Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie herzlich und darf Ihnen zu Beginn unserer
Sitzung gleich die erfreuliche Mitteilung machen, dass
der Zusatzpunkt 8, die von der Fraktion Die Linke ur-
sprünglich verlangte Aktuelle Stunde zu deutschen Rüs-
tungsexporten, von der Tagesordnung abgesetzt wird.
Können Sie damit leben?
– Schwer, aber ich stelle dazu Einvernehmen fest. Dann
ist das so beschlossen.
Dann kommen wir gleich zu dem vereinbarten Zu-
satzpunkt 7:
Abgabe einer Regierungserklärung durch die
Bundeskanzlerin
zum Europäischen Rat am 9. Dezember 2011
in Brüssel
Hierzu liegen zwei Entschließungsanträge der Frak-
tion Die Linke vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä-
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rung 90 Minuten vorgesehen. – Auch dazu höre ich kei-
nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
die Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit
Beginn der Krise im Euro-Raum tritt die Bundesregie-
rung dafür ein, die akute Krise zu bewältigen und gleich-
zeitig die notwendigen Lehren für die Zukunft zu ziehen.
Dabei geht es um nicht mehr und nicht weniger als um
eine Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion. Ge-
nau dies, die nachhaltige Stärkung der Wirtschafts- und
Währungsunion, wird das zentrale Thema des Europäi-
schen Rates in der kommenden Woche sein.
Wie ist die Lage heute, eine Woche vor dem nächsten
Rat der europäischen Staats- und Regierungschefs? Ei-
nerseits haben wir es mit der schwersten Krise seit Ein-
führung des Euros, wenn nicht sogar in der Geschichte
der europäischen Einigung zu tun. Wir können das in
den täglichen Nachrichten verfolgen. Andererseits ist es
nicht übertrieben, festzustellen, dass wir bereits außeror-
dentlich viel geschafft haben. Der Blick dafür scheint in
diesen Tagen angesichts der täglichen Meldungen etwas
verstellt, aber ich bin zutiefst davon überzeugt.
Erstens. Es herrscht in ganz Europa Einigkeit über die
Ursachen der Krise. Das war bei weitem nicht immer so.
Heute gibt es darüber überhaupt keine Diskussionen
mehr.
17568 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
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)
Zweitens. Es herrscht in ganz Europa Einigkeit, dass
genau diese Ursachen bekämpft werden müssen, um die
Krise zu überwinden und nicht von einer Krise in die
nächste zu kommen, die dann noch schlimmer wäre als
die davor. An dieser Stelle ist es mir wichtig, dass wir
uns einmal vor Augen führen, was schon alles passiert
ist. Das bedeutet natürlich auch, dass wir uns vor Augen
führen, welche Aufgaben die Menschen in Spanien, in
Portugal und vor allem in Griechenland zu lösen haben.
Ich füge allerdings hinzu – das wird noch weniger be-
achtet –: auch diejenigen, die zum Teil nicht zum Euro-
Raum gehören, die baltischen Staaten, Bulgarien und
Rumänien, wenn man bedenkt, welche Opfer dort von
den Menschen verlangt werden.
Ich glaube, wir machen uns oft keine Vorstellung da-
von – das können wir vielleicht auch gar nicht –, wel-
chen Beitrag die Menschen in den Ländern, die ich ge-
nannt habe, dazu leisten, dass der Euro eine dauerhafte
und stabile Währung wird. Deshalb möchte ich heute
noch einmal meine absolute Hochachtung vor diesen Be-
mühungen ausdrücken. Denn das ist ein Beitrag zu ei-
nem zukunftsfähigen Europa, meine Damen und Herren.
Drittens. Auf dem Weg, die Ursachen der Krise zu be-
kämpfen und sie damit auch überwinden zu können, sind
wir in Europa bereits extrem weit vorangekommen. Wer
vor einigen Monaten gesagt hätte, dass wir Ende des
Jahres 2011 sehr ernsthafte und sehr konkrete Schritte
auf dem Weg zu einer europäischen Stabilitätsunion, ei-
ner europäischen Fiskalunion und Durchgriffsrechten in
Europa einleiten, der wäre damals noch für verrückt ge-
halten worden. Jetzt steht genau dies auf der Tagesord-
nung.
Wir stehen kurz davor. Es gibt noch Schwierigkeiten
zu überwinden, keine Frage. Aber die Notwendigkeit ist
weitgehend anerkannt.
Wir reden nicht mehr nur über eine Fiskalunion, son-
dern wir fangen an, sie zu schaffen. Ich glaube, das ist
nicht hoch genug einzuschätzen. Marathonläufer erzäh-
len oft, dass ein Marathonlauf ungefähr ab Kilometer 35
besonders anstrengend und schwer werde. Aber sie sa-
gen auch, dass die ganze Strecke geschafft werden kann,
wenn man sich von Beginn an der Größe der Aufgabe
voll bewusst ist und die ganze Aufgabe entsprechend an-
geht.
Nicht der, der am schnellsten beginnt, ist zwangsläufig
der Erfolgreichste, sondern der, der weiß, was insge-
samt, also für die ganze Strecke, zu beachten ist.
Wir haben bereits so viel geschafft, wie wir uns das
noch vor einigen Monaten nicht haben vorstellen kön-
nen. Um jetzt noch weiter voranzukommen, müssen wir
uns dem Kern der Krise stellen: der Einsicht, dass wir es
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eshalb werde ich auch in Zukunft nichts von dem kom-
entieren, was nationale wie auch europäische Gerichte
nd nationale Notenbanken wie auch die Europäische
entralbank tun oder lassen. Allerdings ist es natürlich
ichtig, noch einmal darauf hinzuweisen: Die Aufgabe
er Europäischen Zentralbank ist eine andere als die der
ed in den Vereinigten Staaten von Amerika und bei-
pielsweise der Bank of England.
Da brauchen Sie gar nicht „aha“ zu sagen. Das ist in
en Verträgen festgeschrieben. Die Aufgabe heißt, die
eldwertstabilität zu sichern. Genau das tut die Europäi-
che Zentralbank; davon bin ich zutiefst überzeugt.
Den Gerichten und der Zentralbank steht ein Bereich
egenüber, bei dem in dieser Krise offenkundig gewor-
en ist, dass er leider nahezu jedes Vertrauen verspielt,
erwirkt und fast zerstört hat, und zwar über Jahre hin-
eg. Das ist – das müssen wir so schonungslos sagen –
ie Politik.
Das begann erstens mit der Gründung der Wirt-
chafts- und Währungsunion selbst, als Konstruktions-
hler zugelassen wurden, die die Euro-Gruppe erst
chleichend und dann immer offenkundiger eingeholt
aben und jetzt mit voller Wucht einholen. Das geschah
ewiss nicht mit böser Absicht, aber es ist eine Tatsache,
ie nicht zu leugnen ist.
Zweitens hat die Politik über die Jahre Vertrauen ver-
pielt, weil sie schon seit Gründung der Wirtschafts- und
ährungsunion die Prinzipien, die im Stabilitäts- und
achstumspakt vorgesehen waren, nicht oder nicht voll-
tändig angewandt oder gar aufgeweicht hat. Dass wir
lle in Europa uns jetzt entschlossen haben, endlich da-
it aufzuhören, das ist die wichtige, ermutigende Zwi-
chenbilanz, die wir heute ziehen können.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17569
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
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Denn, meine Damen und Herren, wir streiten und rin-
gen in Europa um Einzelheiten, aber nicht mehr um das
Ganze, nicht mehr darum, dass die Politik zur dauerhaf-
ten Überwindung der Schuldenkrise das wiederherstel-
len muss, was sie selbst infrage gestellt hat: ihre Glaub-
würdigkeit und ihre Vertrauenswürdigkeit. Sie muss das
tun, indem sie zum einen endlich Wege findet, bereits
beschlossene Maßnahmen einzuhalten und umzusetzen,
und indem sie zum anderen über Veränderungen der
Grundlagen der Zusammenarbeit, zum Beispiel Ver-
tragsänderungen, bereit ist, in Europa eine Fiskalunion
mit starken Durchgriffsrechten zu schaffen, zumindest
im Euro-Raum.
Die Einhaltung bereits beschlossener Maßnahmen gilt
aktuell für die Gipfelbeschlüsse vom 26. Oktober 2011.
Ziel des Ende Oktober 2011 im Deutschen Bundestag
mit großer Mehrheit geschnürten Pakets ist es, eine trag-
fähige Lösung für Griechenland zu schaffen und zu ver-
hindern, dass die Krise auf andere Euro-Staaten über-
greift. Die Finanzminister konnten dabei Anfang der
Woche wichtige Fortschritte erzielen. Die neue Regie-
rung in Griechenland hat sich parteiübergreifend dazu
verpflichtet, das vereinbarte Reformprogramm umzuset-
zen. Damit war der Weg für die Auszahlung der sechsten
Tranche frei geworden.
Jetzt geht es darum, möglichst bis Ende des Jahres das
neue Programm auch wirklich zu verhandeln. Das
schließt die Beteiligung des Privatsektors mit ein. Ich
will daran erinnern, dass wir in der Sitzungswoche vor
den Sommerferien zum ersten Mal im Grundsatz darüber
abgestimmt haben, dass wir ein neues Griechenland-Pro-
gramm brauchen. Jetzt nähern wir uns der letzten Sit-
zungswoche vor Weihnachten, und ich finde, es ist nicht
zu viel verlangt, dass jetzt endlich alle Akteure versu-
chen, dieses neue Programm zu verhandeln.
Auch Italien packt die großen Herausforderungen an
und stellt sich damit als drittgrößte Wirtschaftsnation
Europas seiner Verantwortung für seine eigene gute Zu-
kunft genauso wie für die Zukunft der Euro-Zone insge-
samt.
Auf dem Europäischen Rat am 26. Oktober 2011 ha-
ben wir außerdem beschlossen, dass systemrelevante
Banken mehr Eigenkapitalpuffer vorhalten müssen. Das
ist notwendig, um das Vertrauen in die Stabilität des eu-
ropäischen Bankensektors zu stärken. Auch hier hoffe
ich, dass die europäische Bankenaufsicht die Entschei-
dung jetzt schnell verkündet, damit auch in diesem Be-
reich Sicherheit entsteht.
Vorgestern haben die EU-Finanzminister darüber hi-
naus Grundsätze einer koordinierten Vergabe von Liqui-
ditätsgarantien für Banken beschlossen; denn nur wenn
die Refinanzierung von Banken sichergestellt ist, kann
der Bankensektor die Wirtschaft auch ausreichend mit
Krediten versorgen.
Die Verabschiedung der Leitlinien für die EFSF ein-
schließlich ihrer Schlagkraft ermöglicht es uns, die
Wirksamkeit des Euro-Rettungsschirms deutlich zu er-
höhen. Auch hier sage ich: Ich rate uns nicht, die EFSF
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Glaubwürdige Durchgriffsrechte sind von einer ge-
meinsamen europäischen Kontrolle über nationale Ein-
nahmen und Ausgaben zu unterscheiden; ich will das
hier ausdrücklich sagen. Solange das so ist, ist im Übri-
gen auch eine gemeinsame Haftung für die Schulden an-
derer nicht denkbar.
Genau deshalb erledigt sich jetzt auch eine Diskussion
über sogenannte Euro-Bonds. Denn wer immer noch
nicht verstanden hat, dass Euro-Bonds jetzt nicht als
Rettungsmaßnahme gegen die Krise eingesetzt werden
können,
der hat genau das Wesen dieser Krise nicht verstanden.
– Herr Trittin, vielleicht darf ich es wiederholen: Wir ha-
ben nicht die Absicht, und wir sind davon auch entfernt.
Es ist auch nach unserem Grundgesetz gar nicht mög-
lich, die Einnahmen und die Ausgaben eines Haushaltes
über eine europäische Institution kontrollieren und be-
stimmen zu lassen.
Solange genau dies nicht der Fall ist, haben wir die Si-
tuation, dass eine gemeinsame Haftung dem nicht ent-
sprechen würde. Deshalb erübrigt sich die Diskussion
über Euro-Bonds.
Stellen wir uns einmal vor, dass es so etwas gäbe,
dass wir Euro-Bonds gar nicht mehr einzuführen brauch-
ten, weil sie von allein entstehen. Das ist ja gerade das
Interessante daran.
Deshalb ist die Diskussion jetzt kein Beitrag zur Über-
windung der Krise.
– Für die Grünen scheint das unglaublich lustig zu sein.
Für mich ist es absolut logisch. Aber das ist eben der Un-
terschied.
Es geht also darum – das ist ein großer Schritt im
Rahmen der Konstruktion der Wirtschafts- und Wäh-
rungsunion –, die Autorität der Institutionen so zu stär-
ken, dass sie die vereinbarten europäischen Grenzwerte,
konkret die Obergrenze von 3 Prozent und den Abbau-
pfad bei einem Schuldenstand von über 60 Prozent, tat-
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(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Ja!)
Polen ist zum Beispiel auch Mitglied des Euro-Plus-
Pakts und hat in Gesprächen, die wir kürzlich geführt ha-
ben, wieder deutlich gemacht, dass es sich genau auf die-
sen Weg der Stabilitätsunion hinbewegen will.
Unsere Leitlinien für den Rat in der nächsten Woche
sind also klar. Aber – das ist mir heute Morgen auch
wichtig zu sagen – sie haben nichts mit manchen Ängs-
ten, Sorgen oder Vorhaltungen zu tun, die man momen-
tan lesen oder hören kann, dass Deutschland Europa do-
minieren oder Ähnliches wolle. Das ist abwegig. Wir
treten – das ist allerdings richtig – für eine bestimmte
Stabilitäts- und Wachstumskultur ein, aber wir tun dies
im europäischen Geiste Konrad Adenauers und Helmut
Kohls.
Deutsche und europäische Einigung waren und sind
zwei Seiten ein und derselben Medaille. Das werden wir
nie vergessen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, in diesen
Tagen, in denen der Euro fast täglich im Mittelpunkt der
Debatte steht, geraten andere europäische Fragen leider
allzu oft in den Hintergrund. Dies gilt zum Beispiel für
die Erweiterungspolitik, die traditionell auf der Tages-
ordnung eines Dezemberrates steht, so auch nächste Wo-
che. Die Bundesregierung steht zur EU-Perspektive aller
Staaten des westlichen Balkans. Am Rande des Europäi-
schen Rates werde ich für die Bundesrepublik Deutsch-
land den Beitrittsvertrag mit Kroatien unterzeichnen.
Zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Montene-
gro hat der Bundestag seine Stellungnahme abgegeben.
Für uns von entscheidender Bedeutung sind hier weitere
Fortschritte Montenegros bei der Festigung von Rechts-
staatlichkeit und der Bekämpfung von Korruption und
organisierter Kriminalität. Wir werden sie einfordern,
aber wir werden Montenegro auch dabei unterstützen,
die Dinge, die zu verbessern sind, wirklich verbessern zu
können.
Der Europäische Rat entscheidet über den Kandida-
tenstatus von Serbien. Gute nachbarschaftliche Bezie-
hungen und regionale Zusammenarbeit sind über die Ko-
penhagener Kriterien Teil der EU-Erweiterungspolitik.
Wir möchten langfristig nicht nur Serbien, sondern auch
Kosovo an die EU heranführen und die EU voll funk-
tionsfähig halten. Daher führt der Weg Serbiens in die
EU nur über eine Normalisierung seiner Beziehung zum
Kosovo.
EU und Bundesregierung haben hierzu frühzeitig Er-
wartungen in Form von konkreten Schritten formuliert.
Ich bedaure sehr, dass Serbien diesen Erwartungen bis-
lang nicht ausreichend gerecht geworden ist und somit
die Voraussetzungen für die Verleihung des Kandidaten-
status bislang nicht gegeben sind. Serbien muss sich da-
rüber hinaus vorwerfen lassen, in den letzten Tagen zu
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nsere Soldaten leisten dort einen großartigen Dienst,
nd für diesen Dienst sind wir ihnen dankbar.
Europa befindet sich mitten in seiner wohl schwersten
ewährungsprobe. Als deutsche Bundeskanzlerin werde
h, genauso wie die ganze Bundesregierung, alles dafür
n, dass Europa stärker aus dieser Bewährungsprobe
ervorgeht, als es in sie hineingegangen ist. Zu viel steht
uf dem Spiel, gerade für Deutschland und die Deut-
chen. Trotz aller Turbulenzen, die wir in jüngster Zeit
rlebt haben: Der Euro hat sich bewährt. Er ist stabil, er
t wertbeständiger, als es die D-Mark war, und als Ex-
ortnation profitiert Deutschland in besonderem Maße
om Euro. Aber der Euro ist eben auch weit mehr als nur
ine Währung; denn mit der Wirtschafts- und Währungs-
nion haben wir eine neue Stufe der Integration in Eu-
pa erklommen. Der Euro steht für den Willen Europas,
eine innere Entwicklung zu festigen und sich den He-
usforderungen der heutigen Zeit und der Globalisie-
ng gemeinsam zu stellen. Die Zukunft des Euro ist
eshalb untrennbar mit der europäischen Einigung ver-
unden. Der vor uns liegende Weg ist noch lang, und er
t auch alles andere als einfach. Aber ich bin überzeugt:
s ist der richtige Weg. Es ist der richtige Weg, um unser
emeinsames Ziel zu erreichen: ein starkes Deutschland
einer starken Europäischen Union zum Wohle der
enschen in Deutschland und in Europa.
Herzlichen Dank.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
r. Frank-Walter Steinmeier für die SPD-Fraktion das
ort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
rau Bundeskanzlerin, ich habe Ihnen sehr genau zuge-
ört. Ich sage Ihnen bei allem Verständnis, das dieses
arlament in der bisher schwersten Krise in Europa der
egierung zugebilligt hat: Sie haben heute wieder über
ieles geredet, auch über Montenegro, am Kern der Sa-
he aber haben Sie vorbeigeredet. Das war bestenfalls
ie halbe Wahrheit.
Ich weiß nicht, zum wievielten Mal, aber Sie haben
eute wieder gesagt, dass nun eine „tragfähige Lösung“
r die akute Finanzkrise vorbereitet wird. Sie wissen es
och selbst: Noch nie in den letzten 18 Monaten hat das
estimmt; jedes Mal haben Sie den Menschen in
17572 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Dr. Frank-Walter Steinmeier
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Deutschland Sicherheit vorgegaukelt, die am Ende keine
war. Keiner, Frau Merkel, wirft Ihnen vor, dass es die
Krise gibt; aber wie Sie mit ihr umgehen, das geht auf
keine Kuhhaut.
Sie reden von „Stabilität“ – das ist auch notwendig –,
aber die Bilanz der vergangenen Monate sieht doch völ-
lig anders aus: Nichts ist stabiler geworden. Sie haben
eben in Ihrer Regierungserklärung gesagt: „Wir sind
weit gekommen“, das stimmt leider; die Krise Europas
hat sich dramatisch zugespitzt. Immer mehr Menschen
haben das Gefühl, dass das Endspiel für die Währung
angebrochen ist. Nicht die Opposition, nicht wir, son-
dern die Finanzaufsicht in London und große deutsche
Unternehmen bereiten sich ganz offensichtlich auf Alter-
nativen vor. Sie, Frau Merkel, und diese Regierung sind
nicht die Ursache; aber Wankelmütigkeit und Entschei-
dungslosigkeit haben dazu beigetragen. Ihre Taktiererei
macht die Lage in Europa nicht stabil. Im Gegenteil:
Diese schwarz-gelbe Koalition, die sich in nichts, aber
auch rein gar nichts einig ist, gefährdet die Stabilität in
Europa. Das ist die Wahrheit; darüber täuschen auch
Fernsehbilder nicht hinweg.
Frau Bundeskanzlerin, wahr ist doch auch: Bisher ha-
ben Sie noch jede Bastion geräumt, die Sie vorher für
uneinnehmbar erklärt haben. Die Halbwertszeit Ihrer ro-
ten Linien ist doch immer kürzer geworden. Zuletzt gab
es hier in diesem Haus – wir erinnern uns gut – das Tabu
gemeinsamer europäischer Anleihen; wir alle haben das
noch gut im Ohr. Aber wen überrascht es denn eigentlich
noch, dass ein paar Tage nach der Debatte im Parlament
auf einmal der Testballon steigt, auf dem „Elite-Bonds“
steht! Der Testballon war in der Luft, und die Koalition
war ganz offensichtlich überrascht. Den Kollegen
Brüderle hat das zu ganz großer Kunstfertigkeit veran-
lasst:
Er war am Montagmorgen für die Elite-Bonds; am Mon-
tagnachmittag war er gegen die Elite-Bonds. Das ist li-
berale Offenheit, wie wir sie kennen, meine Damen und
Herren.
Aber das ist mir – ich sage es Ihnen ganz offen – im-
mer noch lieber als das, was Ihr Generalsekretär in einer
solchen wirklich ernsten Situation in Europa sagt; ihm
fiel nichts anderes ein, als zu sagen, er sei überhaupt ge-
gen alle Bonds, auch gegen „James Bonds“.
So kann man Politik lächerlich machen, meine Damen
und Herren. Das verstehen die Menschen nicht.
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Wir sind jedenfalls tief überzeugt: Europa kann sich
ur gemeinsam aus diesem Schlamassel wieder heraus-
ämpfen, Griechen, Spanier, Franzosen, Luxemburger,
olländer, Deutsche, alle gemeinsam, viele andere dazu.
ber weil Sie das nicht akzeptieren, eskaliert die Krise.
Aus einer kleinen griechischen Schuldenkrise ist
eine vollwertige europäische Seuche geworden.
as sind nicht meine Worte, sondern die von Joe Nocera
der New York Times. Er fragt:
Verstehen die Deutschen nicht, dass ein Zusam-
menbruch der Eurozone, der vor einem Jahr un-
denkbar war und jetzt vielleicht unvermeidlich ist,
die Deutschen mehr treffen wird als Griechenland?
Meine Damen und Herren, wir Deutsche retten nicht
ie Griechen oder die Italiener; wir retten vor allem uns
elbst, unsere Banken, unser Vermögen, unsere Export-
irtschaft und unsere Arbeitsplätze. Darum geht es in
iesen Tagen.
as auszusprechen, verlangt nun wahrhaftig keinen Hel-
enmut; denn es ist die Wahrheit. Ich bin davon über-
eugt: Das von Anfang an zu sagen, Frau Merkel, hätte
uch Ihnen manches einfacher gemacht. Stattdessen ha-
en Sie selbst noch die einsichtigsten, die freundlichsten
nd die wohlmeinendsten Nachbarn gegen uns aufge-
racht durch penetrante und, wie ich finde, doppelzün-
ige Schulmeisterei.
Sie waren doch selbst beteiligt.
Deutschland hat es doch früher gekonnt, europäische
einungsbildung zu prägen. Sie haben eben auf
denauer und Kohl hingewiesen. Ich sage: Auch Willy
randt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder gehören
azu.
Sie hatten miteinander gemein, dass sie ihre histori-
che Aufgabe in Deutschland so verstanden, andere ohne
gliche öffentliche Belehrungen zu überzeugen und die
leineren Staaten mit auf den Weg zu nehmen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17573
Dr. Frank-Walter Steinmeier
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Das ist die Aufgabe, die wir in der Vergangenheit in
Europa erfüllt haben.
Das ist Teil einer Regierungskunst – das muss ich leider
sagen –, die der deutschen Regierung in diesen Tagen
und Monaten offenbar verloren gegangen ist.
Herr Kauder, in Europa wird jetzt deutsch gespro-
chen. Ich weiß, dass Sie die Kritik an diesem Satz nicht
besonders ernst nehmen. Aber ich sage Ihnen: Wer Lehr-
meister sein will, wer andere zum Sparen auffordert, der
muss wenigstens sein eigenes Haus in Ordnung halten.
Herr Kauder – auch wenn Sie mir nicht zuhören –, Sie
können nicht den Rest der Welt zum Sparen und zum
Senken von Schulden auffordern und gleichzeitig im ei-
genen Land überflüssige Steuersenkungen
und sozial schädliches Betreuungsgeld auf den Weg
bringen
und am Ende hierzulande die Neuverschuldung erhöhen,
während die anderen sie vermindern sollen. Das fällt
doch überall in Europa auf. Wir führen doch keine
Selbstgespräche. Ganz Europa spricht davon. Ich sage
Ihnen auch, was die anderen Länder davon halten, und
wie sie das nennen: Sie nennen das Heuchelei, Herr
Kauder.
Jetzt kommt angeblich die Verschärfung des Stabili-
tätspaktes. Frau Merkel, ich bin wirklich gespannt, was
dieses Mal herauskommt. Ich sage „dieses Mal“, weil je-
denfalls ich mich noch gut daran erinnern kann, wie Sie
vor einem Jahr hier in diesem Haus zu gleicher Sache
gesprochen haben. Nur für den Fall, dass das von den
Regierungsfraktionen irgendjemand vergessen hat: Im
September 2010, also vor mehr als einem Jahr, hat Kom-
missionspräsident Barroso ein Maßnahmenpaket zur
wirtschaftlichen Steuerung vorgelegt. In diesem Maß-
nahmenpaket wurde eine Regelung zur haushaltspoliti-
schen Überwachung im Euro-Raum festgelegt. Was
sollte das heißen? Das sollte heißen, dass es nach Fest-
stellung eines übermäßigen Defizits durch die Kommis-
sion zu quasiautomatischen Sanktionen kommen soll.
Jetzt fragen wir alle uns doch einmal: Haben Sie das vor
14 Monaten in diesem Hause unterstützt?
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ie im Handstreich die automatischen Sanktionen besei-
gt haben. So war das, und daran erinnern wir uns.
Jetzt stehen Sie ein Jahr später hier an diesem Mikro-
n und rufen laut: Haltet den Dieb! Von Stabilisierung
eine Spur: Italien infiziert, Frankreich strauchelnd, der
uro am Abgrund. Ein Jahr später kommen jetzt ausge-
chnet Sie heute hierher, um schärfere Sanktionen für
chuldensünder zu fordern. Glauben Sie denn wirklich,
ie Erinnerung ist so kurz? Glauben Sie wirklich, keiner
erkt, was Sie hier für Kapriolen schlagen? Das ist
eine Politik, das ist aus meiner Sicht Schauspielerei.
Bei allem guten Willen, den wir haben, in der euro-
äischen Sache zu helfen, müssen wir sagen: Es gibt
ein schwarz-gelbes Europa, und es gibt kein rot-grünes
uropa, sondern wir alle zusammen tragen Verantwor-
ng für dieses Europa. Weil das so ist, finde ich, dürfen
ir die Menschen und darf man auch dieses Parlament
icht hinters Licht führen. Sie werben jetzt für irgend-
elche Veränderungen im EU-Vertrag. Einverstanden.
uch über die Einschaltung des EuGH bei Verstößen ge-
en Haushaltsvorgaben reden Sie. Ich habe gar nichts
agegen. Aber Sie können doch nicht so tun, als könnten
ie damit eine Lösung für akute, buchstäblich täglich,
tündlich dramatisch eskalierende Krisensituationen lie-
rn. Das steckt doch da nicht drin.
Deshalb glaube ich: Ihr Kalkül ist eigentlich etwas
anz anderes. Sie warten ab. Sie wollen eigentlich nicht
Kern der Sache entscheiden. Sie servieren uns so et-
as wie Ersatzhandlungen. Im Stillen setzt diese Regie-
ng darauf, dass nicht sie, sondern jemand anders han-
elt. Sie stehen sozusagen vor dem europäischen Haus.
as europäische Haus brennt lichterloh, und Sie haben
ngst, sich die Finger zu verbrennen. Sie scheuen die
olitische Verantwortung, die Sie tatsächlich haben, und
chieben andere vor, die jetzt Verantwortung tragen müs-
en.
Ich kann meine Vermutung, wenn Sie wollen, auch
och etwas zugespitzter formulieren.
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Dr. Frank-Walter Steinmeier
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Ich kann sie zugespitzter formulieren und sagen: In den
hellen Tagesstunden kritisieren Sie die anderen Euro-
päer, die als letzte Rettung stärkere Aktivitäten der Euro-
päischen Zentralbank fordern, und wenn es dunkel wird,
dann beten Sie, dass die EZB weiter Anleihen kauft. Ich
glaube, das steckt im Grunde genommen dahinter.
Und während das so ist, fluten auch noch zusätzlich die
Notenbanken den Markt mit billigem Geld, um den Ab-
sturz abzuwenden. Noch jemand anderes, der handelt.
Herr Altmaier, ich habe Sie heute Morgen im Mor-
genmagazin erlebt.
Es geht doch nicht, dass wir uns als Politiker über Kurs-
feuerwerke an den Börsen freuen. Das geht doch nicht.
Wir müssen doch sagen, was es heißt, wenn solche Kurs-
feuerwerke durch Geld mal eben ausgelöst werden.
Wir reden hier nichts herbei. Alle Welt redet darüber
– nur wir hier in diesem Hohen Hause reden nicht da-
rüber –, dass diese Politik des billigen Geldes natürlich
auch Inflationsgefahren steigert. Wir haben die Inflation
nicht, aber die Gefahr wird gesteigert.
Wenn wir über die EZB reden, dann müssen wir den
Menschen doch auch sagen – jetzt ganz ehrlich –: Wenn
die EZB Anleihen kauft, haftet am Ende nicht irgendwer,
sondern es gibt eine gemeinsame europäische Haftung.
Daran kommen wir doch nicht vorbei.
Wissen Sie, Frau Merkel, deshalb verstehe ich einfach
nicht, warum Sie sich hier hinstellen und sagen: Mit uns
kommt Gemeinschaftshaftung nicht infrage. Sie findet
statt durch Anleihenaufkäufe der EZB, jeden Tag mehr.
Fast 300 Milliarden Euro stehen mittlerweile in der Bi-
lanz. Das ist in dieser Lage ja sogar unvermeidbar. Aber
geben Sie doch endlich zu, dass Sie das heimlich und
nachdrücklich betreiben. Ich finde es einfach nicht in
Ordnung, wenn Sie das leugnen; denn das geht meilen-
weit an der Wahrheit vorbei.
Ich weiß, dass das, was wir von der Opposition zu sa-
gen haben, Sie nicht sonderlich kümmert. Sie haben die
Mehrheit hier im Hause. Wenn Sie die Opposition nicht
kümmert, dann vielleicht der Teil der Presse, der Ihnen
politisch näher steht.
– Ich weiß, dass Ihnen das nicht gefällt. Früher waren
Sie sehr kreativ beim Vortrag von Zeitungslektüre.
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Rainer Brüderle ist der nächste Redner für die FDP-
raktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat,
anche Medien im Ausland sehen die Euro-Zone vor
em Endspiel. Man hat fast den Eindruck, dass da eine
ewisse Lust am Untergang herrscht. Bei manchen Äu-
erungen der Opposition habe ich den gleichen Ein-
ruck.
a, es ist Aufgabe der Opposition, die Regierung kritisch
u begleiten. Aber das, was hier seit einigen Wochen
um Teil abläuft, stellt Parteitaktik über das Schicksal
uropas. Das ist nicht in Ordnung.
Ich habe Verständnis dafür, dass die drei möglichen
anzlerkandidaten vor dem SPD-Parteitag nervös wie
ennpferde sind.
ber dass sie sich europapolitisch wie Ackergäule be-
ehmen, das ist nicht in Ordnung.
elbst Frau Nahles, wie sie uns im Spiegel offenbart,
ervt diese – so nennt sie es – K-Show, die Kanzlerkan-
idaten-Show der SPD.
err Gabriel machte Anfang der Woche einen Brüning-
ergleich und warnte die Bundeskanzlerin. Das hat mit
eriosität und Anstand nichts zu tun; das ist unange-
racht. Diese Kanzlerin kämpft engagiert um Europas
ukunft. Wir stehen hinter ihr.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17575
Rainer Brüderle
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Der europäische Gipfel muss und wird den Weg zu ei-
ner Stabilitätsunion weisen. Es heißt in manchen Kom-
mentaren: So deutsch war Europa noch nie. Diese Aus-
sage zeigt Respekt, aber auch Vorbehalt vor deutscher
Dominanz. Es geht jedoch nicht darum, ein deutsches
Europa, sondern ein gutes Europa zu schaffen. Das ist
europäischer Patriotismus.
Die Europäische Union ist das größte Friedensprojekt
aller Zeiten. Der Historiker Michael Stürmer hat die Er-
rungenschaften Europas auf eine ganz einfache Formel
gebracht. Er sagte: Nach dem Krieg machte sich
Deutschland auf den Weg, wieder ruhig zu schlafen, gut
zu essen und nie mehr allein zu sein. – Das ist Axiom
deutscher Politik. Deutschland darf sich nie wieder sin-
gularisieren bzw. isolieren. Deshalb ist es gut, dass die
Bundeskanzlerin und der französische Präsident gemein-
sam Vorschläge für einen Stabilitätspakt II machen. Sie
müssen das reparieren, was andere deutsche und franzö-
sische Regierungen leichtfertig beschädigt haben. Da-
rum geht es jetzt.
Der Gipfel wird die Ausgestaltung der EFSF be-
schließen. Der Haushaltsausschuss hat die Leitlinien ge-
billigt. Wolfgang Schäuble hat gute Ergebnisse bei den
Finanzministern erreicht. Das ist eine gute Grundlage für
die Kanzlerin. Der Gipfel wird Vertragsänderungen in
Angriff nehmen. Haushaltsdisziplin in allen Mitglied-
staaten besser zu kontrollieren und notfalls Sanktionen
zu verhängen, das muss das Ziel sein. Das ist der richtige
Weg. Wir, die christlich-liberale Koalition, leben das vor.
Die OECD hat uns dies wieder bestätigt. Das Wachstum
ist intakt, der Arbeitsmarkt ist robust, die Schulden sind
tragfähig. Das ist gelebte Stabilitätskultur. Das ist ein er-
folgreicher Weg. Wenn auch Europa diesen Weg einge-
schlagen hätte, dann hätten wir die aktuellen Probleme
nicht.
Die Opposition will den Euro mit einem links-keyne-
sianischen Programm stabilisieren. Sie setzt auf Umver-
teilung in Deutschland und Vergemeinschaftung der
Schulden Europas.
Die Grünen haben ihren Steuererhöhungsparteitag
hinter sich, die SPD hat ihren Steuererhöhungsparteitag
vor sich. Mir ist ein Rätsel, wie man einerseits vor einer
Rezession warnen kann und andererseits die Steuern um
30 Milliarden Euro erhöhen will. Das passt nun über-
haupt nicht zusammen.
Das trifft nicht die Superreichen, das trifft den Mittel-
stand in Deutschland. Sie wissen nicht, dass für weite
Teile des deutschen Mittelstands die Einkommensteuer
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Die Grünen wollen vorbehaltlos Euro-Bonds. Sie las-
en außer Acht, dass die gegen deutsches und europäi-
ches Recht verstoßen. Normalerweise sind die Grünen
r das Verursacherprinzip. Nur hier bei den Euro-Bonds
etzen sie das völlig außer Kraft. Es sollen nicht diejeni-
en haften, die keine nachhaltige Haushaltspolitik ge-
acht haben, sondern es sollen diejenigen haften, die es
chtig gemacht haben. Da soll einmal einer verstehen,
ie das eine kluge Politik sein soll.
Wir hatten einmal nahezu einheitliche Zinssätze in
uropa. Nur: Die Peripherie – die südeuropäischen Län-
er – hat sie nicht genutzt. Diese Länder haben weiter
ie Schulden erhöht, keine Haushaltsdisziplin geübt.
etzt gibt es keine Abwertung nach außen mehr, sondern
ur noch eine innere Abwertung. Das ist schmerzhaft,
ber notwendig. Nur so kann man wettbewerbsfähig
erden.
Griechenland etwa braucht realwirtschaftliche Auf-
auhilfe. Hier hat der Bundeswirtschaftsminister erste
chritte eingeleitet. Der Rösler-Plan
etzt Schwerpunkte bei erneuerbaren Energien, bei Tou-
smus und bei der Informationstechnologie.
Italien ist in einer ganz anderen Situation, hat eine an-
ere realwirtschaftliche Stärke. Mit den Vorstellungen
on Herrn Monti, der als EU-Kommissar sehr wohl den
innenmarkt vorangetrieben hat und für Wettbewerb
tand, hat es beste Aussichten.
Beim Thema Euro-Bonds eiert die SPD. Mal springt
ie auf, mal springt sie ab. Man kann auch sagen: Die
PD „sigmar-gabrielt“ sich von Woche zu Woche – mal
uf, mal runter, nichts ist dabei klar.
Herr Kollege Brüderle, darf Ihnen eine Kollegin eine
wischenfrage stellen?
Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage.
Andere in der SPD setzen auf eine entfesselte Geld-
olitik mit allen Inflationsgefahren. Das sind die Genos-
17576 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Rainer Brüderle
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sen Gerhard Schröder und Peer Steinbrück. Sie wollen,
dass die EZB alles öffnet und „in die Vollen“ geht. Aber
das kann nur in Notsituationen geschehen
und muss zeitlich begrenzt sein, wie gestern auch Präsi-
dent Draghi zu Recht klargestellt hat.
Eine aktivistische Geldpolitik mit grenzenlosen Aufkäu-
fen wäre fatal und falsch.
Die Europäischen Verträge untersagen der EZB langfris-
tige Staatsfinanzierungen. Die Europäischen Verträge
verpflichten die EZB zur Preisstabilität, und die Euro-
päischen Verträge gewährleisten die Unabhängigkeit der
EZB. Das ist das Erbgut der Deutschen Bundesbank und
unsere Mitgift für die europäische Zukunftsentwicklung.
Sie können in Japan beobachten, wo es hinführt,
wenn man allzu großzügig, breit und langfristig angelegt
die Geldmenge vermehrt. Sie haben ein Jahrzehnt und
jetzt schon fast die zweite Dekade verloren, in der sie
keinen Aufschwung hatten. Auch die USA kommen
nicht richtig auf die Beine, obwohl die amerikanische
Notenbank, die Fed, fast per Helikopter das Geld in die
amerikanische Landschaft bringt. Greenspan hat 10 oder
15 Jahre lang auf jede Anspannung und jedes Krisenphä-
nomen mit einer sehr lockeren Geldpolitik reagiert. Das
hat möglicherweise nicht die Probleme der Finanz-
märkte ausgelöst, aber erheblich begünstigt und ver-
schärft. Hier muss Solidität und eine klare Linie herr-
schen.
Noch eines ist mir aufgefallen: Es gibt jetzt eine
große Ratingagentur in den USA, die den USA in ihrer
Einstufung ein Jahr Bewertungspause gibt. Wenn ich mir
das „Rating-Stakkato“ der amerikanischen Ratingagen-
turen zu europäischen Ländern vor Augen führe, dann
kann ich nur sagen: Diese Zahlenkonzerne haben offen-
bar eine patriotische Ader oder einen politischen Knick
in der Optik. Deshalb ist es höchste Zeit, dass Europa
eine eigenständige Ratingagentur bekommt. Diese Ein-
flussnahme, nur weil man einen Verdacht hat, ist nicht in
Ordnung und nicht fair. Sie muss endlich auch ein Ge-
gengewicht in Europa bekommen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zitieren:
Die Bundesregierung muss endlich ihre Blockade-
politik gegen Möglichkeiten aufgeben, Sanktionen
nicht nur bei übermäßigen Defiziten, sondern auch
bei übermäßigen Leistungsbilanzüberschüssen ver-
hängen zu können, um makroökonomische Un-
gleichgewichte abzubauen.
Das ist ein Beschluss des Parteitages der Grünen.
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Das Wort erhält nun der Kollege Gregor Gysi für die
raktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Also, ge-
gentlich wird man hier überfordert.
Ja, das will ich Ihnen gleich begründen.
Ich muss Ihnen sagen, Herr Brüderle: Wenn Sie den
egriff „Genosse“ in den Mund nehmen, klingt das wi-
ernatürlich.
bwohl ich sehr fantasievoll bin, fällt es mir auch sehr
chwer, mir Frau Merkel bei einem Marathonlauf vorzu-
tellen.
Zum Ernst der Situation zurück: Die Diktatur der Fi-
anzmärkte hat sich verschärft. Sie ist doch nicht abge-
aut worden, ganz im Gegenteil. Die Ursachen schildern
ie falsch, Frau Bundeskanzlerin. Nicht die Staatsver-
chuldung ist die Ursache der Krise, sondern die Macht
er Banken, der Versicherungen, der Fonds und ihre welt-
eiten Spekulationen sind die Ursachen der Krise. Genau
as führt zu der hohen Staatsverschuldung. Das ist die
ahrheit.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17577
Dr. Gregor Gysi
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Wenn man hier nicht mitgeht, dann kann man die Ur-
sachen nicht wirksam bekämpfen. Ich sage auch: Frau
Merkel, Sie finden keinen Weg aus der Krise heraus. Im
Gegenteil: Schon die EU-Gipfelbeschlüsse vor sechs
Wochen sind doch überholt. Inzwischen wird auch gegen
Italien, Belgien, selbst gegen Österreich und Finnland
spekuliert. Frankreich muss höhere Zinsen auf seine
Staatsanleihen zahlen. Deutschland versuchte, Staatsan-
leihen für 6 Milliarden Euro zu verkaufen. Was erreichte
der Bundesfinanzminister? Staatsanleihen in Höhe von
2 Milliarden Euro wurden gekauft, die restlichen 4 Mil-
liarden Euro wollte niemand haben, weil die Zinsen zu
niedrig sind. Es geht um eine andere Konstruktion.
Herr Steinmeier, in einem Punkt widerspreche ich Ih-
nen. Die Kanzlerin macht schon etwas. Sie gestaltet Eu-
ropa um – aber völlig falsch. Im Vertrag von Lissabon
gibt es zum Beispiel eine Bestimmung, die die Kontrolle
des Kapitalverkehrs verbietet. Vielleicht sollte man diese
Bestimmung einmal aufheben, wenn man den Vertrag
ändert.
Aber nun haben die Zentralbanken aus den USA, Ja-
pan, der Schweiz, Kanada und übrigens auch die EZB
eingegriffen, und zwar, indem sie den Banken Geld zu
ganz niedrigen Zinssätzen angeboten haben. Das haben
sie natürlich ganz einfach gedruckt. Darauf haben sie
auch hingewiesen. Aber das macht die EZB mit, wenn
ich darauf verweisen darf. Das Problem ist: Die Börsen
jubeln, aber den Menschen in Griechenland und Italien
nutzt das überhaupt nichts. Mit den Interessen von
99 Prozent der Bevölkerung in diesen Ländern hat das
alles gar nichts zu tun. Im Kern geht es um drei Wege,
die beschritten bzw. diskutiert werden. Es ist interessant,
diese Wege genau zu betrachten und Vergleiche anzu-
stellen.
Der erste Weg ist der – Herr Brüderle, hier sind Sie
beleidigt, aber hier hat Herr Gabriel recht –, den Reichs-
kanzler Heinrich Brüning gegangen ist, nämlich durch
drastischen Sozialabbau die Probleme angeblich zu lö-
sen. Genau diesen Weg geht für ganz Europa Frau
Merkel. Das ist ein einziger Skandal.
Das ist eine verschärfte Agenda 2010, die dort ange-
wandt wird. Die Investitionen werden in Europa zurück-
gefahren. Ihre Hoffnung ist – jetzt will ich einmal Ihrer
Theorie folgen –: Wenn man Sozialabbau betreibt, die
Renten kürzt, weitere Schikanen gegenüber der Bevöl-
kerung durchführt und sogar noch die Investitionen ab-
baut, dann werden auch die Staatsschulden geringer.
Wenn die Staatsschulden geringer werden, dann entsteht
wieder Vertrauen bei den lieben großen privaten Banken,
und dann kaufen sie wieder zinsgünstiger Staatsanleihen
auf. – So Ihre Theorie. Das hat mit der Realität aller-
dings nichts zu tun.
Wie sieht das Ergebnis aus? Das Wirtschaftswachs-
tum in Griechenland ist um 5,5 Prozent gesunken. Fast
überall herrscht Rezession. Nun kommt das Entschei-
dende – schauen wir uns einmal die Schuldenlast Grie-
chenlands an, lieber Herr Brüderle –: Im Jahre 2010 be-
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Dieser Weg ist politisch, moralisch, historisch, steuer-
olitisch und sozial falsch. Außerdem führt das Ganze
u einem dramatischen Demokratieabbau; dazu haben
ie, Frau Bundeskanzlerin, und auch Sie, Herr
teinmeier, keinen Satz gesagt. Das ist doch nicht mehr
innehmbar: In Italien und Griechenland werden Tech-
okraten eingesetzt – ohne Wahlen, ohne Veränderung.
an schickt Regierungen, die man nicht mehr haben
ill, einfach nach Hause und setzt irgendwelche Leute
in, die der EU willkommen sind. Der ehemalige Minis-
rpräsident Griechenlands sagte zu seiner Bevölkerung,
r wolle sie über den Grundkurs der Politik abstimmen
zw. sie in einem Volksentscheid darüber entscheiden
ssen. Dafür musste er seine Sachen packen. Das hat
it Demokratie nichts zu tun. Das ist ein dramatischer
emokratieabbau, den wir hier erleben.
Dieser erste Weg ist also falsch und gescheitert. Aber
s gibt einen zweiten Weg; er beschreibt sozusagen das
S-amerikanische Vorgehen, aber nicht nur das US-
merikanische, sondern auch das britische. Hier geht es
m die Euro-Bonds. Nun habe ich ja gehört, dass die
rau Bundeskanzlerin sagte: Jetzt sind Euro-Bonds
lsch. – Sie hat plötzlich das Wort „jetzt“ eingeführt.
h bin gespannt, ob das nächste Woche noch gilt.
17578 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Dr. Gregor Gysi
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Herr Brüderle hingegen sagt: Das geht überhaupt
nicht, weil das Prinzip von Ursache und Wirkung falsch
angewandt wird. Wir können doch nicht dafür haften,
dass andere Staaten Fehler gemacht haben. – Herr
Brüderle, erklären Sie der Bevölkerung doch einmal Fol-
gendes:
Wenn die Europäische Zentralbank jetzt Staatsanleihen
aus Italien, Spanien, Griechenland und anderen Ländern
im Wert von 200 Milliarden Euro hat, die nichts mehr
wert sind, und wenn die Europäische Zentralbank den
Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern der Euro-Zone,
also vornehmlich den deutschen Steuerzahlerinnen und
Steuerzahlern, gehört, wer haftet dann für diese Staats-
anleihen? Wir alle zusammen. Sie sagen also, dass Sie
etwas, das längst existiert, nicht wollen. So kann man die
Bevölkerung nicht an der Nase herumführen. Das sage
ich Ihnen ganz klar.
Die zweite Variante bedeutet natürlich, dass man Geld
drucken muss. Sie haben völlig recht: Das war schon im-
mer US-Politik. Das machen die auch heute. Das macht
auch Großbritannien. Dieser Weg ist nicht ganz so unso-
zial und nicht ganz so unmenschlich wie der erste. Aber
er führt zu Inflation, also zu Geldentwertung, und damit
letztlich auch zu mehr Armut. Deshalb ist auch dieser
Weg falsch.
Es gibt einen dritten Weg; das ist der, den wir vor-
schlagen. Sie fürchten ihn aus verschiedensten Gründen;
aber er ist der einzige Weg, der funktionieren könnte. Es
passt Ihnen nicht; aber dieser Weg führt aus der Krise,
und zwar ohne Deflation und ohne Inflation. Was ist zu
tun? Die bedrohten Staaten müssen aus ihrer Abhängig-
keit von den großen privaten Banken, Fonds und Versi-
cherungen befreit werden. Das ist der einzig mögliche
Weg.
Sie allerdings geben den Banken ständig nach. Sie er-
kennen nicht – oder wollen nicht erkennen –, dass der
Weg, den wir vorschlagen, die einzige Möglichkeit ist.
Wir brauchen eigentlich eine europäische Bank, die
das Geld der Europäischen Zentralbank nehmen und den
bedrohten Staaten zinsgünstige Kredite geben müsste.
Das wäre deshalb eine Lösung, weil die amerikanischen
Ratingagenturen dann machen könnten, was sie wollen.
Sie könnten Griechenland sogar ein „Z“ geben – was es
nicht gibt –, also komplett herabstufen. Wenn Griechen-
land von dieser europäischen Bank weiterhin zinsgüns-
tige Kredite bekäme – und Italien, Spanien, Portugal ge-
nauso –, könnten die Ratingagenturen erzählen, was sie
wollten. Wir hätten dadurch endlich die Unabhängigkeit
dieser Staaten von den großen privaten Banken herge-
stellt, und genau das brauchen wir.
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agte dort interessanterweise Folgendes: Banken wie die
eutsche Bank sind so groß, dass keine Regierung es
ich leisten könnte, sie pleitegehen zu lassen, weder eine
nke noch eine rechte Regierung. Das sei gar nicht mög-
ch, sagt sie. Was heißt das denn? Das heißt, wir sind er-
ressbar. Das heißt, die Deutsche Bank kann machen,
as sie will. Sie würde immer gerettet werden, ganz
gal, ob sich die Regierung rechts oder links nennt oder
s auch ist.
Ja, und genau das ist nicht akzeptabel, Herr
ppermann. – Deshalb muss man diese Banken verklei-
ern und dann öffentlich-rechtlich gestalten. Es gibt kei-
en anderen Weg.
Öffentlich-rechtlich gestalten“ heißt, sie wie die Spar-
assen, die ARD oder das ZDF zu gestalten. Das heißt
icht, dass der Finanzminister direkt Weisung geben
ann. Eine öffentlich-rechtliche Einrichtung könnte das
anze sehr viel besser regeln.
Die Sparkassen sind nicht unser Problem, sondern die
roßen Privatbanken. Deshalb müssen wir einen anderen
eg gehen. Dann könnten die Banken endlich wieder
ienstleister der Realwirtschaft und der Bürgerinnen
nd Bürger werden und würden sie nicht mehr beherr-
chen. Die großen Konzerne, die noch etwas herstellen,
lso die Realwirtschaft, müssten jetzt eigentlich dazu
ufrufen, die Linke zu wählen, weil wir die Einzigen
ind, die wollen, dass die Banken ihnen wieder dienen
nd nicht bestimmen, was sie zu tun haben. Das ist ja
merhin ein Schritt in eine vernünftige Richtung.
Das reicht aber auch noch nicht. Wir müssen natürlich
uch eine drastische Regulierung der Finanzmärkte her-
eiführen – das gilt auch für öffentlich-rechtliche Ban-
en –, indem wir Hedgefonds, Leerverkäufe etc. verbie-
n. Ich fand das Interview, das Herr Soros,
ultimilliardär und König der Hedgefonds, dem Stern
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17579
Dr. Gregor Gysi
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gegeben hat, sehr interessant. Er ist dort gefragt worden,
wer eigentlich schuld sei. Das geht auf die Frage der
Frau Bundeskanzlerin zurück. Sie haben ja gesagt, die
Politik sei schuld. Er hat das auch gesagt, aber er hat das
anders begründet. Er wurde gefragt: Sind Sie nicht
schuld? Sie haben doch mit Ihren Leuten weltweit spe-
kuliert. Sie haben das doch herbeigeführt. – Er sagte: Ja,
das stimmt; aber wir sind trotzdem nicht schuld. Schuld
ist die Politik; denn die hat es uns ja erlaubt. Der Mensch
ist von Natur aus gierig; dann sind wir halt, wie wir sind.
Wenn sie es uns verboten hätten, dann hätten wir es ja
nicht gemacht. – Ich finde, das ist das beste Plädoyer da-
für, endlich eine Regulierung der Finanzmärkte herbei-
zuführen.
Herr Kollege Gysi.
Ich bin gleich fertig, Herr Präsident.
Daneben brauchen wir unbedingt eine Vermögen-
steuer. Es ist nicht mehr zu akzeptieren, dass die Vermö-
genden in der Euro-Zone noch nicht einmal mit einem
halben Euro zur Finanzierung der Krise herangezogen
werden. Lassen Sie mich nur ein Beispiel nennen: 2 000
griechische Familien besitzen 80 Prozent des Vermögens
Griechenlands. Die besagte Frau Kohl sagt dazu: Die
kann man aber nicht heranziehen, weil sie ihr Vermögen
schon ins Ausland gebracht haben. – Abgesehen davon,
dass das bei Grundstücken nicht geht, sage ich: Dann
führen wir eben US-amerikanisches Recht ein. Jeder
Staatsbürger und jede Staatsbürgerin haftet für die Steu-
ern in diesem Land, egal wohin sie das Vermögen ver-
schieben. Das wäre doch nicht zu viel verlangt.
Herr Bofinger, der Wirtschaftsweise der Regierung,
hat gesagt: Ihr Weg führt ins Desaster. – Das stimmt,
Frau Bundeskanzlerin. Sie müssen den Mut haben, end-
lich die Unterordnung unter die Banken aufzugeben. Sie
müssen den Mut haben, die Banken diesbezüglich zu
entmachten. Nur so kann man übrigens einen Markt und
etwas Soziales herstellen. Die Priorität der Banken muss
endlich überwunden werden. Dann – und nur dann – be-
kommen wir ein Europa für die Menschen.
Das Wort erhält nun der Kollege Volker Kauder für
die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Wir sind in einer wirklich außergewöhnlichen Situation.
Wir alle müssen uns anstrengen, um Europa aus dieser
Krise und durch diese Krise zu führen. Da hat das deut-
sche Parlament seine eigenen Positionen und seine eige-
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Immer langsam! Ich will Ihnen einmal etwas sagen:
h war es nicht, der den früheren Bundeskanzler als
roßen Europäer eingeführt hat; das waren Sie. Wenn
ie das machen, dann müssen Sie auch mit den Punkten
ben, an denen offenkundig wird, dass er sich selber
nd einige parteipolitische Interessen vertreten hat, aber
icht die Interessen Europas und schon gar nicht die In-
ressen Deutschlands. Das muss hier gesagt werden.
uf Ihrem Parteitag können Sie solche Sprüche machen;
a sind wir nicht dabei. Aber hier lassen wir Ihnen das
damit das ganz klar ist – nicht durchgehen.
Zu Europa. Die Bundeskanzlerin hat heute hier ganz
lar formuliert, dass das, was notwendig ist, um Europa
u stabilisieren, mit dem bisherigen Instrumentarium
icht geht. Wir waren uns in unserer gemeinsamen Er-
lärung einig, dass es einige Dinge gibt, die sich ändern
üssen. Die Position war, dass wir die Europäische
ommission in die Lage versetzen müssen, Haushalte zu
egutachten und daraufhin Empfehlungen auszuspre-
hen.
17580 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Volker Kauder
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Wir waren uns doch einig, dass wir einen Automatismus
brauchen, damit genau der Fall nicht mehr eintritt, dass
durch politische Entscheidungen Verfehlungen einfach
unter den Tisch gekehrt werden. Dazu braucht man eine
Änderung in den europäischen Verträgen. Wir waren uns
auch darin einig, dass es Sanktionen geben muss, deren
Durchsetzung wir vor dem Europäischen Gerichtshof
einklagen können.
Dies alles, was auch Sie richtig finden und was wir in
unserer gemeinsamen Erklärung gesagt haben, ist doch
nur die Folge davon, dass wir von Anfang an einen fes-
ten Grundsatz verfolgt haben: Wir sind solidarisch, aber
Hilfe gibt es nur, wenn die notwendigen Gegenleistun-
gen erbracht werden. – Glauben Sie, irgendjemand in
Europa hätte auch nur einen entscheidenden Schritt ge-
macht, wenn das gemacht worden wäre, was Sie von An-
fang an verlangt haben? Sie wollten Euro-Bonds und
wollten Geld geben; damit wäre für Sie die Sache erle-
digt gewesen.
Aber das hätte uns überhaupt nicht weitergebracht.
Frau Bundeskanzlerin, der Weg, den Sie beschritten ha-
ben und den wir von der Koalition immer begleitet ha-
ben, ist richtig. Wir sagen: Es gibt Hilfe und Unterstüt-
zung, aber es sind auch notwendige Schritte zu gehen.
Ich glaube, dass der bevorstehende Gipfel entschei-
dende Möglichkeiten bietet. Ich weiß sehr wohl, dass wir
im deutschen Parlament in einem gewissen Zielkonflikt
sind. Die Bundeskanzlerin hat uns gesagt, welche zentra-
len und wichtigen Punkte auf dem Gipfel besprochen
werden sollen. Da unterstützen wir die Bundesregierung.
Aber klar ist auch, dass wir im Vorfeld nicht jedes De-
tail, über das verhandelt wird, bis auf Punkt und Komma
festlegen können. Rainer Brüderle hat völlig recht, wenn
er sagt: Wir sorgen für die Leitplanken – diese haben wir
formuliert –, zwischen denen sich die Regierung bewegt,
und dann unterstützen wir die Regierung, damit sie das
erfolgreich zu Ende bringt. – Bislang sagt uns die Erfah-
rung: Angela Merkel ist dies immer gelungen. Wir wün-
schen ihr viel Erfolg und Glück für den kommenden
Freitag.
Dass wir die notwendigen Veränderungen durchset-
zen können, zeigt, glaube ich, die Entwicklung in der
letzten Zeit. Herr Gysi, man kann leicht daherreden und
sagen: Da stürzen ganze Regierungen. – Heute lese ich
in den Zeitungen – das mag Sie vielleicht sogar bedrü-
cken –, dass nicht mehr die Opposition entscheidet, ob
eine Regierung im Amt bleibt oder nicht, sondern die Fi-
nanzmärkte. Bei uns entscheiden weder die Finanz-
märkte noch Sie; das ist ein Glücksfall für uns.
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azu hätte ich mir eine kritische Anmerkung der Grünen
uf ihrem Parteitag gewünscht. Aber da wird so getan,
ls ob ein Held habe gehen müssen. Nein, hier hat sich
mand nicht an Vereinbarungen gehalten.
chon früher bestand das Problem in Europa darin, dass
an sich nicht an Vereinbarungen gehalten hat. Das
uss sich grundlegend ändern. An Vereinbarungen, an
emeinsame Regeln müssen wir uns alle halten, weil es
onst, wie wir gesehen haben, schiefgeht. Das ist die Er-
hrung aus unserer Geschichte.
Wir werden in der nächsten Zeit sicherlich immer
ieder über die Situation in Europa reden. Wir stellen
ber auch fest: Obwohl es Schwierigkeiten gibt und wir
mer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert
ind – da widerspreche ich dem einen oder anderen –,
ommen wir Schritt für Schritt voran. Wir müssen vor
llem das Grundübel beseitigen; wir müssen die Schul-
enpolitik beenden. Da, Herr Steinmeier, kann ich mich
ur wundern. Wo waren Sie während der Haushaltsbera-
ngen in der letzten Woche?
ie kann man von diesem Rednerpult aus – wohl wis-
end, dass die ganze Welt zuschaut – den Satz sagen,
ass wir in Deutschland bei der Haushaltskonsolidierung
icht vorankommen?
ie müssen woanders gewesen sein. Sie haben wahr-
cheinlich noch an die Zeit der rot-grünen Politik ge-
acht. Damals ist es nicht gelungen, bei der Konsolidie-
ng Fortschritte zu machen. Aber wir sind bei der
aushaltskonsolidierung wirklich hervorragend voran-
ekommen und geben damit ein Beispiel, wie man es
achen muss. Deswegen sind wir in einer so guten Si-
ation.
Ich kann zu den Grünen nur sagen – das habe ich auch
der Haushaltsdebatte getan –: Es ist abenteuerlich,
ass unsere heimische Wirtschaft, also genau diejenigen,
ie dazu beigetragen haben, dass wir in Deutschland er-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17581
Volker Kauder
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folgreich sind, nämlich der Mittelstand, aber auch Groß-
industrie, Automobilindustrie, Maschinenbau, auf Ih-
rem Parteitag besonders ins Visier geraten ist. Ich sage
es noch einmal: Mit Ihren Fahrradläden werden Sie das
Wirtschaftswachstum nicht ankurbeln, sondern nur mit-
hilfe der mittelständischen Industrie und der Automobil-
industrie in unserem Land.
Im Hinblick auf Europa haben wir einiges erreicht.
Eines sollten wir klar und deutlich sagen – schauen wir
uns einmal die Zahlen auch im Verhältnis zum Dollar
an –: Wir haben zwar eine Staatsschuldenkrise: aber wir
können wirklich froh darüber sein, dass der Euro noch
immer stabil ist. Wer meint, der Euro stehe am Abgrund,
redet Unsinn. Der Euro ist stabil.
Europa wird sich in Zukunft gut entwickeln, wenn wir so
weitermachen, wie wir das getan haben. Die Verschul-
dung muss allerdings zurückgeführt werden; das muss
erreicht werden.
Sie können auch mithelfen, dass die Schuldenbremse
überall eingeführt wird. Das ist ein gutes Instrument, um
auf den rechten Weg zu kommen.
Herzlichen Dank.
Jürgen Trittin ist der nächste Redner für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Kauder, bleiben wir einfach bei den Fakten. Sie haben
hier letzte Woche einen Haushalt verabschiedet, der eine
höhere Neuverschuldung vorsieht, als wir sie im letzten
Jahr gehabt haben. Sie erzählen dem Rest Europas öf-
fentlich, es solle sparen. Aber Sie selber sind dazu nicht
in der Lage.
Damit noch nicht genug. Sie erklären auch noch: Wir
wollen so weitermachen. Auf diese zusätzlichen Schul-
den für das nächste Jahr setzen Sie noch Steuersenkun-
gen auf Pump. Das ist Ihre solide Finanzpolitik. – Das
hat mit Solidität gar nichts zu tun.
Ich hätte mir gewünscht, lieber Herr Kauder, Sie hät-
ten hier Ihre unseligen Äußerungen vom Parteitag zu-
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h hätte mir, Frau Bundeskanzlerin, wenn Herr Kauder
azu nicht in der Lage ist, wenigstens von Ihnen ge-
ünscht, dass Sie klargestellt hätten, dass diese Art und
eise des Umgangs mit unseren Partnern in Europa
icht die Position der Bundesregierung bzw. der Bundes-
publik Deutschland ist.
Ihre Regierungserklärung, Frau Bundeskanzlerin, war
ieder sehr stark von dem Grundprinzip charakterisiert:
er Weg ist das Ziel. Um das ein bisschen zu bemänteln,
aben Sie das Bild des Marathonläufers bemüht.
assen Sie uns einmal bei diesem Bild bleiben. Das
ichtigste, was man bei einem solchen Lauf berücksich-
gen muss, ist:
an sollte sich vorher über die Strecke kundig machen.
nsonsten geht es Ihnen wie Ihrem Wirtschaftsminister,
er erst in die falsche Richtung rennt und sich dann im-
er nur im Kreis bewegt.
Wenn man einen Marathon laufen will, dann muss
an ihn nicht nur zu Ende bringen, sondern man muss
uch anfangen, zu laufen. Das ist aber genau das, was
ie zurzeit nicht machen. Sie sagen: Wir werden nichts
nternehmen, bevor nicht Vertragsänderungen und Ähn-
ches vorgenommen werden. Das heißt, Ihr Marathon-
uf hat noch gar nicht begonnen. Dies ist in der jetzigen
ituation schlicht und ergreifend fahrlässig.
Die Botschaft, beispielsweise in Richtung Italien, lau-
t: Bevor überhaupt etwas passiert, soll das Land erst
inmal sparen. Ich will nur kurz darauf hinweisen, was
alien bevorsteht. Italien muss im nächsten Jahr
70 Milliarden Euro refinanzieren. Das ist mehr als der
undeshaushalt. Im Jahr darauf werden es 200 Milliar-
en Euro sein. Italien muss zurzeit auf dem Markt 8 Pro-
ent Zinsen für seine Refinanzierung zahlen. Glauben
ie, dagegen könnte man mit irgendeiner staatlichen
parpolitik ansparen? Das ist schlicht und ergreifend un-
öglich.
17582 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Jürgen Trittin
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Das sage nicht nur ich, sondern das hat Ihnen auch Ihr ei-
gener Sachverständigenrat ins Stammbuch geschrieben.
Er hat ausgerechnet, was Italien erwirtschaften müsste,
wenn es die Maastricht-Kriterien innerhalb von 20 Jahren
einhalten wollte. Italien müsste jedes Jahr einen Primär-
überschuss von 8 Prozent erwirtschaften. Nein, das, was
Sie dem Rest Europas predigen, praktizieren Sie nicht
nur selber nicht, sondern es ist auch eine Auflage, die das
Problem nicht lösen wird. An deren Ende steht das Zer-
brechen der Euro-Zone und damit des gemeinsamen Eu-
ropas.
Darüber mache ich mir Sorgen. Wollen wir dabei taten-
los zugucken?
Der Kollege Kauder hat sich nicht entblödet, den Ver-
gleich mit der Fahrradproduktion zu bringen. Ich würde
Ihnen raten, lieber Herr Kollege Kauder, die Firma
Daimler zu besuchen und Herrn Zetsche zu fragen, was
er glaubt, was mit seinem Unternehmen passiert, wenn
die Euro-Zone auseinanderbricht und es in der Kern-
Euro-Zone zu einer Aufwertung um 20, 30 oder 50 Pro-
zent kommt. Dann wären die Arbeitsplätze in Untertürk-
heim und Sindelfingen aber sehr akut in Gefahr. Das
nehmen Sie mit Ihrem Nichthandeln zurzeit billigend in
Kauf. Das ist das Problem, das der Industriestandort
Deutschland hat: Sie sind fahrlässig.
Hören Sie auf, das deutsche Volk zu belügen! Es ist
eine Lüge, wenn Sie sagen: Sie haften nicht für Anleihen
anderer. Herr Gysi hat recht. Bei der EZB liegen
200 Milliarden Euro Staatsanleihen, für die Deutschland
mit 54 Milliarden Euro haftet. Bei der EZB liegt aber
noch mehr: Sie hat Kredite an die südeuropäischen Ban-
ken vergeben. Wir haften zurzeit für 460 Milliarden
Euro davon. – Ich könnte das weiter fortsetzen. Nehmen
Sie nur die Verbindlichkeiten, die diese Staaten bei deut-
schen Banken haben: 525 Milliarden Euro.
Das ist die finanzielle Dimension, um die es hier geht.
Wir reden von einer dramatischen Situation, und Frau
Merkel sitzt auf ihrem Stuhl und überlegt sich, ob sie ir-
gendwann die Turnschuhe aus dem Schrank holen soll.
Nein, jetzt muss gehandelt werden. Das heißt, Italien,
Spanien und die anderen betroffenen Länder müssen
sich refinanzieren können.
Wenn es mit dem Hebel nicht klappt, dann wird man et-
was anderes machen müssen. Frau Merkel ist inzwi-
schen sehr interessiert, was die Euro-Bonds angeht.
Eben hat sie gesagt: Darüber muss man sich jetzt nicht
streiten; sie kommen sowieso.
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ber wenn sie kommen, dann wird es zu spät sein. Also
üssen wir etwas anderes machen. Selbstverständlich
üssen wir das Volumen für die EFSF vergrößern. Wenn
s mit der Hebelung nicht klappt, geht dies nur über eine
anklizenz. Dann kann man das politisch steuern. Das
t vernünftig. Ich sage Ihnen in aller Ruhe: Es ist die
essere Alternative zu dem, was sonst bleibt,
ämlich die direkte Finanzierung durch die EZB ohne
de Sparauflage. Deswegen muss das jetzt kommen.
Sie brauchen auch einen verlässlichen Pfad zur Til-
ung der europäischen Schulden.
ir müssen mit dem Schuldenabbau Ernst machen. Ich
te Ihnen: Lesen Sie das Gutachten Ihrer eigenen Sach-
erständigen! Da findet sich ein sehr lesenswerter Vor-
chlag. Herr Schäuble hat gesagt: Ich übernehme Teile
avon. – Aber er übernimmt das Wesentliche nicht. Das
esentliche, um die Finanzmärkte von Europa und von
iesem gemeinsamen Euro zu überzeugen, ist, dass klar-
estellt wird: Dieses Europa steht füreinander ein. Dann
uss auch klargestellt werden, dass jedes Land seinen
chuldentilgungsverpflichtungen nachkommt. Dafür hat
er Sachverständigenrat mit dem Schuldentilgungsfonds
in richtiges, ein kluges, ein gutes Modell vorgestellt. So
ommt man aus der Krise heraus, so spart man Geld, so
tellt man finanzielle Solidität wieder her.
Und schließlich, meine Damen und Herren: Ja, wir
rauchen Vertragsänderungen, aber nicht anstelle jetzi-
en Handelns, sondern zusätzlich zu diesem Handeln.
Frau Bundeskanzlerin, es war übrigens nicht die Poli-
k, die die Währungsunion geschaffen hat, das war nicht
ine anonyme Macht, sondern das war der Bundeskanz-
r Helmut Kohl – ich meine mich zu erinnern, Sie wa-
n damals in seinem Kabinett –, es war eine Mehrheit
Bundesrat, die aus A-Ländern bestand, und es war
uch die grüne Partei. Wir alle haben uns für diese ge-
einsame Währung ausgesprochen. Wir haben dies ge-
einsam in dem Wissen getan, dass es Defizite gibt.
enn wir haben gesagt: Nach der deutschen Einheit wol-
n wir diesen wichtigen Schritt gemeinsam gehen.
Nun geht es darum, diesen Schritt tatsächlich zu ge-
en und von der Währungs- zu einer Wirtschaftsunion
u kommen. Nur, Sie haben nichts zum Inhalt gesagt.
as ist eigentlich mit den Vorschlägen von Nicolas
arkozy, der gestern verkündet hat, dieses neue Europa
oll kein institutionelles, kein gemeinschaftliches Eu-
pa sein,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17583
Jürgen Trittin
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sondern es soll das Europa der Regierungen sein? Er will
sogar das Schengen-Abkommen aufheben, das heißt, er
will die europäische Freizügigkeit abschaffen. Wenn Sie
denn unbedingt über Vertragsänderungen reden wollen,
dann hätte ich dazu ein klares Wort von Ihnen erwartet.
Das, was er vorgeschlagen hat, ist kein gemeinsames Eu-
ropa.
Sie müssen jetzt handeln. Spanien und Italien müssen
sich refinanzieren können. Wir brauchen einen tatsächli-
chen Schuldenabbau durch einen gemeinsamen Schul-
dentilgungsfonds. Wir brauchen Schritte hin zu einer
echten Wirtschafts- und Währungsunion. Damit müssen
wir klarmachen: Dieses Europa steht zusammen, es hält
zusammen. Das müssen wir in aller Deutlichkeit sagen,
und das müssen wir nicht nur auf Deutsch sagen, das
müssen wir auch auf Griechisch, auf Italienisch und in
allen anderen Sprachen sagen. – So viel zum Abschluss
zu Herrn Kauder.
Nächster Redner ist der Kollege Hermann Otto Solms
für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
gen! Man muss zunächst noch einmal daran erinnern,
was die Ursache für die Krise war. Ursache für die Krise
ist die unmäßige Verschuldungspolitik der Staaten – üb-
rigens Deutschlands genauso wie anderer Staaten –, und
nichts anderes.
Wer die Krise bekämpfen will, muss die Ursache be-
kämpfen. Der kann sich nicht nur Gedanken über die Fi-
nanzierung dieser Situation machen, wie das eben der
Kollege Trittin gemacht hat. Noch vor kurzem hat er von
Euro-Bonds gesprochen. Dann ist ihm widersprochen
worden; es ist gesagt worden, dass Euro-Bonds zu einer
gesamtschuldnerischen Haftung der deutschen Steuer-
zahler führen würden. Er hat gemerkt, das ist nicht so
sehr populär. Jetzt redet er von einer Banklizenz. Das ist
aber nichts anderes. Das heißt nämlich, dass die Funk-
tion der Europäischen Zentralbank zur Finanzierung auf
den Fonds übertragen wird, und dann wird eben wieder
Geld geschöpft und so finanziert.
Ich sage noch einmal: Es geht nicht um die Finanzie-
rung der Krise, es geht um die Lösung der Krise. Das ist
das Entscheidende.
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as sind wir dem deutschen Steuerzahler schuldig, um
n zu schützen. Eine andere Alternative gibt es über-
aupt nicht.
Herr Kollege Solms, darf Ihnen der Kollege Ernst
ine Frage stellen?
Nein, ich habe nur drei Minuten. Ich möchte jetzt
icht unterbrochen werden.
Die Schulden der Unionsstaaten haben heute ein Ni-
eau von etwa 8,3 Billionen Euro, also 8 300 Milliarden
uro, erreicht. Das sind im Durchschnitt 90 Prozent des
emeinsamen Bruttoinlandsproduktes;
ulässig sind eigentlich 60 Prozent. Wenn Sie sich diese
olumina, diese Dimensionen anschauen, erkennen Sie,
ass Sie dieses Problem nicht in ein oder zwei Jahren lö-
en können;
ielmehr müssen diese Schulden auf einem langen Weg
bgebaut werden. Entscheidend ist – das ist wie beim
arathonlauf –: Sie müssen anfangen, zu laufen.
ieses Anfangen – zu laufen – war die Verabschiedung
er Ertüchtigung der EFSF, der Sie ja zugestimmt haben.
a beginnt der Prozess der Entschuldung, der für die
taaten bedingt abläuft – das ist nicht wie bei den Euro-
onds; da wäre es unbedingt –; das heißt, sie werden ge-
wungen, für Hilfsleistungen Gegenleistungen zu geben,
ämlich ihre Ausgaben einzuschränken und ihre Wirt-
chaft zu ertüchtigen.
arauf kommt es an. Wenn das gelingt und dieser Weg
chritt für Schritt, Jahr um Jahr konsequent fortgesetzt
ird – das ist die Aufgabe –, dann wird das Problem ge-
17584 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Dr. Hermann Otto Solms
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löst werden und dann wird das Vertrauen der Märkte
ganz schnell zurückkommen.
Einen schnellen, kurzfristigen Weg – das sage ich
auch den Kritikern in den eigenen Reihen; Frank
Schäffler war ja gerade noch da – gibt es nicht. Wer ei-
nen solchen Weg gehen will, der riskiert den schnellen
Zusammenbruch der Märkte. Das würde eine weltweite
Finanz- und Wirtschaftskrise auslösen. Dieses Risiko
darf man auf keinen Fall eingehen. Wir müssen den ge-
ordneten Weg des Abbaus der Schulden und der Stabili-
tät der Finanzen in den europäischen Staaten gehen.
Dann wird das Vertrauen der Märkte auch wieder zu-
rückkehren.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Joachim Poß ist der nächste Redner für die SPD-Frak-
tion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber
Kollege Kauder – er verlässt gerade den Saal –,
Ihre Äußerung, dass Deutsch gesprochen wird, ist ein
Beleg dieser Krise. Sie zeigt nämlich die Angst vor den
Wählerinnen und Wählern. Aber was nützen Ihnen sol-
che nationalen Töne, wenn Sie damit überhaupt keine
europäische Lösung erreichen können?
Was nützt Ihnen das?
Die totale Verengung des Blickfeldes auf die Innen-
politik ist das Kennzeichen dieser Koalition.
– Nein, nein. Das wird weltweit festgestellt: Es gibt eine
totale Verengung auf die Innenpolitik. – Wer sich so ver-
hält, wird dem Ausmaß dieser Krise nicht gerecht.
Sie starten Angriffe auf die Opposition und wollen
von der katastrophalen eigenen Situation ablenken; denn
Sie in der Koalition stehen ja kurz vor dem Auseinander-
brechen.
Wenn der Mitgliederentscheid in der FDP nicht so aus-
fällt, wie es Herr Rösler und die Führung gern hätten,
was ist denn dann mit der Bundesrepublik Deutschland?
Ist dieses Land, das wegen des Zustandes der Koalition
schon jetzt nicht voll handlungsfähig ist, dann in der
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Bevor Sie gegen uns polemisieren, sollten Sie wirk-
ch überlegen, wie Sie mit gemeinschaftlichem Handeln
eiträge leisten, diese Krise zu bewältigen. Dazu gab es
der heutigen Debatte viele kluge Anmerkungen, die
h aus Zeitgründen gar nicht wiederholen kann. Sie ha-
en also überhaupt keinen Anlass, Herr Kauder, Herr
rüderle – auch die Kanzlerin –, solche Töne anzuschla-
en. Das Spiel, das Sie jetzt spielen, gefährdet letzten
ndes Hunderttausende von Arbeitsplätzen hier in der
undesrepublik Deutschland. Das gefährdet eventuell
ie Zukunft der Euro-Zone. Darum geht es, wenn Sie
ich nur noch parteitaktisch orientieren. Frau Merkel hat
eute nicht erkennen lassen, dass sie gewillt ist, weiter-
udenken und auch Türen zum Nachdenken zu öffnen.
ie hat wieder nur den Stabilitätskurs betont, den auch
ir für richtig halten; aber er reicht nicht aus. Wo war
enn die Wachstumskomponente? Das war ja quasi nur
ls Nachklapp dabei. Das reicht für die größte Volkswirt-
chaft in Europa und für die politische Führung dieses
andes lange nicht aus. Frau Merkel, Sie spielen mit den
teressen der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
ehmer, und darauf müssen wir hier hinweisen.
Die Krise, mit der wir es zu tun haben, kennen Sie
elbst, und es geht ja weiter. Die Menschen stellen sich
ie Frage, ob die Politik der Probleme noch Herr werden
ann. Wir müssen alle aufpassen, dass die Staatsfinan-
ierungs- und Finanzkrise nicht zu einer Krise von staat-
cher Legitimation und der Demokratie wird. Insoweit
äre es wichtig, dass auch Sie überlegen, wie es gerech-
r in diesem Lande zugehen kann, als das derzeit der
all ist. Das gilt nicht nur für Griechenland, wo die
rage der Ungerechtigkeit mit Händen zu greifen ist,
ondern auch für die Bundesrepublik Deutschland. Auch
a vergeben Sie Tag für Tag Chancen, die Krise in richti-
er Weise anzugehen.
Mich hat mit größter Sorge erfüllt, dass Frau Merkel
ier schon wieder dieselben taktischen Spiele treibt und
us den letzten zwei Jahren nichts gelernt hat.
Nein, diese Rede ist gerechtfertigt, weil von Frau
erkel keine neuen Signale kommen, und wenn, dann
ienen diese Signale nur dem Selbstschutz. Sie tastet
icht die Unabhängigkeit der EZB an. Wie edel! Aber
as ist ja ihr Selbstschutz. Deswegen schaut sie zu, wie
ie EZB jetzt handelt. Das ist nämlich der Hintergrund
ieser Äußerung von Frau Merkel.
Es besteht die Gefahr einer Politik der verbrannten
rde, in Europa wie auch bei Ihren eigenen Leuten, bei
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17585
Joachim Poß
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Ihren Anhängern und in der eigenen Koalition. Die eige-
nen Leute wissen eben auch immer weniger, wofür Sie
stehen, Frau Merkel, und was Ihre Überzeugungen sind.
Unbestritten ist bei Ihnen die Stabilitätsunion, und da-
rüber hinaus kommt von Ihnen überhaupt nichts mehr.
Wenn Sie auf Helmut Kohl verweisen: Bei aller Kritik
an Helmut Kohl glaube ich, dass sich Helmut Kohl in
dieser Krise anders, angemessener verhalten hätte, als
Sie das tun.
Ein Letztes. Herr Kauder, Sie haben Gerhard
Schröder angesprochen. Gerhard Schröder hat die Ak-
tion damals gemacht, um das Aufkommen des Rechtsra-
dikalismus hier in Europa zu bekämpfen. Dass das drin-
gend notwendig ist, können wir in diesen Tagen
beobachten.
Nächster Redner ist der Kollege Michael Meister für
die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen vor einer einma-
ligen Herausforderung in der Weltgeschichte: Das Pro-
blem, dass wir eine Währungsunion hatten, die in Turbu-
lenzen kam, dass dabei Landesgrenzen überschritten
wurden und dass es dabei keine Zentralregierung an der
Spitze gab, ist noch nicht vorgekommen. Deshalb gibt es
auch kein Drehbuch zur Bewältigung dieser Krise, und
deshalb möchte ich zunächst seitens meiner Fraktion der
Bundeskanzlerin und der Bundesregierung ein riesiges
Kompliment dafür machen, dass wir uns bisher auf die-
sem Neuland so gut bewegt haben und dass wir einen
klaren Plan haben, wie wir diese Krise bewältigen wol-
len.
Es ist schon merkwürdig, Herr Steinmeier, dass Sie
hier von Ihrem rot-grünen Expertentum sprechen. Rot-
Grün ist nicht die Lösung, sondern eine wesentliche Ur-
sache dieser Krise.
Griechenland ist unter Ihrer Zustimmung gegen jegliche
ökonomische Vernunft beigetreten. Der Stabilitätspakt
wurde von Gerhard Schröder, Frank-Walter Steinmeier
und Hans Eichel gegen jegliche Vernunft aufgeweicht.
Die Deregulierung der Finanzmärkte, die in Spanien
und Irland ins Elend geführt hat, wurde von der rot-grü-
nen Regierung betrieben und befürwortet. Sie sind die
Ursache, aber nicht die Lösung des Problems. Mit Ihren
Behauptungen machen Sie hier reine Innenpolitik.
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An der Stelle geht die Bundesregierung richtig voran.
ir sparen auf der Ausgabenseite – keine höheren Aus-
aben –, und wir haben, was die Einnahmen betrifft, un-
ere Erwartungen für das nächste Jahr gesenkt. Dazu
ill ich sagen: Auch das zeugt von einer anderen Kultur.
nter Rot-Grün hatten Sie einen Finanzminister, der je-
en seiner Haushalte auf Kante genäht und uns dann am
ahresende erklärt hat, dass es leider schiefgegangen ist
nd die Schulden gestiegen sind. Mir ist ein Finanz-
inister Wolfgang Schäuble, der am Anfang konservativ
lant und dann seine Planungen positiv übertrifft, lieber
ls jemand, der uns erklären muss, dass es schiefgegan-
en ist. Deshalb machen wir weiter mit dieser richtigen
ultur.
Auf europäischer Ebene sollte man die möglichen Al-
rnativen kennen und abwägen. Herr Kollege Poß hat
ben kritisiert, wir würden zu viel Innenpolitik machen,
nd dann hat er eine innenpolitische Rede gehalten. Wir
tehen klar zu Europa, wir wollen Europa. Wir stehen
lar zum Euro, und wir wollen den Euro nicht nur dauer-
aft, sondern wir wollen ihn auch als stabile Währung.
afür treten wir ein. Dafür begeben wir uns nicht in in-
enpolitische Scharmützel, sondern wir stellen die rich-
gen Weichen für die Zukunft Europas und für die Zu-
unft eines stabilen Euro.
Wie sehen denn die Alternativen aus? Wir glauben
icht, dass wir unter den jetzigen Rahmenbedingungen
ine gemeinsame Haftung für die Schulden aller Mit-
liedsländer verantworten können. Das setzt die falschen
nreize, weil dann diejenigen, die seit jeher das Schul-
enmachen gewohnt waren, auch in Zukunft auf Kosten
nderer leben werden. Deshalb würde das – da hat die
anzlerin recht – die Krise nicht lösen. Das wäre eine
cheinlösung und würde die Krise über die Zeit ver-
17586 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Dr. Michael Meister
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)
schlimmern. Deshalb Nein zu einer Haftungsgemein-
schaft.
Wenn ich einen stabilen Euro auf Dauer will, dann ist
die absolute Grundlage dafür eine unabhängige Zentral-
bank. Wer das Postulat einer unabhängigen Zentralbank
vertritt, der kann als Politik nicht andauernd Entschei-
dungen der Zentralbank kommentieren, kluge Aufforde-
rungen an sie richten und dergleichen mehr tun.
Wer Unabhängigkeit will, darf sie nicht nur fordern, son-
dern muss sie auch leben. Das heißt, Frau Merkel, wir
müssen uns an der Stelle der Kommentare enthalten und
akzeptieren, dass die Notenbank auf gesetzlich klar gere-
gelter Grundlage ihre Aufgabe für einen dauerhaft stabi-
len Euro wahrnimmt.
An der Stelle will ich auch klar sagen: Ich verstehe
nicht, was Herr Gysi formuliert hat. Er hat gesagt, dass,
wenn die Zentralbank aktiv würde, das zu Armut führen
würde. Das verstehe ich. Er hat aber auch gesagt, das
wäre die weniger unsoziale Lösung. Ich aber bin der
Meinung: Wenn die Zentralbank so massiv intervenieren
würde und am Ende das die Lösung wäre, dann wäre das
die unsozialste Lösung, die es gibt; denn die Menschen,
die sich nicht wehren können, würden von der Inflation
getroffen. Deshalb müssen wir auch dieses verhindern.
Was ich vom kommenden Freitag erwarte, ist Folgen-
des: dass wir eine klare Definition bekommen, wie die
Integration der Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa
ausschauen soll. Dabei muss nicht jeder das Gleiche tun.
Wir wollen nicht die Kultur von 2 000 Jahren in Europa
egalisieren, sondern wir wollen uns auf gemeinsame
Ziele verständigen und diese dem Subsidiaritätsgedan-
ken entsprechend umsetzen. Das Umsetzen muss aber
beaufsichtigt werden – Stichwort: Monitoring –, und es
muss geprüft werden, ob die Ziele erreicht werden. Ich
hoffe, dass wir uns miteinander am kommenden Freitag
auf einen solchen Satz von Vertragsänderungen klar und
deutlich verständigen können.
Wir haben gelernt, dass es nicht reicht, sich inhaltlich
einig zu sein. Wir müssen uns auch darüber im Klaren
sein: Wie sieht der Fahrplan aus? Dieser Fahrplan muss
im Verfahren unumstößlich eingehalten werden. Nur so
können wir Vertrauen schaffen, das wir dringend brau-
chen, um langfristig an den Märkten tatsächlich wieder
anleihefähig zu sein.
Ein kleiner Einschub, Herr Trittin. Sie haben erwähnt,
dass sich die Italiener und Spanier momentan nicht die
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ichtig ist, dass wir dauerhaft langfristige Stabilität er-
ichen. Wenn einer einmal einen Tag ein bisschen hö-
ere Zinsen zahlt, ist das doch kein Problem. Die Frage
t, wo der Zinssatz dauerhaft liegt. Deshalb müssen wir
ns um nachhaltige Stabilität bemühen. Kurzfristige Ak-
vitäten helfen nicht.
Ich würde mir wünschen – schon seit zwei Jahren –,
ass die Europäische Kommission an dieser Stelle eine
iel stärkere Rolle spielt und in diesem Sinne aktiv wird.
h bedauere, dass wir von dieser Stelle sehr oft Vor-
chläge hören, die eigentlich nicht dem klaren Kurs für
ehr Stabilität und mehr gemeinsame europäische Zu-
unft entsprechen. Ich habe hier den Wunsch, dass wir
icht nur auf unsere Bundeskanzlerin blicken, sondern
ielleicht auch eine etwas stärkere, richtigere Rolle der
U-Kommission einfordern.
Man möge mir nachsehen, dass ich kein Mitglied der
xekutive, sondern Parlamentarier bin. Ich möchte, dass
as stärker integrierte Europa auch ein demokratisches
uropa ist. Wir haben darum gekämpft, dass es bei allen
aßnahmen, die wir zur Stützung der Währung und der
emeinschaft eingeleitet haben, eine starke Beteiligung
es Deutschen Bundestages gab. Wenn wir Europa stär-
er integrieren, müssen wir jetzt auch darum kämpfen,
ass Parlamente und Abgeordnete eine demokratische
egitimierung und Kontrolle der neuen Prozesse sicher-
tellen können, und zwar nicht nur mit Blick auf Karls-
he, sondern mit Blick darauf, dass das Ganze, was wir
n, Akzeptanz in der Bevölkerung unseres Landes fin-
en muss.
In diesem Sinne hoffe ich, dass unsere Bundeskanzle-
n am kommenden Freitag erfolgreich ist, nicht nur für
ie Regierung und die Koalition, sondern für Deutsch-
nd und eine gute Zukunft Europas.
Danke schön.
Das Wort hat nun Stefan Müller für die CDU/CSU-
raktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
laube, es schadet nicht, wenn man diese Debatte nach
iner Regierungserklärung auch einmal dazu nutzt, da-
uf hinzuweisen, dass es beim Euro – bei allem, über
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17587
Stefan Müller
)
)
das wir im Augenblick im Zusammenhang mit dem Euro
diskutieren – nicht nur um unsere gemeinsame Währung
geht, sondern um ein ganz zentrales Projekt der europäi-
schen Integration. Von den Römischen Verträgen bis zur
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und zur Europäi-
schen Union, vom einheitlichen Binnenmarkt bis zu die-
ser gemeinsamen Währung ist die europäische Integra-
tion eine Erfolgsgeschichte, auf die wir alle, die in
diesem Haus einen Beitrag dazu geleistet haben, zu
Recht stolz sein können.
Die europäische Integration hat sich auch deswegen
als Erfolgsgeschichte erwiesen, weil sie die Grundlage
dafür war, diesen alten Kontinent neu zu ordnen. Wenn
die europäische Integration früher die Antwort auf die
Geschichte war, auf das, was über Jahrhunderte auf die-
sem Kontinent passiert ist, dann muss man heute fest-
stellen, dass die europäische Integration die Antwort auf
die Herausforderungen der Zukunft ist, die uns noch be-
vorstehen. Denn die aktuelle Krise zeigt, dass angesichts
einer zunehmenden Zahl grenzüberschreitender Pro-
bleme die klassischen Nationalstaaten an ihre Grenzen
stoßen. Wir nutzen die Euro-Krise, die Staatsschulden-
krise, zu Recht dazu, uns Gedanken zu machen: Was
sind denn die Aufgaben der europäischen Ebene? Was
müssen die Aufgaben der europäischen Ebene sein? Was
aber sind Aufgaben, die die Mitgliedstaaten auch in Zu-
kunft alleine lösen können?
Die wirtschaftliche und politische Globalisierung
zwingt geradezu zu mehr Zusammenarbeit und stellt uns
vor die Frage, wie wir Wohlstand und soziale Sicherheit
auch in Zukunft aufrechterhalten können. Sie stellt uns
auch vor die Frage, ob wir in Europa, damit auch
Deutschland, einfach nur einen Sitzplatz auf der Tribüne
haben oder ein aktiver Mitspieler in der internationalen
Politik sein wollen.
Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass die eu-
ropäische Integration immer wieder vor neue Herausfor-
derungen gestellt worden ist. Es ist in der Vergangenheit
immer gelungen, diese Herausforderungen, diese Krisen
zu bewältigen. Es ist in der Vergangenheit immer dann
am besten gelungen, wenn Deutschland als größtes Mit-
gliedsland die Impulse gesetzt hat. Deswegen bin ich da-
von überzeugt, dass wir auch diese Krise meistern kön-
nen, weil Deutschland vorangeht, weil Deutschland
gemeinsam mit Frankreich Impulse setzt und weil diese
Bundesregierung an dieser Stelle Verantwortung zeigt.
Es ist darauf hingewiesen worden: Bei dieser Krise
geht es eben nicht um eine Krise des Euro. Es ist keine
Euro-Krise, sondern es ist eine Staatsschuldenkrise.
Diese Staatsschuldenkrise ist nicht einfach so über Nacht
entstanden, sondern sie ist über Jahrzehnte entstanden,
weil alle Euro-Länder über Jahrzehnte mehr Geld ausge-
geben haben, als sie vorher eingenommen hatten, und
weil die Defizite mit immer neuen Schulden finanziert
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muss. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum bei al-
lerlei Vertragsverletzungen Verfahren vor dem Europäi-
schen Gerichtshof eingeleitet werden können, aber wenn
es darum geht, solide Finanzen zu gewährleisten, ein
Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH verwehrt
ist. Deswegen muss man an dieser Stelle etwas verän-
dern.
Das Vertrauen werden wir dann zurückgewinnen,
wenn auch andere Länder dem deutschen Beispiel folgen
und eine Schuldenbremse verfassungsrechtlich veran-
kern. Das Ziel ist nicht, einfach nur weniger Schulden zu
machen, sondern das Ziel ist, irgendwann keine Schul-
den mehr aufzunehmen, und das Ziel ist, irgendwann
von den Schulden wieder etwas zurückzubezahlen. Des-
wegen muss Schluss sein mit der Verschuldungskultur
der vergangenen Jahrzehnte. Wir brauchen eine europäi-
sche Stabilitätskultur.
Dazu werden Euro-Bonds nicht wirklich einen Bei-
trag leisten können. Um es noch einmal deutlich zu sa-
gen: Euro-Bonds lösen für Europa kein Problem. Euro-
Bonds würden aber für Deutschland neue Probleme
schaffen. Sie würden den Konsolidierungsdruck auf die
Länder der Euro-Zone eher vermindern. Im Ernstfall
würde das auch die Finanzkraft Deutschlands überstei-
gen, und es würde zu einer gesamtschuldnerischen Haf-
tung führen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines geht
nicht: dass in Europa alle feiern bis zum Umfallen und
Deutschland die Zeche bezahlt. Da werden wir nicht
mitmachen. Deswegen lehnen wir diese gesamtschuld-
nerische Haftung ab.
Die Staats- und Regierungschefs werden Ende nächs-
ter Woche über weitere Schritte entscheiden. Frau Bun-
deskanzlerin, wir haben volles Vertrauen in Sie. Sie ha-
ben unsere Unterstützung bei Ihrer harten Haltung gegen
Gemeinschaftsanleihen und bei der Unabhängigkeit der
Europäischen Zentralbank. Wir sind auf dem richtigen
Weg, um den Euro, diese gemeinsame Währung, wieder
zu stabilisieren.
Herzlichen Dank.
Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich Kol-
legen Andreas Schockenhoff für die CDU/CSU-Fraktion
das Wort.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ich will zum Schluss der Debatte etwas zum
Thema Erweiterung sagen. Die Bilder, die uns seit Tagen
aus Nordkosovo über Unruhen, Barrikaden und verletzte
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Ja, leider muss man das immer wieder sagen.
Erstens war die Erweiterung der Euro-Zone um Grie-
henland die falsche Entscheidung.
a, diese Fehlentscheidung, die wir damals bekämpft ha-
en, hat viel mit der Erweiterungsmüdigkeit zu tun. Die
enschen sagen doch: Nun kümmert euch erst einmal
m den Euro, und denkt nicht schon wieder an die
ächste Erweiterung! Das hat etwas mit dieser krassen
ehlentscheidung zu tun.
Wie bitte? Wer war denn damals gegen die Aufnahme
riechenlands? Natürlich hat Rot-Grün das im Rat in
rüssel und hier im Deutschen Bundestag durchgesetzt,
nd jetzt wollen Sie sich einen schlanken Fuß machen,
dem Sie sagen, Sie haben nichts damit zu tun. So kurz
t das Gedächtnis bei Ihnen inzwischen geworden.
)
ment zugestimmt haben! Erklären Sie das ein-
mal!)
Zweitens war die Aufnahme von Beitrittsverhandlun-
gen mit der Türkei eine falsche Entscheidung.
Heute sehen wir, dass wir in derselben Zeit, in der wir
mit Kroatien 35 Verhandlungskapitel abgeschlossen ha-
ben, mit der Türkei nur ein einziges Kapitel vorläufig
beenden konnten. Der Fehler war, dass Rot-Grün nicht
sehen wollte, dass die Türkei wichtige Kriterien des
EU-Vertrages nicht erfüllen kann oder nicht erfüllen
will. Klar war das aber schon damals.
Jetzt stehen wir vor dem Dilemma, dass die Türkei ab
Juli nächsten Jahres, wenn Zypern die EU-Präsident-
schaft übernimmt, den Verhandlungsraum verlassen
wird; so jedenfalls hat es Präsident Erdogan angekün-
digt. Das aber wird zu einer massiven Entfremdung in
unserem Verhältnis zur Türkei führen. Das kann in einer
Situation, in der wir aufgrund von Entwicklungen im
nördlichen Afrika, im Nahen Osten, aber auch mit Blick
auf den Iran eine deutlich engere und abgestimmte Zu-
sammenarbeit mit der Türkei brauchen, nun wirklich
nicht in unserem Interesse sein.
Drittens hat die verfrühte Aufnahme von Bulgarien
und Rumänien, die von Rot-Grün damals durchgedrückt
wurde, zu einem grundsätzlichen Misstrauen geführt, ob
die Länder dieser Region die Standards insbesondere im
Rechtsstaatsbereich überhaupt erfüllen wollen und ob
die EU ihnen das abverlangt, ehe sie beitreten. Dieses
Misstrauen muss ausgeräumt werden.
Ich halte jede Diskussion über einen Schengen-Status für
Bulgarien und Rumänien für völlig verfrüht. Ehe die
Rechtsstaatssituation in diesen beiden Ländern nicht we-
sentlich besser geworden ist, kann es keinen Schengen-
Status und auch keinen Schengen-Teilstatus für diese
Länder geben.
Deshalb ist es gut, dass ab sofort die Beitrittsverhand-
lungen mit künftigen Mitgliedsländern wie beispiels-
weise Montenegro nicht erst mit den einfacheren Kapi-
teln, sondern mit den schwierigsten Kapiteln begonnen
werden, nämlich mit den Fragen der Rechtsstaatlichkeit
und des Justizsystems. Zudem haben wir gestern Abend
beschlossen, dass diese Kapitel bis zum Ende der Ver-
handlungen nicht geschlossen werden und dass keine
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Künast, Monika Lazar, Ekin Deligöz, weiterer
17590 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
)
)
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Füh-
rungspositionen umsetzen
– Drucksache 17/7953 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Renate Künast, Ekin Deligöz, Monika
Lazar, weiteren Abgeordneten und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur geschlechtergerechten
Besetzung von Aufsichtsräten
– Drucksache 17/3296 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses
– Drucksache 17/6527 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Andrea Astrid Voßhoff
Elisabeth Winkelmeier-Becker
Dr. Eva Högl
Marco Buschmann
Jens Petermann
Ingrid Hönlinger
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Rechtsausschusses zu
dem Antrag der Abgeordneten Christel Humme,
Caren Marks, Petra Crone, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der SPD
Quotenregelung für Aufsichtsräte und Vor-
stände gesetzlich festschreiben
– Drucksachen 17/4683, 17/6527 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Andrea Astrid Voßhoff
Elisabeth Winkelmeier-Becker
Dr. Eva Högl
Marco Buschmann
Jens Petermann
Ingrid Hönlinger
Über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen sowie über die Beschlussempfehlung des
Rechtsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD
werden wir später namentlich abstimmen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile Renate Künast
für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 60 Jahre
Grundgesetz, und wir haben noch immer keine Gleich-
stellung erreicht. Wir haben nicht einmal erreicht, dass
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Schauen Sie einmal, bei uns sind die Reihen bis ganz
ach hinten besetzt. Da sind fast alle da. Das ist nicht al-
n Fraktionen gelungen.
60 Jahre Grundgesetz – damals im Parlamentarischen
at waren von 61 Mitgliedern 4 Frauen: Elisabeth
elbert, Frieda Nadig, Helene Weber und Helene
essel. Die haben durchgesetzt, dass es im Grundgesetz
eißt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“
Übrigen – das will ich einmal lobend erwähnen – hat
ich damals auch Helene Weber von der CDU, die an-
ngs sehr skeptisch war, mit eingesetzt und ihre eigene
raktion von diesem Gleichberechtigungssatz überzeugt.
an kann also sagen: Frauen haben den Anstoß gegeben
nd den Mut gehabt, bei der Gleichberechtigung tatsäch-
ch weiter voranzugehen. Es waren übrigens auch die
rauen und niemand sonst, die dann erkämpft haben,
ass im Arbeitsrecht oder im Familienrecht eine Gleich-
tellung eingeführt wurde. Denken Sie einmal daran: Es
at bis Ende der 70er-Jahre gedauert, bis der Mann nicht
ehr automatisch Haushaltsvorstand war; und es hat un-
efähr genauso lange gedauert, bis ein Mann nicht mehr
infach den Arbeitsvertrag seiner Frau kündigen konnte.
Das alles hat nicht gereicht. Wir brauchten nach der
eutschen Einheit eine Grundgesetzänderung, die dazu
eführt hat, dass jetzt nach dem Gleichberechtigungssatz
lgender Satz im Grundgesetz steht:
Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der
Gleichberechtigung von Frauen und Männern und
wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile
hin.
… und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nach-
ile hin“!
arum geht es jetzt. Was vor 60 Jahren 6,8 Prozent
rauen durchgesetzt haben, müsste doch heute im Bun-
estag, in dem die 204 Frauen – wenn alle anwesend wä-
n – 32,3 Prozent ausmachen, möglich sein. Alle reden
on Hebelung. Vielleicht sollten 204 Frauen des Deut-
chen Bundestags auch einmal eine Hebelung bewirken,
um Beispiel bei der Gleichstellung in Aufsichtsräten
der auch in Vorständen, was dann erst der Anfang wäre.
Ich meine, wir sollten unsere Stärke nutzen. Die Män-
er dürfen und sollen natürlich mitstimmen. Wir müssen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17591
Renate Künast
)
)
unsere zahlenmäßige Stärke als Frauen aber auch nutzen,
um jetzt die nötigen Schritte für eine echte Gleichstel-
lung hinzubekommen. Wir müssen Vorbild sein. Es wird
nicht von alleine gehen. Wenn man einen Brief an die
Vorstände und Aufsichtsräte der DAX-Unternehmen
schreibt, fällt einem beim Durchblättern der Adressen
und Anreden auf, dass man überhaupt nur eine Frau fin-
det – bei Henkel. Vielleicht ist es morgen oder nächste
Woche schon wieder anders, dann kommt eine neue und
die andere ist wieder gegangen. Das ist kein Schnecken-
tempo, das ist Faultiertempo!
Das dreifingrige Faultier ist auf dem Boden noch langsa-
mer als die Schnecke. Es würde ungefähr noch einmal
ein halbes Jahrhundert dauern, bis die Frauen in allen
Wirtschaftsbereichen gleichberechtigt vertreten wären.
Wir können heute sagen: Es hat jahrelang viele Tref-
fen und Termine gegeben, und die deutsche Wirtschaft
und die Wirtschaftsbosse haben im Oktober dieses Jah-
res ihre Chance verpasst. Wer eine Vorlage erstellt, deren
Umsetzung freiwillig ist und die von Frauen im Manage-
ment handelt, dabei aber vergisst, die Aufsichtsräte und
Vorstände überhaupt zu erwähnen, den kann man an die-
ser Stelle definitiv nicht ernst nehmen. Das ist ein Af-
front.
Wenn Josef Ackermann sagt, mehr Frauen würden
das Leben schöner und bunter machen, wenn er über sol-
che Dinge diskutiert,
– das stimmt –, könnten wir ihm zurufen: Herr
Ackermann, jetzt, wo Sie sich nicht mehr trauen, für den
Aufsichtsrat zu kandidieren, ist ja ein Platz für eine Frau
frei. Dann wird auch dieser Aufsichtsrat schöner und
bunter.
– Und besser! – Das könnte die Deutsche Bank auch ver-
tragen. Wenn Daimler-Chef Zetsche davor warnt, er
müsse Männer entlassen, damit dann Frauen zum Zuge
kommen, kann man nur sagen: beschämend.
Wir haben es als Frauen doch nicht nötig, zu erklären,
warum es zum Beispiel für die Aufsichtsräte eine Frau-
enquote oder besser eine Geschlechterquote geben muss,
die besagt, dass mindestens 40 Prozent aller Funktionen
von Frauen oder Männern besetzt werden müssen. Wa-
rum haben wir es nicht nötig? Weil erstens das Grundge-
setz sagt, dass wir vom Bundestag her aktiv darauf hin-
wirken müssen, und weil ich zweitens keinen einzigen
Mann kenne – auch nicht in der Wirtschaft –, der es für
nötig befindet, uns zu erklären, warum es in diesen Jobs
eine Männerquote von 99 Prozent gibt.
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sofern sollte Gleichheit herrschen.
Herr Fuchs von der CDU ist gerade dabei, durch ein
chreiben – das offensichtlich an alle Koalitionsabge-
rdneten ging – berühmt zu werden, in dem er den schö-
en Satz formuliert hat, die Unternehmen sollten bei der
esetzung von Posten nicht dazu gezwungen werden,
us sachfremden Kriterien zu entscheiden und die Quali-
kation der Bewerber außer Acht zu lassen. Dem kann
an nur entgegnen: Erstens. Die Umsetzung des Grund-
esetzes von der Theorie in die Realität ist nie ein sach-
emdes Kriterium.
weitens. Bei den Bewerbern die Qualifikation außer Acht
ssen? Anders herum ist es doch ein Problem! Warum
tellen die Unternehmen in Führungspositionen immer
och überproportional Männer ein, wo doch die Frauen ei-
en viel höheren Prozentsatz an Uniabschlüssen haben und
azu bessere Noten?
ie Zukunft heißt: Nach Qualifikation einstellen, und
icht einfach immer nur Männer finden. Wir wissen:
uch die Bundesgremien müssen ran. Dass die Bundes-
gentur für Arbeit einer der letzten Orte reiner Männer-
errlichkeit ist, ist auf Dauer auch nicht mehr zu erklä-
n.
Die Frauen, die wir brauchen, sind da. Wir haben eine
berfraktionelle Fraueninitiative, wozu ich nur sage: Ich
ünsche, dass daraus etwas erwächst. Wir haben Aktio-
ärinnen, die auf Hauptversammlungen gehen und dort
re Rechte einfordern. Wir haben einen Unternehmerin-
enverband, der eine Datenbank mit 500 hervorragend
ualifizierten Frauen führt. Wir haben so viele Organisa-
onen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns jetzt nicht
ie Zeit verplempern. Der Großteil der Aufsichtsräte
ird im Frühjahr 2013 neu bestellt. Wir müssen also vor
iesem Zeitpunkt die Herren zwingen, Frauen für die
ufsichtsräte und andere Gremien zu finden. Deshalb
itte ich Sie: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf und
nserem Antrag zu. Wann, wenn nicht jetzt?
Das Wort hat nun Stephan Harbarth für die CDU/
SU-Fraktion.
17592 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
)
)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir
befassen uns heute in der Tat mit einem Thema von gro-
ßer gesellschaftspolitischer Tragweite. Es geht um die
gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungsposi-
tionen der Wirtschaft. Das ist ein Thema, das gemeinhin
unter dem Schlagwort Frauenquote in Aufsichtsräten
und Vorständen geführt wird.
Wir in unserer Fraktion – nach meiner Überzeugung
alle Fraktionen im Deutschen Bundestag – sind uns im
politischen Ziel einig: Wir möchten den Anteil von
Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft ausbauen.
Dass Frauen in den Führungsgremien der deutschen
Wirtschaft heute unterrepräsentiert sind, ist leider trau-
rige Tatsache.
Wir sind uns deshalb einig, dass wir die erforderlichen
Weichen stellen müssen, um mehr Frauen in verantwort-
liche und führende Positionen unserer Wirtschaft zu
bringen. Ich bin im Übrigen sehr dafür, dass der Staat in
seinem Bereich, etwa im Bereich öffentlicher Unterneh-
men, mit gutem Beispiel vorangeht, um den Frauenanteil
zu erhöhen.
Ich nenne Unternehmen wie beispielsweise die Deut-
sche Bahn, die Deutsche Post und viele andere mehr.
Hier können wir als Staat, wie ich meine, ein positives,
ein vorbildhaftes Zeichen setzen.
Gerade in Zeiten des demografischen Wandels kön-
nen wir es uns, auch unter dem Gesichtspunkt ökonomi-
scher Vernunft, weniger denn je leisten, auf so hervorra-
gende Potenziale unserer Gesellschaft zu verzichten. Wir
beobachten weltweit einen Kampf der Unternehmen, der
Wirtschaftseinheiten um die besten Köpfe. Deshalb müs-
sen wir auch aus ökonomischer Klugheit alles tun, um
den oft schwierigen Spagat zwischen Familie und Beruf
bzw. Karriere besser bewältigen zu können.
Hier stehen sowohl Politik als auch Wirtschaft in der
Pflicht, vor allem die Rahmenbedingungen für eine bes-
sere Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter voranzu-
treiben. Vieles ist hier in der Vergangenheit unter unions-
geführten Bundesregierungen seit 2005 vorangebracht
worden.
So sind zahlreiche familienpolitische Maßnahmen, etwa
das Elterngeld, der Ausbau der Kinderbetreuungsein-
richtungen oder die bessere steuerliche Absetzbarkeit
von Kinderbetreuungskosten, durchgesetzt worden. All
dies erleichtert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Wie sieht die Situation heute aus? Obwohl Frauen
heute in vielen Bereichen sogar häufiger als Männer ein
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ber es sind uns noch immer entschieden zu wenige.
Dass Handlungsbedarf besteht, liegt auf der Hand.
eshalb sind wir nicht verschiedener Meinung, wenn es
m die Frage geht, ob gehandelt werden muss. Auch wir
der Unionsfraktion sind der klaren Überzeugung:
uch Art. 3 des Grundgesetzes, in dem der Gesetzgeber
erpflichtet wird, auch in tatsächlicher Hinsicht auf die
eseitigung von Ungleichbehandlungen zwischen Män-
ern und Frauen hinzuweisen, gebietet ein Tätigwerden.
s geht um die Frage: Wie werden wir tätig?
Die Vorlagen der Opposition, der Antrag der SPD, der
ntrag von Bündnis 90/Die Grünen und der Gesetzent-
urf von Bündnis 90/Die Grünen, setzen auf eine ge-
etzlich vorgegebene starre Quotenregelung. Wir als
hristlich-liberale Koalition wollen hingegen, wie in der
oalitionsvereinbarung festgelegt, über den von der
undesregierung vorgelegten Stufenplan mit flexibler
uote das Ziel eines höheren Frauenanteils in Führungs-
ositionen erreichen.
ir setzen mit dem Stufenplan auf ein abgestuftes Ver-
hren, das ohne gesetzgeberische Überregulierung aus-
ommt.
PD und Grüne setzen dagegen auf staatlichen Zwang.
Nach unserer Überzeugung macht nur der Stufenplan
en erfolgversprechenden Versuch, zu einer gesamthaft
ngelegten Konzeption zu kommen, die die Ursachen
er Unterrepräsentierung von Frauen in Führungsgre-
ien der deutschen Wirtschaft bekämpft, die maßge-
chneiderte und passgenaue Lösungen anbietet, die ohne
mfassende staatliche Eingriffe auskommt und die des-
alb am Ende auch zu besseren Ergebnissen führen wird.
Die erste Stufe zielt auf die Schaffung der Vorausset-
ungen und die Verbesserung der Rahmenbedingungen
r die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen im Er-
erbsleben und speziell in Führungspositionen ab. Dazu
ählt die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17593
Dr. Stephan Harbarth
)
)
beispielsweise durch die Einführung flexiblerer Arbeits-
zeiten.
Die zweite Stufe setzt auf die Implementierung von
transparenten freiwilligen Selbstverpflichtungen für die
deutsche Wirtschaft,
um öffentlichen Druck zu entfalten und die Tätigkeit von
Frauen in Führungspositionen weiter voranzutreiben.
Gerade damit unterscheiden wir uns von dem unverbind-
lichen Plänchen, das Rot-Grün im Jahr 2001 verabschie-
det hatte und das von vornherein zum Scheitern verur-
teilt war.
Erst in der dritten Stufe wird die gesetzliche Verpflich-
tung zur Selbstverpflichtung, die sogenannte Flexiquote,
eingeführt. Sie ist auf die Förderung von Frauen in Lei-
tungsgremien in der Privatwirtschaft und im öffentlichen
Dienst ausgerichtet. Sie greift erst dann, wenn die Unter-
nehmen selbst es bis zu einem bestimmten Stichtag im
Jahr 2013 nicht geschafft haben, den Anteil von Frauen
in Aufsichtsräten und Vorständen zu verdreifachen.
Die dann vorgesehene flexible Quote für Unterneh-
men soll so ausgestaltet sein, dass sich die Unternehmen
selbst eine quantifizierbare Zielvorgabe für die Auf-
sichtsrats- und Vorstandsbesetzung setzen, die innerhalb
einer bestimmten Frist erreicht werden soll. Mithilfe ei-
ner solchen Regelung können die Unternehmen auf die
spezifische Situation ihrer jeweiligen Branche und ihres
jeweiligen Unternehmens wesentlich flexibler reagieren
als mit dem starren Instrument, das die Opposition vor-
schlägt.
Wenn die Politik mit der Betrachtung der Wirklichkeit
beginnt, dann müssen Sie feststellen, dass der Frauenan-
teil in vielen Bereichen sehr unterschiedlich ausgeprägt
ist. Im Dienstleistungsbereich liegt der Frauenanteil unter
allen Beschäftigten bei 57 Prozent, im verarbeitenden
Gewerbe bei nur 25 Prozent. Ist es dann wirklich sachge-
recht, in beiden Bereichen genau den gleichen Schwel-
lenwert vorzusehen? Ist es wirklich sachgerecht, dass ein
Unternehmen mit einem Frauenanteil von 70 Prozent in
der Belegschaft im Aufsichtsrat die gleiche Quote haben
muss wie eines mit einem Frauenanteil von 10 Prozent?
Das wird sich wohl schwerlich sagen lassen.
Wer den Anteil von Frauen in Führungspositionen
etwa im Bereich Maschinenbau, aber auch in vielen an-
deren Bereichen langfristig erhöhen möchte, der kann
nur Erfolg haben, wenn der Anteil an Frauen auch unter
den Maschinenbaustudenten zunimmt. Deshalb brau-
chen wir auch insoweit ein gesamthaftes Konzept und
die richtigen Weichenstellungen in der Wissenschafts-
und in der Schulpolitik.
Mit der Flexiquote setzen wir auf Transparenz, auf
Flexibilität und auf öffentlichen Rechtfertigungsdruck
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r orientiert sich sehr stark an den Schwellenwerten im
ereich der Mitbestimmung. Wenn man eine Frauen-
uote einführen möchte, dann ist das aus meiner Sicht
er richtige Ansatz.
Im Mitbestimmungsrecht gibt es abgestufte Katego-
en zur Abgrenzung von großen, mittleren und kleinen
nternehmen.
17594 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Dr. Stephan Harbarth
)
)
Deshalb ist es im Kern richtig, an die Schwellenwerte
des Mitbestimmungsrechts anzuknüpfen.
Ich halte es im Antrag der Grünen allerdings für nicht
richtig, dass man börsennotierte Aktiengesellschaften ge-
nerell erfassen möchte. Ist es eigentlich sachgerecht, eine
börsennotierte Aktiengesellschaft mit 50 Mitarbeitern
strenger zu behandeln
als ein nicht börsennotiertes Unternehmen mit 300 oder
400 Mitarbeitern? Wohl kaum!
Es ist richtig: Als Konsequenz einer Börsennotierung
muss es bestimmte Zusatzpflichten geben. Sie sind aber
sicherlich primär im Bereich der Rechnungslegung und
im Bereich „zusätzliche Informationen für Anleger“ und
nicht im Bereich „zusätzliche gesellschaftpolitische
Pflichten“ angesiedelt. Deshalb appelliere ich, dass man
sich in der künftigen Diskussion – wir werden die Dis-
kussion fortsetzen – noch stärker an den etablierten
Schwellenwerten im Bereich der Mitbestimmung orien-
tiert.
Wir dürfen festhalten: Die vorgelegten Entwürfe sind
in ihrer Grundanlage „staatlicher Zwang statt flexibler
Lösungen“ falsch.
Sie sind in ihren Details nicht überzeugend und deshalb
nicht zustimmungsfähig. Meine Fraktion wird sie daher
ablehnen.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Eva Högl für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Wir haben hier vor fast genau einem Jahr, am 3. Dezem-
ber 2010, den Gesetzentwurf der Grünen in erster Le-
sung beraten. Was ist in diesem einen Jahr eigentlich
geschehen? Die Bundesregierung und die Koalitions-
fraktionen haben nichts, aber auch gar nichts dafür ge-
tan, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen
erhöht wird.
Deswegen war es ein verlorenes Jahr für die Frauen in
Deutschland und in der privaten Wirtschaft.
Hier geht es heute nicht um die Details, Herr
Harbarth. Darüber können wir uns in einer zweiten
Runde unterhalten. Heute geht es vielmehr um die Frage,
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Ich möchte Ihnen einige gute Gründe für die Quote
arlegen und auch ein paar fürchterliche Vorurteile wi-
erlegen.
Stichwort „Freiwilligkeit“. Wir überlegen im Deut-
chen Bundestag vor der Verabschiedung eines Gesetzes
des Mal sehr genau und sehr gründlich, ob es wirklich
rforderlich ist. Wir wollen keine Regelung aller staatli-
hen Bereiche. Es kann auch keine Rede davon sein,
ass es hier nur um staatlichen Zwang geht. Wir haben
001 unter Rot-Grün eine freiwillige Vereinbarung mit
er deutschen Wirtschaft mit dem Ziel der gleichberech-
gten Teilhabe von Frauen in Führungspositionen ge-
chlossen. Wir haben ernsthafte und klare Festlegungen
etroffen. Aber wir stellen fest: Es hat nichts, aber auch
ar nichts gebracht.
Ich sage es ganz deutlich: Unsere Geduld ist jetzt am
nde. Im Deutschen Bundestag haben wir den klaren
andlungsauftrag, als Gesetzgeber tätig zu werden. In
rt. 3 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes steht:
Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der
Gleichberechtigung von Frauen und Männern und
wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile
hin.
ieser Tatbestand ist hier gegeben.
Noch eines ist mir ganz wichtig. Wir haben im Bun-
estag ganz häufig notwendige Entscheidungen zu tref-
n, die wir zwar für richtig halten, die aber unbequem
ind. Wir können nicht immer auf die Mehrheitsmeinung
der Bevölkerung hören. Aber bei diesem Thema scha-
et es nicht, wenn wir einmal hören, was die Bürgerin-
en und Bürger dazu sagen. Dann können wir nämlich
ststellen, dass eine große Mehrheit, insbesondere der
üngeren und der Frauen, ganz ausdrücklich für gesetzli-
he Vorgaben in Form von Frauenquoten für die Wirt-
chaft ist. Sollte uns das nicht zu denken geben?
Das dümmste Argument, welches mir in der Debatte
mer unterkommt, ist, dass mit Frauenquoten ungeeig-
ete Frauen auf Spitzenpositionen kommen.
as ist wirklich das allerdümmste Argument. Ange-
ichts der Tatsache, dass 85 Prozent der Aufsichtsrats-
osten und 97 Prozent der Vorstandsposten mit Männern
esetzt sind, kann man doch nicht ernsthaft glauben, das
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17595
Dr. Eva Högl
)
)
habe irgendetwas mit der Qualifikation der betreffenden
Person zu tun.
Die Auswahl bei der Besetzung dieser Positionen erfolgt
einzig und allein nach dem Geschlecht. Das sind alles
Quotenmänner. Ich will noch eines dazu sagen: Wenn je-
mand ernsthaft der Auffassung ist, es handele sich um
ein Ergebnis der Bestenauswahl, dann muss ich fragen:
Was ist das für ein verheerendes Signal an alle Frauen in
unserem Land?
Genauso dumm ist die Auffassung, Frauen wollten
nicht in Führungspositionen. Wir wissen alle ganz ge-
nau, wie das läuft: Frauen werden überhaupt nicht in den
Blick genommen, Frauen werden in ihrer Karriere nicht
unterstützt, Frauen werden nicht gefragt. Ja, manchmal
ist es für Frauen auch unangenehm und nicht attraktiv,
die Einzige in einem Männergremium zu sein. Es stimmt
auch, dass manchmal die Frauenkarrieren an der Verein-
barkeit von Familie und Beruf scheitern. Auch das ist
richtig. Daraus kann man aber nicht den Schluss ziehen,
die Frauen wollten keine Führungspositionen einneh-
men.
Ebenso wenig kann man sagen, Frauen wollten keine
Quotenfrauen sein, sondern nur wegen ihrer Leistung
befördert werden.
Was heißt das im Umkehrschluss? Worauf ist der ge-
ringe Anteil von Frauen in Führungspositionen zurück-
zuführen, etwa darauf, dass die Frauen nicht gut genug
sind? Das wollen wir im Deutschen Bundestag doch
nicht ernsthaft behaupten. Gleichzeitig wird damit unter-
stellt, dass 97 Prozent der Männer um ein so Vielfaches
besser sind als die Frauen. Das ist großer Quatsch.
Frauen wollen Führungspositionen. Frauen können
es. Eine Quote sorgt dafür, dass die exzellenten Frauen,
die es überall in unserem Land, in allen Bereichen unse-
rer Gesellschaft gibt, endlich auf die Plätze kommen, die
ihnen zustehen.
Wir brauchen genau dieses Signal an die Frauen. Wir
brauchen das Signal: Liebe Frauen, da sind Plätze in der
deutschen Wirtschaft, auf die ihr kommt. Ihr werdet in
den Blick genommen. Ihr könnt es schaffen. – Wir brau-
chen das Signal an die Betriebe: Schaut euch die Frauen
an. Gebt ihnen eine Chance! – Die Betriebe werden auf-
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Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung zur Verein-
arkeit von Familie und Beruf; Herr Harbarth, Sie haben
as angesprochen. Wir kennen die Argumentation: Wir
erbessern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und
ann läuft das schon. – So läuft das überhaupt nicht. Ers-
ns tut die Bundesregierung überhaupt nichts für eine
erbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
owie der Bedingungen für Frauen.
it dem Betreuungsgeld – das muss an dieser Stelle
uch gesagt werden – werden Signale sogar in die fal-
che Richtung und falsche Anreize gesetzt.
Zweitens. Wir wissen ganz genau: Wenn die Verein-
arkeit von Familie und Beruf ein entscheidendes Pro-
lem darstellte, dann säßen in den Toppositionen unseres
andes viele kinderlose Frauen. Das ist aber nicht der
all. Frauen werden nicht diskriminiert, weil sie Kinder
aben oder Probleme mit der Vereinbarkeit von Familie
nd Beruf haben. Vielmehr werden bestimmte Positio-
en nicht mit Frauen besetzt, egal ob sie Kinder haben
der nicht. Das ist das Problem.
Drittens. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass
ich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eher ver-
essert, je mehr Frauen in Spitzenpositionen tätig sind.
ann wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein
anz entscheidendes Kriterium sein. Frauen in Spitzen-
ositionen werden dazu beitragen, dass wir da den Turbo
inschalten und sich alles zum Besseren verändert.
Das alles sind gute Gründe für Frauenquoten in Vor-
tänden und Aufsichtsräten.
Ich möchte noch etwas anderes ansprechen, das ich
ersönlich für den Tiefpunkt der frauenpolitischen De-
atte halte, nämlich den Vorwurf an all diejenigen, die
ich für Frauenquoten einsetzen, sie wollten Rollenbil-
er vorschreiben, und das im 21. Jahrhundert. In dem an-
ekündigten Buch Danke, emanzipiert sind wir selber
on Bundesministerin Schröder soll es um diese Rollen-
ilder gehen.
h persönlich bin der Auffassung, dass es zynisch ist,
enjenigen, die sich für Frauenquoten in der Wirtschaft
nd insbesondere in Vorständen einsetzen, zu unterstel-
n, dass sie Frauen ein bestimmtes Rollenbild vor-
17596 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Dr. Eva Högl
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schreiben wollen. Was wir wollen, ist Wahlfreiheit, und
zwar für alle Männer und für alle Frauen.
Ich sage bewusst: Wir haben keine Wahlfreiheit, wenn
97 Prozent der Vorstände und 85 Prozent der Aufsichts-
räte mit Männern besetzt sind. Das ist keine Wahlfrei-
heit. Das hat mit Rollenbildern überhaupt nichts zu tun.
Wir, der Gesetzgeber, sind gefordert, Wahlfreiheit zu
ermöglichen. Wir müssen die notwendigen gesetzlichen
Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass alle Männer
und alle Frauen Wahlfreiheit haben, egal ob sie Kinder
haben oder nicht, egal welchen individuellen Lebensent-
wurf – mit oder ohne Beruf und Karriere – sie haben.
Wir wollen Wahlfreiheit. Dafür brauchen wir jetzt – das
haben die letzten zehn Jahre gezeigt – verbindliche, ge-
setzliche Frauenquoten für die deutsche Wirtschaft.
Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktio-
nen, ich rate Ihnen: Geben Sie bitte Ihr ideologisch moti-
viertes Nein, das nicht von Sachargumenten gegen die
Frauenquote getragen ist, auf. Sie wissen, wie das mit
der Aufgabe von Positionen geht. Wir haben es bei der
Atomkraft erlebt. Wir erleben es in der Euro-Krise, wo
gute Vorschläge erst abgelehnt und dann doch umgesetzt
werden. Wir kennen das von den Mindestlöhnen.
Ich fände es ganz toll, wenn Sie jetzt auch in diesem
Punkt unsere Vorschläge übernehmen würden. Ich bin da
ganz uneitel: Wenn Sie gute Vorschläge von der SPD
übernehmen, dann ist es mir ganz egal, von wem die
Vorschläge im Endeffekt kommen. Entscheidend ist,
dass wir hier gute Politik machen. Wenn Sie sich ent-
scheiden können, heute dem Gesetzentwurf der Grünen
und dem Antrag der SPD für eine Quotenregelung für
Aufsichtsräte und Vorstände zuzustimmen, dann wäre
das sicherlich ein gutes Signal.
Ich fordere Sie auf: Geben Sie sich heute einen Ruck!
Stimmen Sie in der namentlichen Abstimmung für Quo-
ten in Vorständen und Aufsichtsräten. Es gibt viele gute
Argumente dafür. Sie sind in der bisherigen Debatte
schon deutlich geworden. Stimmen Sie mit uns! Seien
Sie mutig: Für die Gleichberechtigung von Frauen und
Männern!
Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Nicole Bracht-Bendt für die FDP-
Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Ich bin nicht bei Ihnen, Frau Högl. Was Sie
ben gesagt haben, hat mich nicht überzeugt.
Zum wiederholten Male sprechen wir heute über die
rage, was die Politik tun kann, damit mehr Frauen in
ufsichtsräte und Vorstände einziehen. Am Mittwoch
ab es auf Initiative von Frauen aus allen Fraktionen
um ersten Mal eine gemeinsame Veranstaltung mit Ex-
ertinnen von außen. Dieser gemeinsame Vorstoß war
ichtig. Wir Frauen hier im Plenum haben alle das glei-
he Ziel: Wir wollen gleiche Karrierechancen für Frauen
ie Männer. Allerdings gehen wir Liberale einen ande-
n Weg als Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen in der
PD-Fraktion und bei den Bündnisgrünen. Wir Liberale
alten eine starre Quote für nicht geeignet und für unver-
ältnismäßig. Eine Quote greift zu kurz. Für diese Mam-
utaufgabe ist viel mehr nötig.
Hören Sie doch bitte einmal zu.
Sie behandeln jede Aktiengesellschaft wie ein Groß-
nternehmen. Dabei sind nur 800 bis 1 000 davon bör-
ennotiert. Mehr als 90 Prozent der Unternehmen in
eutschland sind mittelständisch. Diese Betriebe haben
in echtes Problem mit Ihrer Quotenforderung.
leiches gilt für die vielen Familienunternehmen, die
ir haben. Es kann doch nicht vom Geschlecht der
achkommen abhängen, ob ein traditioneller Familien-
etrieb weiter aufrechterhalten werden kann.
Im Übrigen stehen gerade Familienunternehmen mit
nd 20 Prozent Frauen in Führungspositionen gut da.
uf der anderen Seite haben große Unternehmen vor al-
m im technischen Bereich schon heute Nachwuchssor-
en. Das können Sie nicht ignorieren. Wir können jeden-
lls feststellen, dass der Wandel auch ohne staatlich
erordnete Zwangsquote schon im Gange ist, und zwar
allen Bereichen.
In der Wirtschaft und in der Industrie sind alle unter
ruck, sich ein frauenfreundliches Image zu geben. In
iner Pressemitteilung des Bundesverbandes der Deut-
chen Industrie vom Juni dieses Jahres heißt es:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17597
Nicole Bracht-Bendt
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)
Aus demographischen und wirtschaftlichen Grün-
den liegt eine stärkere Beteiligung von Frauen in
der Unternehmensführung im ureigenen Interesse
der Unternehmen. Die daraus resultierenden vielfäl-
tigen Maßnahmen von Unternehmen zur Steigerung
des Frauenanteils zeigen bereits deutliche Erfolge:
Der BDI nennt konkrete Zahlen. Demnach ist ein
neuer Höchststand von weiblichen Chefs mit 27,7 Pro-
zent erreicht. In Betrieben mit bis zu 49 Mitarbeitern
sind 35 Prozent der Führungspositionen von Frauen be-
setzt. Der Frauenanteil bei Führungskräften bis 39 Jahre
liegt bei 38 Prozent.
Aber auch bei den DAX-30-Unternehmen gibt es
Fortschritte. Knapp 40 Prozent der von Aktionären bei
Einzelwahlen von DAX-30-Unternehmen in der Haupt-
versammlungssaison 2011 gewählten Aufsichtsräte wa-
ren Frauen.
Der Frauenanteil auf der Kapitalseite der DAX-30-Auf-
sichtsräte hat sich von 2009 bis 2011 von 4,8 Prozent auf
10,9 Prozent im Jahr 2011 mehr als verdoppelt. Eine
letzte Zahl: Mit einem Frauenanteil von 15,4 Prozent in
den Gesamtaufsichtsräten der DAX-30-Unternehmen
liegt Deutschland über dem europäischen Durchschnitt
der Frauenanteile in Boards von nur 11 Prozent.
Diese Bilanz ist noch nicht befriedigend – darin sind
wir uns einig –, doch ein erkennbarer Schritt in die rich-
tige Richtung. Es ist dringend notwendig, gemeinsam
die gesellschaftlichen, politischen und betrieblichen
Rahmenbedingungen so zu verändern, dass Führungs-
aufgaben auch tatsächlich von Frauen und Männern in
gleicher Weise wahrgenommen werden können. Hierfür
sind der fortgesetzte Wandel der Unternehmenskulturen,
die Steigerung des Frauenanteils in MINT-Studienfä-
chern und der bedarfsgerechte Ausbau der Kinderbetreu-
ung für alle Altersklassen notwendig. Das sehen Sie ja
anders.
Ich möchte noch etwas zu Norwegen sagen. Das ist ja
immer noch Ihr großes Vorbild. Sie behaupten, die
Zwangsmaßnahme habe den Frauenanteil in Führungs-
positionen insgesamt gestärkt. Das ist eine Illusion. Eine
Sozialstudie der London School of Economics kommt zu
dem ernüchternden Schluss, dass Norwegens 40-Pro-
zent-Quote keinen Einfluss auf den Frauenanteil gehabt
hat. Der Erfolg dieser Maßnahme ist rein symbolisch.
Quotenbefürworterinnen tun immer so, als wäre die
Bundesregierung in Sachen Frauenförderung bisher taten-
los gewesen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Selbst die
EU-Kommissarin Viviane Reding spricht immer von den
Ländern, die eine Quote eingeführt haben, und den Län-
dern, die auf den Governance Kodex setzen. Voriges Jahr
wurde bei uns der Governance Kodex geändert und die
angemessene Berücksichtigung von Frauen in Aufsichts-
räten und Führungspositionen aufgenommen. Das ist viel
mehr, als Sie immer behaupten.
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Das Wort hat nun Yvonne Ploetz für die Fraktion Die
inke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
tellen wir uns kurz vor, in Deutschland wären Männer
nd Frauen tatsächlich gleichgestellt. Dann wäre es
öglich, Kinder zu erziehen und trotzdem problemlos
arriere zu machen. Wenn es um Führungspositionen
eht, würden Frauen nicht mehr gesagt bekommen: Ihr
ollt ja eigentlich gar nicht in die oberen Etagen. –
ein, es wäre selbstverständlich, dass Frauen auf dem
hefsessel Platz nehmen statt im Vorzimmer. Erziehe-
nnen würden am Ende des Tages gemeinsam mit ihren
ännlichen Kollegen den Kindergarten zusperren und
ären zufrieden, weil sie angemessen bezahlt würden
nd ihr Beruf gesellschaftlich angesehen wäre.
Nun wissen wir alle: Der Alltag in Deutschland sieht
in bisschen anders aus. Aber zum Glück gibt es sehr
iele mutige Frauen, die tagtäglich für ihre Rechte
ämpfen. Sie können sich auf das deutsche Grundgesetz
erufen. Es kann hier nicht oft genug zitiert werden. Da-
n heißt es seit 1949 in Art. 3 Abs. 2:
17598 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Yvonne Ploetz
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)
Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat
fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichbe-
rechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf
die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
Dazu gehört all das, was ich gerade gesagt habe, und
noch viel mehr.
Wenn wir jetzt über die Quote und die Initiativen von
SPD und Grünen reden, sollten wir im Hinterkopf behal-
ten, dass Gleichstellung nicht nur bedeutet, Frauen den
Weg in die Führungsetagen zu ebnen, sondern Frauen
und Männern überall, in allen gesellschaftlichen und so-
zialen Bereichen, die gleichen Rechte zuzugestehen.
Die Quote ist für uns ein wichtiges Mittel; sie ist nicht
das Ziel. Sie kann aber ein Türöffner zu einer geschlech-
tergerechten Gesellschaft sein. Diese wird von Frauen-
ministerin Schröder und der von ihr vorgeschlagenen
Flexiquote nicht erreicht.
Diese Quote lauert bereits im Hintergrund, während wir
hier debattieren. Kurz zur Erläuterung: Die Flexiquote
ist eine Selbstverpflichtung der DAX-Unternehmen. Die
Höhe legen die Männer in den Chefetagen selbst fest.
Was ist das Ergebnis der bisherigen Selbstverpflich-
tung? „DAX-Konzerne bremsen Regierung aus“, hat die
Süddeutsche Zeitung im Oktober dieses Jahres treffend
zur Frauenquote getitelt.
Es gibt einige positive Beispiele, die auch schon ge-
nannt wurden, wie Allianz, Bayer, die Commerzbank
und die Deutsche Telekom. Andere Unternehmen möch-
ten sich gerne fünf Jahre Zeit lassen und eine Quote von
20 Prozent oder weniger erreichen. Das wird mit uns
nicht funktionieren.
Wir wissen, dass der Frauenanteil in den vergangenen
zehn Jahren in den Vorständen der DAX-Unternehmen
gerade einmal von 2,5 auf 3,7 Prozent gestiegen ist. Das
ist eine Verbesserung um 1 Prozentpunkt in zehn Jahren.
Das kann für uns für die Zukunft nur heißen: Wir geben
den Unternehmen nicht noch einmal zehn Jahre Zeit,
nicht zu handeln, sondern wir brauchen jetzt eine gesetz-
lich festgelegte Frauenquote.
Ihre Flexiquote ist ein Symbol für die Biegsamkeit
und die Flexibilität des politischen Rückgrats dieser Re-
gierung in der Frauenfrage.
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Ja, es muss eine festgeschriebene Quote geben. Über
ie Höhe sind wir uns allerdings noch nicht einig. Wir
nden, es gibt keinen Grund, sie bei 30 oder 40 Prozent
stzusetzen, da der Anteil der Frauen in der Gesell-
chaft doch 50 Prozent und mehr beträgt. Außerdem ha-
en wir gerade jetzt die am besten ausgebildete Frauen-
eneration aller Zeiten in der Bundesrepublik. Wenn die
uote wirklich eine Abbildung der Gesellschaft sein
oll, wenn sie den Rechten der Frauen Geltung verschaf-
n soll, dann muss die Hälfte aller Posten den Frauen
ehören.
Dennoch, selbst wenn die Hälfte aller Spitzenpositio-
en mit Frauen besetzt wäre, bedeutet das noch lange
icht, dass die Frauen dann auch den gleichen Lohn für
ie gleiche Arbeit erhalten würden. Das ist derzeit nicht
er Fall. Ich finde, das ist einer der wunden Punkte in
ieser Diskussion. Denn hier setzt sich das fort, was auf
en unteren Ebenen beginnt: die ungleiche Bezahlung
on Frauen und Männern, die ungleich verteilte Arbeit
ei Frauen und Männern und auch die ungleiche Wert-
chätzung der Arbeit von Frauen und Männern. Wir
üssen all diese Ungleichheiten zusammen angehen.
Eine emanzipatorische Frauenpolitik muss sich um
ie Frauen in Chef- und Führungsetagen bemühen, und
ie muss auch und insbesondere die Frauen im Blick ha-
en, die in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen ar-
eiten, die keine Erwerbsarbeit haben, die arm sind trotz
rbeit und die auch im Alter arm sein werden. Es gibt
ine ausreichende Zahl von Lösungsvorschlägen vonsei-
n der Linken, von den deutschen Frauenverbänden. Ei-
entlich müssen Sie diese Vorschläge nur aufnehmen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17599
Yvonne Ploetz
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)
Wir jedenfalls sind weiterhin an der Seite all der
Frauen, die für ihre Rechte kämpfen, und werden ge-
meinsam mit ihnen für ihre Rechte kämpfen.
Vielen Dank.
Das Wort hat nun Elisabeth Winkelmeier-Becker für
die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Über die Anträge der Opposition führen wir jetzt seit
vielen Monaten, fast schon seit einem Jahr, eine ange-
regte parlamentarische Diskussion. Wir führen eine öf-
fentliche Diskussion unter Beteiligung vieler Verbände.
FidAR, der Deutsche Juristinnenbund und der Verband
deutscher Unternehmerinnen haben sich an die Spitze
der Bewegung gesetzt. Das hat Druck erzeugt; das
Thema wurde in den Unternehmen auf die Tagesordnung
gesetzt. Es wird jetzt nicht mehr unter „Verschiedenes“
behandelt, sondern die Unternehmen widmen sich dem
mit einem ganz anderen Ernst.
Von den Headhuntern hören wir, dass es inzwischen
keinen Vorschlag mehr geben darf, in dem nicht mindes-
tens ein oder zwei qualifizierte Frauen enthalten sind.
Die eine oder andere Erfolgsmeldung hören wir auch.
Mir ist wichtig, dabei darauf hinzuweisen, welchen
Beitrag die Koalition, besonders auch die Unionsfrak-
tion, in dieser Diskussion leistet. Dieses Thema ist in un-
serem Koalitionsvertrag an prominenter Stelle verankert.
Wir haben eine Frauenministerin, die sich um dieses
Thema jedenfalls mit großem Engagement kümmert.
– Ich will hier das Spektrum der Diskussionen in meiner
Fraktion darstellen. Wir haben schon öfter darüber ge-
sprochen, und ich habe hier schon vorgestellt, was die
Gruppe der Frauen der Unionsfraktion dazu konkret ent-
wickelt hat.
In Summe zeigt das meines Erachtens deutlich, dass
auch die Union dieses Thema ernsthaft angeht. Wer
glaubt, dass wir bis zum Ende dieser Legislaturperiode
abwarten, ohne dass sich an dieser Stelle etwas tut, der
hat den Schuss nicht gehört.
Ich habe die Vorstellungen der Gruppe der Frauen
schon öfter präsentiert, und ich habe auch keinen Hehl
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Auch wenn wir unterschiedliche Lebensentwürfe, un-
rschiedliche Schwerpunkte haben, auch wenn ein Un-
leichgewicht in einem gewissen Maße unvermeidlich
rscheint, darf es bei den Aufsichtsräten keinen
rauen-Männer-Anteil von 10 : 90 und bei den Vorstän-
en von 3 : 97 geben. Das ist durch nichts zu rechtferti-
en, egal was an landläufigen Argumenten vorgebracht
ird.
17600 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Elisabeth Winkelmeier-Becker
)
)
Wird sich das von allein regeln? Schauen wir, welche
Erfahrungen wir in den vergangenen zehn Jahren mit
freiwilligen Regelungen gemacht haben: Es gab eine
Steigerung im unteren einstelligen Bereich. Wenn wir in
diesem Tempo weitermachen, dann dauert es in der Tat
noch an die 50 Jahre, bis wir bei akzeptablen Größenord-
nungen sind.
Lassen Sie mich noch auf die Ursachen eingehen.
Wählen Frauen die falschen Berufe? Wählen sie die fal-
schen Studienfächer? Das anzunehmen, hat eine gewisse
Plausibilität. Wenn man genau hinschaut, dann erkennt
man aber: Die Bedeutung der MINT-Berufe wird an die-
ser Stelle grob überschätzt. 25 Prozent der Mitglieder
von Vorständen und Aufsichtsräten der DAX-Unterneh-
men sind in MINT-Berufen ausgebildet worden. Circa
60 Prozent ihrer Mitglieder kommen aus den Bereichen
Jura, Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft. Gerade in
den Führungsgremien der Banken, in denen genau dies
die richtige Qualifikation ist, sind besonders wenige
Frauen vertreten.
Das zeigt: Frauen besuchen seit Jahren und Jahrzehn-
ten die relevanten Ausbildungsgänge und sind in den re-
levanten Berufsgruppen vertreten; dennoch tut sich an
dieser Stelle nichts. Ich selbst habe vor 30 Jahren Jura
studiert. Daher weiß ich, dass damals genauso viele
Frauen wie Männer angefangen haben. Sie haben auch
mindestens genauso gute Examina gemacht. Aber auf
dieses Reservoir ist bei der Besetzung von Vorständen
nicht zurückgegriffen worden. Das spricht schlichtweg
für sich.
Wieso brauchen wir nun mehr Frauen in Führungs-
positionen? Dies ist zum einen gut für die Unternehmen,
und es ist zum anderen gerecht, wenn Frauen gleiche Zu-
gangsmöglichkeiten zu verantwortungsvollen, interes-
santen und lukrativen Positionen haben. Beide Aspekte
haben nicht nur unmittelbar Auswirkungen auf die Ak-
teure, also auf die Frauen, die in die Vorstände kommen,
und auf die Unternehmen, die diese Positionen haben,
sondern damit einher geht auch eine Vorbildfunktion mit
Ausstrahlungswirkung auf alle Ebenen und Bereiche un-
serer Wirtschaft.
Zur wirtschaftlichen Seite: Es gibt genügend Studien,
auch ganz aktuell eine McKinsey-Studie, die zeigen,
dass gerade in den Jahren der Krise die Unternehmen mit
Frauen in Führungspositionen signifikant bessere wirt-
schaftliche Ergebnisse erzielt haben,
nicht – das wäre vermessen – weil Frauen grundsätzlich
besser sind.
– Gut. Man kann es auch so stehen lassen. – Vielmehr
bringen sie einen anderen, ausgewogenen Ansatz hinein.
Das macht das Team insgesamt erfolgreicher, und das
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Die Unternehmen, um die es hier geht, haben Bedeu-
ng für die ganze Volkswirtschaft und für viele Men-
chen, seien sie Anteilseigner, Mitarbeiter oder Kunden.
eshalb haben wir als Politiker auch die besondere Ver-
ntwortung, das nicht nur dem eigenen Geschmack der
nternehmen zu überlassen, sondern auch gestaltend
inzuwirken, Vorgaben zu machen und die Verbindlich-
eit mit sanftem Druck zu erhöhen. Die Frauen, die sich
ualifizieren, die diese Verantwortung übernehmen wol-
n, die in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen,
aben das verdient. Es gibt den Pool beim Verband der
nternehmerinnen; es gibt also wirklich genügend Ta-
nte, die diese Positionen einnehmen könnten.
Wir brauchen jetzt schnell eine Regelung. Deshalb
in ich froh, wenn bald vom zuständigen Familien- und
rauenministerium eine Diskussionsgrundlage vorgelegt
ird.
h denke, dass wir eine Zielvorgabe von 30 Prozent in
inem angemessenen Zeitrahmen brauchen. 30 Prozent
is 2018 – das wäre realistisch. Dies ist ein Vorschlag,
it dem wir uns auseinandersetzen sollten.
ir brauchen diese Vorgabe jetzt. Das wäre fair gegen-
ber den Unternehmen; denn im Jahr 2013 steht eine
ielzahl an Aufsichtsratswahlen an.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17601
Elisabeth Winkelmeier-Becker
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Wir müssen den Unternehmen jetzt sagen, worauf sie
sich einrichten müssen, damit sie die Vorbereitungen
treffen. Wer bis 2018 30 Prozent Frauen in den Gremien
haben will, der muss sich jetzt sputen und die Suche be-
ginnen.
Deshalb geht mein Appell, meine Ermunterung und
meine Zusage dahin, alle Schritte, die in diese Richtung
gehen, zu unterstützen.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Christel Humme für die SPD-Frak-
tion.
Frau Winkelmeier-Becker, das war eine mutige Rede.
Leider konnte ich von meinem Platz aus sehen, dass die
Ministerin in keiner Weise zugehört, sondern ihre Akten
bearbeitet hat. Das ist die Realität.
Dabei haben wir alle – das haben wir heute in allen Re-
den gehört – dasselbe Ziel, nämlich die Zahl der Frauen
in Führungspositionen zu erhöhen. Ich denke mir, es ist
Zeit, endlich auch gesetzliche Regelungen zu treffen.
Unser Antrag ist an dieser Stelle sehr klar. Wir wollen
eine gesetzliche 40-Prozent-Quote für Aufsichtsräte und
Vorstände festlegen, und wir wollen auch wirksame
Sanktionen. Das ist unser Konzept.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen von den Grünen,
wir stimmen auch Ihrem Gesetzentwurf zu; denn Sie ha-
ben in Ihrem Gesetzentwurf diese verbindliche Quote
und wirksame Sanktionen vorgesehen. Sie haben außer-
dem einen Antrag gestellt – den finde ich sehr gut –, mit
dem Sie diesen Gesetzentwurf noch um eine Regelung
für die Vorstände erweitern. Das ist wunderbar. Damit
können wir in der parlamentarischen Debatte vielleicht
dem Ziel näher kommen, das wir heute alle formuliert
haben, und ein gutes Gesetz weiterentwickeln. Ich
glaube, das ist ein guter Ansatz. Darum bitte ich heute
alle, dem zuzustimmen.
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Frau Högl hat es schon gesagt: Dieses Jahr ist ein ver-
renes Jahr. Es ist nicht nur ein verlorenes Jahr, sondern
s ist auch ein Jahr der Gipfel, nicht nur der europäi-
chen Gipfel, sondern auch der Quotengipfel.
Den ersten Quotengipfel hatten wir im März 2011.
amals hatte die Ministerin von der Leyen noch eine
erbindliche Quote gefordert. Sie ist total gescheitert,
nd zwar an der FDP, an dem Streit mit ihrer Kollegin
rau Schröder und letztlich an dem Veto der Kanzlerin.
Ein zweiter Gipfel musste her. Im Oktober dieses Jah-
s – das ist noch nicht so lange her – gab es den zweiten
ipfel.
Nein, aber von uns gibt es gute Vorschläge. Wir brau-
hen keinen Gipfel. – Auf dem zweiten Gipfel wollte die
inisterin Schröder den Vertretern der DAX-Unterneh-
en ihre Flexiquote erklären und schmackhaft machen.
as Ergebnis war niederschmetternd. Die am Spitzenge-
präch beteiligten Personalvorstände der Unternehmen
erpflichteten sich – man muss jetzt genau hinhören –,
diglich ihren jeweiligen Frauenanteil an Führungsposi-
onen anhand eigener unternehmensspezifischer Vorga-
en zu erhöhen. Was Führungspositionen sind, definie-
n sie aber nicht. Das bestätigt auch eine Antwort der
undesregierung. Ich lese sie vor und bitte, genau hinzu-
ören:
Die Zielvorgaben unterscheiden sich dabei sowohl
nach Höhe als auch nach Basisgröße. Es fehlt … an
einer einheitlichen Definition des Begriffs „Füh-
rungsposition“.
as heißt doch übersetzt, dass die Führungsmänner in
en Unternehmen jetzt machen können, was sie wollen.
as ist meiner Ansicht nach nicht das, was wir als SPD
ns unter Fortschritt vorstellen.
Schauen wir uns doch einmal genauer an, was in die-
em Papier „Frauen in Führungspositionen“ steht. Einige
nternehmen sagen, sie legen sich auf überhaupt keine
ielgröße fest. Andere Unternehmen wollen eine Quote
gendwo zwischen 12 und 35 Prozent. Unklar ist, was
ie damit meinen. Meinen sie eine Quote, eine Zuwachs-
te, deutschlandweit oder weltweit, im ganzen Kon-
ern? Niemand weiß es genau. Aber was wir genau wis-
en, ist: Die Vorstände und die Aufsichtsräte kommen
icht vor und sind nicht gemeint.
Frau Ministerin, ich sage es eigentlich ungern, aber es
t tatsächlich so: Sie haben sich ganz schön an der Nase
erumführen lassen. Denn wie wollen Sie die Einhaltung
o ungenauer Zielvorgaben eigentlich hinterher kontrol-
eren und die Ergebnisse vergleichen? Wer nichts Kon-
17602 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Christel Humme
)
)
kretes fordert, bekommt auch nichts Konkretes vorge-
legt – das war die nüchterne Kritik Ihrer Kollegin und
Ministerin Frau von der Leyen. Dem ist nichts hinzuzu-
fügen, dem stimmen wir zu.
Der letzte Freitag zeigt eigentlich, dass Sie es nicht
wirklich ernst meinen. Am letzten Freitag gab es im
Bundesrat eine Initiative der rot-grünen Landesregierung
Nordrhein-Westfalens, ein Gesetz in den Bundestag ein-
zubringen. Sie haben mit Ihren Stimmen dieses Gesetz
von Rot-Grün abgelehnt. Wo ist da das ernsthafte Bemü-
hen, für die Frauen etwas nach vorne zu bringen? Ich
sehe es nicht.
Es ist klar, dass wir eine verbindliche gesetzliche Re-
gelung brauchen; wir brauchen eine verbindliche Quote.
Darum werden wir, die Sozialdemokratinnen und Sozial-
demokraten, zu gegebener Zeit ein entsprechendes Ge-
setz vorlegen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den
Grünen, ich gehe davon aus, dass wir dann da auch Ihre
Zustimmung erhalten.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, richtig ist aber
auch, dass wir nicht nur in der Privatwirtschaft eine
Quote bzw. eine verbindliche Regelung brauchen, son-
dern auch in den Unternehmen, die vom Bund geleitet
werden, oder auch in den Gremien der Politik.
Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine An-
frage der SPD-Fraktion vom 24. November – so alt ist
sie noch nicht – hat ganz eindeutig gezeigt, dass es keine
paritätische Besetzung der Gremien gibt; es gibt sogar
Gremien, in denen nur Männer vertreten sind. Ich
glaube, auch hier müssen wir darüber diskutieren, ob wir
nicht eine verbindliche Quote brauchen, sowohl für Bun-
desunternehmen als auch für Gremien der Politik.
Frau Schröder, Sie haben angekündigt, dass Sie ein
Gesetz vorlegen wollen. Heute steht im Ticker, dass es
noch in der Schublade liegt.
Wir sind gespannt, wann das Gesetz, das auch die Bun-
desunternehmen einschließt, das Licht der Welt erbli-
cken wird.
Wir wissen nur, dass die FDP bisher verhindert, dass die-
ses Gesetz die Schublade verlässt.
Ich denke, wir haben viel zu tun. Wenn uns die Fest-
schreibung einer verbindlichen Quote wichtig ist, kön-
nen wir heute Solidarität zeigen, indem wir alle dem Ge-
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Das Wort hat nun Marco Buschmann für die FDP-
raktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
en! Ich bin jetzt seit zwei Jahren Mitglied dieses Hohen
auses.
ir sprechen nun zum vierten Mal im Plenum über die
wangsquote.
h würde Sie bitten, einfach zu akzeptieren, dass uns
as Ziel eint, gleiche Karrierechancen für Frauen und
änner zu schaffen, und dass wir uns alle dafür einset-
en.
s geht einzig und allein um die Frage, ob Sie ein taugli-
hes Instrument vorschlagen.
Sie schlagen heute wieder ein untaugliches Instru-
ent vor. Das wissen Sie auch; sonst hätten Sie dieses ja
ährend Ihrer eigenen Regierungszeit umgesetzt. Das
strument, zu dessen Umsetzung Sie uns hier wieder
rängen wollen, ist auch deshalb untauglich, weil es sich
uf eine ganz kleine Gruppe beschränkt.
ie reduzieren nämlich den Begriff Führungskraft auf
ie Organe von Kapitalgesellschaften und die Geschäfts-
itungen mitbestimmter Unternehmen.
In Anbetracht dieses Befundes frage ich Sie ernsthaft:
lauben Sie, mit diesem Minielitenprojekt irgendetwas
n der gesellschaftlichen Realität in diesem Land ändern
u können?
as möchte ich Sie ernsthaft fragen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17603
Marco Buschmann
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)
Glauben Sie denn wirklich, mit aggressiver Konfronta-
tion würde mehr erreicht als mit intelligenter Koopera-
tion?
Ich möchte Sie bitte einmal mit dem zahlenmäßigen
Befund hinsichtlich des Gipfels vom 17. Oktober dieses
Jahres konfrontieren.
Herr Kollege, gestatten Sie vorher eine Zwischen-
frage des Kollegen Beck?
Weil ich keine neuen Aspekte erwarte, mache ich das
nicht.
– Hören Sie bitte einmal zu! Sie behaupten ja immer, wir
hätten nichts erreicht.
Vertreter der Regierung haben mit den DAX-Konzernen
am 17. Oktober 2011 im Wege der freiwilligen Selbst-
verpflichtung mehr erreicht, als Sie mit Ihren Zwangs-
quotenvorschlägen erreichen können.
Demnach wird der Anteil von Frauen in Führungsposi-
tionen bis 2020 bis auf 35 Prozent steigen: bei Adidas
auf bis zu 35 Prozent, bei der Lufthansa auf bis zu
30 Prozent.
Da kann man doch nicht sagen, es sei nichts passiert.
Das gilt vor allen Dingen deshalb, weil der Begriff
Führungskraft viel weiter gefasst ist und sich nicht auf
das Placebo „Organe von Kapitalgesellschaften“ be-
schränkt.
Das ist nämlich das Erfreuliche an dieser Vereinbarung.
So sagt zum Beispiel Volkswagen, dass die eigenen Ziel-
vorstellungen nicht nur für die paar Personen im Vor-
stand und im Aufsichtsrat gelten, sondern für die untere,
mittlere und obere Führungsebene gleichermaßen.
Infineon will seine Vorgaben auf oberer und mittlerer
Führungsebene verwirklichen. Auch Henkel hat sich das
Ziel gesetzt, die eigenen Zielvorgaben im gesamten Ma-
nagementbereich umzusetzen. Das geht viel weiter, als
wenn man sich nur auf ein paar Personen im Vorstand
und im Aufsichtsrat kapriziert.
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etzt man das in Bezug zu den etwa 15 Millionen weib-
chen Erwerbstätigen in Deutschland, dann ergibt sich
in Anteil von 0,0016 Prozent. Sie verändern so nichts
n der gesellschaftlichen Realität.
immt man dann noch an, dass es zu Doppel- und
riplemandaten in Aufsichtsräten kommen wird – wie
ie Erfahrungen mit der Zwangsquote in Norwegen zei-
en –, sinkt dieser kaum messbare Anteil noch weiter.
r Vorschlag geht damit an den Chancen Millionen gut
usgebildeter Frauen in unserem Land vorbei. Sein Ef-
kt ist eine Quantité négligeable. Sie betreiben nur
ymbolpolitik, um sie ins Schaufenster zu stellen, aber
ndern nichts.
Nicht einmal den Lucky Few, die von Ihrem homöo-
athischen Instrument profitieren können, wird das
irklich etwas bringen.
ir wissen doch schon heute, was passiert, wenn die
wangsquote aggressiv und konfrontativ gegen die Un-
rnehmen durchgedrückt wird: Keine einzige Gesell-
chaft wird erfolgreiche Vorstände und Aufsichtsräte
uern, nur weil sie Männer sind. Man wird die Quote
ann über die Aufblähung von Gremien erfüllen.
lötzlich gibt es dann Vorstandspositionen für Corporate
ocial Responsibility oder Ähnliches, die mikroskopi-
che Budgetverantwortung tragen werden. Das ist kein
eitrag für eine Gleichberechtigung bei den Karri-
rechancen von Männern und Frauen in unserem Land.
Diese Fakten erkennen Sie im Grunde doch auch an.
aher sprechen auch Sie immer von einem Hebeleffekt.
17604 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Marco Buschmann
)
)
Als ob automatisch etwas nach unten durchsickern
würde, nur weil man oben an der Spitze etwas getan hat!
Ihr Argument lautet:
Seien erst einmal genug Frauen in den wenigen Top-po-
sitionen, würden diese schon dafür sorgen, dass alles
besser wird.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Pronold?
Auch da erwarte ich keinen Erkenntnisgewinn. – Ein
solcher Hebeleffekt ist jedoch bloß ein Mythos; denn die
sozialwissenschaftliche Forschung hat ihn widerlegt.
Meine Kollegin Bracht-Bendt hat auf die Forschungs-
ergebnisse von Catherine Hakim von der London School
of Economics hingewiesen. Frau Hakim hat untersucht,
was in Norwegen passiert ist. Haben die Frauen in Top-
positionen dafür gesorgt, dass in nachgeordneten Füh-
rungsebenen mehr Frauen verantwortliche Positionen
bekommen? Frau Hakim hat es wissenschaftlich unter-
sucht und festgestellt, dass nichts dergleichen passiert
ist.
Der Anteil der Frauen in diesen Positionen unterhalb des
Vorstands ist sogar gesunken. Laut der Forschungs-
ergebnisse von Frau Hakim steht Norwegen diesbezüg-
lich heute sogar schlechter da als Deutschland.
Lange Rede, kurzer Sinn:
Die jüngste Selbstverpflichtung der DAX-30-Unterneh-
men bewirkt deutlich mehr; denn wegen des in diesem
Konzept enthaltenen weiten Begriffs von Führungskraft
werden Tausende von Führungspositionen erfasst. Das
Beispiel zeigt: Die Mehrheit aus Union und FDP hat in
den letzten zwei Jahren mehr konkrete Erfolge erzielt als
Sie zu den Zeiten, in denen Sie Regierungsverantwor-
tung getragen haben.
Das ist es, was Ihnen so wehtut. Das ist es, was Sie so
aggressiv macht.
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Das Wort hat nun Barbara Höll für die Fraktion Die
inke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Herr Buschmann, viel konnte man von Ihnen
nicht erwarten. Das wird klar, wenn man sich Ihre
raktion im Bundestag anschaut: Mit Mühe und Not hat
an einen Frauenanteil von 25 Prozent erreicht. Bei der
DU sind es nicht einmal 20 Prozent. Sie sollten erst
inmal in Ihren eigenen Reihen anfangen.
an hat den Eindruck, da ist so etwas wie ein Männer-
ündnis, das nach dem Motto arbeitet: Wir verhindern
as bei uns und helfen euch in der Wirtschaft, damit das
enau so weitergeht.
Ich bin – das muss ich wirklich sagen – ein bisschen
nttäuscht, dass die Frau Ministerin in dieser Debatte gar
ichts zu sagen hat.
ie hat inhaltlich eben nichts zu sagen, und deshalb
chweigt sie lieber.
Gestern Abend habe ich den Taxifahrer, der mich
ach Hause gefahren hat, gefragt, ob er etwas von der
iskussion über eine Quote für Frauen in Führungs-
tagen gehört hat. Er sagte: Nein. – Ich fragte ihn, was er
avon hält. Er sagte: Klar können die Frauen das ma-
hen, die können es doch. – Ich: Was denken Sie denn,
oran es liegt? – Er: Die Kerle sind einfach zu verbohrt.
rei klare Antworten!
Ich glaube, der Mann hat recht. Aber man muss es
och ein bisschen aufdröseln: Sicher, ganz viele Men-
chen in unserem Land bewegt die Lage der Frauen. Sie
ewegt der Umstand, dass Frauen in Minijobs weg-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17605
Dr. Barbara Höll
)
)
gedrückt werden, dass Frauen wenig verdienen – sie
würden am meisten von einer Mindestlohnregelung pro-
fitieren –, dass insbesondere Alleinerziehende von Ar-
mut bedroht sind und dass Frauen wissen, dass sie im
Alter ganz geringe Renten erhalten werden. Das bewegt
ganz viele Menschen. Viele Menschen sagen aber auch,
dass wir in der Wirtschaft etwas tun müssen. So wie von
unten etwas getan werden muss, muss auch von oben ge-
drückt werden, damit sich etwas verändert. Deshalb ist
es notwendig, dass wir hier darüber reden.
Es ist inzwischen unstrittig und nachgewiesen – das
wurde hier schon gesagt –, dass unter betriebswirtschaft-
lichen Aspekten die Unternehmen am besten funktionie-
ren, die eine geschlechtergemischte Führung haben, die
also weder reine Frauenführungen noch reine Männer-
führungen haben, sondern in etwa gleich viele Frauen
und Männer in Führungspositionen haben. Dafür gibt es
verschiedene Ursachen: Es gibt unterschiedliche Strate-
gien zur Konfliktlösung. Es gibt unterschiedliche Blicke
auf das, was für ein Unternehmen wichtig ist.
Ich formuliere es einmal ein bisschen drastisch: Sie
erinnern sich vielleicht alle noch daran, dass es vor etwa
einem Jahr einen ziemlich großen Skandal gab. In der
Bild stand ganz groß: Extra-Vergütung der Mitarbeiter
einer deutschen Versicherung in Ungarn in Form eines
Sexurlaubs. Stellen Sie sich einmal vor, auch in diesem
Unternehmen wären auf allen Ebenen Positionen mit
Männern und Frauen gleichermaßen besetzt gewesen.
Glauben Sie, dann wäre das zustande gekommen?
Glauben Sie, die Frauen hätten es als Auszeichnung
empfunden, dass sie in ein Bordell gehen sollen? Glau-
ben Sie, dass die Frauen im Vorstand einer solchen Art
und Weise der Vergütung zugestimmt hätten? Niemals,
sage ich Ihnen.
Ich habe natürlich nachgeschaut: Auch in diesem Un-
ternehmen sind nur drei Frauen im Aufsichtsrat, bei
20 Mitgliedern; eine Frau ist im Vorstand, eine einzige.
Aber ich sage Ihnen: Eine Frau alleine ist nicht in der
Lage, die Verhältnisse zu ändern. Bei solchen Verhältnis-
sen wird eher diese Frau verändert. Viele Frauen zusam-
men können aber die Verhältnisse ändern. Deshalb brau-
chen wir die Quote.
Die freiwillige Selbstverpflichtung ist offenkundig
gescheitert. Das bringt nichts. Sie fordern immer mal
wieder: Mehr Frauen in die Politik! Das bringt nichts. Es
passiert nichts. Auch in der Wirtschaft passiert nichts.
Der Taxifahrer gestern sagte: Die Männer sind zu ver-
bohrt. Worum geht es denn? Interessanterweise bekom-
men die wenigen Frauen, die es geschafft haben, die in
den Führungsetagen sitzen, im Vergleich zu ihren männ-
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Das Wort hat nun Ekin Deligöz für die Fraktion
ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ass wir heute über die Frauenquote diskutieren, ist ja
ein Selbstzweck. Es geht hier nicht nur um Rollenbil-
er. Klar ist: Es gibt Herausforderungen in dieser Gesell-
chaft, die wir meistern müssen, zum Beispiel den Fach-
räftemangel oder – darüber haben wir heute Morgen
eredet – die Finanzkrise. Diese Herausforderungen
önnen wir nur bewältigen, wenn Männer und Frauen
emeinsam Verantwortung übernehmen und Entschei-
ungen treffen. Weil wir Entscheidungen gemeinsam
effen wollen, diskutieren wir heute über die Frauen-
uote.
Sie werden jetzt sagen: Dann sollen die Frauen sich
och beteiligen, wenn sie es wollen. Das ist doch ganz
lar und einfach. – Wenn wir uns die Besetzung der Vor-
tände und der Aufsichtsräte anschauen, stellen wir aber
st, dass das, was in dieser Gesellschaft eigentlich
17606 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Ekin Deligöz
)
)
selbstverständlich sein sollte, eben nicht selbstverständ-
lich ist. Es ist nicht klar, es ist nicht so einfach. Deshalb
diskutieren wir hier heute über die Frauenquote.
Es geht nicht nur darum, dass der weibliche Blick auf
die Dinge berücksichtigt wird – Frau Höll, ich gebe Ih-
nen recht; das sollte so sein –, sondern es geht auch da-
rum, dass die Herausforderungen so kompliziert sind,
dass wir die Besten der Besten in dieser Gesellschaft
brauchen, um die entsprechenden Entscheidung zu tref-
fen. Wir brauchen Sachverstand, wir brauchen die Kapa-
zitäten, und wir brauchen die Kenntnisse. Im Moment ist
es so, dass in den Entscheidungsgremien nur Männer,
möglicherweise die besten, ausgesucht werden
und nicht die Besten der Gesellschaft. Zu den Besten der
Gesellschaft gehören nun einmal Frauen dazu. Sie stel-
len die eine Hälfte der Bevölkerung. Erst, wenn tatsäch-
lich die Besten der Besten gesucht werden, können wir
davon reden, dass die Potenziale in diesem Land genutzt
werden. Ehrlich gesagt: Wenn wir das nicht tun und wir
uns nur auf die eine Hälfte der Gesellschaft beschränken,
dann werden nicht die Besten ausgewählt, sondern nur
die Zweitbesten. Das, was Herr Buschmann hier in sei-
ner Rede vorgetragen hat, bestätigt genau diese These.
Wenn wir Frauen in verantwortungsvollen Positionen
haben wollen, dann bringt dies mit sich, dass Frauen sich
behaupten müssen. Gerade wir Politikerinnen wissen
doch, was es heißt und wie schwierig es ist, sich in einer
männerdominierten Welt zu behaupten. Umso wichtiger
ist es, dass sich die Abgeordneten hier im Bundestag zu-
sammen für eine Quote einsetzen und diese durchsetzen.
Das ist unser Auftrag. Ich fände es sehr schade, wenn die
Entscheidung heute von parteipolitischen Überlegungen
bestimmt würde.
Frau Winkelmeier-Becker, Sie kennen die Argu-
mente. Sie haben mit ihrer Argumentation absolut recht.
Es sollte eine Frage des Gewissens sein, sich für die an-
dere Hälfte der Gesellschaft zumindest genauso stark
einzusetzen.
Ich lade Sie dazu ein, mit uns genau das zu tun und diese
Frage nicht unter die parteipolitischen Räder kommen zu
lassen. Womöglich entspricht der jetzt vorliegende Vor-
schlag nicht Ihren Vorstellungen. Ich und meine Fraktion
sind aber gerne bereit, mit Ihnen an einem Kompromiss
zu arbeiten. Warum? Wir haben jetzt ein Zeitfenster bis
zum Jahre 2013. Wenn wir etwas in dieser Gesellschaft
bewegen und verändern wollen, müssen wir dieses Zeit-
fenster nutzen. Wenn es sich schließt, werden wir die
nächsten zehn Jahre hier sitzen und abwarten müssen,
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Ich denke, es wäre wieder einmal an der Zeit, dass
rauen gemeinsam Verantwortung im Parlament über-
ehmen. Frauen haben in diesem Parlament vieles be-
egt, angefangen bei dem Gewaltschutzgesetz bis hin
um Embryonenschutzgesetz und zur Patientenverfü-
ung. Wir haben es immer geschafft, einen anderen
lick auf die Dinge zu werfen. An dieser Stelle ist es
ieder an der Zeit, wenn sie nicht fast schon wieder vor-
ei ist. Deshalb eilt es. Lassen Sie uns uns gemeinsam an
inen Tisch setzen und gemeinsam ein Gesetz machen!
assen Sie uns in diesem Land etwas bewegen! Eine Al-
rnative dazu haben wir nicht.
Das Wort hat nun Dorothee Bär für die CDU/CSU-
raktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine sehr geehrten Damen und Herren! Mich persön-
ch ärgert es sehr, dass wir diese Debatten im Deutschen
undestag immer noch führen müssen.
ich ärgert es auch deswegen, weil wir das Jahr 2011
chreiben und ich es nicht für möglich gehalten habe,
ass wir uns 2011 noch über solche eigentlich selbstver-
tändlichen Dinge unterhalten müssen, wie dass wir
ehr Geschlechtergerechtigkeit in diesem Land brau-
hen.
Wir hatten in dieser Woche eine gemeinsame Aktion
ller im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien. Es
aren Kolleginnen aller sechs Parteien sowie Journalis-
nnen und Mitarbeiterinnen da. Es herrschte eine sehr
ositive und sehr angenehme Stimmung. Es hat mich
azu gebracht, zu erkennen, dass wir gemeinsam zu Er-
ebnissen kommen können, wenn wir versuchen, es kon-
ensual zu lösen. Liebe Kollegin Högl, ich fand den An-
ng Ihrer Rede ganz hervorragend. Ich fand es etwas
chade, dass Sie gegen Ende verbal so aufgerüstet haben.
ie sind bei Twitter charmanter als im Plenum. Ich hätte
ich einfach gefreut, wenn wir so konsensual gemein-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17607
Dorothee Bär
)
)
sam hätten arbeiten können, wie das zum Beispiel mit
Ihrer Kollegin Ziegler der Fall ist,
weil es wichtig ist, dass wir uns gemeinsam an einen
Tisch setzen und uns überlegen, diese Schritte zu gehen.
Wir sind weiter als noch vor einigen Jahren. Ich
glaube, dass sich keiner unserer männlichen Kollegen
– egal von welcher Partei hier im Bundestag – irgendwo
hinstellen und bestreiten kann, dass die Zustände, die wir
hier beklagen, so sind, wie sie sind.
Da sind wir auf jeden Fall weiter. Man kann sagen, dass
es noch nicht reicht. Da bin ich bei Ihnen. Ich sage aber
zumindest für meine Fraktion, dass ich mir nicht vorstel-
len kann, dass einer meiner Kollegen mit einer anderen
Einstellung zu Hause in seinem Wahlkreis oder auch bei
der Frauen-Union einen Stich machen könnte.
Das gilt vielleicht nicht für die Piraten. Der Vorsit-
zende hier in Berlin hat gesagt, dass es bei den Piraten
deswegen so wenige Frauen gebe, weil die sich nicht
trauten, vor vielen Menschen zu reden. Ich glaube, da
sind wir insgesamt schon wesentlich weiter.
Es ist mehrfach zitiert worden, dass wir Bildungsge-
winnerinnen und Karriereverliererinnen sind. Selbstver-
ständlich, lieber Kollege Buschmann, muss man diesen
Mangel an weiblichen Vorbildern gerade an der Spitze
deswegen beheben, weil weibliche Vorbilder wichtig
sind, weil diese talentierte Frauen nachziehen müssen,
die wiederum selbst Vorbilder sein müssen.
Die Zahlen und Fakten für das 21. Jahrhundert sind
ungeheuerlich. Ich werde heute Abend bei einem Jubi-
läum der Frauen-Union sprechen dürfen. Sieht man sich
an, was die Frauen in meiner Partei, in der CSU, schon
1981 festgeschrieben haben, muss man sich schon fra-
gen, was in den letzten 30 Jahren eigentlich passiert ist.
Hier geht es nicht nur um die letzten zehn Jahre, in de-
nen es nicht so gelaufen ist, wie wir uns das vorgestellt
haben. Da gebe ich Ihnen recht. Leider Gottes kann man
auch die Reden von vor 30 Jahren eins zu eins heute
noch halten.
Ich möchte nicht, dass wir diese Potenziale weiter
vergeuden, sondern dass wir unser Bewusstsein schär-
fen. Mittlerweile haben viele meiner Kolleginnen, aber
auch Kollegen – das haben Sie heute mitbekommen,
Kollegin Winkelmeier-Becker hat schon gesprochen, die
Kollegin Rita Pawelski wird gleich im Anschluss noch
sprechen –, auch innerhalb meiner eigenen Arbeits-
gruppe, in der ich übrigens mehr männliche als weibli-
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Lieber Josef, ich finde das ganz hervorragend. Das ist
er richtige Weg. Ich wünsche allen ganz viele Töchter,
ütter, Tanten und Cousinen; denn es ist wichtig, den
enschen zu sagen, dass es im Jahr 2011 nicht mehr so
eitergeht wie bisher.
Der Druck muss aufrechterhalten werden. Ich persön-
ch wünsche mir einen starken Druck. Elisabeth
inkelmeier-Becker hat von sanftem Druck gesprochen.
b er sanft sein muss, weiß ich nicht. Er muss aber auf
den Fall so beschaffen sein, dass er zielführend ist.
Ich hätte mir gewünscht – das ist keine Kritik, son-
ern nur die offene Bitte – dass die SPD-Spitze es ge-
auso wie die Grünen heute geschafft hätte, eine na-
entliche Abstimmung zu vermeiden. Das wäre für uns
lle wesentlich leichter gewesen. Vielleicht hätte man
en Kollegen Oppermann kurz herausholen und mit ihm
den können, ob er seinem Herzen nicht noch einen
toß geben kann.
Es wäre nämlich schön gewesen, wenn Sie gesagt hät-
n: Okay, wir bringen nicht die Kolleginnen in Schwie-
gkeiten, die eigentlich eine gemeinsame Lösung an-
treben. Ich möchte nicht, dass ich Ihre beiden Anträge
eute ablehnen muss. Das tut mir im Herzen weh, weil
h nicht möchte, dass am Schluss nur aus formalen
ründen keine gemeinsame Lösung zustande kommen
ann. Mir geht es wirklich um die Sache.
17608 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
)
)
Frau Kollegin.
Einen Moment, Herr Präsident!
Mir geht es wirklich um die Sache. Deswegen hätte ich
mich einfach darüber gefreut. – Jetzt freue ich mich,
wenn der Kollege Beck meine Redezeit verlängert.
Bitte schön.
Nur eine Bemerkung zur Klarstellung: Wenn Sie ge-
wollt hätten, dass Sie nicht in diese vertrackte Lage
kommen, wäre es Ihnen möglich gewesen, die Anträge
zurückzuüberweisen. Das wäre aber natürlich nur gegan-
gen mit einem klaren Signal, dass wir zwischen den
Fraktionen gemeinsam an einer gesetzlichen Lösung ar-
beiten. Das hätten Sie haben können. Davon haben Sie
keinen Gebrauch gemacht.
– Die Geschäftsordnung sieht vor, dass man Zwischen-
bemerkungen machen und Zwischenfragen stellen kann.
Herr Brüderle, Sie sind lang genug hier im Haus.
Ich will nur klarmachen, dass wir zu gemeinsamen
Gesprächen über eine gesetzliche Lösung bereit sind.
Das setzt aber voraus, dass ein Verhandlungsauftrag von
Ihrer Fraktionsführung vorliegt. Wir können auch einen
Gruppenantrag stellen. Ich glaube, im Haus hat die Posi-
tion, die wir als Grüne vorschlagen, längst eine Mehr-
heit.
Herr Kollege Beck, vielen Dank für Ihre Zwischenbe-
merkung. Das wäre meines Erachtens aber nicht notwen-
dig gewesen, weil ich Ihnen von hier aus meine Mitar-
beit anbiete. Wir wollen gemeinsam zu einer Lösung
kommen. Das hätte man heute vielleicht etwas eleganter
machen können.
Das heißt aber nicht, dass dieser Auftrag nicht klar er-
kannt ist.
Ich freue mich, wenn wir jetzt weitermachen und mit
vielen Kolleginnen und Kollegen interfraktionell eine
Berliner Erklärung erarbeiten, in der wir unser gemein-
sames Ziel festlegen. Denn ich möchte nicht, dass sich
die Töchter von Josef Göppel – sollten sie eines Tages
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Das Wort hat nun Elke Ferner für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Zu-
ächst möchte ich Frau Winkelmeier-Becker und Frau
är für ihre Redebeiträge danken,
eil ich denke, dass wir auf dieser Basis – auch wenn
ie heute wegen des Fraktionszwangs nicht so abstim-
en können, wie Sie vielleicht gerne abstimmen möch-
n – vielleicht doch noch in dieser Wahlperiode wenigs-
ns zu einem Einstieg in eine gesetzliche Regelung
ommen, die den Namen auch verdient hat.
Dass Frauen in deutschen Führungs- und Aufsichts-
remien auch im 21. Jahrhundert Mangelware sind, ist
ein Naturgesetz. Dagegen können Mann und Frau et-
as tun. Man muss das nur wollen.
Die Wirtschaft hat in den letzten zehn Jahren ihre
hance gehabt. Ich verhehle nicht, dass ich vor zehn
ahren zu denjenigen in meiner Fraktion gehört habe, die
egen eine freiwillige Vereinbarung waren. Es ist leider
as eingetreten, was wir damals befürchtet haben: Sie
at null bewirkt. Ich finde, das waren zehn vergeudete
ahre und zehn Jahre zu viel, in denen viele Platzhirsche
den Chefsesseln sitzen geblieben sind und in denen
iele junge, qualifizierte Frauen nicht dahin gekommen
ind, wo sie hingehören, nämlich an die Spitze bzw. in
ie Aufsichtsräte von Unternehmen. Daran müssen wir
tzt etwas ändern.
Ich denke, dass die letzten zehn Jahre eigentlich allen
ie Augen geöffnet haben müssten, dass Freiwilligkeit
icht zu mehr Gleichstellung führt. Dass wir uns im in-
rnationalen Vergleich schämen müssen, ist leider auch
ahr, weil sich in den letzten zehn Jahren nichts bewegt
at. Andere Länder sind viel weiter. Das Beispiel Nor-
egen kennen wir alle. Es gibt dort verbindliche gesetz-
che Regelungen, und sie wirken. Sie haben die Gleich-
tellung von Frauen und Männern nicht nur in den
nternehmen bzw. Aufsichtsräten, sondern auch in der
esellschaft insgesamt verbessert.
Ich sage Ihnen: Wer nach diesen Erfahrungen immer
och der Meinung ist, man könne es den Unternehmen
elber überlassen, für Frauenförderung zu sorgen, der ist
icht von dieser Welt, Frau Schröder.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17609
Elke Ferner
)
)
Das müssten Sie eigentlich gelernt haben. Wenn Sie den
Oppositionsrednerinnen schon nicht zuhören, dann soll-
ten Sie wenigstens Ihren eigenen Fraktionskolleginnen
zuhören. Ich fand es ziemlich ungehörig,
wie demonstrativ desinteressiert Sie eben auf der Regie-
rungsbank gesessen haben, als Ihre Fraktionskolleginnen
geredet haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gleichstellung
musste immer erkämpft werden; das ist leider auch heute
noch so. Deshalb dürfen wir es nicht den Blockierern
überlassen, die Blockade zu beseitigen, sondern wir
müssen das selbst in die Hand nehmen. Wir im Deut-
schen Bundestag müssen dafür sorgen, dass wir den Ein-
stieg in die Gleichstellung von Frauen und Männern hin-
bekommen, nicht nur was die Führungspositionen in der
Wirtschaft betrifft, sondern auch im Hinblick auf die
Führungspositionen in Forschung und Lehre,
in der Verwaltung, in Körperschaften des öffentlichen
Rechts und in Gremien, die der Bund zu besetzen hat.
Ich glaube, wir haben eine parlamentarische Mehrheit
für dieses Anliegen.
Dieses Anliegen wird auch von der Mehrheit der Bevöl-
kerung geteilt.
Ich appelliere daher an die Fraktionsführungen von
Union und FDP – in Ihrer Fraktion gibt es ja wahr-
scheinlich auch die eine oder andere vernünftige Kolle-
gin –: Heben Sie den Fraktionszwang auf,
wie wir es auch bei anderen Gelegenheiten schon ge-
macht haben, und lassen Sie uns aus der Mitte des Parla-
ments eine Regelung erarbeiten, mit der wir den Einstieg
in die Verbesserung der Gleichstellung zwischen Män-
nern und Frauen hinbekommen!
Ich finde – das kann ich Ihnen leider nicht ersparen,
Frau Schröder –, die Art und Weise, wie Sie sich als zu-
ständige Ministerin verhalten, ist wirklich ein Trauer-
spiel.
Sie sind die für Frauen zuständige Ministerin. Sie sind
die zuständige Ministerin, die dieses Thema eigentlich in
Angriff nehmen müsste. Aber was machen Sie? Sie ste-
hen auf der Seite der Blockierer in der Wirtschaft. Sie
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Wir haben unsere Eckpunkte vorgelegt. Es wird ein
esetzentwurf folgen. Das heißt, wir werden noch wei-
re Gelegenheiten haben, über dieses Thema hier im
arlament zu diskutieren. Vielleicht haben sich bis dahin
uch die Fraktionsführungen von Union und FDP dazu
urchgerungen, den Fraktionszwang an dieser Stelle
ndlich aufzuheben, damit wir aus der Mitte des Parla-
ent zu einer Lösung kommen können, die die Frauen in
nserem Land weiterbringt.
Schönen Dank.
Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat Kollegin
ita Pawelski für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
olleginnen und Kollegen! Ein deutsches Sprichwort
utet: Mit Zank und Streit kommt man nicht weit. – Das
ilt auch im Hinblick auf das Anliegen, mehr Frauen in
ührungspositionen bzw. in Aufsichtsräte und Vorstände
u bringen. Zank und Streit haben wir eigentlich nicht
ehr nötig, weil wir uns in so vielen Punkten einig sind;
as dachte ich zumindest bis Mittwochabend. Da führten
ir ein Gespräch, an dem Frauen aus allen Fraktionen
nd aus der Wirtschaft, Journalistinnen bzw. Frauen, die
den Medien arbeiten, und Vertreterinnen anderer Be-
iche teilgenommen haben.
Wir haben eine Linie dafür abgesteckt, wie wir über-
aktionell und überparteilich in Verbindung mit Frauen
us der Wirtschaft, aus den Medien, aus den Verbänden,
ben mit allen Frauen, in dieser Frage weiterkommen
ollen. Diese Basis wurde von den Frauen der SPD lei-
er verlassen. Das tut mir leid.
Ich bin enttäuscht darüber, dass Sie für heute eine na-
entliche Abstimmung durchgesetzt haben, wohl wis-
end, dass Sie uns damit zwingen, in eine Richtung zu
timmen, in die wir eigentlich nicht wollen. Sie verste-
en das Geschäft gut; Sie wissen, was das bedeutet.
Was bedeutet das aber für die Frauen, die eigentlich
it Ihnen zusammenarbeiten wollen? Sollen wir morgen
der übermorgen dann sagen: Wir haben zwar so ge-
timmt, aber nun reden wir wieder anders? Das schadet
er Sache. Sie haben damit der Sache geschadet.
17610 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Rita Pawelski
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Wir glauben, dass Ihnen der Streit und persönliche Eifer-
süchteleien wichtiger sind als die gemeinsame Sache.
Sie haben uns damit sehr geschadet.
Meine Damen und Herren, wir alle sind uns doch ei-
gentlich darin einig – ich versuche jetzt, die Gemeinsam-
keiten zusammenzufassen –, dass die Chefetagen in den
Unternehmen – vor allem in den Unternehmen mit staat-
licher Beteiligung –, in den Behörden und auch die Gre-
mien weiblicher werden sollen. Die jetzige Situation ist
nicht akzeptabel. Ich glaube, hier stimmen uns sogar
sehr viele Kollegen zu. Wir wollen und wir werden es
nicht länger hinnehmen, dass Frauen in den Vorständen
der 200 größten deutschen Unternehmen gerade einmal
zu 3 Prozent und in den Aufsichtsräten zu rund 11 Pro-
zent vertreten sind.
Es ist richtig: Wir reden seit über einem Jahr darüber.
Ich habe viele Gespräche mit Vorständen zu diesem
Thema geführt. Dabei habe ich immer wieder „Wir ha-
ben keine Frauen“ oder „Die Frauen wollen diese Ver-
antwortung nicht übernehmen“ gehört. Was ist das für
eine Arroganz, wenn man sagt: Von den vielen gut aus-
gebildeten Frauen sind nur sieben Frauen in der Lage, in
dem Vorstand eines deutschen DAX-Unternehmens mit-
zuarbeiten?
Ich muss sagen: Eine solche Überheblichkeit, die sich
hier einige leisten, ist schlimm und frauenfeindlich. So
etwas dürfen wir uns nicht leisten.
Bei mir hat sich der Eindruck verstärkt, dass Frauen
sehr konkret aus diesem Personalkarussell herausgehal-
ten werden: aus den Chefetagen, aus den Vorständen, aus
den Aufsichtsräten. Das verstößt eindeutig gegen unser
Grundgesetz. Dort heißt es in Art. 3 Abs. 2: „Männer
und Frauen sind gleichberechtigt“. Ich wundere mich,
dass noch keine Frau dagegen geklagt hat; denn an die-
ser Stelle wird das Grundgesetz mit Füßen getreten.
Ich betrachte jetzt einmal nicht die oberste Führungs-
ebene, sondern die Ebenen zwei und drei. Dort be-
obachte ich einen zarten Prozess des Umdenkens. Das
zeigt mir: Der politische Druck der letzten Jahre hat Wir-
kung gezeigt.
Auf Veranlassung unserer Ministerin Kristina
Schröder haben sich erstmalig die Personalvorstände der
DAX-30-Unternehmen getroffen. Das gab es noch nie;
das muss man deutlich sagen. Es ist grundsätzlich gut,
wenn sich die Personalvorstände unserer DAX-30-Un-
ternehmen Gedanken über die Frauen in ihren Unterneh-
men machen.
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a helfen die Versprechen der Unternehmen nicht wei-
r. Wir sind hier der Gesetzgeber, und wir müssen han-
eln.
Ich bitte Sie: Trauen Sie sich! Auch andere Länder in
uropa haben sich getraut. Ich nenne noch einmal Nor-
egen. Mit Blick auf die hier schon zitierte Untersu-
hung muss man allerdings fragen, wer sie in Auftrag
egeben hat. Der damalige norwegische Wirtschafts-
inister, der die Quotenregelung umgesetzt hat und mit
em ich vor kurzem gesprochen habe, erklärte mir seine
eweggründe, warum er diesen Schritt für notwendig
ielt. Seine Antwort war: Das war kein feministischer
chlachtruf. Auch die Fairness gegenüber Frauen hat
eniger eine Rolle gespielt. Es waren knallharte wirt-
chaftspolitische Interessen.
Das zeigt auch die Studie von McKinsey, die ganz ak-
ell veröffentlicht wurde. – Herr Präsident, ich bin so-
rt fertig.
Frau Kollegin, ich wollte Sie nur fragen, ob Sie eine
wischenfrage zulassen wollen, mit der Sie Ihre Rede-
eit verlängern können?
Nein, wir wollen jetzt abstimmen. Entschuldigung.
Dann kommen Sie bitte zum Schluss.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17611
)
)
Nach dieser Studie erzielen Firmen mit der größten
Vielfalt im Vorstand – also mit Frauen und jüngeren
Männern – 53 Prozent höhere Kapitalrenditen und
14 Prozent höhere Betriebsergebnisse als Firmen mit ge-
ringerer Vielfalt. Das zeigt ganz klar: Mit Frauen in der
Spitze lässt sich ein Unternehmen noch viel erfolg-
reicher führen. Das sind Argumente, die eigentlich auch
unseren Wirtschaftspolitikern einleuchten müssen.
Frauen sorgen für mehr Umsatz und für mehr Kapitalzu-
fluss. Also müssten Frauen doch dringend und sofort
eingestellt werden.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.
Meine Damen und Herren, Politik ist das Bohren
dicker Bretter; das wissen wir. Wenn es um Frauenpoli-
tik geht, sind die Bretter aber besonders dick. Ich habe
immer den Eindruck: Männer bohren mit einer Black &
Decker, und wir Frauen bekommen nur einen rostigen
Handbohrer. Aber wir bohren weiter. Das verspreche ich
Ihnen.
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kolle-
gin Ziegler.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau
Pawelski, ich wollte an Sie vorhin eine Frage stellen. Ich
mache das jetzt im Rahmen einer Kurzintervention.
Wir waren uns auf dem Weg, den Sie beschrieben ha-
ben, alle sehr einig. Ich war froh darüber, dass wir es
über die Fraktionsgrenzen hinweg geschafft haben, das
Ziel zu formulieren, das uns eint, auch wenn die Wege
unterschiedlich sind. Die FDP zieht einen anderen Weg
vor. Die Mehrheit der Frauen im Parlament sagt jeden-
falls, dass wir eine gesetzliche Regelung brauchen.
Könnten Sie vielleicht Ihre Kritik an dem Verfahren,
sprich an der namentlichen Abstimmung, überwinden?
Sie könnten doch sagen: Es läuft, wie es läuft, aber ange-
sichts des Ziels, dem wir uns als Frauen verpflichtet füh-
len, schauen wir über diese Schwierigkeiten hinweg. So
verhindern Sie, dass die Männer sagen: Seht einmal, die
Frauen bekommen es einfach nicht hin.
Kollegin Pawelski, bitte.
Kollegin Ziegler, wir waren in der Tat auf einem gu-
ten Weg. Ich war sehr froh, dass es auch außerhalb der
Politik genug vernünftige Menschen gibt, die gemein-
sam und überparteilich an einem Ziel arbeiten wollen.
Durch diese namentliche Abstimmung zwingen Sie uns
aber in eine Position, die wir eigentlich nicht vertreten.
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1)
2)
h danke da auch Herrn Beck, der sich dafür eingesetzt
at, dass die namentliche Abstimmung heute entfällt.
Wir werden an dem Ziel weiterarbeiten; denn das Ziel
t für uns wichtiger als der Streit.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 17/7953 an die in der Tagesordnung aufge-
hrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist die
berweisung so beschlossen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den von der
raktion Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf
ines Gesetzes zur geschlechtergerechten Besetzung von
ufsichtsräten. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchsta-
e a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/6527,
en Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
uf Drucksache 17/3296 abzulehnen. Wir stimmen nun
ber den Gesetzentwurf auf Verlangen der Fraktion
ündnis 90/Die Grünen namentlich ab. Bitte denken Sie
aran, dass wir anschließend eine weitere namentliche
bstimmung durchführen werden. Zu Tagesordnungs-
unkt 34 liegt eine ganze Reihe schriftlicher Erklärun-
en zur Abstimmung nach § 31 unserer Geschäftsord-
ung vor.1)
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre
lätze einzunehmen. – Das ist offensichtlich erfolgt.
ann eröffne ich die erste namentliche Abstimmung.
Ich stelle pflichtgemäß die Frage: Haben alle anwe-
enden Mitglieder des Hauses ihre Stimme abgegeben? –
h höre keinen Widerspruch. Dann ist das offensichtlich
o. Damit schließe ich die erste namentliche Abstim-
ung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,
it der Auszählung zu beginnen.2)
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
mpfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der
raktion der SPD mit dem Titel „Quotenregelung für
ufsichtsräte und Vorstände gesetzlich festschreiben“.
er Ausschluss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Be-
chlussempfehlung auf Drucksache 17/6527, den Antrag
er Fraktion der SPD auf Drucksache 17/4683 abzuleh-
en. Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung
uf Verlangen der Fraktion der SPD namentlich ab. Sind
lle Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall.
ann eröffne ich die zweite namentliche Abstimmung.
Anlagen 2 bis 5
Ergebnis Seite 17613 D
17612 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
)
)
Haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimmkarte für
die zweite namentliche Abstimmung eingeworfen? –
Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
beginnen. Die Ergebnisse der namentlichen Abstimmun-
gen werden Ihnen später bekannt gegeben.1)
Wir setzen die Beratungen fort.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 33 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Rechts der Verbraucher-
information
– Drucksache 17/7374 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz
– Drucksache 17/7993 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Mechthild Heil
Elvira Drobinski-Weiß
Dr. Erik Schweickert
Caren Lay
Nicole Maisch
Hierzu liegen drei Änderungsanträge der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor. Weiterhin liegen ein Ent-
schließungsantrag der Fraktion der SPD, ein Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion Die Linke sowie ein Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Kein
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
nerin der Bundesministerin Ilse Aigner das Wort.
Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Land-
wirtschaft und Verbraucherschutz:
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Sicherheit gewährleisten und Selbstbe-
stimmung ermöglichen – das ist die Zielrichtung meiner
Verbraucherpolitik, die Zielrichtung der christlich-libe-
ralen Verbraucherpolitik.
Wer Verbraucherinnen und Verbraucher stärken und
sie nicht bevormunden will, der sollte neben dem Schutz
vor allem für eines sorgen, nämlich für Transparenz. Das
Ziel ist vorgegeben. Wir gehen entschlossen Schritt für
Schritt voran.
Einen wesentlichen Schritt in diese Richtung gehen
wir mit der Novellierung des Verbraucherinformations-
gesetzes. Bürgerinnen und Bürger erhalten Auskunft
über das, was die Behörden und Ämter wissen; insbe-
sondere erhalten sie Informationen über Rechtsverstöße
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B
ra1) Ergebnis Seite 17616 A
dem wir die Antragstellung per E-Mail erleichtern,
risten streichen und das Antragsverfahren verkürzen.
urz und unbürokratisch – das ist das Motto.
Wir machen es wirksamer, indem wir den Anwen-
ungsbereich ausdehnen; denn für Verbraucher ist es
chlicht nicht einzusehen, warum sie über Produkte wie
ebensmittel und Textilien Auskunft erhalten sollen,
ber Produkte wie Haushaltsgeräte, Möbel oder Spiel-
eug aber nicht.
uch das sind Gegenstände des täglichen Lebens.
ier soll das Verbraucherinformationsgesetz künftig
irken.
Ich gebe Ihnen ein zeitgemäßes praktisches Beispiel.
etzt steht Weihnachten vor der Tür. Es werden sehr
iele Lichterketten verkauft. Die Gewerbeaufsichtsämter
berprüfen solche Lichterketten zum Beispiel darauf, ob
abel überhitzt sind oder Brände ausgelöst werden kön-
en. Über die Erkenntnisse sollen die Verbraucher infor-
iert werden, wenn sie bei den Behörden nachfragen.
as ist ein weiterer Fortschritt in diesem Bereich.
Wir können und wollen auch nicht alle Bereiche ins
IG einbeziehen. Bei Finanzprodukten etwa gibt es
eine Messwerte, die objektiv feststellbar sind. Bei Fi-
anzprodukten ist das Risiko häufig die zweite Seite der
edaille; die erste sind die höheren Zinsen. Wer will in
elchem Bereich wie davor warnen? Manche Menschen
ind bereit, ein höheres Risiko einzugehen. Umso wich-
ger sind eine gute, individuelle Beratung und eine gute
erbraucherbildung. Deshalb verpflichten wir gerade die
anken zu dem sogenannten Beipackzettel und den Be-
tungsprotokollen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17613
Bundesministerin Ilse Aigner
)
)
hohen Kosten. Interessant ist in diesem Zusammenhang diesem Hohen Haus dabei nachdrücklich unterstützt. Ich
Entwurf für alle Anfragen – für die kleinen und für die
großen – die volle Kostendeckung vorgeschlagen hat.
Bei uns sind künftig alle Anfragen bis 250 Euro kos-
tenfrei. Aber wir ziehen natürlich auch irgendwo eine
Grenze, die sich am Verwaltungsaufwand orientiert. Ich
denke, das ist nur gerecht. Denn sonst muss der Steuer-
zahler die Rechnung zahlen.
Das VIG ist auch ein Teil meines Aktionsplanes, mit
dem wir die Konsequenzen aus dem Dioxinskandal zu
Anfang des Jahres ziehen und die gesamte Kette vom
Futtertrog bis ins Ladenregal auf den Prüfstand gestellt
haben. Wir stellen mit dem VIG klar: Grenzwertüber-
schreitungen sind kein Geheimnis. Messergebnisse bei
Stoffen wie Dioxin, für die es Grenzwerte gibt, sind kein
Geheimnis. Auch die Lieferkette ist bei Rechtsverstößen
kein Geheimnis.
Mir ist wichtig, dass die Verbraucher auf der Basis
des VIG künftig schnell und möglichst umfassend infor-
miert werden müssen. Rezepturen hingegen sind aus-
drücklich ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis. Sie
müssen nicht offengelegt werden. Das haben wir auch
klar im Gesetzentwurf verankert.
Unser Aktionsplan ist übrigens zu weiten Teilen um-
gesetzt. Es waren zehn Punkte. Alles, was vom Bund ge-
regelt werden konnte, ist erfolgreich geregelt worden.
Wo der Bund federführend war und die Möglichkeit
dazu hatte, haben wir dies gemeinsam mit den Ländern
zügig abgehandelt.
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Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 524;
davon
ja: 235
nein: 281
enthalten: 8
Ja
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
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IG auch bürgerfreundli-
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System entstehen keine
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Gemeinsam handeln: Das w
chlägen des Bundesrechnung
es gesundheitlichen Verbrauc
cht wurde übrigens von mir
erde Vorschläge machen, wie
ändern Fortschritte machen k
eitlichen Standards, der ein
nd beim Krisenmanagement.
Ich appelliere an die Länder
h gehe davon aus, dass mich
)
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf
Michael Groschek
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
Hubertus Heil
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz
Frank Hofmann
Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Fritz Rudolf Körper
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Petra Merkel
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17615
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
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Manfred Grund
Olav Gutting
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
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Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
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Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
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Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Hartmut Koschyk
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
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Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
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Ergebnis der namentlichen A
schlussempfehlung des Rechts
Stimmen 524. Mit Ja haben ges
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 524;
davon
ja: 286
nein: 236
enthalten: 2
Ja
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Manfred Behrens
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Börnsen
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer
Dirk Fischer
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
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ausschusses: abgegebene
timmt 286, mit Nein ha-
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anfred Grund
onika Grütters
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lorian Hahn
r. Stephan Harbarth
rgen Hardt
erda Hasselfeldt
r. Matthias Heider
elmut Heiderich
echthild Heil
rank Heinrich
udolf Henke
ichael Hennrich
rgen Herrmann
nsgar Heveling
rnst Hinsken
eter Hintze
hristian Hirte
obert Hochbaum
arl Holmeier
ranz-Josef Holzenkamp
achim Hörster
nette Hübinger
homas Jarzombek
ieter Jasper
r. Franz Josef Jung
ndreas Jung
r. Egon Jüttner
artholomäus Kalb
ans-Werner Kammer
teffen Kampeter
lois Karl
ernhard Kaster
r. Stefan Kaufmann
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wa Klamt
olkmar Klein
rgen Klimke
xel Knoerig
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anfred Kolbe
artmut Koschyk
ichael Kretschmer
unther Krichbaum
r. Günter Krings
üdiger Kruse
ettina Kudla
r. Hermann Kues
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en gestimmt 236, Enthaltunge
hlung ist angenommen.
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r. Max Lehmer
aul Lehrieder
gbert Liebing
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r. Carsten Linnemann
atricia Lips
r. Jan-Marco Luczak
r. Michael Luther
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r. Thomas de Maizière
ans-Georg von der Marwitz
ndreas Mattfeldt
tephan Mayer
r. Michael Meister
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r. h. c. Hans Michelbach
r. Mathias Middelberg
hilipp Mißfelder
ietrich Monstadt
arlene Mortler
r. Gerd Müller
tefan Müller
r. Philipp Murmann
ernd Neumann
ichaela Noll
r. Georg Nüßlein
ranz Obermeier
duard Oswald
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r. Michael Paul
ita Pawelski
lrich Petzold
r. Joachim Pfeiffer
ibylle Pfeiffer
eatrix Philipp
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ckhard Pols
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r. Peter Ramsauer
ckhardt Rehberg
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r. Heinz Riesenhuber
hannes Röring
r. Norbert Röttgen
r. Christian Ruck
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lbert Rupprecht
r. Wolfgang Schäuble
r. Annette Schavan
r. Andreas Scheuer
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r. Patrick Sensburg
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hannes Singhammer
ns Spahn
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r. Frank Steffel
hristian Freiherr von Stetten
ieter Stier
ero Storjohann
tephan Stracke
ax Straubinger
homas Strobl
ichael Stübgen
r. Peter Tauber
ntje Tillmann
r. Hans-Peter Uhl
rnold Vaatz
olkmar Vogel
tefanie Vogelsang
ndrea Astrid Voßhoff
r. Johann Wadephul
arcus Weinberg
eter Weiß
abine Weiss
go Wellenreuther
arl-Georg Wellmann
eter Wichtel
laus-Peter Willsch
lisabeth Winkelmeier-
Becker
agmar G. Wöhrl
r. Matthias Zimmer
olfgang Zöller
illi Zylajew
DP
ns Ackermann
hristian Ahrendt
hristine Aschenberg-
Dugnus
aniel Bahr
lorian Bernschneider
ebastian Blumenthal
laudia Bögel
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17617
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
)
)
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Dr. Christel Happach-Kasan
Manuel Höferlin
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Sebastian Körber
Holger Krestel
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Lars Lindemann
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner
Michael Link
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff
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grid Arndt-Brauer
ainer Arnold
einz-Joachim Barchmann
oris Barnett
r. Hans-Peter Bartels
laus Barthel
ören Bartol
ärbel Bas
abine Bätzing-Lichtenthäler
othar Binding
ernhard Brinkmann
delgard Bulmahn
arco Bülow
artin Burkert
etra Crone
artin Dörmann
lvira Drobinski-Weiß
arrelt Duin
go Egloff
iegmund Ehrmann
etra Ernstberger
arin Evers-Meyer
lke Ferner
abriele Fograscher
r. Edgar Franke
agmar Freitag
ichael Gerdes
artin Gerster
is Gleicke
ünter Gloser
lrike Gottschalck
ngelika Graf
ichael Groschek
ichael Groß
olfgang Gunkel
ans-Joachim Hacker
ettina Hagedorn
laus Hagemann
ichael Hartmann
ubertus Heil
olf Hempelmann
r. Barbara Hendricks
ustav Herzog
abriele Hiller-Ohm
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rank Hofmann
r. Eva Högl
hristel Humme
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hannes Kahrs
lrich Kelber
ars Klingbeil
ans-Ulrich Klose
r. Bärbel Kofler
aniela Kolbe
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r. Matthias Miersch
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r. Rolf Mützenich
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r. Wilhelm Priesmeier
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r. Sascha Raabe
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r. Carola Reimann
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r. Ernst Dieter Rossmann
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ichael Roth
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arianne Schieder
erner Schieder
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rank Schwabe
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tefan Schwartze
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r. Carsten Sieling
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r. Frank-Walter Steinmeier
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r. h. c. Wolfgang Thierse
ranz Thönnes
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r. Marlies Volkmer
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r. Dieter Wiefelspütz
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Mit dem von uns initiierten Entschließungsantrag
destens zwei unabhängigen Laboren untersucht werden.
nach zwei Jahren festgeschrieb
machten Erfahrungen sollten a
besserung des VIG genutzt wer
chercheck, den wir grundsätz
Vorhaben fordern.
Die Überprüfung hat eindeu
Sie hier so preisen, ist überh
freundlich. Das ist sogar noch f
denken, Verbraucher müssen
schnell erfahren können, was
auf dem Markt steckt. Das VIG
Baustein sein können.
en. Die in der Praxis ge-
usgewertet und zur Ver-
den. Das ist ein Verbrau-
lich für alle politischen
tig gezeigt: Das VIG, das
aupt nicht verbraucher-
reundlich formuliert. Wir
leicht, verständlich und
in und hinter Angeboten
hätte dafür ein wichtiger
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ekanntgabe von Ergebnissen b
s ist nicht nur zu kurz gespru
och in die falsche Richtung. A
on scheint sich heute sowieso
en: auf dem Weg in die falsche
ue Transparenzkultur in
lltagstaugliche und ver-
aßnahmen. Diese müs-
ur Selbstverständlichkeit
er als Behinderung, als
vom Jahr 2006 haben wir eine Überprüfung des Gesetzes
Das wird doch ganz gewiss nicht dazu führen, dass die
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Priska Hinz
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Sven-Christian Kindler
Ute Koczy
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Fritz Kuhn
Stephan Kühn
Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller
Beate Müller-Gemmeke
Dr. Konstantin von Notz
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Wir setzen die Aussprache fort. Das Wort hat die Kol-
legin Elvira Drobinski-Weiß von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Frau Aigner, Sie gestatten – und erwarten wahrschein-
lich auch –, dass ich heute einiges Wasser in den von Ih-
nen eben dargebotenen Wein gieße.
Denn wenn wir heute Ihren Vorschlägen zum sogenann-
ten Verbraucherinformationsgesetz zustimmen würden,
dann hätten wir eine Chance vertan. Das heißt, Sie hätten
sie vertan.
Sie hätten die Chance vertan, mehr Transparenz für die
Verbraucherinnen und Verbraucher in dieser Legislatur-
periode zu erreichen. Das ist fatal. So werden nun also
die Verbraucherinnen und Verbraucher bis zum Jahr
2013 warten müssen, bis wir dann unter einer SPD-ge-
führten Bundesregierung endlich ein Verbrauchergesetz
auf den Weg bringen, das diesen Namen auch verdient.
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Die Kostenregelung bringt sogar Verschlechterungen
egenüber dem alten VIG. Bisher waren nämlich alle
nfragen zu Rechtsverstößen kostenfrei, und jetzt sollen
ostendeckende Gebühren verlangt werden können,
enn der Verwaltungsaufwand für Anfragen zu Rechts-
erstößen 1 000 Euro überschreitet. Damit werden natür-
ch wichtige Multiplikatoren abgeschreckt, beispiels-
eise die Umwelt- und die Verbraucherverbände,
ber auch kritische Journalisten.
Behörden können die Bearbeitung von Auskunftsan-
egen verweigern, wenn dadurch die ordnungsgemäße
rfüllung ihrer Aufgaben beeinträchtigt würde. Welche
pielräume sich dadurch auftun, das überlasse ich Ihrer
antasie.
Proben – hören Sie bitte zu – müssen nun von min-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17619
Elvira Drobinski-Weiß
)
)
Pranger oder gar als eine Gefahr für den Markt bezeich-
net werden. Egal ob es um Nährwertampeln, um Offen-
legungspflichten für Unternehmen, um ein Restaurant-
barometer oder um die Veröffentlichung aller amtlichen
Überwachungsergebnisse geht: Das VIG könnte –
könnte! – zu dieser Transparenzkultur einen wichtigen
Beitrag leisten. Doch das, was Frau Aigner hier vorlegt,
verfehlt dieses Ziel.
Aber, werte Kolleginnen und Kollegen, Frau Ministe-
rin, noch haben Sie eine Chance. Wir haben Ihnen mit
unserem Entschließungsantrag Vorschläge vorgelegt,
wie das VIG doch noch verbraucherfreundlich gestaltet
werden kann. Sie müssen einfach nur zustimmen. Wir
wollen die Behörden nämlich verpflichten, Untersu-
chungsergebnisse von sich aus zu veröffentlichen. Wir
wollen eine gesetzliche Grundlage für das sogenannte
Restaurantbarometer und die verstärkte Nutzung aktiver
Informationsmöglichkeiten. Wir fordern die Bundesre-
gierung auf, ein Gesamtkonzept für Verbraucherinfor-
mationen vorzulegen und dabei sicherzustellen, dass In-
formationspflichten verständlich, nützlich und auch
anwendbar sind. Wir wollen die Anbieter zur Informa-
tion der Verbraucher verpflichten und den Auskunftsan-
spruch der Verbraucherinnen und Verbraucher auf sämt-
liche Produkte und Dienstleistungen ausweiten. Wir
wollen die Ausschluss- und Beschränkungsgründe im
VIG eingrenzen. Wir wollen dieses Gesetz verbraucher-
freundlich reformieren.
Wir freuen uns auf Ihre Unterstützung.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege
Dr. Erik Schweickert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Liebe Elvira Drobinski-
Weiß, du hast vorhin gesagt, ihr trätet dafür ein, dass
2013 – euer Wahlerfolg vorweggenommen – die nötigen
Korrekturen vorgenommen würden. Du hast am 11. Mai
2006 in deiner Rede zur Einbringung des VIG gesagt
– darf ich dich einmal daran erinnern? –:
Wir wollen dafür sorgen, dass dieser Wagen na-
mens Verbraucherinformation Räder bekommt, da-
mit er fahren kann.
Verbraucher und Verbraucherinnen müssen Zugang
zu allen Informationen haben, die ihnen eine be-
wusste Auswahl von Produkten und Dienstleistun-
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Wenn das so ist, dann frage ich mich schon, warum
r es uns überlassen habt, den an euch selbst gestellten
nspruch zu erfüllen. Ihr seid als Tiger gesprungen und
ls Bettvorleger gelandet; denn man hat noch nicht ein-
al die Produktinformation geregelt.
Wir brauchen Verbraucherinformationen, die unbüro-
ratisch und transparent sind. Denn nur ein aufgeklärter
erbraucher ist auch ein mündiger Verbraucher. Wenn
in Verbraucher eine Entscheidung für oder gegen einen
auf treffen muss, dann braucht er ausreichende Infor-
ationen. Dabei geht es um Produkte und auch um In-
altsstoffe von Lebensmitteln. Die Lebensmittelkrise
Stichwort: Dioxinvorfälle, Ehec – hat gezeigt: Wir
üssen die Verbraucherinnen und Verbraucher schnell
arnen können.
Mehr Transparenz, bessere und schnellere Informatio-
en sowie wirklich weniger Bürokratie, das waren die
iele bei unserer Novellierung des Verbraucherinforma-
onsgesetzes. Meine Damen und Herren, liebe Verbrau-
herinnen und Verbraucher, die christlich-liberale Koali-
on hat hier wieder einmal geliefert.
er vorliegende Gesetzentwurf trägt diesen Zielen näm-
ch umfassend Rechnung. Wir haben dieses Relikt aus
ergangenen Tagen – ich bin gerade darauf eingegangen –
berarbeitet. Die Evaluierung des alten Gesetzes hat ge-
eigt, dass es ein Gesetz von gestern war. Lassen Sie mich
ier Punkte anführen, die belegen, welche Schwachstellen
s gab.
Erstens. Es gab nur sehr wenige Anfragen: 487; ich
ar einer derjenigen, die eine solche Anfrage gestellt ha-
en. 66 Prozent dieser Anfragen kamen nicht einmal von
erbraucherinnen und Verbrauchern, sondern von Jour-
alisten und Fachverbänden.
Zweitens. Die Antragstellung war außerordentlich bü-
kratisch. Man wusste nicht, ob die Antragsbearbeitung
twas kostet. Es wurden zwar 80 Prozent aller Anfragen
ostenfrei bearbeitet, aber ich wusste es vorher nicht.
Drittens. Dazu kam, dass der Anwendungsbereich des
IG auf den Bereich der Lebensmittel beschränkt blieb,
bwohl man wohl etwas anderes wollte.
Viertens. Das VIG hat sich in der Praxis im Hinblick
uf die aus den verschiedenen Lebensmittelskandalen
Dioxinvorfälle, Ehec-Ausbreitung – zu ziehenden
onsequenzen nicht als tauglich erwiesen. Wir gestalten
ieses Gesetz jetzt umfassender, transparenter, bürgernä-
er und unbürokratischer; denn wir weiten den Informa-
onsanspruch aus. Für den Verbraucher ist es wichtig,
17620 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Dr. Erik Schweickert
)
)
möglichst viel zu wissen. Wenn ihm der Föhn am Kopf
explodiert oder wenn er feststellt, dass ein Lebensmittel
ungenießbar ist, dann hat er künftig die Möglichkeit, die
nötigen Informationen zu bekommen.
Wir fördern auch die schnelle Verbraucherinforma-
tion bei Grenzwertüberschreitungen und Verstößen ge-
gen das Lebensmittelgesetzbuch. Das heißt, die Behör-
den haben mit dem VIG jetzt endlich die Grundlage,
künftig zeitnah zu veröffentlichen und bei Verstößen für
Verbraucherschutz zu sorgen. Das ist insbesondere dann
relevant, wenn Gefahren für die menschliche Gesundheit
bestehen.
– Zu der komme ich gleich, Herr Kelber. – Wir machen
es unbürokratischer, weil die Anträge künftig per Tele-
fon oder per E-Mail gestellt werden können. Es entsteht
mehr Transparenz bezüglich der Gebühren; denn ich
weiß künftig, ob es mich etwas kostet. Seien wir einmal
ehrlich: Ein Verwaltungskostenaufwand bis zu 250 Euro
ist grundsätzlich kostenfrei, und für bestimmte Informa-
tionen besteht sogar Kostenfreiheit bis zu einem Verwal-
tungsaufwand von 1 000 Euro. Damit machen wir dem
herrschenden Gebührenwirrwarr ein Ende.
Auch den Unternehmen, die sich übrigens in der ver-
gangenen Woche mit großer Verärgerung über den Ge-
setzentwurf an mich gewandt haben, möchte ich sagen:
Das Gesetz ist ein fairer Ausgleich zwischen dem be-
rechtigten Anspruch der Verbraucher auf schnellere In-
formationen und auf Transparenz und dem ebenso be-
rechtigten Interesse der Unternehmen, dass sie nicht an
den Pranger gestellt werden, nicht fälschlicherweise ver-
dächtigt werden bzw. ihre Betriebs- oder Geschäftsge-
heimnisse nicht verletzt werden.
Wir schützen dadurch die redlich arbeitenden Unter-
nehmer, da bei einer Veröffentlichung das öffentliche In-
teresse gegenüber dem Schutz des Betriebsgeheimnisses
klar überwiegen muss. Außerdem ziehen wir eine Baga-
tellgrenze ein, damit nicht jeder lapidare Verstoß veröf-
fentlicht wird. Sie liegt bei einer Forderung von
350 Euro. Das wird in jeder Kommune so gehandhabt.
Wir sorgen ebenfalls dafür, dass es zwei amtliche Proben
geben muss, die den Verstoß bestätigen, bevor eine Be-
hörde veröffentlichen darf. Somit gehen wir gegen
Messfehler vor, und wir tragen zu einer gestärkten
Rechtssicherheit für die Unternehmen, aber auch für die
Behörden bei. Das heißt, die verfassungsrechtlichen
Grundsätze sind gewahrt. Die Informationen müssen va-
lide sein. Denn Hysterie hilft keinem Verbraucher, son-
dern nur tatsächliche und wahre Information.
Auch der effektive Rechtsschutz ist gewahrt; denn
selbstverständlich steht es den Unternehmen weiterhin
frei, vor einem ordentlichen Gericht zu klagen. Aber wir
verkürzen das Widerspruchsverfahren bei der Behörde
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ußerdem bieten die Unternehmen umfassende Infor-
ationen auf den Produkten und zum Beispiel auch auf
ren Webseiten an. Ein gesetzlich fixierter Auskunfts-
nspruch mit Fristen usw. würde zu keiner Verbesserung
er bisherigen Auskunftsmöglichkeiten führen,
afür aber zu einer bürokratischen Überfrachtung
sbesondere kleiner und mittelständischer Unterneh-
en. Deswegen halten wir einen weitergehenden Aus-
unftsanspruch gegenüber den Unternehmen direkt für
ntbehrlich.
Meine Damen und Herren, mehr Transparenz statt Bü-
kratie, einfachere, aber dafür für die Verbraucher ver-
tändliche und im Alltag anwendbare Informationen –
afür stehen wir als Freie Demokraten, und dafür haben
ir uns als christlich-liberale Koalition bei der Novellie-
ng des Verbraucherinformationsgesetzes eingesetzt.
Durch die Novellierung des Verbraucherinformati-
nsgesetzes wird es nun das, was es schon immer hätte
ein sollen: ein Transparenzgesetz.
Vielen Dank.
Für die Linken hat jetzt die Kollegin Caren Lay das
ort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Die Menschen, die Verbraucherinnen und Ver-
raucher, machen sich sehr viele Sorgen, und sie stellen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17621
Caren Lay
)
)
sich viele Fragen. Beispielsweise fragen sie, was in den
Lebensmitteln steckt, die sie essen, und welche Dienst-
leistungen sie wirklich kaufen, zum Beispiel: Hält die
Aufschrift auf der Käseverpackung, was sie verspricht?
Ist der mir angebotene Kredit optimal, oder wird er mir
nur deswegen angeboten, weil die Gewinnspanne für das
Unternehmen besonders groß ist? Ist der Handyanbieter
durch versteckte Kosten aufgefallen? Häufen sich bei ei-
nem Energieversorger die Beschwerden? Kann ich der
Hygiene in der Imbissbude vertrauen?
Auf die meisten dieser Fragen bietet der vorliegende
Gesetzentwurf leider keine ausreichende Antwort. Denn
auch künftig werden Verbraucherrechte eingeschränkt
bleiben. Das schwarz-gelbe Verbraucherinformationsge-
setz bietet keine Auskunftsmöglichkeit für Dienstleis-
tungen, obwohl dies gerade bei den Finanzdienstleistun-
gen das Gebot der Stunde wäre. Verbraucherinnen und
Verbraucher verlieren jährlich zweistellige Milliardenbe-
träge allein durch Falschberatung. Hier haben Sie erneut
die Chance verpasst, dieser Abzocke endlich einen Rie-
gel vorzuschieben.
Auch in der Telekommunikations- und der Energie-
branche sieht es nicht besser aus. Auch hier häufen sich
die Beschwerden der Verbraucherinnen und Verbrau-
cher. Ausgerechnet an dieser Stelle kneift die Regierung.
Das ist für uns als Linke einfach nicht hinnehmbar.
Auch zukünftig muss der Umweg über die Behörden
gegangen werden. Viel einfacher wäre es in der Tat, di-
rekt von den Unternehmen Auskunft zu verlangen, und
wenn die Unternehmen dies nicht freiwillig tun, dann
muss man sie dazu verpflichten. Auch hier beugt sich die
Koalition den Unternehmensinteressen. Wir als Linke
stellen dem konsequent Verbraucherrechte entgegen.
Dann das leidige Thema der Betriebs- und Geschäfts-
geheimnisse: Statt konsequent Verbraucherrechte durch-
zusetzen, verzettelt sich die Regierung in Einschränkun-
gen, um die sogenannten Geheimhaltungsinteressen von
Unternehmen zu schützen. Ich kann nur sagen: Der vor-
liegende Gesetzentwurf wird an der Geheimniskrämerei
in Amtsstuben und in Vorstandsetagen wenig ändern.
Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bezahlen
auch die Arbeit der Behörden. Ich denke, es ist ihr gutes
Recht, dass die Informationen, die den Behörden vorlie-
gen, proaktiv veröffentlicht werden. Das können die
Steuerzahler erwarten.
Meine Damen und Herren, was müsste ein modernes
Verbraucherinformationsgesetz leisten, damit es seinen
Namen tatsächlich verdient? Der Entschließungsantrag
der Linken macht einige gute Vorschläge. Wir finden, ob
Futtermittel oder Finanzdienstleistungen, alle Informa-
tionen müssen zugänglich sein. Wir wollen also, dass
das Verbraucherinformationsgesetz für alle Produkte und
Dienstleistungen gilt. Das hat in der letzten Wahlperiode
übrigens nicht nur die Linke, sondern auch die FDP ge-
fordert. Ich teile Ihre Kritik, dass der Gesetzentwurf, den
die SPD mitgetragen hat, nicht das Gelbe vom Ei war.
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ie haben am Anfang der Debatte im Verbraucheraus-
chuss angekündigt, dass Sie den ganz großen Wurf pla-
en. Sie wollten das VIG sogar mit dem Informations-
eiheitsgesetz verknüpfen und dadurch den Auskunfts-
nspruch weiter ausbauen. Jetzt ist aus meiner Sicht ein
cherliches Gesetz herausgekommen, das im Endeffekt
aum Verbesserungen bringt.
Wir als Linke fordern deswegen einen direkten Aus-
unftsanspruch gegenüber Unternehmen.
er Behördenweg ist einfach viel zu bürokratisch. Wenn
s so sein sollte, dass die redlichen Unternehmen ohne-
in zu Auskünften bereit sind, dann sollten wir heute den
ut haben, die unredlichen Unternehmen dazu zu zwin-
en.
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Schweickert?
Aber selbstverständlich.
Herr Schweickert, bitte schön.
Frau Kollegin Lay, herzlichen Dank für das Zulassen
einer Zwischenfrage.
Gerne.
Sie haben die Zusammenlegung von VIG, IFG und
IG, wie sie auch im Koalitionsvertrag steht, angespro-
hen. Ich stelle die Frage: Ist Ihnen bekannt, dass wir als
undesgesetzgeber – das hat die Evaluierung dieses Vor-
abens ergeben – keine Kompetenz für die Schaffung ei-
es einheitlichen Informationszugangsgesetzes für Bund
nd Länder haben? Ist Ihnen bekannt, dass das IFG ins-
esondere in der Kompetenz der Länder liegt und dass
ie Bereitschaft der Länder zur Übernahme der gelten-
en Modellgesetze des Bundes nicht zu erkennen war?
as war der Grund, warum es nicht geschehen ist. Ist Ih-
en weiterhin bekannt, dass der Verbraucher, wenn er In-
rmationen über Finanzdienstleistungen möchte, diese
otzdem einholen kann, dann zwar nicht über das Ver-
raucherinformationsgesetz, aber über das Informations-
eiheitsgesetz? Das ist zwar ein anderes Gesetz, aber
er Verbraucher hat die gleichen Auskunftsansprüche.
17622 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
)
)
Ja, verehrter Herr Kollege, das ist mir selbstverständ-
lich bekannt. Vielleicht erinnern Sie sich daran, dass ich
zu Beginn dieser Debatte skeptisch war, ob man diese
Gesetze tatsächlich zusammenlegen sollte. Ich kann Sie
aber nur an Ihren Worten und Ihren Taten messen. Sie
waren es, der diesen Vorschlag am Anfang des Gesetz-
gebungsverfahrens gemacht hat. Ich muss feststellen:
Vieles von dem, wofür Sie gekämpft haben, wofür Sie
sich zu Recht eingesetzt haben, ist am Ende leider nicht
in dem Gesetzentwurf gelandet. Ich muss Sie hier also
tatsächlich an Ihren Taten messen. Wenn Sie anderen
vorwerfen, dass sie ihren ursprünglichen Versprechun-
gen nicht nachgekommen sind, dann müssen Sie sich
diese Kritik leider auch umgekehrt gefallen lassen.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Gedanke.
Verbraucherinformation darf natürlich keine Frage des
Geldbeutels sein. Deswegen sagen wir als Linke: Die
Anfragen an Behörden müssen kostenfrei sein. Wie ge-
sagt: Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haben da-
für gezahlt, dass die Behörden diese Informationen sam-
meln. Deswegen sagen wir: Die Behörden müssen von
sich aus, proaktiv, informieren.
Ich finde es sehr bedauerlich, dass es in dieser De-
batte häufig so dargestellt wird, als würde das VIG von
Verbraucherverbänden sowie Journalistinnen und Jour-
nalisten ausgenutzt. Ich denke, sie leisten eine gute Ar-
beit im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher;
das müssen wir anerkennen.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.
Das Verbraucherinformationsgesetz ist das zentrale Ver-
brauchergesetz. Insofern sollte es gewissermaßen das
Meisterstück der Verbraucherministerin sein. Gemessen
an dem Ergebnis, das Sie uns heute vorgestellt haben,
kann ich nur sagen: durchgefallen!
Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen die
Ablehnung des Gesetzentwurfes. Dieses Verbraucher-
informationsgesetz verdient seinen Namen nicht.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Nicole Maisch vom
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Ministerin! Die Debatte um das Verbraucherinfor-
mationsgesetz steht exemplarisch für Ilse Aigners Ver-
braucherpolitik. Nur wenige Tage nach Veröffentlichung
des – so kann man es nennen – verheerenden Gutachtens
über die Organisation des gesundheitlichen Verbraucher-
schutzes in Deutschland, das der Präsident des Bundes-
rechnungshofes erstellt hat, beweisen Sie mit diesem
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h will Ihnen das an zwei Beispielen deutlich machen:
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Der Kabinetts-
ntwurf war in diesem Bereich ein kleiner Schritt in die
chtige Richtung: mehr Abwägung sowie die Feststel-
ng, dass Rechtsverstöße keine Betriebs- und Unterneh-
ensgeheimnisse darstellen. Aber die Mehrheitsfraktio-
en haben den zarten Vorstoß der Ministerin kassiert: Sie
aben dem Entwurf mit einem Änderungsantrag die
ähne gezogen. Der Ausschlusstatbestand der „sonstigen
ettbewerbsrelevanten Informationen“, der zu Recht aus
em alten VIG gestrichen wurde, wird jetzt durch „sons-
ges geheimnisgeschütztes technisches oder kaufmänni-
ches Wissen“ ersetzt. Konsequenz: Es ist alles so
chlecht wie zuvor.
Wir haben hier eine Ministerin, die nicht für mehr
erbraucherschutz kämpft, sondern auch die kleinsten
erbesserungen mehr oder weniger kampflos kassieren
sst. Ich finde, das ist für eine Verbraucherschutzminis-
rin sehr dürftig.
Nehmen wir das zweite Beispiel: Hygienekennzeich-
ungen an Restaurants. Ich zitiere das Hamburger
bendblatt vom Herbst 2010:
Aigner will bundesweit einheitliche Smileys für
Restaurants
Im Mai dieses Jahres stand im Focus:
Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner
sagte zu, die rechtlichen Grundlagen dafür zu
schaffen, dass das Kontrollbarometer bundesweit
einheitlich eingeführt werden kann.
ur leider steht das nicht im Gesetzentwurf: Dieses Ver-
raucherinformationsgesetz enthält keine rechtlichen
rundlagen für ein bundesweit einheitliches Hygienesie-
el.
Wer, wie der grüne Stadtrat in Pankow, einen Smiley
inführen will, der muss das mit erheblichen Rechtsunsi-
herheiten auf Eigeninitiative tun. Wir haben Ihnen aber
ier einen grünen Entschließungsantrag zur Abstim-
ung gestellt. Dem können Sie zustimmen. Damit ist die
ösung des Problems zumindest auf den Weg gebracht.
Wir haben von Ilse Aigner gar keine mutigen Schritte
u mehr Informationsfreiheit erwartet. Nehmen wir die
usweitung der Informationsansprüche auf Unterneh-
en. Das ist ein dringend notwendiger Schritt. Niemand
at diese Notwendigkeit besser begründet als Staats-
ekretär Peter Bleser. Ich zitiere, was er an diesem Mitt-
och im Ausschuss gesagt hat: Es zeugt von Naivität, zu
lauben, dass ein Unternehmen freiwillig darüber Aus-
unft geben wird, wo ein Fehler besteht. Das entspricht
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17623
Nicole Maisch
)
)
nicht der Lebenswirklichkeit. – Wahre Worte aus berufe-
nem Mund, gesprochen an diesem Mittwoch.
Dem muss man nicht mehr viel hinzufügen. Stimmen
Sie unserem Änderungsantrag auf Informationsansprü-
che gegenüber Unternehmen zu und folgen Sie den wah-
ren Worten des Staatssekretärs.
Meine Damen und Herren, mit unseren Anträgen wol-
len wir nicht weniger als eine neue Informationskultur
gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern er-
reichen. Es geht um größtmögliche Transparenz und um
einfache, rechtlich abgesicherte Informationen für Ver-
braucher, aber auch für Medien und für die Verbände,
die im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher
agieren. Ehrlich gesagt halte ich die Kostenregelung
– auch die Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace und
Foodwatch verweisen darauf – für einen Schritt zurück.
Das hätte man sich sparen können.
Wir möchten einen Informationsanspruch gegenüber
Verwaltung und Unternehmen – Herr Bleser hat sehr
wortreich und sehr gut begründet, warum das notwendig
ist –, und wir wollen Informationen zu allen verbrau-
cherrelevanten Bereichen, zu Produkten und zu Dienst-
leistungen. Wir wollen einen Smiley, ein Kontroll-
barometer oder was auch immer. Wir wollen aktive
Informationen durch die Behörden und handhabbaren
Vollzug, damit die Behörde vor Ort nicht ständig Angst
haben muss, beklagt zu werden.
Dies alles wird die Märkte verändern und echte Wahl-
freiheit ermöglichen. Dass Sie das nicht wollen, zeigt,
dass Sie wieder einmal Wirtschaftskompetenz mit
Lobbyismus für Unternehmensinteressen verwechselt
haben. Das ist ziemlich schade.
Das Wort hat die Kollegin Mechthild Heil von der
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Mit dem neuen Verbraucherinformationsge-
setz werden wir das Recht der Bürger und Bürgerinnen
auf Information und auch auf selbstbestimmte Kaufent-
scheidung stärken. Das Gesetz wird den Verbrauchern,
die sich dafür interessieren, umfassende, einfache,
schnelle und kostengünstige Informationen bringen: um-
fassende Informationen, weil ihnen neben Informationen
zu Lebensmitteln und Kosmetika auch Auskunft über
Spielzeug, Haushaltsgeräte und technische Produkte ge-
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men in der Branche zu informieren und damit letztlich
den Verbraucher zu schützen. Verbraucher und Wirt-
schaft begegnen sich aufgrund des VIG zunehmend auf
Augenhöhe. So soll es sein.
Der Gegenentwurf der SPD ist recht simpel. Verbrau-
cherschutz ist Sozialpolitik. Das ist das neue Credo.
Das haben Sie, Frau Drobinski-Weiß, die verbraucher-
schutzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, gegen-
über Hauptstadtjournalisten verkündet. Noch einmal:
Verbraucherschutz ist für Sie Sozialpolitik.
Das SPD-Prinzip heißt salopp formuliert: Super-Nanny
statt Information und Entscheidungsfreiheit,
keine Begegnung auf Augenhöhe, kein Wettbewerb,
aber eine Entmachtung der Verbraucher zugunsten des
Staates, eine Reduzierung auf ihre angebliche Hilflosig-
keit. Diesem Verbraucherbild werden wir uns nicht an-
schließen.
Wären Sie ehrlich, Frau Drobinski-Weiß, würden Sie
heute hier keine Kritik an unserem Gesetzentwurf üben,
sondern Ihre Kritik an den A-Ländern, an den SPD-
geführten Ländern, formulieren.
Vielleicht wollen Sie Ihre Kritik noch einmal wieder-
holen. Ich kann aus einem Brief zitieren. Mit Erlaubnis
des Präsidenten darf ich zitieren:
Wir haben die Situation, dass die Bundesregierung
verbraucherfreundlicher agiert als die A-Seite.
Für die Zuhörer: Die A-Seite sind die SPD-regierten
Länder.
Eine CSU-Ministerin hat einen verbraucherfreund-
lichen Gesetzentwurf durchgesetzt, den die A-Län-
der zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher
verwässern.
Sehr geehrte Kollegin, es wäre anständig gewesen,
wenn Sie das auch heute, an dieser Stelle, gesagt hätten.
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Unsere Alternative zur Bevormundung der Verbrau-
her ist die Information und Stärkung der Souveränität
er Verbraucher. Uns geht es bei der Novellierung des
IG um eine Kultur der Transparenz – für die Wirtschaft
nd für die Behörden.
ie Internetseite www.lebensmittelwarnung.de war ein
rster Schritt. Das novellierte VIG wird ein weiterer
austein dieser Kultur sein.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Ulrich Kelber von der
PD-Fraktion.
Die Reden der Kollegin Heil sind immer ein besonde-
s Erlebnis. Heute haben wir zusammengefasst lernen
ürfen: Sozialpolitik ist Entmündigung der Menschen.
ielen Dank für diese Erkenntnis, für die es tosenden
eifall Ihrer Fraktion gegeben hat.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
n! Wer über Verbraucherinformation spricht, sollte am
nfang über Grundsätze sprechen. Der erste Grundsatz
t: Alle Informationen, alle Daten, über die der Staat
erfügt, gehören den Bürgerinnen und Bürgern. Das ist
ie Auffassung der SPD. Das gilt natürlich gerade für
erbraucherrelevante Informationen wie Ergebnisse von
ygieneprüfungen, wie Informationen über Verstöße ge-
en das Lebensmittelrecht, über Datenmissbräuche, über
ift in Spielzeug, aber auch über die Ergebnisse von Si-
herheitsüberprüfungen.
Solange nicht unbeteiligte Dritte betroffen sind und
olange nicht wirklich wichtige Geschäftsgeheimnisse
etroffen sind – teilweise ist es lächerlich, was als Ge-
chäftsgeheimnis deklariert wird –, gelten drei einfache
egeln: volle Transparenz aller öffentlichen Daten, ein-
cher, möglichst kostenloser und schneller Zugriff –
chneller Zugriff, Herr Schweickert,
icht zwei Wochen Einspruchsrecht, doppelte Prüfung
tc. –
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17625
Ulrich Kelber
)
)
und als Regelfall die aktive Information durch die Be-
hörden. Man darf die Daten nicht einheimsen und hof-
fen, dass sich keiner danach erkundigt, damit man auf
den Daten sitzen bleiben kann.
Keines dieser drei Ziele wird mit dem Gesetzentwurf
von Schwarz-Gelb zur Änderung des Verbraucherinfor-
mationsgesetzes erreicht. Frau Aigner, in der Tat – dies-
bezüglich ist richtig zitiert worden – haben wir uns in
der Großen Koalition gemeinsam für die erste Novelle
des Verbraucherinformationsgesetzes – das ist das, was
heute ansteht – sehr viel mehr Punkte vorgenommen.
Das kann man in den Unterlagen von 2006 nachlesen.
Wo ist denn Ihr Schneid in dieser Frage abgeblieben? Sie
haben es sich in der PR-Ecke der Verbraucherpolitik sehr
gemütlich gemacht.
Warum beschränken Sie das VIG weiterhin auf Pro-
dukte? Das ist ein großer Fehler.
Die Menschen erwarten doch auch Informationen über
Dienstleistungen, Finanzprodukte und, um ein anderes
Beispiel zu nennen, über Testergebnisse bei Indoorspiel-
plätzen. Es kann doch nicht Ihrem Verständnis entspre-
chen, dass die Bürgerinnen und Bürger jedes Mal, bevor
sie einen Indoorspielplatz besuchen, mit Hinweis auf das
Informationsfreiheitsgesetz des Landes bei einer Be-
hörde anfragen müssen, ob dort Erkenntnisse über Si-
cherheitsmängel bei dem Indoorspielplatz vorliegen, zu
dem sie mit ihren Kindern fahren wollen. Warum dieser
Rückzieher gegenüber den Plänen der Großen Koali-
tion? Dazu haben Sie, Frau Aigner, nichts gesagt und
auch die Rednerinnen und Redner der Koalition nicht.
Nach wie vor wird die aktive Information nicht der Re-
gelfall werden. Nach wie vor ist die Abwägungsklausel
enthalten. Nach wie vor ist aus „sollen“ nicht „müssen“
geworden. Haben die Verbraucherinnen und Verbraucher
etwa kein Recht, zu wissen, wer Haltbarkeitsdaten verän-
dert hat, wer Gammelfleisch weiterverkauft hat? Sind
Täuschungen wirklich ein Geschäftsgeheimnis, Frau
Aigner?
Diese Einstellung kann ich nicht nachvollziehen.
Wer austeilt, muss auch einstecken können. Das gilt
auch für die Unternehmen. Es geht gar nicht um einen
allgemeinen Auskunftsanspruch der kleinen und mittle-
ren Unternehmen, der diese vielleicht überfordern
würde,
sondern es geht darum, dass Unternehmen, die für ihre
Dienstleistungen oder Produkte werben, indem sie auf
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Schwarz-Gelb will Journalisten und Nichtregierungs-
rganisationen die Arbeit erschweren. Ich komme noch
inmal auf das Beispiel des Indoorspielplatzes zurück.
t es wirklich Ihr Verständnis, dass jeder einzelne Besu-
her eine Anfrage bezüglich des Indoorspielplatzes stel-
n muss – jedenfalls wenn es einmal im Verbraucherin-
rmationsgesetz stehen wird; jetzt ist es im
formationsfreiheitsgesetz – und dass er hoffen muss,
ass die Kosten unter 250 Euro bleiben? Ist es nicht viel-
ehr normal, dass eine örtliche Zeitung, die über Aus-
ugsziele informiert, eine entsprechende Abfrage zum
eispiel bei der Stiftung Warentest vornimmt,
nd zwar über alle Indoorspielplätze, und diese dann
eröffentlicht? Sie sagen: Das würde mehr Geld kosten,
r müsstet dafür zahlen.
as heißt, sie wollen die schnelle Information der Bür-
erinnen und Bürger durch die Zivilgesellschaft er-
chweren. Ich empfinde das als unanständig.
Frau Heil – ich erläutere dies, damit Sie es ver-
tehen –, Sie sprechen ja gerne über Anreize. Wenn eine
ehörde alle Kosten, die ihr entstehen, auch dadurch,
ass sie ihre Daten schlecht organisiert hat, den anfra-
enden Bürgerinnen und Bürgern oder Journalisten aufs
uge drücken darf, wo ist dann der Anreiz, diese Daten
eine neue, moderne und schnell abrufbare öffentlich
ansparente Form zu übertragen? Schließlich müssen
ie Bürgerinnen und Bürger die Kosten tragen. Das geht
o nicht.
Wir haben Ihnen in der Tat ein umfangreiches Paket
it ganz konkreten Änderungsvorschlägen vorgelegt.
ie Hälfte davon war übrigens bereits zwischen CDU/
SU und SPD vereinbart, auch mit dir, lieber Peter
leser; damals warst du Sprecher, heute bist du Staatsse-
retär. Aber man hat schon damals gemerkt, dass es
icht ehrlich gemeint war. Das musste auch Herr
17626 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Ulrich Kelber
)
)
Schweickert für die FDP feststellen, als er seine Vor-
schläge zurücknehmen musste.
Ein solches neues Verbraucherinformationsgesetz
würde eine Gesamtkonzeption für den Verbraucher-
schutz bilden. Derzeit wird eine Gesamtkonzeption
durch die Ministerin, ihr Themen-Hopping und ihre Ka-
merasucht verhindert. Man kann Wetten darauf abschlie-
ßen: Wenn morgens der Verbraucherzentrale Bundesver-
band eine Forderung erhebt, dann gibt es am Nachmittag
eine Pressemitteilung von Frau Aigner, in der sie Kolle-
gen, Bundesländern oder Unternehmen einen Vorschlag
macht, was diese tun sollen. Wir warten darauf, dass Sie
das tun, was in Ihrem eigenen Schwerpunktbereich liegt.
Sie sollten keine Ankündigungsministerin sein, sondern
eine Tatenministerin.
Auch diese Novelle führt in die falsche Richtung.
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat
jetzt das Wort der Kollege Josef Rief von der CDU/
CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Der hier vorgelegte Entwurf eines Gesetzes
zur Änderung des Verbraucherinformationsgesetzes und
zu Weiterentwicklungen des Lebensmittel- und Futter-
mittelgesetzbuches zeigt die Handlungsfähigkeit der Ko-
alition.
Der Verbraucherschutz in Deutschland ist ein emotional
sehr geladenes Thema. Emotionen ersetzen aber keine
fachliche Kompetenz.
Wir haben eine erkenntnisorientierte Politik in der Sa-
che zu machen. Die Opposition gibt sich Extremforde-
rungen von einem hoch aufgeheizten Teil einzelner Inte-
ressengruppen hin. Wir unterscheiden – anders als
manche von Ihnen – nicht zwischen guten und schlech-
ten Lobbyisten, sondern wir nehmen Verbraucherschutz
sehr ernst und gehen mit dem Informationsbedürfnis der
Verbraucher konstruktiv um.
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icht der Einzelfall – und es war ein Einzelfall – wurde
iskutiert, sondern Panik verbreitet.
Herr Kollege Rief, erlauben Sie eine Zwischenfrage
es Kollegen Kelber?
Ich glaube, der Erkenntnisgewinn ist am Ende des
esetzgebungsverfahrens nicht so hoch. Vielleicht sage
h noch das, wonach Sie fragen möchten.
Man könnte sich als Bürger die Hände reiben und
em Schauspiel vergnügt zusehen, wären nicht den deut-
chen Landwirten und dem vor- und nachgelagerten Be-
ich Schäden in Höhe von rund 0,5 Milliarden Euro ent-
tanden. Allein in meinem Wahlkreis Biberach waren es
ehrere Millionen Euro aufgrund von Schäden, die
urch Preisverfall, etwa bei Fleischprodukten, hervorge-
fen wurden. Diese Schäden lassen sich auf die Panik-
ache der Opposition zurückführen. Das geht so nicht!
Meine Damen und Herren von den Grünen,
ier bestand zu keiner Zeit auch nur eine geringe Mög-
chkeit, dass Menschen gefährdet sein könnten. Man
ann nur hoffen, dass die Auswirkungen von Ehec etwas
emut gelehrt haben. Hier sind bedauerlicherweise
enschen zu Schaden gekommen, und wir mussten so-
ar Todesopfer beklagen. Mir tut auch dieser biologisch
irtschaftende Betrieb leid. Nach allem, was wir wissen,
ifft ihn keine Schuld. An diesen Auswirkungen sehen
ie, wie unglaublich daneben Ihre Kampagne im Dio-
infall war.
)
Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Da wird ap-
plaudiert? Der ist ja menschenverachtend, euer
Applaus!)
Mit den heutigen Änderungen stellen wir die Futter-
mittelbranche nicht unter Generalverdacht. Wir kommen
vielmehr den berechtigten Informationswünschen der
Endverbraucher nach. Denn eines ist sicher: Ein Unter-
nehmer, der vorsätzlich gesetzwidrig handelt, wird dies
niemals freiwillig preisgeben. Wir haben aber Mechanis-
men geschaffen, die es schwarzen Schafen künftig sehr
viel schwerer machen. Es ist niemandem gedient und es
schadet auch dem Ansehen dieses Hauses, wenn Ver-
braucherschutz für parteitaktische Spielchen miss-
braucht wird.
Beim Verbraucherschutz ist schlichtes Abwägen gefor-
dert und nicht immer weitergehende Forderungen, wenn
der Verbraucherschutz gerade erst weiter verbessert
wurde.
Auch die Forderungen der SPD sind hier nicht sach-
gerecht.
Ich sehe schon den Tag, an dem in jeder kleinen Bäcke-
rei an jedem Brötchen ein Zettel hängt, auf dem der
CO2-Fußabdruck, eine Ampel und ein Smiley stehen und
zusätzlich, wer den Weizen angebaut und wer das Mehl
transportiert hat. Der Zettel ist dann so groß, dass man
das Brötchen mehrfach einpacken könnte, und teurer als
das Produkt selbst. Das wird es mit uns nicht geben.
Verbraucherinformation ist gut und richtig. Sie muss
aber praxistauglich und marktgerecht sein sowie vom
Kunden und nicht nur von einzelnen Interessengruppen
nachgefragt werden.
Dem trägt unsere Politik mit diesem Gesetz Rechnung.
Vielen Dank.
Der Herr Kollege Kelber möchte eine Kurzinterven-
tion machen, weil ihm eine Zwischenfrage abgelehnt
worden ist. Bitte schön, Herr Kelber.
Die Zwischenfrage wollte ich vorhin nur stellen, weil
gesagt wurde, wir hätten damals in dem Dioxinskandal
für Hysterie gesorgt. Es ging um direkte Ansprache. –
Ich mache einen kurzen Faktencheck: Am ersten Werk-
tag nach Bekanntwerden des Dioxinskandals ist sowohl
die SPD mit einem Vorschlag an die Öffentlichkeit ge-
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in Punkt abgeschlossen.
Die SPD hat in Absprache mit den Bundesländern ein
5-Punkte-Paket vorgeschlagen. Von diesen 15 Punkten
nden Sie 14 zum Teil wortgleich in dem Beschluss der
änder mit dem Bund wieder, weil diese Punkte natür-
ch von unseren Ländern dort eingebracht wurden.
Wenn aber alle beschlossenen 14 Punkte ursprünglich
on der SPD vorgeschlagen worden waren –
lle 14 Punkte, die Länder und Bund später beschlossen
aben, waren am ersten Werktag nach Bekanntwerden
es Dioxinskandals Teil von 15 Punkten der SPD –,
ann möchten Sie mir doch bitte erklären, wo wir für
ysterie gesorgt haben sollen, wenn Sie unsere Vor-
chläge beschließen. Dann hätten Sie ja unsere Hysterie
bernommen.
Kollege Rief, Sie können erwidern.
Herr Kelber, ich habe mich auf das bezogen, was am
bend des 11. Januar in einer Sondersitzung des Aus-
chusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
herschutz
on Teilen der Opposition gefordert wurde: der Rücktritt
er Ministerin. Das war nicht hinnehmbar, das war hoff-
ungslos daneben, das war weit überzogen, weil die
inisterin sich keinerlei Schuld aufgeladen hatte. Da-
uf habe ich mich bezogen.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
esregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Ände-
ng des Rechts der Verbraucherinformation. Der Aus-
chuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
chutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
rucksache 17/7993, den Gesetzentwurf der Bundesre-
ierung auf Drucksache 17/7374 in der Ausschussfas-
ung anzunehmen.
Hierzu liegen drei Änderungsanträge der Fraktion
ündnis 90/Die Grünen vor, über die wir zuerst abstim-
en.
17628 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
)
)
Änderungsantrag auf Drucksache 17/8019. Wer
stimmt für diesen Änderungsantrag? – Gegenstimmen? –
Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stim-
men der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der
Oppositionsfraktionen abgelehnt.
Änderungsantrag auf Drucksache 17/8020. Wer
stimmt dafür? – Dagegen? – Enthaltungen? – Dieser Än-
derungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Grünen
bei Enthaltung der Linken.
Änderungsantrag auf Drucksache 17/8021. Wer
stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die-
ser Änderungsantrag ist wiederum abgelehnt mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen
der Oppositionsfraktionen.
Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ge-
setzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen mit
den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stim-
men der Oppositionsfraktionen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist mit gleichem Stimmenverhältnis angenommen.
Wir stimmen jetzt über die Entschließungsanträge ab.
Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf
Drucksache 17/8022. Wer stimmt dafür? – Dagegen? –
Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist abgelehnt
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Zustim-
mung der SPD und der Linken und Enthaltung der Grü-
nen.
Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 17/8023. Wer stimmt dafür? – Gegenstim-
men? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt.
Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 17/8024. Wer stimmt dafür? –
Dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag
ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 36 a und b auf:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Recht auf ein Guthabenkonto einführen –
Kontopfändungsschutz sichern
– Drucksache 17/7823 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Federführung strittig
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Maisch, Dr. Gerhard Schick, Ingrid Hönlinger,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Verbraucherrecht auf Basisgirokonto für je-
dermann gesetzlich verankern
– Drucksache 17/7954 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Federführung strittig
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. Gibt es
iderspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist
as so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
er dem Kollegen Dr. Carsten Sieling von der SPD-
raktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
gen Ihnen heute einen Antrag vor, mit dem wir Sozial-
emokraten erreichen wollen, dass die Menschen in un-
erem Lande gleichberechtigt die Möglichkeit haben, am
eldverkehr teilzunehmen und Bankdienstleistungen in
nspruch zu nehmen. Man muss wissen, dass insgesamt
70 000 Menschen in diesem Land keine Möglichkeit
aben, ein Girokonto zu bekommen, und damit von vie-
m ausgeschlossen sind. Das ist etwas, das wir ändern
ollen.
Dieses Thema ist nicht neu – keineswegs. Seit 1995
ibt es Versuche, hier eine Veränderung herbeizuführen.
nde Dezember dieses Jahres wird die Bundesregierung
um Girokonto für jedermann, wie es heißt, den mittler-
eile sechsten Bericht seit 2002 vorlegen. 1995 haben
ich die Banken selbst verpflichtet, allen Menschen, die
ies wollen, ein solches Konto anzubieten. Die Lage ist
rnüchternd; die Zahlen, wie viele Menschen von dieser
öglichkeit nach wie vor ausgeschlossen sind, habe ich
enannt. Es wird schlicht verweigert, den Menschen ein
olches Konto einzurichten. Natürlich wird dieses Recht
or allem Leuten, die überschuldet sind, verwehrt.
Man muss sich die Situation vor Augen führen: Wenn
eihnachten vor der Tür steht, stehen auch Weihnachts-
inkäufe vor der Tür. Ich vermute, die meisten, die in
iesem Raum sitzen, verfügen über eine Kreditkarte und
aben beim Einkauf, auch wenn sie kein Bargeld bei
ich haben, gar keine Probleme. Wahrscheinlich hat je-
er von Ihnen die Möglichkeit, mit seiner EC-Karte
eld an einem Automaten abzuheben und Rechnungen
nline zu bezahlen. Das ist für einen großen Teil unserer
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17629
Dr. Carsten Sieling
)
)
Bevölkerung nicht möglich. Diese Menschen müssen
mit Bargeld ausgestattet einkaufen gehen. Wenn sie eine
Rechnung bekommen, müssen sie in einer Bank eine
Überweisung vornehmen. Das Problem, das im Zusam-
menhang mit Überweisungen und Einzahlungen in Ban-
ken besteht, ist nicht von der Hand zu weisen. Wenn
Menschen kein Konto haben, bedeutet dies für sie, dass
sie keine Zeitung abonnieren können, dass ihre Miete
nicht automatisch eingezogen wird und dass es für sie
– das betrifft die Vertragsebene – praktisch unmöglich
ist, einen Handyvertrag abzuschließen oder andere
Dinge, die im heutigen Leben, wie ich glaube, ganz nor-
mal sind, anzuschaffen.
Warum ist das alles so schwierig, und wodurch wird
die Situation zusätzlich erschwert? Jeder, der schon ein-
mal eine Einzahlung vorgenommen hat, ohne über ein
Konto zu verfügen, weiß, dass pro Überweisung 10,
manchmal sogar 20 Euro Gebühren anfallen. Ich will
deutlich machen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ge-
rade den Menschen, die kein oder wenig Geld haben,
entstehen dadurch Extrakosten. Das muss geändert wer-
den. Deshalb schlagen wir vor, endlich Nägel mit Köp-
fen zu machen.
Das ist ein Prozess, bei dem schon viele Wege be-
schritten wurden und der schon sehr lange andauert. Man
ist der Kreditwirtschaft sehr weit entgegengekommen.
Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass es schon 1995
eine freiwillige Vereinbarung gegeben hat. Passiert ist
aber wenig bzw. nichts. Bestenfalls die Sparkassen haben
reagiert. Man hat daher einen zweiten Versuch unternom-
men und die Verabredung getroffen, das sogenannte
Pfändungsschutzkonto einzuführen. Damit möchte man
für eine Kostenreduktion sorgen und dazu beitragen, dass
sich – quasi im Gegenzug – auf freiwilliger Basis etwas
bewegt. Aber es hat alles nichts genützt. Es hat keine Än-
derung gegeben. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, gesetz-
lich zu reagieren. Das ist der Vorschlag, den wir in unse-
rem Antrag machen.
Es ist nicht etwa so, dass wir hier über ein rein deut-
sches Problem reden. Die EU-Kommission hat gerade
eine Mitteilung zu diesem Thema auf den Weg gebracht.
Das ist nämlich ein europaweites Problem. Es wäre gut,
wenn wir in Deutschland eine klare Regelung treffen
und auf diesem Gebiet voranschreiten würden. Dazu ge-
hört, dass wir zu dem, was auf europäischer Ebene erar-
beitet wird, Stellungnahmen abgeben und entsprechende
Botschaften formulieren.
Wir als SPD legen Ihnen mit diesem Antrag als Erste
ein umfassendes Konzept zu diesem Thema vor.
Drei Punkte daraus möchte ich nennen: Erstens. Jeder
muss die Möglichkeit haben, ein Girokonto einschließ-
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h sage das natürlich insbesondere in Richtung der Ko-
lition, weil es wichtig ist, dass wir an diesem Punkt
icht in Attentismus verharren. Es muss gehandelt wer-
en; denn alle Menschen in diesem Lande sollen wissen –
ielleicht gerade auch in den letzten Wochen dieses Jah-
s –, dass es uns darum geht, die Menschen gleichzube-
andeln.
Herr Brinkhaus, da Sie so fröhlich dazwischenrufen:
ie sind ja bekannt als jemand, der bei seinen Reden
wei Herzen in der Brust hat.
uf der einen Seite ist es Ihnen durchaus gegeben, sach-
ch, an den Fakten orientiert zu argumentieren. Selten
eten Sie hier mit eher – ich darf das einmal salopp for-
ulieren – ideologiegeschwängerten Reden auf.
err Kollege, ich würde mir wünschen, dass Sie heute
Sie haben gleich die Gelegenheit dazu – Ihre sachliche
der entfalten
nd gerade vor Weihnachten deutlich machen, dass Ihre
oalition diesen richtigen Weg unterstützt. Vielleicht
önnen Sie dann fröhlich – mit dem Gedanken an ein
irokonto für alle – „Es ist ein Ros entsprungen“ singen.
s wäre gut, wenn wir heute, kurz vor dem 2. Advent,
en Anfang machen würden.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
17630 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
)
)
Damit hat der Kollege Ralph Brinkhaus das Wort, der
ja schon die inhaltlichen Vorgaben geliefert bekommen
hat.
Vielen Dank, Herr Präsident! Ich werde Ihnen einen
Gefallen tun: Ich werde garantiert nicht singen. Ich
glaube, das wäre das Schrecklichste, was ich Ihnen antun
könnte.
Meine Damen und Herren! Es ist tatsächlich ein erns-
tes Thema. Wenn man in der heutigen modernen Welt
nicht bargeldlos zahlen kann, ist das schlecht. Man hat
an bestimmten Dingen keine Teilhabe, und – Herr
Sieling, Sie haben das erwähnt – es macht das Leben
ziemlich umständlich. Dementsprechend ist es schon le-
gitim, zu fordern, dass die Menschen, wenn irgendwie
möglich, Zugang zu einem Girokonto haben.
Man kann nun schauen, wie das im KWG, im Kredit-
wesengesetz, geregelt ist. Im Bürgerlichen Gesetzbuch
gibt es dazu keine Regelung; in einigen Sparkassenge-
setzen – in genau acht – gibt es dazu eine Regelung.
Man sollte sich eigentlich die Frage stellen: Warum nicht
in allen? Ist es nicht Teil der Legitimation der Sparkas-
sen, allen Menschen ein entsprechendes Konto zur Ver-
fügung zu stellen? Dementsprechend kann man durchaus
einmal nachfragen, ob hier alles richtig läuft.
Wir haben eine Rechtsprechung zu diesem Thema. Es
gibt Urteile, die den Kontrahierungszwang bestätigen:
Banken müssen diese Konten eröffnen, wenn es zumut-
bar ist. – Auf europäischer Ebene gibt es die Empfeh-
lung, kontolosen Menschen ein Girokonto zur Verfü-
gung zu stellen. Die Europäische Kommission arbeitet
an einer Initiative, so etwas gesetzlich auf den Weg zu
bringen. Darüber hinaus – Sie haben es angesprochen –
hat der Zentrale Kreditausschuss eine Empfehlung abge-
geben. Es gibt auch eine entsprechende Bundesratsinitia-
tive.
Wo ist das Problem? Das Problem ist, dass die Bun-
desregierung in ihrem Bericht von 2008 attestiert hat
– die Veröffentlichung des nächsten Berichts wird sich
übrigens wegen der Problematik des Pfändungsschutz-
kontos verzögern –, dass es in Deutschland eine sechs-
stellige Zahl von Menschen gibt, die gegen ihren Willen
– das ist ganz wichtig – kein Konto haben. Man muss re-
alistischerweise sagen, dass nicht alle Menschen gegen
ihren Willen kein Konto haben; es gibt durchaus auch
andere Gründe, kein Konto zu haben. Insofern sollte
man die Zahlen entsprechend bewerten.
Wir haben durchaus den Anspruch, das, was dieser
Bericht enthält, parlamentarisch umzusetzen und gege-
benenfalls in gesetzliche Initiativen münden zu lassen.
Sie haben diesem Verfahren vorgegriffen; das ist Ihr
gutes Recht als Opposition. Sie haben – das gilt nicht nur
für die SPD, sondern auch für die Grünen – Ihre Positio-
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Das war erst einmal gut. Es gibt aber zwei Probleme,
ie uns das Leben ein wenig schwer machen könnten.
as erste Problem ist, dass die Pfändungsschutzkonten
diesbezüglich haben uns einige Informationen erreicht;
s ist allerdings empirisch nicht flächendeckend nachge-
iesen – teilweise mit zu hohen Entgelten belegt worden
ind. Das geht nicht; denn Menschen, die kein Geld ha-
en, können in dieser Situation keine Entgelte für ihr
onto zahlen. Das zweite Problem ist, dass die Informa-
on über diese Pfändungsschutzkonten vielleicht etwas
esser hätte sein können. Auch das hat die SPD in ihrem
ntrag – die Grünen haben es nicht getan – adressiert.
ie haben deswegen vorgeschlagen, dass man eine Ent-
eltbegrenzung für diese Pfändungsschutzkonten auf
en Weg bringt und dass man durch eine verstärkte
chuldnerberatung besser informiert.
Auch dazu will ich eine Bewertung abgeben: Erstens.
uch hier warten wir den Bericht der Bundesregierung
b. Wir verfolgen sehr genau, wie sich die Entgeltpolitik
Bereich der Pfändungsschutzkonten entwickelt.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17631
Ralph Brinkhaus
)
)
Zweitens. Wir sehen mit großer Skepsis, dass – so die ent-
sprechende Rechtsprechung – solche Konten mit einem
angemessenen Entgelt belegt werden dürfen. Da müssen
wir gesetzlich eingreifen. Aber auch da muss man abwar-
ten, was passiert.
In einem Punkt besteht Dissens. Sie fordern die Län-
der auf, die Schuldnerberatung weiter zu verstärken. Es
ist die sozialdemokratische Art der Problembewältigung,
mehr Menschen im sozialen Bereich zu beschäftigen und
so mehr Kapazitäten zu schaffen.
Das lehnen wir prinzipiell ab. Im Übrigen sind wir für
die Länder nicht zuständig.
Herr Sieling, ich komme jetzt zum emotionalen Teil
meines Beitrags; das muss ich hier auch noch einpfle-
gen. Es gehört zu Ihrer Klientelpolitik, möglichst viel
Beschäftigung im sozialen Raum zu schaffen.
Ich halte das aber für untauglich.
Insgesamt gesehen, kann man sagen, dass wir in vie-
len Punkten übereinstimmen. Wir werden das Vorhaben
verantwortungsvoll begleiten und werden ein gut verlau-
fendes parlamentarisches Verfahren aufsetzen, das die
Bundesregierung unterstützen wird.
Lassen Sie mich im Vorgriff auf die noch folgenden
Beiträge sagen: Ich halte den Versuch der Opposition,
Deutschland verbraucherschutzpolitisch immer wieder
als Entwicklungsland darzustellen, für untauglich. Sie
zeichnen ein Bild von der Verbrauchersituation in
Deutschland, das der Realität in keiner Weise entspricht.
Sie sprechen verharmlosend in Ihren Anträgen davon,
das alles sei notwendig. Nein, Sie machen Parteipolitik
und versuchen, ein Feld aufzumachen
und dort Probleme zu generieren, wo es keine gibt. Die
meisten Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutsch-
land – das gilt auch für den Finanzdienstleistungs-
bereich – sind mit dem, was sie haben, zufrieden.
Es ist schlichtweg eine Mär, dass die Bundesregierung
auf diesem Feld nichts macht. Wir haben allein im letz-
ten halben Jahr zwei Gesetze dazu auf den Weg ge-
bracht; ich möchte auch die Umsetzung der OGAW-IV-
Richtlinie nennen.
Lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Die christlich-
liberale Koalition und die von ihr getragene Bundesre-
gierung haben im Bereich Verbraucherschutz mit Blick
auf den Finanzdienstleistungsbereich mehr getan als
viele Regierungen zuvor. Das gilt es hier und heute am
Freitagnachmittag anzuerkennen.
Vielen Dank.
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Noch einmal zur Verbraucherpolitik der Bundesregie-
ng. Die Frankfurter Rundschau hat vor ein paar Mona-
n über folgenden Vorgang berichtet: Die Europäische
ommission wollte das Recht auf ein Basiskonto im
ahmen einer rechtsverbindlichen Verordnung veran-
17632 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Caren Lay
)
)
kern. Auf Drängen der Bundesrepublik Deutschland
wurde aus einer rechtsverbindlichen Verordnung dann
lediglich eine Empfehlung. So sieht schwarz-gelbe Ver-
braucherpolitik aus. Sie hat ihren Namen nicht verdient.
Sie hätten hier die Möglichkeit gehabt, zu einer wir-
kungsvollen gesetzlichen Regelung beizutragen. Aber
Sie haben sie sogar verhindert. Wenn Sie sich nun rüh-
men, im Bereich des finanziellen Verbraucherschutzes
viel erreicht zu haben, dann kann ich nur sagen: Das ent-
behrt jeglicher Grundlage.
– Ich habe zuvor alle Initiativen der Bundesregierung im
Bereich des finanziellen Verbraucherschutzes – so viele
sind es nicht – angesprochen.
Ich bleibe bei meiner Aussage.
Kommen wir zum P-Konto. Es freut mich, zu hören,
dass auch Ihnen bekannt ist, dass dies kein optimales In-
strument ist.
Es gibt sehr viele Probleme mit dem P-Konto. Wer Pfän-
dungsschutz beantragt, der wird teilweise mit der Kündi-
gung seines Kontos bestraft. Wer ein P-Konto eingerich-
tet bekommt, dem werden bestimmte Basisleistungen
gestrichen. Kreditinstitute verwehren dann beispiels-
weise kostenloses Onlinebanking, sperren Kreditkarten
und streichen Daueraufträge. Auf all diese Probleme ma-
chen die Verbraucherverbände seit langem aufmerksam.
Es ist daher dringend notwendig, das zu regeln.
Das Girokonto für alle muss jedem Menschen unab-
hängig von seiner finanziellen Situation zur Verfügung
stehen. Das ist unsere Position als Linke. Es muss ein
Verbraucherrecht auf ein kostenloses Girokonto für alle
geben; denn für Hartz-IV-Bezieher sind 3 Euro schon
jede Menge Geld.
Selbstverständlich muss ein Girokonto für jedermann
auch alle Basisfunktionen bieten. Dazu gehören Über-
weisungen, Lastschriften und auch die elektronische
Geldkarte.
– Zur Dispoabzocke kommen wir beim übernächsten Ta-
gesordnungspunkt. Ich bin sehr gespannt, was Sie an
dieser Stelle anzubieten haben.
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Wir Linke sagen, dass pro Person ein Girokonto auto-
atisch pfändungsgeschützt sein muss. Nur so ist die
tigmatisierung, die mit der Beantragung eines P-Kon-
s bisher einhergeht, zu verhindern.
Die Bundesregierung muss aus unserer Sicht endlich
andeln. Sie muss die Banken zwingen, ein Girokonto
r jeden Bürger und für jede Bürgerin anzubieten.
Für die FDP spricht jetzt der Kollege Dr. Daniel Volk.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten
amen und Herren! Frau Lay, was Sie gerade dargelegt
aben, hat ziemlich deutlich gezeigt, dass wir in diesem
ereich Probleme haben,
ass wir aber einige Probleme nicht einfach mit einer
lumpen gesetzlichen Regelung werden ändern können.
as muss man einfach zur Kenntnis nehmen.
Ich bin immer sehr zurückhaltend, den Bürgerinnen
nd Bürgern dieses Landes zu sagen: Wenn wir ein Ge-
etz machen, haben wir das Problem gelöst.
an sollte sich das Problem etwas genauer anschauen,
m zu sehen, wo wir Änderungen vornehmen müssen
der wo es möglicherweise auf der jetzigen gesetzlichen
rundlage schon Verbesserungen gibt.
Es ist klar, dass das Girokonto für die heutige Teil-
ahme am Wirtschaftsverkehr unerlässlich ist; das ist
eine Frage. Klar ist auch, dass wir mit dem Pfändungs-
chutzkonto schon einen deutlichen Schritt nach vorne
emacht haben. Damit besteht eine sehr gute Einrich-
ng. Gleichzeitig müssen wir aber zur Kenntnis neh-
en, dass die gesetzliche Verpflichtung der Banken, für
dermann ein Konto einzurichten, in einigen Bundes-
ndern bereits besteht.
rau Kollegin Lay, das ist es, was ich vorhin mit dem
tichwort „Subsidiarität“ meinte: Auf welcher politi-
chen Ebene ist die Frage am besten zu klären?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17633
Dr. Daniel Volk
)
)
Es zeigt sich, dass es in den Bundesländern, die die Re-
gelung im Sparkassengesetz bzw. in einer Sparkassen-
verordnung verankert haben, die hier aufgezeigten Pro-
bleme nicht gibt.
Herr Sieling, hier spreche ich Sie ganz persönlich an.
Sie sind Abgeordneter aus dem Bundesland Bremen.
Sie waren in der Bremischen Bürgerschaft an einer nicht
unwichtigen Position tätig. Sie haben sich offenbar in
Bremen nicht dazu durchringen können, genau das, was
Sie hier im Bundestag fordern, in der Bremischen Bür-
gerschaft als gesetzliche Regelung in das dortige Spar-
kassengesetz oder die Sparkassenverordnung aufzuneh-
men.
Dasselbe betrifft das Bundesland Berlin, wo die Links-
fraktion über Jahre an der Regierung beteiligt war. In der
Zeit der Regierungsbeteiligung der Linksfraktion in Ber-
lin konnte man sich offenbar nicht durchringen, im Ber-
liner Abgeordnetenhaus eine gesetzliche Regelung
durchzusetzen.
Herr Kollege Volk, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Sieling?
Nein, ich möchte gerne fortfahren. – Insofern ist es
schon etwas verwunderlich, dass Sie dies dort, wo Sie es
machen könnten, nicht machen, und das dort, wo Sie es
nicht machen können, fordern. Vor diesem Hintergrund
kann man sagen, dass der Antrag zumindest in dieser
Richtung wohl eher ein Schaufensterantrag ist.
Ich habe mit großem Interesse die Zwischenrufe der
SPD-Fraktion bezüglich der Schuldnerberatung in den
Bundesländern verfolgt. Wir sind uns einig, dass die
Bundesländer dafür zuständig sind. Deshalb formulieren
Sie in Ihrem Antrag, die Bundesregierung möge die Län-
der auffordern, sich für den Ausbau der Beratungen ein-
zusetzen.
Ich sage einmal: Die Länder, die von der SPD und den
Grünen regiert werden, können das von sich aus machen.
Das wäre ganz gut; das ist schließlich Ihre Position.
Sie haben vorhin in einem Zwischenruf darauf hinge-
wiesen, dass man teilweise sechs Monate auf einen
Schuldnerberatungstermin warten müsse. Sollte ein Bun-
desland dieses Problem haben, kann ich nur sagen: Es
gibt auch andere Formen der Schuldnerberatung. Es gibt
nicht nur die Schuldnerberatungsstellen, die übrigens ei-
nen sehr guten Job machen – das will ich nicht in Abrede
stellen –, sondern auch noch andere Möglichkeiten.
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Die Ablehnung der Zwischenfragen hat zwei Kurz-
terventionen provoziert, und zwar des Kollegen
ieling und der Frau Kollegin Lay. Ich rufe die beiden
acheinander auf; dann können Sie im Zusammenhang
ntworten. – Bitte schön, Herr Sieling.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Volk, da
ie auch in Bremen geboren sind und dort sogar zur
chule gegangen sind,
evor Sie in den tieferen Süden geflohen sind, will ich
ur Kenntnis nehmen, dass Sie vielleicht nicht voll infor-
iert sind. Aber ich möchte deutlich sagen, dass es
urchaus eine Initiative für ein Girokonto für alle gege-
en hat, und zwar in der Zeit, als ich Fraktionsvorsitzen-
er in der Bremischen Bürgerschaft war.
Das Problem besteht allerdings darin, dass Bremen
ine freie Sparkasse hat. Darüber hat es entsprechende
ristische Auseinandersetzungen gegeben, die gerade
ezeigt haben, dass wir eine bundesweite Regelung
rauchen, um für den gesamten Kreditsektor – darum
eht es im Übrigen; denn wir wollen nicht, dass das pri-
ate Kreditgewerbe benachteiligt wird – eine Regelung
u schaffen. Dafür plädiere ich ausdrücklich.
17634 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Dr. Carsten Sieling
)
)
Den von Ihnen angesprochenen Bericht wollen wir
selbstverständlich abwarten. Das ist die erste Initiative.
Ich würde mich freuen, wenn Sie sich den richtigen Aus-
führungen des Kollegen Brinkhaus anschließen und den
Bericht, wenn er vorliegt, konstruktiv prüfen würden – er
wird uns sicherlich keine Verbesserungen aufzeigen –,
damit wir dann unsere Initiative aufgreifen und umsetzen
können.
Frau Kollegin Lay.
Herr Präsident! Herr Kollege, auch ich nutze die Ge-
legenheit zu einer Kurzintervention, weil Sie mir keine
Gelegenheit zu einer Zwischenfrage gegeben haben.
Ich muss darauf hinweisen, dass es die Linksfraktion
war, die beispielsweise im Landtag des Saarlandes bean-
tragt hat, ein Girokonto für alle einzuführen. Das ist von
allen anderen abgelehnt worden. Es ist also auch von der
FDP abgelehnt worden, die dort gemeinsam mit der
CDU an der Regierung ist.
– Und von den Grünen. – Mich interessiert, wie Sie sich
das erklären. Sie sagen auf der einen Seite: Wir können
auf der Bundesebene keine gesetzliche Regelung schaf-
fen; das sollen die Länder tun. Auf der anderen Seite
sorgt Ihre Partei dafür, wenn wie im Saarland von der
Linken die Initiative eingebracht wird, ein Girokonto für
alle einzuführen, dass dies abgelehnt wird.
Ich muss mich sehr wundern. Der Redner der CDU/
CSU verweist auf ausbleibende Regelungen auf europäi-
scher Ebene.
Die FDP verweist auf die Subsidiarität und damit auf
die Verantwortung der Länder. Ich habe das Gefühl, dass
ein gemeinsamer Konsens darin besteht, dass Sie sich
auf Bundesebene der Verantwortung entziehen wollen.
Jetzt zur Erwiderung Kollege Volk.
Herr Kollege Sieling, ich möchte darauf hinweisen,
dass in Bremen eine entsprechende Rechtsprechung
existiert, nach der ein Kontrahierungszwang aufgrund
einer fehlenden landesgesetzlichen Bestimmung besteht.
Ich halte die juristischen Argumente, die Sie hier kurz
angedeutet haben, also für vorgeschoben. Ich glaube
sehr wohl, dass es auch im Bundesland Bremen möglich
ist, eine entsprechende Bestimmung in das Sparkassen-
gesetz bzw. die Sparkassenverordnung aufzunehmen.
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Dann hat jetzt die Kollegin Nicole Maisch von Bünd-
is 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
achte, es würde Konsens darüber bestehen, dass ein Giro-
onto Voraussetzung für die Teilnahme am Wirtschaftsle-
en ist und dass man denjenigen, die kein Konto haben,
elfen muss.
err Dr. Volk hat diesen Konsens wortreich, aber in-
altsleer aufgekündigt. Das finde ich ziemlich peinlich
r die FDP.
ir wissen alle: Ein Girokonto ist kein Luxus. Vielmehr
t eine Bankverbindung Grundvoraussetzung für die
eilnahme nicht nur am Wirtschaftsleben, sondern auch
n vielen, vielen anderen gesellschaftlichen Lebensbe-
ichen. Deshalb hat mich der Vorsitzende des Men-
chenrechtsausschusses gebeten, dass der Antrag auch in
iesem Ausschuss beraten werden soll. Ich denke, da ge-
ört er auch hin.
Die Kolleginnen und Kollegen haben ausgeführt, dass
s sehr viele Menschen in Deutschland gibt, 670 000
enschen über 21 Jahre, die über kein Konto verfügen.
ie öffentliche Hand zahlt dafür. Im Jahr 2007 waren
as 17 Millionen Euro an Zusatzkosten für Barauszah-
ngen. Das heißt, das ist auch für die Verwaltung ein fi-
anzielles Problem.
Viele Menschen bekommen kein Konto, auch wenn
ie ein Recht darauf hätten. Das zeigen uns die Berichte
er Verbraucher- und Schuldnerberatungen. Deshalb ist
s längst an der Zeit, hier einen Rechtsanspruch einzu-
hren. Ich finde es sehr gut, dass Herr Brinkhaus gesagt
at, er will das zumindest vorurteilsfrei prüfen.
ie FDP kann davon noch lernen.
Ich möchte jetzt aber wenig über allgemeine und theo-
tische Sachen sprechen, sondern ich möchte Sie einla-
en, sich einfach einmal vorzustellen, wie es ist, ohne ein
onto zu leben.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17635
Nicole Maisch
)
)
Stellen wir uns einmal Sabine P., 43 Jahre alt, zwei
Kinder, vor. Wie lebt sie ohne Konto? Das Kindergeld
wird normalerweise überwiesen. Um das per Scheck
ausgezahlt zu bekommen, ist eine teure und auch ziem-
lich peinliche Ämterrennerei erforderlich.
– Sabine P. wohnt in Berlin. Die Geschichte mit der
Scheckauszahlung basiert auf Daten aus Berlin. Für die
anderen Bundesländer habe ich das nicht geprüft, aber
das könnte ich natürlich gern nachreichen.
Der Unterhalt ihres geschiedenen Mannes wird – da
sie kein Konto hat – nicht überwiesen, sondern den bringt
er vorbei, wenn er daran denkt. Manchmal denkt er eben
auch nicht daran. Den Unkostenbeitrag für die Klassen-
fahrt kann sie nicht auf das Konto der Lehrerin überwei-
sen, sondern muss ihn persönlich in der Schule vorbei-
bringen. Miete, Gas und Strom zahlt sie per teurer
Bareinzahlung. Das kostet jedes Mal 5 bis 7 Euro Gebüh-
ren. Ihr Wohngeld wird dadurch gemindert, dass die Kos-
ten für die Barauszahlungen vom Wohngeld abgezogen
werden. Bei eBay günstig Kinderklamotten zu shoppen,
kann sie vergessen, da eBay und auch andere Online-
shops ohne Girokonto nicht zu nutzen sind. Bezahlpflich-
tige Onlinedienste wie iTunes oder Onlinevideotheken
sind von ihr nicht zu nutzen. Wenn sie einen Song hören
will, muss sie die gesamte CD kaufen. Einen günstigen
Handyvertrag oder einen Festnetzanschluss hat sie nicht,
sie hat eine Prepaid-Karte mit natürlich völlig überhöhten
Gesprächskosten.
Ich könnte das jetzt ewig weiter ausführen. Stellen Sie
sich einmal vor, sie hat ein Vorstellungsgespräch und
muss sagen: Das Gehalt möchte ich nicht auf mein
Konto überwiesen haben, sondern bitte in der guten alten
Lohntüte!
Das ist einfach von gestern, das geht nicht mehr. Deshalb
brauchen wir diesen Rechtsanspruch.
Ich finde es gerade von der FDP ziemlich frech, zu sa-
gen, die Opposition soll in den Bundesländern dafür sor-
gen, dass es ein Girokonto für alle gibt. Hier in Berlin im
Bundestag sind Sie noch im Parlament, anders als zum
Beispiel im Landtag in Rheinland-Pfalz. Hier sitzen Sie
mit in der Regierung, anders als zum Beispiel in Baden-
Württemberg, wo Sie nicht mehr drin sind. Aber statt
hier etwas zu regeln, sagen Sie, wir sollen es in den Bun-
desländern machen. Das finde ich ziemlich absurd.
– Warum machen Sie denn hier auf der Bundesebene
nichts? Sie müssen schon Ihren eigenen Hintern bewe-
gen.
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Jetzt hat das Wort der Kollege Peter Aumer von der
DU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir
iskutieren über ein in der Tat wichtiges Thema. Sie ha-
en vorhin gesagt, dass der Bundestag 2002 beschlossen
at, im Zweijahresrhythmus einen Bericht der Bundesre-
ierung über die Situation der girokontolosen Menschen
unserem Land einzufordern, also der Menschen, die
erne ein Girokonto anlegen würden, aber es nicht kön-
en, etwa weil keine Bank dies zulässt. Ich frage: Wer
ar 2002 an der Regierung? Wer hat in dieser Zeit die
öglichkeit gehabt, etwas in diesem Bereich zu regeln?
as waren Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren
on der SPD und von den Grünen. Da haben Sie Ihre
erantwortung ebenfalls nicht genutzt, um dieses Thema
bzuarbeiten und gesetzliche Regelungen auf den Weg
u bringen. Uns vorzuhalten, dass wir unseren Worten
eine Taten folgen lassen, finde ich schon ein bisschen
reist und sachlich unangemessen.
Wir versuchen – der Kollege Brinkhaus hat das vor-
in angesprochen –, eine Lösung zu finden, die den
enschen hilft. Frau Maisch, Ihr Beispiel kann ich
urchaus nachvollziehen. Wenn man versucht, sich vor-
ustellen, wie man heute ohne ein Girokonto leben
önnte, dann stellt man fest: Das geht in der Tat nicht.
uch ich könnte mir das nicht vorstellen. Man muss si-
herlich Regelungen auf den Weg bringen, die gewähr-
isten, dass das Ganze funktioniert. Ob solche Regelun-
en immer gesetzliche Regelungen sein müssen, das ist
ie große Frage. Ob eine gesetzliche Regelung wirkt,
uss man sich sicherlich ebenfalls einmal im Detail an-
chauen. Die Bundesregierung legt den Bericht im
ächsten Jahr vor. Er befindet sich im Moment in der
essortabstimmung. Man muss einmal schauen, wie sich
ie Dinge seit 2002 geändert haben. Die Menschen, die
ein Girokonto haben, müssen die Möglichkeit bekom-
en, ein solches Konto einzurichten.
Es kann natürlich nicht sein, dass sich die Kreditinsti-
te ihrer Verantwortung entziehen und Menschen, die
uf ein Girokonto angewiesen sind, die Möglichkeit der
ontoeröffnung nicht gewähren. Das zu ändern, liegt
elbstverständlich auch in unserer Verantwortung. Ei-
ige Bundesländer haben auf diesem Gebiet schon etwas
17636 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Peter Aumer
)
)
gemacht. Die Sparkassen sind hier vorbildlich. Die Spar-
kassen sind in acht Bundesländern verpflichtet worden,
girokontolosen Menschen Girokonten anzubieten. Es
kann nicht sein, dass man für solche Konten erhöhte Ge-
bühren fordert. All das sind Dinge, die im Moment gere-
gelt werden.
Der entscheidende Punkt unserer Argumentation, der
berücksichtigt werden muss, meine sehr geehrten Da-
men und Herren der Opposition, ist die Empfehlung der
Europäischen Union. Sie hat in diesem Jahr eine Emp-
fehlung vorgelegt, dass in jedem Mitgliedsland die Ein-
richtung eines grundlegenden Zahlungsfunktionskontos
unabhängig vom Einkommen zu gewährleisten ist. Ich
glaube, das ist etwas, was in den Mitgliedsländern der
Europäischen Union Nachhall findet.
Auch wir in Deutschland müssen dieser Forderung
gerecht werden. Sie selber und wir haben es angespro-
chen: Es gab eine legislative Initiative auf europäischer
Ebene, so etwas gesetzlich zu regeln. Unser Bestreben
ist, dass man prüft, was im Moment in Deutschland
Sachstand ist, dass man den Bericht der Bundesregie-
rung abwartet, dass man die Empfehlungen, die von eu-
ropäischer Ebene kommen, umsetzt. Diejenigen Men-
schen, die kein Girokonto haben, müssen eines haben
können; das ist grundlegend und muss gewährleistet
sein. Das ist aus meiner Sicht etwas, was den Betroffe-
nen in unserem Land etwas bringt. Wir haben in diesem
Bereich ein Problem; das ist ganz klar. Dem müssen wir
nachkommen. Ein Basiskonto soll allen Menschen die
finanzielle Teilhabe am Leben ermöglichen.
Wir haben gestern über ein wichtiges Thema gespro-
chen: das Geldwäschegesetz. Da ging es auch um das
E-Geld. Mir ist zum ersten Mal bewusst geworden,
dass es Menschen geben kann, die kein Konto haben.
Das war mir zuvor nicht klar. E-Geld bietet auch diesen
Menschen die Möglichkeit, Geld auf eine Karte zu laden
und damit zu bezahlen. Das kann natürlich nicht in unse-
rem Sinne sein. Wir haben gestern geregelt, dass diese
Karten auf einen Wert von 100 Euro im Monat begrenzt
werden sollen. Sicherlich fällt damit für die Menschen,
über die wir heute sprechen, eine Möglichkeit der Be-
zahlung weg. Deswegen muss man ganz klar sagen, dass
die Regelung gut werden muss. Wir sind bemüht, eine
gute Regelung zu finden. Deswegen bitte ich auch Sie,
dass wir konstruktiv und nicht ideologisch diskutieren.
Denn Sie hatten in Ihrer Regierungsverantwortung die
Möglichkeit, eine Lösung herbeizuführen. Im Jahr 2002
hat der Bundestag die Bundesregierung entsprechend be-
auftragt. Damals waren Sie an der Regierung.
– Ja, Sie haben sich darauf verständigt, zu warten. Wa-
rum pressiert es dann heute? Ich denke, man sollte in der
Argumentation fair und ehrlich sein.
Wir sind es. Wir bereiten die Dinge vor und finden einen
Weg, auf dem wir diesen Menschen helfen können, ein
Konto zu bekommen und am allgemeinen Zahlungsver-
kehr teilzuhaben. Das ist unser gemeinsames Ziel.
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ie haben gewartet. Ihre Zwischenrufe können Sie sich
lso sparen. Wenn man nicht in der Zeit, in der man han-
eln kann, tätig wird, dann ist man in der Regierungsver-
ntwortung nicht gut aufgehoben.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt
at jetzt die Kollegin Sonja Steffen das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
nd Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Während
ir im Deutschen Bundestag über Milliardenrettungs-
chirme für Europa diskutieren, sollten wir die lebensna-
en Probleme unserer Bürgerinnen und Bürger beim täg-
chen Umgang mit den Banken nicht aus den Augen
erlieren. Dazu gehören die immer zahlreicher werden-
en Kontopfändungen und der nach wie vor nicht umge-
etzte Rechtsanspruch auf ein Girokonto für jedermann.
Das Problem der Kontolosigkeit hat gravierende Aus-
irkungen für die Betroffenen. Frau Maisch, Sie haben
as vorhin durch ein Beispiel schon sehr anschaulich
argestellt. In der Tat gibt es heute – das haben wir auch
chon gehört – viele Bürgerinnen und Bürger, die unfrei-
illig kein eigenes Girokonto haben und deshalb nach
ie vor von ganz wichtigen Bereichen des wirtschaftli-
hen Verkehrs ausgeschlossen sind. Dass dies eine Ne-
ativspirale auslöst, werden Sie alle wissen. Bereits Ver-
chuldete geraten noch verstärkt in Probleme, wenn für
ohn-, Gehalts- und Mietzahlungen kein Girokonto be-
teht. Die Bankgebühren für Bareinzahlungen – darauf
at Frau Lay schon hingewiesen – betragen mitunter
ehr als 10 Euro, und zwar für jede einzelne Bareinzah-
ng. Das ist besonders für Personen mit geringem Ein-
ommen eine Belastung, die sie im Grunde gar nicht tra-
en können.
Nun gibt es seit 1995 eine Empfehlung des Zentralen
reditausschusses an alle Banken zur Einrichtung eines
irokontos für jedermann. Ich denke, es war gut, dass
ir eine Weile gewartet haben, wie das Ergebnis dieser
mpfehlung aussieht. Nun haben wir schon gehört: Wir
aben fünf Berichte hinter uns; die Situation der unfrei-
illig kontolosen Bürgerinnen und Bürger in unserem
and hat sich seitdem nicht nachhaltig verbessert. Die
mpfehlung lässt nämlich den Banken viel zu viele
öglichkeiten, eine Kontoeröffnung abzulehnen oder
in bestehendes Konto zu kündigen. Deshalb wird sie bis
eute bei weitem nicht in ausreichendem Umfang umge-
etzt. Auch Schuldnerberatungsstellen betonen immer
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17637
Sonja Steffen
)
)
wieder, dass die Banken vielfach die Kontoführung ver-
weigern.
Hauptgrund ist übrigens, dass die Kontoführungsge-
bühren die Kosten des Girokontos im Rahmen der Kos-
ten-Nutzen-Rechnung nicht decken. Kostendeckend wer-
den Girokonten nur durch die Guthaben, die Kunden auf
diesen Konten haben, oder durch die Inanspruchnahme
hoher Dispokredite. Aber viele Kundinnen und Kunden
verfügen nicht über ein solches Guthaben, sodass sie sich
für die Banken schlichtweg nicht lohnen. Es gibt das
– man kann schon sagen – Unwort der sogenannten
Schalterhygiene. Es beschreibt die Praxis vieler Banken,
dass sie bestimmten Personen die Eröffnung eines Kon-
tos schlichtweg verweigern oder zumindest massiv er-
schweren.
Mit Ausnahme des Deutschen Sparkassen- und Giro-
verbandes lehnen bis zum heutigen Tag alle Verbände
der Kreditwirtschaft unverändert jede verbindliche Re-
gelung von Guthabenkonten ab. Dass es für die Sparkas-
sen in acht Bundesländern eine Regelung gibt, ist schön,
reicht aber bei weitem nicht aus, um das Recht auf ein
Girokonto für jedermann zu installieren.
– Aber nicht nur die Bundesländer fehlen, sondern es
fehlen auch die Verpflichtungen der anderen Banken. –
Ich meine, Herr Brinkhaus, wir haben lange genug ge-
schaut, was uns diese Empfehlungen bringen. Sie haben
recht. Es hat eine ganze Weile gedauert, aber inzwischen
müssten wir einsehen, dass wir so nicht mehr weiter-
kommen und es höchste Zeit ist, das verbindliche Recht
des Kunden auf ein Girokonto festzuschreiben, bevor
uns Europa auch an dieser Stelle überholt.
Ein weiteres Anliegen des Antrages ist bis jetzt wenig
zur Sprache gekommen. Es geht darum, die Inhalte des
Pfändungsschutzkontos gesetzlich verbindlicher zu gestal-
ten. Das Konto, das wissen Sie alle, wurde zum 1. Juli
2010 eingeführt, und es schützt den Kontoinhaber vor
Pfändungen bis zur Höhe des Pfändungsfreibetrages. So
weit, so gut. Das ist eine gute Sache, grundsätzlich also
begrüßenswert; denn dadurch bleibt dem Schuldner der
umständliche Gang zum Vollstreckungsgericht erspart.
Aber in der Praxis hat sich gezeigt, dass das Pfändungs-
schutzkonto an vielen Stellen Probleme mit sich bringt.
Es ist deshalb wichtig, eine Nachbesserung der gesetzli-
chen Grundlagen zu fordern.
Der eine oder andere von Ihnen, der schon in der
16. Legislaturperiode dem Bundestag angehörte, wird
wissen, dass der Rechtsausschuss in den Ausführungen
zur Gesetzesbegründung seine Erwartung zum Ausdruck
gebracht hat, dass das P-Konto nicht teurer sein wird als
ein normales Konto. Aber damals wurde von einer ver-
bindlichen gesetzlichen Regelung abgesehen. Diese Er-
wartung hat sich leider nicht erfüllt. Der Ärger beim
neuen Pfändungsschutzkonto reißt nicht ab. Es gibt Ban-
ken, die monatlich bis zu 27 Euro für die Führung eines
P-Kontos verlangen. Das ist ein Unding, besonders wenn
man bedenkt, dass gerade die finanzschwachen Men-
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Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
uf den Drucksachen 17/7823 und 17/7954 an die in der
agesordnung aufgeführten Ausschüsse sowie an den
usschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
orgeschlagen. Die Federführung ist jedoch strittig. Die
raktionen der CDU/CSU und FDP wünschen jeweils
ederführung beim Finanzausschuss. Die Fraktion der
PD wünscht Federführung beim Rechtsausschuss, und
ie Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke
ünschen Federführung beim Ausschuss für Ernährung,
andwirtschaft und Verbraucherschutz.
Ich lasse zuerst abstimmen über den Überweisungs-
orschlag der Fraktion der SPD, Federführung beim
echtsausschuss. Wer stimmt für diesen Überweisungs-
orschlag? – Dagegen? – Enthaltungen? – Der Überwei-
ungsvorschlag ist mit den Stimmen aller Fraktionen ge-
en die Stimmen der SPD abgelehnt.
Ich lasse nun abstimmen über den Überweisungsvor-
chlag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die
inke, Federführung beim Ausschuss für Ernährung,
andwirtschaft und Verbraucherschutz. Wer stimmt da-
r? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dieser Über-
eisungsvorschlag ist mit den Stimmen der Koalitions-
17638 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
)
)
fraktionen und der SPD-Fraktion bei Zustimmung der
Linken und der Grünen abgelehnt.
Schließlich stimmen wir ab über den Überweisungs-
vorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP,
Federführung beim Finanzausschuss. Wer stimmt da-
für? – Dagegen? – Enthaltungen? – Dieser Vorschlag ist
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 35 a und b auf:
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Menschenrechte und
Humanitäre Hilfe zu der Unter-
richtung durch die Bundesregierung
Neunter Bericht der Bundesregierung über
ihre Menschenrechtspolitik in den auswärti-
gen Beziehungen und in anderen Politikberei-
chen
– Drucksachen 17/2840, 17/3110 Nr. 2, 17/7941 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Erika Steinbach
Christoph Strässer
Marina Schuster
Annette Groth
Volker Beck
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Menschenrechte und
Humanitäre Hilfe zu der Unter-
richtung
Menschenrechte und Demokratie in der Welt –
Bericht über die Maßnahmen der EU – Juli
2008 bis Dezember 2009 – Ratsdok. 8363/10 –
– Drucksachen 17/315 Nr. A.4, 17/4522 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Erika Steinbach
Christoph Strässer
Marina Schuster
Katrin Werner
Volker Beck
Zu dem Neunten Bericht der Bundesregierung liegt
ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache wiederum eine Dreiviertelstunde vorgese-
hen. Gibt es Widerspruch dagegen? – Das ist nicht der
Fall.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
nerin der Kollegin Marina Schuster von der FDP-Frak-
tion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
Neunte Menschenrechtsbericht der Bundesregierung
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte einen
chwerpunkt meiner Rede bei der Verbesserung der
ternationalen Menschenrechtsschutzsysteme setzen.
iesen Schwerpunkt haben wir auch im Koalitionsver-
ag verankert. Er ist besonders wichtig, weil wir der
ultur der Straflosigkeit endlich ein Ende machen müs-
en. Denn in den Ländern, in denen die nationalen Jus-
zsysteme Schwächen haben oder Rechtsstaatlichkeit
ar nicht gegeben ist, ist es für die Betroffenen oft die
inzige Möglichkeit, Recht zu finden, wenn sie sich an
berregionale oder internationale Menschenrechts-
chutzsysteme wenden können.
Wir sehen das ganz konkret beim Europäischen Ge-
chtshof für Menschenrechte in Straßburg. Er ist, wie
ir alle wissen, überlastet: allein 14 300 anhängige Ver-
hren aus Russland. Deswegen danke ich unserer Jus-
zministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sehr
r ihre aktive Rolle im Reformprozess; denn es ist ganz
ichtig, dass sich der EGMR den schwerwiegenden,
ringenden Fällen widmen kann und nicht vor Überlas-
ng zusammenbricht.
Nun zum Internationalen Strafgerichtshof. Auch da
at es eine große Verbesserung, eine große Neuerung ge-
eben: Es wurde eine Strafbarkeitslücke geschlossen.
as ist ein Meilenstein, der dank des Engagements der
undesregierung und insbesondere von Markus Löning
eglückt ist. Wir konnten jetzt einen neuen Straftatbe-
tand aufnehmen: Crime of Aggression. Er ist definiert
orden und ist nun Bestandteil der internationalen Völ-
erstrafgerichtsbarkeit. Das ist wirklich ein großer Fort-
chritt, der in den Medien kaum Niederschlag gefunden
at. Deswegen ist es so wichtig, dass wir es hier und
eute erwähnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Menschen-
chtsausschuss war im Mai dieses Jahres im Kongo.
ir haben im Ostkongo ehemalige Kindersoldaten ge-
offen. Wir hatten mit ihnen ein Gespräch, das uns allen
nter die Haut ging. Wir wissen, dass gerade Kinder die
auptleidtragenden in internationalen Konflikten und
riegen sind. Deswegen freut es mich sehr, dass es Au-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17639
Marina Schuster
)
)
ßenminister Westerwelle gelungen ist, im Juli bei den
Vereinten Nationen eine Resolution zum Schutz von
Kindern in bewaffneten Konflikten durchzubringen.
Jetzt werden Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser
international geächtet. Das ist ein weiterer Schritt, damit
Kinder besser geschützt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Engagement
der Bundesregierung ist vielfältig. Ich möchte Markus
Löning, den Menschenrechtsbeauftragten der Bundes-
regierung, noch einmal explizit erwähnen, der sich ins-
besondere dem Kampf gegen die Todesstrafe verschrie-
ben hat. Er hat dazu auch eine Reise in die USA
durchgeführt. Wir wissen, dass in den USA, im Iran, in
China und Belarus nach wie vor die Todesstrafe voll-
streckt wird und dass es sogar Länder gibt, die die To-
desstrafe neu einführen wollen, zum Beispiel Uganda,
wo es eine Gesetzesinitiative gab, die für Homosexuali-
tät die Todesstrafe vorgesehen hat. Ich will ganz klar sa-
gen: Das werden wir nicht hinnehmen. Wir werden das
auch nicht in dem Fall hinnehmen, dass dieser Gesetz-
entwurf in Uganda noch einmal eingebracht werden
sollte. Hier gibt es eine klare Antwort: Das ist mit uns
nicht zu machen; die Todesstrafe gehört abgeschafft.
Leider ist es nicht nur in Uganda ein Problem: Auch
in Nigeria, in Russland und in vielen anderen Ländern
gibt es neue diskriminierende Gesetze gegen Homosexu-
elle. Deswegen ist es wichtig, dass wir das bei unseren
Gesprächen vor Ort, aber auch dass unsere Botschaften
das ansprechen.
Ich danke ganz herzlich allen, die sich dafür engagie-
ren. Wir haben noch viel vor uns. Der Kampf für Men-
schenrechte erfordert das Engagement aller. Ich danke
der Bundesregierung sehr herzlich für ihren Neunten Be-
richt und für ihre Arbeit.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Angelika Graf von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
werde die heutige Debatte über den Neunten Bericht der
Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik nut-
zen, um insbesondere auf die Situation von Menschen-
rechtsverteidigern hinzuweisen. Ich wähle dieses
Thema, weil Menschenrechtsverteidiger diejenigen sind,
die für ihre Ideale, nämlich Menschenrechte und Demo-
kratie, kämpfen und sich dabei den größten Gefahren für
Leib und Leben aussetzen. Viele der Demonstranten auf
dem Tahrir-Platz in Kairo oder in den Straßen von Homs
oder Damaskus gehören genauso dazu wie die promi-
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Weltweit haben die staatlichen Übergriffe auf Men-
chenrechtsverteidiger zugenommen; das dokumentiert
uman Rights Watch sehr deutlich. Autokratische und
iktatorische Staaten agieren dabei so umfangreich wie
rausam. Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan sind
taaten, in denen es kaum Menschenrechtsaktivisten
ibt, weil diese Staaten so grausam gegen sie vorgehen.
Tschetschenien hat der bewaffnete Konflikt zwar an
tensität abgenommen, aber Rechtsanwälte, Journalis-
n und Aktivisten werden nach wie vor reihenweise be-
roht. China, Iran und Sudan verbieten regelmäßig Men-
chenrechtsorganisationen und verhängen massenhaft
erufsverbote für Anwälte. Malaysia, Aserbaidschan
nd Usbekistan verleumden und inszenieren Strafanzei-
en gegen Menschenrechtsaktivisten. Ich werde später
och auf einen Fall eingehen.
Die SPD hat im März 2010 einen eigenen Antrag ein-
ebracht, mit dem wir die Mechanismen zum Schutz von
enschenrechtsverteidigern in der EU weiterentwickeln
ollten. Wir haben gefordert, dass gefährdete Men-
chenrechtsverteidiger in der EU Schutz finden sollen.
eider ist unser Antrag abgelehnt worden. Ich denke, wir
üssen noch mehr – das ist eine Aufforderung an die
undesregierung – an der Implementierung der EU-Leit-
nien zum Schutz von Menschenrechten arbeiten. Re-
elmäßige Treffen mit Menschenrechtsaktivisten und
erichte sind notwendig, aber sie sind nicht hinreichend.
erade in diesem Bereich könnte und müsste man sehr
iel mehr tun; denn die Diktatoren und Autokraten die-
er Welt müssen von uns die klare Botschaft bekommen:
r dürft eure Bürger und Aktivisten nicht verfolgen,
ergewaltigen, foltern oder töten. Wer sich für Men-
chenrechte und Demokratie engagiert, bekommt unsere
uropäische Rückendeckung.
Der Schutz von Menschenrechtsverteidigern muss zu
iner wichtigen Säule unserer Außenpolitik werden. Wir
rnen derzeit schmerzlich, dass militärische Interventio-
en, Staatenbau am Reißbrett oder das Abhalten von
ahlen in Gesellschaften nicht ad hoc zur Demokratie
hrt. Das muss von innen heraus geschehen. Der Schutz
on Menschenrechtsverteidigern schafft einen gesell-
chaftlichen Raum für den nachhaltigen Aufbau von De-
okratien.
Ich will aus gegebenem Anlass auf zwei Menschen-
chtsaktivisten besonders eingehen, deren Fälle mich in
er letzten Zeit massiv beschäftigt haben. Der erste ist
nwar Ibrahim. Er ist der Oppositionsführer in Malay-
ia. Ich hatte gerade seinen Assistenten Najwan Halimi
ber die Vermittlung des Instituts für Auslandsbeziehun-
en zur Hospitation in meinem Büro.
17640 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Angelika Graf
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)
Anwar Ibrahim wurde bereits mehrmals wegen an-
geblicher Vergehen angeklagt und hat auch schon eine
sechsjährige Haftstrafe verbüßt. Er organisiert die Op-
position in Malaysia und wird nun pünktlich vor den an-
stehenden Parlamentswahlen wegen abstruser Vorwürfe
– Sodomie steht im Raum – erneut angeklagt. Ich bin
sehr dankbar, dass ich mit Unterstützung des Bundes-
tagsprogramms „Parlamentarier schützen Parlamenta-
rier“ für ihn Aktionen auf den Weg bringen konnte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich empfehle Ihnen
dieses Programm sehr.
Der zweite Fall, auf den ich hinweisen möchte, ist
Ales Bialiatski. Er ist Vorsitzender des belarussischen
Menschenrechtszentrums Viasna und Vizepräsident der
International Federation for Human Rights. Er wurde ge-
rade zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Beobachter
sehen darin ein politisches Urteil zur Schädigung seiner
Menschenrechtsarbeit. Wer ihn, so wie ich, unterstützen
möchte, der kann sich an die Nichtregierungsorganisation
Libereco wenden. Dort ist man für jedes Engagement
dankbar.
Zum Schluss unserer Debatte habe ich ein Anliegen.
Aufgrund unseres Engagements in Afghanistan sind
viele langjährig in Deutschland lebende Afghanen, die
einen eigenen Aufenthaltstitel hatten, in ihre alte Heimat
zurückgekehrt. Sie haben ihren Aufenthaltstitel in
Deutschland aufgegeben und helfen beim Wiederaufbau.
Ich habe nun die Befürchtung, dass sie, wenn sich die Si-
cherheitssituation dort verschlechtert, was verhütet wer-
den möge, keinen neuen Aufenthaltstitel in Deutschland
bekommen. Die Bundesregierung hat mir mitgeteilt, es
wäre unnötig, Rückkehroptionen vorzubereiten. Ich
frage mich: Wem helfen wir damit? Ist es nicht wichtig,
dass diese Menschen Sicherheit haben in ihrem Leben
und Anerkennung finden für das, was sie getan haben?
Ich fasse zusammen: Ich wünsche mir mehr Schutz
von Menschenrechtsverteidigern, mehr Schutz von Men-
schenhandelsopfern – vorgestern haben wir im Men-
schenrechtsausschuss eine Anhörung zu diesem Thema
durchgeführt –, eine Harmonisierung des EU-Asyl-
rechts, die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundge-
setz und die umfangreiche Umsetzung der UN-Behin-
dertenrechtskonvention. All das sind Punkte, die mit
dem Thema Menschenrechte zu tun haben. Wir haben
ein weites Feld vor uns. Wir sollten weiterhin alle mitei-
nander und jeder auf seine Weise daran arbeiten.
Vielen herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Michael Brand für die CDU/CSU-
Fraktion.
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s ist deshalb nur folgerichtig, wenn ich hier für die spä-
re Abstimmung konkret empfehle, Herr Kollege
oenigs, der Beschlussempfehlung des Ausschusses für
enschenrechte und Humanitäre Hilfe zuzustimmen.
ine Debatte zur Lage der Menschenrechte darf nie
elbstzufrieden geführt werden. Im Gegenteil: Es war
nd bleibt unsere Aufgabe, gemeinsam mit der Bundes-
gierung und der Zivilgesellschaft auf Menschenrechts-
erletzungen und auf Verfolgung hinzuweisen.
Ich möchte für die Unionsfraktion aus den vielen
hemen einige herausgreifen, die unsere besondere Auf-
erksamkeit erfordern. Dabei ist klar, dass es sich hier
ur um eine Auswahl handeln kann; denn der Bericht der
undesregierung stellt zu Recht den Schutz der Men-
chenrechte als Querschnittsaufgabe über alle Politik-
ereiche dar.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17641
Michael Brand
)
)
Wir haben als eines der Ziele im Kampf für die Men-
schenrechte den Kampf gegen die Todesstrafe. Das gilt
vor allem mit Blick auf China, das nicht nur Exportwelt-
meister ist, sondern leider auch das Land mit den welt-
weit meisten Hinrichtungen; nicht selten sind davon
auch korrupte Funktionäre betroffen. Wir rufen China
dazu auf, mehr Demokratie und mehr Menschenrechte
zu wagen. Eine große Kulturnation wie China kann auf
Dauer nicht Erfolg haben, wenn die eigenen Kräfte von
der Einparteiendiktatur eingesperrt werden. So rufen wir
auch heute die chinesische Führung zu einem souverä-
nen Umgang mit den Menschenrechten und zu weniger
Angst vor dem großen chinesischen Volk auf. Wir appel-
lieren auch an China, den Friedensnobelpreisträger und
Schriftsteller Liu Xiaobo freizulassen.
Ein zentrales Anliegen der deutschen wie europäi-
schen Menschenrechtspolitik ist die Religionsfreiheit.
Mein Kollege Klimke wird dazu später noch einiges aus-
führen. Es bleibt ein wichtiges Anliegen, dass der UN-
Charta in allen Ländern Geltung verschafft wird, in der
es heißt, dass niemand wegen seiner religiösen Haltung
diskriminiert werden darf.
Wir mahnen dies bei uns selbst an: Wir verteidigen die
Freiheit der Religionen, auch der Religionen der Min-
derheiten, in unserem Land sehr aktiv. Umso mehr for-
dern wir, dass in China, in Kuba, in Afghanistan, in
Indien und auch in den arabischen Ländern die Men-
schenrechte gerade bei religiösen Minderheiten geachtet
werden.
Die meisten Weltreligionen predigen Verständnis und
nicht Vernichtung. Wer Andersgläubige ermordet, nur
weil sie Gläubige sind, geht zurück in die Steinzeit. Wer
Andersgläubige unter Druck setzt, sie still oder aktiv un-
terdrückt, verletzt die UN-Charta in einem zentralen
Punkt. Wir beobachten weiterhin kritisch, wie Toleranz
im Alltag der Gläubigen konkret aussieht. Das betrifft
im Übrigen auch die Länder in unserer unmittelbaren
Nachbarschaft, von der Türkei über die nordafrikani-
schen Staaten bis hin zu Ägypten und anderen islamisch
geprägten Ländern. Die Achtung vor Gott – das sage ich
als gläubiger Christ – schließt die Missachtung der Men-
schen aus. Die Bundesregierung bleibt aufgefordert, hier
nachdrücklich am Ball zu bleiben.
Konkret möchte ich in diesem Zusammenhang das
Kloster Mor Gabriel in der Türkei nennen, dessen kleine
christliche Gruppe sich seit Jahren gegen Diskriminie-
rung, auch vonseiten staatlicher Stellen, wehren muss.
Der manches Mal überselbstbewusste türkische Minis-
terpräsident Erdoğan gibt gerne Ratschläge an Partner-
länder. Wir raten ihm, seinen eigenen Ansprüchen ge-
recht zu werden und die Religionsfreiheit in seinem
Land zu fördern, statt sie einzuschränken.
Wohin Intoleranz und Hass führen können, darüber
haben wir in dieser Woche in diesem Hohen Haus disku-
tiert. Ich spreche nicht nur von den innenpolitischen De-
batten über den blinden Hass von Rechtsextremisten.
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dieser Stelle noch einmal eindringlich an die Menschen
in unserem Land appellieren: Helfen Sie denen, die den
Menschen in Not helfen! Öffnen Sie nicht nur vor dem
christlichen Weihnachtsfest das Herz für die Mitmen-
schen in der Not! Spenden Sie! Jeder Euro hilft Men-
schen, die sich in allergrößter Not befinden und vom
Tode bedroht sind. Ich wünsche mir sehr, dass wir den
unschuldigen Opfern dieser Kriege auch als Bürgerinnen
und Bürger unseres Landes mit ein wenig Einsatz helfen
können und das Überleben ermöglichen.
Vielen Dank.
Das Wort hat nun Annette Groth für die Fraktion Die
Linke.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie
kann ich eine Regierung ernst nehmen, die behauptet,
der Schutz der Menschenrechte sei eine alles staatliche
Handeln umfassende Querschnittsaufgabe, die aber tat-
sächlich eine Politik macht, in der sie häufig eigene Inte-
ressen auf Kosten der Menschenrechte anderer verfolgt?
Ziel der westlichen Politik in der arabischen Welt ist
zum Beispiel nach wie vor die Sicherung wirtschaftli-
cher und politischer Einflusszonen. Samir Amin, einer
der bedeutendsten arabischen Intellektuellen, schreibt
dazu:
Die Vereinigten Staaten und Europa wollen in der
arabischen Welt wiederholen, was in Mali, auf den
Philippinen und in Indonesien passiert ist: Alles
verändern, um nichts zu ändern. Nachdem die
Volksbewegungen in diesen Ländern ihre Diktato-
ren gestürzt hatten, haben die imperialistischen
Mächte alles daran gesetzt, dass ihre grundlegenden
Interessen im Bereich des Neoliberalismus und der
Außenpolitik durch die eingesetzten Regierungen
geschützt werden.
Nehmen wir nur das Beispiel der Lieferungen von
Waffen und Überwachungstechnologien. Im Jahr 2010
wurden mehr Waffen als je zuvor von Deutschland ex-
portiert. Das ist ein Skandal. Darum fordern wir ein um-
fassendes Exportverbot von Waffen.
„Mit Waffen ‚Made in the West‘ bringen Sie uns um!
Bitte macht das öffentlich!“ Dieser Hilferuf einer jungen
ägyptischen Aktivistin, der uns kürzlich erreichte, unter-
streicht unsere Forderung. Am 28. November 2011 ha-
ben sich Hafenarbeiter in Suez geweigert, eine Ladung
mit 7,5 Tonnen Tränengas aus den USA zu löschen. Ins-
gesamt hat Ägypten in dieser Woche 21 Tonnen Tränen-
gas erwartet.
Sie, meine Damen und Herren der Regierungskoali-
tion, reden häufig über die Unterstützung der Protestbe-
wegung und liefern trotzdem gleichzeitig Panzer nach
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nehmen. Erst wenn uns das Schicksal der Kinder in
Bahrain, in Ägypten, in Ostafrika – Sie haben es gerade
angesprochen – und überall auf der Welt so am Herzen
liegt, als wären es unsere eigenen Kinder, machen wir
eine echte und glaubwürdige Menschenrechtspolitik.
Setzen wir uns dafür alle ein!
Danke.
Das Wort hat nun Tom Koenigs für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Der neunte Menschenrechtsbericht der Bundes-
regierung hat viele gute Seiten. Er ist eingeteilt in einen
Teil A, der sich mit Deutschland und der Europäischen
Gemeinschaft befasst, und die Teile B und C, die sich
mit den übrigen Ländern befassen.
Wenn man sich die Teile B und C wirklich durchliest,
dann kommt man zu einer Erkenntnis: Die Menschen-
rechte kommen überall da voran und werden entspre-
chend beachtet und gefördert, wo es starke Menschen-
rechtsinstitutionen gibt. Das sind Institutionen der
Zivilgesellschaft, Institutionen des Staates und halbstaat-
liche Organisationen wie die Ombudsleute für Men-
schenrechte, die Procuradores de Derechos Humanos,
oder die unabhängige Menschenrechtskommission in
Afghanistan. Das ist eine Erkenntnis, die sich durch den
gesamten Bericht zieht.
Wenn man vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis
den Blick auf Deutschland richtet, dann scheint es so, als
ginge es hier gerade darum, die Einrichtungen des Men-
schenrechtsschutzes eher schwach zu halten. Das ist
doch inkonsistent, sowohl menschenrechtlich als auch
außenpolitisch. Das ist Doppelmoral. Ich nenne Ihnen
hierzu zwei Beispiele:
Erstens. Erst in der letzten Woche hat die Bundesre-
gierung die Mittel der Antidiskriminierungsstelle des
Bundes gekürzt. Das hat spürbare Konsequenzen. Es
fehlt an Geld für bundesweite Aufklärungskampagnen
und wissenschaftliche Untersuchungen. Das ist ein Af-
front gegen das Gleichbehandlungsgesetz. Manchmal
hat man das Gefühl, dass Sie das auch wollen; denn Sie
haben das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ja lange
bekämpft. Die Diskriminierungsstelle wird ihre wichti-
gen gesellschaftspolitischen Aufgaben nur schwer erfül-
len können: Aufbau, Stärkung und Schutz einer offenen,
diskriminierungsfreien Gesellschaft.
Zweitens. Die Bundesstelle zur Verhütung von Folter
muss über 300 Gefängnisse und Haftanstalten regelmä-
ßig überprüfen. Diese Mammutaufgabe sollen ein einzi-
ger ehrenamtlicher Leiter und drei wissenschaftliche
Mitarbeiter erfüllen? In ihrem Jahresbericht 2010 kriti-
sierte diese Institution zu Recht, dass sie ihre Aufgaben
nur ansatzweise erfüllen konnte. Wie würden wir mit ei-
ner solchen Situation umgehen, wenn sie in einem der
beobachteten Länder so wäre? Mit dieser Personalaus-
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Wenn wir vor unserer eigenen Haustür nicht mit dem
leichen Maß messen wie in der weiten Welt, dann wirft
ns die weite Welt ganz zu Recht Doppelmoral vor. Da
rauchen wir gar nicht bis nach Guantánamo zu schauen,
ondern können schon bei uns selber sehen: Das geht so
icht. Wir müssen dieselben Standards haben. Sonst sind
ie guten Ratschläge, die wir anderen geben, wirkungs-
s und lächerlich.
Noch ein letzter Satz zu der großen Gemeinsamkeit,
ie Herr Brand angesprochen hat. Dieser Bericht hat viele
ute Seiten. Ich freue mich auch, dass es viele Gemein-
amkeiten gibt. Ich bedaure aber, dass sich diese Gemein-
amkeiten im Ausschuss fast nie realisieren lassen. Es
ibt zwar Gemeinsamkeiten; aber wenn es um die parla-
entarische Umsetzung geht, stockt es. Gibt es in der
DU/CSU-Fraktion vielleicht einige Spoiler – oder sollte
h besser sagen: Spoilerinnen –, die diesen Friedenspro-
ess behindern?
Vielen Dank.
Das Wort hat nun Pascal Kober für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ieber Kollege Tom Koenigs, auch Sie können irren. Es
t beileibe nicht so, dass wir nach außen Wasser predi-
en und nach innen Wein trinken, dass wir also in der in-
rnationalen Menschenrechtspolitik Forderungen auf-
tellen, aber untätig bleiben. Ich will Ihnen gerne ein
aar Beispiele nennen.
17644 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Pascal Kober
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Die Kinder haben für diese Bundesregierung höchste
Priorität. Wir haben deshalb im Juli 2010 die Vorbehalts-
erklärung zur UN-Kinderrechtskonvention zurückge-
nommen.
Dies war ein wichtiger Schritt für die Einhaltung der
Kinderrechte in Deutschland. In der Folge ist das Wohl
eines Kindes nun bei allen behördlichen und privaten
Maßnahmen vorrangig zu berücksichtigen. Sämtliche
deutsche Behörden und Gerichte sind in der Pflicht, dem
Vorrang des Kindeswohls Geltung zu verschaffen, indem
sie ihre Entscheidungspraxis an den Erfordernissen der
Kinderrechtskonvention ausrichten. Darüber hinaus ha-
ben wir als Regierungskoalition klargestellt, dass Kin-
derlärm nicht als schädliche Umwelteinwirkung anzuse-
hen ist, und haben damit faktisch den Lebensraum und
den Entfaltungsraum der Kinder in unserem Land ver-
größert.
Wir haben den Kindern aus sozial schwächer gestell-
ten Familien mit der Einführung des Bildungs- und Teil-
habepakets bessere Entwicklungs-, Bildungs- und ge-
sellschaftliche Teilhabechancen eröffnet. Wir haben im
Bereich des Internets das Prinzip „Löschen statt sperren“
durchgesetzt. Damit wird in Zukunft nicht nur der Zu-
griff auf kinderpornografische Internetseiten erschwert,
sondern es werden auch die Persönlichkeitsrechte der
Kinder und das Kindeswohl geschützt, und zwar da-
durch, dass die Bilder dieser grausamen Straftaten in Zu-
kunft aus dem Netz verschwinden werden.
Wir haben den Schul- und den Kindergartenbesuch
für Kinder von Zuwanderern ohne Aufenthaltsstatus er-
möglicht, indem wir Meldepflichten gelockert haben.
Wir haben einen eigenständigen Straftatbestand zur
Bekämpfung von Zwangsheirat geschaffen. Wir zeigen
mit dem Gesetz einerseits klare Kante gegenüber den
Tätern, andererseits gibt das eigenständige Rückkehr-
recht für die Opfer von Zwangsheirat diesen Menschen
eine Perspektive in unserem Land, da ihr Recht auf Wie-
derkehr nun unabhängig davon, ob sie ihren Lebensun-
terhalt in Deutschland sichern können, zur Anwendung
kommen kann.
Dass uns sowohl der Opferschutz als auch die Rechte
von Kindern wichtige Anliegen sind, hat diese Koalition
auch demonstriert, indem sie die Rechte von Opfern in
Ermittlungs- und Strafverfahren gestärkt hat. Damit wer-
den auch die entsprechenden Empfehlungen aus dem
Zwischenbericht des Runden Tisches gegen sexuellen
Kindesmissbrauch umgesetzt.
Die vorgesehenen Maßnahmen in Ermittlungs- und
Strafverfahren sollen dem schwer traumatisierten Opfer
das Verfahren gegen den Straftäter erleichtern, beispiels-
weise durch die Vermeidung von Mehrfachvernehmun-
gen, durch verbesserte Verfahrensrechte, durch den An-
spruch auf kostenlose juristische Beratung und durch die
Möglichkeit des Ausschlusses der Öffentlichkeit.
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die Ausbeutung von Kindern – dazu ist hier schon eini-
ges gesagt worden, auch aus der Anhörung, die wir dazu
durchgeführt haben – und drittens die Anerkennung des
Menschenrechts auf Trinkwasser und Sanitärversorgung,
weshalb ich hier auch ein bisschen auf die Zeit eingehe,
in der ich das Ganze verfolgen konnte.
Vor allen Dingen wird mit dem Bericht klargestellt,
dass die Menschenrechte unteilbar sind und einen Quer-
schnittscharakter für alle Bereiche der Politik und des
politischen Handelns haben. Albert Einstein hat dies et-
was pathetischer ausgedrückt, aber ich finde, dieser Satz
ist noch immer richtig. Er sagte:
Ein Großteil der Geschichte ist erfüllt vom Kampf
um die Menschenrechte, einem ewigen Streit, bei
dem niemals ein endgültiger Sieg zu erringen ist.
Aber in diesem Kampf zu ermüden, würde den Un-
tergang der Gesellschaft bedeuten.
Ich denke, er hat hier sehr recht.
In diesem Zusammenhang sage ich: In Bezug auf
Menschenrechte ist kein Stillstand zu dulden. Kollege
Kober, bei aller Anerkennung: Wir müssen also weiter-
machen und uns weiterentwickeln. Deshalb ist es richtig
und notwendig, auf Dinge hinzuweisen, die wir noch be-
handeln müssen. Ich denke, diese Punkte sollten wir zum
Anlass nehmen, einen kritischen Diskurs zu führen.
Menschenrechte dulden kein Verharren im Status quo.
Es ist erfreulich, wenn es Verbesserungen gibt. Am Bei-
spiel der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
Rechte – kurz: WSK-Rechte –, die von den Vereinten
Nationen eingefordert werden, wird dies deutlich. Diese
Rechte schützen elementare Bereiche des Lebens wie
Ernährung, Gesundheit, Bildung und Arbeit. Zugleich
enthalten sie den Anspruch auf Gleichberechtigung, also
einen Schutz vor Diskriminierung jeglicher Art. Mit
Blick auf die vorherige Debatte zum Girokonto sage ich:
Wir müssen aufpassen, dass auch bei uns Menschen
nicht diskriminiert werden, nur weil sie keinen Zugang
zu technischen Möglichkeiten haben, die heute selbst-
verständlich sind. Auch über dieses Problem müssen wir
bei uns weiterhin diskutieren.
Die Umsetzung der Menschenrechte trägt also zur
menschenwürdigen Gestaltung der Lebensverhältnisse
auf der Grundlage gleichberechtigter und solidarischer
Freiheit bei. Die WSK-Rechte gelten unmittelbar als
Rechtspflicht für alle Staaten, die sie anerkannt haben.
Wir müssen viel dafür tun, sie durchzusetzen.
Der Bericht stellt in diesem Zusammenhang eine
Reihe von Menschenrechtsverletzungen fest, auch im
Bereich des Rechts auf sauberes Trinkwasser und Sani-
tärversorgung; ich habe es schon angesprochen. Ich will
noch einmal in Erinnerung rufen: Ohne Wasser gibt es
keine Nahrung und keine wirtschaftliche Entwicklung.
Es ist noch immer so, dass mehr als 1,2 Milliarden Men-
schen der Zugang zu sauberem Trinkwasser fehlt. Fast
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r hat viele umfangreiche Berichte angefertigt. Er be-
chtet auch dann sehr offen über Probleme – das will ich
n dieser Stelle ebenfalls sagen, Frau Kollegin Groth –,
enn es nicht in die regierungsamtliche Linie passt. Mir
efällt das sehr gut. Deshalb spreche ich ihm meinen
erzlichen Dank aus. Ich hoffe, dass er in dieser Rich-
ng weitermacht und dass er den Ausschuss auch wei-
rhin entsprechend informiert.
Ich stelle aber auch fest: Wir haben, wenn wir auf die
neren Verhältnisse schauen – da kann ich den Kollegen
oenigs nur unterstützen –, noch einiges zu tun. Das Zu-
atzprotokoll zum UN-Sozialpakt ist immer noch nicht
tifiziert. Wir befinden uns seit zwei Jahren in der Dis-
ussion. Ich finde, dass die Begründung, es sei noch eine
bstimmung unter den Ministerien erforderlich, nur
och eine begrenzte Zeit gelten kann. Es ist notwendig,
dieser Frage voranzukommen. Das sage ich auch mit
em Hinweis darauf, dass schon vorher mehr hätte pas-
ieren müssen. In dieser Frage sind wir uns einig. Daher
ollten wir die Regierung bitten, hier etwas zügiger zu
andeln.
Ich spreche diesen Punkt so deutlich an, weil die Be-
offenen, also die Opfer von Menschenrechtsverletzun-
en, durch dieses Zusatzprotokoll die Möglichkeit be-
ommen, ihre individuellen Rechte einzufordern. Das
uss auch so sein. Denn wenn ein diskriminierungs-
eier Zugang zu Bildung und Arbeit verweigert wird,
ann muss es für die Betroffenen die Möglichkeit geben,
arauf zu reagieren. Das ist auch deshalb dringend nötig,
m den Menschenrechtsverteidigern, die weltweit in den
etrieben als Gewerkschafter engagiert sind, die not-
endige Rückendeckung zu geben. Ich denke da an die
enschen, die sich beispielsweise in Kolumbien und
exiko zu Gewerkschaften zusammenschließen wollen
nd deren Leib und Leben deshalb bedroht ist. Daher
äre es ein gutes Zeichen, wenn wir hier den entspre-
henden Schritt gehen würden.
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
17646 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
)
)
Wir müssen deutlich machen, dass die Achtung der
Menschenrechte in Zukunft Bestandteil von Handelsab-
kommen mit diesen Ländern sein muss. Ich meine, dass
die Menschenrechte in solche Vereinbarungen verpflich-
tend und verbindlich aufgenommen werden müssen.
Mein Dank geht an dieser Stelle an das Europäische
Parlament, das vor kurzem ein Abkommen mit Usbekis-
tan wegen der dort weitverbreiteten Kinderarbeit zurück-
gewiesen hat. Das ist ein gutes Beispiel. Lassen Sie uns
in dieser Richtung weitermachen und entsprechende Si-
gnale aus diesem Parlament senden.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat nun Jürgen Klimke für die CDU/CSU-
Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Am vergangenen Sonnabend
demonstrierte ich gemeinsam mit über tausend Men-
schen in Hamburg für die Freilassung des christlichen
Pastors Youcef Nadarkhani, der im Iran wegen des Ab-
fallens vom islamischen Glauben zum Tode verurteilt
wurde. Jedem, der im Iran seine Religion selbst wählen
will und sich dabei nicht für den Islam entscheidet, droht
das gleiche Urteil. Dürfen wir ein solches Gesetz akzep-
tieren, selbst wenn es die iranische Bevölkerung mittra-
gen würde? Dürfen wir hinnehmen, dass die Religions-
freiheit in 64 Ländern der Erde mit fast 70 Prozent der
Weltbevölkerung stark eingeschränkt oder überhaupt
nicht existent ist?
Ein weiteres Beispiel bzw. eine weitere rhetorische
Frage. Frau Schuster hat bereits den Gesetzentwurf in
Uganda angesprochen, der die Todesstrafe für homosexu-
elle Handlungen vorsah. Regierungsmitglieder wollten
ihm zustimmen. Die Bevölkerung hätte das Gesetz mög-
licherweise akzeptiert. Aber internationaler Druck und
die Drohung der Streichung von Entwicklungsgeldern
aus Deutschland führten dazu, dass der Gesetzentwurf
nicht verabschiedet wurde. Dürfen wir Diskriminierung
aufgrund sexueller Präferenzen hinnehmen?
Ein letztes Beispiel. Vorgestern wurden die vermeint-
lichen U-Bahn-Attentäter von Minsk zum Tode verur-
teilt, wahrscheinlich aufgrund von durch Druck und Fol-
ter erwirkten Geständnissen, in einem zumindest frag-
würdigen Verfahren. Dürfen wir akzeptieren, dass die
Justiz nicht unabhängig ist? Dürfen wir die Todesstrafe
überhaupt hinnehmen, auch in den USA und in Japan?
Menschenrechte sind universal und gelten für uns
alle, auch dort, wo andere Kulturen ihre Andersartigkeit
zum Vorwand nehmen, diese Rechte nicht zu gewähren.
Es ist Aufgabe der Politik, die Einhaltung der Men-
schenrechte hier in Deutschland zu garantieren. Viel grö-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17647
Jürgen Klimke
)
)
Insofern ist das Menschenrechtskonzept letztlich auch
ein Beitrag für mehr Kohärenz zwischen Außenpolitik
und Entwicklungspolitik.
Bedarf sehe ich in dieser Richtung noch auf europäi-
scher Ebene. Hier ist mehr Abstimmung, mehr Kohärenz
zwischen den Geberländern notwendig. Das ist ganz ein-
deutig.
Der Einsatz für Menschenrechte in der Welt endet für
uns jedoch nicht bei den zwischenstaatlichen Beziehun-
gen. Auch wir erkennen, dass es notwendig ist, zum Bei-
spiel international tätige Unternehmen stärker in einer
menschenrechtlichen Verantwortung zu sehen. Diese
Verantwortung hat sich in den Leitlinien der OECD so-
wie in den Guiding Principles der Vereinten Nationen
auch auf internationaler Ebene niedergeschlagen.
Eines darf aber nicht vergessen werden: Die Haupt-
verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte
haben die Staaten gegenüber ihren Bürgern. Sie setzen
den Rechtsrahmen, schaffen Kontrollinstanzen und ahn-
den Verstöße gegen Menschenrechte.
Unternehmerische Verantwortung kann staatliches
Handeln in keinem Fall ersetzen. Ich habe bei den Kolle-
gen in der Opposition manchmal den Eindruck, dass
diese Erkenntnis bei ihnen noch nicht ganz angekommen
ist. Es geht ihnen vielmehr darum, die Unternehmen
durch viele Sanktionen und Vorschriften zu gängeln.
Wie die Unternehmen damit klarkommen und dann auch
weiter im Wettbewerb bestehen sollen, ist für manche
Gutmenschen sekundär.
Das heißt nicht, dass ich die gesellschaftliche Verant-
wortung von Unternehmen bestreite. Die Unternehmen
können ohne Zweifel einen Beitrag für eine bessere
menschenrechtliche Situation in Entwicklungsländern
leisten. Das tun sie im Übrigen schon sehr intensiv, vor
allen Dingen freiwillig durch Corporate-Social-Respon-
sibility-Aktivitäten. Hier hat die Bundesregierung durch
ihren CSR-Aktionsplan bereits Akzente gesetzt. Wir
wollen uns als Union beim Thema Unternehmensverant-
wortung in Zukunft stärker einbringen. Eine zukünftige
Frage wird dabei sein, wie wir auch die Verbraucher
stärker sensibilisieren und besser informieren können,
sodass sich die Sozialverträglichkeit unternehmerisch
stärker auszahlt.
Ökologische Nachhaltigkeit und das Bio-Siegel wer-
den vom Bürger akzeptiert. Ich glaube, dass ein Social-
Made-Siegel, also ein Siegel für Produkte, etwa Klei-
dung, die in Entwicklungsländern sozialverträglich her-
gestellt worden sind, vom Verbraucher akzeptiert wer-
den würde. Er würde viel mehr dieser Produkte kaufen
und wäre vor allen Dingen bereit, dafür mehr zu bezah-
len. Das ist das Entscheidende. Deswegen trete ich bei
jeder Gelegenheit für ein derartiges Siegel ein.
Sie sehen, dass der Einsatz für Menschenrechte viel-
fältig ist. Er reicht von der Unterstützung von Betroffe-
nen und Menschenrechtsverteidigern über die Einfluss-
nahme auf Regierungen, die Menschenrechte verletzen,
bis hin zu der Verantwortung der Privatwirtschaft auf na-
tionaler und internationaler Ebene.
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Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Verbraucherinnen und Verbraucher vor über-
höhten Überziehungszinsen schützen
– Drucksachen 17/2913, 17/3059, 17/3586 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Marco Wanderwitz
Marianne Schieder
Christian Ahrendt
Jens Petermann
Ingrid Hönlinger
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile Erik
Schweickert für die FDP-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt kein Recht auf
billige Schulden. Das ist klar. Verbraucherpolitik ist auch
keine verkappte Sozialpolitik. Wer mit seinem Geld
nicht auskommt, der muss sparen. Den Dispokredit ins
Unermessliche auszunutzen, ist keine Alternative zum
Sparen. Keiner ist gezwungen, sein Konto zu überzie-
hen. Erst recht hat keiner einen Anspruch darauf, dass er
diese Überziehung auch noch zu staatlich festgelegten
Kosten durchführen kann.
Dennoch können wir uns mit dem derzeitigen Zu-
stand nicht abfinden. Denn so richtig es ist, wie ich ge-
rade gesagt habe, dass es kein Recht auf billige Schulden
gibt, so richtig ist es auch, dass die Banken kein Recht
haben, sich auf der einen Seite billig Geld am Kapital-
markt zu leihen und die Kunden auf der anderen Seite
nicht daran teilhaben zu lassen.
Aus meiner Sicht ist das gängige Vorgehen der Ban-
ken zu hinterfragen. Denn auf der einen Seite wird be-
gründet, der niedrige Leitzins führe naturgemäß zu ge-
ringen Guthabenzinsen. Auf der anderen Seite ist aber
der Dispozins nach wie vor sehr hoch. Die Differenz
zwischen Guthabenzins und Dispozins wird damit grö-
ßer. Man kann sich also definitiv nicht des Eindrucks er-
wehren, dass viele Banken die Chance nutzen, ihre Ei-
genkapitalbasis auf Kosten der Verbraucher zu erhöhen.
Damit zahlt der Verbraucher nun zum dritten Mal die Ze-
che der Finanzkrise, an der die Banken wahrlich nicht
unschuldig waren. Erst haben die Anleger viel Geld ver-
loren; dann wurden Banken mit Staatsgeldern gerettet,
und nun refinanzieren sich die Banken auf Kosten der
Verbraucher bei den Dispo- und Überziehungszinsen.
Aber – damit komme ich wieder zum Anfang meiner
Rede, Frau Lay – es ist nicht die Aufgabe des Staates, für
eine billige Refinanzierung der Verbraucher zu sorgen.
Denn im Rahmen der Privatautonomie ist es Sache der
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vor – entwickelt hat. Ich ziehe das einmal vor und fahre
jetzt einfach in meiner Rede fort.
Wir haben uns einmal angesehen, wie die Situation
ist. Es gibt dazu eine Untersuchung der Stiftung Waren-
test; sie hat in der Oktoberausgabe ihrer Zeitschrift da-
rüber berichtet. Danach ist der durchschnittliche Dispo-
zinssatz im vergangenen Jahr gesunken, Frau Lay,
während sowohl der Leitzins als auch der Euribor gestie-
gen sind. Gemäß dem Test haben sich im vergangenen
Jahr die Dispozinsen bei den 174 der 642 getesteten An-
gebote deutlich reduziert. Da funktioniert der Markt sehr
wohl; denn die Testergebnisse belegen, dass die Zins-
sätze bei den 1 610 Banken sehr deutlich variieren. Neh-
men wir einmal ein Beispiel. Die Deutsche Skatbank be-
rechnet nach diesem Test ihren Kunden einen Zinssatz
von lediglich 6 Prozent. Wenn man einen Zinssatz von
5 Prozentpunkten über dem Euribor zugrunde legen
würde, wäre das deutlich teurer.
Wer sich von seiner Bank abgezockt fühlt, der hat die
Möglichkeit, den Anbieter zu wechseln und geringere
Dispozinsen zu verlangen.
Der Verbraucher kann damit eigenverantwortlich han-
deln.
Aus meiner Sicht besteht allerdings aufseiten der
Banken Korrekturbedarf. Der Bundesgerichtshof hat ein
einseitiges Preisbestimmungsrecht bei der Festsetzung
der Dispozinsen durch verbraucherfeindliche Klauseln
in den allgemeinen Geschäftsbedingungen – übrigens
völlig zu Recht – für unzulässig erklärt. Danach muss
eine Zinsänderungsklausel das Äquivalenzprinzip be-
achten und darf eine Bank nicht einseitig begünstigen.
Hier haben wir eine klare Rechtsprechung.
In der Realität findet genau diese einseitige Begünsti-
gung der Banken – da haben Sie recht – nach wie vor
statt. Es ist aber nicht die Aufgabe der Bundesregierung,
die Nichteinhaltung des geltenden Äquivalenzprinzips
zu sanktionieren, sondern es ist Sache der Gerichte, das
zu tun. Durch die Rechtsprechung des Bundesgerichts-
hofes bestehen heute klare Vorgaben, wie die Banken
ihre Zinsanpassungsklauseln auszugestalten haben.
Nichtsdestotrotz werden wir als christlich-liberale
Bundesregierung diese weitere Entwicklung sehr genau
beobachten und schauen, ob diese Schere weiter ge-
schlossen wird oder ob nicht doch irgendwann gesetzli-
che Anpassungen erforderlich werden. Zurzeit sehen wir
in diesem Bereich keinen Handlungsbedarf.
Vielen Dank.
Die Kollegin Marianne Schieder hat ihre Rede zu
Protokoll gegeben.1) Deswegen hat jetzt Ansgar
Heveling für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
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d1) Anlage 7
Der mündige Verbraucher – es gilt das moderne Bild
es Verbrauchers, für das vor allen Dingen Transparenz
ötig ist – hat selbst die Gelegenheit, den Markt zu tes-
n. Gerade diejenigen Verbraucher, die ihr Girokonto
ft und für längere Zeit überziehen, sollten angesichts
er Zahlen von Stiftung Warentest einen kritischen Blick
uf die Dispositionszinsen ihrer Bank werfen und dann
arifvergleiche vornehmen. In günstigen Fällen kann der
inssatz rund 6 Prozent betragen, in teureren aber auch
eiterhin über 14 Prozent. Für Dispokredite werden re-
elmäßig Zinsen fällig, die höher sind als solche für Ra-
nkredite. Flexibilität hat eben ihren Preis. Eigenkapi-
lbindung hat ebenso ihren Preis. Diese Faktoren
ießen natürlich in die Refinanzierungskalkulationen
er Banken ein und beeinflussen den Zinssatz.
17650 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Ansgar Heveling
)
)
Der Dispokredit ist zur kurzfristigen Überbrückung
von finanziellen Engpässen und nicht als dauerhafter
Kredit gedacht. In diesen Fällen empfiehlt sich daher
eher eine Umschuldung auf Ratenkredite, nicht zuletzt,
da dort die Monatsrate neben dem Sollzins auch eine Til-
gungsleistung enthält. Ein chronisch ausgereizter Dispo
baut sich nun einmal nicht von selbst ab. Vorausschau-
ende Finanzplanung wäre an dieser Stelle das Gebot.
Zurück zur Transparenz. Die rechtlichen Möglichkei-
ten für Transparenz sind vorhanden. Das Gesetz zur Um-
setzung der Verbraucherkreditrichtlinie verpflichtet die
Banken seit Juli 2010, die Art und Weise der Anpassung
des Sollzinses auch bei Dispositionskrediten und gedul-
deten Überziehungen in der vorvertraglichen Informa-
tion und im Kreditvertrag anzugeben. Falls sich der Soll-
zins an einem Referenzzins orientiert, ist auch dieser
Referenzzinssatz anzugeben. Für solche eventuellen
Zinsanpassungsklauseln gelten die allgemeinen Grund-
sätze für Preisanpassungsklauseln, die eine Anpassungs-
symmetrie der Zinssätze beinhalten.
Auch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
macht es den Kartellbehörden, also dem Bundeskartell-
amt und den Wettbewerbsbehörden der Länder, möglich,
gegen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen und
den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung
einzuschreiten. Dafür scheint es aber offensichtlich gar
keine Anhaltspunkte zu geben.
Die Auswertung von Stiftung Warentest zeigt zudem
nur die verschiedenen bestehenden Zinssätze; sie zeigt
nicht, ob die teuersten Angebote überhaupt genutzt wer-
den. In Deutschland herrscht nun einmal ein starker
Wettbewerb unter den Banken. Die Verbraucher sollten
daher die Zahlen von Stiftung Warentest erneut zum An-
lass nehmen, die Auswahl ihres Geldinstituts zu über-
denken und gegebenenfalls einen Wechsel in Erwägung
zu ziehen. Jeder hat jederzeit die Möglichkeit, zu einer
Bank zu wechseln, die andere, günstigere Konditionen
bietet.
Die Höhe des Dispositionszinssatzes ist dabei ein Bau-
stein, der für viele aber keine Rolle spielt, weil sie ihr
Konto nicht im Soll führen.
Im Frühjahr 2012 ist im Übrigen mit der von Bundes-
ministerin Ilse Aigner in Auftrag gegebenen Studie zu
dieser Thematik zu rechnen. Diese Studie sollten wir ab-
warten und dieses Thema dann noch einmal aufrufen.
Ganz herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Caren Lay für die Fraktion Die
Linke.
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Die Tatenlosigkeit der Bundesregierung trifft wieder
inmal Menschen mit kleinem Geldbeutel. Für sie ist der
ispo die einzige Möglichkeit, finanzielle Notlagen zu
berbrücken. Herr Kollege, ich muss schon sagen, dass
h es arrogant finde, zu sagen, niemand sei gezwungen,
ein Konto zu überziehen.
enschen, die beispielsweise erwerbslos sind, geringfü-
ig beschäftigt sind oder Leiharbeiterinnen und Leihar-
eiter sind, haben gar keine andere Möglichkeit, einen
redit zu bekommen, als eben in den Dispo zu gehen.
as muss man an dieser Stelle auch einmal sagen. Es
ibt einfach sehr viele Menschen, die knietief im Dispo
tecken, und die Banken zocken sie ab. Da können wir
ns als Politiker doch nicht hinstellen und tatenlos zuse-
en.
Es mag ja sein, dass es sich etwas angeglichen hat. In
er Tat: Der Leitzins der Europäischen Zentralbank ist ja
eringfügig gestiegen. Dennoch steht ein Leitzins von
,25 Prozent einem Dispozinssatz von durchschnittlich
2 Prozent gegenüber. Das steht doch in keinem Verhält-
is, meine Damen und Herren!
ie Geldhäuser sanieren sich hier auf dem Rücken der
ozial Schwachen, während die Bundesregierung Mil-
arden für die Bankenrettung ausgibt. Das ist für uns als
inke einfach nicht hinnehmbar.
Auch der Markt funktioniert an dieser Stelle offen-
ichtlich nicht. Dieses Problem ist, wie gesagt, ebenfalls
eit vielen Jahren bekannt. Ja, warum wechseln die Men-
chen die Bank nicht? Vielleicht hängt das damit zusam-
en – dieses Thema haben wir ja unter einem früheren
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17651
Caren Lay
)
)
Tagesordnungspunkt besprochen –, dass viele Menschen
Angst haben, gar kein Girokonto mehr zu bekommen.
Die Fakten stehen jedenfalls fest: 777 Millionen Euro
haben Verbraucherinnen und Verbraucher allein in den
letzten 15 Monaten durch überhöhte Dispozinsen verlo-
ren. Es ist Aufgabe der Politik, hier endlich tätig zu wer-
den.
Deswegen haben wir als Linke in dieser Legislaturpe-
riode erneut die Initiative ergriffen. Die Lösung liegt in
der Tat auf der Hand: Die Dispozinsen müssen gedeckelt
werden. Ich habe aus Ihrer Begründung kein sachliches
Argument herausgehört, warum das ein unerlaubter
staatlicher Eingriff sein soll. Der Vorschlag der Linken
lautet: Dispozinsen dürfen höchstens 5 Prozentpunkte
über dem Basiszinssatz liegen, den die Bundesbank
halbjährlich veröffentlicht. Das ist ein Modell, das mög-
lich ist und das an anderer Stelle auch gesetzlich ange-
wendet wird. Das ist nämlich der Maßstab für Zahlungs-
verzug. Es gibt keinen Grund, diesen Maßstab nicht auch
an dieser Stelle anzuwenden.
Dann hätten wir aktuell einen maximalen Dispozinssatz
von 5,37 Prozent. Damit wären Dispoexzesse beendet,
aber Gewinne der Banken – meine Herren und Damen
von der Koalition, ich kann Sie da beruhigen – wären
immer noch vorhanden, wenn auch in einem sozialver-
träglichen Rahmen.
Meine Damen und Herren, wir begrüßen, dass sich
auch die Grünen für eine Obergrenze aussprechen, wenn
auch, ohne einen eindeutigen Rahmen zu nennen. Fest
steht jedenfalls: Schwarz-gelbe Verbraucherpolitik
schützt wieder einmal die Unternehmen und nicht die
Verbraucherinnen und Verbraucher. Ich werbe um Zu-
stimmung zu unserem Antrag.
Vielen Dank.
Das Wort hat nun Gerhard Schick für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat
sind erhöhte Überziehungszinsen für viele Leute ein re-
levantes Thema: Viele Menschen überziehen nämlich ihr
Konto dauerhaft, nicht nur kurzfristig bei Spitzenbelas-
tungen. Gerade diese Menschen können ihre Kontover-
bindung nicht unbedingt schnell wechseln.
Wir haben es hier schon mit Zinssätzen zu tun, die
aufmerken lassen. Vor einem guten Jahr hat unsere Frak-
tion die Zinssätze stichprobenartig zusammengestellt.
Wir kamen bei geduldeten Überziehungen auf Zinssätze
von bis zu 19 Prozent. Das ist etwas, was nicht hinnehm-
bar ist.
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Es gibt auch verschiedene gesetzliche Regelungen.
as ist schon gesagt worden. Bei dem Gesetz zur Um-
etzung der Verbraucherkreditrichtlinie ist schon ein Re-
renzzinssatzsystem etabliert worden. Das Problem ist
loß: Es war gut gemeint, aber nicht gut gemacht; denn
ie Zinsspanne wurde häufig in einer Phase festgesetzt,
der die Diskrepanz sehr hoch war; und diese Spanne
ird dann fortgeschrieben. Nach unserer Ansicht besteht
a Korrekturbedarf. Jetzt muss gehandelt werden. Wir
aben deswegen einen eigenen Antrag vorgelegt; denn
an sollte eigentlich erwarten, dass über ein Jahr nach
nkündigung einer Studie zu diesem Thema endlich ein-
al Schlussfolgerungen daraus gezogen würden. Das
hema ist ja nicht so komplex, dass man Jahrzehnte
raucht, um es zu untersuchen.
Wir haben den Eindruck, dass sich einmal mehr er-
eist, dass Frau Ministerin Aigner eine Ankündigungs-
inisterin ist. Wenn ein Thema auftaucht, kommt eine
nkündigung, und danach kommt erst einmal lange
ichts. Damit ist Verbraucherinnen und Verbrauchern
icht geholfen. Das freut die Journalisten, weil sie etwas
bdrucken können, aber das hilft den Menschen nicht.
ir meinen: Es darf nicht nur angekündigt werden, son-
ern da muss auch etwas getan werden.
Das gilt leider auch für einige andere Punkte, die ich
ennen will. Die Frage der Überziehungszinsen zeigt
eispielhaft, dass das Kräfteverhältnis zwischen Ver-
raucherinnen und Verbrauchern auf der einen Seite und
inanzdienstleistern auf der anderen Seite unausgewo-
en ist und wieder richtig austariert werden muss. Ich
enne als weiteres Beispiel das Finanzanlagenvermittler-
esetz, das wir im Finanzausschuss beraten haben. Darin
erden richtige Punkte aufgegriffen, aber ein zentraler
roblembereich, der eigentlich hineingehört, wurde wie-
er herausgenommen. Ich spreche von den sogenannten
chrottimmobilien, die als kreditfinanziertes Finanzan-
geprodukt angeboten werden. Wir können wieder be-
bachten, dass sich Menschen in kürzester Zeit ökono-
isch ruinieren, weil sie kreditfinanziert eine Immobilie
aufen, deren Mieteinnahmen nicht ausreichen, um den
redit zu bedienen. In diesem Zusammenhang spielen
ogenannte Mitternachtsnotare eine Rolle. Wir hören,
ass jetzt möglicherweise jemand, der Erfahrung in die-
em Bereich hat, neuer Verbrauchersenator in Berlin
erden soll.
Sie können uns darüber gerne im Detail aufklären. –
ieses Thema hätte unbedingt im Gesetz geregelt wer-
en müssen. Auch da gilt: Ankündigen und nur beobach-
n reicht nicht; wir müssen auch konkrete Schutzvor-
chtungen im Gesetz verankern.
Schließlich haben wir auch zu dem Thema Honorar-
eratung – auch das fällt unter die Kategorie „Ankündi-
ungsministerin Aigner“ – bisher nur ein weiches Eck-
17652 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011
Dr. Gerhard Schick
(C)
)
punktepapier vorliegen. Hier geht es darum, wie wir das
Verhältnis zwischen Anbieter und Kunde so regeln kön-
nen, dass nicht systematisch viel Geld in die falschen
Kanäle gerät. Es wird bisher leider nichts Konkretes in
diese Richtung unternommen, sondern dieses Problem
wird weiter nach hinten geschoben. Das darf nicht sein;
denn Verbraucherinnen und Verbraucher haben nur dann
einen wirklichen Nutzen, wenn wir neue Regeln festle-
gen und sich am Markt etwas ändert. Mit Blick auf die
großen Ankündigungen kann man nur feststellen: Im
Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen gibt es
einfach viel zu viele Lücken.
Vielen Dank.
fehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die
Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der beiden
Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Grünen bei
Enthaltung von SPD und Linken angenommen.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 37:
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neu-
ordnung der landwirtschaftlichen Sozialversi-
– Drucksache 17/7916 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Gesundheit
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu
geben.1)
Damit sind wir am Schluss dieser Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der
Fraktion Die Linke mit dem Titel „Zinssätze für Disposi-
tions- und Überziehungskredite verbrauchergerecht de-
ckeln“. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a sei-
ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/3586, den
Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/2913
abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Be-
schlussempfehlung ist mit den Stimmen der beiden Ko-
alitionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen der
Linken bei Stimmenthaltung der Grünen angenommen.
Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab-
lehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen auf Drucksache 17/3059 mit dem Titel „Verbrauche-
rinnen und Verbraucher vor überhöhten Überziehungs-
zinsen schützen“. Wer stimmt für diese Beschlussemp-
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1) Anlage 7 2)
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
urfs auf Drucksache 17/7916 an die in der Tagesord-
ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
azu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.
ann ist die Überweisung so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
chluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Mittwoch, den 14. Dezember 2011, 13 Uhr,
in.
Ich wünsche Ihnen ein freundliches Wochenende.
Die Sitzung ist geschlossen.