im vergangenen Winter notwendige Maß- nahmen. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Frage 58): Wird die Bundesregierung eine gesonderte Umlage zur Haftungsübernahme bei fehlender bzw. verzögerter Netz- anbindung von Offshorewindparks und Leitungsschäden bei Offshorewindparkanbindungen einführen, wie in der Frank- furter Allgemeinen Zeitung am 16. Mai 2012 berichtet wurde, und, wenn ja, wie wird diese Umlage ausgestaltet (gesonderte Ausweisung auf der Stromrechnung, besondere Ausgleichsre- gelungen für energieintensive Betriebe)? Die Bundesregierung plant im Sommer 2012 einen Kabinettsbeschluss zu einer Haftungsregelung für die Errichtung und den Betrieb von Anbindungsleitungen für Offshorewindparks herbeizuführen. Ein konkreter Regelungsvorschlag ist derzeit noch nicht ressortabge- stimmt. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Frage 59): Wie viele Verfahren hat das Bundeskartellamt seit 2005 bezüglich § 20 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbs- beschränkungen durchgeführt und mit welchem Ergebnis? Das Verbot sogenannter Preis-Kosten-Scheren in § 20 Abs. 4 Nr. 3 GWB wurde erst durch das Gesetz zur Be- kämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energie- versorgung und des Lebensmittelhandels, das am 22. Dezember 2007 in Kraft getreten ist, ausdrücklich kodifiziert. Infolgedessen können Auskünfte zur Fallpra- xis des Bundeskartellamts erst ab diesem Zeitpunkt ge- macht werden. Derzeit führt das Bundeskartellamt sechs Verfahren nach § 20 Abs. 4 Nr. 3 GWB. Davon wurde eines im Jahr 2009 und fünf weitere Verfahren im April 2012 ein- geleitet. Die Verfahren betreffen den Verdacht der Be- hinderung freier Tankstellen (Preis-Kosten-Scheren) bei der Belieferung durch große, vertikal integrierte Mine- ralölunternehmen und sind noch nicht abgeschlossen. Anlage 36 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Frage 60): Wie hoch waren nach Kenntnis der Bundesregierung die Gesamtkosten Griechenlands für Rüstungsimporte in den Jah- ren 2009, 2010, 2011 (Ist) und 2012 (Soll) insbesondere aus Frankreich und – ausweislich deutscher Statistiken des Bun- desamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle – aus Deutsch- land, einschließlich der Kosten für zweifelhafte Zahlungen wie Schmier- und Bestechungsgelder etwa im Zusammen- hang mit sechs verkauften U-Booten 214 (vergleiche Han- delsblatt vom 12. April 2012), und welche besonderen Bemü- hungen hat die Bundesregierung unternommen, um im Rahmen von europäischen Sparauflagen und Sparappellen und des Internationalen Währungsfonds auf Einsparungen im Bereich des Rüstungsimports im griechischen Haushaltsplan 2012 zu dringen und so zu erreichen, dass der Sozialetat im Haushalt nicht um 9 Prozent, also 2 Milliarden Euro, gekürzt und die NATO-Beiträge nicht um 50 Prozent auf 60 Millionen Euro sowie der Wehretat nicht um 18,2 Prozent, also um 200 Millionen Euro, auf 1,3 Milliarden Euro, erhöht werden (vergleiche Die Zeit vom 12. Januar 2012)? Die Bundesregierung verfügt nicht über Informatio- nen zu den Gesamtkosten Griechenlands für Rüstungs- importe in den Jahren 2009, 2010 und 2011. Auch zu den aus Deutschland und Frankreich nach Griechenland tatsächlich ausgeführten Rüstungsgütern liegen keine vollständigen Zahlen vor. Der Bundesregierung liegen keine Informationen zu den für griechische Kunden im Einzelfall zu beachten- den Zahlungsmodalitäten für Rüstungsgüterimporte aus Deutschland vor. Derartige Verpflichtungen sind in den Verträgen festgelegt, die von der deutschen Industrie mit ihren griechischen Kunden ausgehandelt worden sind. An derartigen Vertragsverhandlungen nimmt die Bun- desregierung nicht teil. Nur im Rahmen des Genehmi- gungsverfahrens zu Exportanträgen wird die Bundes- regierung mit der Sache befasst. Der Bundesregierung ist nicht im Detail bekannt, in welcher Weise die Frage des Rüstungsimportvolumens in den Verhandlungen zwischen der Troika und der griechi- schen Regierung thematisiert wurde. Die Verhandlungen werden ausschließlich von der Troika und der griechi- schen Regierung geführt. Der Länderbericht Nr. 12/57 des Internationalen Währungsfonds, IWF, benennt eine Re- duktion der Verteidigungsausgaben in einer Höhe von 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts als Maßnahme der Regierung, das Einsparziel für 2012 zu erreichen. Mit der im Februar 2012 beschlossenen Kürzung des Verteidigungshaushalts um 400 Millionen Euro ist die griechische Regierung dem nachgekommen. Anlage 37 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Frage 61): Inwieweit trifft es zu (vergleiche Sonntag Aktuell vom 13. Mai 2012), dass die Bundesregierung entgegen ihren bis- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 21463 (A) (C) (D)(B) herigen Erklärungen – Abzug bis Ende 2014 – auch nach dem Jahr 2014 800 bis 1 000 Bundeswehrsoldaten – circa 20 Pro- zent der heutigen Personalstärke –, einschließlich Spezialkräf- ten, mit Kampfauftrag in Afghanistan belassen will, angeblich auch zum Schutz dort tätiger deutscher Unternehmen, wie die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel am 15. Mai 2012 mit Präsident Hamid Karzai vertraglich zu vereinbaren beabsich- tigte, und teilt die Bundesregierung meine Auffassung, dass vor einer Befassung des Deutschen Bundestages kein solcher Verbleib von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan verbindlich zugesagt werden darf, auch nicht auf dem NATO-Gipfel am 20./21. Mai 2012? Die Operation der Internationalen Sicherheitsunter- stützungstruppe für Afghanistan, ISAF, wird, wie vom Bündnis beschlossen, Ende 2014 auslaufen. Über die Ausgestaltung einer NATO-geführten Präsenz in Afgha- nistan nach 2014 ist noch nicht entschieden worden. Ent- sprechend gibt es derzeit keine Planungen in Bezug auf einen deutschen Anteil an einer möglichen Nachfolge- operation. Damit stellt sich auch nicht die Frage diesbe- züglicher konkreter Zusagen der Bundesregierung auf dem NATO-Gipfel. Der Abzug deutscher Kampftruppen aus Afghanistan wird wie geplant bis Ende 2014 vollzo- gen. Das zwischen der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und dem afghanischen Staatspräsidenten Hamid Karsai am 16. Mai 2012 unterzeichnete Abkommen über die bilaterale Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Islamischen Republik Afghanistan enthält keine Ausführungen über den Aufenthalt von An- gehörigen der Bundeswehr in Zusammenhang mit dem Schutz von in Afghanistan tätigen deutschen Unterneh- men. Anlage 38 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/9677, Frage 62): Inwieweit setzt sich die Bundesregierung auf Ebene der Vereinten Nationen dafür ein, dass die Kosten für das gemein- same Büro der beiden Sonderberater des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für die Schutzverantwortung, Edward Luck, und für die Verhinderung von Völkermord, Francis Deng, in den regulären Haushalt der Vereinten Nationen über- führt werden, und wie unterstützt die Bundesregierung das Büro derzeit finanziell und politisch (bitte Maßnahmen je- weils erläutern)? Die Antwort der Bundesregierung auf den ersten Teil Ihrer Frage entspricht meiner Antwort auf Ihre in der Fragestunde am 14. Dezember 2011 gestellte gleichlau- tende Frage: Damit der zuständige Beratende Ausschuss für Ver- waltungs- und Haushaltsfragen der Vereinten Nationen eine Stellungnahme zur Finanzierung des gemeinsamen Büros der beiden Sonderberater aus dem regulären Haushalt der Vereinten Nationen abgeben und anschlie- ßend die Generalversammlung darüber entscheiden kann, bedarf es eines Haushaltsvorschlags des VN-Ge- neralsekretärs. Dieser hat bislang keinen solchen Vor- schlag für den VN-Haushalt 2012/2013 vorgelegt. Der Generalsekretär dürfte bei seinen Überlegungen auch das Ausmaß der Unterstützung durch die VN-Mitglied- staaten und die Mehrheitsverhältnisse im Haushaltsaus- schuss berücksichtigt haben. Sollte der Generalsekretär zu späterer Zeit und auch unter Berücksichtigung der Sparziele der Vereinten Nationen die Überführung der Kosten für das gemeinsame Büro in den regulären VN- Haushalt vorschlagen, dann würde die Bundesregierung dies unterstützen. Die Bundesregierung unterstützt das gemeinsame Büro des Sonderberaters des VN-Generalsekretärs für die Schutzverantwortung Professor Edward Luck und des Sonderberaters des VN-Generalsekretärs für die Ver- hinderung von Völkermord Professor Francis Deng im Haushaltsjahr 2012 mit 290 000 Euro aus dem Haushalt des Auswärtigen Amts. Mit diesen Mitteln wird die Ar- beit zur Erstellung des diesjährigen Berichts des VN-Ge- neralsekretärs zur Schutzverantwortung an die VN-Ge- neralversammlung unterstützt. Anlage 39 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/9677, Frage 63): Inwieweit erwägt die Bundesregierung, sich der Initiative des Global Centre for the Responsibility to Protect anzu- schließen, nationale Kontaktstellen zur Koordination von Maßnahmen zur Umsetzung der Schutzverantwortung einzu- richten, und wie beurteilt die Bundesregierung die Möglich- keit, einen mit dem von der US-Administration initiierten ver- gleichbaren Beirat zur Verhütung von Massenverbrechen – Mass Atrocity Prevention Board – einzurichten? Seit der Annahme der Gipfelerklärung von 2005 mit ihren Aussagen zur Schutzverantwortung ist diese unter tatkräftiger Mitarbeit der Bundesregierung konzeptionell deutlich weiterentwickelt worden. Fragen ihrer operati- ven Umsetzung stehen immer mehr im Vordergrund. Das Auswärtige Amt prüft deshalb derzeit die Verlagerung der Zuständigkeit für die Schutzverantwortung von einer mit konzeptionellen Fragen befassten Arbeitseinheit in eine mit operativen Fragen befasste Arbeitseinheit. Das Auswärtige Amt prüft ebenfalls die Argumente für und wider die Einrichtung einer nationalen Kontaktstelle zur Koordinierung von Maßnahmen zur Umsetzung der Schutzverantwortung, wie sie vom Global Center for the Responsibility to Protect empfohlen wurde. Das Global Center entwickelt hierzu derzeit Richtlinien, die dem- nächst den VN-Mitgliedstaaten übermittelt werden sol- len. Die Bundesregierung wird diese Richtlinien in ihre Prüfung einbeziehen. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, einen Beirat zur Verhütung von Massenverbrechen nach dem Vorbild des jüngst ins Leben gerufenen US-amerikanischen Mass Atrocity Prevention Board einzurichten. Aktuelle Konflikte werden je nach Anlass in unter- schiedlichen interministeriellen Arbeitsgruppen oder Ressortkreisen behandelt, die gegebenenfalls Hand- lungsempfehlungen entwickeln. Selbstverständlich ge- 21464 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 (A) (C) (D)(B) hört zu den in diesem Rahmen verfolgten Entwicklungen auch das Risiko von Massenverbrechen. Anlage 40 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Frage 64): Mit welchen Initiativen plant die Bundesregierung an die Kritik des Präsidenten der Generalversammlung der Vereinten Nationen, Nassir Abdulaziz al-Nasser, vom 15. Mai 2012 an- zuknüpfen, in der er den Stillstand der Arbeit der United Nations Conference on Disarmament, CD, bemängelte und alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zu stärkeren Anstrengungen für Abrüstung und zur Stärkung der CD auf- forderte? Die Bundesregierung teilt die kritisch-mahnende Ein- schätzung des Präsidenten der Generalversammlung der Vereinten Nationen, dass die Blockade der Genfer Abrüstungskonferenz überwunden und das multilaterale Instrumentarium im Abrüstungsbereich revitalisiert werden muss. Die Bundesregierung setzt sich hierfür mit ihren Partnern in der EU sowie insbesondere in der „Nichtverbreitungs- und Abrüstungsinitiative“, NPDI, intensiv ein. Für die Bundesregierung – wie auch für ihre Partner – sind Vertragsverhandlungen im Rahmen der Genfer Abrüstungskonferenz über ein Verbot der Produktion von Spaltmaterial für Waffenzwecke, den sogenannten „Fissile Material Cutoff Treaty“, FMCT, prioritär. Die Staaten der NPDI haben bei ihrem Berliner Außenminis- tertreffen im April 2011 eine Initiative zur Befassung der VN-Generalversammlung ergriffen, um die Suche nach Wegen zur Überwindung der Blockade der Abrüstungs- konferenz und zur FMCT-Verhandlungsaufnahme vo- ranzutreiben. Als eine Folgemaßnahme dieser Initiative organisiert die Bundesregierung am 29. und 30. Mai 2012 in Genf ein Treffen wissenschaftlicher Experten zum Thema FMCT. Mit den mitveranstaltenden Nieder- landen ist für Ende August ein zweites Expertentreffen geplant. Die Ergebnisse dieser Bestandsaufnahme aus wissen- schaftlich-technischer Perspektive werden im Anschluss durch die deutsche Delegation in das Plenum der Genfer Abrüstungskonferenz eingebracht. Als „vertrauens- bildende Maßnahme“ sollen sie die Auseinandersetzung mit der FMCT-Thematik trotz politischer Blockade befördern. Die Bundesregierung bevorzugt FMCT-Verhandlun- gen innerhalb der Genfer Abrüstungskonferenz, da hier- durch die Einbeziehung aller relevanten Akteure ge- währleistet wäre. Sie setzt sich deshalb kontinuierlich in bilateralen Gesprächen – unter anderem mit Pakistan – für die auch von Nassir Abdulaziz al-Nasser geforderte Flexibilität aller Beteiligten bei der Verabschiedung ei- nes Arbeitsprogramms ein. Wie der Präsident der VN-Generalversammlung ist auch die Bundesregierung der Ansicht, dass eine Fortset- zung der langjährigen Blockade der Genfer Abrüstungs- konferenz nicht hingenommen werden darf. Vor allem mit ihren Partnern der „Nichtverbreitungs- und Abrüs- tungsinitiative“ wird sie daher in der kommenden 67. VN-Generalversammlung auf eine realistische Bestandsaufnahme hinwirken und Optionen für die prak- tische Beförderung von Abrüstungsverhandlungen, ins- besondere einem Verbot der Produktion von Spaltmate- rial für Waffenzwecke, FMCT, prüfen. Anlage 41 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Druck- sache 17/9677, Frage 65): Welche Maßnahmen erwägt bzw. plant die Bundesregie- rung, um „die Erwartungen auch an deutsche Beiträge zu ge- meinsam bereitgestellten NATO-Fähigkeiten für den Fall eines Einsatzes mit den Bestimmungen des Parlamentsbeteili- gungsgesetzes in Einklang zu bringen“, wie es die Bundes- kanzlerin Dr. Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung vom 10. Mai 2012 zum G-8-Gipfel am 18./19. Mai 2012 in Camp David und zum NATO-Gipfel am 20./21. Mai 2012 in Chicago (www.bundesregierung.de/Content/DE/Regierungs- erklaerung/2012/2012-05-10-merkel.html) ausdrückte, nach- dem sie ausführte, dass „in den vergangenen 63 Jahren ... keine Organisation so klar und so zuverlässig für Frieden und Freiheit [stand] wie die Nordatlantische Allianz“, und darauf hinwies, dass man der „Erwartung unserer alliierten Partner ... sicher und verlässlich“ entsprechen müsse, und wie bewertet die Bundesregierung die Forderung des Botschafters Wolfgang Ischinger, dass Beiträge zu multinational bereitge- stellten Fähigkeiten, so sie von der NATO oder der EU ange- fragt werden, von nationalen Vetos ausgenommen sein sollten (www.europesworld.org/NewEnglish/Home_old/Article/tabid/ 191/ArticleType/ArticleView/ArticleID/21826/Libyacould beacatalystforEuropessecuritypolicy.aspx)? Aus Sicht der Bundesregierung ist es absehbar, dass bei zukünftig vermehrter Verwendung gemeinsamer Fä- higkeiten im NATO-Rahmen die Erwartungshaltung auf Bündnisebene an die verlässliche Verfügbarkeit nationa- ler Elemente in diesen Fähigkeiten weiter steigen wird. Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat vor die- sem Hintergrund in ihrer Regierungserklärung vom 10. Mai 2012 von einer perspektivisch zu erwartenden Diskussion im Deutschen Bundestag gesprochen. Wenn sich im Rahmen einer solchen Diskussion im Bundestag die Frage stellt, Erwartungen unserer Bündnispartner an die Verfügbarkeit nationaler Elemente in gemeinsamen, integrierten Fähigkeiten der NATO für den Fall eines Einsatzes mit den Bestimmungen des Parlamentsbeteili- gungsgesetzes in Einklang zu bringen, so wären seitens des Deutschen Bundestages zu gegebener Zeit entspre- chende Schlussfolgerungen zu ziehen. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/9677, Frage 66): Was folgt konkret daraus, dass die über die Richtlinien- kompetenz in der Regierungspolitik verfügende Bundeskanz- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 21465 (A) (C) (D)(B) lerin Dr. Angela Merkel im Gegensatz zum Bundesminister des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, der Auffassung ist, dass der Islam – und nicht nur die Muslime – zu Deutschland gehört, und damit explizit dem Bundesminister des Innern wi- derspricht (www.zeit.de/politik/deutschland/2012-05/merkel- islam-friedrich: „Zu sagen, der Islam gehört nicht zu Deutsch- land, finde ich, ist sicherlich falsch“), etwa in Bezug auf die koalitionsintern umstrittene Frage der künftigen Ressortzu- ständigkeit für die sogenannte Islamkonferenz, und welche der beiden Auffassungen gilt nun als offizielle Haltung der Bundesregierung? Die Bundesregierung verfolgt im Rahmen ihrer Inte- grationspolitik mit Blick auf den Islam in Deutschland gemeinsam das Ziel, den gesellschaftlichen Zusammen- halt und die Teilhabe zu fördern. Mit der Deutschen Is- lam Konferenz hat das Bundesministerium des Innern dazu ein Forum für einen wirksamen Dialog zwischen staat-lichen Vertretern auf der Ebene des Bundes, der Länder und der Kommunen sowie Muslimen in Deutsch- land eingerichtet. Dass dieser Ansatz erfolgreich ist, zeigte sich erneut auf der Plenarsitzung der Deutschen Islam Konferenz am 19. April 2012. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fragen des Abgeordneten Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Fragen 67 und 68): Beabsichtigt die Bundesregierung, die Gebühren für lang- fristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige zu senken angesichts des Urteils des Europäischen Gerichtshofs, EuGH, vom 26. April 2012 in der Sache Kommission/Niederlande (Rs. C-508/10), in welchem das Gericht die niederländischen Gebühren für Aufenthaltstitel von langfristig Aufenthaltsbe- rechtigten für überhöht und unverhältnismäßig erklärt hat, und, wenn nein, bei welcher Gebührenhöhe liegt nach Ansicht der Bundesregierung die Schwelle der Verhältnismäßigkeit, bzw. wie begründet sie die Vereinbarkeit der Gebühren für die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG mit der Richtlinie 2003/ 109/EG des Rates – Daueraufenthaltsrichtlinie – vor dem Hin- tergrund, dass diese Gebühren fast fünfmal so hoch sind wie die Gebühren für einen Personalausweis? Beabsichtigt die Bundesregierung, angesichts diverser Ur- teile (EuGH, Urteil vom 17. September 2009, Rs. C-242/06, Sahin; EuGH, Urteil vom 29. April 2010, Rs. C-92/07, Kommission/Niederlande; Verwaltungsgericht Aachen, Ur- teil vom 14. März 2012, Az. 8 K 1159/10), die die Gebühren für Aufenthaltstitel von assoziationsrechtsberechtigten türki- schen Staatsangehörigen für unvereinbar mit dem Verschlechte- rungsverbot nach Art. 13 ARB 1/80 und dem assoziationsrechtli- chen Diskriminierungsverbot erklärt haben, diese Gebühren zu senken, und, wenn nein, wie reagiert die Bundesregierung auf die Feststellungen zum assoziationsrechtlichen Verschlechte- rungsverbot, dass erstens nicht nur die Einführung einer Ge- bühr als solche, sondern auch eine Gebührenerhöhung eine „neue Beschränkung“ im Sinne von Art. 13 ARB 1/80 dar- stellt und zweitens die von der Bundesregierung als Rechtfer- tigungsgrund vorgetragene Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung – wenn überhaupt – nur in Höhe der Herstellungskosten des elektronischen Aufenthaltstitels von etwa 30 Euro als Rechtfertigungsgrund gelten kann (verglei- che Antwort der Bundesregierung zu Frage 16 auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke auf Bundestagsdrucksache 17/5884, Seite 12)? Zu Frage 67: Nach Auffassung der Bundesregierung sind die deut- schen Gebührenregelungen europarechtskonform. Das zitierte Urteil des Europäischen Gerichtshofs betrifft eine niederländische Gebührenregelung und ist auf die Rechtslage in Deutschland nicht übertragbar. Zum einen sind die Gebühren in Deutschland deutlich niedriger als dies offenbar in den Niederlanden der Fall ist. Während in Deutschland nach der Aufenthaltsverordnung, AufenthV, maximal 135 Euro für die Erteilung einer Daueraufent- haltserlaubnis-EG erhoben werden, reicht der Gebühren- rahmen in den Niederlanden ausweislich der Urteils- gründe von 188 Euro bis 830 Euro. Zum anderen sieht das deutsche Gebührenrecht in §§ 52 und 53 AufenthV eine Reihe von Befreiungs- und Ermäßigungstatbeständen vor, durch die die Verhältnismäßigkeit der Gebührenerhe- bung im Einzelfall gewährleistet wird. Zu Frage 68: Die vom Fragesteller genannten Urteile des Europäi- schen Gerichtshofs in den Rechtssachen C-242/06, Sa- hin, und C-92/07, Kommission/Niederlande, stellen die deutsche Gebührenregelung nicht infrage, da die beiden Urteile die Rechtslage in den Niederlanden betreffen und die Urteilsgründe nicht auf die Rechtslage in Deutsch- land übertragbar sind. Die Umlage des durch die Neuge- staltung des Aufenthaltstitels entstehenden Mehrauf- wands auf die Gebührenschuldner ist nach Auffassung der Bundesregierung lediglich eine neue Ausgestaltung einer bereits bestehenden Beschränkung und nicht eine „neue Beschränkung“ im Sinne von Art. 13 des Assozia- tionsratsbeschlusses Nummer 1/80. Das genannte Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen wird derzeit geprüft. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9677, Frage 69): Plant die Bundesregierung, in Deutschland lebende afgha- nische Hindus und Sikhs nach Afghanistan abzuschieben, und inwiefern hält sie hier einen Flüchtlingsschutz im Sinne eines Abschiebestopps durch die massive, religiös motivierte Dis- kriminierung und Verfolgung im Sinne der Bestimmungen von § 60 Abs. 1 sowie 7 des Aufenthaltsgesetzes für geboten? Auf der Grundlage des Beschlusses der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 23./24. Juni 2005 werden zurzeit nur afghanische Staatsangehörige zurückgeführt, die nach Maßgabe der §§ 53, 54 oder 55 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 des Aufenthaltsge- setzes wegen einer im Bundesgebiet begangenen Straftat verurteilt worden sind oder als sogenannte Gefährder gelten sowie alleinstehende volljährige männliche Perso- nen. Angehörige der Sikhs und Hindus, welche die vor- stehenden Kriterien erfüllen, sind hiervon nicht ausge- nommen. Hindus und Sikhs, denen Verfolgung in Afghanistan droht, wird im Rahmen des Asylverfahrens Schutz ge- währt. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes i. V. m. § 60 21466 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Mai 2012 (A) (C) (D)(B) Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) setzt immer eine Einzelfallprüfung voraus. Gleiches gilt für die Ge- währung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Danach können Sikhs und Hindus, denen we- gen ihrer Religionszugehörigkeit in Afghanistan mit be- achtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, als Flüchtlinge anerkannt werden. Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kommt in Betracht, wenn ihnen unabhängig von ihrer Religion oder anderen flüchtlingsrechtlichen Kriterien erhebliche Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit drohen. Allein die Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Sikhs und der Hindus führt jedoch noch nicht zu ei- ner Gefährdung in diesem Sinne. Die Glaubenszugehö- rigkeit als solche reicht daher für eine Schutzgewährung noch nicht aus. In den ersten vier Monaten dieses Jahres haben rund die Hälfte der afghanischen Sikhs und Hindus, über de- ren Asylantrag entschieden wurde, den Flüchtlingsstatus oder einen subsidiären Schutzstatus erhalten. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 17/9677, Frage 70): Haben Universitäten das Recht, im Landesreisekosten- recht neben der „Dienstreise“ und den in § 11 des Bundes- reisekostengesetzes genannten „Reisen in besonderen Fällen“ weitere Reisekostenarten wie zum Beispiel die „Zuschuss- reise“ zu definieren und deren Kostenerstattung eigenmächtig zu regeln? Soweit sich die Frage auf Universitäten nach Landes- recht bezieht, kann die Bundesregierung aufgrund der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung hierzu keine Stellung nehmen. Im Bundesbereich sind auch für Hochschulen die Re- gelungen des Bundesreisekostengesetzes abschließend. Neue Reisekostenarten neben den im Bundesreisekosten- gesetz geregelten Tatbeständen sind nicht erstattungsfä- hig. Im Falle von Dienstreisen sieht bei Leistungen Drit- ter § 3 Abs. 2 des Bundesreisekostengesetzes zwingend eine Anrechnung vor. Liegt keine Dienstreise vor, ist die Reise aber in dienstlichem Interesse, kann in den Fällen des § 11 Abs. 4 des Bundesreisekostengesetzes (zum Beispiel Fortbildung) ein Zuschuss bis zur Höhe der Rei- sekostenvergütung gewährt werden. Insoweit wären „Zu- schussreisen“ nach dem Bundesreisekostengesetz recht- lich zulässig. Die Universitäten der Bundeswehr haben aber nicht das Recht, neben der „Dienstreise“ und den in § 11 des Bundesreisekostengesetzes genannten „Reisen in besonderen Fällen“ weitere Reisekostenarten zu defi- nieren und deren Kostenerstattung eigenmächtig zu re- geln. 180. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Befragung der Bundesregierung TOP 2 Fragestunde ZP 1 Aktuelle Stunde zu Eurobondsplänen der SPD Anlagen
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718000000

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich be-
grüße Sie alle herzlich. Es gibt keine besonderen Vor-
kommnisse, folglich auch keine Mitteilungen, die vor
Eintritt in die Tagesordnung erfolgen müssten, sodass
ich gleich Tagesordnungspunkt 1 aufrufen kann:

Befragung der Bundesregierung

Zwischen den Fraktionen ist vereinbart worden, dass
für die Befragung heute insgesamt 45 Minuten zur Ver-
fügung stehen. Dies behandeln wir wie immer mit der
gebotenen Flexibilität, je nachdem, wie sich der Frage-
bedarf entwickelt.

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur Verbesse-
rung der Rechte von Patientinnen und Patienten.

Das Wort für die einleitenden, je fünfminütigen Be-
richte haben zunächst die Bundesministerin der Justiz
und anschließend der Bundesgesundheitsminister. Frau
Leutheusser-Schnarrenberger, bitte.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Recht herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Das Bundeskabinett hat heute
einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechte von
Patientinnen und Patienten beschlossen. Dieses Vorha-
ben beschäftigt den Bundestag schon viele Jahre, eigent-
lich die letzten 20 Jahre.

Diese Bundesregierung legt zu diesem Thema erst-
mals einen Gesetzentwurf vor, der sich – das ist mein
Anteil an diesem Gesetzentwurf – mit einer Kodifizie-
rung des Behandlungsvertrages zwischen dem Behan-
delnden, also dem Arzt, dem Psychotherapeuten oder
einem anderen Behandelnden einerseits, und dem Pa-
tienten andererseits befasst. Dies wird im Bürgerlichen
Gesetzbuch festgeschrieben, und zwar in der Form, dass
sich Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag im Gesetz
ausdrücklich wiederfinden. Das gibt nicht nur Rechts-
sicherheit, sondern schafft auch Transparenz; vor allen

Dingen stärkt es die Stellung von Patientinnen und Pa-
tienten. Wenn die Patientinnen und Patienten nämlich
wissen, dass sie umfassend informiert und über die
Behandlungen aufgeklärt werden müssen, dass Wesentli-
ches bezüglich Diagnose, Therapie, mögliche Behand-
lungen und Untersuchungen in der Patientenakte festge-
halten sein muss und sie ein Einsichtsrecht haben, stärkt
das ganz klar ihre Position. Der Patient steht damit dem
Behandelnden auf Augenhöhe gegenüber; er bringt ge-
genüber dem Arzt auch kein Misstrauen zum Ausdruck,
wenn er gesetzlich festgelegte Rechte wahrnimmt, Ein-
sicht in seine Patientenakte nimmt und Abschriften aus
dieser Akte verlangt.

Über 60 Prozent der Patientinnen und Patienten wis-
sen über ihre Rechte nicht Bescheid. Deshalb ist es zum
einen dringend geboten, die Rechte, die sich in den letz-
ten Jahren ergeben haben, in das Gesetz zu schreiben,
zum anderen aber auch deutlich zu machen, dass wir
über die bisherige Entwicklung der Rechtsprechung hi-
nausgehen, zum Beispiel bei den Informationspflichten.

Ein ganz wichtiger Punkt für Patienten ist natürlich,
wie die Regelungen zur Haftung bei Behandlungsfehlern
aussehen. Solche Fehler treffen einen Patienten beson-
ders; denn er hat nicht nur eine Behandlung über sich er-
gehen lassen müssen, sondern muss auch mit den Folgen
einer möglicherweise fehlerhaften Behandlung kämpfen.
Grundsätzlich geht das BGB beim Haftungsrecht davon
aus, dass derjenige, der Forderungen geltend macht, Be-
weise dafür erbringen muss. Aber diesen Grundsatz
haben wir – auf der Grundlage der sich immer weiterent-
wickelnden Rechtsprechung – so nicht ins Gesetz über-
nommen. Vielmehr gibt es bei der Geltendmachung von
Ansprüchen eine Verlagerung der Risiken zwischen Pa-
tient und Arzt, wobei stärkeres Haftungsrisiko auf den
behandelnden Arzt verlagert wird, juristisch gesprochen
also eine Beweislastumkehr für bestimmte Fälle stattfin-
det. Bei den sogenannten groben Behandlungsfehlern
muss der Arzt zukünftig beweisen, dass die Behandlung
ordnungsgemäß erfolgt ist. Das Gleiche gilt für Berei-
che, in denen der Patient selbst nicht die nötige Einsicht
hat, nämlich das beherrschbare Risiko eines Behandeln-
den im Operationssaal oder im Behandlungszimmer im





Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger


(A) (C)



(D)(B)


Hinblick auf die eingesetzten Geräte. Auch hier liegt die
Beweislast bei dem Behandelnden und nicht beim Pa-
tienten. Das soll den Patienten darin bestärken, Ansprü-
che geltend zu machen, wenn er eine fehlerhafte Be-
handlung vermutet.

Im zweiten Teil des Gesetzentwurfs, der sich unter
anderem mit den Fragen von Fehlervermeidungsma-
nagement und Strukturverbesserung befasst, sind weitere
wichtige Punkte hierzu enthalten. Das ist jedoch der Part
des Bundesgesundheitsministers.

Vielen Dank.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718000100

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Herr Minister Bahr.


Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1718000200

Zunächst einmal möchte ich an das anschließen, was

die Bundesjustizministerin gesagt hat: Dieses Gesetz ist
Ausdruck einer jahrzehntelangen Debatte. Es ist ein gu-
tes Gesetz für die Patientinnen und Patienten. Die Bun-
desregierung setzt damit ihre Politik fort, die Patienten
in diesem Bereich zu stärken. Insbesondere werden die
Rechte der Patientinnen und Patienten gegenüber den
Leistungserbringern sowie die Rechte bei Verfahren um
Behandlungsfehler gestärkt. Wir wollen eine Fehlerver-
meidungskultur fördern sowie die Patientenbeteiligung
und die Patienteninformation stärken. Unser Leitbild ist
der mündige Patient.

Das in Deutschland besondere Verhältnis zwischen
Patient und Arzt gilt es weiterhin zu schützen. Ziel soll
sein, dass der Patient dem Arzt möglichst auf Augen-
höhe gegenübertritt und seine Rechte kennt.

Es ist auch vorgesehen, dass der Patient bzw. der Ver-
sicherte gegenüber der Krankenversicherung seine
Rechte und Ansprüche besser geltend machen kann. Uns
erreichen immer wieder Briefe, in denen sich Versicherte
darüber beschweren, dass Entscheidungen der Kranken-
versicherung häufig lange dauern und verzögert werden.
Der Versicherte ist gegenüber seiner Krankenversiche-
rung kein Bittsteller, sondern er hat Rechte und An-
sprüche. Wir gehen davon aus, dass nunmehr mit einer
zügigeren Entscheidung im Sinne der Versicherten und
Patienten zu rechnen ist, da ein Ausbleiben der Entschei-
dungen seitens der Krankenkassen sanktioniert werden
kann. So kann der Patient, wenn er nicht innerhalb von
drei bzw. fünf Wochen, wenn der Medizinische Dienst
hinzugezogen worden ist, eine Entscheidung der Kran-
kenkasse mitgeteilt bekommen hat, eine angemessene
Nachfrist setzen. Danach kann er sich die infrage ste-
hende Leistung selbst beschaffen und der Krankenversi-
cherung in Rechnung stellen.

Weiterhin sind Kranken- und Pflegekassen künftig
verpflichtet, ihre Versicherten bei der Durchsetzung von
Schadensersatzansprüchen bei Behandlungsfehlern zu
unterstützen. Wie kann eine solche Unterstützungsleis-
tung aussehen? Eine Krankenkasse kann beispielsweise
die Beweisführung des Versicherten erleichtern, indem
sie ein medizinisches Gutachten erstellt. Das ist für die
Praxis sehr wichtig. Denn viele Versicherte, die den Ver-

dacht auf einen Behandlungsfehler haben, wissen nicht,
an wen sie sich wenden können und welche Rechte sie
als Patienten haben. Jetzt können sie sich an ihre
Krankenkasse wenden. Diese ist verpflichtet, dem Versi-
cherten zu helfen, entsprechende Stellen zu benennen,
Informationen und gegebenenfalls ein Gutachten zur
Verfügung zu stellen.

Wichtig ist aber: Im Gesundheitswesen arbeiten Men-
schen; da können Fehler passieren. Ziel ist es, so weit
wie möglich Fehler zu vermeiden. Dazu brauchen wir
aber eine offene Fehlervermeidungskultur gerade im Ge-
sundheitswesen in Deutschland. Wir begrüßen es, dass
sich ärztliche Organisationen und mittlerweile auch an-
dere Organisationen dieser Diskussion offen stellen. Aus
Fehlern kann man lernen, um sie das nächste Mal zu ver-
meiden und Konsequenzen daraus zu ziehen. Mit dem
Patientenrechtegesetz fördern wir, dass in der medizini-
schen Versorgung Fehlervermeidungssysteme etabliert
werden und so Fehler gar nicht erst auftreten. So können
zum Beispiel Krankenhäuser Vergütungszuschläge er-
halten, wenn sie ein Fehlervermeidungssystem imple-
mentieren. Außerdem soll in den Krankenhäusern ein
Beschwerdemanagement eingerichtet werden, damit
Versicherte und Patienten ihre Ansprüche besser geltend
machen können.

Auch der Patientenbeauftragte der Bundesregierung
wird im Gesetzentwurf gestärkt. Er wird künftig eine
umfassende Übersicht über die geltenden Patienten-
rechte zur Information der Bevölkerung bereithalten.

Uns geht es beim Patientenrechtegesetz darum, die
bereits bestehenden Rechte der Patienten zu bündeln, zu
erweitern und damit zu stärken. Unser Leitbild ist der
mündige Patient, der selbst entscheiden kann, der seine
Rechte und Pflichten kennt und Ansprüche stellt, anstatt
als Bittsteller gegenüber Leistungsträgern aufzutreten.
Mit diesem Gesetz wollen wir vor allen Dingen eine
Kultur des Vertrauens im Gesundheitswesen etablieren.
Zwischen Arzt bzw. Behandler und Patienten braucht es
ein besonderes Vertrauensverhältnis, um die bestmögli-
che medizinische Versorgung der Patienten zu erreichen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718000300

Vielen Dank. – Ich habe eine Reihe von Wortmeldun-

gen, die ich jetzt der Reihe nach aufrufe. Zunächst Frau
Dr. Volkmer.


Dr. Marlies Volkmer (SPD):
Rede ID: ID1718000400

Vielen Dank, Herr Präsident. – Schon im Vorfeld die-

ses Gesetzes, also seit mehr als zwei Jahren, wurden bei
Patientinnen und Patienten viele Erwartungen geweckt,
insbesondere wie die Situation der Patientinnen und Pa-
tienten beim Umgang mit Behandlungsfehlern verbes-
sert werden kann. Der heute vorgelegte Gesetzentwurf
beinhaltet Regelungen, die bereits heute Anwendung
finden. Dass bei groben Behandlungsfehlern eine Be-
weislastumkehr gelten soll, wie die Ministerin der Justiz
ausgeführt hat, ist ja schon heute gängige Vorgehens-
weise vor Gericht. Das Problem ist nur, dass grobe Be-
handlungsfehler selten attestiert werden.





Dr. Marlies Volkmer


(A) (C)



(D)(B)


Im Vorfeld ist sowohl vom Patientenbeauftragten,
Herrn Zöller, als auch vom stellvertretenden Fraktionsvor-
sitzenden der CDU/CSU-Fraktion, Herrn Singhammer,
ein Entschädigungsfonds für Härtefälle ins Gespräch ge-
bracht worden. Auch die Gründung einer Stiftung war
im Gespräch. Dazu ist im Gesetzentwurf nichts zu fin-
den. Warum ist das so?


Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1718000500

Frau Kollegin Volkmer, ich halte die Beschränkung

auf grobe Behandlungsfehler für genau richtig. Wenn
wir eine generelle Beweislastumkehr vornehmen wür-
den, dann müsste ein Behandler bei jedem Fall darlegen
und begründen können, dass er alles richtig gemacht hat.
Das würde zu einem enormen Dokumentationsaufwand
führen. Ich hätte die Sorge, dass dadurch amerikanische
Verhältnisse entstünden, nämlich dass der Arzt als Erstes
an seine Versicherung denkt und sich davor scheut, Risi-
ken einzugehen. Wir brauchen aber eine offene Fehler-
vermeidungskultur und keine Risikovermeidungskultur;
denn der Arzt sollte das Bestmögliche tun, um dem Pa-
tienten zu helfen.

Eine ähnliche Sorge treibt mich bezüglich der Ein-
richtung eines Entschädigungsfonds um. Derjenige, der
den Schaden verursacht, muss dafür zur Verantwortung
gezogen werden. Es ist nicht die Aufgabe der Solidarge-
meinschaft, denjenigen, der den Schaden verursacht hat,
aus der Verantwortung zu nehmen. Dafür sollten keine
Beitragsgelder verwendet werden. Für heute Nachmittag
wurde eine Aktuelle Stunde zum Thema Schuldenkrise
vereinbart; da sieht man ebenso diese unterschiedlichen
Haltungen. Für uns gilt bezüglich der Schuldenkrise das
Prinzip, dass der Verursacher verantwortlich ist und
nicht die Allgemeinheit dafür herangezogen werden
darf. Wir wollen daher keinen Entschädigungsfonds. Wir
hätten außerdem die große Sorge, dass daraus neue Bü-
rokratie entsteht: Antragsverfahren mit eigenen Krite-
rien, die regeln, wer Geld aus dem Entschädigungsfonds
bekommt. Das ist aus unserer Sicht nur zusätzliche Be-
lastung, zusätzlicher Aufwand und nicht im Sinne einer
wirklichen Stärkung der Rechte der Patienten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718000600

Frau Vogler.


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718000700

Vielen Dank, Herr Minister, Frau Ministerin. – Ich

finde, man muss diesen Gesetzentwurf auch einmal un-
ter der Perspektive betrachten, aus welcher Ecke er den
meisten Beifall bekommt. Wir haben gehört, dass der
Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich
Montgomery, gesagt hat, der Gesetzentwurf entspreche
im Wesentlichen dem, was er mit dem Patientenbeauf-
tragten der Bundesregierung abgesprochen habe. Von
Patientinnen- und Patientenorganisationen hingegen hö-
ren wir nicht, dass der Gesetzentwurf im Wesentlichen
das enthalte, was sie mit der Bundesregierung abgespro-
chen bzw. von der Bundesregierung erwartet haben.
Deswegen frage ich Sie: Warum verschließen Sie sich
weiterhin einer weiter reichenden Beweiserleichterung
für Patientinnen und Patienten – ich will nicht von Be-

weislastumkehr sprechen, sondern von Beweiserleichte-
rung –, einer Reform des Gutachterwesens, das es den
Patientinnen und Patienten überhaupt erst ermöglichen
würde, mit den behandelnden Ärzten auf Augenhöhe zu
sein, einer Regulierung der individuellen Gesundheits-
leistung – dieses Thema geht ja momentan auch wieder
durch die Presse –, einer Reform der Schlichtungsstel-
len, die mehr Raum für die Interessen der Patientinnen
und Patienten verschaffen, sowie besseren Mitwirkungs-
möglichkeiten von Patientinnen und Patienten in den
entsprechenden Gremien? All das wäre meiner Ansicht
nach wichtig gewesen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718000800

Ich gehe davon aus, dass sich die Regierung selbst

koordiniert und Sie sich jeweils darüber verständigen,
wer die Frage beantwortet.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das glauben Sie nicht wirklich!)


Notfalls stehe ich für Streitschlichtungen zur Verfügung.


(Heiterkeit – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Nein! Wir brauchen Sie hier, im Bundestag!)


Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Wunderbar. Das wird aber nicht notwendig sein. Ei-
nige der gerade gestellten Fragen fallen natürlich in den
Zuständigkeitsbereich von Herrn Bahr, aber ich möchte
grundsätzlich sagen: Wir haben diesen Gesetzentwurf
mit niemandem in irgendeiner Form vorher abgespro-
chen.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber schlechter Stil!)


Wir haben im Vorfeld keine Forderungen aufgenommen
oder einer Seite Zugeständnisse gemacht. So ist der Ge-
setzentwurf nicht entstanden.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das ist aber interessant!)


Das Ziel, das wir mit diesem Gesetzentwurf verfolgen,
ist vielmehr, den Patienten die Möglichkeit zu geben, ih-
rem Behandelnden auf Augenhöhe gegenüberzutreten.
Das ist ein wichtiges Anliegen, und das gelingt. Das
wird einmal deutlich, wenn man sich ansieht, welche Re-
gelungen wir hinsichtlich Informationspflichten, Einwil-
ligung, Aufklärungspflichten, Dokumentation in der Pa-
tientenakte und des Rechts zur Einsichtnahme in die
Patientenakte in diesen Gesetzentwurf aufgenommen ha-
ben. Vor allen Dingen wird das aber deutlich, wenn man
sich die Regelung anschaut, die greift, wenn Dinge, die
besprochen worden sind, sich nicht in der Patientenakte
wiederfinden: Daraus sollen Vermutungen zugunsten der
Patienten und zulasten der Ärzte abgeleitet werden. Bei
diesem Gesetzentwurf werden natürlich die unterschied-
lichen Interessen in den Blick genommen; das muss bei
jedem Gesetzgebungsvorhaben der Fall sein. Es gibt
aber keineswegs eine einseitige Ausrichtung.





Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger


(A) (C)



(D)(B)


Wir konzentrieren uns bei diesem Gesetzentwurf
– das gilt insbesondere für die vorgesehenen Änderun-
gen im Bereich des BGB – auf die drängenden Fragen
und auf das, was sich grundsätzlich in unser Haftungs-
recht – deliktisch oder vertraglich – einfügen lässt. Ein
Fonds, der Ärzte entlastet, der durch die Hintertür eine
Gemeinschaftshaftung der Versicherten einführen würde,
passt nicht in unsere Rechtsordnung. Deshalb haben wir
nach intensiver Erörterung mit diesem Gesetzentwurf ei-
nen solchen Weg nicht beschritten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718000900

Darf ich noch einmal an unser Zeitregime erinnern?

Die Lichtsignale bieten eine Orientierungshilfe für die
Annäherung an die Minutengrenze. Dies ist ja keine De-
batte, sondern eine Fragestunde.

Die nächste Frage hat der Kollege Erwin Rüddel.


Erwin Rüddel (CDU):
Rede ID: ID1718001000

Herr Präsident! Wir sind froh, dass diese Koalition

nach zehn Jahren Diskussion dieses Projekt jetzt ab-
schließend auf den Weg gebracht hat. Im Gesetzentwurf
wird von effektiv durchsetzbaren und ausgewogenen
Rechten gesprochen. Ich bitte darum, diese Rechte etwas
zu konkretisieren: Sind Sie der Meinung, dass die
Rechtsstellung des Patienten gegenüber seiner Kranken-
kasse ausreichend ausgeprägt ist? Wie wollen Sie sicher-
stellen, dass durch diese Gesetzesinitiative das Ver-
trauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nicht in
Mitleidenschaft gezogen wird?

Sie haben eben die Fehlervermeidungskultur ange-
sprochen, die im Zentrum dieses Gesetzentwurfs steht.
Könnten Sie auch hierzu noch detailliertere Ausführun-
gen machen?


Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1718001100

Herr Kollege, zum ersten Teil Ihrer Frage: Wir stär-

ken die Rechte der Versicherten gegenüber ihrer Kran-
kenversicherung durch geeignete Fristsetzung. Eine
Krankenkasse muss bei einer Leistung, die einer Bean-
tragung bedarf, innerhalb einer Frist eine Entscheidung
treffen, damit der Versicherte nicht lange im Unklaren
gelassen wird. Das habe ich eben beschrieben. Uns errei-
chen viele Schreiben, in denen sich Versicherte darüber
beschweren, dass Entscheidungen zu lange dauern. Eine
geeignete Sanktion ist beispielsweise, dass der Versi-
cherte sich die Leistung selbst beschaffen und der Kran-
kenversicherung in Rechnung stellen kann, sofern inner-
halb der Frist keine Entscheidung getroffen wurde.

Zum zweiten Teil: Uns ist wichtig, dass zwischen Pa-
tient und Arzt eine Kultur des Vertrauens herrscht und
nicht eine Kultur des Misstrauens. Insofern sage ich, an-
knüpfend an die Frage von Frau Vogler: Es bringt nichts,
Ärzte unter Generalverdacht zu stellen und sie gegen die
Patienten zu stellen. Beide, Patient und Arzt, wollen ein
gutes Verhältnis haben. Der Patient möchte möglichst
schnell gesunden und eine gute Behandlung bekommen.
Mehr Dokumentationspflichten würden den Arzt mögli-
cherweise mit mehr Bürokratie belasten, wodurch er we-
niger Zeit für den Patienten hätte.

Schließlich: Fehlervermeidungskultur heißt, dass of-
fen mit Fehlern umgegangen wird, dass in Selbstverwal-
tung geeignete Instrumente gewählt werden. Wir sehen
beispielsweise vor, dass Krankenhäuser Zuschläge bei
der Vergütung erhalten können, wenn sie ein Instrument
zur Fehlervermeidung in ihren Arbeitsablauf integrieren.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718001200

Frau Klein-Schmeink, bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe eine Frage an Frau Leutheusser-
Schnarrenberger. Sie haben die Aufklärungspflichten,
die Informationspflichten besonders hervorgehoben. Ich
frage Sie, wie Sie diese Aussagen damit vereinbaren
können, dass in Ihrem Gesetzentwurf keine Regelungen
vorgesehen sind, um den barrierefreien Zugang zu Infor-
mationen und Aufklärung sicherzustellen. In der Be-
gründung wird beispielsweise darauf abgehoben, dass es
keinen kostenfreien Zugang zu Dolmetscherleistungen
gibt. Wie ist das mit Ihrem Anspruch auf umfassende
Aufklärung und Information zu vereinbaren? Welche an-
deren Regelungen im Sinne der UN-Konvention schla-
gen Sie ansonsten vor?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Wir haben unter „Aufklärungspflichten“ in § 630 e
BGB-E ausgeführt, dass die Aufklärung mündlich durch
den Behandelnden oder eine Person, die zu dieser Be-
handlung oder zu diesem Eingriff befähigt ist, durchzu-
führen ist. Das impliziert doch ganz eindeutig, dass die
Aufklärung in der Art und Weise erfolgen muss, dass der
Empfänger, also der Patient – Aufklärung muss empfän-
gerorientiert erfolgen –, in der Lage ist, diese Infor-
mationen und Aufklärung zu verfolgen. Wenn es auf
Empfängerseite, also bei dem Patienten, eine Beein-
trächtigung des Hörens oder andere Beeinträchtigungen
der Wahrnehmung gibt – ich sage das jetzt so nüchtern –,
dann ist ganz klar – so impliziert es § 630 e Abs. 2 –,
dass eine umfassende Aufklärung des Patienten in einer
entsprechenden Art und Weise zu erfolgen hat; denn der
Patient muss wissen, was ihn möglicherweise erwartet.
Nur so ist diese Verpflichtung erfüllt.


Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1718001300

Herr Präsident, darf ich ergänzen?


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718001400

Kollege Bahr möchte noch ergänzen. Bitte schön.


Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1718001500

Ich würde gern ergänzen, Frau Klein-Schmeink. Wir

haben im Kabinettsentwurf der Forderung von Patien-
tenorganisationen nach einer stärkeren Berücksichtigung
der UN-Behindertenrechtskonvention explizit Rechnung
getragen. Im Gesetzentwurf – Frau Leutheusser-
Schnarrenberger hat darauf hingewiesen – steht das Wort
„verständlich“. In der Begründung – Sie nannten das
Beispiel eines Gebärdendolmetschers – haben wir dies





Bundesminister Daniel Bahr


(A) (C)



(D)(B)


explizit aufgegriffen und erwähnt, dass die insoweit be-
stehende Kostenübernahme der Sozialleistungsträger ge-
mäß § 17 Abs. 2 SGB I auch für den Fall gilt, dass bei
einem hörbehinderten Patienten ein Gebärdendolmet-
scher hinzugezogen werden muss. Die Frage, ob ein Ge-
bärdendolmetscher in Anspruch zu nehmen ist, ist also
geregelt, und zwar explizit im Gesetzeswortlaut durch
das Wort „verständlich“, aber auch durch entsprechende
Erwähnung in der Begründung.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718001600

Frau Reimann.


Dr. Carola Reimann (SPD):
Rede ID: ID1718001700

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie ha-

ben ausgeführt: Die Kosten, die durch das Verschulden
Einzelner entstehen, sollten nicht durch einen Fonds ab-
gedeckt werden. Die Realisierung der Haftung – die
Ministerin hat dies angesprochen – spielt eine große
Rolle für den Patienten. Deswegen frage ich nach der
Berufshaftpflicht, die sehr unterschiedlich gestaltet ist.
Im Patientenrechtepapier der Länder und auch in dem
Papier der Kollegen der Union fand sich deshalb die For-
derung, eine bundeseinheitliche Berufshaftpflicht zu eta-
blieren. Ich frage: Warum haben Sie das nicht aufgenom-
men?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Wir haben eine Verteilung der Zuständigkeiten zwi-
schen Bund und Ländern. Für diesen Bereich sind die
Länder zuständig. Wir haben das in den bisherigen Ge-
sprächen bei der Erarbeitung dieses Gesetzentwurfs na-
türlich angesprochen und auch an die Länder herangetra-
gen; denn wir teilen diese Zielrichtung. Es wäre gut,
wenn es zwischen den Ländern abgestimmte, möglichst
einheitliche Berufshaftpflichtregelungen geben würde.
Von daher wäre es sehr gut, wenn wir im Laufe des Ge-
setzgebungsverfahrens, vielleicht schon bei der ersten
Stellungnahme des Bundesrates, von den Ländern hören
würden, dass sie willens und bereit sind, hier einen tat-
kräftigen Beitrag zu leisten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718001800

Frau Dyckmans, bitte.


Mechthild Dyckmans (FDP):
Rede ID: ID1718001900

Frau Ministerin, könnten Sie noch einmal genau dar-

legen, in welcher Form dieser Gesetzentwurf Hilfe für
Patientinnen und Patienten bei der Wahrnehmung ihrer
Rechte vorsieht, wenn Behandlungsfehler eingetreten
sind, insbesondere in dem Fall, wenn man wirklich von
Ärztepfusch reden kann?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Liebe Frau Kollegin, im Gesetzentwurf sind, korres-
pondierend mit den Pflichten des Behandelnden zur In-
formation und Aufklärung, auch die Rechte der Patien-
ten auf Einsichtnahme in die Patientenakte geregelt und
damit auch das Recht auf Einsichtnahme in das, was do-

kumentiert ist: zum Beispiel das Beratungsgespräch und
die Maßnahmen, die möglicherweise ergriffen werden
sollten. Wir haben das in einem Paragrafen sehr ausführ-
lich aufgeführt. Anamnese, Diagnose, Untersuchungen,
Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre
Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen sind demzu-
folge in die Patientenakte aufzunehmen. Hier besteht ein
Akteneinsichtsrecht. Das stärkt die Patienten. Es handelt
sich ja um ein Recht; die Patienten müssen, wenn sie da-
von Gebrauch machen, kein schlechtes Gewissen haben.
Sie sind, wie Herr Kollege Bahr sagte, nicht Bittsteller.

Bei der Haftung, glaube ich, darf man nicht unter-
schätzen, dass jetzt im Gesetzentwurf steht – das ist in
unserem Haftungsrecht nicht die Regel –, dass in be-
stimmten Fällen die Beweislastführung auf den Behan-
delnden übergeht. Darüber, dass es dabei im Einzelfall
um schwierige Fragen geht, brauchen wir uns überhaupt
nicht zu unterhalten. Aber dass das ausdrücklich festge-
legt ist, zeigt: Das ist nicht nur etwas, was die Rechtspre-
chung entwickelt, sondern es ist ein Bestandteil und soll
auch Grundlage für das sein, was weiterführende Recht-
sprechung nach sich ziehen kann.

Ich glaube, das alles stärkt den Patienten, auch gegen-
über dem Behandelnden. Da gibt es eben keinen Halb-
gott in Weiß. Vielmehr wird auf Augenhöhe über ganz
wichtige Themen gesprochen, die den Patienten unmit-
telbar betreffen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718002000

Kollege Lemme.


Steffen-Claudio Lemme (SPD):
Rede ID: ID1718002100

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Frage richtet

sich an Herrn Minister Bahr. Sie hatten ja im Vorfeld der
Erarbeitung des Gesetzentwurfes die Absicht, die Rechte
der Patientenvertreter, also die Kollektivrechte, im G-BA
zu stärken; die Patientenvertreter sollten stärker einge-
bunden werden, auch in Verfahrensabläufe. Das ist nun
nicht geschehen. Warum haben Sie die Rechte der Pa-
tientenvertreter nicht gestärkt?

Außerdem möchte ich fragen: Wo ist eigentlich Herr
Zöller?


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Krank! – Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Er ist krank, Sie Schlaumeier!)



Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1718002200

Zunächst einmal: Ich bin nicht für den Terminplan

von Herrn Zöller zuständig. Weil ich mit ihm telefoniert
habe, kann ich Ihnen aber versichern: Er ist heute er-
krankt und kann deswegen nicht an dieser Sitzung teil-
nehmen.


(Beatrix Philipp [CDU/CSU], an den Abg. Steffen-Claudio Lemme [SPD] gewandt: Lieber mal vorher fragen, Herr Kollege! Sonst kann es peinlich werden!)


Er lässt sich entschuldigen. Ich weiß ihn allerdings an
unserer Seite. Er hat dieses Vorhaben sehr unterstützt,





Bundesminister Daniel Bahr


(A) (C)



(D)(B)


auch heute öffentlich. Ich bin sehr dankbar für die Ar-
beit, die der Patientenbeauftragte für das Patientenrech-
tegesetz geleistet hat.

Ich kann mich an eine Äußerung, in der ich zugesi-
chert habe, dass die Verfahrensrechte der Patientenver-
treter im Gemeinsamen Bundesausschuss verändert wer-
den, nicht erinnern. Ich halte das auch nicht für sinnvoll.
Nach all den Erfahrungen, die wir im Gemeinsamen
Bundesausschuss gemacht haben, werden die Patienten-
vertreter sehr gut berücksichtigt und in die Diskussion
eingebunden. Bei den meisten Entscheidungen – das be-
stätigt auch der unparteiische Vorsitzende – würden die
Patientenvertreter, wenn sie Stimmrecht hätten, keine
andere Entscheidung treffen.

Aber: Der Gemeinsame Bundesausschuss trifft Ent-
scheidungen, die den Leistungskatalog der gesetzlichen
Krankenversicherung betreffen und die ansonsten der
Gesetzgeber treffen müsste. Dafür braucht es eine Legi-
timation der Vertreter im Gemeinsamen Bundesaus-
schuss, die ein Stimmrecht haben. Das sind die Vertreter
der Krankenversicherten, die Krankenkassen, und die
Vertreter der Ärzte und Krankenhäuser, also Vertreter
von Organisationen, in denen überwiegend eine Pflicht-
mitgliedschaft besteht und die insofern legitimiert sind.
Die Patientenvertreter stammen nicht aus Organisatio-
nen, in denen eine Pflichtmitgliedschaft besteht. Insofern
ist es auch richtig, dass sie kein Stimmrecht haben und
somit keine Entscheidung beeinflussen können. Jedoch
sollen sie beteiligt werden. Ihre Einbindung wird ge-
stärkt; das ist so. Die Patientenvertreter werden an der
Arbeit weiterer Gremien beteiligt, beispielsweise wenn
es um die Bedarfsplanung auf Landesebene geht. Ein ei-
genes Stimmrecht wird aus meiner Sicht dem Charakter
des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Legitima-
tion der Entscheidung aber nicht gerecht – auch nicht ein
eigenes Stimmrecht in Verfahrensfragen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718002300

Frau Bunge.


Dr. Martina Bunge (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718002400

Danke, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren

der Bundesregierung, auch meine Kontakte zu den Pa-
tientenverbänden zeigen, dass nach deren Einschätzung
dieser Gesetzentwurf seinen Namen nicht verdient.

Etliches ist schon angesprochen worden. Ich möchte
aber noch ganz kurz zu einer weiteren Frage kommen.
Ich möchte auf die Ankündigungen von Herrn Zöller
eingehen, auf die sich natürlich auch Erwartungen grün-
den. Eine dieser Erwartungen bezieht sich darauf, dass
im Zusammenhang mit dem Brustimplantateskandal im
Frühjahr dieses Jahres viel davon gesprochen wurde, die
Medizinproduktesicherheit zu steigern und die Haftung
patientenfreundlicher zu handhaben. Die Linke plädiert
dafür, den Selbstverschuldungsparagrafen abzuschaffen.
Wenn man nicht so weit gehen will, sollte man in diesen
Fällen die Patienten zumindest nicht mehr an den Kosten
der notwendigen Behandlung beteiligen. Das findet sich
in diesem Gesetzentwurf nicht wieder. Daher frage ich
Sie: Warum nicht? Wo sonst soll so etwas geregelt wer-
den?


Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1718002500

Zunächst einmal wird eine Behauptung durch bloße

Wiederholung nicht richtiger. Auch heute können Sie
den Tickermeldungen entnehmen, dass Patientenorgani-
sationen den Gesetzentwurf durchaus gelobt haben, ge-
nauso wie Ärzteorganisationen und andere Beteiligte.
Sie tragen auch Punkte vor, die durch den Gesetzentwurf
geändert werden sollten. Das ist im politischen Diskus-
sionsprozess völlig normal. Deswegen gibt es auch An-
hörungen, in denen jeder noch einmal seine Anregungen
einbringen kann. Insofern stimmt Ihre These nicht. Im
Gegenteil: Patientenorganisationen freuen sich, dass
endlich ein Patientenrechtegesetz im Entwurf vorliegt
und wir an dieser Stelle unser Versprechen gehalten ha-
ben. Ich habe im Übrigen darauf gewettet, dass wir das
machen werden. Diese Wetten habe ich jetzt gewonnen.

Zum Inhaltlichen: Die Erfahrungen aus dem Skandal um
die PIP-Brustimplantate in Frankreich zeigen, dass es krimi-
nelles Handeln gibt. Das muss bestraft werden. Da müssen
die Betreffenden auch zur Verantwortung gezogen werden.

In der letzten Legislaturperiode ist im Sozialgesetz-
buch V die Regelung geschaffen worden, dass bei sol-
chen Leistungen, die medizinisch nicht notwendig waren
und die aufgrund eines Wunsches des Versicherten
durchgeführt worden sind, der Versicherte bei späteren
Komplikationen zu einer angemessenen Eigenbeteili-
gung herangezogen werden kann. Die Krankenkassen
können diese Regelung in Anspruch nehmen. Alle Er-
fahrungen und alle im Moment geführten Debatten zei-
gen uns, dass mit dieser Regelung sehr sorgsam umge-
gangen wird. Es gibt Krankenkassen, die generell darauf
verzichten, und andere Krankenkassen, die sich das im
Einzelfall anschauen. Wir haben keinen Anlass, diese
Regelung im Sozialgesetzbuch V wieder aufzuheben,
wie Sie es gerade gefordert haben.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718002600

Frau Kollegin Bas.


Bärbel Bas (SPD):
Rede ID: ID1718002700

Vielen Dank. – Ich würde gerne noch bei den Medizin-

produkten bleiben. Beim Brustimplantateskandal ist deut-
lich geworden, dass selbst dann, wenn der Arzt richtig ope-
riert hat, Probleme beim Patienten dadurch entstehen
können, dass das Produkt, das verwendet wurde, schadhaft
war. Deshalb will ich nachfragen, warum zum Beispiel die
Forderungen nicht aufgenommen wurden, eine amtliche
Zulassung für Hochrisikoprodukte einzuführen, ein Regis-
ter einzurichten, das auch überwacht wird, und bei den
Herstellern von Medizinprodukten deutlich stärkere Kont-
rollen vorzunehmen. Für Patienten ist es wichtig, solche
Regelungen überhaupt erst einmal zu haben; denn sonst
kann man keine Patientenrechte daraus ableiten.

Mich wundert es sehr, dass ich in dem Gesetzentwurf
dazu nichts finde. Vielleicht können Sie noch einmal er-
läutern, wo das Berücksichtigung findet – wenn nicht im
Patientenrechtegesetz, dann möglicherweise woanders.


Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1718002800

Zunächst einmal habe ich mich eben explizit auf die

Frage von Frau Bunge bezogen, die die Regelung der Ei-
genbeteiligung im Sozialgesetzbuch V ansprach.





Bundesminister Daniel Bahr


(A) (C)



(D)(B)


Generell haben Sie recht. Der Skandal um die PIP-
Brustimplantate hat uns allen noch einmal gezeigt, dass
Veränderungsbedarf besteht. Wir wissen aber, dass das
Medizinprodukterecht europäisch geregelt ist. Da sind
nationale Alleingänge nicht sinnvoll.

Die Bundesregierung unterstützt ausdrücklich die nun
von EU-Gesundheitskommissar Dalli gestartete Initia-
tive, bei der es darum geht, wie das Medizinprodukte-
recht besser gestaltet werden kann, wie es europaweit
stärker vereinheitlicht werden kann, wie Kontrollen
effektiver stattfinden können und Erkenntnisse besser
ausgetauscht werden können. Jetzt warten wir die kon-
kreten Vorschläge der EU-Kommission ab. Wir werden
uns dort intensiv und aktiv einbringen, um Konsequen-
zen aus dem Skandal zu ziehen. Das Ganze ist aber, wie
gesagt, eine europäische Aufgabe. Hier liegt auch die
Zuständigkeit. Die entsprechende Richtlinie wird gerade
ohnehin überarbeitet.

Sie haben daneben die Kontrollen angesprochen. Im
Rahmen unserer Zuständigkeit haben wir in der Bundes-
regierung auf nationaler Ebene Konsequenzen gezogen.
Im Dezember 2011 haben wir den Entwurf einer All-
gemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des
Medizinproduktegesetzes beschlossen. Nach Maßgaben
im Bundesrat wird die Vorschrift morgen im Bundes-
anzeiger veröffentlicht. Hierin ist dargestellt, wie die
Überwachungstätigkeiten, für die in Deutschland ja die
Länder zuständig sind, gestärkt werden können; denn es
zeigt sich, dass die Überwachungen verbessert werden
müssen, anlassunabhängig sein müssen und unangemel-
det erfolgen sollten.

Bei den PIP-Brustimplantaten sind wir zu der Er-
kenntnis gekommen: Dahinter stand kriminelle Energie.
Hier war ein Hersteller tätig, der sich an bestehende Ge-
setze bewusst nicht gehalten hat. Diese kriminelle Ener-
gie wird man nur eindämmen können, wenn man die
Überwachungstätigkeit verbessert. Das haben wir in der
Verwaltungsvorschrift vorgesehen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718002900

Frau Paus.


Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718003000

Herr Minister, Sie haben gerade darauf hingewiesen,

dass das Thema auf europäischer Ebene erstens angesie-
delt ist und zweitens jetzt auch verhandelt wird. Den-
noch würde es in Bezug auf das Thema Patientenrechte
doch sehr gut passen, wenn Sie durch den Gesetzentwurf
zumindest die Informationsmöglichkeiten verbessern
würden.

Deswegen interessiert uns sehr wohl, inwieweit si-
chergestellt wird, dass die Patientinnen und Patienten
beim Einsatz von Medizinprodukten auch Informationen
zu produktbezogener Gewährleistung und zu den Risi-
ken erhalten. Auch das – so ist jedenfalls unsere Infor-
mation – ist in Ihrem Gesetzentwurf bisher nicht vorge-
sehen, würde aber dort hineingehören. Das ist nicht nur
eine europäische Frage. Warum ist das bisher nicht ent-
halten?


Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1718003100

Wir sehen in dem Patientenrechtegesetz ja vor, dass

die Informationspflichten, auch die des Behandlers, er-
weitert werden. Beispielsweise muss bei den individuel-
len Gesundheitsleistungen auf die Behandlungskosten
und auf mögliche Folgen hingewiesen werden. Daneben
geben wir den Patienten jetzt die Möglichkeit, Einsicht
in die Patientenakte zu erlangen, und wir haben auch In-
formationspflichten des Patientenbeauftragten und der
Krankenversicherung vorgesehen.

Insgesamt werden durch diesen Entwurf eines Patien-
tenrechtegesetzes die Informationspflichten der Behand-
ler, also auch derjenigen, die ein Medizinprodukt einset-
zen, erweitert, damit der Patient bessere Informationen
erhält.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe konkret nach Medizinprodukten gefragt!)


– Das gilt natürlich auch für den Einsatz von Medizin-
produkten. Hier müssen ebenfalls entsprechende Infor-
mationen zur Verfügung gestellt werden. Auch das stärkt
der Entwurf des Patientenrechtegesetzes noch einmal
explizit.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718003200

Frau Aschenberg-Dugnus.


Christine Aschenberg-Dugnus (FDP):
Rede ID: ID1718003300

Vielen Dank. – Herr Präsident, vielleicht gestatten Sie

mir, dass ich an dieser Stelle die allerherzlichsten Gene-
sungswünsche an den Kollegen Wolfgang Zöller über-
mittle. Ich denke, das ist angebracht.

Mich würde interessieren – das Thema wurde gerade
schon behandelt, aber sehr auf Medizinprodukte redu-
ziert –, wie der Gesetzentwurf die Patienten unterstützt,
die sich ganz speziell über mangelnde Informationen
beim Arzt beschweren.


Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1718003400

Wir stärken die Patienten beispielsweise dadurch,

dass wir vorsehen, im Krankenhausbereich ein Be-
schwerdemanagement zu implementieren, sodass sich
die Versicherten dort entsprechend beschweren und in-
formieren können. Es ist auch vorgesehen, dass in den
Qualitätsberichten, die die Krankenhäuser veröffentli-
chen, das Thema Fehlervermeidung enthalten sein soll.

Daneben fördern wir durch Vergütungszuschläge,
dass in Praxen und in Krankenhäusern Fehlervermei-
dungsstrategien implementiert werden. Der Patient hat
schon jetzt die Möglichkeit, die Krankenversicherung in
Anspruch zu nehmen, wenn er Informationen zum Bei-
spiel über Leistungserbringer und darüber erhalten will,
wo er seine Rechte geltend machen kann und wie er sich
informieren kann.

Der Versicherte erhält hier also insgesamt mehr Mög-
lichkeiten, an Informationen zu kommen. Er tritt gegen-
über dem Leistungserbringer möglichst auf Augenhöhe
auf. Das wird nie ganz gelingen, weil ein Patient nicht





Bundesminister Daniel Bahr


(A) (C)



(D)(B)


die Ausbildung eines Arztes hat und somit nicht die glei-
chen Informationen haben kann. Uns ist es aber wichtig,
dass er möglichst viele Informationen hat und dass er vor
allem weiß, wo er welche Informationen bekommt.
Gleichzeitig werden die Leistungserbringer verpflichtet,
möglichst viele Informationen zur Verfügung zu stellen,
wie beispielsweise durch die Verpflichtung bei den indi-
viduellen Gesundheitsleistungen, auch auf die zu erwar-
tenden Behandlungskosten hinzuweisen. In diesem
Zusammenhang ist das Erfordernis der Textform imple-
mentiert, sodass der Patient schriftliche Informationen
darüber erhält, was er dort in Anspruch nimmt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718003500

Frau Volkmer, bitte.


Dr. Marlies Volkmer (SPD):
Rede ID: ID1718003600

Herr Minister, Sie haben vorhin erklärt, dass Sie kei-

nen Entschädigungsfonds wollen, weil die Ärzte nicht
aus der Verantwortung entlassen werden sollen. Warum
sind Sie nicht einer Lösung nahegetreten, bei der die
Ärzte nicht aus der Verantwortung entlassen werden,
aber bei der den Patienten geholfen wird, indem zum
Beispiel der Fonds finanziell in Vorleistung geht? Wir
alle wissen, dass Prozesse, bei denen es um die Haftung
eines Arztes geht, Jahre dauern. Das führt die Patientin-
nen und Patienten abgesehen von der psychischen Belas-
tung vor allen Dingen ganz schnell an ihre finanziellen
Leistungsgrenzen.


Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1718003700

Ich habe mich eben explizit darauf bezogen, dass es

meiner Meinung nach nicht sinnvoll ist, dass ein solcher
Fonds mit Beitragsgeldern aus der Solidargemeinschaft
der Krankenversicherten finanziert wird. Unbenommen
davon können ärztliche Organisationen selbst eine sol-
che Stiftung gründen oder einen solchen Entschädi-
gungsfonds schaffen. Es gibt schon heute eine gemein-
nützige Stiftung, die Alexandra-Lang-Stiftung, an die
sich Patienten wenden und von der sie Unterstützung
erfahren können. Diese Stiftung arbeitet sehr gut mit
Krankenkassen zusammen.

Außerdem glaube ich, dass auch Ärzte ein Interesse
daran haben, dass nicht diejenigen, die sich korrekt ver-
halten, für das Fehlverhalten eines anderen Arztes in
Haftung genommen werden. Das ist die grundsätzliche
Fragestellung. Die praktische Fragestellung ist: Nach
welchen Kriterien wird das Geld aus einem solchen
Fonds gezahlt? Diese müssen vorher festgelegt werden.
Man benötigt eine eigene Behörde, die entscheidet, ob
die Kriterien erfüllt sind. Man braucht ein Antrags-
verfahren. All das sind doppelte Verfahren.

Wenn Sie sagen, das sei ein Vorgriff auf eine Leis-
tung, die der Patient später im bestätigten Schadensfall
erhält, stellt sich natürlich umgekehrt die Frage: Was ist
denn, wenn sich im Klageweg herausstellt, dass der
Schaden nicht von dem Arzt verursacht wurde? Muss
dann der Patient das Geld an den Fonds zurückzahlen?

So gut sich das alles im Interesse des Patienten
anhört, so stellt sich doch die Frage, ob hier nicht das

Verursacherprinzip ausgehebelt wird und damit Fehl-
anreize geschaffen werden. Wir wollen, dass die Anreize
zur Fehlervermeidung so stark sind, dass es möglichst
jeder vermeidet, Fehler zu machen, und dass derjenige,
der einen Schaden verursacht, bitte schön zur Verant-
wortung gezogen wird. Risiko und Haftung müssen
zusammengehören. Der Verursacher eines Fehlers trägt
dafür die Verantwortung.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718003800

Frau Klein-Schmeink.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie schließen einen Härtefallfonds zum Beispiel auch
für die Fälle aus, bei denen es nachweislich einen großen
Schaden gegeben hat, aber die Ursache nicht eindeutig
zu klären ist. Es stellt sich die Frage, warum Sie nicht
wenigstens in den Fällen eine Beweiserleichterung vor-
sehen, in denen es einen Fehler und nachweislich einen
Schaden gegeben hat, in denen aber darüber hinaus der
Geschädigte nachweisen muss, dass es einen Ursachen-
zusammenhang gibt. Warum haben Sie für diese dritte
Stufe keine Erleichterung vorgesehen?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Es geht gerade bei den Haftungsregelungen darum,
dass wir – deshalb orientieren wir uns daran, wie sich
das bisher in der Rechtsprechung entwickelt hat – hier
zwischen einfachen und groben Behandlungsfehlern
unterscheiden. Dabei machen wir keine Differenzierung
zwischen einem Fehler und dem eingetretenen Schaden
auf der einen Seite und der Feststellung der Ursächlich-
keit auf der anderen Seite, die dann immer auf den Arzt
oder den Behandelnden zu übertragen wäre. Das wäre
eine generelle Beweislastumkehr; denn die Ursächlich-
keit ist gerade einer der entscheidenden Punkte. Von
daher nehmen wir keine generelle Beweislastumkehr im
Bereich der Ursächlichkeit vor.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718003900

Frau Dyckmans.


Mechthild Dyckmans (FDP):
Rede ID: ID1718004000

Es gibt Behandlungen, deren Kosten die Kranken-

kassen nicht übernehmen. Über diese Leistungen haben
wir in der letzten Zeit oft diskutiert. Ist in dem Gesetz-
entwurf vorgesehen, dass Patienten, die Behandlungen
wählen, deren Kosten von den Krankenkassen nicht
übernommen werden, Informationen darüber bekom-
men, welche Kosten auf sie zukommen?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Dieses Thema hat schon die Beratungen beherrscht.
Deshalb sind wir beide hier aktiv geworden. Wir sehen
im Gesetzentwurf vor, als § 630 c eine Bestimmung ins
Bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmen, dass im Falle von
individuellen Leistungen, den IGeL-Leistungen, der
Patient dann, wenn der Behandelnde weiß, dass eine





Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger


(A) (C)



(D)(B)


vollständige Übernahme der Behandlungskosten nicht
gesichert ist oder dass es berechtigte Gründe gibt, dies
anzunehmen – es genügt also der Anschein, dass das so
sein könnte –, vor der Behandlung über die voraussicht-
lichen Kosten der Behandlung schriftlich, also in Text-
form, informiert werden muss.

Es gibt auch die Information auf mündlichem Wege,
aber in dem Entwurf ist ausdrücklich vorgesehen, dass
ein Papier übergeben wird, in dem genaue Informationen
über die Kosten bzw. die Übernahme der Kosten der Be-
handlung enthalten sind. Das ist etwas Neues. Das hat es
bisher in der Rechtsprechung nicht gegeben. Es klang
vereinzelt schon einmal an, aber daraus konnte der Pa-
tient bisher kein Recht ableiten. Das Recht bekommt er
jetzt mit dieser Neuregelung.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718004100

Frau Vogler, bitte.


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718004200

Herr Bahr, Sie haben vorhin gesagt, dass die Einfüh-

rung eines Entschädigungs- bzw. Haftungsfonds sehr
kompliziert und mit viel Arbeit verbunden sei. Das wür-
den Sie lieber nicht angehen; Sie würden vielmehr auf
freiwillige Lösungen seitens der Ärzteschaft wie die von
Ihnen genannte Stiftung vertrauen. Könnten Sie uns viel-
leicht ungefähr sagen, wie viele Patientinnen oder Pa-
tienten bzw. Versicherte insgesamt von solchen privaten
Lösungen profitieren und welchen Vorteil aus Ihrer Sicht
die Privatisierung eigentlich staatlicher Verantwortung
für Patientinnen und Patienten im Vergleich zur Wahr-
nehmung durch die Politik hat?


Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1718004300

Liebe Frau Kollegin, ich glaube, das ist einfach ein

Unterschied zwischen uns. Deswegen sind Sie Mitglied
der Linken, und ich bin Mitglied in einer anderen, einer
liberalen Partei. Ich bin der Meinung, dass derjenige, der
einen Schaden verursacht, auch dafür zur Verantwortung
gezogen werden muss. Sie möchten, dass alle, das heißt
die gesamte Gesellschaft, der Staat und die Versicherten,
kollektiv für die Kosten aufkommen. Da ich diesen An-
satz nicht teile – das betrifft genauso die Schulden in
Europa und andere Fragen –,


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie sind ja zum Glück nicht Finanzminister!)


bin ich der Meinung, dass es richtig ist, dass derjenige,
der etwas falsch gemacht hat, auch zur Verantwortung
gezogen wird.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Falsch verstanden!)


Darüber hinaus begrüße ich – das Patientenrechtege-
setz und die Debatte darüber tragen auch dazu bei –, dass
es gemeinnützige Stiftungen wie die Alexandra-Lang-
Stiftung gibt, die sich in der Bürgergesellschaft enga-
giert, um andere zu unterstützen.

Wir verankern hier – das ist eine wesentliche Verän-
derung –, dass Krankenkassen erstmals verpflichtet sind,

ihren Versicherten zu helfen, zum Beispiel durch Gut-
achtenerstellung und Information darüber, wo man Hilfe
bekommen kann. Wie ist das denn in der Praxis? Die
Fälle, in denen es zu Behandlungsfehlern gekommen ist,
zeigen, dass sich die Betroffenen alleingelassen fühlen.
Sie kennen ihre Rechte nicht und wissen nicht, wer ih-
nen hilft. Daher ist die Möglichkeit, dass sie sich an ihre
Krankenkasse wenden können, die ihnen helfen muss,
ein sehr guter Weg, der der Praxis besser entspricht, als
wenn wir ein neues Verfahren mit neuen Beantragungen,
neuen Kriterien und einer neuen Behörde, die wiederum
entscheiden muss, ob jemand Leistungen bekommt,
schaffen würden. Das würde nur viel Geld kosten und
Kapazitäten binden. Hier muss klar das Verursacherprin-
zip gewahrt bleiben.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718004400

Wir sind jetzt jenseits der vereinbarten Zeit. Ich habe

noch zwei Wortmeldungen der Kolleginnen Reimann
und Volkmer. Ich schlage vor, dass wir sie noch aufru-
fen. – Das ist offenkundig einvernehmlich. Bitte schön,
Frau Reimann.


Dr. Carola Reimann (SPD):
Rede ID: ID1718004500

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich habe noch eine

Frage zu den individuellen Gesundheitsleistungen, die
gerade schon angesprochen wurden. Verbraucherzentra-
len, Krankenkassen und auch die Ärzteschaft sind sich
einig und fordern seit langem Regularien und Regeln für
diesen Bereich der individuellen Gesundheitsleistungen.
Das geht weit über die schlichte Information über den
Preis hinaus. Es geht um Leistungen, die häufig einen
medizinisch zweifelhaften Nutzen haben. Deswegen
frage ich: Warum ist im Entwurf des Patientenrechte-
gesetzes entgegen den Ankündigungen und Forderungen
im Vorfeld keine spezifische Regelung gefunden wor-
den?


Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1718004600

Die Ankündigungen haben wir mit dem Patienten-

rechtegesetz umgesetzt. Wir haben darin Regelungen für
die individuellen Gesundheitsleistungen vorgesehen.
Das Kabinett hat heute den Entwurf beschlossen. Wei-
tere Beratungen finden statt. Das, was das Kabinett vor-
legt, ist eine Verbesserung. Denn erstmals wird eine Ver-
pflichtung verankert, dass die voraussichtlichen Kosten
der Behandlung durch den Behandler zu benennen sind.
Wir sehen ein Textformerfordernis vor. Das heißt, der
Patient erhält schriftliche Informationen über die indivi-
duellen Gesundheitsleistungen.

Ich glaube – das unterscheidet uns vielleicht ein biss-
chen –, dass wir individuelle Gesundheitsleistungen
brauchen. Die Leistungen der gesetzlichen Krankenver-
sicherung sollen nach Sozialgesetzbuch V ausreichend,
zweckmäßig, wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des
Notwendigen nicht überschreiten. Das stellen Sie nicht
infrage, und das stelle ich nicht infrage. Das heißt, dass
es auch Leistungen oberhalb des Leistungskatalogs der
gesetzlichen Krankenversicherung geben kann, die viel-
leicht nicht notwendig sind, aber dennoch für den Pa-
tienten sinnvoll sein können.





Bundesminister Daniel Bahr


(A) (C)



(D)(B)


Deswegen habe ich gestern auf dem Ärztetag einge-
fordert, dass die Ärzteschaft, die hier in erster Linie
gefordert ist, nämlich die Selbstverwaltung, mit den in-
dividuellen Gesundheitsleistungen entsprechend sorg-
sam und verantwortungsbewusst umgeht. Der Arzt ist
kein Unternehmer, sondern ein Freiberufler. Das Ver-
hältnis zwischen Arzt und Patient ist ein ganz besonde-
res Vertrauensverhältnis, das nicht durch wirtschaftliche
Aspekte belastet werden darf. Der Ärztetag hat schon
vor einigen Jahren einen entsprechenden Kodex be-
schlossen. Auch auf dem aktuellen Ärztetag befasst sich
die Ärzteschaft mit Regularien und Regeln, die inner-
ärztlich die individuellen Gesundheitsleistungen festle-
gen sollen.

Ich halte aber von Vorschlägen nichts, die beispiels-
weise vorsehen, dass ein Tag zwischen Angebot und Be-
handlung liegen muss. Ich glaube, der Patient ist mündig
genug, selbst zu entscheiden, wenn er gut informiert ist,
die Konsequenzen kennt und sich nicht ausgenutzt fühlt;
darauf kommt es an. Das stärken wir mit dem Gesetz.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718004700

Frau Volkmer? – Ihre Frage hat sich erledigt. Dann

schließen wir diesen Teil der Regierungsbefragung ab.

Gibt es andere Fragen zur heutigen Kabinettssitzung? –
Das ist offenkundig nicht der Fall. Hat jemand eine sons-
tige, vorher nicht schriftlich eingereichte Frage an die
Bundesregierung? – Nicht einmal das ist der Fall. Es
senkt sich seltener Frieden über den Plenarsaal. Damit
können wir die Regierungsbefragung abschließen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde
– Drucksache 17/9677 –

Wir rufen die schriftlich eingereichten Fragen zur
mündlichen Beantwortung in der üblichen Reihenfolge
auf.

Wir kommen zuerst zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht
der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Koschyk
zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Manfred Nink auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, bei den Verhandlungen

über das Gesetzespaket zur Umsetzung von Basel III die be-
sondere Struktur der deutschen Wirtschaft zu berücksichtigen,
die sich vorwiegend aus kleinen und mittleren Unternehmen,
KMU, zusammensetzt, die in höherem Maße von Bankkredi-
ten abhängig sind und durch die Einführung der neuen Eigen-
kapitalquoten überproportional belastet werden, und wird sie
sich dementsprechend für die Einführung einer speziellen
Mittelstandsklausel (KMU-Unterstützungsfaktor) – zum Bei-
spiel durch die Senkung des Risikogewichts bei Mittelstands-
krediten – einsetzen, um die Belastung des Mittelstandes zu
kompensieren?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718004800


Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege
Nink, Sie fragen nach der Haltung der Bundesregierung
bei den Verhandlungen im Hinblick auf die Umsetzung
von Basel III. Dahinter verbirgt sich die Stärkung der Ei-

genkapitalunterlegung der Banken als eine wesentliche
Schlussfolgerung aus der Finanzkrise.

Die Bundesregierung hat das Ziel der Stärkung der
Eigenkapitalbasis der Banken begrüßt. Es war ihr aber
bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene sehr
wichtig, dass die bankenaufsichtsrechtlichen Vorschrif-
ten so ausgestaltet und eingeführt werden, dass vor allem
Sparkassen und Genossenschaftsbanken ihre zentrale
Rolle bei der Finanzierung mittelständischer Unterneh-
men auch in Zukunft umfassend ausfüllen können.

Auch künftig werden die nationalen Aufsichtsbehör-
den über die Intensität der Beaufsichtigung und die
Organisation der bankenaufsichtlichen Überprüfungs-
verfahren das Entscheidungsrecht haben. Es gilt der
Grundsatz der abgestuften Aufsichtsdichte nach Maß-
gabe der Risikoeinstufung des beaufsichtigenden Insti-
tuts. Dieses sogenannte Proportionalitätsprinzip kommt
vor allem den kleineren und mittleren Sparkassen und
Genossenschaftsbanken zugute, die – dafür sind wir
dankbar – der Hauptfinanzierer des Mittelstands in
Deutschland sind.

Die politischen Verhandlungen im Ecofin sind vorerst
abgeschlossen. Die EU-Finanzminister haben sich in der
Ratssitzung am 15. Mai auf einen Kompromisstext ver-
ständigt und die Präsidentschaft beauftragt, die soge-
nannten Trilogverhandlungen zwischen Präsidentschaft,
Europäischem Parlament und Kommission zu führen.
Nach dem bisherigen Verhandlungsstand ist keine Ab-
senkung des Risikogewichts bei Mittelstandskrediten
vorgesehen. Dafür gab es bei den Ratsverhandlungen
keine Mehrheit. Der zuständige Wirtschafts- und Wäh-
rungsausschuss des Europäischen Parlaments hat sich
aber im Zusammenhang mit diesem Vorschlag bereits
am 14. Mai sehr eindeutig für eine deutliche Absenkung
des Risikogewichts für Mittelstandskredite ausgespro-
chen. Das wird von der Bundesregierung begrüßt. Wir
tun alles, was wir tun können, um in den Trilogverhand-
lungen diese Position zum Tragen zu bringen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718004900

Eine Zusatzfrage? – Das ist nicht der Fall.

Dann rufe ich die Frage 2 des Kollegen Zöllmer auf:
Will die Bundesregierung bei der im Entwurf des Gesetzes

zur Stärkung der deutschen Finanzaufsicht geplanten Reform
des Verwaltungsrates bleiben, wonach die derzeit zehn Reprä-
sentanten der Banken, Versicherer und Fondsgesellschaften
nicht mehr im 21-köpfigen Verwaltungsrat der Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht vertreten sein sollen, nach-
dem es hierzu heftige Kritik aus der gesamten Finanzbranche
gibt?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718005000


Herr Kollege Zöllmer, die Bundesregierung hat in der
Kabinettssitzung am 2. Mai – das ist Ihnen bekannt –
den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der deutschen
Finanzaufsicht beschlossen. Zur Stärkung der Unabhän-
gigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf-
sicht und übrigens im Einklang mit internationalen
Aufsichtsstandards sieht der Regierungsentwurf die Än-





Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk


(A) (C)



(D)(B)


derung der Zusammensetzung des Verwaltungsrats der
BaFin vor. Danach sollen dem Verwaltungsrat anstelle
von bisher zehn Verbandsvertretern der Finanzindustrie
in Zukunft sechs Persönlichkeiten mit Expertise im Be-
reich der Finanzwirtschaft angehören. Insofern hat die
Bundesregierung nicht die Absicht, den bereits beschlos-
senen Gesetzentwurf zu ändern.

Die parlamentarischen Beratungen bleiben abzuwar-
ten. Ich gehe aber davon aus, dass es auch nach den
Beratungen eine Mehrheit im Parlament für diesen Neu-
gestaltungsansatz bei der Finanzaufsicht und für die Re-
form des Verwaltungsrats der BaFin geben wird.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718005100

Zusatzfrage? – Bitte.


Manfred Zöllmer (SPD):
Rede ID: ID1718005200

Nun hat es bei der Debatte über diesen Entwurf von-

seiten der Koalition sehr markige Äußerungen und den
Hinweis gegeben, man dürfe diejenigen, die beaufsich-
tigt werden sollen, nicht in einem solchen Gremium
haben. Auf der anderen Seite gibt es Kritik; denn die
Banken und Versicherer sind die Financiers der entspre-
chenden Einrichtung. Nun gehöre auch ich zufällig dem
Verwaltungsrat der BaFin an und weiß, dass sich dieser
Verwaltungsrat mit allem Möglichen beschäftigt, nur
nicht mit dem Tagesgeschäft der Überwachung von Ban-
ken.

Daher meine Frage: Teilt die Bundesregierung die
Kritik aus den Reihen von CDU/CSU und FDP, die ich
eben erwähnt habe? Sind auch Sie der Meinung, dass mit
den Bankenvertretern und Versicherungsvertretern im
Aufsichtsrat diejenigen an der Aufsicht mitwirken soll-
ten, die beaufsichtigt werden sollen?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718005300


Ich habe keinerlei Kritik der Koalitionsfraktionen an
dem Gesetzentwurf, den die Bundesregierung beschlos-
sen hat und der die Verwaltungsratszusammensetzung
ändern wird, vernommen. Insofern gehe ich davon aus,
Herr Kollege Zöllmer, dass es für diesen Vorschlag eine
entsprechende parlamentarische Mehrheit geben wird.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Gut, danach hatte ich aber nicht gefragt!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718005400

Eine Nachfrage.


Manfred Zöllmer (SPD):
Rede ID: ID1718005500

Die Frage ist: Teilt die Bundesregierung genau diese

Aussage der Koalitionsfraktionen?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718005600


Herr Kollege Zöllmer, ich versuche es noch einmal:
Wir haben eine veränderte Zusammensetzung des Ver-
waltungsrats der BaFin beschlossen. Es sollen nicht

mehr wie bisher zehn Verbandsvertreter dem Gremium
angehören, sondern Persönlichkeiten mit Erfahrung und
einem Expertisenachweis aus dem Bereich der Finanz-
wirtschaft. Das heißt, die Verbände entsenden nicht mehr
einfach so Vertreter, auf die niemand Einfluss nehmen
kann. Diesem Ansatz der Änderung der Zusammen-
setzung wird, glaube ich, vonseiten der Koalitionsfrak-
tionen nicht mit Kritik begegnet; er findet vielmehr Zu-
stimmung und wird nach meiner Einschätzung eine
parlamentarische Mehrheit erhalten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718005700

Weitere Nachfragen dazu sehe ich nicht.

Wir kommen zur Frage 3:
Wie haben sich die Vertreter der Bundesregierung im Auf-

sichtsrat der Commerzbank AG bzw. die von der Bundes-
regierung hierfür genutzten Vertreter der Münchener Rück-
versicherungs-Gesellschaft und der frühere Bundesbank-
Vorstand M. verhalten, als es aktuell um die Frage der Erhö-
hung der Bezüge des Managements der Commerzbank AG
und die ebenfalls geplante Zahlung von darüber hinausgehen-
den Boni ging?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718005800


Herr Kollege Zöllmer, die vom Finanzmarktstabilisie-
rungsfonds eingegangenen Beteiligungen an Kreditinsti-
tuten dienen der Stabilisierung des Finanzmarktes. Die
Bundesregierung hat stets betont, dass sie nicht auf das
Geschäft stabilisierter Banken Einfluss nimmt. Deshalb
gibt das Bundesministerium der Finanzen auch keine
Auskünfte und Stellungnahmen zu unternehmensinter-
nen Entscheidungen dieser Institute, zum Beispiel auch
der Commerzbank. Auch über den Inhalt der Tätigkeit
von Aufsichtsräten äußert sich die Bundesregierung
nicht.

Soweit Beschäftigte der Bundesregierung im Rahmen
des rechtlich Zulässigen Auskünfte von Gremienvertre-
tern entgegennehmen, haben sie nach § 395 Aktienge-
setz darüber Stillschweigen zu bewahren und dürfen
keine Auskünfte erteilen. Diese gesetzliche Verschwie-
genheitspflicht schließt auch das Abstimmungsergebnis
und das Stimmverhalten im Aufsichtsrat mit ein. Eine
Verletzung dieser Geheimhaltungspflicht stellt übrigens
nach § 404 des Aktiengesetzes einen Straftatbestand dar.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718005900

Bitte schön.


Manfred Zöllmer (SPD):
Rede ID: ID1718006000

Aber die Erhöhung der Vorstandsvergütung um insge-

samt 60 Prozent ist ein Vorgang, der öffentlich geworden
ist. Die Commerzbank ist eine Einrichtung, die mit stil-
len Einlagen in Höhe von 18,2 Milliarden Euro und
16 Milliarden Euro vom Steuerzahler davor bewahrt
wurde, Bankrott zu machen. Nun haben wir eine Situa-
tion, die aus meiner Sicht der unverschämten Selbstbe-
dienungsmentalität von Vorständen geschuldet ist, deren
Banken vom Steuerzahler gerettet worden sind und die
noch nicht einmal Zinsen für das eingelegte Kapital ge-
zahlt haben. Dazu muss die Bundesregierung doch eine





Manfred Zöllmer


(A) (C)



(D)(B)


politische Meinung haben. Diese politische Meinung
hätte ich gern von Ihnen erfahren. Ist es so, dass die
Bundesregierung diese unverschämte Selbstbedienungs-
mentalität für richtig hält?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718006100


Herr Kollege Zöllmer, ich darf darauf hinweisen, dass
die Vorstandsbezüge der Commerzbank AG vom Auf-
sichtsrat im Hinblick auf die fixe und die variable Vergü-
tung gemäß der gesetzlichen Vorgabe in den Jahren 2010
und 2011 auf 500 000 Euro pro Jahr begrenzt wurden.

Die gesetzlich festgelegte Begrenzung greift bereits
ab dem Geschäftsjahr 2011 nicht mehr, da die Bank im
Jahr 2011 mehr als die Hälfte der Rekapitalisierungsleis-
tungen des Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung
zurückgeführt hat. Für 2011 galt allerdings auf Be-
schluss des Aufsichtsrats – und damit freiwillig, also
ohne dass dies gesetzlich erforderlich gewesen wäre –
noch die absolute Begrenzung auf 500 000 Euro. Diese
Begrenzung wurde von der Bank eingehalten.

Herr Kollege Zöllmer, die vom Aufsichtsrat in Ein-
klang mit der Rechtslage beschlossene Vergütungsrege-
lung für den Vorstand tritt daher ab 2012 wieder in Kraft
und ermöglicht so für das Geschäftsjahr 2012 ein Über-
schreiten der Vergütungshöhe von 500 000 Euro.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718006200

Eine zweite Zusatzfrage wollen Sie nicht stellen?


Manfred Zöllmer (SPD):
Rede ID: ID1718006300

Doch. – Ich stelle also fest, dass Sie ein Gehalt von

500 000 Euro pro Jahr für etwas halten, von dem man je-
manden erlösen muss?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718006400


Lieber Herr Kollege Zöllmer, ich glaube, ich habe die
Rechtslage sehr sachlich, so, wie sie ist, dargelegt. Auch
Sie dürften von einer Bundesregierung erwarten, dass sie
Sachverhalte gemäß der Gesetzeslage beurteilt und sich
nicht auf eine polemische Debatte einlässt, wie sie von
Ihnen teilweise geführt wird. Wir haben den Sachverhalt
so zu beurteilen, wie er nach Recht und Gesetz zu beur-
teilen ist, und das habe ich Ihnen gerade dargelegt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718006500

Frau Kressl, bitte.


Nicolette Kressl (SPD):
Rede ID: ID1718006600

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, Sie haben dem

Bundestag gerade erläutert, dass Sie auf den Einzelfall
nicht eingehen können. Dennoch bleibt die Frage: Hält
es die Bundesregierung nach diesen Vorgängen nicht für
sinnvoll, grundsätzliche politische Konsequenzen zu zie-
hen? Es werden ja seit längerer Zeit Möglichkeiten dis-
kutiert, Begrenzungen einzuführen, beispielsweise bei
der steuerlichen Absetzbarkeit von sehr hohen Manager-
gehältern.

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718006700


Frau Kollegin Kressl, da Sie mich so allgemein fra-
gen, möchte ich Ihnen antworten: Wir haben in der Gro-
ßen Koalition entsprechende Begrenzungen für Mana-
gergehälter vorgenommen. Die Bundesregierung hält es
nicht für erforderlich, von diesen gesetzlichen Regelun-
gen, die von der Großen Koalition vorgenommen wur-
den, abzugehen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718006800

Kollege Schick.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Staatssekretär, es wurde die Frage nach dem
Handeln der Aufsichtsratsmitglieder gestellt. Nun kann
man grundsätzlich fragen, warum die Bundesregierung
extra jemanden benennt, der nicht Teil der Weisungs-
kette ist, sodass man die Verantwortung gut abschieben
kann. Darüber will ich jetzt aber nicht diskutieren, da-
rüber diskutieren wir an anderer Stelle. Ich möchte je-
doch die Frage stellen, wie der Bund als Eigentümer
agiert.

Auf der Hauptversammlung der britischen Großbank
Barclays haben kritische Aktionäre die überhöhten Vor-
standsbezüge hinterfragt und diese zur Abstimmung ge-
stellt. Warum hat der Bund als Eigentümer mit einer Be-
teiligung von 25 Prozent auf der Hauptversammlung der
Commerzbank, die heute stattfindet, nicht die Möglich-
keit genutzt, in dieser Frage einzugreifen? Heißt das,
dass die Bundesregierung es zumindest stillschweigend
billigt, dass Herr Blessing durch den Aufsichtsrat eine
entsprechende Gehaltserhöhung bekommen hat?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718006900


Herr Kollege Schick, auch Sie darf ich darauf hinwei-
sen, dass eine Intervention des Bundes bzw. der Bundes-
anstalt für Finanzmarktstabilisierung aus der Position als
Aktionär mit einer Beteiligung an der Commerzbank in
Höhe von 25 Prozent plus einer Aktie aus folgenden
Gründen nicht möglich ist: Über die Vorstandsvergütung
entscheidet nach dem Gesetz der Aufsichtsrat in eigener
Verantwortung. Was das Verhalten von Aufsichtsratsmit-
gliedern aus dem Bereich der Bundesregierung anbe-
langt, auch in rechtlicher Hinsicht, habe ich in meiner
Antwort auf die Frage des Kollegen Zöllmer entspre-
chende Ausführungen gemacht. Der Bund hat in der Tat
zwei Vertreter zur Wahl in den 20-köpfigen Aufsichtsrat
vorgeschlagen. Die Hauptversammlung, auf die Sie an-
spielen, Herr Kollege Schick, kann dem Aufsichtsrat
keine verbindliche Empfehlung vorgeben und auch nicht
die Entscheidung des Aufsichtsrats an sich ziehen. Die
mit dem Gesetz über die Angemessenheit von Vor-
standsvergütungen geschaffene Billigung des Vergü-
tungssystems durch die Hauptversammlung hat nach
§ 120 Abs. 4 Satz 2 Aktiengesetz keine Bindungswir-
kung für den Aufsichtsrat. Das heißt, die Entscheidung
und Verantwortung des Aufsichtsrats für die konkrete
Höhe und Angemessenheit der Vorstandsvergütung blei-
ben von einem etwaigen Votum der Hauptversammlung
unberührt.






(A) (C)



(D)(B)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718007000

Kollegin Höll.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718007100

Herr Staatssekretär, Sie haben uns die Rechtslage er-

läutert; das ist richtig. Die Frage bezog sich aber – da-
rauf möchte ich zurückkommen – auf die politische Wer-
tung seitens der Bundesregierung. Wenn ich Sie richtig
verstanden habe, sehen Sie es als rechtens an, dass es
drei Jahre lang eine Begrenzung der Gehälter gab, und
zwar auf 500 000 Euro; das ist nicht ganz wenig Geld.
Die Wirkungen der Finanzkrise auf die öffentlichen
Haushalte und damit auf viele Bürgerinnen und Bürger
gehen weit über diese drei Jahre hinaus. Sie halten es als
Bundesregierung also politisch für richtig, dass die Ma-
nager, das heißt diejenigen, die durch ihr Handeln ganz
konkret mitzuverantworten haben, dass die Finanzkrise
so ausgebrochen ist und so gewirkt hat, jetzt wieder in
die Vollen greifen können, während die öffentliche Hand
weiterhin die Belastungen trägt. Habe ich Sie so richtig
verstanden?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718007200


Verehrte Frau Kollegin Höll, ich darf noch einmal sa-
gen: Der Vorgang bei der Commerzbank, den ich Ihnen
als Reaktion auf die Fragen anderer Kollegen geschildert
habe, hat sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben be-
wegt. Ich glaube, es ist nicht richtig, wenn die Bundesre-
gierung dann, wenn nach Recht und Gesetz gehandelt
wird, daran Anstoß nimmt und sich in eine politische
Debatte darüber einschaltet.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718007300

Kollege Scheelen, bitte.


Bernd Scheelen (SPD):
Rede ID: ID1718007400

Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin auf die Frage

der Kollegin Kressl geantwortet, man habe in der Gro-
ßen Koalition entsprechende Regelungen getroffen.
Auch ich war damals dabei, kann mich daran aber ei-
gentlich nicht erinnern. Vielmehr erinnere ich mich da-
ran, dass wir Ihnen vorgeschlagen haben, die Manager-
gehälter in der Weise zu begrenzen, dass man festlegt:
Sie sind nur bis zu einer bestimmten Höhe, zum Beispiel
bis zu 1 Million Euro, steuerlich absetzbar und darüber
hinaus nicht mehr. Dem haben Sie damals, soweit ich
mich erinnere, nicht zugestimmt. Die Frage ist: Warum
haben Sie das nicht getan?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718007500


Ich glaube, dass die von uns getroffene gesetzliche
Regelung, was die Angemessenheit der Vergütung anbe-
langt, richtig war und dass wir damals auch richtig ent-
schieden haben.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718007600

Weitere Fragen hierzu liegen mir nicht vor.

Die Fragen 4 und 5 des Kollegen Sieling werden
schriftlich beantwortet.

Somit sind wir bei der Frage 6 des Kollegen
Scheelen:

Wird die Bundesregierung – wie von der Wirtschaft
dringend gefordert – die zur Jahresmitte 2012 auslaufende
Übergangsregelung zur Gelangensbestätigung für innerge-
meinschaftliche Lieferungen nach § 17 a der Umsatzsteuer-
Durchführungsverordnung bis zum Jahresende 2012 verlän-
gern und, falls nein, warum nicht?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718007700


Herr Kollege Scheelen, ja, die bis 30. Juni 2012 gel-
tende Übergangsregelung, was die Gelangensbestäti-
gung anbelangt, wird nochmals verlängert. Das haben
Bund und Länder auf Fachebene am 15. Mai 2012 ent-
schieden. Ein entsprechendes BMF-Schreiben wird mit
der Wirtschaft zurzeit noch abgestimmt und soll in
Kürze veröffentlicht werden.

Auf Vorschlag der Wirtschaft prüfen wir derzeit auch
eine Änderung der Umsatzsteuer-Durchführungsverord-
nung. Denn es erscheint sinnvoll, dass in erster Linie die
in dem derzeitigen Entwurf des BMF-Einführungs-
schreibens zur Gelangensbestätigung vorgesehenen Ver-
einfachungen und Erleichterungen im Verordnungswege
auch gesetzlich abgesichert werden.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718007800

Bitte schön, Zusatzfrage.


Bernd Scheelen (SPD):
Rede ID: ID1718007900

Damit das ganz klar ist: Sie verlängern diese Rege-

lung bis Ende des Jahres?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718008000


Ja.


Bernd Scheelen (SPD):
Rede ID: ID1718008100

Das ist ein wichtiger Schritt.
Das Grundsatzproblem wird durch diese Verlänge-

rung aber nicht gelöst. Sie sind daher auch bereit, an der
Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung etwas zu tun,
weil die bisherige Rechtslage gegenüber dem, was jetzt
faktisch noch möglich ist, am Ende einen gewissen Wi-
derspruch erzeugt. Habe ich das richtig verstanden?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718008200


Nein.


Bernd Scheelen (SPD):
Rede ID: ID1718008300

Sie sind bereit, die Umsatzsteuer-Durchführungsver-

ordnung zu ändern. In dem Punkt „Mussvorschrift“ sind
also Öffnungen vorgesehen.

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718008400


Genau. Wir sind bereit, die Umsatzsteuer-Durchfüh-
rungsverordnung zu ändern, um dem, was wir in einem





Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk


(A) (C)



(D)(B)


BMF-Schreiben im Hinblick auf die Handhabbarkeit der
Gelangensbestätigung jetzt mit den Ländern, aber auch
den Wirtschaftsverbänden abgesprochen haben, eine ent-
sprechende Rechtssicherheit zu geben. Wir kommen da-
mit auch einem Vorschlag aus der Wirtschaft nach.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718008500

Weitere Zusatzfrage.


Bernd Scheelen (SPD):
Rede ID: ID1718008600

Sehen Sie eventuell vor, dass man den Nachweis der

innergemeinschaftlichen Lieferung auch künftig mit
Speditionsbelegen führen kann, so wie das bisher der
Fall war?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718008700


Das ist noch in der Prüfung. Wir wollen in Gesprä-
chen mit dem Speditionsgewerbe jedenfalls dafür sor-
gen, dass die letztendlich durch das BMF-Schreiben zur
Anwendung kommende Gelangensbestätigung für die
Unternehmen, gerade auch mit den Anschlussleistungen
im Speditionsgewerbe, handhabbar ist.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718008800

Keine weiteren Zusatzfragen.

Ich rufe die Frage 7 der Kollegin Barbara Höll auf:
Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass die Ge-

währung des vorläufigen Rechtsschutzes hinsichtlich der An-
wendung des Splittingtarifs bei Steuerpflichtigen einer Einge-
tragenen Lebenspartnerschaft bundeseinheitlich zu gewähren
ist, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Einkom-
mensteuerbescheiden nach § 69 Abs. 2 Satz 2 der Finanz-
gerichtsordnung bestehen, in denen die Anwendung des
Splittingtarifs abgelehnt wird – so wie es auch der Bundes-
finanzhof in seinem Beschluss vom 5. März 2012 (III B 6/12)

entschieden hat; siehe www.lsvd.de/fileadmin/pics/Doku
mente/Rechtsprechung5/BFH120305.pdf –, und stimmt die
Bundesregierung damit überein, dass es vor diesem Hinter-
grund geboten ist, zum Zweck einer bundeseinheitlichen An-
wendung des Einkommensteuergesetzes eine Verwaltungsan-
weisung herauszugeben?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718008900


Verehrte Frau Kollegin Dr. Höll, der Bundesfinanzhof
hat den von Ihnen zitierten Beschluss am 16. Mai 2012
veröffentlicht. Wir prüfen derzeit, welche Folgerungen
aus diesem Beschluss zu ziehen sind. Nach Abschluss
dieser Prüfung wird das Bundesministerium der Finan-
zen das weitere Vorgehen mit den obersten Finanzbehör-
den der Länder abstimmen.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718009000

Herr Staatssekretär, danke für die Antwort. – Ich

muss feststellen, dass Sie als Ministerium bei diesem
Thema bisher leider massiv gemauert haben. Ich muss
jetzt einmal aus der Antwort vom 27. April zitieren, die
Sie auf unsere Kleine Anfrage zur Frage zum Rechts-
schutz für alle Betroffenen gegeben haben:

Das Bundesministerium der Finanzen wartet dies-
bezüglich vielmehr die Entscheidung des Bundes-

finanzhofs in den anhängigen Beschwerdeverfahren
zum vorläufigen Rechtsschutz … ab.

Nun haben wir diese Entscheidung. Sie ist eindeutig.
Deshalb meine Frage: Was müssen Sie jetzt noch prü-
fen? Wie lange wollen Sie prüfen? Warum ist es nicht
möglich, eine bundeseinheitliche Regelung bezüglich ei-
nes Rechtsschutzes zu treffen, wie es ja in anderen Be-
reichen, zum Beispiel bei der Pendlerpauschale, von Ih-
nen durchaus getan wurde?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718009100


Liebe Frau Kollegin Dr. Höll, das ist ein schwieriger
Sachverhalt. Wir müssen diese Prüfung sorgfältig vorneh-
men. Wenn sie abgeschlossen ist, müssen wir die Abstim-
mung mit den obersten Finanzbehörden der Länder leis-
ten. Da geht wirklich Gründlichkeit vor Schnelligkeit.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718009200

Weitere Zusatzfrage.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718009300

Herr Staatssekretär, es mag schwierig sein, aber wir

haben ja vergleichbare Fälle. Ich wies eben schon auf die
Pendlerpauschale hin. Sie könnten nach § 165 der Abga-
benordnung die vorläufige Steuerfestsetzung auch bun-
deseinheitlich regeln. Das ist ein erprobter Akt, das ist
ein einfacher Akt. Deshalb frage ich Sie, warum Sie das
nicht anstreben, vor allem vor dem Hintergrund, dass,
soweit mir bekannt ist, in einzelnen Bundesländern bis-
her schon ein Rechtsschutz gewährt wird. Da würde
mich auch interessieren: Wie viele Bundesländer sind
das? Welche sind das? Warum diese Nichtübereinstim-
mung zwischen den Ländern und dem Bund?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718009400


Frau Kollegin Höll, bei Steuerbescheiden ist eine
Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung beschränkt
auf den Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten
Jahressteuer bzw. den festgesetzten Vorauszahlungen
und den anzurechnenden Steuerabzugsbeträgen. Eine
Aussetzung der Vollziehung ist daher nur möglich, wenn
der Bescheid zu einer Steuernachzahlung führt. Eine
vorläufige Erstattung von Steuerbeträgen kann nicht er-
reicht werden. Dies ist besonders für Arbeitnehmerfälle
von Bedeutung.

Die Frage nach den Bundesländern kann ich Ihnen
jetzt aus dem Stegreif nicht beantworten; die Antwort
würde ich Ihnen aber gern nachreichen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718009500

Frau Enkelmann, bitte.


Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718009600

Herr Staatssekretär, die Gleichbehandlung von Einge-

tragener Lebenspartnerschaft und Ehe haben Sie bereits
im Koalitionsvertrag angekündigt. Das ist immerhin fast
drei Jahre her. Die Frage ist: Was haben Sie bislang ge-
tan, um hier tatsächlich endlich zu einer einheitlichen
rechtlichen Regelung zu kommen?






(A) (C)



(D)(B)


H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718009700


Frau Kollegin, es gibt eine ganze Reihe von Lebens-
sachverhalten – das haben wir schon in mehreren Ant-
worten auf entsprechende Parlamentsanfragen, auch von
Ihnen, deutlich gemacht –, wo wir den Koalitionsverein-
barungen nachgekommen sind. Bei einer wichtigen
Frage sind wir uns innerhalb der Bundesregierung einig,
dass wir noch die anstehende Entscheidung des Bundes-
verfassungsgerichts abwarten wollen und dann im Lichte
der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die
notwendigen Konsequenzen aus dieser Rechtsprechung
ziehen werden.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Und bei anderen sind Sie sich nicht einig?)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718009800

Die weitere Zusatzfrage ist nicht zulässig. Wenn der

Herr Staatssekretär sie freiwillig beantwortet hätte, hätte
ich ihm nicht im Wege gestanden.

Ich rufe nun die Frage 8 der Kollegin Höll auf:
Welche konkreten Tatbestände müssen nach dem im Sep-

tember 2011 unterzeichneten und im April 2012 ergänzten
Steuerabkommen mit der Schweiz nach der Definition in
Art. 2 Buchstabe h – alternative nutzungsberechtigte Person –
vorliegen, damit auch Steuerverkürzungen von natürlichen
Personen über Trusts und Stiftungen erfasst werden können,
und in welchen Fällen greift bei der Anlage über einen Trust
oder eine Stiftung die Ausweitung des persönlichen Anwen-
dungskreises nach Art. 2 Buchstabe h nicht?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718009900


Frau Kollegin Höll, die Anwendung des Abkommens
hängt in den von Ihnen angeführten Sachverhalten maß-
geblich von der Frage ab, wer die tatsächliche Herr-
schaftsbefugnis über die entsprechenden Kapitalerträge
besitzt. Sofern dies ein in Deutschland unbeschränkt
deutscher Steuerpflichtiger ist, findet das Abkommen
auch Anwendung, wenn ein Trust oder eine Stiftung
zwischengeschaltet ist.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718010000

Bitte schön, die Zusatzfragen.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718010100

Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, die In-

terpretation der Ausnahmeregelung ist bisher eher un-
klar; Sie haben jetzt eine Interpretation geboten. Die
Vermögensverwaltung über Trusts und Stiftungen dient
oftmals der Steuerumgehung. Mir ist völlig unklar, wie
Sie das – bei einer völlig unzureichenden Datenlage –
herausfinden wollen, vor allem, da die deutschen Steuer-
behörden keine Möglichkeiten haben, hier Nachprüfun-
gen vorzunehmen. Es erfolgt ja kein automatischer
Informationsaustausch. Ich wüsste gern, wie Sie das ein-
schätzen.

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718010200


Es ist so, Frau Kollegin, dass die Schweizer Finanz-
verwaltung derzeit an entsprechenden Verwaltungsan-
weisungen arbeitet, in denen auch die Problematik, die

Sie angesprochen haben, behandelt werden soll. Der
Entwurf dieser Verwaltungsanweisungen wird uns zuge-
hen, sodass wir hierzu Stellung nehmen können. Wir
werden in unserer Stellungnahme zu diesem Verwal-
tungsanweisungsentwurf gegenüber der Schweizer
Finanzverwaltung darauf hinweisen, dass in Zweifelsfäl-
len zunächst eine Anwendung des Abkommens und
somit zur Sicherung des Steueraufkommens ein Steuer-
abzug zu erfolgen hat. Diese Position werden wir im
Dialog mit der Schweizer Finanzverwaltung einnehmen,
sodass sichergestellt ist, dass in Zweifelsfällen zunächst
das Abkommen so zur Geltung kommt, wie ich es Ihnen
vorhin im Hinblick auf Trusts und Stiftungen beschrie-
ben habe.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718010300

Danke. – Es bleibt aber dabei, dass dann de facto eine

Übergabe des Vollzugs und der Kontrolle von der Ver-
waltung an die Schweizer Banken – die sich bisher nicht
unbedingt dadurch ausgezeichnet haben, Steuerhinter-
ziehern Möglichkeiten der Geldanlage zu verweigern –,
also in nichtöffentliche Hände, erfolgt. Kann ich feststel-
len, dass damit deutsche Finanzbehörden de facto keine
Möglichkeit der Kontrolle haben und damit ihre Auf-
gabe nicht wahrnehmen können?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718010400


Frau Kollegin, ich darf noch einmal darauf hinweisen,
dass wir in Art. 39 des Abkommens, das noch ratifiziert
werden muss, vereinbart haben, dass, sofern zwischen
den Vertragsparteien unterschiedliche Auffassungen
hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Abkommens
bestehen, über diese Frage ein gemeinsamer Ausschuss,
an denen beide Seiten paritätisch beteiligt sind, zu ent-
scheiden hat. Wir wollen an diesem Ausschuss übrigens
auch die Länder beteiligen. Dieser Ausschuss wird dann
in Zweifels- und Streitfällen die Möglichkeit haben, über
konkrete Sachverhalte mit der Schweizer Finanzverwal-
tung zu sprechen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718010500

Frau Enkelmann.


Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718010600

He
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1718010700
Wenn ein deut-
scher Steuerpflichtiger bis zum Stichtag 1. Januar 2013
sein Vermögen aus der Schweiz abzieht und nach Hono-
lulu, auf die Bahamas oder wohin auch immer bringt,
dann haben deutsche Steuerbehörden keine Chance
mehr, hier zu ermitteln und entsprechend zu handeln.
Verstehe ich das richtig, und ist das gerecht?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718010800


Auch diese Frage ist im Steuerabkommen geregelt.
Das heißt, wir haben auch die Möglichkeit geschaffen,
dass wir, wenn jemand nach diesem Stichtag zum Bei-
spiel nichtversteuertes Vermögen aus der Schweiz ab-
zieht, in Form von Auskunftsersuchen Nachrichten von
der Schweiz erhalten.





Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk


(A) (C)



(D)(B)



(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Die Frage war: bis zum Stichtag!)


– In Bezug auf Stichtage gibt es immer schwierige Ab-
grenzungsgesichtspunkte. Verehrte Frau Kollegin, eines
müssen Sie sehen: Würde dieses Abkommen nicht zum
Tragen kommen, hätten wir überhaupt keine Möglich-
keit, an nichtversteuertes Steuersubstrat aus Deutschland
in der Schweiz heranzukommen. Deshalb haben wir ein
Abkommen geschlossen, das einen Kompromiss zwi-
schen unserer Rechtsauffassung und der Rechtsauffas-
sung der Schweiz darstellt. Wir konnten von der
Schweiz nicht verlangen, dass sie ihre Rechtsauffassung
im Nachhinein ändert. Deshalb haben wir einen Weg ge-
schaffen, der eine gleiche Besteuerung in der Zukunft
ermöglicht. Für die Vergangenheit haben wir einen
Kompromiss geschaffen, der dafür Sorge tragen wird,
dass hinreichend Steuersubstrat nach Deutschland zu-
rückgeführt wird.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sehr großzügiger Kompromiss!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718010900

Frau Kressl.


Nicolette Kressl (SPD):
Rede ID: ID1718011000

Herr Staatssekretär, Sie haben gerade beschrieben,

dass die Verwaltungsanweisungen, die noch getroffen
werden sollen, um zu verhindern, dass man über Stiftun-
gen und Trusts das Steuerabkommen umgehen kann,
Ihnen – Sie sagten: wir – zur Verfügung gestellt werden.
Ich möchte gerne wissen, wen Sie damit meinen.

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718011100


Das Bundesfinanzministerium.


Nicolette Kressl (SPD):
Rede ID: ID1718011200

Okay. – Wenn Sie mit „wir“ das Bundesfinanzminis-

terium meinen, dann frage ich Sie: Werden diese Ent-
würfe auch dem Deutschen Bundestag zur Verfügung
gestellt? Oder erwartet die Bundesregierung, dass das
deutsche Parlament ein Steuerabkommen beschließt,
ohne dass es darüber Kenntnis hat, mit welchen Notnä-
geln die Steuerschlupflöcher geschlossen werden sollen?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718011300


Ich bin sicher, Frau Kollegin, dass die Bundesregie-
rung in der parlamentarischen Beratung, was die Ratifi-
zierung des Steuerabkommens anbelangt, dem Parla-
ment wie immer alle notwendigen Informationen zur
Verfügung stellen wird, damit es Auskunft darüber er-
hält, wie wir uns das Management unterschiedlicher
Sachverhalte mit der Schweiz auch in schwierigen Situa-
tionen vorstellen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718011400

Kollege Hunko.


Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718011500

Herr Staatssekretär, ich empfinde es als widersinnig

und ungerecht, wenn Steuerbetrüger, die noch nicht ein-
mal freiwillig eine Meldung machen, nachher bessere
Konditionen erhalten als jene, die wenigstens teilweise
aus eigenem Antrieb im Rahmen einer strafbefreienden
Selbstanzeige die Hinterziehung gestehen. Wenn man
schon durch das Abkommen eine Abgeltungswirkung
mit Strafamnestie ermöglicht, wäre es dann nicht das
Mindeste gewesen, in den Verhandlungen dafür zu sor-
gen, dass die Belastungswirkung in etwa jener der straf-
befreienden Selbstanzeige entspricht? Die Anonymität
hätte dann immer noch gewährt werden können. Aus
welchem Grund hat die Bundesregierung das versäumt?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718011600


Herr Kollege, diese allgemeine pauschale Einschät-
zung, die Sie vornehmen, kann ich so nicht teilen. Es
wird immer im Einzelfall, je nachdem wie lange sich das
unversteuerte Vermögen in der Schweiz befunden hat,
darauf ankommen, ob sich derjenige, der reinen Tisch
machen möchte, mit einer strafbefreienden Selbst-
anzeige besser stellt oder ob er die Regelungen des
Abkommens für sich in Anspruch nimmt.

Wir haben – ich sage es noch einmal – einen Weg ge-
funden, für die Zukunft sicherzustellen, dass nach glei-
chen Grundsätzen wie in Deutschland besteuert wird.
Bezogen auf die Vergangenheit haben wir einen Mittel-
weg gefunden, der dafür Sorge trägt, dass Steuersubstrat
nach Deutschland zurückfließt, gerade auch durch die
Zahlung in einer nicht unbedeutenden Höhe. Wir haben
übrigens auch dafür gesorgt, dass an diesem Aufkom-
men Länder und Kommunen überproportional beteiligt
werden.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718011700

Die Frage 9 des Abgeordneten Axel Troost sowie die

Fragen 10 und 11 des Abgeordneten Richard Pitterle wer-
den schriftlich beantwortet, sodass ich jetzt die Frage 12
der Kollegin Kressl aufrufe:

Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der
Kritik der Wirtschaftsverbände, dass sich wegen der umfang-
reichen und einheitlichen Gliederungsvorgaben der Elektroni-
schen Bilanz der Bürokratieaufwand insbesondere für kleine
Kapitalgesellschaften stark erhöht, weil sie gegenüber den
bisher auszufüllenden 22 Pflichtfeldern des Handelsgesetz-
buchs künftig 190 Pflichtfelder ausfüllen und an die Finanz-
verwaltung melden müssen?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718011800


Frau Kollegin Kressl, die Ausgestaltung des Daten-
satzes im Sinne von § 5 b Abs. 1 des Einkommensteuer-
gesetzes, die sogenannte Taxonomie, war und ist vom
Grundsatz bestimmt, Eingriffe in das Buchungsverhalten
der Unternehmen weitestgehend zu vermeiden. Die
Taxonomie umfasst Positionen für alle Rechtsformen
– das heißt Einzelunternehmen, Personen- oder Kapital-
gesellschaften – und alle möglichen Berichtsbestand-
teile, so zum Beispiel Bilanz, Gewinn- und Verlustrech-
nung, Anhang und Lagebericht. Von diesen Positionen





Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk


(A) (C)



(D)(B)


muss der Steuerpflichtige grundsätzlich nur Mussfelder
befüllen, und diese auch nur dann, wenn sie für seine
Rechtsform und seinen Wirtschaftszweig einschlägig
sind. Das haben wir auch in dem entsprechenden BMF-
Schreiben zum Ausdruck gebracht.

Zudem haben wir die Regelung eröffnet, dass ein
Mussfeld auch dann ohne Wert übermittelt werden kann,
wenn sich der betreffende Wert aus der Buchführung he-
raus nicht ableitet.

Schließlich haben wir neben den Mussfeldern und
den fakultativen Positionen auch noch Auffangpositio-
nen implementiert. Hier hat es einige Missverständnisse
darüber gegeben, ob diese Auffangpositionen zeitlich
befristet sind. Wir haben jetzt, auch im Dialog mit den
Verbänden, deutlich gemacht, dass diese Auffangpositio-
nen unbefristet gelten sollen.


Nicolette Kressl (SPD):
Rede ID: ID1718011900

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Vielleicht ist

schon beim Zuhören deutlich geworden, dass es sich
nicht gerade um eine einfache Regelung handelt. Des-
halb meine erste Nachfrage: Gerade kleine und mittlere
Unternehmen kritisieren, dass der bürokratische Auf-
wand sie bei weitem überfordere. Haben Sie inzwischen
Rückmeldungen, ob kleine und mittlere Unternehmen
mit Ihrem neuerlichen Regelungsversuch besser zurecht-
kommen?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718012000


Diesen Eindruck haben wir gewonnen. Ich selber
habe gemeinsam mit dem Kollegen Burgbacher Gesprä-
che mit Vertretern kleiner und mittlerer Unternehmen,
aber auch mit Vertretern der steuerberatenden Berufe ge-
führt.

Ich will Ihnen deutlich machen, wie kleine und mitt-
lere bilanzpflichtige Unternehmen von der Steuerver-
waltung unterstützt werden: Zum einen werden in den
Steuerverwaltungen der Länder E-Bilanz-Betreuer ge-
schult, die anschließend für Fragen rund um die E-Bi-
lanz zur Verfügung stehen werden. Zum anderen wird
auf der BMF-Internetseite eine Informationsbroschüre
mit Fragen und Antworten zur E-Bilanz eingestellt, die
insbesondere kleinen und mittleren bilanzierenden Un-
ternehmen den Einstieg in die E-Bilanz erleichtern soll.
Außerdem wird auf der Webseite www.elster.de eine
kleine Datenbank mit am Markt verfügbarer Steuersoft-
ware mit Elster-Schnittstelle vorgehalten.

Für besonders problematische Fälle sieht § 5 b Abs. 2
des Einkommensteuergesetzes eine Härtefallregelung
vor:

Auf Antrag kann die Finanzbehörde zur Vermei-
dung unbilliger Härten auf eine elektronische Über-
mittlung verzichten.


Nicolette Kressl (SPD):
Rede ID: ID1718012100

Vielen Dank für Ihre zweite Antwort. Auch diese

Antwort lässt immer noch nicht den Schluss zu, das
Ganze sei für kleine und mittlere Unternehmen einfach

zu bewältigen. Können Sie sich vorstellen, dass bei-
spielsweise für kleine und mittlere Unternehmen bis zu
einer bestimmten Größenordnung und Personalkapazität
grundsätzliche Ausnahmeregelungen geschaffen wer-
den können? Denn Härtefallregelungen werden ja nicht
so gerne in Anspruch genommen.

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718012200


Das ist teilweise vorgesehen. Dieser Sachverhalt wird
derzeit noch diskutiert.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718012300

Kollege Zöllmer.


Manfred Zöllmer (SPD):
Rede ID: ID1718012400

Herr Staatssekretär, die Bundesregierung ist ur-

sprünglich mit dem Ziel angetreten, Bürokratie abzu-
bauen; jedenfalls ist das im Koalitionsvertrag so festge-
halten. Hier haben wir ein Beispiel für einen massiven
Bürokratieaufbau. Dies ist nicht das erste Beispiel für
eine entsprechende Gesetzgebung dieser Bundesregie-
rung. Ich erinnere nur an die „Hotelierbeglückung“, die
mit massivem Bürokratieaufbau verbunden war, und an
andere Gesetze.

Deswegen meine Frage: Ist das Ziel, Bürokratie abzu-
bauen, jetzt von der Bundesregierung aufgegeben wor-
den?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718012500


Nein, Herr Kollege Zöllmer. Wir werden ganz sicher
auch bei der Einführung der E-Bilanz dafür Sorge tra-
gen, dass sich der bürokratische Aufwand für die betrof-
fenen Unternehmen in einem vertretbaren Ausmaß hält.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718012600

Ich rufe die Frage 13 der Kollegin Kressl auf:

Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Kritik
von Vertretern der steuerberatenden Berufe, dass die Neurege-
lung der strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 der Abga-
benordnung im Massengeschäft der Umsatzbesteuerung „völ-
lig realitätsfern“ (DWS Steuern Aktuell, Newsletter 2/2012)

ist, und welche Lösungsansätze der Finanzverwaltung „sind

(Rede von Dr. Horst Vinken, Präsident der Bundessteuerberaterkammer, anlässlich des Deutschen Steuerberaterkongresses 2012 am 7. Mai 2012)


H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718012700


Frau Kollegin Kressl, die Neuregelung der strafbe-
freienden Selbstanzeige nach § 371 Abgabenordnung
durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz soll verhin-
dern, dass die Selbstanzeige als Teil einer Steuerhinter-
ziehungsstrategie missbraucht wird. Dabei bestand
schon während des Gesetzgebungsverfahrens Einigkeit
darüber, dass Bagatellabweichungen bei Steuererklärun-
gen bzw. -anmeldungen unschädlich sind. Dies gilt ins-
besondere beim Massengeschäft der Umsatzbesteue-
rung. Zur Klarstellung wird derzeit mit den Ländern eine
Verwaltungsanweisung abgestimmt, die eine bundesweit





Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk


(A) (C)



(D)(B)


einheitliche Handhabung der Neuregelung der Selbst-
anzeige bei den Massenverfahren der Umsatz- und
Lohnsteuererhebung praxisgerecht gewährleisten soll.


Nicolette Kressl (SPD):
Rede ID: ID1718012800

Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, die mögliche Pro-

blematik ist bereits während des Gesetzgebungsverfah-
rens in den Anhörungen sehr deutlich thematisiert wor-
den. Deshalb meine Frage: An welchen Eckpunkten
wird sich die Verwaltungsanweisung orientieren?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718012900


Sie wird sich natürlich am Gesetz orientieren, Frau
Kollegin Kressl.


(Lachen der Abg. Nicolette Kressl [SPD] – Manfred Zöllmer [SPD]: Ach!)


Sie haben in Ihrer Frage auf die Rede von Dr. Horst
Vinken, dem Präsidenten der Bundessteuerberaterkam-
mer, abgehoben. Ich glaube, dass es gut ist, wenn wir mit
den Länderfinanzbehörden durch eine Klarstellung in ei-
ner entsprechenden Verwaltungsanweisung – die, wenn
sie abgestimmt und erlassen ist, selbstverständlich auch
dem Finanzausschuss und dem Parlament zugeht – eine
praxisgerechte Handhabung gewährleisten.


Nicolette Kressl (SPD):
Rede ID: ID1718013000

Vielen Dank. – Ich bin sehr froh, dass Sie uns versi-

chern, dass sich die Regelung am Gesetz orientieren
wird. Mich interessiert: An welchen inhaltlichen Leitli-
nien wird sich die Verwaltungsanweisung orientieren?
Denn die Problematik ist gar nicht so einfach zu lösen.
Es geht mir nicht um die Regelung einzelner Details,
aber es wäre schon sehr sinnvoll, zu wissen, welche
Grundlinie Sie verfolgen, um die vorhandenen Schwie-
rigkeiten zu lösen.

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718013100


Frau Kollegin, ich bitte Sie um Geduld, bis wir Ihnen
die mit den Ländern ausverhandelte Verwaltungsanwei-
sung zugänglich machen werden.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Bei der Bundesregierung muss man sehr viel Geduld haben!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718013200

Na ja.


(Heiterkeit – Nicolette Kressl [SPD]: Die haben wir ja auch!)


Ich rufe die Frage 14 der Kollegin Arndt-Brauer auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung vor dem Hintergrund

der Auffassung des Bundesrates, dass die im Rahmen des
Gesetzes zum Abbau der kalten Progression beabsichtigten
Steuersenkungen der unbedingten Notwendigkeit der Haus-
haltskonsolidierung widersprechen und im Hinblick auf die
grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse unverantwortlich
sind, an der Steuersenkung festzuhalten?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718013300


Frau Kollegin Arndt-Brauer, die Bundesregierung hat
zu dem von Ihnen genannten Gesetz den Vermittlungs-
ausschuss angerufen. Bei dem Gesetz geht es nicht, wie
in Ihrer Frage insinuiert wird, um eine Steuersenkung,
sondern es geht darum, ungerechtfertigte Steuererhöhun-
gen aufgrund des progressiv wirkenden Steuertarifs zu
vermeiden. Die Bundesregierung wird die Schulden-
bremse durch eine solide Haushaltspolitik einhalten. Sie
hält aber nicht gewollte, heimliche Steuererhöhungen für
nicht gerechtfertigt.


Ingrid Arndt-Brauer (SPD):
Rede ID: ID1718013400

Vielen Dank für die Antwort. Trotzdem wurde doch

der ganze Vorgang als Steuersenkung initiiert und auch
verkauft. Bei den Betroffenen kommt das auch so an.
Vielleicht können Sie dazu etwas sagen? Auf alle Fälle
kommt es zu einem Minus im Haushalt, und das ohne
Not. Wir verlangen von ganz Europa, dass gespart wird,
und selber machen wir genau das Gegenteil: Wir geben
Menschen zusätzliches Geld – das könnte man schon als
Steuersenkung bezeichnen – und schaffen damit im
Haushalt Minusstellen.

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718013500


Wir werden im Haushalt keine Minusstellen schaffen.
Vielmehr werden es die wachstumsorientierte Politik
und die Erfolge der Bundesregierung bei der Haushalts-
konsolidierung möglich machen, auf ungewollte, heimli-
che Steuererhöhungen zu verzichten, den Menschen in
unserem Land mehr Leistungsanreize zu geben und
trotzdem den Konsolidierungspfad und die Vorgaben der
nationalen Schuldenbremse einzuhalten.


Ingrid Arndt-Brauer (SPD):
Rede ID: ID1718013600

Tatsache ist aber, dass Sie den Ansatz im Nachtrags-

haushalt verdoppeln müssen, weil das Geld anscheinend
nicht da ist. Sie gehen also in eine Neuverschuldung hi-
nein, um Ihr Vorhaben zu finanzieren. Ist das richtig?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718013700


Wir sind fest davon überzeugt, dass es die laut jüngs-
ter Steuerschätzung zu erwartenden Steuermehreinnah-
men möglich machen werden, auf ungewollte Steuerein-
nahmen zu verzichten und trotzdem die Vorgaben der
nationalen Schuldenbremse auf Punkt und Komma ein-
zuhalten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718013800

Frau Kollegin Höll.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718013900

Her
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1718014000
Ihr Gesetzent-
wurf enthält zwei Elemente, die Anhebung des steuer-
freien Grundbetrags und die Verschiebung des Tarifs,
um die sogenannte kalte Progression etwas auszuglei-





Dr. Barbara Höll


(A) (C)



(D)(B)


chen. Stimmen Sie mit mir überein, dass diese Regelung
bezogen auf die absoluten Zahlen eindeutig eine Be-
günstigung der sehr gut Verdienenden darstellt? Ich
glaube nicht, dass man hier von einer Steuerentlastung
sprechen kann. Diesbezüglich kann ich meiner Kollegin
nicht ganz zustimmen. Ich glaube nicht, dass diejenigen,
die ein Einkommen von etwa 2 000 Euro im Monat ha-
ben, die Tatsache, dass sie lediglich etwa 5 Euro weniger
Steuern pro Monat zu zahlen haben, als Steuerentlastung
wahrnehmen. Fakt ist: Sie entlasten im oberen Ein-
kommensbereich – das machen die absoluten Zahlen
deutlich – und nehmen dafür eine weitere Belastung des
Bundeshaushalts in Kauf.

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718014100


Diese Wirkung sehen wir nicht.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Die ist gar nicht da!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718014200

Kollege Scheelen.


Bernd Scheelen (SPD):
Rede ID: ID1718014300

Herr Staatssekretär, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie

Mindereinnahmen bei Bund, Ländern und Gemeinden in
Höhe von 6 Milliarden Euro nicht als Steuersenkung
empfinden, sondern als Nichtrealisierung ungewollter
Steuermehreinnahmen.

Meine Frage an Sie lautet: Von diesem Steuerände-
rungsgesetz ist nicht nur der Bund betroffen, sondern
auch Länder und Gemeinden. Sehen Länder und Ge-
meinden das genauso wie Sie? Sind auch sie der Mei-
nung, dass es sich nicht um eine Steuersenkung handelt,
sondern um die Vermeidung ungewollter Steuermehrein-
nahmen?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718014400


Davon wollen wir die Länder in dem von uns angeru-
fenen Vermittlungsausschuss überzeugen. Wir bieten an
– das ist in dem Gesetzentwurf vorgesehen –, diejenigen
Mindereinnahmen der Länder und Gemeinden zu kom-
pensieren, die sich aus der von der Kollegin Höll gerade
genannten prozentualen Verschiebung ergeben, die an-
stelle einer Verschiebung des Festbetrages, also der Ta-
rifeckwerte, vorgenommen werden soll. Wir setzen auf
die Dialogbereitschaft der Länder. Wir wollen – das
möchte ich noch einmal deutlich machen – gerade mit
Blick auf die gute konjunkturelle Entwicklung und auf
die sich daraus ergebenden Steuermehreinnahmen auf
ungewollte, leistungshemmende Steuermehreinnahmen
verzichten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718014500

Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Arndt-Brauer auf:

Will die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die
Steuerausfälle der Länder und Gemeinden in Höhe von jähr-
lich circa 2,3 Milliarden Euro vollständig kompensieren und,
wenn ja, wie?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718014600


Nein, die Bundesregierung will keine vollständige
Kompensation seitens des Bundes für Steuerausfälle der
Länder und Gemeinden. Ich habe gerade gesagt, dass im
vorliegenden Gesetzentwurf steht, dass wir zu einer Teil-
kompensation bereit sind. Wir sehen aber keine Notwen-
digkeit für eine Kompensation der Mindereinnahmen,
die sich aus der verfassungsrechtlich gebotenen Erhö-
hung des Existenzminimums ergeben.


Ingrid Arndt-Brauer (SPD):
Rede ID: ID1718014700

Da wir uns im Vermittlungsverfahren befinden, ist da-

von auszugehen, dass die Länder auf Ihren Vorschlag
nicht freudig eingegangen sind, dass Länder und Kom-
munen das anders sehen als Sie. Ich denke, sie sehen das
so: Wenn man das nicht gemacht hätte, hätte es keine
Ausfälle in Höhe von 2,3 Milliarden Euro gegeben. Von
daher sehen Länder und Kommunen wahrscheinlich die
Notwendigkeit einer Komplettkompensation. Mit wel-
chen guten oder schlechten Argumenten wollen Sie die
Länder und die Kommunen von Ihrer Sicht überzeugen?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718014800


Das wird das Vermittlungsverfahren zeigen. Ich
glaube, wir haben gute Argumente. Wir bieten eine Teil-
kompensation. Es ist doch so, verehrte Frau Kollegin
Arndt-Brauer, dass die durch die kalte Progression be-
dingten Steuermehreinnahmen den Haushalten von Län-
dern und Kommunen zufließen. Wenn man mehr Steuer-
gerechtigkeit herstellen will, muss man bereit sein, auf
allen staatlichen Ebenen auf ungewollte Steuermehrein-
nahmen zu verzichten. Dann müssen auch Länder und
Kommunen zu einer Teilkompensation bereit sein.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718014900

Bitte schön.


Ingrid Arndt-Brauer (SPD):
Rede ID: ID1718015000

Bedeutet das im Umkehrschluss, dass Sie, wenn die

konjunkturelle Entwicklung wieder schlechter wird,
wieder voll in die kalte Progression einsteigen und Län-
der und Kommunen auf diesem Weg mitnehmen wür-
den?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718015100


Wir haben im Gesetzentwurf vorgesehen, dass regel-
mäßig ein Bericht vorgelegt wird, in dem aufgezeigt
wird, wie sich das Problem der kalten Progression entwi-
ckelt. Dann wird immer für den Einzelfall und für einen
gewissen Zeitraum zu prüfen sein, wie wir mit den Er-
gebnissen dieses Berichts umgehen. Ein Automatismus
ist jedenfalls nicht vorgesehen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718015200

Kollege Scheelen.






(A) (C)



(D)(B)



Bernd Scheelen (SPD):
Rede ID: ID1718015300

Herr Staatssekretär, halten Sie es für verantwortbar,

Kommunen, die auf einem Schuldenberg von etwa
170 Milliarden Euro sitzen und Kassenkredite, also
Überziehungskredite – diese kennt man aus dem Privat-
leben –, von 45 Milliarden Euro vor sich herschieben,
durch dieses Steuersenkungsgesetz – ich bleibe bei die-
ser Bezeichnung; es hat nichts mit ungewollten Mehrein-
nahmen zu tun, sondern ist eine Steuersenkung – zuzu-
muten, auf eine weitere Milliarde Euro zu verzichten?
Damit nehmen Sie in Kauf, dass in den Städten zum Bei-
spiel weitere Schwimmbäder und Büchereien geschlos-
sen werden, dass es zu einer ganzen Palette an Ein-
schränkungen in den Kommunen kommt.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das ist absurd! Wegen dieser Steuersenkungen werden keine Schwimmbäder geschlossen!)


H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718015400


Herr Kollege Scheelen, die Bundesregierung ist sich
der Verantwortung des Bundes, obwohl es ja eine direkte
Rechtsbeziehung zwischen dem Bund und den Kommu-
nen nicht gibt, sondern die Länder für die Kommunen
verantwortlich sind, sehr bewusst. Deshalb haben wir,
Herr Kollege Scheelen, einen Zustand, der die Kommu-
nen wirklich fast erdrückt hat, beseitigt. Man hatte sie
mit den Kosten der Grundsicherung im Alter – diese sind
auf die Kommunen entfallen – allein gelassen. Dies hatte
Rot-Grün den Kommunen aufgebürdet. Wir haben das
geändert. Bis zum Jahr 2014 wird der Bund diese Kosten
vollständig übernehmen. Wir meinen, dass wir dadurch
unserer Verantwortung für die Finanzsituation der Kom-
munen in hervorragender Weise gerecht geworden sind.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718015500

Die Fragen 16 und 17 des Kollegen Binding werden

schriftlich beantwortet.

Ich rufe Frage 18 des Kollegen Hunko auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den griechischen An-

spruch auf Rückzahlung der von den deutschen und italieni-
schen Besatzungsmächten aufgezwungenen Kredite, die im
Unterschied zu Reparationsansprüchen und anderen Kompen-
sationen nicht unter das Londoner Schuldenabkommen von
1953 fallen, und warum wird die Bundesregierung nicht aktiv,
um, wie gegenüber Jugoslawien und Polen 1956 bzw. 1971,
seine unter der Besatzung aufgezwungenen Kredite an Grie-
chenland zurückzuzahlen, die mittlerweile auf mehrere Dut-
zend Milliarden angewachsen sind?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718015600


Herr Kollege Hunko, ich beantworte Ihre Frage zu-
rückgreifend auf die Antwort der Bundesregierung auf
die Kleine Anfrage der Linken zu Entschädigungs-,
Schadensersatz- und Reparationsforderungen wegen
NS-Unrechts in Griechenland, Italien und anderen ehe-
mals von Deutschland besetzten Staaten. Ich darf auf
diese Beantwortung verweisen, um die mir zur Verfü-
gung stehende Zeit jetzt nicht über Gebühr in Anspruch
zu nehmen.

Ich darf Ihnen aber auch mitteilen, Herr Kollege
Hunko: Der Bundesregierung sind keine Bestrebungen
der griechischen Regierung bekannt, derartige Forderun-
gen geltend zu machen. Es hat in dieser Sache keine Ge-
spräche mit der griechischen Regierung gegeben.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718015700

Zusatzfragen?


Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718015800

Wir waren ja als Delegation des Parlaments in Grie-

chenland. Ich darf Ihnen sagen: Offiziell sind wir in der
Tat nicht darauf angesprochen worden, aber inoffiziell
sehr wohl. Es gibt wohl auch – wie soll ich sagen? –
Druck auf griechische Abgeordnete, das Thema in offi-
ziellen Gesprächen nicht anzusprechen. Das Thema ist
aber bei allen Abgeordneten der unterschiedlichen Frak-
tionen und insbesondere auch in der griechischen Bevöl-
kerung präsent. Ist Ihnen bekannt, dass, obwohl in Grie-
chenland ganz offen darüber diskutiert wird – das kommt
auch in den deutschen Medien an –, in irgendeiner Form
Druck ausgeübt wird? Um es noch einmal klarzumachen:
Ich spreche jetzt konkret von den Zwangsanleihen, die
1942 aufgelegt wurden, und nicht von Kriegsverbrechen
und anderem.

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718015900


Herr Kollege, natürlich gibt es über diese und andere
Fragen in Griechenland eine intensive Diskussion. Ich
bitte um Verständnis dafür, dass die Bundesregierung zu
Diskussionen über Sachverhalte, die unser bilaterales
Verhältnis berühren, nicht Stellung nimmt. Aber Forde-
rungen, wie Sie sie in Ihrer Frage artikuliert haben, sind
von der griechischen Seite uns gegenüber nicht gestellt
worden.


Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718016000

Die Bundesregierung hat ja in der Vergangenheit, vor

allen Dingen in den 60er-Jahren, oft gesagt, dass auf die
Forderungen verzichtet worden wäre. Der griechische
Premierminister Karamanlis hat dies dementiert. Am
31. März 1967 wurde dann eingeräumt, dass es einen
solchen Verzicht nie gegeben hat. Ist Ihnen bekannt, dass
jemals von griechischer Seite auf die Forderung nach
Rückzahlung verzichtet wurde? Wie beurteilen Sie den
Status dieses ungeklärten Problems im Augenblick?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718016100


Ich kann nur nochmals sagen – das ist ja der Aus-
gangspunkt Ihrer Frage –, dass im Hinblick auf Repara-
tionsansprüche, welcher Art auch immer, oder hinsicht-
lich der Frage, die Sie angesprochen haben, nämlich der
während der Besatzung aufgezwungenen Kredite, von
griechischer Seite keine entsprechenden Forderungen
gegenüber der Bundesrepublik Deutschland geltend ge-
macht worden sind und dass es in dieser Sache keine Ge-
spräche zwischen der griechischen Regierung und deut-
schen Regierungsstellen gegeben hat.






(A) (C)



(D)(B)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718016200

Ich rufe die Frage 19 des Kollegen Hunko auf:

Inwiefern ist eine „ungeordnete Staatspleite“, die vom
Präsidenten der Europäischen Kommission, José Manuel
Barroso, als einzige Alternative zum Kürzungs- und soge-
nannten Reformkurs beschrieben wurde, im Rahmen der EU-
Verträge nicht erlaubt, und inwiefern könnte eine „ungeord-
nete Staatspleite“ zu einem unfreiwilligen Ausscheiden Grie-
chenlands aus der Euro-Zone und somit auch aus der EU füh-
ren?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718016300


Herr Kollege Hunko, die Bundesregierung setzt sich
für einen Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone ein.
Dafür braucht Griechenland eine Regierung mit europäi-
scher Grundausrichtung, die bereit ist, die Auflagen des
vereinbarten Anpassungsprogramms umzusetzen. Wir
sind unverändert bereit, Griechenland strukturell und or-
ganisatorisch zu helfen und den vom Internationalen
Währungsfonds, von Europäischer Kommission und Eu-
ropäischer Zentralbank mit Griechenland vereinbarten
Weg fortzusetzen. Vor diesem Hintergrund wollen wir
uns vonseiten der Bundesregierung an Spekulationen
über einen wie auch immer gearteten Austritt Griechen-
lands aus der Euro-Zone nicht beteiligen.


Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718016400

Sie haben gerade gesagt, Sie setzen darauf, dass die

Memoranda in Griechenland umgesetzt werden. Sie
wollen also, dass die Politik, die das Land nach unserer
Auffassung und nach Auffassung vieler Griechinnen und
Griechen in den letzten zwei Jahren in eine Katastrophe
geführt hat, fortgesetzt wird; ich weiß, dass Sie das an-
ders beurteilen, aber wir und viele Griechinnen und
Griechen sehen es so. Wenn es nicht so kommen sollte,
wie Sie wollen, wenn die griechische Bevölkerung also
sagt: „Nein, wir wollen diesen Weg nicht weitergehen“,
welche Möglichkeit sehen Sie dann, um Griechenland,
wie oft angedeutet wird, letztlich aus der Euro-Zone und
damit auch aus der EU auszuschließen?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718016500


Wir wollen uns an der Diskussion über die Frage,
welche Möglichkeiten wir sehen, um Griechenland aus
der Euro-Zone auszuschließen – ich musste Ihre Frage
wiederholen –, nicht beteiligen. Wir wollen das nämlich
nicht. Wir sind für einen Verbleib Griechenlands in der
Euro-Zone. Wir glauben übrigens – gleich nenne ich Ih-
nen einen prominenten griechischen Zeitzeugen –, dass
der mit der bis zu den griechischen Wahlen im Amt be-
findlichen Regierung ausverhandelte Weg der wirt-
schaftlichen und finanziellen Gesundung Griechenlands
nicht die Ursache der gegenwärtigen auch für die Men-
schen bedrückenden Situation in Griechenland ist.

Herr Kollege Hunko, ich habe seinerzeit, als zwi-
schen der Regierung von Ministerpräsident Papandreou
und den europäischen und IWF-Institutionen über diesen
Weg verhandelt worden ist, die Rede des damaligen Mi-
nisterpräsidenten Papandreou in Übersetzung nachgele-
sen. Er hat gesagt, dass es vor allem die Versäumnisse

wechselnder Regierungen in Griechenland waren, die
Griechenland in diese katastrophale Überschuldungs-
situation und weg von jedem Wachstumspfad geführt ha-
ben und dass der jetzt eingeschlagene und ausverhan-
delte Weg alternativlos ist.

Natürlich ist es die Aufgabe der politischen Führung
bzw. der verschiedenen Parteien in Griechenland, bei
den jetzt anstehenden Wahlen die griechische Bevölke-
rung davon zu überzeugen. Ich muss Ihnen sagen: Es
gibt in Europa Länder, die als sogenannte Programmlän-
der ebenfalls europäische Solidarität erfahren. Ich darf
nur auf Portugal und Irland hinweisen. Auch in diesen
Ländern haben die Menschen Belastungen zu tragen, die
durch die Anpassungsprogramme, die zur finanziellen
Konsolidierung, aber auch zur Freisetzung von Wachs-
tumskräften beitragen sollen, verursacht wurden. Ich
glaube, den Menschen in Griechenland ist nichts anderes
auferlegt worden als das, was auch den Menschen in
Portugal und Irland zugemutet werden muss, um nach
dem Fehlverhalten verschiedener Regierungen, an denen
unterschiedliche Parteien beteiligt waren, für finanzielle
Konsolidierung zu sorgen und die Länder wieder auf ei-
nen Wachstumspfad zu führen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718016600

Sie haben noch eine zweite Zusatzfrage. Bitte.


Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718016700

Wir werden uns hier in der Bewertung der Pro-

gramme natürlich nicht einig. Da können wir hin- und
herdiskutieren. Wir haben bereits vor zwei Jahren, als
das erste Griechenland-Paket beschlossen wurde, hier
davor gewarnt, dass ein massives Kürzungsprogramm in
der Krise diese Krise vertiefen wird und es dann auch zu
einer gesellschaftlichen und einer politischen Krise kom-
men wird.

Nun meine Frage: Sie sagen, das sei alternativlos. Es
ist aber denkbar, dass die griechische Bevölkerung eine
Alternative sieht. Habe ich Sie richtig verstanden, dass
es trotzdem keinen Weg zum Ausschluss aus der Euro-
Zone gibt?

H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718016800


Nach der Rechtslage kann man kein Land, das Mit-
glied der Euro-Zone ist, gegen seinen Willen aus der
Euro-Zone ausschließen. Und wir setzen darauf – um es
noch einmal zu wiederholen, Herr Kollege –, dass die
griechischen Parteien, vor allem diejenigen, die in frühe-
rer Regierungsverantwortung diese Vereinbarungen mit
IWF, EZB und Europäischer Kommission getroffen ha-
ben, jetzt bei der Bevölkerung um eine entsprechende
Mehrheit für die Fortsetzung dieses Kurses werben.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718016900

Frau Enkelmann.


Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718017000

Wir wollen natürlich keinen Ausschluss Griechen-

lands, sondern wirklich Hilfe und Unterstützung. Könnte





Dr. Dagmar Enkelmann


(A) (C)



(D)(B)


eine Form der Unterstützung für Griechenland nicht
auch sein, dass man sich, statt massive Sozialkürzungen,
Rentenkürzungen etc. von Griechenland zu fordern, zum
Beispiel für ein sozial gerechtes Steuersystem einsetzt,
unter anderem für die Einführung der Vermögensteuer?
Da könnte man sich gegenseitig helfen. Die Vermögen-
steuer bräuchten wir zum Beispiel hier in Deutschland
auch.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Was ist denn das für eine Frage? Das geht uns doch gar nichts an!)


H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718017100


Verehrte Frau Kollegin Enkelmann, natürlich setzen
wir uns dafür ein, dass es auch in Griechenland zu einer
leistungsgerechten, ordentlichen Besteuerung kommt.

Ich darf darauf hinweisen, dass sich die Bundesrepu-
blik Deutschland – sowohl der Bund als auch die Länder –
an einem Programm von IWF und Europäischer Kom-
mission beteiligt, in dessen Rahmen zum Beispiel Steu-
erfachleute aus dem Bund und aus den Ländern nach
Griechenland entsandt werden. Ich habe selber – das
habe ich im Finanzausschuss schon einmal berichtet,
glaube ich – einen Abiturkollegen in der bayerischen
Steuerverwaltung, der jetzt gerade einen Griechisch-
Schnellkurs absolviert hat, um als ein solcher Berater
nach Griechenland zu gehen.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber die Gesetze müssen geändert werden! – Gegenruf des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das ist doch Sache der Griechen!)


– Frau Kollegin Enkelmann, das ist wirklich Sache des
griechischen Parlaments. Sie wollen doch nicht von
Deutschland aus dem griechischen Parlament vorgeben,


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ach, in dem Fall nicht?)


welche Gesetze es im Hinblick auf eine effizientere
Steuerverwaltung und möglicherweise auch eine gerech-
tere Besteuerung zu erlassen hat.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber Sozialkürzungen und Rentenkürzungen werden vorgeschrieben!)


Da können wir nur mit Rat und Tat zur Seite stehen, in-
dem wir Experten schicken, aber doch nicht von hier aus
Vorgaben machen.

Im Übrigen erkennt man auch etwas an der Art und
Weise, in der man in Deutschland mit dem Gast aus
Griechenland umgeht, der sich zurzeit hier aufhält und
der eine dieser Parteien vertritt, die jetzt einen nicht un-
erheblichen Wahlerfolg erzielt haben.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Guter Mann!)


Sie als Linke haben den Vertreter dieser griechischen
Partei aufgefordert, kräftig weiter Stimmung zu machen.
Ich bin sehr dankbar, dass der SPD-Vorsitzende Gabriel

ihn im Gegensatz zu Ihnen gemahnt hat, die eingegange-
nen Verpflichtungen zu erfüllen.

Vor diesem Hintergrund glaube ich schon, dass wir
weit über Union und FDP hinaus bis hin zu SPD und
Grünen gemeinsam der Auffassung sind, dass jeder
– egal wer –, der in Griechenland regiert, die eingegan-
genen Verpflichtungen erfüllen muss.

Frau Kollegin Enkelmann, es ist im Übrigen nicht so,
dass die Vereinbarungen zwischen dem IWF, der Euro-
päischen Kommission und der EZB mit Griechenland
„nur“ – in Anführungszeichen – harte Sparauflagen vor-
sehen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718017200

Herr Kollege.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Er ist in seinem Element!)


H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1718017300


Vielmehr wird auch überlegt, Wachstumsimpulse zu
setzen. Alle Programme enthalten Wachstumsimpulse.
Diesen Weg wollen wir weiter fortsetzen.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber Verpflichtung könnte auch gerechtes Steuersystem sein!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718017400

Nun wollen wir einmal gemeinsam zur Kenntnis neh-

men, dass die Regierung sich besonders viel Mühe gibt,
die Fragen der Kollegin Enkelmann zu beantworten,


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das muss man zugeben! – Nicolette Kressl [SPD]: Wenn im Zeugnis steht, jemand habe sich immer Mühe gegeben, ist das ganz schlecht!)


und der Präsident dem auch fast unbeschränkte Zeit ein-
geräumt hat.

Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. –
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Arbeit und Soziales auf. Der Parlamen-
tarische Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe steht zur
Beantwortung zur Verfügung. Da die Frage 20 der Abge-
ordneten Katrin Kunert, die Fragen 21 und 22 der Ab-
geordneten Sabine Zimmermann sowie die Fragen 23
und 24 der Abgeordneten Anette Kramme schriftlich be-
antwortet werden, wird er trotz sicher perfekter Vorbe-
reitung keine Gelegenheit haben, das hier vorzutragen.

Wir kommen damit gleich zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz. Ich bitte den Parlamentarischen
Staatssekretär Gerd Müller, die Fragen zu beantworten.

Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Friedrich
Ostendorff auf:

Wie beurteilt das Bundesministerium für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit, BMU, den im Verhandlungs-
prozess um die zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik einge-
brachten Vorschlag von 15 Staaten – unter anderem





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)


Deutschland –, der vorsieht, dass jeder Mitgliedstaat drei Op-
tionen – A, B, C – zur Ausgestaltung der Agrarzahlungen
wählen kann, und wie bewertet das BMU jede einzelne dieser

(Mai 2012)

lungen der Europäischen Union an höhere Umwelt- und Tier-
schutzstandards binden wollen?

Dr
Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1718017500


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerne be-
antworte ich die Frage von Herrn Ostendorff.

Herr Ostendorff, die Bundesregierung unterstützt na-
türlich mit Nachdruck das Ziel der Europäischen Kom-
mission, bei der Weiterentwicklung der Gemeinsamen
Agrarpolitik eine noch stärkere ökologische Ausrichtung
zu erreichen – und dies möglichst europaweit mit nach-
vollziehbaren Standards. Diese Standards müssen nicht
nur bei uns, sondern in allen 27 EU-Staaten gelten.

Dass schon die derzeitige Agrarpolitik hohen Um-
weltstandards genügt und sie auch voraussetzt, zeigt die
aktuelle Situation. Ich darf darauf hinweisen, dass die
GAP in ihrer Gesamtheit bereits heute einen erheblichen
Beitrag zur ressourcenschonenden und nachhaltigen Pro-
duktion – um das einmal auf Deutsch zu sagen: Das
nennt man Greening – leistet: Die Landwirte müssen
schon heute für den Erhalt der Direktzahlungen umfang-
reiche Auflagen des Umwelt- und Tierschutzes sowie
der Lebensmittelsicherheit erfüllen, insbesondere in
Deutschland gelten hohe und strenge Erosionsschutzauf-
lagen, Grünlandstandorte werden differenziert gefördert,
Landschaftselemente, zum Beispiel Hecken, dürfen
nicht beseitigt werden usw. Rund 40 Prozent der Be-
triebe in Deutschland bringen schon heute etwa 25 Pro-
zent der landwirtschaftlichen Gesamtflächen in Agrar-
umweltmaßnahmen ein.

Ich erwähne dies, damit auch den Zuhörerinnen und
Zuhörern klar wird: Die Landwirtschaft ist schon heute
der Nachhaltigkeit in der Produktion in höchstem Maße
verpflichtet.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718017600

Zusatzfrage, bitte schön.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident, gestatten Sie, dass ich erst einmal
erstaunt darüber bin, dass meine Frage, die ich an das
Bundesumweltministerium gerichtet habe, vom Bundes-
ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz beantwortet wird. Nehmen wir es aber so hin.
Anscheinend ist das Bundesumweltministerium nicht in
der Lage, seine Vorstellungen zur GAP-Reform hier dem
Parlament kundzutun. Das werden wir dann aber woan-
ders noch einmal bewerten.

Das führt aber natürlich zu der Frage – Herr Staats-
sekretär Müller, Sie sind jetzt ja auch der Sprecher des
Bundesumweltministeriums in dieser Frage –: Wie wol-
len Sie – so weit verstehen wir den Ablauf im Kabinett
bisher – das Bundesumweltministerium in den GAP-

Prozess einbinden? Was, denken Sie, wird das Bundes-
umweltministerium zum GAP-Prozess beitragen?

Dr
Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1718017700


Herr Präsident! Herr Ostendorff! Meine Damen und
Herren! Natürlich antworte ich für die Bundesregierung –
und dies im Einvernehmen mit dem Bundesumweltmi-
nisterium. Hier gibt es einen engen Schulterschluss und
enge Abstimmungen. Das ist doch selbstverständlich.

Wir haben in der Frage, wie wir die jetzt von der
Kommission gemachten Vorschläge bewerten und wie
wir in diesem Punkt gegenüber Brüssel auftreten und
verhandeln, natürlich eine gemeinsame Linie. Dass es in
beiden Häusern ausgewiesene Fachleute gibt und dass es
da auch einmal zu differenzierten Diskussionen kommt,
wissen Sie als praktizierender Landwirt sehr genau. Je-
der Landwirt hat seine eigene Sicht der Dinge. Die Kom-
mission hat deshalb auch verschiedene Modelle vorge-
schlagen.

Sie haben auch nach den Optionsmodellen und da-
nach gefragt, wie dieser Greening-Prozess umzusetzen
ist. Die drei Modelle werden jetzt in den Arbeitsgruppen
auf Brüsseler Ebene diskutiert. Die Präsidentschaft wird
im Juni einen Fortschrittsbericht dazu vorlegen. Der
nächste Schritt wird dann der der Meinungsbildung in
dieser Frage sein.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718017800

Weitere Zusatzfrage.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Entschuldigung, aber heute muss ich die Fragestunde
leider etwas dehnen; sonst rügen Sie mich sofort, Herr
Präsident.

So weit wir das im Parlament bisher mitgeteilt be-
kommen haben, hat nicht die Kommission drei Modelle
vorgelegt, sondern 15 Staaten unter Führung Deutsch-
lands haben diese drei Optionen vorgelegt. Ich glaube, es
ist wichtig, das festzuhalten.

Angesichts der Tatsache, dass zwei Drittel der Bun-
desbürger bei Umfragen sagen, zukünftig seien Zahlun-
gen in Europa an die Landwirtschaft, für die der europäi-
sche Steuerzahler aufkommt, nur noch verantwortbar,
wenn sie an strenge Standards beim Umwelt- und Tier-
schutz gekoppelt sind, lautet meine Frage an das
Bundesumweltministerium: Wie will das Bundesum-
weltministerium aus seiner Sicht diese Anforderung der
Gesellschaft im Greening-Prozess umsetzen?

Dr
Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1718017900


Herr Präsident! Herr Ostendorff, Sie haben natürlich
recht: Der Kommissionsvorschlag wurde durch den Vor-
schlag der 15 Staaten ein Stück weit erweitert. Darüber





Parl. Staatssekretär Dr. Gerd Müller


(A) (C)



(D)(B)


diskutiert man im Ministerrat mit der Kommission und
in den Ländern. Dies ist sehr wichtig.

Das Ergebnis der Umfrage ist nicht erstaunlich. Die
Bürgerinnen und Bürger im Land erwarten, dass die
Landwirte dann, wenn sie für die Bewirtschaftung ihrer
Flächen Direktzahlungen erhalten, deren Mittel aus den
Steuertöpfen stammen, bei der nachhaltigen Bewirt-
schaftung, beim Umweltschutz, aber auch beim Tier-
schutz hohe Standards einzuhalten haben. Ich habe da-
rauf hingewiesen, dass bereits heute der Grundsatz der
Nachhaltigkeit in Deutschland komplett umgesetzt ist
und wir diese hohen Standards einfordern.

Dies ist nicht in allen 27 EU-Staaten in derselben
Weise der Fall, auch nicht in derselben Weise zu kontrol-
lieren. Wir befinden uns jetzt an einem Punkt der Neu-
konzeption, einer neuen Förderperiode für die euro-
päische Agrarpolitik ab 2014. Wir diskutieren in den
27 EU-Staaten, mit der Kommission und mit den Land-
wirten in ganz Europa: Wo macht es Sinn, weitere Kri-
terien in der Frage des ökologischen und nachhaltigen
Anbaus und der Landbewirtschaftung sowie des Tier-
schutzes einzufordern? Wie sollen wir die neuen Regeln
für Zahlungen noch einmal an neue Auflagen koppeln?

Dazu gibt es jetzt drei weitere Modelle, mit denen
verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen werden. Dass
das ein komplizierter Prozess ist, der die nächsten Mo-
nate weiterhin zur Diskussion Anlass gibt, ist selbstver-
ständlich. Aber wir sehen das mit großer Gelassenheit.
Ich glaube, wir werden nächstes Jahr zum Ziel kommen,
um dann den Landwirten ab 2014 Verlässlichkeit in der
europäischen Agrarpolitik zu bieten.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718018000

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Ich sehe, dass die

Fragen 26 und 27 der Kollegin Cornelia Behm sowie die
Fragen 28 und 29 des Kollegen Harald Ebner schriftlich
beantwortet werden.

Der nächste Geschäftsbereich ist der des Bundes-
ministeriums der Verteidigung. Auch hier entnehme ich
den Unterlagen, dass die Fragen 30 und 31 der Kollegin
Katja Keul und die Frage 32 des Kollegen Hans-Josef
Fell schriftlich beantwortet werden.

Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend. Hier werden die Fragen 33 und 34 des Kollegen
Steffen-Claudio Lemme, die Fragen 35 und 36 der Kol-
legin Katja Dörner sowie die Frage 37 des Kollegen
Dr. Ilja Seifert schriftlich beantwortet werden.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Gesundheit. Die Frage 38 des Kollegen
Dr. Ilja Seifert wird schriftlich beantwortet.

Damit sind wir beim Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staats-
sekretär Jan Mücke zur Verfügung und freut sich, dass er
schon dran ist. Die Fragen 39 und 40 des Kollegen
Dr. Anton Hofreiter werden schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 41 unserer Kollegin Frau
Dr. Dagmar Enkelmann auf:

Mit welchen Mehrkosten im Zusammenhang mit der ver-
späteten Eröffnung des Flughafens Berlin Brandenburg rech-
net die Bundesregierung, und wer trägt diese Mehrkosten?

Bitte schön, Herr Staatssekretär Mücke.

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718018100


Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die Antwort auf Ihre Frage lautet: Dem Ge-
sellschafter Bund liegt zum gegenwärtigen Zeitpunkt
noch keine belastbare Mehrkostenschätzung der Flugha-
fen Berlin Brandenburg GmbH, FBB, als Vorhabenträ-
gerin vor. Anfallende Mehrkosten wären von der FBB zu
tragen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718018200

Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Dr. Enkelmann.


Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718018300

Diese Frage stelle ich hier nicht das erste Mal. Ich

habe sie hier schon gestellt, und zwar kurz nach Be-
kanntwerden der Verschiebung der Eröffnung. So lang-
sam müsste deutlich werden, welche Mehrkosten tat-
sächlich entstehen werden. Mehrkosten trägt die FBB,
das heißt in der Konsequenz: Der Steuerzahler zahlt die
Mehrkosten. Das sollte man so deutlich sagen. Die Frage
ist, welchen Anteil dann der Bund übernimmt.

Inzwischen ist aber bekannt geworden, dass die Ge-
samtkosten für das Flughafenprojekt ebenfalls deutlich
steigen werden. Man geht jetzt davon aus, dass es nicht
nur 2,5 Milliarden Euro, sondern mehr als 3 Milliarden
Euro sind. Wer trägt diese Mehrkosten? Das ist die erste
Frage.

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718018400


Frau Kollegin, die Zahlen, die Sie in den Raum stel-
len, sind pure Spekulation. Ich kann nur wiederholen,
dass der Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt
keine belastbaren Angaben als Gesellschafter seitens der
FBB zur Verfügung gestellt worden sind. Es wird am
22. Juni eine Aufsichtsratssitzung stattfinden. Die Ge-
schäftsführung der FBB wird zu diesem Zeitpunkt ein
Konzept vorlegen, wie sich diese Mehrkosten gestalten
und wie diese finanziert werden können.

Ich kann ausdrücklich nicht bestätigen, dass der von
Ihnen genannte Finanzrahmen überschritten oder gar
3 Milliarden Euro oder sonst was erreichen wird. Das
sind zurzeit reine Spekulationen. Ich bitte Sie, sich zu-
mindest bis zu der Aufsichtsratssitzung, bis die Ge-
schäftsführung ein solches Konzept vorgelegt hat, zu ge-
dulden.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718018500

Frau Kollegin Enkelmann, jetzt schauen wir mal, ob

Sie sich gedulden. Bitte schön, Sie haben Ihre zweite
Nachfrage.






(A) (C)



(D)(B)



Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718018600

Eigentlich nicht. Ich finde, wir sollten uns alle nicht

gedulden. Das ist ein Skandal, der dort stattfindet. Es
klingt ein bisschen wie „Niemand hat die Absicht …“,
aber jeder weiß: Es wird Mehrkosten bedeuten. Das nur
so weit, aber ich werde Sie nach dem 22. Juni erneut fra-
gen.

Es geht aber nicht nur um die Frage der Mehrkosten,
sondern um das gesamte Projekt mitsamt seinen Pannen,
die wir in den letzten Jahren verfolgen konnten. Gibt es
schon Schlussfolgerungen, die die Bundesregierung ge-
zogen hat, beispielsweise was die Frage betrifft, den
Aufsichtsrat möglicherweise künftig nicht mit Staatsse-
kretären, sondern zum Beispiel mit fachkompetenten
Vertretern zu besetzen?

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718018700


Frau Kollegin, die Bundesregierung hat ihre Schluss-
folgerungen schon gezogen. Bundesverkehrsminister
Dr. Peter Ramsauer hat eine Sonderkommission einge-
setzt, die sicherstellen soll, dass der neue Flughafen Ber-
lin Brandenburg am 17. März nächsten Jahres, wie jetzt
im Aufsichtsrat beschlossen, den Betrieb aufnehmen
kann. Dabei ist eine Vielzahl von wichtigen Aufgaben zu
beachten. Es geht um Fragen der Flugsicherung, des
Deutschen Wetterdienstes und um die Flughafenkoordi-
nierung. Es ist ein außerordentlich kompliziertes Verfah-
ren, eine solche Verschiebung zu bewältigen.

Ich bin ganz bei Ihnen: Es ist ein außerordentlich
misslicher Vorgang, über den die Bundesregierung au-
ßerordentlich betrübt ist. Darin sind wir, glaube ich, ei-
ner Meinung. Das ist kein Ruhmesblatt gewesen.

Wir sind darüber hinaus der Auffassung, dass die
beiden beamteten Staatssekretäre, die für den Bund im
Aufsichtsrat die Vertretung übernommen haben, ihrer
Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglieder pflichtgemäß nach-
gekommen sind. Wir haben keinen Anlass, darüber
nachzudenken, eine personelle Veränderung vorzuneh-
men.

Im Übrigen verweise ich darauf, dass zum gegenwär-
tigen Zeitpunkt noch keine klare Verantwortlichkeit zu-
gewiesen werden kann, über die Tatsache hinaus, dass
die Geschäftsführung des FBB heute entschieden hat,
dem Generalplaner fristlos zu kündigen. Das ist eine
Entscheidung von heute. Der PG BBI ist heute fristlos
gekündigt worden. Das soll Ihnen vielleicht auch einen
Hinweis darauf geben, wo möglicherweise die Verant-
wortlichkeit für dieses verzögerte Verfahren liegt.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718018800

Es gibt noch eine weitere Nachfrage unserer Kollegin

Frau Lisa Paus.


Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718018900

Herr Staatssekretär, Sie haben gerade darauf hinge-

wiesen, dass heute der PG BBI fristlos gekündigt wor-
den ist. Inwieweit können Sie sicherstellen, dass der
neue Termin gehalten werden kann, wenn Sie offensicht-

lich ab dem heutigen Tage kein Planungsbüro mehr ha-
ben, das den Flughafen planerisch begleitet?

Sie haben auch die Verantwortlichkeiten angespro-
chen. Inwieweit sehen Sie auch Möglichkeiten der Re-
gressforderungen gegenüber Dritten, zum Beispiel der
PG BBI? Sehen Sie noch weitere Möglichkeiten der Re-
gressforderungen, und haben Sie den Eindruck, dass das
Management diesen Möglichkeiten derzeit in adäquater
Art und Weise nachgeht?

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718019000


Frau Kollegin, die Regressmöglichkeiten werden
selbstverständlich geprüft werden, und zwar nicht nur
durch die Gesellschaft selber, sondern natürlich auch
durch die Bundesregierung als Gesellschafter. Es ist
ganz wichtig, der Frage nachzugehen, wer wofür Verant-
wortung trägt. Sie selbst haben die fristlose Kündigung
des Vertragsverhältnisses zu PG BBI angesprochen. Das
zeigt, in welche Richtung man möglicherweise nachden-
ken könnte. Es wird auf jeden Fall eine Überprüfung ge-
ben. Wenn sich hier Rechtsansprüche ergeben, werden
diese durchgesetzt werden; das ist ganz klar.

Die Flughafengesellschaft wird – das hat der Ge-
schäftsführer heute im Ausschuss für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung berichtet – ein eigenes Controllingver-
fahren aufbauen und mit über 100 Mitarbeitern dafür
Sorge tragen, dass die Tätigkeit als Generalplaner durch
die Gesellschaft selbst wahrgenommen wird und wir
zum 17. März nächsten Jahres den Flughafen eröffnen
können.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718019100

Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Ich rufe die Frage 42 unseres Kollegen Stephan Kühn
auf:

Welche Unterlagen wurden dem Vertreter des Bundes seit
Juni 2011 in den Aufsichtsratssitzungen der Flughafengesell-
schaft Berlin Brandenburg vorgelegt – bitte einzeln auf-
listen –, in denen auf mögliche Verzögerungen und technische
Probleme bei der Fertigstellung des neuen Hauptstadtflugha-
fens hingewiesen wurde?

Herr Staatssekretär, bitte.

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718019200


Die Antwort der Bundesregierung lautet: Die Ge-
schäftsführung berichtete in den Sitzungen des Auf-
sichtsrates regelmäßig zum Projektfortschritt. Alle damit
verbundenen Informationen flossen in den jeweiligen
Controllingbericht ein, der in einer aktualisierten Fas-
sung zu jeder Aufsichtsratssitzung präsentiert wurde.
Von Juni 2011 bis April 2012 sind im Aufsichtsrat insge-
samt vier Controllingberichte vorgelegt worden. Über
den schriftlichen Bericht hinaus berichtete die Ge-
schäftsführung in den Sitzungen des Aufsichtsrates
mündlich zum aktuellen Sachstand. In diesem Zusam-
menhang erfolgten sachkritische Hinweise zum Brand-
schutz in der Sitzung des Aufsichtsrates am 20. April
2012. Diese Hinweise zeigten ausdrücklich keine Aus-





Parl. Staatssekretär Jan Mücke


(A) (C)



(D)(B)


wirkungen auf die vorgesehene Inbetriebnahme des BER
am 3. Juni 2012 dergestalt an, dass zwingend eine Ver-
schiebung vorgenommen werden müsste.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718019300

Herr Kollege Stephan Kühn, Ihre erste Nachfrage.


Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718019400

Vielen Dank, Herr Staatssekretär Mücke. – Sie waren

bei den heutigen Beratungen des Verkehrsausschusses
zugegen. Da haben wir seitens der Flughafengesellschaft
und Professor Schwarz erfahren dürfen, dass bereits seit
Dezember letzten Jahres, noch vor Weihnachten, be-
kannt ist, dass die vollautomatische Entrauchungsanlage
nicht zum 3. Juni in Betrieb gehen kann. Deshalb hat
man versucht, mit entsprechender behördlicher Geneh-
migung eine teilautomatische Lösung zu implementie-
ren. Aber es war offen, ob eine solche überhaupt geneh-
migungsfähig ist.

Mich interessiert, ob der Bundesregierung tatsächlich
erst in der Aufsichtsratssitzung am 20. April dieses Jah-
res die Information zuteil wurde, dass die vollautomati-
sche Entrauchungsanlage nicht rechtzeitig in Betrieb ge-
hen kann. Oder wussten Sie bereits vorher von diesem
Sachverhalt, und wenn ja, wie haben Sie ihn bewertet?
Wir haben heute erfahren, dass die Dimension etwas un-
terschätzt wurde. Man hat beispielsweise darauf hinge-
wiesen, dass auch die O2-World-Veranstaltungshalle mit
einer teilautomatischen Entrauchungsanlage betrieben
wird. Aber der Vergleich zwischen einer Veranstaltungs-
halle und einem Flughafen mit mehreren Zehntausend
oder Hundertausend Besuchern pro Tag – es handelt sich
um eines der größten Gebäude in Europa – ist fragwür-
dig. Haben Sie eine Bewertung dieses Sachverhalts tat-
sächlich vorgenommen?

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718019500


Den beiden Mitgliedern des Bundes im Aufsichtsrat
der FBB ist erstmals am 20. April – genau so, wie ich es
ausgeführt habe – zum Thema Brandschutz berichtet
worden. Zu möglichen Schwierigkeiten: Sie sehen, dass
der entsprechende Controllingbericht eine gelbe Signali-
sierung aufweist; dazu ist in der Öffentlichkeit schon
mehrfach berichtet worden. Der Bundesregierung liegen
keine Erkenntnisse darüber vor, ob eine zügigere Infor-
mation erfolgt ist. Wir gehen davon aus, dass sie am
20. April erfolgt ist.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718019600

Ihre zweite Nachfrage, Kollege Stephan Kühn.


Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718019700

Ihr Kollege, Herr Staatssekretär Bomba, hat auf den

umfangreichen Briefwechsel zwischen dem BMVBS
und dem Flughafenbetreiber hingewiesen, aus dem her-
vorgeht, dass man sich mit Fragen des Brandschutzes in-
tensiv befasst hat. Hat dieser Briefwechsel tatsächlich
erst nach dem 20. April, also nach Feststellung des Sach-

verhalts, eingesetzt, oder gab es bereits vorher einen in-
tensiven Briefwechsel zu dieser Problematik?

Schließlich haben wir erfahren, dass im Februar eine
sogenannte Task Force Brandschutz eingerichtet wurde,
an der der Bund zwar nicht unmittelbar beteiligt ist; ich
gehe aber davon aus, dass in einem solchen Verfahren
alle Anteilseigner des neuen Flughafens über relevante
Sachstände seitens der Flughafengesellschaft oder über
die Ergebnisse der Arbeit dieser Task Force Brandschutz
informiert werden.

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718019800


Ich muss Sie korrigieren. Die Bundesregierung unter-
liegt dem Geschäftsführungsverbot. Es gilt das Aktien-
recht. Die Geschäftsführung ist zuständig für die opera-
tiven Angelegenheiten dieser Gesellschaft. Deshalb ist
es nicht die Aufgabe des Bundesverkehrsministeriums,
auf mögliche Brandschutzfragen Antworten zu finden.
Das ist vielmehr ausschließlich die Angelegenheit der
Geschäftsführung der Gesellschaft und des jeweiligen
Bauordnungsamtes, das auch glücklicherweise einge-
griffen hat.

Insofern kann sich der von Ihnen erwähnte Schrift-
wechsel zwischen dem BMVBS und der Flughafenge-
sellschaft ausschließlich auf die Controllingberichte oder
andere Aufsichtsratsangelegenheiten beziehen, jedoch
nicht konkret auf ein wie auch immer geartetes Brand-
schutzkonzept. Mich verwundert Ihre Frage. Sie unter-
stellt einen Sachverhalt, der so nicht der Wahrheit
entspricht. Herr Staatssekretär Bomba als Mitglied des
Aufsichtsrats hat Ihnen heute in der Ausschusssitzung
zugesagt, dass Ihnen dieser Schriftwechsel zwischen
dem BMVBS und der Flughafengesellschaft zugänglich
gemacht wird. Ich darf Sie auch in diesem Fall bitten,
die Geduld aufzubringen, bis Ihnen die Einsicht gewährt
wird. Dann können Sie jedes einzelne Schriftstück selbst
nachvollziehen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718019900

Frau Kollegin Lisa Paus, Sie haben eine Nachfrage.


Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718020000

Herr Staatssekretär, Sie und ich haben heute erfahren,

dass die Geschäftsführung der Flughafengesellschaft be-
reits im Dezember und der Vorsitzende der Geschäfts-
führung Herr Schwarz nach seiner eigenen Aussage im
Januar/Februar bereits wussten, dass die Planung zum
vollautomatischen Brandschutz nicht mehr einzuhalten
sein werde, sondern es eine teilautomatische Lösung ge-
ben müsse. Er hat den Aufsichtsrat über diese Informa-
tion erst in der Aufsichtsratssitzung am 20. April infor-
miert. Wie bewerten Sie diese späte Information des
Aufsichtsrats?

Außerdem würde mich interessieren, wie Sie die Ein-
schätzung bewerten, dass es bei einem solchen Neubau
– es handelt sich um einen Flughafen, der praktisch Tag
und Nacht und 365 Tage im Jahr in Betrieb ist – über-
haupt realistisch ist, eine Genehmigung für eine teilauto-
matische Brandschutzanlage zu bekommen.






(A) (C)



(D)(B)


J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718020100


Zu Ihrer zweiten Frage fehlt mir die Beurteilungs-
kompetenz, weil das eine Aufgabe des Bauordnungs-
amts ist. Die Bauordnungsbehörde im jeweiligen Land-
kreis trifft auf kommunaler Ebene die Entscheidung
darüber und nicht die Bundesregierung. Deshalb entzieht
sich diese Frage einer Beantwortung durch mich.

Zu Ihrer ersten Frage kann ich Sie nur auf den Auf-
sichtsrat als Kollektivorgan verweisen. Der Aufsichtsrat
muss sich mit der Frage befassen, ob das eine ausrei-
chende Information gewesen ist. Das wird sicher noch
ein Thema der nächsten Aufsichtsratssitzungen sein. Da-
von bin ich fest überzeugt.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718020200

Die nächste Nachfrage kommt von unserer Kollegin

Frau Bettina Herlitzius. Bitte schön.


Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718020300

Herr Staatssekretär, wir waren sehr überrascht, als wir

vor zwei Wochen von diesen Verzögerungen gehört ha-
ben. Wir als Bau- und Verkehrsausschuss sind nicht in-
formiert worden. Insofern sehen Sie uns nach, dass wir
hier sehr viele Nachfragen haben. Es ist eigentlich keine
Art, wie hier mit Bauvorhaben, an deren Kosten auch der
Bund beteiligt ist, umgegangen wird.

Ich gehe davon aus, dass Sie die Planungsleistungen
und Bauleitungsaufgaben europaweit ausschreiben müs-

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1718020400
Wann
meinen Sie, dass Ihnen das neue Büro zur Verfügung
steht? Müssen Sie jetzt die Baustelle so lange stilllegen?

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718020500


Es wird kein neues Büro geben, und die Baustelle
wird nicht stillstehen.


(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer macht dann die Projektleitung?)


– Die Antwort habe ich vorhin schon gegeben.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718020600

Es gibt immer nur eine Nachfrage. Aber ich darf ei-

nen Hinweis geben: Der Kollege Kühn hat noch eine
Frage gestellt, sodass man möglicherweise darauf noch
reagieren kann.

Ich rufe die Frage 43 des Kollegen Stephan Kühn auf:
Wie wurden diese Informationen seitens des Vertreters des

Bundes bzw. der Bundesregierung jeweils bewertet, und wie
flossen die entsprechenden Schlussfolgerungen in die Ent-
scheidungsfindung des Aufsichtsratsgremiums ein?

Bitte, Herr Staatssekretär.

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718020700


Die Bewertung der Vorlagen der Geschäftsführung er-
folgt im Aufsichtsrat als Kollegialorgan. Trotz kritischer
Nachfragen der zwei Bundesvertreter im Aufsichtsrat

bestätigte die Geschäftsführung am 20. April 2012 den
vorstehenden Sachverhalt. Das heißt, sie erklärte, dass
die Erkenntnisse zum Brandschutz keine Auswirkungen
auf die vorgesehene Inbetriebnahme des BER am 3. Juni
2012 haben.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718020800

Ihre erste Nachfrage, Kollege Stephan Kühn.


Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718020900

Herr Staatssekretär, wir haben von Herrn Staatssekre-

tär Bomba erfahren, dass er sich nicht allein durch die
Unterlagen im Aufsichtsrat kämpfen muss, sondern dass
ihm in seiner Behörde, dem BMVBS, Fachleute zur
Seite stehen, die diese Unterlagen bewerten können.
Dies wird im Rahmen der Vorbereitung einer Aufsichts-
ratssitzung auch erfolgen, zumal die Berichte in der Re-
gel vorher verschickt werden. Der Bericht zur Aufsichts-
ratssitzung vom 20. April ist einen Monat alt. Daher
stelle ich noch einmal die Frage: Hat die Bundesregie-
rung keine Probleme dabei gesehen, dass bei einem so
komplexen Vorhaben mit einer solchen Dimension eine
teilautomatische Entrauchungsanlage in jedem Fall ge-
nehmigungsfähig sei?

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718021000


Herr Kollege, ich wiederhole mich. Das ist eine Frage
der zuständigen Fachbehörde, und die zuständige Fach-
behörde ist das Bauordnungsamt im zuständigen Land-
kreis. Ich bitte Sie, die Frage an die zuständige Behörde
zu richten und nicht an die Bundesregierung.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718021100

Sie haben eine weitere Nachfrage.


Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718021200

Daran knüpft die Frage indirekt an: Es gibt mittler-

weile den zweiten Verschiebungstermin. Ursprünglich
sollte der Flughafen bereits am 31. Oktober 2011 eröff-
net werden. Ich glaube, davor war ein Eröffnungstermin
im Jahr 2010 Gegenstand der Debatte. Nach der erneu-
ten Verschiebung im letzten Jahr haben Vertreter des
Bundes im Aufsichtsrat darauf hingewirkt, dass die Con-
trollinginstrumente und die Risikobewertungsinstru-
mente ausgebaut werden, sodass der Aufsichtsrat
tatsächlich valide Ergebnisse, Bewertungen und Ein-
schätzungen vorgelegt bekommt. Daher habe ich die
Frage: Welche konkreten Controlling- und Risiko-
managementvorschläge wurden seitens der Vertreter des
Bundes zur Verbesserung eingereicht?

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718021300


Die Aufsichtsratsmitglieder und insbesondere der
Kollege Bomba, der Mitglied des Aufsichtsrates ist, ha-
ben mehrfach nachgefragt, ob die Risiken tatsächlich
richtig bezeichnet worden sind. Herr Bomba hat heute
im Ausschuss mitgeteilt, dass er die Geschäftsführung
mehrfach gefragt hat, ob diese Einschätzungen so richtig
seien. Die Geschäftsführung hat die Einstufung vorge-





Parl. Staatssekretär Jan Mücke


(A) (C)



(D)(B)


nommen, die besagt, dass das Brandschutzthema kritisch
sei, jedoch erfolgte diese Einstufung unter „gelb“, was in
Bezug auf den Eröffnungstermin eine nicht kritische
Einschätzung ist.

Das war offensichtlich eine Fehleinschätzung der Ge-
schäftsführung. Deshalb habe ich vorhin ausgeführt,
dass die Art und Weise, wie der Aufsichtsrat hier infor-
miert wurde, sicher Gegenstand der weiteren Aufsichts-
ratsberatungen sein wird. Ich gehe davon aus, dass das
Ganze sehr kritisch gesehen wurde. Das können Sie auch
daraus ableiten, dass einer der zuständigen Geschäfts-
führer das Unternehmen verlassen wird.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718021400

Wir kommen zu den Einzelnachfragen. – Frau Kolle-

gin Bettina Herlitzius.


Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718021500

Meine Nachfrage lautet: Wer übernimmt jetzt die Pro-

jekt- und Bauleitung? Hat derjenige, der sie übernimmt,
auch die Kompetenz dazu?

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718021600


Ich hatte vorhin schon ausgeführt, dass die FBB nach
der Kündigung von PG BBI jetzt selbst die Bauüberwa-
chung übernimmt.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718021700

Eine weitere Nachfrage unserer Kollegin Frau Lisa

Paus.


Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718021800

Wir sind nach wie vor irritiert. Überwachung und

Controlling sind nicht gleichzusetzen mit Planung. Viel-
leicht können Sie noch etwas dazu sagen.

Zu meiner eigentlichen Frage: Ich hatte nicht die Auf-
sichtsratsmitglieder gefragt; denn diese sind hier in der
Tat nicht zu befragen. Ich hatte Sie persönlich als Vertre-
ter der Bundesregierung gefragt, inwieweit Ihnen per-
sönlich bekannt ist, ob in Deutschland bei einer ver-
gleichbaren Einrichtung jemals eine teilautomatische
Brandschutzanlage genehmigt worden ist. Wie bewerten
Sie den Vorgang, dass die Geschäftsführung den Auf-
sichtsrat offenbar erst drei bis vier Monate nachdem der
Geschäftsführung bekannt geworden ist, dass die vollau-
tomatische Brandschutzanlage nicht zum Eröffnungster-
min fertig sein wird, sondern dass man eine Genehmi-
gung für eine teilautomatische Brandschutzanlage
brauchen wird, informiert hat? Wie bewerten Sie es, dass
diese Informationsweiterleitung von der Geschäftsfüh-
rung zum Aufsichtsrat drei bis vier Monate gedauert hat?
Wie bewerten Sie das als Mitglied der Bundesregierung?

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718021900


Meine persönliche Auffassung spielt hier gar keine
Rolle. Entscheidend ist vielmehr, dass die zuständige
Fachbehörde eine fachlich korrekte Beurteilung vor-

nimmt. Die zuständige Fachbehörde ist das Bauord-
nungsamt des zuständigen Landkreises.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, Sie haben dazu keine Meinung!)


– Ich habe dazu keine Meinung, weil wir nicht die Bau-
aufsicht sind. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung,
Bauaufsicht vorzunehmen.


(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind ein Teil des Bauherrn! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Die Bauaufsicht hat verantwortungsvoll gehandelt!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718022000

Ich vernehme jetzt Zurufe, die vom Antwortgeber aber

wohl nicht als Zwischenfragen verstanden werden. – Da-
mit sind wir fertig mit den Nachfragen zur Frage 43.

Wir fahren fort im Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.

Die Fragen 44 und 45 der Abgeordneten Jutta
Krellmann werden schriftlich beantwortet.

Ich rufe Frage 46 unserer Kollegin Bettina Herlitzius
auf:

Aus welchem Grund wird der ursprünglich für die 21. Ka-
lenderwoche geplante Kabinettsbeschluss über das Gesetz zur
Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemein-
den und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts
– BauGB-Novelle – vertagt, und wann ist dieser nun zu er-
warten?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718022100


Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Stärkung der
Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und
zur weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts bedarf
nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung der
Abstimmung zwischen den beteiligten Ressorts, bevor er
dem Kabinett zur Beschlussfassung vorgelegt wird.
Diese Abstimmung ist noch nicht abgeschlossen. Sobald
diese Abstimmung abgeschlossen ist, wird der nächst-
mögliche Kabinettstermin angestrebt.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718022200

Frau Herlitzius, Ihre erste Nachfrage.


Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718022300

Herr Staatssekretär, gibt es Überlegungen vonseiten

der Regierung, den Ausbau von Kraftwerken im Außen-
bereich zur Beschleunigung der Energiewende – es han-
delt sich um eine Privilegierung – noch weiter auszuwei-
ten?

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718022400


Ich möchte Sie bitten, den Kabinettsbeschluss abzu-
warten. Es macht keinen Sinn, über Zwischenstände zu
berichten, solange die Kabinettsbefassung noch nicht er-
folgt ist.






(A) (C)



(D)(B)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718022500

Ihre zweite Nachfrage, bitte.


Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718022600

Woran hakt es? Bei welchem Ihrer verschiedenen

Vorschläge – manche sind ja ganz sinnvoll; manche be-
grüßen wir; aber es gibt auch ein paar, die wir sehr kri-
tisch sehen – hakt es in der Abstimmung mit welchem
Ressort?

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718022700


Die Bundesregierung tritt hier einheitlich auf. Des-
halb darf ich Sie bitten, sich so lange zu gedulden,


(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


bis die Bundesregierung zu einer einheitlichen Auffas-
sung gekommen ist und einen Kabinettsbeschluss über
diesen Gesetzentwurf gefasst hat. Dann können Sie im
Deutschen Bundestag darüber befinden und Ihre Posi-
tion gerne einbringen.

Zunächst einmal wird die Bundesregierung eine ge-
meinsame Position vorstellen. Danach können Sie noch
in diesem Jahr darüber abstimmen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718022800

Ich rufe die Frage 47 unserer Kollegin Bettina

Herlitzius auf:
In welcher Form hat die Bundesregierung die Zielerfül-

lung der Bebauungspläne der Innenentwicklung seit ihrer Ein-
führung in das Baugesetzbuch evaluiert, und welche Erkennt-
nisse zieht die Bundesregierung daraus, insbesondere für
Bürgerbeteiligung und Umweltschutz?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718022900


Der aktuelle Gesetzentwurf wurde durch Experten im
Rahmen der Berliner Gespräche zum Städtebaurecht
fachlich begleitet. Hier wurde unter anderem festgestellt,
dass sich das im Jahr 2007 mit dem Gesetz zur Erleichte-
rung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung
der Städte eingeführte Instrumentarium bewährt hat.
Weitere Informationen können dem Bericht zu den „Ber-
liner Gesprächen zum Städtebaurecht“ auf Seite 57 ent-
nommen werden.

Des Weiteren wurde die Beratung des Gesetzes sei-
nerzeit durch ein Planspiel begleitet – so wie das bei Än-
derungen des Baugesetzbuches immer der Fall ist –, des-
sen Ergebnisse dem zuständigen Bundestagsausschuss
vorlagen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718023000

Ihre erste Nachfrage.


Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718023100

Herr Staatssekretär, nach unseren eigenen Recherchen

werden mittlerweile fast 70 Prozent der Bebauungsplan-
verfahren nach dem vereinfachten §-13-a-Baugesetz-

buch-Verfahren durchgeführt. Das hat zur Folge, dass
Umweltprüfungen oder auch Bürgerbeteiligungen mar-
ginalisiert werden. Das ist eigentlich nicht im Sinne der
damaligen Erfinder, die diesen Paragrafen eingeführt ha-
ben. Dieser Paragraf ist eingeführt worden, um be-
stimmte Vorhaben zu beschleunigen; er ist nicht einge-
führt worden, um beim Planungsrecht an dieser Stelle
grundsätzlich die Bürgerbeteiligung auszuhebeln. Inso-
fern ist schon interessant, hier weiter nachzufragen. Ich
glaube, dass die Experten da nicht die richtige Adresse
sind.

Die Frage ist: Gibt es Unterlagen in Ihrem Ministe-
rium dazu, wie der Paragraf vor Ort wirklich angewen-
det wird? Haben Sie evaluiert, welche Zahlen es gibt,
wie viele Verfahren da durchgeführt worden sind? Ein
reines Experteninterview hilft Ihnen an dieser Stelle
nicht weiter.

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718023200


Grundsätzlich finde ich es nicht verkehrt, wenn sich
die Experten mit diesen Dingen auseinandersetzen. Des-
halb haben wir ja beispielsweise die Berliner Gespräche
zum Städtebaurecht. Wir machen dieses Planspiel auch,
um alle Auswirkungen einer Änderung im Städtebau-
recht sehen zu können.

Ich kann nichts Schlechtes daran finden, dass wir in
den Bauplanungsverfahren eine gewisse Straffung vor-
nehmen. Das war auch der Sinn dieser Änderung. Aus
meiner Sicht ergeben sich daraus keine negativen Ent-
wicklungen. Das haben auch alle Rückmeldungen, die
wir bisher zu diesem Thema haben, bestätigt. Das BBSR
kann Ihnen sicher Auskunft dazu geben, und zwar detail-
lierter, als ich das jetzt hier im Rahmen der Fragestunde
könnte.

Wir sehen grundsätzlich keine negativen Auswirkun-
gen dieser Änderung des Städtebaurechts. Wir begrüßen
es außerordentlich, wenn diese Änderung des Bauge-
setzbuchs dazu führt, dass Investitionsvorhaben schnel-
ler umgesetzt werden können. Wir sprechen auch bei der
Verkehrsinfrastruktur immer davon, dass wir Planungs-
beschleunigung haben wollen, sodass wir Investitions-
entscheidungen schneller herbeiführen können. Das gilt
natürlich ganz genauso auch für private Investitionen im
Innenbereich. Deshalb können wir die von Ihnen konsta-
tierten negativen Auswirkungen dieser Rechtsänderung
nicht nachvollziehen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718023300

Ihre weitere Nachfrage, Frau Kollegin.


Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718023400

Das verwundert etwas, Herr Staatssekretär, weil Sie

bei der Novellierung des Baugesetzbuchs extra den Pas-
sus aufgenommen haben, dass Mediationen im Bauleit-
planungsverfahren eingeführt werden. Das heißt, Sie
müssen schon erkannt haben, dass die Bürgerbeteiligung
in dem Prozess gestärkt werden muss. Wieso führen Sie
das an der einen Stelle ein, sehen aber nicht, dass hier ein
eklatanter Missstand besteht?






(A) (C)



(D)(B)


J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1718023500


Es tut mir leid; ich kann Ihre Analyse nicht bestäti-
gen. Wir gehen davon aus, dass diese Regelung sich be-
währt hat. Gegen neue Instrumente der Bürgerbeteili-
gung wie auch gegen die Mediation ist überhaupt nichts
einzuwenden. Eine vernünftige Stadtplanung ist nur
möglich mit den Bürgern, nicht gegen die Bürger. Dem
muss nicht zwingend entgegenstehen, dass wir zu zügi-
gen Entscheidungen in diesem Bereich kommen. Des-
halb vermag ich Ihre Kritik nicht nachzuvollziehen.


(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe keine Nachfrage mehr!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718023600

Ja, so ist die Geschäftsordnung.

Damit ist auch der Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ab-
gehandelt.

Die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
– das sind die Frage 48 der Kollegin Bärbel Höhn und
die Frage 49 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl – werden
schriftlich beantwortet.

Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Technologie. Ich be-
danke mich beim Staatssekretär Hans-Joachim Otto da-
für, dass er die Antworten gibt.

Die Frage 50 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl sowie
die Fragen 51 und 52 des Kollegen Oliver Krischer wer-
den schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 53 unserer Kollegin Frau Dorothea
Steiner auf:

Welche Position vertritt die Bundesregierung derzeit in
den Verhandlungen zur Energieeffizienzrichtlinie in Brüssel,
und wie beabsichtigt die Bundesregierung in den kommenden
Wochen die Verhandlungen zu beeinflussen?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1718023700


Vielen Dank, Herr Präsident. – Die Kollegin Steiner
stellt die Frage, welche Position die Bundesregierung
derzeit in den Verhandlungen zur Energieeffizienzricht-
linie einnimmt


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine!)


und wie sie diese Position dort vertritt. Die Antwort lau-
tet, dass die Bundesregierung in den Verhandlungen über
die Energieeffizienzrichtlinie sich laufend positioniert
hat. Viele Punkte sind unstreitig; da ist man auf der deut-
schen Linie. Ein zentraler Punkt ist streitig, nämlich die
Frage der verpflichtenden Energieeinsparquote. Dort hat
die deutsche Seite einen Vorschlag zur Formulierung
von Art. 6 der Richtlinie gemacht. Das war in dieser
Form auf europäischer Ebene leider nicht durchsetzbar.
Die Diskussion darüber, wie sich Deutschland nunmehr

zu Art. 6 und Art. 3 verhalten wird, ist noch nicht abge-
schlossen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718023800

Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Steiner.


Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718023900

Danke. – Herr Staatssekretär, genau dazu möchte ich

nachfragen.

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1718024000


Das habe ich befürchtet.


Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718024100

Das Problem war ja, dass die Position der Bundesre-

gierung an dieser Stelle windelweich und wenig präzise
auf Ergebnisse orientiert war, was nicht nur nach unserer
Auffassung vielleicht auch auf die etwas – möchte ich
einmal polemisch sagen – verbohrte Einstellung im
Wirtschaftsministerium zurückzuführen ist. Wenn Sie
jetzt sagen, Sie sind in der Meinungsfindung dazu, wie
Sie weiter vorgehen wollen, dann möchte ich wissen:
Gibt es Anzeichen, dass Sie eher einen konsequenten
Kurs betreiben und sich zu konkreten Einsparquoten be-
kennen, die Sie dann auch gegenüber anderen EU-Län-
dern vertreten werden?

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1718024200


Liebe Frau Kollegin Steiner, Ihre Einschätzungen der
Bundesregierung und des Bundeswirtschaftsministe-
riums widersprechen sich ein bisschen. Auf der einen
Seite sagen Sie, wir seien verbohrt, auf der anderen
Seite, wir seien windelweich.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Beides ist nicht richtig!)


Das passt nicht so recht zusammen.


(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei dieser Regierung schon!)


Zum anderen möchte ich Sie darauf hinweisen, dass
die Position des Bundeswirtschaftsministeriums, die Sie
kritisiert haben, auch von Landesregierungen im Bun-
desrat gestützt wird, in denen die grüne Partei, Ihre Par-
tei, vertreten ist, nämlich die Position hinsichtlich der
Frage, ob es überhaupt mit dem Subsidiaritätsprinzip
vereinbar ist, dass auf europäischer Ebene verpflich-
tende Energieeinsparquoten festgelegt werden. Wir wis-
sen hier also durchaus auch einige Landesregierungen,
an denen die Grünen beteiligt sind, hinter uns.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718024300

Frau Steiner, Sie haben eine weitere Nachfrage?


Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718024400

Herr Staatssekretär, Sie werden verstehen, dass wir

dem widersprechen müssen. Das würde ich jetzt eher un-





Dorothea Steiner


(A) (C)



(D)(B)


ter politischer übler Nachrede verbuchen, was Sie über
an Landesregierungen beteiligte Grüne gesagt haben.

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1718024500


Ich kann der Wahrheit nicht ausweichen.


Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718024600

Ich muss noch einmal darauf zurückkommen: Sie ha-

ben ja bisher die Ansicht vertreten, dass Sie bereits aus-
reichend für Energieeffizienz tun, auch in der Bundesre-
publik selbst, und dass Sie es deswegen gar nicht nötig
hätten, die Instrumente der Rahmenrichtlinie konsequent
umzusetzen. Andere Mitgliedstaaten berufen sich jetzt
natürlich auf das schlechte deutsche Beispiel und tun erst
recht nichts bzw. verpflichten sich erst recht nicht zu ir-
gendwelchen Maßnahmen der Energieeffizienz und zu
Einsparquoten, die man überprüfen könnte. Besteht die
Möglichkeit, dass die Bundesrepublik ihrer Vorbildfunk-
tion in der EU, die sie zweifellos wahrnehmen muss, ge-
recht wird und auch andere Länder davon überzeugt,
sich zu konkreten Einsparquoten zu verpflichten? Und
wenn nein, warum nicht?

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1718024700


Liebe Frau Kollegin Steiner, Sie suggerieren in Ihren
Fragen immer Bewertungen, die ich nicht unwiderspro-
chen stehen lassen möchte.


(Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das denke ich mir schon!)


Das mit der Vorbildfunktion will ich gerne stehen lassen;
aber das ist ein Teil des Problems.

Ich möchte erstens darauf hinweisen, dass der Bun-
deswirtschaftsminister die Ansicht vertritt – und er ist
nicht alleine; auch die Fraktionen des Hauses sind zum
großen Teil dieser Auffassung –, dass hier einem Dirigis-
mus das Wort geredet wird, der nicht vorteilhaft ist.

Zweitens zu der Vorbildfunktion Deutschlands, die
Sie, Frau Kollegin Steiner, angesprochen haben. Gerade
diejenigen Länder, die, wie Deutschland, in den vergan-
genen Jahren in der Tat große Fortschritte bei der Ener-
gieeffizienz erzielt haben, würden bestraft, wenn sie jetzt
sozusagen unter ein ganz starres Regime fielen. Die ers-
ten Prozente an Energieeinsparung sind sehr viel leichter
zu bewerkstelligen, als es später der Fall ist, wenn schon
ein hoher Grad an Energieeffizienz erreicht ist; dann ist
jedes Prozent, das man weiter herunterkommt, mit gro-
ßen ökonomischen Lasten verbunden. Deswegen werbe
ich auch bei Ihnen, liebe Frau Kollegin – vermutlich er-
folglos, aber trotzdem –, dafür, von einem starren Re-
gime Abstand zu nehmen und stattdessen flexiblere
Ziele zu formulieren.


(Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Allgemeinplatz!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718024800

Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle anderen Fragen
werden schriftlich beantwortet bzw. nach der Geschäfts-
ordnung behandelt.

Da noch Ausschüsse tagen und wir vereinbart haben,
mit der Aktuellen Stunde um 15.45 Uhr pünktlich zu be-
ginnen, unterbreche ich jetzt bis zu diesem Zeitpunkt die
Sitzung.


(Unterbrechung von 15.39 bis 15.45 Uhr)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718024900

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir setzen unsere

Sitzung fort.

Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP

Keine Vergemeinschaftung europäischer
Schulden – Euro-Bonds-Pläne der SPD:
Haftung für deutsche Steuerzahler?

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner in unserer
Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der CDU/CSU
unser Kollege Norbert Barthle. Bitte schön, Kollege
Norbert Barthle.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1718025000

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Mit dieser Aktuellen Stunde haben wir die Gelegen-
heit, über Euro-Bonds zu sprechen. Lassen Sie mich zu-
nächst einmal die Frage stellen: Was sind denn
überhaupt Euro-Bonds?

Euro-Bonds sind nichts anderes als gemeinsame
Staatsanleihen innerhalb der Europäischen Union oder
der Euro-Zone. Das heißt, Euro-Staaten würden gemein-
sam Schulden am Finanzmarkt aufnehmen und gesamt-
schuldnerisch für die Rückzahlung und für die Zinsen
dieser Schulden haften. Damit weiß man sogleich, wo-
rum es geht: Es geht nämlich um nichts anderes als um
ein Instrumentarium, mit dem man sich neue Staats-
schulden verschaffen kann.

Das erweckt schon den allerersten Zweifel, den wir
hinsichtlich dieses Instruments haben; denn wir sind der
Auffassung: Euro-Bonds sind nicht dazu angetan, das
Vertrauen an den Finanzmärkten wieder zurückzugewin-
nen und zu festigen, sondern im Gegenteil: Euro-Bonds
würden sehr schnell dazu führen, dass das Vertrauen der
Finanzmärkte in verschuldete Staaten wieder einbrechen
würde, mit den zu besichtigenden Folgen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir wollen keine Euro-Bonds.

Euro-Bonds würden letztendlich nichts anderes be-
deuten als die Fortsetzung der Verschuldungspolitik.
Wozu diese geführt hat, können wir derzeit ebenfalls in
ganz Europa besichtigen. Die ganze Welt schaut auf uns.
Wir haben eine große Verantwortung, Europa wieder in





Norbert Barthle


(A) (C)



(D)(B)


sichere Gefilde zu bringen, den Euro zu stabilisieren, die
Verschuldung der Staaten zurückzuführen und damit für
ein grundlegendes, dauerhaftes Vertrauen an den Finanz-
märkten zu sorgen. Insofern bedeuten Euro-Bonds nichts
anderes als eine Gefährdung dieses Kurses der europäi-
schen Politik.

Damit sind wir sehr schnell beim Thema Fiskalver-
trag. Wir hatten heute früh eine Begegnung mit italieni-
schen Kollegen aus Senat und Abgeordnetenhaus. Dabei
kam klar zum Ausdruck, dass Italien von uns geradezu
erwartet, dass wir möglichst rasch über Fiskalvertrag
und ESM – und zwar gemeinsam – abstimmen und da-
mit für zusätzliches neues Vertrauen in Europa sorgen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Schauen wir doch einmal, was die Sozialisten wollen,
was der neue französische Staatspräsident François
Hollande will und was die SPD will.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was Herr Juncker will! Was Herr Oettinger will! Was Herr Verhofstadt will!)


Bei der SPD bin ich mir nicht mehr so sicher; denn man
weiß nie genau, was sie eigentlich will. Noch vor Mona-
ten sind Sie vehement für Euro-Bonds eingetreten – Herr
Gabriel, Herr Steinmeier, Herr Steinbrück, alle –, dann
begann eine vorsichtige Absetzbewegung, und inzwi-
schen weiß ich gar nicht mehr, wofür Sie stehen.

Der Kollege Schneider hat sich vor wenigen Tagen
gegen Euro-Bonds ausgesprochen. Spricht er da für sich,
für die Haushälter, für die SPD-Fraktion? Ich weiß es
nicht. Eigentlich müsste man sich als starke Regierung
auch eine starke Opposition wünschen. Aber da die
Opposition noch nicht einmal klar erkennen lässt, wofür
sie ist,


(Joachim Poß [SPD]: „Starke Regierung“! Bei dem Elend sagt er „stark“! – Lachen des Abg. Joachim Poß [SPD])


ist es schwierig, sich mit der Opposition auseinanderzu-
setzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Nur in einem bin ich mir sicher: Hätten wir eine rot-
grüne Regierung – bei den Grünen höre ich ebenfalls Si-
gnale, dass man für Euro-Bonds ist –, dann hätten wir in
Europa schon längst die Euro-Bonds. Man hätte schon
vor einem Jahr dem Ansinnen der Parteifreunde nachge-
geben und Euro-Bonds eingeführt.


(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang StrengmannKuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das wäre eine Katastrophe, nicht nur für Europa, son-
dern vor allem für uns in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wozu sollen Euro-Bonds denn dienen? Sollen sie ei-
nerseits dazu dienen, den insolvenzgefährdeten Ländern
wieder leichteren Marktzugang zu verschaffen


(Joachim Poß [SPD]: Zur Diffamierung der SPD sollen sie dienen!)


und damit die Marktmechanismen außer Kraft zu set-
zen? Das wäre der falsche Weg. Oder geht es darum, mit
Euro-Bonds neue Wachstumsprogramme zu finanzieren,
und zwar durch Schulden, also auf Pump, wie die Oppo-
sition immer sagt? Das wäre ebenfalls der falsche Weg.
Also: Wenn schon neue Wachstumsprogramme, dann
nicht durch neue Schulden, sondern durch Einsparungen,
durch Strukturreformen. Das wäre der richtige Weg.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Euro-Bonds klingen zunächst verführerisch. Schaut
man genauer hin, stellt man fest: Sie sind eine gefährli-
che Droge. Seien wir ehrlich: Bei der Einführung des
Euro hat der Euro ein Stück weit wie Euro-Bonds ge-
wirkt. Damals sind die Zinsdifferenzen zwischen den
einzelnen Euro-Ländern auf nahezu null zusammenge-
schrumpft. Damit wurde keine Abbildung der Wett-
bewerbsfähigkeit mehr gewährleistet. Das hat dazu
geführt, dass eine Fehlallokation von hohen Kapitalströ-
men stattgefunden hat, deren Auswirkungen wir jetzt be-
obachten können und bekämpfen müssen. Das war die
Ursache der Staatsschuldenkrise. Wir dürfen nicht dazu
beitragen, dass sich eine solche Schuldenkrise noch ein-
mal wiederholt.


(Beifall des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU])


Die Einführung von Euro-Bonds wäre ein Weg zurück in
die Vergangenheit. Alles wäre wieder auf Anfang. Das
ist der falsche Weg.

Ich hoffe, dass sich nicht nur Einzelne, sondern die
gesamte SPD-Fraktion besinnt und ihrem Parteifreund in
Frankreich erklärt, dass es der falsche Weg wäre, das zu
machen. Wir sind dagegen. Wir lassen das nicht zu.

Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718025100

Vielen Dank, Kollege Norbert Barthle. – Nächster

Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion
der Sozialdemokraten unser Kollege Carsten Schneider.
Bitte schön, Kollege Carsten Schneider.


(Beifall bei der SPD)



Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1718025200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

habe mich ernsthaft gefragt, was die von der Koalition
angesetzte Aktuelle Stunde bringen soll. Das Thema lau-
tet: Euro-Bonds-Pläne der SPD.


(Beifall bei der SPD – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Juncker zum Beispiel! – Nicolette Kressl [SPD]: Oder Herr Oettinger! – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder Herr Brüderle! Alles SPD!)


Eigentlich könnte man das ganz schnell abschließen und
sagen: Meine Damen und Herren, es gibt keine Euro-
Bonds-Pläne der SPD; Punkt.


(Beifall bei SPD)






Carsten Schneider (Erfurt)



(A) (C)



(D)(B)


Herr Kollege Barthle, Sie haben eine ganze Reihe an-
derer Punkte angesprochen. Insbesondere angesichts der
Vorbereitung des Gipfels heute Abend lohnt es sich, auf
diese einzugehen. Lieber Kollege Barthle, lassen Sie
mich eine klare, rechtliche Bewertung abgeben. Es gibt
viele europäische Stimmen, die angesichts der schwieri-
gen Kapitalmarktsituation dafür plädieren, gemeinsam
garantierte europäische Staatsanleihen zu begeben, da-
runter sind viele Kollegen aus Ihren Reihen. Es gibt ei-
nen gemeinsamen Entschließungsantrag von Christli-
chen Demokraten, Liberalen und anderen Fraktionen im
Europäischen Parlament vom 17. Januar. Darin heißt es,
dass das Europäische Parlament nachdrücklich fordert,

dass in dem Abkommen

– es geht um den Fiskalpakt –

neben Vorschlägen zu einem Tilgungsfonds, … ein
Fahrplan für Stabilitätsanleihen („Eurobonds“)
vorgesehen sein muss …

Unterschrift: Elmar Brok, CDU/CSU-Fraktion.


(Zurufe von der SPD: Hört! Hört! – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Sozi! – Beifall des Abg. Klaus Brandner [SPD] – Klaus Brandner [SPD]: Scheinheilig!)


Ich hatte heute ein bisschen Zeit und habe im Han-
delsblatt geblättert. Ein EU-Kommissar – er heißt
Oettinger, er ist übrigens von der CDU; zumindest ist er
es noch; ich glaube, er ist noch nicht entlassen worden –
äußert sich auf Seite 18:

Ich rate allen Beteiligten, sich nicht grundsätzlich
gegen Euro-Bonds zu positionieren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


EU-Staatsanleihen seien eine „Frage des Timings“.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist ein Sozi drin!)


Eigentlich müsste man angesichts dieser Verlautbarun-
gen das Thema dieser Aktuellen Stunde umbenennen in:
Widersprüchliche Position der CDU


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da müssen die „Men in Black“ ran!)


auf europäischer und Bundesebene zu Plänen der Ein-
führung von Euro-Bonds.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Joachim Poß [SPD]: Von der FDP auch!)


Lesen Sie das deutsche Grundgesetz! Eines ist auch
nach den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, die zu
den verschiedenen Stabilisierungsmaßnahmen erlassen
wurden, klar: Ohne eine neue Verfassung, über die die
Deutschen höchstwahrscheinlich über eine Volksent-
scheidung befinden müssten, ohne ein neues Grund-
gesetz, wird es keine gemeinsame Haftung für Anleihen

anderer Länder geben. Das ist die Rechtslage in
Deutschland;


(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU])


wer das ändern will, muss das Grundgesetz ändern. Tei-
len Sie das Ihren Kollegen auf europäischer Ebene mit!

Lassen Sie uns über die weiteren relevanten Punkte
sprechen.

Herr Kollege Barthle, Sie haben eben gesagt, das
wäre wie Gift für neue Schulden. Wenn Sie sagen, dass
Euro-Bonds eine gemeinsame Haftung bedeuten, dann
frage ich mich, was mit den Schulden ist, die mit Ihrer
Zustimmung aufgenommen wurden – das war Ihre
Vorlage –: Griechenland-I-Paket mit 15 Milliarden Euro,
Griechenland-II-Paket mit 17 Milliarden Euro, und die
Europäische Zentralbank hat für 55 Milliarden Euro
Anleihen Griechenlands gekauft.


(Otto Fricke [FDP]: Nach Anteilen!)


– 55 Milliarden Euro sind es insgesamt, 15 Milliar-
den Euro beträgt der deutsche Anteil, sehr geehrter Herr
Kollege Fricke.


(Otto Fricke [FDP]: Immer nach Anteilen!)


Das sind neue Schulden, für die Sie jetzt gemeinschaft-
lich haften. Das ist mit Ihren Stimmen beschlossen wor-
den, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke [FDP]: Nein, eben nicht! Nach Anteilen! Nicht gemeinschaftlich, Carsten! – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Haltet den Dieb, oder was?)


In Wirklichkeit tun Sie das Gegenteil von dem, was Sie
hier behaupten.

Ich finde, dass Sie mit dieser Aktuellen Stunde dem
Problem Europas nicht gerecht werden. Ich denke dabei
insbesondere an die schwierige Situation, die nach der
Parlamentswahl am 17. Juni 2012 in Griechenland auf
uns zukommt, wie auch immer sie ausgehen mag. Wir
befinden uns in Europa in einer extrem schwierigen Si-
tuation. Es wäre gut gewesen, wenn die Bundeskanzlerin
und Herr Sarkozy im Oktober des vergangenen Jahres
nicht verhindert hätten, dass in Griechenland eine Volks-
abstimmung, ein Referendum, über den Verbleib in der
Euro-Zone stattfindet. Das haben Sie verhindert.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Quatsch!)


Dass das Referendum nicht stattfand, war Folge Ihrer
Intervention. Herr Papandreou wurde damals nach
Cannes zitiert. Das war ein politischer Fehler. Heute
wollen Sie das ändern, weil das demokratische Grie-
chenland andere Entscheidungen getroffen hat. So wird
das nicht gehen. Das ist Resultat Ihrer Politik.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)






Carsten Schneider (Erfurt)



(A) (C)



(D)(B)


Ich glaube, dass die Welt schon in drei Wochen sehr
viel anders aussehen wird und wir dann vor schwierige-
ren Entscheidungen stehen werden. Dann wird es nicht
um die grundsätzliche Frage „Euro-Bonds, ja oder
nein?“ gehen. Dann wird es um die Frage gehen, ob die
Euro-Zone tatsächlich noch Bestand hat und welche
Maßnahmen notwendig werden. Diese wären, hätte man
früher und mit politischer Weitsicht agiert, so nicht not-
wendig geworden. Dass Sie nicht agiert haben, war ein
deutliches Versäumnis und wahrscheinlich der größte
Fehler in der Regierungszeit von Angela Merkel.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718025300

Vielen Dank, Kollege Carsten Schneider. – Nächster

Redner für die Fraktion der FDP: unser Kollege
Dr. Hermann Otto Solms. Bitte schön, Kollege
Dr. Solms.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718025400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herrn Schneider möchte ich in Erinnerung rufen, dass
wir bei den Hilfen für Griechenland und bei anderen
Hilfen anteilig haften und nicht gesamtschuldnerisch.
Das ist eben der große Unterschied.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn sich Abgeordnete im Europäischen Parlament
für Euro-Bonds aussprechen, dann sollten Sie wissen,
dass für die Kasse in Deutschland der Deutsche Bundes-
tag zuständig ist und nicht das Europäische Parlament
und auch nicht ein Landesparlament.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!)


Das ist doch Grundwissen für einen Haushälter. Deswe-
gen sollte man das in der Öffentlichkeit sauber darstel-
len.


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das ist eine schlechte Ausrede, ehrlich gesagt!)


Da ist es wieder, das Ungeheuer von Loch Ness. Ei-
gentlich dürfte es das gar nicht geben, aber es taucht
dennoch überraschend immer wieder auf. Bezüglich
Euro-Bonds war in diesem Haus eigentlich Ruhe einge-
kehrt. Die SPD hat ihre Äußerungen mehr oder weniger
verrinnen lassen und sich nicht mehr dazu bekannt.
Doch kaum wird ein sozialistischer Präsident in einem
Schuldnerland gewählt, hängen sich viele von SPD und
insbesondere den Grünen an ihn und fordern Euro-
Bonds.


(Joachim Poß [SPD]: Können Sie das denn auch belegen, Herr Kollege?)


Was sind denn Euro-Bonds? Man muss einmal ganz
klar sagen: Was wird damit gewollt, und was bedeutet
es? Gewollt ist, dass die Haftung für die Schulden verge-

meinschaftet wird, dass nicht länger das einzelne Land
für seine Ausgaben haftet, sondern die Gemeinschaft der
Mitglieder der Europäischen Union.


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das ist jetzt total anders?)


Das Zweite, was man damit erreichen will, ist eine
Nivellierung der Zinssätze. Es soll nicht jeder einen dem
jeweiligen Risiko entsprechenden Zinssatz zahlen, son-
dern alle sollen den gleichen Zinssatz zahlen. Das ist in
etwa so wie in einer Schulklasse: Wenn da einige über
die Stränge schlagen und die gesamte Klasse dafür be-
straft wird, dann passiert das Gleiche: In Zukunft wird
die gesamte Klasse über die Stränge schlagen, weil alle
wissen: Wir werden ja sowieso mit in Haftung genom-
men.


(Joachim Poß [SPD]: Es war von Konditionierung die Rede!)


Was die Zinsen betrifft, ist es so: Wenn in der Schul-
klasse zwar unterschiedliche Leistungen erbracht wer-
den, aber alle die gleiche Note bekommen, dann gibt es
keinen Anreiz mehr, eine bessere Leistung zu erbringen.
Das ist das Fatale an dem Instrument Euro-Bonds: Die
Anreize führen, wie der Ökonom sagt, zu falschem Ver-
halten. Euro-Bonds führen dazu, dass man möglichst
schnell in die Kasse greift, weil man sich sagt: Die ande-
ren müssen es ja bezahlen. Das heißt, in Brüssel wird be-
schlossen: Die Südländer greifen in die Kasse, und Ber-
lin trägt die Kosten. Das lassen wir nicht zu.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir können den deutschen Steuerzahler nicht für die
Schulden von ganz Europa in Haftung nehmen. Das ist
uns auch gar nicht erlaubt, weil es rechtlich nicht zuläs-
sig ist und verfassungsrechtlich schon gar nicht. Das hat
uns das Verfassungsgericht mehrfach hinter die Ohren
geschrieben. Wir haben die verfassungsrechtliche Ord-
nung einzuhalten. Wir haben auch unsere eigene Kasse
in Ordnung zu bringen. Das haben wir noch nicht ganz
geschafft; wir sind aber kurz davor.


(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir dürfen die Steuerzahler nicht für Risiken in An-
spruch nehmen, die in anderen Staaten entstehen.


(Joachim Poß [SPD]: Sie machen doch wieder mehr Schulden in diesem Jahr!)


Den Staaten, die bis jetzt nicht die Kraft haben, ihr
Haus in Ordnung zu bringen, muss man sagen: Nehmt
euch doch einmal ein Beispiel an Lettland, an Estland,
an der Slowakei und an Island. Diese Länder haben es
geschafft, obwohl sie viel ärmer sind als Italien und Spa-
nien. Sie haben schnell Anpassungsmaßnahmen getrof-
fen. Die haben wehgetan, aber zwei Jahre später ging es
bei ihnen schon wieder aufwärts. – Man kann den Fran-
zosen, den Italienern und den Spaniern wirklich nur
empfehlen – Griechenland ist ein Sonderfall –: Nehmt
euch einmal ein Beispiel an diesen Staaten, wenn ihr
euch schon kein Beispiel an Deutschland nehmen wollt.
Sie haben gezeigt, dass es geht, dass es funktioniert.





Dr. Hermann Otto Solms


(A) (C)



(D)(B)


Wir haben das genauso vorgeführt. Verantwortlich für
die Anpassungsmaßnahmen auf dem Arbeitsmarkt und
die Reformen, auch die Steuerreform, war die Regierung
Schröder; das will ich noch einmal in Erinnerung rufen.
Die SPD sollte sich das zum Vorbild nehmen und sagen:
Das waren richtige Maßnahmen. Wir haben dazu beige-
tragen, dass es Deutschland wieder besser geht,


(Thomas Oppermann [SPD]: Was haben Sie denn dazu beigetragen?)


dass die Arbeitslosigkeit verschwindet, dass die Men-
schen wieder Lebenschancen haben. Diesen Weg wollen
wir weitergehen. Dann sind wir sofort auf dem Weg in
die gleiche Richtung und können zusammen die Be-
schlüsse zum Fiskalpakt und zum ESM gleichzeitig und
zügig treffen, und zwar ohne Euro-Bonds oder ähnliche
Maßnahmen, bei denen die Haftung verschwimmt und
sich niemand mehr verantwortlich fühlt.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718025500

Vielen Dank, Kollege Dr. Solms. – Nächster Redner

ist für die Fraktion Die Linke unser Kollege Richard
Pitterle. Bitte schön, Kollege Pitterle.


(Beifall bei der LINKEN)



Richard Pitterle (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718025600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die Koalition hat eine Aktuelle Stunde zum
Thema Euro-Bonds beantragt. Viele Menschen im Wahl-
kreis fragen mich: Worum geht es bei diesen Euro-
Bonds? Es geht darum, dass die Länder der Europäi-
schen Union gemeinsam Staatsanleihen ausgeben und
die Euro-Zone dadurch gegen Spekulationen stabilisiert
wird. Auch die schwachen Staaten könnten sich so zu
vernünftigen Zinsen finanzieren. Das finden wir gut.


(Beifall bei der LINKEN)


Aber die Koalition ist, wie wir gehört haben, dagegen.
Sie plustert sich wieder einmal auf und versucht, alle an-
deren in diesem Parlament als unverantwortliche Schul-
denmacher hinzustellen. Das wird Ihnen nicht gelingen,
weil dieser Versuch allzu durchsichtig ist. Wir haften ja
bereits über die Europäische Zentralbank, die in erhebli-
chem Umfang Staatsanleihen anderer Staaten aufgekauft
hat.

Was ist das Problem? Sie versuchen, Ihre Politik zu-
lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der
Rentnerinnen und Rentner, die Sie in Griechenland
durchgesetzt haben, auf ganz Europa zu übertragen. In-
zwischen erleben wir einen Abschwung in ganz Europa.
Es geht um Spanien, Italien, Frankreich, Holland und
Österreich. Die reine Sparpolitik ist gescheitert. Jeder
weiß: Wenn die Investitionen ausbleiben, dann stottert
die Wirtschaft und steigen – trotz des Sparens – die
Schulden. Die Menschen merken das. Die Ergebnisse
der Präsidentschaftswahl in Frankreich und der Parla-
mentswahlen in Griechenland waren eine Absage an die

radikale und ökonomisch dumme Sparpolitik der Mäch-
tigen in der EU.


(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Ich glaube, die Radikalen haben da gewonnen!)


In den Niederlanden ist daran die Regierung zerbrochen;
sie war bisher der wichtigste Verbündete der Bundes-
regierung. Die Knebelstrategie der Bundesregierung
wird inzwischen weltweit als Bedrohung wahrgenom-
men. Beim G-8-Gipfel am Wochenende stand die Bun-
desregierung wieder einmal isoliert da. Jeder Mensch
weiß doch, dass, wenn sich etwas fortbewegen soll, es
nicht ausreicht, auf die Bremse zu treten. Man muss auch
Gas geben können, und das kommt Ihnen nicht in den
Sinn.


(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Da seid ihr mit Lafontaine gerade gut dabei, mit Gasgeben!)


Die Währungsunion war ein Projekt der politischen
Eliten, unter anderem auch Ihres früheren Ehrenvorsit-
zenden Helmut Kohl.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Doktor!)


Jeder Mensch mit ökonomischem Sachverstand weiß in-
zwischen, dass die Währungsunion in der jetzigen Form
keine Zukunft hat. Jetzt kommt unter anderem aus
Bayern die Forderung, einzelne Staaten aus der Wäh-
rungsunion zu schmeißen. Die Währungsunion kann da-
ran zerbrechen, und dann stünden wir vor einem Scher-
benhaufen. Das kann nicht die Lösung sein.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie waren doch immer schon gegen den Euro!)


– Das stimmt gar nicht. Die PDS hat immer gesagt:
„Euro, so nicht!“


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und gegen den Vertrag von Lissabon waren Sie auch! – Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Die Spaltung Ihrer Partei ist schon längst vollzogen worden! Das haben Sie wohl gar nicht mitgekriegt!)


Stattdessen sollten wir die Währungsunion auf ein
neues Gleis setzen und dafür sorgen, dass die Staaten der
Währungsunion eine gemeinsame Wirtschafts- und So-
zialpolitik betreiben. Dann müssten wir auch zu einer
anderen Steuerpolitik kommen, etwa bei der Besteue-
rung von Unternehmen und von großen Vermögen, aber
endlich auch zu einer Finanztransaktionsteuer. Wir soll-
ten auch aufhören, andere Staaten durch Niedriglöhne
niederzukonkurrieren.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: Was für eine Lesung!)


Zur Wahrheit gehört, dass wir bei den Nettolöhnen einen
Rückgang um 4,5 Prozent zu verzeichnen hatten, was
mitursächlich für diese Krise war.





Richard Pitterle


(A) (C)



(D)(B)



(Joachim Spatz [FDP]: Ach! Das kann doch echt nicht sein!)


Wichtig sind aus unserer Sicht auch neue Instrumente
wie Euro-Bonds. Zu diskutieren ist dabei darüber, wer
die Bonds zu welchen Bedingungen bekommt, wie die
Zinsvorteile aufgeteilt werden und wie hoch die Haftung
ausfällt. Was aber nicht geht, ist, diese Debatte zu ver-
weigern und zuzulassen, dass Finanzinvestoren die Staa-
ten der Währungsunion gegeneinander ausspielen.


(Beifall bei der LINKEN – Joachim Spatz [FDP]: Aha! Und was willst du dagegen machen?)


Aus der jetzigen Situation kommen wir nur heraus, wenn
wir die Staaten der Währungsunion vor dem Zugriff der
Spekulanten und Hedgefonds abschirmen. Dafür brau-
chen wir entweder eine Form von Euro-Bonds oder Di-
rektkredite der Europäischen Zentralbank.


(Beifall bei der LINKEN)


Genau hier fehlt der Koalition aber jedes Verständnis für
pragmatische Politik.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Aha! Interessant!)


Wir hatten gestern in der Fraktion Besuch von Alexis
Tsipras vom SYRIZA-Bündnis in Griechenland. Er hat
es auf den Punkt gebracht: Es geht hier nicht um die
Auseinandersetzung zwischen der Bevölkerung unserer
Länder, sondern darum, dass die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer in allen Ländern Europas ein Interesse da-
ran haben, die Spekulanten in die Schranken zu weisen
und dafür zu sorgen, dass sie nicht selbst die Zeche für
die Krise auf dem Finanzmarkt zahlen müssen.

Noch ein Wort zur SPD. Wir begrüßen zwar, dass Sie
jetzt neue Forderungen aufstellen, nur haben Sie das der-
maßen ungeschickt und unentschlossen getan, dass es
wohl ausgeht wie das Hornberger Schießen.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Es wäre unhöflich, jetzt zu widersprechen!)


Vielen in Ihren Reihen muss ich unterstellen, dass sie in
Richtung Große Koalition schielen, statt dem Fiskalpakt
die Zustimmung zu verweigern.


(Joachim Poß [SPD]: Oh!)


So kann man nicht glaubwürdig Politik betreiben. Der
Fiskalpakt setzt nicht nur die Axt an die parlamentari-
sche Demokratie, sondern schnürt auch die Kommunen
im Hinblick auf ihre Investitionen ein und gefährdet die
Sozialversicherungssysteme. Deswegen lehnt die Linke
den Fiskalpakt ab.


(Beifall bei der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718025700

Vielen Dank, Kollege Pitterle. – Nächster Redner ist

für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege
Manuel Sarrazin. Bitte schön, Kollege Sarrazin.


Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718025800

Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol-

legen! Heute früh um Viertel nach acht ist meine Mit-
arbeiterin fast aus der Dusche gefallen,


(Heiterkeit – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Woher wissen Sie das denn? – Volker Kauder [CDU/CSU]: Oh! Waren Sie dabei?)


weil sie im Radio Herrn Brüderle hörte.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Hat der etwa mitgeduscht? – Weiterer Zuruf von der FDP: Im Radio oder in der Dusche?)


Auch sie kommt aus Rheinland-Pfalz; deswegen kann
sie dekodieren, was er sagt. Sie hörte ihn sagen – Zitat –:

Ich schließe auch nicht aus, wenn man den Fiskal-
pakt, also gleiche Regeln, wie man mit dem Haus-
halt umgeht, die Schuldenbremse umgesetzt hat,
wenn man eine stärkere Kohärenz von Zusammen-
wirken und Gleichklang in der europäischen Wirt-
schaftspolitik erreicht hat, dass am Schluss einer
Entwicklung so etwas

– wie Euro-Bonds –

stehen kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Da hier vom Hornberger Schießen geredet und Herr
Oettinger erwähnt wurde, muss ich Sie fragen: Kennen
Sie eigentlich Dr. Wolf Klinz? Dr. Wolf Klinz schreibt
auf seiner Homepage:

Meine praktische Berufserfahrung in der internatio-
nalen Wirtschaft hat mich mehr und mehr darin
bestärkt, dass sich die FDP rechtzeitig programma-
tisch der Probleme annimmt, die sich für unser
Land und Europa als wichtig und drängend ab-
zeichnen. Sie hat auch den Mut, Lösungen vorzu-
schlagen, die sachgerecht, aber nicht immer populär
sind. Damit überlässt sie es anderen, den Bürgern
Honig ums Maul zu schmieren.

Er ist dort auch auf einem Foto mit Dr. Guido
Westerwelle zu sehen. – Dr. Wolf Klinz hat vorletzten
Montag im Wirtschafts- und Währungsausschuss des
Europäischen Parlaments für den Antrag gestimmt, dass
die Kommission innerhalb eines Monats nach Inkrafttre-
ten des Two-Pack einen konkreten Pfad zur Einführung
von Euro-Bonds, von Stabilitätsbonds und eines Alt-
schuldentilgungsfonds vorlegt. Das sind vernünftige Li-
berale, meine Damen und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Herr Solms, ich kann ja nichts dafür, dass meine Ten-
denz, ob ich die Liberalen hier oder die Liberalen im
Europäischen Parlament besser finde, schon etwas mit
ihrer Klugheit zu tun hat und nicht nur davon abhängt,
wo sie auftreten. So einfach ist das bei uns.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)






Manuel Sarrazin


(A) (C)



(D)(B)


Kollege Schneider hat schon darauf hingewiesen,
dass Deutschland im Euro-Raum längst haftet: 1,1 Bil-
lionen Euro wurden an Banken gegeben, für 115 Milliar-
den Euro wurden Staatsanleihen aufgekauft. – Was ist ei-
gentlich der Hintergrund? Wo versagen Sie gerade? Sie
versündigen sich gerade am Erbe von Helmut Kohl und
merken es noch nicht einmal. Was wollten Helmut Kohl
und Theo Waigel damals in Maastricht? Damals stritten
die Deutschen noch für die politische Union und haben
– als Ersatz – den Stabilitäts- und Wachstumspakt be-
kommen. Es ist nicht so, dass die Opposition gegen
deutsche Interessen in der Europäischen Union arbeitet.


(Zuruf von der FDP: Doch!)


Wir wollen mit Euro-Bonds starke Regeln durchsetzen.
Wir wollen mit Euro-Bonds einen glaubwürdigen Schul-
denabbauplan vorlegen. Das ist der Unterschied zwi-
schen uns. Durch Ihre Blockadehaltung, nämlich jegli-
che Debatten zu diesem Thema auszuschließen, machen
Sie es letztlich unmöglich, dass das, was Helmut Kohl in
Maastricht leider nicht vorantreiben konnte, jetzt auf die
Agenda kommt. Das sollten Sie sich einmal hinter die
Ohren schreiben, Herr Solms.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – KlausPeter Willsch [CDU/CSU]: Sie sind mir ja ein komischer Nachlassverwalter!)


Ich möchte das Zinsargument noch einmal aufgreifen,
weil mich das besonders ärgert. Wir haben das Thema
Euro-Bonds zum ersten Mal im Herbst 2010 in einem
Antrag aufgegriffen. Es waren also nicht die Sozis; die
Grünen haben sich das zum ersten Mal getraut. Aber da
Herr Oettinger, Herr Rehn, Herr Juncker und Herr
Verhofstadt – alles Konservative und Liberale – auch da-
für sind, sind wir wahrscheinlich alle Sozis. Aus Ihrer
Sicht ist das dann eine Art Einheitspartei. Wir haben da-
bei immer gesagt: Preisstabilität und Vermeidung über-
mäßiger öffentlicher Defizite sind die Grundlage jedes
Euro-Bond-Konzepts, für das wir uns einsetzen. – Das
negieren Sie einfach. Sie reden hier von irgendwelchen
Konzepten, die Sie sich irgendwo – ich will jetzt nicht
sagen: unter der Dusche – ausdenken, und tun so, als
seien das unsere Konzepte. Beschäftigen Sie sich einmal
ernsthaft mit unseren Konzepten!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich gebe zu: Auch wir schreiben ab. Wir schreiben
zum Beispiel beim Sachverständigenrat der Bundes-
regierung ab, der in seinem Herbstgutachten vom
November 2011 die Auflegung eines Altschuldentil-
gungsfonds vorgeschlagen hat, ohne übrigens das Zins-
argument außer Kraft zu setzen, Herr Solms. Art. 125
AEUV würde bei Umsetzung des Vorschlags des Sach-
verständigenrats der Bundesregierung in Kraft gelassen.
Hören Sie auf, hier andere Sachen zu erzählen, die
schlichtweg nicht stimmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zu Ihrem Schattenboxen und Ihrer Schimäre könnte
man noch wahnsinnig viel sagen. Ich fürchte, das würde
der Präsident stoppen. Am Schluss möchte ich aber doch
noch eine Bemerkung machen. Wenn die Kanzlerin vor
dem informellen Abendessen heute Abend erklärt, die-
ses Thema stehe gar nicht zur Debatte, frage ich mich:
Welche Arroganz und welcher Stil von europäischer
Politik kommt eigentlich zum Vorschein, wenn zwei der
wichtigsten Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament,
der Chef der Euro-Gruppe, der Chef der liberalen Frak-
tion im Europäischen Parlament, Ihre eigenen
Wirtschaftsweisen und die Mehrheit der Wirtschaftsfor-
schungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten über The-
men sprechen, Sie hierüber eine Debatte anmelden und
die Kanzlerin dann sagt: „Heute Abend brauchen wir gar
nicht darüber zu reden; darauf habe ich gar keinen Bock;
ich will nur Abendessen gehen“? Entschuldigung, so
geht Europa nicht.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Michael Meister [CDU/ CSU]: Du solltest nicht so heiß duschen!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718025900

Vielen Dank, Kollege Sarrazin. – Nächster Redner für

die Fraktion der CDU/CSU ist unser Kollege
Dr. Michael Meister. Bitte schön, Kollege Dr. Michael
Meister.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Michael Meister (CDU):
Rede ID: ID1718026000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

fand die Rede von Herrn Sarrazin im Verhältnis zu der
Rede von Herrn Schneider erfrischend. Herr Sarrazin hat
sich hier eindeutig und klar bekannt: Er will Euro-
Bonds. Herr Schneider hat in seiner Rede alles getan, um
die Position der SPD-Fraktion zu verschleiern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Wie immer!)


Ich will einmal darauf hinweisen, dass es am 15. Dezem-
ber 2010 einen Gastbeitrag des ehemaligen Bundes-
finanzministers Peer Steinbrück und des Fraktionsvor-
sitzenden der SPD, Frank-Walter Steinmeier, in der
Financial Times gab, in dem sich beide für Euro-Bonds
ausgesprochen haben.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!)


Ich halte es deshalb für richtig, dass wir über die Frage,
ob wir Euro-Bonds wollen oder nicht, auch einmal hier
im Parlament diskutieren und nicht nur in Medien.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie lange war das noch mal her?)


Was ist eigentlich unser Problem in Europa? Wir ha-
ben auf der einen Seite Volkswirtschaften, die nicht
wettbewerbsfähig sind. Wir haben auf der anderen Seite
Haushalte, die total überschuldet sind. Das sind die Ur-
sachen. Meine Frage ist: Wie hilft ein Euro-Bond, an





Dr. Michael Meister


(A) (C)



(D)(B)


diesen beiden Ursachen etwas zu ändern? Der Euro-
Bond hilft überhaupt nicht, die eigentlichen Probleme zu
lösen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das wäre ein Schmerzmittel, das die Schmerzen etwas
linderte, aber die Probleme nicht löst; nebenbei nähmen
die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und die Überschul-
dung zu. Das heißt, wenn wir dieses Schmerzmittel näh-
men, bekämen wir noch größere Probleme. Das wollen
wir nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Thomas Oppermann [SPD]: Ihr lauft doch ständig in größere Probleme hinein! Die Probleme werden doch nicht kleiner!)


Lieber Herr Sarrazin, ja, die Väter des Euro haben ge-
sagt: Wir wollen eine gemeinsame Währung. Sie haben
aber gleichzeitig deutlich gesagt: Wir wollen keine ge-
meinsame Haftung. Das steht in den internationalen Ver-
einbarungen,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


und genau daran werden wir uns halten. Wir haften für
das, was wir tun, weil wir es entscheiden; jeder, der
anderes entscheidet, muss für seine Entscheidungen ein-
stehen und haften. Deshalb sagen wir an dieser Stelle:
Teilhaftungsgemeinschaft, aber keine Gesamthaftungs-
gemeinschaft.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wir haften schon für unsere Einlagen bei der EZB, oder?)


Hier wird ja auch über Solidarität gesprochen. Ich
möchte einmal fragen: Bedeutet Solidarität eigentlich,
dass, wenn wir Euro-Bonds einfordern – was ja höhere
Zinsen für uns und etwas niedrigere Zinsen für andere
zur Folge hat –, in anderen Ländern Konsum gelebt
wird, den der deutsche Steuerzahler, der Rentner, der Ar-
beitnehmer, der Sparer, bezahlen muss? Ist das Solidari-
tät? Aus meiner Sicht nicht!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie doch Herrn Brüderle!)


Das führte nämlich dazu, dass der deutsche Bürger, der
kleine Mann, dazu verpflichtet wird, sozialistische Träu-
mereien in anderen Ländern zu bezahlen, und das kann
nicht sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das wahre Gesicht!)


Herr Schneider hat zu Recht darauf hingewiesen, dass
die Rechtslagen in Deutschland und Europa Euro-Bonds
gegenwärtig nicht hergeben.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Falsch!)


Das ist richtig, und das ist auch gut so.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Falsch!)


Das hat nämlich etwas mit funktionierender Demokratie
zu tun. Solange die Menschen in Deutschland überhaupt
nicht abstimmen können in der Frage, was mit dem Geld
in Europa geschieht, und solange sie keine Chance ha-
ben, über den Deutschen Bundestag oder ein anderes
Parlament Einfluss darauf zu nehmen,


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben ja keine Ahnung, Herr Meister!)


so lange kann ich ihnen auch nicht zumuten, dass andere
mit ihrem Geld irgendwelche Ausgaben tätigen. Ent-
scheidung und Verantwortung gehören zusammen; des-
halb sind die Rechtslage in Europa und die Rechtslage
nach dem Grundgesetz sehr gut. Wir freuen uns darüber,
dass dies das Bundesverfassungsgericht eindeutig bestä-
tigt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie auch mal was zu dem, was die EZB macht!)


Ich glaube, in dieser Debatte wäre es aktuell viel bes-
ser, nicht verantwortungslosem Umgang mit deutschem
Geld das Wort zu reden, sondern über die notwendige
Verantwortung zu sprechen. Die notwendige Verantwor-
tung ist, dass wir uns gemeinsam zu Fiskaldisziplin ver-
pflichten.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Jawohl!)


Das haben wir in Deutschland mit der Verankerung der
Schuldenbremse im Grundgesetz gemeinschaftlich ge-
tan. Jetzt steht die verantwortliche Entscheidung an, den
Fiskalpakt zu ratifizieren. Jeder, der an einer gemeinsa-
men Zukunft in Europa interessiert ist, sollte jetzt seinen
konstruktiven Beitrag dazu leisten, den Fiskalpakt um-
zusetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wer ein Interesse daran hat, dass dieses Europa funk-
tioniert, und wer von Solidarität spricht, der sollte auf
dem Fundament des Fiskalpakts auch zum ESM Ja sa-
gen. Das ist die nächste Aufgabe, die ansteht, wenn die-
ses Europa funktionieren soll. Deshalb ist meine Bitte an
Sie: Sagen Sie Ja zu dem, was auf der Agenda steht, und
fordern Sie nicht Dinge, die in die falsche Richtung füh-
ren.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das würden wir nie tun!)


Ein letztes Argument war die Isolation. Kann es denn
sein, dass etwas Falsches dadurch, dass es viele wollen,
plötzlich richtig wird? Ich bin der Meinung, wenn etwas
falsch ist, dann ist es falsch. Das muss man dann auch
sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Demokratie entscheidet aber schon die Mehrheit!)






Dr. Michael Meister


(A) (C)



(D)(B)


– Ja, es entscheidet die Mehrheit. Deshalb habe ich auch
öffentlich den Vorschlag gemacht, niemanden in Europa
daran zu hindern, Euro-Bonds einzuführen.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Eben!)


Wenn die Franzosen, die Italiener und andere sagen:
„Wir wollen gemeinsame Anleihen ausgeben“, dann
dürfen sie das gerne tun. Wir werden sie nicht daran hin-
dern.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen also nicht mehr mitmachen bei Europa?)


Ich bin sehr auf das Ergebnis einer solchen Unterneh-
mung gespannt.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718026100

Vielen Dank, Kollege Dr. Meister. – Nächste Redne-

rin in unserer Aktuellen Stunde ist für die Sozialdemo-
kraten unsere Kollegin Nicolette Kressl. Bitte schön,
Frau Kollegin Kressl.


(Beifall bei der SPD)



Nicolette Kressl (SPD):
Rede ID: ID1718026200

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Herr Meister, Sie haben gerade von der Ver-
antwortung für Europa gesprochen. Ich finde, wer Ver-
antwortung für Europa übernehmen will, hat hier nicht,
innenpolitisch motiviert, mit Nebelkerzen zu werfen,
sondern hat sich gefälligst mit den besten Möglichkei-
ten, wie wir die Euro-Zone stabilisieren, zu befassen.
Das tun Sie hier nicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Hellen Sie den Nebel auf, und sagen Sie, wofür Sie sind!)


Ich will mit einem oft wiederholten Zitat des „Sozia-
listen“ Oettinger beginnen, Herr Meister, der gestern ge-
sagt hat:

Euro-Bonds sind eine Frage des Timings. Ich rate
allen Beteiligten, sich nicht grundsätzlich dagegen
zu positionieren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


So viel dazu, eine Debatte darüber seien sozialistische
Blütenträume. Ich könnte noch weitere Zitate bringen.

Auch der Titel dieser Aktuellen Stunde steht für das
Werfen von Nebelkerzen. Herr Solms hat eben vom Un-
geheuer von Loch Ness gesprochen, das es nicht gibt.
Ich habe den Eindruck: Weil Sie innenpolitisch so viele
Schwierigkeiten haben, haben Sie sich gedacht: „Suchen
wir einmal das Ungeheuer im Teich“ und haben es mit
diesem Thema gefunden. Das ist doch die Linie, die Sie
in dieser Aktuellen Stunde vertreten.


(Beifall bei der SPD)


Um es klar zu sagen: Es gibt keinen Ruf der SPD
nach völlig unkonditionierten Euro-Bonds und auch
nicht nach Euro-Bonds im Moment.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Sie konditionieren ja schon wieder!)


– Ich finde, Sie sind reichlich nervös. Das beweist, dass
Sie mit dieser Aktuellen Stunde nichts anderes wollen,
als von Ihren innenpolitischen Verdrehungen abzulen-
ken.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie es mich klar und deutlich sagen: Es ist
richtig; es gibt äußerst enge verfassungsrechtliche Ein-
schränkungen in der Frage der gemeinsamen Haftung.
Diese gibt es auch im Europarecht. Ich finde, das ist in
Ordnung. Was nicht in Ordnung ist, ist die Weigerung,
sich gemeinsam Gedanken über bestmögliche Lösungen
zu machen, wie wir die Euro-Zone stabilisieren können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Beweis dafür, dass Sie sich hier verweigern, ist, dass
Sie die Vorschläge Ihres eigenen Sachverständigenrats
ohne argumentative Debatte einfach zur Seite geschoben
haben. Als führende Wirtschaftsnation in Europa sollten
wir Verantwortung übernehmen und Leitideen auf den
Weg bringen, anstatt sachlich gute Argumente, innen-
politisch motiviert, beiseitezuschieben. Das hat Europa
nicht verdient.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Womit Sie aufhören sollten, ist diese plumpe Ableh-
nungslinie, völlig verschweigend, dass bereits eine Ge-
meinschaftshaftung über den Ankauf von Staatsanleihen
existiert, und zwar in einer Form, die es nicht einmal zu-
lässt, über politische Konditionen zu reden. Das ist doch
das Problem.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das entsteht, wenn man nicht bereit ist, sich fachlich mit
Argumenten auseinanderzusetzen.

Wir haben es schon mehrfach gehört, aber es ist völlig
klar: Diese Aktuelle Stunde ist ein Ablenkungsmanöver.
Allerdings hat das Thema dieser Aktuellen Stunde einen
kleinen Vorteil:


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sind Sie für oder gegen Euro-Bonds?)


Ich kann mich auf diese Art und Weise verabschieden;
denn dies wird meine letzte Rede im Bundestag sein. Bei
allem Streit bedanke ich mich für die meistens gute Zu-
sammenarbeit, die wir im finanzpolitischen Bereich im
Bundestag hatten. Ich wünsche Ihnen für die Zukunft al-
les Gute. Sie können sicher sein: Auch aus Baden-Würt-
temberg werde ich immer schauen, was der Finanzaus-
schuss so auf den Weg bringt.

Vielen Dank.





Nicolette Kressl


(A) (C)



(D)(B)



(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP und der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718026300

Vielen Dank, Frau Kollegin Nicolette Kressl. Auch

wir wünschen Ihnen alles erdenklich Gute für die Zu-
kunft. So, wie Sie zu uns in den Bundestag schauen,
werden wir natürlich auch zu Ihnen und Ihrer neuen Auf-
gabe in Baden-Württemberg schauen. Wir wünschen Ih-
nen alles Gute. Vielen Dank für die gute Zusammenar-
beit und im Namen des ganzen Hauses alles Gute und
viel Erfolg bei der Arbeit für unser Land.


(Beifall)


Nächster Redner für die Fraktion der FDP ist unser
Kollege Marco Buschmann. Bitte schön, Kollege
Buschmann.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Marco Buschmann (FDP):
Rede ID: ID1718026400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Frau Kollegin Kressl, auch ich wünsche Ihnen
eine glückliche Hand und viel Erfolg bei der neuen Auf-
gabe. Wenn man neue Aufgaben wahrnimmt, muss man
viel dazulernen.

Ich habe in dieser Aktuellen Stunde schon jetzt viel
dazugelernt. Dafür hat sie sich gelohnt. Ich habe nämlich
gelernt, dass sich die Grünen mit Stolz brüsten, die geis-
tigen Urheber – ich könnte auch sagen: die geistigen
Brandstifter – beim Euro-Bonds-Thema zu sein. Wer
Euro-Bonds möchte, muss also Grün wählen.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wissen Sie was? Das übersetzen wir Ihrem Fraktionsvorsitzenden im EP! Das kriegt der Kollege Verhofstadt vorgelegt!)


Ich habe auch etwas Bemerkenswertes über die Hal-
tung der SPD-Fraktion gelernt. Der Kollege Carsten
Schneider hat vorhin sehr schneidig und richtig gesagt:
Mit unserer Verfassung ist das Konzept der Euro-Bonds
nicht zu machen. Ich bin jetzt aber ein Stück weit ver-
wirrt, weil die Kollegin Kressl genau diesen klaren und
eindeutigen Satz sofort wieder aufgebohrt und gesagt
hat: Vielleicht geht es jetzt aber doch. Wie immer in der
Europapolitik der SPD gilt: Ob linksrum oder rechtsrum –
man weiß nicht recht, wohin Sie gehen. So werden wir
garantiert kein Vertrauen in Deutschland und die Euro-
Zone zurückgewinnen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber dem Kollegen Schneider glaube ich, weil er
wahrscheinlich die bessere Einsicht gegenüber den Grü-
nen hat. Ich glaube dem Kollegen Schneider, dass er ge-
gen Euro-Bonds ist. Ich glaube, dass der Kollege
Schneider verstanden hat, dass derjenige, der die Pro-
bleme, die sich aufgetürmt haben, mit Euro-Bonds be-
kämpfen will, auch mit Benzin Feuer löschen würde. Ich

glaube, dass der Kollege Schneider das mittlerweile ver-
standen hat.

Ich glaube auch, dass die Sozialdemokratie dieses
Problem verstehen wird. Der Kollege Solms hat auf den
Zinseffekt hingewiesen. Was bedeutet der Zinseffekt für
die Kernbereiche sozialdemokratischer Politik? Der
Zinseffekt wird bedeuten, dass die Zinsbelastung für
Deutschland steigt. Wer dann trotzdem die Schulden-
bremse unseres Grundgesetzes einhalten will – das kann
man auf zweierlei Weise tun –, der muss entweder noch
mehr sparen, als wir das tun,


(Thomas Oppermann [SPD]: Ihr seid doch schuld! Ihr verdoppelt die Nettokreditaufnahme! – Joachim Poß [SPD]: Ihr erhöht die Schulden in diesem Jahr!)


oder jegliches Wachstum durch zusätzliche Steuern ab-
würgen. Spätestens dann haben Sie Einnahmeausfälle
und einen Spardruck auf den größten Einzeletat, nämlich
den Sozialetat. Wie wollen Sie die Schuldenbremse des
Grundgesetzes einhalten, wenn Sie die Zinslasten syste-
matisch erhöhen, ohne an den Sozialetat heranzugehen?
Ich warne Neugierige in den Reihen der SPD: Wie wol-
len Sie Ihre Kernmarke bewahren und sozialdemokrati-
sche Politik machen?


(Nicolette Kressl [SPD]: Aber Steuersenkungen könnt ihr schon machen?)


Deshalb glaube ich Ihnen, dass es immer mehr Zweifler
gibt. Deshalb glaube ich dem Kollegen Schneider, dass
er mittlerweile gegen Euro-Bonds ist. Sie haben es näm-
lich verstanden.

Auch die Grünen werden es noch verstehen. Sie ha-
ben nämlich viele kluge Kommunalpolitiker in Ihrer Par-
tei. Ihre klugen Kommunalpolitiker wissen mittlerweile,
dass dieser Zinseffekt nicht nur den Bund treffen wird,
sondern auch die Kommunen.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal was zur Krise! – Thomas Oppermann [SPD]: Gibt es denn auch kluge FDPler?)


Reden Sie mit Ihren Kommunalpolitikern im Ruhrgebiet
und in Ostdeutschland darüber, wie dort Haushalte ge-
macht werden sollen, wenn sich das Zinsniveau um
2 oder 3 Prozentpunkte erhöht! So kann man keine Poli-
tik mehr machen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Europa bricht auseinander, und Sie erzählen hier einen vom Pferd!)


Letztendlich bin ich auch ein Stück weit entsetzt, dass
Sie sich trotz der Entscheidung des Bundesverfassungs-
gerichts, die der Kollege Schneider völlig korrekt wie-
dergegeben hat, damit brüsten, das Bundesverfassungs-
gericht Lügen strafen zu wollen. Ich zitiere in Auszügen
aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vom 7. September 2011:

Es ist insoweit auch dem Bundestag als Gesetzge-
ber verwehrt, dauerhafte völkervertragsrechtliche





Marco Buschmann


(A) (C)



(D)(B)


Mechanismen zu etablieren, die auf eine Haftungs-
übernahme für Willensentscheidungen anderer Staa-
ten hinauslaufen, vor allem wenn sie mit schwer
kalkulierbaren Folgewirkungen verbunden sind.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damit ist dann ESM gemeint!)


Wenn Sie die Entscheidung über die Schuldenlasten des
deutschen Steuerzahlers den Trägern fremder hoheitli-
cher Gewalt überlassen wollen, wenn Sie die Frage, wo-
für der deutsche Steuerzahler haftet, den Parlamenten
Spaniens, Italiens, Griechenlands oder wem auch immer
überlassen wollen, dann verstoßen Sie gegen dieses
Prinzip und dann verstoßen Sie auch gegen die Rechte
des Deutschen Bundestages. Ich würde, wenn ich eine
solche Position für richtig hielte, im Deutschen Bundes-
tag die Backen nicht so weit aufblasen, stolz darauf zu
sein, das Bundesverfassungsgericht Lügen strafen zu
wollen. Das ist jedenfalls meine Auffassung von Rechts-
staatlichkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718026500

Vielen Dank, Kollege Buschmann. – Nächster Redner

in unserer Aktuellen Stunde ist für die Bundesregierung
der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Kampeter.
Bitte schön.

S
Steffen Kampeter (CDU):
Rede ID: ID1718026600


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Europa muss
in diesen Monaten seine Hausaufgaben umfassend
machen. Ein umfassender Ansatz, wie ihn die Bundesre-
gierung gegenüber unseren europäischen Partnern
vertritt, muss zuallererst auf nationaler Verantwortung,
nationaler Politik und nationalen Mehrheiten beruhen.
Unser europapolitischer Ansatz ist umfassend, weil er in
den Mittelpunkt mehrere Politikfelder stellt, die nicht
gegeneinander ausgespielt werden können, sondern im
Zusammenhang betrachtet werden.

Das erste Politikfeld ist die Haushaltskonsolidierung.
Es verwundert mich schon, dass aufseiten der Sozial-
demokratie sehr viel über neue Finanzierungsformen
nachgedacht wird, aber weniger über die Senkung von
Ausgaben und die Reduzierung von Defiziten. Im Kern
der europapolitischen Debatte geht es darum, dass wir
Fiskaldisziplin in allen Mitgliedstaaten der Europäischen
Union wollen. Deswegen ist es ein gutes Signal, dass
25 von 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union den
Fiskalpakt unterzeichnet haben. Alle, die für Fiskaldiszi-
plin hier in Deutschland sind, sollten für eine rasche
Ratifikation des Fiskalpakts im Bundestag und im Bun-
desrat sorgen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das zweite Politikfeld ist die Steigerung der Wett-
bewerbsfähigkeit, und das nicht erst seit wenigen Tagen.
Wir Deutsche haben ganz gute Erfahrungen damit
gemacht. Das ist ein Teil der Politik, an den sich die So-
zialdemokraten in diesem Haus nur ungern erinnern.

Dass Deutschland, das einst als kranker Mann Europas
bezeichnet wurde, nun ein Jobwunder erlebt, hat etwas
damit zu tun, dass die Tarifvertragsparteien und die
deutsche Politik – Regierung und Opposition in weiten
Teilen gemeinsam – unter dem Oberbegriff Agenda 2010
die nationalen Hausaufgaben erledigt haben. Unsere
Aufforderung ist, dass auch die Staaten, die an einem
Mangel an Wettbewerbsfähigkeit leiden, in nationaler
Verantwortung Wettbewerbsstrategien entwickeln. Wir
werden in den nächsten Jahren davon profitieren. Wir
sind aber noch nicht am Reformende. Der zweite Politik-
bereich ist also eine nationale Strategie zur Steigerung
der Wettbewerbsfähigkeit in allen Staaten Europas. Dazu
rufen wir auf. Das ist unser politischer Beitrag zur euro-
päischen Integration.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Schließlich geht es um die Stabilisierung der Finanz-
märkte. Wir haben darüber oft geredet. Ein Kernelement
ist, dass wir Solidarität und Solidität miteinander in Ver-
bindung bringen müssen. Die Bundesregierung steht zu
einer solidarischen Absicherung von Risiken nicht nur
im Inland, sondern auch im europäischen Kontext. Wir
sind diejenigen, die den Steuerzahlerinnen und Steuer-
zahlern beispielsweise sagen: Wir haben gute Gründe,
Solidarität mit Griechenland zu zeigen. Aber diese Soli-
darität bedarf einer Verhaltensänderung. – Solidarität be-
darf Solidität. Beides muss zusammen gesehen werden.
Das Konzept, über das wir heute unter dem Stichwort
Euro-Bonds diskutieren, berücksichtigt nicht, dass eine
gemeinschaftliche Haftung einen Fehlanreiz gibt, und
führt nicht zu einer Politikänderung bei denjenigen, die
von Euro-Bonds profitieren. Wer meint, niedrige Zinsen
ohne Auflagen führten zu einer Änderung der Politik,
der hat aus der Entwicklung in Griechenland in den letz-
ten zehn Jahren überhaupt nichts gelernt. Zuerst Verhal-
tensänderung, dann Solidarität, das ist die klare Position
der Bundesregierung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich habe mit Interesse gehört, dass der Kollege
Schneider erklärt hat, niemand in der SPD sei für Euro-
Bonds. Das muss aber dann eine andere sozialdemokra-
tische Partei sein als die, auf deren Homepage ich heute
war. Unter der Überschrift „Direktkommunikation“ gibt
es die Rubrik „Häufig gestellte Fragen zu Eurobonds
und zu Rechtsextremismus“. Was das miteinander zu tun
hat, will ich hier nicht weiter erörtern.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)


Auf die Frage „Warum ist die SPD für Eurobonds?“ wird
die Antwort gegeben.

Wir Sozialdemokraten sind der Überzeugung: Das
„ewige Retten“ von finanziell unter Druck gerate-
nen Staaten durch immer neue … Rettungspakete
darf so nicht weitergehen. … Eurobonds könnten
diese Abwärtsspirale beenden. Die Grundidee …
ist, dass alle Euro-Staaten gemeinsame Staatsanlei-
hen herausgeben und damit Euro-Staaten mit gro-
ßen Finanzierungsproblemen eine Refinanzierung
zu günstigeren Zinsen ermöglichen, weil alle Staa-
ten gemeinsam für die Anleihen bürgen.





Parl. Staatssekretär Steffen Kampeter


(A) (C)



(D)(B)


Es ist schon interessant: Wir glauben dem Kollegen
Schneider, dass er diesen Unsinn nicht will. Aber dann
soll er bitte auf der Homepage seiner Partei der deut-
schen Bevölkerung nicht das Gegenteil von dem erklä-
ren, was er als Hauptredner der SPD in dieser Debatte
für die SPD-Bundestagsfraktion erklärt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich will an dieser Stelle nicht verschweigen, dass es in
der Fraktionssitzung der SPD in dieser Woche offen-
sichtlich dazu eine Debatte zwischen Herrn Müntefering
und Herrn Gabriel gegeben hat. Herr Oppermann, Sie
haben sich, wie ich lese, nicht nur die Krawatte gespart,
sondern Sie haben sich auch eine eigene Meinung be-
wahrt, nämlich die, dass Sie gegen Euro-Bonds-Pläne
der SPD sind. Nur: Wer mit so viel Verve die französi-
schen Sozialisten unterstützt, die – so ist deren Wahrneh-
mung in Europa – die Welt mit Euro-Bonds verändern
wollen, die weniger sparen und die an Verhaltensände-
rungen anderer Staaten, beispielsweise Griechenlands,
nicht mehr so aktiv mitwirken wollen, wie es nach unse-
rer Auffassung notwendig erscheint, der sollte den Deut-
schen auch sagen, dass das eine Rechnung zulasten der
Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ist. Wenn Sie das
wollen, dann sprechen Sie es klar und deutlich aus, so
wie Herr Sarrazin es hier gemacht hat. Aber flüchten Sie
nicht vor den Konsequenzen der Politik, die Sie auf Ihrer
Homepage und in Ihrer Fraktion hoffentlich intensiv
weiter diskutieren werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Bundesregierung freut sich, dass es auch in der
SPD-Fraktion einige wenige gibt, die darauf hinweisen,
dass man sich an das Grundgesetz halten muss, auch
wenn sozialistische Parteitage in Europa anderer Auffas-
sung waren.


(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der gemeinschaftlichen Übernahme von Schulden sind
nicht nur nach dem EU-Vertrag, sondern auch nach den
letzten Verfassungsgerichtsurteilen – ich empfehle die
sorgfältige Lektüre – enge Grenzen gesetzt, die eine ge-
meinschaftliche Haftung durch Euro-Bonds ausschlie-
ßen. Wenn der Kollege Schneider sagt, dann wolle er die
Verfassung ändern, dann müssen wir klarstellen, dass die
SPD zwar sagt, sie sei nicht für Euro-Bonds, aber sie sei
für eine Verfassungsänderung ist, die die gemeinschaft-
liche Schuldenübernahme zulasten des deutschen Steu-
erzahlers ohne Verhaltensänderung anderer Staaten mög-
lich macht.


(Thomas Oppermann [SPD]: Wie kommen Sie denn darauf?)


Wer gegen den Fiskalpakt ist, aber gleichzeitig das
Grundgesetz ändern möchte, sodass eine gemeinschaft-
liche Verschuldung möglich ist, wie Herr Kollege
Schneider hier angekündigt hat, hat nicht nur die euro-
päischen Interessen unscharf im Blick, sondern er hat
auch die nationalen Interessen der Steuerzahlerinnen und
Steuerzahler in der Bundesrepublik Deutschland offen-
sichtlich vergessen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben im Augenblick eine schwierige Situation
in Europa. Ich finde, wir müssen jetzt aufpassen, dass
wir denjenigen, denen wir vieles abverlangen, beispiels-
weise den Griechen, jetzt nicht den Eindruck vermitteln,
als würde Deutschland in dieser Debatte wieder auf den
einfachen Weg zurückkehren. Staatsverschuldung ist
nichts anderes als die geronnene politische Mutlosigkeit,
in einem Land der Bevölkerung die notwendigen Politik-
wechsel zu erklären. Staatsverschuldung ist eine üble
Last für die nachfolgende Generation. Wir müssen
selbstkritisch über alle Fraktionsgrenzen hinweg sagen:
Wir haben in den vergangenen Jahren gesündigt. Jetzt
hat uns diese Krise eindrücklich vor Augen geführt, wel-
che negativen Auswirkungen diese Politik hat, wenn das
Vertrauen flöten geht, wenn ungeordnete Prozesse Poli-
tik und Parlament in eine Richtung drängen, in die sie
sich ungern drängen lassen.

Deswegen stehen wir jetzt an einer Weggabelung. Wir
haben mit dem Fiskalvertrag die Chance, nicht nur in
Deutschland die Schuldenbremse umzusetzen, sondern
auch international Standards zu setzen. Dies ist die
Grundvoraussetzung dafür, dass wir den Europäischen
Stabilitätsmechanismus auch gegenüber den Steuerzah-
lerinnen und Steuerzahlern tatsächlich begründen. Bei-
des gehört zusammen. Wer wie die deutschen Sozialde-
mokraten hier auf Zeit spielt, wer eine Taktik zum
Maßstab der Europapolitik macht, der versagt nicht nur
vor der Herausforderung der Europapolitik, sondern
auch gegenüber den nachfolgenden Generationen. Des-
wegen werbe ich für die Unterstützung der Politik der
Bundesregierung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718026700

Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für
die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Klaus
Hagemann. Bitte schön, Kollege Klaus Hagemann.


(Beifall bei der SPD)



Klaus Hagemann (SPD):
Rede ID: ID1718026800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Herr Kollege Kampeter, Sie finden als Regie-
rungsmitglied starke Worte. Ich sehe mir aber Ihre Taten
zum Thema Nachtragshaushalt an, über den wir in weni-
gen Minuten im Haushaltsausschuss beraten.


(Otto Fricke [FDP]: Ihr habt ihn doch gerade verhindert! Den habt ihr doch gerade gestoppt!)


Lieber Kollege Kampeter, die Nettokreditaufnahme und
die Neuverschuldung werden auf mehr als 35 Milliarden
Euro verdoppelt, obwohl wir die höchsten Steuereinnah-
men haben, die wir in dieser Republik je gehabt haben.


(Beifall bei der SPD – Norbert Barthle [CDU/ CSU]: Woher wissen Sie das?)


Das ist der erste Punkt.





Klaus Hagemann


(A) (C)



(D)(B)


Ein zweiter Punkt: Der Kollege Schneider hat nicht
gefordert, das Grundgesetz zu ändern, sondern er hat ge-
sagt: Wenn man Bonds einführen will, dann müsste man
das Grundgesetz ändern. Das ist ein großer sprachlicher
Unterschied. Darauf hat beispielsweise auch der Präsi-
dent des Bundesverfassungsgerichts, Herr Professor
Voßkuhle, hingewiesen.

Ich habe bei dieser Debatte gut zugehört. Es scheint
mir, dass sie so notwendig ist wie ein Kropf, denn es
ging nur darum, hier einen Popanz aufzublasen, um von
Schwierigkeiten in der Europapolitik abzulenken oder,
wie ich mir auch vorstellen kann, Herr Buschmann und
Herr Kampeter, von den Problemen, die Sie in der ver-
gangenen Woche in NRW hatten.

Das Thema der Debatte lautet: Euro-Bonds-Pläne der
SPD. – Dazu ist aber wenig gesagt worden. Ich frage
Sie: Welche Bonds meinen Sie? Meinen Sie die Merkel-
Bonds, über die diskutiert wird? Meinen Sie die Bonds,
die der Präsident der Kommission, Herr Barroso, der
EVP-Mitglied ist, vorschlägt? Meinen Sie die Bonds, die
Herr Rehn als Kommissionsmitglied vorschlägt? Auch
er schlägt Euro-Bonds vor. Oder meinen Sie die Vor-
schläge von Jean-Claude Juncker, der auch ein christ-
lich-demokratischer Politiker ist? Meinen Sie diese
Bonds? Ich habe von Ihnen nichts dahin gehend gelernt,
welche Bonds Sie meinen.


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Vielleicht sagen Sie, was Sie meinen!)


Es wurde vom Kollegen Schneider auch auf die Ent-
scheidung des Europäischen Parlaments hingewiesen.
Dort wurde mit den Stimmen der Union und der Libera-
len gefordert, Euro-Bonds einzuführen. Das wurde im
Januar so beschlossen. Es gibt viele andere Vorschläge,
die in diese Richtung gehen.

Ein weiterer Punkt ist in der Debatte nicht klar gewor-
den: Meinen Sie vielleicht Projekt-Bonds, über die man
jetzt zur Finanzierung größerer europäischer Investitio-
nen diskutiert? Dazu haben Sie nichts gesagt. Der
Kommissar Hahn aus Österreich hat in diesem Zusam-
menhang interessante Vorschläge zur Regionalpolitik
gemacht. Es kam kein Wort von Ihnen darüber, wie man
mit mehr Geld aus Europa, mit umgewidmetem Geld aus
dem Europahaushalt, dringend notwendige Projekte
finanziert, um Wachstum zu generieren und Arbeits-
plätze zu sichern. Dazu haben Sie nichts gesagt. Sie ha-
ben auch nichts darüber gesagt, dass man dies über die
Europäische Investitionsbank finanziert. Sie haben dazu
nichts gesagt, Sie haben sich nur aufgeregt.


(Beifall bei der SPD)


Herr Hahn hat darauf hingewiesen, die EU-Kommis-
sion habe bereits eine Liste mit 190 Projekten für Grie-
chenland erstellt und man habe einige davon bereits um-
gesetzt oder eingeleitet. Man holt 11 Milliarden Euro
heraus, um Maßnahmen in Griechenland zu finanzieren.
Zu all dem haben Sie nichts gesagt.

Wir sollten eher über die angeblichen Pläne der SPD
zu Euro-Bonds reden. Wir sollten beispielsweise über
das Gutachten der OECD reden. Gestern war zu lesen:

Die OECD warnt vor einer schweren Rezession. Wo sind
Ihre Konzepte, die Sie hierzu vorlegen wollen? Der frü-
here Chefökonom Stark sagt in einem Interview mit der
Welt, schon seit Frühjahr 2010 habe man hier falsche
Entscheidungen getroffen. Das hat Herr Stark gesagt; ein
Mann, der Ihnen sicherlich nähersteht als mir. Auch das
Institut der deutschen Wirtschaft hat deutlich gemacht:
Wenn die Länder zu hohe Einsparungen in kurzer Zeit
stemmen müssen, bricht in wirtschaftlich schwierigen
Zeiten die Konjunktur ein. – Das ist richtig, das können
wir in Spanien und in Griechenland beobachten.

Meine Damen und Herren, wir sollten uns mit der
Frage der Jugendarbeitslosigkeit näher beschäftigen und
sie ernster nehmen; ich meine nicht die in unserem Land,
obwohl wir auch sie im Blick haben sollten. Das wurde
in der Diskussion im Haushaltsausschuss mit Herrn
Weise von der Bundesagentur für Arbeit deutlich. In vie-
len Ländern gibt es eine galoppierende Jugendarbeits-
losigkeit von 40, 50 oder 60 Prozent, und zwar nicht nur
in Spanien, Griechenland oder Italien, sondern auch in
der Slowakei. Wie ich gestern Abend gelernt habe, ist
die Jugendarbeitslosigkeit auch in Luxemburg hoch:
18 Prozent. Viele junge Menschen in Europa werden in
die Arbeitslosigkeit entlassen. Kann das unser Ziel sein?


(Beifall bei der SPD)

Bieten wir ihnen eine Zukunft? Nein! Gewinnen wir so
junge Menschen für die Idee Europas? Nein!

Der letzte Punkt, den ich noch ansprechen will: Im Ja-
nuar 2012 hat die Bundesregierung auf europäischer
Ebene, Kollege Kampeter, einen „Pakt für mehr Be-
schäftigung und Wirtschaftswachstum“ beschlossen. Im
März habe ich mir einmal erlaubt, die mündliche An-
frage zu stellen, was vorgesehen sei und was umgesetzt
werden soll. Die Antwort lautete – ich zitiere –:

Der Bundesregierung liegen hierzu noch keine In-
formationen vor.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Das war die Antwort auf eine Frage zum Thema Pakt für
mehr Beschäftigung und Wirtschaftswachstum.

Das können wir so nicht hinnehmen. Wir sollten das
achten, was der aus der Parteifamilie der Liberalen stam-
mende britische Politiker Nick Clegg in einem Spiegel-
Interview, das in dieser Woche erschienen ist, gesagt hat
– ich darf das abschließend zitieren –:

Wirtschaftliche Unsicherheit und politische Läh-
mung, das lehrt die Geschichte unseres Kontinents,
sind der ideale Nährboden für Extremismus und
Fremdenhass.

Recht hat Herr Nick Clegg. Hier muss gehandelt wer-
den, und es dürfen keine Scheindebatten geführt werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718026900

Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für

die Fraktion der FDP unser Kollege Joachim Spatz.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)






Vizepräsident Eduard Oswald


(A) (C)



(D)(B)



Joachim Spatz (FDP):
Rede ID: ID1718027000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge-

rade weil Nick Clegg recht hat, geht es um die wirklich
besten Wege zur Lösung der Probleme, und es geht nicht
um Scheindebatten. Ich habe in der heutigen Debatte et-
was gelernt: Die Grünen sind eindeutig für Euro-Bonds,
die Linken halten den Euro für gescheitert, und die SPD
ist völlig unentschieden. Man hört doch aus jedem Wort-
beitrag bei Ihnen, den Sozialdemokraten, das Bedauern
heraus, dass das Grundgesetz diese Möglichkeit verbie-
tet. Aus jeder Äußerung hört man das Bedauern, sie in
dieser Verfassungslage nicht einführen zu können. Be-
kennen Sie sich doch zu dem, was Sie offensichtlich in
aller Ehrlichkeit auf Ihrer Website verzeichnet haben!

Angesichts dessen, Herr Kollege Schneider, ist diese
Debatte nicht überflüssig. Sie hat deutlich gemacht:
Hier, in diesem Deutschen Bundestag – egal was der
eine oder andere Vertreter der Parteienfamilie woanders
erzählt –, gibt es eine verlässliche Mehrheit gegen Euro-
Bonds, und diese Mehrheit stellt Schwarz-Gelb.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Herr Kollege Sarrazin, wir müssen uns doch erinnern:
Wieso stehen wir denn hier und debattieren über diese
europäische Herausforderung?


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen wir gar nicht! Wir reden über etwas anderes!)


Weil die Finanzmärkte den alten Weg nicht mehr mitge-
gangen sind! Wir haben doch Rechnungen ohne den
Wirt gemacht. Wir haben doch gedacht: Verschuldung ist
gewissermaßen ein Naturrecht von Politik. Es gibt ge-
wissermaßen die Erwartung, dass einem auf diesem Weg
immer gefolgt wird. Die Märkte haben uns die Aufgabe
gestellt, in die Gegenrichtung zu gehen. Da gilt der alte
Satz: Schulden machen unfrei. Wir alle haben schmerz-
lich und nicht aus besserer Einsicht gelernt, dass der
Weg des immer neuen Schuldenmachens schlicht nicht
funktioniert.

Wenn Sie Euro-Bonds als Lösungsansatz sehen, dann
kann ich nur sagen: Beim Eintritt, gerade der Helleni-
schen Republik, in den Euro waren die Zinsabweichun-
gen nahe null. Was ist passiert? Die griechische Nation
hat den Vorschusskredit der Finanzmärkte offensichtlich
nicht im Sinne einer an Gemeinsamkeit orientierten
Wirtschafts- und Finanzpolitik genutzt. Wollen Sie, dass
es wieder so kommt, dann allerdings ohne Ausstiegsop-
tion? Das ist doch überhaupt keine Lösung. Das heißt,
Zinssozialismus ist wie weiße Salbe und nicht die Lö-
sung der Probleme. So einfach ist das.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Der einzige Weg, zu den bestmöglichen Lösungen zu
kommen, Frau Kressl, ist erst einmal eine schonungslose
Analyse.


(Nicolette Kressl [SPD]: Die Analyse der Staatsanleihen fänden wir auch nicht schlecht!)


Wer sich dem verweigert, wird die richtigen Lösungen
nicht finden.

Jetzt komme ich auf das Thema – es wird oft ange-
sprochen – EZB-Anleihen-Aufkauf. Meine Damen und
Herren, das mag als Notmaßnahme – als Notmaß-
nahme! – mal hinzunehmen sein, aber Sie wollen aus
dem Wahnsinn ja noch Methode machen, und das kann
nicht funktionieren. Es muss dabei bleiben, dass diese
Art von Maßnahmen Notmaßnahmen sind.

Sie haben den Kollegen Brüderle zitiert. Dazu kann
ich nur betonen: Der sagt auch nichts anderes als die
Kanzlerin,


(Lachen der Abg. Nicolette Kressl [SPD])


nämlich dass am Ende eines langen Weges,


(Nicolette Kressl [SPD]: Euro-Bonds stehen können!)


am Ende eines ganz langen Weges der Harmonisierung
der Wirtschaft und der Wirtschaftspolitiken und bei soli-
der Finanzierung,


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fiskalpakt zum Beispiel!)


dieses gemeinsame Instrument eingeführt werden kann.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)


Nur, da braucht man es nicht mehr. Herr Kollege, wenn
wir so weit sind, dann brauchen wir es nicht mehr; wir
werden das erleben.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Denken Sie an den Fiskalpakt! Der soll in drei Wochen da sein!)


Wenn der Fiskalpakt von allen Verantwortlichen hier in
diesem Hause beschlossen wird und nach Jahren der
Wirkung die Konvergenz der Politiken stattgefunden ha-
ben wird, wird keiner mehr nach Euro-Bonds rufen;
denn dann sind die Spreads, die Zinsabweichungen, bei
null, und dann braucht das keiner mehr.

Für diese Politik der Solidität, bei der man über ein
solches Instrument als Schlussstein nachdenken kann
oder auch nicht, verbunden mit Solidarität und Wachs-
tumsimpulsen, werben wir nachhaltig.

Zum Thema Wachstumsimpulse. Herr Kollege
Hagemann, ich verstehe gar nicht, dass Sie die Stellung-
nahme des Deutschen Bundestages zum mehrjährigen
Finanzrahmen nicht kennen. Sie ist am 1. Dezember auf
Vorschlag der Koalition verabschiedet worden. Darin
stehen genau die neuen Schwerpunktsetzungen für den
Haushalt, eben auch zulasten alter Schwerpunkte. Ich
kann nur alle aufrufen, bei der Umgestaltung so viel Mut
zu haben, wie wir das jetzt anderen Staaten abverlangen.
Wenn wir so vorgehen, dann gibt es, verbunden mit der
Finanzierung durch die Europäische Union, Möglichkei-
ten, Wachstumsstimulierung zu betreiben. Da kann ich





Joachim Spatz


(A) (C)



(D)(B)


nur jeden aufrufen, mitzumachen. Das ist der Weg von
Solidarität, Solidität und Wachstumsimpulsen.

Danke schön.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718027100

Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für

die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Dr. Frank
Steffel. Bitte schön, Kollege Dr. Frank Steffel.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Frank Steffel (CDU):
Rede ID: ID1718027200

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich,
dass es Kollegen bei der FDP gibt, die heute etwas ge-
lernt haben.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann Ihnen nicht passieren, nicht?)


Ich muss für mich bekennen: Ich hatte gehofft, dass ich
irgendein Argument für Euro-Bonds höre, auch von Ih-
nen, Herr Sarrazin. Sie haben sich bemüht, den Eindruck
zu erwecken – das mag politisch geschickt sein –: Es
gibt da einige abweichende Stimmen bei FDP und CDU/
CSU,


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Im Europaparlament! Das ist völlig legitim! Aber hier ist der Bundestag!)


die vielleicht unter gewissen Bedingungen irgendwann
einmal sagen könnten, Euro-Bonds könnten ein Weg
sein. Ich will Ihnen in aller Sachlichkeit sagen: Die He-
rausforderungen, vor denen Europa steht, sind so
schwierig, dass es auch bei uns zu bestimmten Themen
in der Tat sehr unterschiedliche Auffassungen gibt.

Richtig ist: Man hat manchmal den Eindruck, die
Brüsseler Lust vernebele einige Dinge, die wir hier im
Bundestag sehr klar und präzise sehen.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Helsinki! Luxemburg!)


Nur – um das ganz klar zu sagen –: Hier im Deutschen
Bundestag gibt es nach meiner Kenntnis weder in der
Fraktion von CDU/CSU noch bei den Kolleginnen und
Kollegen der FDP eine wirklich ernsthafte Stimme, die
sagt, dass der Weg aus der heutigen Krise die Einfüh-
rung von Euro-Bonds in Europa wäre, so wie Sie alle
drei uns das seit zwei Jahren hier vortragen. Das ist die
ganz klare Position.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wenn man hier als fünfter oder sechster Redner zu ei-
nem Thema spricht, muss man sich überlegen: Was
könnte es Neues geben? Eben waren hier einige junge
Menschen,


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war aber nicht in Ihren Reihen!)


Schulklassen, die verpflichtet wurden, sich unsere Argu-
mentation anzuhören, oder vielleicht sogar freiwillig aus
Interesse hier waren. Jetzt stelle ich mir die Frage: Was
haben die eigentlich eben gelernt? Die haben gelernt,
dass die Linkspartei wieder von der PDS redet, aber im-
mer noch die Positionen vertritt, die ich seit 20 Jahren
kenne. Sie haben gelernt, dass Sie, Herr Sarrazin, der
Meinung sind – ob das die Position der Grünen insge-
samt ist, weiß ich nicht –, Euro-Bonds seien der richtige
Weg für Europa. Bei den Sozialdemokraten gibt es of-
fensichtlich einen Sinneswandel. Darüber freue ich
mich, Herr Schneider, Frau Kressl. Das wundert mich
übrigens nicht, weil ich Sie beide als sehr kompetente
Kollegen kennengelernt habe.

Es tut doch Deutschland gut, wenn in dieser Frage
auch die große Sozialdemokratische Partei Deutschlands
zur Vernunft kommt und mit uns gemeinsam die wichti-
gen europapolitischen Weichenstellungen für die nächs-
ten Jahre vornimmt.


(Thomas Oppermann [SPD]: Jetzt müsst bloß noch ihr zur Vernunft kommen!)


Es ist ein guter Tag, wenn Sie hier im Bundestag bereit
sind, uns auf dem Weg der Vernunft für Europa zu fol-
gen; das will ich ausdrücklich positiv unterstreichen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Joachim Spatz [FDP])


Ich habe kein Argument für Euro-Bonds gehört. Des-
wegen bemühe ich mich, den Schülerinnen und Schülern
und den Menschen einmal zu erklären, was die Konse-
quenzen sind.

Meine Damen und Herren, ich mache es ganz einfach:
Der eine hat eine schlechte Bonität und zahlt 10 Prozent
Zinsen, der andere hat eine gute Bonität und zahlt 2 Pro-
zent Zinsen. Nun nimmt jeder 100 Euro, und sie nehmen
gemeinsam einen Kredit auf. Was ist die Konsequenz?
Vermuten könnte man, sie zahlen im Durchschnitt 6 Pro-
zent Zinsen. Jetzt werden Sie sagen: Nein, der mit der
guten Bonität reißt das raus; deshalb zahlen sie nur
5 oder 4 Prozent Zinsen. Gemeinsam – das ist ja Ihre Ar-
gumentation – zahlen sie also möglicherweise weniger
Zinsen, als wenn jeder für sich einen Kredit aufnehmen
würde.

Aber dazu gibt es eine klare Untersuchung für
Deutschland: Deutschland würde mit einer hohen Wahr-
scheinlichkeit 2 bis 2,5 Prozent mehr Zinsen bezahlen
als heute. Das bedeutet – wir haben alle einmal den Drei-
satz gelernt, und wir kennen die Schuldenlast von Bund,
Ländern und Gemeinden – für die Bundesrepublik
Deutschland, dass wir roundabout 50 Milliarden Euro
mehr Zinsen pro Jahr zahlen müssten, wenn der durch-
schnittliche Zins für deutsche Staatsanleihen durch die
Vergemeinschaftung in Europa um 2 Prozent stiege.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass die Tribünen inzwischen leer sind!)


Wie wollen Sie mit 50 Milliarden Euro mehr Zinslast je-
mals die Schuldenbremse einhalten? Damit können Sie
5 000 oder 6 000 Schulen bauen, und zwar jedes Jahr.





Dr. Frank Steffel


(A) (C)



(D)(B)


Ich könnte als Berliner ein bisschen locker sagen: Davon
kann man 15 Flughäfen bauen, pro Jahr. Aber wir – bes-
ser gesagt: der Aufsichtsratsvorsitzende – haben in den
letzten zehn Jahren nicht einmal einen geschafft.


(Joachim Spatz [FDP]: Nein, ihr schafft es nicht!)


Aber nichtsdestotrotz ist die entscheidende Frage: Wo
liegt ein denkbarer Nutzen der Euro-Bonds? Eines ist
klar: Beim deutschen Steuerzahler, bei den Schülerinnen
und Schülern, die eben auf der Tribüne saßen, liegt der
Nutzen definitiv nicht. Herr Kollege von der Linksfrak-
tion, Sie haben gesagt, wir müssten den Schwachen in
Europa helfen. Damit meinten Sie insbesondere die
schwachen Staaten, nehme ich an. Ich sage Ihnen eines:
Mit Euro-Bonds mögen Sie schwachen Staaten in Eu-
ropa helfen; aber die Zeche für Euro-Bonds zahlen die
wirtschaftlich Schwachen in Deutschland. Den Banken
und den Wohlhabenden sind die Schulden von morgen
völlig egal.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Zeche zahlen Rentnerinnen und Rentner, Hartz-IV-
Bezieher, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das
wird es mit CDU und CSU weder heute noch in den
nächsten Jahren geben; denn das sind die Menschen, die
in Deutschland die Steuern bezahlen, mit denen wir in
Europa helfen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718027300

Vielen Dank, Kollege Dr. Frank Steffel. Lieber Herr

Kollege Dr. Steffel, es sind nicht nur die hier anwesen-
den Schülerinnen und Schüler, die die Debatte verfol-
gen. Die Debatte wird von Phoenix übertragen, und sie
wird zunehmend auch im Internet verfolgt.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Von Millionen!)


Auch dort sind die Beiträge also aufmerksam verfolgt
worden.

Nächster Redner ist Kollege Dr. Georg Nüßlein für
die Fraktion der CDU/CSU.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt aber sachlich, bitte!)



Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1718027400

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Zu-

nächst freue ich mich, dass Kollege Carsten Schneider
klar gesagt hat, dass er keine Euro-Bonds will.


(Joachim Spatz [FDP]: Wenigstens einer, Gott sei Dank!)


Ich hoffe, dass das eine tiefere Erkenntnis ist, die auf den
Zusammenhängen beruht, die heute hier ausführlich dis-
kutiert wurden, und nicht nur der Tatsache geschuldet
ist, dass die verfassungsrechtliche Problematik so klar ist
wie selten.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)


Ich gestehe Ihnen, Herr Schneider, zu, dass Sie sehr ge-
nau wissen, dass die gesamtschuldnerische Haftung, die
sich ergebende gemeinsame Bonität, die gemeinsamen
Zinsen am Ende, so wie gerade vom Kollegen Steffel an-
schaulich erläutert, dazu führen, dass ein disziplinieren-
des Element der Märkte, nämlich höhere Zinsen für die-
jenigen, die mehr Geld ausgeben und höhere Schulden
machen, wegfällt und das der Anreiz für ein Weiter-so
und für noch mehr Schulden wäre.

Nun gebe ich zu, dass es auf den allerersten Blick so
aussieht, dass durch die Euro-Bonds mehr Vertrauen in
die Märkte kommt, weil jeder gesamtschuldnerisch in
vollem Umfang haftet; deshalb muss der Markt im ersten
Moment zufrieden sein. Aber es geht ja weiter: Wenn die
Schulden so wachsen, wie es damit programmiert ist,
dann wird irgendwann der Moment kommen, in dem das
Vertrauen in die Märkte wieder zurückgeht, weil man
sich nicht vorstellen kann, dass alles bedient wird. Dann
haben Sie keine Möglichkeit mehr, irgendetwas zu ma-
chen. Denn letztendlich haben Sie dann alles aus der
Hand gegeben, ohne Gegenleistungen zu fordern. Wie
wollen Sie, wenn Sie alles aus der Hand gegeben haben,
die dann noch einfordern? Die Diskussionen, die wir
momentan nicht nur in Griechenland erleben, zeigen,
wie schmerzlich es auf der einen Seite ist, auf den Pfad
der Tugend zurückzukommen,


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal was zum Konzept des Sachverständigenrats!)


und wie dringend notwendig es auf der anderen Seite ist,
das einzufordern und zu erzwingen; denn freiwillig wird
dieser Schritt nicht vollzogen.

Dass das Schuldenmachen dann wieder weitergeht, ist
so offenkundig wie selten; denn die Diskussion über die
Frage, wie man weitere Schulden finanzieren und wieder
Wirtschaftsprogramme auflegen könnte, ist seit der Wahl
Hollandes so virulent wie nie zuvor. Ich möchte deshalb
auf das hinweisen, was jetzt in der Presse steht – das ist
nämlich wichtig –: Franz Müntefering, ein Mitglied der
SPD-Fraktion, hat gesagt, wir sollten nicht zu sehr die
Nähe zu Hollande suchen, nicht zu sehr dessen Weg mit-
gehen, nicht zu sehr darauf setzen, dass es an dieser
Stelle richtig ist, neue Schulden aufzunehmen, um Wirt-
schaftsprogramme aufzulegen.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Guter Mann, der Müntefering!)


Es ist doch offenkundig, dass diejenigen, die am
meisten Geld ausgegeben haben, die die größten Haus-
halte und die höchsten Schulden haben, nicht die best-
laufende Wirtschaft haben. Das Gegenteil ist doch der
Fall. Diese Vorgehensweise hat uns erst in die jetzigen
Schwierigkeiten gebracht. Man tut so, als ob nur die eine
Hälfte des Keynesianismus reichen würde, also Ausge-
ben in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, während das
Sparen in guten Zeiten unterbleiben könnte. In Demo-
kratien sollte man mit diesem Thema kritischer umge-
hen.





Dr. Georg Nüßlein


(A) (C)



(D)(B)



(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich gehöre der Enquete-Kommission an, die sich mit
dem Stellenwert von Wachstum in Wirtschaft und Ge-
sellschaft beschäftigt. Ich finde es interessant, wie viele
Politiker auf der linken und der grünen Seite dieses Hau-
ses wachstumsskeptisch sind. Sie sagen: Man muss
Wachstum begrenzen; das darf nicht mehr steigen usw. –
Wenn es um die europäische Schuldenkrise geht, sagen
dieselben Politiker: Jetzt brauchen wir schuldenfinan-
zierte Wachstumsprogramme.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wie passt denn so etwas zusammen? Das ist doch un-
glaublich.

Ich wünsche mir, dass wir sachlich über die Fragen
diskutieren,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


wie Ursache und Wirkung zusammenhängen und was
man letztlich tun kann, um Europa konjunkturell voran-
zubringen. Wir Deutschen hätten hier viel zu bieten. Was
bei uns im Bereich der Flexibilisierung des Arbeitsmark-
tes stattgefunden hat, ist beispielhaft. Dies könnte man-
ches Problem der europäischen Partner lösen. Auch die
Frage, wie die Rentenpolitik gestaltet wird, muss beant-
wortet werden. Sie können doch nicht verlangen, dass
die Deutschen mit 67 Jahren in Rente gehen und gleich-
zeitig diejenigen mitfinanzieren sollen, die mit 60 Jahren
oder früher in Rente gehen wollen.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer denn? – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das kann es letztendlich nicht sein.

Auch das Thema Jugendarbeitslosigkeit, das vorhin
angesprochen wurde, muss man von einer anderen Seite
angehen. Hier hilft kein Strohfeuer, da hilft kein Kon-
junkturprogramm. Hier hilft nur die Einführung einer
dualen Ausbildung, so wie wir sie in Deutschland vor-
bildlich haben. Bildungspolitisch ist dies nämlich ein Al-
leinstellungsmerkmal unserer deutschen Wirtschaft.

Ich empfehle dringend, über diese Themen zu reden.
Das macht aus meiner Sicht mehr Sinn. Wir könnten
auch darüber reden, wieso die Verwaltungen anderswo
nicht funktionieren. Dann geht es nämlich gar nicht
mehr darum, einfach nur mehr Steuern einzunehmen,
sondern darum, sie überhaupt erst einmal einzunehmen.

Abschließend: Mich ärgert es maßgeblich, dass bei-
spielsweise Irland über Jahrzehnte Steuerzahler mit
niedrigen Steuersätzen von uns abgeworben hat, man
jetzt aber daherkommt und fordert, den Haushalt Irlands
auszugleichen. Das muss man abstellen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Manuel Sarrazin (BÜND NIS 90/DIE GRÜNEN)

rung war das! Ihre Kollegen!)

Darum sollten wir uns alle gemeinsam und insbesondere
auch die Kommission kümmern.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718027500

Vielen Dank, Kollege Dr. Nüßlein. – Letzte Rednerin

unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der CDU/
CSU unsere Kollegin Bettina Kudla. Bitte schön, Frau
Kollegin Bettina Kudla.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Bettina Kudla (CDU):
Rede ID: ID1718027600

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

und Herren! Lassen Sie mich als letzte Rednerin dieser
Debatte die wesentlichen Punkte zusammenfassen.

Was sind Euro-Bonds? Euro-Bonds sind die Soziali-
sierung von nationalen Schulden und Risiken auf euro-
päischer Ebene. Die Forderung, Euro-Bonds einzufüh-
ren, verwundert. Sie ist verantwortungslos. Sie zeigt
auch, dass SPD und Grüne aus den Fehlern der Vergan-
genheit nichts gelernt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aus wessen Fehlern? Aus euren? – Zuruf des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])


Im Übrigen wurden mehrfach die unterschiedlichen
Blickwinkel einzelner Abgeordneter der gleichen Partei
aus dem Europäischen Parlament und aus dem Deut-
schen Bundestag angesprochen. Es liegt in der Natur der
Sache, dass die unterschiedlichen Parlamente die Dinge
auch aus einem unterschiedlichen Blickwinkel betrach-
ten. Insofern ist das nicht das zentrale Problem.

Herr Hagemann, Sie hatten nachgefragt, warum un-
sere Redner nichts zu Projektbonds gesagt haben. In die-
sem Zusammenhang möchte ich betonen: In dieser De-
batte geht es um die Staatsschuldenfinanzierung. Der
Vorschlag lautet, Staatsschulden mit Euro-Bonds zu
finanzieren. Das ist von Projektbonds zu unterscheiden;
Projektbonds sind etwas ganz anderes. Hierbei handelt
es sich um Finanzinstrumente, mit denen die EU Investi-
tionen finanzieren kann. Dabei geht es um öffentliche
und private Partnerschaften. In erster Linie geht es um
Investitionen, die gegebenenfalls mit Hilfe von Projekt-
bonds finanziert werden sollen. Man sollte die Men-
schen nicht verunsichern, indem man alles durcheinan-
derwirft.

Mehrfach wurde heute nach der Position der SPD ge-
fragt. In Vorbereitung meiner Rede habe ich mir die In-
ternetseite der SPD angesehen. Unter der Rubrik „Ak-
tuelles“ definieren Sie genau, was Euro-Bonds sind – ich
zitiere –: Damit der Druck der Märkte erhalten bleibt
und Staaten nicht, wie in der Vergangenheit, Konsum





Bettina Kudla


(A) (C)



(D)(B)


und Verschuldung über extrem niedrige Zinsen finanzie-
ren, dürfen Euro-Bonds nur einen Teil der Verschuldung
refinanzieren.

Das zeigt: Sie relativieren Ihren Vorschlag zwar, aber
Sie machen ihn dennoch. SPD und Grüne möchten gene-
rell und für die Zukunft deutsches Steuergeld für die
Schulden anderer ausgeben, und dies völlig bedingungs-
los.


(Thomas Oppermann [SPD]: Falsch zitiert! Ich überprüfe das gerade! – Zurufe der Abg. Joachim Poß [SPD] und Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie möchten die Marktsignale, die von Zinsspreads aus-
gehen, abschaffen. Zins ist die einzige automatische
Sanktion des Finanzmarktes, die es gibt. Zins ist Risiko-
prämie. Wer einen niedrigen Zins zahlen will, der muss
seine Bonität verbessern.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und der Finanzmarkt ist dazu da?)


Der Mechanismus des Zinses ist ein Anreiz für gutes
Wirtschaften. Setzt man diesen quasi natürlichen Mecha-
nismus außer Kraft,


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Was hat die EZB gemacht?)


tritt eine Störung im Wirtschaftssystem ein. Das sind
Grundlagen der Betriebs- und der Volkswirtschaft. Diese
Grundlagen scheinen Ihnen offenbar nicht mehr in Er-
innerung zu sein.


(Nicolette Kressl [SPD]: Und was ist mit den Staatsanleihen? – Klaus Hagemann [SPD]: Das ist ja Okkultismus!)


Das zeigte Ihre Rede, Frau Kressl. Sie machen keinen
Unterschied zwischen gesamtschuldnerischer Haftung
und anteiliger Haftung.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben keine Ahnung, Frau Kudla!)


Ihre Argumentation lautet: Weil wir mit den Ret-
tungsschirmen schon Risiken eingegangen sind, sollten
wir doch gleich noch weitere Risiken eingehen,


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie einmal richtig wiedergeben könnten, was unsere Modelle sind!)


indem wir gesamtschuldnerisch haften. Das ist eine
abenteuerliche Argumentation.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Die Rede ist abenteuerlich!)


Man kann nicht neue Finanzierungsinstrumente vor-
schlagen, wenn die notwendigen Voraussetzungen dafür
nicht gegeben sind. Gerade das Beispiel Griechenland
zeigt doch, welche fatalen Folgen eine solche Fehlent-
scheidung haben kann.

SPD und Grüne senden mit dieser Forderung auch
verheerende Signale an die europäischen Partner.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die europäischen Partner wollen doch Euro-Bonds!)


Dabei scheinen Sie den Bürger völlig vergessen zu ha-
ben. Mit welchem Recht fordern Sie, dass die Bürger für
Schulden anderer Länder haften sollen?


(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tun wir doch jetzt schon!)


Mit welchem Recht?


(Klaus Brandner [SPD]: Haben Sie doch beschlossen! – Thomas Oppermann [SPD]: Haben Sie doch beschlossen! Rettungsschirme ohne Ende!)


– Hören Sie bitte zu. – Sie regen sich auf, wenn Familien
mit dem Betreuungsgeld zusätzliches Geld bekommen
sollen. Gleichzeitig schlagen Sie vor, dass Bund, Länder
und Kommunen höhere Zinsen im zweistelligen Milliar-
denbereich zahlen sollen.


(Nicolette Kressl [SPD]: Was? – SvenChristian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn das gesagt?)


Das ist völlig verrückt.

Euro-Bonds bekämpfen nicht die Ursachen der Krise.
Die Wettbewerbsfähigkeit ganz Europas würde ge-
schwächt. Euro-Bonds sind keine Lösung; denn Euro-
Bonds ignorieren die Kernprobleme und sind daher ab-
zulehnen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718027700

Das wäre ein schöner Schlusssatz gewesen.


Bettina Kudla (CDU):
Rede ID: ID1718027800

Handeln Sie im Interesse der Menschen, denen Sie

verpflichtet sind, nämlich im Interesse unserer eigenen
Bevölkerung! Arbeiten Sie mit an der Umsetzung des
Fiskalpakts, und lassen Sie die Hände weg von Scheinlö-
sungen, die Deutschland massiv schädigen könnten!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718027900

Vielen Dank, Frau Kollegin. Die Aktuelle Stunde ist

hiermit beendet.

Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 24. Mai 2012,
9 Uhr, ein und freue mich darauf, Sie alle begrüßen zu
können.

Die Sitzung ist geschlossen.