Protokoll:
17105

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 105

  • date_rangeDatum: 14. April 2011

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 22:05 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/105 b) Erste Beratung des von den Abgeordneten René Röspel, Priska Hinz (Herborn), Patrick Meinhardt, Dr. Norbert Lammert und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur begrenzten Zulassung der Präimplantationsdia- gnostik (Präimplantationsdiagnostikge- setz – PräimpG) (Drucksache 17/5452) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Ulrike Flach, Peter Hintze, Dr. Carola Reimann, Dr. Petra Sitte, Jerzy Montag und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (Prä- implantationsdiagnostikgesetz – PräimpG) (Drucksache 17/5451) . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Molitor (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . . Julia Klöckner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Ursula Heinen-Esser (CDU/CSU) . . . . . . . . . Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) . . . . . . Rudolf Henke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . 11945 A 11945 B 11957 A 11958 A 11959 A 11960 A 11961 A 11961 D 11962 D 11963 D 11964 C 11965 B 11966 B Deutscher B Stenografisch 105. Sitz Berlin, Donnerstag, d I n h a l Wahl des Abgeordneten Reiner Deutschmann als Mitglied und des Abgeord- neten Patrick Kurth (Kyffhäuser) als stell- vertretendes Mitglied in das Kuratorium des Deutschen Historischen Museums . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Volker Kauder, Pascal Kober, Johannes Singhammer, Dr. h. c. Wolfgang Thierse, Kathrin Vogler und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Verbot der Präimplantationsdiagnostik (Drucksache 17/5450) . . . . . . . . . . . . . . . . R P B P D U P D J J P 11943 A 11943 B 11945 A Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11945 C 11946 D undestag er Bericht ung en 14. April 2011 t : ené Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . eter Hintze (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . irgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . riska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . lla Schmidt (Aachen) (SPD) . . . . . . . . . . . . atrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . ohannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . erzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11948 A 11948 D 11949 D 11950 B 11951 B 11952 B 11952 D 11953 D 11954 D 11955 B 11956 B Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11967 B II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 Dr. Helge Braun (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Gustav Herzog, Uwe Beckmeyer, Doris Barnett, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD: Für ei- nen neuen Infrastrukturkonsens – Schutz der Menschen vor Straßen- und Schienen- lärm nachdrücklich verbessern (Drucksache 17/5461) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniela Ludwig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Werner Simmling (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Pronold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . Judith Skudelny (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Patrick Schnieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gute Arbeit in Eu- ropa stärken – Den gesetzlichen Min- destlohn in Deutschland am 1. Mai 2011 einführen (Drucksachen 17/4038, 17/5499) . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Brigitte Pothmer, Beate Müller-Gemmeke, Fritz Kuhn, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes für die Einführung flächendeckender Mindestlöhne im Vorfeld der Einführung der Arbeitneh- c P A D K B U S P G D S D J D G T a b 11968 B 11969 A 11970 A 11971 A 11972 B 11973 A 11973 A 11974 D 11976 D 11978 A 11979 B 11981 A 11981 D 11983 C 11983 D 11985 A 11986 C 11987 C 11988 C 11989 D merfreizügigkeit (Mindestlohngesetz) (Drucksachen 17/4435, 17/5499) . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Anette Kramme, Gabriele Hiller-Ohm, Iris Gleicke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Gesetzlichen Mindest- lohn einführen – Armutslöhne verhin- dern (Drucksachen 17/1408, 17/5101) . . . . . . . eter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . nette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . laus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . rigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . igmar Gabriel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . ascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . abriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . r. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . igmar Gabriel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . ohannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Michael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . r. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . itta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 28: ) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dorothee Menzner, Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrach- ten Entwurfs eines … Gesetzes zur Ände- rung des Atomgesetzes – Keine Über- tragbarkeit von Reststrommengen (Drucksache 17/5472) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, Dr. Martina Bunge, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Europäische Forschungsförde- 11990 A 11990 A 11990 B 11991 C 11992 B 11993 B 11993 D 11995 B 11996 D 11997 B 11998 A 11999 D 12001 A 12002 A 12002 D 12003 D 12005 B 12005 D 12006 C 12007 A 12008 B 12009 B 12010 D 12011 B 12012 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 III rung in den Dienst der sozialen und ökologischen Erneuerung stellen (Drucksache 17/5386) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans- Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Krista Sager, Sylvia Kotting-Uhl, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stärkung des Europäischen For- schungsraums – Die Vorbereitung für das 8. Forschungsrahmenprogramm in die richtigen Bahnen lenken (Drucksache 17/5449) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Fraktion der SPD: Evaluie- rung befristeter Sicherheitsgesetze (Drucksache 17/5483) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Fraktion der SPD: Die Chance zur Stärkung des UN-Menschenrechts- rates nutzen (Drucksache 17/5482) . . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Dirk Becker, Marco Bülow, Gerd Bollmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Vorurteilsfreie Prüfung der Modelle zur Wertstofferfassung im Rahmen des Planspiels zur Fortentwicklung der Verpackungsverordnung (Drucksache 17/5484) . . . . . . . . . . . . . . . . g) Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, Nicole Gohlke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wissenschaftliche Urheberin- nen und Urheber stärken – Unabding- bares Zweitveröffentlichungsrecht ein- führen (Drucksache 17/5479) . . . . . . . . . . . . . . . . h) Antrag der Abgeordneten Dorothee Menzner, Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Sofortige Stillle- gung der sieben ältesten Atomkraft- werke und des Atomkraftwerkes Krümmel (Drucksache 17/5478) . . . . . . . . . . . . . . . . i) Antrag der Abgeordneten Dorothee Menzner, Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Überführung der Rückstellungen der AKW-Betreiber in einen öffentlich-rechtlichen Fonds (Drucksache 17/5480) . . . . . . . . . . . . . . . . j) Antrag der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Agnes Krumwiede, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: k l) Z a b c d e 12012 B 12012 C 12012 C 12012 D 12012 D 12012 D 12013 A 12013 A Öffentlichen Diskurs zum geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmal in Ber- lin ermöglichen (Drucksache 17/5469) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Undine Kurth (Quedlinburg), Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Tierschutz bei Tiertranspor- ten verbessern (Drucksache 17/5491) . . . . . . . . . . . . . . . Antrag des Präsidenten des Bundesrech- nungshofes: Rechnung des Bundesrech- nungshofes für das Haushaltsjahr 2010 – Einzelplan 20 – (Drucksache 17/5385) . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 3: ) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gedenkort für die Opfer der NS-„Eu- thanasie“-Morde (Drucksache 17/5493) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Stefan Kaufmann, Dr. Heinz Riesenhuber, Albert Rupprecht (Weiden), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Martin Neumann (Lausitz), Patrick Meinhardt, Dr. Peter Röhlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Gestaltung der zu- künftigen europäischen Forschungsför- derung der EU (2014–2020) (Drucksache 17/5492) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Kerstin Tack, Elvira Drobinski-Weiß, Dr. Wilhelm Priesmeier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Klonen von Tieren zur Lebensmittelproduktion verbieten (Drucksache 17/5485) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer, Karin Roth (Esslingen), Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Gesundheit ist ein globales öffentliches Gut – Rolle der Weltgesundheitsorganisation WHO in der „Global Health Governance“ stär- ken (Drucksache 17/5486) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Dr. Konstantin von Notz, Winfried Hermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Transparenz in Public Privat Partnerships im Verkehrswesen (Drucksache 17/5258) . . . . . . . . . . . . . . . 12013 B 12013 B 12013 B 12013 C 12013 C 12013 D 12013 D 12014 A IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 Tagesordnungspunkt 29: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (Drucksachen 17/5127, 17/5201, 17/5510) b) – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 9. April 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Common- wealth der Bahamas über die Unterstützung in Steuer- und Steu- erstrafsachen durch Informations- austausch (Drucksachen 17/5128, 17/5467) . . . . – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 27. Juli 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Fürstentum Monaco über die Unterstützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch Informationsaustausch (Drucksachen 17/5129, 17/5467) . . . . – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 27. Mai 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Kaimaninseln über die Unterstüt- zung in Steuer- und Steuerstrafsa- chen durch Informationsaustausch (Drucksachen 17/5130, 17/5467) . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland (Drucksachen 16/13325, 17/5314) . . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Erste Verordnung zur Änderung der Deponieverordnung (Drucksachen 17/5112, 17/5269 Nr. 2, 17/5462) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zur Anpassung chemikalienrechtlicher Vor- schriften an die Verordnung (EG) Nr. 1005/2009 über Stoffe, die zum Ab- bau der Ozonschicht führen, sowie zur f) B s 2 (D 1 Z a B s 2 (D 1 Z A n K v N G D D L D U H In P O P T A M g s B A N (D D 12014 A 12014 B 12014 C 12014 C 12014 D 12015 A Anpassung des Gesetzes über die Um- weltverträglichkeitsprüfung an Ände- rungen der Gefahrstoffverordnung (Drucksachen 17/5333, 17/5423 Nr. 2, 17/5497) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . –j) eschlussempfehlungen des Petitionsaus- chusses: Sammelübersichten 249, 250, 251, 52 und 253 zu Petitionen rucksachen 17/5393, 17/5394, 17/5395, 7/5396, 17/5397) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 4: )–h) eschlussempfehlungen des Petitionsaus- chusses: Sammelübersichten 254, 255, 256, 57, 258, 259, 260 und 261 zu Petitionen rucksachen 17/5501, 17/5502, 17/5503, 7/5504, 17/5505, 17/5506, 17/5507, 17/5508) usatztagesordnungspunkt 1: ktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- en der CDU/CSU und FDP: Pläne der EU- ommission zur stärkeren Besteuerung on Diesel-Kraftstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . orbert Schindler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . arrelt Duin (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . r. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . isa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Mathias Middelberg (CDU/CSU) . . . . . . we Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . einz Golombeck (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . grid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . eter Aumer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . lav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . atricia Lips (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 6: ntrag der Abgeordneten Dorothee Bär, arkus Grübel, Michaela Noll, weiterer Ab- eordneter und der Fraktion der CDU/CSU owie der Abgeordneten Miriam Gruß, Nicole racht-Bendt, Sibylle Laurischk, weiterer bgeordneter und der Fraktion der FDP: eue Perspektiven für Jungen und Männer rucksache 17/5494) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12015 B 12015 C 12015 D 12016 C 12016 D 12018 A 12019 A 12020 A 12021 A 12022 B 12023 B 12024 B 12025 B 12026 B 12027 D 12028 D 12029 D 12030 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 V Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Bernschneider (FDP) . . . . . . . . . . . . . Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Petra Crone, Angelika Graf (Rosenheim), Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Potenziale des Alters und des Alterns stärken – Die Teilhabe der älte- ren Generation durch bürgerschaftliches Engagement und Bildung fördern (Drucksache 17/2145) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Grübel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Dittrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Nicole Bracht-Bendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erwin Rüddel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Franz Müntefering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Kon- fliktbeilegung (Drucksachen 17/5335, 17/5496) . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . Jens Petermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . T A H (B F k w lu (D K R M D W D T a b S S U J In T A D g n s (D G J S 12031 A 12033 A 12034 B 12036 A 12038 B 12039 D 12041 A 12042 A 12043 C 12044 C 12044 D 12045 D 12047 A 12048 A 12049 A 12050 A 12050 D 12051 D 12053 A 12053 A 12054 A 12055 C 12057 A 12058 A 12059 A agesordnungspunkt 9: ntrag der Abgeordneten Omid Nouripour, ans-Christian Ströbele, Marieluise Beck remen), weiterer Abgeordneter und der raktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Prüf- riterien für Auslandseinsätze der Bundes- ehr entwickeln – Unterrichtung und Eva- ation verbessern rucksache 17/5099) . . . . . . . . . . . . . . . . . . atja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . oderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . ichael Groschek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . r. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . agesordnungspunkt 10: ) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vor- mundschafts- und Betreuungsrechts (Drucksachen 17/3617, 17/5512) . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Sonja Steffen, Christine Lambrecht, Dr. Peter Danckert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Änderung des Vormundschaftsrechts und weitere familienrechtliche Maß- nahmen (Drucksachen 17/2411, 17/5512) . . . . . . . tephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . onja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . te Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . örn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . grid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 11: ntrag der Abgeordneten Günter Gloser, ietmar Nietan, Klaus Brandner, weiterer Ab- eordneter und der Fraktion der SPD: Für ei- en Neubeginn der deutschen und europäi- chen Mittelmeerpolitik rucksache 17/5487) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ünter Gloser (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . oachim Hörster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . evim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 12060 C 12060 D 12061 C 12063 A 12063 D 12064 D 12065 C 12066 C 12067 D 12067 D 12068 A 12069 A 12070 B 12072 C 12073 B 12074 C 12074 C 12076 C 12077 D VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Karl Holmeier, Marlene Mortler, Thomas Silberhorn, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Joachim Spatz, Michael Link (Heilbronn), Heinz Golombeck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Strategie der Europäischen Union für den Donauraum effizient gestalten (Drucksache 17/5495) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl Holmeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Spatz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gunther Krichbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem An- trag der Abgeordneten Burkhard Lischka, Karin Roth (Esslingen), Dr. Sascha Raabe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Stärkung der humanitären Lage in Afghanistan und der partner- schaftlichen Kooperation mit Nichtre- gierungsorganisationen (Drucksachen 17/1965, 17/4628) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Ute Koczy, Dr. Frithjof Schmidt, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Für einen nach- haltigen Ausbau des Bildungs- und Hochschulsystems in Afghanistan (Drucksachen 17/3866, 17/4629) . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen den Handel mit illegal ein- geschlagenem Holz (Holzhandels-Siche- rungs-Gesetz – HolzSiG) (Drucksachen 17/5261, 17/5498) . . . . . . . . . . T A D o s S M (D T a b H J D D N T T B s – – (D 12078 D 12080 B 12081 D 12082 D 12083 A 12084 B 12085 C 12086 C 12087 B 12088 B 12089 B 12089 B 12089 C agesordnungspunkt 15: ntrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, r. Petra Sitte, Agnes Alpers, weiterer Abge- rdneter und der Fraktion DIE LINKE: Hoch- chulzulassung bundesgesetzlich regeln – ozialen Zugang und Durchlässigkeit in asterstudiengängen sichern rucksache 17/5475) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 14: ) Antrag der Abgeordneten Helmut Heiderich, Sibylle Pfeiffer, Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Dr. Christiane Ratjen-Damerau, Harald Leibrecht, Helga Daub, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Illegale Landnahme verhindern, Eigen- tumsfreiheit schützen, Ernährungs- grundlage in Entwicklungsländern si- chern (Drucksache 17/5488) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Niema Movassat, Sahra Wagenknecht, Dr. Axel Troost, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Hunger bekämp- fen – Spekulation mit Nahrungsmitteln beenden (Drucksache 17/4533) . . . . . . . . . . . . . . . . elmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . ohannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . r. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) . . . . . iema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . hilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 17: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Diana Golze, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Fachkräftepoten- zial nutzen – Gute Arbeit schaffen, bes- sere Bildung ermöglichen, vorhandene Qualifikationen anerkennen zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Priska Hinz (Herborn), Fritz Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Strategie statt Streit – Fachkräfteman- gel beseitigen rucksachen 17/4615, 17/3198, 17/5100) . . 12090 A 12090 B 12090 B 12090 C 12091 D 12092 D 12094 C 12095 D 12096 D 12097 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 VII Tagesordnungspunkt 16: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Eu- ropa und zur Änderung anderer Ge- setze Drucksachen 17/4978, 17/5509) . . . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/5513) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sebastian Blumenthal (FDP) . . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Stein- kohlefinanzierungsgesetzes (Drucksachen 17/4805, 17/5511) . . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/5514) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: a) Antrag der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Deutschland im UN-Sicherheits- rat – Nationalen Aktionsplan zur UN- Resolution 1325 jetzt erstellen (Drucksache 17/5044) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses – zu dem Antrag der Fraktion der SPD: 10 Jahre UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ – zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Jan van Aken, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ver- pflichtung zur UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ einhalten – Auf Gewalt in interna- tionalen Konflikten verzichten – zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Katja Keul, Ute Koczy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: 10 Jahre UN-Resolution 1325 T E C w z E (D T A K o z D D M A P A T T E C e r U R (D N A L A E ü ru (T M D 12098 B 12098 B 12098 C 12100 C 12101 C 12102 A 12102 C 12103 C 12103 D 12104 A – Frauen, Frieden und Sicherheit – Nationaler Aktionsplan für eine ge- zielte Umsetzung (Drucksachen 17/3176, 17/3205, 17/2484, 17/5092) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 19: rste Beratung des von den Fraktionen der DU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Ent- urfs eines Neunundzwanzigsten Gesetzes ur Änderung des Abgeordnetengesetzes – inführung eines Ordnungsgeldes rucksache 17/5471) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 22: ntrag der Abgeordneten Annette Groth, atrin Werner, Jan van Aken, weiterer Abge- rdneter und der Fraktion DIE LINKE: Nein ur Todesstrafe – Hinrichtung von Troy avis verhindern rucksache 17/5476) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . ngelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . . ascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nnette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . om Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 21: rste Beratung des von den Fraktionen der DU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs ines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- echtlicher Richtlinien der Europäischen nion und zur Anpassung nationaler echtsvorschriften an den EU-Visakodex rucksache 17/5470) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 rklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung ber den Entwurf eines Gesetzes zur Ände- ng des Steinkohlefinanzierungsgesetzes agesordnungspunkt 18) ichael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ieter Jasper (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 12104 A 12104 D 12105 A 12105 A 12106 B 12107 B 12108 A 12108 D 12109 C 12109 D 12111 A 12111 D 12112 B VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID) – Entwurf eines Gesetzes zur begrenzten Zulassung der Päimplantationsdiagnostik (Präimplantationsdiagnostikgesetz – PräimpG) – Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (Präimplanta- tionsdiagnostikgesetz – PräimpG) (Tagesordnungspunkt 3 a bis c) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Johanna Voß (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Zöller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Willi Zylajew (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht: Stär- kung der humanitären Lage in Afghanis- tan und der partnerschaftlichen Koopera- tion mit Nichtregierungsorganisationen – Beschlussempfehlung und Bericht: Für ei- nen nachhaltigen Ausbau des Bildungs- und Hochschulsystems in Afghanistan (Tagesordnungspunkt 13 a und b) Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A Z d d h g A P D D C A Z d s lä (T M T S K D N K A Z d d – – (T U G J S B 12113 B 12114 A 12115 B 12116 C 12117 B 12118 A 12118 D 12119 D 12120 C 12121 B 12121 D 12122 B 12123 B 12123 D 12124 D 12125 D 12126 D 12127 D nlage 5 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Gesetzes gegen den Han- el mit illegal eingeschlagenem Holz (Holz- andels-Sicherungs-Gesetz – HolzSiG) (Ta- esordnungspunkt 12) lois Gerig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . etra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . r. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . ornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 6 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Hochschulzulassung bundesge- etzlich regeln – Sozialen Zugang und Durch- ssigkeit in Masterstudiengängen sichern agesordnungspunkt 15) onika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . wen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . laus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . icole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . ai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 7 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung er Beschlussempfehlung und des Berichts zu en Anträgen: Fachkräftepotenzial nutzen – Gute Arbeit schaffen, bessere Bildung ermöglichen, vorhandene Qualifikationen anerkennen Strategie statt Streit – Fachkräftemangel beseitigen agesordnungspunkt 17) lrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . abriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . ohannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . abine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . rigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12128 D 12130 A 12131 A 12132 A 12133 A 12133 C 12135 B 12137 A 12137 D 12139 D 12140 B 12140 D 12142 A 12144 C 12145 D 12146 D 12147 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 IX Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Steinkohlefinanzierungsgesetzes (Tages- ordnungspunkt 18) Dieter Jasper (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Dr. Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Neunundzwanzigsten Ge- setzes zur Änderung des Abgeordnetengeset- zes – Einführung eines Ordnungsgeldes (Ta- gesordnungspunkt 19) Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) . . . . Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12148 D 12149 C 12150 D 12151 D 12152 C 12153 A 12156 D 12157 D 12158 B 12159 B 12160 C 12161 C 12162 A – Antrag: Deutschland im UN-Sicherheits- rat – Nationalen Aktionsplan zur UN-Re- solution 1325 jetzt erstellen – Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – 10 Jahre UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ – Verpflichtung zur UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ ein- halten – Auf Gewalt in internationalen Konflikten verzichten – 10 Jahre UN-Resolution – „1325 Frauen, Frieden, Sicherheit“ – Natio- naler Aktionsplan für eine gezielte Umsetzung (Tagesordnungspunkt 20 a und b) Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . . D J A Z d a p R g H R H U M12154 C 12155 D r. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . . erzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 11 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung ufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Euro- äischen Union und zur Anpassung nationaler echtsvorschriften an den EU-Visakodex (Ta- esordnungspunkt 21) elmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . üdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . artfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . lla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . emet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12162 C 12163 B 12164 A 12165 C 12167 B 12168 C 12169 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 11943 (A) ) )(B) 105. Sitz Berlin, Donnerstag, d Beginn: 9.0
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    Anlage 11 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12111 (A) ) )(B) kohlebergwerke einen Stilllegungsplan und einen kon- ferecht bei der EU-Kommission in Brüssel zu erwirken, folgte ein schlechter Kompromiss, nachdem nun die Re- visionsklausel ersatzlos gestrichen werden soll. Damit müssen die wenigen noch bestehenden deutschen Stein- DIE GRÜNEN Ostendorff, Friedrich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 Anlage 1 Liste der entschuldigte * A B k Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Arnold, Rainer SPD 14.04.2011 Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 Becker, Dirk SPD 14.04.2011 Binding (Heidelberg), Lothar SPD 14.04.2011 Bonde, Alexander BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 Brinkmann (Hildesheim), Bernhard SPD 14.04.2011 Dr. Danckert, Peter SPD 14.04.2011 Fell, Hans-Josef BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 Friedhoff, Paul K. FDP 14.04.2011 Friedrich, Peter SPD 14.04.2011 Gerster, Martin SPD 14.04.2011 Hermann, Winfried BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 Kampeter, Steffen CDU/CSU 14.04.2011 Kotting-Uhl, Sylvia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 Lange (Backnang), Christian SPD 14.04.2011 Leutert, Michael DIE LINKE 14.04.2011 Möller, Kornelia DIE LINKE 14.04.2011 Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ 14.04.2011 R D S S S D U W W W W D W W A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht n Abgeordneten für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates nlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes zur Änderung des Steinkohlefinanzierungs- gesetzes (Tagesordnungspunkt 18) Michael Groß (SPD): Nach den Versäumnissen der undesregierung, rechtzeitig für den deutschen Stein- ohlebergbau eine Regulierung im europäischen Beihil- oth (Esslingen), Karin SPD 14.04.2011 r. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 14.04.2011 chmidt (Eisleben), Silvia SPD 14.04.2011 chuster, Marina FDP 14.04.2011* üßmair, Alexander DIE LINKE 14.04.2011 r. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 lrich, Alexander DIE LINKE 14.04.2011 agner, Daniela BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 einberg, Harald DIE LINKE 14.04.2011 ellmann, Karl-Georg CDU/CSU 14.04.2011* erner, Katrin DIE LINKE 14.04.2011* r. Westerwelle, Guido FDP 14.04.2011 inkler, Josef Philip BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 olff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 14.04.2011 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 12112 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) kreten Stilllegungszeitpunkt vorlegen, damit weiterhin Beihilfen gewährt werden können. Mit der jetzigen Lö- sung der derzeitigen Regierungspolitik müssen Stein- kohlebergwerke nicht nur rentabel und beihilfefrei arbei- ten wie andere Unternehmen, sondern sind zusätzlich verpflichtet, die Beihilfen aus den vergangenen Jahren zurückzuzahlen. Dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass ange- sichts weltweiter Rohstoffknappheit, steigenden Ener- giebedarfs und des Ausstiegs aus der Atomkraft in Deutschland die Rentabilität deutscher Steinkohleberg- werke durchaus in naher Zukunft realistisch sein kann. Die deutschen Bergbaumaschinentechnologie ist welt- marktführend und genießt hohes internationales Anse- hen. Der Technologieexport kann einen sinnvollen Bei- trag zur Wirtschaftlichkeit unserer Steinkohlebergwerke leisten. Die Sicherheitsstandards sind weltweit vorbild- lich. Die heimische Steinkohleförderung liegt zurzeit bei 23 Prozent des bundesweiten Verbrauchs. Zukünftig wird dieser Bedarf ausschließlich durch Importkohle ge- deckt werden, die über weite klimaschädliche Transport- wege nach Deutschland gelangt, Kohle, die billiger auf den Markt gelangt, da sie in vielen Förderländern unter menschenunwürdigen und unsicheren Lebens- und Ar- beitsbedingungen gefördert wird. Die heimische Stein- kohle weist Lagerstätten hochwertiger Kokskohle auf. In der Stahlerzeugung ist Kokskohle nicht zu substituieren. Etwa 18 Prozent des deutschen Stroms wird mit Stein- kohle produziert. Als Brücke in das Zeitalter der erneu- erbaren Energien sind hocheffiziente, lastflexible Kohle- kraftwerke derzeit nicht verzichtbar, bis die Maßnahmen zu Energieeffizienz greifen und der Strombedarf aus er- neuerbaren Energien vollständig abdeckt wird. Im Bergbau und in der Wertschöpfungskette des Stein- kohlebergbaus bestehen mehr als 10 000 Arbeitsplätze und kaum ersetzbare Ausbildungsplätze, hauptsächlich im Kreis Recklinghausen, die jetzt infrage gestellt sind. Die Änderung des Steinkohlefinanzierungsgesetzes wird automatisch zu massiven weiteren sozial- und arbeits- marktpolitischen Verwerfungen im Kreis Recklinghau- sen führen. Dieter Jasper (CDU/CSU): Ich erkläre hiermit, dass ich dem Gesetz zur Änderung des Steinkohlefinanzie- rungsgesetzes in der vorliegenden Form nicht zustimme. Dies möchte ich folgendermaßen begründen: Mit dem heutigen Gesetzentwurf erfüllt die christlich- liberale Koalition eine normative Voraussetzung, damit aus europäischer Sicht in Deutschland ein subventionier- ter Steinkohlenbergbau bis ins Jahr 2018 ermöglicht wird und sichergestellt werden kann. Inhaltlich bedeutet dieser Gesetzentwurf, dass die sogenannte Revisions- klausel ersatzlos gestrichen wird. Zum Hintergrund: Im Jahr 2007 wurde eine kohlepolitische Verständi- gung getroffen, in der die Bundesregierung, das Land NRW, das Saarland, die RAG und die IGBCE den sozial- verträglichen und geordneten Ausstieg aus dem subven- ti D v J ü le ru H K L la th im v m b b W a e 2 tr p te A fü u b tr s s s s ta s B d w E s n u d p S e ti d g g w ü (C (D onierten Steinkohlebergbau bis zum Jahr 2018 regelten. iese Vereinbarung beinhaltete auch die sogenannte Re- isionsklausel, die festlegte, dass dieser Beschluss im ahr 2012 noch einmal überprüft werden sollte. Völlig berraschend forderte die Europäische Kommission im tzten Jahr einen früheren Ausstieg aus der Kohleförde- ng bis zum Jahr 2014. Dies hätte für Deutschland und gerade auch für meine eimatregion dramatische wirtschaftliche und soziale onsequenzen gehabt. In Ibbenbüren im Tecklenburger and liegt eine der letzten Steinkohlenzechen in Deutsch- nd. Hier wird schon seit langer Zeit hochwertige An- razitkohle gefördert. Diese wird zu einem großen Teil direkt anliegenden hocheffizienten Kohlekraftwerk erfeuert und zum anderen Teil für den regionalen Wär- emarkt verwendet. Die wirtschaftliche und soziale Bedeutung des Berg- aus für die Stadt Ibbenbüren und die umliegenden Berg- augemeinden Mettingen, Recke, Hopsten, Hörstel und esterkappeln ist enorm. In der Bevölkerung und über lle gesellschaftlichen Gruppierungen hinweg herrscht ine hohe Akzeptanz. Im Bergbau sind derzeit direkt über 300 Menschen beschäftigt, im Bereich der Zulieferbe- iebe sind im Laufe der Zeit mehrere Tausend Arbeits- lätze entstanden. Auch im Bereich der Ausbildung leis- t die Zeche ganz hervorragende und unverzichtbare rbeit. Als der Vorschlag der EU-Kommission bekannt wurde, hrte dies natürlich zu großer Unruhe und Irritation in nserer Region. Ein Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau ereits im Jahr 2014 hätte dazu geführt, dass es zu be- iebsbedingten Kündigungen gekommen wäre und auch onst massive wirtschaftliche und soziale Probleme ent- tanden wären. In dieser Situation habe ich mich unmittelbar an un- ere Bundeskanzlerin gewandt und um Hilfe und Unter- tützung gebeten. Unter Einsatz aller Kräfte und durch tkräftige Unterstützung des Parlamentarischen Staats- ekretärs Peter Hintze konnte erreicht werden, dass der eschluss der EU revidiert wurde. Die Unterstützung er heimischen Steinkohlenförderung bis ins Jahr 2018 urde unter bestimmten Bedingungen auf europäischer bene akzeptiert. Eine dieser Bedingungen für die notwendige europäi- che Regelung war, dass die Revisionsklausel aus dem ationalen Gesetz gestrichen und der Ausstieg somit un- mkehrbar gemacht wird. Dieser Forderung wird mit em heutigen Gesetzentwurf Genüge getan. Aus euro- äischer Sicht darf es nach 2018 keinen subventionierten teinkohlenbergbau in Deutschland mehr geben, sodass s auch keiner weiteren Prüfung im Jahr 2012 bedarf. Hier handelt die christlich-liberale Regierungskoali- on konsequent und richtig, da es an vorderster Stelle arum geht, die auf europäischer Ebene gefundene Eini- ung nicht zu gefährden, die nur unter größten Mühen efunden werden konnte. Für mich persönlich stellt sich die Situation aber et- as komplexer dar: Die Revisionsklausel ist juristisch berflüssig geworden, und ihre Streichung dient dem Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12113 (A) ) )(B) Zweck der Bestandssicherung auch des Steinkohlen- bergbaus bei uns im Tecklenburger Land. Politisch ge- hört sie aber meines Erachtens auf die Tagesordnung der zukünftigen Energiepolitik, und deshalb kann ich einer Streichung nicht zustimmen. Ich möchte ein deutliches Signal setzen, dass die Zu- kunftschancen der Steinkohle nicht nur jetzt, sondern auch nach 2018 erkannt und genutzt werden müssen. Dazu müssen wir die weitere Entwicklung im Fokus ha- ben. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir die heimi- sche Steinkohle weiterhin als nationale Energiereserve benötigen und somit den Zugang zu den Lagerstätten er- halten sollten. In einem zukunftsorientierten Energiemix brauchen wir neben den regenerativen Energien auch hochmo- derne und effiziente Kohlekraftwerke, in denen dann auch die heimische Steinkohle verströmt werden kann. Gerade jetzt, wo alle möglichen Energieformen auf dem Prüfstand stehen und wir uns fragen müssen, wie eine sichere und bezahlbare Energieversorgung für unser Land zukünftig gestaltet werden kann, dürfen wir uns diese Möglichkeit eines heimischen Energieträgers nicht verbauen. Grundsätzlich ist es richtig, die jetzt gefundene euro- päische Vereinbarung endgültig zu ratifizieren. Aber wir dürfen die weitere wirtschaftliche Entwick- lung nicht aus den Augen verlieren und müssen uns be- wusst sein, dass wir in unserem rohstoffarmen Land mit der Steinkohle einen der ganz wenigen grundlastfähigen Energieträger verfügbar haben. Diesen sollten wir nicht vorschnell aufgeben. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der Prä- implantationsdiagnostik (PID) – Entwurf eines Gesetzes zur begrenzten Zu- lassung der Präimplantationsdiagnostik (Prä- implantationsdiagnostikgesetz – PräimpG) – Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (Präimplanta- tionsdiagnostikgesetz – PräimpG) (Tagesordnungspunkt 3 a bis c) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Angesichts der anspruchsvollen Debatte will ich nur kurz mit einigen Bemerkungen begründen, warum ich ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik ethisch und verfassungsrechtlich für geboten halte. In der Debatte wurden gewichtige Gesichtspunkte vorgetragen, wie zuvörderst der Wunsch der Eltern nach einem gesunden Kind oder die Gefahr eines Rutsch- bahneffektes, wenn wir die PID bei bestimmten Erb- k n E te g s e m n k te b ri v D d a k e b K h lu ih e g d R le P li s (C (D rankheiten zulassen. Gerade das Schicksal der betroffe- en Familien treibt uns alle um. Verfassungsrechtlich und ethisch muss aber meines rachtens der Schutz des menschlichen Lebens im Mit- lpunkt stehen und die Frage beurteilt werden, ob er gf. mit anderen Rechtsgütern abgewogen werden muss. Mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle ent- teht menschliches Leben und ist genetisch die Identität ines Menschen individuell festgelegt. Und jedes enschliche Leben ist zu schützen. Dies entspricht nicht ur christlicher Überzeugung, es entspricht – und darauf ommt es hier an – meines Erachtens der Logik der ers- n drei Artikel unserer Verfassung und der Logik der isherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsge- chtes hierzu. Oft wird ja die PID-Problematik mit der Abtreibung erglichen. Dies verbietet sich hier genauso wie bei der iskussion um embryonale Stammzellen. Die PID ist ie bewusste und gewollte künstliche Erzeugung von cht Embryonen zum Zwecke des Aussortierens und ein existenzieller Konflikt. In meiner Rede zur Stichtagsregelung für den Import mbryonaler Stammzellen hatte ich ausgeführt: Bei der Frage der Abtreibung steht das Leben der Mutter mit dem Leben des Kindes in einem direk- ten, unauflösbaren Konflikt. … Die Abtreibung bleibt auch nach dem Urteil des Bundesverfas- sungsgerichts zum § 218 StGB Unrecht, auch wenn sie nicht in jedem Fall strafrechtlich verfolgt wird. Das ist eine ganz klare ethische Linie. Lediglich bei den Instrumenten, also dabei, wie wir das menschli- che Leben in diesen Situationen schützen, hat das Bundesverfassungsgericht uns, dem Gesetzgeber, erlaubt, nicht in jedem Fall zum Mittel des Straf- rechts zu greifen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und die Vorgabe des Grundgesetzes sind klar. Beim Luftsicherheitsgesetz hat das Bundesverfassungs- gericht uns als Gesetzgeber noch einmal ermahnt: Leben ist nicht gegen Leben abzuwägen; nicht ein- mal Leben, das wir dem Tod geweiht glauben, darf geopfert werden, um anderes menschliches Leben zu retten. Nun geht es aber bei der PID um eine Abwägung Le- en gegen Leben Es geht eben nicht um Paare, die ihren indern das Leid durch eine von ihnen vererbte Krank- eit ersparen. PID ist keine Diagnose, die eine Behand- ng zum Ziel hat. Sie wendet nicht Leid von Eltern oder rem Kind ab, sondern wendet das Kind selbst ab. Es geht um den Wunsch eines Paares oder einer Frau, in Kind zu bekommen, das bestimmte genetische Anla- en nicht aufweist. Es geht um den Wunsch und nicht as Recht auf ein Kind. Dieser Wunsch verdient unseren espekt, und die Situation der Betroffenen hat unser al- r Mitgefühl. Dieser Wunsch darf aber nicht um jeden reis realisiert werden, nicht um den Preis, dass mensch- ches Leben zur Disposition gestellt wird und Men- chen, die Abgeordneten, die Ärzte oder Mitglieder von 12114 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) Ethikkommissionen darüber entscheiden, welches men- schliche Leben noch gelebt werden kann und welches nicht. Menschen dürfen sich nicht zum Richter über das Lebensrecht anderer aufschwingen. Wir dürfen nicht eine Debatte über lebenswertes und weniger lebenswer- tes Leben bekommen. Deshalb bin ich dafür, die PID ge- nerell nicht zuzulassen. Ich verkenne nicht, dass es im Antrag von Priska Hinz und René Röspel unter anderem um einen anderen An- satz geht. Man hat dort versucht, die PID auf nicht le- bensfähiges Leben zu beschränken. Gesetzgeberisch ist der Vorschlag meines Erachtens in dieser Hinsicht aber nicht ganz gelungen, und es erscheint mir auch nicht ge- klärt, ob diese Unterscheidung medizinisch so überhaupt möglich ist. Michael Brand (CDU/CSU): Weil wir heute eine Debatte über eine sehr zentrale Grundsatzfrage mit gro- ßem Engagement führen, muss es um Klarheit auch bei den Grundsätzen gehen. Die Argumente werden nach bestem Wissen und Gewissen vorgetragen. Dies tue ich heute in großer Klarheit und mit großem Engagement, weil wir doch alle um uns herum sehen, was sich aus einer sogenannten begrenzten Ausnahmere- gelung entwickeln kann. Wer sich heute mit Hinweis auf die derzeit noch nicht flächendeckenden Risiken in Eu- ropa optimistisch zeigt, der muss nur einen Blick in die Prospekte von Reproduktionskliniken mit der Darstel- lung von Wunschmerkmalen der gewünschten Kinder werfen. Dort erhält man einen Blick in die Zukunft, und es ist ein sehr skeptischer Blick. Es ist zweifelsfrei eine große Belastung, einen Kin- derwunsch nicht gefahrlos erfüllt zu bekommen. Es ist aber eine weit größere Belastung, ein Menschenleben abzutöten, weil es Risiken in sich birgt, und zwar solche, die entweder in dessen Lebenszyklus geheilt werden können oder teils gar nicht eintreten, während dieses Le- ben eben auch mit diesen Merkmalen ein ebenso wert- volles ist wie das eines jeden Einzelnen von uns. Wir sprechen bei der PID über jährlich 200 bis 300 Fälle bei einer Bevölkerung von über 80 Millionen. Wollen wir einen Grundpfeiler des Schutzes für menschliches Leben für Millionen von ungeborenen Kindern aufweichen, hier sozusagen als Einfallstor für die Selektion menschlichen Lebens, mit dem Risiko, dass dies schwere Folgen hinsichtlich einer weiteren Verschlechterung des Schutzes von menschlichem Le- ben bedeuten kann? Finden wir keine anderen Optionen, zum Beispiel die Erleichterung von Adoptionen, Hilfe für Menschen mit Behinderung, psychologische Hilfe und weitere Ansätze, um diesem Personenkreis zu hel- fen, eben ohne die Büchse der Pandora zu öffnen, mit al- len großen Risiken? Es wird hier immer wieder verlangt, das medizinisch Mögliche zu unternehmen. Ja, es stimmt, und das gehört zu einer modernen und menschlichen Gesellschaft: Wir wollen, wir sollten das medizinisch Mögliche ermögli- chen. Aber nie, ich wiederhole: nie dürfen wir das mora- li w s d s n R K s g k g s S k n d s w n b w M w m K s e w m b s Ä V S c s s m s u m n A s S u d S s h o (C (D sch-ethisch Unmögliche nur deshalb möglich machen, eil es inzwischen medizinisch möglich geworden ist. Dabei geht es nicht nur um den Druck auf die Frauen, ich vor einem möglicherweise behinderten Kind durch essen Selektion zu schützen – übrigens oftmals unter anften oder auch massiven Druck gesetzt aus dem eige- en Umfeld oder auch vom Partner. Das gilt auch für den echtfertigungsdruck nach der Geburt eines behinderten indes. Es geht auch um die Frage, ob wir unsere Kinderwün- che über alles stellen und dabei noch die Kinder nach ewünschten Eigenschaften auswählen. Niemand ver- ennt das Leid von Eltern. Unser Respekt, unsere Zunei- ung geht aber auch zu den Eltern, die sich ihrer Kinder o annehmen, wie diese Kinder sind, die sie im echten inne bedingungslos, das heißt ohne Anspruch auf Voll- ommenheit lieben. Wir dürfen aus behinderten Kindern ie ein solches Problem machen, dass gar die Selektion ieser Kinder in Kauf genommen wird. Es bleibt unverrückbar, dass mit einer weiteren Zulas- ung der Selektion und der damit unvermeidlich, ich iederhole: unvermeidlich verbundenen Tötung des icht zum Überleben ausgewählten menschlichen Le- ens eine Büchse der Pandora nicht mehr geschlossen ird. Wir haben als Parlamentarier, als Christen, als enschen die Möglichkeit, diese Büchse der Pandora ieder zu schließen. Wir sollten diese Kraft aufbringen. Jeder hier hat sicher Kontakt mit behinderten Mit- enschen, mehr oder weniger. Ich selbst habe diesen ontakt regelmäßig. Haben Sie sich vor diese Menschen chon mal hingestellt und ihnen gesagt, dass sie eventu- ll in einer nicht allzu fernen Zukunft zu einer kleiner erdenden Minderheit zählen werden, weil es immer ehr Menschen geben wird, deren Leben vor der Geburt eendet werden wird, weil ihre Nachteile unerwünscht ind? Es gibt die Warnungen der Ethiker, der Kirchen, von rzten, Wissenschaftlern, Verbänden wie Lebenshilfe, dK, von Betroffenen selbst, in der Tat viele warnende tellungnahmen – und es gibt die normalen, menschli- hen Reaktionen. Zu den zutiefst menschlichen Eigen- chaften und Reflexen gehört, menschliches Leben chützen zu wollen, retten zu wollen. Dieser zutiefst enschliche Reflex würde durch die Aufweichung die- er Schutzfunktion für das menschliche Leben bedroht, nd wir brauchen diesen Reflex und diesen Schutz. Ob dies, wie bei mir, auch aus christlichem Funda- ent oder von anderen Quellen her gespeist wird, das ist icht das Wichtigste. Das Wichtigste ist, dass wir die chtung vor uns Menschen nicht verlieren. Das ge- chieht nicht mit einem lauten Knall, es geschieht meist tück für Stück. Die Relativierung ist bereits unterwegs, nd wir müssen uns ihr mit Kraft entgegenstemmen, um ie Achtung vor dem menschlichen Leben und seinen chutz aktiv zu bewahren. Nicht nur wir Christen wis- en: Der Mensch wird nicht, er ist es von Anfang an. Er at uneingeschränkte Würde von Anfang bis zum Ende, hne jede Einschränkung. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12115 (A) ) )(B) Die Diagnostik soll helfen, um zu heilen, nicht um zu töten. In meiner Heimat treffe ich vielfach Menschen mit Behinderung, die mit all ihrer Verschiedenheit uns alle sehr bereichern. Wir beschließen die UN-Konvention für Inklusion, um Behinderte nicht aus unserem Alltag aus- zuschließen. Wer hier bei PID mit Kriterien eingrenzt, der grenzt auf der anderen Seite natürlich auch aus. Diese Verant- wortung kann man nicht wegdrücken auf Kommissio- nen; das ist unsere Verantwortung hier im Parlament, dies zu entscheiden und das Leben zu schützen. Wir ha- ben mit dem Embryonenschutzgesetz bewusst eine be- sonders hohe Hürde gesetzt; die dürfen wir nicht reißen. Denn es muss auch hier deutlich gesagt werden: Die Öff- nung würde nicht beim ersten Schritt stehen bleiben, es würde – wie immer bisher – ausgeweitet. Wir müssen das Ende bedenken, bevor wir den Beginn der Einfüh- rung der PID beschließen können. Ich will, dass wir mit allen Menschen zusammenle- ben. Ich will, dass auch behinderte Menschen in ihrem menschlichen Reichtum, ihrer Passion und ihrem unver- äußerlichen Recht von uns allen als Gesellschaft ange- nommen werden. Ich verkenne das Leid des Personen- kreises von 200 bis 300 Personen nicht. Aber ich kann und ich will lieber diese um Verzicht bitten, als die Se- lektion behinderter Menschen zuzulassen. Der Gesetzgeber würde mit der Zulassung der PID den fatalen Weg nach unten, zu immer weniger Schutz des menschlichen Lebens weiter fortsetzen. Der frühere Bundespräsident Johannes Rau hat 2001 zu Recht ge- sagt: „Wer anfängt, zwischen lebenswert und lebensun- wert zu unterscheiden, ist in Wirklichkeit auf einer Bahn ohne Halt.“ Gerade in den großen Grundfragen müssen wir es uns zu Recht sehr schwer machen. Das habe ich getan. Und eine schwere, eine schwerwiegende Entscheidung ge- troffen habe ich auch: Die Würde des Menschen ist un- antastbar, auch von großem Leid anderer unantastbar. Schützen wir die Würde von uns Menschen, lassen wir hier keine Ausnahmen zu! In voller Kenntnis und Anerkenntnis des Dilemmas schützen wir die elementa- ren Rechte von uns Menschen. Und wir sollten uns auch hier nicht zum Richter über Leben und Tod aufschwin- gen. Denn wir sollten nicht und dürfen nicht Gott spie- len. Norbert Geis (CDU/CSU): Das menschliche Leben beginnt mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzel- len, unabhängig davon, ob sich die Verschmelzung in der natürlichen Begegnung von Mann und Frau ereignet oder ob sie im Reagenzglas künstlich herbeigeführt wird. Die Technizität des Vorganges ändert nichts am Er- gebnis: Beide Male beginnt das Leben des Menschen mit der Vereinigung von Ei- und Samenzellen. Es gibt den Einwand, der Embryo im Reagenzglas be- ginne sein menschliches Leben erst dann, wenn die Im- plantation und die Einnistung erfolgt sei. Diese Behaup- tung, die Einnistung sei neben der Vereinigung von Ei- und Samenzellen gleichrangig kausal für den Beginn des L L n d „ ti G d D d d u d d d d g V d v ri m d W o w h u a b G M A U d p z A n b g w lu E n w ti g re s a P (C (D ebens, ist nicht zu halten. Das wird an der Situation der eihmutter deutlich. Sie gilt nach unserer Rechtsord- ung nicht als Mutter des Kindes. Mutter bleibt die Frau, ie das Ei „spendet“. Ebenso bleibt Vater, der den Samen spendet“. Allein von diesen beiden kommt die gene- sche Bestimmung des neuen menschlichen Lebens. Die ene sind es, die den einzelnen Mensch von jedem an- eren unterscheiden und ihn sein Leben lang bestimmen. ass viele weitere Schritte dazukommen müssen, damit er Mensch heranwachsen kann, steht außer Frage. Für en Embryo sind diese ersten Schritte die Implantation nd die Einnistung. Diese sind aber nicht der Ursprung es Lebens. Wir alle haben als Embryo begonnen. Wären wir in iesem Stadium getötet worden, wären wir heute nicht a. Uns gäbe es nicht. Das hat zur Folge, dass dieses menschliche Leben, as in einer besonderen Weise schutzbedürftig ist, auch eschützt werden muss. In der Tat steht der Mensch von Anfang an, ab der ereinigung von Ei- und Samenzelle, unter dem Schutz er Verfassung. Im ersten Urteil zum Abtreibungsrecht om 25. Februar 1975 stellt das Bundesverfassungsge- cht klar, dass der Schutz der Verfassung dort gilt, „wo enschliches Leben existiert“. Von Anfang an, so stellt as Verfassungsgericht fest, kommt dem Menschen ürde zu. Dies, weil er Mensch ist, unabhängig davon, b er sich dieser Würde bewusst ist und sie selbst auch ahren kann. Die Wahrung der Würde des Menschen eißt, dass der Mensch im innersten Kern seines Wesens nantastbar und unverfügbar ist. Der Mensch kann nicht ls Sache behandelt werden. Weil der Embryo Mensch ist, hat er das Recht auf Le- en und körperliche Unversehrtheit. Nach Art. 2 Abs. 2 rundgesetz hat jeder Mensch, auch der ungeborene ensch und der Embryo im Reagenzglas dieses Recht. uch dies hat das Bundesverfassungsgericht in seinem rteil vom 25. Februar 1975 klargestellt, dass nämlich er Staat unabhängig vom Status des Menschen ver- flichtet ist, dieses Leben zu schützen, vom Anfang bis um Ende. Auch der Schutz vor Diskriminierung gemäß Art. 3 bs. 3 Grundgesetz gilt nicht nur für jeden Erwachse- en, sondern auch für den Embryo. Die Tötung des Em- ryos verstößt also auch unter diesem Gesichtspunkt ge- en die Verfassung. Weil der Staat verpflichtet ist, die Grundrechte zu ahren, hat er mit dem Embryonenschutzgesetz Rege- ngen getroffen, die das Leben und die Integrität des mbryos schützen sollen. Die PID verstößt gegen die Regelungen des Embryo- enschutzgesetzes. Mit der PID wird danach geforscht, elche der im Reagenzglas befruchteten Eizellen gene- sch belastet sind. Es geht dabei allein darum, die mit enetischen Fehlern behafteten Embryonen auszusortie- n und sie nicht in den Uterus der Frau zu übertragen, ondern sie zu vernichten oder sonst wie dem Untergang nheimzugeben. Zu keinem anderen Zweck wird die ID eingesetzt. Sie ist, wenn sie Erbkrankheiten fest- 12116 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) stellt, das Todesurteil für den Embryo. Deshalb galt die PID in Deutschland gemäß dem Embryonenschutzgesetz als verboten. Der Bundesgerichtshof hat jedoch mit seinem Urteil vom 6. Juli 2010 entschieden, dass die PID nicht gegen das Embryonenschutzgesetz verstößt. Die PID sei viel- mehr darauf gerichtet, eine Schwangerschaft herbeizu- führen. Dies ist jedoch eine völlige Verkennung der Ab- sicht, mit der die PID durchgeführt wird. Sie hat keinen anderen Sinn und Zweck, als die „schlechten Embryo- nen“ von den „guten“ zu trennen und sie dann zu ver- nichten. Es ist völlig unerklärlich, wie die Richter zu ei- ner solchen Verkennung der Logik der PID kommen können. Ein falsches Urteil! Ebenso ist der Hinweis des Gerichtes, dass es, weil es nach dem Embryonenschutzgesetz auch erlaubt sei, Sa- menzellen auszusondern, wenn Erbkrankheiten festge- stellt wurden, deshalb auch erlaubt sein müsse, Embryo- nen mit Erbfehlern auszusondern, nicht nachvollziehbar. Die Samenzelle ist kein Embryo. Zu dieser Unterschei- dung müsste der BGH eigentlich fähig sein. Das Urteil des BGH zwingt aber dazu, gesetzlich klarzustellen, dass die PID in Deutschland verboten ist. Dabei kann aus Achtung vor dem Leben des Embryos im Reagenzglas nur ein striktes Verbot der PID infrage kommen. Durch die PID wird das Tor zu einer Qualitäts- kontrolle eröffnet. Am Ende geht es dann nicht mehr nur um die Aussonderung von erbkranken Embryonen, son- dern der Weg führt dann hin zur Geschlechtskontrolle oder zur Frage, welches Baby mit welchem Design es denn sein darf. Sicherlich will keiner der vorgelegten Gesetzentwürfe eine solch abartige Entwicklung gestatten. Man sollte je- doch den Anfängen wehren. Das gilt auch für den Gesetzentwurf, der für eine eng begrenzte Zulassung der PID plädiert, wie von dem Gut- achten der Leopoldina vom 18. Januar 2011 vorgeschla- gen wird. Wer die Tötung zulässt, auch nur im begrenz- ten Umfang, öffnet das Tor, wie dies die Erfahrung aus der Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch lehrt. Dann ist kein Halten mehr. Was heißt schon „eng be- grenzte“ Zulassung der PID! Wo ist die Zulassung be- grenzt, und wo geht sie zu weit? Aber selbst wenn die Fälle der möglichen Zulassung gesetzlich genau festge- schrieben werden könnten, bliebe doch die Tatsache, dass ein unschuldiges menschliches Leben getötet wird. Niemandem aber darf das Leben genommen werden, nur weil er behindert ist. Das Argument wird immer wieder bemüht, zwischen dem Verbot der PID und dem Abtreibungsstrafrecht be- stehe ein „Wertungswiderspruch“. Der Embryo im Re- agenzglas werde besser geschützt als das Kind im Mut- terleib. Diese Argumentation ist falsch. Nach dem Abtreibungsrecht existiert, wie bei dem Verbot der PID auch, keine Erlaubnis, ein Kind, nur weil es behindert ist, abzutreiben. Außerdem ist es sehr fraglich, ob die sehr problematische Abtreibungsregelung als Maßstab herangezogen werden darf. b g R T d in T W s s re Ü im H g s n b d d li g d W w E ru tr d z s z m b p w K v g d v s th h u (C (D Die Tötung eines unschuldigen Kindes durch Abtrei- ung kann nicht in irgendeiner Weise als ein „Wert“ an- esehen werden, zu dem der Schutz des Embryos im eagenzglas im Wertungswiderspruch stehen kann. Die ötung eines unschuldigen Menschen und der Schutz es Lebens sind unüberbrückbare Gegensätze, die sich ihrem „Wert“ nicht widersprechen können, weil die ötung eines Unschuldigen unter keinem Aspekt ein ert ist. Dies wäre sonst ein Widerspruch zu unserer ge- amten Rechtsordnung. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Paare wün- chen sich eigene gesunde Kinder. Wir sollten respektie- n, dass dies auch für Paare gilt, bei denen ein Partner berträger einer schweren Erbkrankheit ist. Die Prä- plantationsdiagnostik (PID) kann für diese Paare eine ilfe darstellen, gesunde Kindern zu bekommen. Sie ist leichwohl keine Garantie dafür, denn niemand kann ge- unde Kinder garantieren. Der Bundesgerichtshof hat im Sommer des vergange- en Jahres entschieden, dass in Deutschland nach dem is jetzt noch geltenden Recht die Präimplantations- iagnostik zulässig ist. Gleichzeitig hat der Gerichtshof en Bundestag aufgefordert, eine eigenständige recht- che Regelung zu verabschieden. Das Gericht hatte auf- rund der Selbstanzeige eines Berliner Arztes entschie- en. Dieser hatte in 2005 bei drei Paaren, die mit dem unsch nach einem gesunden Kind zu ihm gekommen aren, eine Präimplantationsdiagnostik durchgeführt. inem Paar konnte er helfen. Die Selbstanzeige des Berliner Arztes war ein Hilfe- f im Namen von Paaren, bei denen ein Partner Über- äger einer schweren Erbkrankheit ist. Ich bin froh, dass er Deutsche Bundestag jetzt auf dem Weg ist, über den ukünftigen Umgang mit der PID zu entscheiden. Ich etze mich dafür ein, dass klare rechtliche Regelungen ur Zulassung der PID in begründeten Einzelfällen for- uliert werden. Die seit der Verabschiedung des Em- ryonenschutzgesetzes erfolgten Entwicklungen der Re- roduktionsmedizin müssen im Gesetz berücksichtigt erden. Im Jahr 2009 wurden in Deutschland etwa 650 000 inder geboren und 110 000 Schwangerschaftsabbrüche orgenommen, darunter einige Hundert Spätabtreibun- en als Folge der Ergebnisse der genetischen Pränatal- iagnostik. Schon 1999 hat die Bioethik-Kommission on Rheinland-Pfalz ausgeführt: Es wäre ein Wertungswiderspruch, den Paaren, bei denen das Risiko der Übertragung eines Gendefekts festgestellt wurde, die PID aus Rechtsgründen zu verwehren und dann diesen Paaren gleichwohl die Durchführung der Pränataldiagnostik zu erlauben, die im Fall einer festgestellten Indikationslage zum Schwangerschaftsabbruch führen kann. Eine humangenetische Beratung von Paaren hat es chon gegeben, als noch niemand an Untersuchungsme- oden, die auf der Analyse des Genoms beruhen, über- aupt gedacht hat. Mit der Methode der Stammbaum- ntersuchung ist schon vor mehreren Jahrzehnten Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12117 (A) ) )(B) festgestellt worden, dass bestimmte Krankheiten vererbt werden und welcher Erbgang ihnen zugrunde liegt. Menschen aus Familien, in denen eine solche Disposi- tion gegeben ist, wissen in aller Regel darüber Bescheid. Deshalb meine ich, dass es keinen grundsätzlichen Un- terschied gibt zwischen der Entscheidung eines Paares, nach einer Pränataldiagnostik aufgrund einer festgestell- ten Erbkrankheit einen Schwangerschaftsabbruch durch- zuführen, und seiner Entscheidung, zur Vermeidung ei- nes erbkranken Kindes eine PID durchzuführen. Die befruchtete Eizelle, die Zygote, kann sich nur dann zu einem Menschen entwickeln, wenn sie sich er- folgreich in der Gebärmutter einnistet. Menschliches Le- ben entsteht nur in enger Beziehung mit seiner Mutter. Die Zygote allein ist nicht lebensfähig, sie ist nicht auto- nom. Nur etwa 30 Prozent der menschlichen Zygoten überleben unter natürlichen Bedingungen, die übrigen sterben ab. Eine Zygote, die sich noch nicht in der Ge- bärmutter eingenistet hat, ganz unabhängig davon, ob sie unter natürlichen Bedingungen oder in der Petrischale entstanden ist, kann daher nicht mit der Würde des Grundgesetzes ausgestattet sein. In Großbritannien, Frankreich, Belgien und Polen ist die PID erlaubt. Dortige Erfahrungen zeigen, dass die Furcht vor dem Designerbaby unbegründet ist. Ich kann nicht erkennen, warum dies in Deutschland anders sein sollte. Menschen mit Behinderung sind in unserer Gesell- schaft willkommen und sollen auch in Zukunft willkom- men sein. Daran hat die Nutzung der Pränataldiagnostik nichts geändert und wird auch der Einsatz der Prä- implantationsdiagnostik nichts ändern. Ich sehe keinen Grund, warum wir die PID verbieten sollten. Ich meine, wir sollten die PID auch in Deutsch- land unter bestimmten Bedingungen zulassen. Ange- sichts der emotionalen Not von Paaren mit einer erb- lichen Belastung, die sich eigene Kinder wünschen, sollten wir für die Anwendung der PID einen rechtlichen Rahmen schaffen. Die Eingrenzung der Zulassung der PID ist schwierig, aber diese Schwierigkeit kann keine Begründung für ein vollständiges Verbot sein. Ich bin vielmehr dafür, mit dieser inzwischen entwickelten me- dizinischen Möglichkeit Paaren einen Weg zu öffnen, auf dem sie gesunde Kinder bekommen können, auch wenn sie Überträger schwerer Erbkrankheiten sind. Ich meine, wir können Vertrauen in den verantwortungsvol- len Umgang von Eltern und Ärzten mit der PID haben. Deshalb gehöre ich zu den Mitunterzeichnern des Ge- setzentwurfs zur Regelung der Präimplantationsdiagnos- tik (Präimplantationsdiagnostikgesetz – PräimpG). Maria Michalk (CDU/CSU): Die Präimplantations- diagnostik ist ein Verfahren zur technischen Optimie- rung der künstlichen Befruchtung. Medizinisch gesehen würde die PID nach meinem Verständnis zu einem In- strument der Qualitätskontrolle für Embryonen werden und zur Selektion führen – gewollt oder ungewollt. Gesunde Kinder zu haben, ist ein uralter Mensch- heitswunsch. Deshalb hat sich medizinischer Fortschritt v g w s ü M d g G a w ih F b k d d s L d k g D te u is n te M z in m e is S s E M m F k ih u w n g k B b m G fr s (C (D on jeher auch mit Fragen der Optimierung von Schwan- erschaft und Geburt befasst. Diesem Streben verdanken ir grundsätzlich auch heute noch unseren gewohnten ehr hohen Standard in all diesen Fragen. Doch der Mensch will immer mehr. Ich bin fest davon berzeugt, dass die Entscheidung für oder gegen PID ein eilenstein für das Leben von uns Menschen hier auf ieser Erde sein wird. Das Ringen um die bestmögliche Lösung wird strittig eführt. Das ist gut so. Es geht letztlich darum, ob eine esellschaft, in der der Staat darüber entscheidet oder ndere, letztlich Fachleute, darüber entscheiden lässt, elches Leben gelebt werden darf und welches nicht, re Menschlichkeit verliert. Deshalb steht auch die rage dahinter, ob medizinischem Optimierungsbestre- en Grenzen gesetzt werden müssen oder nicht. 4 bis 5 Prozent aller Kinder, die geboren werden, ommen mit einer chronischen Erkrankung oder Behin- erung zur Welt. Deren Existenzberechtigung verhan- eln wir hier. Diese Kinder würden bei einer einge- chränkten Zulassung der PID keine Chance haben, das icht der Welt zu erblicken. Ich kann mir gut vorstellen, ass Menschen, die mit einer Behinderung zur Welt ge- ommen sind und vielleicht heute unsere Debatte verfol- en, unsere Argumente nicht nachvollziehen können. enn sie müssen sich die Frage stellen, ob sie selbst un- r diesen Umständen überhaupt auf dieser Welt wären nd nicht vorher aussortiert worden wären. Diese Frage t nicht nur schmerzhaft, sondern schlichtweg diskrimi- ierend. Ich bin für die Positionierung des Deutschen Behinder- nrates dankbar, denn wir wissen, dass auch unter den enschen mit Behinderung eine sehr ernste und differen- ierte Diskussion geführt wird. Es darf keine Einteilung lebenswertes und lebensunwertes Leben geben. Leben it Behinderungen oder chronischen Erkrankungen ist ine selbstverständliche Lebenswirklichkeit. Behinderung t kein persönliches Problem. Deshalb darf es keine chuldzuschreibungen und Diskriminierungen von Men- chen mit Behinderung geben, auch nicht gegenüber den ltern. Die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von enschen mit Behinderung in unserer Gemeinschaft uss Selbstverständlichkeit werden und geht uns alle an. amilien mit behinderten Kindern, behinderte, chronisch ranke und alte Menschen müssen selbstverständlich re selbstbestimmte Lebensführung haben und dabei nterstützt werden. Ihr Leben muss deutlich einfacher erden. Notwendige Hilfen müssen individuell, passge- au und vor allem ohne bürokratischen Aufwand erfol- en. Auf diese Themen müssen wir uns noch viel mehr onzentrieren. Eine offene, tolerante Gesellschaft, die Menschen mit ehinderung von Anfang an in alle Lebensbereiche ein- ezieht – und das ist in Deutschland durchaus Realität –, uss am Ende dieser Debatte die Frage, ob und wie die eburt von Kindern mit einer möglichen Behinderung ühzeitig verhindert wird, nach meiner festen Auffas- ung mit einem eindeutigen Nein beantworten. 12118 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) Für mich persönlich steht das Nein zur PID fest. Ich lasse mich davon leiten, dass Leben mit der Verschmel- zung von Ei- und Samenzelle beginnt. Deshalb sind Ex- perimente ab diesem Stadium nach meiner christlichen Überzeugung unzulässig. Trotzdem bleibt für die Wis- senschaft und Medizin ein großes Feld für mögliche Er- kenntnisse zum Wohl des Menschen. Wolfgang Nešković (DIE LINKE): Der Mann ist schwerstkrank. Die Krankheit ALS zerfrisst sein Ner- vensystem. Die Gliedmaßen sind wie nutzlose Gewichte. Ein Luftröhrenschnitt nahm ihm die Stimme. Mimik und Gestik sind erlahmt. Professor Stephen Hawking ist der bekannteste Astrophysiker der Welt. Sein gefesselter Leib ist ein schwerer Pflegefall. Aber sein Geist kann mühelos fliegen. Viele Millionen Menschen verehren ihn weltweit. Mediziner vermuten hinter ALS eine Erbkrankheit. Sie nehmen an, dass mehrere defekte Genabschnitte für das Leiden verantwortlich zeichnen. Hawking wurde im Jahre 1942 geboren. Zu jener Zeit war die Weitergabe von Erbinformationen noch nicht ausreichend begriffen. Niemand konnte wissen, dass Hawking einmal ALS be- kommen würde. Keiner wollte das verhindern. Zum Glück. Was wüssten wir heute über das Weltall, wenn man Hawkings Erbanlagen aus einer Petrischale in den Müll geworfen hätte? Genau das geschieht bei der Präimplantationsdiag- nostik (PID), über deren Zulässigkeit derzeit der Deut- sche Bundestag berät. Fraktionsübergreifend hat dies derzeit zu zwei Gruppenanträgen geführt. Der eine wirbt für eine beschränkte Zulassung. Der zweite, den auch der Verfasser unterstützt, strebt ein Verbot der PID an. Viele Paare sehnen die Legalisierung des PID-Verfah- rens herbei. Manche von ihnen haben bereits ein krankes oder behindertes Kind. Die PID kann ihnen den Wunsch nach gesundem Nachwuchs erfüllen. Bei dem Verfahren werden mehrere Eizellen der Mutter künstlich mit den Spermien des Vaters befruchtet und dann nach drei Ta- gen untersucht. Nur die gesunden „Wunscheizellen“ werden dann der Mutter zur Austragung verpflanzt. Al- les andere landet im Abfall. Befürworter des Verfahrens finden dafür Argumente: Der Embryo sei in seiner Ur- form nicht mehr als ein Zellhäuflein. Doch das war Pro- fessor Hawking im Jahre 1941 auch. Jeder Mensch ist schon am Anfang ein unersetzbares Unikat. Könnte er sich schon wehren, würde er sich Urteile über seinen Wert und Unwert gefälligst verbitten. Ein weiteres Argument lautet: Die PID sei gegenüber einer späteren Abtreibung der wesentlich schonerende Weg. Die Mutter erhalte eine ziemliche Gewissheit auf ein gesundes Kind und müsse später nicht ein krankes abtreiben. Das Argument ist kraftvoll, aber unlogisch. Dass Abtreibungen rechtlich möglich sein müssen, liegt an der notwendigen Abwägung zwischen dem seelischen Leid der schwangeren Mutter und der staatlichen Schutzpflicht gegenüber dem Embryo. Doch bei einer Vorfelduntersuchung liegt noch gar keine Schwanger- schaft vor, die eine Frau belasten könnte. In der Petri- schale herrscht damit allein das ethische Gebot, das wer- d A w e la S fe re w „ h F li „ k m D ri s „ d w d h w v W m u c h d n z b n M m ti ih K T k b B s s e g s n s (C (D ende Leben zu schützen. Wer die PID mit den btreibungsregeln des Strafgesetzbuches rechtfertigen ill, begründet ein vermeidbares ethisches Desaster mit iner ganz anderen, unvermeidbaren ethischen Konflikt- ge. Ethik funktioniert anders. Sie strebt nach einer tärkung des ethischen Verhaltens, nicht nach der Recht- rtigung von mehr „Unethik“. Befürworter der PID argumentieren schließlich, die chtlichen Grenzen des Verfahrens seien in ihrem Ent- urf klar abgesteckt. Die PID sei nur zulässig bei einer hohen Wahrscheinlichkeit“ einer „schweren Erbkrank- eit“ oder im Falle der Verhinderung einer Tot- oder ehlgeburt. Doch offene Rechtsbegriffe sind die natür- chen Feinde klarer ethischer Grenzen. Was ist eine schwere“ Erbkrankheit? Wann ist eine Wahrscheinlich- eit „hoch“? Rechtsbegriffe, die man nur begreift, wenn an über ihren Inhalt streitet, führen nicht selten zu ammbrüchen. Ist die PID einmal legal, wird sich „ge- nge Wahrscheinlichkeit“ zu „ausreichender Wahr- cheinlichkeit“ aufschwingen. Was heute keine schwere“ Erbkrankheit ist, wird morgen noch eine wer- en. Aus dem „Wunschkind“ wird schrittweise das „er- ünschte Kind“. Mit der Pipette gestaltet der Mensch ie Evolution. Alle Eltern wünschen sich starke, kluge, gutausse- ende und intelligente Kinder. Wir alle meinen zu wissen, as wir damit meinen. Dabei sind unsere Vorstellungen on „unseren“ Kindern kulturell geprägt. Kultur ist dem andel unterworfen. Viele Jahrhunderte dominierte die anuelle Arbeit. Folglich wünschten sich Eltern starken nd männlichen Nachwuchs. Heute schätzen wir weibli- hen und männlichen Nachwuchs gleichermaßen mit ho- er Intelligenz und Einfühlungsvermögen. Ein Jahrhun- ert zuvor wäre Hawking vermutlich verhungert. Heute utzt er modernste Technik, um der Welt von seinen Ideen u berichten. Dazu kommt: Unser Wissen von den Erbanlagen ist estenfalls lückenhaft. Gene tragen in ihren Kombinatio- en immer viele verschiedene Informationen. Jeder angel kann eine Stärke zur Kehrseite haben. Mitunter endeln sich diese Stärken erst in vielen Folgegenera- onen heraus – es sei denn, wir bewirken, dass schon re ersten Träger nie das Licht der Welt erblicken. Der Maler und Dichter Khalil Gibran schrieb: „Deine inder sind nicht Deine Kinder. Sie sind die Söhne und öchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selbst. Sie ommen durch Dich, aber nicht von Dir, und obwohl sie ei Dir sind, gehören sie Dir nicht. (…) Du bist [nur] der ogen, von dem Deine Kinder als lebende Pfeile ausge- chickt werden.“ Jeder Embryo, der eine PID-Untersuchung nicht über- teht, ist wie ein zerbrochener Pfeil. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): In der heutigen rsten Lesung wird das Gesetz zur Präimplantationsdia- nostik beraten. Nachdem der BGH am 6. Juli 2010 ent- chieden hat, dass die gesetzliche Regelung im Embryo- enschutzgesetz nicht hinreichend konkret ist, um eine trafrechtliche Verurteilung herbeizuführen – über ein Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12119 (A) ) )(B) generelles Verbot der Präimplantationsdiagnostik konnte der BGH gar nicht entscheiden –, hat der Gesetzgeber nun die Verpflichtung, eine hinreichend konkrete Rege- lung zu schaffen. Bis zu dem Urteil des BGH war die herrschende Meinung der Rechtswissenschaft, aber auch der Medizin und der Politik davon ausgegangen, dass die Präimplantationsdiagnostik in Deutschland verboten ist. Wenn dies nun nicht mehr klar ist, kann nach meiner Meinung eine Klärung dieser Situation nur durch ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik im Embryonen- schutzgesetz erfolgen, denn die Präimplantationsdia- gnostik ist mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar. Das Recht auf Leben beginnt schon vor der Geburt, nämlich mit der Vereinigung von Ei- und Samenzelle. Ein Embryo ist selbstverständlich als Mensch anzuse- hen, ob im Mutterleib oder vor der Einschwemmung. Wer dies bezweifelt, zettelt eine Diskussion an, die ethisch und moralisch nach meiner Meinung unhaltbar ist, da sie in Bezug auf den Wert von Menschenleben differenziert. Für mich darf es keine Abstufung zwi- schen dem Wert menschlichen Lebens geben. Art. 1 Abs. 1 GG verbietet, einen Menschen wie eine Sache zu behandeln. Der Artikel gilt auch für ungebore- nes Leben. Damit gilt die Menschenwürdegarantie ebenso für Embryonen. Durch die Bevorzugung von Embryonen mit passenderen Eigenschaften werden diese als bloßes Objekt behandelt, was mit der Menschenwür- degarantie nicht vereinbar ist. Erst recht werden die Em- bryonen zur Sache gemacht, die nicht genutzt wird, son- dern – wie es dann heißt – verworfen wird. Gemeint ist, sie wird vernichtet. Weiterhin wird nicht nur gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verstoßen, sondern auch gegen Art. 3 Abs. 3 GG, der das Diskriminierungsverbot von Behinderten festlegt: Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Dabei dient die Präimplantationsdiagnostik dem Zweck, Embryos, bei denen eine Krankheit oder Behin- derung festgestellt wurde, zu verwerfen und ihnen das Recht auf Leben zu verwehren. Lebenswertes und ver- meintlich lebensunwertes Leben werden bewusst un- gleich behandelt. Diese offenkundige Ungleichbehand- lung von gesunden und behinderten Menschen sowie die Diskriminierung von Behinderten ist nicht mit unserem Grundgesetz vereinbar. Somit bleibt für die Beantwortung der Frage, ob Prä- implantationsdiagnostik verboten werden soll oder nicht, aus verfassungsrechtlicher Sicht kein Spielraum. Denn letztlich treffen die Eltern und die verantwortlichen Me- diziner eine unumkehrbare Entscheidung über das Leben oder den Tod eines Kindes. Wenn wir der Präimplanta- tionsdiagnostik die Tür auch nur einen Spalt öffnen, se- lektieren wir Leben nach seiner Qualität und werden ein Ausdehnen der Selektion auch in zukünftigen Diskussio- nen nicht mehr verhindern können. Wenn die Präimplantationsdiagnostik zugelassen wird, bedeutet dies ein Legalisieren der Unterscheidung menschlichen Lebens aufgrund einer Behinderung. Ein Schwangerschaftsabbruch allein aufgrund einer Behin- derung ist nach der Reform des § 218 a StGB im Jahre 1 z g S V E s p e u W s K b c w m n n g g d g s d u b ti in g im d fi z b s b w E s z e S g te ti w k ti g h (C (D 995 verboten worden, um eine solche Diskriminierung u verhindern. Der Gesetzgeber hat auch im Stammzell- esetz festgelegt, dass es untersagt ist, embryonale tammzellen einzuführen und zu verwenden, wenn der erdacht einer genetischen Auswahl besteht und diese mbryonen verworfen werden. Die Spirale, die „Pille danach“ und Schwanger- chaftsabbrüche generell werden häufig mit der Präim- lantationsdiagnostik verglichen. Dabei gibt es einen indeutigen Unterschied: Die Spirale, die „Pille danach“ nd der Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf ochen selektieren nicht. Sie beenden eine Schwanger- chaft nicht aufgrund der möglichen Behinderung des indes. Eine Gleichsetzung dieser unterschiedlichen Le- enssachverhalte ist einfach falsch, genauso wie ein sol- hes „Erst-recht-Argument“ insgesamt falsch ist. Es ürde schließlich bedeuten, wenn schon Abtreibungen öglich sein sollen, dann ist es auch egal, dass Embryo- en erzeugt werden, um einen erheblichen Teil von ih- en zu töten. Statistische Erhebungen haben nämlich ezeigt, dass bei Anwendung der Präimplantationsdia- nostik 33,7 Embryonen selektiert und verworfen wer- en und nur ein Embryo tatsächlich geboren wird. Genauso bei Spätabbrüchen. Diese dürfen nicht auf- rund der Behinderung des Kindes durchgeführt werden, ondern werden nur noch in akuten Notsituationen urchgeführt. Besteht zum Beispiel akute körperliche nd seelische Gefahr für die Mutter, so ist ein Spätab- ruch der Schwangerschaft erlaubt. Diese Konfliktsitua- on – Mutter oder Kind – ist im Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG den Vordergrund gerückt. Das ist keineswegs ver- leichbar mit der Unterscheidung, wie sie bei der Prä- plantationsdiagnostik durchgeführt wird. Wenn wir die Präimplantationsdiagnostik verbieten, ann werden die Forscher und Mediziner andere Wege nden, um Familien die Geburt eines gesunden Kindes u ermöglichen, etwa über die Polkörperchendiagnostik, ei der nicht Embryos, sondern Eizellen untersucht und elektiert werden. Das ist ein Unterschied, denn dann würde kein Em- ryo – und damit ein Mensch im frühen Stadium – ver- orfen, also zerstört. Ich sehe hier eine vergleichbare ntwicklung wie bei der embryonalen Stammzellfor- chung, die nun auch keiner in der Wissenschaft mehr wingend fordert. Ich werbe aus all diesen Gründen nachdrücklich für in Verbot der Präimplantationsdiagnostik. Unterstützen ie daher bitte mit mir den entsprechenden Antrag. Jens Spahn (CDU/CSU): Ich weiß, dass es – wie erade deutlich geworden ist – in diesem Hause ganz un- rschiedliche Auffassungen zum Thema Präimplanta- onsdiagnostik gibt. Daher bin ich dankbar dafür, dass ir uns dafür mit der nötigen Zeit darüber austauschen önnen und diese Debatte auch mit der nötigen Ernsthaf- gkeit führen. Wer mit Paaren, mit Frauen und Männern, die eine enetische Veranlagung zu schwersten Erkrankungen aben, über ihren Kinderwunsch, ihr Schicksal, ihre Ver- 12120 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) zweiflung gesprochen hat, der kann und der darf sich eine solche Entscheidung heute nicht leicht machen. Er wird, er muss fast mit dieser Entscheidung hadern. Er weiß aber auch, dass er um diese Entscheidung nicht he- rumkommt, dass er diese Entscheidung treffen muss. Aus meiner Sicht muss der über allem stehende Grundsatz dabei sein, dass im Zweifel für das Leben ent- schieden wird und bei Unsicherheit größtmögliche Si- cherheit für das Leben gesucht wird. Hier gibt es viele Zweifel. Einige sind schon ange- sprochen worden, Ich habe zum einen Zweifel, dass es bei dem einmal definierten Ausnahmekatalog bleibt. Es ist ja schon gefragt worden: Wer soll ihn definieren? Der Bundestag? Oder soll dieser die Entscheidung auslagern und an andere delegieren? Sich für bestimmte Kriterien zu entscheiden, heißt, andere auszuschließen. Ich unter- stelle niemandem – ich glaube, darum geht es auch nicht –, dass es ihm um Designbabys, um die Frage der Augenfarbe oder ähnliche Dinge geht. Ich habe aber schon die Sorge, dass eine positive Entscheidung zwar nicht zu einem Dammbruch, aber doch zu einem lang- sam anschwellenden Fluss führt, sodass wir, wenn wir heute einmal das Tor geöffnet haben, die Dinge am Ende nicht mehr werden aufhalten können. Ich habe zum Zweiten Zweifel – das ist auch schon angeklungen – weil auch die PID keine hundertprozen- tige Sicherheit bringt. Trotz PID besteht das Risiko, dass das Kind später krank ist. Ist der Druck, ist das Leid in einem solchen Fall nicht noch viel größer und noch viel stärker? Ich habe auch Zweifel, weil für eine PID bis zu 40 Embryonen gebraucht werden. Was passiert mit den anderen, die nicht eingepflanzt werden? Wer wollte da- rüber entscheiden? Ich bin der Überzeugung: Was manchmal als Zell- klumpen bezeichnet wird, das hat das Potenzial, ja, das ist aus meiner Sicht menschliches Leben, und wer wollte über die Chance, die Wertigkeit dieses Lebens entschei- den? Ich jedenfalls – egal, was andere Länder da ent- schieden haben – will das nicht, und ich denke, es ist ei- nem anderen, Höheren vorbehalten, das zu entscheiden. Im Übrigen denke ich auch, dass gerade der Embryo in der Petrischale, weil sein Potenzial, sein Leben-Sein eben nicht augenfällig ist, vielleicht nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist, einen noch höheren Schutz braucht, ein noch größeres Maß an Sicherheit und Zu- rückhaltung in der Frage, was wir regeln. Gerade deswe- gen sollten wir an die PID mit größter Bedachtheit he- rangehen. Auch sehe ich da keinen Wertungswiderspruch zur Abtreibung, wie er hier schon mehrfach angesprochen worden ist. Bei der PID geht es voll und ganz und unmit- telbar um den Schutz des Embryos in der Petrischale, dessen Leben-Sein – ich habe es schon gesagt – nicht au- genfällig ist. Beim Schwangerschaftsabbruch geht es im Kern um die konflikthafte Situation, um die schwierige Lebenslage der Mutter, wo der Embryo natürlich mittel- bar auch eine Rolle spielt; aber es ist eine andere Aus- gangslage. Muss nicht eigentlich die Entwicklung, die w e h S le w w b z F in a 5 d Ic m d K (L (C g s d s E g m o g P g F h s g te F S g b s v P d A d e S s s z n re d d (C (D ir beim Schwangerschaftsabbruch haben, die ja auch inmal mit strengsten und striktesten Kriterien begonnen at, muss nicht diese Praxis, wie wir sie heute beim chwangerschaftsabbruch zum Teil haben, weniger uchtendes Beispiel als vielmehr Mahnmal dafür sein, as passiert, wenn man einmal bei der Entscheidung, die ir heute treffen, die Tür geöffnet hat? Deswegen: In dubio pro vita, im Zweifel für das Le- en. Ich möchte Sie bitten, heute für ein Verbot der PID u stimmen. Stephan Thomae (FDP): In der ethisch heiklen rage der Präimplantationsdiagnostik, kurz PID, treffen diesem Hohen Hause gegensätzliche Auffassungen ufeinander. Ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom . Juli 2010 macht deutlich, dass die PID nicht notwen- igerweise gegen das Embryonenschutzgesetz verstößt. h möchte ausdrücklich den Antrag unterstützen, den aßgeblich meine Fraktionskollegin Ulrike Flach auf en Weg gebracht hat, und der insbesondere von den olleginnen Dr. Carola Reimann (SPD), Dr. Petra Sitte inke) und den Kollegen Staatssekretär Peter Hintze DU) und Jerzy Montag (Bündnis 90/Grüne) mitgetra- en wird. Bei allem Respekt vor anderen Standpunkten prechen viele Gründe für diese Position: Ziel der PID ist, was das Embryonenschutzgesetz for- ert, nämlich eine Schwangerschaft herbeizuführen. In- ofern fördert die Zulassung der PID den Entschluss von ltern, die sich ohne eine solche Untersuchungsmethode egen ein Kind oder – weil sie vielleicht bereits ein Kind it einer ererbten Krankheit oder Behinderung haben der aufgrund dessen bereits ein Kind verloren haben – egen ein weiteres Kind entscheiden würden. Viele aare, die sich sehnlichst ein Kind wünschen, aber auf- rund erblicher Vorbelastung Angst vor einer Tot- oder ehlgeburt oder vor der Geburt eines todkranken Kindes aben, sehen in der PID eine Chance. Bislang konnten olche Paare allenfalls auf dem Wege der Pränataldia- nostik, kurz PND, feststellen, ob der Embryo im Mut- rleib an einem genetischen Defekt leidet. In solchen ällen waren die Eltern vor die Wahl gestellt, die chwangerschaft abzubrechen oder nicht. Ein Schwan- erschaftsabbruch aufgrund einer PND-Diagnose ist ins- esondere für die Schwangere jedoch mit wesentlich chwereren psychischen und physischen Belastungen erbunden als die Verwerfung einer Blastozyste in der etrischale. Bislang bot sich allenfalls für solche Paare, ie es sich leisten können, die Möglichkeit zur PID im usland. Die Zulassung der PID beseitigt deshalb auch en Widerspruch, dass zwar Präimplantationsdiagnose iner Blastozyste in der Petrischale verboten, aber der chwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Schwanger- chaftswoche und unter bestimmten Voraussetzungen ogar die Spätabtreibung nach einer Pränataldiagnose ulässig ist. Dieser Widerspruch kann weder moralisch och juristisch aufgelöst werden. Auch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes ungebo- nen Lebens ist es nicht die PID, die einem Lebenskeim as Lebensrecht entzieht oder zu einer Verschlechterung es Embryonenschutzes führt. Die Blastozyste ist außer- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12121 (A) ) )(B) halb des Mutterleibes nicht in der Lage, sich zu einem Embryo weiterzuentwickeln. Schon heute aber steht es der Mutter auch ohne PID frei, zu entscheiden, ob sie sich die Blastozyste einpflanzen lässt oder den Keim verwirft. Genauso wenig kann Bedenken gefolgt werden, die PID gefährde die Bereitschaft der Gesellschaft, Kinder mit Behinderungen zu akzeptieren. Weder ist eine solche Entwicklung in Ländern zu beobachten, welche die PID kennen, noch hat in Deutschland die Zulassung des Schwangerschaftsabbruchs nach einer PND eine solche Wirkung hervorgerufen. Die Integration und Inklusion von Menschen mit Behinderungen war – trotz PID und PND – nie so groß wie heute. Erlauben Sie mir abschließend eine höchstpersönliche Schlussbemerkung: Neben diesen eher vernunftgeleite- ten Überlegungen wurde ich selbst nicht zuletzt beim Besuch eines Kinderhospizes in meiner eigenen All- gäuer Heimat in meinem Entschluss bestärkt. Das Kin- derhospiz begleitet Kinder und deren Familien ab dem Zeitpunkt der Todesdiagnose eines Kindes oder Jugend- lichen bis zu dessen Tod. In einigen Fällen müssen El- tern schon das zweite, in einigen wenigen Fällen sogar gleichzeitig zwei todgeweihte Kinder dort auf ihrem letzten, manchmal langen Weg begleiten. Ich bin der tie- fen Überzeugung, dass das Recht Paaren mit erblicher Belastung zumindest die Möglichkeit einräumen muss, Ja oder erneut Ja zu einem Kind zu sagen, ohne ihnen dieses Leid und diesen Schmerz zuzumuten oder ein weiteres Mal zuzumuten. Bei allem Respekt vor jeder anderen Überzeugung habe ich mich aus diesen rechtlichen und ethischen Überlegungen entschieden, für den Entwurf eines Geset- zes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik nach dem Entwurf meiner Fraktionskollegin Ulrike Flach zu stimmen. Johanna Voß (DIE LINKE): Meine grundsätzliche Überzeugung besteht darin, dass jedes Leben, auch das „behinderte“, ein Recht darauf hat, beschützt zu werden. Bei der PID geht es aber nicht um das Recht auf Le- ben. Vor allem geht es auch nicht um die Abwägung ver- schiedener Rechtsgüter, wie zum Beispiel den Schutz der Mutter, so wie das bei einem Schwangerschafts- abbruch der Fall wäre. Und selbst beim Schwanger- schaftsabbruch dürfen mit Recht eventuelle Behinderun- gen des Kindes nicht die entscheidende alleinige Rolle spielen. Da geht es nur um die Abwägung der Rechte der Mutter gegenüber dem Kind. Die Präimplantationsdiagnostik ist die extremste Form der Selektion, da möglichst viele Embryonen er- zeugt werden, um wenigstens einige transplantierbare auslesen zu können. Der einzige Zweck der PID ist aber, Leben zu eliminieren, das weniger wert zu sein scheint; wir hatten in der deutschen Geschichte dafür schon ein- mal den Begriff des „unwerten Lebens“. Die PID spie- gelt wider, wie Leben heute in der Gesellschaft bewertet wird: Den vollen Wert hat da nur der Mensch, der im Vollbesitz aller nutzbaren Kräfte ist. Für Behinderungen is d d e k o s s D n k n d a s n s o v s je P e lu F d te s Z n m s d m re a fü a k P E M re d m le M n d u w n (C (D t kein Platz, und dementsprechend miserabel ist auch ie Fürsorge und Hilfe für Behinderte und deren Eltern. Insofern geht die PID von der völlig falschen Seite an ie Problematik heran. Ja, für Eltern, die sich gegen PID ntscheiden und für ein eventuell behindertes oder kran- es Kind, wird das Leben noch schwerer werden. Zu den hnehin zu erwartenden Einschränkungen wird starker ozialer Druck hinzukommen: Man hätte das Leben die- es Kindes ja schon in der Petrischale beenden können. ie Folge wird sein: noch weniger Mittel und Hilfen, och größere Ausgrenzung für Kinder und deren Eltern. Andere negative Aspekte der PID will ich hier nur urz erwähnen. Die Beteuerung der Befürworter, PID ur in Ausnahmefällen zulassen zu wollen, ist längst von er Realität überholt worden. In der Praxis werden ganz ndere Bedürfnisse als die ursprünglich behaupteten ge- chürt. In Fachzeitschriften wie Human Reproduction ist achzulesen (Nr. 1 von 2002), dass PID zum Beispiel ehr häufig allein der Geschlechtsbestimmung dient, hne dass ein erhöhtes Risiko zur Übertragung einer ererbbaren Krankheit vorlag. Man nennt das „social exing“. Die Begehrlichkeiten der Industrie zeigen sich tzt schon in den weiterentwickelten Verfahren von ID, wenn untersuchte Zellen mit „entkernten“ Maus- izellen geklont werden. Es fehlt nur noch die Herstel- ng von Embryonen als „Ersatzteillager“. Selbst wenn orscher nur die Gesundheit des Kindes im Auge haben, ann vergessen sie zu leicht, dass die PID und die Wei- rentwicklung des „therapeutischen Klonens“ den Men- chen aufs Gröbste instrumentalisiert. Selbst wenn das iel ethisch zu rechtfertigen wäre, der Weg ist es auf kei- en Fall. Wir müssen völlig neu bedenken, welchen Irrweg wir it dieser Bevorzugung des perfekten Menschen be- chreiten, und dann auch mehr Hilfe bereitstellen für die, ie Hilfe brauchen; denn jeder Mensch, der in die enschliche Gesellschaft hineingeboren wird, hat An- cht auf ihren Schutz und auf ihre Hilfe. Die PID scheint mir nur ein weiterer Schritt zu sein uf dem Weg, sich aus der besonderen Verantwortung r den Menschen, nicht nur für den behinderten, zu ver- bschieden. Wolfgang Zöller (CDU/CSU): In der Frage über den ünftigen Umgang mit der Präimplantationsdiagnostik, ID, geht es um eine politische Grundsatzentscheidung. s geht vor allem um die Frage, ob wir ein elementares enschenrecht, das Recht auf Leben auch für ungebo- ne Kinder, zur Disposition stellen – aber auch darum, ass wir den staatlichen Schutzauftrag gegen die Diskri- inierung von Menschen mit Behinderung infrage stel- n. Mit einer Zulassung der PID würde dies meiner einung nach geschehen. Es würde unser Wertgefüge achhaltig beschädigen. Nicht alles technisch Machbare ient letztendlich einer menschlichen Gesellschaft. Ich setze mich seit vielen Jahren für den Schutz des ngeborenen Lebens ein. Denn für mich ist das sich ent- ickelnde Leben von Anfang an schützenswert. Und ach meiner Auffassung hat niemand das Recht, über die 12122 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) Existenz eines ungeborenen Kindes zu entscheiden, auch nicht wenn eine genetische Erkrankung droht. Jeder Abgeordnete steht in der Tat vor einer Gewis- sensentscheidung. Als zweifacher Familienvater und dreifacher Großvater verstehe ich den verständlichen Wunsch betroffener Paare nach einem eigenen gesunden Kind nur zu gut. Für mich hat jedoch das uneinge- schränkte Lebensrecht eines jeden Menschen, ob gebo- ren oder ungeboren, ganz klar Vorrang. Wer die PID zulässt – und sei es auch nur begrenzt –, der eröffnet zwangsläufig damit eine Diskussion über le- benswertes und nicht lebenswertes Leben. Für mich gibt es jedoch kein lebensunwertes Leben – egal ob vor der Geburt, ob als behinderter, ob als alter oder schwerkran- ker Mensch. Eine Öffnung der PID für bestimmte Diagnosen ist keine Lösung. Die Erfahrungen aus dem Ausland zeigen die dann einsetzende Ausweitung der Anwendungsberei- che der PID. Eine solche Bewertung würde sich erheblich auf das gesamte gesellschaftliche Zusammenleben und auf die Einstellung anderer Menschen auswirken. Es wird höchste Zeit, dass wir uns wieder mehr auf christliche Grundwerte besinnen und auch danach handeln. Die durch Legalisierung der PID gesetzlich legiti- mierte Selektion vor Beginn der Schwangerschaft wäre ein Paradigmenwechsel. Die Akzeptanz für das Verfah- ren, auf Probe erzeugte Embryos mit einer bestimmten Erkrankung oder Behinderung aussortieren zu können, stellt damit einen Angriff auf die Würde eines jeden Menschen mit Erkrankungen oder Behinderungen dar. Eine Zulassung der PID würde auf potenzielle Eltern großen sozialen Druck ausüben, diese Möglichkeit in Anspruch zu nehmen. Ansonsten müssten sie sich ja zu- nehmend rechtfertigen, wenn sie die PID zunächst ab- lehnen und dann ihr Kind mit Beeinträchtigungen zur Welt kommt. Bereits jetzt berichten Eltern von schwer kranken oder behinderten Kindern von Diskriminierun- gen, mit denen sie konfrontiert sind. Krankheiten sowie körperliche und geistige Beein- trächtigungen sind jedoch ein Bestandteil des Lebens und werden dies auch künftig sein. Der Staat hat die Pflicht, vor Diskriminierung zu schützen und das Le- bensrecht zu verteidigen. Aus all diesen Gründen werde ich für ein striktes PID-Verbot stimmen. Willi Zylajew (CDU/CSU): Jede und jeder in diesem Hohen Haus ist sich der Tragweite unserer heutigen De- batte und der anstehenden Abstimmung in einigen Wo- chen bewusst. Einleitend möchte ich sagen, dass ich in der Sache eine klare Position habe, die ich vor meinem Gewissen, vor Gott und den Menschen, dem geborenen und ungeborenen Leben verantworten kann. Diese feste Position in einer bedeutenden Entscheidung schmälert aber nicht meinen Respekt vor den Mitmenschen, die sich in der Sache anders entscheiden. m G b F d u d is B M lu S z te d ti z s c d o g m s w e c k d le d G k P te s te g L G S G u F Z R (C (D Meine Einstellung wurde untermauert in Gesprächen it Eltern von Kindern mit Behinderungen, Ärzten, eistlichen und Fachkräften aus der Schwangerschafts- eratung. Seit einigen Jahrzehnten beschäftigt mich als amilienvater und Sozialarbeiter, Politiker und Christ ie Frage der Verschiebung von Werten beim Schutz des ngeborenen Lebens. Diese Verschiebung von Werten, ie Verschiebung von gesetzlichen Schutzvorschriften t ein bedeutendes Thema, vor allem, wenn ein Teil der etroffenen seine Position nicht darstellen kann. Wie enschen mit Behinderungen zu den Änderungsvorstel- ngen stehen, die auf Grundlage einer Reduzierung von chutzvorschriften für ungeborenes Leben, wie es nun ur Beratung steht, nicht das Licht der Welt erblickt hät- n, bleibt weitgehend unberücksichtigt. Wir stehen in der Pflicht, das ungeborene Leben vor er Verringerung seiner Rechte zu schützen. Die Selek- on von menschlichem Leben ist für mich völlig inak- eptabel, weder in einem frühen Stadium noch in einem päteren. Daher stimme ich für ein umfassendes gesetzli- hes Verbot der Präimplantationsdiagnostik. Dabei bin ich mir des Leidensdrucks von Paaren mit er individuellen Erfahrung einer eigenen Erkrankung der von Tot- oder Fehlgeburten bewusst. Aber eine Le- alisierung der PID ermöglicht eine gesetzlich legiti- ierte Selektion bereits vor Beginn der Schwanger- chaft. Unsere Gesellschaft verliert ihre Menschlichkeit, enn sie einen Paradigmenwechsel zulässt, der darüber ntscheidet, welches Leben gelebt werden darf und wel- hes nicht. Das medizinisch Machbare zur Gesundung von kran- en und behinderten Mitmenschen ist das eine, das me- izinisch Mögliche als Grundlage für die Auswahl von benswerten und nicht lebenswerten Embryonen das an- ere. Und genau dort liegt für mich die Grenze. Eine renze, die wir nicht überschreiten dürfen. Lassen Sie uns mit der gebotenen Ruhe und Sachlich- eit das Für und Wider bedenken. Es mag sein, dass die ID für manch einen nur ein kleiner Schritt bei der wei- ren Nutzung medizinischer Möglichkeiten zu sein cheint. Für mich wäre eine Zulassung der PID, auch un- r engen Beschränkungen, ein überaus großer Verstoß egen den Wert und die Unversehrtheit menschlichen ebens. Ich wiederhole, es wäre der Schritt über eine renze, die bislang von Staat und Gesellschaft bis zum ommer letzten Jahres anerkannt wurde. Ist diese renze einmal überschritten, wird dies weitere Wünsche nd Ansprüche zur Beseitigung von Lebensschutz zur olge haben. Meine Position möchte ich abschließend mit einem itat meines Kreisdechanten Achim Brennecke aus dem hein-Erft-Kreis zusammenfassen: Bereits seit meiner Schulzeit in den 60er Jahren hat sich mir der erste Satz unseres Grundgesetzes tief eingeprägt: „Die Würde des Menschen ist unantast- bar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (Art. 1 GG) Diese Würde des Menschen beginnt nicht irgendwann, sondern besteht bei allen Menschen seit Beginn des Lebens, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12123 (A) ) )(B) wenn Ei und Samenzelle verschmelzen und zu ei- nem Menschen werden. Diese Würde behält der Mensch auch bis zum Ende seines Lebens. Deshalb gilt es für Kirchen, Gesellschaft und Staat, diese Würde von Anfang bis Ende zu schützen. Eine Prä- implantationsdiagnostik macht den Menschen zum Objekt und öffnet einer Selektion, gewollt oder un- gewollt, Tor und Tür, was die Würde des Menschen mehr als antastet. Es wäre ein Dammbruch, dessen Auswirkungen nicht abzusehen sind. Aus christli- chem Verständnis des Menschen als Ebenbild Got- tes lehne ich die zur Verhandlung stehende PID ab und setze mich für die Verteidigung der Würde des Menschen ein. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht: Stärkung der humanitären Lage in Afghanistan und der partnerschaftlichen Kooperation mit Nichtregierungsorganisationen – Beschlussempfehlung und Bericht: Für ei- nen nachhaltigen Ausbau des Bildungs- und Hochschulsystems in Afghanistan (Tagesordnungspunkt 13 a und b) Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Am 26. Februar 2010 hat der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit ein neues Mandat für den Afghanistan-Einsatz erteilt. Mit diesem Mandat war ein Strategiewechsel verbunden, der die zivilen Anstrengungen in Afghanistan besser einbettet und aufwertet. Dies ging einher mit einer Quasiverdoppe- lung der Gelder, die wir für den zivilen Aufbau Afghani- stans im Rahmen unserer Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stellen. Dadurch wird sehr deutlich, wir meinen es ernst. Dies alles ist eingebettet in die Vereinbarungen der Londoner Afghanistan-Konferenz vom Januar 2010, auf der sich die internationale Gemeinschaft zu einem besser abgestimmten und stärkeren Engagement beim langfris- tigen zivilen Aufbau Afghanistans verständigt hat. Für diesen Strategiewechsel gab es gute Gründe. Af- ghanistans Entwicklung leidet unter den schwachen Or- ganisationsstrukturen, ausufernder Korruption, mangeln- den Monitoringinstrumenten und schwach ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein einiger Spitzen der Adminis- tration. Vieles von dem hatte ich bereits in meiner Rede zur Regierungserklärung zum Fortschrittsbericht zur Lage in Afghanistan am 21. Januar 2011 bemängelt; all das wird auch im vorliegenden Antrag von der SPD be- mängelt, und dem stimmen wir natürlich zu. Darüber hinaus finden sich im Antrag viele Allgemein- plätze und Forderungen, die von der Bundesregierung oh- nehin schon umgesetzt werden, wie beispielsweise zum Provincial Development Fund. ru R te S v w E a N W b g s v v M d b D c m s tr w E A w n s n w c lu e w G n h s a S O d s ü e G c u s V s e (C (D Und leider finden sich im Antrag auch einige Forde- ngen, die linker Ideologie geschuldet sind, aber mit der ealität in Afghanistan nichts zu tun haben. Im Gegen- il: Sie sind für die Betroffenen vor Ort brandgefährlich! o heißt es im Antrag: „Eine erzwungene Vermischung on humanitärer Hilfe und militärischem Einsatz lehnen ir ab.“ Oder an anderer Stelle: „Kontraproduktiv für die ntwicklungszusammenarbeit [ist es]…, zivile Aufbau- rbeit und Militär stärker zu verknüpfen“. Solche Vorwürfe sind polemisch, und Bundesminister iebel weist sie zurecht als „Desinformation“ zurück. er so etwas fordert, will damit in der Öffentlichkeit nur illig punkten, hat aber nicht begriffen, worum es in Af- hanistan eigentlich geht: Es geht darum, dass wir es chaffen müssen, dass Hilfsorganisationen schneller dort or Ort sind, wo militärische Operationen zur Sicherung on Gebieten stattgefunden haben. Nur so spüren die enschen in den geschützten Regionen eine Friedens- ividende, die ihnen hilft, mittel- und langfristig zu sta- ilen und gesicherten Lebensverhältnissen zu kommen. as gelingt nur, wenn die NGOs auch über die entspre- henden Operationen frühzeitig informiert werden, da- it sie ihre Programme darauf ausrichten und in den ge- icherten Gebiete arbeiten können. Dieses Konzept wird von den NGOs nicht nur mitge- agen, sondern auch angenommen und umgesetzt. Das ird allein schon daran deutlich, dass die 10 Millionen uro, die für private Träger im Rahmen des vernetzten nsatzes ausgeschrieben waren, schnell ausgeschöpft urden. Daher werden für dieses Jahr weitere 10 Millio- en Euro zur Verfügung gestellt, um diesen erfolgver- prechenden Ansatz weiter zu unterstützen. Das sind wir icht nur den Afghanen schuldig, sondern auch den Ent- icklungshelfern selbst. Sie brauchen für eine erfolgrei- he Arbeit ein sicheres Umfeld. Daher ist die Entkoppe- ng von zivilem Aufbau und militärischem Engagement in denkbar schlechter Ansatz, um eine nachhaltige Ent- icklung in Afghanistan zu unterstützen. Noch mehr: Ich wüsste nicht, ob unser Land mit gutem ewissen das Engagement von Aufbauhelfern in Afgha- istan weiter in Anspruch nehmen könnte, ohne die ohne- in schon riskanten Arbeitsbedingungen unnötig zu ver- chärfen. Wie prekär diese sind, zeigt allein der Anschlag uf das UN-Hauptquartier im nordafghanischen Mazar-i- charif, dem am vorletzten Freitag elf Menschen zum pfer gefallen sind. Daher sollten wir alles tun, was erforderlich ist, um ie Sicherheit unserer Entwicklungsfachkräfte sicherzu- tellen. Realitätsferne und ideologiebeladene Debatten ber das Verhältnis unserer Soldaten und Entwicklungs- xperten in Afghanistan bringen uns nicht weiter – im egenteil: Wir tragen als Parlamentarier auch für die Si- herheit unserer Fachkräfte vor Ort Verantwortung –, nd mit solchen Debatten werden wir ihr nicht gerecht. Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Wie ich an die- er Stelle bereits mehrfach ausgeführt habe, ist die enge erzahnung ziviler und militärischer Mittel der Schlüs- el zum Erfolg in Afghanistan. Beide sind zwei Seiten iner Medaille, die ohne einander nicht denkbar sind. 12124 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) Wenn wir die Voraussetzung dafür schaffen wollen, die Verantwortung nach und nach in afghanische Hände zu legen, müssen wir den zivilen Aufbau weiterhin unter- stützen. Wir können unser militärisches Engagement nur dann zurückfahren, wenn wir unser ziviles Engagement verstärken. Darauf kommt es zunehmend an. Der heute unter TOP 13 zur Debatte stehende Antrag der SPD-Fraktion zur „Stärkung der humanitären Lage in Afghanistan und der partnerschaftlichen Kooperation mit Nichtregierungsorganisationen“ und der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Für einen nachhalti- gen Ausbau des Bildungs- und Hochschulsystems in Af- ghanistan“ behandeln beide die zivile Seite des Wieder- aufbaus. Da Kollegin Pfeiffer auf den Antrag der SPD- Fraktion eingeht, beschränke ich mich hier auf den An- trag von Bündnis 90/Die Grünen. Ihr Antrag verlangt eine erhebliche Verstärkung des deutschen Engagements in der Bildungsförderung. Sie bemängeln, das deutsche Engagement bleibe in seinem Umfang hinter dem tatsächlichen Bedarf zurück. Des- halb fordern Sie eine Fülle von umfangreichen und kos- tenintensiven Einzelmaßnahmen zum Ausbau des Bil- dungs- und Hochschulsystems. Lassen Sie mich dazu kurz festhalten: Ich stimme ab- solut mit Ihnen überein, dass Bildung der Schlüssel für Prosperität, Wachstum, Versöhnung und Stabilität in Af- ghanistan ist. Darüber sind wir uns alle einig. Ihr Versuch, mit dem Antrag Defizite deutscher Poli- tik herbeizureden, geht jedoch an der Realität vorbei. Ich teile überhaupt nicht Ihre Ansicht, dass unser Engage- ment im Bildungsbereich defizitär ist. Wir sollten uns noch einmal vor Augen führen, dass das afghanische Bildungswesen in den Jahren des Bür- gerkriegs und unter den bildungsfeindlichen Taliban weitgehend kollabiert war. Zahlreiche Schulen wurden zerstört. Mädchen und Frauen waren fast vollständig vom Zugang zu Bildungseinrichtungen ausgeschlossen. Dies hat sich grundlegend geändert. Seit dem Ende der Talibanherrschaft zeigen sich insbesondere im Bereich der Grundbildung beachtenswerte Erfolge. Erlauben Sie mir den Verweis auf den Fortschrittsbe- richt der Bundesregierung zu Afghanistan: Die Einschu- lungsrate hat zwischen 2005 und 2007/08 von 37 Prozent auf 52 Prozent zugenommen, die Alphabetisierungsrate bei den 15- bis 24-Jährigen von 31 Prozent auf 39 Pro- zent. Neben der Versiebenfachung der Anzahl der afgha- nischen Schülerinnen und Schüler von rund 1 Million im Jahr 2001 auf rund 7 Millionen 2010 stieg der Anteil der Schülerinnen in Grundschulen von 0 Prozent im Jahr 2001 auf 38 Prozent 2008. Der Frauenanteil der an allge- meinbildenden Schulen unterrichtenden Lehrkräfte liegt mittlerweile bei 29 Prozent. Sie finden heute Frauen in afghanischen Universitäten, im Parlament und im Kabi- nett. Natürlich gibt es immer noch erhebliche Defizite. Dennoch sind die bislang erreichten Erfolge viel besser als erwartet und umfassendem internationalen Engage- ment zu verdanken. Gerade unser deutsches Engagement h tr S ru b P U d b w v g w c 7 2 n a v n k re 2 b 2 h tr R H ru u D M w K te s d s le m b e s M A w S A b s A (C (D at zu diesen Erfolgen in entscheidendem Maße beige- agen. Die Bundesregierung engagiert sich unter anderem im chulsektor, bei der Lehrerausbildung, bei der Förde- ng von Deutsch als Fremdsprache und bei der Alpha- etisierung und Erwachsenenbildung. Es gibt zahlreiche artnerschaften zwischen deutschen und afghanischen niversitäten. Der Deutsche Akademische Austausch- ienst, DAAD, hat seit 2002 etwa 950 Stipendien verge- en. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung steht, dass ir unser Engagement in Afghanistan als eine Aufgabe on besonderem nationalem Interesse verstehen. Dies ilt auch für unser Engagement im Bildungsbereich, das ir uns bereits heute einiges kosten lassen. Ich verdeutli- he Ihnen dies anhand folgender Zahlen: Das BMZ hat von 2002 bis 2010 insgesamt rund 0,5 Millionen Euro in die Grundbildung und rund 9,5 Millionen Euro in die berufliche Bildung in Afgha- istan investiert. Das AA hat seit 2002 über 30 Schulen us Mitteln des Stabilitätspakts neu gebaut und Hunderte on Schulen mit Ausstattungsmaterial, Zelten sowie klei- en Baumaßnahmen unterstützt. Allein im Jahr 2010 onnte durch die Erhöhung der Mittel im Bildungsbe- ich der Bau von über 20 Schulen begonnen werden. 009 wurden dafür rund 1,15 Millionen Euro für die Aus- ildung afghanischer Lehrer bereitgestellt, zwischen 002 und 2009 insgesamt 12,4 Millionen Euro. Das BMZ at im Zeitraum 2009 bis 2010 einen signifikanten Bei- ag zum nationalen Bildungsprogramm der afghanischen egierung in Höhe von 20 Millionen Euro geleistet. Der ochschulbereich wurde zwischen 2002 und 2009 mit nd 17 Millionen Euro aus dem Stabilitätspakt des AA nterstützt. 2010 sind es annähernd 4 Millionen Euro. as sind keine Peanuts, sondern substanzielle Summen. So wie Heidegger sagte, Sprache ist das Gehäuse des enschen, gestaltet Bildung dieses Gehäuse aus. Gerade ir Deutschen mit unserer großen bildungspolitischen ompetenz sind in der Verantwortung, an die jahrzehn- lang andauernde deutsch-afghanische Bildungspartner- chaft anzuknüpfen. Genau das machen wir aber bereits urch unser Engagement. Wir folgen deshalb der Be- chlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses und hnen Ihren Antrag ab. Burkhard Lischka (SPD): Wir befassen uns heute it einem Antrag, den wir als SPD-Bundestagsfraktion ereits vor zehn Monaten in den Deutschen Bundestag ingebracht haben. Der zivile Aufbau Afghanistans, Ge- undheit, Bildung, Beschäftigung, Lebensperspektiven, enschen- und Frauenrechte, all das thematisiert dieser ntrag. Und wir wissen: All das sind Schlüsselbegriffe, enn es um die Zukunft Afghanistans geht. Es waren chlüsselbegriffe vor knapp einem Jahr, als wir diesen ntrag gestellt haben, und sie sind es bis heute geblie- en. Ja, es gibt Fortschritte in Afghanistan: bei der Infra- truktur, in der Bildung, bei der Gesundheitsversorgung. ber wir treten eben auch in vielen Bereichen seit Jahren Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12125 (A) ) )(B) auf der Stelle. Und – wer wollte das leugnen? – es gibt auch Rückschritte. Herr Niebel, als Sie vor einigen Wochen hier im Deutschen Bundestag eine Regierungserklärung zu Af- ghanistan abgegeben haben, da sagten Sie: „Wer heute an den Hindukusch kommt, der sieht: Die Kinder lassen wieder Drachen steigen.“ Die Lebensfreude fasse wieder Fuß in Afghanistan, meinten Sie. Ich weiß nicht, Herr Niebel, was Sie gedacht haben, als vor wenigen Tagen sieben UN-Mitarbeiter in Mazar- i-Scharif gelyncht wurden, als ein deutscher Entwick- lungshelfer Ende des vergangenen Jahres bei seiner Ar- beit getötet wurde. Ich weiß nicht, was Sie empfunden haben, als wir vor einigen Wochen erfahren mussten, dass im vergangenen Jahr fast 3 000 Zivilisten – mehr als je zuvor – in Afghanistan ums Leben gekommen sind. Mit „einer Fuß fassenden Lebensfreude“ hat all das sicherlich nichts zu tun. Herr Niebel, ich werfe Ihnen nicht vor, dass Sie auch auf die Fortschritte, die wir in Afghanistan haben, ver- weisen. Nochmals: Ja, die gibt es. Ich verlange aber von Ihnen als verantwortlicher Minister, dass Sie schonungs- los und offen auch die Probleme und die Rückschritte benennen, mit denen wir es auch in Afghanistan zu tun haben, und dass Sie Strategien und Konzepte entwickeln und hier im Deutschen Bundestag vorlegen, wie wir diese Probleme überwinden können. Das ist Ihre Auf- gabe als zuständiger Minister, Herr Niebel. Und da sind Sie in der Vergangenheit leider vieles, vieles schuldig geblieben. Wo ist Ihre zukunftsfeste Strategie, Herr Niebel? Ich sehe sie nicht. Zehn Jahre nach Beginn des Einsatzes wissen wir: Viele Hoffnungen, die weite Teile der afghanischen Be- völkerung mit dem Beginn des Einsatzes verknüpft hat- ten, wurden enttäuscht. Die anfängliche Begeisterung ist viel zu oft inzwischen umgeschlagen in Frustration, Ab- lehnung, teilweise sogar offene Feindschaft. Woran liegt das? Was für Fehler haben wir in der Vergangenheit ge- macht? Wie können wir aus diesen Fehlern für die Zu- kunft lernen? Welche Maßnahmen und Projekte haben sich demgegenüber als erfolgreich herausgestellt? Wie können wir diese Ansätze verstärken und ausbauen? Die Beantwortung dieser Fragen ist entscheidend, wenn wir mithelfen wollen, dass die Menschen in Af- ghanistan wieder Perspektiven für sich und ihre Kinder sehen sollen, wenn sie wieder Hoffnung schöpfen sollen, wenn sie an ihre Zukunft denken. Deshalb brauchen wir eine unabhängige und fachkun- dige Analyse und Evaluation unseres bisherigen Engage- ments. Das aber verweigern Sie bis zum heutigen Tag. Das werden Sie auch heute Abend wieder verweigern, wenn Sie unseren Antrag ablehnen, der genau dies ein- fordert. Angesichts der Rückschläge und der Probleme, die wir in Afghanistan haben, ist das unverständlich. Und ich sage deutlich: Es ist auch politisch verantwor- tungslos. Politisch verantwortungslos ist es auch, Herr Niebel, wenn Sie jetzt immer noch einfordern, die in Afghanistan tätigen Hilfsorganisationen müssten näher an das Militär h m N g tr d d s s b s D T d s d K n H k u n fa G k z d li a li D a a b b n s 2 tu m ti n re a d g n A K n d w (C (D eranrücken und würden nur dann unterstützt, wenn sie it dem Militär zusammenarbeiten. Wissen Sie, Herr iebel, ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn eine Or- anisation aus freien Stücken für sich die Entscheidung ifft, mit dem Militär zu kooperieren. Ich habe aber etwas agegen, wenn Sie auch alle anderen Organisationen in ieses Korsett zwingen wollen, selbst dann, wenn diese agen: Das gefährdet unsere Projekte. Das gefährdet un- ere Mitarbeitet. Das gefährdet diejenigen Afghanen, die ei uns Hilfe suchen. – Und wenn Sie dann Hilfsorgani- ationen, die ihre Sorge öffentlich machen, auch noch esinformation vorwerfen, dann ist das ein starkes Stück. Desinformation, Herr Niebel, ist es, wenn Sie dieser age im Tagesspiegel behaupten, Hilfsorganisationen, ie frühzeitig über militärische Operationen informiert eien, könnten ihre Planungen darauf einstellen und ann schneller in Gebieten tätig werden, in denen vorher ampfhandlungen stattgefunden haben. So aber funktio- iert Entwicklungshilfe nicht, Herr Niebel, weil die ilfsorganisationen gerade dann als Partei eines Bürger- rieges wahrgenommen werden und nicht als neutrale, nabhängige Helfer. Ihr Vorhaben, die Hilfsorganisatio- en unter ein sicherheitspolitisches Primat zu stellen, ist lsch, Herr Niebel. Deshalb geben Sie es auf! Wenn ein Antrag wie dieser fast ein Jahr durch die remien des Deutschen Bundestags unterwegs ist, dann ann zweierlei passieren: Erste Möglichkeit: Der Antrag setzt Staub an. Oder, weite Möglichkeit: Er kann – quasi unfreiwillig – sehr eutlich machen, wie lange eine Sache schon im Argen egt. So wie hier, wo Sie seit einem Jahr versuchen, un- bhängige Hilfsorganisationen in eine politische und mi- tärische Gesamtstrategie einzubinden. Nur, Herr Niebel: as ist gefährlich. Denn die Hilfsorganisationen werden uch dann noch auf Jahre und Jahrzehnte in Afghanistan rbeiten, wenn sich die Militärs längst zurückgezogen ha- en. Aber sie sind dann darauf angewiesen, dass ihre Ar- eit in puncto Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit icht vorher diskreditiert wurde. Deshalb: Hören Sie auf mit dieser Politik! Sie be- chwert und behindert den Aufbau Afghanistans über 014 hinaus, also in einer Zeit, wo Sie keine Verantwor- ng mehr tragen. Harald Leibrecht (FDP): Die Bundesregierung hat it Unterstützung der Koalitionsfraktionen eine Neujus- erung des deutschen Afghanistan-Engagements vorge- ommen. Wir haben einen Wechsel hin zu einem stärke- n zivilen Wiederaufbau vollzogen und haben uns auch uf internationaler Ebene mit dem Ansatz durchgesetzt, ass der Afghanistan-Einsatz nicht rein militärisch zu ewinnen ist. Unser militärisches Engagement wird nur achhaltig erfolgreich sein, wenn wir es mit größeren nstrengungen zur Entwicklung des Landes verbinden. Afghanistan ist ein Land, das jahrzehntelang von riegen gebeutelt wurde, in dem staatliche Strukturen ur schwach ausgeprägt sind und das durch die Wirren es Krieges in seiner Entwicklung weit zurückgeworfen urde. Afghanistan belegt im aktuellen Index zur 12126 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) menschlichen Entwicklung der Vereinten Nationen, HDI, den vorletzten Platz von 182 Ländern. Ein Großteil der Bevölkerung lebt in Armut. Deshalb kann ich Ihnen nur zustimmen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wenn Sie in Ihrem Antrag darauf aufmerksam ma- chen, dass die Herausforderungen in Afghanistan enorm sind. Deutschland stellt sich seiner Verantwortung für Af- ghanistan und die internationale Sicherheit. Wir haben die Mittel für das zivile Engagement in Afghanistan auf insgesamt 430 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt und damit im Vergleich zum Jahr 2008 verdoppelt. Wir sollten die Herausforderungen und Probleme in Afghanistan nicht kleinreden, aber wir sollten auch die Fortschritte nicht ausblenden, die für viele Menschen spürbare Ver- besserungen in ihrem Alltag mit sich bringen. Die Kin- dersterblichkeit ist signifikant gesunken, und wir müssen uns weiter engagieren, damit sie weiter sinkt. Die Anzahl der Kinderheiraten (unter 15 Jahre) ist von 11 Prozent auf 3 Prozent zurückgegangen. 7 Millionen Mädchen und Jungen wurden eingeschult, darunter ein Drittel Mäd- chen. In den nordafghanischen Provinzen, wo die deut- sche Entwicklungszusammenarbeit schwerpunktmäßig tätig ist, haben wir die höchsten Einschulungsraten in ganz Afghanistan. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen hat sich seit Beginn des internationalen Einsatzes von rund 175 auf circa 460 US-Dollar erhöht. Um diese Er- folge nicht zu gefährden, wird die deutsche Entwick- lungszusammenarbeit selbstverständlich auch nach Ab- zug der Bundeswehr weiter in Afghanistan aktiv sein. Die Bundesregierung hat ihr Engagement in Afgha- nistan spürbar verstärkt, aber sie stellt auch Anforderun- gen an die afghanische Regierung, was beispielsweise die Bekämpfung von Korruption und gute Regierungs- führung angeht. Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dirk Niebel hat bei seinem Besuch in Afghanistan vor knapp zwei Wochen zunächst nur Zusagen über die erste Hälfte der für 2011 im BMZ-Haushalt vorgesehen Mittel in Höhe von 240 Millionen Euro gemacht. Die Auszahlung der zwei- ten Tranche hat Dirk Niebel an messbare Fortschritte bei der Regierungsführung geknüpft. Der Bundesentwick- lungsminister hat die ausdrückliche Unterstützung mei- ner Fraktion. Denn wir dürfen im Sinne der hilfebedürf- tigen Menschen in Afghanistan und der deutschen Steuerzahler Misswirtschaft und Korruption nicht dul- den. Der hier vorliegende Antrag der SPD-Fraktion ist in einigen Punkten bereits überholt. So haben wir mit dem Provincial Development Fund mittlerweile ein Instru- ment, das sich dem Thema ländliche Entwicklung wid- met und gleichzeitig lokale demokratische Entschei- dungsverfahren fördert. Ein weiterer Grund, weshalb die FDP-Fraktion dem Antrag nicht zustimmen kann, ist, dass er sich grundsätz- lich gegen das Konzept der vernetzten Sicherheit aus- spricht. Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen unterstützen dieses Konzept, weil die Entwicklungser- folge nachweislich dort am größten sind, wo die Sicher- heitslage stabil ist. Die SPD-Fraktion kommt ja selbst zu d g g b fö S N le u z s B n re M 1 v J ru N m fü m o E fü e F k d in m ü d g s s w S P 6 s A n K e g O z a v z ru s (C (D em Schluss, dass sich Sicherheit und Entwicklung ge- enseitig bedingen. Nichtregierungsorganisationen leisten einen wichti- en Beitrag zum Aufbau des Landes. Ihre Arbeit ist da- ei mit großen Risiken behaftet. Die Bundesregierung rdert deren Tätigkeiten deshalb vorrangig dort, wo der chwerpunkt des deutschen Engagements liegt, also im orden. Dabei geht es nicht um eine Unterordnung zivi- r Kompetenzen unter militärische Prämissen, sondern m eine bessere Zusammenarbeit und Abstimmung von ivilem und militärischem Engagement. Es gibt Organi- ationen, die dieses Potenzial erkannt haben, wie zum eispiel die Stuttgarter Initiative Kinderberg Internatio- al. Die Bundesregierung hat die Unterstützung von Nicht- gierungsorganisationen im Jahr 2010 deutlich gestärkt. it dem NRO-Fazilitätsfonds wurden im Jahr 2010 0 Millionen Euro für die Förderung von Projekten pri- ater deutscher Träger zur Verfügung gestellt. Im letzten ahr wurden die bereitgestellten Mittel vollständig abge- fen. Ich denke, dies zeigt, dass wir der Kooperation mit ichtregierungsorganisationen eine hohe Bedeutung zu- essen. Auch 2011 stellen wir erneut 10 Millionen Euro r die NRO-Fazilität zur Verfügung. Um in Afghanistan nachhaltige Erfolge zu bewirken, üssen alle beteiligten Akteure koordiniert und ziel- rientiert zusammenarbeiten. Dies gilt für die staatliche ntwicklungszusammenarbeit, für die Bundeswehr und r nichtstaatliche Akteure gleichermaßen. Wenn alle an inem Strang ziehen, können wir in Afghanistan konkrete ortschritte erzielen, die den Menschen vor Ort zugute ommen. Heike Hänsel (DIE LINKE): Im Parlament und in er Öffentlichkeit werden die Demokratiebewegungen Ägypten, Tunesien und anderen arabischen Ländern it viel Sympathie begleitet. Kaum jemand aber spricht ber die politische Situation in Afghanistan. Es wird in er Öffentlichkeit und den Medien übersehen und auch ezielt ignoriert, dass es auch in Afghanistan demokrati- che und soziale zivilgesellschaftliche Kräfte gibt, die ich gegen das Karzai-Regime und die NATO-Besatzung enden und dafür auch in immer größerer Zahl auf die traße gehen. So zum Beispiel Ende Februar, als in der rovinz Kunar durch eine NATO-Bombardierung 3 Menschen getötet wurden, darunter 50 Zivilisten. Sie ind davon überzeugt, dass diese Befreiung nur von den fghaninnen und Afghanen selbst kommen kann und icht durch Bomben. Diese zivilgesellschaftlichen räfte sind keine bezahlten NGOs, sondern größtenteils hrenamtliche Organisationen, Frauenrechtsbewegun- en, Studentengruppen, Menschenrechtsgruppen und pfervertreter und -vertreterinnen. Im Januar dieses Jahres hatte die Fraktion Die Linke ehn Afghaninnen und Afghanen in Berlin zu Gast, um uf der Konferenz „Das andere Afghanistan“ Perspekti- en für eine friedliche und demokratische Entwicklung u diskutieren. Sie kritisierten, dass die westlichen Regie- ngen seit 2001 einseitig prowestliche fundamentalisti- che Kräfte in ihrem Land gestärkt haben, die nach mili- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12127 (A) ) )(B) tärischen und geostrategischen Interessen ausgesucht wurden. Bei der Petersberger Konferenz 2001 und der Kabuler Konferenz 2010 waren maßgeblich Kriegsver- brecher, Warlords und andere Personen eingeladen, die Blut an den Händen haben; kritische zivilgesellschaftli- che Kräfte aber waren nicht beteiligt. Sie erfahren auch keinen Schutz und keine Unterstützung, sondern sind Op- fer von Anschlägen, müssen oft im Geheimen agieren und bleiben bei wichtigen politischen Verhandlungen au- ßen vor. Dies ist ein Skandal! Deshalb werden wir gemeinsam mit Friedensgruppen im Herbst anlässlich der zweiten Petersberger Konferenz diese kriegskritischen Stimmen aus Afghanistan sichtbar machen. Seit zehn Jahren herrscht Krieg in Afghanistan, Mil- liarden von Euro fließen in diesen Krieg. Nach Berech- nungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung von 2010 kostet die Fortsetzung des Bundeswehreinsat- zes in Afghanistan Deutschland rund 3 Milliarden Euro pro Jahr. Insgesamt dürfte dem DIW zufolge die deut- sche Beteiligung am Afghanistan-Krieg etwa 36 Milliar- den Euro kosten. Währenddessen ist die humanitäre Lage in Afghanistan gleichbleibend schlecht. Afghanistan liegt auf Platz 181 und damit auf dem vorletzten Platz des Human Develop- ment Index (HDI). Rund 80 Prozent der Frauen und 60 Prozent der Männer sind Analphabeten, weniger als 19 Prozent der Bevölkerung haben Zugang zu medizini- scher Versorgung und sauberem Wasser. Laut Weltbank liegt die Säuglingssterblichkeit bei 199 Kinder pro 1 000 Geburten. Sie ist damit 50-mal so hoch wie in Deutsch- land. Die Armut wächst, Hunger bedroht mehr als ein Drittel der afghanischen Bevölkerung. Erfolge in der Entwicklungszusammenarbeit werden durch den Krieg konterkariert. Die Zahl der zivilen Op- fer steigt seit 2006 dramatisch an. Auch die Zahl der Menschen, die vor den Kriegshandlungen fliehen, steigt weiter an. Im Human Development Index heißt es, dass sich 2,8 Millionen Afghaninnen und Afghanen – das ist jeder zehnte Einwohner – auf der Flucht befinden, oft ohne ausreichende humanitäre und gesundheitliche Ver- sorgung. Auch ein Bericht der International Crisis Group bemängelt, dass der Krieg den Zugang der afghanischen Bevölkerung zu Gesundheitsversorgung, Bildung und anderen sozialen Dienstleistungen stark eingeschränkt hat. Angriffe auf Schulen, zum Beispiel das Abbrennen oder erzwungene Schließen von Schulen, die Verwen- dung von Schulen für militärische Zwecke sowie Dro- hungen gegen das Lehrerpersonal und Schülerinnen und Schüler nehmen zu. In ihrem Antrag fordern die Grünen, dass der Aufbau des afghanischen Bildungssystems unterstützt werden soll und Mittel für Bildungsprojekte verdoppelt werden sollen. Unsere Fraktion lehnt diesen Antrag ab. Der Bil- dungsansatz entspricht eher einer Elitenbildung und ist damit weit entfernt von dem Grundsatz „Bildung für alle“. Zudem wird der militärische Schutz von Bildungs- einrichtungen erwogen und trägt so zur gefährlichen V N le d ta tr A ri s u E in ru lä g p lu B u E D a s N K s a s d re d u d fa fü n is re s e n k a b n p n ta F d g v (C (D ermischung zwischen Zivilem und Militärischem bei. ach Angaben von NGOs sind zivile Projekte und Schu- n nämlich durch die Nähe des Militärs eher gefährdet enn geschützt. Die SPD-Fraktion kommt in ihrem Antrag zu der fa- len Fehleinschätzung, dass der ISAF-Einsatz dazu bei- age, in Afghanistan ein sicheres Umfeld für den zivilen ufbau und Entwicklung zu schaffen. Das Gegenteil ist chtig: Der Militäreinsatz muss beendet werden, damit ich überhaupt erst eine Perspektive für eine friedliche nd soziale Entwicklung eröffnen kann. Mit dem ISAF- insatz sind Wiederaufbau, Demokratie und Sicherheit weite Ferne gerückt. Wir teilen allerdings die Forde- ng des SPD-Antrags, die humanitäre Hilfe stärker auf ndliche Räume auszurichten und nicht nur auf die Re- ionen mit militärischer Bedeutung für die NATO-Trup- en zu konzentrieren. Seit langem fordern wir: Entwick- ngshilfe muss dort stattfinden, wo Bedarf für die evölkerung besteht, nicht für die Bundeswehr! Es freut ns, dass mittlerweile auch die SPD-Fraktion zu dieser rkenntnis gekommen ist. Die NATO ist ein Unsicherheitsfaktor in Afghanistan. er Bombenangriff bei Kunduz im Jahr 2009 hat dies in ller Deutlichkeit gezeigt. Die Linke fordert deshalb den ofortigen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan. ur wenn die Waffen schweigen und die afghanischen onfliktparteien in einen politischen Friedens- und Aus- öhnungsprozess eingebunden werden, kann der Wieder- ufbau erfolgreich sein. Wir fordern dazu auf, die friedlichen zivilgesell- chaftlichen Kräfte endlich wahrzunehmen und ihre For- erungen zu unterstützen. Die Bundesregierung samt ih- r Vorgängerregierungen hat jahrelang zahlreiche iktatorische Regime im arabischen Raum unterstützt nd militärisch aufgerüstet. Jetzt werden sie aufgrund es starken Drucks aus der Bevölkerung nach und nach llengelassen. Doch gleichzeitig geht die Unterstützung r das korrupte Karzai-Regime und zahlreiche krimi- elle Kriegsfürsten in Afghanistan weiter. Diese Politik t in höchstem Masse unglaubwürdig. Wer also eine wirkliche Verbesserung der humanitä- n Lage in Afghanistan erreichen will und die Interes- en der Bevölkerung ernst nimmt, muss diesen Krieg be- nden und die Bundeswehr aus Afghanistan abziehen, icht erst 2014 sondern sofort. Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie önnen sich vorstellen, wie mich der Angriff auf die UN m vergangenen 1. April getroffen hat. Als ich dort gear- eitet habe, war es mein schlimmster Alptraum, dass ge- au das passieren könnte, was jetzt in Mazar-i-Scharif assiert ist. Ich trauere um meine ermordeten Kollegin- en und Kollegen, die zivilen UN-Mitarbeiter und ihre pferen nepalesischen Guards. Mein Beileid gilt ihren amilien und Freunden, mein Respekt allen Kollegen er UNAMA-Mission, die sich trotz allem weiter in Af- hanistan für Menschenrechte und Frieden einsetzen. Ich habe in Afghanistan und anderen UN-Missionen iele Reformen begleitet: Polizeiaufbau, Verwaltungs- 12128 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) aufbau, Justizreformen. Es gab auch viele Erfolge, aber die Erfolge, die nachhaltig Wirkung erzielt hatten, waren alle Bildungserfolge. Das gilt auch in Afghanistan: Fast alles, was die Sowjets in ihren 20 Jahren Einfluss und zehn Jahren Besetzung errichtet haben, ist zertrümmert. Aber wenn man heute in Kabul einen Kinderarzt trifft, dann ist er in aller Regel unter den Sowjets ausgebildet worden. Von den vielen Modernisierungsprojekten der Sowjets ist nur das geblieben. Es ist nicht alles schlecht in Afghanistan. Wir haben immer betont, was gut ist. Wer von den guten Dingen in Afghanistan spricht, der spricht von den Schulen. Das ist ein Ansatz, der gerade in der Grundbildung gelungen ist, der wichtig ist, der von uns erwartet wird und bei dem wir Expertise bieten können. Ich kann nicht verstehen, dass wir diesem Ansatz nicht stärker und konsequenter verfolgen. Warum haben wir ein großes schönes EU-POL-Headquarter gebaut, aber in der Schule gegen- über ist seit Jahren das Dach undicht? Wie kann es sein, dass zwei von fünf Schülerinnen im Freien unterrichtet werden müssen? Wie erklären wir, dass wir für die Förderung der af- ghanischen Sekundarschulen von 2002 bis 2009 ebenso viel Geld ausgegeben haben, wie wir im Monat für den Erhalt des Wehrmaterials? Warum lassen wir zu, dass das Goethe-Institut und die Amani-Oberrealschule in Kabul verfallen? In dieser Schule saßen seit 1924 die Kinder der Elite Afghanistans – und nicht nur die wirt- schaftliche, auch die intellektuelle Elite – auf der Schul- bank; jetzt verfällt das Gebäude. Andere Staaten reno- vieren und vergrößern ihre Bildungsinstitutionen in Afghanistan, wir machen nichts. Warum ist das Büro des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Kabul seit Monaten unbesetzt? Warum wird es jetzt offenbar ganz geschlossen? Warum kürzen wir die wenigen Stipendien- und Aus- tauschprogramme zwischen deutschen und afghanischen Universitäten? Warum geben wir 430 Millionen Euro für zivile Hilfe in Afghanistan aus, aber nur 2,3 Millionen für die Hochschulförderung? Allein die University of Massachusetts erhält von den USA 6,8 Millionen Euro für die Austauschprogramme mit Afghanistan – also das Dreifache von dem, was wir für die gesamte Universi- tätskooperation ausgeben. Gerade bei den Universitäten ist die deutsche Zurückhaltung unbegreiflich. Dort, an den Universitäten, wird die Bildungs- und Verwaltungs- elite Afghanistans ausgebildet. Von dort kommen die Menschen, die bald den Staat lenken und die Gesell- schaft prägen werden. Doch auch zehn Jahre nach dem Fall der Taliban sind die Universitäten in einem erbärm- lichen Zustand. Laut dem zuständigem Ministerium sind nur 134 der 2 572 Lehrenden promoviert. Warum haben wir denen nicht schon längst Stipendien angeboten? An- dere Staaten sind da aktiver, der Iran allen voran. Es gibt einzelne gute deutsche Projekte: zum Beispiel die Ausbildungsprogramme von Professor Wilhelm Löwenstein, die Kooperationen zur Curriculum-Reform oder die IT-Projekte von Dr. Peroz. Warum man solche Ansätze nicht vervielfältigt hat, das will ich nicht verste- hen. Dass man aber selbst diese Erfolgsprojekte nicht a L d w m N s g a U G p le m K w A g u n h d w d g Z te u A p n A d h v c d P le s d ru T is p w a (C (D ngemessen finanziert, ist einfach empörend. Sie sind euchttürme, die das Elend der deutschen Hochschulför- erung beleuchten. Sie zeigen, was alles möglich wäre, enn der politische Wille vorhanden wäre. Jedes Mal, wenn ich in Afghanistan bin, fragt man ich, worauf wir eigentlich warten. Nicht nur die GOs, die Studentinnen und Studenten, die Lehrenden, ondern auch das Ministerium wünscht sich mehr Enga- ement Deutschlands. Wir gelten dort als Vorbild für das kademische System, von uns will man lernen, wie man niversitäten organisiert. Es geht dabei nicht nur um eld. Die Afghanen wollen vor allem Beratung und Ex- ertise. Warum sträuben wir uns? Seit zehn Jahren wol- n wir in Afghanistan einen Staat, in dem die Menschen ehr Zeit in Schulen und Universitäten verbringen als in asernen. Dieses Ziel sollte auch darin deutlich werden, ie wir unsere Förderungen gewichten. Der Erfolg der fghanistan-Mission hängt nicht so sehr davon ab, ob enug und ausreichend qualifiziertes Personal für Armee nd Polizei vorhanden ist. Wichtiger ist, dass die Afgha- en Tag für Tag friedlich und gerecht miteinander umge- en – auch dann, wenn kein Polizist in der Nähe ist. Bil- ung ist hierfür eine entscheidende Voraussetzung. Aus drei Gründen sind wir in Afghanistan aktiv: Wir ollen dort Frieden und Demokratie. Wir wollen verhin- ern, dass Terror wächst. Und wir wollen die Beziehun- en zu unseren Bündnispartnern pflegen. Für alle drei iele ist Bildung ein sehr gutes Mittel. Wenn wir da wei- r zaudern und knausern, bleibt nach 2014, dem Abzug nserer Kampftruppen, vom deutschen Engagement in fghanistan so wenig wie von den großen Staudamm- rojekten der 1930er- und 1960er-Jahre – nämlich ichts. nlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes gegen den Handel mit illegal eingeschlagenem Holz (Holzhandels-Sicherungs-Gesetz – HolzSiG) (Ta- gesordnungspunkt 12) Alois Gerig (CDU/CSU): Die weltweite Zerstörung er Wälder nimmt dramatische Ausmaße an: Jährlich ge- en auf unserer Erde rund 13 Millionen Hektar Wald erloren; das entspricht mehr als der gesamten Waldflä- he Deutschlands. Durch Waldzerstörungen verschwin- en nicht nur wertvolle Lebensräume für Tiere und flanzen; auch die für den Klimaschutz notwenige Koh- nstoffspeicherung der Wälder wird erheblich abge- enkt. Waldzerstörungen tragen mit rund 20 Prozent zu en globalen Emissionen von Treibhausgasen bei. Eine wichtige Ursache für die weltweiten Waldzerstö- ngen ist der illegale Holzeinschlag insbesondere in den ropen. In Deutschland und anderen Ländern Europas t der illegale Holzeinschlag in der Regel kein ausge- rägtes Problem. Wahr ist aber auch, dass Europa ein ichtiger Markt für Holz aus anderen Teilen Welt ist – uch für Holz aus illegalem Einschlag. Das Johann- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12129 (A) ) )(B) Heinrich-von-Thünen-Institut hat ermittelt, dass 10 bis 18 Prozent des Holzes, das zwischen der EU und Dritt- ländern gehandelt wird, aus illegalem Einschlag stammt. Für Deutschland wird davon ausgegangen, dass 3 bis 6 Prozent aller Holzeinfuhren illegaler Herkunft sind. Damit unsere Nachfrage nach Holz nicht zu Waldzer- störungen anderswo beiträgt, müssen wir dem Handel mit illegal geschlagenem Holz einen Riegel vorschieben. Aufgrund der überragenden Bedeutung der Wälder für die Biodiversität und den Klimaschutz muss der Wald- zerstörung Einhalt geboten werden. Die Europäische Union hat sich dieser Aufgabe angenommen: Mit dem Aktionsplan „Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor“, Forest Law Enforcement, Go- vernance and Trade – FLEGT, will die EU Holzimporte besser kontrollieren und den illegalen Holzeinschlag be- kämpfen. Zentrale Bausteine des FLEGT-Aktionsplans sind zwei Verordnungen: Im vergangenen Jahr wurde vom Europäischen Parlament und vom Rat die EU-Holzhan- delsverordnung beschlossen, die das Inverkehrbringen von illegal geschlagenem Holz verbietet. Zudem werden den Marktteilnehmern bestimmte Sorgfaltspflichten vor- geschrieben. Bereits aus dem Jahr 2005 stammt eine weitere Ver- ordnung, die Holzeinfuhren aus den Partnerländern der EU regelt. Um die letztgenannte Verordnung in Deutsch- land umzusetzen, hat die Bundesregierung das Holzhan- dels-Sicherungs-Gesetz vorgelegt, das wir heute ab- schließend beraten. Mit dem Holzhandels-Sicherungs-Gesetz wollen wir die erforderlichen Regelungen schaffen, damit deutsche Behörden Holzlieferungen aus den Partnerländern der EU kontrollieren können. Partnerländer sind derzeit Ghana, Kamerun, Kongo und die Zentralafrikanische Republik. Im Rahmen von freiwilligen Partnerschaftsab- kommen hilft die EU den Partnerländern dabei, dass nur legal geschlagenes Holz auf den Markt gelangen kann und die Forstwirtschaft an den Prinzipien der Nachhal- tigkeit ausgerichtet wird. Im Gegenzug können die Part- nerländer nur noch Holz in die EU einführen, das legal geschlagen wurde. Die Legalität wird durch eine soge- nannte FLEGT-Genehmigung nachgewiesen, die bei der Einfuhr in die EU von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten kontrolliert wird. Das Holzhandels-Si- cherungs-Gesetz sieht vor, dass die Kontrollen in Deutschland vom Bundesamt für Landwirtschaft und Er- nährung, BLE, und von den Zollbehörden durchgeführt werden. Aus meiner Sicht sind die freiwilligen Partnerschafts- abkommen und die Einführung des FLEGT-Genehmi- gungssystems der richtige Ansatz: Europa stellt nicht einseitige Gebote auf, sondern leistet Hilfestellung, um vor Ort eine legale und nachhaltige Waldbewirtschaf- tung aufzubauen. Dies ist eine wichtige Maßnahme ge- gen den Raubbau am Wald. Nur wenn sich eine legale und nachhaltige Waldnutzung wirtschaftlich lohnt, be- stehen auch Anreize, die Wälder auf Dauer zu erhalten. Ziel muss es sein, dass die Holzwirtschaft in den Part- nerländern langfristig zur Existenzsicherung der Men- s H b S s d d m m s n n d s z s E h h a n H k a E b a d D g fo d n H a re s z d b s M v k c ru g v ß S c la v z a a (C (D chen beitragen kann, die im und vom Wald leben. Für andel, Holzverarbeiter und Endverbraucher in Europa ringt die Einführung der FLEGT-Genehmigung mehr icherheit, dass Holz aus den Partnerländern legal ge- chlagen wurde. Damit möglichst viele Holzeinfuhren in die EU unter ie FLEGT-Genehmigung fallen, ist es wünschenswert, ass mit mehr Holzlieferländern Partnerschaftsabkom- en geschlossen werden. Die Partnerschaftsabkommen it Ghana, Kamerun, Kongo und der Zentralafrikani- chen Republik können nur ein Anfang sein. Sicher ist icht zu erwarten, dass mit allen Holzlieferländern Part- erschaftsabkommen vereinbart werden können. Aus iesem Grund ist es äußerst wichtig, die bereits ange- prochene EU-Holzhandelsverordnung auch umzuset- en. Um den illegalen Holzeinschlag einzudämmen, chreibt diese Verordnung den Marktteilnehmern in der U bestimmte Sorgfaltspflichten vor, und zwar unab- ängig vom Herkunftsland des Holzes. Neben der Hilfe zum Aufbau einer legalen und nach- altigen Waldbewirtschaftung bieten die Partnerschafts- bkommen auch den Vorteil, dass durch die FLEGT-Ge- ehmigung bestimmte Nachweispflichten aus der EU- olzhandelsverordnung entfallen. Es ist bereits jetzt er- ennbar, dass dies weitere Holzlieferländer motiviert, uch Partnerschaftsabkommen mit der EU anzustreben. s ist erfreulicherweise damit zu rechnen, dass die EU ald mit fünf weiteren Holzlieferländern Partnerschafts- bkommen abschließen wird. Im Holzhandels-Sicherungs-Gesetz ist vorgesehen, ass bei der Einfuhr von Holz aus Partnerländern nach eutschland die Überprüfung der FLEGT-Genehmigun- en durch das BLE sowie durch die Zollbehörden er- lgt. Um einen reibungslosen Datenaustausch zwischen en Behörden zu ermöglichen, ist die Anschaffung eines euen IT-Systems geplant. Die Investitionskosten in öhe von 500 000 Euro erscheinen auf den ersten Blick ls viel Geld. Wenn man aber bedenkt, dass in absehba- r Zeit weitere Länder hinzukommen werden und eine teigende Anzahl von Holzeinfuhren aus diesen Ländern u überprüfen sein wird, so wird die Verhältnismäßigkeit er eingesetzten Finanzmittel schnell gegeben sein. BLE und Zollbehörden müssen effektiv zusammenar- eiten, um Verstöße gegen das FLEGT-Genehmigungs- ystem aufzuspüren und illegal geschlagenes Holz vom arkt zu nehmen. Das Holzhandels-Sicherungs-Gesetz erleiht dem BLE die dafür erforderlichen Befugnisse: So önnen beispielsweise verdächtige Holzlieferungen si- hergestellt und untersucht werden. Entsprechen Liefe- ngen nicht den Anforderungen des FLEGT-Genehmi- ungssystems, so kann die Behörde diese Lieferung öllig aus dem Verkehr ziehen. Zur Ahndung von Verstö- en gegen das FLEGT-Genehmigungssystem sind zudem trafen und Bußgelder vorgesehen. Das Holzhandels-Si- herungs-Gesetz macht deutlich, dass für uns in Deutsch- nd der Handel mit illegal geschlagenem Holz kein Ka- aliersdelikt ist. Illegaler Holzeinschlag trägt nicht nur ur weltweiten Zerstörung der Wälder bei, er verzerrt uch erheblich den Wettbewerb auf dem Holzmarkt. Holz us illegalem Einschlag muss so gut es geht vom Markt 12130 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) genommen werden, damit die Marktteilnehmer, die legal und nachhaltig erzeugtes Holz anbieten, nicht benachtei- ligt sind. Das Holzhandels-Sicherungs-Gesetz ist ein wichtiger Schritt, um den Handel mit illegal geschlagenem Holz zu bekämpfen. Weitere Schritte müssen unbedingt fol- gen. Ich denke besonders an die Umsetzung der EU- Holzhandelsverordnung. Mit dem Holzhandels-Siche- rungs-Gesetz setzen wir im Internationalen Jahr der Wälder ein wichtiges Signal, dass Deutschland entschie- den gegen den Handel mit illegal geschlagenem Holz vorgeht und einen Beitrag zum weltweiten Schutz der Wälder leistet. Ich bitte Sie deshalb, diesem Gesetz zuzustimmen. Petra Crone (SPD): Leider muss ich auch im Inter- nationalen Jahr der Wälder meine Rede mit dem Satz be- ginnen: Die illegale Abholzung ist in vielen waldreichen Ländern der Welt immer noch gängige Praxis. Der ge- samte Verlust an Wald auf der Erde beläuft sich laut Be- rechnungen der Welternährungsorganisation FAO auf jährlich etwa 13 Millionen Hektar. Wir verlieren hier überwiegend Flächen des tropischen Regenwaldes, und wir verlieren Herzstücke der Biodiversität. Ein Verlust von 13 Millionen Kubikmeter hieße: Wir würden kom- plett unsere deutsche Waldfläche innerhalb eines Jahres verlieren. Illegaler Holzeinschlag ist ein Problem, das in seinen Ausmaßen nicht verheerend genug beschrieben werden kann – vom Verlust der Artenvielfalt bis hin zu den nachteiligen sozialen Folgen für die dortige Bevölke- rung. Waldrodung ist zudem für rund 20 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Was nach dem globalen Raub an der Natur zurückbleibt, ist ein zerstör- ter Wald. Er ist kein Lebensraum mehr – weder für Men- schen noch für Tiere und Pflanzen. Ein starker Motor für die Zerstörung der Wälder ist die internationale und die europäische Nachfrage nach billigem Holz. Die Einfuhr illegalen Holzes nach Deutschland liegt schätzungsweise bei 3 bis 6 Prozent. Würden wir uns nur die Tropenholzimporte anschauen, läge der Anteil wohl um einiges höher. Es ist fast un- möglich, belastbare Zahlen über den Raubholzhandel zu bekommen. Der Anteil an illegalem oder verdächtigem Holz wird bei Lieferungen aus Afrika oder Südostasien auf fast 50 Prozent geschätzt. Es herrscht also dringendster Handlungsbedarf. Im Jahr 2003 wurde auf europäischer Ebene der Aktions- plan „Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor“, kurz FLEGT, ins Leben gerufen. Ein Eckstein dieser Politik sind die freiwilligen Partner- schaftsabkommen zwischen der EU und holzausführen- den Ländern. Sie bezwecken eine aktive Einbeziehung waldreicher Länder, in denen sich der illegale Holzein- schlag jeden Tag vollzieht. Das uns vorliegende Holzhandels-Sicherungs-Gesetz setzt nun die europäische Verordnung zur Einrichtung ei- nes FLEGT-Genehmigungssystems für Holzeinfuhren in die Europäische Gemeinschaft in nationales Recht um. A V H s n E te k K Z s G d s ri D E v k lo s s d li h re L e w a v D w s h n ü s g u a M Is E s k g re fi ti L g A A L L (C (D m Ende soll, vor allem für die Verbraucherinnen und erbraucher, die Gewissheit stehen: Alle Hölzer und olzprodukte aus dem Partnerland sind legalen Ur- prungs. Hierzu wird die Fracht mit einer FLEGT-Ge- ehmigung versehen. Fehlt diese Genehmigung, ist die infuhr von Holzprodukten aus dem Partnerland verbo- n. Als erstes Partnerland hat Ghana Ende 2009 ein Ab- ommen mit der EU unterzeichnet. Die Republiken ongo und Kamerun werden folgen, später auch die entralafrikanische Republik. Die Ratifizierungen müs- en abgewartet warten. Weitere Verhandlungen sind im ange. Ich hoffe auf viele belastbare Abschlüsse, beson- ers mit Malaysia und Indonesien. Im Herkunftsland elbst wird ein Rückverfolgungssystem für Holz einge- chtet. Dieses soll die definierte Legalität gewährleisten. er erste und der wichtigste Kontrollpunkt ist unseres rachtens schon die Baumfällung. Die Vertragsparteien erpflichten sich zudem, eventuelle negative Auswir- ungen des Abkommens auf die Existenzgrundlagen der kalen Gemeinschaften zu verhindern. Es werden bei- pielsweise Einkommensalternativen für Holzfäller ge- chaffen. Es darf aber auch nicht verschwiegen werden, dass er Erfolg der Partnerschaftsabkommen im Wesent- chen von der politischen Situation in den Ländern ab- ängen wird. Bestehen stabile rechtsstaatliche Struktu- n und eine Verwaltung, die die Einhaltung der egalität sichert? Oder besteht erhöhtes Risiko, dass ine illegale Regelung durch einen Federstrich legal ird? Die Unterstützung von guter Regierungsführung uch im Rahmen der FLEGT-Maßnahmen bleibt daher on zentraler Bedeutung. Wie gestaltet sich nun die Kontrolle in Deutschland? as wird durch das vorliegende Gesetz geregelt. Vorab ill ich anmerken: Ein Gesetz kann immer nur so gut ein, wie dessen Umsetzung gelingt. Als zuständige Be- örde ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Er- ährung vorgesehen. Sie wird alle FLEGT-Zertifikate berprüfen. Bei Zweifeln am FLEGT-Genehmigungs- chein dürfen Proben auf Kosten des Importeurs durch- eführt werden. Zur Untersuchung des Holzes müssen nserer Auffassung nach neben dem genetischen Finger- bdruck-Verfahren alle wissenschaftlich anerkannten ethoden angewendet werden, vor allem die Stabile- otopen-Analytik. Jeder Ort der Welt besitzt durch die igenheiten von Geografie und Klima ein charakteristi- ches Isotopenmuster. Dank dieses einmaligen Musters ann überprüft werden, ob eine behauptete Herkunftsan- abe auch stimmt. Was sich schon im Lebensmittelbe- ich bewährt hat, sollte ebenso für Holz Anwendung nden. Darüber hinaus erscheinen der SPD-Bundestagsfrak- on 16 Stichproben beim Zoll, also bei nur 1 Prozent der ieferungen, zu gering. Wir nehmen aber die Bundesre- ierung beim Wort: Bei begründetem Verdacht werde die nzahl der Stichproben ausgeweitet. Der Zoll wird laut uskunft des BMELV in der letzten Ausschusssitzung ieferungen aus kritischen Regionen vermehrt unter die upe nehmen. Die gelieferten Daten und Erkenntnisse Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12131 (A) ) )(B) sollten in der Folge einem europaweiten Datenaustausch zugeführt werden. Er muss gegenseitig und unverzüglich stattfinden können. Der Handel mit illegalem Holz kennt schließlich auch keine Grenzen. Die Gefahr der Re-Im- porte über Transitländer in unsere Märkte bleibt weiterhin bestehen. Ein Manko werden auch die im FLEGT-Ab- kommen nicht erfassten Holzproduktgruppen bleiben: Möbel, Papier, Holzkohle und Brennholz werden nicht berücksichtigt. Die SPD-Bundestagsfraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf dennoch zustimmen. Der weitaus umfang- reichere Part erwartet uns bei der erforderlichen nationa- len Umsetzung des europäischen Holzhandelsgesetzes Mitte bis Ende 2012. Mithilfe des FLEGT-Genehmi- gungssystems für Holzeinfuhren in die Europäische Ge- meinschaft kann die legale Nutzung der Wälder im FLEGT-Partnerland zumindest garantiert werden. Ich be- tone: Es geht um die Legalität. Zukünftig wird es aber da- rauf ankommen, dass wir der Legalität die Nachhaltigkeit an die Seite stellen. Gerade in der beginnenden Garten- möbelsaison möchte ich auf die legale, ökologisch und sozial verantwortliche Waldbewirtschaftung verweisen, die beispielsweise das FSC-Siegel garantiert. Ohne nach- haltige Waldnutzung wird es nicht gehen – das gilt im Üb- rigen auch für unseren deutschen Wald. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Wir wollen in- takte Primärwälder erhalten. Naturnahe Wälder sind die wichtigsten und größten Schatzkammern der Artenviel- falt. Sie sorgen für eine bessere Luftqualität und produ- zieren Sauerstoff. Für die Menschen vor Ort stellen in- takte Urwälder die Lebensgrundlage dar, sie schützen den Boden und das Wasser, liefern Nahrung und wertvolle nachwachsende Rohstoffe. Sie sind zudem entscheidend an der Speicherung von atmosphärischem Kohlenstoffdi- oxid beteiligt. Laut IPCC, dem Intergovernmental Panel on Climate Change, stammen bis zu 30 Prozent der zu- sätzlichen Belastungen der Atmosphäre mit Kohlenstoff- dioxid aus der Zerstörung von Wäldern. Nach Angaben der FAO gingen in den letzten zehn Jahren jährlich 13 Millionen Hektar naturnaher Wälder verloren. Das ist mehr als die gesamte Waldfläche Deutschlands. Insbesondere die Rodung von Wäldern für den Anbau von Soja, die Weidehaltung und die An- lage von Palmölplantagen, aber auch der illegale Holz- einschlag bedrohen die wertvollen Waldflächen. Der Raubbau ist in den Staaten der Tropen Afrikas, Südost- asiens und Südamerikas erheblich und die Satellitenbil- der machen es deutlich. An diesen Verlusten hat der ille- gale Holzeinschlag einen erheblichen Anteil. Die Zahlen aus dem „Global Forest Resources Assessment 2010“ der FAO zeigen eindeutig: Außerhalb Europas wird nur ein Bruchteil der Wälder nach den Kriterien der Nach- haltigkeit bewirtschaftet. Deutschland gehört wie China, die USA und Japan zu den großen Importländern von Holz und Holzprodukten. Wir sind uns fraktionsübergreifend einig, dass bei der Bekämpfung des illegalen Holzeinschlags und des Holz- handels Handlungsbedarf besteht. Etwa ein Drittel ihres Rohholzbedarfs importiert die EU aus Drittstaaten. Des- h u li s g b d H E 2 G is v w s fü tr n te m s fe D B li u te te te b d w b o d s b fü ß d s m g ta s li re a v d h d A e d u p li (C (D alb haben wir eine besondere Verantwortung, dass von ns genutztes Holz nur aus legaler und selbstverständ- ch auch nachhaltiger Bewirtschaftung von Wäldern tammt. Wir sind uns einig, dass der Handel mit illegal eschlagenem Holz und dessen Import in die EU unter- unden werden muss. Die FDP unterstützt ausdrücklich en Kampf gegen den illegalen Holzeinschlag und den andel mit solchem Holz. Ein wichtiger Baustein ist die im Jahr 2005 auf U-Ebene beschlossene FLEGT-Verordnung (EG) 2173/ 005; dabei steht FLEGT für Forest Law Enforcement, overnment and Trade. Ziel der europäischen Initiative t es, mithilfe von freiwilligen Partnerschaftsabkommen, on Voluntary Partnership Agreements oder VPAs, die ichtigen Herkunftsländer von Tropenholz zu einer bes- eren Überwachung und nachhaltigen Waldwirtschaft zu hren. Dazu müssen Einfuhrbeschränkungen in Kraft eten, sodass nur noch Hölzer mit gültiger FLEGT-Ge- ehmigung in die EU importiert werden dürfen. Wir un- rstützen die Bemühungen der Kommission, mit einer öglichst großen Zahl von Herkunftsländern Partner- chaftsabkommen auszuhandeln. Allerdings müssen wir ststellen, dass derzeit VPA lediglich mit Kamerun, der emokratischen Republik Kongo, Ghana und Kongo- razzaville abgeschlossen wurden. Somit ist bisher ledig- ch ein kleiner Teil der Holzimporte erfasst. Es ist aus nserer Sicht entscheidend, vorrangig die größten Expor- ure von Tropenholz wie Indonesien in das FLEGT-Sys- m einzubinden. Nur so können die am stärksten bedroh- n Wälder auch effektiv geschützt werden. Die Regelungen im Holzhandels-Sicherungs-Gesetz edeuten für die betroffenen Holzhandelsunternehmen ie Erhöhung ihres wirtschaftlichen Risikos. Die Verant- ortung für fehlerhaft ausgestellte Zertifikate liegt allein ei den Importeuren. Zudem erzeugen die FLEGT-Ver- rdnung, die Ende 2010 verabschiedete EU-Holzhan- elsverordnung (EU) 995/2010 und das vorliegende Ge- etz einen deutlichen bürokratischen Mehraufwand. Dies etrifft die Wirtschaft wie die zuständige Bundesanstalt r Landwirtschaft und Ernährung, die BLE, gleicherma- en. Auch wenn die genannten Maßnahmen zur Rettung er Tropenwälder ein sinnvoller Beitrag sein werden, ollte angesichts des bisher sehr geringen Liefervolu- ens aus Partnerländern insofern mit Bedacht vorgegan- en werden. Allein die Investitionen in ein Datenaus- uschsystem zwischen der BLE und den Zollbehörden oll laut Begründung des Gesetzes etwa eine halbe Mil- on Euro kosten. Um diese erheblichen Investitionen zu chtfertigen, müssen zügig mit weiteren Ländern VPAs bgeschlossen werden. Es muss kritisch die Höhe der In- estitionen überprüft werden. Auf nationaler Ebene sind die zuständigen Behörden azu angehalten, für eine zügige Umsetzung des Holz- andels-Sicherungs-Gesetzes zu sorgen. Die Kontrollen urch die Zollbehörden müssen risikoorientiert und in bstimmung mit den betroffenen Wirtschaftsbereichen rfolgen. Aus diesem Grund begrüßen wir die Initiativen es Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft nd Verbraucherschutz, schnellere, zuverlässigere und raktikablere Methoden zur Kontrolle zu entwickeln. Aus beraler Sicht können neue wissenschaftliche Methoden 12132 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) helfen, Verdachtsfälle eindeutig aufzuklären und die Kontrollen wesentlich zu vereinfachen und zu beschleu- nigen. Beispiele sind das genetische Fingerprinting, das am Institut für Forstgenetik des von-Thünen-Institutes in Großhansdorf entwickelt wird, oder die Isotopenanalyse. Angesichts der erschwerten Beweisführung bei Ver- dachtsfällen und angesichts des wirtschaftlichen Risikos für die Holzimporteure, die oft dem Mittelstand angehö- ren, sind wir auf moderne und effiziente Kontrollmetho- den angewiesen. Die FDP-Fraktion unterstützt die Bemühungen der Bundesregierung beim Kampf gegen den illegalen Holz- einschlag, und wir freuen uns, dass im Ausschuss für Er- nährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz alle Fraktionen für den Gesetzentwurf gestimmt haben. Wir stimmen dem Holzhandels-Sicherungs-Gesetz im Bun- destag zu und setzen uns ausdrücklich dafür ein, weitere Länder in das FLEGT-System mit einzubeziehen. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Illegaler Holzeinschlag bedroht weltweit die Wälder. „Bei der Ernte, Transport, Einkauf oder Verkauf des Holzes wird gegen nationale oder internationale Gesetze verstoßen“, schreibt der WWF. Das ist inakzeptabel. Auch bis zu 6 Prozent der Holzeinfuhren nach Deutschland sind ille- gal. Diese Zahl bezieht sich auf alle Hölzer, also auch EU-Holz. Bezogen auf Holz aus Drittländern dürfte der Prozentsatz illegalen Holzes noch deutlich höher sein. Beispielsweise sollen 80 Prozent des Amazonasholzes aus Raubbau stammen. Das ist ein lukrativer krimineller Markt, der dringend geschlossen werden muss. Zuletzt debattierte der Bundestag im Frühjahr 2010 über das Thema, als eine EU-Verordnung über Holz und Holzerzeugnisse erarbeitet wurde. Bei allen Meinungs- verschiedenheiten in Detailfragen wurde dennoch klar: Europa kämpft gemeinsam gegen Holz aus Raubbau. Bereits 2003 verabschiedete die EU einen FLEGT-Ak- tionsplan. Mit diesem soll der illegale Holzhandel ver- hindert und freiwillige Partnerschaftsabkommen mit Drittstaaten gestärkt werden, die sich an überprüfbare Forstgesetze halten. Die Linke begrüßt das ausdrücklich. Wir treten für eine nachhaltige, also soziale, ökologische und wirtschaftliche, Forstwirtschaft ein. Dazu gehört, dass Holzabbau selbstverständlich nur in Gebieten erfol- gen darf, die für Holznutzung ausgewiesen sind. Natio- nalparke und andere Juwelen der Artenvielfalt müssen tabu sein. Der heute zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf dient zunächst nur der Einrichtung eines nationalen Ge- nehmigungssystems für Holzeinfuhren aus Ländern, mit denen ein Partnerschaftsabkommen geschlossen wurde. Damit wird eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2005 in deutsches Recht umgesetzt. Es geht dabei um Holz aus Partnerländern wie zum Beispiel Ghana, Kamerun oder der Republik Kongo. Diese Länder haben sich gegen- über der EU verpflichtet, dem illegalen Raubbau den Kampf anzusagen. Sie haben eigene Forstgesetze erlas- sen und ein Prüf- und Kontrollsystem entwickelt. Damit wird das Holz aus diesen Ländern schon deutlich stärker unter die Lupe genommen als das Holz aus anderen Im- p k u b B b B le d ra z w v Z a n d s u B n T n R g g v d ri la P is p rü ri S d D m is R S g d c h R D w w h B w g d W (C (D ortländern. Trotzdem muss natürlich auch dieses Holz ontrolliert werden. Was bringt das Gesetz? Erstens. Verbraucherinnen nd Verbraucher können ihren Beitrag gegen den Raub- au an Wäldern leisten. Dazu ein Beispiel: Ein deutscher auhandel hat Gartenmöbel bei einem Möbelhersteller estellt. Der baut diese aus Holzimporten aus Ghana. isher konnte man nicht sicher sein, dass der Stuhl aus galem Holz gebaut wurde. Jetzt erhöht sich die Chance er Legalität, denn Baumärkte können und werden da- uf achten, nur noch Gartenmöbel von einem Hersteller u kaufen, der keine krummen Geschäfte macht. Wer ill schon Ärger mit dem Zoll – und damit die Kunden erschrecken? Der Hersteller muss die entsprechenden ertifikate des Partnerlandes besitzen. Stammt das Holz us einer illegalen Quelle – wurde also zum Beispiel in ei- em Naturschutzgebiet ohne Genehmigung geschlagen –, ann wird es aus dem Verkehr gezogen. Es droht eine aftige Strafe: ein Jahr Gefängnis oder 50 000 Euro. Zweitens. Durch die Nachfrage nach legalem Holz nd durch die Kampfansage an illegales Holz wird die iodiversität geschützt. Denn die forstlich nicht oder icht mehr genutzten Waldbereiche dieser Erde sind für iere und Pflanzen von großer Bedeutung. Sie stellen ei- en Rückzugsraum für bedrohte Arten dar, sie geben aum für natürliche Entwicklungsprozesse und sind das enetische Sparkonto für die Zukunft. Denn nur wenn enetische Vielfalt vorhanden ist, können sich Arten an eränderte Umweltbedingungen anpassen. Darum tritt ie Linke für 5 Prozent ungenutzte Waldflächen ein, üb- gens nicht nur international, sondern auch in Deutsch- nd. Drittens. Die EU gibt ein deutliches Zeichen an die artnerländer: Sie definiert, was legale Forstwirtschaft t, und erarbeitet ein Kontrollsystem, damit die kom- lette Kette vom Baumarkt bis zum Herkunftsland zu- ckverfolgt werden kann. Mit all dem geht der vorliegende Gesetzentwurf in die chtige Richtung. Neben Licht gibt es allerdings auch chatten zu erwähnen. Zum Beispiel soll nur 1 Prozent er Lieferungen stichprobenartig kontrolliert werden. as betrifft nach Kalkulation des BMELV in den kom- enden Jahren nur circa 16 jährliche Stichproben. Das t viel zu wenig. Die Kontrollen sollten sich an den isiken der Produktkategorien und Herkünfte bemessen. obald ein begründeter Verdacht besteht, muss einge- riffen und kontrolliert werden. Insofern ist der Zoll in er Pflicht, begründeten kritischen Hinweisen auf mögli- he illegale Holzlieferungen nachzugehen. Bedauerlich ist auch, dass nicht gleichzeitig die Holz- andels-Verordnung aus dem Jahr 2010 in nationales echt übernommen wird. Anscheinend soll noch auf die urchführungsbestimmungen gewartet werden, sodass ir das Holzhandels-Sicherungs-Gesetz wohl erst 2013 ieder im Bundestag debattieren werden. Man kann nur offen, dass dann wenigstens das Ergebnis den langen eratungszeitraum rechtfertigt. Denn eigentlich dürfen ir keine Zeit mehr verlieren im konsequenten Kampf egen den Raubbau am Wald. Dabei dürfen wir aber urchaus auch vor der eigenen Tür kehren, denn die aldstrategie 2020 der Bundesregierung lässt ja leider Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12133 (A) ) )(B) weiter auf sich warten. Trotzdem stimmt die Linke dem heute vorliegenden Gesetzentwurf zu. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bünd- nis 90/Die Grünen begrüßen, dass die Bundesregierung es im Internationalen Jahr der Wälder endlich geschafft hat, diesen Gesetzentwurf vorzulegen, und stimmen ihm zu. Denn er ist die überfällige Umsetzung der FLEGT-Verord- nung, die die EU zur Bekämpfung des Handels mit illega- lem Holz bereits im Dezember 2005 beschlossen hat – übrigens seinerzeit noch unter Mitwirkung des Interims- Agrarministers Jürgen Trittin. Man fragt sich, warum sich die Bundesregierung mit der Umsetzung so viel Zeit gelassen hat, wenn es vor al- lem darum ging, die für die Kontrolle von FLEGT-Holz- importen zuständigen Behörden zu benennen. Die Um- setzung hätte schon längst erfolgen können. Andererseits sind die Folgen dieser Trödelei begrenzt, weil es bis vor kurzem gar keine Partnerschaftsabkommen auf Grund- lage der FLEGT-Verordnung gegeben hat. Dementspre- chend waren auch keine FLEGT-Importe zu kontrollie- ren. Nun darf man sich jedoch trotz des vielversprechen- den Namens keine Illusionen über die Reichweite des Gesetzes hingeben: Das „Gesetz gegen den Handel mit illegal eingeschlagenem Holz“ wird vorerst nur für Im- porte aus Ländern gelten, mit denen die EU tatsächlich ein FLEGT-Partnerschaftsabkommen abgeschlossen hat. Das sind laut gestriger Auskunft der Bundesregierung erst vier Länder: Ghana, Kongo-Brazzaville, Kamerun und demnächst auch die Zentralafrikanische Republik. Nach Lage der Dinge wird es noch Jahre dauern, bis alle wichtigen Holzhandelsländer, in denen es illegalen Holzeinschlag gibt, ein Abkommen unterschrieben ha- ben werden. Bisher wird nur mit einem Teil der fragli- chen Länder verhandelt, immerhin aber mittlerweile mit den großen Urwaldländern Indonesien und Brasilien. Die Zeit drängt, denn jedes Jahr gehen 13 Millionen Hektar Urwald verloren. Daran erkennt man, wie falsch es von den Gegnern ei- nes Importverbotes für illegales Holz all die Jahre lang gewesen ist, zu sagen: Wir brauchen kein Importverbot für illegales Holz, weil wir FLEGT haben. – Wir haben uns hier im Bundestag jahrelang darüber gestritten, ob es möglich ist, ein nationales Importverbot für illegales Holz zu erlassen. Und wir haben uns darüber gestritten, ob die Bundesregierung ein EU-weites Importverbot für illegales Holz fordern sollte. Diese unsere Forderungen haben Union und SPD in der letzten Legislaturperiode hier im Bundestag allesamt abgelehnt. Nun hat die EU auch ohne Druck durch die Bundesre- gierung mit der FLEGT-Holzhandelsverordnung vom 20. Oktober 2010 ein faktisches Verbot für illegal einge- schlagenes Holz beschlossen. Ein Verbot, das für alle Länder gilt. Auf dieses EU-weite Importverbot für ille- gales Holz haben wir Bündnisgrüne jahrelang gedrängt. Der Wermutstropfen ist, dass es erst im März 2013 in Kraft tritt. s g z R m E A z s w s is la A B u e S a z w N d k re o le w rü T d P b n w n d je d b m d F d a le (C (D Deshalb werden wir Grüne auf einen schnellen Ab- chluss weiterer FLEGT-Partnerschaftsabkommen drän- en und natürlich auf eine rechtzeitige und zügige Umset- ung der FLEGT-Holzhandelsverordnung in nationales echt, damit illegales Holz auf dem europäischen Holz- arkt keine Chance mehr hat. Das wäre dann ein weiterer rfolg für den Schutz der Wälder dieser Welt. nlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Hochschulzulassung bundesgesetzlich regeln – Sozialen Zugang und Durchlässigkeit in Masterstudiengängen si- chern (Tagesordnungspunkt 15) Monika Grütters (CDU/CSU): Nun reden wir heute um wiederholten Male über das neue Hochschulzulas- ungsverfahren, das wir alle deshalb einführen wollten, eil wir den vielen Studierenden in Deutschland ein bes- eres Verfahren bieten wollen, als es derzeit vorhanden t. Wir wollten das europaweit modernste Hochschulzu- ssungsverfahren für Deutschland an den Start bringen. us Verantwortung für die Studierenden hat sich der und deshalb zu einer einmaligen Investition von sage nd schreibe 15 Millionen Euro bereit erklärt, mit der ine neue Software entwickelt worden ist, die es den tudierenden ermöglicht, bis zu neun Studienwünsche n den verschiedenen Hochschulen gleichzeitig zu plat- ieren. Im Idealfall hätte man also für die Studierenden irklich die Lebenssituation entscheidend verbessert: icht mehr zwischen zwei nacheinander zu entscheiden- en Studienwünschen hätten sie ihre Zukunft planen önnen, sondern gleich neun Varianten könnten ihnen lativ kurzfristig die Entscheidung über ihren Studien- rt – und das heißt: über ihren weiteren Lebensweg – er- ichtern. Wir alle gemeinsam, quer über alle Parteigrenzen hin- eg, sind enttäuscht, frustriert, aber auch verärgert da- ber, dass allen Aussagen der Verantwortlichen zum rotz jetzt, Mitte April 2011, erkannt werden muss, dass er ehrgeizige Zeitplan zum Start dieses so wichtigen rojektes vom Wintersemester 2011/12 auf zunächst un- estimmte Zeit verschoben werden muss. Es ist nicht achvollziehbar, dass die verantwortlichen Projektent- ickler, Vertreter der Länder und der Hochschulen, uns och Mitte März im Ausschuss einen pünktlichen Start es Zulassungsverfahrens in Aussicht gestellt haben und tzt, gerade einmal drei Wochen später, zugeben, dass ie großen Probleme bei der Softwareumstellung offen- ar kurzfristig überhaupt nicht in den Griff zu bekom- en sind. Wir alle fragen uns und natürlich auch diejenigen, die arüber Auskunft hätten geben können, wie eine solche ehleinschätzung zustande kommen konnte. Aber mit er Fragestellung ist ja jetzt nichts erreicht. Wir sind ver- ntwortlich dafür, dass sich die Situation der Hochschu- n und natürlich vor allem der Studierenden in absehba- 12134 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) rer Zeit verbessert wird. Nach wie vor ist es die Überzeugung der CDU, dass ein zentrales Zulassungs- verfahren, das den Studierenden viele Wahlmöglichkei- ten anbietet, die beste Lösung ist – besser jedenfalls als das bisherige Verfahren, in dem dezentral alle Hoch- schulen und Länder unterschiedliche Wege gehen. Das Gebot der Stunde ist deshalb tatsächlich ein zentrales Verfahren, so wie es jetzt geplant ist. Wir sind auch zu- versichtlich, dass die Software zukünftig sehr attraktiv sein wird. Deshalb ist es jetzt zuallererst nötig, die be- rühmte „Schnittstellenproblematik“ mit der Vielzahl ver- schiedenartiger Zulassungssysteme zu lösen. Wir müssen mit allem Nachdruck der Gefahr begeg- nen, dass jetzt einige ohnehin zögerliche Hochschulen sich aus dem künftigen gemeinsamen Verfahren wieder abmelden oder gar nicht erst mitmachen wollen. Was die Situation aber sicher nicht verbessern würde, wäre der im Antrag der Linken skizzierte Weg eines Bundesgeset- zes, so wie es auch der ehemalige Präsident der Hoch- schulrektorenkonferenz Landfried in seiner gewohnt markigen Art in der Presse vorgeschlagen hat. Wir setzen nach wie vor auf die Autonomie der Hoch- schulen. Das ist ein sehr hohes Gut in der Wissenschaft. Nicht der Bund, sondern vielmehr das Hochschulinfor- mationssystem, HIS, und die Stiftung für Hochschulzu- lassung sind jetzt in der Pflicht, eine schonungslose Feh- leranalyse vorzunehmen, ihren selbst so genannten „Aktionsplan“ zu konkretisieren und vor allem einen se- riösen Zeitplan dafür vorzulegen. Das sind sie nicht nur dem Bund als Hauptgeldgeber für die neue Software schuldig, sondern vielmehr den Hochschulen und noch mehr den Studierenden. In der Bewertung des gesamten Vorgangs sind wir uns sicher fraktionsübergreifend einig. Fürs Erste haben sich die Projektentwickler mit ihren kurzfristig gegebenen Zusagen für einen Start zum Wintersemester 2011 und ihrem jetzigen Eingeständnis, dass das auf absehbare Zeit verschoben wird, blamiert. Die CDU bleibt jedoch bei ihrer Überzeugung: Das Dialogorientierte Service- verfahren zu entwickeln, war und ist noch immer richtig. Es bietet gegenüber der derzeitigen Situation Vorteile für alle Beteiligten – für Studienanfänger wie für die Hoch- schulen. Erstens bietet es die Möglichkeit, ein zentrales Vergabeverfahren zu organisieren, ohne die Hochschu- len ihrer Autonomie zu berauben. Darüber hinaus be- schleunigt es die Studienplatzvergabe und räumt den Studierenden mehr Möglichkeiten bei der Wahl ihres Studienortes ein. Zweitens kann das neue Verfahren die Studienplatzvergabe schneller, effizienter und transpa- renter organisieren, wenn es denn einmal funktioniert. Deshalb halten wir es nach wie vor für richtig, dass wir als Parlament an dieser Stelle – trotz aller derzeitigen Probleme – auch noch einmal unsere grundsätzliche Un- terstützung für dieses Projekt dokumentieren. Der unmittelbar ersichtliche Nutzen eines solch ver- besserten Verfahrens für alle daran Beteiligten war und bleibt ja auch der Grund, der den Bund zu einer An- schubfinanzierung von 15 Millionen Euro veranlasst hatte, obwohl diese Aufgabe – wie alle anderen auch – eigentlich in die Zuständigkeit der Länder gefallen wäre. Ic e a g L li w S a d d s S a s c d w S s lu L m s s la D w Z g w z s u m le z w s S Z A S w L fa m H T te n S s a S B 3 (C (D h darf an dieser Stelle sicher auch noch einmal daran rinnern, dass das Dialogorientierte Serviceverfahren uch von der SPD befürwortet worden ist, mit der wir emeinsam die Anschubfinanzierung in der vergangenen egislaturperiode auf den Weg gebracht haben. Nun ist es angesichts der derzeitigen Situation letzt- ch natürlich richtig, die Einführung zu verschieben, eil auch insofern für alle gilt: Sicherheit geht vor chnelligkeit. Wir hatten ja schon in der Anhörung her- ushören können, dass die Stiftung schweren Herzens iesen Weg im Zweifelsfall gehen würde, weil die Be- enken in Bezug auf die berühmten Schnittstellen zwi- chen der neuen Software und den verschiedenen älteren ystemen schon lange vorhanden waren. Wir vertrauen uch weiter auf die hohe Professionalität der ausgewie- enen Experten vom Fraunhofer-Institut für Rechnerar- hitektur und Softwaretechnik und auch darauf, dass sie iejenigen sind, die im Kontakt mit den Softwareverant- ortlichen an den einzelnen Hochschulen künftig diese chnittstellenprobleme überwinden können. Eine Bundesgesetzgebung, wie der Antrag der Linken ie vorschlägt, hätte den Prozess der Softwareentwick- ng sicher nicht beschleunigen können. Und jetzt, wie andfried es vorschlägt, innerhalb von sechs Wochen al schnell ein Bundesgesetz für einheitliche Zulas- ungsregeln zu erlassen, ist völlig naiv. Da kann man ich über einen Profi wie Landfried, der die Hochschul- ndschaft aus seiner Amtszeit noch kennt, nur wundern. enn nur durch eine bundesgesetzliche Zuständigkeit ürden Schnittstellen auch nicht kompatibler. Was ist die Konsequenz aus der derzeitigen Situation? unächst einmal ist es ja schon bizarr, dass wir heute alle emeinsam hier diese Debatte führen müssen – hatten ir doch vor drei Wochen den Eindruck, Zeugen eines ufriedenstellend funktionierenden künftigen Zulas- ungssystems werden zu können. Jetzt gilt: Wir müssen ns als Parlament offensichtlich noch häufiger und eng- aschiger von den Verantwortlichen in den Hochschu- n, in den Ländern und bei der Stiftung für Hochschul- ulassung wie auch bei HIS darüber informieren lassen, ie der tatsächliche Stand des Projektes ist. Denn das ind wir alleine als Geldgeber – 15 Millionen Euro – den tudierenden und den Hochschulen als potenziellen ielgruppen und Nutznießern des Verfahrens schuldig. ußerdem sollten wir bei der Betreuung der nächsten chritte beachten, dass es auch um die neuerdings aufge- orfenen Fragen des Datenschutzes geht, dass auch ehramtsstudiengänge künftig in diesem Verfahren er- sst werden und dass die Hochschulen in Deutschland öglichst flächendeckend teilnehmen und nicht einige ochschulen jetzt die Chance nutzen, sich langfristig der eilnahme zu entziehen. Auch müssen wir darauf ach- n, dass die Länder ihren Folgefinanzierungspflichten achkommen. Die 15 Millionen sind ja jetzt nur für die oftwareentwicklung verausgabt worden, die Länder ind also künftig in der Finanzierungspflicht. Es war usgerechnet worden, dass bei ungefähr 20 Euro pro tudienplatz im Rahmen dieses Verfahrens für jedes undesland Kosten in Höhe von 80 000 Euro bis 00 000 Euro entstehen werden – eine Summe also, die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12135 (A) ) )(B) meines Erachtens sehr wohl von den Ländern im Inte- resse ihrer Studierenden erbracht werden kann. Passen wir also auf, dass jetzt hier nicht neue Fragezeichen an das Gesamtprojekt gemacht werden. Zum Antrag der Linken abschließend noch ein paar Worte: Es ist natürlich ihr gutes Recht und der klassische Trick, anhand eines konkreten Vorgangs ideologische Grundsatzfragen aufzuwerfen. Auch ein Zulassungsver- fahren wird generelle bildungspolitische Sachverhalte nicht umfassend lösen können. Dass die Schere zwi- schen bildungsfernen und bildungsnahen Schichten sich vergrößert, ist schlicht falsch: Sie wird substanziell klei- ner; immer mehr Kinder aus bildungsfernen Schichten studieren. Das wissen auch Sie von den Linken; ich weise nur auf die HIS-Studie „Studienberechtigte 2008“ hin. Sie möchten, dass die Studierendenquote in Deutschland erhöht wird. Auch das ist bereits seit Jahren der Fall. Inzwischen ist es so, dass 46 Prozent eines Jahr- gangs auf die Hochschulen gehen. Die Studierenden- quote in Deutschland wurde in den vergangenen Jahren also bereits massiv erhöht, und das ist vor allem der Er- folg des Hochschulpakts und seiner Architektinnen und Architekten. Sie sollten auch in Bezug auf ihr Stichwort „Master- studium“ zur Kenntnis nehmen, dass Bachelorabsolven- ten auf dem Arbeitsmarkt nicht länger brauchen, um ei- nen Arbeitsplatz zu finden als ihre Kommilitonen mit anderen akademischen Abschlüssen. Auch sie benötigen im Durchschnitt drei Monate, um sich nach dem Ab- schluss einen ersten Arbeitsplatz zu suchen. Einen Rechtsanspruch auf den Master kann es nicht geben, weil es in der Logik konsekutiver Studiengänge einfach nicht vorgesehen ist. Sie können von mir aus die altbe- kannte Kritik hier immer wiederholen; leider bleibt sie substanzlos. Wenn Sie die Hochschulzulassung nur als Alibi für ihre Fundamentalkritik benutzen, dann schaden Sie den Studierenden und tragen nicht zu einer konstruk- tiven Auseinandersetzung bei. In der gegenwärtigen bedauerlichen Situation geht es weniger um große ideologische Rundumschläge, son- dern darum, dass wir gemeinsam und sehr pragmatisch dafür Sorge tragen, dass sich die Zulassungssituation in den überfüllten Studiengängen in Deutschland ent- schärft. Wir sind einem echten Service- und Dienstleis- tungsgedanken gegenüber den Studierenden verpflichtet. Deshalb haben wir mit 15 Millionen Euro an Bundesmit- teln ein Projekt auf den Weg gebracht, dass den Studie- renden und den Hochschulen ihr Leben erheblich er- leichtern könnte. Jetzt müssen die Projektentwickler ihre Pflicht tun – seriöser als bisher und ohne falsche Zeitvor- stellungen, aber doch mit dem Ziel vor Augen, die Miss- stände zu beseitigen. In absehbarer und vertretbarer Zeit muss den Studierenden das Angebot zur Verfügung ge- stellt werden, das man nach einer Investition von 15 Mil- lionen Euro an Bundesgeldern auch erwarten kann. Tankred Schipanski (CDU/CSU): Die Linken nut- zen die öffentlich gewordenen technischen Probleme bei der Stiftung für Hochschulzulassung, um ihre bildungs- politische Ideologie wieder einmal im Plenum zu disku- ti d s z ü h ri S d H e w d h u H S v ra k k n s d s H h s d g d b S d im n ti b H B ri d n g li re B m lu U e m re m s v (C (D eren. Lobenswert ist, dass auch die Linken erkennen, ass ein funktionierendes Verfahren zur Hochschulzulas- ung notwendig ist und dass die Stiftung für Hochschul- ulassung das richtige Instrument ist. Bereits in der gestrigen Ausschusssitzung zeigte sich ber die Fraktionsgrenzen hinweg Einigkeit dahin ge- end, dass das dialogorientierte Serviceverfahren ein chtiger und wichtiger Schritt ist, um die Vergabe von tudienplätzen transparenter zu machen und um es an ie Bedürfnisse der Studierenden, aber auch an die der ochschulen anzupassen. Darüber hinaus sind wir uns inig, dass wir jetzt in engem Dialog mit den Verant- ortlichen eine Fehleranalyse vornehmen müssen, bei er aufgeklärt wird, wo noch technische Probleme beste- en – viel wird ja in diesen Tagen über die Schnittstellen nd die Kompatibilitäten zwischen teilweise veralteter ochschulsoftware und der von T-Systems entwickelten oftware geredet. Hier brauchen wir Klarheit, um dann ernünftige Lösungsansätze und einen realistischen Zeit- hmen für die Einführung des Systems entwickeln zu önnen. Die aufgetretenen technischen Probleme sind jedoch eine rechtlichen. Dies verkennen die Linken, wenn sie unmehr als Allheilmittel ein „Bundeshochschulzulas- ungsgesetz“ fordern. In Ihrem Antrag betonten Sie, dass er Bund die ihm seit der Föderalismusreform 2006 zu- tehende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung des ochschulzuganges bislang noch nicht wahrgenommen abe. Damit sagen Sie zwar nichts grundsätzlich Fal- ches. Sie erwecken aber fälschlicherweise den Ein- ruck, dass es explizites Ziel der Föderalismusreform ewesen sei, die Hochschulzulassung zukünftig durch en Bundesgesetzgeber regeln zu wollen. Damit offen- aren Sie ein völliges Missverständnis in Bezug auf die ystematik dieser Reform. Zum einen ist nämlich mit em Wegfall der bundesgesetzlichen Rahmenkompetenz Hochschulrecht eine Kompetenzveränderung vorge- ommen worden, aus der sich nun wirklich kein Impera- v für eine verstärkte hochschulrechtliche Gesetzge- ungstätigkeit des Bundes herauslesen lässt. Beim Bund verbleiben Kompetenzen im Bereich der ochschulzulassung und der Hochschulabschlüsse. eide Kompetenzen stehen aber im Katalog der konkur- erenden Gesetzgebung und fallen unter die Regelung es Art. 72 Abs. 3 Grundgesetz; da geht es um die soge- annte Abweichkompetenz der Länder. Diese Vorschrift ibt den Ländern die Möglichkeit, auf eine bundesrecht- che Regelung wiederum mit abweichendem Landes- cht zu reagieren. Ihr Ansinnen, die Länder durch ein undesgesetz vor vollendete Tatsachen zu stellen, ist so- it mehr als fragwürdig, denn es läuft Gefahr, ein Rege- ngschaos zwischen Bund und Ländern hervorzurufen. nser Ziel sollte es sein, im Dialog mit den Ländern zu iner sinnvollen und zielorientierten Lösung zu kom- en. Das ist jedoch nicht der einzige Irrtum in Ihrer chtlichen Argumentation. Mit Interesse habe ich gelesen, dass Sie Ihren Antrag it Zitaten aus dem zweiten Urteil des Bundesverfas- ungsgerichts zum Numerus clausus aus dem Jahre 1977 erziert haben. Ich will mich an dieser Stelle aber gar 12136 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) nicht darüber streiten, wie sinnvoll oder vielmehr wie sinnlos es ist, einzelne Zitate aus dem Gesamtzusam- menhang höchstrichterlicher Rechtsprechung zu reißen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass Sie gut daran getan hätten, nicht nur dieses Urteil, sondern auch das wesent- lich grundlegendere Urteil des Bundesverfassungsge- richts aus dem Jahre 1972 zu dieser Thematik vollstän- dig zu lesen. Beide Urteile stammen aus einer Zeit, in der sich die Universitäten der Gesellschaft gegenüber in massivem Umfang geöffnet haben. Das Bundesverfas- sungsgericht stellte bereits 1972 selber fest, dass der Hochschulausbau mit der Verdoppelung der Zahl der Studienanfänger – Referenzzeit waren die Jahre 1952 bis 1967 – nicht Schritt halten konnte. Diese Ressourcen- knappheit infolge des stärksten Umbruchs unserer Uni- versitätslandschaft ist wohl kaum mit der heutigen Situa- tion zu vergleichen. Der angesprochenen Verdoppelung der Zahl der Studienanfänger steht im aktuellen Refe- renzzeitraum der letzten 15 Jahre ein Anstieg der Studie- rendenzahl um lediglich 13 Prozent gegenüber. Das Ur- teil entstammt also einer Zeit mit vollkommen unterschiedlichen bildungspolitischen Herausforderun- gen. Dennoch stellt das Bundesverfassungsgericht in die- sen Urteilen natürlich auch Grundlegendes fest, so etwa auch, dass eine Auswahl zwischen hochschulzugangsbe- rechtigten Bewerbern prinzipiell eine Ungleichbehand- lung prinzipiell Gleichberechtigter darstellt. Es betont daher richtigerweise auch den Grundsatz, dass Auswahl- regelungen jedem Zulassungsberechtigten eine Chance lassen müssen. Daraus ein generelles Recht auf die freie Wahl des Faches wie des Studienortes zu konstruieren, wie Sie es in Ihrem Antrag tun, ist aber doch verblüf- fend. Das Bundesverfassungsgericht selbst stellt in dem von Ihnen bemühten Urteil nämlich fest, ich zitiere: „In harten Numerus-clausus-Fächern […] konnte [der Grundsatz, jedem Zulassungsberechtigten eine Chance zu lassen,] aber von Anfang an nicht so verstanden wer- den, als müsse eine Zulassung zum Studium garantiert werden. Schon begrifflich schließt die Einräumung von Chancen das Risiko des Fehlschlages ein.“ In unserer Bundesrepublik geht es um Chancen- gleichheit und nicht um Gleichmacherei, wie Sie dies aus Ihrer sozialistischen Doktrin kennen. Davon zeugen auch noch andere Passagen Ihres Antrags. Mit einer ge- wissen Überraschung durfte ich in Ihrem Antrag lesen, dass die Hochschulzugangsberechtigung in Form des Abiturs „die logische Konsequenz aus der ständischen Gliederung des bundesdeutschen Schulsystems“ sei. Es ist schon sehr bezeichnend, dass Sie unser gegliedertes Schulsystem, das den individuellen Begabungen des Einzelnen gerecht zu werden sucht, mit Begriffen der mittelalterlichen Feudalgesellschaft belegen. Solche Formulierungen zeugen wohl eher von rhetorischer Ein- fallslosigkeit als von bildungspolitischem Verantwor- tungsbewusstsein. Ihre bildungspolitische Verantwortungslosigkeit zeigt sich zudem in Ihrer populistischen Forderung „Master- studium für alle“. Die Forderung nach ausreichenden Masterstudienplätzen ist legitim, aber nicht Ihre aben- te d z g Ih tu te R s b d s s H A q K A lo v b m d B a g d U b h d m g v m le in K d li te V S n A re s w te Ic z H Z in li e (C (D uerlichen Forderungen, Studienanfängern schon mit er Zulassung zum Bachelorstudiengang die Zulassung u einem darauf aufbauenden Masterstudiengang an der leichen Hochschule zu gewährleisten. Dazu sage ich nen: Ein Master für alle, am besten ohne jegliche Leis- ngsanforderungen, ist mit uns nicht zu machen. Wir treten dafür ein, dass bei der Auswahl der Mas- rstudierenden der Leistungsgedanke eine tragende olle spielt. Hier geht es nicht um Mangelverwaltung, ondern darum, den Hochschulen die Möglichkeit zu ge- en, besonders bei stark nachgefragten Studiengängen ie leistungsfähigsten Studierenden auszuwählen. Wie ie das tun – ob durch Auswahlgespräche, Motivations- chreiben, die Nachweise von Praktika –, wissen die ochschulen selbst am besten, und deshalb sollte die uswahlentscheidung ihnen überlassen bleiben. Für uns ist und bleibt der Bachelor der erste berufs- ualifizierende Abschluss und kein Abschluss „zweiter lasse“ – zu dem Sie ihn gern degradieren würden. uch Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass der Bache- r in der Wirtschaft auf breite Akzeptanz stößt. Absol- enten eines Bachelorstudienganges finden auf dem Ar- eitsmarkt genauso schnell eine Stelle, wie dies Kom- ilitonen mit Magister- oder Diplomabschluss tun, und ie Rate der Arbeitslosigkeit liegt mit rund 3 Prozent für achelorabsolventen nicht höher als für Absolventen mit nderen Hochschulabschlüssen. Allerdings besteht auf- rund fehlender Erfahrungen hinsichtlich der Qualität er Bachelorabschlüsse in einigen Unternehmen noch nsicherheit darüber, wie Bachelorabsolventen im Hin- lick auf ihre Kompetenzen und Potenziale fachlich und ierarchisch einzustufen sind. Deshalb werben wir dafür, ass die Akzeptanz in den Unternehmen weiter steigt. Ihr Antrag enthält weitere Vorurteile, die es auszuräu- en gilt. Die Linke unterstellt, dass durch die derzeiti- en Vergabeverfahren eine soziale Selektion zulasten on Studierenden aus Arbeiterfamilien oder Familien it niedrigerem Einkommen stattfindet. Allein den Be- g für ihre Behauptung bleiben Sie uns schuldig. Bereits der Antwort – das ist Drucksache 17/373 – auf eine leine Anfrage Ihrer Partei auf Drucksache 17/183 hat ie Bundesregierung festgestellt: „Der Bundesregierung egen keine Erkenntnisse darüber vor, dass das erwei- rte Selbstauswahlrecht der Hochschulen nachteilige eränderungen bei der sozialen Zusammensetzung der tudierenden bewirkt hätte.“ Durch verschiedene Maß- ahmen – wie BAföG-Novelle, Stipendiengesetz und ufstiegsstipendien – versuchen wir, die Chancenge- chtigkeit zu erhöhen und Menschen aus allen gesell- chaftlichen Schichten ein Studium zu ermöglichen Als Partei der Utopien haben Sie natürlich auch noch eitere unrealistische Forderungen in Ihrem Antrag un- rgebracht: 500 000 zusätzliche Studienplätzen für alle. h darf Sie an dieser Stelle auf den Boden der Tatsachen urückholen. Bereits in der ersten Programmphase des ochschulpaktes wurde das ursprünglich verabredete iel, 91 370 zusätzliche Studienplätze zu schaffen, mit sgesamt 182 193 zusätzlichen Studienanfängern deut- ch übertroffen. Für die zweite Programmphase wurde ine Aufstockung um weitere 275 000 Plätze vereinbart. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12137 (A) ) )(B) Der Bund engagiert sich also hier bereits in überdurch- schnittlichem Maße. Utopische Forderungen zu stellen, ohne einen Vorschlag zu machen, woher die dafür not- wendigen Mittel kommen sollen, ist unredlich, in Ihrer Partei aber durchaus nichts Neues. Zusammenfassend ist Ihnen für zukünftige Anträge mit auf den Weg zu geben: Nehmen Sie endlich Tatsa- chen und Erfolge unserer Bildungsrepublik Deutschland zur Kenntnis. Erkennen Sie, dass wir in einer Leistungs- gesellschaft leben, und verführen Sie unsere Jugend nicht mit Ideologie und Utopien. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Der Antrag der Frak- tion Die Linke klingt zunächst sympathisch. Abgesehen von ein paar Ungereimtheiten enthält er eine ganze Reihe von weitgehenden Forderungen und Zielstellungen, da- runter den Wegfall aller Zulassungs- und Zugangshürden für das Studium und die Sicherstellung des Rechts auf ei- nen Masterstudienplatz im Wunschfach am Wunschort. Allein: Das ist nicht nur ambitioniert, sondern ein Wünsch-dir-was-Katalog, der schlichtweg nicht reali- sierbar ist. Und darum sagt die Linke in ihrem Antrag si- cherheitshalber auch nichts über Kosten und zur Fragen, woher das Geld dafür denn kommen soll. So sehr wir Zielstellungen wie die Ausweitung des Studienplatzan- gebotes – auch beim Master –, die Verbesserung der Lehre oder die soziale Mobilität teilen und unterstützen, so sehr gehört zu verantwortungsvoller Politik auch, dass gesagt wird, was in welchem Zeitraum geht und was nicht. Tatsächlich muss der Hochschulpakt verbessert wer- den. Die weiterhin bestehende Deckelung der Finanzie- rung von Studienanfängerplätzen muss weg. In der Tat gibt es ein immer stärker werdendes Problem mit dem Zu- gang zum Master. Auch das muss im Hochschulpakt künftig berücksichtigt werden. Die heute veröffentlichte Studie über Bachelorstudierende zeigt, dass die deutliche Mehrheit ein Masterstudium anhängen will. Es reicht eben nicht, Studienanfänger zu finanzieren, es muss ihnen auch eine ordentliche Perspektive gegeben werden. Und es muss auch die Qualität der Lehre und die Betreuung der Studierenden verbessert werden – der Qualitätspakt der Bundesregierung reicht da nicht aus. Alleine die Aufstockung des Hochschulpaktes für Stu- dienanfänger um 200 000 Plätze bis 2015 würde Bund und Länder 5,2 Milliarden Euro kosten – nach bisheriger Berechnung. Das ist anspruchsvoll, aber machbar. Damit wäre aber bei weitem noch nicht die Forderung nach Wegfall aller Beschränkungen realisiert und auch nicht die Aufstockung des Finanzierungsbetrages. Insofern also haben wir durchaus ähnliche Zielstellungen. Doch wäh- rend die Linke nach den Sternen greift, erstellen wir Kon- zepte, die realisierbar sind. Der Antrag behandelt eine weitere wichtige Fragestel- lung, nämlich die Regelung der Vergabe von Hochschul- plätzen. Wir erleben ja gerade ein Desaster, weil nun er- neut ein Anlauf für ein vernünftiges, organisiertes Vergabeverfahren geplatzt ist. 17 000 Studienplätze blie- ben zuletzt unbesetzt – was für ein Jammer und was für e D h A n g w ly k s n d d d w s e a le ti z H d d d n fe B is m b „ g le h n n a li s g s D n v v re v la B k w F d g (C (D in Schaden für die Menschen und für die Gesellschaft! as neue, Dialogorientierte Serviceverfahren sollte Ab- ilfe schaffen, aber – wir haben das ja gestern bereits im usschuss debattiert – die Verantwortlichen haben es icht hinbekommen. Mich erzürnt das Schwarze-Peter-Spiel, das jetzt be- onnen hat. Jeder weiß ganz genau, dass er nicht verant- ortlich ist. Wir fordern eine schonungslose Fehlerana- se – und Offenheit für die richtigen Konsequenzen. Es ann doch nicht sein, dass die Bundesministerin Schavan ich zurücklehnt und „Mein Name ist Hase, ich weiß von ichts!“ flötet. Die Bundesregierung ist genauso im Boot er Verantwortlichen wie die Länder, die Hochschulen, er Stiftungsrat und die Softwareentwickler. Da stellt sich ann schon die Frage, woran es genau gelegen hat. Wir erden das im Ausschuss näher erörtern. Sind es techni- che Probleme? Hat es mit der Finanzierung zu tun? Sind s zu viele Akteure, auf deren Kooperation das System ngewiesen ist? Ist es überhaupt machbar, den Hochschu- n weitgehende Autonomie einzuräumen und gleichzei- g ein bundesweites Verfahren zu organisieren? Wo set- en wir dann unsere Prioritäten? Die Linke fordert die bundesgesetzliche Regelung des ochschulzuganges. Das ist eine starke Forderung, für ie es gute Argumente gibt. Wir bekennen uns dazu, dass as durchaus eine der Möglichkeiten ist, die am Ende es Abwägungsprozesses stehen kann. Doch wir wollen icht so schnell mit scheinbaren Gewissheiten auftrump- n, sondern uns gemeinsam mit allen Beteiligten ein ild machen und das weitere Vorgehen erörtern. Jedoch t klar, dass umgehend ein „Plan B“ organisiert werden uss, der so lange greift, bis wir ein neues System ha- en. Dieser Plan B sollte tunlichst nicht in der Variante Weiter so wie bisher!“ bestehen. Auch das werden wir emeinsam – aber schnell – beraten müssen. Klaus Hagemann (SPD): Die deutschen Hochschu- n erwarten in diesem Jahr einen bisher noch nicht gese- enen Ansturm junger Studienanfänger und -anfängerin- en. Mit großen Worten hatte die Bundesregierung ein eues, zentralisiertes Vergabeverfahren für Studienplätze ngekündigt, das nach jahrelangen Versäumnissen end- ch die chaotischen Zustände beim Semesterstart be- eitigen sollte. Viel zu spät wurden die nötigen Impulse esetzt, um dem ineffizienten und langwierigen Zulas- ungsverfahren an deutschen Universitäten zu begegnen. er Stiftung für Hochschulzulassung blieb am vergange- en Dienstag nichts anderes übrig, als wenige Wochen or dem geplanten Start des Dialogorientierten Service- erfahrens die Reißleine zu ziehen und das neue Verfah- n abzusagen. So, wie es sich heute darstellt, hatten wir es uns nicht orgestellt, als wir zu Zeiten der Großen Koalition, nach nger Diskussion im Haushaltsausschuss, gemeinsam undesmittel in Höhe von 15 Millionen Euro als „Start- apital“ bewilligt haben – und dies, obwohl die Verant- ortung eigentlich bei den Bundesländern liegt. Die reigabe der Gelder wurde damals – auch auf Verlangen er SPD-Fraktion – an so wichtige Bedingungen wie die arantierte Gebührenfreiheit für die Studienbewerber 12138 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) und -bewerberinnen geknüpft. Es ist schon ein ungeheu- erlicher Vorgang, dass der Bund in die Bresche springen musste, nachdem der frühere „Innovations“-Minister aus NRW, Andreas Pinkwart, seinerzeit das System der ZVS kurzerhand zerrissen hat, ohne eine angemessene Alter- native hervorzubringen. Dieses Vorgehen war angesichts der steigenden Zahl an Studienanfängern und der Tatsa- che, dass die Bundesländer eine Finanzierung bestenfalls mittelfristig auf die Beine gestellt hätten, geradezu fahr- lässig. Frau Bundesministerin Schavan, ich habe den Ein- druck, Ihr Haus und die anderen Beteiligten waren durch die Planung des neuen Systems völlig überfordert. Es ist zwar rührend, dass Sie nun in einer Pressemitteilung das Scheitern des Serviceverfahrens bedauern. Sie können aber nicht behaupten, seitens des Bundes wären alle Vo- raussetzungen geschaffen worden, während Sie gleich- zeitig versuchen, die Verantwortung auf die Stiftung für Hochschulzulassung und die Gesellschaft Hochschul- Informations-System abzuwälzen. Die Überforderung der Hochschulen durch geburten- starke Jahrgänge und doppelte Abiturjahrgänge war seit langem absehbar. Erst haben Sie eine Lösung jahrelang verbummelt, dann musste plötzlich alles ganz schnell gehen. Nachdem sich dann noch die Auftragsvergabe um drei Monate verzögert hatte, sollte schließlich in nur rund einem Jahr ein System gezimmert werden, das Hunderte unterschiedlicher und teils veralteter Hoch- schulverwaltungssysteme zu einer modernen Web-Platt- form koordinieren sollte. Die negativen Erfahrungen, die bei der Einführung der Autobahnmaut gemacht wurden, hätten hier zur Lehre gereichen können. Seit damals wissen wir, wie langwierig und kostenintensiv solche Schwierigkeiten in komplexen Softwaresystemen wer- den können. Vor diesem Hintergrund war das Verspre- chen, im April 2011 mit dem neuen System an den Start zu gehen, nichts als Augenwischerei. Die enge Terminie- rung hätte letztlich auch bedeutet, dass mit der Inbetrieb- nahme des Systems der erste ernsthafte Test des Verfah- rens auf den bis dato größten Ansturm an die Universitäten geprallt wäre. Auch der knappe Zuschnitt des Systems, der etwa Lehramtsstudiengänge und Bachelor mit mehr als ei- nem Fach ausklammert, hätte dann zu neuen Problemen geführt. Auch die Hochschulrektorenkonferenz hätte während der Vorbereitung mehr Geschlossenheit zeigen müssen. Die millionenschwere Anschubfinanzierung des Bundes war offenbar nicht Anreiz genug, um die Kooperation der Hochschulen untereinander und an der Schnittstelle zur neuen Plattform herzustellen. Auch haben sich viele Universitäten noch bis kurz vor dem geplanten Start be- deckt gehalten, ob sie überhaupt mitmachen wollen. Die Haltung vieler Hochschulen war nicht so optimistisch, wie es zunächst die Zustimmung der Hochschulrektoren- konferenz suggeriert hat. Es wäre aber vor allem Ihre Aufgabe gewesen, Frau Bundesministerin, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. Das Dialogorientierte Serviceverfahren wird nur dann zum Erfolg, wenn Sie alle Universitäten ins Boot holen. Die Verzögerung ist n m g v tä z a v d g c s n m re e b m m s s b m 6 d w k s v S H g d w g H S b lo S M C d s p B R z e a v v z li (C (D icht technischen Widrigkeiten geschuldet, sondern angelnder politischer Koordination. Die Betroffenen sind die Studienanfänger und -anfän- erinnen, denen auch dieses Jahr der Start ins Studium erhagelt wird. Sie müssen sich an Dutzenden Universi- ten parallel bewerben und bleiben auf den Kosten und eitlichen Folgen des ineffizienten Systems sitzen. Für ll jene, die auch über eines der langwierigen Nachrück- erfahren keinen Platz erhalten haben, bleibt erneut nur ie Studienplatzbörse übrig – eher eine Notlösung als ein eordneter Übergang ins neue System. Die Effizienzlü- ken dieser akademischen „Resterampe“ zeigten sich chon bei einer Erhebung im Wintersemester 2009/2010, ach der mindestens 18 000 der begehrten Studienplätze it örtlichem Numerus clausus unbesetzt geblieben wa- n. Die damalige Argumentation der Unionsfraktion, in Großteil dieser Plätze sei im Semesterverlauf noch esetzt worden, wird durch die Zahlen zum Winterse- ester 2010/2011 eindeutig widerlegt. Nachdem auf assives Drängen der SPD-Fraktion im Haushaltsaus- chuss das Erhebungsinstrument verbessert wurde, zeigt ich jetzt, dass erneut fast 17 000 Studienplätze frei ge- lieben sind. Das sind 6,9 Prozent aller Studienplätze it lokaler Zulassungsbeschränkung! Mit den rund 0 000 Studieninteressierten, die durch die Aussetzung er Wehrpflicht zusätzlich an die Universitäten drängen erden, werden wir dieses Jahr wohl einen neuen „Re- ord“ erreichen. Eine solche Verschwendung von Kapazitäten ist be- onders pikant im Hinblick auf die Finanzmittel in Höhe on 4,7 Milliarden Euro, die der Bundestag für die chaffung von neuen Studienplätzen im Rahmen des ochschulpaktes für die Jahre 2011 bis 2015 zur Verfü- ung stellt. Das Bemühen, junge Menschen für ein Stu- ium zu begeistern und mehr Studienplätze zu schaffen, ird durch die bestehenden Mängel konterkariert. Die uten Voraussetzungen, die die Große Koalition mit dem ochschulpakt geschaffen hat, laufen ins Leere, weil ie, Frau Ministerin, den Schuss nicht gehört haben. Es raucht jetzt ein entschlossenes Vorgehen, um das Dia- gorientierte Serviceverfahren schnellstmöglich an den tart zu bringen und den Schaden zu begrenzen. Frau inisterin Schavan, machen Sie das Thema endlich zur hefsache, nutzen Sie die Kompetenzen des Bundes bei er Hochschulzulassung! Die Koordinierung des Zulas- ungsverfahrens muss unverzüglich und offensiv ange- ackt werden. Handeln Sie jetzt! Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): Die FDP- undestagsfraktion lehnt sowohl eine bundesgesetzliche egelung der Hochschulzulassung als auch des Zugangs u Masterstudiengängen ab. Für beide Maßnahmen gibt s keinerlei sinnvolle Begründung und nachweislich uch keinen Regelungsbedarf. Daher werden wir den orliegenden Antrag der Fraktion Die Linke ablehnen. Wieder einmal zeichnen die Antragsteller ein Bild om deutschen Hochschulsystem und von der Umset- ung des Bologna-Reformprozesses, das mit der Wirk- chkeit nicht ansatzweise übereinstimmt. Zahlreiche Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12139 (A) ) )(B) Studien belegen, dass die Umsetzung von Bologna in Deutschland auf einem guten Weg ist. Natürlich ist noch nicht alles optimal, aber es handelt sich um die größte Reform der deutschen Wissenschaftsgeschichte. Und „trotz mancher Kinderkrankheiten gibt es bereits viele gute Effekte“, wie es Uwe Schlicht jüngst in seinem Ar- tikel „Der Bachelor kann’s“ treffend konstatierte (ver- gleiche Der Tagesspiegel vom 11. März 2011). Viele der reform-auslösenden Mängel, wie beispielsweise ein im internationalen Vergleich später Berufseintritt durch eine lange Studiendauer, eine hohe Abbrecherquote oder eine geringe Praxisorientierung der Studiengänge, sind be- reits behoben oder zumindest abgeschwächt worden. Es herrscht trotz aller Unkenrufe eine hohe Zufriedenheit der Absolventen mit ihrer Ausbildung, und auch die Ak- zeptanz seitens der Arbeitgeber ist beachtlich hoch: 72 Prozent der Bachelorabsolventen hatten – so das Er- gebnis einer Studie des Internationalen Zentrums für Hochschulforschung in Kassel – drei Monate, nachdem sie die Urkunde in den Händen hielten, einen Arbeits- platz. Die Fraktion Die Linke behauptet zum wiederholten Male, dass in Deutschland zu wenige Masterstudien- plätze zur Verfügung stehen. Zu diesem Ergebnis ge- langt man, weil man im Lager der Linken die Unter- scheidung zu dem Vorgängermodell „Diplom“ nicht nachvollziehen will oder kann. Der Bachelorstudiengang wird dem Grundstudium gleichgesetzt. Deswegen kommt man zu dem Trugschluss, dass alle Absolventen eines grundständigen Studienganges auch ein Masterstu- dium anstreben müssten. Während die erstgenannte Be- hauptung einer empirischen Grundlage entbehrt, ver- deutlicht die zweitgenannte Annahme, wie wenig man sich mit der Zielsetzung der Bologna-Beschlüsse befasst hat. Die Kultusministerkonferenz, KMK, gelangt im die- ser Tage bekannt gewordenen Bericht des Hochschul- ausschusses zur „Situation im Masterbereich“ zu der Einschätzung, dass es gegenwärtig keinen Mangel an Masterstudienplätzen in Deutschland gibt (vergleiche dpa-Meldung „KMK: Derzeit kein Mangel an Master- studienplätzen“ vom 6. April 2011). Vielmehr sei die Zahl der angebotenen Masterstudienplätze ausreichend, wenngleich die Aufnahme eines Masterstudiums auch mit einem erforderlichen Ortswechsel verbunden sein könne. Interessant ist dabei, dass im Bachelorabschluss- jahrgang 2009 unter den Befragten, die ein Masterstu- dium aufgenommen haben, 90 Prozent angegeben ha- ben, dass sie sowohl ihr Wunschfach als auch ihre Wunschhochschule bekommen hätten. Und auch das sagt die Erhebung der KMK: Etwas mehr als drei Viertel aller Masterstudiengänge haben kei- nen örtlichen Numerus clausus. Und selbst bei den deutschlandweit 32 135 zulassungsbeschränkten Studien- plätzen sind ganze 6 258 nach dem Ende des Nachrück- verfahrens unbesetzt geblieben. Der Andrang war also geringer als erwartet, und es herrscht nachweislich keine Knappheit im Angebot von Masterstudienplätzen. Bei den Bachelorprüfungsjahrgängen 2005 bis 2007 wurde zudem lediglich eine Übertrittsquote von 33 Prozent ins M s n Ü k v – Ü M W n n d le la u c R ja E e fö M e s g g s s fo A re p le d a m w te G s k fü ru n w s re z s fe ü u W s s ß (C (D asterstudium ermittelt. Die Behauptungen der Antrag- teller sind damit zum heutigen Zeitpunkt empirisch icht belegt. Gleichwohl ist nicht absehbar, wie sich die bertrittsquoten vom Bachelor- zum Masterstudium ünftig angesichts der zu erwartenden steigenden Zahl on Bachelorabsolventen entwickeln werden. Doch und das ist meine volle Überzeugung – ein kompletter bergang von Bachelorabsolventenjahrgängen zum asterstudium ist gar nicht erstrebenswert. Eine solche iderspiegelung der ehemaligen Studienstruktur unter euem Namen wäre weder im Interesse der Studierenden och der Hochschulen oder des Arbeitsmarktes. Die Bildungsrepublik Deutschland kann auch dank er großen Anstrengungen seitens der christlich-libera- n Koalition – wir stellen allein in der laufenden Legis- turperiode zusätzlich 12 Milliarden Euro für Bildung nd Forschung im Bundeshaushalt bereit – auf beachtli- he Erfolge im Hochschulbereich verweisen: mit einer ekordstudienanfängerquote von 46 Prozent im Studien- hr 2010, mit der Bereitstellung von etwa 2 Milliarden uro bis zum Jahr 2020 für den Qualitätspakt Lehre, mit inem endlich Bologna-tauglichen Bundesausbildungs- rderungsgesetz, welches Fördermöglichkeiten für asterstudenten bis zum 35. Lebensjahr bietet, mit einer rfolgreichen Umsetzung des Hochschulpaktes, mit des- en Hilfe nicht nur die angestrebten 91 370, sondern so- ar 182 193 zusätzliche Studienplätze in der ersten Pro- rammphase geschaffen wurden, und der Zusicherung eitens der Bundesregierung, im Rahmen des Hoch- chulpakts II eine Aufstockung für darüber hinaus in- lge der Aussetzung der Wehrpflicht und der doppelten biturjahrgänge benötigte Studienplätze mitzufinanzie- n. Mit dem in diesem Jahr startenden Deutschland-Sti- endium, welches künftig einen wichtigen Beitrag dazu isten wird, dass das Jobben neben dem Bachelorstu- ium zunehmend überflüssig werden kann, sorgen wir uch dafür, dass die Rahmenbedingungen für eine opti- ale Umsetzung der Bologna-Reform weiter verbessert erden. Die Antragsteller beklagen die jahrzehntelange Un- rfinanzierung des deutschen Hochschulsystems. leichzeitig bieten sie aber keinerlei konstruktive Vor- chläge an, wie sich dieser Mangel beheben lassen önnte. Auch wenn sich über die Hälfte der Deutschen r Studienbeiträge als ein probates Mittel zur Finanzie- ng der Hochschulen aussprechen – die Linke will es icht wahrhaben. Sie scheut es, darüber nachzudenken, elche positiven Effekte Studienbeiträge für die Hoch- chullehre hat, angefangen bei verbesserten Betreuungs- lationen über bessere Hochschulinfrastruktur bis hin um persönlichen Anspruch des Einzelnen gegenüber einer Hochschule. Leider mussten wir immer wieder ststellen, dass sich die Oppositionsfraktionen gegen- ber Argumenten versperren, empirische Daten negieren nd Fakten infrage stellen. Wenn Wahrheiten nicht ins eltbild passen, werden sie passend gemacht. Mit die- em Anspruch lässt sich Politik betreiben; für das Wis- enschaftssystem ist eine solche Haltung bekannterma- en aber Gift. 12140 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) Ein – wie von den Antragstellern gefordertes – Bun- deshochschulzulassungsgesetz stellt einen Angriff auf die Autonomie der Hochschulen dar und wird seitens der FDP-Bundestagsfraktion mit aller Vehemenz abgelehnt. Damit wäre nicht nur der Bologna-Reformprozess ad ab- surdum geführt. Man vergisst auch zu gerne, dass der Bund sich nur im Rahmen der konkurrierenden Gesetz- gebung einbringen kann. Sobald ein Land ausschert, bricht das wackelige Gefüge zusammen. Da ist es doch besser, die Organisation dezentral zu verorten und auf das dialogorientierte Zulassungsverfahren „hochschul- start.de“ der Stiftung für Hochschulzulassung zu warten. Ja, es hat Verzögerungen gegeben, und diese müssen schnellstmöglich behoben werden. Wer aber so tut, als würden bundesgesetzliche Regelungen schneller greifen können, der handelt unredlich. Es gibt Software-Schnitt- stellenprobleme. Diese sind der Grund für das Verschie- ben. Aber das neue System wird kommen – wir lassen uns nicht auf eine Rolle rückwärts in die 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts ein. Die Studentenlandver- schickung per ZVS ist endgültig passé; das werden auch SPD, Grüne und die Linke begreifen müssen. Als Fazit bleibt – wie so oft bei den Anträgen der Fraktion Die Linke – festzuhalten: Hier wird mit untaug- lichen Mitteln die Beseitigung von nicht existierenden Problemen gefordert. Der Antrag ist also nicht nur nicht gut gemacht, sondern auch nicht gut gemeint und gehört daher abgelehnt. Nicole Gohlke (DIE LINKE): Seit Jahren erhalten jedes Semester viele Tausend junge Menschen, die stu- dieren wollen und dafür die nötigen Voraussetzungen mitbringen, von den Hochschulen eine Absage. Das heißt, sie erwerben sich durch das Abitur oder andere Studienberechtigungen zwar einen formalen, aber keinen tatsächlichen Hochschulzugang. Mittlerweile ist das nicht mehr nur beim Studienbeginn so, sondern nun auch beim Übertritt in den Master. Und damit nicht genug: Die Zulassungsverfahren sind chaotisch, das dialog- orientierte Zulassungsverfahren der Bundesregierung ist faktisch gescheitert, am Ende bleiben auch dieses Jahr wahrscheinlich wieder Tausende Studienplätze unbe- setzt. Dieser Zustand ist unerträglich! Seit 2006 fällt die Hochschulzulassung – unter Mitwir- kung der Länder – in den Kompetenzbereich des Bundes. Aber die Bundesregierung macht keine Anstalten, die chaotischen Verhältnisse nachhaltig zu verbessern. Mit unserem Antrag wollen wir das ändern. Deshalb fordert die Linke ein Bundeshochschulzulassungsgesetz: Jede und jeder Studienberechtigte soll tatsächlich studieren können, und zwar im gewünschten Fach und am ge- wünschten Ort. Seit der Regierung Schröder wird das sogenannte „Selbstauswahlrecht der Hochschulen“ gestärkt: Im Sinne der sogenannten „Profilbildung und des Wettbe- werbs zwischen den Hochschulen“ sollen sich die Hoch- schulen „ihre Studierenden“ aussuchen dürfen. Ich glaube aber, man muss sich an dieser Stelle entscheiden: Wollen wir, dass die Studierenden wählen dürfen – so v M d n u d p R 1 R ta s d H D d s m m d s F p re M S v s z s e d d S a re e u d z v F d h W g fu W lä (C (D erstehe ich das Recht auf freie Berufswahl und das enschenrecht auf Bildung –, oder wollen wir, dass sich ie Hochschulen ihre Studierenden aussuchen – dann immt man zwangsläufig in Kauf, dass Bewerberinnen nd Bewerber abgewiesen werden? Manche halten es für utopisch, dass jeder den Stu- ienplatz bekommt, den er will. Sehr lange war es aber olitischer Konsens, dass jeder Studienberechtigte das echt dazu hat. Das Bundesverfassungsgericht stellte 972 in seinem Urteil zum Numerus clausus fest: Das echt auf die freie Wahl der Ausbildungsstätte wäre – Zi- t – „ohne die tatsächliche Voraussetzung, es in An- pruch nehmen zu können, wertlos“. Und heute heißt es beim Thema Masterstudienplätze, ass es vielleicht genügend gibt, aber nicht an jeder ochschule und schon gar nicht in jedem Studiengang. amit wird dem Recht auf Selbstbestimmung der Stu- ierenden faktisch eine Absage erteilt. Wir fordern stattdessen das Recht auf einen Master- tudienplatz. Wir schlagen vor, dass die Studierenden it der Zulassung zum Bachelor auch das Recht bekom- en, nach dem Bachelorabschluss ein Masterstudium an er gleichen Hochschule anzuschließen. Ein Einwand liegt freilich auf der Hand. Viele Hoch- chulen sind heute schon überlastet. Die entscheidende rage ist: Was folgt daraus? Soll man sich jetzt damit olitisch abfinden, dass jedes Jahr Tausende Studienbe- chtigte von den Hochschulen abgewiesen werden? an darf sich nicht damit abfinden! Wir brauchen mehr tudienplätze, damit massenhafte Ablehnungen nicht orprogrammiert sind. Der Hochschulpakt verfolgt die- es Ziel bislang nicht. Er ist darauf angelegt, sich durch- uwursteln, und nicht darauf, Zulassungshürden zu be- eitigen. Für die Linke gehört die Finanzierung mit zum Kern ines guten Hochschulzulassungsgesetzes. Es geht nicht arum, den Mangel zu verwalten, sondern darum, ihn urch entschlossenen Hochschulausbau zu beseitigen. onst steht das Recht auf einen Studienplatz weiter nur uf dem Papier. Verhelfen Sie der Studienberechtigung wieder zu ih- m eigentlichen Sinn! Machen Sie aus der Berechtigung ndlich – wie es im Wort selbst schon steckt – ein Recht, nd stimmen Sie dem Antrag der Linken zu! Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer in iesen Tagen über den Hochschulzugang spricht, kann ur blamablen Verschiebung des Dialogorientierten Ser- iceverfahrens auf unbestimmte Zeit und zu den fatalen olgen für die Studienberechtigten der Jahre 2011 und anach nicht schweigen. Angesichts des Studierenden- ochs, doppelter Abiturjahrgänge, der Aussetzung von ehrdienst und Zivildienst wäre – gerade nach jahrelan- em Einschreibe-, Zulassungs- und Nachrückchaos – ein nktionierendes Hochschulzulassungssystems zum intersemester 2011/2012 zwingend erforderlich und ngst überfällig. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12141 (A) ) )(B) Das aktuelle Scheitern ist aber nur die Spitze des Eis- bergs, denn es geht um eine Serie bildungspolitischer Skandale: Es ist beschämend, dass ein Erreichen der Hochschulzugangsberechtigung hierzulande extrem eng mit dem Bildungsgrad der Herkunftsfamilie verknüpft ist. Die allgemeine Hochschulreife ist zudem keine Hochschulzugangsberechtigung mehr, sondern eher eine Bewerbungsberechtigung, die zur Teilnahme an einer Studienplatzlotterie berechtigt. Nachdem die ZVS in alter Form abgewickelt wurde, klemmt nun das lange angekündigte dialogorientierte Serviceverfahren unter anderem wegen technischer Soft- wareprobleme. Ausgerechnet im Jahr mit den meisten Studieninteressierten aller Zeiten wird so vielen der Weg zur Hochschule verbaut. Im letzten Wintersemester blie- ben rund 18 000 Studienplätze unbesetzt, da ihre Ver- gabe am Durcheinander gescheitert ist. Die Bundesre- gierung hat zwar die verfassungsrechtliche Möglichkeit, die Verfahren des Hochschulzugangs bundeseinheitlich zu regeln und transparent zu gestalten, nutzt diese aber fahrlässigerweise nicht. Die Studienberechtigten und Hochschulen warten seit Jahren auf eine Lösung der Zu- lassungsproblematik. Weitere Verzögerungen und anhal- tendes Chaos sind unzumutbar. Da das neue Zulassungs- verfahren aber nicht funktioniert, ist eine erneute Verschiebung leider unumgänglich. So richtig es ist, Studienberechtigte nicht zu Ver- suchskaninchen eines instabilen IT-Programms zu ma- chen, so klar bleibt das Ziel: Sie haben ein Recht auf ein funktionierendes Zulassungsverfahren, um ein Studium aufzunehmen. Dieses Recht ist jetzt akut gefährdet. Hochschulen und Studienberechtigten muss ein Desaster wie bei der Einführung der Lkw-Maut erspart bleiben. Ministerin Schavan muss daher unverzüglich eingreifen und das Zulassungschaos beheben, anstatt auf der Zu- schauertribüne zu verweilen. Wer wie der Bund 15 Mil- lionen Euro in das neue System investiert, muss mehr als ein Zaungast sein; er muss politisch steuern. Schavans Politikverweigerung in den letzten Jahren hat das Zulas- sungschaos verschärft. Nun sieht es so aus, als wolle sie tatenlos zusehen, wie zwischen Stiftung, IT-Entwicklern, Ländern und Hochschulrektorenkonferenz Schuldzuwei- sungen hin- und hergeschoben werden, anstatt Verant- wortung fürs Gelingen zu übernehmen, die Probleme zü- gig zu beseitigen und einen verlässlichen Zeitplan aufzustellen. Leidtragende sind Studienberechtigte, die im besten Fall erst in aufwendigen und langwierigen Nachrückverfahren einen Studienplatz erhalten. Im schlechtesten Fall bewerben sie sich vergebens und ver- lieren ein halbes oder gar ganzes Lebensjahr. Studierende wie Hochschulen brauchen jetzt Verfah- rens- und Planungssicherheit. Ministerin Schavan und ihre Länderkollegen und -kolleginnen müssen sicherstel- len, dass das alte Verfahren sofort anwendbar ist, damit nicht noch mehr Studienberechtigte vor dem deutschen Zulassungschaos Reißaus nehmen und später als akade- mische Fachkräfte fehlen, dass alle Mittel genutzt wer- den, um mit dem alten Verfahren zu besseren Ergebnis- s u In h u n k s W e p in a re Z te to w re d k B H ti d s D in m d A u u n G V c fo w g B D In R n li d S v s m d M m (C (D en zu kommen und nicht wieder 18 000 Studienplätze ngenutzt bleiben, und dass die Zeit bis zur endgültigen betriebnahme genutzt wird, für die volle Funktionsfä- igkeit des Systems auch für kombinierte Studiengänge nd für das Lehramt zu sorgen sowie verbindliche Teil- ahme aller Hochschulen sicherzustellen. Vor allem die Studierenden brauchen Klarheit: Es ist eine Panikmache, vor der realen Gefahr eines Zulas- ungsdesasters bis in den Herbst 2013 hinein zu warnen. ürde sich das deutsche Hochschulsystem als unfähig rweisen, seinen Mangel an gut ausgestatteten Studien- lätzen wenigstens effizient zu verwalten, so werden wir wenigen Jahren über einen Fachkräftemangel unge- hnten Ausmaßes diskutieren. Solange das neue Verfah- n nicht funktioniert, bleibt es beim unbefriedigenden ustand aus lokalen Zulassungsverfahren in komplizier- n Nachrückrunden mit anschließender Studienplatz- mbola. Dieser Zustand muss schnellstmöglich über- unden werden. Die Länder müssen zudem endlich das Kapazitäts- cht sinnvoll überarbeiten: Es muss einfacher werden, arf aber dem gesamtstaatlichen Ziel des Studienplatz- apazitätsausbaus keinen Bärendienst erweisen. Die undesforschungsministerin sei daran erinnert, dass ihre ightech-Strategie die Informations- und Kommunika- onstechnologien als Innovationsmotor Nr. 1 nennt. Vor iesem Anspruch bekommt das Verschieben von „Hoch- chulstart.de“ und das Zulassungsdesaster eine andere imension. Mit Blick auf den Antrag der Linksfraktion sehe ich einzelnen Punkten Übereinstimmung, in anderen uss ich widersprechen. Erstens. Es ist nicht Aufgabe es Bundes, „dafür zu sorgen, dass ein ausreichendes ngebot an Studienplätzen zur Verfügung steht.“ Das ist nd bleibt Aufgabe der Länder. Der Bund kann allenfalls nterstützend wirken. Fakt ist, dass der Hochschulpakt achzuverhandeln ist und dass Bund und Länder mehr eld für mehr Bachelor- und Masterstudienplätze zur erfügung stellen müssen. Zweitens. Dank der Abwei- hungsregel im Grundgesetz bliebe das von Ihnen einge- rderte Bundeszulassungsgesetz ein zahnloser Tiger, eil jedes Bundesland davon abweichen kann. Deswe- en setzen wir auf einen nachhaltig ausverhandelten und-Länder-Staatsvertrag zur Hochschulzulassung. ieser wäre ein effektiveres und wirkungsmächtigeres strument. Drittens. Dass Studienberechtigung „das echt, ein Studium im Fach und an der Hochschule sei- er Wahl aufzunehmen“, bedeute, ist realitätsfern und eße sich nur durch Bildungszentralismus statt Bil- ungsföderalismus umsetzen. Viertens. Es macht wenig inn, Hochschulen die Aufstellung jedweder Zugangs- oraussetzungen zu untersagen. Weiterbildungsmaster- tudiengänge, die Berufserfahrung voraussetzen, sollten öglich bleiben. Insgesamt sind wir der Linksfraktion ankbar, diese wichtige Debatte aufgesetzt zu haben. ehreren Vorschlägen können wir aber nicht zustim- en. 12142 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Fachkräftepotenzial nutzen – Gute Arbeit schaffen, bessere Bildung ermöglichen, vor- handene Qualifikationen anerkennen – Strategie statt Streit – Fachkräftemangel be- seitigen (Tagesordnungspunkt 17) Ulrich Lange (CDU/CSU): Die wirtschaftliche Situa- tion in Deutschland ist gut. Die Konjunktur ist nach der Finanz- und Wirtschaftskrise angesprungen. Deutsch- land, zu Zeiten von Rot-Grün das Schlusslicht in der EU, hat sich in der christlich-liberalen Koalition zur Konjunk- turlokomotive entwickelt. Erfreulich ist auch, dass die Anzahl der Erwerbstätigen stark gestiegen, die Arbeitslo- senquote gesunken ist. Trotz dieser grundsätzlich positi- ven Wirtschaftsdaten stehen wir einem Problem gegen- über: der Fachkräftesicherung. Derzeit aber gibt es noch keinen echten Mangel, aber starke regionale Unter- schiede. Wir sind uns darüber im Klaren, dass der wirtschaftli- che Aufschwung nur dann weitergehen wird, wenn wir dafür die nötigen Fachkräfte zur Verfügung haben. Die künftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unterneh- men wird deshalb entscheidend davon abhängen, ob es gelingt, die notwendigen Fachkräfte zu gewinnen. Ein ungedeckter Fachkräftebedarf verschenkt unnötigerweise vorhandene Wachstums- und Innovationspotenziale. Wie in der Anhörung dargelegt, hatten Mitte 2010 laut Umfrage der DIHK bereits 70 Prozent der Unternehmen Probleme bei der Besetzung offener Stellen. Im Dezem- ber 2010 lag die sogenannte MINT-Lücke, also die Be- rufe: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, bei 98 600; davon umfasst die Ingenieurlücke knapp 50 000 Stellen. Die IHK Bayern geht davon aus, dass in 2014 allein in Bayern rund 420 000 Fachkräfte, davon 25 000 Akademiker fehlen. Trotzdem sieht die Linke keinen Fachkräftemangel. Allein die genannten Er- hebungen widerlegen das „wirtschaftliche“ Fachwissen der Linken, zeigen, dass die Linken auch von Wirtschaft nichts, aber auch gar nichts verstehen. Sie sehen bei die- sen Fakten keinen gravierenden Engpass von Fachkräf- ten, sondern eine Intrige des Kapitalismus. Ihr Erfolgsre- zept: Mehr gute Arbeit! Ja wie naiv sind Sie denn, eine solch undifferenzierte Forderung zu stellen! Von Fach- wissen sind Sie wirklich völlig unbeleckt. Anders sieht die Analyse der Grünen aus, die einen wachsenden Fachkräftemangel diagnostizieren. Leider sind Ihre Schlussfolgerungen nicht immer Erfolg ver- sprechend. Insbesondere Ihre Forderung nach Ihrem „DualPlus“ als weiterentwickeltem Berufsausbildungs- system geht einfach in die falsche Richtung. „DualPlus“ ist nichts anderes als eine Variante der au- ßerbetrieblichen Ausbildung. Diese war in der Vergan- g d L ü A e Q s c c w A d z d s S g te Im a W z z K m s d g m ri g in b li v w H d M d s W S w n la g b s J h (C (D enheit leider notwendig, als die Ausbildungsnachfrage as betriebliche Angebot deutlich überstieg. Heute fehlen ehrlinge, keine Ausbildungsplätze. Unsere traditionelle berbetriebliche Ausbildung, bei der die betriebliche usbildung in überbetrieblichen Lehrgängen inhaltlich rgänzt und vertieft wird und die aufgrund ihrer guten ualität in den Betrieben als notwendig akzeptiert ist, hat ich bewährt. Daran werden wir festhalten. Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um ausrei- hend Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt zu si- hern. Da reicht eine Maßnahme, eine Aktion nicht aus, ir müssen an mehreren Bereichen ansetzen und unsere ktivitäten bündeln. Das Fachkräfteangebot kann gesteigert werden, in- em die Anzahl der Fachkräfte, die dem Arbeitsmarkt ur Verfügung stehen, erhöht wird und indem die von en Erwerbspersonen erwirtschaftete Wertschöpfung ge- teigert wird. In vielen Bereichen müssen gleichzeitig chritte zur Verbesserung der derzeitigen Situation ein- eleitet werden. Ich möchte einige Schwerpunkte auflis- n: Bildungsinitiative: Bildungspolitik ist Standortpolitik. Vordergrund steht die Aufgabe, den Anteil der Schul- bgänger ohne Hauptschulabschluss zu reduzieren. enn es gelingen würde, die Anzahl der Schulabgänger u halbieren, würden bis 2025 circa 300 000 Fachkräfte usätzlich zur Verfügung stehen. Arbeitgeberverbände, ammerorganisationen, Gewerkschaften, die Kultus- inisterkonferenz, der Bund und die Länder engagieren ich derzeit schon in diesem Bereich. Seitens der Bun- esregierung wird eine zweite Chance für Schulverwei- erer in einem extra Programm angeboten. Die Kultus- inisterkonferenz fördert gezielt Benachteiligte und chtet vermehrt praxisorientierten Unterricht aus. Mit ezielter, rechtzeitiger Förderung lassen sich Schwächen Mathematik und Deutsch, den beiden Grundfächern, eseitigen. Eine bessere Förderung müssen auch Jugend- che mit einem Migrationshintergrund erhalten. Eine erstärkte Einbindung der Eltern wird sich positiv aus- irken. Die Schulen sollten verstärkt mit Wirtschaft und ochschulen zusammenarbeiten, um bei den Schülern as Interesse für MINT-Bereiche zu erhöhen und mehr INT-Absolventen auf den Hochschulen zu erhalten. Berufseintrittsalter senken: Durch die Herabsetzung es Einschulungsalters, die Flexibilisierung des Grund- chuleinstiegs, die sogenannte G 8, die Aussetzung des ehrdienstes und die Einführung einer zweistufigen tudienstruktur treten die Jüngeren künftig früher ins Er- erbsleben ein. Die ältesten Berufseinsteiger kommen icht mehr aus Deutschland. Berufsausbildung unterstützen: Leider wird in Deutsch- nd noch jeder fünfte Ausbildungsvertrag frühzeitig auf- elöst. Die Hälfte dieser Jugendlichen, circa 70 000, eginnen keine neue Lehre. Hier muss weiter gegenge- teuert werden. Vertiefte Berufsorientierung bietet den ugendlichen eine sicherere Wahl des Berufes und ein hö- ere Zufriedenheit bei der Ausbildung. Erfolgreich ist Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12143 (A) ) )(B) auch die Berufseinstiegsbegleitung an bundesweit 1 000 Schulen. Aber auch die Betriebe sind gefordert. Die erfolgrei- che betriebliche Ausbildung muss weiterentwickelt wer- den. Durch die parallele Doppelqualifikation aus Berufs- abschluss und FH-/Uni-Abschluss kann die Gewinnung und Bindung von Fachkräften deutlich gefördert werden. Den Jugendlichen muss immer wieder verdeutlicht wer- den, dass unser Bildungssystem sehr durchlässig ist. Ent- scheidend ist ein guter Abschluss und Leistungsbereit- schaft. Senkung der Hochschulstudiumabbrüche: Leider liegt bei uns der Anteil der Studienabbrecher zwischen 20 und 30 Prozent. Wichtige Präventivmaßnahme sollte eine verbesserte und individuellere Beratung von Abiturien- ten und Studierenden sein, die an einen Abbruch denken, um ihnen die langfristigen Konsequenzen deutlich zu machen. Zudem sollten verstärkt Anstrengungen unter- nommen werden, die Situation in den Hochschulen zu verbessern und den jungen Menschen auch gute Bedin- gungen für ihr Studium zu gewähren. Mit den Bundesländern haben wir einen Hochschul- pakt geschlossen, um die Leistungsfähigkeit unserer Hochschulen zu sichern und für eine größere Zahl von Studenten offenzuhalten. Die stark steigende Zahl von Studienbewerbern und der sich abzeichnende Bedarf in bestimmten Branchen machen in besonderem Maße ei- nen gezielten Ausbau der Studienkapazitäten in Deutsch- land erforderlich. Im Vordergrund muss hierbei die Aus- bildung für den inländischen Bedarf stehen. Verlängerter Einsatz erfahrener Fachkräfte: In Deutsch- land sind nur 56 Prozent der Facharbeiter zwischen 55 und 64 tätig. Auch wenn dieser Wert über dem euro- päischen Durchschnitt liegt, sollte eine Steigerung mög- lich sein. Viele ältere Fachkräfte wollen länger im Er- werbsleben stehen und werden oft gegen ihren Willen in die Rente geschickt. Die Fortsetzung der staatlich geförderten Altersteil- zeit haben wir verhindert und die gesetzliche Lebensar- beitszeit verlängert. Mit beiden Entschlüssen haben wir deutlich gemacht, dass nicht der vorzeitige Ausstieg aus dem Erwerbsleben, sondern die Verlängerung der Er- werbsbiografien gefördert werden muss. Die Situation von älteren Menschen am Arbeitsmarkt hat sich seither kontinuierlich verbessert. Der Anteil der älteren Be- schäftigten an den sozialversicherungspflichtigen Be- schäftigungsverhältnissen ist stetig gestiegen. Unsere Unternehmen wissen immer mehr die Poten- ziale älterer Arbeitskräfte zu schätzen, weil ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Leistungsfähigkeit in den Betrie- ben gebraucht und genutzt wird. Die deutschen Unterneh- men, unterstützt durch zukunftsorientierte, arbeitsmarkt- politisch sinnvolle Maßnahmen der Bundesregierung, haben ihren Fokus bei der Gewinnung von Arbeitskräften auch auf Ältere gelegt und als Anreiz geeignete Maßnah- men realisiert, wie die Einführung eines Gesundheitsma- nagements, eine altersgerechte Gestaltung der Arbeits- plätze und auch – dies halte ich persönlich für sehr w re n w (I d b b te M „ b c c 4 b v a b M u A T a b ri a m g T s n W d B B a d je in d d ih d d g A s b v (C (D ichtig – die Anerkennung und Wertschätzung der erfah- nen Mitarbeiter zum Ausdruck gebracht. Das Ziel, die Arbeitsfähigkeit älterer Arbeitnehmerin- en und Arbeitnehmer zu erhalten und zu verbessern, ird auch mit der „Initiative Neue Qualität der Arbeit“ NQA) verfolgt. Die Bundesregierung fördert mit INQA ie Schaffung gesundheits- und leistungsfördernder Ar- eitsbedingungen. Darüber hinaus werden Unternehmen ei der Umsetzung einer nachhaltigen Personalpolitik un- rstützt und zu einer lebenslangen Qualifikation ihrer itarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert. Das Projekt Perspektive 50 plus“ ist ein Programm des Bundesar- eitsministeriums zur Verbesserung der Beschäftigungschan- en älterer Langzeitarbeitsloser. Frauenerwerbsquote steigern: In Deutschland sind irca 70 Prozent der Frauen berufstätig, davon circa 5 Prozent in Teilzeit. Viele Frauen wollen ganztags ar- eiten, haben jedoch Probleme, Beruf und Familie zu ereinbaren. Mit der Einführung eines Rechtsanspruchs uf einen Platz in einer Kindertagesstätte und dem Aus- au der frühkindlichen Betreuungsangebote geben wir üttern und Vätern die Möglichkeit, Erwerbstätigkeit nd Familie zu vereinbaren. Dennoch ist eine größere Flexibilität notwendig. Die rbeitgeber müssen noch flexiblere Arbeitszeiten oder eilzeitregelungen anbieten, die öffentliche Hand muss ber auch den Ausbau der Kinderbetreuung vorantrei- en. Wichtig ist zudem, dass die entsprechenden Ein- chtungen mit flexiblen und großzügigen Regelungen uf die Bedürfnisse der berufstätigen Eltern eingehen üssen. Aber auch die Betreuung von Schulkindern muss aus- ebaut werden, damit berufstätige Eltern ohne Sorge ihrer ätigkeit nachgehen können. Ein Ausbau von Ganztags- chulen, Nachmittags- und Ferienbetreuung ist dringend otwendig. Im Rahmen des Aktionsprogramms „Perspektive iedereinstieg“ werden Frauen nach einer familienbe- ingten Erwerbsunterbrechung bei der Rückkehr in den eruf unterstützt. Mit dem nationalen Pakt für mehr Frauen in MINT- erufen soll bei jungen Mädchen frühzeitig das Interesse n technischen Berufen geweckt werden. Weiterqualifizierung stärken: Die Grundausbildung er Deutschen ist im Europavergleich recht gut. Das sieht doch bei der Weiterbildung wesentlich schlechter aus, sbesondere für Frauen und Ältere. Hier stehen auch die eutschen Unternehmen in der Pflicht, vermehrt Fortbil- ungsangebote zu schaffen und ihre eigenen Mitarbeiter r Leben lang weiterzubilden. Dies bedeutet auch, dass ie derzeit bei uns bestehende Fortbildungslandschaft auf ie zukünftigen Berufe und den kommenden Bedarf aus- erichtet werden muss. Vor allem eine Ausweitung der ngebote im technischen Bereich ist unerlässlich. In den Unternehmen muss aber auch eine Kultur ent- tehen, dass Mitarbeiter eigenverantwortlich ihre Weiter- ildung betreiben, um langfristig für den Arbeitsmarkt on Interesse zu sein. 12144 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) Die Bundesanstalt für Arbeit, BA, hat verschiedene Programme zur Weiterbildung. So fördert zum Beispiel die BA die berufliche Weiterbildung Geringqualifizierter durch den Erwerb anerkannter Berufsabschlüsse oder Teilqualifikationen. Förderung von Menschen mit Migrationshintergrund: In Deutschland haben Menschen mit Migrationshinter- grund durchschnittlich eine schlechtere Bildung und sind dadurch auch häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen. Deshalb müssen diese besser gefördert werden. Dringend ist auch die schnelle und unbürokratische Anerkennung der im Ausland erworbenen Qualifikatio- nen, damit die Migranten auf unserem Fachkräftemarkt eingesetzt werden können. Bei diesem Verfahren kann die wirkliche Qualifikation des Migranten erkannt und seine Chancen auf unserem Arbeitsmarkt können ermit- telt werden. Lücken in der Qualifikation müssen mit Hilfe von Fortbildungsmaßnahmen geschlossen werden. Mit dem Nationalen Integrationsplan haben wir zahl- reiche integrationspolitische Maßnahmen auf den Weg gebracht, um das Potenzial der Bevölkerung mit Migra- tionshintergrund besser auszuschöpfen. Abwanderung verhindern: Ein zentrales Problem für den Arbeitsmarkt in Deutschland und damit für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist die starke Abwande- rung von in- und ausländischen Absolventen deutscher Universitäten und anderen Fachkräften nach Erwerb ih- rer Qualifizierung. Dieser Abwanderung von besonders gut ausgebildeten jungen Menschen, die bereits hervor- ragende Deutschkenntnisse besitzen, steht keine in glei- cher Weise qualifizierte Zuwanderung entgegen. Ein Hauptaugenmerk der deutschen Wirtschaft muss es also sein, die besonders gut ausgebildeten Absolventen mit attraktiven Lohn- und Arbeitsbedingungen im Land zu halten oder nach erfolgtem Auslandsstudium für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen. Auch ins Ausland abgewanderte nichtakademische Fachkräfte sollen ge- zielt für die deutsche Wirtschaft zurückgewonnen wer- den. Qualifizierte Zuwanderung ermöglichen: Da der welt- weite Wettbewerb um Fachkräfte vor langer Zeit begon- nen hat, müssen auch wir um qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland werben. Derzeit verliert Deutschland jedes Jahr Tausende von Facharbeitern, die ins Ausland wan- dern. Wir müssen versuchen, diesen Trend umzudrehen. Einmal müssen wir unseren Fachkräften ihre Chancen und Möglichkeiten in Deutschland aufzeigen, auf der an- deren Seite müssen wir uns um ausländische Fachkräfte bemühen. Dabei müssen wir politisch und gesellschaft- lich verdeutlichen, dass ausländische Fachkräfte bei uns willkommen sind und gute Perspektiven haben. Insbesondere die Forschungseinrichtungen sind im in- ternationalen Wettbewerb darauf angewiesen, hochquali- fiziertes Personal zu gewinnen und halten zu können. Um den Bedarf an akademischen Spitzenkräften decken zu können, führen wir die Wissenschaftsfreiheitsinitiative im Wissenschaftsfreiheitsgesetz weiter. Damit werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen, um Wissenschaftsorganisationen die Akquise von Spitzen- fo d k F g fr s s H d z te v S m z q b z b o D a b w w T m G p a M la G is A ri b a a g s b s w e s d S M w (C (D rschern zu erleichtern und im Wettbewerb mit auslän- ischen Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft onkurrenzfähige Angebote zu machen. Die erfolgreiche Bekämpfung des sich abzeichnenden achkräftemangels gelingt nicht mit punktuellen Lösun- en. Sie gelingt nur durch einen umfassenden und länger- istig angelegten Ansatz. Vor allem muss die Zielsetzung ein, das inländische Arbeitskräftepotenzial besser auszu- chöpfen. Hier wollen wir mit einer besseren Schul- und ochschulbildung sowie zusätzlichen Anstrengungen in er Aus- und Weiterbildungsförderung den Schwerpunkt ur Sicherung und Verbesserung des Fachkräfteangebo- s in Deutschland setzen. Ein weiteres zentrales Anliegen ist, die Abwanderung on Hochqualifizierten und Fachkräften zu stoppen. chließlich gilt es, durch die Entwicklung einer Willkom- enskultur die Attraktivität Deutschlands für qualifi- ierte ausländische Fachkräfte zu erhöhen und gezielt die ualifizierten Fachkräfte zu werben, für die ein Mangel esteht. Ich fordere die Opposition auf, sich unseren Aktionen ur Sicherung der Fachkräfte für unseren deutschen Ar- eitsmarkt anzuschließen. Gabriele Lösekrug-Möller (SPD): Haben wir ihn der haben wir ihn nicht, den Fachkräftemangel in eutschland? Die Wahrheit liegt zwischen Ja und Nein, lso in einem Gelände, in dem wir uns als Politiker so oft ewegen und feststellen, dass einfache Antworten nicht eiterhelfen. Die vorliegenden Anträge sind für die SPD illkommener Anlass, dieses Thema in der gebotenen iefe zu beleuchten. Betrachten wir die aktuelle Situation am Arbeits- arkt, stellen wir ungedeckte Bedarfe im Bereich der esundheitswirtschaft, hier besonders in der Alten- flege, fest. Im Streit um die Frage, wie die Altenpflege- usbildung finanziert wird, in niedrigen Löhnen – der indestlohn in der Pflege ist noch taufrisch – und in be- stenden Arbeitsbedingungen, liegen ein Bündel von ründen für diesen Mangel. Die Verweildauer im Beruf t kurz, die Aufstiegsmöglichkeiten sind gering und die ussicht auf Besserung ist schlecht. Fachkräftemangel herrscht aktuell auch bei Erziehe- nnen und Erziehern. Dem Aufbau von Betreuungsange- oten hat keine adäquate Ausweitung des Ausbildungs- ngebotes gegenübergestanden. Die Entgeltsituation ist ngesichts langer Ausbildungszeit schlecht. Auch hier ibt es so gut wie keine Karrierechance, und die Per- pektive, bis zum Renteneintrittsalter in der Kita zu ar- eiten, ist ebenfalls nicht prickelnd. Ebenso zutreffend ist, dass Bundesländer sich wech- elseitig Lehrkräfte abwerben. Aber schon hier stellen ir gleichzeitig fest, dass Berufseinsteiger und Berufs- insteigerinnen nur befristete Verträge bekommen. Be- onders hörbar melden sich die Fachverbände zu Wort, ie über einen Ingenieursmangel klagen. Bis zu 45 000 tellen seien unbesetzt, der Mangel in den sogenannten INT-Berufen – also Mathematik, Informatik, Natur- issenschaft, Technik – sei besonders dramatisch. Ar- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12145 (A) ) )(B) beitsmarktexperten bezweifeln diese Zahl – käme sie doch zustande, weil durch gute Entwicklung möglicher- weise entstehende Stellen hier mit eingerechnet worden seien. Fest steht: Branchen- und regionsbezogene Stellenbe- setzungsprobleme sind vorhanden. Gleichzeitig wird der Arbeitsmarkt enger, die Zahl der offenen Stellen größer und die Zahl der Arbeitsuchenden kleiner. Denn der deutsche Arbeitsmarkt hat sich trotz Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise gut entwickelt. Nicht zuletzt dank um- fassender Hilfen durch Kurzarbeit konnten viele Unter- nehmen ihr Fachpersonal über eine schwierige Phase hinweg halten. Das war gelungene Beschäftigungssiche- rung, auf der sich die Politik nicht ausruhen darf. Von ei- nem aktuellen generellen Fachkräftemangel in Deutsch- land zu sprechen, wäre jedoch falsch. Das zeigt sich ganz besonders in der alarmierenden Nachricht, die Leiharbeitsbranche leide unter Fachkräftemangel. Aus sozialdemokratischer Sicht liegt hier die Lösung doch eher darin, dass Unternehmen, die Fachkräftebedarfe nicht decken können, überprüfen sollten, wieweit sie Be- schäftigte durch Festeinstellung und/oder bessere Bedin- gungen für ihr Unternehmen gewinnen können. Aber zurück zur Politik. Drei Herausforderungen muss gute Arbeitsmarktpolitik bewältigen. Erstens. Das Arbeitskraftpotenzial der knapp 3 Millionen Arbeit- suchenden muss entwickelt werden. Einen gespaltenen- Arbeitsmarkt, der Langzeitarbeitslosen und Geringquali- fizierten keine Chancen eröffnet und gleichzeitig einen wachsenden Arbeitskräftebedarf nicht decken kann, neh- men wir nicht hin. Zweitens. Wir machen uns seitens der SPD-Bundes- tagsfraktion große Sorgen angesichts der radikalen Kür- zungen im Etat des BMAS. Zwei Stichworte dazu: Das deutsche Bildungssystem entlässt Jahr für Jahr mehr als 60 000 junge Männer und Frauen ohne Abschluss. Zu viele junge Menschen bleiben ohne Ausbildung und damit ohne Perspektive. Deshalb muss eine bildungspo- litische Initiative starten. Wie kommentiert Bundeswirt- schaftsminister Brüderle das? „Gut ausgebildete Arbeit- nehmer und Arbeitnehmerinnen sind der Grundstein für Wettbewerbsfähigkeit. Dies gilt für den Hightechstand- ort Deutschland in besonderem Maße.“ Recht hat er – aber da muss bildungs- und ausbildungsmäßig noch viel passieren. Und: Viele Menschen mit Migrationshinter- grund sind hochqualifiziert; ihre Abschlüsse aber wer- den nach wie vor nicht anerkannt. Hier ist die Bundesre- gierung endlich tätig. Ob zielführend, wird sich erst noch herausstellen müssen. Drittens. Demografisch bedingt sinkt das Erwerbstäti- genpotenzial in den kommenden Jahren dramatisch. Deshalb ist die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung ein wesentlicher Schlüssel zur Deckung des zukünftigen Fachkräftebedarfs. Hier geht es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, was eine deutlich bessere Be- treuungsinfrastruktur voraussetzt. Die Frage der Versor- gung pflegebedürftiger Angehöriger ist zurzeit ebenfalls ungelöst. Ich nenne das Beispiel der „Schattenfrauen“: 5,6 Millionen Frauen sind derzeit nicht erwerbstätig, 90 Prozent von ihnen wären aber gern berufstätig. Wir werden sie brauchen – ebenso wie ältere Arbeitnehmer u h n 1 in M b d b m O k e d a n s re v B g a v F w u w z R s tr n s h s g n d w w s in le n n u s R d W e (C (D nd Arbeitnehmerinnen, deren Erwerbsfähigkeit es zu er- alten gilt. Hier lautet das Stichwort: altersgerechte Arbeit. Unsere Arbeitsmärkte sind nicht mehr regional, auch icht national, sondern mindestens europäisch. Mit dem . Mai 2011 haben wir volle Arbeitnehmerfreizügigkeit der EU. Es wäre gut gewesen, mit einem gesetzlichen indestlohn dem zu erwartenden Lohndumping gerade ei Facharbeit entgegenzutreten. Aber Tatsache ist auch, ass sich Fachkräfte nun europaweit die besten Arbeits- edingungen aussuchen können. Deutsche Arbeits- arktpolitik muss dies im Blick haben. Muten wir uns noch eine unbequeme Wahrheit zu: hne kontinuierliche Weiterbildung bleiben auch Fach- räfte keine Fachkräfte. Zunehmend mehr Unternehmen rkennen das und investieren in Weiterbildung. Doch lei- er trifft auch zu, dass weniger investiert wird bei Leih- rbeitern und Leiharbeiterinnen und dass weniger bis gar icht investiert wird bei der großen Zahl atypisch Be- chäftigter. Es ist also erkennbar, dass lineare Lösungen nicht aus- ichen. Wir schlagen deshalb eine Allianz für Fachkräfte or. Wirtschaft, Gewerkschaften, Agentur für Arbeit, und, Länder und kommunale Spitzenverbände sollten emeinsam ein Konzept entwickeln, das Lösungsansätze ufeinander abstimmt. Dann können Fachkräfteoffensi- en erfolgreich, Unternehmen gut unterstützt und unsere achkräfte von morgen gut ausgebildet werden. Dazu erden wir konkrete Vorschläge unterbreiten. Viele der Probleme nehmen die Anträge von Grünen nd Linken auf. Das findet unsere Zustimmung. Gleich- ohl stimmen wir nicht in allen Punkten überein. So um Beispiel bei der Forderung der Linken nach einem egelsatz von 500 Euro und bei der Frage des Punkte- ystems für Einwanderung. Wir werden daher den An- ag der Linken ablehnen und uns beim Antrag der Grü- en enthalten. Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP): Im Gegen- atz zu einigen anderen Oppositionsanträgen, die wir eute schon debattiert haben, teile ich hier Ihre Auffas- ung, dass es einen konkreten Anlass für die Debatte ibt. Das Thema Fachkräftemangel können wir uns gar icht oft genug vornehmen, weil es ein ganz entschei- endes ist. Wenn wir ein offenes Land sein wollen, wenn ir weiterhin durch unseren Wohlstand beeindrucken ollen und wenn wir uns unseren Herausforderungen tellen wollen, dann müssen wir den Fachkräftemangel den Griff kriegen. Uns werden bis 2025 5 Millionen Erwerbstätige feh- n. Aktuell haben wir schon in den mathematisch-tech- ischen und naturwissenschaftlichen Berufen, im soge- annten MINT-Bereich, echten Mangel. Dies schadet nserer Volkswirtschaft und verursacht erhebliche Wert- chöpfungsverluste. An diesen demografisch bedingten ealitäten kommt niemand vorbei, der sich ernsthaft mit em Problem beschäftigt. Nicht demografisch bedingt ist hingegen die negative anderungsbilanz, die unser Land aufweist. Uns gelingt s nicht nur nicht gut genug, ausländische Fachkräfte 12146 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) nach Deutschland zu locken, sondern wir haben auch noch Schwierigkeiten damit, dass uns Fachkräfte verlas- sen. Schließlich lassen wir erhebliches Potenzial brach- liegen. Wir haben immer noch viele Menschen, die bis- her nicht gut oder gar nicht in den Arbeitsmarkt integriert sind, und zwar insbesondere unter den Migran- ten, die sich für ein Leben in Deutschland entschlossen haben. Zu Recht bringen wir daher jetzt ein zeitgemäßes An- erkennungsgesetz auf den Weg. Denn viele derjenigen, die aus dem Ausland zu uns gekommen sind, leiden da- runter, dass sie ihre vorhandenen Qualifikationen nicht vernünftig anerkannt bekommen. Alleine hier haben wir ein Potenzial von circa 285 000 Personen, die qualifi- ziert sind, deren Qualifikation ihnen und allen anderen aber nichts bringt, weil sie nicht angemessen anerkannt wird. Hier bügelt die schwarz-gelbe Koalition etwas aus, was bisher alle anderen Bundesregierungen versäumt ha- ben. Es wird einen Rechtsanspruch auf das Anerken- nungsverfahren geben, einheitliche Kriterien, ein ein- heitliches Verfahren, und zwar unabhängig von der jeweiligen Staatsangehörigkeit. Entscheidend wird al- leine die Berufsqualifikation sein. Außerdem werden wir es auch ermöglichen, bereits aus dem Ausland einen An- trag auf das Anerkennungsverfahren zu stellen. Damit gehen wir einen großen und wichtigen Schritt zur Be- kämpfung des Fachkräftemangels. Wir werden aber insgesamt drei Schritte gehen müs- sen, und das werden wir auch tun. Denn neben der Aner- kennung ausländischer Qualifikationen müssen wir un- ser inländisches Arbeitskräftepotenzial besser ausreizen. Und das heißt nichts anderes, als dass wir den Men- schen, die es bisher schwer auf dem Arbeitsmarkt hatten, besser helfen müssen. Der zweite Schritt muss also sein, die arbeitsmarktpolitischen Instrumente zu reformieren. Hier sind wir auf einem guten Weg. Das Bundes- ministerium für Arbeit und Soziales hat einen guten Ge- setzentwurf vorgelegt. An der einen oder anderen Stelle müssen wir noch etwas drehen, aber die Richtung stimmt schon mal. Wir werden die Zahl der arbeitsmarktpolitischen In- strumente reduzieren und damit eine Forderung verwirk- lichen, die Experten schon seit langem an die Politik he- rangetragen haben. Es war auch niemandem mehr zu vermitteln, warum es zum Beispiel für ein und denselben Zweck mehr als fünf unterschiedliche Instrumente geben musste. Das hat weder den Arbeitsuchenden geholfen noch hat es die Arbeit der Vermittler leichter gemacht. Gerade hierum geht es aber auch: Wir brauchen nicht nur einen gut aufgeräumten Instrumentenkasten, sondern auch einen fitten Experten, der sich auskennt und die passende Maßnahme in Kooperation mit dem Arbeitsu- chenden aussucht. Nicht nur für Arbeitsuchende heißt es, auf Qualifikation zu achten, sondern eben auch bei unse- ren Vermittlern in der Bundesagentur für Arbeit. Schließlich muss es aber noch einen dritten Schritt geben. Damit meine ich, dass wir mehr gesteuerte Zu- wanderung brauchen, und zwar mit einem Punktesys- te e h b m W g s L a m W A k re rü e s a b In d d g s m In is tr s d s m s R W b d D g B g m b d m g b d m a g s n is (C (D m. Hier schneiden wir im internationalen Vergleich infach noch zu schlecht ab. Dem müssen wir mit – ich abe das schon einmal an anderer Stelle gesagt – drei Ws egegnen: Wir müssen den Wettbewerb aufnehmen, wir üssen Werbung für uns machen, und wir müssen eine illkommenskultur schaffen. Bisher wandern die klu- en Köpfe weltweit an Deutschland vorbei und zum Bei- piel nach Kanada oder Australien. Klar, die genannten änder haben einen Sprachvorteil; aber das ist es dann uch, das können wir nicht als Ausrede benutzen. Wir üssen begreifen, dass wir hier in einem internationalen ettbewerb stehen, in dem einem nichts geschenkt wird. ber ich bin fest davon überzeugt, dass wir attraktiv wir- en können, wenn wir es nur besser im Ausland erklä- n. Dazu muss die Bundesrepublik die Werbetrommel hren. Wir müssen uns nicht verstecken, bei uns gibt es ine Menge guter Jobs. Wenn es uns gelingt, diese Bot- chaft im Ausland rüberzubringen, dann werden wir uch wieder mehr Fachkräfte zu uns bringen können. Zuletzt geht es aber auch darum – und damit bin ich eim dritten W –, eine Willkommenskultur zu schaffen. den Betrieben, in den Behörden und auch einfach auf er Straße oder im Supermarkt müssen wir denjenigen, ie zu uns gekommen sind, die Hand reichen. Das wäre, laube ich, letztlich auch die beste Werbung, die man für ich machen kann. Wir haben den Fachkräftemangel erkannt und küm- ern uns darum. Manche Ihrer Vorschläge teile ich ja. sgesamt reicht es bei Ihnen aber nicht, und die Sache t bei uns in guten Händen. Deshalb lehnen wir Ihre An- äge ab. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Es ist schon er- taunlich, welche Blüten die Diskussion um die Frage es Fachkräftemangels treibt. Kürzlich konnte man le- en, die Leiharbeitsbranche beklage einen Arbeitskräfte- angel. Das ist natürlich mehr als abstrus. Denn wie ieht die Realität aus? Nehmen wir einen Fall aus der egion Esslingen, also dem Bundesland Baden- ürttemberg, in dem die Industrie bekanntlich wieder oomt. Kürzlich schrieb hier die örtliche IG Metall Bun- esarbeitsministerin von der Leyen einen Brief. In einer rehmaschinenfabrik wurden über hundert Beschäftigte ekündigt, die Auszubildenden nicht übernommen. Die etroffenen erhielten von der Arbeitsagentur Stellenan- ebote, aber fast ausschließlich von den Leiharbeitsfir- en. Ein Kollege erhielt 17 Stellenangebote, 15 davon ei Leiharbeitsfirmen. Zu Recht schreibt die IG Metall aher in ihrem Brief: Die „Diskussion um Fachkräfte- angel bekommt eine ganz neue Bedeutung, wenn aus- ebildeten Mechatronikern eine Stelle bei einer Döner- ude oder einer Lidl-Filiale angeboten wird“. Ich bitte ie Bundesregierung, diese Realität zur Kenntnis zu neh- en, bevor sie die Klagen der Arbeitgeber über einen ngeblichen Fachkräftemangel nachbetet. Ohne Frage: Es gibt in einzelnen Branchen einen stei- enden Fachkräftebedarf. Das ist in Zeiten des Auf- chwungs nichts Ungewöhnliches. Aber deshalb von ei- em flächendeckenden Fachkräftemangel zu sprechen, t völlig haltlos. Das belegen auch seriöse wissenschaft- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12147 (A) ) )(B) liche Studien. Zu nennen ist hier die Gemeinschaftsstu- die des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und des Bundesinstituts für Berufsbildung, die in ihren Prognosen bis 2025 auch die demografische Entwick- lung berücksichtigen, das heißt die durch Alterungspro- zesse kleiner werdende Zahl von Erwerbstätigen. Dort findet sich kein Wort über einen flächendeckenden Fach- kräftemangel. Selbst für den technischen Bereich hat eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsfor- schung jüngst nachgewiesen: Auch dort gibt es keinen Fachkräftemangel, sonst hätten Arbeitgeber für diese Fachkräfte deutlich die Löhne erhöhen müssen. Aber das ist nicht geschehen. Was steckt also hinter den Klagen der Arbeitgeber über einen angeblichen Fachkräftemangel? In Wirklich- keit, so wird immer deutlicher, sind das Klagen über an- geblich zu teure, zu wenig flexible Arbeitskräfte. In mei- nen Bundesland Sachsen haben kürzlich die Industrie- und Handwerkskammern ihre Mitgliedsunternehmen zum Thema Fachkräfte befragt – unter anderem dazu, woran die Einstellung eines neuen Mitarbeiters scheitert. Die Antwort: Die Bewerber hätten zu wenig Berufser- fahrung und Spezialqualifikation, sie würden zum Teil überzogene Lohnforderungen stellen, seien manchmal zu alt und teilweise wegen familiärer Verpflichtungen zu wenig flexibel. Ja, ich weiß, viele Arbeitgeber haben ihre Vorstellung vom idealen Mitarbeiter. Er soll jung, ledig und flexibel sein, mehrjährige Berufserfahrung und Spezialqualifikation besitzen und zu einem niedrigen Lohn arbeiten wollen. Nur ist das natürlich etwas ande- res als Fachkräftemangel. Es ist die alte Leier: Der alte Ruf nach billigen, immer frei verfügbaren Arbeitskräften taucht nun im neuen Gewand auf. Mehr als deutlich wird das bei den Pflegeberufen. Erst vor einigen Tagen hat der Arbeitgeberverband Pflege über einen massiven Mangel an Pflegefachkräften geklagt. Hier ist es nun of- fensichtlich, dass niedrige Löhne und enorme Arbeitsbe- lastungen in dieser Branche dafür verantwortlich sind, dass viele nach wenigen Jahren aus diesem Job ausschei- den oder ihn erst gar nicht wählen. Wenn sich die Bundesregierung, in Teilen auch die Grünen, vor diesen Karren der Arbeitgeber spannen lässt, ist dies ein Armutszeugnis. Denn dabei gerät schnell das eigentliche Problem aus den Augen: der Mangel an ausreichenden und zudem guten Arbeitsplät- zen. Die Arbeitsmarktstatistik gibt uns recht. Die Zahl der prekären Arbeitsplätze – Leiharbeit, Minijobs und Befristungen – nimmt immer mehr zu; dieser Entwick- lung muss ein Riegel vorgeschoben werden. Noch im- mer wird Millionen Menschen ein gleichberechtigter Zu- gang zum Arbeitsmarkt verwehrt. Hier liegt viel Potenzial brach, das wegen einer falschen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik ungenutzt bleibt. Das betrifft insbesondere Ältere, Frauen, Menschen mit Behinde- rung und Migrantinnen und Migranten. In der Gruppe der über 55- bis 65-Jährigen zählt die Arbeitsmarktstatistik fast eine halbe Million Arbeitslose. Unter den circa 9 Millionen Menschen, die sich laut dem Statistischen Bundesamt in Deutschland Arbeit oder mehr Arbeit wünschen, sind überproportional viele Frauen. Bei ihnen ist der Wunsch nach Mehrarbeit stär- k g b h e ti te im s z h b T re z d lu B Q te K v h b U g S h is ti is li B ra te v d le R S v s n v R n s F s fü v n A d w (C (D er ausgeprägt als bei den Männern. Entgegen dem all- emeinen Trend steigt die Arbeitslosigkeit von schwer- ehinderten Menschen. Ein weiteres Problem ist die ohe Zahl von Langzeiterwerbslosen; ihre Zahl liegt bei twa 900 000. Ferner werden Hunderttausende Migran- nnen und Migranten in Deutschland vom Erwerbssys- m ausgegrenzt – etwa durch die Nichtanerkennung von Ausland erworbenen Bildungs- und Berufsabschlüs- en. Was ist also notwendig? Statt einen Fachkräftemangel u beklagen, gilt es, die Hindernisse abzubauen, die eute Millionen Menschen einen freien Zugang zum Ar- eitsmarkt verwehren. Frauen ist eine gleichberechtigte eilhabe am Erwerbsleben zu ermöglichen, indem mehr guläre Arbeitsplätze statt ungesicherter Mini- und Teil- eitjobs geschaffen werden. Die Entgeltgleichheit muss urchgesetzt und die geschlechtsspezifische Arbeitstei- ng aufgebrochen werden. Für ältere Menschen sind die eschäftigungsbedingungen zu verbessern. Spezifische ualifizierungsprogramme sind auszubauen, denn Äl- re werden seltener qualifiziert und weitergebildet. Der ündigungsschutz ist insbesondere für diese Gruppe zu erbessern. Gleiches gilt für den Arbeits- und Gesund- eitsschutz, um es Älteren zu ermöglichen, länger ohne esondere Belastungen am Erwerbsleben teilzuhaben. m Langzeiterwerbslosen mit einer aktiven Beschäfti- ungspolitik Chancen zu erschließen, ist das sogenannte parpaket zurückzunehmen. Verglichen mit dem Vorjahr werden derzeit nur noch alb so viele Weiterbildungsmaßnahmen genehmigt. Das t nicht hinnehmbar. Arbeitsmarktpolitik muss nachhal- g finanziert werden. Für Menschen mit Behinderungen t wichtig, dass in den Unternehmen endlich die gesetz- ch festgeschriebene Beschäftigungsquote erfüllt wird. arrierefreie Arbeitsstätten sind stärker zu fördern. Mig- ntinnen und Migranten müssen einen gleichberechtig- n Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen, unabhängig on der „ökonomischen Nützlichkeit“. Notwendig ist afür, dass die im Ausland erworbenen Qualifikationen ichter anerkannt werden können. Es muss einen echtsanspruch auf die Anerkennung von Berufs- und chulabschlüssen geben. Der von der Bundesregierung orgelegte Gesetzentwurf sieht jedoch keinen Rechtsan- pruch auf Anerkennung vor. Zudem sollten Migrantin- en und Migranten vor und während des Anerkennungs- erfahrens begleitet und beraten werden. Sie bleiben im egen stehen, wenn sie einen Beruf erlernt haben, der icht bundeseinheitlich geregelt ist. Dann müssen sie ich mit 120 Landesgesetzen auseinandersetzen. Die Bundesregierung tut nichts, um die drängenden ragen des Arbeitsmarktes anzugehen. Schlimmer: Sie orgt mit ihrem Sparkurs in der Arbeitsmarktpolitik da- r, dass Menschen Chancen für eine gute Beschäftigung erbaut werden. Das können und werden wir nicht hin- ehmen. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nfang April hat Bundesarbeitsministerin von der Leyen en Arbeitsmarktfachleuten der Koalitionsfraktionen die ichtigsten Handlungsschwerpunkte ihres Ministeriums 12148 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) für das laufende Jahr vorgestellt. An erster Stelle steht dabei das Thema Fachkräftesicherung. Und das über- rascht doch sehr, denn es ist weit und breit nichts davon zu merken, dass der wachsende Fachkräftebedarf bei den Aktivitäten der Bundesregierung irgendeine Rolle spielt. Im Gegenteil, still ruht der See. Sie verlassen sich darauf, dass die anziehende Kon- junktur die Sache schon regelt, und streichen rigoros bei der Arbeitsförderung. Und damit begehen Sie einen ka- pitalen Fehler, der sich schwer rächen wird. Alle Experten schreiben es Ihnen ins Stammbuch: Jetzt ist die Zeit, um in Qualifizierung zu investieren, da- mit auch Langzeitarbeitslose von der wirtschaftlichen Erholung profitieren. Nur so kann die positive Entwick- lung am Arbeitsmarkt anhalten. Bleiben Sie aber bei Ih- rem Spardiktat, dann provozieren Sie die Gefahr eines Fachkräftemangels bei gleichzeitig hoher Arbeitslosig- keit. Das darf auf keinen Fall geschehen. Darum appelliere ich an die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen: Nehmen Sie die Kürzungen bei der Arbeitsförderung zurück! Dasselbe gilt für Ihre Pläne für die Bundesagentur. Auch wenn Sie es stur leugnen: Sie treiben die Bundesagentur in die Schulden- falle. Auch das wird auf die aktive Arbeitsmarktpolitik zurückschlagen und die Chancen derer verringern, die wir eigentlich stärken müssten: Geringqualifizierte, Mi- grantinnen und Migranten, Menschen mit Behinderun- gen, Ältere und Frauen. Ihre Potenziale werden im Mo- ment nicht genutzt. Wir werden sie aber brauchen, wenn der Bedarf an Fachkräften demografisch bedingt weiter und weiter steigen wird. Wenn Sie meine Argumente schon nicht überzeugen, dann vielleicht Zahlen: Schon heute entgehen dem Mit- telstand durch den Fachkräftemangel Umsätze von 30 Milliarden Euro im Jahr, Tendenz steigend. Die Alarmglocken müssten bei dieser Regierung aber auch läuten, wenn sie präsentiert bekommt, dass in Deutsch- land im vergangenen Jahr 320 000 junge Menschen in unsinnigen Warteschleifen gelandet sind statt in einer betrieblichen Berufsausbildung. Diese jungen Leute werden uns später als Fachkräfte fehlen. Das ist fahrläs- sig, teuer und erfordert ein Umsteuern, damit kein Kind mehr die Schule ohne Abschluss verlässt und wirklich alle in eine Ausbildung münden. Doch auch hier ist keine Anstrengung bei der Bundesregierung zu erken- nen. Nur im Schneckentempo geht es auch bei der besseren Anerkennung von Abschlüssen voran, die im Ausland er- worben wurden. Nach Jahren der Ankündigung liegt nun endlich ein Gesetzentwurf vor. Aber das Ziel des Geset- zes, die Chancen von Menschen mit ausländischen Qua- lifikationen auf Integration in den deutschen Arbeits- markt zu verbessern, ist nicht ausreichend unterlegt. Es fällt damit hinter die Eckpunkte der Bundesregierung von 2009 zurück. Ob auf dieser Grundlage materielle Verbes- serungen für die erreicht werden, die bisher am deutschen Bewilligungsdschungel gescheitert sind, muss bezweifelt werden. Zu befürchten ist, dass sich auch weiterhin Ärz- tinnen als Putzfrauen oder Ingenieure als Pizzafahrer d A Q s w te p ti A n fu K s is w B F S ti fa F d E d u b li e fü E g A A s n in b d d w p g IG s z (C (D urchschlagen müssen, weil ihre im Ausland erworbenen bschlüsse hier nicht anerkannt werden. Aber selbst wenn es gelänge, bei der Ausbildung, der ualifizierung und bei der Anerkennung von Berufsab- chlüssen deutliche Fortschritte zu erzielen – selbst dann ürde das nicht genügen, um den wachsenden Fachkräf- bedarf zu decken. Hierzu – und das haben uns die Expertinnen und Ex- erten der zum Thema durchgeführten Anhörung bestä- gt – können wir auf Zuwanderung nicht verzichten. ber auch bei dieser Frage ist die Bundesregierung in ei- en Totstellreflex verfallen. Sie hat das Thema „Schaf- ng eines transparenten Zuwanderungssystems“ im oalitionsausschuss versenkt und macht gar keine An- talten, es wieder auf die Tagesordnung zu hieven. Das t hasenfüßig. Die Bevölkerung hingegen ist – mal wieder – viel eiter als die Koalition. 60 Prozent der Bürgerinnen und ürger befürworten die stärkere Zuwanderung von achkräften; das hat eine repräsentative Umfrage des achverständigenrates deutscher Stiftungen für Migra- on und Integration gezeigt. Wir Grünen haben Ihnen einen Antrag mit einer um- ssenden Strategie zur Bewältigung des wachsenden achkräftebedarfs vorgelegt. Es reicht nicht – und auch as bestätigten die Fachleute –, punktuell anzusetzen. inheimische und Einwanderer dürfen nicht gegeneinan- er ausgespielt werden, wir brauchen sie alle. Bildung nd Chancen für Kinder und junge Erwachsene, Weiter- ildung für Zukunftsberufe, Erhöhung der Erwerbsbetei- gung, Anerkennung ausländischer Qualifikationen und in transparentes Zuwanderungssystem – das sind die nf Handlungsstränge, die erst zusammen eine gute und rfolg versprechende Strategie ergeben. Nehmen Sie sie emeinsam mit uns in Angriff und stimmen Sie unserem ntrag zu. nlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Steinkohlefinanzierungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 18) Dieter Jasper (CDU/CSU): Mit dem heutigen Ge- etzentwurf erfüllt die christlich-liberale Koalition eine ormative Voraussetzung, damit aus europäischer Sicht Deutschland ein subventionierter Steinkohlenbergbau is ins Jahr 2018 ermöglicht wird und sichergestellt wer- en kann. Inhaltlich bedeutet dieser Gesetzentwurf, dass ie sogenannte Revisionsklausel ersatzlos gestrichen ird. Zum Hintergrund: Im Jahr 2007 wurde eine kohle- olitische Verständigung getroffen, in der die Bundesre- ierung, das Land NRW, das Saarland, die RAG und die BCE den sozialverträglichen und geordneten Aus- tieg aus dem subventionierten Steinkohlenbergbau bis um Jahr 2018 regelten. Diese Vereinbarung beinhaltete Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12149 (A) ) )(B) auch die sogenannte Revisionsklausel, die festlegte, dass dieser Beschluss im Jahr 2012 noch einmal überprüft werden sollte. Völlig überraschend forderte die Europäi- sche Kommission im letzten Jahr einen früheren Aus- stieg aus der Kohleförderung bis zum Jahr 2014. Dies hätte für Deutschland und gerade auch für meine Hei- matregion dramatische wirtschaftliche und soziale Kon- sequenzen gehabt. In Ibbenbüren im Tecklenburger Land liegt eine der letzten Steinkohlezechen in Deutschland. Hier wird schon seit langer Zeit hochwertige Anthrazitkohle geför- dert. Diese wird zu einem großen Teil im direkt anlie- genden hocheffizienten Kohlekraftwerk verfeuert und zum anderen Teil für den regionalen Wärmemarkt ver- wendet. Die wirtschaftliche und soziale Bedeutung des Bergbaus für die Stadt Ibbenbüren und die umliegenden Bergbaugemeinden Mettingen, Recke, Hopsten, Hörstel und Westerkappeln ist enorm. In der Bevölkerung und über alle gesellschaftlichen Gruppierungen hinweg herrscht eine hohe Akzeptanz. Im Bergbau sind derzeit direkt über 2 300 Menschen beschäftigt, im Bereich der Zulieferbetriebe sind im Laufe der Zeit mehrere tausend Arbeitsplätze entstanden. Auch im Bereich der Ausbil- dung leistet die Zeche ganz hervorragende und unver- zichtbare Arbeit. Als der Vorschlag der EU-Kommission bekannt wurde, führte dies natürlich zu großer Unruhe und Irrita- tion in unserer Region. Ein Ausstieg aus dem Steinkoh- lenbergbau bereits im Jahr 2014 hätte dazu geführt, dass es zu betriebsbedingten Kündigungen gekommen wäre und auch sonst massive wirtschaftliche und soziale Pro- bleme entstanden wären. In dieser Situation habe ich mich unmittelbar an unsere Bundeskanzlerin gewendet und um Hilfe und Unterstützung gebeten. Unter Einsatz aller Kräfte und durch tatkräftige Unterstützung des Par- lamentarischen Staatssekretärs Peter Hintze konnte er- reicht werden, dass der Beschluss der EU revidiert wurde. Die Unterstützung der heimischen Steinkohlen- förderung bis ins Jahr 2018 wurde unter bestimmten Be- dingungen auf europäischer Ebene akzeptiert. Eine die- ser Bedingungen für die notwendige europäische Regelung war, dass die Revisionsklausel aus dem natio- nalen Gesetz gestrichen und der Ausstieg somit unum- kehrbar gemacht wird. Dieser Forderung wird mit dem heutigen Gesetzentwurf Genüge getan. Aus europäischer Sicht darf es nach 2018 keinen subventionierten Stein- kohlenbergbau in Deutschland mehr geben, so dass es auch keiner weiteren Prüfung im Jahr 2012 bedarf. Hier handelt die christlich-liberale Regierungskoalition kon- sequent und richtig, da es an vorderster Stelle darum geht, die auf europäischer Ebene gefundene Einigung nicht zu gefährden, die nur unter größten Mühen gefun- den werden konnte. Für mich persönlich stellt sich die Situation aber et- was komplexer dar: Die Revisionsklausel ist juristisch überflüssig geworden und ihre Streichung dient dem Zweck der Bestandssicherung auch des Steinkohlen- bergbaus bei uns im Tecklenburger Land. Politisch ge- hört sie aber meines Erachtens auf die Tagesordnung der zukünftigen Energiepolitik, und deshalb kann ich einer Streichung nicht zustimmen. Ich möchte ein deutliches S n n w s b h b h d k a w u u n p d d w e v g w B le w T b B S P s K v g z d k s k d a B k M 2 F A k B S s m (C (D ignal setzen, dass die Zukunftschancen der Steinkohle icht nur jetzt, sondern auch nach 2018 erkannt und ge- utzt werden müssen. Dazu müssen wir die weitere Ent- icklung im Fokus haben. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir die heimi- che Steinkohle weiterhin als nationale Energiereserve enötigen und somit den Zugang zu den Lagerstätten er- alten sollten. In einem zukunftsorientierten Energiemix rauchen wir neben den regenerativen Energien auch ochmoderne und effiziente Kohlekraftwerke, in denen ann auch die heimische Steinkohle verstromt werden ann. Gerade jetzt, wo alle möglichen Energieformen uf dem Prüfstand stehen und wir uns fragen müssen, ie eine sichere und bezahlbare Energieversorgung für nser Land zukünftig gestaltet werden kann, dürfen wir ns diese Möglichkeit eines heimischen Energieträgers icht verbauen. Grundsätzlich ist es richtig, die jetzt gefundene euro- äische Vereinbarung endgültig zu ratifizieren. Aber wir ürfen die weitere wirtschaftliche Entwicklung nicht aus en Augen verlieren und müssen uns bewusst sein, dass ir in unserem rohstoffarmen Land mit der Steinkohle inen der ganz wenigen grundlastfähigen Energieträger erfügbar haben. Diesen sollten wir nicht vorschnell auf- eben. Thomas Bareiß (CDU/CSU): Das Gesetz, über das ir heute abstimmen, zeigt deutlich, wie erfolgreich die undesregierung die Interessen der deutschen Steinkoh- nregionen, der Beschäftigten und damit auch unsere irtschaftspolitischen Interessen in Brüssel vertritt. rotz aller Kritik an der Streichung der Revisionsklausel egrüße ich ausdrücklich, dass die Bundesregierung in rüssel durchgesetzt hat, dass wie geplant bis 2018 teinkohle subventioniert werden kann. Auch wenn der reis dafür die Aufgabe der Revisionsklausel ist, ist die- er Preis geringer als ein vorzeitiger Ausstieg aus der ohlensubvention im Jahre 2014, der auf Kosten der ielen Tausenden Kohlenarbeiter und deren Familie ge- angen wäre. Vorneweg möchte ich klarstellen: Im Steinkohlefinan- ierungsgesetz von 2007 hat sich die Große Koalition arauf geeinigt, die subventionierte Förderung der Stein- ohle in Deutschland bis 2018 zu beenden. Dieser Aus- tiegsplan ist sozial ausgereift und zeigt die Verlässlich- eit unserer Regierungsarbeit. Bereits im Jahr 2007, als as Steinkohlefinanzierungsgesetz von der Großen Ko- lition auf den Weg gebracht wurde, war allerdings allen eteiligten klar, dass für den Zeitraum 2011 bis 2018 eine beihilferechtliche Genehmigung der EU vorlag. it einer Entscheidung der EU zum Ende des Jahres 010 musste daher gerechnet werden. Diese sah nun in orm des aktuellen EU-Kommissionsvorschlags ein uslaufen der deutschen Subventionierung von Stein- ohle bereits im Jahr 2014 vor. Die Bundesregierung setzte sich daraufhin massiv in rüssel für eine Befristung der Subventionierung von teinkohle bis 2018 ein. Trotz aller Widerstände in Brüs- el konnte dies durchgesetzt werden. An dieser Stelle öchte ich nochmal ausdrücklich Bundeskanzlerin 12150 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) Angela Merkel und Wirtschaftminister Rainer Brüderle für ihren starken Einsatz auf europäischer Ebene danken. Ein vorzeitiger Ausstieg hätte frühzeitige Stilllegungen und betriebsbedingte Kündigungen von mehreren Tau- send Bergleuten zur Folge. Hinzu kommen weitere Fak- toren, wie praktische und technische Probleme, die Bergwerke früher zu schließen. Uns war es wichtig, dass Entscheidungen erst getrof- fen werden, wenn die Kosten beider Szenarien klar sind. Die Bundesregierung konnte auf europäischer Ebene klarmachen, dass ein für 2014 vorgesehener Ausstieg aus den staatlichen Subventionen für den Steinkohlen- bergbau nicht wirklich günstiger sei als ein geordneter Ausstieg aus den Beihilfen im Jahre 2018. Der Preis da- für war lediglich das Streichen der Revisionsklausel aus dem Gesetz von 2007. Nicht zum ersten Mal beschäftigt uns das Thema Steinkohlenförderung im Plenum. Schließlich ist es auch ein sehr emotionales Thema. Dies hat verschiedene Gründe, die auch dazu geführt haben, dass wir uns so stark wie nur möglich für das Ende der Steinkohlensub- ventionen 2018 auf europäischer Ebene eingesetzt ha- ben. Die große Bedeutung von Kohle ist zum einen dem hohen Anteil am derzeitigen Energiemix und zum ande- ren der langjährigen Tradition in Deutschland und ihrer Bedeutung als langjährig wichtigster Wirtschaftsfaktor für das Ruhrgebiet geschuldet. Immerhin liegt Deutsch- land bei der Steinkohlenförderung hinter Polen auf Platz zwei in Europa. In unserem deutschen Energiemix hat die Steinkohle einen Anteil von rund 19 Prozent an der Bruttostromerzeugung in Deutschland. Gemeinsam mit der Braunkohle beträgt der Anteil über 40 Prozent. Insbesondere die Menschen in der Region haben eine besondere Verbundenheit damit. Das hat unter anderem historische Gründe. Das Ruhrgebiet ist eine der bedeu- tendsten deutschen und europäischen Industrieregionen. Diese Entwicklung wäre ohne den Steinkohlenabbau nie möglich gewesen. Die heimische Steinkohle hat über Jahrzehnte entscheidend zum Aufbau unseres Landes und der Steigerung unseres Wohlstandes beigetragen. Das Gesetz von 2007 war somit eine Zäsur. Mit dem Ge- setz wurde eine wichtige ordnungspolitische Grundsatz- entscheidung getroffen und der größte Subventionsab- bau seit Bestehen der Bundesrepublik beschlossen. Deutschland ist damit das einzige Land, das ein schlüssi- ges, sozialverträgliches und wirtschaftliches Gesamt- konzept zur Beendigung der heimischen Steinkohlenför- derung hat. Der deutsche Steinkohlenbergbau ist seit vielen Jah- ren aufgrund seiner ungünstigen geologischen Bedin- gungen international nicht mehr wettbewerbsfähig. Mil- liardenschwere Subventionen – fast 2 Milliarden Euro pro Jahr in den letzten Jahren – waren bisher notwendig, damit der deutsche Steinkohlenbergbau wettbewerbsfä- hig bleibt. Bei der Versorgung der deutschen Wirtschaft aber überwiegen die Importe. Steinkohle kann jederzeit aus sicheren Lieferländern bezogen werden. Dies wurde auch im Steinkohlefinanzierungsgesetz von 2007 aufge- griffen. Das soll nicht heißen, dass die Förderung von Steinkohle in Deutschland nicht mehr politisch gewollt is W E s k z K d a z R s V S n fü u 2 ru d k fo D v fe w u s k ru w d z ti re v G A re S e te E E S h P ü v tr z h ru w li (C (D t, sondern dass die Förderung unter der Prämisse der irtschaftlichkeit stehen muss – was übrigens für alle nergieträger gilt. Die Streichung der Revisionsklausel, die wir jetzt be- chließen wollen, ist eine europapolitische Notwendig- eit, um den Schutz der Arbeitnehmer in dieser Branche u gewährleisten. Schließlich ist eine der wichtigsten omponenten der Wirtschaftspolitik, stabile Rahmenbe- ingungen zu schaffen, auf die sich Unternehmen, Mit- rbeiter und Bürger verlassen können. Es wurde seiner- eit eine gute Regelung getroffen, auf die sich die egion und die Menschen dort verlassen. Vertrauens- chutz und Planungssicherheit konnten in den harten erhandlungen mit Brüssel sichergestellt werden. Im inne einer verlässlichen Wirtschaftspolitik wurde an ei- er Förderung bis 2018 festgehalten, was ich persönlich r richtig halte. Wegen der genannten Gründe halte ich es für sinnvoll nd lobenswert, dass die Bundesregierung den im Jahr 007 beschlossenen Ausstieg aus der Steinkohlenförde- ng bis 2018 in Brüssel durchgesetzt hat. Auch wenn er politische Preis dafür die Streichung der Revisions- lausel ist, haben wir unterm Strich einen wichtigen Er- lg für unsere heimische Kohlenwirtschaft errungen. enn angesichts der Größe der Branche braucht es die on uns gezeigte Verlässlichkeit, wenn man den betrof- nen Menschen eine vernünftige Perspektive bieten ill, die nicht zulasten einer traditionsreichen Branche nd ihrer Arbeiter geht. Deshalb plädiere ich für die Zu- timmung zum Gesetz über die Änderung des Stein- ohlefinanzierungsgesetzes. Rolf Hempelmann (SPD): Das Steinkohlefinanzie- ngsgesetz, das mit dem vorliegenden Gesetz geändert erden soll, geht auf den Steinkohlenkompromiss aus em Jahre 2007 zurück, der sorgsam austariert eine so- ialverträgliche und geordnete Beendigung des subven- onierten Steinkohlenbergbaus in Deutschland bis 2018 gelte. Damals war bekannt, dass die Steinkohlensub- entionen unter dem Vorbehalt der beihilferechtlichen enehmigung durch die EU stehen, die nach 2010 einer nschlussregelung bedurfte. Offenbar ging die Bundes- gierung davon aus, dass die deutsche Regelung für den trukturwandel die Unterstützung der EU bekommen und ine entsprechende Genehmigung quasi automatisch er- ilt werden würde. Nun haben wir im vergangenen Jahr erlebt, wie diese rwartungen enttäuscht wurden. Nach dem Vorschlag der uropäischen Kommission sollte der subventionierte teinkohlenbergbau 2014 beendet werden. Das wäre ein arter Schlag für die betroffenen Regionen gewesen. Alle rämissen für einen geordneten Strukturwandel wären ber den Haufen geworfen worden. Beim Kommissions- orschlag blieb außen vor, dass Tausenden Bergleuten be- iebsbedingt gekündigt worden wäre. Außerdem wäre es u massiven Arbeitsplatzverlusten in vom Bergbau ab- ängigen Bereichen gekommen. Auch der Finanzie- ngsfahrplan der RAG-Stiftung für die Ewigkeitslasten äre gefährdet gewesen. Schließlich spielte offensicht- ch die in einer Studie festgestellte Klimaneutralität der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12151 (A) ) )(B) Steinkohlenförderung keine Rolle. Mit Beendigung der Steinkohlenförderung in Deutschland wird nicht automa- tisch die fossile Stromerzeugung reduziert. Vielmehr wird die deutsche Steinkohle dann durch Importkohle aus Drittländern ersetzt werden. Nach massiven Protesten unter anderem des Europäi- schen Parlaments ist mit dem Ratsbeschluss vom 10. De- zember 2010 die weitere Subventionierung des Steinkoh- lenbergbaus bis 2018 genehmigt worden. Festzuhalten ist jedoch: Im gesamten Verfahren auf europäischer Ebene hat die Bundesregierung widersprüchliche Signale nach Brüssel gesandt. Die Bundeskanzlerin war mehr als ein Jahr untätig. Wirtschaftsminister Brüderle hatte offenbar sogar mit einer verkürzten Perspektive für die deutsche Kohle geliebäugelt und war anscheinend auch bereit, die damit verbundenen betriebsbedingten Kündigungen billi- gend in Kauf zu nehmen. Wie anders ist es zu interpretie- ren, dass er lediglich einen Prüfvorbehalt einlegte, wäh- rend die Wirtschaftsminister der ebenfalls betroffenen Bergbauländer Spanien und Rumänien gegen die Verkür- zungspläne der Kommission Widerspruch einlegten? Jetzt kann der Steinkohlenbergbau bis 2018 weiter subventioniert werden, jedoch ist dafür die Revisions- klausel geopfert worden, die Klausel, nach der die Bun- desregierung dem Deutschen Bundestag bis Mitte 2012 einen Bericht vorlegen sollte. Auf Grundlage dieses Be- richts sollte dann der Deutsche Bundestag entscheiden, ob weiterhin eine Förderung der Steinkohle erfolgen soll. Dabei sollten drei Gesichtspunkte eine Rolle spie- len: Wirtschaftlichkeit, Sicherung der Energieversor- gung und andere energiepolitische Ziele. Jetzt – und nicht 2012 – und ohne Bericht der Bundesregierung ent- scheiden wir. Dabei erörtern wir nicht die sich fortlau- fend verändernde Situation auf dem Weltenergiemarkt und die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Wir nehmen uns die Möglichkeit einer umfassenden Bewer- tung des Steinkohlenweltmarktes. Vor dem Hintergrund der aktuellen Preisentwicklung auf dem Weltmarkt und der Verknappung, der Verteuerung und dem aufkom- menden Protektionismus einzelner Länder bei immer mehr energetischen und nichtenergetischen Rohstoffen ist das leichtsinnig. Wie die parlamentarische Anhörung ergeben hat, kann insbesondere für die in Deutschland abgebaute Kokskohle nach 2018 eine Perspektive für einen subven- tionsfreien Abbau nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Der Marktpreis für Kokskohle bewegt sich nicht erst seit der Hochwasserkatastrophe in Queensland auf hohem Niveau. In diesem Marktsegment ist es vorstell- bar, dass die Wettbewerbsfähigkeit erreicht wird und Kokskohle dauerhaft konkurrenzfähig angeboten werden könnte. Es geht in dieser Diskussion aber auch um hochquali- fizierte Arbeitsplätze im Maschinen- und Anlagenbau. Der Bergbau ist ein Erprobungsfeld für weltweit ge- fragte Technologien. Der deutsche Maschinen- und An- lagenbau hat hier eine Spitzenstellung in der Welt. Um diese Spitzenstellung zu erhalten und langfristig diese Arbeitsplätze in Deutschland zu halten, muss jetzt über Perspektiven nachgedacht werden. Vor dem Hintergrund d im s u H d in n b R fe s v ti s re b a im g S A E K fü S d le u le u k te e s v v e fü m d li D lu N d fi u p b G le d d (C (D er derzeitigen Energiedebatte müssen wir uns darüber Klaren sein, dass wir über kurz oder lang auf den fos- ilen Energieträger Kohle nicht verzichten können, um nter anderem Versorgungssicherheit zu gewährleisten. inzu kommt dann die fortbestehende rohstoffliche Be- eutung insbesondere für die Stahlindustrie und weitere dustrielle Spezialbedarfe. Betrachtet man dies alles, ist es besonders leichtsin- ig, dass nach der derzeitigen Rechtslage Steinkohlen- ergwerke, die Stilllegungsbeihilfen nach Art. 3 des atsbeschlusses seit Beginn 2011 erhalten, diese Beihil- n komplett zurückzahlen müssen, wenn sie nach 2018 ubventionsfrei betrieben werden. Diese Rückzahlungs- erpflichtung behindert jegliche Option auf subven- onsfreie Weiterführung von Bergwerken. Der europäi- chen Ebene ging es bei ihrer Entscheidung um ein kla- s Enddatum für den subventionierten Steinkohlenberg- au, ein subventionsfreier Bergbau sollte dabei aber nie usgeschlossen werden. Hier hätte die Bundesregierung Europäischen Rat besser aufpassen müssen. Jetzt eht es darum, den von Brüderle & Co. angerichteten chaden nachträglich zu reparieren. Dazu haben wir im usschuss für Wirtschaft und Technologie mit unserem ntschließungsantrag einen Vorschlag gemacht. Die Bundesregierung muss mit der Europäischen ommission und mit dem Europäischen Rat Gespräche hren, um Wege zu finden, einen subventionsfreien teinkohlenbergbau nach 2018 zu ermöglichen. Außer- em muss geprüft werden, wie das Regime der Steinkoh- nsubventionierung bis 2018 ausgestaltet werden kann, m eine subventionsfreie Weiterführung von Steinkoh- nbergwerken nicht nur nicht zu behindern, sondern zu nterstützen. Das muss zeitnah erfolgen, denn andernfalls önnte der Zugang zu den Lagerstätten nicht offen gehal- n werden. Klaus Breil (FDP): Mit dem vorliegenden Gesetz- ntwurf endet ein Jahrzehnte andauerndes Kapitel deut- cher Industriegeschichte: Im Jahr 2018 wird der sub- entionierte Steinkohlenbergbau in Deutschland nun erbindlich und mit Zustimmung der EU auslaufen. Bis zu diesem Zeitpunkt werden die deutschen Steu- rzahler jedoch über 140 Milliarden Euro Subventionen r die Steinkohlenförderung aufgebracht haben. Seit ehr als 20 Jahren hat sich die FDP im Deutschen Bun- estag deshalb für einen geordneten und sozialverträg- chen Ausstieg aus dieser Subventionspolitik eingesetzt. ie Weichen hierfür stellte der Ende 2007 in Verhand- ngen zwischen dem Bund, den betroffenen Ländern ordrhein-Westfalen und Saarland, der IG BCE sowie er RAG AG errungene Kompromiss im Steinkohle- nanzierungsgesetz. Da staatliche Beihilfen für den Steinkohlenbergbau nter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Euro- äische Kommission stehen, waren mit dem Ablauf der isherigen Regelungen zum 31. Dezember 2010 erneut espräche auf europäischer Ebene erforderlich. Vor al- m dem beharrlichen Einsatz der Bundesregierung – und as möchte ich an dieser Stelle besonders betonen – für en 2007 gefundenen Konsens ist es zu verdanken, dass 12152 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) der erfolgreich begonnene Veränderungsprozess in den Bergbauregionen fortgeführt werden kann und dass ein verlässlicher Fahrplan den betroffenen Menschen auch weiterhin die dafür erforderliche Orientierung bietet. Nun mag mancher kritisieren, dass eine Annäherung der Positionen in den Verhandlungen mit der Europäi- schen Union nur unter Verzicht auf die bisher im Gesetz enthaltene Revisionsklausel möglich war. Hier stellt sich jedoch die grundsätzliche Frage, ob eine Förderung von Steinkohle in unseren Regionen jemals zu wettbewerbs- fähigen Bedingungen möglich wäre. Auch wenn zuletzt durch Verknappungen des Angebots – unter anderem durch die Flutkatastrophe in Australien – die Weltmarkt- preise für Kraftwerkskohle deutlich bis in den Bereich von 100 Euro je Tonne gestiegen sind, liegt dieses Preis- niveau noch weitaus niedriger als die Förderkosten für deutsche Steinkohle. Rund 90 Prozent der in Deutsch- land im vergangenen Jahr geförderten Steinkohlen- menge von circa 13 Millionen Tonnen entfielen auf Kraftwerkskohle. Daher ist deren Preisentwicklung für die Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit maßgebend, nicht der isolierte Blick auf den zeitweilig stärkeren Preisanstieg bei Kokskohle. Sollte es zudem am Welt- markt zu einem dauerhaft hohen Preisniveau bei der Steinkohle kommen – was bei weiter zunehmender Nachfrage insbesondere aus Asien möglich ist –, wird dies einen deutlichen Anstieg der Fördermengen in an- deren Regionen der Erde nach sich ziehen. Die wach- sende Rentabilität der Förderung führt zwangsweise zu einer Anpassung auf der Angebotsseite. Deutschland könnte angesichts seines geringen Anteils von unter 3 Prozent der globalen Vorkommen und angesichts der bestehenden erheblichen geologischen Nachteile mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten. Hinzu kommt, dass auch die Kosten für den Rückbau und die Beseitigung unvermeidlich auftretender Schäden erwirtschaftet werden müssen. Auch insofern haben die deutschen Lagerstätten in dicht besiedeltem Gebiet er- hebliche Nachteile gegenüber dem internationalen Wett- bewerb. Weder in Bezug auf die Versorgungssicherheit noch auf die Entwicklung der Weltmarktpreise wird so- mit der Steinkohlenbergbau in unserem Land jemals ei- nen relevanten Einfluss nehmen können. Daher stellt für uns die Streichung der Revisionsklausel eine tragfähige Lösung dar. Auf einen weiteren Punkt möchte ich kurz eingehen. Nicht erst in jüngster Zeit ist der Ruf nach dem dauerhaften Erhalt eines Referenzbergbaus zu verneh- men. Begründet wird dieser häufig mit dadurch verbes- serten Absatzchancen der heimischen Maschinen- und Anlagenbauer. Hierauf kann es nur eine Antwort geben: Die beste Referenz ist der Beweis des leistungsfähigen und störungsfreien Betriebs deutscher Qualitätsprodukte in den weltweit bedeutendsten Fördergebieten. Nur diese Argumente erhöhen die Marktchancen für „Made in Germany“ nachhaltig. Zum Antrag der SPD möchte ich die Stellungnahme des Gesamtverbandes Steinkohle e. V. zur öffentlichen Anhörung am 11. April 2011 zitieren: „Die deutsche Steinkohle ist aus heutiger Sicht nicht in der Lage, kurz- u z e k ic w S z k d d e re o s s m n F d w s h a P im te d te w a d w s d a s L fö d fi n z s s ö U M G h g w s d (C (D nd mittelfristig Kraftwerkskohle wettbewerbsfähig an- ubieten.“ Das beschreibt, wie auch das vorhin Gesagte, igentlich alles zu der Idee, subventionsfrei weiter Stein- ohle abbauen zu wollen. Was den vorliegenden Gesetzentwurf betrifft, möchte h gleichwohl um Ihre Zustimmung werben. Nur wenn ir es gemeinsam schaffen, uns von einer Politik der ubventionsverteilung zu lösen, werden wir die finan- iellen Spielräume für die Beantwortung drängender Zu- unftsfragen gewinnen – sei es für die Konsolidierung er öffentlichen Haushalte oder für die Beschleunigung er Energiewende in unserem Landes. Wir haben durch ine verlässliche Positionierung gegenüber der EU er- icht, dass die Steinkohlensubventionen bis 2018 ge- rdnet abgebaut werden können. Ein ständiges Rum- chrauben an den Modalitäten wird niemandem helfen – chon gar nicht den betroffenen Mitarbeitern. Ulla Lötzer (DIE LINKE): Mit der heutigen Abstim- ung soll der Steinkohlenbergbau in Deutschland defi- itiv zu Grabe getragen werden. Wir stehen aufgrund der ehler der Bundesregierung jetzt vor dem Dilemma, ass wir diese Gesetzesänderung nicht ablehnen können, eil sonst die Förderung der heimischen Steinkohle chon 2014 beendet werden würde. Die große Koalition atte es versäumt, den „Kohlekompromiss“ von 2006 uf der europäischen Ebene bestandsfest zu machen. rompt hatte die EU-Kommission die Beihilferegelung letzten Jahr gänzlich infrage gestellt. Nur den Protes- n der Bergleute und der Gewerkschaften ist es zu ver- anken, dass der Bergbau jetzt wenigstens bis 2018 wei- rlaufen kann. Doch die Genehmigung der Beihilfen urde mit dem Deal erkauft, dass die Revisionsklausel us dem deutschen Gesetz gestrichen werden soll. So weit, so schlecht. Doch sieht man genau hin, geht er Eingriff mit der heutigen Gesetzesänderung noch esentlich weiter. In der Anhörung des Wirtschaftsaus- chusses in dieser Woche wurde sehr deutlich, dass Ziel er EU-Kommission definitiv die endgültige Stilllegung ller Zechen in Deutschland und in anderen Mitglied- taaten ist. Selbst wenn eine Zeche im Jahre 2018 in der age wäre, ohne weitere Subventionen Steinkohle zu rdern, wird ihr der Garaus gemacht. Dann nämlich, so ie EU-Verordnung und die Änderung des Steinkohle- nanzierungsgesetzes, muss die Zeche alle Subventio- en, die sie ab 2011 erhalten haben wird, wieder zurück- ahlen. Das ist wirtschaftlich auf keinen Fall zu chaffen. Das heißt, die Zechen müssen dann so oder so chließen, ob sie 2018 rentabel sind oder nicht. Das ist konomischer und arbeitsmarktpolitischer Unsinn. Selbst wenn nach 2018 kein Bergwerk ohne staatliche nterstützung weiterlaufen könnte, halten wir es für das indeste, über Technologieförderung wenigstens eine rube für die Sicherung des technologischen Know- ows offen zu halten. Die Folgen der Zechenschließun- en betreffen nicht nur die Beschäftigten in den Berg- erken. An der Kohleförderung hängt ein moderner Ma- chinen- und Anlagenbau. Allein die Technologiesparte er Kohlewirtschaft beschäftigt mehr als 15 000 Men- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12153 (A) ) )(B) schen in NRW. Nur mit dem Erhalt eines Referenzberg- werks können diese Arbeitsplätze in Deutschland erhal- ten werden. Mittelfristig kann die Kohle auch ein wichtiger Ersatzrohstoff für das zur Neige gehende Erdöl als Grundstoff der petrochemischen Industrie wer- den. Je nach der Entwicklung auf den Rohstoffmärkten werden wir eines Tages vielleicht noch heilfroh sein, wenn wir heute die heimischen technologischen Kompe- tenzen im Bergbau nicht völlig vernichten. Eine Beendigung der heimischen Steinkohlenförde- rung ist kein Beitrag zum Klimaschutz, solange nicht gänzlich aus der Kohleverstromung ausgestiegen wird. Sie verlagert nur die Umweltkosten und Arbeitsplätze ins Ausland. Verstehen Sie uns nicht falsch – wir teilen das Nein zum Bau neuer Kohlekraftwerke. Kohle- und Atomkraftwerke blockieren den dringend notwendigen Umstieg auf erneuerbare Energien. Aber mit der Be- endigung der heimischen Steinkohlenförderung wird kein Kohlekraftwerk abgeschaltet, sondern nur die hei- mische Kohle durch Importkohle ersetzt. Die Entschei- dung an diesem Punkt heißt deshalb nicht „Kohle? Ja oder Nein“, sondern „aktive Industriepolitik oder Wirt- schaftsliberalismus?“. Wir treten für eine aktive Indus- triepolitik und für den Erhalt von Industriearbeitsplätzen durch einen sozial-ökologischen Umbau ein, nicht aber für eine Verbesserung der CO2-Bilanz durch die Vernich- tung von qualifizierten Arbeitsplätzen in der Industrie. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach den Beratungen in den Ausschüssen und der Anhö- rung zur Streichung der Revisionsklausel und der damit verbundenen Änderung des Steinkohlefinanzierungsge- setzes im Wirtschaftausschuss beraten wir heute über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Streichen der Revisionsklausel im Steinkohlefinanzierungsgesetz in zweiter und dritter Lesung. Grund dafür ist, dass sich im Jahr 2007 die damalige Große Koalition im Bund, die Länder, die RAG und die IG BCE auf eine Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus bis zum Jahr 2018 geeinigt hatten – mit der Vorgabe, dies aufgrund einer Revisionsklausel im Jahr 2012 noch einmal zu überprüfen. Dabei wurde es jedoch von der damaligen Großen Koalition im Bund und der damaligen schwarz-gelben Landesregierung in Nordrhein-Westfalen versäumt, das deutsche Steinkohle- finanzierungsgesetz von 2007 auch europarechtlich ab- zusichern. Denn es gab vonseiten der EU-Kommission nur eine Zustimmung für ein Fortführen der Subventio- nen bis 2011. Rückblickend muss man sagen, dass dies eine arrogante Haltung der damaligen Bundes- und Lan- desregierungen war, die sich im Juli 2010 gerächt hat. Denn zu diesem Zeitpunkt machte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates, die Steinkohlenbeihilfen bereits im Oktober 2014 einzustel- len. Nur durch erheblichen politischen Druck und wahr- scheinlich auch durch viele sachfremde Zugeständnisse in anderen Politikfeldern konnte Deutschland die Kom- mission und die anderen Mitgliedstaaten doch noch be- w z v s 2 A B te G G E Z w s e Z A d la le le E s la v P s k d m P S J ü s u b d s In a fu R m n d E e b F fö e d A a (C (D egen, Steinkohlensubventionen bis 2018 statt bis 2014 uzulassen. Deutschland musste aber zusichern, die Re- isionsklausel im deutschen Steinkohlefinanzierungsge- etz zu streichen, damit der subventionierte Bergbau bis 018 definitiv beendet wird. Denn bisher heißt es in § 1 bs. 2 des Steinkohlefinanzierungsgesetzes, dass die undesregierung dem Deutschen Bundestag bis spätes- ns 30. Juni 2012 einen Bericht zuleitet, auf dessen rundlage der Deutsche Bundestag unter Beachtung der esichtspunkte der Wirtschaftlichkeit, der Sicherung der nergieversorgung und der übrigen energiepolitischen iele prüft, ob der Steinkohlenbergbau weiter gefördert ird. Der heute zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf ieht eine Streichung genau dieses Absatzes vor. Dies ist in richtiges, vernünftiges und auch absolut notwendiges eichen an Europa. Denn die Revisionsklausel war von nfang an überflüssig und unsinnig. Sie hat verhindert, ass alle Beteiligten Planungssicherheit haben und sich ngfristig auf das unvermeidliche Ende des Steinkoh- nbergbaus einstellen konnten. Wir Grüne haben im tzten Jahr schon lange vor der Diskussion auf EU- bene hier im Bundestag entsprechende Anträge ge- tellt. Die Bundesregierung muss sich jedoch vorwerfen ssen, hier lange Zeit untätig gewesen zu sein. Schon iel früher hätte sie durch konkrete Gesetzesinitiativen lanungssicherheit für alle Beteiligten schaffen und zu- ätzliche, neue Bergschäden, Altlasten und Ewigkeits- osten vermeiden können. Doch die Bundesregierung brauchte anscheinend erst en Druck aus Brüssel, um durch den heute zur Abstim- ung vorliegenden Gesetzentwurf den europäischen artnern ernsthaft zu versichern, dass 2018 endlich chluss ist. Ansonsten hätten Sie bereits im vergangenen ahr unseren Anträgen „Steinkohlesubventionen jetzt berprüfen“ und „Subventionierten Steinkohlebergbau ozialverträglich beenden“ im Bundestag zugestimmt. Dass die Streichung der Revisionsklausel ein richtiges nd glaubhaftes Instrument für das Ende des nicht-wett- ewerbsfähigen Bergbaus in Deutschland ist, hat auch ie Anhörung an diesem Montag im Wirtschaftsaus- chuss des Deutschen Bundestages ergeben. Bis auf die teressenvertreter des Steinkohlenbergbaus waren sich lle Fachleute und Wissenschaftler einig: Eine Überprü- ng der Steinkohlensubventionen durch die sogenannte evisionsklausel im Jahr 2012 ist überflüssig und nicht it den EU-Vorgaben vereinbar. Es ist daher nur ver- ünftig, den Empfehlungen der Experten zu folgen und urch das Streichen der Revisionsklausel den anderen U-Staaten ernsthaft zu belegen, dass Deutschland 2018 ndgültig seine Beihilfen für den Steinkohlenbergbau eenden wird. Die Forderung der SPD und der Linken nach einer ortführung der nichtwettbewerbsfähigen Steinkohlen- rderung in Deutschland scheint momentan jedoch in ine ähnliche energiepolitische Sackgasse zu laufen, wie as bei Union und FDP vor wenigen Monaten in der tomfrage der Fall war. Rot-Rot scheint auch insofern n alten Strukturen festhalten zu wollen, statt die Ener- 12154 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) giewende zu beschleunigen. Dies hat nicht zuletzt auch der Entschließungsantrag der SPD-Fraktion im Wirt- schaftsausschuss gezeigt. Darin wird offen gefordert, mit der EU-Kommission und dem EU-Rat Gespräche zu führen, um den Steinkohlenabbau auch weiterhin in Deutschland zu ermöglichen. Angesichts der bereits jetzt gezahlten Milliardensummen und angesichts der entstan- denen Bergschäden und Ewigkeitskosten frage ich mich ernsthaft, ob dies gerade in der jetzigen energie- politischen Diskussion der richtige Weg ist. Wollen Sie, liebe Sozialdemokraten, nach der Debatte im letzten Jahr gegen die EU-Kommission und die große Mehrheit der anderen Mitgliedstaaten – wo wir doch fast schon bei ei- nem Aus 2014 gelandet wären –, das Fass noch mal auf- machen? Das können Sie nicht ernst meinen. Kommen Sie endlich im 21. Jahrhundert an! Der Steinkohlenberg- bau hat in Deutschland aus vielen Gründen keine Zu- kunft mehr. Statt viele Milliarden Euro in schwarzen Löchern zu versenken, brauchen wir das Geld viel dringender für den Strukturwandel in den betroffenen Regionen, um den Umbau der Energieversorgung weg von den fossilen Energieträgern hin zu den erneuerbaren Energien zu be- werkstelligen. Dabei steht die Sozialverträglichkeit der Beendigung des Steinkohlenbergbaus nicht infrage. Bis allerspätestens 2018 ist nun Zeit, alles sauber zu beenden und in der Zeit bis dahin, wo immer möglich, das Entste- hen neuer Ewigkeitslasten zu vermeiden. Ohne Zweifel, mit der heutigen Entscheidung geht eine lange Bergbautradition an Saar und Ruhr zu Ende, die ganze Generationen und das Gesicht der Regionen geprägt und eine ganz entscheidende Rolle bei der In- dustrialisierung und dem Wiederaufbau Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg gespielt hat. Dass vielen Menschen der Abschied von Steinkohlenbergau auch aus emotionalen Gründen schwer fällt, kann ich gut ver- stehen. Man muss aber auch sehen: Der Bergbau hat auch zu beträchtlichen Altlasten und Ewigkeitskosten geführt. Auf ewig werden unsere Nachkommen an diese Zeit erinnert werden, denn sie werden ewig – solange Menschen im Ruhrgebiert und am Niederrhein leben werden – pumpen müssen, um durch den Bergbau abge- senkte Flächen zu entwässern. Hinzu kommt die Unter- haltung von Deichen, die Sanierung Tausender alter Schächte und vieles mehr. Auch Gebäudeschäden, Infra- strukturschäden und Umweltschäden werden uns und die nachfolgenden Generationen dauerhaft begleiten. Ob und wie viel unsere Nachkommen dafür zahlen müssen, ist ungeklärt. Denn ob die Einnahmen der RAG-Stiftung aus dem Verkauf der Evonik für alle Ewigkeitskosten ausreichen, ist längst nicht sicher. Vor diesen Hintergründen und in Anbetracht der Si- tuation des Bundeshaushaltes unterstützen wir Grünen den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Streichung der Revisionsklausel im deutschen Steinkohlefinan- zierungsgesetz. Wir hätten uns einen Ausstieg aus den Subventionen auch einige Jahre eher vorstellen können, wollen heute jedoch konstruktiv dazu beitragen, dass nun durch eine breite Mehrheit das Ende der Steinkohlen- subventionen 2018 endgültig besiegelt ist. A le h h u g d fü a s F s k d F n R d g ic d R g T b g v s g w b ü h s v (C (D nlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Antrag: Deutschland im UN-Sicherheitsrat – Nationalen Aktionsplan zur UN-Resolution 1325 jetzt erstellen – Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – 10 Jahre UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ – Verpflichtung zur UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ einhal- ten – Auf Gewalt in internationalen Kon- flikten verzichten – 10 Jahre UN-Resolution 1325 – Frauen, Frieden, Sicherheit – Nationaler Aktions- plan für eine gezielte Umsetzung (Tagesordnungspunkt 20 a und b) Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Ich mache nun seit vie- n Jahren Entwicklungspolitik. Und in all den Jahren abe ich immer Gewalt gegen Frauen angeprangert. Ich abe immer die Bedeutung von Frauen in Konflikten nd die Prävention betont. Und ich habe immer darauf epocht, die gesellschaftliche Stellung von Frauen in en Entwicklungsländern zu verbessern. Das war und ist r mich nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern uch ein Herzensanliegen. Daher begrüße ich ausdrücklich die Sicherheitsratsre- olution 1325, die die überaus wichtige Rolle von rauen in Konflikten, deren Prävention und bei der ge- ellschaftlichen Aufarbeitung von Konflikten aner- ennt. Für mich als Entwicklungspolitikerin verbindet sich amit die Aufgabe, noch mehr die zentrale Rolle von rauen für Sicherheit und Entwicklung in unseren Part- erländern zu betonen. Sie müssen sowohl in ihren echten als auch in ihrer sozialen Stellung gestärkt wer- en; denn nur so bekommen sie in Konfliktländern die esellschaftliche Rolle, die ihnen zusteht. Daher begrüße h ausdrücklich die diversen Strategien des BMZ, sei es er entwicklungspolitische Gender-Aktionsplan, der den ahmen für unser entwicklungspolitisches Handeln vor- ibt, oder sei es das Grundlagenpapier „Stärkung der eilhabe von Frauen in der Entwicklungszusammenar- eit“, das Wege beschreibt, wie Frauen in ihrer Teilhabe estärkt werden können. Wenn uns das Empowerment on Frauen – also ihre Befähigung, ihr Leben selbstbe- timmt in die eigenen Hände zu nehmen – noch besser elingt als bisher, wäre dies ein großer Beitrag der Ent- icklungspolitik zur Erfüllung der Resolution 1325. Denn Frauen tragen bis heute in Konflikten, aber auch eim Wiederaufbau oftmals die Hauptlast, ohne dass sie ber entsprechenden politischen Einfluss verfügen. Da- er ist diese Resolution für mich ein Meilenstein, denn ie erkennt unmissverständlich an, dass Frauen ein Teil on Friedensprozessen sein müssen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12155 (A) ) )(B) Frauen in den Konfliktgebieten der Welt können sich auf diese Resolution berufen. Jetzt ist es an den Natio- nalstaaten, diese Resolution mit Leben zu füllen, und wir alle wissen, dass es daran mitunter noch gewaltig hapert. Anlässlich der Verabschiedung der Sicherheitsratsre- solution 1325 vor zehn Jahren liegen heute einige An- träge auf dem Tisch. Im SPD-Antrag finden sich viele wichtige und richtige Feststellungen, die ich ausdrück- lich unterstütze. Auch die Fakten sind klar und eindeu- tig, soweit der Antrag mangelnde Fortschritte bei der Umsetzung – wohlgemerkt, weltweit – beklagt. In 51 Ländern ist sexualisierte Gewalt gegen Frauen doku- mentiert. Hier gibt es nichts zu beschönigen oder zu rela- tivieren. Aber der Antrag fordert auch einen „nationalen Ak- tionsplan“ zur Umsetzung der Resolution. Nun haben wir uns in der Fraktion mit diesem Thema lange und in- tensiv beschäftigt und die Argumente gegeneinander ab- gewogen. Im Ergebnis haben wir uns nach heutigem Kenntnisstand gegen einen Aktionsplan ausgesprochen. Denn ein solcher nationaler Aktionsplan würde gegen- über dem bestehenden deutschen Engagement keinen entscheidenden Mehrwert erzeugen. Bis heute konnte mich niemand überzeugen, worin der politische Mehr- wert eines solchen Aktionsplans liegen könnte. Daher war diese Forderung auch nicht in unserem umfassenden Antrag vom 3. März 2010 „Internationaler Frauentag – Gleichstellung national und international durchsetzen“ (Bundestagsdrucksache 17/901) enthalten. Ein Aktions- plan soll ja die Regierungen dazu anhalten, die Resolu- tion umzusetzen und das Engagement nachprüfbar zu machen, insbesondere für das Parlament. Ich kann mir vorstellen, dass solche Aktionspläne in vielen Ländern dringend notwendig wären, in denen es gravierende De- fizite hinsichtlich der Umsetzung der Resolution 1325 gibt. Zumindest fallen mir mehr Länder ein als die bis- lang rund zwei Dutzend, die einen nationalen Aktions- plan verabschiedet haben. Doch Sie stimmen mir sicherlich zu, dass die Bundes- regierung die Ziele und Verpflichtungen aus der Resolu- tion 1325 sehr ernst nimmt: Deutschland gehört der „Freundesgruppe der Resolu- tion 1325“ an, Deutschland nimmt an den jährlichen of- fenen Debatten im Sicherheitsrat teil, und Deutschland setzt sich für die Berücksichtigung der in der Resolution enthaltenen Forderungen in allen VN-Gremien ein. Die nationale Umsetzung der Resolution erfolgt durch die verschiedenen beteiligten Ressorts. Dazu wurde eigens eine Ressortarbeitsgruppe 1325 eingerichtet. Und seit 2004 berichtet die Bundesregierung dem Bundestag über die Umsetzung der Resolution 1325. Aber auch im europäischen Kontext engagiert sich die Bundesregierung: Die EU wendet die Resolution 1325 im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidi- gungspolitik an, zum Beispiel in Form von Richtlinien für die Umsetzung der Resolution in europäischen Frie- denseinsätzen oder durch Ratsschlussfolgerungen zur Berücksichtigung von Gleichstellungsaspekten im Kri- senmanagement. d Z – k M re li li e u d v S s g K k n c e e d w fl w g a L ih F m a d ru d d ti C te d T b a d V g G s h m m te h d (C (D Daher kann ich beim besten Willen keinen Mehrwert urch einen eigenen nationalen Aktionsplan erkennen. u beiden Zielen eines solchen nationalen Aktionsplans der Umsetzung der Resolution und der Überprüfbar- eit der Ergebnisse – würde ein Aktionsplan keinen ehrwert erbringen. Somit wäre ein unter den Bundes- ssorts abgestimmter Aktionsplan allenfalls von symbo- schem Wert. Doch die Wirkung einer solchen Symbo- k ist sehr begrenzt. Ich bin der Meinung, dass die rheblichen Ressourcen, die ein solches Dokument in nseren Ministerien binden würde, besser genutzt wer- en können. Denn: Symbolik beendet nicht die Massen- ergewaltigungen im Kongo, im Tschad oder Sudan, ymbolik beendet nicht die Straflosigkeit nach chlimmsten Verbrechen wie Mehrfachvergewaltigun- en an Kindern, Frauen oder Greisen, wie sie in einigen onflikten in Form von sexualisierter Gewalt vorge- ommen sind, und Symbolik in Form eines deutschen, ationalen Aktionsplans wird Menschenrechtsverbre- her nicht davon abhalten, die Zerstörung von Frauen in inigen Konflikten als Kriegsziel anzusehen. Wir sollten daher unsere politische Arbeit nicht auf ine Debatte über einen in meinen Augen überflüssigen eutschen Aktionsplan konzentrieren. Vielmehr sollten ir versuchen, die Ursachen für solch schreckliche Kon- ikte und Verbrechen an Frauen zu beseitigen. Damit äre dem Geist der Resolution 1325 wesentlich besser eholfen. Darum lautet das Votum zu den Oppositions- nträgen Ablehnung. Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Die Heldin ysistrata des griechischen Dichters Aristophanes und re Initiative, durch die sexuelle Verweigerung der rauen die Männer zum Frieden zu zwingen, ist allge- ein bekannt. In Liberia hat es vor einigen Jahren Nach- hmerinnen – wenn auch mit anderen Mitteln – gefun- en: Während des schrecklichen Krieges – der bis 2003 nd 250 000 Menschenleben forderte und in dem etwa rei Viertel aller Frauen und Mädchen vergewaltigt wur- en – entstand ein ganzes Netzwerk von Frauenorganisa- onen, das sich für die Schaffung von Frieden einsetzte. hristinnen und Musliminnen beteten und demonstrier- n zu Tausenden gemeinsam und sammelten sich vor em Präsidentenpalast in Monrovia. Sie haben in weißen -Shirts gegen die Kriegsgewalt angeschwiegen. Die li- erianischen Frauen haben sich außerdem mit Frauen us Sierra Leone und Guinea zusammengeschlossen und ie Verantwortlichen durch ihre Demonstrationen an den erhandlungstisch gebracht. Während der Verhandlun- en 2003 haben sie unter der Anführung von Leymah bowee das Haus umzingelt und den Männern gedroht, ie vor dem Abschluss eines Friedensabkommens nicht erauszulassen. Der Krieg fand ein Ende. Die Frauen haben sich ihr Mitspracherecht genom- en und sich religions- und grenzübergreifend zusam- engeschlossen, während die Männer sich abgeschlach- t und die Frauen der jeweiligen Gegner vergewaltigt aben. Bei den konkreten Friedensverhandlungen wur- en die Frauen dann übrigens wieder ausgeschlossen, 12156 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) aber: Frauenorganisationen haben anschließend bei der Entwaffnung und Demobilisierung der Rebellengruppen geholfen und sich für eine Frauenquote von 30 Prozent im Parlament eingesetzt. Für Letzteres erhielt Etweda Cooper einen 1325-Award. Seit 2005 hat Liberia eine weibliche Präsidentin, die erste in Afrika, welche nicht nur Vergewaltigung unter Strafe gestellt hat, sondern derzeit auch eine weibliche Polizeitruppe in Monrovia aufbaut. Das Beispiel aus Liberia macht deutlich, was der Hin- tergrund der UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden, Si- cherheit“ ist, an deren 10-jähriges Bestehen wir uns im Oktober 2010 erinnern konnten. Wir haben diese Reso- lution als „historischen Meilenstein“ bezeichnet, weil sie neben der Verurteilung von sexualisierter Gewalt an Frauen die Frauen aus der einseitigen Opferrolle heraus- holt und fordert, Frauen zu Akteurinnen in der Friedens- schaffung und Konfliktbeilegung zu machen. In der damaligen Debatte im Plenum hatte ich bedau- ert, dass CDU/CSU und FDP keinen eigenen Antrag vorgelegt haben, um ihre Vorstellungen zur Umsetzung der Resolution zur Diskussion zu stellen. Nun haben wir April, und Sie haben sich immer noch nicht positioniert. Und die Zustimmung der Koalitionäre im Unteraus- schuss „Zivile Krisenprävention“ zum SPD-Antrag scheint ja wohl eher ein Versehen gewesen zu sein und wurde deshalb im Auswärtigen Ausschuss durch eine Ablehnung „geheilt“. Ich finde, Sie könnten Ihrer Regie- rung gegenüber ein bisschen mutiger sein, wenn es um die Rolle von Frauen in Konflikten geht. Ihr Verhalten kann ich umso weniger verstehen, als wir in der Großen Koalition doch einen gemeinsamen Antrag (Drucksache 16/3501) eingebracht haben. Ich darf Ihnen den Inhalt diesen Antrages vielleicht kurz in Erinnerung rufen. Wir erkannten darin unter anderem an, dass die Fortschritte zur Umsetzung der UN-Resolution 1325 mehr als bescheiden sind, weil sich vor allem in der Lebenswirklichkeit der Frauen nicht viel verändert hat. Deshalb forderten wir die Bundesregierung auf, für die konsequente und zeitgerechte Umsetzung des UN- Aktionsplanes einzutreten. Und was haben Sie seit dem Regierungswechsel zu Schwarz-Gelb von unseren Einsichten umgesetzt? Lei- der nicht sehr viel. Nicht einmal, wenn Sie direkt die Möglichkeit hatten, ein gleichstellungspolitisches Auge auf die Besetzung von Vorständen, wie bei der Deut- schen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ, zu haben. Obwohl GTZ, Inwent und DED ausrei- chend Top-Frauen aus dem Executive und Upper Ma- nagement zu bieten hatten, beruft ihr Entwicklungsminis- ter Niebel ausschließlich sieben (!) Männer – und scheut nicht davor zurück, auch seinen alten (Partei-)Kumpel Tom Pätz, der zuletzt lokale Talkshows in Bonn mode- rierte, dort „hineinwählen“ zu lassen. Selbst der sonst so vorsichtige Personalrat des BMZ warf Niebel bereits letztes Jahr vor, er missachte den „Grundsatz der Beset- zung öffentlicher Ämter nach Leistung, Befähigung und Eignung“ (Spiegel, 1. März 2010). Ich füge auch hinzu: Herr Niebel, Sie haben auch diese wichtige UN-Resolu- tion missachtet! n K a re s D h w H g w a 1 s h te P d Z a lu R d re g ti L S B s d d b h lu z ti s g s u W d d c d a lu s c S (C (D Das macht deutlich: Was wir brauchen, ist ein natio- aler Aktionsplan zur Umsetzung der Resolution 1325. ofi Annan hat die Zeichnerstaaten bereits 2005 dazu ufgefordert. 15 europäische Staaten – zuletzt Frank- ich und Estland – sind seiner Forderung in der Zwi- chenzeit gefolgt, das Europäische Parlament rät dazu. eutschland sollte sich dem als Mitglied im UN-Sicher- eitsrat nicht länger verweigern – wobei ich mir auch ünschen würde, dass mit dem eigenen Aktionsplan im intergrund die Bundesregierung auch die UN-Gremien laubwürdig an ihre Pflicht zur Umsetzung erinnern ürde: Immerhin nahmen nach Informationen der GTZ n UN-Friedensmissionen neben 78 407 Männern nur 794 Frauen teil. Alle Oppositionsparteien fordern heute diesen deut- chen nationalen Aktionsplan in ihren Anträgen. Des- alb ist es gut und richtig, dass wir alle Oppositionspar- ien zusammen – und das ist ein Novum in diesem arlament – einen Entschließungsantrag vorlegen, der iese gemeinsame Forderung unterstreicht. Wir fordern, dass ein nationaler Aktionsplan in enger usammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Experten er- rbeitet wird. Dieser soll die volle Umsetzung der Reso- tion 1325 und der damit verbundenen drei weiteren esolutionen sicherstellen und über eine Berichtspflicht ie regelmäßige Evaluierung der Maßnahmen transpa- nt machen. Dieser Aktionsplan muss angemessen bud- etiert werden. Lassen Sie mich – auch im Nachgang zum Interna- onalen Frauentag – zum Schluss zu dem Geist von ysistrata und den Frauen in Liberia zurückkommen: ie haben es geschafft, Kriege zu beenden – gemeinsam. ei den friedlichen Revolutionen in Ägypten und Tune- ien haben viele Frauen in der vordersten Reihe gestan- en. Sie haben der Revolution ihr Gesicht gegeben und as Bild des Islam korrigiert, das viele zu Unrecht ha- en. Dafür sollten wir ihnen danken. Dr. Bijan Djir-Sarai (FDP): Zehn Jahre ist sie nun er: die einstimmige Verabschiedung der UN-Reso- tion 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ auf der Sit- ung des UN-Sicherheitsrats. Wir sehen diese Resolu- on als Ergebnis eines jahrzehntelangen Prozesses, der chon weit vor der Pekinger Weltfrauenkonferenz be- ann. Wir sehen diese Resolution aber nicht als Ab- chluss und Deckel des Prozesses. So gibt dieses Jubilä- msjahr, das am 31. Oktober 2010 begann, Anlass für ürdigungen, aber manchmal auch kritische Analysen er Resolution 1325 und ihrer Nachfolger. Ich begrüße die Diskussion dieses oft an den Rand ge- rängten Themas hier im Deutschen Bundestag sehr. Si- herheit und Frieden sind die definierten Hauptaufgaben es UN-Sicherheitsrats. Sicherheit und Frieden sind aber uch zwei Aspekte, welche die Umsetzung dieser Reso- tion bestimmen. Die Resolution und die folgenden Resolutionen wei- en auf vielfältige Bedrohungen durch die mangelnde Si- herheit der Zivilbevölkerung hin und fordern verstärkte icherheitsmaßnahmen. Dabei bildet die starke Bedro- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12157 (A) ) )(B) hung und Unsicherheit von Frauen und Kindern die Aus- gangslage dieser Resolution. Allerdings wird nicht nur auf deren besondere Schutzbedürftigkeit und die mangelnde Sicherheit hin- gewiesen, sondern es wird auch ihre herausragende Rolle für das Gelingen von Friedensprozessen betont. Seit der Beschlussfassung der Resolution 1325 vor über zehn Jahren gibt es einen vielfältigen Prozess der Umsetzung. Und es gibt Länder, die den Verpflichtungen der Resolution durch die Umsetzung eines nationalen Aktionsplanes nachkommen. Es gibt Länder, die halten dies für den richtigen Weg der Umsetzung. Das wird hier in diesem Haus auch in einigen Anträgen der Opposition gefordert. Deren politische Stoßrichtung – so wie sie in den Anträgen dargestellt wird – teilen wir allerdings nicht. Die Bundesregierung berücksichtigt die völkerrechts- verbindliche Resolution der Vereinten Nationen, sowohl in ihren nationalen als auch in ihren internationalen Poli- tikstrategien. Die Bundesregierung hat mit dem Aktions- plan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Frie- denskonsolidierung“ bereits ein sehr umfassendes Instrument geschaffen. Das ist meiner Meinung nach völlig ausreichend, um eine zielorientierte Umsetzung der UN-Resolution 1325 zu erreichen. Daher halte ich die Konstruktion eines weiteren nationalen Aktionsplans an dieser Stelle nicht für hilfreich. Deshalb können wir die Hauptforderung Ihrer Anträge nicht unterstützen. Die Bundesregierung ist sich ihrer Pflicht bewusst und handelt schon. Der Förderung von Frauen, Frieden und Sicherheit auf internationaler Ebene kommt die Bundesregierung nach – gerade auch in ihrer neuen Funktion als Mitglied des UN-Sicherheitsrates. Die UN-Resolutionen zeichnen sich durch relativ klare und entschiedene Formulierungen und Absichtser- klärungen aus. In der Realität herrscht immer noch ein etwas anderes Bild vor: Der Frauenanteil in militäri- schen EU-Missionen zum Beispiel liegt bei circa 6 Prozent und in den zivilen Missionen bei 8 Prozent. Vor diesem Hintergrund liegt es in der Natur der Sache, dass die Forderung, Frauen auf allen Ebenen einzubezie- hen, zunehmend energischer diskutiert wird. Weitere Resolutionen wurden verabschiedet mit der Maßgabe, die Rolle der Frauen als friedenspolitische Akteurinnen zu stärken und sie nicht primär oder gar ausschließlich als schutzbedürftig zu betrachten. Frauen werden – nicht nur in der Friedens- und Sicherheitspoli- tik – berücksichtigt und gefördert. Das ist auch wichtig; das steht außer Frage. Dass in diesem Zusammenhang der Wunsch nach einer Quotierung besteht, ist nachvoll- ziehbar, jedoch nicht zielführend. Bereits jetzt achtet die Bundesregierung in der Arbeit in allen Ressorts auf das sogenannte Gender-Mainstreaming. Auch dies ist schon eine gelungene Umsetzung der hier vorgelegten Wün- sche und wesentlich produktiver als auf eine quantitative Quote zu setzen. Eine kurze Stellungnahme zum vorliegenden Antrag der Kollegen von den Linken kann ich mir nicht gänzlich v d d F te s G u d te s z n T B g b n K u g u K d V g h h S le z s m e re u „ d h n ih te re F k fl G o w in N (C (D erkneifen. Ihr Antrag ist ideologisch geprägt und for- ert eine Vielzahl von Maßnahmen, die teuer sind und eren Zweckmäßigkeit zweifelhaft ist. In Ihrer sechsten orderung unterstellen Sie der Bundesregierung, sie un- rstütze Regime, die Kindersoldaten einsetzen und onstige Rechtsverstöße begehen. Ich kann Ihnen eins sagen: Das ist nicht der Fall. anz im Gegenteil werden solche Regime sanktioniert, nd die Bundesregierung setzt sich überall weltweit ein, ass sie in ihrer Haltung von anderen Staaten ebenso un- rstützt wird. Mit solchen Regimen arbeitet die deut- che Bundesregierung definitiv nicht zusammen. Wir haben mit der Entwicklung des vernetzten Ansat- es ziviler und militärischer Mittel in Konfliktsituatio- en einen großen Schritt nach vorne gemacht. Das hema hat in der jüngsten Vergangenheit eine größere edeutung erlangt. Krisen und Konflikte sind komplexer eworden in den vergangenen Jahren. So müssen wir ne- en dem klassisch-militärischen Bereich auch die öko- omische, entwicklungspolitische, soziale und kulturelle omponente vor Augen haben. Prävention, Bewältigung nd Nachsorge von Konflikten kann unter den Bedin- ungen unseres Jahrhunderts nur funktionieren, wenn nterschiedliche Maßnahmen in einem umfassenden onzept miteinander vernetzt werden. Zusammengefasst lässt sich sagen: Die Umsetzung er UN-Resolution 1325 ist auch zehn Jahre nach ihrer erabschiedung auf einem guten Wege. Die Bundesre- ierung weiß um ihre Pflicht und handelt. Daher sind die ier vorliegenden Oppositionsanträge nicht notwendig. Christine Buchholz (DIE LINKE): Vor zehn Jahren at die UNO die Resolution 1325 „Frauen, Frieden und icherheit“ verabschiedet. Die Bundesregierungen der tzten zehn Jahre haben es versäumt, einen Aktionsplan ur Umsetzung dieser Resolution zu erarbeiten. Deshalb ind wir uns mit SPD und Grünen einig: Die Regierung uss einen Aktionsplan vorlegen. Die entscheidende Frage ist allerdings, was der Inhalt ines Aktionsplanes ist. Die Linke ist hier gänzlich ande- r Meinung als die Bundesregierung, aber auch als SPD nd Grüne. Letztere rühmen sich, in ihrer Regierungszeit die Geschlechterperspektive in UN-Mandate für Frie- ensmissionen“ wie Afghanistan 2001 aufgenommen zu aben. Die vorliegende UN-Resolution und alle Fraktio- en des Bundestags außer der Linken schließen Krieg in re Politik mit ein. Für uns dagegen ist Krieg kein Mit- l der Politik und schon gar kein Mittel, um Frauen- chte durchzusetzen. Krieg bringt Krieg und keinen rieden! In der Resolution wird ein Aktionsplan zur „Mitwir- ung von Frauen in Entscheidungsfunktionen bei Kon- iktbeilegungs- und Friedensprozessen“ gefordert. Das egenteil ist der Fall. Frauen werden als Soldatinnen der für Propagandazwecke instrumentalisiert, oder sie erden zum Opfer von Kriegen. Die Bundesregierung hat den Anteil von Soldatinnen der Bundeswehr seit dem Jahr 2001 verdreifacht. Die ATO betont, wie enorm wichtig Frauen für den Erfolg 12158 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) des Krieges in Afghanistan seien; mehr Soldatinnen ver- besserten den Schutz der eigenen Truppen. Für die Bun- desregierung und für die NATO sind Frauen Mittel zum Zweck, um den Krieg zu gewinnen. Das ist pervers! Schicksale afghanischer Frauen werden benutzt, um hierzulande den Krieg zu rechtfertigen. Ich zitiere ein von WikiLeaks veröffentlichtes CIA-Dokument: „Af- ghanische Frauen könnten als ideale Botschafterinnen dienen“. Ihre Medienauftritte sollen „helfen, die unter westeuropäischen Frauen weitverbreitete Skepsis gegen- über dem Afghanistan-Einsatz zu überwinden“. Jedes Jahr wieder wird die Fortsetzung des Krieges in Afghanistan von Vertreterinnen und Vertretern aller Par- teien von FDP bis SPD damit begründet, man könne die Frauen jetzt nicht im Stich lassen. Die Bundesregierung schrieb letztes Jahr auf ihrer Internetseite: „Mit der Mo- dernisierung des Landes wird sich auch die Lage der Frauen kontinuierlich verbessern. Daran wirken wir mit.“ Aber was bedeutet der Krieg vor Ort? Ich selbst habe mich in der afghanischen Provinz Kunduz mit Frauen getroffen, deren Männer und Söhne am 4. September 2009 auf Befehl der Bundeswehr getötet wurden. Sie ha- ben nicht nur ihre Angehörigen, sondern meist damit auch ihre Existenz und Zukunft verloren. Denn auch zehn Jahre nach Beginn des Krieges hat die Mehrheit der Frauen in Afghanistan keine Chance auf einen eigen- ständigen Broterwerb. Deshalb ist es besonders bitter, dass die Familien der Kunduz-Opfer noch heute auf an- gemessene Entschädigung von der Bundesregierung warten. Die ehemalige afghanische Abgeordnete Malalai Joya sagte mir: „USA und NATO fielen in Afghanistan an- geblich für die Rechte der Frauen ein, aber heute ist die Situation der Frauen genauso katastrophal wie unter der Herrschaft der Taliban. Vergewaltigungen, Entführun- gen, Morde, Säureattentate und häusliche Gewalt steigen rapide an.“ Auf die Frage, wie wir Frauen in Afghanistan unterstützen können, antwortete sie: „Erstens wird Krieg Frauen niemals helfen. Zweitens haben wir die Chance, dass sich afghanische Frauen selbst befreien und pro- gressive Männer uns helfen werden.“ Das zeigt: Krieg für die Rechte von Frauen ist ein Mythos. Ohne eine klare Absage an Krieg, der immer ein Krieg gegen Frauen und Kinder ist, ist jeder Aktions- plan Makulatur. Deshalb fordert die Linke, die Resolu- tion 1325 weiterzuentwickeln und festzuschreiben, auf militärische Gewalt zu verzichten. Und genau deshalb lehnt die Linke die Anträge von SPD und Grünen ab. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Am 8. März dieses Jahres haben wir „100 Jahre Internationaler Frauentag“ gefeiert. National und inter- national gibt es neben vielen Problemen auch Fort- schritte und Erfolge für die Frauen. Der Beschluss der Resolution 1325 vor zehn Jahren im UN-Sicherheitsrat war ein solcher Erfolg. Er war ein Meilenstein auf dem Weg zu einer wirklich geschlechtersensiblen Friedens- und Sicherheitspolitik. Erstmals beschloss damit die U te g J la s b d U z d 2 n d u te d z s F V re w B h B b lo fü R s le z d U b u h n d fo d d v g 1 z T n M e K z n ra fü (C (D NO eine völkerrechtlich verbindliche Vorgabe zur Be- iligung von Frauen an der Bewältigung von gewalttäti- en Konflikten und beim Friedensaufbau. Allerdings mussten wir anlässlich des zehnjährigen ubiläums im letzten Jahr auch feststellen, dass die Bi- nz mehr als ernüchternd ist: In den meisten Konflikten ehen sich die Parteien nicht an die Resolution 1325 ge- unden. Frauen werden eben meistens nicht am Frie- ensaufbau beteiligt. So ergaben Stichproben von NIFEM bei 24 UN-gestützten Friedensverhandlungen wischen 1992 und 2008: Nur 7,6 Prozent der Verhan- elnden, nur 3,2 Prozent der Vermittelnden und nur ,5 Prozent der Unterzeichnenden waren weiblich. Ich enne ein aktuelles Beispiel, nämlich die Umbrüche in er arabischen Welt. Zwar haben die Frauen in Tunesien nd Ägypten maßgeblich dafür gesorgt, dass die Despo- n abtreten mussten, aber jetzt, nach der Revolution, bei er Gestaltung der neuen Demokratien, sollen sie wieder urück an den Katzentisch. Das darf nicht sein. Lassen ie uns hier ganz klar die Frauen in Ägypten mit ihren orderungen unterstützen. Auch Frauen müssen in der erfassungskommission und in den Übergangsstruktu- n, die jetzt die Demokratie aufbauen, vertreten sein. Auch Gewalt gegen Frauen wird in vielen Kriegen eiter systematisch als Kriegswaffe eingesetzt, wie zum eispiel im Ostkongo. Dort finden seit Jahren massen- afte Vergewaltigungen statt, sogar vor den Augen der lauhelme. Allein im Juli und August 2010 waren es rutale Vergewaltigungen an über 500 Frauen. Für die kalen Kriegsherren, dramatischerweise aber oft auch r die UN vor Ort, scheinen die Verpflichtungen aus der esolution 1325 und der Folgeresolution 1820 offen- ichtlich keine Rolle zu spielen. Wenn wir wirklich wol- n, dass die Resolution 1325 mit Leben gefüllt wird und entraler Bestandteil der internationalen Politik wird, ann müssen sich endlich auch die Mitgliedstaaten der NO konsequent an die Umsetzung machen. Sonst blei- en die Resolutionen nichts weiter als bedrucktes Papier. Meine Damen und Herren von der Bundesregierung nd den Koalitionsfraktionen, ich finde es wirklich un- altbar, dass wir, als Mitglied im Sicherheitsrat, immer och nicht bereit sind, einen nationalen Aktionsplan auf en Weg zu bringen. Schon 2005 hat Kofi Annan das ge- rdert, doch erst 25 Staaten sind dem gefolgt. Es ist och peinlich, dass Deutschland als angebliche Stütze es UN-Systems sich dieser Aufforderung immer noch erweigert. In der UNO-Agenda der Bundesregierung ibt es noch nicht mal einen Hinweis auf die Resolution 325 – und das, obwohl auch Ban Ki-moon die Umset- ung der Resolution 1325 zu einem seiner wichtigsten hemen gemacht hat: Es wurde mit UN-Women eine eue einheitliche UN Organisation geschaffen und mit argot Wallström eine Sonderbeauftragte gegen sexu- lle Gewalt in Konflikten eingesetzt. Auch die Anhörung des Unterausschusses „Zivile risenprävention und vernetzte Sicherheit“ am 13. De- ember 2010 hat ganz klar ergeben, dass die Frauenorga- isationen wie medica mondiale, der Frauensicherheits- t oder UNIFEM einen solchen nationalen Aktionsplan r unabdingbar halten. Da kann sich doch Deutschland Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12159 (A) ) )(B) nicht einfach ausklinken und alle diese Empfehlungen ignorieren. Deshalb bin ich sehr froh, dass es uns gelun- gen ist, zumindest zwischen den Fraktionen von SPD, Linken und Bündnis 90/Die Grünen einen gemeinsamen Antrag zu vereinbaren. Das ist ein großer Erfolg, und ich bin mir sicher: Das wird politisch wahrgenommen wer- den. Wir stellen damit klar: Mit anderen Mehrheitsverhält- nissen im Deutschen Bundestag werden wir – SPD, Grüne und Linke – einen solchen Aktionsplan gemein- sam auf den Weg bringen. Dadurch werden wir tatsäch- lich die UNO unterstützen – und nicht nur, wie die Ko- alition, durch Sonntagsreden. Konkrete Vorschläge zu einem solchen Aktionsplan, wie jetzt der des Frauensi- cherheitsrates, liegen ja sogar auf dem Tisch. Meine Da- men und Herren von der Koalition, Sie müssen nur zu- greifen und lesen. Es geht dabei um die Umsetzung der 4 Ps: der Prävention, der Protektion – also dem Schutz von Frauen und Mädchen –, der Präparation – also der gendersensiblen Vorbereitung von zivilem oder militäri- schen Personal, das wir in internationale Missionen oder Missionen der EU oder der OSZE entsenden – und der Partizipation. Besonders wichtig ist dabei das zuletzt Genannte: Partizipation, also die Förderung der Beteili- gung von Frauen als Akteurinnen des Wandels. Klar ist: Wir wollen einen effektiven Plan. Dabei müssen wir von anderen Ländern lernen. Dazu ist es enorm wichtig, bei der Erstellung in einem transparenten Prozess die Zivilgesellschaft einzubeziehen, die Maß- nahmen regelmäßig zu überwachen und vor allem zu evaluieren, ob die Zielvorgaben auch erreicht wurden. Es muss jährlich dem Bundestag berichtet werden, und der Aktionsplan muss mit entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden, denn ohne Budget bleiben viele Vorhaben blanke Theorie. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, ich habe in vielen Krisenregionen dieser Welt erlebt, wie wichtig und von welch konkreter Bedeutung für die Frauen vor Ort die Umsetzung dieser Resolution ist, die für uns hier vielleicht so theoretisch erscheint: im Kongo, in Darfur, im Südsudan, in Afghanistan und jetzt aktuell in der arabischen Welt. Diese Frauen haben große Erwartungen und Hoffnungen, auch die Hoffnung, dass wir die Umsetzung der Resolution ebenso ernst nehmen wie sie. Lassen sie uns diese Frauen nicht enttäuschen, werfen Sie Ihr Herz über die Hürde und stimmen Sie, wie Ihre Kollegen und Kolleginnen im Unterausschuss „Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit“, die durch die Anhörung und durch die Debatte inzwischen von der Sache offensichtlich überzeugt worden sind, ei- nem der Einzelanträge oder wenigstens unserem über- fraktionellen Antrag zu! Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Neunund- zwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abge- h d d ri d g s e ti G v W ti 1 z re s s s w n k d e n v m S ti ru z n g n v M s s ti p m z m tr m W D W ö (C (D ordnetengesetzes – Einführung eines Ordnungs- geldes (Tagesordnungspunkt 19) Bernhard Kaster (CDU/CSU): Wir debattieren eute über Änderungen des Abgeordnetengesetzes und er Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, Än- erungen, die das Selbstverständnis unserer parlamenta- schen Arbeit betreffen. Der Begriff der Geschäftsordnung wird im Übrigen er Bedeutung gerade dieser Geschäftsordnung nicht anz gerecht; ist es doch letztlich die gemeinsame Ver- tändigung über die Spielregeln unserer Demokratie in inem demokratisch gewählten Parlament. Unsere Geschäftsordnung hat eine sehr lange Tradi- on. Sie finden in ihr wörtliche Formulierungen aus der eschäftsordnung des Deutschen Abgeordnetenhauses on 1848, des Norddeutschen Reichstages von 1868, der eimarer Republik und zu guter Letzt der ersten endgül- gen Geschäftsordnung des Bundestages aus dem Jahre 951. Dennoch ist die Geschäftsordnung über die Jahr- ehnte immer wieder aktualisiert worden. Sehr umfang- ich geschah dies zuletzt infolge des Vertrages von Lis- abon. Heute diskutieren wir über eine Änderung der Ge- chäftsordnung, die sich unsere Fraktion sehr gerne er- part hätte. Es ist ungewöhnlich, ja beschämend, dass ir uns als Bundestag mit der Ausweitung von Ord- ungsmaßnahmen befassen müssen. Dies ist sicherlich eine Sternstunde des Parlamentes. Anlass für die Einführung eines Ordnungsgeldes – und ies muss hier klar zum Ausdruck gebracht werden – ist inzig und alleine das unparlamentarische Verhalten ei- er Fraktion. In dieser Legislaturperiode wie auch in der orangegangenen Legislaturperiode hat immer und im- er wieder die Nachfolgepartei der kommunistischen ED die Regeln dieses Hauses und damit der Demokra- e vorsätzlich verletzt. Die Linksfraktion hat diese Stö- ngen offensichtlich ganz gezielt und abgestimmt ins- eniert, um sich ihrer Aktivitäten anschließend auch och im Internet zu rühmen. Im Rahmen der Debatte um die Erweiterung des Af- hanistan-Mandats zeigten eine Vielzahl von Abgeord- eten der Linken im Plenum Spruchbänder. Die Partei- orsitzende der Linken hat diese Entgleisung der itglieder ihrer Fraktion nicht etwa kritisiert, sondern ogar noch mit den Worten gelobt „Ich danke auch per- önlich meiner Fraktion sehr, wie würdevoll diese Ak- on vorbereitet und umgesetzt wurde.“ Es ist die Übereinkunft aller Demokraten, dass der olitische Wettstreit, die Kontrollfunktion des Parla- ents gegenüber der Regierung und die Auseinanderset- ung zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen it engagierten, durchaus auch hitzigen Debatten ausge- agen werden. Dieses Haus ist aber kein Platz für De- onstrationen, Transparente und jede Art von Klamauk. er wie die Linksfraktion das Bundestagsplenum als emonstrationsplattform nutzt, will damit in unredlicher eise die Wirkung und die Kraft der Argumente aus der ffentlichen Diskussion verdrängen. Er zeigt damit zu- 12160 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) gleich, dass er von der Kraft der eigenen Argumente of- fensichtlich selbst nicht überzeugt ist, denn sonst be- dürfte es solcher Aktionen ja nicht. Der Bundestagspräsident hat bereits im November 2008 festgestellt, dass die Neigung zu Disziplinlosigkei- ten deutlich größer geworden ist. Das ist alles mehr als bedauerlich. Wir sind inzwischen nicht mehr bereit, eine Verro- hung der Sitten, wie sie in letzter Zeit im Plenum einge- rissen ist, weiter hinzunehmen. Es ist eine fühlbare Sanktion notwendig. Deshalb sprechen wir uns jetzt, wenn auch ungern, für die Einführung eines Ordnungs- geldes aus. Dieses wird in sinnvoller Weise in § 44 a des Abgeordnetengesetzes und dann in einer klaren Einord- nung in die §§ 36 bis 38 der Geschäftsordnung ein- gefügt. Wir haben damit eine Regelung, die vom Ordnungsruf über die Wortentziehung und das Ord- nungsgeld bis hin zum gravierendsten Mittel, dem Sit- zungsausschluss, reicht. Wir haben auch Wert darauf gelegt, eine klare Rege- lung im Hinblick auf die Höhe des Ordnungsgeldes zu treffen. Sie beträgt 1 000 Euro bzw. 2 000 Euro im Wie- derholungsfall. Wir sehen nicht ein, den ganzen Unfug und Unsinn der Fraktion Die Linke auch noch im Rah- men einer Spanne zu katalogisieren. Bedauerlich ist aber auch, dass nicht alle demokrati- schen Fraktionen diesen Gesetzentwurf mittragen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat von Beginn an im- mer wieder betont, dass sie sehr wohl bereit sei, ein Ord- nungsgeld einzuführen. Aber bei allen Beratungen hat sie bereits im Vorfeld immer wieder nach Gründen oder einem Vehikel gesucht, um letztlich dann doch wieder aus dieser Regelung auszusteigen. In diesem Zusam- menhang erinnere ich daran, dass bei der letzten Störung durch die Fraktion Die Linke, die auch zum Sitzungsaus- schluss von Abgeordneten geführt hat, dieses undemo- kratische Verhalten die ausdrückliche Zustimmung des Kollegen Ströbele von der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- nen gefunden hat. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen wehrt sich mit vorgeschobenen Argumenten dagegen, zukünftig auch Verstöße gegen die Würde des Bundestages mit ei- ner Ordnungsmaßnahme zu sanktionieren. Sie hat damit letztlich das Vehikel gefunden, um Teilen ihrer Fraktion entgegenzukommen. Da nützt es auch gar nichts, dies mit allen möglichen juristischen Spitzfindigkeiten, Be- wertungen und Auslegungen zu begründen. Die Würde des Hauses, die Würde des Deutschen Bundestages, hat bereits im § 7 der Geschäftsordnung ihren Niederschlag gefunden. Viele andere Vergleiche, beispielsweise in der Justiz, könnten ebenso angeführt werden. So kennt unser Gerichtsverfassungsgesetz den Begriff „Würde des Ge- richts“, der in § 175 des Gerichtsverfassungsgesetzes ge- regelt ist. Wenn die demokratischen Fraktionen CDU/CSU, SPD und FDP auch Verstöße gegen die Würde des Bun- destages als ahndungswürdig betrachten, ist dies absolut nachvollziehbar. Damit wird die Entscheidungsgrund- lage des amtierenden Präsidenten verbessert, im Übrigen a s k G n w n u d V D re in z w m s d M d s d m n s d g d D fa li A m re in s z le S n d s m n b S s b s e A U (C (D uch in der Bundesversammlung, für die unsere Ge- chäftsordnung sinngemäß gilt. Es gibt also schlichtweg ein Argument für die Fraktion von Bündnis 90/Die rünen, unseren Gesetzentwurf nunmehr ganz abzuleh- en. Sie hatte im Übrigen Bedenken geäußert, beispiels- eise wegen einer möglichen strittigen „Kleiderord- ung“. Auch da sind alle Fraktionen darauf eingegangen nd haben in der Begründung nochmals klargestellt, ass es darum genau nicht geht. Lassen Sie mich abschließend noch einmal an die erursacher dieser Regelung appellieren, die Fraktion ie Linke: Sie sollten endlich die demokratischen Spiel- geln anerkennen und trotz Ihrer Vergangenheit endlich der Demokratie ankommen. Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Noch vor wei Jahren habe ich mir nicht vorstellen können, dass ir heute über eine Verschärfung der Ordnungsmaßnah- en gegen Abgeordnete beraten müssen. Eigentlich ollte es unter Demokraten möglich sein, die Argumente er politisch anders Denkenden zu ertragen, ohne zu itteln der Störung und des Klamauks zu greifen und amit nicht nur die Arbeit der anderen Abgeordneten zu tören, sondern auch das Ansehen des Bundestages in en Augen der Öffentlichkeit niederzumachen. Leider usste ich mich durch die verschiedenen massiven Ord- ungsstörungen in der jüngeren Vergangenheit, insbe- ondere durch konzertierte Aktionen mehrerer Mitglie- er der Fraktion Die Linke, eines Besseren – oder besser esagt, eines Schlechteren – belehren lassen. In geradezu unverantwortlicher Weise versuchen iese Kolleginnen und Kollegen immer wieder, den eutschen Bundestag – das höchste gesetzgebende Ver- ssungsorgan unseres Landes – zu einer Bühne für bil- ge politische Polemik zu machen. Ich denke nur an die ktion in der letzten Wahlperiode, in der sie einen da- als amtierenden Ministerpräsidenten durch verzer- nde Masken verächtlich machten wollten. Aber auch dieser Wahlperiode musste der Bundestagspräsident chon zweimal Mitglieder der Linksfraktion von der Sit- ung des Bundestages wegen gröblicher Ordnungsver- tzungen ausschließen. Leider lassen diese Erfahrungen keinen anderen chluss zu als den, die Effizienz der bestehenden Ord- ungsmaßnahmen nach der Geschäftsordnung des Bun- estages kritisch zu überprüfen. Dabei hat sich herausge- tellt, dass der Sach- und der Ordnungsruf für solche assiven Störungen der Ordnung während einer Sitzung icht ausreichend sind. Ihr Sanktionscharakter ist eher egrenzt und sie sind im Konfliktfall nicht geeignet, die törung nachhaltig zu beseitigen. Der Sitzungsaus- chluss – nach unserer Geschäftsordnung immerhin für is zu 30 Sitzungstage möglich – ist demgegenüber das chärfste Ordnungsmittel, das zur Verfügung steht, weil s in die Rede- und Abstimmungsrechte des betroffenen bgeordneten massiv eingreift. Es kann deshalb nur als ltima Ratio in Betracht kommen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12161 (A) ) )(B) Genau in den Zwischenraum zwischen Sach- und Ordnungsruf und dem Sitzungsausschluss soll nach übereinstimmender Auffassung der Koalitionsfraktionen und der SPD nun – quasi als neues Ordnungsmittel auf mittlerer Ebene – ein Ordnungsgeld treten. Es hat den Vorteil, dass es einerseits eine spürbare Sanktion dar- stellt, andererseits aber in die parlamentarischen Rechte der Abgeordneten nicht eingreift und öffentlichkeits- wirksame Konfrontationen, wie zum Beispiel bei einer zwangsweisen Entfernung aus dem Plenarsaal, vermei- den kann. In breiter Einmütigkeit mit Ausnahme der Fraktion Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen – Letztere hat al- lerdings auch die grundsätzliche Notwendigkeit der Ver- schärfung der Ordnungsmittel gesehen – hat der Ge- schäftsordnungsausschuss in zahlreichen Sitzungen den Ihnen nun vorliegenden Gesetzentwurf der drei Fraktio- nen zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vorberei- tet, der als Rechtsgrundlage für eine nachfolgende Ände- rung der Geschäftsordnung dient. Er empfiehlt, das Ordnungsgeld in einer festen Höhe von 1 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro, vorzusehen. Es soll vom jeweils sitzungsleitenden Präsidenten bei einer „nicht nur geringfügigen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages“ festgesetzt werden können. Wegen einer „gröblichen“ Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages soll – wie bisher – der Sit- zungsausschluss möglich sein. Die feste Höhe des Ordnungsgeldes von 1 000 Euro bzw. 2 000 Euro und der Verzicht auf einen entsprechen- den Ermessensspielraum des amtierenden Präsidenten bzw. der amtierenden Präsidentin sollen Streitigkeiten nur über die angemessene Höhe des verhängten Ord- nungsgeldes vermeiden. Weitere gesetzliche Konkreti- sierungen der Frage, was denn konkret unter einer „nicht nur geringfügigen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages“ zu verstehen ist, hat der Ge- schäftsordnungsausschuss als nicht sinnvoll abgelehnt. Unterschiedliche Auffassungen hierzu wird man weder durch gesetzliche Fallbeispiele noch durch weitere unbe- stimmte Rechtsbegriffe im Gesetzestext befrieden kön- nen. Letztlich ist es eine Entscheidung des amtierenden Präsidenten bzw. der amtierenden Präsidentin, die unter Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalles zu treffen ist. Im Geschäftsordnungsausschuss wurde bis zuletzt die Frage diskutiert, ob auch die „Würde des Bundestages“ ausdrücklich in den Schutzbereich der Ordnungsmaß- nahmen aufgenommen werden sollte. Hiergegen sprach sich insbesondere die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aus, anscheinend weil sie immer noch ein grundsätz- liches Problem mit dem Schutz der Würde dieses Parla- ments hat. Die antragstellenden Fraktionen sahen dage- gen den ausdrücklichen Schutz der Würde des Bundestages als notwendig an, damit klar gestellt wird, dass auch bei nichtverbalen Ordnungsstörungen, wie zum Beispiel beim Hochhalten von Transparenten oder sonstigem provokativem Verhalten, eindeutig die Mög- lichkeit einer angemessenen Reaktion hierauf besteht. Klar ist für uns allerdings auch, dass nicht jede Verhal- tensweise, die dem einen oder anderen nicht gefallen m w z a s d s E n a in n B z o m b s z te o in o z h h o ß k h s d m W s F h M F h b s ri m k is e s s F b S (C (D ag, als ein Angriff auf die Würde des Bundestages ge- ertet werden kann. Bloße Fragen der Kleiderordnung um Beispiel können nicht hierunterfallen. Die nähere Regelung des Ordnungsgeldes soll – wie uch bisher bei den Ordnungsmaßnahmen – durch un- ere Geschäftsordnung erfolgen. Auch insoweit hat sich er Geschäftsordnungsausschuss auf konkrete Vor- chläge schon verständigt, die dem Plenum alsbald zur ntscheidung vorgelegt werden. Danach soll das Ord- ungsgeld – wie bisher schon der Sitzungsausschluss – uch später noch festgesetzt werden können, und es soll das bestehende Rechtsmittelsystem der Geschäftsord- ung eingebunden werden, wonach bei Einspruch der undestag insgesamt entscheidet und danach der Weg um Bundesverfassungsgericht im Wege der Organklage ffensteht. Ich bin überzeugt, dass das Ordnungsgeld eine ange- essene, aber leider auch notwendige Erweiterung des estehenden Systems der Ordnungsmaßnahmen für un- er Parlament ist. Ich bitte Sie daher um Ihre Unterstüt- ung des vorliegenden Gesetzentwurfs. Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Wir bera- n heute in erster Lesung über eine Änderung des Abge- rdnetengesetzes, die niemand von uns in Wahrheit mit nerer Begeisterung betreibt. Denn als Parlamentarierin der Parlamentarier sich selbst mit härteren Sanktionen u belegen macht keine Freude. Doch leider hat das Ver- alten gerade einer Fraktion hier im Hause dieses Vorge- en unumgänglich gemacht. Bereits jetzt darf uns der Präsident zur Ordnung rufen der sogar bis zu 30 Tage von den Beratungen ausschlie- en. Das erste Instrument beeindruckt einige hier wohl aum, das andere Instrument aber ist eine sehr, sehr arte Maßnahme. Denn es bedeutet, dass Mitglieder die- es Hohen Hauses in ihrem elementaren Recht, dem Re- erecht, massiv beschnitten werden. Der Ausschluss uss also immer das letzte Mittel sein. Das Parlament lebt vom Parlieren. Das gesprochene ort ist unser Mittel der demokratischen Auseinander- etzung. Deshalb ist es nicht hinnehmbar, dass eine raktion so agiert, als könne man sich beliebig darüber inwegsetzen. Vermeintlich im Besitz einer höheren oral und nach billiger Publicity heischend, hat die raktion der Linken immer wieder unsere Beratungen ier desavouiert. Sie nimmt sich Sonderrechte heraus, egeht bewusst Regelverletzungen und entwertet damit ehenden Auges und bewusst jede Form der parlamenta- schen Auseinandersetzung. Würde jede Fraktion kraft eigenen Rechts die ge- einsamen Spielregeln so außer Kraft setzen, dann wäre einerlei geordnete Debatte mehr möglich. Gefährlich t dies deshalb, weil jeder, der so agiert, den Eindruck rweckt, als habe man kein anderes geeignetes Mittel, ich darzustellen, oder aber als habe man einen An- pruch auf Regelverletzung. Das ist ein Spiel mit dem euer. Nach dem Prinzip von Rede und Gegenrede ha- en wir alle hier weidlich die Möglichkeit, abgelehnte tandpunkte zu entkräften und die eigene Position zu 12162 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) stärken, öffentlich Rechenschaft abzulegen oder einzu- fordern. Mehr und anderes darf und kann nicht sein, sonst entwerten wir uns als Mitglieder des Parlaments. Jeder Versuch, unter Kolleginnen und Kollegen ohne weitere Sanktionen auszukommen, ist leider ignoriert worden: Zusagen wurden gebrochen, Wiederholungen gab es immer wieder. Deshalb ist es zur Wahrung der gu- ten Formen leider zwingend notwendig, ein Ordnungs- geld einzuführen. Wer durch das Hochhalten von Pro- testschildern, entsprechender Bekleidung oder andere Albernheiten den Komment verletzt, der muss zukünftig mit 1 000 Euro oder sogar 2 000 Euro Ordnungsstrafe rechnen. Damit wird der Spuk hoffentlich ein Ende ha- ben. Wir sind dem demokratischen Streit, nicht dem Kla- mauk verpflichtet. Wer nicht hören will, muss nun füh- len – leider! Jörg van Essen (FDP): Die FDP-Bundestagsfrak- tion hat von Anfang an die Initiative des SPD-Kollegen Lange, dem ich für seine Anregung an dieser Stelle nochmals besonders danken möchte, unterstützt. Wir freuen uns deshalb sehr, dass es gelungen ist, sich ge- meinsam mit CDU/CSU und SPD auf einen Gesetzent- wurf zur Änderung des Abgeordnetengesetzes zu ver- ständigen. Die Notwendigkeit zu einer Regelung hat sich in dem mehrfachen Fehlverhalten von Abgeordneten der Links- fraktion im Plenum gezeigt. Das Hochhalten von Trans- parenten und andere Aktionen ähnlicher Art beeinträch- tigen die Würde eines obersten Verfassungsorgans und sind nicht hinnehmbar. Ein Abgeordneter kann jederzeit im Plenum das Wort ergreifen und seine Position ver- deutlichen. Es bedarf eines solchen Verhaltens also nicht. Bei der notwendigen Reaktion auf dieses Fehlverhal- ten hat sich gezeigt, dass ein Ordnungsruf eine zu ge- ringe Sanktion ist, aber auch Bedenken bestehen, die be- troffenen Abgeordneten von der Sitzung auszuschließen. Dies hat sich besonders deutlich bei einer anstehenden Entscheidung zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr gezeigt. Trotz des vom Präsidenten verhängten Aus- schlusses sind alle Fraktionen übereinstimmend zu der Auffassung gekommen, dass den betroffenen Kollegen die Teilnahme an der Abstimmung ermöglicht werden sollte. In Fällen wie diesen wäre die Verhängung eines Ordnungsgeldes die angemessenere Sanktion. Sie macht deutlich, dass ein erhebliches Fehlverhalten nicht gedul- det wird, ermöglicht aber auf der anderen Seite uneinge- schränkt die Ausübung des Abgeordnetenrechts. Wir haben lange überlegt, welche Höhe dieses Ord- nungsgeld haben sollte. Wir schlagen eines in Höhe von 1000 Euro vor. Wie bei allen Ordnungsgeldern ist dies ein einheitlicher Betrag. Auch in anderen Fällen eines Ordnungsgeldes findet keine Differenzierung etwa nach Familienstand oder Anzahl von Kindern statt. Es ent- spricht auch dem verfassungsrechtlichen Bild des Abge- ordneten, wonach alle Abgeordneten gleich sind. In den anstehenden Beratungen sind wir offen dafür, über die- sen Betrag noch einmal zu reden. In unseren fraktionsin- ternen Beratungen ist der Hinweis gegeben worden, dass d k w d g d o g g d g b J ti fa d S d g d li k h n s W H d w v z n d ta C d g V g S d D w g L b e O S n N d (C (D ie Höhe den amtierenden Präsidenten davon abhalten önnte, das Ordnungsgeld zu verhängen, obwohl es not- endig wäre. Das wäre ein Ergebnis, das es zu verhin- ern gilt. Insgesamt erhoffe ich mir, dass es nur wenige Anlässe eben wird, bei denen die amtierenden Präsidenten zu iesem Mittel greifen müssen. Ein oberstes Verfassungs- rgan sollte immer streng darauf achten, seiner Würde erecht zu werden. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Vor weni- en Monaten wurde hier an dieser Stelle das Vorgehen er Koalition bei der Laufzeitverlängerung als „Gesetz- ebung mit der Brechstange“ gebrandmarkt. In der De- atte fielen Worte wie „Lügner“ oder „Affentheater“. ournalisten berichteten später, in Richtung der Opposi- onsfraktionen seien sogar Worte wie „Faschisten“ ge- llen, weil eine Fraktion in einheitlicher Protestklei- ung aufgetreten war. Rügen an Abgeordnete seitens der itzungsleitung, Ordnungsrufe oder gar Ausschlüsse von er Sitzung sind nicht bekannt, auch keine Entschuldi- ungen. Nur der Präsident des Bundestages erinnerte aran, es sei guter parlamentarischer Brauch, auf persön- ch herabsetzende Bemerkungen zu verzichten. Offen- undig hat sich daran niemand wirklich gestört. Die Laufzeitverlängerung wurde dann mit der Mehr- eit der Koalition durchgewunken – entgegen aller Ver- unft, wie wir heute nach den Ereignissen um Fuku- hima wissen. Diese Art Gesetzgebung nach politischer illkür verletzt die Würde der Demokratie und dieses auses. Dass Abgeordnete zu Abnickmaschinen degra- iert werden, erleben wir nicht zum ersten Mal. Ähnlich urden hier Gesundheitsreformen, Bankenrettungsfonds on 480 Milliarden Euro oder – wie jüngst – Einsätze usätzlicher Bundeswehrsoldaten in AWACS-Maschi- en über Afghanistan beschlossen – oder besser gesagt: urchs Parlament gepeitscht. Aber gegen diese anhaltende Missachtung parlamen- rischer Spielregeln liegt seitens der Fraktionen von DU/CSU, SPD und FDP kein Gesetzentwurf vor. Statt- essen legen Sie einen Gesetzentwurf vor, nach dem Ab- eordnete künftig bei einer „nicht nur geringfügigen erletzung der Ordnung oder der Würde des Bundesta- es“ mit einem Ordnungsgeld bestraft werden können. ie tun so, als drohten hier im Bundestag Verhältnisse, in enen Abgeordnete mit Fäusten aufeinander losgehen. avon kann, wie Sie genau wissen, nicht die Rede sein. Ganz offen wird von Ihnen erklärt, das Ordnungsgeld erde nur wegen angeblicher Störaktionen einer einzi- en Fraktion eingeführt: der Linken. Eine Aktion der inken, die Sie zum Beispiel als störend erachteten, etraf das Gedenken an die Opfer von Kunduz – Opfer ines Bombardements, befohlen von einem deutschen ffizier. Ein angemessenes Gedenken daran aber haben ie abgelehnt. Das hat die Würde dieses Hauses verletzt, icht aber die von Linken hochgehaltenen Schilder mit amen und Alter der Opfer. Ihr Gesetzentwurf ist im Kern eine Lex Linke. Auch as ist würdelos. Keine Frage: Das demonstrative Tra- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12163 (A) ) )(B) gen von Kleidung, zumal im Parlament vor der Öffent- lichkeit, muss nicht jeder gut finden – so wie nicht jeder das Tragen einer Krawatte gut finden muss. Kleidungs- und Geschmacksfragen aber demonstrativ mit Ord- nungsgeld zu bestrafen, ist eindeutig überzogen und zu- dem verfassungsrechtlich bedenklich. Wann und wie die Würde des Hauses verletzt sein soll, weiß die Mehrheit dieses Hauses zudem so genau nicht. Die Entscheidung darüber überlassen Sie dem Prä- sidenten des Bundestages. Das Ordnungsgeld wird so zu einer politischen Willkürveranstaltung. Gegen das geplante Ordnungsgeld gibt es für die Ab- geordneten auch keinen effektiven Rechtsschutz. De facto müsste ein Abgeordneter, wenn sie oder er mit dem verhängten Ordnungsgeld nicht einverstanden ist, beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde einlegen. Da- rüber hinaus hält die Fraktion Die Linke die von der Mehrheit des Hauses vorgesehene Einschränkung der Rechte souveräner Abgeordneter für verfassungsrecht- lich bedenklich. Deshalb behält sich die Linke auch vor, das Ordnungsgeld vom Bundesverfassungsgericht prü- fen zu lassen. Im Parlament soll es auf das Miteinander-Reden, auf das Abwägen von Argumente ankommen. Darin sind wir uns sicher einig. Ich hoffe sehr, dass sich die Fraktio- nen von Union, SPD und FDP bei den kommenden Aus- schussberatungen von vernünftigen Argumenten leiten lassen und diesen Gesetzentwurf zurücknehmen. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ei- nige Verhaltensweisen von Mitgliedern des Deutschen Bundestags in der letzten Zeit waren der Auslöser für Gespräche über mögliche oder notwendige Änderungen in unserer Geschäftsordnung. Ziel dieser Gespräche im Geschäftsordnungsausschuss war es, das Ordnungsgeld einzuführen, um das bestehende System aus Sach- und Ordnungsruf sowie der Wortentziehung einerseits und eines Sitzungsausschlusses andererseits sinnvoll zu er- gänzen. Eingeführt werden sollte ein Sanktionsmecha- nismus, der auf nicht nur geringfügige Ordnungsstörun- gen angemessen reagieren kann, ohne gleich auf die Ultima Ratio des Sitzungsausschlusses zurückgreifen zu müssen. Es sollte nicht mit Maßnahmen gegen Abgeord- nete aufgesattelt werden, und es sollten auch keine neuen Gründe für solche Maßnahmen hinzukommen. Das Ordnungsgeld sollte dem Präsidenten ermöglichen, situationsangemessen reagieren zu können, ohne zu schnell zum schärfsten Mittel, dem Ausschluss von der parlamentarischen Arbeit, greifen zu müssen. Dieses Ziel ist mit der Einführung des Ordnungsgeldes als mitt- lerer Stufe des Eingreifens des Präsidenten erreicht. Bünd-nis 90/Die Grünen begrüßt dies. So weit, so gut. Leider haben die Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der SPD sich im Geschäftsord- nungsausschuss damit nicht begnügt. Vielmehr wurde – ohne Not und ohne Sinn – die Gelegenheit genutzt, um – sozusagen durch die Hintertür – auch noch einen völlig neuen Grund für ein Eingreifen des Präsidenten gegen einen Abgeordneten einzuführen: die „Verletzung der Würde des Bundestags durch Abgeordnete“. g tu fa s d d le v d fü fä s „ s – „ K z h 1 li d s n E v d k K L li e n D F im – s B L T re d h d d a s d z ru li A s ü (C (D Diese Neuerung hat in der Sache nichts – aber auch ar nichts – mit der Einführung des Ordnungsgelds zu n. Vielmehr sollen alle Sanktionsmechanismen, ange- ngen vom Ordnungsruf bis hin zum Sitzungsaus- chluss, mit bei einer „Verletzung der Würde des Bun- estags“ greifen. Auch das Abgeordnetengesetz, über essen Änderung wir heute beraten, soll nach dem Wil- n von Koalition und der SPD um die Sanktionierung on Würdeverletzungen des Bundestags erweitert wer- en. Dies lehnen wir ab, weil dies völlig entbehrlich und r die Freiheit der Abgeordneten sogar tendenziell ge- hrlich ist. Zuerst zur leidigen Krawattenfrage. Zwar heißt es in- oweit in der Begründung des Gesetzentwurfs, dass reine Fragen der Kleiderordnung … ausgenommen ind, soweit sie nicht allgemeine Regeln des Anstands“ und ich füge hinzu: damit die Ordnung des Bundestags – verletzen“. Aber in Wirklichkeit wird schon heute die rawattenlosigkeit bei Abgeordneten, wenn sie im Sit- ungsvorstand tätig sind, als ein würdeverletzendes Ver- alten angesehen. Ich darf aus dem Protokoll des Ältestenrates vom 6. Dezember 2010 zitieren: „Der Präsident macht deut- ch, dass das Präsidium großen Wert darauf lege, dass er Sitzungsvorstand der Würde eines obersten Verfas- ungsorgans entsprechend gekleidet sei, wozu bei Män- ern grundsätzlich das Tragen von Krawatten gehöre.“ in Schelm, der Böses dabei denkt, dass wir zukünftig ielleicht wegen Krawattenlosigkeit als Würdeverletzer es Bundestags mit Ordnungsmitteln belangt werden önnten! Die geschätzten Kolleginnen und Kollegen von der oalition und von der SPD waren bis heute nicht in der age zu erklären, was diesen neuen Tatbestand eigent- ch wirklich notwendig macht. Es ist bezeichnend, dass r sozusagen klammheimlich, ohne ausdrückliche Nen- ung im Namen des Gesetzentwurfs, eingeführt wird. ie Begründung dafür ist entlarvend. So gestehen die raktionen der CDU/CSU, FDP und SPD zu, dass bisher Rahmen der Geschäftsordnung des Bundestags eine angebliche – Verletzung der Würde des Bundestags tets als eine Ordnungsverletzung im Sinne des § 38 GO- T angesehen wurde. Es gibt also offensichtlich keine ücken, die es mit der neuen Regelung zu füllen gäbe. rotzdem sollen künftig das Hochhalten von Transpa- nten, das Tragen von Anstecknadeln – hierzu gibt es en verräterischen Zusatz: „je nach Gegebenheit oder In- alt“ – oder „sonstiges provokatives Verhalten“ – auch ies eine reine Leerformel – eine Verletzung der Würde es Bundestags, begangen durch Abgeordnete und zu hnden durch den Präsidenten, sein. Ich will dazu in aller Deutlichkeit sagen: Entweder ind solche Verhaltensweisen Störungen der Ordnung es Bundestags und damit jetzt schon vom Präsidenten u sanktionieren, oder sie sind eben keine Ordnungsstö- ngen. Es soll so wohl ganz allgemein bestimmtes – un- ebsames – Verhalten und bestimmte Äußerungen von bgeordneten unterbunden werden können. Damit be- teht die Gefahr, dass Abgeordnete an der freien Aus- bung ihres Mandats durch den Präsidenten gehindert 12164 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) werden, dass sie dabei kontrolliert und einer Zensur un- terworfen werden, ohne dass sie die Ordnung des Bun- destags stören. Eine solche Regelung wird die Zustim- mung der Grünen nicht finden – und ich wundere mich, weshalb die Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und SPD sie vorschlagen. Es kann doch nicht ausschlaggebend sein, dass sich gerade die Kolleginnen und Kollegen der Linken in letzter Zeit mit ihren Aktionen im Hohen Hause unbeliebt gemacht ha- ben. Ich kann den Kolleginnen und Kollegen der Koali- tion und der SPD nur zurufen: Bedenken Sie, dass sich diese neue Regelung auch einmal gegen sie selbst rich- ten kann! Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visa- kodex (Tagesordnungspunkt 21) Helmut Brandt (CDU/CSU): Wir beraten heute in erster Lesung den Entwurf eines Gesetzes der Bundesre- gierung zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtli- nien der Europäischen Union und zur Anpassung natio- naler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex. Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung der folgenden Richt- linien in das innerstaatliche Recht: erstens, der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. L 348 vom 24. Dezember 2008, S. 98 – das ist die sogenannte Rück- führungsrichtlinie –, und zweitens, der Richtlinie 2009/ 52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehö- rige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen, ABl. L 168 vom 30. Juni 2009, S. 24 – das ist die sogenannte Sanktionsrichtlinie. Ferner dient der Gesetzentwurf der Anpassung des innerstaatlichen Rechts an die Verord- nung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft. Ich möchte zunächst auf die Umsetzung der soge- nannten Rückführungsrichtlinie eingehen, die auf die Festlegung eines für alle Mitgliedstaaten verbindlichen rechtsstaatlichen Mindeststandards bei der Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer zielt und damit, entgegen aller Kritik, ein erster und wichtiger Schritt in Richtung einer gemeinschaftlichen Einwanderungspolitik ist. Ein großer Teil der in der Richtlinie enthaltenen Vorgaben wird in Deutschland bereits durch das im geltenden Auf- enthaltsgesetz vorgesehene Recht der Aufenthaltsbeen- digung erfüllt. Von einigen Nichtregierungsorganisatio- nen wird der Gesetzentwurf allerdings zum Anlass für weitergehende Forderungen zur Reform des Abschie- bungsrechts genommen. Gefordert wird beispielsweise e h e A R M S h e g s n fü a V e U w ta A s m d s D b li s s n g k g s a le li b E A d a li R V s fü n ty g li w a z fe (C (D ine Verkürzung der gesetzlich vorgesehenen Höchst- aftdauer von 18 Monaten. Gefordert wird außerdem ine Regelung, dass unbegleitete Minderjährige nicht in bschiebehaft genommen werden dürfen. Die Kritik überrascht nicht. So wurde bereits der ichtlinienentwurf von einigen Flüchtlings-, Asyl- und enschenrechtsorganisationen als „Richtlinie der chande“ verteufelt. Die Kritiker der Richtlinie überse- en dabei, dass eine wirkungsvolle Rückführungspolitik in notwendiger Bestandteil einer durchdachten und laubwürdigen Migrationspolitik ist. Und sie ist – wie ollte es anders sein? – ein Kompromiss zwischen natio- alen Interessen und humanitären Gesichtspunkten. Sie hrt Mindeststandards in allen Mitgliedstaaten ein, vor llem bei der Unterbringung der Betroffenen und im erfahren sowie beim Rechtsbeistand. Überall dort, wo s vorher keine verbindlichen Vorschriften gab, führt die msetzung dieser Richtlinie in vielen Bereichen zu einer irklichen Verbesserung. So gibt es in der EU momen- n neun Länder, die gar keine zeitliche Begrenzung der bschiebehaft kennen; jetzt werden es sechs Monate ein. Diese Haftzeit kann nur in Ausnahmefällen zwei- al um sechs Monate verlängert werden. Eine deutliche Verbesserung stellt die Beschränkung es Wiedereinreiseverbots auf fünf Jahre dar. 14 Länder prechen derzeit längere Wiedereinreiseverbote aus, eutschland sogar unbefristete. Das Wiedereinreisever- ot führt auch nicht – wie behauptet – die Flüchtlingspo- tik ad absurdum. Denn Art. 9 Abs. 5 der Richtlinie ieht ausdrücklich vor, dass das Recht, in den Mitglied- taaten nach internationalem Schutz zu suchen, von ei- em Wiedereinreiseverbot unberührt bleibt. Übrigens ilt das Wiedereinreiseverbot künftig EU-weit. Bisher onnte ein Mitgliedstaat Einreiseverbote nur für das ei- ene Territorium aussprechen. Dies alles gilt ganz abge- ehen von der Möglichkeit, im Einzelfall einen Antrag uf nachträgliche Reduzierung der Befristung zu stellen. Eine Umsetzung über den Richtlinienentwurf hinaus hnen wir ab, da unsere Abschiebungsregelungen richt- nienkonform sind und sich in der Praxis bewährt ha- en. Die im Gesetzentwurf enthaltenen Regelungen zur rforderlichkeit der Abschiebungsandrohung und zur bschiebehaft lehnen sich eng an die Formulierungen in er Rückführungsrichtlinie an und tragen darüber hinaus uch Forderungen insbesondere der Kirchen, der Flücht- ngsorganisationen und der Integrationsbeauftragten echnung. Die Regelungen zur Abschiebehaft übernehmen die orgaben der Richtlinie zum Teil ausdrücklich; zum Bei- piel gibt es die Abschiebehaft nur als Ultima Ratio und r Minderjährige sowie Familien mit Minderjährigen ur in Ausnahmefällen, und die Berücksichtigung alters- pischer Belange minderjähriger Abschiebungsgefan- ener ist gewährleistet. Auf weitere Vorgaben der Richt- nie wird in der Gesetzesbegründung ausdrücklich ver- iesen, zum Beispiel darauf, dass Gelegenheit zu ltersgerechtem Spielen zu geben ist und dass es Zugang u Bildungsangeboten geben muss. Ich habe keine Zwei- l daran, dass diese Umsetzung den europarechtlichen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12165 (A) ) )(B) Vorgaben genügt und die Interessen der Betroffenen hin- reichend wahrt. Kritisiert wird ferner, dass keine ausdrückliche Um- setzung der in Art. 8 Abs. 6 der Rückführungsrichtlinie enthaltenen Verpflichtung zur Schaffung eines Systems zur Überwachung von Rückführungen – das ist das soge- nannte Monitoring – erfolgt sei. Unter anderem haben die Kirchen vorgeschlagen, die Überwachungspflicht im Gesetz festzuschreiben und darüber hinaus in der Be- gründung zum Gesetz eine Bezugnahme auf das beste- hende System der Abschiebungsbeobachtungsstellen aufzunehmen. An den Flughäfen Frankfurt, Düsseldorf und Hamburg bestehen bereits Abschiebungsbeobach- tungsstellen, die von den Kirchen und anderen Nichtre- gierungsorganisationen getragen werden; sie beobachten aufgrund von Vereinbarungen mit den Bundespolizeiin- spektionen der Flughäfen die Durchführung von Rück- führungen auf dem Luftweg. Bei der Unionsfraktion und bei der Bundesregierung bestehen Vorbehalte gegen die Schaffung einer Rechtsgrundlage und damit einer recht- lichen Absicherung der Rückführungsüberwachung. Eine solche Regelung widerspräche aus Sicht der Frak- tion dem rechtsstaatlichen Grundsatz, dass staatliche Machtausübung durch die Gerichte, nicht aber durch Nichtregierungsorganisationen kontrolliert wird. Auf eine gesetzliche Regelung der Rückführungsüberwa- chung wurde daher zu Recht verzichtet. Zudem sind die bestehenden verwaltungsinternen Vorkehrungen, auf de- nen das System der Abschiebungsbeobachtung beruht, zur Umsetzung der Verpflichtung aus Art. 8 Abs. 6 der Rückführungsrichtlinie ausreichend. Lassen Sie mich nun noch einige Worte zur sogenann- ten Sanktionsrichtlinie und zum Visakodex sagen. So- wohl der EU-Visakodex, der das Verfahren zur Erteilung von Schengen-Visa innerhalb der EU harmonisiert, als auch die Sanktionsrichtlinie verstehen sich als Teilaspekt im Kampf gegen illegale Einwanderung. Diese Maßnah- men sollen wiederum Teilgrundlage in einer umfassen- den Einwanderungspolitik werden. Illegale Einwande- rung wird durch die Möglichkeit, ein illegales Beschäftigungsverhältnis in der EU eingehen zu können, begünstigt. Die illegale Beschäftigung illegaler Einwan- derer stellt damit einen wesentlichen „Pullfaktor“ dar. Deshalb benötigen wir in allen EU-Mitgliedstaaten ver- gleichbare Sanktionen für die Beschäftigung von illegal eingereisten Personen. Die Umsetzung der Richtlinie dient diesem Erfordernis. Lassen Sie mich ganz zum Schluss noch ein paar Worte an die selbsternannten Menschenrechtler unter Ih- nen richten: Ich verstehe, wenn sich Nichtregierungsor- ganisationen und Kirchen über die teils strikten Regelun- gen der Richtlinien und die Eins-zu-eins-Umsetzung durch die Bundesregierung enttäuscht zeigen. Aber was ist die Alternative? Nicht jeder, der in Europa Zuflucht sucht, ist auch tatsächlich schutzbedürftig. Dass eine il- legale Zuwanderung schon allein aufgrund der nach- drängenden Massen nicht einfach akzeptiert werden kann, hat jeder Nationalstaat schon lange für sich ent- schieden. Insbesondere aus Frankreich und Italien hören wir in regelmäßigen Abständen immer wieder Rufe nach restriktiveren Abschieberegelungen. Abgeschoben wird in d d V g F g G z e u d z in g ru ro ü g m ti ru s fü le n fr s d b b s D d A e B z d g la d b n In u n li ti w M M w d w (C (D allen europäischen Staaten – aber eben unter verschie- enen Voraussetzungen und Bedingungen. Es einfach abei zu belassen, wäre die denkbar schlechteste aller arianten gewesen – erst recht im Sinne der illegal ein- ereisten Menschen. Ich bin überzeugt, dass das Gesetzespaket, dass wir in orm der Umsetzung der diesem Gesetzentwurf zu- runde liegenden Richtlinien geschnürt haben, eine gute rundlage für weitere legislative Schritte auf dem Weg u einer gemeinsamen Einwanderungspolitik ist. Rüdiger Veit (SPD): Mit dem vorliegenden Gesetz- ntwurf sollen zwei Richtlinien der Europäischen Union mgesetzt werden: einmal die Richtlinie 2008/115/EG es Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. De- ember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhälti- er Drittstaatsangehöriger – die sogenannte Rückfüh- ngsrichtlinie – und die Richtlinie 2009/52/EG des Eu- päischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 ber Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen egen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne recht- äßigen Aufenthalt beschäftigen – die sogenannte Sank- onsrichtlinie. Die Umsetzungsfrist für die Rückfüh- ngsrichtlinie ist am 24. Dezember 2010 abgelaufen; ie ist mithin jetzt geltendes innerstaatliches Recht. Da- r, sich an ihre „Umsetzung“ zu machen, ist es also al- rhöchste Zeit – wenn man die Regelungen der Richtli- ie begrenzen will. Und das wollen die Regierungs- aktionen ganz offensichtlich, wie der vorgelegte Ge- etzentwurf aufzeigt. In Art. 11 Abs. 2 RL 2008/115/EG wird festgelegt, ass für abgeschobene Personen ein Wiedereinreisever- ot ergeht: „Die Dauer des Einreiseverbotes wird in An- etracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festge- etzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre“. ie Formulierung „wird … festgesetzt“ macht dabei eutlich, dass die Befristung des Einreiseverbotes von mts wegen erfolgen muss und ein Antrag hierfür nicht rforderlich ist. Anders steht es jedoch in dem von der undesregierung vorgelegten Gesetzentwurf. Dort wird war auf den Einzelfall abgestellt und eine Befristung er Wiedereinreisesperre von maximal fünf Jahren fest- elegt; allerdings erfolgt eine solche Befristung wie bis- ng nach in Deutschland üblicher Praxis nur auf Antrag es Betroffenen. Ohne einen Antrag gilt sie quasi ein Le- en lang. Das ist aber mit der Richtlinie 2008/115/EG icht vereinbar. Kapitel IV der RL 2008/115/EG gibt vor, wann eine haftnahme zum Zwecke der Abschiebung zulässig ist nd unter welchen Bedingungen diese erfolgen darf. Zu- ächst ist hier festzuhalten und noch einmal ganz deut- ch zu machen, dass die Abschiebehaft allein eine Ul- ma-ratio-Regelung sein kann, die erst dann ergriffen erden darf, wenn keine anderen gleich wirksamen öglichkeiten gegeben sind. Und wenn man dann zum ittel der Abschiebehaft greift, muss immer beachtet erden, dass die Abschiebehaft nur und ausschließlich ie physische Anwesenheit garantieren soll und dass sie eder einen Straf- noch Abschreckungscharakter haben 12166 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) darf; schließlich geht es bei der Inhaftnahme um einen der schwersten Grundrechtseingriffe überhaupt: den Ent- zug der Freiheit. Gemäß Art. 16 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie hat die Abschiebehaft grundsätzlich in speziellen Haftein- richtungen zu erfolgen. Damit soll ausgeschlossen wer- den, dass Abschiebehäftlinge in regulären Strafvollzugs- anstalten festgehalten werden. Von dieser Voraussetzung darf nach der RL 2008/115/EG eine Ausnahme gemacht werden, wenn „in einem Mitgliedstaat solche speziellen Einrichtungen nicht vorhanden“ sind. In „Umsetzung“ der Richtlinie normiert § 62 a Abs. 1 AufenthG-E in Satz 1 zwar, dass „die Abschiebungshaft grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen“ wird, in Satz 2 steht dann allerdings, dass für den Fall, wenn „spezielle Hafteinrichtungen im Land nicht vorhanden“ sind, die Abschiebungshaft „in diesem Land“ auch „in sonstigen Haftanstalten vollzogen werden“ kann. Die Rückführungsrichtlinie meint mit „Mitgliedstaat“ in unserem Fall Deutschland und nicht etwa das Bundes- land Hessen oder Berlin oder sonstiges. § 62 a Abs. 1 Satz 2 AufenthG-E liest sich aber genau so, als würde es darauf ankommen, ob in einem Bundesland spezielle Einrichtungen für Abschiebehäftlinge vorhanden sein müssten, und, wenn dies nicht der Fall ist, die Abschie- behaft in diesem Bundesland auch in allgemeinen Straf- vollzugsanstalten zulässig sei. Damit verkennt der Ge- setzentwurf der Bundesregierung die Intention der Rückführungsrichtlinie und dehnt die Ausnahmereglung des Art. 16 Abs. 1 in unzulässiger Weise aus. Im Ausnahmefall, in dem die Unterbringung nicht in speziellen Abschiebeeinrichtungen möglich ist, muss ge- mäß der Richtlinie die Unterbringung der „in Haft ge- nommenen Drittstaatsangehörigen gesondert von den gewöhnlichen Strafgefangenen“ erfolgen. Sinn und Zweck dieser Regelung kann allein sein, die auf ihre Ab- schiebung wartenden Drittstaatsangehörigen vor einer Kriminalisierung und Stigmatisierung durch die Zusam- menlegung mit gewöhnlichen Strafgefangenen zu schüt- zen. Dies ist nicht nur insbesondere für Minderjährige und Familien von besonderer Bedeutung, sondern vor al- lem auch für traumatisierte und psychisch schwer ge- schädigte Menschen von großer Wichtigkeit. Diese Menschen werden durch die eventuelle Zusammenle- gung mit normalen Straftätern noch weiter traumatisiert und psychisch destabilisiert; nach einer langen Flucht muss ihnen die Inhaftierung in einem deutschen Strafge- fängnis wie eine nicht mehr zu erklärende Endstation vorkommen. Den Bedürfnissen besonders schutzbedürf- tiger Personen muss jedoch gemäß Art. 16 Abs. 3 der RL 2008/115/EG Rechnung getragen werden. Am sinnvolls- ten wäre hier sicherlich eine vorherige psychologische Untersuchung zur Feststellung, ob die oder der Dritt- staatsangehörige überhaupt haftfähig ist. Schließlich normiert Art. 17 der Rückführungsrichtli- nie besondere Regeln im Umgang mit der Inhaftierung von Minderjährigen und Familien. Hierzu betont die Richtlinie in Abs. 1, dass bei diesen Personengruppen das Mittel der Abschiebehaft „nur im äußersten Falle und nur für die kürzest mögliche angemessene Dauer“ e A d ra s s E h w jä d z g p p d g d w d A d S is e w E R g g d g li d d A s n le A e d d s v z d d tr d z m B n b te (C (D ingesetzt werden darf. Weiter macht die Richtlinie in rt. 17 Abs. 3 dann sehr konkrete Angaben darüber, wie ie Ausgestaltung der Haft – wenn sie denn als Ulitma tio angewandt wird – aussehen muss. In der Richtlinie teht, dass die Jugendlichen „Gelegenheit zu Freizeitbe- chäftigungen einschließlich altersgerechter Spiel- und rholungsmöglichkeiten und … Zugang zu Bildung er- alten“ müssen. Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie fordert eiter ebenfalls sehr konkret, dass unbegleitete Minder- hrige in Einrichtungen untergebracht werden müssen, ie personell und materiell in der Lage sind, auf die spe- iellen altersgemäßen Bedürfnisse dieser Personen- ruppe einzugehen. Insbesondere das Erfordernis der ersonellen Kapazität verweist auf das Erfordernis, dass ädagogisch geschultes Personal institutionell vorhan- en sein muss. Zwar verweist der Gesetzentwurf in § 62 a Abs. 3 all- emein auf Art. 17 der Rückführungsrichtlinie. Es ist je- och unklar, ob hiermit Art. 17 Abs. 3 oder 4 umgesetzt erden soll. In der Begründung findet sich dazu Folgen- es: „Um den spezifischen Bedürfnissen minderjähriger usländer nach § 62 a Abs. 3 Rechnung zu tragen, soll iesen zum Beispiel Gelegenheit zu altersgerechtem pielen und zur Erholung gegeben werden.“ Zum einen t dies jedoch gegenüber Art. 17 III RL 2008/115/EG benfalls unvollständig, weil der Verweis auf den not- endigen Bildungszugang fehlt. Zum anderen ist eine rläuterung in der Begründung keine ausreichende ichtlinienumsetzung. Diese muss im Gesetzestext vor- enommen werden. Über die personelle Ausgestaltung von Einrichtun- en, in denen unbegleitete Minderjährige inhaftiert wer- en, findet sich in § 62 a AufenthG-E nichts. Alle Maßnahmen die Inhaftnahme von Minderjähri- en betreffend sind an Art. 17 Abs. 5 Rückführungricht- nie zu prüfen. Dieser besagt, dass „dem Wohl des Kin- es … Vorrang“ einzuräumen ist. Ein Hinweis auf iesen wichtigen Maßstab fehlt ebenfalls in § 62 a ufenthG-E. Neben der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie oll der Gesetzentwurf die Sanktionsrichtlinie dem in- erstaatlichen Recht anpassen. Bei der Umsetzung feh- n vor allem Regelungen für den Fall, dass ein illegaler rbeitnehmer um seinen Lohn geprellt wird und diesen inklagen möchte. Für diesen Fall sieht Art. 6 II RL vor, ass die Mitgliedstaaten Verfahren einrichten müssen, ie es illegal aufhältigen Ausländern ermöglichen, An- prüche auf ausstehenden Lohn und ausstehende Sozial- ersicherungsbeiträge gegen ihren Arbeitgeber geltend u machen. Dies soll entweder dadurch geschehen, dass er Arbeitnehmer selber seinen Lohn einklagt, oder aber adurch, dass er sich an eine zuständige Behörde des be- effenden Mitgliedstaats wendet, um ein Verfahren mit em Ziel einzuleiten, die ausstehenden Vergütungen ein- uziehen, ohne selbst einen Anspruch geltend machen zu üssen. Ein solches Verfahren ist im Gesetzentwurf der undesregierung nicht vorgesehen. Theoretisch ist es ach wie vor denkbar, dass ein Illegaler vor dem Ar- eitsgericht ein Verfahren einleitet. In der Praxis schei- rt die Geltendmachung eines solchen Anspruches aber Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12167 (A) ) )(B) zumeist daran, dass die Betroffenen aus Angst vor der Aufdeckung ihres Status und der daraufhin zu befürch- tenden Abschiebung davon absehen, eine solche Klage zu erheben; Denn der Arbeitsrichter ist gemäß § 87 II AufenthG übermittlungspflichtig an die Ausländerbe- hörden. Mittlerweile sind die Übermittlungspflichten für den Bereich der Gesundheit zumindest in den Verwaltungs- vorschriften eingeschränkt worden, sodass Illegale ohne Angst vor der sofortigen Abschiebung den Gang zum Arzt wagen können, bevor sie im schlimmsten Fall un- heilbar krank sind. Dass die Übermittlungspflichten für Kindergärten, Schulen und sonstige Jugendfreizeitein- richtungen eingeschränkt werden müssen, so wie es in vielen Bundesländern Praxis ist, ist mittlerweile wohl politischer Konsens quer durch alle Fraktionen. Für eine effektive Umsetzung von Art. 6 II RL wäre daher mindestens eine spezielle Ausnahme für Arbeits- gerichte in den hier relevanten Fällen von der Übermitt- lungspflicht des § 87 II AufenthG geboten. Eine Lösung, die diese ebenso wie andere Fallkonstellationen auf- greift, hat die SPD-Bundestagsfraktion in Bundestags- drucksache 17/56 vorgeschlagen. Wir bitten aus diesen Gründen ausdrücklich um Ihre Unterstützung für unse- ren Entwurf. Den vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung empfehle ich jedoch aus den genannten Gründen abzu- lehnen. Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Der Gesetzent- wurf dient der Umsetzung einiger wichtiger Richtlinien im Bereich des Ausländer- und Aufenthaltsrechts; insbe- sondere die Rückführungs- und die Sanktionsrichtlinie sind hier zu nennen. Die FDP-Bundestagsfraktion hat die Rückführungs- richtlinie begrüßt. Anders als zum Beispiel die Kollegen von der Linken sehen wir hier einen großen Fortschritt: Erstmals gibt es innerhalb Europas gleiche Mindeststan- dards im Bereich der Rückführung. Reflexartig wird die Richtlinie verteufelt. Aber sie ist ein großer Fortschritt für die Betroffenen. Und das ist entscheidend – nicht die poli- tische Polemik der Linken. Die Rückführungs-RL hätte bereits zum Ende letzten Jahres umgesetzt werden müssen. Die sorgfältige Ab- stimmung des Gesetzentwurfes innerhalb des BMI mit den anderen Ressorts und insbesondere auch die inten- sive Beteiligung der Verbände zeigt, dass die Bundesre- gierung große Sensibilität in diesem Themenbereich zeigt. Dies ist auch richtig: Gerade die Abschiebungshaft greift tief in Grundrechte ein und muss daher besonders austariert werden. Für die FDP-Bundestagsfraktion war immer wichtig, dass diese nur letztes Mittel sein kann und sein darf. Nach unserer Überzeugung wurde bei dem Gesetzentwurf dieser Haltung Rechnung getragen. Die Koalitionsfraktionen haben sich entschieden, den Gesetzentwurf parallel einzubringen, da die Frist zur Umsetzung bereits verstrichen ist. Ein Vertragsverlet- zungsverfahren wegen besonders sorgfältigen Abwägens sollte der Bundesregierung nicht aufgebürdet werden. D d e A m p S s w jä le w m g z te z V g n s V d d fr A s m D s n le b n h g w U b li s li g a s d u ti „ (C (D ies bedeutet jedoch nicht, dass der Gesetzentwurf in ieser Form verbleiben muss. Sicherlich wird es dazu ine Anhörung im Innenausschuss geben, die meiner nsicht nach so bald wie möglich stattfinden sollte, da- it wir das Gesetzesvorhaben noch vor der Sommer- ause abschließen können. Lassen Sie mich auf einige Punkte eingehen, die aus icht der FDP-Bundestagsfraktion im Rahmen des Ge- etzentwurfes nochmals näher zu betrachten sind: Das Kindeswohl muss Priorität haben. Der Gesetzent- urf ist in Bezug auf die Abschiebungshaft bei Minder- hrigen sehr ausgewogen. Allerdings gibt es doch Stel- n, an denen Kritik insbesondere von Kirchen erhoben ird. Hier wird zu klären sein, ob eventuell klarere For- ulierungen hilfreich sein könnten, um auch das Anlie- en der Regierungskoalition, das Kindeswohl prioritär ur Geltung zu bringen, vollumfänglich zu gewährleis- n. Das Kindeswohl ist für die schwarz-gelbe Koalition entral. Dies zeigt sich bereits in der Rücknahme des orbehalts zur Kinderrechtskonvention. Keine Vorgän- erkoalition hatte dies zustande gebracht. Mit der Rück- ahme des Vorbehalts kann selbstverständlich der Ein- atz für das Kindeswohl noch nicht abgeschlossen sein. ielmehr muss der Gesetzgeber bei allen Rechtsakten arauf achten, dass dieses entsprechend Maßstab ist. Abschiebungen sind im Ausländerrecht notwendig; ie Abschiebungshaft ist aus Sicht der FDP-Bundestags- aktion auch notwendiges Mittel zur Durchsetzung des usländerrechts. Allerdings muss man bei einem derart ensiblen Bereich als Gesetzgeber und als Vollziehende öglichst alles unternehmen, um für eine angemessene urchführung, Transparenz und Akzeptanz zu sorgen. Den Vorschlag insbesondere der Kirchen, die Ab- chiebebeobachtung als Möglichkeit ins Gesetz aufzu- ehmen, halte ich aus diesem Grund durchaus für über- genswert. Diese ist bereits erprobt und hat sich ewährt. Wir müssen dabei zum einen an die Betroffe- en denken, für die die Abschiebebeobachtung zur Beru- igung beitragen kann, zum andern aber auch an diejeni- en, die die Abschiebung durchzuführen haben. Diese erden oftmals in der Öffentlichkeit vollkommen zu nrecht verunglimpft. Gerade denen kann die Abschie- ebeobachtung auch helfen. Dass nun explizit vorgesehen ist, dass Abschiebehäft- nge in separaten Einrichtungen untergebracht werden ollen, begrüßt die FDP-Bundestagsfraktion ausdrück- ch. Die Unterbringung in normalen Gefängnissen kann rundsätzlich nicht hingenommen werden. Die Umsetzung der Rückführungsrichtlinie ist für uns uch Anlass, das Vorhaben im Koalitionsvertrag, die Ab- chiebehaftbedingungen zu evaluieren, anzugehen. Wir möchten auch die sozialrechtlichen Vorschriften, ie beim Zwangsheiratsbekämpfungsgesetz nicht mehr ntergebracht werden konnten, nun einflechten. Uns liegt des Weiteren noch ein Vorhaben des Koali- onsvertrages am Herzen. Dort ist Folgendes vereinbart: Wir werden die aufenthaltsgesetzlichen Übermittlungs- 12168 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) pflichten öffentlicher Stellen dahin gehend ändern, dass der Schulbesuch von Kindern ermöglicht wird.“ Es ist ein humanitärer Fortschritt, wenn wir die aufenthalts- rechtlichen Übermittlungspflichten öffentlicher Stellen ändern, um den Schulbesuch von Kindern zu gewähr- leisten. Bildung ist die Basis für gesellschaftliche Inte- gration und persönlichen Erfolg. Wir werden in den kommenden Wochen in der Koali- tion über diese und weitere Änderungen verhandeln. Die Anhörungsergebnisse sollen ebenso Grundlage für die weiteren Überlegungen sein. Ich bin mir angesichts der erfolgreichen Verhandlungen innerhalb der Koalition un- ter anderem zum Zwangsheiratsbekämpfungsgesetz si- cher, dass wir auch hier wichtige Weichenstellungen er- reichen werden. Um die illegale Beschäftigung von Ausländern zu verhindern bzw. zu sanktionieren, fordert die Sanktions- richtlinie im Wesentlichen die Ausdehnung der Arbeit- geberhaftung auf Generalunternehmer und zwischenge- schaltete Unternehmer, erhöhte Nachweispflichten für Arbeitgeber und die Einführung von zwei neuen Straftat- beständen. Darüber hinaus ist ein befristeter Aufenthaltstitel für Opfer illegaler Beschäftigung einzuführen, um ihre Mit- wirkung als Zeugen im Strafverfahren zu ermöglichen. Wegen einiger Regelungen des Visakodex (insbeson- dere zur Erforderlichkeit der Begründung von Visumver- sagungen sowie zur Anfechtbarkeit der Visumversa- gung) sind im Wesentlichen Anpassungen der Form- und Verfahrensvorschriften des Aufenthaltsgesetzes notwen- dig. Im Zusammenhang mit den genannten Anpassungen an europäische Rechtsakte werden zur Klarstellung und zur Bereinigung von Unstimmigkeiten technische und redaktionelle Anpassungen aufenthaltsrechtlicher Vor- schriften vorgenommen, die sich auf unterschiedliche Regelungsbereiche des Aufenthaltsgesetzes, das AZR- Gesetz, die Aufenthaltsverordnung und die AZRG- Durchführungsverordnung erstrecken. Deutschland verändert sich. Die neue Bundesregie- rung wird diese Veränderung gestalten – ohne Ideologie und vorurteilsfrei. Migration und Integration stellen Deutschland vor neue Herausforderungen. Sie bieten aber auch neue Chancen. Die Koalition hat sich auf eine konsequente Steuerung der Zuwanderung nach Deutschland und eine aktive Integrationspolitik geeinigt. Wir wollen eine neue Kultur des Willkommens, die nicht falsche Versprechun- gen auf Kosten anderer Leute macht, sondern Chancen und Perspektiven eröffnet für die, die nicht nur „territo- rial“ nach Deutschland kommen, sondern auch mit ihrer Kultur in unserem Land sowie unserer Gesellschaft mit ihren Grundwerten ankommen wollen. Wir halten es nicht wie die Grünen oder Linken für unzumutbar, Deutsch zu lernen, wir halten Zuwanderer nicht für bemitleidenswerte und unfähige Menschen, de- nen nur mit Nachsicht oder Sozialhilfe begegnet werden k „ m M m ti fü g B s S d s in d te h ti g A d g h g a tu s p s d c c H tr A fü E b m S a b le w d k a d z p A ic s s (C (D ann und die auf Generationen hinaus mit dem Unwort Migrationshintergrund“ stigmatisiert werden sollen. Wir meinen, dass hier endlich ein Umdenken erfolgen uss: Statt der Unkultur eines auf Dauer erniedrigenden itleids und des Verzichts auf Integrationsforderungen uss Deutschland in der Integrationspolitik endlich posi- v denken. Wir brauchen eine Kultur der Anerkennung r diejenigen, die das geschafft haben. Wir halten inte- rierte Zuwanderer mit ihren Erfahrungen für eine große ereicherung unserer Gesellschaft. Wir beglückwün- chen diejenigen, die sich erfolgreich integriert haben. ie können stolz auf ihre Leistung sein, und wir sind ankbar und stolz, dass sie sich für Deutschland ent- chieden haben. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Wir verhandeln hier heute erster Linie die Umsetzung zweier EU-Richtlinien in as deutsche Aufenthaltsrecht. Die eine Richtlinie ist in- rnational als Abschieberichtlinie zu trauriger Berühmt- eit gelangt. Des Weiteren soll die sogenannte Sank- onsrichtlinie umgesetzt werden. Damit werden Strafen egen Arbeitgeber, die Menschen ohne Aufenthalts- und rbeitserlaubnis beschäftigen, zur Pflicht. Zudem sollen ie Betroffenen die Möglichkeit erhalten, als Zeugen ge- en ausbeuterische Arbeitgeber aufzutreten und ausste- enden Lohn einzuklagen. Im Rahmen der Umsetzung der Sanktionsrichtlinie eht es auch um das Aufenthaltsrecht für die Betroffenen usbeuterischer Arbeitsverhältnisse ohne Aufenthaltssta- s. Hier gibt es dringenden Änderungsbedarf. Wie chon bei den Opfern von Menschenhandel und Zwangs- rostitution soll das Aufenthaltsrecht für diese Men- chen begrenzt und davon abhängig gemacht werden, ob ie Mitwirkung der Betroffenen in einem strafrechtli- hen Verfahren erforderlich ist. Das ist eine strafrechtli- he Instrumentalisierung von Menschen, die nicht selten ilfe und Beistand benötigen. Noch schlimmer: Die Be- offenen können sich nicht einmal sicher sein, ob ihre ussagebereitschaft auch zu einer Aufenthaltserlaubnis hrt, weil die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im rmessen der Ausländerbehörde steht. Den Opfern aus- euterischer Arbeitsverhältnisse wird klargemacht, dass an sie so schnell wie möglich wieder loswerden will: ie können zur Ausreise verpflichtet werden, obwohl sie usstehenden Lohn noch nicht erhalten haben. Wenn sie leiben dürfen, erhalten sie lediglich abgesenkte Sozial- istungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, ob- ohl sich strafrechtliche Prozesse wegen Menschenhan- el und illegaler Beschäftigung über Jahre hinziehen önnen. In dieser Zeit können die Betroffenen damit uch kaum therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Die Linke fordert ein bedingungsloses Bleiberecht für iese Menschen und ihre Familien. Sie dürfen nicht ein weites Mal zu Opfern werden, indem man sie für Straf- rozesse instrumentalisiert. Noch weitaus erschreckender ist die Umsetzung der bschieberichtlinie durch die Koalition. Zunächst will h Folgendes vorausschicken: Die Linke lehnt die Ab- chiebehaft weiterhin grundsätzlich ab. Sie dient aus- chließlich der Durchsetzung einer Verwaltungsmaß- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12169 (A) ) )(B) nahme, der Ausreisepflicht. Eine Inhaftierung von Menschen zu diesem Zweck ist aus unserer Sicht grund- sätzlich unverhältnismäßig. Dass sich nach deutscher Rechtslage der Freiheitsentzug über 18 Monate hinzie- hen kann, ist inakzeptabel. Diese Höchstgrenze für Abschiebehaft von 18 Monaten aber hat die Bundesre- gierung auf EU-Ebene durchgesetzt, um an unverhältnis- mäßig langen Haftzeiten auch in Deutschland festhalten zu können. Allerdings enthält die Abschieberichtlinie auch vor- gaben, die zu wenigen menschenrechtlichen Verbesse- rungen im Vollzug der Abschiebehaft in Deutschland führen müssten. Der vorliegende Gesetzentwurf setzt diese Vorgaben gar nicht oder ungenügend um. In Teilen verletzt er andere menschenrechtliche Verpflichtungen der Bundesrepublik. Darauf will ich im Folgenden ein- gehen. Der Schutz des Kindeswohls wird im vorliegenden Gesetzentwurf schlicht ignoriert. Nach der Rücknahme des Vorbehalts gegen die UN-Kinderrechtskonvention darf die Bundesrepublik ausländische Kinder nicht mehr schlechter behandeln als inländische Kinder. Auch für die ausländischen Kinder gilt, dass ihr Wohl im Handeln der Behörden vorrangig beachtet werden muss. Die Abschiebehaft bei Kindern und Jugendlichen ist ein ek- latanter Verstoß gegen diesen Grundsatz. Die UN-Kin- derrechtskonvention erlaubt eine Inhaftierung Minder- jähriger lediglich bei Straftaten und nur als letztes Mittel. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat in einem Gutachten klargestellt: Unbegleitete Minderjäh- rige dürfen nicht in Abschiebehaft genommen werden. Auch für Minderjährige in Begleitung von Erwachsenen gilt diese menschenrechtliche Grenze. Auch die in Deutschland übliche Inhaftierung eines Elternteils, um die Abschiebung der gesamten Familie zu sichern, ver- letzt die Verpflichtung zum Vorrang des Kindeswohls, so das Gutachten. Das fehlende Verbot der Inhaftierung Minderjähriger und ihrer Sorgeberechtigten im Gesetz- entwurf ist ein menschenrechtlicher Skandal. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Auch die Inhaf- tierung Kranker und insbesondere psychisch Traumati- sierter und anderer besonders schutzbedürftiger Perso- nen muss endlich eindeutig im Gesetzestext untersagt werden. Es gibt noch einigen weiteren Anpassungsbedarf, um wenigstens dieser „Richtlinie der Schande“, wie sie ge- nannt wurde, Genüge zu tun. Die Pflicht zur gesonderten Unterbringung außerhalb von Strafvollzug und Untersu- chungshaft muss wirksam und ausnahmslos umgesetzt werden. Die Abschiebehäftlinge müssen kostenlos Zu- gang zu Rechtsvertretung und -beratung haben. Die In- haftierung von Asylsuchenden, die üblicherweise kein Visum erhalten und deshalb illegal einreisen müssen, muss wirksam ausgeschlossen werden. Das ist auch eine Anforderung aus der Genfer Flüchtlingskonvention, der die Bundesrepublik noch nicht nachgekommen ist. Die Koalition muss im weiteren Gesetzgebungsver- fahren wenigstens den Anforderungen der Abschiebe- richtlinie und der menschenrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik nachkommen. Ungeachtet dessen b A ti B U li B g is fü fa a S n a D q n n k B h s u G z R te s D s g g w p s d k A a R D s fa H g A in n d g is T h ru (C (D leibt Die Linke bei ihrer grundsätzlichen Kritik an der bschiebehaft als Instrument einer restriktiven Migra- ons- und Flüchtlingspolitik. Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die undesregierung legt uns heute einen Gesetzentwurf zur msetzung zweier EU-Richtlinien vor, der sehr ängst- ch und zurückhaltend ist, wenn es um die rechtliche esserstellung von Immigranten geht. Bei der Beseiti- ung der Missstände taucht die Bundesregierung ab und t ideenlos. Der Gesetzentwurf betrifft zum einen die EU-Rück- hrungsrichtlinie über gemeinsame Normen und Ver- hren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal ufhältiger Drittstaatsangehöriger, zum anderen die EU- anktionsrichtlinie über Mindeststandards für Sanktio- en und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaats- ngehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen. ie noch im Referentenentwurf enthaltene EU-Hoch- ualifiziertenrichtlinie findet sich im Gesetzentwurf icht mehr. Offenbar konnte die Bundesregierung sich icht über die notwendigen Änderungen bei der Fach- räfteeinwanderung einigen. Das ist typisch für diese undesregierung: Vor lauter Streit ist sie nicht mehr fä- ig zu regieren. Die Rückführungsrichtlinie hätte bis pätestens zum 24. Dezember 2010 in deutsches Recht mgesetzt werden müssen. Die noch nicht einmal im esetzgebungsverfahren befindliche EU-Hochqualifi- iertenrichtlinie muss bis Juni 2011 umgesetzt werden. Im vorliegenden Gesetzentwurf sind hinsichtlich der ückführungsrichtlinie weiterhin Bestimmungen enthal- n, die im Vorfeld von allen kirchlichen und gesell- chaftlichen Institutionen – zum Beispiel auch dem eutschen Institut für Menschenrechte – einhellig kriti- iert wurden: Sie betreffen die vorgesehenen Regelun- en zur Abschiebehaft, insbesondere von Minderjähri- en. Diese soll – wenn auch mit Einschränkungen – eiterhin zulässig sein. Aus unserer Sicht ist das höchst roblematisch. Auch das Deutsche Institut für Men- chenrechte betont in einer jüngst erschienenen Studie, ass „es unter Berücksichtigung der UN-Kinderrechts- onvention (KRK) menschenrechtlich unzulässig ist, bschiebehaft gegenüber unbegleiteten Minderjährigen nzuordnen“. Problematisch ist auch die fehlerhafte Umsetzung der ückführungsrichtlinie zum Vollzug der Abschiebehaft. ie Richtlinie lässt nämlich die Unterbringung von Ab- chiebehäftlingen in gewöhnlichen Haftanstalten allen- lls dann zu, wenn in einem Mitgliedstaat spezielle afteinrichtungen nicht vorhanden sind. In Deutschland ibt es diese jedoch in mehreren Bundesländern. Die usnahmeregelung bezieht sich auf EU-Mitgliedstaaten, denen es keine speziellen Hafteinrichtungen gibt, icht auf deutsche Bundesländer, wie im Gesetzentwurf er Bundesregierung vorgesehen. Die weitere Unterbrin- ung von Abschiebungshäftlingen in Strafhaftanstalten t demnach unzulässig. Auch die Schaffung gesonderter rakte in Justizvollzugsanstalten reicht nicht aus. Denn inter der Regelung des Art. 16 Abs. 1 der Rückfüh- ngsrichtlinie steht die Erkenntnis, dass Abschiebungs- (A) (C)häftlinge nicht wie Straftäter behandelt und dementspre- chend auch nicht den Strafvollzugsregelungen unterworfen werden dürfen. Die Regierung scheint ver- gessen zu haben, dass es sich bei der Abschiebehaft nicht um Strafhaft zur Ahndung strafrechtlicher Delikte handelt. Zweck der Abschiebehaft ist einzig die Durch- führung der Abschiebung. Deswegen wäre es auch rich- tig und wichtig gewesen, anlässlich der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie die Höchstdauer der Abschiebe- haft von 18 Monaten deutlich zu verkürzen. Denn die Möglichkeit, einem Menschen für 18 Monate allein zur Durchführung der Abschiebung die Freiheit zu entzie- hen, wird dem Gebot größtmöglicher Verfahrensbe- schleunigung und dem Grundsatz der Verhältnismäßig- keit nicht gerecht. Bedauerlicherweise wird in dem vorgelegten Gesetz- entwurf die Gelegenheit nicht wahrgenommen, auch andere durch europäisches Recht notwendig gewordene Änderungen bzw. Klarstellungen vorzunehmen. So er- scheint es dringend geboten, gemäß Art. 13 der Rück- führungsrichtlinie, der die Gewährung effektiven Rechtsschutzes fordert, endlich den einstweiligen Rechtsschutz in Verfahren nach der Dublin-II-Verord- nung zu ermöglichen. Ich verweise insofern auf die Grundsatzentscheidung des EGMR vom 21. Januar 2011 im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland, Beschwerde Nr. 30696/09. Seit den mit dem 1. EU- Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 eingeführten Ände- rungen wurde über § 34 a Abs. 2 AsylVfG der einstwei- lige Rechtsschutz gegen Entscheidungen im Verfahren sen. Vom Ausland aus kann ein effektiver Rechtsschutz vor deutschen Verwaltungsgerichten nicht greifen. Ein Rechtsbehelf ist nur dann wirksam, wenn irreparable Folgen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer ho- heitlichen Maßnahme vor deren gerichtlicher Überprü- fung eintreten können, soweit als möglich ausgeschlos- sen werden können. Weiterhin sind gesetzliche Anpassungen, die sich aus der Rücknahme der Vorbehalte zur UN-Kinderrechts- konvention ergeben, in den Gesetzentwurf zu integrie- ren. Schließlich hat die Bundesregierung die Gelegen- heit verpasst, die Übermittlungspflichten des § 87 AufenthG einzuschränken, damit statuslose Kinder ihr Recht auf Schulbildung auch tatsächlich ausüben kön- nen. Ebenso hat die Bundesregierung es unterlassen, die Residenzpflicht für Geduldete und Asyl bewerber zu lo- ckern. Mit der Residenzpflicht gibt es in Deutschland ein bundesweites und in Europa einzigartiges System der Aufenthaltsbeschränkung. Diese räumliche Beschrän- kung des Aufenthalts auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde hat diskriminierende Wirkung und führt dazu, dass das Recht dieser Personen auf Teil- nahme an kulturellen, politischen und religiösen Veran- staltungen unzulässig eingeschränkt und der Zugang zu einer erforderlichen ärztlichen oder psychologischen Be- handlung und zum Arbeitsmarkt wesentlich erschwert werden. Ich erwarte, dass die Bundesregierung im weiteren Gesetzgebungsverfahren die allseitige Kritik ernst V Offsetdrucker ertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln (D (B) nach der Dublin-II-Verordnung generell ausgeschlos- n ) immt und die notwendigen Änderungen vornimmt. 12170 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 ei, Bessemerstraße 83–91, 1 , Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 105. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710500000

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie herzlich.

Wir haben einige Mitteilungen, bevor wir in unsere
Tagesordnung eintreten. Die FDP-Fraktion hat mitge-
teilt, dass der Kollege Dr. Wolfgang Gerhardt aus dem
Kuratorium des Deutschen Historischen Museums
ausscheidet. Als sein Nachfolger wird der Kollege Rei-
ner Deutschmann vorgeschlagen. Neues stellvertreten-
des Mitglied soll der Kollege Patrick Kurth werden.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist offensichtlich
der Fall. Dann sind die genannten Kollegen gewählt.

Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbun-
dene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste auf-
geführten Punkte zu erweitern:

ZP 2 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemäß Anlage 5
Nr. 1 Buchstabe b GO-BT

zu den Antworten der Bundesregierung auf die
dringliche Frage Nr. 5 auf Drucksache 17/5468

(siehe 104. Sitzung)


Redet
ZP 3 Weitere Überweisungen im vereinfachten Ver-
fahren
Ergänzung zu TOP 28

a) Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gedenkort für die Opfer der NS-„Euthana-
sie“-Morde

– Drucksache 17/5493 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

(C (D ung en 14. April 2011 0 Uhr b)

Dr. Stefan Kaufmann, Dr. Heinz Riesenhuber, Al-
bert Rupprecht (Weiden), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge-
ordneten Dr. Martin Neumann (Lausitz), Patrick
Meinhardt, Dr. Peter Röhlinger, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der FDP

Gestaltung der zukünftigen europäischen For-
schungsförderung der EU (2014–2020)


– Drucksache 17/5492 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

ext
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kerstin
Tack, Elvira Drobinski-Weiß, Dr. Wilhelm Pries-
meier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD

Klonen von Tieren zur Lebensmittelproduk-
tion verbieten

– Drucksache 17/5485 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)


für Wirtschaft und Technologie
für Gesundheit
für Bildung, Forschung und
genabschätzung
für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Hilfe
Ausschuss
Ausschuss
Ausschuss
Technikfol
Ausschuss





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) )


)(B)

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Marlies Volkmer, Karin Roth (Esslingen), Pe-
tra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der SPD

Gesundheit ist ein globales öffentliches Gut –
Rolle der Weltgesundheitsorganisation WHO
in der „Global Health Governance“ stärken

– Drucksache 17/5486 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Anton Hofreiter, Dr. Konstantin von Notz,
Winfried Hermann, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Transparenz in Public Privat Partnerships im
Verkehrswesen

– Drucksache 17/5258 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Haushaltsausschuss

ZP 4 Weitere abschließende Beratungen ohne Aus-
sprache
Ergänzung zu TOP 29

a) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 254 zu Petitionen

– Drucksache 17/5501 –

b) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 255 zu Petitionen

– Drucksache 17/5502 –

c) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 256 zu Petitionen

– Drucksache 17/5503 –

d) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 257 zu Petitionen

– Drucksache 17/5504 –

e) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 258 zu Petitionen

– Drucksache 17/5505 –

f) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 259 zu Petitionen

– Drucksache 17/5506 –

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(C (D g)

ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 260 zu Petitionen

– Drucksache 17/5507 –

h) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 261 zu Petitionen

– Drucksache 17/5508 –

P 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen
der CDU/CSU und der FDP:

Pläne der EU-Kommission zur stärkeren
Besteuerung von Dieselkraftstoffen

P 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Karl
Holmeier, Marlene Mortler, Thomas Silberhorn,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU sowie der Abgeordneten Joachim
Spatz, Michael Link (Heilbronn), Heinz
Golombeck, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDP

Strategie der Europäischen Union für den
Donauraum effizient gestalten

– Drucksache 17/5495 –

P 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Rolf
Hempelmann, Dirk Becker, Hubertus Heil

(Peine), weiterer Abgeordneter und der Fraktion

der SPD

Programm für eine nachhaltige, bezahlbare
und sichere Energieversorgung

– Drucksache 17/5481 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

P 7 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der
SPD:

Aktuelle Äußerungen des Bundesfinanzminis-
ters zur Umschuldung von EU-Ländern, die
den bis 2013 geltenden „Rettungsschirm“ in
Anspruch genommen haben

Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, so-
eit erforderlich, abgewichen werden.

Der Tagesordnungspunkt 12 und die weiteren Tages-
rdnungspunkte verschieben sich um jeweils einen Platz
ach hinten.





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) )


)(B)

Sind Sie auch mit diesen Vereinbarungen einverstan-
den? – Das sieht so aus. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 3 a bis c auf:

a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Katrin
Göring-Eckardt, Volker Kauder, Pascal Kober,
Johannes Singhammer, Dr. h. c. Wolfgang Thierse,
Kathrin Vogler und weiteren Abgeordneten ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Verbot
der Präimplantationsdiagnostik

– Drucksache 17/5450 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

b) Erste Beratung des von den Abgeordneten René
Röspel, Priska Hinz (Herborn), Patrick Mein-
hardt, Dr. Norbert Lammert und weiteren Abge-
ordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur begrenzten Zulassung der Prä-

(Präimplantationsdiagnostikgesetz – PräimpG)


– Drucksache 17/5452 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Ulrike
Flach, Peter Hintze, Dr. Carola Reimann,
Dr. Petra Sitte, Jerzy Montag und weiteren Abge-
ordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik

(Präimplantationsdiagnostikgesetz – PräimpG)


– Drucksache 17/5451 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache zweieinhalb Stunden vorgesehen. Diese
Zeit soll im Wesentlichen nach dem Stärkeverhältnis der
Unterzeichner dieser drei Gesetzentwürfe verteilt wer-
den, weil wir hier – ich sage das insbesondere für die
Zuhörer und Zuschauer – keine Gesetzentwürfe der Re-
gierung oder der Fraktionen, sondern überfraktionelle
Gesetzentwürfe beraten werden.

Es wird vorgeschlagen, dass die Reden der Kollegin-
nen und Kollegen, deren Redewunsch nicht berück-
sichtigt werden kann, in einem der Redezeit von fünf
Minuten entsprechenden Umfang zu Protokoll gegeben
werden können.1)

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e1) Anlage 3

(C (D Ich hoffe, Sie sind auch damit einverstanden. – Das ieht so aus. Dann verfahren wir so. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst ie Kollegin Ulrike Flach. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU und der SPD)



Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1710500100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

iel unseres Gesetzentwurfes, getragen von 215 Kolle-
en aus allen Fraktionen des Bundestages, ist es, Paaren
it genetischer Disposition für schwere Krankheiten zu

elfen. Die PID ist dabei ein Instrument im Rahmen der
ünstlichen Befruchtung, das Wissen über Erkrankungen
er befruchteten Eizelle vermittelt, bevor sie in die Ge-
ärmutter eingepflanzt wird.

Mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 6. Juli
010 ist die Präimplantationsdiagnostik, kurz PID ge-
annt, in Deutschland legalisiert worden. Der Bundesge-
chtshof hat drei Argumente für seine Entscheidung an-
eführt:

Erstens. Das Embryonenschutzgesetz wird durch die
ID nicht verletzt; denn auch der Arzt, der eine PID
urchführt, strebt die Herbeiführung einer Schwanger-
chaft an.

Zweitens. Die Zellentnahme zu Testzwecken stellt
ein Verwenden dar, das dem Embryonenschutzgesetz
uwiderläuft.

Drittens. Die PID verfolgt denselben Zweck, den
218 a StGB als Indikation zum Schwangerschaftsab-
ruch anerkennt. Danach ist der Abbruch nicht rechtswid-
g, wenn er unter Berücksichtigung der gegenwärtigen
nd zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren
ngezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder eine
eeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Ge-

undheitszustandes der Schwangeren abzuwenden.

Die PID verfolgt genau diesen Zweck, liebe Kolle-
en, und zwar – weil der Embryo noch in der Petrischale
t – auf weniger belastende Weise, als es sonst der Fall
t. Deshalb, so der Bundesgerichtshof, wäre es ein Wer-
ngswiderspruch, sie bei Strafe zu verbieten, während

er spätere und physisch und psychisch natürlich belas-
ndere Abbruch zum gleichen Zweck erlaubt ist.

Ein Verbot würde die Betroffene von Gesetz wegen
wingen, zur Abwendung einer Gefahr – Fehl- oder Tot-
eburt – eine weitaus gefährlichere Maßnahme, nämlich
en Schwangerschaftsabbruch nach der Einpflanzung,
ber sich ergehen zu lassen, als es die Verwerfung des
mbryos in der Petrischale wäre.

Wenn es aber, liebe Kollegen, eine mildere Abwehr
es Notstandes gibt, dann darf der Gesetzgeber die Be-
offene nicht in eine noch schwerere Notlage bringen.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Die Argumentation des Bundesgerichtshofes ist nicht
ur rechtlich nicht von der Hand zu weisen. Sie ist auch
thisch begründbar. Es ist ethisch nicht verantwortbar,





Ulrike Flach


(A) )


)(B)

der Frau ein Wissen – sogar unter Strafe – vorzuenthal-
ten, das sie in die Lage versetzen würde, eine selbstbe-
stimmte Entscheidung über die Einpflanzung zu treffen.
Alles andere wäre eine Schwangerschaft auf Probe.

Bei der Entscheidung über die PID geht es aber nicht
nur um die richtige Anwendung von Recht. Es geht vor
allem – das ist wichtig für uns – um Menschen in großer
Not. Vor einigen Wochen erhielt ich eine Mail, die ich
gern im Auszug zitieren möchte:

Meine Frau und ich haben bereits ein gesundes
Kind, aber leider haben wir beide einen Gendefekt.
Die letzten zwei Schwangerschaftseinleitungen
mussten getätigt werden, da unser Kind nicht le-

(großer Wasserkopf und leider gar kein Gehirn)

es ist, eine Schwangerschaftseinleitung oder Fehl-
geburt zu haben. … Wir hätten kein Problem, wenn
wir ein behindertes Kind hätten, aber bei unserer
Erbkrankheit gibt es für das Überleben nur eine ge-
ringe Chance.

Liebe Kollegen, ich lese Ihnen das deshalb vor, weil
es deutlich macht, für wen diejenigen, die für eine be-
grenzte Zulassung der PID sind, eintreten: für Men-
schen, die sehr oft am Rande der Verzweiflung stehen,
die sich sehnlichst ein Kind wünschen, die Hoffnung in
eine Zulassung der PID setzen und die sehr wohl – oft
auch aus tiefer christlicher Überzeugung – verantwor-
tungsbewusst mit dieser ethischen Frage umgehen.

Was aber wollen wir, die für eine begrenzte Zulassung
sind? Auch wir öffnen nicht alle Türen für die PID. Es
gibt kein Recht auf PID, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen. Sie bleibt grundsätzlich verboten, aber es soll Aus-
nahmen geben.

Die erste Ausnahme soll gelten, wenn bei Eltern oder
bei einem Elternteil aufgrund genetischer Veranlagung
eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende
Erbkrankheit besteht, die zu einer Tot- oder Fehlgeburt
führt. Als hohe Wahrscheinlichkeit gelten international
25 bis 50 Prozent.

Zweite Ausnahme: wenn eine hohe Wahrscheinlich-
keit für eine schwere Erbkrankheit besteht, die sich aber
erst später manifestiert, also erst später ausbricht. Hier
grenzen wir uns von anderen ab, die sagen, eine spätma-
nifestierende Krankheit soll nur dann eine PID legitimie-
ren, wenn sie innerhalb des ersten Lebensjahres des Kin-
des ausbricht. Das halten wir für eine willkürliche
Grenzziehung, die in der Realität nicht umzusetzen ist,
weil es unterschiedliche Krankheitsverläufe ein und der-
selben Krankheit gibt.

Eine begrenzte Zulassung der PID bedeutet keinen
ethischen und quantitativen Dammbruch. Das belegen
die Erfahrungen aus vielen anderen Ländern, die uns
umgeben. In Großbritannien gab es im Jahre 2008 ganze
214 Fälle, in denen PID angewandt wurde. Das sind
0,42 Prozent aller künstlichen Befruchtungen im Jahr. In
Frankreich waren es 320 Fälle. Der Deutsche Ethikrat
hat zu Recht in seiner Stellungnahme darauf hingewie-
sen, dass eine Entscheidung für die PID nicht automa-
tisch zu einer Ausweitung führt. Neue Erkenntnisse kön-

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(C (D en – das hat Frankreich gezeigt – sogar zu einer inschränkung führen. Es ist eben nicht die Rutschbahn, ie wir, wie immer prophezeit wird, anstreben, sondern s ist ein rechtlich sicherer und verlässlicher Weg für die amilien in Not. In unserem Gesetzentwurf gibt es keinen Automatisus für eine Zulassung der PID. Wir haben bewusst auf ine Liste von Krankheitsbildern verzichtet. Vielmehr ollen wir jede einzelne Entscheidung einer Ethikkomission überlassen, die an eigens dafür lizenzierten Zenen eingerichtet werden soll. Damit kann die Ethikkomission individuell – das ist für uns wichtig – auf jedes aar und seine Not eingehen. Auch medizinische Fortchritte in Therapie und Behandlung können berücksichgt werden. Wir wollen keine zentrale Kommission, ondern entsprechend der föderalen Tradition unseres andes mehrere eigens lizenzierte Zentren. Damit wird uch die Gruppe derjenigen Fachleute, die in die Entcheidung eingebunden werden, verbreitert. Wir sehen mit Freude, dass sich sowohl der Ethikrat in einer zwar knappen Mehrheit – als auch die Akadeie der Wissenschaften für eine begrenzte Zulassung usgesprochen haben. Auch der Wissenschaftliche Beit der Bundesärztekammer stützt diese Auffassung, enn Professor Hepp schreibt, die Zulassung der PID sei thisch weniger problematisch als eine Schwangerschaft uf Probe. Selbst in der evangelischen Kirche gibt es eutliche Stimmen, die sich für eine begrenzte Zulasung aussprechen. Liebe Kollegen, ich bitte Sie, sich für unseren Enturf zu entscheiden, weil er Menschen wie dem Paar, essen E-Mail ich eben vorgelesen habe, hilft, weil er ine konsistente Rechtslage schafft und nicht dazu führt, ass wir erneut eine Diskussion über den § 218 führen üssen, und weil er nicht zu einem Dammbruch führt, eder von der Fallzahl her noch hinsichtlich einer Aufeichung ethischer Standards. Es ist eine Entscheidung ugunsten der Frauen und ihrer Familien, es ist eine Entcheidung gegen die Qual der Abtreibung, und es erichtert die Entscheidung genetisch belasteter Eltern für in Kind. Herzlichen Dank. Dr. Günter Krings ist der nächste Redner. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710500200


Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1710500300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Ich werbe heute für ein konsequentes Verbot der
räimplantationsdiagnostik. Die Befürworter, die sich
icherlich ebenso wenig wie wir, die Antragsteller eines
erbotes, die Entscheidung leicht gemacht haben – im-
erhin haben sich über 400 Abgeordnete des Deutschen
undestages bereits heute für einen der drei Anträge ent-





Dr. Günter Krings


(A) )


)(B)

schieden –, begeben sich nach meiner, nach unserer
Überzeugung auf ein sehr abschüssiges Terrain. Das be-
legen aus unserer Sicht Erfahrungen in den allermeisten
europäischen und außereuropäischen Ländern. Das, was
einmal als eingegrenzte Zulassung der PID begonnen
hat, ist in vielen Ländern ein Stück weit zulasten der
Embryonen gegangen, weil die Grenzen verschoben
worden sind.

Frankreich galt in der Tat bis vor einiger Zeit noch als
Beispiel für eine restriktive Zulassung, bis wir vor weni-
gen Wochen zur Kenntnis nehmen mussten, dass in
Frankreich bereits die Erzeugung eines Rettungsge-
schwisterkindes speziell zum Zwecke der Stammzell-
spende für sein Geschwisterkind zugelassen worden ist.

Deshalb wollen wir die Rechtslage wiederherstellen,
wie sie aufgrund der Überzeugung der allermeisten Ju-
risten sowie der allermeisten Abgeordneten dieses Hau-
ses bis in den Juli 2010, also vor der Entscheidung des
Bundesgerichtshofes, gegolten hat: das Verbot der PID.
Das schlagen wir vor, weil wir der Überzeugung sind,
dass weder der Gesetzgeber noch eine Kommission oder
Kammer noch der einzelne Arzt über lebenswertes oder
nicht lebenswertes Leben entscheiden darf.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Wir sind der festen Überzeugung, dass derjenige, der
meint, PID eingrenzen zu können, dann auch klar sagen
muss, wen er ganz konkret ausgrenzen will. Wer PID
eingegrenzt zulassen will, muss dann auch offenlegen,
welche Formen der Erkrankung und welche Behinderun-
gen in Zukunft aussortiert werden sollen.

Für uns ist der Embryo keine verfügbare Sache, die
man nach der Feststellung von Mängeln einfach verwer-
fen darf. Wir halten es mit dem Bundesverfassungsge-
richt, das sehr klar festgestellt hat: „Wo menschliches
Leben existiert, kommt ihm Menschenwürde zu.“ Ent-
scheidend dabei ist der Zeitpunkt des Beginns des
menschlichen Lebens. Nach unserer Überzeugung, nach
meiner persönlichen Überzeugung, ist die Verschmel-
zung von Ei und Samenzelle immer noch die größte Zä-
sur in dem Entwicklungsprozess des menschlichen Le-
bens. Wir dürfen bei der Festlegung des Beginns von
menschlichem Leben kein Risiko eingehen. Es ist sozu-
sagen eine ethische Klugheitsregel, im Zweifelsfall für
das Leben – in dubio pro vita – zu entscheiden, und nicht
einen späteren Zeitpunkt anzunehmen, nur weil er be-
quemer ist, um bestimmte medizinische Maßnahmen zu-
lassen zu können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)


Dieser Satz „in dubio pro vita“ gilt, wie ich finde, in be-
sonderer Weise für den Embryo in der Petrischale. Er ist
von Natur aus, anders als der Embryo im Mutterleib, be-
sonders schutzlos. Deswegen ist der Gesetzgeber, des-
wegen sind gerade wir besonders gefordert, ihm Schutz
zu gewähren.

Meine Damen und Herren, mit allen Kollegen in die-
sem Hause sehen wir auch die schwierige Situation der

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(C (D ltern, die, etwa nach einer Fehlgeburt, den Wunsch ach einem gesunden Kind haben. Diesen Wunsch könen wir natürlich verstehen. Das ist übrigens auch der rund, warum wir von Anfang an klar gesagt haben, ass wir in Bezug auf die Eltern keine Strafandrohung orsehen wollen. Es gilt aber: Das Leid dieser Eltern ntspringt nicht einer existenziellen Konfliktsituation, ie sie bei manchen Schwangerschaften vorliegt. Die ID ist ein im Labor vorgenommener, von Medizinern eplanter und gesteuerter Vorgang. Wer das mit den onfliktsituationen vergleicht, die Schwangere vielicht auch bei ungeplanten Schwangerschaften erleben, er geht an deren Situation voll vorbei. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)


benfalls gilt: So verständlich der Wunsch nach einem
esunden Kind ist – Wünsche gehen nicht vor Rechte.
er Wunsch nach einem Kind kann nicht das Lebens-
cht des Embryos überspielen.

Lassen Sie mich noch ein letztes Argument vortragen:
as Embryonenschutzgesetz sieht aus gutem Grund vor,
ass in jedem Zyklus einer Schwangeren maximal drei
izellen befruchtet werden können. Alle Experten sagen
llerdings: Wenn man überhaupt die Chance haben will,
den Fällen der PID erfolgreiche Einpflanzungen vor-

unehmen, um später ein Kind gebären zu können,
üsste diese Zahl verdreifacht werden, also von drei auf

eun gehen.

Der Antrag des Kollegen Röspel sieht das in aller Of-
nheit vor. Das ist an dieser Stelle zumindest ein ehrli-

her Ansatz. Ich befürchte allerdings Folgendes: Wenn
ir diesen Weg gehen, führt das dazu, dass wir die
enge der sogenannten überschüssigen befruchteten Ei-

ellen deutlich vermehren und dass die Begehrlichkeiten
us der wissenschaftlichen Forschung, ja selbst aus der
irtschaft, stark anwachsen werden. Dem müssen wir

inen Riegel vorschieben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710500400

Herr Kollege.


Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1710500500

Lassen Sie uns gemeinsam verhindern, dass Men-

chen zu Richtern werden über lebenswertes und nicht
benswertes Leben. Deswegen bitte ich Sie: Unterstüt-

en Sie unseren Antrag auf ein Verbot der PID.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Haus)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710500600

Das Wort erhält nun der Kollege René Röspel.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )


)(B)


René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1710500700

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Uns wurden bisher zwei Gesetzentwürfe vorge-
stellt. Die ihnen zugrunde liegenden Positionen sind,
glaube ich, jede für sich sehr gut begründbar und nach-
vollziehbar. Diese Positionen stellen in dieser Debatte
aber auch zwei unterschiedliche, ja gegensätzliche Pole
dar. Wenn Sie es mir erlauben, möchte ich hinzufügen:
Diese beiden Positionen spiegeln das Dilemma wider, in
dem ich mich seit vielen Jahren bewege.

Auf der einen Seite kann ich die Sorgen, die Nöte, die
Ängste und das Leid derjenigen sehr gut verstehen, die
bereits ein Kind wegen einer Behinderung oder einer
schweren Erkrankung verloren haben. Ich kann auch
verstehen, wenn diejenigen, die all ihre Kraft und Liebe
für das Leben mit einem behinderten Kind aufbringen
müssen und wollen, sagen: Wir haben keine Kraft für ein
zweites Kind mit einer Behinderung, aber wir wünschen
uns, noch ein gesundes Kind zu bekommen. Wie viele
andere habe auch ich lange mit mir gerungen, welche
Lösung wir diesen Menschen anbieten können. Das indi-
viduelle Leid ist nachvollziehbar.

Dieses Thema haben wir im Rahmen einer Enquete-
Kommission bereits vor einem Jahrzehnt behandelt. Wir
haben überlegt, wie wir Menschen mit bestimmten
schwerwiegenden Erkrankungen oder Erbkrankheiten
helfen können, ohne Grenzen zu überschreiten. Wir ha-
ben damals Betroffene gefragt. Einige haben gesagt: Ja,
wir haben eine schwerwiegende Erbkrankheit oder
Krankheit, aber das ist für uns kein Grund, die Prä-
implantationsdiagnostik zuzulassen. Vielleicht ist das
eine der zentralen Fragen: Aus wessen Sicht ist eine Er-
krankung schwerwiegend? Aus der Sicht des Betroffe-
nen, der mit dieser Krankheit zurechtkommen muss,
oder aus Sicht desjenigen bzw. derjenigen, der bzw. die
mit einem Betroffenen leben wird? Diese unterschied-
lichen Sichtweisen führen zu einer großen Differenz bei
der Beurteilung der Frage, was schwerwiegend ist.

Ich finde nicht, dass der Gesetzentwurf von Frau
Flach und weiteren Kolleginnen und Kollegen eine Lö-
sung des Problems darstellt. Auch die Enquete-Kommis-
sion hat dieses Problem nicht lösen können. Ich glaube,
dass die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik in in-
dividuellen, nachvollziehbaren Fällen insgesamt zu einer
Ausweitung des Kataloges der Fälle führen wird, in de-
nen eine Anwendung erlaubt ist. Ich glaube, dass das zu
einer Grenzüberschreitung führen wird, und ich verstehe
auch nicht, warum in § 3 a Abs. 2 Satz 2 des Gesetzent-
wurfs der Gruppe Flach eine quantitative Ausweitung
vorgesehen ist. Demzufolge wollen Sie ohne jede Vorbe-
dingung eine Präimplantationsdiagnostik bei dem Ver-
dacht zulassen, dass eine Schädigung zu einer Fehl- oder
Totgeburt führen kann. Diese Regelung würde dazu füh-
ren, dass künftig bei jeder künstlichen Befruchtung die
PID anwendbar wäre. Allein deshalb halte ich Ihren Ent-
wurf für ethisch nicht vertretbar.

Auf der anderen Seite bedeutet ein komplettes Verbot
der Präimplantationsdiagnostik, dass Menschen, bei de-
nen aufgrund ihrer Veranlagung ein höheres Risiko be-
steht, eine Fehl- oder Totgeburt zu erleiden, keine Lö-

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(C (D ung angeboten werden kann. Insbesondere diese ruppe haben wir bei unserem Gesetzentwurf im Blick. ir vertreten keine mittlere Position. Vielleicht ist das her eine vermittelnde Position zwischen den beiden aneren Entwürfen. Uns geht es darum, dass Frauen, die ufgrund ihrer genetischen Veranlagung ein höheres Riiko einer Fehloder Totgeburt in sich tragen, weil der mbryo mit hoher Wahrscheinlichkeit geschädigt ist, die öglichkeit erhalten, ein lebensfähiges Kind auszutra en. Wir stellen nicht die Frage, ob ein Leben gelebt erden darf, sondern wir stellen die Frage, ob ein Leben elebt werden kann. Nur in diesen und in keinen anderen ällen wollen wir die Möglichkeit schaffen, dass der rau nicht der Embryo eingepflanzt wird, in dem unwierruflich festgelegt ist, dass er nicht lebensfähig ist. Wir ollen, dass der Embryo ausgesucht werden kann, der ine Überlebenschance hat. Das bedeutet, dass nicht entchieden wird über die Frage „Lebenswert oder leensunwert?“, sondern wir stellen die Frage der Lebenshigkeit ins Zentrum. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen mit unserem Entwurf Menschen, die von
atur aus keine hohe Wahrscheinlichkeit haben, einen
bensfähigen Embryo zu bekommen, in die Lage ver-

etzen, Eltern zu werden. Ich finde, das ist ethisch recht-
rtigbar. Das ist eine begrenzte Anwendung der Prä-
plantationsdiagnostik, die wir als zulässig ansehen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710500800

Nächster Redner ist der Kollege Peter Hintze.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1710500900

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

n! Es gibt Grenzbereiche des menschlichen Lebens,
o der Gesetzgeber zu äußerster Behutsamkeit aufgefor-
ert ist. Ich glaube, unser Thema ist so ein Grenzbereich.
ie viel Tragik, wie viele Tränen, wie viel Leid stehen

inter dieser Debatte? Für uns, die Unterstützer des Ent-
urfs der Kolleginnen und Kollegen Flach, Reimann,
intze, Montag und Sitte, ist jedes Leben gleich wert-
oll, egal ob es von sehr kurzer Dauer ist oder ob es
nge dauert, egal ob es durch schwerwiegende Behinde-
ng beeinträchtigt ist oder ob ihm Gesundheit ge-

chenkt ist.

Die Frage, die sich uns stellt, ist eine andere. Wir rin-
en um die Frage: Wie nehmen wir uns der Not von
rauen an, die sich sehnlich ein Kind wünschen, aber
ber denen das Verhängnis einer schweren erblichen
orbelastung schwebt, zum Beispiel der Not einer Frau,
ie erlebt hat, wie ihr Bruder an einer genetisch beding-
n Erstickungskrankheit gestorben ist, und die nun
roße Angst vor einer Schwangerschaft hat? Diese
ngst bedrückt sie und macht ihren Konflikt aus. Wie





Peter Hintze


(A) )


)(B)

lösen wir diesen Konflikt auf? Der Deutsche Ethikrat hat
lange darüber beraten. Auch die Nationale Akademie der
Wissenschaften, die Juristen, die Biologen, die Medizi-
ner und die Embryologen, haben lange darüber beraten.
Sie raten uns – der Ethikrat mit Mehrheit, die Nationale
Akademie der Wissenschaften einheitlich –: Lasst für
diesen Personenkreis diese wichtige medizinische Hilfe
zu. Ich sage uns im Deutschen Bundestag: Lassen Sie
uns diesem Rat folgen, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Ich bin der festen Überzeugung, unser Grundgesetz,
das Gebot der Nächstenliebe und unsere Verantwortung
gebieten es, die Chancen der Medizin zu erlauben und
diesen Frauen das Ja zum Kind zu erleichtern. Wir leben
in einem freiheitlichen Rechtsstaat; darauf sind wir stolz.
Ich meine, in einem freiheitlichen Rechtsstaat ist es ein
Gebot der Menschenwürde, dass es Frauen erlaubt ist,
verfügbares Wissen, das ihre seelische und körperliche
Gesundheit betrifft, zu erhalten. Stellen Sie sich vor, Sie
wären der verantwortliche Arzt und Sie wüssten, dass
der zu transferierende Embryo zur Totgeburt führen
würde. Ich glaube, Ihr eigenes Gewissen und das ärzt-
liche Standesrecht würden es Ihnen verbieten, diesen
Embryo zu transferieren.

Was schließen die Befürworter des Totalverbotes dar-
aus? Sie sagen: Wir müssen ihnen das Wissen verbieten.
Allen, die sich mit Geschichte beschäftigt haben, ist klar:
Verbot von Wissen ist in der Geschichte der Menschheit
oft versucht worden, und es ist immer gescheitert. Ich
finde es moralisch, ein Wissen, das für die körperliche
und seelische Gesundheit von Bedeutung ist, zuzulassen.
Ich finde, es steht einem Rechtsstaat gut an, etwas mehr
Vertrauen in die Selbstverantwortung der betroffenen
Frauen und Ärzte zu haben, als es bei den Verbotsbefür-
wortern der Fall ist.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Was sind das für Frauen? Das sind Frauen, die sich
sehnlich ein Kind wünschen. Das sind Frauen, die oft
schon eine oder zwei Totgeburten hinter sich haben. Das
sind Frauen, die den schweren Weg einer künstlichen
Befruchtung gehen. Manches in der Debatte klingt so,
als gäbe es in Zukunft überhaupt keine natürliche Zeu-
gung mehr – das wäre ja ein Drama –, aber dazu kommt
es nicht. Es wird immer einen sehr kleinen Personen-
kreis betreffen. Auch bei all den Versuchen, Negativbei-
spiele zu finden – wir finden für alle Lebensbereiche Ne-
gativbeispiele, selbst für solche, die uns wichtig und
heilig sind –, muss man doch feststellen, dass nach zwei
Jahrzehnten dieser medizinischen Hilfe in den zivilisier-
ten Ländern, in denen sie zugelassen ist, der Nutzen
überwiegt.

Es ist eben juristisch argumentiert worden, das
Grundgesetz unseres Rechtsstaates lege uns das Abwä-
gungsverbot ans Herz. Dies ist eine Argumentation, die
mich geradezu erschreckt. Wir können doch nicht zulas-
sen, zu sagen: Es gibt ja noch gar keinen Konflikt in der
Petrischale. – Natürlich gibt es ihn. Wir finden es nur
besser, dass dieser Konflikt aufgelöst wird, wenn er noch
aufzulösen ist. Wir wollen ihn gar nicht erst im Mutter-

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(C (D ib entstehen und dann auf dem Rücken der Frauen und es werdenden Kindes austragen lassen. Wir als Gesetzeber haben, so denke ich, die Pflicht, den betroffenen rauen und Eltern diese Konfliktauflösung zum frühestöglichen Zeitpunkt zu gestatten, und dürfen nicht das rama einer Abtreibung abwarten. Ein letzter Gedanke. Man muss natürlich eine Entcheidung treffen; Kollege Krings hat das angesprochen. an muss die Entscheidung treffen, ob man einen Unrschied zwischen einem Menschen wie dir und mir und iner entwicklungsfähigen Zelle macht. Wer diesen Unrschied nicht macht und sagt: „Eine entwicklungshige Zelle ist wie ein Mensch“, der muss sofort ent prechende Gesetzentwürfe in den Bundestag einbringen nd die Spirale verbieten. Da werden nämlich jährlich ntwicklungsfähige Menschen zu Hunderttausenden aus em Körper gespült. Wer diesen Unterschied aber acht, den übrigens auch die Biologie, die Medizin und nser ethisches Empfinden machen, er muss sagen: Das Gebot der Menschenwürde – um der etroffenen Eltern und der betroffenen Frauen willen – sst uns zu einem verantwortlichen Umgang mit der ID Ja sagen. – Dazu möchte ich Sie einladen, liebe olleginnen und Kollegen. Birgitt Bender ist die nächste Rednerin. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manche undern sich, dass ich für ein Verbot der PID eintrete. enn ich bin bekannt als eine Frau, die immer dafür geämpft hat, dass der Staat auf den Zwang verzichtet, aus iner unerwünschten Schwangerschaft ein unerwünschs Kind werden zu lassen, die also für das Entscheiungsrecht der Frau eingetreten ist. Inzwischen ist es soohl Gesetz als auch gesellschaftlicher Konsens, dass er Staat unter gewissen Rahmenbedingungen in den rsten drei Monaten einer Schwangerschaft eine Abtreiung nicht kriminalisiert. Gleichzeitig bin ich für ein erbot des Genchecks im Reagenzglas. Ich sehe darin einen Widerspruch. Das eine ist die geduldete Entscheiung gegen unbekanntes Leben im eigenen Körper, weil iner Frau zu einem bestimmten Zeitpunkt das Leben it einem Kind nicht zumutbar erscheint. Das andere ist ie bewusste und gewollte, nämlich künstliche Erzeuung von mindestens acht Embryonen zu dem Zweck es Aussortierens. Diejenigen Embryonen, die nicht geund genug erscheinen, um dem Kinderwunsch zu genüen, werden verworfen, wie es heißt. Ja, es geht dabei um den individuell durchaus nachollziehbaren Wunsch nach einem gesunden Kind. ber das Verfahren der PID ist letztlich eine Entscheiung – darum sollte sich niemand herumdrücken – über Birgitt Bender )


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


(René Röspel [SPD]: Nein!)


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710501000

(Beifall des Abg. Pascal Kober [FDP])

Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710501100




(A) )

den Wert von jeweils mindestens achtfachem Leben.
Herr Hintze, es geht dabei nicht um das Wissen. Wir
wollen nicht die genetische Beratung, die potenzielle El-
tern um ihr Risiko wissen lässt, verbieten. Worum es uns
geht, ist die Option auf Selektion. Diese würde unsere
Gesellschaft verändern. Deswegen wollen wir sie ver-
hindern.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Meine Damen und Herren, wir sollten näher hin-
schauen, was das Versprechen eines gesunden Kindes
für die betroffenen Frauen bedeutet. Die Hormonbe-
handlung ist mit hohen Risiken verbunden. Außerdem
ist sie intensiver als bei einer normalen Reagenzglasbe-
fruchtung, weil man für dieses Verfahren mehr Eizellen
braucht. Höchstens zwei von zehn Frauen haben nachher
überhaupt ein Kind. Die wenigen Schwangerschaften,
die entstehen, sind häufig Mehrlingsschwangerschaften.
Das Risiko von Frühgeburten ist hoch. Machen wir uns
doch nichts vor: Es findet bei solchen Schwangerschaf-
ten eine engmaschige pränataldiagnostische Überwa-
chung statt, und späte Abtreibungen sind mitnichten aus-
geschlossen. Das sehen wir in anderen Ländern.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Wieso, frage ich die Befürworter der PID, soll eine Frau
in Zukunft eigentlich den Mut finden, sich für ein abseh-
bar behindertes Kind zu entscheiden, wenn sie Anwürfe
fürchten muss, die da lauten: Das hätte doch nicht pas-
sieren müssen?


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Einige hier im Haus mögen in der PID einen Zuge-
winn an Freiheit für die Frauen erkennen. Ich sehe in
erster Linie die Gefahr hohen sozialen Drucks für
Frauen, sich einem solchen Verfahren zu unterziehen,
und für die Gesellschaft als Ganzes den drohenden Ver-
lust der Bereitschaft zum Miteinander, egal wie gesund,
krank oder behindert wir sind. Beide Tendenzen möchte
ich gerne verhindern.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710501200

Das Wort erhält die Kollegin Priska Hinz.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)


Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PID
ist seit dem Gerichtsurteil im letzten Jahr erlaubt und da-
mit völlig ungeregelt. Jetzt stellt sich die Frage: Wenn
man eine Regelung trifft, soll man dann wieder zu dem
Verbot zurückkehren, von dem wir alle annahmen, dass
es galt, oder soll man die PID zulassen? Ich tue mich
schwer, die PID wieder vollständig zu verbieten, weil
ich sehe, dass es durchaus einzelne Fälle von Paaren
gibt, denen man den medizinischen Fortschritt, den es
mit der PID gibt, nicht vorenthalten sollte. Es ist aber
eine schwierige Gratwanderung.

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(C (D Ich möchte nicht, dass Frauen begründen müssen, wam sie ein behindertes Kind zur Welt bringen, obwohl ie PID erlaubt ist. Außerdem möchte ich nicht, dass die uffassung bei uns gesellschaftsfähig wird, dass man it dieser Krankheit leben kann, mit jener nicht. Ich öchte auch nicht, dass sich Behinderte in unserer Ge ellschaft ausgegrenzt fühlen. Deswegen geht es in unsem Gesetzentwurf nicht um die Frage, ob das Leben mit iner Krankheit oder Behinderung lebenswert ist, sonern um die Frage, ob ein Leben lebensfähig, überleensfähig ist. Damit wollen wir Paaren die Möglichkeit röffnen, überhaupt Kinder zu bekommen, die sonst aufrund einer genetischen Vorbelastung nur Fehloder otgeburten zu erleiden hätten. Frau Flach, ich fand es interessant, dass Sie aus der -Mail, die auch wir bekommen haben, zitiert haben. Die rau, die da geschrieben hat, plädiert für die Variante uneres Gesetzentwurfs; denn sie hat eine genetische Vorelastung, die zu Totund Fehlgeburten führt. Genau das erücksichtigen wir in unserem Gesetzentwurf. Die beoffene Frau plädiert nicht für die PID, um generell chwere Behinderungen auszuschließen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)


it unserem Gesetz wären ihr die entsprechenden Mög-
chkeiten gegeben.

Ich finde, dass Ihr Gesetzentwurf, Frau Flach und
err Hintze – ich habe länger mit Ihnen darüber disku-
ert –, deshalb zu weit geht, weil ich die Formulierung
schwere Behinderungen zu erkennen“ für allzu dehnbar
alte. Was ist eine schwere Behinderung? In Großbritan-
ien ist das inzwischen die erbliche Veranlagung für eine
armkrebserkrankung, die aber heilbar ist. Es kann doch
icht in unserem Sinne sein, dass die PID bei solchen
ällen angewendet wird.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


ie sollte auch nicht bei spätmanifestierenden Krankhei-
n angewendet werden, wie es in Ihrem Gesetzentwurf

teht. Das ist bei uns im Gendiagnostikgesetz aus guten
ründen verboten. Wir hätten dann zwei Rechtssysteme,
ie sich diametral gegenüberstünden. Es kann doch nicht

Sinne des Gesetzgebers sein, dass die Diagnose einer
pätmanifestierenden Krankheit im Rahmen der Prä-
ataldiagnostik ausgeschlossen wird – man kennt den
edizinischen Fortschritt gar nicht; wir wissen nicht, ob

iese Krankheit in 20 oder 30 Jahren therapierbar ist –,
ährend wir bei der PID Embryonen verwerfen. Das
alten wir für grundfalsch.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)


Ich möchte noch zu dem Argument kommen, dass
urch die Präimplantationsdiagnostik Abtreibungen ver-
indert werden. Wenn wir ins Ausland sehen, dann er-
ennen wir: Dem ist mitnichten so. Wir wissen aufgrund
ntsprechender Daten, dass in 52 Prozent der Fälle, in
enen die PID durchgeführt wird, hinterher auch die Prä-
ataldiagnostik durchgeführt wird und dass in Ländern





Priska Hinz (Herborn)



(A) )


)(B)

wie Frankreich die Abbruchrate steigt, obwohl dort die
PID eingeführt wurde. Das heißt: Es ist nicht so, dass
Abbrüche dadurch vermieden werden.

In Deutschland erfolgten 2010 3 Prozent aller Abbrü-
che als Spätabbrüche aufgrund medizinischer Indikatio-
nen. Das heißt doch, dass – und das wissen wir auch –
sehr oft erst im Verlauf der Schwangerschaft spontane
Fehlbildungen entstehen. Diese kann man in der Petri-
schale überhaupt nicht erkennen. Von daher würde auch
in Deutschland, wenn die PID umfassend eingeführt
würde, hinterher eine Pränataldiagnostik stattfinden, und
Spätabbrüche wären trotzdem Alltag und Wirklichkeit.
Von daher ist die PID hier kein geeignetes Mittel.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)


Aus all dem folgt für mich: In einzelnen Fällen, dann,
wenn wir abgrenzen können – das ist medizinisch mög-
lich –, dann, wenn Fehl- und Totgeburten entstehen wür-
den, können wir aufgrund des medizinischen Fortschritts
helfen, und hier sollten wir Hilfe auch nicht verweigern.
Wir sollten aber keine Ausdehnung zulassen, und wir
sollten nicht entscheiden, was lebenswert oder nicht le-
benswert ist. Vielmehr sollten wir uns für die Embryo-
nen entscheiden, die lebensfähig sind. Ich glaube, eine
solche Entscheidung könnten wir als Gesetzgeber in der
Gesellschaft auch gut vertreten.

Danke schön.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710501300

Das Wort erhält nun die Kollegin Dr. Carola Rei-

mann.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Carola Reimann (SPD):
Rede ID: ID1710501400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das

Thema Präimplantationsdiagnostik begleitet mich seit
Beginn meiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordnete.
Meine allererste Rede habe ich im Oktober 2000 genau
zu diesem Thema gehalten, allerdings zu nachtschlafen-
der Zeit und vor relativ leerem Haus. Seitdem hat sich
einiges in der Medizin, aber noch mehr in der Rechtspre-
chung getan. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes
vom Juli letzten Jahres ist in Deutschland in Sachen PID
derzeit alles erlaubt. Genau das wollen wir alle hier im
Hause nicht. Deswegen plädiert meine Gruppe für eine
begrenzte Zulassung der Präimplantationsdiagnostik. Zu
diesem Zweck möchten wir das Embryonenschutzgesetz
ändern.

Unser Entwurf sieht Folgendes vor: Die PID wird im
Embryonenschutzgesetz grundsätzlich verboten. Davon
kann aber in zwei Ausnahmesituationen abgewichen
werden, und zwar erstens wenn aufgrund einer erblichen
Vorbelastung eines Elternteils eine hohe Wahrscheinlich-
keit besteht, dass das Kind ebenfalls diese schwerwie-
gende Erberkrankung aufweisen wird, oder zweitens
wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Totgeburt oder

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(C (D ehlgeburt aufgrund einer schwerwiegenden genetichen Schädigung des Embryos droht. Dann soll die öglichkeit einer PID im Einzelfall gegeben werden, enn eine Ethikkommission nach Beratung des indiviuellen Falles zu einem positiven Votum kommt, und ann auch nur unter restriktiven Bedingungen und natürch nur in lizenzierten Zentren. Eine Präimplantationsiagnostik darf nur nach einer medizinischen und sychosozialen Beratung und natürlich nur durch entprechend spezialisiertes Fachpersonal durchgeführt erden. Kolleginnen und Kollegen, ich bin für eine begrenzte ulassung der PID, weil ich es schon immer unangemesen und schwer erträglich fand, den betroffenen Paaren einerlei Hilfe anbieten zu können, auch dann nicht, enn sich die Frau auf die zusätzlich belastende künstche Befruchtung einlässt. Das ist, Kollege Krings, kein equemer Weg. Denn es handelt sich um Paare, bei deen die Frauen auch auf „normalem“ Weg schwanger erden könnten. Bisher lässt man diese Paare sehenden uges, was ihr Risiko angeht, in einen Schwanger chaftskonflikt laufen. Gerade solche Schwangerschafn werden dann intensiv mit Diagnostik begleitet, was ei einem positiven Befund zu einem schwerwiegenden onflikt führt. Das ist nicht wegzudiskutieren. Ich finde, ine Schwangerschaft auf Probe ist Frauen nicht zuzuuten. Das halte ich für frauenverachtend. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as ist vermeidbares Leid.

Die Kollegen Röspel und Hinz wollen die Präimplan-
tionsdiagnostik noch stärker als wir begrenzen. Diese
egrenzung halte ich jedoch für höchst problematisch.
it dieser Meinung bin ich nicht alleine. Die Deutsche
esellschaft für Humangenetik beurteilt den Gesetzent-
urf der Kollegen folgendermaßen – ich zitiere –:

Ein solcher Entwurf geht leider an der Realität der
genetischen Beratung und gänzlich an der Lebens-
situation betroffener Familien vorbei. Es ist nicht
richtig, dass nur in seltensten Fällen zu erwarten ist,
dass eine genetische Disposition zum Tod des Kin-
des nach etwa zehn oder elf Monaten führt.

as hätte nach Meinung der Humangenetiker eine nicht
ertretbare Ausgrenzung von hochbelasteten Familien
ur Folge. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, we-
er eine Liste von Erkrankungen zu erstellen noch Aus-
renzungen einzelner Erkrankungen – das gilt auch für
pätmanifestierende Erkrankungen – vorzunehmen. Eine
egrenzung auf ein bestimmtes Lebensstadium ist mei-
er Meinung nach medizinisch unrealistisch und ethisch
ft problematisch.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Peter Hintze [CDU/ CSU])


Kolleginnen und Kollegen, es gibt kein Recht auf ein
esundes Kind; das ist klar. Es gibt aber auch die medizi-





Dr. Carola Reimann


(A) )


)(B)

nischen Möglichkeiten. Für mich steht die Frage im
Raum, mit welchem Recht wir als Gesetzgeber die Nut-
zung medizinischer Möglichkeiten und Hilfe nicht nur
verweigern, sondern Ärzten und Paaren unter Strafe ver-
bieten wollen. Ich meine, in diesem Fall haben wir als
Gesetzgeber dieses Recht nicht. Viele der Betroffenen
haben eine unvorstellbare Leidensgeschichte hinter sich.
Deswegen wollen wir Eltern mit genetischer Disposi-
tion, die einen Kinderwunsch haben und bereit sind, eine
zusätzlich belastende künstliche Befruchtung auf sich zu
nehmen, im Einzelfall die Nutzung der Präimplanta-
tionsdiagnostik ermöglichen.

Danke.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710501500

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulla Schmidt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1710501600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

heutige Debatte gehört zu den Debatten, die am schwie-
rigsten zu führen sind und in denen es sehr schwierig ist,
eine Entscheidung zu treffen. Denn keine einzige Ent-
scheidung kann allen gerecht werden. Auf der einen
Seite steht das Leid der betroffenen Eltern, die genetisch
vorbelastet sind und den Wunsch nach einem gesunden
Kind haben. Auf der anderen Seite steht die Angst, dass
wir Grenzen überschreiten. Ich glaube, die Zerrissenheit
in der Debatte und auch die Breite dieser Debatte spie-
geln sich in allen drei Gesetzentwürfen, die heute zur
Diskussion stehen, wider. Denn auch diejenigen, die für
die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik sind, wol-
len keine unbegrenzte Zulassung; sie ringen vielmehr
um die Grenzen. Das bewegt alle in der Debatte. Es zeigt
sich, dass es sehr schwierig ist, die Entwürfe – auch die,
die eine begrenzte Zulassung vorsehen – mit dem gelten-
den Embryonenschutzgesetz in Einklang zu bringen.

1990 hat der Bundestag sich in der Debatte und mit
der Entscheidung über das Embryonenschutzgesetz ge-
nauso schwergetan wie in der heutigen Debatte. Aber
über 20 Jahre hat getragen, dass wir mit dieser Entschei-
dung den Beginn der Würde und der Schutzwürdigkeit
des menschlichen Lebens von Anfang an festgelegt ha-
ben. Das halte ich für richtig. Wenn man mich fragt, ob
von einer Entscheidung zur begrenzten Zulassung der
Präimplantationsdiagnostik auch die Würde des einzel-
nen Embryos und damit des menschlichen Lebens, das
schließlich ein Prozess ist – es ist nicht einfach da, son-
dern es entwickelt sich –, betroffen ist, dann sage ich ein-
deutig Ja. Es ist die Würde der Embryonen betroffen, die
nach einer Untersuchung verworfen werden, weil sie ein
hohes Risiko von schweren Erkrankungen oder Behinde-
rungen aufweisen. Aber es ist auch die Würde desjenigen
Embryos betroffen, der sich nach einer PID weiterentwi-
ckeln darf; denn er darf sich nur weiterentwickeln, weil

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(C (D r keine genetischen Vorbelastungen und Einschränkunen aufweist. Für mich ist damit das Prinzip eingechränkt, dass jedes Leben sich um seiner selbst willen ntwickeln darf. Ich weiß, dass es schwierig ist, zu argumentieren – auch ie Kollegin Reimann hat das gesagt –, dass es kein echt auf ein gesundes Kind gibt. Die Eltern, die betrofn sind, wollen das nicht hören. Aber ich weiß wohl, ass es ein Recht des Kindes gibt, um seiner selbst wiln geliebt zu werden und um seiner selbst willen zur elt gekommen zu sein. eshalb bedeutet ein Abgehen von dem, was in den letzn 20 Jahren für uns gegolten hat, für mich einen Paraigmenwechsel in unserem Wertekanon. Ich negiere daei überhaupt nicht die Wünsche von Eltern, die durch iese Methode die Hoffnung haben, vielleicht ein erblich icht belastetes Kind zur Welt zu bringen. Ich persönlich habe auch viele Briefe bekommen und espräche mit Eltern behinderter Kinder geführt und den Sorge und Furcht erfahren, ob denn ihr behindertes ind das gleiche Recht hat, zu leben wie andere, ob ihr ehindertes Kind die gleiche Wertigkeit hat, zu leben ie andere. Ich habe auch schwerbehinderte und schwer ranke Menschen getroffen, die sagen: Werden wir nicht urch eine solche Diskussion auf unsere Defizite bechränkt? Haben wir nicht das Recht, genauso teilzuhaen? Wir betrachten unser Leben auch mit seinen Behinerungen und Einschränkungen als lebenswert. Wir ollen leben, wir wollen teilhaben, und wir wollen mitachen. – Ich gestehe Ihnen, Herr Hintze, zu und weiß, ass auch Sie das nicht anders sehen. Wenn wir aber die räimplantationsdiagnostik nach Abwägung aller Arguente zulassen, dann ist für mich ganz eindeutig, dass ei der Präimplantationsdiagnostik die Selektion am Anng steht. Der Wunsch, ein gesundes Kind zur Welt zu ringen, setzt voraus, dass dem Leben, das nicht die entprechenden Eigenschaften hat, das Recht genommen ird, sich weiterzuentwickeln. Das ist für mich der auptgrund, warum ich für ein generelles Verbot bin nd warum ich dafür bin, dass die bisherige Rechtsprehung weiterentwickelt wird, und zwar in dem Geist, in em der Deutsche Bundestag 1990 das Embryonenchutzgesetz auf den Weg gebracht hat. Danke schön. Der Kollege Patrick Meinhardt erhält nun das Wort. Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen nd Kollegen! Die Frage der Präimplantationsdiagnostik t ein ethisch hochsensibles Thema. Deswegen ist es uch gut, dass wir uns im Deutschen Bundestag Zeit für ine ausführliche, inhaltstiefe Debatte nehmen. Jeder on uns ist bei dieser ganz schwierigen Entscheidungs Patrick Meinhardt )


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710501700
Patrick Meinhardt (FDP):
Rede ID: ID1710501800




(A) )

findung ein Suchender und ringt um eine Lösung, die
den Lebensschutz des Embryos als Grundlage seiner
ethischen Entscheidungsfindung sieht. Zugleich bringt
es aber auch der Präses der Evangelischen Kirche in
Deutschland, Nikolaus Schneider, auf den Punkt, wenn
er formuliert – ich zitiere –:

Ich habe viel Sympathie für das Bestreben, die PID
unter eng gefassten Bedingungen zuzulassen, sie
also nur dann zu erlauben, wenn die Eltern die An-
lage zu schwersten Erbkrankheiten in sich tragen
und die stark begründete Gefahr besteht, dass sie
diese Krankheiten an ihr Kind weitergeben.

Berechtigterweise formuliert er dann weiter:

Natürlich besteht die Gefahr, dass jede gesetzliche
Eingrenzung nach und nach ausgehöhlt wird, des-
halb muss ein Gesetz in Sachen PID sehr sorgsam
bedacht werden.

Genau daran orientiert sich der Gesetzentwurf zur äu-
ßerst eng begrenzten Zulassung der Präimplantations-
diagnostik; denn es ist ein Gebot der Menschlichkeit,
auch das harte Schicksal der Eltern zu berücksichtigen,
die die Anlagen schwerster Erbkrankheiten in sich tra-
gen.

Vor diesem Hintergrund haben wir, die Initiatoren
dieses Gesetzentwurfs – René Röspel, Priska Hinz, Nor-
bert Lammert und ich –, uns dafür entschieden, bei unse-
rem Gesetzentwurf die Lebensfähigkeit des Embryos in
den Mittelpunkt zu stellen. Bei Paaren, die die geneti-
sche Veranlagung dafür haben, dass die Gefahr einer
Totgeburt oder eines frühen Todes des Kindes besteht,
soll eine Präimplantationsdiagnostik ausnahmsweise,
unter strengen Auflagen, mit Beratungspflicht in einem
lizenzierten Zentrum und unter Beteiligung einer Ethik-
kommission ermöglicht werden.

Gerade für mich als Christ ist es bei dieser Frage zen-
tral wichtig, die Balance zwischen der Ethik des Lebens
und der Ethik des Helfens zu finden. Genau deswegen
gilt: Es darf keine Büchse der Pandora geöffnet werden,
es geht nicht um Designerbabys, und es darf deswegen
auch keine Krankheitenkataloge geben. Für mich müssen
zwei Sachverhalte klar ausgeschlossen sein. Erstens. Es
darf keine Durchführung einer Präimplantationsdiagnos-
tik geben, wenn die Krankheit, die gesucht wird, erst im
späteren Lebensverlauf auftreten wird, sogenannte spät-
manifestierende Krankheiten. Zweitens. Bei unserem
Entwurf ist die genetische Disposition der Eltern die
Grundvoraussetzung für die Durchführung einer Präim-
plantationsdiagnostik. Deswegen schließen wir in unse-
rem Gesetzentwurf aus, aktiv nach Trisomien oder Mo-
nosomien zu suchen. Mit unserem Gesetzentwurf
wollen wir Ihnen allen einen dritten Weg für eine ver-
antwortungsbewusste Anwendung der Präimplanta-
tionsdiagnostik in einem eng begrenzten Rahmen anbie-
ten.

Schon bei meiner Rede zur Stammzellendebatte habe
ich auf Professor Klaus Tanner von der Universität
Halle-Wittenberg verwiesen, der in einer solch ethisch
sensiblen Debatte formuliert hat:

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(C (D Parlamentarische Kompromissbildung ist in solch einer Situation kein schwächliches Kapitulieren, sondern Ausdruck des Ethos der parlamentarischen Demokratie … ir alle haben auf diese Fragen keine Antworten, die ns zu 100 Prozent zufriedenstellen. Vielmehr steht jeer von uns vor dem Dilemma, eine Wertung vornehmen u müssen. Nicht zuletzt die Debatte im Ethikrat, die von nerer Tiefe getragen worden ist, hat deutlich gemacht, ie schwer eine solche Entscheidungsfindung ist. Umso ankbarer bin ich als Abgeordneter für die große Sachenntnis, den gegenseitigen Respekt und das hohe Maß n ethischer Sensibilität, mit dem wir heute die Debatte hren. Es zeigt, dass sich der Deutsche Bundestag der efen gesellschaftlichen Dimension dieses Themas äuerst bewusst ist. Eine solche Debattenkultur – nicht an raktionsgrenzen gebunden – bringt uns wieder zu dem ern unseres demokratischen Parlamentarismus, als frei ewählte Abgeordnete um den bestmöglichen Weg zu ngen. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU, der SPD und der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710501900

Die Kollegin Dr. Petra Sitte hat nun das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie der Abg. Ulrike Flach [FDP])



Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710502000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit der

undesgerichtshof in seinem Urteil vom Juli 2010 die
ID als zulässig bewertet hat, sind in diesem Land bewe-
ende Diskussionen dazu geführt worden. Bisweilen
ntdecke ich dabei auch fehlerhafte Annahmen und feh-
rhafte Bewertungen. Es ist nach wie vor viel aufzuklä-
n. Mich trifft allerdings bis heute ins Mark, wenn Be-
rworter der PID-Zulassung in eine Traditionslinie mit
uthanasieverbrechen der Nationalsozialisten gestellt
erden.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wer hat das denn getan?)


h habe mich mit dieser Problematik intensiv auseinan-
ergesetzt; viele andere in diesem Haus haben das auch
etan. Daher weiß ich, dass dieser Vorwurf jeglicher dif-
renzierter Diskussion die Grundlage entzieht. Und wie,
age ich mich, muss das erst auf Menschen bzw. Paare
irken, die eine PID erwägen?


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


chließlich fällen sie doch eine höchst individuelle Ent-
cheidung, der keinerlei populationsgenetische Motive
nterstellt werden können.

Meine Damen und Herren, ich glaube, Politikerinnen
nd Politiker sollten nicht allein nach ihrer persönlichen
altung zur PID entscheiden. Vielmehr muss das von





Dr. Petra Sitte


(A) )


)(B)

uns zu beschließende Gesetz die Breite verschiedener
ethischer Positionen spiegeln, und diese reichen nun ein-
mal von einem Verbot über eine begrenzte bis zur gänzli-
chen Freigabe der PID. Diese Positionen sind glaubens-
gebunden oder basieren auf naturphilosophischen oder
atheistischen Auffassungen von Natur und menschli-
chem Leben. So gibt es in diesem Haus gänzlich ver-
schiedene Antworten auf die Fragen: Wann beginnt
menschliches Leben? Hat ein Embryo im Reagenzglas
einen höheren Lebensschutz als nach der Einnistung in
die Gebärmutter?

In all diesen Wertvorstellungen sind Menschlichkeit,
Freiheit, Toleranz und Respekt vor anderen Menschen
Eckpunkte sittlichen Handelns. Aber kein Wertekonzept
kann allein beanspruchen, Staat und Menschen allge-
meinverbindliche Vorgaben zu machen. Staatliches
Recht hat nach meiner Auffassung insofern universelle
Menschenrechte und Menschenwürde als gemeinsamen
Nenner zu wählen.

Diese vielfältigen ethischen Vorstellungen finden sich
dabei auch bei den Paaren, die die PID für sich in Be-
tracht ziehen. Für mich sind deren Schicksale bewegend;
wir haben hier schon einige Beispiele gehört. Ein Teil
der Eltern hat bereits erblich bedingt mehrfach Früh- und
Totgeburten ertragen müssen. Zwei Drittel der Betroffe-
nen haben bereits Kinder mit schwersten erblichen Er-
krankungen. Diese Eltern lieben ihre Kinder bedin-
gungslos und unternehmen alles Menschenmögliche, um
ihnen ein glückliches Leben mit möglichst wenig Ein-
schränkungen und wenig Leid zu geben. Sie wünschen
aber auch weitere Kinder. Allerdings möchten sie diesen
Kindern, wie ich es immer wieder von Betroffenen ge-
hört habe, die Folgen bzw. das Leid einer von ihnen ver-
erbten Krankheit ersparen. Warum sollen wir das nicht
respektieren?


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist ihr grundgesetzlich geschütztes Recht. Das
Recht auf Fortpflanzung ist ein Menschenrecht. Die Ge-
sellschaft respektiert doch längst verschiedene Wege und
Mittel der Geburtenkontrolle, und sie respektiert insbe-
sondere das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Paare, die
die PID ablehnen, werden vermutlich eben auch keine
Pränataldiagnostik anstreben, wie sie überhaupt skep-
tisch gegenüber künstlicher Befruchtung sein dürften.
Diese Paare werden in ihren Rechten durch unseren Ge-
setzentwurf allerdings nicht eingeschränkt. Wer dagegen
die PID vor dem eigenen Gewissen für verantwortbar
hält – diese Entscheidung hat jeweils eine lange Vorge-
schichte; sie ist reflektiert; sie wird von den Paaren ganz
genau bedacht –, kann bei einem Verbot der PID seine
Entscheidungsrechte nicht mehr verwirklichen. Das
halte ich für höchst problematisch.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ewa Klamt [CDU/ CSU])


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(C (D Meine Damen und Herren, ich unterstütze die Berenzung der PID auf erbliche Chromosomenstörungen nd auf monogenetische Erbkrankheiten. Hierbei ist die icherheit der Prognose vergleichsweise hoch. Andere chwere und schwerste Krankheiten können durchaus uch erblicher Natur sein. Bei ihnen ist aber erstens unlar, wie viele und welche Gene tatsächlich den Ausruch verursachen. Zweitens gibt es zahlreiche weitere ußere Einflussfaktoren wie Umwelt und Lebensweise er Menschen. Das menschliche Genom besteht aus über 3 Milliaren Bausteinen. Insofern werden wir wohl noch Jahrehnte nicht in der Lage sein, sichere Prognosen zu rankheiten oder gar zu menschlichen Eigenschaften bzugeben. Ebenso unzuverlässig sind Chromosomencreenings für nichterbliche Krankheiten. Vor diesem intergrund eignen sich beide, die PID und die Chromo omen-Screenings, anders als derzeit in der Diskussion ehauptet, eben nicht dazu, Designerbabys zu schaffen. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, all diese Arumente bei Ihrer Entscheidung ebenfalls zu bedenken. Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ewa Klamt [CDU/ CSU])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710502100

Der Kollege Johannes Singhammer erhält nun das

ort.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1710502200

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

n! Wenn man eine PID zulässt, ob mit vielen Ausnah-
en, mit wenigen oder nur mit einer einzigen, kommt
an an einer grundsätzlichen Entscheidung nicht vorbei:

n der Bewertung, welches Leben gelebt werden darf
nd welches nicht.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Qualitätskon-
olle menschlichen Lebens, zu welchem Zeitpunkt auch
mer, gerade als Embryo, gelingen kann, weil es den
enschen überfordert, vorgeburtliche Lebenseignungs-
sts zu entwerfen und gesetzlich festzulegen. Welches
remium, welche Kommission, welche Einzelpersön-
chkeit kann sich das letztlich zutrauen und verantwor-
n? Welche Institution hat das Recht, vorgeburtliche
ualitätskontrollen festzusetzen?

Kann die Prognose, ein Kind würde möglicherweise
ur ein Jahr oder zwei Jahre leben, eine Verwerfung des
mbryos rechtfertigen? Wie ist es – das ist hier schon
ngesprochen worden – mit einer Lebensspanne, die
ielleicht 10, 20, 30 oder auch 40 Jahre reicht, wenn es
ann mit Sicherheit zu einer schrecklichen tödlichen
rankheit kommt, beispielsweise dem sogenannten
eitstanz, Chorea Huntington? Zählt nur das schreckli-
he Ende, das sichere Ende? Was ist mit den 40 Jahren





Johannes Singhammer


(A) )


)(B)

Leben, die vorher stattfinden? Welcher Wert wird die-
sem Leben zugemessen?

Ich meine, menschliches Leben entsteht mit der Ver-
schmelzung von Ei und Samenzelle. Eine Differenzie-
rung nach Lebenserwartung, eine Unterscheidung nach
möglichen oder tatsächlich eintretenden Krankheiten ist
wenig geeignet, vorhandenes Leid zu lösen, sondern
schafft das Risiko neuer Diskriminierungen, die nie-
mand hier im Hause will.

Paare, die auf ein gesundes Kind hoffen, die Wechsel-
bäder von Hoffnung und Enttäuschung erlebt haben, die
einem hohen Leidensdruck ausgesetzt sind, verdienen
Respekt, Beratung und Hilfe. Aber ich denke auch an
diejenigen Menschen, die mit einer Behinderung leben.
Ich denke an die Menschen, die eine Behinderung haben,
die in dem möglichen Katalog von Krankheiten enthal-
ten ist, die zu einer Verwerfung des Embryos führen.
Wie muss sich ein Mensch fühlen, der eine der Krank-
heiten hat, die möglicherweise zu einer Verwerfung des
Embryos führen?

Ich möchte nicht, dass Eltern von behinderten Kin-
dern einem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sind. Ich
bin mir auch nicht sicher, wie sich bei einer Zulassung
der PID dann möglicherweise ein Kind später fühlt,
wenn es erfährt, dass es im Zusammenhang mit einer
Auswahl geboren worden ist und die Geschwister nicht
geboren worden sind?

Viele fragen sich: Gibt es bei diesen schwierigen,
schwierigsten Entscheidungen die Möglichkeit, einen
Kompromiss zu finden? Viele denken darüber nach: Wie
könnte ein solcher Kompromiss aussehen? Ich fürchte,
es wird schwierig, es ist nicht möglich; denn die Ent-
scheidung darüber, Embryonen – das ist menschliches
Leben – in den Mutterleib einzupflanzen oder zu verwer-
fen, ist endgültig, ist nicht korrigierbar. Deshalb werbe
ich für die Vermeidung jeglicher Art der Bewertung
menschlichen Lebens, für ein klares Verbot der PID.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710502300

Nächster Redner ist der Kollege Jerzy Montag.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710502400

Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! In

den letzten Tagen haben wir alle zur Einstimmung auf
die heutige Debatte vom Kollegen Norbert Geis eine
Streitschrift des katholischen Moraltheologen Spieker
erhalten. Ich habe sie sorgfältig gelesen. Danach – so die
Quintessenz – widersprächen die künstliche Befruchtung
und die PID – ich zitiere – den Grundlagen jeder freiheit-
lichen Gesellschaft und jeder rechtsstaatlichen Demo-
kratie und gefährdeten das friedliche Zusammenleben in
der Gesellschaft. – Ich widerspreche diesen Schlussfol-
gerungen. Aber ich widerstehe auch der Versuchung,
darauf in gleicher Weise zu antworten. Stattdessen will
ich Ihnen zu Beginn von einem Menschen erzählen, von
Frau Regina Streilein, Mutter von vier Kindern.

Als Frau Streilein elf Jahre alt war, starb ihr Bruder.
Er wurde neun Jahre alt. Er litt an einer schrecklichen

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(C (D rbkrankheit, einer genetisch bedingten Stoffwechselrankheit, die unaufhaltsam und qualvoll das Nervensysm im Gehirn zerstört. Frau Streilein trägt in ihren Geen die Anlage zu dieser Krankheit; bei Frauen bricht sie llerdings nicht aus. Frau Streilein wollte nicht, dass ihre igenen Kinder so qualvoll sterben wie ihr Bruder. Desalb hat sie sich für eine extrakorporale Befruchtung und ine PID entschieden und ist zu diesem Zweck nach Belien gefahren. Heute ist sie Mutter von vier Kindern, nd sie ist froh, dass in Belgien für solche Fälle die leale Möglichkeit einer PID besteht. Belgien ist ein christliches Land, nicht weniger als eutschland. Auch in Belgien werden menschliches Leen und die menschliche Würde geschützt, nicht wenier als in Deutschland. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir möchten mit nserem Gesetzentwurf Menschen wie Frau Streilein elfen. Wir wollen sie nicht auf Möglichkeiten im Ausnd verweisen. Wir wollen unter strengen Vorgaben die utzung der PID in Deutschland erlauben, erstens, um erzweifelten Paaren zu helfen, die nach Fehlgeburten nd Totgeburten keine Kraft mehr haben, diese Risiken eiterhin zu tragen, und zweitens, um Paaren, Eltern, rauen zu helfen, die um in ihnen schlummernde chwere vererbliche Krankheiten wissen und diese nicht uf ihre Kinder übertragen wollen. Wir schlagen vor, die PID zu verbieten: zur Auswahl glicher krankheitsunabhängigen Eigenschaften – die ogenannten Designerbabys –, zur krankheitsunabhängien Auswahl eines Geschlechts, zur Auswahl von Kinern zum Nutzen Dritter – die sogenannten Rettungskiner – und schließlich auch zu Forschungszwecken. Dies n wir, weil – hier sind wir uns alle einig; das glaube ich denfalls – extrakorporal erzeugte Embryonen beginendes menschliches Leben sind, welches nach seiner ntstehung im Reagenzglas rechtlichen Schutz verdient. ber Embryonen im Reagenzglas sind aus sich heraus nd in der Umgebung, in der sie sich befinden, nicht leensfähig. Ihr Schutz ist ohne Mitwirkung eines anderen enschen, der möglichen zukünftigen Mutter, nicht denk ar. Wenn sie sich verweigert, entsteht ein Problem – ein roblem, das wir als Gesetzgeber lösen müssen. Dabei üssen wir die Rechte aller Seiten, aber auch die medi inisch-technische Entwicklung und Regelungen in aneren Staaten mit bedenken. Welche Möglichkeiten gibt es? Man kann eine Frau, ie sich ein Ei hat entnehmen lassen und einer Befruchng des Eis im Reagenzglas zugestimmt hat, zu zwin en versuchen, einer Einpflanzung des Embryos in ihre ebärmutter zuzustimmen. Das fordert niemand; das äre auch eklatant verfassungswidrig. Niemand bestreit, dass eine Frau es zu jeder Zeit und mit jeder Begrünung und selbstverständlich auch ohne jegliche Begrünung ablehnen kann, den von ihr und ihrem Partner tammenden lebenden Embryo am Leben zu erhalten. ie Rechtsordnung kann den Schutz des Lebens des Emryos gegen den Willen der Mutter nicht durchsetzen. Ich glaube, dass niemand von Ihnen dem widersprehen wird. Das Leben des extrakorporal erzeugten Emryos ist nur mit der Frau gemeinsam schützbar. Jerzy Montag )





(A) )

An dieser Stelle müssen wir eine politische Entschei-
dung treffen. Entweder wir sagen den betroffenen
Frauen: Du darfst dich dafür oder dagegen entscheiden,
dass dein Embryo weiterlebt; aber du darfst dich vor die-
ser Entscheidung nicht vergewissern, dass dein Embryo
keine Gendefekte hat, die zu seinem Tod oder einer
schweren Krankheit führen. Das ist der Gesetzentwurf,
der die PID ausnahmslos verbieten will. Dann sagen wir:
Ihr dürft euch entscheiden, aber es muss eine uninfor-
mierte Entscheidung sein. – Oder wir sagen den betrof-
fenen Frauen: Wenn ihr euch vor der grundlegenden
Entscheidung, ob euer Embryo leben soll oder nicht, dar-
über informieren wollt, welche Eigenschaften der
Embryo hat, dann akzeptieren wir einige wenige Fragen
und andere akzeptieren wir nicht. – Das ist unser Vor-
schlag für eine PID-Untersuchung, für ein PID-Verbot
mit zwei gewichtigen Ausnahmen. Wir ermöglichen in
diesen Fällen eine informierte Entscheidung.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710502500

Herr Kollege!


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710502600

Meine letzte Bemerkung, Herr Präsident.

Ich bin davon überzeugt, dass Menschen wie Frau
Streilein ein Recht darauf haben, sich informiert für ein
lebensfähiges und gesundes Kind zu entscheiden. Das ist
kein Recht auf ein gesundes Kind, aber ein Recht von
Frauen, in Selbstverantwortung eine Entscheidung zu
treffen, die für ihr zukünftiges Leben von existenzieller
Bedeutung ist.

Danke.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710502700

Der Kollege Pascal Kober erhält nun das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)



Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1710502800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auch als liberaler Politiker und auch aus einer liberalen
Grundhaltung heraus kann man sich aus guten Gründen
für eine Nichtzulassung der Präimplantationsdiagnostik
aussprechen. Denn Ausgangspunkt liberaler politischer
Philosophie ist die Überzeugung, dass dem Menschen
individuelle Freiheit unveräußerlich gegeben ist,


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


dass der Staat die individuelle Freiheit der Menschen
achten muss.

Ausgangspunkt des liberalen Staatsverständnisses ist
die Überzeugung, dass der Mensch dem Staat das Recht
auf Einschränkung seiner eigenen Freiheit zugesteht und
nicht etwa der Staat den Menschen seine Freiheit zubil-
ligt. Zugespitzt heißt das: Der Mensch definiert den
Staat und nicht der Staat den Menschen.

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(C (D Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir die Präplantationsdiagnostik zulassen, droht dieser Grund atz aber verloren zu gehen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU sowie der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


enn Präimplantationsdiagnostik bedeutet, dass der
taat, der Gesetzgeber, sich selbst oder andere, beispiels-
eise ein Expertengremium oder einen Ethikrat, dazu

rmächtigt, anhand von Wesensmerkmalen, die im Men-
chen selbst liegen, zu definieren, welchem Menschen er
u welchem Maß an Schutz verpflichtet ist. Das würde
ber bedeuten, dass der Grundsatz, dass der Mensch den
taat definiert und nicht der Staat den Menschen, nicht
ehr eindeutig gelten würde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus liberaler Über-
eugung sage ich, dass der Staat kein Recht hat, sich
elbst oder andere dazu zu ermächtigen, wertende – seien
s auf- oder abwertende – Entscheidungen über den
enschen zu treffen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU, der SPD und der LINKEN)


er Staat muss jeden Menschen, und zwar so wie er ist,
chten und sein Leben und damit seine Freiheit grund-
ätzlich und über die gesamte Lebenszeit hinweg schüt-
en. Nie darf der Staat sich selbst oder andere dazu er-
ächtigen, zu entscheiden, ab wann ein menschliches
eben zu achten ist und wann nicht. Es gilt das, was der
ollege Dr. Krings vorhin schon gesagt hat: Wenn ir-
endein Zweifel besteht, dann kann nur gelten: im Zwei-
l für das Leben und für den weiter gehenden Schutz.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Nie darf der Staat sich selbst oder andere dazu er-
ächtigen, zu entscheiden, welches menschliche Leben
benswerter und damit schützenswerter ist als ein ande-
s.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Frage ist berech-
gt, ob diese Grenze nicht schon in der Frage des
chwangerschaftsabbruches überschritten ist. Die Grenze
t beim Schwangerschaftsabbruch dann nicht über-

chritten, wenn wir unterstellen, dass es sich bei Schwan-
erschaftskonflikten um eine zutiefst existenzielle Situa-
on handelt, in der das Leben der Mutter – auch unter
sychisch-sozialen Aspekten – gegen das Leben des
indes steht und der Staat sich in dieser Frage eben nicht

nmaßt, strafrechtlich zu entscheiden, welchem Leben er
seiner Schutzpflicht den Vorzug geben muss. Die Prä-
plantationsdiagnostik bedeutet demgegenüber aber,

ass auf der Basis von Wesensmerkmalen Lebensrecht
uerkannt oder eben nur abgestuft zuerkannt wird. Das
t etwas anderes.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne Zweifel: Wir
üssen die Not der Eltern, die sich ein Kind wünschen

nd für die die Technik der Präimplantationsdiagnostik
ier gegenwärtig die einzige Möglichkeit zu sein
cheint, ernst nehmen. Wir haben aber auch eine Verant-





Pascal Kober


(A) )


)(B)

wortung gegenüber den Grundfesten und Grundsätzen
unseres freiheitlichen Staatsverständnisses. Auch wenn
es im Angesicht der individuellen und persönlichen Be-
troffenheit und des Leids so schwierig erscheint, dass es
uns die Sprache zu verschlagen droht: Die Grundsätze
und die Grundfesten unseres freiheitlichen Staatsver-
ständnisses müssen nach wie vor Geltung haben. Das be-
deutet, dass der Mensch den Staat definiert, nicht der
Staat aufgrund von Wesensmerkmalen seine Menschen.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. René Röspel [SPD])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710502900

Ich erteile jetzt das Wort der Kollegin Gabriele Moli-

tor.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)



Gabriele Molitor (FDP):
Rede ID: ID1710503000

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Für mich als
behindertenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestags-
fraktion ist die Entscheidung über die Zulassung der PID
aus mehreren Gründen schwierig. Ich sehe die Sorgen
vieler Menschen mit Behinderung und natürlich auch die
Befürchtungen der Behindertenverbände. Es gibt keine
einfache Entscheidung zur PID, nicht für uns hier in die-
sem Hohen Haus, auch nicht für die Betroffenen selbst.

Bei meiner Entscheidungsfindung war die vom Rat
der Evangelischen Kirche in Deutschland veröffentlichte
Position zur Präimplantationsdiagnostik sehr hilfreich.
Hier wird festgestellt:

Unter den Mitgliedern des Rates gibt es unter-
schiedliche Meinungen zur Bewertung von Kon-
stellationen, bei denen die Anwendung der PID
nicht die Funktion hätte, zwischen behinderten und
nicht behinderten Embryonen zu unterscheiden,
sondern die Aufgabe, lebensfähige Embryonen zu
identifizieren. Die hier angesprochenen Fälle unter-
scheiden sich von anderen dadurch prinzipiell, dass
es nicht um die Frage von Krankheit und Gesund-
heit, von behindert und nicht behindert, von „le-
benswert“ und „nicht lebenswert“ geht, sondern um
Lebensfähigkeit und Lebensunfähigkeit.

Nach Auffassung des Rates der EKD würde die In-vi-
tro-Fertilisation in Verbindung mit der PID in diesen Fäl-
len „allein dem Ziel dienen, Leben zu ermöglichen“. Ge-
nau diese Präzisierung ist es, die mir bei meiner
persönlichen Entscheidung geholfen hat, den Antrag für
eine begrenzte Zulassung zu unterstützen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU, der SPD und der LINKEN)


Wir müssen scharf trennen, worum genau es heute
geht: Eine Entscheidung für die PID hätte nicht zur
Folge, dass Menschen mit Behinderung an den Rand der
Gesellschaft gedrängt würden oder Behinderungen künf-
tig vermieden werden könnten. Nur wenige Behinderun-

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(C (D en sind genetischer Art. Die meisten Kinder werden esund geboren. Lediglich 3 bis 5 Prozent der Neugebonen sind nach Angaben von Pro Familia behindert oder rank. Die Ursachen hierfür sind komplizierte Entbinungen, Frühgeburten oder Krankheiten der Mutter. Ein iederum noch geringerer Anteil ist durch genetische efekte verursacht. Dieser geringe Prozentsatz, gepaart it der strengen Begrenzung der PID und einem sehr leinen Kreis von Paaren, die sich überhaupt testen lasen könnten, bedeutet nichts anderes, als dass Menschen it Behinderung auch in Zukunft zu unserer Gesell chaft gehören und unter uns leben werden; denn jeder ensch ist einmalig und unverwechselbar. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU und der LINKEN)


r ist mit seinen Stärken und Schwächen als Ganzes zu
ürdigen und muss in allen Lebensbereichen selbstver-

tändlicher Teil unserer Gesellschaft sein.

Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sind in
er überwältigenden Mehrheit offen und aufgeschlossen
egenüber Menschen mit Behinderung. Auch in unseren
uropäischen Nachbarländern, in denen die PID zum
eil seit Jahrzehnten erlaubt ist, gab und gibt es keine
tigmatisierung von Behinderten aufgrund der PID.

Entscheidend ist daher auch nicht die potenzielle Un-
rsuchung von einigen wenigen Hundert künstlich be-
uchteten Embryonen pro Jahr, sondern einzig und al-
in der Umgang unserer Gesellschaft mit Menschen mit
ehinderung. Wir alle sind es, die mit unserem täglichen
andeln über den Grad der Teilhabe von Menschen mit
ehinderung entscheiden. Die PID gibt Eltern mit

chweren Erbschäden lediglich die Sicherheit, dass ihr
ind lebensfähig sein wird, und erspart den Paaren trau-
atisierende Erfahrungen einer Spätabtreibung.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU und der LINKEN)


etztlich entscheidend für mich ist eine ganz einfache
rage. Wenn jetzt hier vor mir ein Paar sitzen würde, das
en Kriterien entspräche, die dieser Gesetzentwurf vor-
ieht, und mich fragen würde, ob es eine PID vornehmen
ssen dürfe oder nicht, dann muss ich mir die Frage stel-
n: Habe ich das Recht dazu, diesem Paar diese Mög-
chkeit abzusprechen?


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)


h bin zu dem Schluss gekommen: Nein, das darf ich
icht tun. Deshalb werde ich für das Gesetz zur Rege-
ng der PID stimmen.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710503100

Der Kollege Dr. Ilja Seifert erhält nun das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der CDU/CSU und der SPD)







(A) )


)(B)


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710503200

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

gen! Ob wir es wollen oder nicht: Jede Debatte über die
Präimplantationsdiagnostik stellt die Frage nach dem
Wert – oder eben auch nach dem Unwert – menschlichen
Lebens. Ich weiß, dass viele der Befürworterinnen und
Befürworter das weit von sich weisen. Ich unterstelle ih-
nen sogar subjektive Aufrichtigkeit. Aber das ändert
nichts an der objektiven Wirkung.

Insofern bin ich mir gar nicht sicher, ob wir heute im
Hohen Hause alle über das Gleiche reden. Drei Gesetz-
entwürfe liegen uns vor. Alle drei behaupten, die PID
verbieten zu wollen, und führen dafür gute Gründe an:
vorwiegend ethische, einige rechtliche. Dann aber öff-
nen sich zwei der Gesetzentwürfe für Ausnahmeregelun-
gen. Diese begründen sie vornehmlich – das war auch
hier in der Debatte so – mit dem Leid, das sie denjenigen
potenziellen Eltern ersparen wollen, die bereits schwer-
behinderte Kinder haben und/oder bei denen aufgrund
erblicher Anlagen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit
davon ausgegangen werden kann, dass sie keine gene-
tisch eigenen Kinder haben können, die länger als ein
Jahr lebensfähig sind.

Was also tun wir hier eigentlich? Rechnen wir Leid
gegeneinander auf? Suchen wir einen Erträglichkeits-
oder einen Unerträglichkeitskoeffizienten? Welchen Stel-
lenwert hätte dabei die tief in das Bewusstsein und das
Unterbewusstsein vieler Menschen mit Behinderung ein-
gegrabene tödliche Erfahrung der Euthanasie-Vergan-
genheit?

Der Deutsche Behindertenrat, DBR, das Aktions-
bündnis aller bundesweiten Behindertenorganisationen,
wandte sich dieser Tage an jede und jeden von Ihnen,
meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Die Vorsit-
zende des DBR-Sprecherrates, Barbara Vieweg, betont:

Wir berücksichtigen die Konfliktlage einzelner
Paare, welche die Nutzung der PID aus einer indivi-
duell schwierigen Situation erwägen. Jedoch hält
nicht alles, was medizinisch-technisch möglich ist
oder erscheint, ethischen Kriterien stand.

Auch ich achte den Kinderwunsch jedes Paares. Und
ich kenne die Aussage, dass sich diese Untersuchungs-
methodik keineswegs gegen bereits lebende Menschen
mit Behinderung richte. Jedoch kenne ich Dutzende von
Frauen und Männern unterschiedlichen Alters, die ange-
sichts der aktuellen Debatten und der damit verbundenen
Erwartungen nichts anderes denken und sagen können
als: Hätte es diese Möglichkeiten schon vor meiner Ge-
burt gegeben, gäbe es mich einfach nicht. – Sie nehmen
die PID – übrigens auch viele Auswirkungen der Prä-
nataldiagnostik, PND – sehr persönlich. Sie haben
schlicht Angst, Angst, per Gesetz abgewertet zu werden.

Niemand bestreitet, dass ein Leben mit schweren Be-
einträchtigungen nicht sonderlich wünschens- oder gar
erstrebenswert ist. Aber wer ein solches Leben hat, für
die- oder denjenigen gibt es nichts Wichtigeres: Es ist
nämlich das einzige.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


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(C (D s hat gute und weniger gute Tage, traurige und weniger aurige Momente, Erfolgsund Misserfolgserlebnisse. o verwundert es nicht, dass es auch in dieser Personenruppe Einzelne gibt, denen ihr So-Sein und ihr Da-Sein stig ist, die sogar sagen, dass es besser wäre, wenn sie icht geboren worden wären. Ja, das sind tragische Situtionen. Aber worin unterscheiden sich diese Menschen on all den anderen, den nicht sichtbar – bzw. nicht anerannt – behinderten Menschen, die sich, aus welchen ründen auch immer, selbst nicht leiden können, die tändig mit sich hadern, die gegebenenfalls Selbstmord egehen? Mir ist nicht bekannt, dass der Anteil solcherrt unglücklicher Menschen unter denen mit Behindengen größer wäre als unter Nichtbehinderten. Ich argumentiere nicht mit der großen Anzahl von enschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen. h argumentiere auch nicht mit dem Verhältnis von lücklichen Eltern mit gesunden Kindern und der Mühal von Familien, denen die erforderliche Unterstützung eim bedarfsgerechten Ausgleich behinderungsbedingr Nachteile nach wie vor vorenthalten wird. Ich arguentiere mit dem Menschenbild, das unserem Gemeinesen zugrunde liegen sollte. Egal ob jemand Gottes chöpfung verehrt oder die Evolution als wundersames lück bzw. glückbringendes Wunder genießt: Die jedem enschen unnehmbar innewohnende Würde, die Ein igartigkeit des Individuums, die Unausschöpfbarkeit er Persönlichkeitsentfaltung sollten uns Achtung vor er Fülle des Seienden gebieten, vor dem So-Seienden nd dem So-Werdenden. h argumentiere mit diesem Menschenbild und der daruf fußenden Gesellschaftskonzeption des solidarischen iteinanders. Jede und jeder von uns ist einmalig, und eshalb gehören wir zusammen. Erst die Vielfalt, die aus ns allen besteht, macht die Menschheit aus. Das mag athetisch klingen. Aber darunter ist diese Debatte nicht u führen. s geht um unser humanes Selbstverständnis: Nehmen ir uns an, oder sortieren wir einander aus? Selbstverständlich gibt es noch eine Reihe weiterer uter Argumente für das uneingeschränkte Verbot der ID. Durchaus auch einige, die die künstliche Befruchng generell infrage stellen. Beispielsweise wegen der normen psychischen und physischen Belastung aufrund der hormonellen Stimulierung und der keineswegs efahrlosen Eientnahme, denen sich die Frauen unterzieen müssen. Oder beispielsweise wegen der nach wie or geringen „Erfolgsquote“. Sie werden von anderen ednerinnen und Rednern vorgetragen und ausführlich egründet. Im Mittelpunkt meiner Argumentation steht das Menchenbild; das sagte ich bereits. Herr Kollege, darf ich auch Sie an die Redezeit erin ern? )


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710503300




(A) )


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710503400

Ich bitte um Entschuldigung. Ich bin gleich fertig. –

Welche Erwartungen werden denn geweckt, wenn auch
nur der Anschein entsteht, man könne die Geburt eines
gesunden Kindes garantieren? Ich sagte bereits, dass ich
jeden Kinderwunsch verstehe. Aber es gibt kein Recht
auf ein Kind, erst recht nicht auf ein makelloses Kind.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Ich meine, es gibt auch kein Recht auf ein genetisch „ei-
genes“ Kind, allenfalls den Anspruch auf Elternschaft.
Paaren, die Kinder wirklich lieben, muss ich sagen dür-
fen: Adoptionen sind alles andere als „zweite Wahl“. In
Heimen warten, ja hoffen viele Kinder auf liebevolle El-
tern.

Leider muss ich meine Rede beenden, weil der Präsi-
dent mich schon gemahnt hat. Aber ich denke, vielleicht
habe ich einige Argumente genannt, die Sie berücksich-
tigen können.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710503500

Nächster Redner ist der Kollege Frank-Walter Stein-

meier.


Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD):
Rede ID: ID1710503600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In

dieser Debatte ist spürbar, dass sich niemand die Ent-
scheidung leicht macht. Ich finde, das gehört sich so.
Wenn ein Parlament Entscheidungen treffen will, die die
letzten Grenzfragen des Lebens berühren und die ihm
Selbstvergewisserung über die ethischen Grundhaltun-
gen abverlangen, dann muss hier im Bundestag mit gro-
ßer Ernsthaftigkeit gerungen werden.

Gerungen habe ich auch mit mir selbst. Wenn mein
Name auf dem Gruppenantrag von Frau Flach, Herrn
Hintze und Frau Reimann steht, dann sieht das nach gro-
ßer Selbstverständlichkeit aus – selbstverständlicher, als
es tatsächlich für mich war. In Wahrheit habe ich über
Jahre gezweifelt. Ich habe das strikte PID-Verbot sogar als
die scheinbar klarere, jedenfalls viel leichter in der Öf-
fentlichkeit zu vermittelnde Haltung angesehen. Gleich-
wohl bin ich heute anderer Meinung. Aus meiner heuti-
gen Sicht – und das nach vielen Gesprächen mit
betroffenen Familien, Ärzten, Medizinern und Ethikern –
ist das strikte Verbot nicht die höherwertige ethische
Haltung.

Was vielleicht noch wichtiger ist: Das strikte Verbot
löst keine der Fragen, die in der Realität für die Familien
bestehen – über die ist heute viel geredet worden – und
die wir uns nicht einfach hinwegwünschen können. Ich
will gleichwohl nicht verhehlen, dass die Argumente
derer, die am Ende zu einem anderen Ergebnis kommen
– auch die haben hier gesprochen –, schwer wiegen und
nicht einfach vom Tisch gewischt werden können.

Wenn ich also nach einem langen Entscheidungs- und
für mich auch Erfahrungsprozess zu einer anderen Hal-
tung als zu dem strikten Verbot komme, wenn ich bei

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(C (D einer persönlichen Abwägung zu einer anderen Geichtung als diejenigen komme, die das strikte Verbot efürworten, dann folgt das einem Grundsatz, der einch klingt. Dieser Grundsatz lautet für mich, dass wir enjenigen, die in äußerster Seelennot auf Hilfe angeiesen sind – und um die geht es –, diese Hilfe nicht einch mit Hinweis auf konkurrierende Grundsätze vereigern können. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden eben
icht über das Alltägliche, sondern wir reden über Fami-
en, in denen Eltern oder andere Angehörige eine eigene
chwerste Krankheit haben. Wir reden über Frauen, die
ereits eine oder mehrere Tot- oder Fehlgeburten hatten.
ir reden über Menschen in verzweifelter Lage. Viele

on denen – das ist zuzugeben – meistern ihr persön-
ches Schicksal irgendwie, manchmal jenseits ihrer ei-
enen Kräfte. Es geht um diese Menschen, die das Ri-
iko weiteren Leids vermindern wollen. Ich bin mir ganz
icher – nach den Gesprächen, die ich geführt habe, erst
cht –: Gerade diesen Menschen geht es nicht darum, zu

elektieren oder gar zu töten – ganz im Gegenteil. Gerade
nen sollten wir glauben, dass es ihnen um Leben und

m ein lebensfähiges Kind geht. Das ist mein Plädoyer in
iesem Hause.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die entscheidende Frage, die wir beantworten müs-
en, lautet doch: Haben diese Familien nicht das Recht,
as medizinisch Mögliche für sich in Anspruch zu neh-
en? Gebietet uns nicht gerade der Respekt vor dem Le-

en, auch deren Lebens- und Leidensgeschichte mit in
en Blick zu nehmen? Ist es nicht gerade unsere Auf-
abe, hier als verantwortliche Politiker den gesetzlichen
ahmen dafür zu schaffen? Ich jedenfalls bin davon
berzeugt, dass wir einen solchen verlässlichen gesetz-
chen Rahmen brauchen.

Der Abgeordnete Meinhardt hat vorhin gesagt: Wir
ürfen die Büchse der Pandora nicht öffnen. – Es ist
och genau umgekehrt: Die Büchse der Pandora ist auf-
rund der Rechtsprechung sperrangelweit offen. Wir
ind jetzt aufgerufen, den gesetzlichen Rahmen wieder-
erzustellen, und dafür ist niemand anders verantwort-
ch als dieses Haus, als genau dieses Parlament.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Verweigern wir uns der Aufgabe, diesen Rahmen zu
chaffen, dann verweigern wir – das wird klar, wenn
an genau hinschaut – nicht nur die mögliche Hilfe in

bsoluten Notlagen, über die ich vorhin gesprochen
abe, sondern dann verweisen wir Menschen auch auf
ege, sich die Hilfe dort zu suchen, wo es an einem

trengen gesetzlichen Rahmen, den ich mir für uns wün-
che, fehlt.

Ein Wort zum Verweis auf die Gefahren des Miss-
rauchs. Darauf ist in vielen Redebeiträgen heute einge-





Dr. Frank-Walter Steinmeier


(A) )


)(B)

gangen worden. Ich sehe die Gefahren des Missbrauchs;
nur, auch das entlässt uns Parlamentarier nicht aus der
Verantwortung, im Gegenteil. Ich würde sogar umge-
kehrt sagen: Verantwortung von Staat und Politik ist es
geradezu, den Missbrauch von Möglichkeiten, die der
Gesetzgeber schafft, zu verhindern. Das gelingt uns doch
auch tagtäglich im Umgang mit anderen medizinischen
Grenzfragen. Vielleicht gelingt uns das hier bei uns in
Deutschland sogar besser als anderswo.

Der Gesetzentwurf der Gruppe, der ich mich ange-
schlossen habe, steht für dieses Verantwortungsbewusst-
sein. Er formuliert ein generelles Verbot der Präimplan-
tationsdiagnostik, definiert dennoch in sehr begrenzten
und sehr besonderen Einzelfällen Ausnahmen von die-
sem Verbot. Das geschieht nicht leichtfertig und nicht in
Verkennung unserer Verantwortung für den Lebens-
schutz, vielmehr in Verantwortung für die Menschen.

Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710503700

Julia Klöckner ist die nächste Rednerin.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Julia Klöckner (CDU):
Rede ID: ID1710503800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrter Herr Kollege Steinmeier, Sie sagten eben,
es bedarf einer klaren gesetzlichen Regelung. Da sind
wir uns alle einig. Es gibt allerdings unterschiedliche
Vorschläge für eine klare gesetzliche Regelung. Die
Frage ist: Wie soll die Regel aussehen?

Hauptsache gesund! Das ist wohl der normalste
Wunsch der Welt, den Eltern haben, wenn sie ein Kind
erwarten. Auch der Wunsch, die Politik möge Leid und
Tränen verhindern, ist ein hoher Wunsch. Die Politik
wird ihn aber niemals vollends erfüllen können; denn
zum Leben gehören auch Schattenseiten, gehört Leid.

Natürlich tun Eltern alles, damit ihr Kind gesund
bleibt. Wenn es krank wird, tun sie alles, damit es wieder
gesund wird, damit es geheilt wird. Wenn Heilung nicht
möglich ist, muss der Staat alles Mögliche tun, um El-
tern mit beeinträchtigten Kindern so zu unterstützen,
dass Leben angenommen werden und gelingen kann.

Mich hat das Gespräch mit Vertretern der Behinder-
tenverbände sehr berührt. Sie sagten: Frau Klöckner,
wenn es zu unseren Anfängen schon die PID gegeben
hätte, dann würden ganz viele von uns heute nicht vor
Ihnen sitzen. Wir wollen nicht die Krankheiten, die wir
haben, auf irgendwelchen Listen finden, die es erlauben,
dass unser Leben nicht gelebt werden darf.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Ich finde, es ist ein sehr wichtiges und richtiges Zei-
chen, dass heute der Behindertenbeauftragte der Bundes-
regierung, Hubert Hüppe, anwesend ist; denn auch in
diesen Bereich müssen wir den Blick wenden. Es geht
um Menschen mit Beeinträchtigungen, für die es einer

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(C (D obby bedarf, die sich einsetzt; sie dürfen eben nicht inage gestellt werden. Ist die Tür erst einmal geöffnet, ist der Damm erst inmal gebrochen, dann wird es sehr, sehr schwer sein. er Druck, der auf Frauen lastet, ein gesundes Kind zur elt zu bringen, wird steigen. Es wird sehr häufig von er Entlastung der Frauen durch die PID gesprochen, ber allzu selten hat man im Blick, was es für Frauen eißt, wenn sie sich gegen eine PID entscheiden. Auch ann könnten plötzlich Rechtfertigungen notwendig erden. Wenn sich Eltern rechtfertigen müssen, warum in Kind geboren wird, das vermeintlich nicht perfekt ist was auch immer in unserer Gesellschaft „perfekt“ heien soll –, dann macht mir das Sorge. Die Frage danach, welches Leben glücklicher ist, das eben aus den Augen eines Kindes, das behindert ist, eies Kindes, das schwerwiegend beeinträchtigt ist, oder us den Augen eines Kindes, das nicht behindert ist, ann ich und können wir alle nicht beantworten. Ich beweifle auch, dass der Deutsche Bundestag eine Liste on Krankheiten festlegen kann, die dann der Grund dar sind, ob ein Leben gelebt werden darf oder nicht gebt werden darf. Bedenke das Ende! Wenn man den ersten Schritt geht, ollte man auch im Auge haben, was daraus werden önnte. Es gibt Krankheiten wie zum Beispiel Mukovisidose. In früheren Zeiten haben Kinder mit dieser rankheit gerade einmal das Grundschulalter erreicht. eute gibt es Erwachsenenselbsthilfegruppen von Muoviszidosekranken. Ich selbst stehe einer solchen ruppe als Schirmfrau vor. Man kann auch feststellen, b ein Mädchen, ob eine Tochter, die noch nicht geboren t, die genetische Veranlagung zu Brustkrebs hat. Aber er sagt denn, dass dieser Brustkrebs überhaupt ausbre hen wird oder ob man in 50 Jahren nicht eine Therapie agegen hat? Klar ist: Wenn man bei der PID, bei dem ussuchen und Aussortieren, Ja zu einem Kind sagt, ann sagt man gleichzeitig Nein zu einem anderen Kind, as nicht geboren werden soll. Das will ich nicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte den Blick auch auf das, was Leben aus-
acht, wenden. Mir sagen mein Glaube und meine Lo-

ik, dass das Leben ein Geschenk ist, ein Geschenk, das
icht immer wieder neu gepackt werden darf, sondern
as angenommen werden sollte und angenommen wer-
en muss. Da das Leben ein Geschenk ist, liegt auch
ort, wo es vermeintlich nicht so perfekt ist, eine große
hance darin, dass wir Menschen begleiten und dass wir
as Antlitz der Gesellschaft so gestalten, dass sich Hu-
anität im Nächsten zeigt und nicht im vermeintlich
erfekten. Deshalb trete ich klar für ein Verbot der PID
in.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )


)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710503900

Das Wort erhält nun die Kollegin Ursula Heinen-

Esser.


Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1710504000

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt
Paare, die um ihre erbliche Vorbelastung wissen und sich
dennoch von ganzem Herzen ein Kind wünschen. Viel-
leicht haben sie keine andere Möglichkeit als die künst-
liche Befruchtung. Vielleicht haben sie schon eine Fehl-
geburt erlebt, vielleicht haben sie schon eine Totgeburt
erlebt. Vielleicht haben sie schon ein oder sogar zwei
schwerstbehinderte Kinder, um die sie sich liebevoll
kümmern. Diese Eltern verstehen nicht, dass eine Unter-
suchung an einer befruchteten Eizelle, die außerhalb des
Mutterleibs nicht lebensfähig ist, verboten sein soll. Sie
verstehen nicht, dass aber die Untersuchung des Kindes
im Mutterleib trotz der etwaigen lebensbedrohlichen
Folgen für das Kind, etwa bei der Fruchtwasseruntersu-
chung, erlaubt, ja manchmal sogar notwendig ist. Diese
Eltern verstehen nicht, warum die Präimplantationsdia-
gnostik verboten werden soll, während die Abtreibung,
die Tötung des Kindes bis zur zwölften Schwanger-
schaftswoche, gegebenenfalls sogar die Spätabtreibung,
erlaubt ist. Hier erleben wir doch einen ganz klaren Wer-
tungswiderspruch unseres Rechtssystems, sollte sich ein
PID-Verbot durchsetzen. Die Untersuchung der befruch-
teten Eizelle nein, PND und Abtreibung ja – diesen Wi-
derspruch empfinde ich als nicht akzeptabel, als men-
schenunwürdig.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Bei der Abtreibung

– so schreibt ein führender Befürworter des Totalverbots
in einem Namensartikel für den Tagesspiegel; dieses Ar-
gument klang auch hier immer wieder durch –

geht es … um die seelische Belastung der Mutter,
die sich in einem schweren Konflikt befindet.

Deshalb sei die Abtreibung unter bestimmten Umstän-
den erlaubt, und deshalb seien PID und Abtreibung nicht
miteinander vergleichbar.

Lassen Sie mich dazu aber festhalten: Die seelische
Belastung der Mutter beginnt und endet doch nicht mit
einer Abtreibung. Die seelische Belastung der Mutter
und des Vaters, die erblich vorbelastet sind, beginnt viel
früher; Frau Flach hat vorhin ein sehr nahegehendes Bei-
spiel genannt. Es geht um die seelische Belastung der
Mutter und des Vaters, die Sorge, ein nicht lebensfähiges
Kind wachsen zu sehen, die Angst, der Belastung durch
ein schwerstbehindertes Kind nicht gewachsen zu sein.
Diese Eltern wünschen sich ein Kind – sehnlichst –, das
eine Chance zum Leben bekommt. Sie wünschen sich
nicht blaue Augen, auch nicht, ob es dick, dünn, groß
oder klein sein wird.

Es geht darum, dass ein Kind eine Chance zum Leben
bekommt. Dafür unterziehen sich die Mütter enormen
körperlichen Belastungen, einer oft schmerzhaften, auf-
wendigen Behandlung, einer künstlichen Befruchtung.

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(C (D ie tun dies immer mit der Angst, das Kind zu verlieren. ie seelische Belastung einer Mutter, die Fehloder Toteburten erlebt hat, ist ebenso hoch wie die seelische Bestung einer Mutter, die eine Abtreibung durchführen ssen muss. Aber es gibt einen enormen Unterschied: Die PND, erbunden mit einer Abtreibung, kann zu einem schwen Trauma führen. Die PID hilft, diesen Konflikt abzuenden. Der Ethikrat hat in seinem Votum für eine berenzte Zulassung der PID geschrieben – ich zitiere –: Die PID eröffnet einen Weg, das Trauma eines Schwangerschaftsabbruchs zu vermeiden … Die Entscheidung steht für mich fest: Die PID ist ein lares Ja zum Leben. Deshalb werbe ich für den Antrag on Ulrike Flach, Peter Hintze, Carola Reimann und vien weiteren Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktinen. Danke. Die Kollegin Katrin Göring-Eckardt erhält nun das ort. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710504100


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

ie Mutter eines behinderten Kindes fragt in Christ &
elt: Was empfinden Menschen wie mein Sohn ange-

ichts solcher Debatten – sie, die sich besonders mühen
üssen, in dieser Welt zurechtzukommen, gerade weil

ie etwas anders ticken, als es die Norm erfordert, die
ich enorm anstrengen, dazuzugehören, und dabei doch

mer wissen, dass sie Sonderfälle sind, gnädigerweise
limentiert von der Gesellschaft? Mein Sohn muss zur
enntnis nehmen, dass er als Risiko definiert wird, dass

s als Fortschritt gilt, wenn möglichst wenige seiner Art
eboren werden. – Und gleichzeitig der Satz eines Paa-
s, das schon zwei Kinder mit einer schweren Behinde-
ng hat: Ein weiteres, das schaffen wir einfach nicht,

erade weil wir die beiden so lieb haben.

Wer wollte heute schon entscheiden, was schwerer
iegt? Kann das irgendjemand von uns denn wirklich?
uchen wir also nach Objektivem.

Vielleicht hilft ein Blick auf die Zahlen. Noch geht es,
denfalls bis heute, um wenige Fälle. Auch dies kann
r beides sprechen. Als Argument für eine Zulassung

önnte man anführen: Die paar Fälle führen nicht zu ei-
em Dammbruch; die PID hilft den wenigen Betroffe-
en, die es schwer haben. – Man könnte aber auch die
rage stellen: Sollten wir für die wenigen Betroffenen in
nserer Gesellschaft so viel riskieren? Ich sage „so viel
skieren“, weil es, lieber Frank-Walter Steinmeier, nicht
m einige wenige Grenzfälle geht, sondern um das, was





Katrin Göring-Eckardt


(A) )


)(B)

wir in der Mitte der Gesellschaft wollen bzw. zulassen
wollen.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Es geht auch nicht um die Frage, was öffentlich zu ver-
mitteln wäre. Ich glaube, diese Frage wird hier keiner
diskutieren wollen. Warum also bin ich für ein Verbot?
Ja, ich bin überzeugt, hier möchte niemand ein Designer-
baby, hier möchte keiner eine auseinanderfallende Ge-
sellschaft oder eine diskriminierende. Also suchen wir
nach Anhaltspunkten!

Nein, die PID garantiert eben kein gesundes Kind. Sie
garantiert noch nicht einmal eine Schwangerschaft.
Nein, die PID ist nicht eine einfache Untersuchung, die
man halt über sich ergehen lassen muss, im Gegenteil:
Sie ist für Frauen extrem belastend. Sie bedeutet immer
wieder einen Eingriff, immer mehr Hormonbehandlung.
Und sie bedeutet natürlich auch dann, wenn aussortiert
wird, eine schwere seelische Belastung. Das, was
scheinbar unsichtbar in der Petrischale ist, ist eben für
die Seele des Menschen im Zweifelsfall doch nicht we-
niger als das, was bei einer Schwangerschaft geschieht.

Nein, Behinderung oder Krankheit werden nicht aus-
geschlossen. Es kann auf einige wenige monogenetische
Erkrankungen und Chromosomenanomalien untersucht
werden. Allerdings weiß kein Mensch, ob sie jemals aus-
brechen werden und, wenn ja, wie schwer sich die
Krankheit dann wirklich zeigt. Nein, PID wendet nicht
Leid von Eltern und Kind ab; PID wendet das Kind
selbst ab. Es wird aussortiert, weil es nicht der Norm
entspricht.

Und wichtig: Nein, die PID verhindert eben keine
Spätabbrüche. Natürlich habe ich Verständnis für die
Paare – sie begegnen uns zumindest in Berichten ganz
häufig –, die sagen: In dieses Risiko will ich mich nicht
begeben. – Aber gleichzeitig muss man sagen: Die aller-
meisten werden sich später einer Pränataldiagnostik un-
terziehen. Das ist übrigens eine Untersuchung, von der
wir, als sie eingeführt wurde, gesagt haben: Das ist nur
für ganz, ganz wenige Ausnahmefälle. – Heute ist das
eine Standarduntersuchung. Ich fürchte, dass es sich mit
der PID ganz ähnlich entwickelt.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Es gibt keine Garantie, dass nicht andere schwere, auch
erbliche Erkrankungen, eintreten. Und es gibt übrigens
auch keine Garantie, dass Schädigungen am Embryo
durch die PID selbst ausgeschlossen sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nein, es wird nicht
bei wenigen Fällen bleiben – übrigens auch deswegen
nicht, weil wir diesen Unterschied gar nicht machen
können. Warum sollen die einen dann eigentlich das
Recht auf PID haben, und den anderen sprechen wir es
ab?

Und nein, ich halte auch die Grenzziehung bei der Le-
benserwartung von einem Jahr nicht für möglich – übri-
gens auch deswegen nicht, weil ich es zu schwierig
finde, zu entscheiden: Ist denn ein Tag Leben, sind fünf
Tage Leben oder neun Monate Leben weniger wert als

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(C (D ineinhalb Jahre oder 2 Jahre oder 20 Jahre oder 0 Jahre? Liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss darüber geprochen werden, worum es tatsächlich geht, wie belasnd die Untersuchungen sind, wie belastend die Ent cheidung ist. Es darf nicht darüber geschwiegen erden, was alles tatsächlich im Zweifelsfall untersucht erden kann – eben auch die Krebserkrankung. Warum oll man eigentlich dann das nicht wissen wollen? Und zuletzt, ja, natürlich wird es Druck geben – so ie es bei der PND Druck auf Frauen bzw. auf Paare ibt, diese Untersuchung durchführen zu lassen. Mit dieem Druck wird ein Heilsversprechen verbunden, bei em wir abzuwägen haben. Wir haben abzuwägen, was ir damit auf der anderen Seite belasten, zerstören, gehrden. Verbieten wir die PID, die letztlich alles verspricht, ber höchstens die Möglichkeit bietet, ein wenig die hancen auf ein Kind zu erhöhen! Verbieten wir die PID nd machen wir sehr deutlich, worum es eigentlich in nserer Gesellschaft geht: die zu integrieren und dabeiaben zu wollen, die anders sind, oft glücklich sind, oft in gelingendes Leben haben und uns übrigens wissen ssen, dass auch wir nicht vollkommen sind, sondern arauf angewiesen sind, dass ein anderer uns anschaut nd sagt: Ja, du bist ein Mensch, und es ist gut, dass du a bist. Vielen Dank. Die Kollegin Krista Sager ist die nächste Rednerin. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich öchte für den Gruppenantrag werben, für den auch rank-Walter Steinmeier heute geworben hat, nämlich r die begrenzte Zulassung der PID bei einer künstli hen Befruchtung. Ich will ausdrücklich sagen: Vor einien Jahren war ich gegen die Zulassung der PID, aber h habe meine Meinung geändert. Das möchte ich Ihnen erne erklären. Bei meiner damaligen Ablehnung haben die Befürchngen eine große Rolle gespielt, die auch heute hier von ielen geäußert worden sind. Es ging um die Angst vor inem moralischen Dammbruch, davor, dass man irendwie auf eine schiefe Ebene kommt. Viele tun so, als üssten sie ganz genau, was passiert, wenn wir die PID egrenzt zulassen würden. Nun leben wir ja nicht auf eier Insel, und wir können feststellen, was in den Ländern assiert ist, in denen es seit Jahrzehnten Erfahrungen mit iner begrenzten Zulassung gibt, was in fast allen anden europäischen Ländern der Fall ist. Ob in Frankreich, Großbritannien oder in den skandinavischen Ländern: er befürchtete Werteverlust, vor dem ich selber Angst ehabt habe, ist da nicht eingetreten. Das können wir seen. Krista Sager )


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1710504200
Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710504300




(A) )

Herr Dr. Seifert, ich nehme das, was Sie hier gesagt
haben, sehr ernst. Aber die Teilhabechancen von behin-
derten Menschen sind in Deutschland nicht besser als in
Dänemark. Der Druck auf behinderte Menschen, ihr Da-
sein zu rechtfertigen, ist in den skandinavischen Nach-
barländern nicht größer als in Deutschland.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und der LINKEN)


Wir müssen doch einmal feststellen, dass es keinen
Grund gibt, einen deutschen Sonderweg des Totalver-
bots der PID aufgrund von Befürchtungen zu gehen, die
in unseren Nachbarländern offensichtlich schon wider-
legt sind.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)


Wir können aufgrund der Erfahrungen in den Nach-
barländern auch sehen: Es sind wenige Fälle, und es ste-
hen ganz schwere persönliche Schicksale dahinter. Das
heißt, wir können davon ausgehen, dass es in Deutsch-
land bei vielleicht 200 bis 300 Fällen bleiben wird. Jetzt
stellt sich doch die Frage: Wollen wir einen deutschen
Sonderweg gehen, um 200 bis 300 Frauen und ihren
Partnern die Möglichkeit zu verbieten, selbstbestimmt
zu entscheiden, ob sie einen Antrag stellen, dass bei ih-
nen aufgrund einer schweren erblichen Vorbelastung
eine PID durchgeführt wird? Wollen wir gleichzeitig in
Kauf nehmen, dass bei einzelnen der gleichen Frauen
nach der 22. Schwangerschaftswoche möglicherweise
eine Situation eintritt, in der sie dann selbstbestimmt ent-
scheiden sollen, ob es eine Spätabtreibung gibt? Ich sage
Ihnen: Das ist nicht verhältnismäßig und – gesetzlich ge-
dacht – auch nicht konsistent. Das müssen wir doch ein-
mal zur Kenntnis nehmen.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Wenn ich eine ganz persönliche moralische Bewertung
abgebe, dann muss das nicht verhältnismäßig und viel-
leicht auch nicht konsistent zu dem sein, was in den Ge-
setzen steht. Aber als Gesetzgeber muss ich anders vor-
gehen. Hier muss das Handeln konsistent sein. Eine
Spätabtreibung nach einer PND und ein Totalverbot der
PID stehen nicht in einem angemessenen Verhältnis.

Noch etwas: Eine Religionsgemeinschaft kann von
ihren Anhängern verlangen, dass sie entweder ganz auf
Kinder verzichten oder das Risiko eingehen, weitere
Totgeburten oder weitere Fehlgeburten zu erleiden oder
eben ein mit einer schwersten Erbkrankheit belastetes
Kind auf die Welt zu bringen. Das kann eine Religions-
gemeinschaft ihren Anhängern abverlangen. Ich bin aber
der Meinung, der Gesetzgeber sollte dies nicht tun.

Es geht um eine ganz persönliche Gewissensentschei-
dung von betroffenen Menschen in einer ganz schwieri-
gen Konfliktsituation. Herr Dr. Krings, das kann man
den Leuten nicht ausreden; das ist für die Menschen so.
Herr Dr. Seifert, diese Menschen haben zum Teil schon
schwerstkranke Kinder, die sozusagen dem Tod geweiht
sind. Sie haben zum Teil schon durch eine schwere Erb-

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(C (D rankheit Angehörige verloren. Glauben Sie, Herr r. Seifert, dass diese Menschen, wenn sie gerne die öglichkeit zur PID hätten, damit ein Werturteil darüber bgeben, dass zum Beispiel das Leben ihres Bruders der ihres eigenen geliebten Kindes bis zu seinem Tod ichts wert war? Es ist keine Wertentscheidung über behindertes oder eben mit schweren Krankheiten. Es ist vielmehr die öglichkeit einer selbstbestimmten Entscheidung aus iner tiefen Konfliktsituation heraus. Ich bin der Meiung, es gibt hierbei nicht nur eine einzige wahre Moral r jeden Einzelfall, die der Gesetzgeber durch ein Ver ot wenigen Betroffenen aufoktroyieren muss. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und der LINKEN)


as ist meine persönliche Überzeugung in diesem Fall.
ach meiner Überzeugung sollten wir diesen wenigen
etroffenen mit guter Beratung, guter Information und
edizinischer Begleitung in kompetenten und lizensier-
n Zentren so gut es irgend geht zur Seite stehen, aber

uch einen kleinen Türöffner für die Selbstbestimmung
rhalten. Ich finde, sie haben das verdient.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710504400

Das Wort hat die Kollegin Kathrin Vogler.


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710504500

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen

nd Kollegen! Liebe Frau Sager, diejenigen in diesem
ause, die die Präimplantationsdiagnostik zulassen wol-
n, argumentieren häufig mit dem Selbstbestimmungs-
cht der Frau. Das treibt auch mich um, und ich finde,

s ist ein Wert, den wir hier verteidigen sollten. Sie mei-
en, ein Verbot würde unverhältnismäßig stark in das
elbstbestimmungsrecht der Frau über die eigene Fort-
flanzung eingreifen. Dieser Auffassung bin ich nicht.
as möchte ich erklären.

Wir reden doch hier über ein medizinisch-technisches
erfahren, in dem letzten Endes Medizinerinnen und
ediziner und Ethikkommissionen die Entscheidungen

effen. Ich bin davon überzeugt: Je mehr Macht die Re-
roduktionstechnologie über den Körper der Frau erhält,
esto geringer wird ihre Selbstbestimmung. Ich emp-
hle, die Erfahrungsberichte betroffener Frauen zu le-

en. Dann kann man nur schlucken.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Oft wird auch argumentiert, dass die PID Frauen vor
chwangerschaftsabbrüchen bewahren könnte. Dafür
ibt es aber keinen Beleg. Schwangerschaften nach PID
das haben wir schon mehrfach gehört – gelten grund-
ätzlich als Risikoschwangerschaften. Etwa die Hälfte
er Frauen wird einer invasiven Pränataldiagnostik un-
rzogen, zum Beispiel einer Fruchtwasserpunktion. Am
nde bekommt nur eine von fünf Frauen nach einer PID
tsächlich ein Kind, und das nach all diesen Torturen.





Kathrin Vogler


(A) )


)(B)

Auch unterstellen Sie damit, dass Ärztinnen und
Ärzte in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche aus-
schließlich wegen einer möglichen Behinderung des
Kindes durchführen würden. Das wäre aber rechtswid-
rig. Vor dieser Unterstellung muss ich die Ärztinnen und
Ärzte in Schutz nehmen. Das tun sie nicht leichtfertig.

In der Stellungnahme des Ethikrates, die heute schon
mehrfach zitiert worden ist, wird viel differenzierter ar-
gumentiert, als es hier teilweise dargestellt wird. Der
Ethikrat hinterfragt nämlich sehr genau, ob die Fort-
pflanzungsentscheidungen der einzelnen Frau tatsäch-
lich als selbstbestimmt gelten können bzw. inwieweit
dies der Fall ist. Denn schon bei der Frage, ob eine Frau
überhaupt ein Kind will, spielen gesellschaftliche Stan-
dards, ökonomische Zwänge und Erwartungen des Um-
felds eine entscheidende Rolle. Die von außen auf die
Frau einwirkenden Erwartungen und Zwänge beein-
trächtigen die Selbstbestimmung. Mit den Möglichkei-
ten der Präimplantationsdiagnostik werden meiner Auf-
fassung nach diese fremdbestimmenden Elemente noch
erweitert. Auch kritische Feministinnen warnen vor
wachsendem Druck auf Frauen. Immer mehr würde ih-
nen sogar so etwas wie eine Schuld zugeschrieben, wenn
sie trotz medizinischen Fortschritts beispielsweise ein
Kind mit Downsyndrom geboren haben.

Wir alle kennen Beispiele für diesen Druck. So etwas
sei doch heute nicht mehr nötig, hat beispielsweise ein
Vater aus meinem Wahlkreis zu hören bekommen. Mit
„so etwas“ war sein Kind gemeint. Seiner Frau war wäh-
rend der Schwangerschaft ein schwerstbehindertes Kind
vorhergesagt worden. Wohl niemals werde es laufen
können, und vermutlich werde es die ersten Jahre nicht
überleben. Dieses Kind ist heute sieben Jahre alt und
läuft mitsamt seiner Behinderung munter durchs Leben.
Eine andere Mutter erzählte mir von ihrer Tochter, die
heute 28 Jahre ist und alleine selbstständig in einer Woh-
nung lebt – mit Trisomie 18, einer Chromosomenstö-
rung, die als klassisches Beispiel für eine früh zum Tode
führende genetische Veränderung gilt.

Diese Beispiele zeigen doch, dass wir uns bei dieser
ganzen Debatte nicht auf Medizin oder Biologie als ex-
akte Wissenschaften verlassen können, sondern dass wir
die gesellschaftliche Dimension dieser Technik in den
Mittelpunkt der Diskussion stellen müssen. Eine Zulas-
sung der Präimplantationsdiagnostik bedeutet eben nicht
nur eine weitere Wahlmöglichkeit für Frauen, sondern
sie verändert auch unser gesellschaftliches Umfeld. Sie
verändert unsere ganze Haltung gegenüber Schwanger-
schaft, Geburt und Elternschaft. Sie weckt hohe Erwar-
tungen und Hoffnungen, die in den meisten Fällen bitter
enttäuscht werden. Sie verschärft die gesellschaftliche
Erwartungshaltung gegenüber den Frauen, wirklich alles
für ein biologisch eigenes, gesundes Kind zu tun. Das ist
aus meiner Sicht ein überholtes Frauen- und Familien-
bild.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Statt nun die Verantwortung für die Herstellung glei-
cher Rechte und Teilhabechancen zu übernehmen und
eine gerechtere und vor allem geschlechtergerechtere

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(C (D erteilung von unbezahlter Reproduktions-, Erziehungsnd Pflegearbeit sowie die Abwehr von Diskriminierung ls gemeinschaftliche sozialstaatliche Aufgabe zu beachten, bürden wir diese Aufgabe den betroffenen rauen individuell auf. Dazu muss ich sagen: Selbstbetimmung sieht für mich anders aus. Deshalb möchte ich ie bitten, den Gesetzentwurf für ein uneingeschränktes erbot der Präimplantationsdiagnostik zu unterstützen. Danke sehr. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Pascal Kober [FDP])



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710504600

Christine Aschenberg-Dugnus hat das Wort.


Christine Aschenberg-Dugnus (FDP):
Rede ID: ID1710504700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das

enschliche Dasein ist bestimmt durch körperliche
xistenzbedürfnisse wie Atmung, Schlaf, Nahrung und
ärme, auch durch das Streben nach Sicherheit, Familie

nd Anerkennung und durch das Streben nach Realisie-
ng eigener Wünsche und Sehnsüchte. In diesem Kon-
xt spielt das Streben nach Erkenntnis eine extrem
roße Rolle. Das steckt in jedem von uns. Ein Verbot
ieses Erkenntnisstrebens kann nur scheitern, genauso
ie man damit scheitern würde, den Wunsch nach Fort-
flanzung, den Wunsch nach Kindern zu unterdrücken.

Bereits Erkanntes kann man nicht unerkannt machen;
enn das Rad der Erkenntnis kann man nicht zurückdre-
en. Nun sind wir seit geraumer Zeit an einem Punkt an-
elangt, an dem es die Wissenschaft möglich macht, eine
ID durchzuführen. Wir können jetzt nicht einfach auf
Löschen“ drücken und dieses Wissenschaftskapitel ver-
chwinden lassen, schon gar nicht, wenn das Verfahren
er PID in fast allen europäischen Ländern etabliert und
ugelassen ist.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


ielmehr ist es jetzt geboten, mit den möglichen Unter-
uchungsmethoden verantwortungsvoll umzugehen –
erantwortungsvoll und in engen Grenzen; denn nicht al-
s, was möglich ist, ist ethisch vertretbar. Nur deshalb
hren wir heute diese Debatte.

Müssen wir uns dem Wunsch einer Frau mit einer ge-
etischen Vorbelastung verweigern, die weiß, dass sie
ithilfe eines Arztes herausfinden kann, ob bei dem

ünstlich erzeugten Embryo eine solche schwere geneti-
che Erkrankung vorliegt? Müssen wir das wirklich tun?
önnen wir einer Frau verwehren, den Embryo zu unter-

uchen, wenn sie in der Vergangenheit bereits eine Tot-
eburt in der 26. Schwangerschaftswoche hatte und auch
chon ein Kind aufgrund einer schweren genetischen Er-
rankung im Alter von drei Jahren verloren hat? Das
ind ganz konkrete Beispiele. Alle, die wir hier sitzen,
aben in den letzten Wochen und Monaten sehr viele
ieser Beispiele gesehen, darüber gelesen und mit Be-
offenen gesprochen.





Christine Aschenberg-Dugnus


(A) )


)(B)

Muss man als Arzt wissentlich und absichtlich einen
Embryo einpflanzen, wenn man nicht ausschließen kann,
dass es bei der Frau erneut zu einer körperlich wie see-
lisch qualvollen Totgeburt kommt, obwohl es die PID
gibt? Ich denke, nein. Ein Untersuchungsverbot würde
einen Wertewiderspruch bewirken; denn eine pränatale
Diagnostik mit anschließender Spätabtreibung ist so-
wohl ethisch als auch rechtlich erlaubt. Ein PID-Verbot
wäre eine Verschiebung des ethisch-moralischen Kon-
flikts, den jede Frau erlebt, auf die Zeit der Schwanger-
schaft. Im Mutterleib wird dieser Konflikt dann zu lösen
versucht, allerdings zulasten der Frau, die dann gezwun-
gen ist, eine mögliche Totgeburt hinzunehmen oder eine
Spätabtreibung vornehmen zu lassen. Denn das ist recht-
lich und ethisch erlaubt, aber eben für die Frau erheblich
belastender. Deshalb sieht unser Entwurf vor, die PID in
ganz engen Grenzen zuzulassen.

Wenn von Teilen der Gesellschaft vorgebracht wird,
man würde mit der PID Selektion betreiben, dann wird
die konkrete Situation der betroffenen Frauen verkannt;
denn diese Frauen haben in den meisten Fällen schon ei-
nen sehr langen Leidensweg hinter sich. Denken Sie an
das Beispiel, das ich Ihnen eben genannt habe. Nein, mit
der PID verfolgen wir ganz andere Ziele. Es geht einzig
und allein darum, schweres Leid von Frauen abzuwenden
und ihnen Totgeburt und Spätabtreibung zu ersparen. Es
geht gerade nicht darum, vollends gesunde Kinder zu
schaffen, bei denen ausgeschlossen ist, dass sie – zu wel-
chem Zeitpunkt auch immer – an irgendeinem Leiden er-
kranken werden. Es geht einzig und allein darum, ganz
bestimmte schwere Erbkrankheiten des Kindes zu erken-
nen, Erbkrankheiten, die in der jeweiligen Familie mög-
licherweise bereits aufgetreten sind. Es geht darum, un-
sägliches Leid, seelische und körperliche Belastung von
den Frauen abzuwenden. Das ist meines Erachtens
ethisch vertretbar und im Sinne der Nächstenliebe ver-
nünftig und human. Ich möchte Sie herzlich bitten, unse-
ren Entwurf zu unterstützen.

Danke.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710504800

Das Wort hat der Kollege Rudolf Henke.


Rudolf Henke (CDU):
Rede ID: ID1710504900

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Es sind viele Argumente
vorgetragen, es sind viele juristische Aspekte beleuchtet,
es sind viele medizinische Sachverhalte genannt worden.
Ich will auf drei Punkte zu sprechen kommen, von denen
ich glaube, dass sie für jeden, der später in diesem Haus
die Entscheidung treffen muss, zentral sein werden.

Der erste Punkt betrifft die Frage der Würde. Die
Frage, die wir uns stellen müssen, ist, ob Würde teilbar
ist, ob sie abstufbar ist, ob unser Grundgesetz vorsieht,
dass Würde dadurch erworben werden muss, dass man
bestimmte Qualitäten, Merkmale oder Eigenschaften
aufweist. Professor Klaus Diedrich, der Direktor der

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(C (D linik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe an der Uniersität Lübeck, einer der Befürworter der Präimplantaonsdiagnostik, hat in dieser Woche in einem Zeitungsterview im Südkurier klar gesagt: Das menschliche Leben fängt für mich durchaus mit der Befruchtung an. Deshalb hat auch ein Embryo Würde. Aber es gibt Situationen, in denen die Würde des Embryos zurücktritt hinter die Würde der Mutter. t das nicht die Aufforderung, zwischen unterschiedlihen Graden von Würde abzuwägen, die dem Menschen ukommt? – Ich möchte das nicht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Ulla Schmidt [Aachen] [SPD])


Nun sagen die Befürworter des Gesetzentwurfs zur
ulassung der PID – das war auch in der Rede, die ge-
de gehalten worden ist, deutliches Votum –: Wir wol-
n die Zulassung der PID in ganz engen Grenzen. Ich
age: Wird es möglich sein, den Anspruch auf Zulas-

ung „in ganz engen Grenzen“ in Einklang zu bringen
it der Selbstbestimmung der Mutter, mit der Selbstbe-

timmung des Vaters? Wie geht es Eltern, wenn sie ge-
agt werden: Willst du lieber ein Kind mit oder ein Kind
hne Downsyndrom? Wie geht es Eltern, die gefragt
erden: Willst du lieber ein Kind mit oder ein Kind ohne
ukoviszidose? Willst du lieber ein Kind, das mit hoher
ahrscheinlichkeit später an die Dialyse muss, weil es

ine polyzystische Nierenerkrankung erbt, oder willst du
eber, dass das Kind das nicht erbt? Willst du lieber ein
ind, das mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit Brust-
rebs bekommt, oder lieber ein Kind, bei dem diese
ahrscheinlichkeit nicht gegeben ist? – Das sind doch

ie Fragen, die, wenn das Wissen nicht ausgeschaltet
erden kann, zu beantworten sind.

Ich glaube – zweiter Punkt –, Eltern können immer
ur die besten Chancen für das Kind wollen, und sie
önnen die beste Chance nicht nur in einer spezifischen
ituation wollen. Deswegen glaube ich nicht, dass es
öglich ist, diese „ganz engen Grenzen“ so zu definie-
n, dass sie wirklich greifen und wirksam sind.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Dritter Punkt: Ich weise darauf hin, dass zwar der Ge-
etzentwurf, den Frau Flach uns vorgestellt hat, dafür
irbt, dass wir eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine

chwerwiegende Erbkrankheit als Voraussetzung haben
üssen. Aber was ist eine schwerwiegende Erbkrank-

eit? Ich kann Ihnen jedenfalls sagen, dass in dem zu-
timmend zitierten Text des Wissenschaftlichen Beirats
er Bundesärztekammer steht:

Die Bundesärztekammer wird in einer „(Muster-)

Richtlinie zur Durchführung der Präimplantations-
diagnostik“ Regelungen zum Indikationsspektrum

und zu Weiterem –

treffen.





Rudolf Henke


(A) )


)(B)

Das heißt, es wird dann Festlegungen über das Indika-
tionsspektrum geben. Sie werden auch nötig sein, weil
es doch nicht zu tolerieren sein wird, dass in dem einen
Bundesland eine Ethikkommission sagt: „Du darfst le-
ben“, und in einem anderen Bundesland eine Ethikkom-
mission sagt: Du darfst nicht leben, obwohl du die glei-
che Diagnose, die gleiche Lebenserwartung hast. – Wir
werden Indikationslisten bekommen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diese Indikationslisten werden sich darauf zurückführen
lassen, dass wir hier diese Frage offengelassen haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie für eine Be-
grenzung eintreten: Vielleicht ist diese Diskussion noch
nicht weit genug geführt. Vielleicht ist es wirklich not-
wendig, noch nach einem Weg zu dieser Begrenzung zu
suchen; ich weiß das nicht. Vielleicht ist man in zehn
Jahren bei einer Begrenzung, die im Konsens gefunden
werden kann. Aber jetzt, in dieser Situation – der Bun-
desgerichtshof hat jedes Handeln zugelassen –, muss
eine Entscheidung getroffen werden, die die Möglichkeit
der Präimplantationsdiagnostik ausschließt. Das, meine
ich, müsste auch diejenigen überzeugen, die im Prinzip
für enge Grenzen eintreten, solange kein Weg beschrie-
ben ist, wie diese ganz engen Grenzen wirklich zustande
kommen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710505000

Hubertus Heil hat das Wort.


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1710505100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolle-

ginnen und Kollegen! Ich finde, dass diese Debatte unse-
rem Hause gut ansteht. Man kann hier zu unterschied-
lichen Überzeugungen kommen. Es ist ein gutes Signal,
auch für unsere parlamentarische Demokratie, dass wir
heute gemäß Art. 38 unseres Grundgesetzes diskutieren.
Das macht uns, den Abgeordneten, in unserer Verant-
wortung deutlich, dass wir nicht an Aufträge und Wei-
sungen gebunden sind, sondern Gewissensentscheidun-
gen zu treffen haben.

Es ist gut, dass wir eine Debatte führen, wie ich finde,
mit durchaus hohem Niveau, die deutlich macht, um was
wir ringen und um welche Abwägung es geht. Ich will
an dieser Stelle das, was mich umtreibt und was dazu ge-
führt hat, dass ich die Meinung, die ich zu diesem
Thema hatte, revidiert habe, darlegen. Ohne vertiefte
Kenntnis, vor allen Dingen aber ohne persönliche Be-
rührung hatte ich in der Vergangenheit das Gefühl, dass
das Verbot der Präimplantationsdiagnostik, das durch die
Entscheidung des Bundesgerichtshofs aufgehoben
wurde, richtig und nachvollziehbar ist. Was mich bewo-
gen hat, umzudenken, ist nicht das Urteil gewesen, son-
dern was mich bewogen hat, umzudenken, ist eine per-

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(C (D önliche Erfahrung gewesen. Ich weiß, dass Politik nicht mer nur aus Einzelschicksalen und persönlicher Er hrung Schlussfolgerungen ziehen kann, aber sie sind ben manchmal Anlass zum Umdenken. In diesem Fall geht es um ein befreundetes Paar, das h vor einigen Jahren begleiten musste. Die beiden, die ach wie vor meine Freunde sind, hatten und haben ehnlichst einen Kinderwunsch, waren hocherfreut, als ich dieser Kinderwunsch erfüllte, wussten aber nicht, ass das Kind eine Erbkrankheit hatte, erblich vorbelast war, und mussten miterleben, dass dieses Kind aufrund einer fortschreitenden unheilbaren Muskelerkranung wenige Wochen nach der Geburt qualvoll sterben usste. Ich war bei der Beerdigung, und das war etwas, as mich tief erschüttert hat. Ich habe erlebt, wie es diesem Paar im Weiteren erangen ist und ergeht. Die beiden haben nach wie vor eien Kinderwunsch. Sie haben aufgrund dessen, was sie rlebt haben, feststellen müssen, dass sie beide unglückcherweise eine genetische Disposition haben, nach der ie Wahrscheinlichkeit, dass das wieder passiert, ungehr 80 : 20 beträgt. In der Realität des Lebens haben sie un drei Optionen: Erstens können sie es noch einmal ersuchen – mit der Wahrscheinlichkeit von 80 : 20 und brigens unter Inkaufnahme dessen, dass man es in dieem Wissen im Zweifelsfall auf eine Spätabtreibung anommen lassen muss. Die zweite Möglichkeit ist – das at etwas mit Lebensrealität zu tun; das wäre bei uns chtswidrig und bliebe nach den Gesetzesvorschlägen, ie vorliegen, rechtswidrig –, mit dem entsprechenden eld nach Belgien oder nach Israel zu gehen, wie es – reen wir offen darüber! – viele Paare in Deutschland in er Vergangenheit getan haben. Die dritte Möglichkeit t, sich den Wunsch nach einem eigenen Kind zu versaen. Meine Damen und Herren, ich bin für eine begrenzte ulassung der Präimplantationsdiagnostik genau aus ieser Lebensrealität heraus. Ich finde, dass man zu unrschiedlichen Überzeugungen kommen kann. Mich sst nicht unberührt, was Behindertenverbände an Berchtungen und Erwägungen genannt haben – viele olleginnen und Kollegen haben es zitiert –; ich bin nur er festen Überzeugung, dass wir als deutsches Parlaent diesen Befürchtungen nicht entgegentreten, indem ir das, was in der begrenzten Zahl solcher Fälle an Hiln notwendig und menschlich vertretbar ist, verwei ern. Es ist etwas anderes, was notwendig ist, um Menchen mit Behinderungen in diesem Land eine diskrimiierungsfreie Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu rmöglichen. Der Blick in Länder, in denen die PID zuelassen ist – ich glaube, die Kollegin Sager hat es vorin zitiert –, macht deutlich, dass es nicht die PID ist, die ruck auf behinderte Menschen macht. Es gibt darunter änder, in denen Menschen mit Behinderungen besser ben können und weniger Diskriminierung ausgesetzt ind als in unserer deutschen Gesellschaft. Vielleicht eht es um ein paar andere Themen der Teilhabe, um die ir uns miteinander kümmern müssen – von der Antidisriminierungsgesetzgebung bis hin zur Teilhabe am Hubertus Heil )





(A) )

schulischen und beruflichen Leben. Das ist eine Verant-
wortung. Ich bitte alle, die dieses Argument nennen, aus
berechtigten Erwägungen, sich mit uns gemeinsam die-
sen anderen Themen zuzuwenden.

Für mich ist entscheidend, dass wir in der Präambel
unseres Grundgesetzes gemahnt werden, uns unserer
Verantwortung vor Gott und den Menschen bewusst zu
sein. Nun geht es hier um sehr persönliche Überzeugun-
gen. Ich weiß, dass hier auch viele Christen gesprochen
haben – auch ich bin evangelischer Christ –, die auf der
Grundlage ihres gemeinsamen Glaubens zu unterschied-
lichen Schlüssen in dieser Frage kommen. Das ist zu ak-
zeptieren. Meine Bitte ist nur, dass wir in diesem Parla-
ment weiterhin die Fairness wahren und uns nicht
gegenseitig die Argumente absprechen.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Frau Flach, Frau
Reimann, Herrn Hintze und anderen, die diesen Gesetz-
entwurf zustande gebracht haben.

Zum Schluss habe ich einen Appell. Heute ist die
erste Lesung der Gesetzentwürfe, dann folgen die Aus-
schussberatungen, und am Ende werden wir im Plenum
zu einer Entscheidung kommen müssen. Meine Bitte an
die Kollegen Hinz und Röspel ist, darüber nachzuden-
ken, ob die Unterzeichner beider Gesetzentwürfe nicht
noch einmal miteinander ins Gespräch kommen können.
Der Fall, den ich genannt habe, wäre von dem Gesetz-
entwurf von Röspel und Hinz übrigens abgedeckt.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710505200

Herr Kollege!


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1710505300

Ich habe aus anderen Gründen dem anderen Gesetz-

entwurf zugestimmt. Aber bevor es zu einem absoluten
Verbot der PID in Deutschland kommt, bitte ich, dass
wir noch einmal miteinander sprechen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710505400

Markus Kurth hat jetzt das Wort.


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710505500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben gerade in der Rede von Herrn Heil wie auch
in einigen anderen Beiträgen von Befürwortern einer
Freigabe der PID die Schilderung eines tragischen indi-
viduellen Elternschicksals gehört, das – so will ich hier
ganz deutlich sagen – auch mich nicht unberührt lässt.
Ich war in den letzten Wochen und Monaten bei mehre-
ren Diskussionsveranstaltungen und Versammlungen,
wo ich mit Eltern zusammengetroffen bin, die eine erbli-
che Vorbelastung und gleichzeitig einen starken Kinder-
wunsch haben. Ich habe diesen Eltern auch gesagt, dass
ich als Teil des Gesetzgebers ihre Perspektive nicht un-
hinterfragt komplett übernehmen kann, sondern dass ich
eine Abwägung vornehmen muss: zwischen ihrem
Wunsch, ein gesundes Kind zu bekommen, und der – ich
führe das noch aus – Infragestellung der Menschen-

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(C (D ürde durch die Entscheidung, ob ein Leben lebenswert t oder nicht. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)


Im Verlauf dieser Debatte ist diese Abwägung von
en Befürwortern einer begrenzten Freigabe der PID aus
einer Sicht nicht vorgenommen worden, obwohl Herr
intze eingangs davon gesprochen hat. Sie blieben viel-
ch bei der rhetorischen Frage stehen, mit welchem
echt man den Eltern verbieten könne, die medizini-

chen und wissenschaftlichen Möglichkeiten zu nutzen.
an hätte auf diese rhetorische Frage durchaus eine
ntwort finden können, und zwar in Art. 1 Abs. 1 des
rundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantast-
ar.

Die Frage ist, ob die Würde des Menschen teilbar ist
der nicht. Ich habe nicht gehört, dass irgendjemand in
ieser Debatte gesagt hätte, ein Embryo, auch wenn er
ich extrakorporal in der Petrischale befindet, habe keine

enschenwürde. Jerzy Montag hat ausgeführt, die
enschwerdung sei abhängig von dem Zusammenwir-

en der Frau und des Embryos; aber er hat nicht gesagt,
ass dem Embryo keine Menschenwürde zuerkannt wer-
en würde. Wenn es so ist, dass wir auch diesem Embryo
ie Menschenwürde zuerkennen, dann müssen wir fra-
en: Welche Folgen hat es, wenn wir gegenüber einem
enschlichen Leben, das die Menschenwürde genießt,
ebenszustände beschreiben, die wir als lebenswert oder
ichtlebenswert definieren? Aus meiner Sicht wird hier
er Rubikon überschritten und eine noch gar nicht abzu-
ehende, bahnbrechende Wertentscheidung vorgenom-
en, die nicht nur das Leben an seinem Anfang betrifft,

ondern auch Folgen haben wird für das Ende des Le-
ens.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Wenn wir uns erst einmal anmaßen, Lebenszustände
ls lebenswert oder nichtlebenswert zu definieren, dann
erden wir – das ist meine Überzeugung und auch Be-
rchtung – die Folgen nicht eingrenzen können. Durch

eine Ethikkommission und keine Beschreibung von
inzelfallentscheidungen wird das in den Griff zu be-
ommen sein.

Frau Sitte, ich nehme Ihnen ja ab, dass die betroffe-
en Eltern, wie Sie es sagten, keine populationsgeneti-
chen Überlegungen anstellen. Ich will Ihnen natürlich
uch nicht unterstellen, dass Sie der Euthanasie oder der-
leichen nahestünden. Aber die Frage ist doch, ob sich
icht ein gesellschaftliches Bild vom menschlichen Le-
en Bahn bricht, auf dessen Grundlage am Ende Nütz-
chkeitsentscheidungen getroffen werden.


(Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE] – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist doch schon lange so!)


er Druck auf das Gesundheitssystem – Stichwort
knappe Ressourcen“ – wird möglicherweise ein Übri-
es tun. Dies ist schon jetzt bei der PND der Fall, wo,





Markus Kurth


(A) )


)(B)

mehr oder minder unausgesprochen, bestimmte Fragen
von Ärztinnen und Ärzten gestellt werden. Wenn wir
einmal die Menschenwürde infrage gestellt haben, dann
gibt es gegenüber denjenigen, die aus gesundheitsökono-
mischen Überlegungen die PID vorantreiben wollen,
keine Haltelinie mehr.

In Bezug auf Menschen mit Behinderung befürchte
ich eine Perspektivverschiebung. Frau Molitor hat völlig
zu Recht gesagt, dass nur ein Bruchteil der Behinderun-
gen von genetischen Defekten abhängig ist. Die Frage
ist, wie wir mit dem Thema Behinderungen in der gesell-
schaftlichen Diskussion zukünftig umgehen wollen,
wenn wir die PID als Möglichkeit haben. Behinderungen
werden dann als vermeidbares Leid thematisiert, als et-
was Defizitäres, Mangelhaftes und Auszusortierendes.
Ich befürchte, dass dieser Perspektivwechsel, was Men-
schen mit Behinderungen angeht, eine Gesellschaft be-
wirkt, die den Begriff der Menschenwürde nicht mehr
vorbehaltlos trägt und die uns dann allen möglicherweise
nicht mehr die Lebensqualität und die Würde bietet, die
wir eigentlich von ihr verlangen.

Ich bitte um Unterstützung für ein vollständiges Ver-
bot der PID.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710505600

Das Wort hat Dr. Helge Braun.


Dr. Helge Braun (CDU):
Rede ID: ID1710505700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es ist keine einfache Debatte, auch nicht für mich; denn
in meinem beruflichen Leben als Narkosearzt habe ich
es stets abgelehnt, an Abtreibungen teilzunehmen.

Das Lebensrecht von Menschen hat selbstverständ-
lich auch für mich eine hohe Bedeutung. Vieles, was hier
über Menschen mit Behinderungen und über deren Le-
bensfreude und Lebensrecht gesagt worden ist, teile ich
uneingeschränkt. Ich sehe auch den Rechtfertigungs-
druck von Eltern, die ein Kind mit Behinderung ange-
nommen haben.

Wir müssen natürlich zunächst vom Embryo ausge-
hen und über sein Lebensrecht sprechen. Die Rechtslage
in Deutschland ist heute so – das ist der Grund, warum
es ein entsprechendes Urteil gegeben hat –, dass es ein
Abtreibungsrecht, das eine Fristenregelung und eine so-
ziale Indikation vorsieht, gibt. Das bedeutet: Das Le-
bensrecht eines Embryos, den wir im Rahmen der PID
nicht untersucht haben, aber dann im Rahmen einer Prä-
nataldiagnostik untersucht haben, kann beschnitten wer-
den und eine Abtreibung zur Folge haben. Diese Abtrei-
bung gilt es zu vermeiden. Es gilt auch, eine hohe Zahl
von Tot- und Fehlgeburten zu vermeiden. Für diese gel-
ten in Deutschland zwar keine absolut gesehen hohen
Zahlen; sie kommen aber besonders häufig bei Eltern
mit einem spezifischen erblichen Vorbelastungsprofil
vor.

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(C (D Es ist natürlich nicht so, dass die PID heilsbringend t. Sie wird sich auch aufgrund der geringen Zahl der etroffenen nicht positiv auf die Gesamtstatistik in eutschland auswirken. Sie bedeutet eine ganz individu lle Verbesserung und Linderung von Leid aufgrund von ehlund Totgeburten und bewirkt die Vermeidung von btreibungen in einem ganz konkreten Indikationskon ept. Einige sprechen hier von einem Dammbruch. Im Verältnis zur Abtreibung muss man sagen: Der Dammruch ist garantiert nicht die PID; denn die PID wird in em Gesetzentwurf deutlich schärfer reguliert, als dies allgemeinen Recht der Fall ist. Dies gilt in dreifacher insicht: Erstens. Der im Gesetzentwurf genannte Per onenkreis ist im Vergleich zum Abtreibungsrecht deutch stärker eingegrenzt. Zweitens. Die Gründe, die zur ichteinpflanzung führen könnten, sind im Gesetzenturf deutlich strenger geregelt als die Gründe, nach deen eine Abtreibung möglich wäre. Drittens. Das Staium, in dem die PID durchgeführt wird, ist das orembryonalstadium, nicht das Embryonalstadium. as sind drei Punkte, die zeigen, dass die vorgelegte Reelung zur PID aus ethischer Sicht ein weniger starker ingriff ist als die Regelungen zur Abtreibung. Meine Damen und Herren, deshalb muss man sich nur och mit der Frage beschäftigen: Wird die Anwendung er PID irgendwann ausgeweitet, kommt es irgendwann azu, dass sie in einem deutlich breiteren Spektrum anewendet wird? Wer sich die Zahlen anschaut und sieht, elche Beschwernisse mit einer künstlichen Befruchng – mit der Gewinnung der Eizellen, der Befruchtung nd der Implantation – verbunden sind, der weiß, dass es ier überhaupt nicht darum geht, ein gesundes Kind zu arantieren. Vielmehr ist es der Versuch, eine höhere ahrscheinlichkeit zu erzielen, ein lebensfähiges Kind u bekommen. Auch mit der PID – das ist hier gesagt orden – liegt die Wahrscheinlichkeit, dass betroffene aare ein lebensfähiges Kind bekommen, nur bei einem rittel bis 50 Prozent. Das heißt, die befürchtete schöne eue Welt, in der Kinder in wundervoller Weise gezeugt erden, ist mit der Technologie der PID nicht umsetzbar. chon deshalb gibt es eine Begrenzung. Wir haben heute viele Argumente zu diesem Thema ehört. Mir ist wichtig, eine weitere Frage in den Mittelunkt zu stellen: Ist es die Aufgabe des Deutschen Bunestages, diese Gewissensentscheidung für die Bevölkeng insgesamt zu treffen, oder steht hier eine dividuelle Gewissensentscheidung im Vordergrund? (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Es ist ein Recht, ein Lebensrecht!)


h sage: Es ist eine individuelle Gewissensentschei-
ung. Sie korrespondiert mit dem bestehenden Abtrei-
ungsrecht.

Eine Fristenregelung, die Ärzte in die Verantwortung
ringt, über Studien Erkenntnisse zur Lebenserwartung
u ermitteln, die quasi rechtsetzenden Charakter erhal-
n, halte ich für falsch. Deshalb ist eine Einjahresfrist
icht geeignet. Vielmehr muss es, selbstverständlich auf





Dr. Helge Braun


(A) )


)(B)

der Grundlage von Leitlinien der Ärztekammer, zu einer
individuellen Beratung, einem individuellen Gespräch
und einer individuellen Gewissensentscheidung kom-
men. Deshalb bitte ich um Zustimmung zum Gesetzent-
wurf von Frau Flach und Kollegen.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710505800

Elke Ferner hat das Wort.


Elke Ferner (SPD):
Rede ID: ID1710505900

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen!

Auch wenn man wie ich für ein sehr weit gehendes
Selbstbestimmungsrecht der Frau ist – da geht es mir
ganz ähnlich wie Biggi Bender –, kann man für ein Ver-
bot der Präimplantationsdiagnostik eintreten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es wurde auf die Praxis in anderen Ländern und die
sicherlich unbestreitbar schwierige Situation der Frauen
verwiesen, die bereits mehrere Fehlgeburten hatten und
sich trotz ihrer eigenen genetischen Disposition oder der
des Partners ein gesundes Kind wünschen. Die PID ist
aber nur scheinbar geeignet, dieses individuelle Leid zu
vermeiden. Durch die In-vitro-Befruchtung besteht die
Möglichkeit, die künstlich erzeugten Embryonen zuerst
auf mögliche genetische Schäden zu untersuchen, um
dann der Frau nur gesunde Embryonen zu implantieren.
Die Voraussetzung für die Präimplantationsdiagnostik ist
die In-vitro-Befruchtung. Die Indikation hierfür ist zu-
mindest bisher die Unfruchtbarkeit der Frau, in besonde-
ren, eingeschränkten Fällen auch die Unfruchtbarkeit
des Mannes; die genetische Disposition müsste erst hin-
zutreten.

Die nächste Frage, die zu beantworten ist: Käme diese
Methode dann für alle Frauen mit einer entsprechenden
genetischen Disposition in Betracht? Das ist nicht der
Fall; denn unverheiratete Frauen haben derzeit, zumin-
dest wenn sie in der gesetzlichen Krankenversicherung
versichert sind, keinen Zugang zur In-vitro-Befruchtung.


(Beifall der Abg. Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wenn man die Präimplantationsdiagnostik befürwortet,
darf man aus meiner Sicht keinen Unterschied machen
zwischen Frauen, die verheiratet sind, und Frauen, die
nicht verheiratet sind;


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Leid von un-
verheirateten Frauen, ihr Kinderwunsch und ihr Wunsch,
ein gesundes Kind zu bekommen, sind doch nicht da-
durch geringer, dass sie keinen Trauschein haben.

Das Nächste, was man sich fragen muss: Was passiert
denn, wenn die drei Versuche, die bisher von den Kassen
bezahlt werden, ausgeschöpft sind, ohne dass es zu einer
Schwangerschaft oder einem Kind, das gesund geboren

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(C (D orden ist, gekommen ist? Was ist denn mit den Paaren, ie nicht den entsprechenden finanziellen Hintergrund aben? Auch die werden die PID nicht in Anspruch nehen können. Die Behandlung – das ist eben schon gesagt worden – t für die Frauen eine sehr, sehr große psychische und hysische Belastung, und sie ist auch nicht frei von omplikationen. Wie einer Stellungnahme des Gemein amen Bundesausschusses zu entnehmen ist, haben Kiner, die mit der In-vitro-Befruchtung gezeugt werden, tatistisch ein signifikant höheres Fehlbildungsrisiko als inder, die auf normalem Wege gezeugt worden sind. sofern, glaube ich, ist das auch ein Punkt, der zu dieser ebatte gehört. Die Frage ist aber auch: Wie wird es weitergehen? Ich in der festen Überzeugung, dass Paare mit einer entprechenden genetischen Disposition genauso wie rauen, die heute ein gewisses Lebensalter überschritten aben, dann quasi mehr oder weniger in die PID hineinedrängt werden, so wie Frauen, die älter als 30 sind, eute in vielen Fällen in die Pränataldiagnostik hineingerängt werden, ob sie das nun wollen nicht. ines sage ich Ihnen auch voraus: Schon allein aus ründen des Haftungsrechts bei den Ärzten wird nach er PID, wenn es zu einer Schwangerschaft gekommen t, die PND als Kontrollmethode, als Kontrolldiagnose eiterhin stattfinden. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Eben!)


(Zuruf von der FDP: Quatsch!)


sofern werden mit dieser Diagnostik auch keine Spät-
bbrüche vermieden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb sollten diejenigen, die das befürworten, sich
och einmal überlegen, was da passiert. Nicht alle
rauen in Deutschland werden den Zugang zu der Diag-
ostik haben, also zum Beispiel Nichtverheiratete,
rauen, die drei Versuche ausgeschöpft haben. Nicht alle
ehinderungen können ausgeschlossen werden, nicht
lle sogenannten Spätabbrüche vermieden werden. Der
ourismus wird nicht ausgeschlossen werden können,
nd es ist auch keine selbstbestimmte Entscheidung der
rau. Es ist keine selbstbestimmte Entscheidung, wenn
m Ende eine Kommission darüber entscheidet, ob eine
rau diese Diagnostik in Anspruch nehmen darf.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


icht die Frau entscheidet darüber, sondern eine Kom-
ission entscheidet darüber, unter welchen Bedingun-

en die Diagnostik angewandt werden darf.

Das viel Schwierigere aus meiner Sicht sind Fragen
ie: Wie stehen wir zu Menschen mit Behinderung in
nserem Land? Das ist für mich am Ende der ausschlag-
ebende Punkt. Ich sage: Zu der Vielfalt in unserer Ge-
ellschaft gehört eben auch menschliches Leid. Es gehö-
n auch Menschen mit Behinderung dazu. Ich möchte





Elke Ferner


(A) )


)(B)

nicht, dass sich Eltern, die sich bewusst für ein Kind mit
Behinderung entscheiden, dafür rechtfertigen müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Ich möchte nicht, dass Menschen mit Behinderung, die
Teil unserer Gesellschaft sein wollen oder es sind, oder
ihre Eltern sich rechtfertigen müssen und ihnen vorge-
halten wird, dass das alles unter Anwendung der PID
nicht hätte sein müssen. Das gehört mit dazu, auch wenn
damit menschliches Leid verbunden ist. Das gehört aus
meiner Sicht zur Vielfalt unserer Gesellschaft dazu. Wir
sind keine perfekte Gesellschaft. Ich finde, wir sollten
auch nicht eine Gesellschaft wollen, die nur aus perfek-
ten Menschen besteht.

Schönen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710506000

Das Wort hat Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.


(Beifall bei der FDP)



Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Rede ID: ID1710506100

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Fast am Ende der Debatte scheinen zur Zulässig-
keit der Präimplantationsdiagnostik fast alle Argumente
vorgetragen zu sein. Ich stehe hier auch, um den Antrag
von Frau Flach und vielen anderen zu unterstützen. Fasst
man die Vielfalt der Meinungen zusammen, mag man
dem Deutschen Ethikrat in seiner einhelligen Feststel-
lung zustimmen, dass der verfassungsrechtliche Status
des Embryos in vitro, auf den es bei der Problematik der
PID ankommt, derzeit nicht streitfrei bestimmt werden
kann. Oder anders ausgedrückt: Die Problematik der
PID ist nicht durch Rückgriff auf einen eindeutigen ver-
fassungsrechtlichen Status des Embryos zu klären.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)


Zu sehr ist der Diskurs zur PID und zum Rechtsstatus
des Embryos in vitro von vorrechtlichen, metaphysi-
schen, ja religiösen Festlegungen, Erwägungen und Vor-
stellungen durchsetzt, als dass er derzeit einem breiten
gesellschaftlichen Konsens zugänglich wäre.

Wenn auch nicht ganz unerwartet, so erstaunt diese
Uneinigkeit insofern, als gerade wir, der deutsche Ge-
setzgeber, im Rahmen der letzten Neufassung des § 218
des Strafgesetzbuches den Schutzbedarf und den Schutz-
umfang des Embryos in vivo in einer Weise zur rechtli-
chen Geltung gebracht hatten, die ausweislich des ent-
sprechenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts mit
den Forderungen des Grundgesetzes in Einklang steht.
Auch das 1991 und zuletzt 2001 geänderte Embryonen-
schutzgesetz folgt dieser offensichtlich verfassungskon-
formen Linie. Genau auf dieser Linie liegt auch die Ent-
scheidung des Bundesgerichtshofs vom Juli 2010.
Obgleich, wie der Bundesgerichtshof darlegt, dem Wort-

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(C (D ut des geltenden Rechts weder eine eindeutige Ablehung noch eine eindeutige Billigung der PID zu entnehen ist, schließt der Bundesgerichtshof – das möchte ich och einmal betonen; nach meiner Ansicht zu Recht – us der in § 3 Abs. 2 des Embryonenschutzgesetzes norierten Ausnahme vom Verbot der Geschlechterauswahl urch Verwendung ausgewählter Samenzellen, dass der esetzgeber sehr wohl den aus den Risiken von Erbrankheiten resultierenden Konfliktlagen der Eltern echnung tragen wollte. Damals formulierten wir, der Gesetzgeber, unmisserständlich, es könne einem Ehepaar nicht zugemutet erden, sehenden Auges das Risiko einzugehen, ein rankes Kind zu bekommen, wenn künftig die Möglicheit bestehen sollte, durch Spermienselektion ein gesunes Kind zur Welt zu bringen. Der urteilende Senat des undesgerichtshofs konnte wegen der insoweit vom Ge etzgeber schon damals getroffenen Werteentscheidung nd dazu gegebenen Begründungen eben nicht annehen, dass der Gesetzgeber, der die extrakorporale Beuchtung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft im mbryonenschutzgesetz ohne weitere Voraussetzungen rlaubt hat, die zur Verminderung gravierender Gesundeitsrisiken geeignete PID an pluripotenten Zellen veroten hätte, wenn sie seinerzeit schon zur Verfügung getanden hätte. Es ist ein weiterer Blick notwendig auf § 15 Abs. 1 atz 1 des im Wesentlichen am 1. Februar 2010 in Kraft etretenen Gendiagnostikgesetzes, wonach vorgeburtlihe genetische Untersuchungen während der Schwanerschaft ausdrücklich erlaubt sind. Auch daraus war der undesgerichtshof ein gesetzliches Verbot der PID heruleiten nicht in der Lage; denn sonst hätte es der Geetzgeber auch damals, 2010, ausdrücklich gesagt. Nach diesen einschlägigen Entscheidungen folgt meier Auffassung nach, dass das der bestehenden Rechtsge zugrunde liegende Embryonenschutzkonzept und er Rechtsstatus des Embryos auf die zur Herbeiführung iner Schwangerschaft strikt begrenzte und deshalb zussige PID übertragbar ist. Aus meiner Sicht kann ein ID-Gesetz nur den Sinn haben, auf der Basis des vom eltenden Recht umfassten Schutzkonzeptes die Vorausetzungen und Bedingungen, unter denen die PID rechtäßig zur Anwendung kommen darf, zu präzisieren. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)


Mein letzter Satz: Ein Verbot der PID würde die be-
tehende Rechtslage gravierend ändern, würde unerklär-
are, höchst problematische Wertungswidersprüche im
ortpflanzungsrecht erzeugen und würde genau das tun,
as der deutsche Gesetzgeber doch eigentlich als unzu-
utbar ausschließen wollte,


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind aber heute der Gesetzgeber!)


ämlich hartherzig die Augen vor dem unsäglichen Leid
er Eltern zu verschließen, die dann ihren legitimen
inderwunsch aufgeben oder nur durch künstliche Be-
uchtung unter dem Risiko schwerer und schwerster,





Sabine Leutheusser-Schnarrenberger


(A) )


)(B)

zuweilen tödlicher Erbkrankheiten des Kindes erfüllen
könnten.

Deshalb unterstütze ich den Gesetzentwurf von Frau
Flach und vielen anderen aus tiefster Überzeugung.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710506200

Das Wort hat die Kollegin Dr. Maria Flachsbarth.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Maria Flachsbarth (CDU):
Rede ID: ID1710506300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Am Ende einer langen und sehr ernsthaften Debatte
möchte ich noch einmal ein paar zentrale Fragen aufgrei-
fen.

Erstens. Wann ist der Mensch ein Mensch? Jeder von
uns, die wir hier sitzen, war einmal ein Zellhaufen, auch
wenn der uns, so wie wir jetzt aussehen, völlig unähnlich
ist. Aber: Wie ähnlich werde ich eigentlich als 90-jährige
Greisin dem neugeborenen Säugling sein, der ich einmal
war? Deshalb: Das Leben des Menschen beginnt mit der
Verschmelzung von Ei und Samenzelle.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daher kommt dieser ersten und frühesten Lebensphase
der uneingeschränkte Schutz des Grundgesetzes zu.

Zweitens. Kann PID Paaren mit genetischer Vorbelas-
tung wirklich und sicher dabei helfen, ein gesundes Kind
zu bekommen? Die Antwort lautet ganz klar: Nein. Das
Verfahren hat eine sehr geringe Erfolgsquote, das haben
wir schon gehört. Die sogenannte Baby-take-home-Rate
beträgt 15 bis 20 Prozent; das heißt, nur jedes fünfte Paar
bekommt nach dieser sehr belastenden Prozedur über-
haupt ein Kind.

Herr Kollege Braun, wenn Sie sagen: Überlassen wir
diese Entscheidung doch dem Gewissen der Eltern – je
nachdem und individuell –, dann widerspricht das zum
einen der Forderung in Ihrem Antrag, eine Ethikkom-
mission einzusetzen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Das heißt: entweder Ethikkommission oder individuelle
Entscheidung. Zum anderen bin ich zutiefst davon über-
zeugt, dass es um eine grundsätzliche Angelegenheit des
Lebensschutzes geht. Die gehört in dieses Haus, in die-
ses Parlament. Wir können uns vor dieser Verantwortung
nicht drücken.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Drittens. Ist die PID tatsächlich auf wenige bestimmte
Fälle eingrenzbar? Meine ganz bestimmte Antwort ist

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(C (D uch hier: Nein. Was passiert denn, wenn der Arzt Auflligkeiten sieht, die nicht untersucht werden sollen, wie um Beispiel leichte Behinderungen oder leicht behanelbare Krankheiten? Die Bundesärztekammer will in rem jüngsten Richtlinienentwurf sogar die Untersu hung auf spätmanifestierende Krankheiten zulassen. lauben Sie denn wirklich, dass solche Embryonen dann plantiert werden würden? Bei den Untersuchungskits gibt es derzeit den Trend u Genchips, die nicht nur einzelne Gene, sondern ganze ensequenzen untersuchen. Das ist nämlich deutlich ostengünstiger. Es wird keine Testkits geben, die an die dividuelle genetische Situation einzelner Paare ange asst wären. Das ist schlicht zu teuer. Es werden Stanardkits sein. (Beifall bei der CDU/CSU, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


rst im Januar ist ein neuer Test von Kingsmore et al.
ubliziert worden, der sage und schreibe 448 Anlagen
r Erbkrankheiten auf einmal testet. Deshalb bin ich mir

anz sicher: Wenn wir PID auch nur für wenige Einzel-
lle zulassen, wird letztlich eine Tür geöffnet, die wir

iemals wieder schließen können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Zudem: Wie ist denn unsere Erfahrung mit engen In-
ikationen? In den 90er-Jahren hat der Deutsche Bun-
estag – auch das ist hier schon angesprochen worden –
ie embryopathische Indikation abgeschafft, weil Behin-
erung kein Grund dafür sein darf, nicht leben zu dürfen.
ber wir haben Abtreibungen bis in die späte Schwan-
erschaft straffrei gestellt für die wenigen Fälle, in
enen der Mutter durch die Behinderung des Kindes Ge-
hr für Leben oder die körperliche oder seelische Ge-

undheit droht, die nur durch einen Schwangerschaftsab-
ruch abgewendet werden kann.

Was aber ist die traurige Realität der pränatalen Diag-
ostik? Die Fruchtwasseruntersuchung – eine Kassen-
istung, gedacht für wenige Einzelfälle – wird heute
raktisch jeder schwangeren Frau ab dem 35. Lebensjahr
eraten. Wir müssen davon ausgehen, dass ungefähr die
älfte aller Kinder mit Trisomie 21, also dem Downsyn-
rom, abgetrieben werden.

Wer kann eine ähnliche Entwicklung bei der PID aus-
chließen? Wer glaubt daran, dass Eltern sich dafür ent-
cheiden, dass ein Embryo mit einem diagnostizierten
eniger schwerwiegenden Chromosomendefekt implan-
ert wird? Ganz zu schweigen von den haftungsrechtli-
hen Konsequenzen, die wir in der sogenannten Kind-
ls-Schaden-Rechtsprechung in aller Radikalität kennen-
elernt haben.

Deshalb: Der Staat ist durch das Grundgesetz zum
chutz des Lebens verpflichtet; danach ist unsere Ge-
etzgebung auszurichten. PID bedeutet immer, dass wir
ine Entscheidung darüber treffen, dass Leben in seiner
ühesten Form nur unter der Bedingung weitergelebt
erden darf, dass es keine genetischen Auffälligkeiten





Dr. Maria Flachsbarth


(A) )


)(B)

aufweist. Das dürfen wir nicht zulassen. Behinderung
darf niemals Grund für weniger Lebensschutz sein.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Der Verfassungsrechtler Professor Hillgruber schrieb
in einem Artikel in der FAZ in der letzten Woche – ich
zitiere –:

Kein Mensch ist allein aufgrund seiner Existenz,
mag sie noch so defizitär sein, für einen anderen
Menschen unzumutbar.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Genau das – das darf ich hier vielleicht zum Ab-
schluss sagen – trifft eine Grundüberzeugung für mich
als Christin. Ich glaube daran, dass jeder Mensch zu je-
dem Zeitpunkt seines Lebens von Gott angenommen ist,
und zwar unabhängig davon, wie klein, wie verletzlich
oder wie fehlerhaft er auch sein mag. Deshalb ist meine
Entscheidung ganz klar: Gegen die PID.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710506400

Die Kollegin Dr. Marlies Volkmer hat jetzt das Wort.


Dr. Marlies Volkmer (SPD):
Rede ID: ID1710506500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vor gut 20 Jahren habe ich als Ärztin in der Beratung
Paare erlebt, bei denen ein sehr hohes, genetisch beding-
tes Erkrankungsrisiko für zukünftige Kinder bestand.
Nicht selten hatten diese Paare bereits schwer erkrankte
Kinder, oder sie mussten den Tod ihrer betroffenen Kin-
der erleben, und das war häufig im Schulalter der Fall.
Die Eltern haben über lange Zeit das Leiden ihrer Kinder
mit durchlitten. Diese Eltern befanden sich immer dann
in einer außerordentlich belastenden Konfliktsituation,
wenn sie sich mit dem Gedanken trugen, doch noch ein
Kind haben zu wollen. Sollten sie sich auf eine erneute
Schwangerschaft einlassen mit der Gefahr, dass die Mut-
ter erneut ein Kind zur Welt bringt, das schwer erkran-
ken wird, oder sollten sie auf eine Schwangerschaft ganz
verzichten? Eine andere Möglichkeit bestand damals
nicht.

1989 wurde im Ausland erstmals eine PID durchge-
führt. Viele Länder haben die PID danach zugelassen. In
Deutschland wurde sie als mit dem Embryonenschutzge-
setz nicht vereinbar angesehen. Nun hat der Bundesge-
richtshof in zwei konkreten Fällen anders entschieden
und damit die Diskussion über die PID befördert. Viele
Menschen erhoffen sich jetzt vom Bundestag, also von
uns, eine rechtliche Regelung, die ihre belastende Situa-
tion verbessert.

Die derzeitige Situation bedeutet für Paare mit einem
schwerwiegenden genetischen Risiko, die sich dennoch
für eine Schwangerschaft entscheiden, Folgendes: Die
werdende Mutter unterzieht sich der inzwischen übli-

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(C (D hen vorgeburtlichen Diagnostik mit der möglichen, einalkulierten Folge eines Schwangerschaftsabbruchs, uch eines Spätabbruchs; es sei denn, das Paar geht mit inem schlechten Gewissen ins Ausland – das können ur diejenigen, die sich das leisten können –, um dort ine PID durchführen zu lassen. Beides ist meines Erachtens inhuman, weil mit der ID eine Methode zur Verfügung steht, die auch in unsem Land angewendet werden könnte und mit der das rauma eines Schwangerschaftsabbruchs verhindert erden könnte. Dieses Trauma ist natürlich umso gröer, je weiter die Schwangerschaft fortgeschritten ist. ine Pränataldiagnostik mit nachfolgendem Schwangerchaftsabbruch wird in unserer Gesellschaft ethisch toleert und ist rechtlich zugelassen. Es kann einer Frau icht zugemutet werden, bei schwerwiegender familiärer enetischer Belastung als Alternative zur PID eine Präataldiagnostik durchführen zu lassen. Hier schließe ich ich ganz klar dem Memorandum der Bundesärztekamer zur PID vom Februar dieses Jahres an. Nun ist auch heute wieder die Sorge vorgetragen woren, mit der von uns vorgeschlagenen Begrenzung der ID sei die Tür für eine grenzenlose Ausweitung der ID geöffnet, und dies könne sogar die Gefahr bergen, in tzter Konsequenz zum Designerbaby zu führen. (Rudolf Henke [CDU/CSU]: Nein! Das sagt keiner! Von Designerbaby spricht keiner!)


ir stellen heute einen Gesetzentwurf vor, der die PID
nter strengen Rahmenbedingungen ermöglicht. Die
ID wird nur für wenige Paare infrage kommen, auch
eswegen, weil vor einer PID eine In-vitro-Fertilisation
otwendig ist und keine Frau eine solche leichtfertig
ber sich ergehen lässt.

Ich bin der Meinung, dass sich die PID auch zukünf-
g begrenzen und kontrollieren lässt. Natürlich sind
ahlreiche wissenschaftlich-technische Entwicklungen
nd auch die PID zu missbrauchen. Ein möglicher Miss-
rauch rechtfertigt aber ihr kategorisches Verbot nicht.
ielmehr ist einem eventuellen Missbrauch der PID
urch den Gesetzgeber Einhalt zu gebieten. Wir tun das
adurch, dass wir die PID in Deutschland nur in lizen-
ierten Zentren und nach umfassender Aufklärung und
sychosozialer Beratung in eng indizierten Fällen zulas-
en wollen. Die PID kann sich damit – im Gegensatz zur
chon erlaubten und ethisch tolerierten Pränataldiagnos-
k – nicht zu einem Standardverfahren der vorgeburtli-
hen Diagnostik entwickeln, wie es manche befürchten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710506600

Damit schließe ich die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
uf Drucksachen 17/5450, 17/5452 und 17/5451 an die
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-

chlagen. Damit sind Sie einverstanden? – Dann ist das
o beschlossen.





Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt


(A) )


)(B)

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 4 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Gustav
Herzog, Uwe Beckmeyer, Doris Barnett, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Für einen neuen Infrastrukturkonsens –
Schutz der Menschen vor Straßen- und Schie-
nenlärm nachdrücklich verbessern
– Drucksache 17/5461 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss

Zwischen den Fraktionen ist verabredet, hierzu ein-
einviertel Stunden zu debattieren. – Dazu sehe und höre
ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich gebe das Wort dem Kollegen Gustav Herzog für
die SDP-Fraktion.


Gustav Herzog (SPD):
Rede ID: ID1710506700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich bringe für die SPD-Fraktion den Antrag „Für einen
neuen Infrastrukturkonsens – Schutz der Menschen vor
Straßen- und Schienenlärm nachdrücklich verbessern“
ein. Ich glaube, es wäre gut – ohne das jetzt als Kritik
anzubringen –, wenn an der Anzeigetafel auch der erste
Teil des Titels unseres Antrags stehen würde. Ich glaube
nämlich, der Infrastrukturkonsens ist die viel tiefer ge-
hende Frage, die wir in diesem Zusammenhang beraten
müssen.

Ich will, auch für die Zuhörerinnen und Zuhörer, sa-
gen: Wir haben uns in den letzten Sitzungswochen schon
öfter mit dem Thema Verkehrslärm beschäftigt; ich darf
nur an die Debatte in der letzten Sitzungswoche zum
Mittelrheintal erinnern. Dieses Thema hat bei uns also
einen hohen Stellenwert. Dass meine Fraktion diesen
Antrag in der Kernzeit einbringt, mit über einer Stunde
Debattenzeit, zeigt, wie ich glaube, auch, welch hohen
Stellenwert dieses Thema bei uns, der SPD-Fraktion,
hat.


(Beifall bei der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer sich mehr mit
diesem Thema beschäftigt und sich die Zahlen anschaut,
wie groß die empfundene Belastung durch Verkehrslärm
für die Menschen ist, der wird feststellen: Dies ist ein
flächendeckendes Thema mit großen Schwerpunkten.
Über 20 Prozent der Menschen fühlen sich durch Schie-
nenlärm erheblich beeinträchtigt. Das UBA nennt die
Zahl von über 13 Millionen Menschen, die sich insbe-
sondere im städtischen Bereich durch Straßenlärm be-
einträchtigt fühlen. Allein 12 Milliarden Euro sollen
durch den Straßenlärm an gesellschaftlichen, insbeson-
dere gesundheitlichen Schäden entstehen. Das ist also
ein Thema ersten Ranges.

Dabei, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Frage
der Mobilität und der Belastungen, die daraus erwach-

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(C (D en, nicht mehr nur eine Frage der Technik im Hinblick uf Fahrweg und Fahrzeug oder einfach nur eine Frage on Grenzwerten, sondern auch eine existenzielle Frage er Lebensqualität und der Gesundheit. Die rheinlandfälzische Messstation im Mittelrheintal, in Oberwesel, at für September 2010 folgende Werte ermittelt: über 0 Fahrten von Güterzügen in der Nacht, ein Mittelungsegel von 75 Dezibel ber 103 Dezibel es EBA ausgedruckt. ie Sie wissen, habe ich die Farbe Rot sehr gern. Aber diesem Falle bedeutet sie für die Menschen wirklich ine Riesenbelastung. Sie werden jede Nacht durch ärm und Erschütterungen gestört. Ich komme auf den Begriff „Infrastrukturkonsens“ urück. Was heißt es denn, wenn die Menschen sagen: Wir sind zwar für die Schiene, wir wollen auch Auto hren; aber wir wollen keine Trasse, sondern ein Nachthrverbot“? Es stellt sich die Frage: Wie schaffen wir ier einen neuen Konsens, der notwendig ist, weil wir in nserer arbeitsteiligen Industriegesellschaft in hohem aße darauf angewiesen sind, dass Personen und Güter ansportiert werden, dass Energieund Datenströme ießen? Dabei macht uns insbesondere der Güterverkehr orgen. Gegenüber Prognosen bin ich sehr skeptisch. Dies gilt sbesondere im Hinblick auf die Verflechtungsprognose 025, weil sie davon ausgeht: Der Energiepreis wird sich icht erhöhen. Wir werden in den nächsten 15 Jahren lle Projekte des vordringlichen Bedarfs realisieren. – as sind eher Spekulationen als Prognosen. Trotzdem: Sollen wir vor die Menschen im Mitteleintal und in anderen hochbelasteten Brennpunkten eten und ihnen sagen: „Das, was ihr heute erleiden üsst, ist nur ein Teil dessen, was in den nächsten Jahren uf euch zukommt“? Ich glaube, dies macht deutlich, ie wichtig es ist, dass wir einen neuen Konsens für die lanung, den Bau und den Betrieb von Infrastruktur hereiführen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Aber ich erlebe in einem Wahlkreis, dass die Leute selbst bei kleinen auvorhaben wie dem Bau einer Biogasanlage anfanen, zu berechnen, wie viele zusätzliche Traktoren im all der Realisierung des Vorhabens durch die Gemeinde hren würden, mit dem Ergebnis, dass sie eine Anlage, ie eigentlich alle wollen, aus diesem Grund ablehnen. ir erleben ein ähnliches Phänomen auch im Rheintal. ie Menschen dort sind für den Gütertransport. Aber sie ollen ihn nicht in der Form, in der wir ihn in den letzn Jahrzehnten organisiert haben. Ich glaube, unsere erausforderung besteht darin, neue Konzepte, einen euen Konsens bei der Infrastruktur zu organisieren. Wir sollten auch einmal daran denken, welche Kosten s verursacht, wenn wir in diesem Bereich nicht voranommen. Wir müssen die Beteiligungsrechte der Men Gustav Herzog )


(Der Redner hält ein Schaubild hoch)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)





(A) )

schen verbessern; denn es wird nicht – wie aus den Rei-
hen der Koalitionsfraktionen zu hören ist – reichen,
Beschleunigungsgesetze zu machen und pro forma die
Bürgerbeteiligung auszuweiten. Wir müssen die Men-
schen im wahrsten Sinne des Wortes bei der Absicht, der
Planung, dem Bau und dem Betrieb mitnehmen. Nur
dann haben wir eine Chance, dass es nicht zu Aufstän-
den in diesem Land kommt.


(Beifall bei der SPD)


Dabei haben wir schon viel geleistet. Ich blicke so-
wohl auf die rot-grüne Regierung als auch auf das zu-
rück, was wir in der Großen Koalition gemacht haben.
Ich blicke aber auch auf das zurück, was Sie im letzten
Jahr geleistet haben, und zitiere aus dem Investitionsbe-
richt der Bundesregierung: Im Lärmschutz bei den Bun-
desfernstraßen sind im Jahr 2009 133 Millionen Euro
auf dem Gebiet der Vorsorge und 43 Millionen Euro bei
der Sanierung verbaut worden. – Bei den Schienenwe-
gen haben wir 1999, um es einmal deutlich zu sagen, mit
der Lärmsanierung angefangen. Davon betroffen waren
550 Ortsdurchfahrten, 800 Kilometer Streckenlänge, 280 Ki-
lometer Schallschutzwände und über 40 000 Wohnun-
gen.

Trotzdem, Kolleginnen und Kollegen, empfinden die
Menschen immer noch: Es ist mehr geworden, es ist
schlimmer geworden. All das viele Geld – ich bemerke
das nur am Rande –, das in hohem Maße in Planung und
nicht in wirksamen Lärmschutz geflossen ist, hat wohl
nicht gereicht. Deswegen müssen wir verstärkt und en-
gagiert da herangehen. Mich würde deswegen zum Bei-
spiel, Herr Bundesminister, auch interessieren, wann Sie
die Aktualisierung der Gesamtkonzeption zur Lärmsa-
nierung an bestehenden Schienenwegen vorlegen wol-
len. So haben Sie es im Investitionsbericht geschrieben.
Wird diese neue Gesamtkonzeption dieses Jahr kom-
men? Können wir damit zu den Menschen an den Schie-
nenwegen gehen?

Ich glaube, es gibt eine Reihe von weiteren Punkten,
wo wir gemeinsam anpacken können, beispielsweise bei
der Lärmwirkungsforschung, die uns das Handwerks-
zeug geliefert hat, den Schienenbonus abzuschaffen.
Und es gibt eine Reihe von technischen Fortschritten,
die wir umsetzen müssen.

In der letzten Sitzungswoche hatte ich die gute Gele-
genheit, bei der Havelländischen Eisenbahn zu erleben,
wie eine richtig große, schwere Lokomotive, die bei der
Anschaffung etwa 2 bis 3,5 Millionen Euro kostet, für
ganze 40 000 Euro von einer lauten, dröhnenden Ma-
schine zu einer leisen Lokomotive umgebaut wurde, die
die neuesten europäischen Lärmanforderungen erfüllt.
Solche Dinge müssen wir mit Nachdruck verfolgen und
den Betreibern mit auf den Weg geben. Da reicht es
nicht, wenn Staatssekretär Scheurle mit dem LL-Zug
durch die Republik unterwegs ist und die Leute auf 2012
und später vertröstet. Das muss alles viel früher passie-
ren.


(Beifall bei der SPD)


Ich will noch einmal das Thema Schienenbonus an-
sprechen; denn in allem, was Sie bisher gesagt haben,

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(C (D ommt immer wieder vor, dass Sie die Abschaffung chrittweise einführen wollen. Auch in der Ausschussbetung ist gesagt worden, dass es insbesondere um finan ielle Gründe geht. (Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Wir wollen ihn abschaffen!)


Überlegen Sie einmal, was es heißt, wenn wir eine
trecke planen, sie in verschiedene Abschnitte einteilen
nd Sie dann den Schienenbonus schrittweise abschaf-
n. Wir haben dann drei oder vier verschiedene Werte.
ie wollen Sie das den Menschen vermitteln? Deswe-

en nehmen Sie einmal ein bisschen Mut und Kraft zu-
ammen und sagen Sie: Wir setzen ein Datum und schaf-
n ihn auf einmal ab. Ich glaube, das wäre das richtige
ignal, das wir gemeinsam zu den Menschen senden
önnten.


(Beifall bei der SPD)


Es wäre sicherlich hilfreich für die ganze Debatte,
enn Sie – vielleicht können Sie das auch schon in die-

er Aussprache leisten – jetzt präzisieren würden, wann
enn endlich der lärmabhängige Trassenpreis kommt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Im nächsten Jahr!)


ach der Antwort des Staatssekretärs Scheuer in der
tzten Fragestunde und nach Informationen der DB
etz wird er für 2012 der Bundesnetzagentur vorgelegt.
err Minister, vielleicht sagen Sie Ihren Kolleginnen
nd Kollegen in der Koalition einmal ein festes Datum.
ie können sich dann hier hinstellen und sagen: Wir ga-
ntieren, dass es zu diesem bestimmten Zeitpunkt kom-
en wird. Ich glaube, das wäre ein gutes Signal für die
enschen. Geben Sie sich einen Ruck! Helfen Sie mit,

ass unsere Botschaft für die Mobilität der Zukunft
eißt: So leise wie möglich und maximal so laut, wie wir
s erlauben.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710506800

Das Wort hat jetzt die Kollegin Daniela Ludwig für

ie CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Bravo!)



Daniela Raab (CSU):
Rede ID: ID1710506900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

h denke, wir sind uns in einem in diesem Haus einig:
obilität ist uns allen wichtig und gehört untrennbar zu

nser aller alltäglichem Leben, sowohl privat wie auch
ei der Arbeit. Sie umfasst sowohl die Fortbewegung zu
uß und per Rad – hier müssen wir uns über Lärm jetzt
icht allzu viele Gedanken machen – als auch natürlich
en Schiffsverkehr genauso wie das Auto, die Bahn, von
er Sie jetzt hauptsächlich gesprochen haben, und das
lugzeug.

Für dieses allzu natürliche Bedürfnis der Menschen
rauchen wir eine Infrastruktur, die es vorzuhalten gilt.





Daniela Ludwig


(A) )


)(B)

Dieser Vorhalt wird von uns auch berechtigterweise er-
wartet. Es gilt, diese Infrastruktur da, wo es notwendig
ist, auszubauen, zu verbessern oder eben auch neu zu er-
stellen. Dies alles muss immer unter der Prämisse ge-
schehen, dass dabei auch andere wichtige Aspekte be-
rücksichtigt werden. Der Schutz der Umwelt ist dabei
nur ein Thema; es geht eben auch um den Lärm und den
Schutz vor Lärm, was wir heute debattieren.

Auch das hat natürlich mit der Gesundheit des Men-
schen zu tun. Herr Kollege, Sie haben durchaus richtig
ausgeführt, wie subjektiv Lärm empfunden wird und
welche gesundheitlichen Auswirkungen er unbestritten
hat. Ich glaube, in diesem Haus herrscht auch kein Dis-
sens darüber. Wir müssen eben versuchen, bei jedem
Projekt immer wieder von neuem die Notwendigkeit der
Mobilität und der Erschließung all unserer Regionen mit
dem Schutz vor Lärm zusammenbringen.

Natürlich ist klar: Je höher der Lärmschutz, je höher-
wertiger und besser er ist, umso stärker ist die Akzeptanz
für die Sanierung alter oder bestehender Projekte und
umso stärker ist auch die Akzeptanz für neue Projekte.
Ich kann Ihnen eines sagen – das haben Sie schon er-
wähnt –: Hier ist in der Großen Koalition einiges voran-
gegangen, und ich glaube, wir haben auch im Ausschuss
durchaus überzeugend darüber gesprochen, dass auch
von der jetzigen Bundesregierung bei diesem Thema ei-
niges getan wird.

Ich verstehe natürlich, dass man immer noch sehr viel
mehr fordern kann und dass man sich immer noch sehr
viel mehr wünschen kann. Wir haben uns nun vorerst
einmal zum Ziel gesetzt, das Nationale Verkehrslärm-
schutzpaket II weiterzuführen, das auf dem Nationalen
Verkehrslärmschutzpaket aus dem Jahr 2007 aufbaut.
Darin werden laufende und neue Maßnahmen zur Ver-
meidung von und zum Schutz vor Verkehrslärm gebün-
delt und weitere Maßnahmen aus unserem Koalitions-
vertrag mit unserem Partner aufgeführt. Es geht hier zum
Beispiel um die lärmabhängigen Trassenpreise – das ist
ein ganz, ganz wichtiges Thema bei der Bahn – genauso
wie um die Revision der entsprechenden dazugehörigen
EU-Richtlinie für ein solches Trassenpreissystem.

Dieses Nationale Verkehrslärmschutzpaket II enthält
erstmals auch quantitative Lärmminderungsziele und
nicht nur hehre Ankündigungen. So soll die Belästigung
durch Verkehrslärm bezogen auf Lärmbrennpunkte in
besiedelten Bereichen bis 2020 im Vergleich zu 2008
deutlich abnehmen. Hierbei hat man sich sehr hohe Ziele
gesetzt: Beim Lärm im Flugverkehr, der bei Ihnen an-
scheinend gar nicht vorkommt


(Gustav Herzog [SPD]: Was?)


– das finde ich in Ihrem Antrag nirgends –, wollen wir
eine Reduzierung um 20 Prozent, im Straßenverkehr und
in der Binnenschifffahrt um 30 Prozent und im Schie-
nenverkehr um 50 Prozent.

Die Umsetzung genau dieser Ziele befindet sich auf
einem exzellenten Weg. Ich bedanke mich hier aus-
drücklich bei unserem Haus, bei unserem Verkehrs-
minister und beim Koalitionspartner. Ich glaube, wir zie-
hen hier sehr erfolgreich an einem Strang.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Wünsche kann man gut aufschreiben, Ihr Papier und r Antrag sind auch geduldig, finanziert werden muss as aber halt auch. Hier befinden wir uns sicherlich an inem sensiblen Punkt, zu dem ich später noch komme. Konkret zum Lärmschutz an der Schiene. Wir kennen as alle: Aus einem freiwilligen Programm des Bundes tehen jährlich 100 Millionen Euro für die Lärmsanieng zur Verfügung. Diese Mittel wollen wir zumindest onstant halten. Darauf haben wir uns im Koalitionsverag verständigt. Im Rahmen des Konjunkturpakets II wurden weitere novative Maßnahmen auf den Weg gebracht, um ärmreduzierung zu erproben und neue Wege zu bechreiten. Hierfür stehen ebenfalls 100 Millionen Euro usätzlich zur Verfügung. Die neuen Techniken sollen unser Maßnahmenportfoo zum Lärmschutz erweitern. Hierfür sind bundesweit 1 Einzelmaßnahmen verortet worden. Die Nutzung innovativer Techniken und die Einfühng eines lärmabhängigen Trassenpreissystems als weire Mittel zur Lärmreduzierung wurden bereits erwähnt. ir wollen damit den Wagenhaltern den Anreiz bieten, re Bestandsgüterwagen möglichst schnell auf lärmindernde Beläge umzurüsten. Wir setzen auch weiter in auf unser Pilotund Innovationsprogramm „Leiser üterverkehr“. Ich glaube, hier geht einiges. Wir müssen ns auch auf europäischer Ebene – denn Verkehr ist imer international – für die entsprechenden analogen aßnahmen einsetzen. Aber wir gehen mit gutem Bei piel voran. Sie fordern in Ihrem Antrag völlig zu Recht die Abchaffung des Schienenbonus. Darin sind wir uns einig. elbstverständlich wollen auch wir die Abschaffung des chienenbonus; denn Schienenlärm ist nicht besser als nderer Lärm und rechtfertigt deswegen keine andere nd privilegiertere Behandlung. Wir sagen aber: Das uss wohlüberlegt sein. Eine Abschaffung von heute uf morgen ist nach unserer Einschätzung nicht möglich. ir müssen darauf achten, in welchem Projektstadium ir den Schnitt machen. Wir müssen uns auch fragen, ie sich das auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei künfgen Projekten auswirkt. Das will wohlüberlegt und gut urchgerechnet sein. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Wie lange brauchen Sie dafür?)


Wenn wir hier einen Schnellschuss machen, lieber
err Beckmeyer, nutzt das weder den Bürgern, die von
ärm geplagt sind, noch uns, wenn wir darauf setzen,
mer mehr Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern.

ier müssen wir glaubwürdig bleiben – deswegen an
ieser Stelle keine ruckartigen Schnellschüsse, sondern
ohlüberlegtes Vorgehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Beim Straßenlärm gelingt uns derzeit Ähnliches. Mir
t es sehr wichtig, dass wir auch auf diese Lärmquelle
ingehen. Es gibt schließlich nicht nur die Schiene als
ärmerzeuger, sondern auch die Straße.





Daniela Ludwig


(A) )


)(B)

Die Bundesregierung hat die Mittel für die Lärmsa-
nierungsmaßnahmen an Bundesfernstraßen verdoppelt
und somit eine Steigerung der Ausgaben im Jahr 2010
auf über 40 Millionen Euro ermöglicht. Ich denke, das
ist ein richtiger Weg.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710507000

Frau Ludwig, der Kollege Hartmann hat sich zu einer

Zwischenfrage gemeldet.


Daniela Raab (CSU):
Rede ID: ID1710507100

Ich würde gerne weitermachen. – Wir greifen dabei in

der Regel auf aktive und passive Lärmschutzmaßnah-
men zurück. Sie kennen das alles. Es funktioniert in der
Praxis durchaus gut.

Für einen ausgesprochen wichtigen Schritt – darauf
können wir ein Stück weit stolz sein – halte ich, dass wir
die sogenannten Auslösewerte für die Lärmsanierung im
letzten Jahr um 3 dB(A) gesenkt haben. Das wirkt sich
bei jedem direkt persönlich aus, der an einer Bundes-
straße wohnt.


(Gustav Herzog [SPD]: Aber nur, wenn Sie investieren! Bislang ist es nur Papier!)


– Bislang ist es nur Papier? Das gilt eher für Ihren An-
trag als für unser Handeln. Aber ich komme noch darauf
zu sprechen, keine Sorge. – Die Absenkung um 3 dB(A)
merkt jeder, der an einer Straße wohnt, direkt und
höchstpersönlich.

Auf den öffentlichen Personennahverkehr und Ähnli-
ches will ich nicht weiter eingehen. Das geht auch Ihrem
Antrag leider ein Stück weit ab. Wir sind bereit, mit dem
Bundesverkehrsministerium neue Wege zu gehen, insbe-
sondere was den Einsatz von Photovoltaik in Kombina-
tion mit Lärmschutzanlagen an Bundesstraßen angeht.
Hier bringen wir zwei hehre Ziele zusammen: Ökologie
und die Gesundheit der Menschen mit dem Schutz vor
Lärm.

Jetzt komme ich zu den Punkten, die mich an Ihrem
Antrag stören. Sie haben gerade gesagt, das alles sei bis-
lang nur Papier. Das gilt, wie gesagt, überwiegend für
Ihren Antrag. Fluglärm kommt bei Ihnen nicht.


(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Wer will denn das Nachtflugverbot fallen lassen? Was machen Sie denn gegen Fluglärm?)


Die SPD sieht also nur Schutz gegen Straßenlärm und
Schienenlärm vor. Fluglärm kommt nicht vor. Wie ge-
stalten Sie denn in diesem Punkt Ihren sogenannten
neuen Infrastrukturkonsens aus? Diese Frage müssen Sie
erst einmal beantworten, wenn Sie einen Antrag vorle-
gen.

Des Weiteren: Papier ist geduldig. Sie können wün-
schen, fordern, anprangern und dieses oder jedes wollen.
Es gibt aber auch die Frage der Finanzierbarkeit. Die hat
die Sozialdemokraten bisher immer am allerwenigsten
interessiert.

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(C (D (Gustav Herzog [SPD]: Sie haben 1 Milliarde Euro für die Hoteliers zum Fenster hinausgeworfen!)


ur Finanzierung Ihrer wunderbaren Wünsche und Vor-
chläge schreiben Sie in Ihrem Antrag nichts, aber auch
ar nichts. Sie machen keinerlei Vorschläge zur alterna-
ven Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur. Sie halten
chöne Sonntagsreden darüber, dass wir die Menschen
or Lärm schützen wollen. Das ist eine Selbstverständ-
chkeit.


(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Dann machen Sie doch etwas! Sie sind doch in der Regierung!)


afür muss ich keinen fünfseitigen Forderungskatalog
ufstellen. Es ist selbstverständlich, dass die Menschen
or Lärm geschützt werden sollen. Ich muss aber die
rage beantworten, wie das zu finanzieren ist.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Das Netz finanziert sich selber!)


eim Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf, bei Ih-
en offensichtlich auch die guten Ideen. Das finde ich
rutal schwach.


(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Sie sind doch in der Regierung! Warum machen Sie es nicht?)


Sie waren es auch schon lange genug.

Wer sich als verantwortungsvolle Oppositionspartei
egreift, macht sich nicht so leicht vom Acker, indem er
ur gute Wünsche und schöne Worte äußert;


(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Wir haben damals 100 Millionen Euro eingesetzt!)


r stellt sich vielmehr seiner politischen Verantwortung
nd beantwortet die Frage nach der Finanzierbarkeit
leich mit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


enn Sie sie nicht beantworten können, was ich aus Ih-
m Antrag schließe, dann – das tut mir leid für Sie – ist

er Antrag nicht das Papier wert, auf dem er steht.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710507200

Der Kollege Herbert Behrens erhält das Wort für die

raktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Herbert Behrens (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710507300

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

ärm nervt uns, Lärm stört, Lärm macht aber auch
rank. Das wissen wir. Wir müssen alles tun, damit das
ermieden wird, wo immer es geht.





Herbert Behrens


(A) )


)(B)

Die SPD-Fraktion fordert einen neuen Infrastruktur-
konsens, damit die Lärmbelästigung sinkt. Das ist ein
gutes Unterfangen. Aber gleich vorne im Antrag kapitu-
liert sie schon ein Stück: „In den nächsten Jahren werden
die Verkehre in Deutschland massiv zunehmen“, heißt es
gleich zu Beginn. Wenn wir das so akzeptieren, dann ha-
ben wir, wie ich meine, schon verloren.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir kommen doch wohl nur weiter, wenn wir auch das
Verkehrswachstum infrage stellen. Das gehört in einen
solchen Antrag hinein. Lastwagen dürfen nicht mehr die
rollenden Lager der großen Industrie sein; der Klima-
wandel muss der Maßstab für unsere Verkehrspolitik
werden.


(Beifall bei der LINKEN – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Jetzt kommen endlich die Parolen!)


Ja, das wird sicherlich manchem wehtun. Das wissen
wir. Aber ich bleibe dabei: Lärmvermeidung ist Ver-
kehrsvermeidung. Für mich muss das der Grundgedanke
eines Antrags sein, der so weitgehend ist wie der der
SPD.

Um das Ziel „Weniger Lärm durch weniger Verkehr“
zu erreichen, müssen wir allerdings schon heute handeln.
Das ist klar.


(Judith Skudelny [FDP]: Autos abschaffen?)


Deshalb brauchen wir mehr Geld für den Lärmschutz im
Schienenverkehr. Wir wollen die Einbeziehung der Be-
völkerung in die Planung großer Verkehrsinfrastruktur-
projekte. Wir brauchen Beteiligung auch bei der Stadt-
planung. Es gibt viele Maßnahmen, die wir schon heute
umsetzen können. In der Umgebungslärmrichtlinie der
Europäischen Union werden beispielsweise Aktions-
pläne gegen den Lärm gefordert. Würden wir diese For-
derung ernst nehmen und umsetzen, dann könnte Lärm
schon heute effektiv bekämpft werden, und zwar überall
in Deutschland.


(Beifall bei der LINKEN)


In Darmstadt zum Beispiel gibt es eine Lärmminde-
rungsplanung und eine Lärmaktionsplanung für den Be-
zirk einschließlich der Ballungsräume Frankfurt und
Wiesbaden. Bei der Erarbeitung der Planungen war die
Bevölkerung maßgeblich beteiligt. Sie arbeitete an den
Lärmkarten mit und machte viele Vorschläge, wie der
Lärm in ihrer Stadt vermieden werden kann. Viele Vor-
schläge von dieser Seite sind nicht grundlegend neu: Es
geht um Tempolimit, um Verkehrsverlagerung, um
Nachtfahrtverbot für Lkws oder Durchfahrtsverbote.
Aber die Bevölkerung will wirksame Maßnahmen, die
ihr Lärm und Dreck vom Halse halten. Es werden auch
viele Vorschläge gemacht, wie man das mit baulichen
Maßnahmen erreichen kann. Bürgerinnen und Bürger
wissen am besten, was bei ihnen um die Ecke los ist, wo
es Handlungsbedarf gibt und wo etwas verändert werden
muss. Das müssen wir ernst nehmen.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Bürgerideen kosten Geld. Die Kommunen sind geagt, wenn sie die Baulast haben und für die Finanzieng zuständig sind. Aber ihnen sind die Hände gebun en, wenn Schuldenbremse und Finanznot um sich reifen. So werden viele gute Vorschläge vom Tisch gegt. Fest steht: Zukunftsinvestitionen lassen sich nicht us laufenden Einnahmen finanzieren; für sie braucht an einen besonderen Topf. Bürgerideen können dann icht umgesetzt werden, wenn die Schuldenbremse roht. Was würde passieren, wenn Bürgerideen nicht ehr nachgefragt werden? Dann melden sich die Bürger icht mehr zu Wort; denn sie wissen: Solange kein Geld a ist, um ihre Pläne zu verwirklichen, laufen sie vor die inanzwand, die aufgestellt worden ist. Es beschädigt ie Demokratie, wenn wir Bürgerinnen und Bürger vor iese Wand laufen lassen. Das können wir nicht zulasen. Wo liegt die Verantwortung auf der Bundesebene? ie Linke fordert: Vorrang für die Bahn! Dieser Vorrang ird aber nur akzeptiert, wenn der zusätzliche Verkehr icht zu zusätzlichem Lärm führt. Deshalb brauchen wir us meiner Sicht viel mehr Geld für das Verkehrssystem chiene. Die Trassenpreise für leise Züge müssen günsger werden – das wurde schon angesprochen –; sie müssen günstiger sein als für laute. Die Waggons üssen zügig umgerüstet werden. Dazu ist es unter Um tänden nötig, ein effektiveres Förderprogramm auf den eg zu bringen, als wir es jetzt haben. (Beifall bei der LINKEN – Werner Simmling [FDP]: Wer bezahlt das wiederum?)


(Beifall bei der LINKEN)


(Werner Simmling [FDP]: Wer zahlt das?)


Beim Straßenverkehr muss die unsinnige Trennung
wischen dem Lärmschutz bei Neubaustrecken und dem
ei bestehenden Straßen aufgehoben werden. Heute gel-
n für Neubaustrecken höhere Anforderungen als für
traßen im Bestand. Das geht nicht.

Viele Forderungen im SPD-Antrag sind nicht neu. Im
egenteil, sie sind uns seit Jahren bekannt.

Für den Erfolg eines neuen Infrastrukturkonsenses
rauchen wir eigentlich einen Konsens bei der Finanzie-
ng. Verantwortlich dafür ist die Bundesregierung –

hne Wenn und Aber.


(Beifall bei der LINKEN)


ber das wird nur schwer erreichbar sein, solange bei-
pielsweise die FDP alles der Regulierung des freien

arktes überlassen will. Das geht so nicht.


(Patrick Döring [FDP]: Der Schienenmarkt ist ein regulierter Markt!)


ie CDU widerspricht an der Stelle auch nicht laut und
indeutig.

Die Linke dagegen sagt: Verkehr vermeiden, ein-
chränken, umlenken. Wir brauchen mehr Geld für den
ozial-ökologischen Umbau des Verkehrssystems.


(Beifall bei der LINKEN)






Herbert Behrens


(A) )


)(B)

Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen, und nicht
die Interessen derjenigen, die auf Teufel komm raus die
Gewinne einstreichen wollen. Das wird Streit geben. Wir
werden wie immer Widerstand von denen erfahren, die
den Nutzen für sich haben und die Belastung auf die Ge-
sellschaft abwälzen wollen. Das wissen wir doch alle. So
stehen wir auf jeden Fall immer eng an der Seite von
Bürgerinitiativen, die mit ihren Kenntnissen und ihrem
Know-how in die Planung eingreifen wollen und am
besten wissen, wie man Lärm in der Zukunft vermeiden
kann.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710507400

Werner Simmling hat das Wort für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Werner Simmling (FDP):
Rede ID: ID1710507500

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege
Behrens, bei allem Respekt: Mit den Verboten, die Sie
hier genannt haben, lösen wir das Problem sicher nicht.
Dafür ist es einfach zu ernst.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


„Herzinfarkt durch Verkehrsinfarkt“ – zu diesem
Schluss kommt Auto Bild in einem Artikel, in dem aus
einer aktuellen Studie der WHO zum Verkehrslärm zi-
tiert wird. Daran sehen Sie den Ernst des Themas. Ver-
kehrslärm ist nämlich rechnerisch für 50 000 Herz-
infarkte in Europa verantwortlich. Das ist in der Tat
alarmierend. Es muss unser aller Ziel sein, den Verkehrs-
infarkt und damit den Herzinfarkt zu verhindern. Dies
erreichen wir nur mit dem gezielten Ausbau der Ver-
kehrsinfrastruktur, und nicht mit einer Infragestellung,
wie Sie sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
SPD, in Ihrem Antrag formulieren.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Gustav Herzog [SPD]: Dann haben Sie etwas anderes gelesen!)


Es ist doch in Wirklichkeit so, dass wir durch eine in-
telligente Verkehrsinfrastruktur Verkehrslärm vermin-
dern. Nehmen Sie doch zum Beispiel Ortsumfahrungen:
Gerade der Bau von Ortsumgehungsstraßen schafft eine
Entlastung von Verkehrslärm, von Abgasemissionen und
von Verkehrsunfällen.


(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der verschiebt ihn nur!)


– Nein. – Ortsumgehungen machen viele Ortschaften
erst wieder bewohnbar.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Das Gleiche gilt für die Schiene. Hier ist exempla-
risch die Rheintalbahn zu nennen. Wir wollen die Güter-
verkehrstrassen weitestgehend aus den Ortschaften

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(C (D erausnehmen und dadurch eine wirksame Lärmreduzieng erreichen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in unserem Koalitinsvertrag haben wir uns darauf verständigt, den Lärmchutz zu verbessern und auszuweiten. Diese Absicht ist uch von der Erkenntnis geleitet, dass die Akzeptanz für inen weiteren und notwendigen Ausbau der Verkehrsfrastruktur zur Befriedigung der Mobilitätsbedürfnisse ntscheidend davon abhängt. Wir haben die entsprechenen Maßnahmen im Koalitionsvertrag festgelegt, die Sie lle kennen und die ich jetzt nicht zu wiederholen brauhe. Zum Stichwort Schienenlärm bzw. Schienenbonus: ir sind in den vergangenen Wochen in dieser Frage ei en entscheidenden Schritt weitergekommen. So haben ir am 18. März 2011 in unserem Antrag zum anwoherfreundlichen Ausbau der Rheintalbahn die Bundesgierung aufgefordert, einen entsprechenden Gesetz ntwurf zur Abschaffung des Schienenbonus zügig orzulegen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Gustav Herzog [SPD]: Und wann kommt er?)


(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)


as BMVBS hat die Prüfung und Überarbeitung der
chtlichen Regelungen zum Schienenbonus auf Arbeits-

bene bereits aufgenommen.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Die nehmen Sie doch gar nicht ernst! – Florian Pronold [SPD]: Wann sind Sie so weit? 2015, 2016?)


ine Reduzierung des Schienenbonus setzt aber auch vo-
us, dass die Verkehrslärmschutzverordnung geändert
ird; und diese Änderung ist im Bundesrat zustim-
ungspflichtig.


(Patrick Döring [FDP]: Mal sehen, wie die SPD-Länder sich verhalten!)


Ebenso haben wir die Einführung lärmabhängiger
rassenpreise beschlossen.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Und?)


amit sind wichtige Punkte zum Schutz vor Schienen-
rm, die Sie in Ihrem Antrag fordern, bereits beschlos-

en.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Gustav Herzog [SPD]: Aber noch lange nicht umgesetzt! Bei dieser Regierung! – Gegenruf des Abg. Patrick Döring [FDP]: Ihr habt aber auch keinen Gesetzentwurf gemacht!)


Herr Herzog, eins nach dem anderen.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir
ürfen aber auch nicht vergessen, dass Schienenlärm-
chutz nicht zum Nulltarif zu bekommen ist; das wurde
chon ausgeführt. Die Erfolge werden sich auch nicht
on heute auf morgen einstellen. Besonders deutlich





Werner Simmling


(A) )


)(B)

wird dies bei der Umrüstung der Güterwagen. Hier ist in
der EU von bis zu 600 000 Wagen die Rede.

Stichwort Straßenlärm: Bezüglich Straßenverkehrs-
lärm zitieren Sie im Wesentlichen aus dem Nationalen
Verkehrslärmschutzpaket II. Wie Sie wissen, hat der Par-
lamentarische Staatssekretär Ferlemann bereits im Ja-
nuar im Ausschuss über den Stand der Umsetzung des
NVLP II informiert. Viele Ihrer Forderungen sind also
schon Bestandteil des Regierungshandelns oder bereits
umgesetzt.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Das haben die nur noch nicht gemerkt!)


Herausgreifen möchte ich dabei die Mittel für Lärm-
sanierungsmaßnahmen an Bundesfernstraßen; auch dar-
auf wurde vorhin schon hingewiesen. Die Verdoppelung
des Mittelansatzes für Lärmsanierungsmaßnahmen an
Bundesfernstraßen hat eine Steigerung der Ausgaben im
Jahr 2010 auf über 40 Millionen Euro ermöglicht. Durch
den Vorrang von aktiven gegenüber passiven Schutz-
maßnahmen und die Senkung der Auslösewerte für die
Lärmsanierung um 3 dB(A) im Jahr 2010 werden Bürge-
rinnen und Bürger besser als bisher vor Lärm geschützt.

Zum Schluss holen Sie, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen von der SPD, noch eine alte Kamelle, nämlich die
Forderung, Tempo-30-Zonen einzurichten, wieder aus
der Schublade. Da bin ich wirklich sehr enttäuscht; denn
ich hatte von Ihnen eigentlich etwas Intelligenteres er-
wartet. Das Tempolimit von 50 km/h in geschlossenen
Ortschaften hat sich bewährt. Es gibt daher keine Not-
wendigkeit zu einer Änderung. Bereits heute gibt es ge-
nügend Möglichkeiten zu Ausnahmen und zur Einfüh-
rung von Tempo-30-Zonen, zum Beispiel an sensiblen
Stellen wie Kindergärten und Krankenhäusern. Der
Spielraum für bürgernahe Lösungen ist also schon jetzt
vorhanden. Durch intelligente Verkehrsleitsysteme kön-
nen deutlich größere Verbesserungen für die Verkehrs-
sicherheit und die Umwelt erzielt werden als durch ein
Tempolimit von 30 km/h in Ortschaften. Das lehnen wir
ab.

Ihr Antrag ist also – ich möchte meine Kollegin Lud-
wig zitieren – nicht das Papier wert, auf dem er steht.


(Gustav Herzog [SPD]: Herr Kollege, das war aber jetzt böse von Ihnen!)


Ich danke Ihnen sehr herzlich.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Nichts zu danken!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710507600

Der Kollege Dr. Anton Hofreiter hat jetzt das Wort für

Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der Vorwurf vonseiten der Koalitionsfraktio-
nen gegenüber der Opposition, dass der Antrag das Pa-
pier nicht wert sei, auf dem er stehe, ist natürlich wohl-

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(C (D il. Es gibt eine ganz einfache Maßnahme, wie man aus en Anträgen der Opposition Handeln entstehen lassen ann: Stimmen Sie unseren Anträgen zu! In diesem Fall ürde gelten – der vorliegende Antrag ist auch unserer einung nach wirklich gut –: Stimmen Sie dem Antrag er SPD zu! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


un Sie dies, und schon wird aus diesem Antrag, der im
oment selbstverständlich nicht viel mehr als Papier ist,
egierungshandeln.


(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Große Teile sind beschlossen worden!)


enn Sie zustimmen, muss die Regierung nur noch die
om Bundestag beschlossenen Anträge umsetzen.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Wir sind dem Wohl des Landes verpflichtet!)


Zu den Anmerkungen von Herrn Simmling, dass mit
em Verkehrsinfarkt Herzinfarkte einhergehen: Selbst-
erständlich ist Verkehrslärm eine große gesundheitliche
efahr. Aber diese gesundheitliche Gefahr tritt im Stra-
enverkehr nicht nur auf, wenn Stau ist, sondern insbe-
ondere auch dann, wenn mit hohen Geschwindigkeiten
efahren wird. Sie haben da also etwas missverstanden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


s geht beim Schutz der Menschen vor Verkehrslärm
icht darum, möglichst viele Autobahnen und Straßen zu
auen, damit möglichst schnell gefahren werden kann,
ondern darum, diejenigen, die an besonders belasteter
erkehrsinfrastruktur leben, vor Verkehrslärm zu schüt-
en. Das ist ein großer Unterschied.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Warum ist es von großer Bedeutung, dass wir das Pro-
lem des Verkehrslärms in den Griff bekommen? Es ist
inmal von ganz großer Bedeutung für die Gesundheit
er Betroffenen. Das ist aber nicht nur eine Gesundheits-
age, sondern auch – das stellt man fest, wenn man sich
as in den Städten einmal in aller Ruhe anschaut – eine
minent soziale Frage.


(Gustav Herzog [SPD]: Sehr richtig!)


Wer wohnt denn insbesondere an den Verkehrsinfra-
trukturen und ist meist nicht nur von Lärm, sondern
uch von schlechterer Luft und Feinstaubpartikeln be-
offen? Selbstverständlich wohnen da die Menschen,
ie ein niedrigeres Einkommen haben, die sich vielleicht
chlechter in Bürgerinitiativen organisieren können, weil
ie keine Rechtsanwälte in ihren Reihen haben, die es
icht so gewohnt sind, zu reden und ihre Interessen
urchzusetzen. Deshalb ist es auch eine soziale Frage,
afür zu sorgen, dass die negativen Auswirkungen der
obilität begrenzt werden:


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)






Dr. Anton Hofreiter


(A) )


)(B)

Den Nutzen der Mobilität hat unsere gesamte Gesell-
schaft, aber die Lasten sind eindeutig unterschiedlich
verteilt. Die Lasten tragen insbesondere die Menschen,
die an der Verkehrsinfrastruktur leben, und das sind ins-
besondere ärmere Menschen, Menschen mit niedrigerem
Einkommen, die sich noch dazu in der Regel schlechter
wehren können.

Es gibt noch einen weiteren ganz entscheidenden
Grund dafür, dass wir die Problematik des Ver-
kehrslärms in den Griff bekommen müssen. Das betrifft
insbesondere die Schiene. Warum haben wir im Moment
so heftige Auseinandersetzungen über den Schienenver-
kehrslärm? Weil der Schienengüterverkehr eine Renais-
sance erlebt und eine Rückverlagerung von Verkehren
auf die Schiene stattfindet. Das finden wir positiv, das
schätzen wir, das begrüßen wir. Das brauchen wir aus
Klimaschutzgründen, wir brauchen es aber auch, um die
Chancen unseres Wirtschaftsstandorts in Zukunft zu
wahren; denn die Schiene ist vom knapper und teurer
werdenden Rohöl viel einfacher unabhängig zu machen
als der Lkw.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das alles wird für unsere Gesellschaft aber nicht
funktionieren, wenn es nicht gelingt, an den bestehenden
Schienenverkehrstrassen die Lärmbelastung stark zu
vermindern. Da reicht es nicht, wenn wir immer nur auf
passiven Lärmschutz setzen. Da reicht es nicht, wenn
wir immer nur auf höhere Lärmschutzwände setzen.


(Patrick Döring [FDP]: Das tun wir auch nicht!)


Es gibt inzwischen in vielen Kommunen Proteste unter
dem Motto: Wenn die Wände 7 oder 8 Meter hoch sein
müssen, dann verzichten wir lieber auf den passiven
Lärmschutz und hoffen, dass vielleicht die Politik ir-
gendwann handelt und das Problem an der Quelle be-
kämpft wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Was ist dafür notwendig? Dringend notwendig ist die
Umrüstung der Güterwagen. Das ist natürlich kein ganz
triviales Problem; denn die Güterwagen sind internatio-
nal unterwegs; die Güterwagen werden ausgetauscht.
Aber es gibt Ansätze, zum Beispiel den lärmabhängigen
Trassenpreis, zum Beispiel die Abschaffung des Schie-
nenbonus, zum Beispiel eine Förderung zur Einführung
von lärmärmeren Bremsen.

Andere Bremsen hätten auch erhebliche Vorteile für
die Infrastruktur. Wie sieht hier nämlich die Situation bei
der Schiene aus? Die Bremssysteme sind unendlich alt.
Sie funktionieren seit bald über 100 Jahren so, dass ein
Grauklotz auf den Radreifen gedrückt wird, um zu brem-
sen. Das verursacht nicht nur erheblichen Lärm, sondern
es zerstört auch die Lauffläche des Rades. Durch kaputte
Laufflächen wird wiederum die Gleisinfrastruktur zer-
stört. Das führt nicht nur zu weiterem Lärm, sondern das


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(C (D hrt auch zu erheblichen Kosten für den Gleisunterhalt. as kostet uns Geld, das uns im Bundeshaushalt dann an nderer Stelle fehlt. Wenn man da schnell und zügig umteuern würde, würde das nicht nur den Menschen heln, sondern mittelund langfristig im Haushalt erhebche Mittel für den Unterhalt des Schienennetzes eisetzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Diese erheblichen Mittel benötigen wir auch; denn es
uss uns gelingen, den Güterverkehr stärker von der
traße auf die Schiene zu verlagern. Das muss uns nicht
ur aus Umweltschutzgründen gelingen, das muss uns
icht nur aus Klimaschutzgründen gelingen, sondern da-
n müssen wir auch ein ureigenes Interesse haben; denn

nser Wohlstand hängt ganz erheblich davon ab, dass
nsere Verkehrsinfrastruktur zukünftig weiter gut funkti-
niert. Wir können nicht einfach darauf setzen, dass es
chon irgendwie klappen wird und irgendjemand eine
ee entwickelt, wie man die Lkw auf Agrotreibstoffe

der auch auf Batteriebetrieb – manche träumen ja da-
on – umstellen kann. All das, sagt die Wissenschaft,
ag beim Pkw, wo man vielleicht 1,5 bis 2 Tonnen be-
egen muss, noch funktionieren; beim Lkw mit 40 Ton-
en wird das schon weitaus komplizierter. Deshalb ist es
minent wichtig für unseren Wohlstand, dass es gelingt,
ie Schiene für mehr Güterverkehr zu ertüchtigen. Dass
ie Schiene zum Rückgrat eines modernen Güterver-
ehrs wird, ist für einen modernen Wirtschaftsstandort
ie die Bundesrepublik dringend notwendig.

Da genügt es nicht, wenn Sie sich das bloß wünschen
nd davon träumen. Wir haben die Bundesregierung ja
chon einmal aufgefordert, das umzusetzen. So kompli-
iert ist die Abschaffung des Schienenbonus eigentlich
icht. Die Abschaffung dieser Privilegierung der
chiene ließe sich sehr schnell umsetzen. Es ist auch
eine große intellektuelle Herausforderung, diesen Bo-
us zu streichen.


(Patrick Döring [FDP]: Dann mach du doch den Gesetzentwurf, du Schlauschnacker!)


eswegen: Tun Sie es einfach! Sorgen Sie dafür, dass
ie Regierung das umsetzt!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Da Sie gerade schreien, mache ich einmal einen ganz
infachen Vorschlag: Wenn Sie das in den nächsten vier
ochen nicht hinbekommen haben, dann schreiben wir
nen einen Gesetzentwurf zur Abschaffung des Schie-

enbonus, und Sie stimmen diesem Gesetzentwurf zu.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


bgemacht? – Nein. Jetzt machen Sie wieder einen
ückzieher; das kennen wir schon.





Dr. Anton Hofreiter


(A) )


)(B)


(Patrick Döring [FDP]: Ich will deinen Gesetzentwurf mal sehen! Schreib du den Gesetzentwurf! Lächerlich!)


Sorgen Sie dafür, dass den Ankündigungen endlich
Taten folgen. Dann werden wir Sie unterstützen. Denn
vergessen Sie eines nie: Sie sind die Parteien, die die Re-
gierung stellen, und wir sind die Opposition. Wenn Sie
wollen, dass unseren Worten Taten folgen, dann stim-
men Sie unseren Anträgen zu.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710507700

Der Kollege Thomas Jarzombek hat jetzt das Wort für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Thomas Jarzombek (CDU):
Rede ID: ID1710507800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Möglicherweise hat mich meine Fraktion heute als Red-
ner benannt, weil ich bei diesem Thema eine gewisse
Kompetenz habe.


(Florian Pronold [SPD]: Sie machen Lärm, oder was?)


Denn vor meinem Wohnzimmerfenster donnert die ge-
rade aus dem Untergrund kommende Stadtbahn entlang,
von meinem Schlafzimmerfenster blicke ich auf den
Ausläufer einer Autobahnbrücke, und außerdem kann
ich alle Starts und Landungen auf dem Düsseldorfer
Flughafen von meiner Wohnung aus beobachten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Düsseldorf ist der Nabel der Welt!)


Aber Ihr Antrag hat mich aufgeschreckt; das kann ich
nicht anders sagen. Sie schreiben nämlich Folgendes:

Lärm hat … eine schwerwiegende soziale Kompo-
nente. Verlärmte Orte werden von wohlhabenden
Bevölkerungsgruppen gemieden.

Sie haben „gesundheitlich negative Auswirkungen“, lö-
sen eine „Negativspirale“ aus und sind der „Nährboden
für die Bildung sozialer Brennpunkte“. – Mein Gott, ich
kann heute Nacht nicht mehr schlafen, nachdem ich das
gelesen habe! Ich scheine in einem Getto zu wohnen.


(Gustav Herzog [SPD]: Nach Ihrer Rede sowieso nicht! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das stand doch schon vorher fest!)


Meine Damen und Herren, bereits der Anfang Ihres
Antrages zeigt den ersten Grund, warum Ihr Antrag
nicht seriös ist: Sie verallgemeinern.

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(C (D Mein lieber Kollege Herzog, ich habe Ihnen gut zugeört. Sie haben in Ihrem Antrag das Gutachten von fras zitiert: 12,3 Milliarden Euro an volkswirtschaftli hen Kosten durch Verkehrslärm. – Sie haben allerdings ergessen, dazuzuschreiben, dass dieselbe Studie zu dem chluss kommt, dass von diesen 12,3 Milliarden Euro ur 0,83 Milliarden Euro auf Schienenlärm entfallen. Sie aben aber 100 Prozent Ihrer Rede dem Schienenlärm ewidmet. Ich kann Ihnen sagen: Die Menschen in meiem Wahlkreis mit dem drittgrößten Flughafen in eutschland haben von Ihrem Papier – sieben Seiten, ein Wort zum Fluglärm – vielleicht den Eindruck, dass en Sozialdemokraten der Fluglärm egal ist. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Das ist ja Landverkehr! Sie müssen einmal die Überschrift lesen! Das ist doch unglaublich!)


h kann Ihnen weiterhin sagen, was Ihr Parteifreund,
er Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen, Herr
oigtsberger, am 8. April dieses Jahres in der WAZ er-
lärt hat: Er hat da nämlich gesagt, dass er die Flug-
ewegungen dort ausweiten möchte. Das ist der zweite
rund, warum Ihr Antrag nicht seriös ist: Was Sie hier
redigen, halten Sie dort, wo Sie in der Regierung sind,
icht ein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710507900

Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des

ollegen Herzog zulassen wollen?


Thomas Jarzombek (CDU):
Rede ID: ID1710508000

Bitte.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710508100

Bitte schön.


Gustav Herzog (SPD):
Rede ID: ID1710508200

Herr Kollege, bevor Sie sich weiter darüber aufregen,

ass wir in unserem Antrag keine Aussage zum Flug-
rm getroffen haben, möchte ich Ihnen Folgendes sa-
en: Das hängt damit zusammen, dass die Verantwor-
ng des Bundes insbesondere dort greift, wo der Bund
igentümer ist, was nun einmal auf die Bundesfernstra-
en und die Bundesschienenwege zutrifft, und dass die
ompetenz bezüglich des Lärms der Flughäfen insbe-

ondere bei den Ländern liegt. Wir haben gedacht,


(Miriam Gruß [FDP]: Wo ist denn die Frage? – Gegenruf des Abg. Christian Lange [Backnang] [SPD]: Lesen Sie mal die Geschäftsordnung!)


ir helfen der Regierung, indem wir den Finger in die
unde legen und insbesondere die Probleme an den

tellen aufzeigen, wo die Verantwortung beim Bund und
icht bei den Ländern liegt. Ich glaube, das ist intellek-
ell durchaus nachvollziehbar.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)







(A) )


)(B)


Thomas Jarzombek (CDU):
Rede ID: ID1710508300

Ich danke Ihnen für Ihre Belehrung in intellektuellen

Dingen. Aber, Herr Kollege, wenn Sie einen Antrag mit
einem Umfang von sieben Seiten schreiben und eine De-
battendauer von anderthalb Stunden während der Kern-
zeit beantragen, aber nicht ein Wort über den Fluglärm
verlieren, obwohl der Bund an Flughäfen beteiligt ist,
dann zeigt dies ganz klar, dass für Sie der Fluglärm hier
und heute keine Rolle spielt. Das nehmen die betroffe-
nen Menschen durchaus zur Kenntnis.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Was ist denn das für eine Logik? Landverkehr!)


Als ich Ihren Antrag das erste Mal gelesen habe, habe
ich mich gefragt, wie alt denn das Nationale
Verkehrslärmschutzpaket II sein mag. Sie benennen in
Ihrem Antrag 32 Punkte, bei denen Nachholbedarf be-
steht. Doch Überraschung: Das Nationale Verkehrslärm-
schutzpaket II wurde während der Amtszeit Ihres letzten
Verkehrsministers, Herrn Tiefensee, vier Wochen vor der
Bundestagswahl im Herbst 2009 beschlossen. Jetzt füh-
ren Sie nach etwas über einem Jahr 32 Mängel auf. Jetzt
frage ich mich: War Ihr eigenes Konzept mangelhaft?


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Nein, die Diskussion geht weiter!)


Oder ist es so – das ist der dritte Grund, warum der An-
trag nicht seriös ist –, dass Ihre Forderungen in der Op-
position ganz andere sind als in Zeiten des Regierungs-
handelns?


(Gustav Herzog [SPD]: Wir haben gedacht, Sie träumen von den Taten!)


Oder war das NVP II nur mit heißer Nadel gestrickt und
dem Wahlkampf geschuldet?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Gustav Herzog [SPD]: Wir wollen es umsetzen!)


Was steht nun in Ihrem heutigen Antrag? Sie fordern
Dinge, die schon längst beschlossen sind. Ich nenne bei-
spielsweise die um 3 dB reduzierten Geräuschgrenz-
werte für Reifen und die Kennzeichnung umweltrelevan-
ter Eigenschaften. Das ist alles schon beschlossen.


(Gustav Herzog [SPD]: Sie sind die Beschlussvorlagenkoalition! Werden Sie die Tatenkoalition!)


Sie haben dazu auch eine Vorlage der Bundesregierung
bekommen. Das ist der vierte Grund, warum Ihr Antrag
nicht seriös ist: Sie fordern Dinge ein, die es schon
längst gibt.

Es gibt weitere Dinge, die Sie einfordern, die aber
schon längst im wahrsten Sinne des Wortes auf die
Schiene gesetzt worden sind; sie wurden hier schon ver-
schiedentlich besprochen. Wir haben am 18. März im
Plenum einen Antrag verabschiedet, in dem gefordert
wird, den Schienenbonus abzuschaffen und lärmabhän-
gige Trassenentgelte einzuführen. Insofern sind die
Dinge auf den Weg gebracht. Sie stehen ebenfalls im
Koalitionsvertrag. Das ist der fünfte Grund, warum Ihr
Antrag nicht seriös ist: Sie reiten auf Dingen herum, die

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(C (D chon längst beschlossen und auf den Weg gebracht woren sind. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Aber nicht umgesetzt sind, lieber Herr Kollege!)


Was ich aber, lieber Kollege Beckmeyer, an Ihrem
ntrag besonders spannend finde – das hat mir wirklich

u denken gegeben – und was sich hier wundervoll beo-
achten lässt, ist: Mit jedem weiteren Jahr in der Opposi-
on wächst die Entfernung zur Wirklichkeit massiv.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Vielleicht kommen Sie uns heute deshalb mit Ihren
2 Punkten – Sie haben sie kurz vor der Wahl offenbar
ergessen –, weil deren Umsetzung nur durch massive
ürzungen an anderen Stellen zu finanzieren ist. Sie
ollen die Ausgaben des Bundes für Lärmschutzmaß-
ahmen erhöhen, 155 000 Güterwaggons umrüsten, die
ersonelle und finanzielle Ausstattung des EBA erhö-
en, Elektrofahrzeuge noch mehr steuerlich begünstigen,
ie Lärmsanierungsmittel für den Schienenverkehr erhö-
en und die Beteiligung des Bundes an der kommunalen
ärmkartierung erhöhen. Das ist nur eine Auswahl.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Wir brauchen einmal einen Verkehrsminister, der auch um Geld kämpft!)


Liebe Freunde von der SPD, wer hier das Geld mit
ollen Händen aus dem Fenster werfen möchte, der
uss an anderer Stelle sparen. Wir haben doch gemein-

am die Schuldenbremse beschlossen.


(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Genau!)


uch Sie haben dafür in namentlicher Abstimmung vo-
ert. Wo wollen Sie also sparen? Ich habe Ihren Antrag

mer und immer wieder gelesen, aber eines habe ich
icht gefunden, nämlich das Wort „sparen“; das steht
irgendwo.


(Gustav Herzog [SPD]: Machen Sie doch die Mehrwertsteuersenkung für Hotelübernachtungen rückgängig! 1 Milliarde Euro!)


h fordere Sie also auf: Sagen Sie uns einmal konkret,
o Sie zur Finanzierung des vorliegenden Antrags kür-

en wollen!


(Gustav Herzog [SPD]: Ich sagte es Ihnen doch: 1 Milliarde Euro Mehrwertsteuerabsenkung für Hotelübernachtungen rückgängig machen!)


elche Ortsumgehung wollen Sie konkret streichen?
ann müssen Sie die betreffenden Orte, wo die Ver-
ehrslawine mittendurch geht, besuchen und mit den
enschen vor Ort über Lärmschutz reden. Das ist der

echste Grund, warum Ihr Antrag nicht seriös ist: Er ist
berhaupt nicht finanzierbar.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Uwe Beckmeyer [SPD]: Sie bedienen Ihre Klientel mit Milliardenbeträgen und reden vom Sparen!)






Thomas Jarzombek


(A) )


)
Am Ende will ich versöhnlich sein und bemerken,
dass Sie den Lesern Ihres Antrags auch Freude bereiten.
Es gibt dort nämlich ganz herrliche Stilblüten. Auf
Seite 6 findet sich meine Lieblingsstelle. Sie fordern dort
den Ausbau der Elektromobilität. Das tun wir übrigens
auch, da wir das sehr gut finden. Sie schreiben, dass die
Antriebsgeräusche vor allen Dingen innerorts im Ge-
schwindigkeitsbereich bis 30 km/h reduziert werden.
Keine zehn Zeilen weiter fordern Sie aber: Es müssten
auch „akustische Warnsignale zur besseren Erkennbar-
keit der geräuscharmen Elektrofahrzeuge“ eingeführt
werden – wunderbar! –,


(Zuruf von der FDP: SPD ist für mehr Lärm! – Zuruf von der SPD: Das ist doch kein Widerspruch!)


„um die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer auf
das neue Hören im Straßenverkehr zu schärfen“.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Wohl nicht auf dem Stand der Dinge!)


Das soll aber nicht nur ein bisschen geschehen. Denn
weiter heißt es: Die Signale sollten bitte so laut sein,
dass „insbesondere Hörgeschädigten“ Rechnung getra-
gen wird.

Meine Damen und Herren, auf diese Fahrzeuge freue
ich mich.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Gustav Herzog [SPD]: So kompliziert ist die Materie! Machen Sie sich über das Thema nicht lustig!)


Ich kann nur sagen: Ich finde es lustig. – Das ist der
siebte Grund, warum Ihr Antrag nicht seriös ist: Sie wi-
dersprechen sich selbst.

Liebe Kollegen von den Sozialdemokraten, Sie haben
uns mit Ihrem Antrag zwar Freude bereitet; aber das
Thema Lärm ist ein ernstes Thema, und zwar in der
Breite; es geht nicht nur um den Lärm an der Schiene
und auf der Straße, sondern auch um den Fluglärm. Wir
haben doch in der Großen Koalition gemeinsam zwei na-
tionale Verkehrslärmschutzkonzepte beschlossen. Sie
sind gut; daran gibt es keinen Zweifel.

Die Kollegin Ludwig hat es sehr ausführlich darge-
stellt: Bis 2020 soll die Belästigung durch Verkehrslärm
bezogen auf Lärmbrennpunkte in besiedelten Bereichen
abnehmen: im Flugverkehr um 20 Prozent, im Straßen-
verkehr und in der Binnenschifffahrt um 30 Prozent, im
Schienenverkehr sogar um 50 Prozent. Ich würde mich
freuen, wenn wir das konstruktiv und gemeinsam umset-
zen könnten. Denn den Betroffenen vor Ort ist nicht da-
durch geholfen, dass hier Schaufensteranträge gestellt
werden; sie erwarten von uns konkretes Handeln und
Lösungen für die Probleme vor Ort. Lassen Sie uns das
gemeinsam tun! Wir laden Sie gerne dazu ein. Ich freue
mich auf die weitere Diskussion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710508400

Das Wort hat jetzt der Kollege Florian Pronold von

der SPD-Fraktion.

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(C (D Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr räsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn hier mand eine Schaufensterrede gehalten hat und sich von er Realität der Menschen, die von Lärm betroffen sind, ntfernt hat, dann war es mein Vorredner. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


(Beifall bei der SPD)

Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1710508500

ir reden über ein Problem, das Hunderttausende Men-
chen in Deutschland betrifft. Herr Kollege, selbst wenn
ie die Ausnahme sind, geht es hier tatsächlich auch um
ine soziale Frage. Wer lebt denn an den stark belasteten
traßen in den Großstädten? Führen diese Straßen durch
ie Villenviertel?


(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Ja! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Kommen Sie mal in meinen Wahlkreis!)


Das möchte ich einmal sehen.


(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Fahren Sie mal in meinen Wahlkreis rein!)


Wer ist denn wirklich von Lärm betroffen? Nehmen
ie doch einmal die Realität zur Kenntnis.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


gal, wie lange Sie schon an der Regierung sind: Sie
önnen sich nicht noch weiter von der Realität entfernen
ls Sie es mit dem, was Sie gerade von sich gegeben ha-
en, bereits getan haben. Sie verspotten Menschen, die
den Tag unter Lärm leiden; das war der Inhalt Ihrer
ede.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710508600

Herr Kollege Pronold, gestatten Sie eine Zwischen-

age des Kollegen Jarzombek?


Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1710508700

Immer.


Thomas Jarzombek (CDU):
Rede ID: ID1710508800

Herr Kollege, Sie haben gerade behauptet, dass laute

traßen in Villenvierteln die absolute Ausnahme seien
nd Lärm eigentlich immer dazu führe, dass Viertel ab-
teigen, aber Villenviertel davon nicht betroffen seien.
h hörte im Hintergrund den Zuruf: „Kommen Sie mal
meinen Wahlkreis!“ Auch ich lade Sie ein. Gerade

ort, wo Verkehrsflughäfen sind – Sie haben sich offen-
ar nicht mit dem Thema auseinandergesetzt –, liegen
äufig Villenviertel.


(Beifall der Abg. Judith Skudelny [FDP])


Düsseldorf ist das so: In der Nähe des Flughafens gibt
s allein stehende Häuser und große Grundstücke; denn

(B)






Thomas Jarzombek


(A) )


)(B)

die Tatsache, dass dort der Flughafen ist, hat dazu ge-
führt, dass es keine Verdichtung der Bebauung gab.


(Zurufe von der SPD)


Das gibt es auch an anderen Stellen. Insofern sind alle
Schichten der Gesellschaft von Lärm betroffen. Ich
stelle Ihnen die Frage: Ist Ihnen das egal oder stimmen
Sie zu, dass Lärm alle betrifft? Ist es auch für einen Sozi-
aldemokraten interessant, dort etwas gegen Lärm zu tun,
wo Einfamilienhäuser stehen? Ist das für Sie auch eine
Zielgruppe?


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)



Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1710508900

Schauen Sie: Sie haben Ihre ganze Redezeit – zehn

Minuten – nur damit verbracht, sich über Leute lustig zu
machen, die von Lärm betroffen sind, dies ins Lächerli-
che zu ziehen.


(Judith Skudelny [FDP]: Nein!)


– Das haben Sie gemacht.


(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Nein, ich habe über Ihren Antrag gesprochen!)


Wir haben übrigens schon in unserer Regierungszeit da-
mit angefangen: Das zweite Lärmschutzpaket, das von
Frau Ludwig angesprochen wurde, ist von Wolfgang
Tiefensee auf den Weg gebracht worden. Wir kümmern
uns um die Probleme.

Ich lade Sie gerne ein, mich bei all meinen Terminen
vor Ort zu begleiten, bei denen es um Menschen geht,
die an einer lauten Straße oder – überhaupt keine Frage –
an einem Flughafen leben. Lärm ist ein Problem, das die
ganze Gesellschaft betrifft; das ist überhaupt keine
Frage.


(Beifall der Abg. Judith Skudelny [FDP])


In den Innenstädten betrifft es aber überwiegend diejeni-
gen, die sich die hohen Mieten nicht leisten können.


(Patrick Döring [FDP]: Quatsch! Richtiger Unsinn!)


– Ja, natürlich. Schauen Sie sich die Realitäten an.


(Hans-Werner Kammer [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn, den Sie da erzählen!)


– Ich habe gesagt: „überwiegend“. Man kann immer für
alles ein Beispiel finden.

Ich spreche hier von der Mehrheit der Betroffenen.
Man muss doch einmal zur Kenntnis nehmen, dass
Lärmbelastung auch eine soziale Frage ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Eines verstehe ich nicht. Auf der einen Seite be-
schimpfen Sie uns dafür, dass wir zu viel aufschreiben.
Auf der anderen Seite werfen Sie uns vor, dass wir zu
wenig aufschreiben, weil wir den Fluglärm in den An-
trag nicht mit aufgenommen haben. Sie müssen sich ein-
mal entscheiden.

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(C (D Der Herr Kollege hat deutlich gemacht, warum wir iesen Ansatz bzw. Schwerpunkt gewählt haben, nämch, weil er nicht primär in den Zuständigkeitsbereich er Länder, sondern in den des Bundes fällt. (Reinhold Sendker [CDU/CSU]: Reden Sie nicht! Bauen Sie Ortsumfahrungen! – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist schlichtweg falsch! Lärmschutzgesetze werden hier im Bundestag gemacht! Das wissen Sie auch! – Gegenruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch Quatsch!)


Wie wir zukünftig mit den Lärmbelastungen für die
enschen umgehen, hat sehr viel mit der zukünftigen Ent-
icklung unseres Wirtschaftsstandortes zu tun. Deutsch-
nd ist auf eine starke Infrastruktur angewiesen. Jetzt

eien wir doch einmal ehrlich: Infrastrukturplanung wird
eute von den meisten Menschen als Bedrohung aufge-
sst.


(Patrick Döring [FDP]: Reden Sie ihnen das nicht noch ein!)


s geht nach dem Sankt-Florians-Prinzip: Heiliger Sankt
lorian, verschon mein Haus, zünd andre an!


(Zurufe von der CDU/CSU)


nd warum ist das so? Das ist deswegen so, weil die
enschen der Politik insgesamt nicht mehr abnehmen,

ass sie tatsächlich Lösungen für ihre Probleme bekom-
en, selbst dann nicht, wenn sie vorher an Planungen

tärker beteiligt werden. Die Hauptsorge von Menschen
ezogen auf Infrastrukturmaßnahmen betrifft den Lärm,
er daraus hervorgeht. Wenn Politik insgesamt darauf
eine glaubhafte Antwort findet, sondern sich – wie Sie –
ier zehn Minuten hinstellt und versucht, ein bisschen
abarett zu machen, ist das ein Schlag ins Gesicht der
enschen,


(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Sie haben in der Sache nichts gesagt, was Sie tun wollen!)


ie Hoffnung darauf haben, dass sich Lebensverhältnisse
erbessern.


(Beifall bei der SPD)


ur Verbesserung der Lebensverhältnisse gehört eine
ernünftige Infrastruktur, die den Lärmschutz der Men-
chen entsprechend berücksichtigt.


(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Sie haben selber noch nicht eine Sache gesagt, die Sie tun wollen! Sie reden auch nur allgemein!)


Ich war ja so froh, dass Sie alles das, was wir machen
ollen, aufgezeigt und entsprechend kommentiert ha-
en.


(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Jetzt habe ich also doch zur Sache geredet!)


Aber ich komme jetzt zu den Dingen, die entspre-
hend zu machen sind.






(A) )


)(B)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710509000

Herr Kollege Pronold, wollen Sie auch noch eine

Frage des Kollegen Willsch beantworten?


Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1710509100

Wenn mir meine Redezeit verlängert wird, Herr Kol-

lege, gern.


(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Da kann man nicht genug von Ihnen kriegen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710509200

Bitte schön.


Klaus-Peter Willsch (CDU):
Rede ID: ID1710509300

Sehr geehrter Herr Kollege Pronold, ich denke, wir

sind uns einig, dass es, wenn es um die Bürger und ihre
Belastung geht, vor allen Dingen darauf ankommt, dass
Maßnahmen, wenn sie denn beschlossen werden, auch
umgesetzt werden. Ist Ihnen bekannt, dass das, was wir
in der Großen Koalition gemeinsam angestoßen haben,
nämlich die Förderung der Umrüstung von Bahn-
waggons, die bei uns durch den schönen Rheingau rollen
und eine wirklich unerträgliche Lärmkulisse verursa-
chen, durch Bezuschussung aus dem Bundeshaushalt,
zwei Jahre lang nicht in Kraft treten konnte, weil Ihr Mi-
nister Tiefensee die Notifizierung nicht fertiggebracht
hat? Ist Ihnen das bekannt?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Hört! Hört!)



Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1710509400

Ist Ihnen bekannt, dass wir – Gegenfrage – in der letz-

ten Sitzungswoche einen Antrag beschlossen haben, in
dem Sie als Koalitionsfraktionen Ihre eigene Bundesre-
gierung auffordern, bei der Rheintalbahn endlich etwas
zu tun?


(Zuruf von der CDU/CSU: Nichtantwort!)


Das ist auch eine spannende Frage. Wann kommt denn
da etwas? Die Menschen haben diese Ankündigungen
doch satt.


(Zuruf des Abg. Thomas Jarzombek [CDU/ CSU])


Wir haben europaweit 400 000 Waggons, die auf verän-
derte Bremsen umrüstbar wären. Es fahren ja nicht nur
deutsche Waggons durchs Rheintal. Wir brauchen also
erstens eine europäische Initiative. Zweitens weigern Sie
sich, endlich lärmabhängige Trassenpreise durchzuset-
zen. Das wäre eine Lösung, die sehr schnell zu Verbesse-
rungen führen würde.


(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Machen wir doch! – Zuruf von der FDP: Der Bundesverkehrsminister arbeitet daran!)


Es geht auch darum, dort für entsprechende finanzielle
Mittel zu sorgen.

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(C (D (Patrick Döring [FDP]: Das schüttelt man nicht aus dem Ärmel! Was ist mit Ihrem Antrag in dem Zusammenhang?)


Aber was war denn in der letzten Sitzungswoche vor
er Wahl in Baden-Württemberg die Botschaft des Herrn
undesverkehrsministers an die Menschen dort? Er hat
ie Menschen damit beruhigt, dass er gesagt hat: Jawohl,
s gibt für vernünftigen Lärmschutz auch entsprechend
eld. Der Herr Bundesverkehrsminister war in Brasi-
en, hat dort einen Caipirinha oder zwei getrunken und
at dann gleich nach Bekanntgabe der Wahlergebnissee
itgeteilt,


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: So ist es!)


ass es kein Geld mehr für Länder gibt, in denen falsch
ewählt wird. Dummerweise liegt ein großes Stück der
heintaltrasse in Baden-Württemberg. Die brauchen das
eld für Lärmschutzmaßnahmen. Gibt es dafür jetzt zu-
ünftig nichts mehr? Wenn ich die Worte des Bundes-
erkehrsministers ernst nehme, ist das so. Was ist in die-
em Zusammenhang mit Ihrem Antrag? Bitte geben Sie
arauf eine Antwort.

Es geht darum, was wir tatsächlich tun können. Es be-
teht hier im Haus Einigkeit darüber, was man tun kann
nd was man tun muss. Die Frage ist nun, wie man den
nkündigungen Taten folgen lassen kann. Das ist die

ntscheidende Frage.


(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Das wird der Kollege Willsch dann wissen!)


h höre bisher nur Ankündigungen und sehe keine Ta-
n. Es stellt sich beispielsweise die spannende Frage,
ie es bei der Rheintalbahn weitergehen soll. Auch Frau
udwig hat eine entsprechende Frage aufgeworfen.

Wir müssen über mehr Lärmschutz reden. Wenn wir
ukünftig einen Konsens mit den Bürgerinnen und Bür-
ern hinbekommen wollen, dass Verkehrsinfrastruktur
uch zukünftig gebaut wird, dann brauchen wir einen
pürbar höheren Lärmschutz, und der kostet Geld. Jeder
öhere Lärmschutz wird Geld kosten. Deswegen muss
an eine seriöse Antwort darauf geben, woher man das

ötige Geld bekommt.


(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Die Antwort geben Sie nicht!)


Warten Sie einmal ab.


(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Die gibt Ihr Antrag aber nicht!)


Es ist schön, dass Sie noch Hoffnung haben.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Die Hoffnung stirbt zuletzt!)


rau Ludwig, die Regierungsparteien kritisieren uns da-
r, dass wir Schnellschüsse machen. Sie regieren nun
st zwei Jahre und können in diesem Bereich nichts vor-
eisen.





Florian Pronold


(A) )


)(B)


(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Doch! – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Die Nummer mit dem Kabarett geht mit Ihnen nach Hause!)


Es wäre gar nicht schlecht, zumindest einen kleineren
schnelleren Schuss zu machen und nicht nur hier im Par-
lament Anforderungen an die Bundesregierung zu for-
mulieren, sondern Gesetze zu ändern. Das ist beim
Schienenbonus doch überhaupt nicht schwierig.


(Beifall bei der SPD)


Wo liegt denn da das Problem? Wenn Sie es wollen, tun
Sie es!


(Judith Skudelny [FDP]: Warum haben Sie es nicht gemacht?)


Warum machen Sie es denn nicht? Sie könnten schnell
schießen, wenn Sie wollten.

Zur Infrastrukturfinanzierung. Sie behaupten, die
SPD macht keine Vorschläge, wie man höhere Infra-
strukturausgaben finanzieren kann. Waren es nicht Sie,
die den Hoteliers 1 Milliarde Euro in den Rachen gewor-
fen hat?


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP – Christian Lange [Backnang] [SPD]: So ist es!)


Waren es nicht Sie, die den reichen Erben Hunderte von
Millionen Euro hinterhergeworfen haben?


(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Haben Sie Ihr Wahlprogramm vergessen, Herr Pronold?)


Verzichten nicht Sie auf eine Erhöhung der Lkw-Maut
und auf eine vernünftige Ausweitung der Mautpflicht?


(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Das stand doch auch im SPD-Wahlprogramm! – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Kabarett!)


Sie unterlassen alles, um mehr Geld in die Infrastruktur-
maßnahmen zu geben, um den Menschen und ihren be-
rechtigten Sorgen Rechnung zu tragen.


(Beifall bei der SPD)


Es gibt noch eine andere Form von Lärm, die wir
heute noch nicht behandelt haben – sie ist auch ziemlich
gefährlich –,


(Judith Skudelny [FDP]: Kinderlärm!)


nämlich den Lärm um nichts. Ihre heutigen Reden waren
nichts anderes als Lärm um nichts. Sie verletzen damit
das Vertrauen, das die Politik in dieser Gesellschaft ins-
gesamt braucht, um zukünftig Infrastrukturprojekte im
Konsens durchzubekommen. Es wäre nicht nur bei der
Rheintalbahn und nicht nur beim Schienenbonus wich-
tig, dass Sie anfangen, zu handeln, statt nur Ankündi-
gungen zu machen. Die Menschen haben ein Recht dar-
auf, dass sie weiterhin gut und sicher leben können.
Dazu gehört es auch, dass wir nicht nur von Lärmver-
meidung sprechen, sondern auch handeln.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D Das Wort hat die Kollegin Judith Skudelny von der DP-Fraktion. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen nd Herren! Wenn das alles so furchtbar einfach wäre, ie es die SPD-Fraktion dargestellt hat, dann frage ich ich: Warum haben Sie die Vorhaben zum Lärmschutz ährend Ihrer Regierungszeit nicht einfach umgesetzt? (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Gustav Herzog [SPD]: Wir haben Maßnahmen gegen Schienenlärm eingeführt und die Mittel von 50 auf 70 Millionen Euro erhöht!)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710509500

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Judith Skudelny (FDP):
Rede ID: ID1710509600

enn die Forderung so alt ist, wie Sie sagen, dann hätten
ie die ersten Schritte eigentlich schon längst machen
önnen. Ich muss Ihnen sagen: Sie waren einfach nicht
er Motor.


(Gustav Herzog [SPD]: Sie sind erst neu dabei! Ich verzeihe Ihnen!)


ie haben 90 Prozent der Forderungen aus dem Koaliti-
nsvertrag übernommen. Insofern nehme ich das als
ürdigung dessen, was wir, übrigens schon vor einem

ahr, beschlossen und als richtig erkannt haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Cornelia Behm [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie reden nur und tun nichts!)


Infrastruktur ist wichtig für Wirtschaft, Wohlstand
nd Wachstum. Wachstum, Wirtschaft und Wohlstand
rauchen wir nicht als Selbstzweck, sondern um unser
esundheitssystem, unser Sozialsystem und unser Ren-
nsystem am Laufen zu halten. Insofern ist die Infra-

truktur wichtig für die sozial Schwachen, weil gerade
ie es sind, die von diesen Systemen profitieren.

Die Infrastruktur muss jedoch mit Rücksicht auf Um-
elt und Menschen umgesetzt werden. Zur Umwelt:
ein theoretisch könnten wir natürlich alle Infrastruktur-
rojekte ins freie Feld planen, nur wohnen dort in aller
egel Hamster, Frosch und Fledermaus. Wenn wir diese
aturschutzaspekte berücksichtigen und näher an die
ohnbebauung herangehen, dann belasten wir wie-

erum Menschen. Wenn wir sagen, wir erhöhen die An-
rderungen beispielsweise an den Lärmschutz – was ja

uch gewollt ist –, dann werden Infrastrukturprojekte
erzögert. Sie werden teurer.

Die Linke sagt: Klar, dann machen wir einfach mehr
chulden. – Das kann man wollen.


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Vernünftige Bürgerbeteiligung! – Weitere Zurufe von der SPD und der LINKEN)


Ihre Aussage war: Bürgerideen werden von der Schul-
enbremse bedroht. – Das heißt: Scheiß auf den Haus-
alt – Entschuldigung.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)






Judith Skudelny


(A) )


)(B)

Sie sagen also: Der Haushalt ist egal, wir machen mehr
Schulden. – Wir sagen: Das geht nicht. Das belastet die
zukünftigen Generationen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Florian Pronold [SPD]: Wäre das ein Fall für das neue Ordnungsgeld?)


Deswegen wird bereits seit einem Jahr hinter den Kulis-
sen heftig darüber gestritten, wie wir die Umsetzung
vornehmen wollen. Dass es den Regierungsfraktionen in
dem einen oder anderen Punkt vielleicht schneller gehen
könnte, ist, glaube ich, kein Geheimnis. Darum haben
wir im März diesen Antrag gestellt.

Wenn wir allerdings Ihrem Antrag zustimmen wür-
den, dann kämen wir wieder an den Punkt, an dem wir
bereits vor einem Jahr waren, nämlich dorthin, wo im
Prinzip nur heiße Luft erzeugt wird. Wir aber sind einen
Schritt weiter. Wir wollen den Gesetzentwurf vorgelegt
haben. Ich sage: Dieses Gesetz kommt trotz allen Streits
und unter Abwägung aller Aspekte bis Ende dieses Jah-
res.


(Gustav Herzog [SPD]: Wir sprechen uns in einem Jahr hier wieder! Mal sehen, was Sie dann gemacht haben!)


Wir haben darüber gesprochen, dass die sozial
Schwachen diejenigen sind, die sich am wenigsten weh-
ren können. Ich weiß nicht, ob Ihnen die Bürgermeinung
zur Rheintalbahn tatsächlich so gut bekannt ist. Denn so-
wohl bei Stuttgart 21 als auch insbesondere bei der
Rheintalbahn ist es die bürgerliche Mitte, die sich für die
Schiene, zugleich aber auch für eine Abwägung einsetzt.
Sie bringen sich ein und fordern Lärmschutz.


(Gustav Herzog [SPD]: Ja, das habe ich auch vom Mittelrheintal erzählt!)


Hier sind nicht nur die sozial Schwachen, die von der
Linken vertreten werden, sondern tatsächlich alle davon
betroffen.


(Karin Binder [DIE LINKE]: Das sind einkommensschwache Menschen!)


Deswegen setzen sich wirklich alle für eine vernünftige
Umsetzung ein. Deswegen sind die Regierungsparteien,
die CDU, CSU und FDP, diejenigen, die auf diesem Ge-
biet ganz stark geworden sind – als Motor die FDP; nicht
die SPD, sonst hätten wir es schon –,


(Gustav Herzog [SPD]: Das ist wahr! Sie haben nichts hinbekommen!)


um die Umsetzung der Rheintalbahn möglichst zügig
hinzubekommen. Wir haben den Antrag im März ge-
stellt, damit dort die Planungen auch unter Berücksichti-
gung, dass der Schienenbonus nicht mehr existiert – üb-
rigens erstmalig –, weitergeführt werden.


(Gustav Herzog [SPD]: Das ist ein Prüfauftrag!)


Auch das haben frühere Regierungskoalitionen in dieser
Form nicht hinbekommen. Das möchte ich einmal sagen.

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(C (D (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Thomas Jarzombek [CDU/CSU])


Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir sind längst so
eit, wie Sie es eigentlich sein wollten. Sie haben es nur
och nicht gemerkt. Und wenn Sie meinen, die Koaliti-
nsparteien vor sich hertreiben zu müssen oder zu kön-
en, müssten Sie etwas früher aufstehen.


(Gustav Herzog [SPD]: Ich bin heute schon um halb sechs aufgestanden!)


it diesem Antrag ist es Ihnen jedenfalls nicht gelun-
en.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Florian Pronold [SPD]: Das war ja ein origineller Schluss!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710509700

Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Ralph

enkert von der Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710509800

Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen

nd Kollegen! Geld schützt vor Straßen- und Schienen-
rm. Wer genügend besitzt, baut sein Haus in ruhigen
egionen. Der Rest der Bevölkerung hat entweder
lück oder ist auf Lärmschutz angewiesen, der Geld er-
rdert.

Die SPD stellt in ihrem Antrag treffend fest, dass die
öhe der volkswirtschaftlichen Schäden durch Lärm
ehr als 12 Milliarden Euro jährlich beträgt. Die durch

en von Straße und Schienen verursachten Lärm ausge-
sten Krankheiten, die geringeren Arbeitsleistungen

ach gestörter Nachtruhe verursachen dies. 1,2 Millio-
en Bundesbürger müssen täglich bei mehr als 60 Dezi-
el schlafen. Umfangreiche Gesetze und Verordnungen
der EU und in der Bundesrepublik befassen sich fol-

erichtig mit Lärm. Ausreichend sind sie nicht.

Wieso wird die Lärmbelastung der Bevölkerung zur
lanung des Lärmschutzes eigentlich nur rechnerisch er-
ittelt und nicht zwingend mit Messungen überprüft?
b vom Zug, vom Flugzeug oder vom Lkw verursacht,
de Lärmart wird einzeln bewertet. Dem Idealmodell
lgende Kalkulationen ignorieren die Situation vor Ort.
as führt zu Fehleinschätzungen und damit zu fehlen-
en, nicht ausreichenden, mitunter aber überdimensio-
ierten Lärmschutzbauten. Deshalb fordert die Linke als
inen Schritt zu effektiverem Lärmschutz, die Lärmkar-
erung durch zwingende Lärmmessungen zu verbessern.


(Beifall bei der LINKEN)


Was stört einen erholsamen Schlaf eigentlich mehr:
as gleichmäßige Rauschen rollenden Verkehrs oder das
cheppern eines Tiefladers im Schlagloch? Nicht der
urchschnittliche Lärm allein ist entscheidend, sondern
uch die Höhe und die Häufigkeit von Lärmspitzen.

Daraus folgt unser nächster Schritt: Lärmspitzen müs-
en in die Lärmbetrachtung einfließen. Das größte Pro-
lem bei der Lärmbekämpfung ist unsere Art und Weise,





Ralph Lenkert


(A) )


)(B)

zu wirtschaften. Das Motto „Höher, schneller, weiter!“
führt zu immer mehr Verkehr. Da sind unnötige Trans-
porte. Muss man Joghurt von Flensburg nach München
transportieren und umgekehrt? Muss man allein aus Pro-
fitgründen Nordseekrabben in Marokko puhlen lassen?
Aus betriebswirtschaftlichen Gründen vielleicht, aus
volkswirtschaftlichen jedoch nicht, weil die Folgen, zum
Beispiel die Lärmprobleme, zulasten der Gemeinschaft
gehen. Deshalb setzt die Linke auf Verkehrsvermeidung
und regionale Wirtschaftskreisläufe.


(Beifall bei der LINKEN)


Der unvermeidbare Verkehr muss leiser werden. Dazu
brauchen die Kommunen Aktionspläne und Geld. Wo
Lkws über die Straße poltern, muss das Tempo reduziert
werden. Das ist billiger und hilft etwas. Besser wäre aber
eine Straße ohne Schlaglöcher und ohne Querschläge,
verursacht durch mangelnde Instandhaltung, durch Auf-
hacken und Verschließen der Straßendecke aus verschie-
denen Gründen.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Oft werden Baumaßnahmen unzureichend geplant und
durchgeführt. Daher schlagen wir vor, Lärmmessungen
in die Abnahmeprüfung und Garantiebewertung nach je-
der Baumaßnahme aufzunehmen.


(Beifall bei der LINKEN)


Das zwingt Baufirmen zu mehr Qualität, und Quali-
tätsarbeit erfordert Facharbeiter.


(Judith Skudelny [FDP]: Die fehlen!)


So kann die Abnahmeprüfung dazu führen, dass prekäre
Arbeitsverhältnisse in gute Arbeitsverhältnisse umge-
wandelt werden. Das ist linke Politik.


(Beifall bei der LINKEN)


Ob Schiene oder Straße, ohne Lärmschutzwälle wer-
den wir nicht immer auskommen. Wegen Geldmangel ist
vorbeugender Lärmschutz aber nur bei Neubauten vor-
gesehen. Wir fordern, dass auch die deutliche Zunahme
des Verkehrs eine wesentliche Änderung darstellt und
zwingend vorbeugende Lärmschutzmaßnahmen erfolgen
müssen.

Wie man mit weniger Geld mehr Lärmschutz errei-
chen kann, können Sie in Brandenburg sehen. Da regiert
übrigens die Linke.


(Gustav Herzog [SPD]: Die regiert mit!)


Bei Michendorf ist im Zusammenhang mit dem Ausbau
der A 10 die Anbringung von Photovoltaikanlagen vor-
gesehen. Würde man alle Lärmschutzbauten in der Bun-
desrepublik mit Photovoltaikanlagen ausstatten, könnte
dadurch der gesamte Strombedarf der Deutschen Bahn
gedeckt werden. Die dadurch frei werdenden Gelder
müssten zweckgebunden in den Lärmschutz fließen. Das
ist Umweltschutz.

Der Antrag der SPD ist unserer Ansicht nach richtig.
Er ist zwar etwas zu allgemein, aber wir stimmen ihm
trotzdem zu, weil er der Umsetzung unserer Ziele dient.

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(C (D Zum Abschluss ein Wort an die Koalitionsfraktionen: ehmen Sie nicht immer nur die Anträge der anderen useinander, sondern legen Sie selbst etwas vor. Ich habe nur Ankündigungen gehört. Ich habe gehört, as Sie bis 2020 alles machen wollen. andeln Sie! Übernehmen Sie die konkreten Vorschläge er Oppositionsparteien! Dann können wir etwas für den ärmschutz, für unser Land und für die Demokratie erichen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Florian Pronold [SPD])


(Judith Skudelny [FDP]: Haben wir doch!)


(Judith Skudelny [FDP]: Nein! 2012!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710509900

Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat

as Wort der Kollege Patrick Schnieder.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Patrick Schnieder (CDU):
Rede ID: ID1710510000

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
ir befassen uns heute in der Tat mit einem sehr ernsten

hema. Wenn man genau hinhört, stellt man fest, dass
ir uns hinsichtlich der großen Richtung, hinsichtlich
er Analyse dessen, was schon getan worden ist, und
insichtlich der Frage, was noch zu tun ist, eigentlich ei-
ig sind. Wir sind uns einig, dass Lärm die mit am
tärksten empfundene Umweltbeeinträchtigung ist. Mit
usnahme der Linken sind wir uns einig, dass wir auf
obilität angewiesen sind und, sofern wir nicht unter
ealitätsverlust leiden, den Ausbau von Mobilität voran-
eiben müssen.

Es gibt immer ein Spannungsverhältnis zwischen dem
usbau der Verkehrsinfrastruktur und dem Lärm. Des-
alb hat diese Bundesregierung den Lärmschutz zu ei-
em zentralen Anliegen ihrer Verkehrspolitik gemacht,
nd zwar sowohl, was den Aspekt des Gesundheits-
chutzes angeht, als auch, was die Akzeptanz der Folgen
on Mobilität angeht. Auch an dieser Stelle sind wir uns

Grunde einig, lieber Kollege Herzog.

Mich verwundert nur, dass Sie einen neuen Konsens
der Verkehrsinfrastruktur- bzw. Lärmschutzpolitik su-

hen. Das klingt, als hätte es in der Vergangenheit keine
roße Koalition gegeben, als wäre die Verkehrspolitik
icht elf Jahre lang auch durch die Sozialdemokraten ge-
rägt worden. Ich habe den Eindruck, dass Sie sich mit
iesem Antrag ein Stück weit von der eigenen Politik
erabschieden, die Sie elf Jahre lang gemacht haben.


(Gustav Herzog [SPD]: Das ist ein falscher Eindruck!)


Es ist ein Eindruck, der sich hier allerdings aufdrängt;
enn das, was Sie als Antrag stellen, ist in weiten Teilen
ereits Beschlusslage, ist in weiten Teilen auf den Weg
ebracht und wird von dieser Koalition und der Bundes-





Patrick Schnieder


(A) )


)(B)

regierung umgesetzt. Sie haben manches davon mit auf
den Weg gebracht.


(Gustav Herzog [SPD]: Da haben wir Zweifel!)


– Sie zweifeln an sich selbst.


(Gustav Herzog [SPD]: Nein, ich habe Zweifel an Ihrer Umsetzung!)


Ich bin dankbar für das Eingeständnis Ihrer gescheiterten
Verkehrspolitik der letzten Jahre.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich bin auch sehr erstaunt über Ihr Verständnis von
der Zuständigkeit des Bundes in Bezug auf Fluglärm.


(Gustav Herzog [SPD]: Wir haben das Fluglärmgesetz gemacht!)


Gerade ist geleugnet worden, dass wir auf Bundesebene
Einwirkungsmöglichkeiten in diesem Bereich haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Gustav Herzog [SPD]: Nein!)


Ich nenne als Beispiele das Bundes-Immissionsschutz-
gesetz und die Lärmschutzverordnung. Dies sind Bun-
desgesetze. Sie ignorieren eine der ganz wichtigen
Lärmquellen, die wir ebenso in den Griff bekommen
müssen, nämlich den Fluglärm. Auch dazu hätten wir
uns einige Vorschläge von Ihnen erwünscht.


(Gustav Herzog [SPD]: Kommt noch! – Gegenruf der Abg. Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Kommt noch? Noch so eine Debatte!)


Das sind die Ankündigungen, die Sie vorher in den
Mund genommen haben. Der Unterschied zwischen uns
in dieser Politik ist: Wir handeln, unser Minister handelt,
die Koalition handelt,


(Gustav Herzog [SPD]: Sie fassen Beschlüsse!)


und Sie kündigen an, dass es Ankündigungen gibt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Unser Ziel ist klar formuliert, und wir haben die ers-
ten Schritte unternommen. Wir wollen die Lärmbelas-
tung bezogen auf Lärmbrennpunkte in Deutschland re-
duzieren. Wir leugnen auch nicht das, was wir mit dem
Nationalen Verkehrslärmschutzpaket II aus dem Jahre
2009 gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Es bildet
die Grundlage für Maßnahmen zur Vermeidung von und
zum Schutz vor Verkehrslärm. Wir haben das Ganze mit
Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag ergänzt, vor al-
lem mit der Einführung lärmabhängiger Trassenpreis-
gestaltungen bei der Bahn. Auch da verstehe ich Ihre
Aufregung nicht. Alles wurde auf den Weg gebracht, al-
les wird kommen. Dies gilt auch für die stufenweise Ab-
schaffung des Schienenbonus.

Die Koalition hat eindeutig Schwerpunkte gesetzt,
und einer der Schwerpunkte, den wir gesetzt haben, be-
trifft die Lärmemissionen im Schienenverkehr. Wir müs-

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(C (D en feststellen, dass man dies nicht durch eine einzelne aßnahme in den Griff bekommen kann. Vielmehr sind ir auf ein ganzes Bündel von Maßnahmen angewiesen. ieses beinhaltet die Reduzierung und Abschaffung des chienenbonus, das Lärmsanierungsprogramm, das übriens mit jährlich 100 Millionen Euro dotiert ist, und ärmreduzierung an der Quelle; dies ist übrigens die irksamste und effizienteste Lärmvorsorge, die es im ereich der Schiene gibt. Deshalb sind die Maßnahmen, ie zur Einführung der Flüsterbremse ergriffen worden ind, egal, ob es sich um die K-Sohle oder LL-Sohle andelt, der richtige Weg, um Lärm zu vermeiden. Ich habe wenig Verständnis dafür, wenn man nur sagt, ass man Mobilität möchte und dabei Verkehre, vor alm Güterverkehre, auf die Bahn verlagern möchte. Zuächst einmal ist das mit mehr Lärm verbunden. Wir üssen uns ganz klar dazu bekennen, dass wir den so ntstehenden Lärm in den Griff bekommen wollen. Desalb müssen wir mit allem Nachdruck an der Lärmreduierung an der Quelle weiterarbeiten. Mit einem großen aßnahmenpaket im Rheintal ist ein wichtiger Schritt eschehen. Der Minister hat ein deutliches Zeichen geetzt. Auf diesem Weg wollen wir weitergehen. Das muss Hand in Hand mit einer Trassenpreisdiffenzierung gehen. Nur mit der lärmabhängigen Differen ierung der Trassenpreise bei der Bahn schaffen wir den nreiz, schnellstmöglich umzurüsten, und zwar im euroäischen Maßstab. Wir haben natürlich Verkehre, die urch ganz Europa gehen und von den verschiedensten igentümern gestellt werden. Daher müssen wir eine eupäische Lösung finden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf zuammenfassend feststellen: Wir haben mit dem Nationan Verkehrslärmschutzpaket II und den Festlegungen Koalitionsvertrag die richtigen Instrumente in der and. Wir haben eine gute Grundlage für die notwendien weiteren Schritte beim Verkehrslärmschutz. Wir doumentieren auch mit unseren Handlungen, mit den aßnahmen, die wir ergreifen, und mit dem Geld, das ir in die Hand nehmen, dass Verkehrslärmschutz für iese Koalition ein wesentlicher Bestandteil einer nachaltigen Verkehrspolitik ist. Ich darf feststellen: Wir sind ei der Umsetzung der Maßnahmen auf einem guten eg. Vielen Dank. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf rucksache 17/5461 an die in der Tagesordnung aufgehrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung eschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a bis 5 c auf: a)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710510100
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordne-






Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms


(A) )


)(B)

ten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Klaus
Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Gute Arbeit in Europa stärken – Den gesetzli-
chen Mindestlohn in Deutschland am 1. Mai
2011 einführen

– Drucksachen 17/4038, 17/5499 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Gitta Connemann

b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Brigitte Pothmer, Beate Müller-Gemmeke,
Fritz Kuhn, weiteren Abgeordneten und der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes für die Einführung
flächendeckender Mindestlöhne im Vorfeld
der Einführung der Arbeitnehmerfreizügig-
keit (Mindestlohngesetz)


– Drucksache 17/4435 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)


– Drucksache 17/5499 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Gitta Connemann

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordne-

ten Anette Kramme, Gabriele Hiller-Ohm, Iris
Gleicke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD

Gesetzlichen Mindestlohn einführen – Ar-
mutslöhne verhindern

– Drucksachen 17/1408, 17/5101 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Gitta Connemann

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. Gibt
es Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so
beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
nerin der Kollegin Gitta Connemann das Wort.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Die ist unterwegs hierher! Der Peter Weiß beginnt für uns!)


– Gut. – Dann erteile ich dem Kollegen Peter Weiß das
Wort, wenn er anwesend ist.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1710510200

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Das Thema „Gute Löhne für gute Arbeit“ beschäftigt zu
Recht das Parlament und auch die Bürgerinnen und Bür-
ger. Um es klar und deutlich zu sagen: Zu einer sozialen
Marktwirtschaft, wie wir sie verstehen, gehört auch das
Prinzip „Gute Löhne für gute Arbeit“. Daran darf es kei-
nen Zweifel geben. Die Frage ist nur: Wie?

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(C (D In dieser Debatte beantragen die heutigen Oppositinsfraktionen, Mindestlohnregelungen für Deutschland u beschließen. Für die Öffentlichkeit sollte aber Folendes gelten: Wichtig ist nicht, was man in den Zeiten, denen man in der Opposition ist, beantragt, sondern ichtig ist, was man in den Zeiten, in denen man in Reierungsverantwortung ist bzw. gewesen ist, tut bzw. gen hat. (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Ja! Sehr gut!)


s kommt auf das Tun und nicht auf das Reden an.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das stimmt! An ihren Taten sollt ihr sie erkennen!)


Nun zum Tun. Die Sozialdemokraten, die ihren Par-
ivorsitzenden als Redner in diese Debatte schicken,
nd die Grünen haben sieben Jahre lang eine Koalition
ebildet und die Bundesregierung gestellt.


(Zurufe von der SPD: Ach! Bitte nicht schon wieder! Das macht langsam wirklich keinen Spaß mehr! – Oh! Das ist jetzt wirklich neu!)


dieser Zeit ist gerade einmal ein branchenspezifischer
indestlohn in Kraft gesetzt worden. Alle anderen sieben

ranchenbezogenen Mindestlöhne, die es in Deutschland
ibt, sind in Zeiten, in denen die Union den Bundeskanz-
r bzw. die Bundeskanzlerin gestellt hat, eingeführt
orden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


s ist schön, dass Sie in Zeiten, in denen Sie in der Op-
osition sind, solche Anträge stellen. Es kommt aber auf
as Handeln an. Beim Handeln ist eindeutig die Union
iejenige politische Kraft, die durch ihre Gesetzgebung
ranchenbezogene Mindestlöhne in Deutschland ermög-
cht und sie faktisch und praktisch eingeführt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ulrich Petzold [CDU/CSU]: Und zwar schon zu Adenauers Zeiten!)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Christdemokraten
nd Sozialdemokraten haben sich in der Großen Koali-
on, in der die Sozialdemokraten in der Tat den Bundes-
rbeitsminister gestellt haben, mit der Novellierung des
rbeitnehmer-Entsendegesetzes und des Mindestarbeits-
edingungengesetzes gemeinsam auf den Weg gemacht,
ranchenbezogene Mindestlöhne zu ermöglichen. Die Ta-
fpartner können – und wenn es keine Tarifverträge
ibt, dann kann das auf der Grundlage des Mindest-
rbeitsbedingungengesetzes in einer Kommission ge-
chehen – für die jeweilige Branche Mindestlöhne bean-
agen. Ich finde, dass dieser Weg in der Tradition der
riflichen Autonomie steht, die wir grundgesetzlich

chützen. Es ist richtig, dass wir Politiker, bevor wir et-
as zum Thema Löhne sagen und entscheiden, zualler-

rst diejenigen, die etwas von Löhnen verstehen, näm-
ch Arbeitgeber und Gewerkschaften, etwas aushandeln
ssen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ach, Sie Peter Weiß )





(A) )

verstehen nichts davon? Das war die Aus-
sage?)

Deshalb betone ich den Vorrang von Tarifautonomie und
branchenbezogenen Mindestlöhnen. Das ist der Weg,
den wir zusammen mit den Sozialdemokraten einge-
schlagen haben, der nach wie vor richtig ist und den wir
auch in der neuen Koalition verteidigen und weiter
durchsetzen wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Mein Wunsch ist, dass die Möglichkeiten, die das Ar-
beitnehmer-Entsendegesetz und das Mindestarbeitsbe-
dingungengesetz bieten, besser genutzt werden. In der
Tat könnte ich mir vorstellen, dass in weiteren Branchen
branchenbezogene Mindestlöhne festgelegt werden, um
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Lohndum-
ping und – das ist genauso wichtig – Unternehmen vor
Schmutzkonkurrenz mit niedrigen Löhnen zu schützen.


(Zuruf von der SPD: Was sagt denn Herr Brüderle dazu?)


Viele Arbeitgeber – gerade auch im Handwerk – sagen
uns: Es wäre gut, wenn wir beim Thema Löhne eine
klare Regelung nach unten hätten, also eine untere Lohn-
grenze,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


damit es bei der Konkurrenz darum geht, wer die beste
Arbeitsleistung erbringt, und nicht darum, wer seinen
Leuten den geringsten Lohn zahlt. Darum darf es nicht
gehen.

Unsere Politik hat zum Ziel – ich rufe Sie auf, dies zu
unterstützen –, die Möglichkeiten für branchenbezogene
Mindestlöhne in Deutschland noch mehr zu nutzen, als
es bisher der Fall ist. Das ist der Weg, den wir einge-
schlagen haben. Er ist besser als jedwede staatliche
Lohnfestsetzung und besser als jeder per Gesetzgeber
dekretierte Mindestlohn. Denn wir wollen nicht, dass die
zum Teil sehr guten Mindestlohnregelungen in einigen
Branchen – manchmal liegt der Stundenlohn über
10 Euro – eines Tages einkassiert werden, weil Arbeitge-
ber bzw. Unternehmen sagen: Da gibt es doch vom Staat,
per Gesetz dekretiert, einen gesetzlichen Mindestlohn,
an den wir die Löhne – auch nach unten – anpassen.

Es geht in der Debatte nicht nur um die Frage, ob es
bei den Löhnen eine Bewegung von unten nach oben
gibt, sondern auch darum, ob möglicherweise die
Schleuse geöffnet wird, um Löhne zu senken, wie es lei-
der in vielen Ländern geschieht, in denen Mindestlohn-
regelungen existieren.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beispiele nennen!)


Zur sozialen Marktwirtschaft gehört, dass gute Löhne
für gute Arbeit gezahlt werden. Wir treten für branchen-
bezogene Mindestlöhne ein. Damit haben wir bisher
schon Erfolg gehabt. Wir glauben, dass wir damit weiter
Erfolg haben werden und eine sinnvolle Alternative zu
einem gesetzlich dekretierten Mindestlohn anbieten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Das Wort hat die Kollegin Anette Kramme von der PD. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Wir freuen uns deshalb auf den 1. Mai, weil erade die Herstellung der vollständigen Arbeitnehmereizügigkeit für die betreffenden Staaten so wichtig ist. ie ist deshalb so wichtig, weil damit auch ein ganz klein enig vom Eisernen Vorhang weggeräumt wird. Desalb ist es gut und richtig, was da kommt. Wir dürfen bei iesem Thema allerdings nicht völlig blauäugig sein und ie voraussichtlichen Arbeitsmarktprobleme ausblenen. Halten wir uns vor Augen, was dort geschehen ird: Arbeitnehmer aus den sogenannten MOE-Staaten önnen zuwandern. Sie können aus diesen Ländern zu ns einpendeln. Vor allen Dingen ist auch grenzüberchreitende Leiharbeit möglich. Sämtliche Beschränkunen bei der sogenannten Dienstleistungsfreiheit fallen eg. Das heißt, Unternehmen aus den MOE-Staaten önnen nunmehr ihre Leistungen bei uns vollständig erringen. Es ist schwierig, die ökonomischen Folgen vollumnglich zu erfassen. Die Forschung stößt hier an ihre renzen. Wir haben sicherlich nicht mit einer Völkeranderung zu rechnen. Trotzdem wird es keine unbe chtliche Größenordnung von Arbeitnehmern sein, die ir hier zu erwarten haben. Das IAB geht davon aus, ass eine jährliche Zuwanderung von 130 000 Personen öglich ist. Bis zum Jahr 2020 werden es möglichereise sogar 1,5 Millionen Arbeitnehmer und Arbeitneherinnen sein. Der DGB geht davon aus, dass es vor aln Dingen eine Zuwanderung in den Bereich der rekären Beschäftigung gibt, nachdem der Arbeitsmarkt r Akademiker durch den Wegfall der sogenannten Vorngprüfung im Prinzip schon vollständig geöffnet ist. ie Folgen der sogenannten Dienstleistungsfreiheit sind och weitaus schwieriger zu kalkulieren. Deutschland ist auf die neuen Regelungen gänzlich nvollständig vorbereitet: (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Was sollen wir denn machen?)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710510300

(Beifall bei der SPD)

Anette Kramme (SPD):
Rede ID: ID1710510400

ir haben keinen generellen Mindestlohn, der für zuge-
anderte und entsandte Arbeitnehmer und Arbeitnehme-
nnen gleichermaßen gilt. Möglicherweise gilt nicht
inmal die sogenannte Schranke der Sittenwidrigkeit.
err Professor Bayreuther hat dies in der Sachverständi-
enanhörung beleuchtet. Die Mindestlohnregelung für
ie Leiharbeit, die wir kürzlich erst in das Arbeitnehmer-
berlassungsgesetz aufgenommen haben, wird durch
ienst- und Werkverträge möglicherweise umgangen
erden. Für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen,
ie auf der Grundlage von Werk- und Dienstverträgen
ierhin kommen, gelten nämlich die Entlohnungsbedin-
ungen des Heimatlandes. Darüber hinaus besteht auch
ie Gefahr, dass die beschränkten Mindestlohnregelun-
en in der Bundesrepublik Deutschland einerseits durch





Anette Kramme


(A) )


)(B)

Scheinselbstständigkeit und andererseits durch falsche
Tätigkeitsbezeichnungen umgangen werden.

Wir müssen registrieren: Seitens der Regierung ist
nichts unternommen worden. Wir haben im Zuge der
Verhandlungen über die Regelsätze ernsthaft versucht,
die Einführung eines generellen Mindestlohns zu errei-
chen und das Prinzip des Equal Pay bei der Leiharbeit zu
verankern.

Meines Erachtens benötigen wir hier zwingend vier
Regelungen:

Zuerst benötigen wir einen generellen Mindestlohn
und eine sogenannte Equal-Pay-Regelung für die Leih-
arbeit.

Vor allen Dingen brauchen wir effektive Sanktions-
regelungen zur Einhaltung des Mindestlohnes in der
Leiharbeit. Hier stehen entsprechende Regelungen noch
aus.

Zudem brauchen wir eine angemessene Ausstattung
der Finanzkontrolle „Schwarzarbeit“. Die Aufgaben der
Finanzkontrolle „Schwarzarbeit“ haben in den letzten
Jahren durch die Ausdehnung der Bedingungen für einen
Mindestlohn stark zugenommen. Aber eine entspre-
chende Zunahme der Zahl der dort Beschäftigten hat es
nicht gegeben. Es gab eine aktuelle Anfrage. Die Ant-
wort war: Es besteht keinerlei Bereitschaft, dort mehr
Personal zur Verfügung zu stellen.

Zu guter Letzt brauchen wir eine Beratungstätigkeit.
Wir werden es mit Arbeitnehmern zu tun haben, die
schlechte Sprachkenntnisse und schlechte Informationen
über das Rechtssystem in der Bundesrepublik Deutsch-
land haben. Wir dürfen es nicht zulassen, dass diese
Menschen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland
ausgenutzt und ausgebeutet werden. Natürlich dürfen
wir es auch nicht zulassen, dass sich der Niedriglohnsek-
tor, der sich in der Bundesrepublik Deutschland so ver-
heerend entwickelt hat, noch weiter ausdehnt.

Meine Damen und Herren der Regierung, deshalb
kann ich nur sagen: Im Herbst wird es mit Sicherheit die
ersten Missbrauchsfälle geben. Die Verantwortung dafür
liegt ausschließlich bei Ihnen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710510500

Das Wort hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb von der

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1710510600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn man jetzt im Frühling, kurz vor Ostern, durch
Stadt und Land streift, dann schärft sich unwillkürlich
der Blick.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wäre schön, wenn es so wäre!)


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(C (D an sucht nach Neuem, nach Überraschendem, nach erborgenem. Stellen Sie sich vor: Ich habe ein Mindesthnnest mit drei Eiern – ein rotes, ein grünes und ein unkelrotes – entdeckt. Sie sahen zunächst einmal ziemch ähnlich aus. Bei näherer Untersuchung stellte ich st: Sie waren ein bisschen hohl und teilweise ein biss hen faul. Rechtzeitig zum 1. Mai – früher hieß es „Hinaus zum ampfmai“; der Reflex scheint jedenfalls auf der linken eite dieses Hauses noch zu funktionieren – stellen Sie ie Forderung nach einem gesetzlichen flächendeckenen Mindestlohn. Weil Sie anscheinend doch kein gutes efühl dabei haben – ein flächendeckender Mindestlohn irkt eben in allen Teilen des Landes und in allen Bran hen sehr undifferenziert –, soll er auf eine Art und eise festgelegt werden, dass sich die Politik möglichst eraushalten kann. Die Kommissionslösung feiert Urtände. Aber Sie alle haben Ihre Vorstellungen, was am nde herauskommen soll. Die Grünen wollen einen indestlohn von 7,50 Euro. Die SPD legt sich nicht fest, ondern fordert in ihrem Antrag „zum Beispiel ,50 Euro“. Die Linken gehen von mindestens 10 Euro is 2013 aus. (Beifall bei der LINKEN – Sigmar Gabriel [SPD]: Sie haben wenigstens die Anträge gelesen!)


Ich weiß nicht, ob das ein Grund zum Klatschen ist. –
h habe unlängst von einem SPD-Landesminister ge-
rnt: Löhne müssen der Wertschöpfung entsprechen.


(Sigmar Gabriel [SPD]: Mein Gott!)


enn Sie, egal was die unabhängige Kommission emp-
hlen wird, schon heute wissen, dass auf jeden Fall ein
indestlohn von 10 Euro herauskommen muss, dann
age ich mich, ob die Wertschöpfung wirklich in allen
ranchen und allen Teilen unseres Landes mithalten
ann und ob nicht letzten Endes Arbeitsplätze verloren
ehen werden. Das würde ich bedauern. Das Beispiel
ostdienstleistungen hat gezeigt, dass Arbeitsplätze in
ehr kurzer Frist und großer Zahl – dort waren 8 000 bis
0 000 Arbeitsplätze betroffen – verloren gehen können.

Ich glaube, wir sind besser beraten, wenn wir, wie es
ie schwarz-gelbe Koalition getan hat, mit Branchen-
indestlöhnen operieren, die von Tarifpartnern festge-
gt werden. Diese können einschätzen, welche Größen-
rdnung in den jeweiligen Branchen richtig ist. Ich
eise darauf hin, dass sich die Koalition in den letzten
onaten bewegt hat. Wir haben da, wo es sich anbot, in

ahezu allen Branchen, die im Arbeitnehmer-Entsende-
esetz aufgeführt sind, den Weg für eine Lohnunter-
renze freigemacht, auch im Bereich der Zeitarbeit. Hier
atten viele im Haus große Bedenken, obwohl alle nam-
aften Forschungsinstitute einschließlich des IAB gesagt
aben: So schlimm wird es nicht werden; es wird in ei-
er überschaubaren Größenordnung bleiben. Ich kann
ie beruhigen, Frau Kramme: Wir werden auch rechtzei-
g die Kontrollinstrumente einführen. Daran wird es
icht scheitern.

Ich rate dazu, dass wir, nachdem wir jetzt einen derart
ernünftigen Weg eingeschlagen haben, abwarten, was





Dr. Heinrich L. Kolb


(A) )


)(B)

die Evaluierung bringt, die sich die Regierung für die
zweite Hälfte dieses Jahres vorgenommen hat. Wir soll-
ten in Ruhe und ohne Zorn und Eifer abwarten, wie sich
Mindestlöhne tatsächlich auswirken. Dann kann man se-
hen, ob weiterer Handlungsbedarf besteht. Ich glaube,
das ist ein Vorgehen mit Augenmaß.

Ich bin anscheinend im Gegensatz zu vielen von Ih-
nen optimistisch, was den 1. Mai anbelangt. Ich glaube,
dass in der Freizügigkeit eine große Chance für unser
Land und unsere Wirtschaft besteht.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Daran zweifle ich!)


– Auch Sie sollten optimistisch sein, Kollegin Pothmer,
und mit Freude diesen weiteren Schritt des Zusammen-
wachsens in Europa gehen.

Was die Mindestlohnfrage anbelangt, glaube ich sa-
gen zu können: Wir sind gut vorbereitet, und es besteht
kein Grund zur Sorge. Wenn Sie sich ein bisschen öffnen
und lockerer geben, als es aus Ihren Anträgen spricht, er-
leben Sie vielleicht mit der Freizügigkeit eine ange-
nehme Überraschung.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710510700

Das Wort hat der Kollege Klaus Ernst von der Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710510800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Herr Kolb, es freut mich, dass Sie Osterspazier-
gänge machen und Eier suchen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es gibt auch gelb-rote Eier!)


Ich habe einen Tipp für Sie: Versuchen Sie es mit einem
Spaziergang bei Ihrem Arbeitsminister Heiner Garg
– Mitglied der FDP –, der Ihnen in dieser Frage einen
Rat gibt. Diesen Rat möchte ich Ihnen zur Kenntnis ge-
ben, weil Sie ihn Ostern vielleicht nicht treffen. Er hat
am 7. April dem Tagesspiegel gesagt:

Wenn die FDP näher an die Lebenswirklichkeit he-
ranrücken will, dann müsse sie erkennen, dass es im
Niedriglohnbereich ein „echtes Problem“ gebe …
Es könne nicht sein, dass es in Deutschland Men-
schen gebe, die acht Stunden am Tag arbeiten und
sich und ihre Familien davon nicht ernähren kön-
nen. „Zwei Euro Stundenlohn sind weder sozial
noch liberal“, sagte Garg. Genauso wenig sei es für
einen liberalen Politiker hinnehmbar, dass der Staat
Unternehmen dauerhaft subventioniere, die den
Wettbewerb mit Niedrigstlöhnen aushebelten.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Katja Mast [SPD])


So weit Ihr Parteifreund, Herr Kolb. Wenn Sie meinen
Tipp für einen Spaziergang befolgten, würde das Ihre

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(C (D artei weiterbringen. Dann müssten Sie kein Personal uswechseln, sondern Sie müssten einfach den Kurs echseln. Dann kämen Sie einen Schritt weiter. Die Realität in unserem Lande ist bedrückend. Das allcenterunternehmen Teleperformance – offensichtch eines der Großen der Branche weltweit – hat Niederssungen in Deutschland und zahlt Löhne zwischen ,61 Euro und 7,50 Euro. In den ostdeutschen Ländern erdient kaum jemand über 6 Euro, Herr Kolb. Gehaltsrhöhungen finden dort seit Jahren nicht mehr statt. Das nternehmen – diese Information ist an Herrn Weiß gechtet – ist nicht tarifgebunden. Die Betreiber von Callentern haben zwischen 1998 und 2009 ihre Renditen m mehr als 20 Prozent gesteigert. Sie werden übrigens it 19 Millionen Euro subventioniert. Ich denke, es gibt inen engen Zusammenhang zwischen den niedrigen öhnen in den Callcentern und den Extraprofiten, die ofnsichtlich in diesen Unternehmen üblich sind. Mein nächstes Beispiel ist die Firma KiK, ein Textiliscounter. Diese Firma zahlt Aushilfen Stundenlöhne on 5,20 Euro. Diese Löhne waren sogar dem Arbeitsgecht zu niedrig. Es hat diese für sittenwidrig erklärt. Das roblem ist allerdings: Die Firma hätte mindestens ,80 Euro zahlen müssen. Hätten wir einen Mindestlohn, nd zwar einen flächendeckenden, Herr Weiß, wäre das isiko, dass die Menschen mit einem solchen Lohn abespeist werden, bei weitem geringer. Zu den Fragen der ontrollen komme ich noch. Aber Sie, Herr Weiß, ak eptieren offensichtlich – da Sie keine flächendeckenden indestlöhne einführen wollen –, dass Niedriglöhne wie gerade dargelegt – in der Bundesrepublik Deutschnd üblich sind und üblich bleiben. Sie erlauben eine Zwischenfrage von Herrn Weiß? Mit großer Freude. Bitte schön, Herr Weiß. Herr Ernst erlaubt eine Zwi chenfrage. Herr Kollege Ernst, Sie haben mich persönlich ange prochen und die Branchen Callcenter und Einzelhandel rwähnt. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ie dbb tarifunion für Callcenter einen Mindestlohnanag nach dem Mindestarbeitsbedingungengesetz gestellt at, der dem Hauptausschuss vorliegt? Würden Sie eundlicherweise zur Kenntnis nehmen, dass im Beich des Einzelhandels die Arbeitgeberseite, der HDE, it der Arbeitnehmerseite über einen Mindestlohntarif ertrag verhandelt? Würden Sie schließlich zur Kenntnis ehmen, dass ich mich freuen würde, wenn in beiden ranchen Mindestlohnregelungen in Kraft treten würen? )


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710510900
Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710511000
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710511100
Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1710511200




(A) )


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710511300

Herr Weiß, ich nehme mit Freude zur Kenntnis, dass

Sie offensichtlich das bestätigen, was ich sage; denn Sie
sind nicht bereit, gesetzgeberisch zu handeln. Sie akzep-
tieren, dass Löhne in dieser Republik gezahlt werden,
von denen man nicht leben kann.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Was sind Sie für ein Gewerkschafter!)


Das ist der Skandal in diesem Land. Ihre Partei weigert
sich zusammen mit der FDP hartnäckig, dafür zu sorgen,
dass die Menschen einen Lohn erhalten, von dem sie le-
ben können. Das nehme ich zur Kenntnis, Herr Weiß.


(Beifall bei der LINKEN – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Und so was sagt ein Gewerkschafter!)


Wir können gern bei Ihrem Argument bleiben. Es ist
bekannt, dass der Einstiegslohn im Hotel- und Gaststät-
tengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern bei 5,39 Euro
und in Sachsen-Anhalt bei 6,75 Euro liegt. Dort gelten
Tarifverträge, in denen offensichtlich so niedrige Löhne
festgelegt sind, dass man davon nicht leben kann. Herr
Weiß, jetzt können wir so tun, als ob uns das nicht inter-
essierte. Aber wir sind hier nicht nur zum Beobachten
und zum Appellieren da; Sie als Regierungspartei sind
vielmehr zum Regieren da. Wenn Sie richtig regieren
würden, würden Sie solch niedrige Löhne verhindern
und dazu beitragen, dass die Menschen Löhne beziehen,
von denen sie leben können. Das aber tun Sie nicht, Herr
Weiß.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie sind mittlerweile relativ isoliert mit Ihrer Position.
Am vergangenen Dienstag hat die Parlamentarische Ver-
sammlung des Europarats eine Entschließung mit dem
Titel „Bekämpfung der Armut in Europa“ verabschiedet.
In dieser Entschließung heißt es in Punkt 5.9: Die Mit-
gliedstaaten werden aufgefordert, – ich zitiere wörtlich –,

durch die Gewährung eines angemessenen Min-
destlohns das Recht auf faire Entlohnung zu sichern
und das Recht der Arbeitnehmer auf einen Lohn,
der ihnen und ihren Familien einen angemessenen
Lebensstandard ermöglicht, anzuerkennen.

Herr Weiß, diesem Antrag hat auch Ihre Partei, die
Mitglied in der Europäischen Volkspartei ist, zuge-
stimmt. – Ich finde es bemerkenswert, dass Sie sich bei
diesem Thema lieber mit Ihrem Nachbarn unterhalten,
als sich die Argumente eines politischen Konkurrenten
anzuhören.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sie gehen ja auf die Argumente nicht ein! Sie erzählen etwas ganz anderes!)


Ich möchte hinzufügen: Sie sind offensichtlich mit
der Position, die Sie einnehmen, auch in der Union voll-
kommen alleine. Ihr Kollege im Europarat ist offensicht-
lich schon deutlich weiter; denn Sie werden nicht ab-
streiten können, Herr Weiß, dass man mit dem Lohn,
über den Sie gerade diskutieren, keinesfalls das erreicht,

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(C (D as hier gefordert wird, nämlich den Familien einen anemessenen Lebensstandard zu ermöglichen. (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ihnen fehlt doch persönlich die Glaubwürdigkeit! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU)


as ist nur möglich, wenn wir Mindestlöhne in Höhe
on mindestens 10 Euro einführen, Herr Weiß. Das ist
ie Wahrheit.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir wissen, dass jeder Lohn unter 9,46 Euro im Er-
ebnis dazu führt, dass ein Mensch, der diesen Lohn sein
eben lang erhält, eine Rente bezieht, die unter der
rundsicherung im Alter liegt. Bei 9,46 Euro ist die
renze. Wir wissen, dass – je nach Arbeitszeit – bei
,50 Euro oder 7,80 Euro die Grenze ist, unterhalb derer
an einen Lohn bekommt, den man aufstocken muss.
ie Löhne vieler Menschen in unserem Land liegen dar-
nter. Sie akzeptieren, dass Arbeitgeber Löhne zulasten
ritter vereinbaren können. Denn wenn die Löhne so
iedrig sind, dass der Staat die Löhne zahlen muss, oder
ie Löhne so niedrig sind, dass der Staat die Renten zah-
n muss, handelt es sich um Löhne und Vereinbarungen

ulasten Dritter, die aus meiner Sicht als sittenwidrig ab-
elehnt gehören. Das ist die Situation, in der wir uns be-
nden.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sigmar Gabriel [SPD])


Meine Damen und Herren, ein Thema, das in diesem
usammenhang auch noch von Bedeutung ist, sind die
ontrollen. Ich möchte darauf hinweisen, dass das Land-
ericht Magdeburg im Juni 2010 einen Reinigungsunter-
ehmer zu nur 1 000 Euro – nur 1 000 Euro! – Geld-
trafe verurteilt hat, weil er statt des Mindestlohns von
amals 7,68 Euro einen Stundenlohn von weniger als
Euro gezahlt hat. Bei einer solch geringen Bestrafung

on Leuten, die Hungerlöhne offensichtlich für akzepta-
el halten, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass sich
er Niedriglohnsektor ausweitet und dass sich ein Teil
nserer Bürger an Gesetze, die hier verabschiedet wer-
en, nicht mehr hält. Wir brauchen drastische Strafen für
ie Menschen, die Hungerlöhne zahlen. Dafür treten wir
inken ein.


(Beifall bei der LINKEN)


Besonders betroffen sind Frauen. Sie sind deshalb be-
onders betroffen, weil sie nach wie vor die schlechteren
obs haben und nach wie vor schlechter bezahlt werden.
wei von drei Beschäftigten, die unter 1 000 Euro im
onat verdienen, sind Frauen. Ich wiederhole: Zwei von

rei Beschäftigten, die unter 1 000 Euro im Monat ver-
ienen, sind Frauen. Frau von der Leyen, Sie machen
ich immer für die Frauenrechte stark; das begrüßen wir.

it einem gesetzlichen Mindestlohn könnten Sie dazu
eizutragen, dass einer Vielzahl von Frauen in diesem
and wenigstens ein anständiger Lohn gezahlt wird.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)






Klaus Ernst


(A) )


)(B)

33 Prozent aller weiblichen Vollzeitkräfte sind Ge-
ringverdienerinnen. 33 Prozent aller weiblichen Vollzeit-
beschäftigten! Das ist eine unglaubliche Zahl. Ich kann
überhaupt nicht verstehen, dass man sich auf der einen
Seite berechtigterweise für einen höheren Frauenanteil
in den oberen Etagen unserer Wirtschaft starkmacht,
aber gleichzeitig offensichtlich den Blick nach unten
vollkommen vergisst. Dass insbesondere Frauen mit
Hungerlöhnen abgespeist werden, ist ein Skandal, ge-
nauso wie die Tatsache, dass Sie das akzeptieren, Frau
von der Leyen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein weiteres Argument. Wir haben 6,7 Millionen aty-
pisch Beschäftigte in unserem Land. 74 Prozent davon
sind Frauen. Frau von der Leyen, es ist nicht akzeptabel,
dass Sie in diesem Bereich schlichtweg nur durch Zu-
schauen glänzen. Ich möchte Ihnen sagen: Wir isolieren
uns nicht nur in Europa – in Luxemburg gibt es einen
Mindestlohn von 10,16 Euro; in Frankreich liegt er bei
9 Euro –, sondern auch weltweit. In Australien liegt der
Mindestlohn bei 10,40 Euro. Ich könnte die Liste belie-
big fortsetzen. 70 Prozent der Bevölkerung in Deutsch-
land befürworten die Einführung eines gesetzlichen
Mindestlohns, übrigens auch 61 Prozent der Selbststän-
digen. Warum? Weil es inzwischen auch die Selbst-
ständigen satthaben, von einer Schmutzkonkurrenz von
Unternehmen bedroht zu werden, die Niedrigst- und Bil-
ligstlöhne zahlen. Tun Sie etwas dagegen!


(Beifall bei der LINKEN)


Sie sind Regierungspartei, also appellieren Sie nicht,
sondern regieren Sie. Es wird Zeit, dass wir endlich Er-
gebnisse sehen.


(Beifall bei der LINKEN – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Also, die Rede hat Sie nicht gerettet!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710511400

Das Wort hat jetzt die Kollegin Brigitte Pothmer von

Bündnis 90/Die Grünen.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710511500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon seit

vielen Jahren ist die Bevölkerung für einen gesetzlichen
Mindestlohn; das wissen wir alle. Ich gebe zu: Ich hatte
zeitweise wirklich die Illusion, wir könnten auch hier in
diesem Hohen Hause eine parlamentarische Mehrheit für
den gesetzlichen Mindestlohn erreichen. Nach den
Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-
Pfalz schien es mir so, als würde der Schock, den die
FDP dort erfahren hat, tatsächlich dazu führen, dass sie
auch sozialpolitisch ein bisschen Vernunft annimmt. Es
hieß nach diesen Landtagswahlen tatsächlich: Es ist jetzt
unsere Aufgabe, unser soziales Profil zu schärfen.

Als bekannt wurde, dass an die Spitze der Partei Herr
Rösler gesetzt werden soll, dachte ich: Vielleicht liegt
darin auch eine Chance für den Mindestlohn. Herr Rös-
ler hatte nämlich, was den Mindestlohn in der Pflege an-

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(C (D eht, die Kurve gekriegt und sich vom Saulus zum Paus gewandelt. Als dann noch der Kieler Arbeitsminister resseöffentlich gesagt hat – Herr Ernst hat es schon ziert –: „Wir müssen uns für Lohnuntergrenzen öffnen“; 2 Euro Stundenlohn sind weder sozial noch liberal“, da achte ich: Das findet vielleicht Gehör in der FDP-Bunestagsfraktion. Aber seit dem letzten Wochenende lässt es sich nicht ugnen: Das marktliberale Beharrungsvermögen hat ich in der FDP ganz offensichtlich durchgesetzt. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was war denn am letzten Wochenende? Habe ich da was verpasst?)


ie Erneuerung ist abgeblasen. Der Parteivorsitzende
agt nämlich: Der liberale Kompass stimmt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja! Bei uns ist Norden immer Norden!)


Ich will Ihnen einmal etwas sagen, lieber Herr Kolb:
enn Sie Ihren Kurs nicht ändern, dann ist es vollkom-
en egal, wer bei Ihnen regelt oder segelt, dann wird die
DP weiterhin Schiffbruch erleiden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sagen Sie doch einmal ganz im Ernst: Sie müssten
tzt doch eigentlich ein bisschen spüren, was es heißt, in

iner prekären Lage zu sein.


(Lachen des Abg. Sigmar Gabriel [SPD] – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist doch gut so!)


h dachte, dass die prekäre Lage, in der Sie sich befin-
en, dazu führen könnte, dass Sie wenigstens ein biss-
hen für die Situation derjenigen Menschen sensibilisiert
erden, die in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt

ind.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Diese Krokodilstränen! Heuchlerisch!)


ber nichts davon scheint der Fall zu sein. Nein, Sie ha-
en ein kaltes Herz, und Sie haben keinen sozialpoliti-
chen Verstand.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Die Fakten sind lange bekannt: 6,6 Millionen Men-
chen in Deutschland arbeiten im Niedriglohnsektor,
endenz steigend. 3,4 Millionen arbeiten für weniger als
Euro die Stunde. Mehr als 1 Million arbeiten für
öhne unter 5 Euro die Stunde brutto. Eine Friseurin in
achsen bekommt 3,06 Euro die Stunde. Dafür kann
an sich nicht die Haare schneiden lassen; da kann man

ich wirklich nur die Haare raufen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mehr als 350 000 Menschen arbeiten Vollzeit und be-
ommen trotzdem ergänzend Hartz IV. Ich finde, das ist
eschämend für eine Regierung, das ist entwürdigend
r die Betroffenen, und das ist für die Steuerzahler ver-

ammt teuer. Denn allein ein Mindestlohn von 7,50 Euro





Brigitte Pothmer


(A) )


)(B)

würde für den Staat Einsparungen in Höhe von 1,5 Milli-
arden Euro bedeuten.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wenn alle Arbeitsplätze erhalten blieben!)


Diese 1,5 Milliarden Euro nehmen Sie, um skrupellose
Unternehmer zu subventionieren, die sich gegenüber
denjenigen Wettbewerbsvorteile verschaffen, die faire
Löhne zahlen. Das ist Wettbewerb à la FDP. Dem geben
Sie Ihren Segen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit der Ausweitung der Arbeitnehmerfreizügigkeit
werden die Probleme zunehmen; das hat die Anhörung
eindeutig ergeben. Es wird nicht zu einem allgemeinen
Problem kommen, aber es wird Druck auf die unteren
Löhne ausgeübt werden.

Liebe Kollegen von der FDP-Fraktion, Sie sind ein-
mal angetreten mit dem Grundsatz: Arbeit muss sich
wieder lohnen. – Jetzt müssen Sie uns hier im Parlament
erklären: Warum gilt das eigentlich nicht für die unters-
ten Lohngruppen? Die Lohnspreizung hat in den letzten
Jahren immer weiter zugenommen. Im letzten Jahr hat es
auf den Veranstaltungen zum 1. Mai schon viele Trans-
parente gegeben, auf denen stand: Habe Arbeit, brauche
Geld. – Es ist auch Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass
die Menschen für ihre Arbeit einen vernünftigen Lohn
bekommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das Arbeitsplatzvernichtungsargument ist seit Jahren
widerlegt. Wenn Sie bei der Anhörung zugehört hätten,
hätten Sie mitbekommen, dass das IAB noch einmal
deutlich darauf hingewiesen hat, dass ein klug einge-
führter Mindestlohn positive Arbeitsplatzeffekte haben
würde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb,
könnte es vielleicht sein, dass Sie, nachdem Sie in der
Energiepolitik einen Scherbenhaufen produziert haben,
gerade dabei sind, den nächsten Polterabend, jetzt in der
Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, zu organisieren?


(Jens Ackermann [FDP]: Ist das ein Antrag? – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wer heiratet wen? – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Weil wir eurem Antrag nicht zustimmen?)


Wir haben Ihnen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der
alle sozial- und arbeitsmarktpolitischen Anforderungen
erfüllt. Sie wissen das im Prinzip genau. Herr Weiß, ich
spreche Sie noch einmal an. Sie sind in Ihrer CDU-Ar-
beitnehmerorganisation doch seit Jahren unterwegs im
Kampf für einen flächendeckenden gesetzlichen Min-
destlohn –


(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Nein, er ist schon überzeugt!)


bisher leider ohne Erfolg. Sie haben jetzt die Chance!
Machen Sie den Rücken gerade und stimmen Sie unse-
rem Gesetzentwurf zu!

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(C (D Ich appelliere an Sie: Folgen Sie Ihrem sozialpolischen Verstand und verstecken Sie sich nicht länger inter branchenspezifischen Mindestlöhnen! Branchenpezifische Mindestlöhne sind eine sinnvolle Ergänzung das will ich gar nicht bestreiten –, wenn sie oberhalb er allgemeinen Mindestlohngrenze liegen, aber sie tauen wirklich nicht als Ersatz. Selbst wenn sich Arbeitehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber in eier Branche auf einen Mindestlohn verständigt haben, elebrieren sofort die Hohepriester um Rainer Brüderle r Hochamt der Ideologie und blockieren die Einfühng dieses Mindestlohns. Das haben wir nun wirklich inlänglich erfahren müssen. Meine Damen und Herren von Union und FDP, der indestlohn wird kommen. Vielleicht können Sie diese istorische Gewissheit noch für eine bestimmte Zeit verrängen. Vielleicht können Sie diesen Prozess noch etas verzögern. Eines ist sicher: Aufhalten können Sie n nicht. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710511600

Das Wort hat der Kollege Ulrich Lange von der CDU/

SU.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Ulrich Lange (CSU):
Rede ID: ID1710511700

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

h möchte vorab dem Kollegen Markus Kurth von den
rünen zum heutigen Geburtstag ganz herzlich auch in
nserem Namen gratulieren.


(Beifall)


Herzlich willkommen zur Mobilmachung für den
. Mai! Diese Debatte scheint mir dazu zu dienen, die
eren Säle bei DGB, Linken und SPD vielleicht wieder

in bisschen zu füllen. Der 1. Mai ist ein Sonntag. Ich
eue mich auf Sonne und Bayern.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, mit Ihrem Antrag planen
ie in erster Linie eines: Sie wollen in die Tarifautono-
ie eingreifen,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So sieht es aus!)


ie die Väter des Grundgesetzes aus gutem Grund so de-
niert und aufgeschrieben haben. Wir sind mit dieser Ta-
fautonomie in den vergangenen über 60 Jahren in
eutschland sehr gut gefahren, wie ich glaube. Überall
ort, wo es soziale Ungleichgewichte gab, wo es ein
trukturelles Funktionsdefizit der Tarifautonomie gab,
aben wir – in verschiedenen Konstellationen – gehan-
elt, zuletzt bei der Zeitarbeitsbranche – wie ich finde,
ehr schlüssig –, aber auch bei der Pflege.





Ulrich Lange


(A) )


)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Liebe Kollegin Pothmer, Sie haben zu Recht den zu-
künftigen FDP-Vorsitzenden gelobt. Sie sehen also: Die
schwarz-gelbe Koalition weiß sehr wohl, was Sozial-,
Lohn- und Arbeitsmarktpolitik ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Deswegen werden wir beim Prinzip der branchenbe-
zogenen Mindestlöhne bleiben. Mindestlöhne gibt es
derzeit in acht Branchen. Fünf davon sind unter
Schwarz-Gelb aufgenommen worden, nur eine einzige
unter Rot-Grün. Deswegen bitte ich, das Ganze in dieser
Relation zu sehen.

Lieber Kollege Ernst, Sie kommen ja aus der Gewerk-
schaft. Ich bin immer davon ausgegangen, dass es in
Deutschland zwei starke Pole, zwei starke Blöcke gibt:
zum einen die Gewerkschaften als Vertreter der Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer, zum anderen die Ar-
beitgeberverbände. Genau das macht Tarifpolitik aus.
Jetzt muss ich fast annehmen, dass Sie der eigenen Ge-
werkschaft nicht mehr vertrauen.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Genau so ist es!)


Oder ist der Vertrauensverlust schon so weit fortgeschrit-
ten, wie es bei Ihrer Partei in Bezug auf Ihre Person der
Fall ist?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710511800

Herr Kollege Lange – –


Ulrich Lange (CSU):
Rede ID: ID1710511900

Ich möchte den Gedanken erst zu Ende führen, dann

gerne; meine Redezeit ist sehr knapp.

Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sitzen an
einem Tisch. Sie wissen um die Probleme der Betriebe
und der Branche, sie kennen die Sichtweisen und tau-
schen sich auf Augenhöhe aus. Wir befinden uns eben
nicht in einer Planwirtschaft, wo der Staat losgelöst von
Produktivität und Realität die Löhne in den Betrieben
festsetzt. Genau das macht das Wesen der Tarifautono-
mie aus.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Peinlich ist das!)


Jetzt bitte ich um die Verlängerung der Redezeit.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710512000

Bitte schön, Herr Ernst.


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710512100

Ich habe folgende Fragen. Erstens. Ist Ihnen bekannt,

dass der Deutsche Gewerkschaftsbund, die IG Metall,

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(C (D erdi, NGG und andere Gewerkschaften den Mindesthn fordern und sogar Kampagnen dafür veranstalten? s steht also durchaus nicht im Widerspruch zu meiner ewerkschaft, wenn ich hier den Mindestlohn fordere. Zweitens. Ist Ihnen bekannt, dass es insbesondere im iedriglohnbereich Unternehmen gibt, in denen es aus nterschiedlichen Gründen, die nicht bei den Arbeitnehern zu suchen sind, kaum gewerkschaftlich organi ierte Mitarbeiter gibt, dass also von den beiden erwähnn Polen einer fehlt, sodass Tarifergebnisse, wie Sie sie rdern, nicht zustande kommen können? Könnte das ielleicht der Grund sein, warum die Gewerkschaften, bwohl sie an der Tarifautonomie festhalten, gesetzliche indestlöhne fordern? Lieber Kollege Ernst, könnte es sein, dass die Men chen das Vertrauen in die Gewerkschaften so sehr verren haben, dass sie nicht mehr glauben, dass diese in er Lage sind, den einen Pol darzustellen und diese öhne durchzusetzen? Ich glaube, dass meine Argumention insoweit sehr schlüssig ist. as Sie letztlich wollen und machen, ist, den Tarifparien ihr Recht zu beschneiden und staatlichen Einfluss uf die Löhne zu fordern. Das wird am Ende, auch wenn ie es nicht glauben, Arbeitsplätze kosten. Denn ein flähendeckender gesetzlicher Mindestlohn wird regionan Unterschieden nicht gerecht. Das müssten Sie eigentch selber erkennen. In einer Region wie derjenigen, aus er ich komme, mit weniger als 3 Prozent Arbeitslosen, t die Situation völlig anders als beispielsweise in ecklenburg-Vorpommern. Ich glaube, dass wir mit branchenspezifischen Minestlöhnen und mit den vorhandenen gesetzlichen Regengen, mit denen soziale Unwuchten ausgeglichen erden können, den richtigen Weg gehen. Mit dem Areitnehmer-Entsendegesetz – es wurde schon genannt – nd mit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tafverträgen verhindern wir Lohndumping. Wir haben uch – Sie glauben nicht daran, aber ich setze auf unsere erichte – die Rechtsprechung zu sittenwidrigen Löhen, und wir haben noch andere Instrumentarien wie das ariftreuegesetz und vieles andere mehr. (Sigmar Gabriel [SPD]: Welches Tariftreuegesetz denn?)


(Beifall bei der LINKEN)

Ulrich Lange (CSU):
Rede ID: ID1710512200

(Widerspruch bei der LINKEN)


Setzen wir weiter auf die Systemstimmigkeit und
bersichtlichkeit gesetzlicher Vergütungsregulierungen
ort, wo wir sie brauchen! Setzen wir aber auch auf das
oalitionsgrundrecht, auf die Tarifautonomie und auf
as Erfolgsmodell soziale Marktwirtschaft gegen Plan-
irtschaft und staatlichen Eingriff.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD: Oh!)







(A) )


)(B)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710512300

Das Wort hat der Kollege Sigmar Gabriel von der

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Sigmar Gabriel (SPD):
Rede ID: ID1710512400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wer-

den uns an den letzten Beitrag gern erinnern und einmal
einen Gesetzentwurf über Tariftreue in den Deutschen
Bundestag einbringen. Der Kollege Lange wird dann
erstens erstaunt feststellen, dass es dieses Gesetz bisher
nicht gibt.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Auf Länderebene!)


Zweitens wird er ihm, nachdem er es gerade angespro-
chen hat, bestimmt zustimmen. Dieses Gesetz ist also
eine gute Idee.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Herr Kollege, man muss schon eine Menge Humor
haben – die Menschen, die es betrifft, können diesen Hu-
mor aber nicht mehr aufbringen, weil sie in Verhältnis-
sen leben, in denen ihnen der Spaß am Leben genommen
wird –, um das zu ertragen, was Sie gerade vorgetragen
haben. Die rechte Seite des Hauses hat sich 20 Jahre lang
Mühe gegeben, der Öffentlichkeit zu erklären, warum
Flächentarifverträge abgeschafft werden müssen und
warum betriebliche Bündnisse besser sind.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht!)


– Was? Ihre Arbeitsministerin ist doch eine der Protago-
nistinnen gewesen für die Abschaffung des Flächentarif-
vertrages. Die CDU hat auf ihrem Leipziger Parteitag
beschlossen, dass es betriebliche Bündnisse geben soll.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wenn Sie in die Vergangenheit gucken, dann schauen wir mal, was Sie gemacht haben!)


Diejenigen, die uns in das letzte Jahrhundert zurückfüh-
ren wollen, die die Gewerkschaften in Deutschland ge-
schwächt haben und die Ostdeutschland, wo kaum noch
ein Arbeitsplatz der Tarifbindung unterliegt, zum Nied-
riglohnland gemacht haben – das sind Sie und Ihre Kol-
legen von der FDP –, sagen jetzt: Das sollen doch bitte
die Gewerkschaften klären. – Dabei sind Sie es doch, die
die Tarifvertragsfreiheit in Deutschland aufs Spiel ge-
setzt haben. Sie haben zu verantworten, was hier passiert
ist. Das ist ein Ding aus dem Tollhaus.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie sorgen durch Ihr Handeln dafür, dass es keine Ta-
rifverträge gibt.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das stimmt doch überhaupt nicht!)



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(C (D Dann schauen wir uns doch einmal an, was in den undesländern los ist, in denen Sie den Ministerpräsienten stellen. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Wir haben in Bayern die Tarifbindung!)


eren Zahl wird Gott sei Dank – der Ausgang der letzten
ahlen war da ganz erfreulich – geringer.


(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU/ CSU)


Ich verstehe ja, dass Sie jetzt nervös werden. Aber ich
age Ihnen eines: Ihre Arbeitsministerin und Ihre Kolle-
en von CDU/CSU und FDP haben dafür gesorgt, dass
usgehandelte Mindestlöhne in vielen Teilen Deutsch-
nds eben nicht die Regel, sondern die Ausnahme sind.

Ihre Leute waren übrigens schon einmal klüger. Herr
ollege Lange, die CDU/CSU hat einmal einem Gesetz-

ntwurf der SPD-Bundestagsfraktion zugestimmt, ob-
ohl Ihre Fraktion die Mehrheit hatte. Das war aller-
ings – das will ich zugeben – zu Konrad Adenauers
eiten, aber Konrad Adenauer loben Sie so gerne. Wenn
ie das nachlesen, dann werden Sie wissen, dass es Be-
iche gibt, in denen Tarifverträge nicht existieren und in

enen die Gewerkschaften nicht stark genug sind. Herr
ollege Lange, in dem Gesetz steht, dass sich in diesem
all der Staat einmischen muss. Denn wir müssen dafür
orgen, dass die Menschen in Deutschland von ihrer Ar-
eit leben können, egal ob es einen Tarifvertrag gibt oder
icht.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Weiß, ich kann Ihnen Ihre Parteitagsbeschlüsse
ur Tarifvertragsfreiheit gerne zusenden, wenn Sie sie
icht kennen.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ich kenne aber auch die anderen! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was ist mit der Agenda 2010?)


Da haben wir die Tarifvertragsfreiheit verteidigt.

Herr Kollege Weiß, Sie verweisen darauf, dass Sie bei
er Einführung der Branchenmindestlöhne mitgemacht
aben. Sie gestatten mir hoffentlich, dass ich sage: Ja,
uch wir sind stolz darauf, dass wir in der Großen Koali-
on mit Ihnen einen Mindestlohn für 2,5 Millionen
enschen einführen konnten. Übrigens erhalten durch

nsere Anträge bei den Verhandlungen zu Hartz IV jetzt
ieder 1,2 Millionen Menschen mehr einen Mindest-
hn.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Ja, gell!)


Ich war dabei; ich weiß, dass wir das erst beantragen
ussten. Sie hatten das zuvor nicht vorgesehen. – Viel-
icht verstehen Sie, dass der Beschluss in der Großen
oalition ein Kompromiss war – Sie können auch Ihre
rbeitsministerin fragen, die damals in einem anderen
ufgabenbereich tätig war –, weil die CDU/CSU nicht
ereit war, unseren Anträgen auf Einführung eines ge-
etzlichen Mindestlohns zu folgen.





Sigmar Gabriel


(A) )


)(B)


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Da hatten wir auch mehr Arbeitslose!)


Ich würde Ihnen jetzt gerne einmal zeigen, wo die
Schwachstellen der Branchenmindestlöhne liegen. Wir
haben zum Beispiel – Frau von der Leyen hat das groß
angekündigt – einen Branchenmindestlohn im Pflegebe-
reich. Ihre Arbeitsministerin hat gesagt, das sei etwas
richtig Gutes. In Osnabrück gibt es einen jungen Unter-
nehmer, der gerade mit häuslicher Pflege zum Billigtarif
wirbt: Pflege für 1 490 Euro brutto im Monat; das sind
ungefähr 1 000 Euro netto. Sie können jetzt einmal aus-
rechnen – es geht hier um 24-Stunden-Pflege –, ob man
so auf den Mindestlohn im Pflegebereich kommt. Natür-
lich nicht! Der Unternehmer unterläuft den Mindestlohn;
ich erkläre Ihnen gleich, wie er das macht.


(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Dann kriegt er den Zoll an den Hals! Der Zoll wird sich das anschauen!)


Die Caritas wirbt mit einer 24-Stunden-Pflege für
1 850 Euro im Monat; davon bleiben gut 1 000 Euro
netto übrig. Natürlich werben beide mit polnischen Pfle-
gekräften, nicht etwa mit deutschen;


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Für die gilt das auch!)


das Angebot gilt ab dem 1. Mai.

Warum können sie das machen? Weil ein großer Teil
der 24-Stunden-Pflege Bereitschaftsdienst oder Haus-
wirtschaftshilfe umfasst. Deshalb treffen die Bedingun-
gen des Mindestlohns in der Pflege nicht zu; sie gelten
nicht. Diese Unternehmen unterlaufen also den Mindest-
lohn. Diejenigen, die sich bei uns zur Altenpflegerin aus-
bilden lassen, werden demnächst arbeitslos, weil andere,
die in ihren Heimatländern häufig bittere Lebensbedin-
gungen vorfinden – das gebe ich gerne zu; ich werfe es
ihnen nicht vor –, mit einem solchen Lohn besser leben
können als mit dem Lohn zu Hause.

Sie von der Koalition vernichten hier qualifizierte Ar-
beitsplätze, weil Sie einen Mindestlohn verhindern. Das
ist die Realität.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wissen Sie, hier zeigt sich der Irrsinn Ihrer Position in
der Debatte. Welcher Auftraggeber im Handels-, Dienst-
leistungs- oder Handwerksbereich kriegt wohl den Auf-
trag: derjenige, der einen fairen Lohn bietet, der Auslöse
und Tariflöhne zahlt, oder derjenige, der mit Sub-Sub-
Subunternehmern und miserablen Löhnen unter 7, 6
oder 5 Euro pro Stunde agiert? Natürlich derjenige, der
mit Billigarbeitskräften auftritt. Was macht er hinterher?
Er schickt seine Leute zum Sozialamt; denn da können
sie sich über Hartz IV das restliche Geld holen.

Herr Brüderle ist nicht hier. Ich würde aber gerne ein-
mal fragen, Herr Kolb: Was ist das eigentlich für eine li-
berale Wirtschaftsauffassung, die es zulässt, dass der
Staat eine Lohnsubventionierung in Milliardenhöhe vor-
nimmt, dass die anständigen Handwerksmeister ihre

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(C (D ufträge verlieren, weil sie Tariflöhne zahlen, dass die esellen hinterher arbeitslos sind, weil sie mit anderen, ie mit Sub-Sub-Subunternehmern agieren und keine ernünftigen Löhne zahlen, nicht mithalten können? Sie ernichten Arbeitsplätze in Deutschland, und zwar Areitsplätze mit einem Lohn, von dem man leben kann. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ie schicken die Leute hinterher zum Sozialamt. Das ist
ie Realität Ihrer Politik.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710512500

Herr Kollege Gabriel, erlauben Sie eine Zwischen-

age des Kollegen Kolb?


Sigmar Gabriel (SPD):
Rede ID: ID1710512600

Sehr gerne.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710512700

Bitte schön.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1710512800

Herr Kollege Gabriel, Sie haben in Bezug auf die

ollegen der Union den Blick bis zurück in das Jahr
005 gerichtet. Deswegen werden Sie sicherlich nichts
agegen haben, wenn wir den Blick zurück auf das Han-
eln der SPD bis 2005 richten.


Sigmar Gabriel (SPD):
Rede ID: ID1710512900

Gerne!


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1710513000

Sie haben Geschäftsmodelle beklagt, bei denen Ar-

eitgeber Löhne zahlen, die durch öffentliche Transfers
ufgestockt werden müssen. Könnten Sie mir sagen, ob
as Konzept der Aufstockung Teil der Agenda 2010 ist,
ie sich namentlich mit Ihrer Partei, der SPD, verbindet?
ar es damals nicht gerade Ihre Idee, geringqualifizier-
n Menschen durch eine Art Kombi-Einkommen, eine
ombination aus dem selbst erwirtschafteten Einkom-
en und einem öffentlichen Transfer, zu einem Min-

esteinkommen zu verhelfen, das in jedem einzelnen
all bedarfsdeckend ist? Würden Sie mir zustimmen,
ass Sie sich gerade über sich selbst beklagen und Ihr
andeln in den Jahren 2005 und davor beweinen?


Sigmar Gabriel (SPD):
Rede ID: ID1710513100

Erstens. Wenn es so wäre, wäre es vernünftig, eigene

ehler einzusehen und sie zu korrigieren.


(Zuruf von der LINKEN: Ja, dann machen Sie das doch!)


Zweitens. Wir reden hier nicht mehr über Geringqua-
fizierte.


(Beifall der Abg. Anette Kramme [SPD] – Zuruf von der SPD: Genau!)






Sigmar Gabriel


(A) )


)(B)

Wir reden über Menschen mit einer ganz normalen Be-
rufsausbildung. Na klar! Glauben Sie, dass die Alten-
pflegerin, die Krankenschwester und der Pfleger keine
anständige Berufsausbildung haben?

Drittens. Wir haben 2002 nicht von der Öffnung des
Arbeitsmarktes für osteuropäische Arbeitskräfte zum
1. Mai dieses Jahres geredet. Darum geht es doch. Das
hat die Kollegin Kramme klargemacht.

Wir haben jetzt eine andere Situation. Deswegen bieten
diese Unternehmen Pflegekräfte für 1 400 oder 1 800 Euro
zum 1. Mai an. Dann wird der Arbeitsmarkt für die ost-
europäischen Arbeitskräfte geöffnet. Davon sind die
Fachkräfte betroffen und nicht diejenigen, für die wir
alle möglichen Kombilöhne in Deutschland ausprobiert
haben, um sie sukzessive an den ersten Arbeitsmarkt he-
ranzuführen. Sie dringen richtig in den ersten Arbeits-
markt ein.


(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Schlimm!)


Inzwischen sind mehr als 20 Prozent der Arbeitnehmer
in Deutschland im Niedriglohnsektor beschäftigt. Wenn
wir – das sage ich Ihnen – mit unserer Politik Fehler ge-
macht haben, dann wird es jetzt Zeit, dass wir sie korrigie-
ren. Wir erleben eine falsche Entwicklung in Deutsch-
land. Diese wollen wir korrigieren, Herr Kollege Kolb.
Sie wollen sie ausbauen.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Ich weiß nicht, Herr Kolb, wann Sie sich hinsetzen
dürfen. Aber meine Antwort ist damit jedenfalls beendet.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dann setze ich mich!)


Herr Kolb, ich mache ein bisschen weiter. Sie erheben
das zum Prinzip. Jetzt will ich Ihnen einmal sagen, wo-
rum es im Kern geht. Im Kern geht es nicht nur um die
Höhe des Lohnes. Es geht um die Substanz unseres Lan-
des. Denn was hat dieses Land kräftig, wohlhabend und
stark gemacht? Die Tatsache, dass sich Arbeit gelohnt
hat. Wir erleben in Deutschland gerade eine Entwick-
lung, die dazu führt, dass sich Arbeit und Leistung nicht
mehr lohnen.

Wir alle sind mit dem Spruch unserer Eltern groß ge-
worden: Du sollst es einmal besser haben als wir.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!)


Was meinen Sie, wie viele Eltern sich heute Sorgen ma-
chen, dass es ihren Kindern trotz guter Berufsausbildung
schlechter gehen wird als ihnen? 40 Prozent der jungen
Leute, die eine gute Ausbildung haben, landen in prekä-
ren Beschäftigungsverhältnissen oder Zeitarbeit und
werden schlecht bezahlt. Das sind diejenigen, denen wir
immer sagen: Wir wollen, dass ihr Kinder bekommt,
eine Familie gründet, dass ihr etwas für das Alter zu-
rücklegt. Die halten uns für gaga, Herr Kollege Kolb.
Wir wollen dafür sorgen, dass sie nur noch Sie für gaga
halten und nicht diejenigen, die das ändern wollen. Dar-
auf können Sie sich verlassen.

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(C (D (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es geht um die Substanz der sozialen Marktwirt-
chaft. Es geht darum, ob sich Arbeit lohnt. Es geht da-
m, dass nicht das sozial ist, was Arbeit schafft, son-

ern das, wovon man leben kann, wenn man arbeiten
eht. Darum geht es in Deutschland.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Es geht um den Wert von Arbeit. Das scheinen Sie
icht zu verstehen. Es geht – da hat die Kollegin Poth-
er recht – auch um die Würde von Menschen, die ar-

eiten gehen. Es geht darum, dass jemand, der einem
enschen im Altenheim täglich mehrfach die Windeln
echselt, der ihn füttert, der ihn betreut, auch einen an-

tändigen Lohn bekommt und nicht Angst davor haben
uss, wegen Lohndumping aus dem Ausland hinterher

um Sozialamt gehen zu müssen.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Da haben wir doch den Mindestlohn!)


as dürfen die Leute in Deutschland doch von Ihnen er-
arten.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie sind dagegen.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr!)


ie sorgen dafür, dass Mindestlöhne unterlaufen werden
önnen. Sie tun so, als ob man in Deutschland Jobs ver-
ert, wenn man den Mindestlohn einführt. In Wahrheit
erlieren wir Jobs, wenn wir ihn nicht einführen.

Meine Damen und Herren, es ist Zeit, dass wir in
eutschland wieder Recht und Ordnung auf dem Ar-
eitsmarkt herbeiführen.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das schaffen wir! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Nein, Sie und Frau von der Leyen sind den Frauen in
eutschland zweimal in den Rücken gefallen,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ls Sie dagegen waren, dass es bei der Leiharbeit glei-
hen Lohn für gleiche Arbeit gibt, und als Sie dagegen
aren, dass wir endlich eingreifen, sodass Frauen und
änner gleichen Lohn bei gleicher Arbeit kriegen. Sie

aben beide Male dagegen gestimmt. Ihre Ministerin
llt den Frauen in den Rücken, wenn es ums Handeln

eht,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


nd nach draußen hält sie feine Reden über Aufsichtsräte
nd Quoten, die sie dort einführen will. Das ist das, was
ie hier machen.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710513200

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.






(A) )


)(B)


Sigmar Gabriel (SPD):
Rede ID: ID1710513300

Herr Präsident, ich komme zum Schluss.

Meine Bitte an die CDU/CSU ist: Damals, 1952, gab
es einen Gesetzentwurf der SPD. Darüber gab es lange
Beratungen. Sie bildeten – wie heute – eine gemeinsame
Regierung mit der FDP. Am Ende der Beratungen hatte
Ihre Regierung unter Konrad Adenauer den Mut, dem
Gesetz über Mindestarbeitsbedingungen, dessen Ent-
wurf die SPD eingebracht hatte, mit den Stimmen von
CDU/CSU zur Mehrheit zu verhelfen – gegen die Stim-
men Ihres Koalitionspartners FDP. Sie zitieren Adenauer
so gern. Verhalten Sie sich doch einmal so wie er.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710513400

Das Wort hat der Kollege Pascal Kober von der FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1710513500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lieber Herr Gabriel, Ihre rhetorischen Fähigkeiten, Ihre
Wortgewandtheit sind beeindruckend. Aber Sie waren in
den vergangenen Beratungen zum Thema Mindestlohn
nicht anwesend. Insofern haben Sie nicht gehört, was wir
den Kollegen Ihrer Fraktion schon immer versucht ha-
ben von Grund auf zu erläutern.

Wenn Sie die Anträge bzw. den Gesetzentwurf gele-
sen hätten, die zur Beratung vorliegen, wenn Sie sich ein
bisschen in der Diskussion auskennen würden, dann
würden Sie sehen, dass gegenwärtig unterschiedliche
Mindestlohnhöhen im Gespräch sind: Da gibt es die
7,50 Euro von Bündnis 90/Die Grünen, die 8,50 Euro
von Ihrer Partei und die 10 Euro der Linkspartei.


(Sigmar Gabriel [SPD]: Da sind doch 8,50 Euro ein schönes Mittel!)


Ich habe von meinem Kollegen Herrn Schlecht auf einer
Podiumsdiskussion in Freiburg, auf der wir gemeinsam
mit Peter Weiß waren, gelernt, dass die Linkspartei in
Baden-Württemberg sogar 12 Euro für notwendig und
für einen gerechten Lohn hält.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Neuer deutscher Rekord!)


Ein Bürger hat mir geschrieben, er habe eine Partei ge-
gründet, um einen Mindestlohn von 16 Euro durchzuset-
zen. Als ich Sie, Herr Schlecht, gefragt habe: „Warum
dann nicht einen gesetzlichen Mindestlohn von
20 Euro?“, haben Sie ernsthaft gesagt: Stimmt, darüber
müsste man einmal nachdenken. – Lieber Herr Gabriel,
Sie sehen, es ist gar nicht so leicht, wenn sich die Politik
in die Findung von Lohnhöhen einmischt,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist wahr!)


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(C (D enn sie festlegen will, was ein gerechter und guter ohn ist. eshalb sagen wir nach wie vor: Versuchen wir, die Potik aus dieser Frage herauszuhalten! Mittlerweile veruchen Sie in Ihren Vorlagen, Ihre Vorstellungen vergesen zu machen, dass nämlich für die Festlegung eines esetzlichen Mindestlohnes die Politik zuständig ist, inem Sie plötzlich davon sprechen, dass irgendwelche nabhängigen Kommissionen die Mindestlohnhöhe festgen sollen. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In England sehr erfolgreich!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wenn man die Anträge bzw. den Gesetzentwurf von
er Opposition genau liest, dann stellt man fest, dass Sie
ren eigenen Vorschlägen misstrauen und dass Ihre Vor-
gen nicht konsistent formuliert sind; denn der nationale
indestlohnrat, den beispielsweise die Linkspartei vor-

chlägt, soll die Lohnhöhe fortwährend entwickeln, aber
en Eingangsmindestlohn von 10 Euro möchten Sie ihm
olitisch vorgeben, genauso wie die Grünen ihren gefor-
erten Eingangsmindestlohn von 7,50 Euro.

Wir haben nichts dagegen, dass Löhne gut und ge-
cht sein sollen. Aber die Frage ist doch: Wer kann das
ststellen? Es ist nicht so, dass wir bzw. die Tarifpartner

infach, losgelöst von der marktwirtschaftlichen Wirk-
chkeit, Lohnhöhen festlegen könnten. Dann wären wir
ns vielleicht schnell einig. Das Gleiche gilt auch, wenn
an die Lohnhöhe danach definieren wollte, was für die
entensicherungssysteme angemessen wäre. Am Ende
t immer der Verbraucher mit seinem individuellen
reisempfinden daran beteiligt, welche Löhne in unserer
esellschaft gezahlt werden. Denn wenn die Löhne zu
och sind, dann werden die Produkte zu dem sich daraus
rgebenden Preis nicht mehr abgenommen. Dann droht
rbeitslosigkeit; dann droht, dass Menschen nicht mehr

n der Gesellschaft teilhaben können; dann droht, dass
ie Menschen keine Chancen mehr auf dem Arbeits-
arkt haben. Das scheint Ihnen, lieber Herr Gabriel, völ-
g egal zu sein.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Den Eindruck muss man haben!)


Wir sagen: Die Menschen sollen Arbeit haben. Wenn
as, was sie verdienen, für sie und ihre Familien nicht
um Leben reicht, dann ist es auch nicht unanständig
nd nicht moralisch fragwürdig, wenn sie von der Soli-
argemeinschaft, vom Steuerzahler, etwas zu ihrem
ohn dazubekommen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710513600

Jetzt hat das Wort die Kollegin Gabriele Lösekrug-
öller von der SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)







(A) )


)(B)


Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1710513700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ko-

ber, worüber Sie zum Schluss sprachen, halte ich für ei-
nen Rechtsanspruch.


(Zuruf des Abg. Pascal Kober [FDP])


Kollege Kolb, den gab es übrigens schon zu Zeiten der
Sozialhilfe, wenn der Lohn nicht ausreichte, den man am
Ende des Monats nach Hause brachte. Ich sage Ihnen
das, weil Sie in Ihrer Fraktion der Experte sind.

Die SPD-Fraktion hat heute 80 junge Frauen zu Be-
such, es ist nämlich Girls’ Day. Diese Girls, die wir herz-
lich willkommen heißen, erwarten, dass eine Sache aufhört
– denn das ist wesentlich für ihre berufliche Zukunft –: Sie
wollen, dass Schluss ist mit der Spirale nach unten, nach
dem Motto: Es geht auch billiger, wenn es um Arbeit
geht. – Herr Gabriel hat zu Recht darauf hingewiesen:
Wünschen wir nicht all unseren Söhnen und Töchtern,
dass es ihnen besser geht als uns? Wenn wir das in Sa-
chen Lohn nicht hinbekommen, dann lösen wir dieses
Versprechen nicht ein. Das lassen Sozialdemokraten
nicht durchgehen.


(Beifall bei der SPD)


Deshalb will ich Ihnen sagen: Wir brauchen mehr Recht
und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. Das steht mitnich-
ten der Tarifautonomie oder Branchentarifverträgen ent-
gegen; es ist vielmehr eine notwendige Ergänzung. So
sehen das auch die Gewerkschaften. Wer meint, er könne
hier einen Keil dazwischentreiben, der glaubt auch, die
Osterhasen würden im Laufe des Jahres zu Weihnachts-
männern umgeformt.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das passiert tatsächlich!)


Bei den Branchenmindestlöhnen haben wir Sie doch,
ehrlich gesagt, zum Jagen tragen müssen. Glauben Sie
denn, ohne unseren Druck hätten wir heute diese Min-
destlöhne? Nein, dem ist nicht so. Wenn wir nicht jeden
Monat Druck machen würden in Sachen Mindestlohn,
dann wären wir nicht einmal da, wo wir heute sind. Das
ist ein Teil der Wahrheit.


(Beifall bei der SPD)


Lassen Sie mich an vier Beispielen kurz und knapp
darstellen, wie es um den Mangel an Recht und Ordnung
auf dem Arbeitsmarkt bestellt ist.

Erstes Beispiel. Es ist halb drei, wir alle haben zu
Mittag gegessen,


(Zuruf von der CDU/CSU: Ich noch nicht!)


deshalb können wir über die Fleischwirtschaft reden,
zum Beispiel die in Niedersachsen. Die Zustände dort
sind absolut unappetitlich, weil Recht und Ordnung feh-
len. Die Dänen sagen: Deutschland ist ein Niedriglohn-
land. – Deshalb schicken sie ihre Schweine zum
Schlachten nach Deutschland. In der niedersächsischen
Fleischindustrie herrschen Bedingungen, da vergeht Ih-
nen jeder Appetit auf das nächste Schnitzel.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Mir nicht! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die niedersächsi g e s s v w u s h ra H k G re le c W lo Ic v H fa z n w s h S (C (D schen Metzger werden in diesem Redebeitrag verunglimpft!)


Zweites Beispiel: Herr Kolb, die Metzger in Thürin-
en – da kommt die berühmte Rostbratwurst her – haben
inen Lohn von 5,49 Euro pro Stunde. Dafür können sie
ich eindreiviertel Rostbratwürste leisten. Das stellen Sie
ich bitte vor.

Drittes Beispiel: Floristin – das ist ein Wunschberuf
ieler Frauen. Die machen wunderbare Sachen. Aber
as verdienen sie? 4,58 Euro pro Stunde in Brandenburg
nd im Hochlohnland Baden-Württemberg sage und
chreibe 6,36 Euro.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Tarifvertrag!)


Viertes Beispiel: die Friseure in Thüringen. Darüber
at die Kollegin Pothmer schon gesprochen.

Deswegen sage ich: Wir müssen raus aus dieser Spi-
le „Es geht noch billiger“.

Der FDP-Minister aus Schleswig-Holstein ist von
errn Ernst bereits zitiert worden. Da sickert die Er-
enntnis durch, dass es so nicht weitergeht. Herzlichen
lückwunsch, kann ich da nur sagen. Sie haben den Di-
ktor des IAB auf Ihrer Seite. In Spiegel-Online ist zu
sen, er verstehe gar nicht, warum man einen gesetzli-

hen Mindestlohn in Deutschland für Teufelszeug hält.
issen Sie, was er sagt? Er sagt: Das ist Ökonomiefolk-
re. – Recht hat der Mann.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP])


h empfehle Ihnen diesen Artikel zur Lektüre.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710513800

Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Johann Wadephul

on der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1710513900

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Der letzte sozialdemokratische Beitrag hat mich
st schon wieder etwas milder gestimmt. Aber die davor

u Gehör gebrachten Beiträge und insbesondere derje-
ige des Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei
aren an Populismus nicht zu überbieten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Nur, Herr Gabriel: Seien Sie vorsichtig! Sie werden
chon jetzt an mancher Stelle von der Linkspartei über-
olt. Herr Ernst ist der bessere Populist als Sie.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!)


ie werden ihn in diesem Bereich auch nicht überholen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






Dr. Johann Wadephul


(A) )


)(B)

Ich beginne mit den europapolitischen Aspekten Ihres
Beitrages und auch des Beitrages der Kollegin Kramme,
die sogar von Völkerwanderung sprach. Herr Gabriel,
Sie sprachen davon: Die dringen hier ein. – So reden Sie
darüber, wenn für den lange Zeit unfreien Teil Europas
nun endlich, nach einer langen Übergangszeit – das hat
dort nicht jeder verstanden –, weil sich Deutschland auf
seinem Arbeitsmarkt lange abgegrenzt hat, eine Öffnung
stattfindet; eine Öffnung, die nicht weniger als die tat-
sächliche Vollendung der Einheit Europas bedeutet, die
vor 20 Jahren begonnen hat.

Das ist die Zäsur, vor der wir stehen. Bei europapoliti-
schen Veranstaltungen – in Warschau oder hier –, bei
Veranstaltungen mit Menschen aus Polen, Tschechien
oder dem Baltikum halten Sie schöne Reden über Euro-
papolitik. In arbeitsmarktpolitischen Debatten hingegen
verbreiten Sie einen dumpfen Populismus und sagen:
Die dringen hier ein und nehmen den Deutschen die Ar-
beitsplätze weg. –


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Lieber Herr Gabriel, Sie befinden sich, um das vornehm
auszudrücken, in einer unguten Gesellschaft.


(Anette Kramme [SPD]: Ihr Vortrag ist unsubstanziiert!)


Die Tatsache, dass Sie sich dieser Mittel bedienen müs-
sen, spricht nicht dafür, dass Sie in Ihrer Rolle souverän
sind.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Dafür sprach übrigens auch die sehr zufriedene Miene,
mit der Herr Steinmeier den Saal nach Ihrem Beitrag
verlassen hat.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Sigmar Gabriel [SPD]: Der wollte sich Sie ersparen!)


Zur Sache: Worüber reden wir? Frau Kramme hat auf
die Recherchen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Be-
rufsforschung hingewiesen. Wir reden über 100 000 Ar-
beitskräfte – vielleicht sind es auch 130 000 –, die ab
dem 1. Mai 2011 zusätzlich auf dem deutschen Arbeits-
markt zu finden sein werden. Angesichts eines Verlustes
von 200 000 Arbeitskräften in diesem Jahr als Folge des
demografischen Wandels – darauf hat die Bundesagentur
für Arbeit hingewiesen –,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Bei einer Gesamtzahl von 40 Millionen Erwerbstätigen!)


angesichts der Tatsache, dass Deutschland ein Wirt-
schaftswachstum hat wie kaum ein anderes Land


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und immer noch über 4 Millionen Arbeitslose!)


– in einigen Bereichen herrscht in Deutschland glückli-
cherweise sogar wieder Vollbeschäftigung –,


(Anette Kramme [SPD]: Aber in welchen Bereichen denn?)


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(C (D nd angesichts der Tatsache, dass wir in Deutschland eien Fachkräftemangel haben, muss man sich keine Soren darüber machen, dass 130 000 Menschen nach eutschland kommen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber die müssen anständig bezahlt werden!)


us deutscher Sicht muss man sich eher darüber freuen
das tun die Betriebe auch –, dass wir Arbeitskräfte be-
ommen, die uns unterstützen können. Diese Menschen
eißen wir willkommen, und wir behandeln sie selbst-
erständlich gut.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Darum geht es ja gar nicht!)


Herr Gabriel, da Sie an Herrn Adenauer erinnert ha-
en, sage ich: Das ist nicht das erste Mal, dass wir eine
uwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt haben.
ahrzehntelang gab es eine Zuwanderung in den deut-
chen Arbeitsmarkt insbesondere von Menschen aus der
ürkei. Wo waren Sie denn damals? In welcher Art und
eise haben Sie denn damals Alarm geschlagen? Haben

ie damals eine Abschottung gefordert und gesagt: „Das
arf nicht stattfinden!“?


(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Darum geht es doch gar nicht! Meine Güte!)


etzt verbreiten Sie plötzlich Panik und sorgen für eine
erunsicherung, die aufgrund der Zahlen überhaupt
icht gerechtfertigt ist.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Geschäftsmodell Angst! Das ist das Modell der SPD!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710514000

Herr Kollege Wadephul, genehmigen Sie eine Zwi-

chenfrage des Kollegen Ernst?


Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1710514100

Ja.


(Zuruf von der SPD)


Links ist links.


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710514200

Herr Wadephul, ist Ihnen entgangen, dass kein Red-

er der Oppositionsfraktionen gefordert hat, den deut-
chen Arbeitsmarkt abzuschotten? Ein gesetzlicher Min-
estlohn würde – dabei ist es in diesem Zusammenhang
rst einmal egal, wie hoch er wäre – selbstverständlich
uch für die Kolleginnen und Kollegen gelten, die aus
nderen Ländern zu uns kommen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist aber nicht egal!)


sofern ist es eine Verdrehung der Tatsachen, wenn Sie
ns unterstellen, wir würden aus irgendwelchen nationa-
stischen Gründen unser Land abschotten wollen.

Herr Wadephul, ist Ihnen auch entgangen, dass es ein
rfolg war, dass der Lohn in Deutschland in den letzten





Klaus Ernst


(A) )


)(B)

Jahrzehnten nicht einfach gedrückt werden konnte und
die Arbeitszeiten nicht einfach verlängert werden konn-
ten, weil sie tarifvertraglich festgelegt waren? Ist Ihnen
entgangen, dass sich die Unternehmerinnen und Unter-
nehmer in unserem Land etwas anderes einfallen lassen
mussten, als einfach nur billige Leute einzustellen oder
die Löhne zu drücken, wenn sie mehr Geld verdienen
wollten? Sie mussten vernünftige Produktionsweisen er-
arbeiten, neue Ideen haben und neue Produkte entwi-
ckeln, kurz: Innovationen voranbringen.

Können Sie sich vorstellen – das ist der letzte Teil
meiner Frage –, dass eine Aufhebung dieser Grenzen
dazu führt – ich meine: wenn die Löhne wegrutschen
und die Arbeitszeiten verlängert werden können –, dass
die Unternehmerinnen und Unternehmer künftig in gro-
ßer Zahl den schlechteren Weg wählen, um mehr zu ver-
dienen, das heißt, dass sie die Löhne senken und die
Arbeitszeiten ohne finanziellen Ausgleich erhöhen wer-
den?


Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1710514300

Herr Kollege Ernst, zunächst einmal sage ich: Ich

habe Ihren Antrag gelesen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist gut!)


Sämtliche Forderungen werden mit dem Datum 1. Mai
oder einer besonderen Dringlichkeit wegen der Gefahr
für deutsche Arbeitsplätze begründet. Lesen Sie Ihren ei-
genen Antrag, bevor Sie mir hier eine Frage stellen!


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Das ist genau der Punkt!)


Zweitens habe ich den Ausführungen zugehört. Es
wurde genau darauf, was ich hier angeführt habe, Bezug
genommen.

Drittens verweise ich Sie darauf, dass vor uns andere
Mitgliedstaaten der Europäischen Union, insbesondere
Großbritannien, ihren Arbeitsmarkt geöffnet haben.


(Sigmar Gabriel [SPD]: Die haben Mindestlöhne! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Die haben Mindestlöhne!)


Dort gibt es übrigens – darauf werden wir ja immer hin-
gewiesen – Mindestlöhne. Ja, die haben Mindestlöhne.
Nur, lieber Herr Gabriel, das hat überhaupt nichts geän-
dert.


(Sigmar Gabriel [SPD]: Sie verstehen gar nichts!)


Die meisten Polen sind in der Zeit nach 2004 nach Groß-
britannien gegangen. Der dortige Arbeitsmarkt hat die-
sen Zuwachs voll verkraftet. Das hat überhaupt keine
Probleme gegeben. Es hat keinen signifikanten Anstieg
der Arbeitslosigkeit gegeben.


(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Eben!)


Im Ergebnis wird das also überhaupt nichts ausrichten;
das spielt überhaupt keine Rolle.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Herr Kollege Wadephul, der Kollege Gabriel würde nen gerne eine Zwischenfrage stellen. Nein. Ich würde jetzt gerne einmal versuchen, diesen edanken zu Ende zu bringen. (Anette Kramme [SPD]: Schade! Das ist aber feige! – Sigmar Gabriel [SPD]: Schade! Sie haben ein bisschen Schiss jetzt gerade! Dabei wollte ich Ihnen helfen, Herr Kollege!)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710514400
Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1710514500

Haben Sie so wenig Gelegenheit, zu Wort zu kommen,
err Gabriel? Das tut mir leid. Ich werde Ihnen gegen
nde meiner Rede Gelegenheit geben, da einzuhaken.


(Anette Kramme [SPD]: Das wird ja ein spannendes Ergebnis!)


Herr Gabriel, Sie haben insbesondere die Pflege ange-
prochen. Ich möchte zunächst einmal auf eines hinwei-
en. Erstens ist es so, dass in diesem Bereich Mindest-
hne gelten.


(Anette Kramme [SPD]: Ja, aber die werden unterlaufen, indem das als Haushaltshilfe bezeichnet wird!)


ies haben Sie leider verschwiegen. Zweitens wundere
h mich, in welcher Art und Weise Sie an dieser Stelle
anik machen. Wir haben in der Pflege – das weiß ei-
entlich jeder in Deutschland – einen akuten Fachkräfte-
angel. Es fehlen mindestens 10 000 Arbeitskräfte. Es
erden mittlerweile Kopfprämien für Menschen, die be-
it sind, in diesem Bereich zu arbeiten, gezahlt. Das ist
Ihrem Redebeitrag überhaupt nicht zum Ausdruck ge-

ommen, lieber Herr Gabriel. Das muss ich Ihnen in al-
r Deutlichkeit sagen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Anette Kramme [SPD]: Aber nicht zu einem anständigen Mindestlohn! Das sind Haushaltshilfen!)


Ich muss hinzufügen: Wenn Sie hier diese in der Tat
chwierige Arbeit schildern und beschreiben, dass in
iesem Bereich Beschäftigte Menschen aus Windeln ho-
n und ähnliche schwierige Tätigkeiten ausüben, muss
h sagen: Sie haben sich für diesen Beruf entschieden. –
ass wir oder irgendjemand in diesem Hause die Würde
ieser Arbeitskräfte infrage stellen und nicht der Mei-
ung sind, dass sie gerecht entlohnt werden müssen,
timmt nicht.


(Anette Kramme [SPD]: Deshalb Mindestlohn! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Dann machen Sie es doch! Einfach machen!)


ns so etwas vorzuwerfen, Herr Gabriel, finde ich
chlicht und ergreifend daneben. Es ist eigentlich auch
nter Ihrem Niveau. Das sollten Sie in Zukunft so nicht
iederholen. Auf dem Niveau brauchen wir derartige
ebatten nicht miteinander zu führen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)






Dr. Johann Wadephul


(A) )


)(B)

Ich möchte abschließend sagen: Es gibt hier nicht nur
schwarz und weiß.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Doch!)


Es ist nicht so, dass die einen für Mindestlohn und die
anderen dagegen sind, sondern es gibt unterschiedliche
Wege. Auch wir sind für Mindestlöhne, wir sind sogar
für gesetzliche Mindestlöhne. Das, was aufgrund des Ar-
beitnehmer-Entsendegesetzes und anderer Gesetze statt-
findet, sind gesetzliche Maßnahmen. Wir sind der Mei-
nung, dass es branchenspezifisch unterschiedliche Min-
destlöhne geben sollte. Das findet zum Beispiel auch im
Antrag der Grünen seinen Niederschlag.

Vielleicht sollten Sie etwas differenzierter an die De-
batte herangehen, so, wie es auch der Sachverständige
Professor Bayreuther getan hat, den Sie, Frau Kramme,
erwähnt haben. Daher möchte ich abschließend – Herr
Präsident, mit Ihrer Genehmigung – noch kurz zitieren,
was dieser Sachverständige gesagt hat:

Ich hielte eine Generalisierung des Entsenderechts
für relativ schwierig, weil es einfach Branchen gibt,
die sich dazu nicht eignen. Es gibt diversifizierende
Lohnstrukturen in großen unterschiedlichen Lohn-
gittern. Das passt nicht ins Entsendegesetz. Die
Branchen, die prekäre Beschäftigung aufweisen,
sind überwiegend im Entsendegesetz.

Wir haben dafür gesorgt, dass die Branchen, in denen
es am notwendigsten ist, durch einen gesetzlich flankier-
ten Mindestlohn geschützt werden. Wir schauen uns in
aller Ruhe andere Bereiche an, aber es gibt keinen An-
lass, mit Blick auf den 1. Mai 2011 in Panik zu verfallen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710514600

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem

Kollegen Sigmar Gabriel.


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Nicht schon wieder! – Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Dadurch wird es auch nicht besser!)



Sigmar Gabriel (SPD):
Rede ID: ID1710514700

Herr Kollege, ich wollte erstens nur sagen, dass ich

mir einen Zustand wie in Großbritannien wünsche.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Ich nicht!)


Deswegen finde ich Ihr Beispiel, dass die Briten ihren
Arbeitsmarkt geöffnet haben, so wunderbar. Das wollen
auch wir. Aber die Briten haben schon seit langer Zeit ei-
nen gesetzlichen Mindestlohn.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Und warum geht es den Engländern schlechter?)


Lieber Herr Kollege, wenn wir uns darauf verständigen
können – ich vermute, dass Sie das gar nicht wollen –,
dass wir uns die Briten als Beispiel nehmen, dass wir für
die Öffnung der Grenzen nach Osteuropa sind, und zwar
so, wie Sie es am Beispiel der Briten beschrieben haben,

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(C (D ass wir dann allerdings auch die Bedingungen wie in roßbritannien schaffen, nämlich einen flächendeckenen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland, dann sind ir uns einig. Sie haben eben nur die Öffnung der Gren en thematisiert, aber nicht den gesetzlichen Mindesthn in Großbritannien. Zweitens. Sie merken, dass ich Ihnen zuhöre. Sie haen mir anscheinend nicht zugehört. Ich habe ausdrückch darauf hingewiesen, dass es einen Mindestlohn in er Pflege gibt, aber dass das Problem gerade darin beteht, dass er unterlaufen wird. em können Sie nur begegnen, wenn Sie einen gesetzlihen Mindestlohn einführen. Darum geht es. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist eine Frage der Kontrolle, nicht der Gesetzgebung!)


(Beifall bei der SPD)


(Anette Kramme [SPD]: So ist es!)


Drittens, Herr Kollege – damit das noch einmal deut-
ch an Ihr Ohr dringt –: Ja, ich finde, wer die Menschen,
ie in der Pflege arbeiten, mit 1 000 Euro netto und we-
iger abspeisen will, der verstößt gegen die Würde der
rbeit genauso wie gegen die Würde dieser Menschen in
rer Arbeit. Genau das werfe ich Ihnen vor, ob Sie es

un hören wollen oder nicht.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710514800

Herr Kollege Wadephul zur Erwiderung, bitte.


Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1710514900

Herr Kollege Gabriel, das Erste ist: Im Gegensatz zu

nen bin ich regelmäßig als Arbeitsrechtsanwalt tätig.
h erlebe immer wieder, wie die Kollegin Kramme
öglicherweise auch, dass es gesetzliche Regelungen,
rifliche Regelungen, Betriebsvereinbarungen, sogar
rbeitsverträge gibt, die klar und eindeutig sind, die aber
nterlaufen werden, Herr Gabriel;


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja!)


ogar strafrechtliche Vorschriften werden gelegentlich
nterlaufen. Das gibt es in Deutschland.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das gibt es auch in der Metallindustrie! – Sigmar Gabriel [SPD]: Der kennt sich aus!)


as wird häufig sanktioniert, aber nicht immer.

Ich will Sie vor dem Trugschluss, dem Sie möglicher-
eise aufsitzen, warnen, dass eine gesetzliche Regelung
ie Lösung sämtlicher Probleme wäre und all dies dann
icht mehr geschähe. Das ist nicht so. Es wird immer
ieder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geben, die

ich in einer schwachen Position befinden und sich so et-
as gefallen lassen.


(Anette Kramme [SPD]: Deswegen wollen wir ja auch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit stärken!)






Dr. Johann Wadephul


(A) )


)(B)

Das ist traurig. Diesen Menschen muss man helfen. Ich
tue das im Rahmen meiner Möglichkeiten als Abgeord-
neter und als Anwalt. Ich kann Ihnen nur sagen: Sie lö-
sen damit nicht alle Probleme.

Das Zweite ist: Sie müssen sich schon genau überle-
gen, welche Beispiele Sie anführen. Wollen Sie uns
ernsthaft vorschlagen, dass wir das englische Arbeitsver-
tragssystem, praktisch ohne Kündigungsschutz, über-
nehmen?


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Allerdings! Mein lieber Freund! – Max Straubinger [CDU/ CSU]: Genau! Ein „Superkündigungsschutz“ wäre das! Das gäbe Probleme ohne Ende! – Anette Kramme [SPD]: Nein! Das ist falsch! Das hat er nicht vorgeschlagen! Doch nicht alles!)


– Ein bisschen geht nicht. Sie haben gerade gesagt: Das
gesamte britische System soll übernommen werden. –
Das haben Sie mir vorgehalten.


(Widerspruch bei der SPD – Anette Kramme [SPD]: Nein! Blödsinn! – Sigmar Gabriel [SPD]: Nein! Das habe ich nicht gesagt!)


– Natürlich, das haben Sie mir vorgehalten. Dann neh-
men Sie bitte auch alles.


(Sigmar Gabriel [SPD]: Man merkt: Sie sind Anwalt! Man merkt, welchen Beruf Sie haben!)


Lieber Herr Gabriel, Sie werden nicht nur ein biss-
chen übernehmen können, sondern Sie müssen sich
schon auf das gesamte System in Großbritannien einlas-
sen.


(Sigmar Gabriel [SPD]: Sie würde ich auch als Anwalt nehmen! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Nein! Wieso das denn?)


– Ja.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Wir wollen doch nicht das Pfund einführen! Das ist ja nicht zu fassen, was Sie hier erzählen! Worüber reden Sie denn?)


– Das ist ja in Ordnung.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Wir reden hier über den Kündigungsschutz, Herr Lange! – Sigmar Gabriel [SPD]: Wir merken gerade, warum Sie diesen Beruf gewählt haben!)


Wir reden über arbeitsrechtliche und sozialrechtliche
Grundlagen unseres Wirtschaftssystems. Wenn Sie mir
angesichts des Krankenversicherungsrechts in Großbri-
tannien, angesichts der Situation, dass es dort praktisch
keinen Kündigungsschutz gibt, und angesichts der Situa-
tion, dass es dort einen Mindestlohn von gerade einmal
6,50 Euro gibt, erzählen wollen, dass die Menschen auf
der Insel in besseren sozialen Verhältnissen als die Men-
schen hierzulande leben, dann bin ich nicht Ihrer Auffas-
sung. Ich bin der Meinung, möglichst viele Menschen in
Deutschland sollten wissen, wie Sie über dieses Thema
denken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Das Wort hat der Kollege Johannes Vogel von der DP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Gabriel will in Deutschland englische Verhältnisse! Das ist wirklich die Sensation!)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710515000


Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1710515100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

ann mich in fast allen Punkten dem Kollegen Johann
adephul anschließen,


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sehr gut!)


ußer bei einer Aussage.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie haben ja auch nur drei Minuten! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Ich habe nur drei Minuten, genau.


(Anette Kramme [SPD]: Das passt zu den Prozentzahlen der FDP!)


n einer Stelle seiner Rede hat er gesagt: Herr Gabriel,
ie müssen aufpassen, dass Sie nicht vom größeren
opulisten Klaus Ernst überholt werden. – Ich sage ganz
hrlich: Diese Sorge habe ich nach Ihrem Auftritt hier
nd heute nicht, Herr Gabriel.


(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Sigmar Gabriel [SPD]: Das brauchen Sie auch nicht! Sie sollten ganz andere Sorgen haben! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Es sind noch zwei Minuten!)


Neu war in der heutigen Debatte – wir führen sie ja
äufig, meistens in gleicher Besetzung, aber bei wech-
elnden Anlässen – wenig. Sie sagen, Sie wollen die
ohnfindung in die Hand der Politik legen. Wir sagen,
ie ist bei den Tarifpartnern besser aufgehoben. Wir sind
uch völlig pragmatisch, wenn die Politik einmal Tarif-
erträge für allgemeinverbindlich erklären muss.


(Anette Kramme [SPD]: Ach! Das machen Sie einfach nicht! Da sind Sie pragmatisch!)


as haben wir in dieser Regierungszeit auch schon ge-
n.

Nur, wir lassen es Ihnen, Herr Gabriel, nicht durchge-
en, dass Sie für die Essenz der sozialen Marktwirtschaft
treiten. Denn zur Essenz der sozialen Marktwirtschaft
ehört auch die Tarifautonomie. Dazu gehört auch, dass
icht der Staat und nicht Politiker für die Lohnfindung
uständig sind,


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das wollen wir ja auch gar nicht!)


ondern Arbeitgeber und Gewerkschaften. Das werden
ir gegen Sie verteidigen.





Johannes Vogel (Lüdenscheid)



(A) )


)(B)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Anette Kramme [SPD]: Wie war das noch mit „Gewerkschaften sind eine Plage“?)


Ich will auf einen anderen Punkt eingehen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Redezeitverlängerung! Der Kollege Schlecht möchte eine Frage stellen!)


– Herr Schlecht, möchten Sie eine Frage stellen?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710515200

Ich wollte gerade fragen: Wollen Sie eine Frage des

Herrn Schlecht zulassen?


Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1710515300

Bei drei Minuten Redezeit sehr gerne.


(Beifall des Abg. Frank Schäffler [FDP] – Anette Kramme [SPD]: Drei Minuten? Das passt zu den Prozentzahlen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710515400

Bitte schön, Herr Schlecht.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Hoffentlich fragt er nicht auch schlecht!)



Michael Schlecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710515500

Sie sind eben auf die Tarifautonomie eingegangen.

Das große Problem ist doch, dass die Tarifautonomie in
den letzten zehn Jahren erheblich beschädigt worden ist.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja! Durch die Politik!)


Ich will Ihnen einen zentralen Punkt nennen. Ich selbst
komme als Hauptamtlicher von Verdi. Bis Anfang 2003
waren wir dem gesetzlichen Mindestlohn gegenüber sehr
zurückhaltend. Wir haben ihn zu einem zentralen Thema
erhoben, nachdem mit Einführung des Arbeitslosengel-
des II die Zumutbarkeitsregelungen entfallen sind und
damit der freie Fall der Löhne nach unten eintrat. Damit
war uns klar: Es muss eine andere Regelung her, wenn
der Gesetzgeber diese Zumutbarkeitsregelungen fortfal-
len lässt.

Das ist der entscheidende Punkt: Sie haben – gerade
unter tätiger Mithilfe der FDP – längst die Tarifautono-
mie so beschädigt, dass schon allein als Notlösung der
gesetzliche Mindestlohn in Deutschland mehr als not-
wendig ist.


(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: War das eine Frage?)



Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1710515600

Lieber Herr Kollege Schlecht, ich habe die Frage

zwar nicht verstanden, werde aber trotzdem kurz auf die
Bemerkung eingehen.

Erstens: die Zumutbarkeitsregelung im Zusammen-
hang mit Hartz IV – es war nach meiner Erinnerung Rot-
Grün, die sich als Retter der sozialen Marktwirtschaft
aufgespielt haben.

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(C (D (Michael Schlecht [DIE LINKE]: Sie haben doch damals applaudiert! – Anette Kramme [SPD]: Da haben Sie aber ein ganz schlechtes Gedächtnis!)


Zweitens. Herr Schlecht, Sie werden die Tarifautono-
ie nicht retten können, wenn Sie der Politik die Lohn-
ndung in die Hand geben. Ich prophezeie Ihnen: Das
lappt nicht. Wenn wir die Sorge teilen, dass es Gewerk-
chaften mit einem zu geringen Organisationsgrad gibt,
önnten wir uns die Frage stellen: Wie können wir das
orrigieren? Ich sage Ihnen: Das wird nicht dadurch ge-
ngen, dass Sie Politikern die Lohnfindung in die Hand
eben.

Es würde übrigens auch ein Zweites nicht gelingen.
roßbritannien ist hier immer wieder angesprochen wor-
en. Herr Gabriel, ich habe mich in der Tat – wie der
ollege Wadephul – schon sehr gewundert. Wir können
erne über den britischen Kündigungsschutz, die Zahl
ritischer Urlaubstage, das britische Niveau der sozialen
icherung und andere Arbeitsmarktregelungen Großbri-
nniens reden.


(Annette Kramme [SPD]: Das ist die neue soziale Ader der FDP! Da hat Herr Rösler was anderes erzählt! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das hätten Sie wohl gerne!)


or allem liegt die Lohnfindung in Großbritannien in der
and einer unabhängigen Kommission. Ich würde gerne
it Ihnen darüber diskutieren, ob das eine denkbare Lö-

ung ist. Allein, wir glauben Ihnen nicht, dass Sie das
urchhalten.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Doch! Halten wir!)


chon in Ihren Anträgen beweisen Sie immer wieder,
ass Sie dieser Kommission schon bei der Einführung
orgeben wollen, wie hoch der Lohn sein darf. Das ist
lles, aber nicht unabhängig.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dann legen Sie doch einen eigenen Vorschlag vor!)


Ich will noch zu einem weiteren Punkt, zum Thema
opulismus, etwas sagen. Mich hat – auch da muss ich
ich meinem Vorredner anschließen – eines wirklich ge-

tört, und zwar dass Sie allen Ernstes den 1. Mai zum
ufhänger für Ihre Forderungen gemacht haben. Wir

ind daran gewöhnt, dass wir hier mit Ihnen in jedem
onat die Mindestlohnfrage noch einmal diskutieren

nd die bekannten Argumente austauschen müssen. Das
önnen wir gerne machen. Aber Sie können doch nicht
en Beginn der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit am
. Mai zum Ausgangspunkt machen!

Frau Kollegin Kramme, man kann nicht allen Ernstes
agen, Deutschland sei gänzlich unvorbereitet und im
erbst gebe es Missbrauch, weil die Bürgerinnen und
ürger aus den östlichen Mitgliedstaaten der EU zu uns
ommen können. Das ist ein Schüren von Ängsten, die
s in Deutschland viel zu lange gibt,


(Anette Kramme [SPD]: Ihrerseits ist das das Schließen der Augen vor Gefährdungen!)






Johannes Vogel (Lüdenscheid)



(A) )


)(B)

von Ängsten, dass aus der Europäischen Union nur
Schlechtes kommt. Das ist uneuropäisch für ein Land,
das so sehr wie wir vom Binnenmarkt profitiert – da-
durch werden hier Arbeitsplätze geschaffen –, das aber
die Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht einführen will.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Sigmar Gabriel [SPD]: Das zitieren wir mal bei der Euro-Rettung! Da zitieren wir mal die FDP!)


– Da spielen Sie sich als die großen Europäer auf. Hier
handeln Sie als europapolitische Populisten.


(Beifall bei der FDP)


Das ist erstens uneuropäisch. Zweitens verhindert das
auch Chancen für unser Land. Sie schüren die Sorge vor
Arbeitnehmerfreizügigkeit bzw. vor Menschen, die hier-
her kommen und weitere Arbeitsplätze schaffen, wie es
in anderen europäischen Mitgliedsländern schon lange
passiert. Wir hätten früher öffnen sollen. Genau diese
Angst, die Sie schüren, verhindert auch, dass wir bei
weiteren Themen schnell genug vorankommen. Dabei
geht es zum Beispiel um die Frage, ob wir nicht auch
von außerhalb Europas Menschen haben wollen, die als
Fachkräfte hierher kommen, Arbeitsplätze schaffen und
unsere Gesellschaft bereichern.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Auch die müssen anständig bezahlt werden! Anständiger Lohn für alle!)


Damit schaden Sie gerade den Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern in diesem Land.

In diesem Sinne: Schämen Sie sich, dass Sie diesen
Antrag ausgerechnet zum 1. Mai hier wieder vorlegen.
Ich fürchte aber, wir werden ihn sowieso in den nächsten
Monaten weiter diskutieren. Wir können dann auch
gerne weiterhin die Argumente austauschen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710515700

Das Wort hat der Kollege Dr. Matthias Zimmer von

der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Matthias Zimmer (CDU):
Rede ID: ID1710515800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben

gestern in der Ausschusssitzung in einem anderen Zu-
sammenhang – da ging es um Flexicurity – über Däne-
mark gesprochen. Da rief ein Kollege dazwischen: Die
haben ja auch eine hohe Tarifbindung. – Für einen Au-
genblick vermeinte ich, ein wenig Melancholie bei uns
im Saal darüber zu spüren, dass uns das verloren gegan-
gen ist: die hohe gewerkschaftliche Bindung der Arbeit-
nehmer,


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und der Arbeitgeber!)


aber auch die Bindung der Arbeitgeber, die teilweise die
Möglichkeit haben, OT, also ohne Tarifbindung, Mit-

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(C (D lied in den Arbeitgeberverbänden zu sein. Wir würden iese Diskussion überhaupt nicht führen, wenn es dort icht ein Defizit gäbe. Anders ausgedrückt: Wir würden ber gesetzliche Mindestlöhne nicht diskutieren, wenn ie Tarifautonomie in der Art und Weise funktionieren ürde, wie wir es gewohnt waren. Ich vermute einmal, dass das Thema – Herr Gabriel, h glaube, Sie haben es angesprochen oder Frau Pother – in der rot-grünen Koalition noch nicht so aktuell ewesen ist, weil der Stand der Tarifbindung damals och anders war, dass wir es also mit einer Entwicklung er letzten zehn Jahre zu tun haben. Wenn es aber eine rosion der Tarifbindung gibt, dann ist doch der erste eg, dies zu heilen, von der Tarifautonomie auszuge en, wo immer das möglich ist. Wir haben das mit branhenbezogenen Mindestlöhnen getan, nter anderem in der Abfallwirtschaft, bei den Dachdekern, im Elektrohandwerk, in der Gebäudereinigung, ei den Malern und Lackierern, in der Pflege und in der äscherei, und in den letzten Wochen haben wir Lohn ntergrenzen in der Zeitarbeit vereinbart. Ich halte das r einen ganz deutlichen Schritt nach vorne, weil wir urch die Lohnuntergrenzen in der Zeitarbeit faktisch eien branchenübergreifenden Mindestlohn definiert haen, der natürlich eine Drittwirkung auf diejenigen entltet, die nicht als Zeitarbeitnehmer in diesen Branchen eschäftigt sind. Wir haben bei den branchenbezogenen Mindestlöhen differenzierte Löhne vereinbart, die sich teilweise och zwischen Ost und West unterscheiden. Man kann ber die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme geteilter Meiung sein; aber das haben die Tarifpartner nun einmal so usgehandelt. Mein großer Einwand gegen den Antrag er Linken besteht darin, dass die Einführung eines Minestlohns von 10 Euro im Grunde genommen bedeuten ürde, wie mit einer Dampfwalze durch die Tarifland chaft zu gehen und sämtliche Differenzierungsmöglicheiten ad acta zu legen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Michael Schlecht [DIE LINKE]: Welchen Stundenlohn haben Sie denn?)


(Sigmar Gabriel [SPD]: Richtig!)


(Beifall des Abg. Pascal Kober [FDP])


Der Kollege Kolb hat natürlich recht: Mindestlöhne
ängen mit Wertschöpfung zusammen. Es ist aber auch
ichtig, dass wir nicht erlauben dürfen, dass über einen
ettbewerb Lohndumping betrieben wird. Deswegen ist

s ordnungspolitisch geboten, dort, wo es keine Rege-
ngen gibt, sehr genau darüber nachzudenken, wie wir

inen wilden Wettbewerb verhindern können.

Die Väter der sozialen Marktwirtschaft standen dem
ehr offen gegenüber. Müller-Armack hat einmal davon
esprochen, dass man durchaus Ordnungstaxen in Höhe
es Gleichgewichtslohns begrüßen kann, um willkürli-
he Einzellohnsenkungen zu vermeiden. Ich bin sehr da-
r. Im Übrigen würde auch der Mittelstand, vor allen
ingen das Handwerk, durch tariflich gebundene Min-
estlöhne geschützt. Es ist moralisch und ethisch gebo-





Dr. Matthias Zimmer


(A) )


)(B)

ten – das wussten nicht nur die Väter der katholischen
Soziallehre, sondern auch Adam Smith – und kann auch
sozialpolitisch geboten sein.

Was mir bei der ganzen Diskussion ein klein wenig zu
kurz kommt – das als abschließende Bemerkung, die ich
hier machen will –, ist, dass wir es beim Mindestlohn
mit einer relativ kleinen Gruppe zu tun haben im Ver-
gleich zu den großen Gruppen, die über die Zunahme an
gewerkschaftlicher Kraft und die Lohnabschlüsse, die in
den letzten Wochen und Monaten sehr hoch ausgefallen
sind, von dem Wirtschaftswachstum profitieren. Ich
glaube, man darf an dieser Stelle auch einmal daran erin-
nern, dass die Bundesregierung die Prognose für das
Wirtschaftswachstum heute auf 2,6 Prozent nach oben
korrigiert hat. Bei einer solch hohen Zahl hätten Sie
noch vor wenigen Jahren den Kölner Dom dreimal am
Tag läuten lassen. Wir sind stolz darauf, dass wir das
hinbekommen haben. Wir müssen die Debatte über Min-
destlöhne auch im Kontext des gesamtwirtschaftlichen
Wachstums führen.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710515900

Nun hat Kollegin Gitta Connemann für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1710516000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man

merkt, es nähert sich der 1. Mai. Zum einen nimmt die
Anzahl an Mindestlohnanträgen schlagartig zu. Zum an-
deren haben uns heute in der Debatte zum Thema Min-
destlohn Kollegen beehrt, die wir hier sonst nicht sehen.


(Pascal Kober [FDP]: So ist es! Kollege Gabriel zum Beispiel! Er ist auch schon wieder weg! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Er hat nicht so viel Zeit!)


Das sind die Kollegen Ernst und Gabriel. Ich habe sehr
genau zugehört und muss sagen, dass das der Qualität
dieser Debatte leider nicht gedient hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Bei den Ausführungen zum Thema wurde sehr deut-
lich, dass Herr Gabriel, der sicherlich häufig auf Kund-
gebungen und Parteiveranstaltungen spricht, nicht weiß,
worüber er hier redet. Das wurde am Detail sehr deut-
lich, als er zum Beispiel über die Pflege gesprochen und
das Schreckensszenario an die Wand gemalt hat, dass
eine Horde von Arbeitnehmern an unseren Grenzen
steht, die zu uns wollen, um hier insbesondere in der
Pflege das Lohnniveau zu drücken. Er hätte sich besser
darüber informieren sollen, dass erstens schon seit eini-
gen Jahren Pflegekräfte aus dem Ausland bei uns tätig
werden dürfen. Zweitens gibt es für diese Pflegekräfte
bereits einen Mindestlohn, und zwar nicht für die Fach-
kräfte, wie der Kollege Gabriel suggeriert hat, sondern


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(C (D r die Hilfskräfte. Drittens hätte er sich informieren önnen und sollen, wie hoch der entsprechende Mindesthn für diese Hilfskräfte in der Pflege ist. Er liegt im esten bei 8,50 Euro und im Osten bei 7,50 Euro. Er ätte besser daran getan, sich zu informieren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie haben nicht zugehört! Unglaublich!)


iertens hätte er gut daran getan, sich darüber zu infor-
ieren, dass es nicht eines gesetzlichen Mindestlohns

edarf, damit die entsprechenden Regelungen eingehal-
n werden können. Vielmehr kann selbstverständlich

uch ein Verstoß gegen einen Branchenmindestlohn
ach einer entsprechenden Kontrolle sanktioniert wer-
en. Dafür setzen wir uns ein. Hier gibt es kein Rechtset-
ungsproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Mir ist klar, dass der Kollege Gabriel sich englische
erhältnisse wünscht. Ich habe immer vermutet, dass er
erne einmal Kronprinz oder König sein will.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das bleibt England erspart!)


s dient der Debatte aber sicherlich in keiner Weise.

Das Niveau, das Sie in Gänze gezeigt haben – das zog
ich leider nicht nur durch den Debattenbeitrag des Kol-
gen Gabriel –, beschränkte sich darauf, Angst zu schü-
n. Sie schüren Angst vor dem 1. Mai.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist das Geschäftsmodell!)


ie suggerieren das Bild des Ansturms von Billigkon-
urrenz. Meine Damen und Herren von der Opposition,
ie müssen sich eigentlich unsere europäischen Nach-
arn fühlen? Welches Bild zeichnen Sie damit von Men-
chen aus Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Slowa-
ei, aus Slowenien, Tschechien und Ungarn? Ich finde
as skandalös. Denn bei unseren Nachbarn muss der
indruck entstehen, dass sie hier nicht willkommen sind.
h sage für die Unionsfraktion sehr deutlich: Herzlich
illkommen in Deutschland, und zwar ab dem 1. Mai!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition,
arf ich sagen: Haben Sie keine Angst vor dem 1. Mai!
abei lasse ich die Frage außen vor, ob es tatsächlich zu

inem Ansturm kommen wird. Der Kollege Wadephul
t sehr detailliert darauf eingegangen. Es kommt aber
uch nicht auf die Zahl an. Es kommt darauf an, dass Sie
uggerieren, es gäbe dadurch Billigkonkurrenz. Ohne
ot; denn die Erfahrungen aus anderen Ländern, die ihre
rbeitsmärkte früher geöffnet haben, zeigen, dass diese
efürchtungen nicht eingetreten sind.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie beim Mindestlohn! Da gehen auch keine Arbeitsplätze verloren!)


ort kam es nicht zur Verdrängung einheimischer Ar-
eitnehmer. Die Arbeitslosigkeit ist dort nicht gestiegen.





Gitta Connemann


(A) )


)(B)

Die Löhne sind nicht gesunken. Das gilt übrigens auch
für Länder ohne gesetzlichen Mindestlohn wie Schwe-
den. Auch darüber hätten Sie sich vielleicht besser im
Vorfeld informiert.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Dort, wo es einen Missbrauch geben könnte, haben
wir vorgesorgt. Ab dem 1. Mai gibt es eine Lohnunter-
grenze bei der Zeitarbeit, auch dank Ihnen, Frau Ministe-
rin von der Leyen; denn hier bestand tatsächlich die Ge-
fahr, dass ausländische Firmen unter dem Deckmantel
der Zeitarbeit Arbeitnehmer zu niedrigeren Löhnen nach
Deutschland entsenden. Einem solchen Verdrängungs-
wettbewerb haben wir zugunsten unserer Betriebe und
der Mitarbeiter, die dort arbeiten, einen Riegel vorge-
schoben. Das ist der richtige Weg, den wir übrigens auf
Antrag der betreffenden Branche eingeschlagen haben.
Denn wir in der Union sind für Mindestlöhne. Arbeit
darf nicht arm machen. Alles andere wäre unsozial, un-
würdig und unerträglich.

Wir setzen bei der Festlegung von Mindestlöhnen
eben nicht auf den Staat, sondern auf die Tarifpartner.
Dieses System hat sich in 60 Jahren bewährt. Heute ist
die pulsierende Wirtschaft in Deutschland auch von Ih-
nen bejubelt worden. Auch Herr Gabriel hat darauf hin-
gewiesen, was in den letzten Jahren hier passiert ist. Das
war das Ergebnis der Tarifautonomie, die eine der
Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft ist. Lassen Sie
uns stolz darauf sein, anstatt sie ständig kaputtzureden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Nur Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände kön-
nen sicherstellen, dass die Mindestlöhne den jeweiligen
Verhältnissen angemessen sind. Ein Einheitslohn für je-
den Betrieb in ganz Deutschland


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist doch kein Einheitslohn!)


wird diesen Unterschieden nicht gerecht. Er könnte ver-
heerende Folgen haben. Ich weiß, dass die Grünen in
diesem Zusammenhang für regionale Mindestlöhne sind.
Aber in dieser Hinsicht würde ich auch den Grünen emp-
fehlen, sich besser zu informieren. Ich verweise auf die
EuGH-Entscheidung in der Sache Rüffert, wonach es re-
gionale allgemeinverbindliche Mindestlöhne nicht geben
kann. Wir müssen auch die Entscheidungen des EuGH
beachten. Darum bitte ich sehr. Denken Sie auch an das
Vertragsstrafeverfahren in Sachen Island. Sie haben vor-
geschlagen, unsere Entgeltbestimmungen auch auf aus-
ländische Betriebe anzuwenden. Das ist nicht möglich.
Bitte machen Sie doch Ihre Hausarbeiten, bevor Sie sich
hier als Gesetzgeber gerieren. Bitte, bitte, bitte!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Unsere Aufgabe ist es übrigens nicht, Meinungen
oder Stimmungen wiederzugeben. Ein Satz der Kollegin
Pothmer hat mich wirklich sauer gemacht. Sie hat ge-
sagt, wir hätten kein Herz.

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B

(C (D (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein kaltes Herz!)


ein Herz haben diejenigen, die populistisch argumen-
eren,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das sind die, die Ängste schüren!)


in Herz haben diejenigen, die sich mit den Betroffenen
or Ort auseinandersetzen. Ich gehe in jeder sitzungs-
eien Woche von einem Betrieb zum anderen, um das zu
n. Ich habe in meinem Wahlkreis einen wunderbaren
erufsbildungsträger, der viele Jugendliche ausbildet,
ie es etwas schwerer als die anderen haben. Das sind
ie Geringqualifizierten. Sie erhalten dort eine Ausbil-
ung zum sogenannten Werker, eine minderqualifizierte
usbildung. Bei einem gesetzlichen Mindestlohn hätten
enau diese jungen Menschen eines nicht: Arbeit. Damit
ürden wir sie vom Arbeitsmarkt abschneiden. Arbeit
edeutet aber nicht nur Geld, sondern auch Würde.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


h bitte Sie um eines: Machen Sie doch diesen jungen
enschen nicht ihre Zukunft kaputt.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710516100

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1710516200

Sehr gerne.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710516300

Bitte schön.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710516400

Frau Connemann, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu

ehmen, dass das IAB bei der letzten Ausschussanhö-
ng zum Thema Mindestlohn ausdrücklich darauf hin-

ewiesen hat, dass ein klug eingeführter Mindestlohn
rbeitsplätze nicht vernichten, sondern schaffen würde,

uch und ausdrücklich solche für Geringqualifizierte?


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710516500

Gestatten Sie noch eine weitere Zwischenfrage der

ollegin Golze? Dann könnten Sie die beiden Fragen
usammen beantworten.


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1710516600

Ich beantworte erst die Frage der Kollegin Pothmer,

ann die Frage der Kollegin Golze.

Ja, liebe Frau Kollegin Pothmer, es ist so. Sie haben
etont, worauf es ankommt, nämlich auf die kluge Ein-
hrung eines Mindestlohns.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um einen gesetzlichen Mindestlohn!)


enn Sie zugehört hätten, dann wüssten Sie, dass das
B, übrigens ebenso wie die Friedrich-Ebert-Stiftung,

esagt hat, dass ein klug eingeführter Mindestlohn der
ranchenmindestlohn ist.





Gitta Connemann


(A) )


)(B)


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein gesetzlicher! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das stimmt nicht! Das ist falsch! Lesen Sie doch mal die Sachen! Hören Sie mal zu!)


Wir haben Erfahrungen mit gesetzlichen Mindestlöhnen.
Schauen Sie sich zwei Volkswirtschaften an.


(Abg. Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] nimmt wieder Platz)


– Ich bin noch gar nicht fertig.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber keine Antwort auf meine Frage!)


– Das ist nicht die Antwort, die Sie hören möchten, liebe
Frau Kollegin Pothmer, aber dazu dienen Fragen nicht.
Sie müssen sich schon mit der Wahrheit konfrontieren
lassen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das hat mit der Wahrheit nichts zu tun!)


Wenn es eng wird, setzen Sie sich und wollen nicht mehr
zuhören. Das ist interessant. Das verweist auf Ihr Ver-
ständnis von Demokratie. Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710516700

Frau Kollegin, gestatten Sie jetzt eine weitere Zwi-

schenfrage der Kollegin Golze?


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1710516800

Sehr gerne.


Diana Golze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710516900

Vielen Dank, Frau Connemann. – Sie haben eben ge-

sagt, ein Herz hätten diejenigen, die mit den Betroffenen
sprächen und ihnen zuhörten. Deshalb eine klare Frage:
Erklären Sie mir bitte, wie es kommt, dass es im rot-rot
regierten Berlin die bundesweit einzige Beratungsstelle
für entsandte Beschäftigte aus dem europäischen Aus-
land gibt, die genau die Arbeitskräfte, die wir hier sehr
begrüßen und die wir vor Ausbeutung schützen wollen,
berät?


(Beifall bei der LINKEN)



Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1710517000

Erstens. Ich kann es Ihnen nicht erklären; denn nach

meiner Wahrnehmung hat der rot-rote Senat in der Ver-
gangenheit allen Beratungsstellen so das Geld gekürzt,
dass es keine mehr gibt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Zweitens ist Ihre Wahrnehmung falsch. Wenn Sie
zum Beispiel bei der letzten Anhörung am vergangenen
Montag,

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(C (D (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hören doch bei Anhörungen gar nicht zu!)


ie wir auch zum Thema Freizügigkeit durchgeführt ha-
en, anwesend gewesen wären, wüssten Sie, dass die
undesagentur für Arbeit in ganz Deutschland Bera-
ngsstellen gerade für die Arbeitnehmer unterhält, die

us den EU-Beitrittsstaaten zu uns kommen. Wir haben
achgefragt, ob diese Beratungsstellen unterfinanziert
ind. Die Bundesagentur hat gesagt: Nein. Die Mittel
ind sogar noch einmal verdoppelt worden, damit nicht
assiert, dass sich europäische Arbeitnehmer, die zu uns
ommen, hier hilflos wiederfinden. Dafür, dass das nicht
assiert, haben wir Sorge getragen – Gott sei Dank auch
ußerhalb Berlins.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710517100

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

re Redezeit ist überschritten.


(Beifall der Abg. Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1710517200

Durch die vielen Fragen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710517300

Nein, ich habe die Uhr angehalten.


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1710517400

Wir sind für den 1. Mai gut gerüstet. Ich sage noch

inmal für die Union voller Freude: Herzlich willkom-
en!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Abg. Max Straubinger [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710517500

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Sinn von Zwi-

chenfragen ist nicht, nach Ende der Redezeit noch Fra-
en zu stellen, um die Redezeit zu verlängern. Das wäre
ein faires Spiel.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das war nicht meine Absicht!)


Das ist wunderbar.

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Ab-
timmung über die Beschlussempfehlung des Ausschus-
es für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Fraktion
ie Linke mit dem Titel „Gute Arbeit in Europa stärken –
en gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland am
. Mai 2011 einführen“. Der Ausschuss empfiehlt unter
uchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Druck-

ache 17/5499, den Antrag der Fraktion Die Linke auf
rucksache 17/4038 abzulehnen. Wer stimmt für diese
eschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Ent-
altungen? – Die Beschlussempfehlung ist gegen die





Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) )


)(B)

Stimmen der Fraktion Die Linke mit den Stimmen des
restlichen Hauses angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf ei-
nes Gesetzes der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für
die Einführung flächendeckender Mindestlöhne im Vor-
feld der Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Der
Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt unter
Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 17/5499, den Gesetzentwurf der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/4435 abzulehnen.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen
wollen, um das Handzeichen.


(Zurufe: Der Ausschussempfehlung!)


– Mir ist aufgeschrieben worden: Gesetzentwurf. Wir
verändern das also. Ich bitte diejenigen, die der Aus-
schussempfehlung – also Ablehnung – zustimmen wol-
len, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei
Stimmenthaltung von SPD und Linken angenommen.
Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die wei-
tere Beratung.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der
Fraktion der SPD mit dem Titel „Gesetzlichen Mindest-
lohn einführen – Armutslöhne verhindern“. Der Aus-
schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 17/5101, den Antrag der Fraktion der SPD
auf Drucksache 17/1408 abzulehnen. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der drei Oppositionsfraktionen angenommen.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 28 a bis 28 l
sowie die Zusatzpunkte 3 a bis 3 e auf:

28 a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Doro-
thee Menzner, Eva Bulling-Schröter, Ralph Len-
kert, weiteren Abgeordneten und der Fraktion
DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines
… Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes –
Keine Übertragbarkeit von Reststrommengen

– Drucksache 17/5472 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Petra
Sitte, Agnes Alpers, Dr. Martina Bunge, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Europäische Forschungsförderung in den
Dienst der sozialen und ökologischen Erneue-
rung stellen

– Drucksache 17/5386 –

(C (D Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union c)

Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Pe-
ter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der SPD sowie der Abgeordneten Krista Sa-
ger, Sylvia Kotting-Uhl, Birgitt Bender, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/
DIE GRÜNEN

Stärkung des Europäischen Forschungsraums –
Die Vorbereitung für das 8. Forschungsrah-
menprogramm in die richtigen Bahnen lenken

– Drucksache 17/5449 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

d) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD

Evaluierung befristeter Sicherheitsgesetze

– Drucksache 17/5483 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Kultur und Medien

e) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD

Die Chance zur Stärkung des UN-Menschen-
rechtsrates nutzen

– Drucksache 17/5482 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk Be-
cker, Marco Bülow, Gerd Bollmann, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der SPD

Vorurteilsfreie Prüfung der Modelle zur Wert-
stofferfassung im Rahmen des Planspiels zur
Fortentwicklung der Verpackungsverordnung

– Drucksache 17/5484 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Petra
Sitte, Agnes Alpers, Nicole Gohlke, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion DIE LINKE





Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) )


)(B)

Wissenschaftliche Urheberinnen und Urheber
stärken – Unabdingbares Zweitveröffentli-
chungsrecht einführen
– Drucksache 17/5479 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Kultur und Medien

h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Doro-
thee Menzner, Eva Bulling-Schröter, Ralph Len-
kert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Sofortige Stilllegung der sieben ältesten Atom-
kraftwerke und des Atomkraftwerkes Krümmel
– Drucksache 17/5478 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

i) Beratung des Antrags der Abgeordneten Doro-
thee Menzner, Eva Bulling-Schröter, Ralph Len-
kert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Überführung der Rückstellungen der AKW-
Betreiber in einen öffentlich-rechtlichen Fonds
– Drucksache 17/5480 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

j) Beratung des Antrags der Abgeordneten Claudia
Roth (Augsburg), Agnes Krumwiede, Renate
Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Öffentlichen Diskurs zum geplanten Freiheits-
und Einheitsdenkmal in Berlin ermöglichen
– Drucksache 17/5469 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)

Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

k) Beratung des Antrags der Abgeordneten Fried-
rich Ostendorff, Undine Kurth (Quedlinburg),
Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Tierschutz bei Tiertransporten verbessern
– Drucksache 17/5491 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz

l) Beratung des Antrags des Präsidenten des Bun-
desrechnungshofes

Rechnung des Bundesrechnungshofes für das
Haushaltsjahr 2010
– Einzelplan 20 –
– Drucksache 17/5385 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

Z

(C (D P 3 a)

SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gedenkort für die Opfer der NS-„Euthana-
sie“-Morde
– Drucksache 17/5493 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Stefan Kaufmann, Dr. Heinz Riesenhuber, Al-
bert Rupprecht (Weiden), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge-
ordneten Dr. Martin Neumann (Lausitz), Patrick
Meinhardt, Dr. Peter Röhlinger, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der FDP

Gestaltung der zukünftigen europäischen For-
schungsförderung der EU (2014–2020)

– Drucksache 17/5492 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kerstin
Tack, Elvira Drobinski-Weiß, Dr. Wilhelm Pries-
meier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD

Klonen von Tieren zur Lebensmittelproduk-
tion verbieten
– Drucksache 17/5485 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Marlies Volkmer, Karin Roth (Esslingen), Pe-
tra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der SPD

Gesundheit ist ein globales öffentliches Gut –
Rolle der Weltgesundheitsorganisation WHO
in der „Global Health Governance“ stärken
– Drucksache 17/5486 –





Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) )


)(B)

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Anton Hofreiter, Dr. Konstantin von Notz,
Winfried Hermann, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Transparenz in Public Privat Partnerships im
Verkehrswesen

– Drucksache 17/5258 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Haushaltsausschuss

Es handelt sich um Überweisungen im vereinfach-
ten Verfahren ohne Debatte.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 29 a bis 29 j sowie
die Zusatzpunkte 4 a bis 4 h auf.

Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorla-
gen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.

Wir kommen zunächst zum Tagesordnungspunkt 29 a:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten
Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuer-
gesetzen

– Drucksachen 17/5127, 17/5201 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzaus-
schusses (7. Ausschuss)


– Drucksache 17/5510 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Patricia Lips
Dr. Birgit Reinemund

Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 17/5510, den Gesetzent-
wurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 17/5127
und 17/5201 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschuss-
fassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-
wurf ist damit einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt 29 b:

– Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs

b
s
S
s
k

w
s
s
S
m

lu

(C (D eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. April 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Commonwealth der Bahamas über die Unterstützung in Steuerund Steuerstrafsachen durch Informationsaustausch – Drucksache 17/5128 – – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 27. Juli 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Fürstentum Monaco über die Unterstützung in Steuerund Steuerstrafsachen durch Informationsaustausch – Drucksache 17/5129 – – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 27. Mai 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Kaimaninseln über die Unterstützung in Steuerund Steuerstrafsachen durch Informationsaustausch – Drucksache 17/5130 – Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses – Drucksache 17/5467 – Berichterstattung: Abgeordnete Manfred Kolbe Lothar Binding Der Finanzausschuss empfiehlt unter den Buchstaen a, b und c seiner Beschlussempfehlung auf Druckache 17/5467, die Gesetzentwürfe anzunehmen. Wenn ie damit einverstanden sind, lasse ich über die drei Geetzentwürfe gemeinsam abstimmen. – Es erhebt sich ein Widerspruch. Dann verfahren wir so. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Gesetzentürfen zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer timmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Gesetzentwürfe ind mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP bei timmenthaltung der Linken und der Grünen angenomen. Tagesordnungspunkt 29 c: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung richtung durch die Bundesregierung Bericht über die Wohnungsund Immobilienwirtschaft in Deutschland – Drucksachen 16/13325, 17/5314 – Berichterstattung: Abgeordnete Daniela Wagner Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehng auf Drucksache 17/5314, in Kenntnis der Unter Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse )





(A) )

richtung auf Drucksache 16/13325 eine Entschließung
anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Be-
schlussempfehlung ist mit den Stimmen des Hauses bei
Enthaltung der Grünen angenommen.

Tagesordnungspunkt 29 d:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu der
Verordnung der Bundesregierung

Erste Verordnung zur Änderung der Deponie-
verordnung

– Drucksachen 17/5112, 17/5269 Nr. 2, 17/5462 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Brand
Gerd Bollmann
Horst Meierhofer
Ralph Lenkert
Dorothea Steiner

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 17/5462, der Verordnung der Bun-
desregierung auf Drucksache 17/5112 zuzustimmen.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-
fehlung ist mit den Stimmen der beiden Koalitionsfrakti-
onen und der SPD bei Ablehnung der Fraktionen Die
Linke und Bündnis 90/Die Grünen angenommen.

Tagesordnungspunkt 29 e:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu der
Verordnung der Bundesregierung

Verordnung zur Anpassung chemikalienrecht-
licher Vorschriften an die Verordnung (EG)

Nr. 1005/2009 über Stoffe, die zum Abbau der
Ozonschicht führen, sowie zur Anpassung des
Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprü-
fung an Änderungen der Gefahrstoffverord-
nung

– Drucksachen 17/5333, 17/5423 Nr. 2, 17/5497 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Jens Koeppen
Frank Schwabe
Dr. Lutz Knopek
Ralph Lenkert
Dorothea Steiner

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 17/5497, der Verordnung der Bun-
desregierung auf Drucksache 17/5333 zuzustimmen.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-
fehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und
FDP bei Enthaltung der Linken und der Grünen ange-
nommen.

Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Pe-
titionsausschusses.

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(C (D Tagesordnungspunkt 29 f: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 249 zu Petitionen – Drucksache 17/5393 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalngen? – Die Sammelübersicht 249 ist einstimmig an enommen. Tagesordnungspunkt 29 g: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 250 zu Petitionen – Drucksache 17/5394 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalngen? – Die Sammelübersicht 250 ist ebenso einstimig angenommen. Tagesordnungspunkt 29 h: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 251 zu Petitionen – Drucksache 17/5395 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalngen? – Die Sammelübersicht 251 ist gegen die Stimen der SPD-Fraktion mit den Stimmen des Hauses im brigen angenommen. Tagesordnungspunkt 29 i: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 252 zu Petitionen – Drucksache 17/5396 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalngen? – Die Sammelübersicht 252 ist mit den Stimmen on CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der inken und der Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 29 j: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 253 zu Petitionen – Drucksache 17/5397 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalngen? – Die Sammelübersicht 253 ist mit den Stimmen er beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der ppositionsfraktionen angenommen. Zusatzpunkt 4 a: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 254 zu Petitionen – Drucksache 17/5501 – Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse )





(A)

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Die Sammelübersicht 254 ist einstimmig an-
genommen.

Zusatzpunkt 4 b:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 255 zu Petitionen

– Drucksache 17/5502 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Die Sammelübersicht 255 ist mit den Stimmen
von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der
Linken bei Enthaltung der Grünen angenommen.

Zusatzpunkt 4 c:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 256 zu Petitionen

– Drucksache 17/5503 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Die Sammelübersicht 256 ist einstimmig an-
genommen.

Zusatzpunkt 4 d:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 257 zu Petitionen

– Drucksache 17/5504 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Die Sammelübersicht 257 ist gegen die Stim-
men der Fraktion der Linken mit den Stimmen des Hau-
ses im Übrigen angenommen.

Zusatzpunkt 4 e:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 258 zu Petitionen

– Drucksache 17/5505 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Der Sammelübersicht 258 haben CDU/CSU,
FDP und Grüne zugestimmt; die SPD hat abgelehnt, und
die Linken haben sich enthalten.

Zusatzpunkt 4 f:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 259 zu Petitionen

– Drucksache 17/5506 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Die
Sammelübersicht 259 ist mit den Stimmen von CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Linken und
der Grünen angenommen.

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(C (D Zusatzpunkt 4 g: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 260 zu Petitionen – Drucksache 17/5507 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Die ammelübersicht 260 ist mit den Stimmen von CDU/ SU, FDP und Linken gegen die Stimmen von SPD und rünen angenommen. Zusatzpunkt 4 h: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 261 zu Petitionen – Drucksache 17/5508 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalngen? – Die Sammelübersicht 261 ist mit den Stimmen er beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der rei Oppositionsfraktionen angenommen. Ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Pläne der EU-Kommission zur stärkeren Besteuerung von Dieselkraftstoffen Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Reder dem Kollegen Norbert Schindler für die CDU/CSUraktion das Wort. Bitte schön. Herr Präsident! Verehrte Gäste auf den Tribünen! eine Damen und Herren hier im Plenarsaal! Warum re en wir über dieses Thema? Es ist wichtig, das deutsche olk darüber aufzuklären, (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Die Bevölkerung!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1710517600

as uns in den nächsten zwölf Jahren bei der Umstel-
ng von Energiesteuern ins Haus steht.

Zur Sachlage: 2004 hat die Europäische Union be-
onnen, sich dem Thema zu widmen. Das war ein Auf-
ag, von allen gewollt. Die Deutschen waren mit der
kosteuer schon einige Jahre früher dabei. Unter ande-
m wegen der Ökosteuer, die übrigens nicht die Union

ingeführt hat – sie ist mit Mehrheit eingeführt worden –,
aben wir hohe Treibstoffsteuersätze.

Jetzt versucht die Europäische Union, die Steuersätze
einem bestimmten Zeitraum anzugleichen; besteuert
erden soll nicht mehr nach der Menge, sondern nach
em Energiegehalt.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gute Idee!)


o weit, so gut.
)





Norbert Schindler


(A) )


)(B)

Wir haben gemeinsam mit Großbritannien mit Ab-
stand die höchste Besteuerung in diesem Bereich: Bei
Diesel sind es 47 Cent, bei Benzin circa 65 Cent. Wenn
der europäische Durchschnitt bei Diesel derzeit bei
33 Cent liegt, hätte eine Harmonisierung des Steuersat-
zes erst langfristig eine Steuererhöhung zur Folge. Wir
haben noch drei Legislaturperioden Zeit. Deswegen ver-
stehe ich manchmal die Aufregung nicht, wie sie in den
Zeitungen nachzulesen ist. Man muss sich nur die Ziele
anschauen. Dass Deutschland nur vor dem Hintergrund
des Einstimmigkeitsprinzips der Europäischen Union
zustimmt, ist für uns so sicher wie das Amen in der Kir-
che.


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Dann können wir uns das heute schenken!)


Natürlich wollen wir auf lange Sicht eine Steuerharmo-
nisierung, aber nicht zulasten des deutschen Autofahrers,
der schon genug zahlt. Bei der momentanen Belastung
hat er absolut die Schnauze voll; so muss man das ein-
mal sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deswegen soll man mit Gemach und einer gewissen
Gelassenheit an die Ziele herangehen, die wir letztend-
lich alle erreichen wollen. Da noch viele Kolleginnen
und Kollegen zu diesem Punkt reden werden, will ich
nur darauf hinweisen, was Deutschland derzeit umzuset-
zen versucht, um den CO2-Ausstoß zu senken.

Ich wundere mich und bin erstaunt, dass Matthias
Wissmann, unser oberster Autobauer, darauf hinweist,
dass die Premiumklasse unter den Dieselfahrzeugen
vielleicht betroffen wäre. 2008 – Gabriel war noch Um-
weltminister – stand man, ebenfalls beim Autogipfel, vor
der Frage: Können wir angesichts der Premiumklasse,
die besonders wichtig für unsere Arbeitsplätze und unse-
ren Export ist, beim CO2-Ausstoß die europäische
Durchschnittszahl von 120 erreichen? Nein, das können
wir in Deutschland nicht, deswegen die Kombination
mit Biokraftstoffen. B7 wurde eingeführt, und kein Hahn
auf einem Misthaufen hat sich deswegen aufgeregt; alle
Treibstoffe waren absolut motorenverträglich. Auch die
Einführung von E5 hat niemand zur Kenntnis genom-
men; man ging zur Tagesordnung über. Aber die Einfüh-
rung von E10 hat in Deutschland Furcht ausgelöst. Ob-
wohl 99 Prozent aller in Deutschland hergestellten
Autos absolut E10-verträglich sind, reden alle vom Un-
tergang des Abendlandes. Typisch deutsch: Mein heili-
ges Blechle ist vielleicht davon betroffen.

Ich habe hier eine Untersuchung vom TÜV Rhein-
land. Die DEKRA in Norddeutschland bestätigt die Un-
tersuchungen zum tatsächlichen Verbrauch von E10. Er
ist geringer im Vergleich zu E0 oder E5, und die Leis-
tung von E10 ist noch besser, weil der ETBE-Anteil in
diesem Sprit die Intelligenz der Motoren besser ausreizt
und nutzt. So sagen mir das Techniker.

Deswegen sollte man das mit Gelassenheit angehen.
Ich sage hier im Parlament offen: Ich erwarte in den
nächsten Tagen und Wochen auch eine Aufklärungskam-

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(C (D agne der Automobilhersteller, denn wegen ihnen wurde as überhaupt eingeführt. ie Mineralölverbände haben kläglich versagt. Sie wan nicht bereit, die 8 Millionen Prospekte, die im Umeltministerium gedruckt worden sind, an den Tanksteln so zu verteilen, wie es im Nachhinein auf dem enzingipfel verabredet worden ist. Auch die Garantierklärung der Autohersteller, das, was man mit ihnen in rüssel 2008 zum Wohle des deutschen Wirtschafts tandortes vereinbart hat, ist nicht eingehalten worden. etzt kommt Herr Matthias Wissmann! Ich hätte mir ewünscht, er hätte vor fünf oder sechs Wochen eine ufklärungskampagne gemacht, um den Einsatz von achwachsenden Rohstoffen im Treibstoffbereich zur rreichung der Umweltziele vernünftig zu erklären. ein, das wird ausschließlich der Politik zugeschoben, nd der Umweltminister wird auch noch vorgeführt. Das ar schon ein sehr starkes Stück. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Herr Präsident, Sie gestatten mir noch einen Satz
azu. Wenn die Kirchen Gutmenschenpolitik in den
ntwicklungsländern machen wollen, sollen sie sich
rasilien anschauen: Dort gibt es 240 Millionen Hektar
ndwirtschaftliche Nutzfläche, wobei kein Regenwald
etroffen ist. 6 Millionen Hektar werden zur Ethanol-
rzeugung genutzt. Wenn es nur 3 Millionen Hektar
ehr wären, könnte Brasilien den gesamten lateinameri-

anischen Kontinent mit Benzinersatz versorgen. Im ei-
enen Land ist das heute schon der Fall. Aber wir regen
ns in Deutschland über einen Ethanolanteil von 5 oder
0 Prozent auf.

Wenn wir über die Steuerharmonisierung in der Euro-
äischen Gemeinschaft reden, dann müssen wir über die
ngfristigen Klimaschutzziele wie die Verminderung
es CO2-Ausstosses nachdenken. Für das Erreichen die-
er Ziele müssen wir alle in Deutschland etwas tun, auch
enn es wie im Moment mühevoll ist.

Die Debatte über Atomausstieg und Ersatztechnolo-
ien auf Basis von Gas wird uns im nächsten Vierteljahr
der noch länger begleiten. Auch da wird einiges von
eutschland abverlangt. Aber wenn wir erfolgreich sein
ollen, müssen wir auch kerzengerade zu diesen Zielen

tehen. Das gilt auch für die Industrie, die daraus einen
roßen Profit ziehen wird. Ich nenne da Herrn Wissmann
on der Automobilindustrie und Herrn Picard von der
ineralölindustrie, die nach außen verbindlich wirken,

ber intern Steine in den Weg legen.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710517700

Herr Kollege, wenn ich richtig gezählt habe, waren

as 17 Sätze. – Das Wort hat nun Kollege Garrelt Duin
r die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)







(A) )


)(B)


Garrelt Duin (SPD):
Rede ID: ID1710517800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrter Herr Schindler, wenn ich das richtig sehe,
hat die Koalition diese Aktuelle Stunde zum Thema Be-
steuerung von Dieselkraftstoffen und nicht zum Thema
E10 beantragt.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Das gehört zusammen!)


– Das sind zwei doch deutlich unterschiedliche Themen.

Ich will auf das eigentliche Thema, nämlich auf den
Diesel, zurückkommen. Überall konnten wir am Wo-
chenende lesen, dass die EU den Diesel teurer machen
will. Das war die Botschaft. Nach näherem Hinsehen
konnte man in Erfahrung bringen, dass es innerhalb der
EU-Kommission Überlegungen gibt, den Diesel um
17 Prozent teurer als Superbenzin zu machen.

Es war sehr bemerkenswert, dass am Freitag die Bun-
desregierung auf entsprechende Nachfrage in der Bun-
despressekonferenz dazu keine Meinung hatte. Ich finde,
dass man sich dazu sehr schnell eine Meinung bilden
kann. Man muss sich nur fragen: Soll diese Politik der
Umwelt, der Industrie oder dem Verbraucher, in dem
Fall dem Autofahrer, nutzen? Dann kommt man sehr
schnell zu dem Ergebnis: Die Pläne für eine Verteuerung
des Diesels nützen keinem der drei Genannten. Deswe-
gen sind solche Pläne abzulehnen.


(Beifall bei der SPD)


Eine höhere Dieselsteuer hilft niemandem.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das ist falsch! Man müsste sich inhaltlich damit beschäftigen!)


– Dass die Grünen dafür sind, ist mir schon klar. Darauf
komme ich gleich noch.

Die Pläne innerhalb der Europäischen Union zur stär-
keren Besteuerung von Diesel sind ein Paradebeispiel
für etwas ganz anderes. Sie sind quasi ein Lehrstück, das
zeigt, dass die Bundesregierung nicht in der Lage ist,
rechtzeitig, ausgestattet mit einem entsprechenden Früh-
warnsystem, auf europäische Entwicklungen zu reagie-
ren und sie zu beeinflussen.


(Beifall bei der SPD)


Das haben wir wieder einmal vor Augen geführt bekom-
men.

Ich nenne Ihnen ein paar Beispiele aus der jüngsten
Vergangenheit. Herr Burgbacher, Sie kennen sie auch;
die Grünen werden sagen, dass sie anders zu bewerten
sind. Bei der Steinkohlefinanzierung ist die Bundes-
regierung im wahrsten Sinne des Wortes nicht mit Ener-
gie in Brüssel aufgetreten. Das Thema energieintensive
Industrien wurde mit Blick auf den Emissionsrechtehan-
del auf Brüsseler Ebene nicht kraftvoll vorangetrieben.
Oder nehmen wir die wettbewerbsrechtlichen Nachteile
für die deutsche Automobilindustrie durch das jüngst ab-
geschlossene Handelsabkommen mit Südkorea. Auch da
hat sich die Bundesregierung nicht um die Belange der

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(C (D eimischen Industrie gekümmert. Dieses Problem wird uch im Rahmen der Diskussion um die Besteuerung on Diesel deutlich. Die Politik in Brüssel machen zum Teil deindustrialiierte Länder. In Brüssel machen zum Teil Leute Politik, ie von der Sache selbst am Ende nicht betroffen sind. h bin wirklich ein glühender Europäer. Aber ich weiß uch: Um gute europäische Politik zu machen, bedarf es iner starken deutschen Stimme in Europa. Diese fehlt ber in allen Feldern. Was wir mit Blick auf die Automobilindustrie, auf die utofahrer und auf unsere Umwelt brauchen, ist eine olitik aus einem Guss. Wir brauchen eine Verständiung darüber, wie wir die Antriebstechnologien der Zuunft fördern wollen. Aber dieses Thema darf man nicht ingulär betrachten. Wir müssen uns auch fragen, wie och wir welchen Kraftstoff besteuern wollen. Wir müsen uns außerdem fragen: Welche Anreize wollen wir im ereich E-Mobility geben? Wollen wir etwa Kaufnreize geben, um diesen Sektor zu fördern? Wie viel eld wollen wir im Bereich Forschung und Entwicklung usgeben? Wie wollen wir die Reduzierung der CO2missionen weiter vorantreiben, nicht nur bei Pkw, sonern auch bei den Nutzfahrzeugen? Welche Infrastruktur ollen wir ausbauen? Wie gehen wir mit dem Thema Zölle und Außenhandel“ um, also mit der Frage des ettbewerbs mit Herstellern von Automobilen aus au ereuropäischen Ländern? Auch das Thema Sicherheit t nicht zu vernachlässigen. Wir können in jedem einzelnen Feld die Regulierung orantreiben. Aber es sind nicht die einzelnen Reguliengen, die Auswirkungen auf den Standort Deutschland aben. Es geht vielmehr um die kumulierende Wirkung er Gesetzgebung in all den Feldern, die ich gerade geannt habe. Wenn wir hier nicht handeln, kann das dazu hren, dass der deutsche Industriestandort mit der star en Automobilindustrie – wir sollten sie nicht in eine cke stellen, sondern froh sein, dass wir sie nach wie vor Deutschland haben – in Schwierigkeiten gerät. Es ist die Aufgabe einer Bundesregierung, dafür zu orgen, dass wir endlich – im Grunde in einem Korridor on zehn Jahren – eine verlässliche Gesetzgebung auf er europäischen Ebene bekommen, bei der sich die Anegen der Industrie und der Verbraucher, in diesem Fall er Autofahrer, aber auch die ökologischen Aspekte wieerfinden. Deswegen sage ich mit Blick auf die Bundesgierung, die am Sonntag, nach 48 Stunden, auch er annt hat, dass das ein wichtiges Thema ist, und sich ann dazu positioniert hat: Machen Sie nicht hier in eutschland dicke Backen! Protestieren Sie nicht in eutschland gegen Pläne der EU, sondern machen Sie re Arbeit: Seien Sie in Brüssel vor Ort und kümmern ie sich dort um die Interessen der deutschen Autofahr, der deutschen Industrie und der Umwelt! Vielen Dank. Das Wort hat nun Volker Wissing für die FDP-Frak tion. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon frühzeitig darauf hingewiesen, dass die Energiepreise die Brotpreise des 21. Jahrhunderts sind. Wir haben immer auf die Kostenbelastung der Bürgerinnen und Bürger geachtet. Aber andere in diesem Hause haben es anders gesehen; es gibt Vertreter der Grünen, die hier im Hause immer der Meinung waren, dass die Energiepreise höher sein müssen, damit die Bevölkerung zum Energiesparen erzogen wird. Wir erinnern uns an Ihre Forderung, den Spritpreis auf gut 2,50 Euro, damals 5 DM, anzuheben; das ist das Ziel, das Sie verfolgen. Es war Ihnen egal, dass Energiepreise auch eine soziale Bedeutung haben; es ist Ihnen auch heute noch gleichgültig. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen selbst, dass das nicht stimmt!)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)





(A) )


(B)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710517900

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. Volker Wissing (FDP):
Rede ID: ID1710518000

Es hat das linke Parteispektrum lange nicht interessiert,
dass der Zugang zu Energie auch etwas mit Teilhabe,
Mobilität und Wohlstand zu tun hat. Die SPD fängt jetzt
langsam an, sich mit dem Thema zu beschäftigen; so viel
zum Stichwort „frühzeitig“, Herr Kollege Duin.


(Beifall bei der FDP)


Frank-Walter Steinmeier sagte neulich, man müsse
aufpassen, dass Strom nicht zum Luxusgut wird. Das ha-
ben wir seit Jahren gepredigt; das war bei unserer Ener-
giepolitik immer Teil der Abwägung. Schön, dass auch
Sie sich langsam etwas mit diesem Thema beschäftigen.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber zukunftstauglich ist Ihre Energiepolitik nicht!)


Denn als Sie zusammen mit den Grünen den Atomaus-
stieg beschlossen haben, war von einer sozialen Abfede-
rung nicht die Rede.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Jetzt, wo es Ihnen langsam dämmert, was es für Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland be-
deutet, zügig aus der Kernenergie auszusteigen, über-
schlagen Sie sich mit Forderungen nach sozialen
Abfederungen, die man dabei brauche. Die arbeitsmarkt-
politische Sprecherin der SPD, Frau Kollegin Kramme,
fordert jetzt: „Wir brauchen Energiepreissubventionen
für sozial Schwache, Langzeitarbeitslose und Geringver-
diener.“ Meine Damen und Herren, was ist das denn für
ein Konzept? Erst sollen die Arbeitnehmer und Arbeit-
nehmerinnen den Vermietern die Solaranlagen auf den
Dächern finanzieren; dann soll der Staat die Energie-
preise der Arbeitnehmer subventionieren. Das hat mit
Marktwirtschaft nichts zu tun.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D ie sehen ein, dass der Atomausstieg eine Gefahr für enschen mit niedrigem Einkommen ist. Da fragt man ich, warum in Ihrem Atomausstiegskonzept ein Sozialusgleich fehlt. (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Was ist denn das für ein Beitrag? Kommen Sie doch mal zum Thema!)


Wir reden hier über Energiepreise.

Mittlerweile ist die Atomausstiegspanik schon so weit
ediehen, dass der haushaltspolitische Sprecher der
PD-Fraktion, Carsten Schneider, vor einem übereilten
usstieg warnt und sagt, man dürfe nicht einfach so her-

us aus der Atomenergie, ohne einen Plan zu haben, wie
an das „zu vertretbaren Preisen macht“. Ja, der Mann

at recht; wir sagen das schon seit Monaten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD und der LINKEN)


Zum Thema Dieselsteuererhöhung.


(Zuruf von der SPD: Endlich!)


ie Grünen freuen sich – die Forderung der EU-Kom-
ission muss für Sie toll sein –: Man versucht nun von

uropäischer Seite, sich den von den Grünen geforderten
pritpreisen von 2,50 Euro pro Liter anzunähern.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch das ist nicht richtig! Auch das wissen Sie!)


Ich sage Ihnen ganz klar: Wir werden das verhindern,
eil wir die Menschen im Blick haben, die heute schon
erzweifeln, wenn der Tank leer ist. Es gibt in Deutsch-
nd – das mögen Sie nicht mehr wahrnehmen – viele
ürgerinnen und Bürger, die vor weiteren Spritpreiser-
öhungen regelrecht Angst haben, weil sie nicht wissen,
ie sie das mit ihren Einkommen finanzieren sollen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Die Grenze des Zumutbaren ist erreicht. Mobilität
arf kein Privileg für Wohlhabende werden. Alle, die
iese Debatte heute verfolgen, können ganz sicher sein,
ass sich die christlich-liberale Koalition für bezahlbare
nergiepreise einsetzen wird, und zwar auf europäischer
bene genauso wie auf nationaler Ebene.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist eine gute Botschaft für unser Land. Es ist eine
ichtige Botschaft für unser Land, dass die Bundesre-
ierung die Bedeutung der Energiepreise erkannt und
uch entsprechend gehandelt hat. Es ist gut, dass die Re-
ierung die Pläne der Europäischen Union für eine Erhö-
ung der Spritpreise für Diesel entschlossen abgelehnt
at.

Der Zugang zur Energie ist heutzutage die Vorausset-
ung für gesellschaftliche Teilhabe. Die SPD fängt lang-
am an, das zu verstehen. Die Grünen sehen das anders.
nen war die Bezahlbarkeit von Energie immer egal.
ie FDP hat stets gewusst – und entsprechend verant-
)





Dr. Volker Wissing


(A) )


)(B)

wortungsbewusst gehandelt –, worauf es ankommt. Wir
wollen Politik für die Menschen in diesem Land ma-
chen.


(Widerspruch bei der SPD und der LINKEN)


Wir wollen, dass Energie bezahlbar bleibt. Das wer-
den wir auch weiterhin tun. Tun Sie nicht so, als agierten
wir auf europäischer Ebene nicht mit ganz klarem Kurs.
Wir haben frühzeitig Nein dazu gesagt. Wir haben es
verhindert.


(Garrelt Duin [SPD]: Freitag hatten Sie noch nicht einmal eine Meinung dazu!)


Die Grünen müssten, wenn sie ehrlich sind, jetzt auf
die Menschen zugehen und sagen: Wir wollen höhere
Preise, wir wollen bald das Ziel von 2,50 Euro erreichen.
Ich sage Ihnen: Wir werden es verhindern.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit letzter Kraft!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710518100

Das Wort hat nun Dr. Barbara Höll für die Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710518200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Präsident, ich vergewissere mich: Dies ist doch
eine Aktuelle Stunde, gemeinsam von CDU/CSU und
FDP beantragt. Dann hätte es gut getan, sich vorher dar-
über abzustimmen, was Sie hier überhaupt wollen. We-
nigstens das sollte man vermitteln.


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Schindler, Sie haben – wenn ich Sie richtig ver-
standen habe – hier darum geworben, Ruhe und Sach-
lichkeit in die Debatte zu bringen. Was Herr Wissing
eben gemacht hat, war genau das Gegenteil davon.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das wollen wir einmal festhalten. Herr Schindler, Sie
haben gesagt, wir wollen, da seien wir uns hier im Saal
doch einig, die notwendige Abkehr von fossilen Brenn-
stoffen und ein ökologischeres Wirtschaften bei der
Energieerzeugung, bezüglich des Verbrauches von
Kraftstoffen im Verkehr, für Heizzwecke usw. Auch das
ist einvernehmlich.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Mit weniger Steuern!)


Nun hat die EU-Kommission gehandelt und einen
Vorschlag vorgelegt. Die Reaktionen dazu: Herr
Ramsauer geht ins Kampfblatt Bild und verkündet:
„Geht überhaupt nicht!“, Herr Oettinger hat als EU-
Kommissar gleich gesagt: „Heftiger Widerstand!“, und
Frau Merkel hat erklären lassen: „Mit mir ist das nicht
zu machen!“ Tosender Applaus vom Verband der Auto-
mobilindustrie. Herr Wissing findet das klasse. Herr
Schindler, Sie fanden das eben nicht klasse.

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(C (D Ich hätte mir an dieser Stelle gewünscht, dass Sie als oalition die Regierung in die Schranken gewiesen und esagt hätten: Das Parlament möchte Umweltpolitik chritt für Schritt tatsächlich umgesetzt haben! Nun kommen wir einmal zum Inhalt und reden nicht ber E10 und die Arbeit in der EU usw., gucken also daruf, was die EU vorgeschlagen hat. Die CO2-Emissionen erden in zwei verschiedenen Bereichen behandelt. Das ine ist – richtig! – die Energieerzeugung, Kraftwerke sw. Dazu gibt es den Emissionshandel, um den CO2usstoß zu reduzieren. Der andere Bereich betrifft Verehr, Haushalte, Landwirtschaft und kleine Industriebeiebe. Der ist noch nicht geregelt. Hier holt die EUommission einfach etwas nach. Geht in Ordnung. Jetzt – wir sind im Jahr 2011 – wird vorgeschlagen, chrittweise einen Übergang vorzunehmen, dass nicht ehr die fossilen Brennstoffe, die umweltschädlich sind, teuerlich besser behandelt werden, also weniger kosten ls die anderen – wie Ökobrennstoffe –, die für die Umelt besser sind. Gut. Die EU-Kommission schlägt vor, den EU-Mindestteuersatz in drei Schritten anzuheben. Dies soll unter wei Aspekten geschehen: CO2-Emissionen und Eneriegehalt des Kraftstoffs. Da der Steuersatz für Diesel in eutschland derzeit rund 47 Cent beträgt und der EUindeststeuersatz – wenn ich das richtig sehe – ab 2018 ei 41 Cent liegen soll, muss weiß Gott niemand Angst aben, dass die Steuererhöhung hinter der Tanksäule laurt. Herr Wissing, was Sie eben gesagt haben, ist völliger lödsinn. Es wird sich vorerst überhaupt nichts ändern. Die EU-Kommission hat einen zweiten Schritt vorgechlagen: 2023 soll der EU-Mindeststeuersatz für Diesel ber dem für Benzin liegen. Wenn man sich die aktueln Steuersätze anschaut, stellt man fest, dass man dann Bezug auf die Dieselbesteuerung in der Tat einen gro en Schritt machen würde. Wir reden derzeit aber über inen Zeitraum von zwölf Jahren. In diesen zwölf Jahren ann man Anpassungsmaßnahmen vornehmen. Die Auindustrie könnte in dieser Zeit aus dem Knick komen. Man könnte richtig etwas tun. Man könnte Ange ote unterbreiten. Die Erneuerungsrate bei Fahrzeugen egt im Durchschnitt sicher bei unter zehn Jahren. So aben Verbraucherinnen und Verbraucher die Möglicheit, zu sagen: Dann steige ich vielleicht doch vom Dieelauto wieder auf den Benziner um. Es gibt also viele öglichkeiten. Es gibt überhaupt keinen Grund, hier eine solche Paik zu veranstalten. Ich finde es wirklich katastrophal, ass Sie als Koalition gegenüber der Bundesregierung eine eindeutige Meinung beziehen (Dr. Volker Wissing [FDP]: Klar haben wir eine eindeutige Meinung!)


nd ein klares Zeichen setzen,


(Dr. Volker Wissing [FDP]: Das haben wir doch gemacht!)


dem Sie sagen: Jawohl, das sind richtige Überlegun-
en. Denen können wir folgen. Wir begrüßen den Vor-
chlag der EU-Kommission. – Ich denke, er verdient es,





Dr. Barbara Höll


(A) )


)(B)

in Ruhe und sachlich diskutiert zu werden. Es muss nicht
unnötig via Kampfpresse Stimmung erzeugt werden,
weil Sie versuchen, von Ihrer katastrophalen Politik ab-
zulenken.


(Beifall bei der LINKEN)


Nehmen wir einmal die energetische Gebäudesanie-
rung: Der Umweltminister verkündete in dieser Woche,
er möchte 2 Milliarden Euro in die Hand nehmen und
richtig Geld hineinstecken. Das finde ich völlig in Ord-
nung. Wo soll das Geld aber herkommen? Die Atomin-
dustrie will einfach nicht weiter einzahlen, weil Sie nicht
in der Lage waren, wasserdichte Verträge abzuschließen.
Deshalb muss man sagen: Es ist ein plumpes Ablen-
kungsmanöver und tatsächlich schädlich für den Um-
weltgedanken. Es ist schädlich, weil es eine Verunsiche-
rung der Bevölkerung darstellt.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710518300

Das Wort hat nun Lisa Paus für die Fraktion der Grü-

nen.


Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710518400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auto-

deutschland befindet sich seit mehreren Wochen in Auf-
ruhr. Nach dem Murks mit E10 fragte sich Deutschland
am letzten Wochenende: Kommt jetzt der nächste
Murks? Was wir erleben mussten, war in der Tat Murks.
Es handelt sich dabei aber nicht um den Vorschlag der
Europäischen Union. Es war vielmehr Unsinn, die Vor-
schläge in einer solch dummen und pauschalen Art und
Weise zurückzuweisen, wie es Brüderle, Gabriel,
Ramsauer und Merkel getan haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren von der Koalition, Ihr Ver-
such, den Volkszorn über E10 auf Brüssel abzuwälzen,
ist bisher misslungen. Er wird auch weiterhin nicht tra-
gen. Die Bevölkerung ist inzwischen weiter, als Sie den-
ken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch ich muss einmal rekapitulieren, worum es denn
eigentlich geht. Am Wochenende hatte man den Ein-
druck: Übermorgen kommt die Erhöhung der Diesel-
steuer. So ist es aber nicht. Es geht nicht um ein Gesetz,
das morgen in Kraft tritt. Es geht um den Entwurf einer
Richtlinie der Europäischen Union, der gestern vorge-
stellt worden ist. Damit beginnt nun eine lange, voraus-
sichtlich über zwei Jahre dauernde Diskussion zwischen
der Europäischen Kommission, den europäischen Mit-
gliedsländern und dem Europäischen Parlament. Dann
wird es zu einer Entscheidung kommen.

Worum geht es inhaltlich? In Bezug auf Diesel geht es
um zwei Dinge: Erstens geht es um die schrittweise Er-
höhung des europaweiten Mindeststeuersatzes für Diesel
von heute 33 Cent pro Liter auf 41,2 Cent pro Liter bis

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(C (D 018. Hinzu kommt, dass in anderen europäischen Länern zusätzliche Ermäßigungen für Fahrzeuge aus geerblicher Nutzung gelten. Auch diese Ausnahmen soln abgeschafft werden. Was ändert sich dadurch in Deutschland? Nichts. ichts ändert sich in Deutschland, denn hier liegt der ieselsteuersatz bereits über dieser Mindestgrenze, und war bei 47 Cent pro Liter. Das hat eine Konsequenz: en Tanktourismus. Dieser ist massiv. Es gibt Schätzunen, dass allein in Österreich der Absatz von Sprit zu 0 Prozent auf Tanktourismus zurückzuführen ist. Dieer Tanktourismus, der umweltpolitisch unsinnig ist, ürde zurückgedrängt. Was kann daran aus deutscher icht falsch sein? Zweitens. Dieser Kommissionsentwurf schlägt vor, ass ab 2023 Kraftstoffe endlich gleich zu behandeln ind und dann nach ihrem Energiegehalt und ihrem CO2usstoß besteuert werden sollen. Das ist klimaund umeltpolitisch sinnvoll. Wenn Sie von der Koalition sich tsächlich einmal dem Inhalt des Papieres widmen würen, dann könnten auch Sie nur zu dem Schluss komen, dass dieser Vorschlag zu begrüßen ist. Es gibt nämch keine ökologische Begründung dafür, dass in eutschland Diesel mit 18 Cent gegenüber Benzin subentioniert wird. Diese Begünstigung ist kontraprodukv. Werfen wir noch einmal einen Blick auf die Fakten: er CO2-Ausstoß von Diesel liegt pro Liter um 1 Prozent höher als der von Benzin, wohingegen der teuersatz auf Diesel um 28 Prozent niedriger ist. Was t daran ökologisch sinnvoll? Das macht einfach keinen inn. Der Verweis auf die großen Fortschritte, die in den tzten Jahren in der Dieseltechnologie gemacht worden ind, zieht heute nicht mehr, jedenfalls nicht, was umeltund klimaschutzpolitische Argumente angeht. enn seit 2001 sinken die durchschnittlichen CO2-Emis ionen neuer Dieselfahrzeuge nicht mehr, stattdessen teigen sie an. Das hängt damit zusammen, dass der chnologische Fortschritt durch die Anmeldung von istungsstärkeren Pkw komplett aufgefressen worden t. Bei Neuzulassungen liegen Dieselfahrzeuge derzeit Schnitt bei einem Wert von 173 Gramm CO2 pro Ki meter. Damit liegen sie über dem Wert von Benzinern nd weit über den angepeilten 120 Gramm CO2 pro Kimeter. Die Dieselförderung in Deutschland bremst an ere emissionsärmere Technologien, wie beispielsweise ie Hybridfahrzeuge, aus. Diesel wird im Vergleich zum enzin – um eine Hausnummer zu nennen – in Höhe on 6,4 Milliarden Euro subventioniert. Außerdem gibt es bei Dieselfahrzeugen ein weiteres roblem, das eigentlich allgemein bekannt ist: Gesundeitsgefährdung durch Feinstaub. Kraftstoffverbrenung und -filter sind beim Diesel eben nicht so effektiv ie beim Benziner. Weitere Umweltprobleme kommen inzu. Stichworte sind beispielsweise Bodenversäuerung der Sommersmog. Lisa Paus )


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) )

Noch ein Wort zu den Preisen. Herr Wissing, die
Rede war von 2,50 Euro. Es ist gar nicht einmal sicher,
dass, würde eine Steuererhöhung kommen, diese tat-
sächlich zu Preiserhöhungen führen muss. Momentan ist
es schon so: Aufgrund der stark gewachsenen diesel-
betriebenen Pkw-Flotte in Deutschland müssen wir der-
zeit nicht nur Rohöl importieren, das in Deutschland raf-
finiert wird, sondern wir müssen zusätzlich Diesel
importieren, um die Dieselfahrzeuge in Deutschland be-
treiben zu können. Auch das macht keinen Sinn.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710518500

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.


Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710518600

Deshalb bitte ich Sie: Kommen Sie ein bisschen he-

runter, lassen Sie Luft ab! Setzen Sie sich mit dem Inhalt
der Richtlinie auseinander! Ansonsten stehen Sie vor ei-
nem Problem. Wenn Sie das nicht wollen, was wollen
Sie stattdessen unternehmen, um die Klimaziele zu errei-
chen? Dazu hätte ich dann gerne eine Äußerung von Ih-
nen. Ich befürchte, wir haben bald nicht nur E10, son-
dern dann kommt E20, E30 oder Weiteres. Bitte zeigen
Sie uns Ihre Alternativvorschläge!

Herzlichen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710518700

Das Wort hat nun Mathias Middelberg für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Mathias Middelberg (CDU):
Rede ID: ID1710518800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Die Kritik, die hier in Rich-
tung Regierung auf den Weg gebracht wurde, ist bislang
so vielfältig, so unterschiedlich und einander widerspre-
chend, dass aus meiner Sicht sehr vieles dafür spricht,
dass die Position der Bundesregierung genau die richtige
ist. Insofern ist eine Debatte wie die, die wir jetzt hier
führen, durchaus erhellend. Die einen sagen, wir hätten
uns früher und stärker aufpumpen müssen. Die anderen
sagen, wir sollten Luft ablassen. Ich meine, wir sollten
uns mit der Geschichte sachlich und vernünftig ausein-
andersetzen.

Die Kritik von Herrn Duin, wir hätten nicht rechtzei-
tig reagiert, ist vollständig verfehlt.


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Was?)


Immerhin hat sich die Kanzlerin zügig, unmittelbar zu
Beginn dieser Debatte geäußert, und das ist nun einmal
die höchste Instanz der Regierung, die sich hierzu mel-
den kann. Das heißt, man kann der Regierung wirklich
nicht vorwerfen, sie hätte sich nicht adäquat gemeldet,
wenn sich die Bundeskanzlerin zu Wort gemeldet hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit der falschen Antwort!)


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(C (D Ich glaube, es ist durchaus legitim, dass wir in einer olchen Debatte, in der es um ein europäisches Regengsvorhaben geht, auch einmal darüber nachdenken, elche Interessen Deutschland in diesem Zusammenang hat. Auch die deutschen Interessen sollten meiner nsicht nach eine Rolle spielen. Diese Frage spielt nämch für den Standort Deutschland eine Rolle, insbesonere für die Automobilindustrie, aber auch für unsere erbraucher. Jedes zweite Fahrzeug, das hier neu zugessen wird, ist ein Dieselfahrzeug. Diese Frage spielt für ie Menschen in Deutschland also eine ganz große olle. Herr Wissing hat zu Recht darauf hingewiesen, ass sich viele schon heute fragen, ob sie die Spritpreise on morgen noch bezahlen können. Deswegen: Wenn wir das Regelungsvorhaben, das uf europäischer Ebene angedacht wird, nämlich die Anleichung der Dieselund Benzinbesteuerung, bis zum nde durchspielen, stellen wir fest, dass sich die Dieselesteuerung um 60 Prozent erhöhen würde. Im Endefkt läge der Dieselpreis 17 Prozent über dem Benzin reis. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es liegt in Ihrer Hand, das national anders zu regeln!)


as ist eine Belastung, die für den deutschen Verbrau-
her nicht hinnehmbar ist. Diese Regelung ist vor allem
it Blick auf die Menschen nicht vertretbar, die im länd-
chen Raum leben und zur Arbeit pendeln.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


iese Regelung wäre auch für unsere Landwirtschaft
ine schwere Belastung. Im Übrigen geht sie auch mit
lick auf unsere Automobilindustrie in die falsche Rich-
ng.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Erhöhung können Sie aber nicht Brüssel anlasten!)


chließlich würde auch das Transportgewerbe – ich
enke an den Gütertransfer auf der Straße, der gerade in
em Logistikland Deutschland eine große Rolle spielt –
chwerstens belastet werden, weil fast jeder große Lkw
ieselbetrieben ist.

Hier ist Diesel als Kraftstoff generell angesprochen
orden. Ich glaube, an dieser Stelle muss man sehr sorg-
ltig differenzieren. Der CO2-Ausstoß pro Liter ist bei
iesel zwar höher, aber der Verbrauch ist bei einem Die-

elmotor gegenüber einem Benzinmotor 25 Prozent
iedriger. Das heißt, wir müssen sehen, wie hoch die Be-
stung pro gefahrenem Kilometer ist. Das ist die ent-

cheidende Größe, wenn man fragt, welche Fortbewe-
ungsart belastender oder weniger belastend für Klima
nd Umwelt ist.

Dann sind wir bei der Frage: Welche technologischen
ntwicklungsmöglichkeiten haben wir? Wenn Sie mit
en Experten in der Automobilindustrie sprechen, sagen
ie Ihnen: Wir sind beim Diesel noch lange nicht am
ndpunkt der Entwicklung angelangt. Ich nenne das
tichwort „Clean Diesel“.





Dr. Mathias Middelberg


(A) )


)(B)


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist bei 172 Gramm pro Kilometer auch dringend nötig!)


Gerade Hersteller wie Volkswagen und Daimler sind bei
dieser Technologie weltweit führend. Wir wären ja mit
dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir diesen Schritt
tun würden. Dadurch würden wir unsere Automobilin-
dustrie in diesem Kernfeld, in dem wir absolut Welt-
marktführer sind – unsere Dieselautos lassen sich her-
vorragend exportieren –, unsere industrielle Basis mit
Hundertausenden von Arbeitsplätzen dort und bei den
Zulieferunternehmen, eilfertig beschädigen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich bin der Meinung, dass wir uns mit den Vorschlä-
gen der EU-Kommission sachlich, vernünftig und behut-
sam auseinandersetzen sollten. Wir sollten in der De-
batte die deutschen Interessen aber durchaus deutlich
und klar artikulieren. Das haben die Bundeskanzlerin
und der Bundesverkehrsminister aus meiner Sicht über-
zeugend getan.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wie erreichen Sie die Klimaziele im Verkehrsbereich?)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710518900

Das Wort hat nun Uwe Beckmeyer für die SPD-Frak-

tion.


(Beifall bei der SPD)



Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1710519000

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Ich habe den Eindruck, dass bei den Regierungs-
fraktionen und damit natürlich auch bei der Bundesre-
gierung am letzten Wochenende die große Nebelma-
schine angeworfen worden ist. Wie kommt man zu die-
sem Eindruck? Plötzlich haben wir in großen Zeitungen
den Weckruf des ADAC und des Herrn Wissmann ge-
hört und gelesen, der Sie hinsichtlich der möglichen Re-
aktionen hier in Deutschland aufgeschreckt hat. Da fragt
man sich: Brauchten Sie diesen Weckruf? Es schien so;
denn danach äußerten sich Frau Merkel und Herr
Ramsauer. Man hat den Eindruck: O Gott, bei denen ist
der Weckruf angekommen. Die Frage ist nur: Wer regiert
eigentlich unser Land? Der ADAC, der Verband der Au-
tomobilindustrie oder diese Bundesregierung?

Man muss ernsthaft fragen, Herr Schindler, ob Sie
hier Ihre Einzelmeinung vorgetragen haben oder ob das
die Linie Ihrer Fraktion ist.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war die des Bauernverbandes!)


Was war das?


(Zuruf des Abg. Norbert Schindler [CDU/ CSU])


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(C (D s wird erstens deutlich gesagt – da sind wir gar nicht useinander –, dass Mobilität – hören Sie zu – (Norbert Schindler [CDU/CSU]: Hören Sie zu! – Gegenruf der Abg. Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Sie sind nicht lernfähig!)


Deutschland bezahlbar bleiben muss und soll, und
weitens, dass wir eine Automobilindustrie haben, die
uch national von uns im Auge behalten werden muss,
eil eine große Zahl von Industriearbeitsplätzen von der
utomobilproduktion in Deutschland abhängt.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Autogipfel gab es nur bei Gabriel! Da haben Sie recht!)


Hören Sie zu.

Wir haben vor einigen Tagen das eine oder andere
chriftlich bekommen, in dem zu lesen ist, wie die Bun-
esregierung zu diesen Papieren der Europäischen
nion und zu diesen Plänen steht. Da wird vom Bundes-
nanzministerium auf die Frage der Fraktion der Grü-
en, welche Position die Bundesregierung zur Energie-
teuerrichtlinie vertritt, in einem offiziellen Schreiben
eantwortet:

Die Vorlage eines Änderungsvorschlags zur Ener-
giesteuerrichtlinie an den Rat ist ein interner Vor-
gang der Kommission, in den die Mitgliedstaaten
nicht offiziell einbezogen sind. Die Bundesregie-
rung nimmt zu informell in die Öffentlichkeit ge-
langten Punkten keine Stellung, da weder bekannt
ist, ob diese zutreffend sind, noch bekannt ist, ob
die Kommission diese dem Rat förmlich vorschla-
gen wird.

o weit die Bundesregierung auf diese Frage.

Nun hören Sie zu: Seit anderthalb Jahren existiert ein
rbeitspapier der Generaldirektion Steuern und der Zoll-
nion hinsichtlich der entsprechenden Modifizierung.
ieses ist den Mitgliedstaaten zugesandt worden und be-
annt.


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Ach nee!)


ie Frage an Sie oder an die Bundesregierung lautet
och: Was ist seitdem in Deutschland geschehen? Haben
ie sich eine Meinung dazu gebildet?


(Beifall bei der SPD – Dorothee Menzner [DIE LINKE]: Nicht einmal gelesen!)


aben Sie etwas getan? Sie machen hier die Windma-
chine an, Herr Dr. Wissing, und sagen: Ho, wir sind die-
er und jener Meinung. Aber was ist seitdem geschehen?
at sich Deutschland in diese Diskussion eingebracht?
ein, Deutschland hat es nicht; sonst wäre die Überra-

chung nicht so groß gewesen.


(Dorothee Menzner [DIE LINKE]: Wenn man es nicht liest!)


Es ist bekannt – auch das kann man diesen Dokumen-
n entnehmen –, dass sich sehr wohl Unternehmen,
ommissionsdienststellen und Mitgliedstaaten in viel-
ltigen Beiträgen aus den Mitgliedsländern dazu geäu-





Uwe Beckmeyer


(A) )


)(B)

ßert und dies bewertet haben. Sie aber sind überrascht
worden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie mussten geweckt werden. Bei dieser katastrophalen
Politik in Richtung Europa frage ich mich: Wo ist eigent-
lich Ihre Verantwortung für den Industriestandort
Deutschland?


(Beifall bei der SPD – Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Der Arbeitsplatzstandort ist im besten Zustand, Herr Beckmeyer! – Zuruf des Abg. Dr. Volker Wissing [FDP])


Ich glaube, insofern war der Weckruf sinnvoll. Ich
kann an dieser Stelle nur sagen: Das alles erinnert mich
sehr stark an das, was wir bei E10 erlebt haben. Herr
Ramsauer sagte, er sei dafür, dass E10 eingeführt wird,
Ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Kauder, der gerade nicht
anwesend ist, sagte natürlich, dass das überhaupt nicht
infrage kommt.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! Sie lügen!)


Welche Haltung haben Sie denn? Sie haben gar keine
Haltung. Sie sind in dieser Frage meinungslos.


(Nicolette Kressl [SPD]: Nicht nur in der Frage!)


Das allerdings ist sträflich und verantwortungslos bezo-
gen auf unsere Position in Europa. Da kann ich nur sa-
gen: Werden Sie besser. Wenn nicht, bestätigt sich die
These: Wir werden zurzeit in Deutschland schlecht re-
giert.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Das stimmt allerdings!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710519100

Das Wort hat nun Heinz Golombeck für die FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Heinz Golombeck (FDP):
Rede ID: ID1710519200

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Nicht alles, was aus Brüssel kommt, ist
schlecht. Insbesondere beim Klimaschutz ist es durchaus
sinnvoll, europäische Regelungen einzuführen. Denn na-
tionalstaatliche Insellösungen tragen zum Klimaschutz
kaum bei und führen außerdem zu Wettbewerbsverzer-
rungen.

Alle Mitgliedstaaten haben der Strategie Europa 2020
und den 20-20-20-Zielen zugestimmt. Deutschland ist
mit seinem ambitionierten Ziel, 40 Prozent des CO2-Aus-
stoßes bis 2020 einzusparen, der absolute Vorreiter. Dies
ist nicht ungewöhnlich. Man kennt uns in Europa als Im-
pulsgeber und Pionier, insbesondere in Umweltfragen.

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(C (D Deutschland ist das einzige europäische Land, das so rfolgreich aus der Krise kam. Heute titelt die Bild-Zeing: „So viele Jobs wie noch nie!“ Die Bundesregieng erwartet für 2011 ein Wirtschaftswachstum von ,6 Prozent; das sind 0,3 Prozentpunkte mehr als in der rognose zu Jahresbeginn. Die Zahl der Arbeitslosen ird auf 2,9 Millionen sinken. Sollen wir diese positive ntwicklung jetzt etwa gefährden? Eine neue Steuerpolik aus Brüssel ist das Letzte, was wir derzeit gebrauchen önnen. Kommen wir nun zur Besteuerung von Dieselkrafttoff. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie war dazu noch mal Ihr Vorschlag?)


s gibt bereits die Euro-5- und Euro-6-Verordnung,
urch welche der Schadstoffausstoß von Dieselmotoren
nd Benzinern angeglichen wurde. Ab 2014 werden die
tickoxidemissionen durch die Euro-6-Norm um weitere
8 Prozent gesenkt.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann gibt es sie aber immer noch!)


ußerdem gibt es eine EU-Verordnung aus dem Jahre
009 zu den Neuzulassungen von Pkw nach Emissions-
ruppen und Kraftstoffarten, welche eindeutige Ziele zur
erringerung der CO2-Emissionen verfolgt. Die Europä-
che Kommission sieht sogar vor, diejenigen Hersteller
it einer Lenkungsabgabe zu belegen, deren Jahresmit-
l bei Pkw-Neuzulassungen über dem für sie festgeleg-
n Wert liegt. Eine höhere Besteuerung des hocheffizi-

nten Dieselkraftstoffs ergibt daher umweltpolitisch
enig Sinn.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ahnungslos!)


Wirtschaftlich hätte sie fatale Folgen. Fast der ge-
amte Straßengütertransport erfolgt durch Dieselfahr-
euge. Eine zusätzliche Besteuerung würde nicht nur ge-
de viele kleine und mittlere Unternehmen in den
nanziellen Ruin treiben, sondern es würden auch die
andwirtschaft, das Handwerk, die Speditionsbetriebe,
urzum der Mittelstand, der Leistungsträger unserer Ge-
ellschaft, unverhältnismäßig belastet. Nicht zuletzt
ürde die Besteuerung längerfristig auf den Verbraucher
mgewälzt werden, der für viele Produkte tiefer in die
asche greifen müsste.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann lassen Sie das doch! Brüssel jedenfalls zwingt Sie nicht dazu!)


Nein, meine Damen und Herren, wir haben derzeit
einen Spielraum für Teuerungsraten. Gerade erst kam
on EU-Kommissar Lewandowski der Vorschlag, künf-
g ein Drittel der EU-Einnahmen mit einer EU-Steuer
uf bestimmte Waren zu generieren. Dies widerspricht
indeutig dem Koalitionsvertrag von Union und FDP.
enn dort steht:

Eine EU-Steuer oder die Beteiligung der EU an na-
tionalen Steuern und Abgaben lehnen wir ab. Auch
darf die EU keine eigenen Kompetenzen zur Abga-





Heinz Golombeck


(A) )


)(B)

benerhebung oder zur Kreditaufnahme für Eigen-
mittel erhalten.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Und warum?)


Genauso verhält es sich auch mit der Vorgabe von Min-
deststeuersätzen. Auch diese lehnen wir ab. Wir brau-
chen in der Steuerpolitik keinen Nachhilfekurs von
Brüssel.

Aufgrund des schnelleren Ausstiegs aus der Kernen-
ergie werden wir massiv investieren müssen: in den Lei-
tungsausbau, in intelligente Netze, in Speichertechnolo-
gie und nicht zuletzt in die Energieforschung.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie nicht eben etwas von gemeinsamer Klimaschutzpolitik gesagt?)


Es nützt nichts, darum herumzureden: Energie wird oh-
nehin teurer werden. Wir können und wollen die Ver-
braucher nicht von mehreren Seiten durch höhere Preise
belasten. Dies würde unser gerade erst mühsam er-
kämpftes Wirtschaftswachstum bremsen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


In Steuersachen muss im Rat einstimmig entschieden
werden. Das heißt, ein Veto der Bundesregierung kann
und wird die Richtlinie zur Energiebesteuerung, so wie
sie uns vorliegt, kippen. Daher sagen wir Nein.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710519300

Das Wort hat nun Ingrid Arndt-Brauer für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Ingrid Arndt-Brauer (SPD):
Rede ID: ID1710519400

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Gestern, am
13. April 2011, kam eine Nachricht aus Brüssel mit der
Überschrift – ich zitiere –: „Energiebesteuerung: Kom-
mission setzt sich für Energieeffizienz und umwelt-
freundlichere Erzeugnisse ein“. In dieser Nachricht hieß
es:

Die Europäische Kommission hat heute einen Vor-
schlag vorgelegt, mit dem die veralteten Regelun-
gen zur Besteuerung von Energieerzeugnissen in
der Europäischen Union überholt werden sollen.

Man könnte sagen: Na endlich! Man könnte sich freuen
und könnte sagen: Jawohl, jetzt machen wir eine
Aktuelle Stunde zu dem Thema und sagen, wie wir das
in Deutschland umsetzen wollen. Darauf habe ich ge-
wartet; leider wurde ich bisher enttäuscht. Herr Schind-
ler sprach über E10, und Dr. Wissing sprach – ein ganz
neues Feld – über Sozialpolitik. Dr. Middelberg sprach
hauptsächlich von deutschen Interessen innerhalb Euro-
pas. Herr Golombeck redete von der Arbeitslosenquote
und wollte auf keinen Fall Steuererhöhungen.

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(C (D Ich rede jetzt einmal über Energiesteuern, also über nser Thema. Energiesteuern werden aus verschiedenen ründen erhoben. Natürlich will man Einnahmen erzien, man möchte die Leute zu sparsamem Verhalten aniieren, und man möchte lenken, was bedeutet, dass sau ere Energie bevorzugt werden soll. Was ist in Brüssel passiert? Man hat dort festgestellt: nergie wird völlig unterschiedlich besteuert, und es äre sinnvoll, zu schauen, was für Produkte man hat und ie man die ganze Sache harmonisiert. Das ist an sich berhaupt nichts Schlimmes bzw. Schlechtes. Das hätten ir heute auch alles aktuell abfeiern können. Wie war die Situation? Die Situation war folgende: chon am letzten Wochenende wurden vorab Nachrichn durchgestochen, die dazu führten, dass vor allem die eitung mit den großen Buchstaben den Untergang des bendlandes postulierte. Aber die Kanzlerin stellte klar: iesel wird nicht teurer. Ein kraftvolles Wort! Niemand atte vorher in Brüssel gesagt: Wir wollen Diesel verteurn. Vielmehr wollte man Energie nur anders besteuern nd vielleicht einmal Sachen auf den Prüfstand stellen. Überhaupt wundert es mich, dass sich die Bundesreierung aktuell mit dem Thema so stark beschäftigt; enn die ganze Sache wird für uns frühestens 2023 richg akut. Da diese Bundesregierung nur noch bis 2013 im mt ist, muss sie sich über solche langfristigen Dinge, enke ich, überhaupt keine Gedanken machen. Ich empnde das Ganze als gigantisches Ablenkungsmanöver. Schauen Sie mal: Die Regierungsbank ist leider sehr pärlich besetzt. Normalerweise sitzt da eine Kanzlerin, ie plötzlich den Atomausstieg forciert, obwohl sie imer für Atompolitik war. Das treibt die Leute natürlich die Verunsicherung. Normalerweise sitzt da noch ein ußenminister, zu dem mir nur einfällt, dass er in Zuunft das falsche Amt abgeben wird. Dann sitzt daneben in Innenminister, der bei Migranten Chaos verursacht. ll das bringt die Leute in Panik. Sie setzen dann ihre offnungen auf den meistens danebensitzenden Finanzinister, der leider keine Steuersenkungen vornehmen ann, aber auch sonst nicht einmal die Gemeindefinanen geregelt bekommt. Normalerweise sehen wir daneen einen Wirtschaftsminister, (Dr. Volker Wissing [FDP]: Guter Wirtschaftsminister!)


er wie ein Fels in der Brandung steht. Allerdings ist das
asser schon weg; das hat er nur nicht gemerkt.


(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD])


m Rand sitzt normalerweise unsere Arbeitsministerin,
ie Kürzungen bei Eingliederungsmaßnahmen in der
orm forciert, dass nicht nur den Arbeitslosen angst und
ange wird.

Das alles bringt die Bevölkerung natürlich in Aufruhr.
an kann das verstehen, wenn dann noch die Apoka-
pse „Jetzt geht es gegen Autofahrer“ an die Wand ge-
alt wird. Denn dann hilft auch nicht die in der zweiten
eihe sitzende Verbraucherministerin, die sich bisher
m alles Mögliche gekümmert hat, nur nicht um den
chutz der Verbraucher.


(Beifall bei der SPD)






Ingrid Arndt-Brauer


(A) )


)(B)

Alle Hoffnung ruht – gleich nachfolgend – auf der Fami-
lienministerin mit ihren Freiwilligendiensten. Ob das
dem Land helfen wird, wage ich zu bezweifeln. Beim
Gesundheitsminister kann ich nur fragen: Wo ist die Re-
form? Bei Ramsauer frage ich mich: Wo ist der Plan?
Und bei Röttgen kann ich nur hoffen, dass das Morato-
rium dauerhaft sein wird; ansonsten hat er nämlich auch
keine Lösung. Schavan muss man nicht großartig erwäh-
nen, und bei Niebel fällt mir, ehrlich gesagt, außer Wirt-
schaftsförderung auf Kosten der Armen nichts mehr ein.

Jetzt könnte man sagen: Unsere Hoffnung in der EU
ruht auf Oettinger.


(Olav Gutting [CDU/CSU]: Guter Mann!)


Wir haben ja einen Energiekommissar. Nur frage ich
mich: Wo ist eigentlich unser Energiekommissar? Wenn
es um langfristige energiepolitische Ziele geht, habe ich
von ihm auch noch nichts gehört.

Das ist das Problem. Die aktuelle Regierung – die,
wie gesagt, auf zwei Jahre befristet ist – kümmert sich
nicht aktuell um die wirklichen Probleme in diesem
Land, sondern lässt es zu, dass dieses Land in Panik ver-
fällt und dieser Zeitung mit den vier Buchstaben hinter-
herläuft, ansonsten macht sie nichts als Ankündigungen.

Ich möchte Sie bitten, sich in Zukunft zu bemühen,
diese zwei Jahre einigermaßen anständig über die Bühne
zu bringen und uns nicht nur Chaos zu hinterlassen; denn
so viel können wir dann auch nicht mehr aufräumen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Daniel Volk [FDP]: Das war eine sehr lachhafte Rede!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710519500

Das Wort hat nun Peter Aumer für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Peter Aumer (CSU):
Rede ID: ID1710519600

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Arndt-Brauer,
Sie haben an dem Thema dieser Aktuellen Stunde total
vorbeigeredet. Sie haben gesagt, welche Kollegen von
uns zum Thema gesprochen haben. Das Wesentliche ist,
dass man bei all den Punkten den roten Faden erkennt.
Bei Ihrer Satire, die Sie in Bezug auf das Kabinett von
sich gegeben haben, fehlte es aus meiner Sicht an jegli-
cher Verantwortung für das Thema.


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Das war eine Situationsbeschreibung!)


Ich glaube, Sie stellen sich dieser Debatte nicht mit der
gebotenen Ernsthaftigkeit.

Wenn man sich der Situation in unserem Land stellt,
dann sieht man, dass die Energie eines der wesentlichen
Themen ist,


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Tun Sie doch endlich mal etwas!)


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(C (D ber die man verantwortungsvoll und verlässlich diskueren muss. Das tun wir. ir setzen uns mit den Dingen verantwortungsvoll ausinander und spielen hier nicht Fasching oder sonstige inge. Das kann nicht sein. Das war eine Büttenrede und ichts anderes. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Das war doch nicht Fasching! Das war eine Situationsbeschreibung! – Zuruf des Abg. Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Nichts!)


Unser gemeinsames Ziel ist eine EU-Wirtschaft, die
grüner und wettbewerbsfähiger ist sowie effizienter
mit den Ressourcen umgeht.

as hat gestern der EU-Steuerkommissar bei der Vor-
tellung der Richtlinie, über die wir heute reden, gesagt.
ieses Ziel teilen wir uneingeschränkt. Das ist für uns
doch ein Vorschlag, der durchdacht werden muss, und
an muss sich den Themen natürlich auch verantwor-
ngsvoll stellen.

Herr Beckmeyer hat vorhin gesagt, dass wir als christ-
ch-liberale und die Regierung tragende Koalition nicht
erantwortungsvoll mit dem Industriestandort Deutsch-
nd umgehen. Lieber Herr Beckmeyer, dieser Verant-
ortung sollten auch Sie in der Energiedebatte gerecht
erden;


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Wohl wahr! Aber Sie scheinen ein Wahrnehmungsproblem zu haben!)


enn wir handeln verantwortungsvoll und schauen, wie
an die Energiepolitik für die nächsten Jahrzehnte rich-
g und verantwortungsvoll ausrichten kann. Dazu gehört
atürlich auch, dass man bei dem Thema Besteuerung
enauer hinschaut und dass man für die Erreichung der
limaziele eine gemeinsame Politik machen muss, die
erantwortungsvoll in die Zukunft gerichtet ist. Wir tun
as. Meine sehr geehrten Damen und Herren der Oppo-
ition, Sie haben zwar viel gesagt, aber keine konkreten
orschläge dafür gemacht,


(Garrelt Duin [SPD]: Doch, natürlich! Sie haben nicht zugehört!)


Sie auch nicht –, wie man bei der Energiebesteuerung
ndere Wege gehen kann.

Wir denken, dass gerade die Dieselbesteuerung ein
ichtiger Punkt für die deutsche Steuerpolitik und für
ie Energiepolitik in Deutschland ist.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Und warum kümmern Sie sich nicht darum?)


ür die private Wirtschaft und für Privatnutzer gilt: Seit
ngerem gibt es eine ökologische Besteuerung des
reibstoffes, die in dieser Zeit sicherlich auch richtig
nd wichtig war, weil man damit lenkend wirkt. Man
arf aber natürlich auch nicht überbesteuern.





Peter Aumer


(A) )


)(B)

Gerade bei den Dieselfahrzeugen ist die CO2-Vermei-
dung ein wesentliches Ziel. Liebe Frau Paus, es wundert
mich, dass die Grünen dieses Ziel ganz aus den Augen
verloren haben. Ich habe aus Ihrer Rede geschlossen – so
ist mir das vorgekommen –, dass Sie die dieselbetriebe-
nen Fahrzeuge verdammen. Ich finde das nicht unbe-
dingt sehr verantwortungsvoll.


(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nicht zugehört!)


– Das war der Tenor ihrer Rede und aus meiner Sicht
nicht unbedingt richtig; denn die Dieselfahrzeuge sind
effizient und energiesparend, und es ist kontraproduktiv,
wenn man sie falsch besteuert.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe gesagt: Beim Diesel ist nicht alles Gold, was glänzt!)


Die Nachfrage nach Dieselfahrzeugen ergibt sich vor
allem aufgrund der Kostenfaktoren. Das muss man ganz
klar sehen. Man muss sich natürlich auch die Besteue-
rungsstruktur in unserem Land ansehen.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können Sie ändern! Damit hat Brüssel nichts zu tun!)


Neben der Besteuerung des Kraftstoffs gibt es auch die
Kfz-Steuer, die sich natürlich auf die Wettbewerbsfähig-
keit der Dieselfahrzeuge auswirkt. Deswegen muss man
die Dieselbesteuerung als Ganzes sehen.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Mit der Vorgabe in der Energiesteuerrichtlinie ist es
einfach schwierig, die Dieselfahrzeuge in unserem Land
wettbewerbsfähig zu halten und nicht zusätzlich durch
eine Besteuerung zu belasten. Zum anderen muss man
natürlich auch sehen, dass die Dieseltechnologie vor al-
lem im Transportgewerbe und im industriellen Bereich
vorherrscht. Eine höhere Besteuerung wird sicherlich
nicht dazu beitragen, dass die Wettbewerbsfähigkeit un-
seres Landes verbessert wird. Hierüber muss man ver-
antwortungsvoll diskutieren.

Frau Paus, Sie haben es ja auch gesagt: Die bisher
geltende Ermäßigung kann dann nicht mehr aufrecht-
erhalten werden. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass
man gerade im Bereich des Transportgewerbes und bei
der Besteuerung der industriellen Fahrzeuge Ausnahmen
machen kann.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie erreichen Sie Ihre Klimaschutzziele im Verkehrsbereich?)


Des Weiteren sind wir in Deutschland mit unseren
großen Automobilherstellern in der Dieseltechnologie
weltweit führend. Auch hier muss man die Wettbewerbs-
fähigkeit des Standortes Deutschland aufrechterhalten
und den Vorsprung sichern. Denn das Entscheidende für
den Industriestandort Deutschland ist, Herr Beckmeyer,
dass wir auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig und in
diesem Bereich Vorreiter in wirtschaftlichen Fragen
sind.

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(C (D (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auch in Zukunft! Nicht nur kurzzeitig!)


Das hat die Bundesregierung dazu veranlasst, den
orschlag der Europäischen Kommission kritisch zu se-
en und ganz klar zu sagen, dass man alle Auswirkungen
er Energiesteuerrichtlinie auf den Standort Deutsch-
nd, auf die gewachsene Besteuerungsstruktur und auf
irtschaft und Verbraucher in unserem Land mitberück-

ichtigen muss.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da muss man eine kluge, zukunftsfähige Politik machen!)


Wenn die Bundesregierung merkt, dass die geplanten
nderungen der gewachsenen Besteuerungsstrukturen in
uropa den richtigen Weg einschlagen, dann kann man
nen zustimmen. Wenn nicht, dann muss man die Richt-
nie ablehnen und einen anderen Weg der Energiebe-
teuerung beschreiten, damit die Klimaziele in Europa
nd in Deutschland verlässlich erreicht werden.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710519700

Das Wort hat Olav Gutting für die CDU/CSU-Frak-

on.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Olav Gutting (CDU):
Rede ID: ID1710519800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ei-

entlich könnte man es kurz machen. Die Pläne zur Er-
öhung der Mindestbesteuerung von Diesel verlangen in
uropa Einstimmigkeit. Kanzlerin und Bundesregie-
ng haben bereits eindeutig gesagt, dass es mit dieser
egierung keine Zustimmung, sondern ein Veto gibt,
nd zwar aus gutem Grund.


(Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt keine Sicherheit mehr, Herr Gutting!)


enn bereits heute werden Dieselfahrzeuge in Deutsch-
nd bei der Kfz-Steuer erheblich höher besteuert als
ahrzeuge mit Ottomotor. Deswegen zur Dieselsteuer-
rhöhung ein klares Nein, heute und auch in den nächs-
n Jahren. Damit wäre die Sache eigentlich erledigt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Aber es geht auch um Grundsätzliches. Eine große
eutsche Zeitung hat – vorhin haben wir das schon ge-
ört – in dieser Woche getitelt: „Sind wir Autofahrer die
eppen der Nation?“ Ja, dieses Gefühl kann den einen
der anderen in unserem Land beschleichen. Das muss
ns Sorgen machen. Denn es gibt aus meiner Sicht spür-
are Tendenzen in diesem Land gegen das Autofahren
sgesamt.

Die Brüsseler Vorschläge zur Erhöhung der Mindest-
esteuerung von Diesel sind nur ein Teil des europäi-
chen Weißbuches zur Verkehrspolitik. Darin stehen





Olav Gutting


(A) )


)(B)

noch mehr Punkte, zum Beispiel radikale europaweite
Geschwindigkeitsbegrenzungen


(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Jawohl!)


und der an den Haaren herbeigezogene Vorwurf, dass es
sich bei der Dienstwagenbesteuerung um eine Subven-
tion handele.

Hinzu kommen die Meinungen der Grünen. Das
Ganze ist aus meiner Sicht ein Frontalangriff auf die
deutsche Automobilindustrie, vor allem auf die in Ba-
den-Württemberg ansässigen Prämiumhersteller.


(Zurufe von der LINKEN: Oh!)


Wir sind mit der deutschen Automobilindustrie Techno-
logieführer, gerade auch beim Diesel. Die Modelle wer-
den immer sparsamer und effizienter. Bei den Dienstwa-
gen haben wir Deutschen einen Marktanteil von knapp
80 Prozent. Unsere Produkte aus der Automobilindustrie
sind weltweit gefragt.

Es ist einigen in Europa offensichtlich ein Dorn im
Auge, dass die deutsche Automobilindustrie mit ihren
Spitzenprodukten weite Teile der Märkte dominiert.


(Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch, Herr Gutting! Jetzt malen Sie nicht was an die Wand!)


Verschließen Sie ruhig die Augen. Aber diese Vor-
schläge aus Brüssel haben System. Sie richten sich ge-
gen die deutsche Automobilindustrie und gegen die vie-
len Hunderttausend Arbeitsplätze in diesem Segment.


(Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mir kommen die Tränen!)


Hinzu kommt, dass Grüne aus den eigenen Reihen im
eigenen Land sagen:


(Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vaterlandsverräter!)


Straßenbau ist nicht mehr zeitgemäß. Unvergessen ist
auch Ihre Forderung von 5 DM bzw. heute 2,50 Euro pro
Liter Benzin. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses
der Grünen aus Baden-Württemberg sagt, die Auto-
mobilindustrie habe nicht mehr dieselbe Bedeutung wie
früher und sei nicht mehr so wichtig, obwohl in Baden-
Württemberg knapp jeder vierte Arbeitsplatz von der
Automobilindustrie abhängt.


(Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt nur mit uns Grünen eine Chance!)


Aus den Koalitionsverhandlungen von Grün-Rot in
Stuttgart hört man Beschwichtigungen: Ja, ja, wir wer-
den schon noch die eine oder andere Umgehungsstraße
bauen. Aber ich sage Ihnen: Mit der einen oder anderen
Umgehungsstraße ist das Problem nicht zu lösen.

Wir brauchen dringend mehr Investitionen in den
Straßenbau. Wirtschaft braucht Mobilität.


(Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir brauchen mehr kreative Ingenieure! Kreativität!)


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(C (D enn wir zukünftig die Spitzenstellung unserer Wirtchaft in Baden-Württemberg und deutschlandweit eralten wollen, dann dürfen wir dem drohenden Verehrskollaps nicht tatenlos zusehen. Sonst sind wir in aden-Württemberg bald nicht mehr nur die Erfinder es Autofahrens, sondern auch die Erfinder des „Autotehens“. Die deutschen Autofahrer zahlen an der Tankstelle, ber die Kfz-Steuer und über die Lkw-Maut jährlich napp 52 Milliarden Euro. Diese 52 Milliarden Euro prudeln aus dem Bereich des Straßenverkehrs, aber nur in Bruchteil davon, nämlich knapp 6 Milliarden Euro, ießt in den Bundesfernstraßenbau. Ich glaube, da timmt etwas nicht. Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land erwarten on der Politik zu Recht mehr Investitionen in die Straße (Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Politik ist doch gerade abgewählt worden, Herr Gutting! Das gibt es doch gar nicht!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


nd nicht mehr Abzocke an der Tankstelle.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710519900

Als letzter Rednerin in dieser Aktuellen Stunde erteile

h Kollegin Patricia Lips für die CDU/CSU-Fraktion
as Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Patricia Lips (CDU):
Rede ID: ID1710520000

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Meine

ehr geehrten Damen und Herren! Klimaschutz wird in
uropa und in Deutschland und damit vor allem auch bei
en Menschen in diesem Land groß geschrieben.


(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das haben wir gerade gehört!)


Das kann man nicht oft genug sagen. – Nun kann man
as zunehmende Engagement seitens der Politik unter-
chiedlich forcieren: Man kann auf der einen Seite An-
ize setzen, seien es steuerliche Anreize oder Zu-

chüsse, oder man kann gezielt einzelne Steuerelemente
rhöhen, um dadurch, dass man ein Produkt unattraktiv
acht, Lenkungswirkungen zu erzielen.

Die europäische Energiesteuerrichtlinie, um die es
eute geht, ist dabei grundsätzlich ein Instrument, um
limaschutz voranzubringen.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch einmal eine Aussage!)


ie gibt es nicht erst seit heute, und sie soll weiterentwi-
kelt werden. Sie setzt Mindeststandards hinsichtlich der
nergiesteuern für die Mitgliedstaaten, durchaus verbun-
en mit der Möglichkeit, Anreize zu setzen. So weit, so
ut. Doch was geschieht nun im Rahmen dieser Weiter-





Patricia Lips


(A) )


)(B)

entwicklung? Der aktuelle Vorschlag der Europäischen
Kommission sieht nicht einfach vor, die Mindeststeuer-
sätze zu harmonisieren bzw. zu erhöhen, sondern geht
vielmehr davon aus, dass es perspektivisch zu einer völ-
lig neuen Bemessungsgrundlage kommt. Durch diese
qualitative Änderung verschieben sich die Parameter der
Besteuerung – vornehmlich im Kraftstoffbereich und
insbesondere bei Diesel – nicht unerheblich.

Ich betone: Maßnahmen, die zu Energieeinsparung
und Reduzierung des CO2-Ausstoßes führen, sind grund-
sätzlich immer zu begrüßen. Wer wollte da Nein sagen?
Aber der Teufel steckt im Detail. Deshalb möchte ich die
Gelegenheit nutzen, etwas in Erinnerung zu rufen, was
wir in jüngster Vergangenheit beschlossen haben. Ver-
folgt man manche aktuelle Diskussion, hat man zurzeit
fast das Gefühl, wir stünden erst am Anfang von
Erkenntnissen. Ich sage dies auch, weil man eben nicht
einfach eine Einzelmaßnahme – in diesem Fall die Än-
derung der Dieselbesteuerung – von außen einem diffe-
renzierten Gefüge von bereits vorhandener steuerlicher
Gesamtbelastung der Teilnehmer im Straßenverkehr
quasi zusätzlich überstülpen kann.

Kollege Gutting hat schon darauf hingewiesen: Die-
selfahrzeuge werden in Deutschland mit einem höheren
Kfz-Steuersatz belegt, um gerade den Steuervorteil bei
der Energiesteuer wieder auszugleichen. Es ärgert mich,
wenn immer wieder einseitig geschrieben oder gesagt
wird, es finde eine Subventionierung der Dieselfahr-
zeuge statt. Diese Medaille hat zwei Seiten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir haben darüber hinaus erst vor kurzem die Kfz-
Steuer mit Elementen weiterentwickelt, die Anreize set-
zen sollen, grundsätzlich auf verbrauchsarme Fahrzeuge
umzuschwenken.

Warum sind wir so verfahren? Das Optimierungs-
potenzial bei Dieselfahrzeugen ist höher als bei Fahrzeu-
gen mit Ottomotoren, deren Verbrauch ist damit in der
Regel geringer,


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War!)


und sie sind sparsamer. Kollege Middelberg hat darauf
hingewiesen: Eigentlich müsste man vielmehr auf die
Kilometerleistung abzielen und nicht so sehr auf den
Kraftstoff.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beim Klimaschutz geht es nicht um den Liter, sondern um den Inhalt!)


Deshalb war es das Ziel, nicht erst an der sprichwörtli-
chen Zapfsäule anzusetzen, sondern bereits beim Erwerb
eines Fahrzeugs. Diese Maßnahmen wurden ergriffen,
weil man deren Notwendigkeit erkannt und sie als ziel-
führend im Sinne des Klimaschutzes bewertet und vor
allen Dingen auch als gerecht angesehen hat.

Nicht gerecht wäre es, wenn diese Bemühungen und
die damit hervorgerufene Bereitschaft der Menschen, auf

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(C (D chadstoffärmere Fahrzeuge umzusteigen, nun durch ine pauschal höhere Dieselbesteuerung fast schon konrkariert würde, ohne das Genannte zu berücksichtigen. as sollen wir denn den Menschen sagen, die heute ielleicht mehr auf den Verbrauch als auf die Ausstatng oder die Farbe eines Wagens achten, worüber wir ns ja freuen? Bisher war die Strategie auch innerhalb er EU immer sehr stark auf die Prinzipien ausgerichtet, nreize für die technologische Entwicklung von Fahr eugen und steuerliche Anreize zu setzen, damit die Halr ihre Kaufentscheidung bewusst nach diesen Kriterien usrichten. Nun am Ende aber diejenigen zu strafen, die in dieem Sinne gehandelt haben, die Zange quasi von beiden eiten anzusetzen, kann nicht unser Ziel sein. Da reicht chon das Signal aus Brüssel. Die Reaktionen kann man uch mit „Wehret den Anfängen“ rechtfertigen. Jedes zweite Auto – es wurde schon darauf hingewieen –, das heute in Deutschland gekauft wird, ist ein Dieel. Wir sind führend in der Weiterentwicklung dieser echnologie. Das sollten wir nicht aufs Spiel setzen. Die uswirkungen würden auch und vor allem den kommer iellen Bereich wie das Transportgewerbe empfindlich effen und damit die Wettbewerbsfähigkeit dieses Lanes beeinträchtigen. Auch das kann uns nicht gleichgülg sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Bei Abwägung des beschriebenen Gesamtbildes kann
umindest den bisher bekannten Vorschlägen mit den
ntsprechenden Auswirkungen von unserer Seite nicht
efolgt werden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wollen Sie die Klimaschutzziele erreichen?)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710520100

Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Doro-
thee Bär, Markus Grübel, Michaela Noll, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU so-
wie der Abgeordneten Miriam Gruß, Nicole
Bracht-Bendt, Sibylle Laurischk, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der FDP

Neue Perspektiven für Jungen und Männer

– Drucksache 17/5494 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss





Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) )


)(B)

In einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre dazu kei-
nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile Bundesminis-
terin Kristina Schröder das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor
ein paar Wochen, am 8. März, haben wir den 100. Welt-
frauentag gefeiert. Er steht für all die Rechte, die sich
Frauen hart erkämpft haben. Seit 1999 gibt es auch einen
Internationalen Männertag. Was aber die öffentliche
Aufmerksamkeit betrifft, kann dieser Internationale
Männertag mit dem Weltfrauentag bei weitem nicht mit-
halten. Er bewegt sich eher auf dem Niveau des Welttags
für die Bekämpfung von Wüstenbildung und Dürre.

Dieses Aufmerksamkeitsgefälle zwischen Frauentag
und Männertag ist symptomatisch für eine Schieflage in
der Gleichstellungspolitik. Wenn wir über Gleichberech-
tigung reden, reden wir vor allem über Frauenpolitik.
Die Bedeutung der Jungen- und Männerpolitik in der
Gleichstellungspolitik wird immer noch unterschätzt.
Das müssen wir ändern, und zwar sowohl im Interesse
der Männer als auch im Interesse der Frauen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Florian Bernschneider [FDP])


Wir wollen Gleichberechtigung – nicht als Ergebnis-
gleichheit, sondern als Chancengleichheit. Der Schlüssel
zur Gleichberechtigung der Geschlechter ist die Gestal-
tungsfreiheit von Männern und Frauen, was ihren eige-
nen Lebensentwurf betrifft.

Wie sehr dabei Männerleben und Frauenleben von-
einander abhängen, sehen wir zum Beispiel, wenn wir
die Chancengleichheit im Berufsleben betrachten. Wir
führen die Debatte um Frauen in Führungspositionen
auch fast ausschließlich als eine frauenpolitische De-
batte. Das ist ein Fehler.


(Caren Marks [SPD]: Sie sind ja nie da bei den Debatten! – Gegenruf von der CDU/CSU: Sie redet doch gerade! – Caren Marks [SPD]: Mal ausnahmsweise!)


Fakt ist: Wenn in vielen Topführungspositionen 70- oder
80-Stunden-Wochen immer noch üblich sind, dann ste-
hen das nur diejenigen durch, denen jemand zu Hause
den Rücken freihält. Damit macht unsere Arbeitswelt
eine traditionelle Rollenverteilung in der Partnerschaft
quasi zu einer Art Karrierevoraussetzung.

Für das Prinzip „Karriere wird nach Feierabend ge-
macht“ bezahlen viele Frauen also gleich doppelt: zum
einen mit eingeschränkten Karrierechancen für sie selbst
– wenn sie am Feierabend eben nicht Karriere machen,
sondern die Kinder bettfertig machen – und zum anderen
mit Verzicht auf Unterstützung durch den Partner, weil
auch er sich diesem Prinzip beugen muss. Genau das ist
doch der Punkt.

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(C (D Glücklicherweise gibt es heute immer mehr Väter, die ehr von ihrer Familie haben wollen als ein Bild auf em Schreibtisch. Auch sie bezahlen im Moment mit chlechteren Karriereaussichten, wenn sie ihre Prioritän entsprechend setzen. Auch sie sind in stereotypen ollenerwartungen gefangen, so wie vielleicht ihre Mütr vor 50 Jahren. Wenn wir faire Chancen für Frauen wollen, dann üssen wir auch Männern die Chance geben, sich von ollenmustern zu lösen, und zwar sowohl in der Familie ls auch in der Arbeitswelt. Union und FDP sagen: Männerund Frauenpolitik tützen sich gegenseitig. Was man aus männerund junenpolitischer Sicht machen kann, zeigt der Antrag der oalitionsfraktionen auf. Auch für mich als Ministerin atte dieses Thema seit Beginn meiner Amtszeit höchste riorität. Deswegen hat heute in Deutschland zum ersten Mal undesweit ein Boys’ Day stattgefunden, ein Ereignis, n dem sich auf Anhieb 35 000 Jungen beteiligt haben. h kann Ihnen nur sagen: Der Anklang, den dieser oys’ Day gefunden hat, hat meine eigenen Erwartunen bei weitem übertroffen. Dieser Tag ist auch internaonal schon bekannt geworden. Ich freue mich sehr, ass heute mein norwegischer Kollege, der norwegische inister für Kinder, Gleichstellung und soziale Inklu ion, Audun Lysbakken, in Deutschland ist – er sitzt ben auf der Tribüne –, um sich den hiesigen Boys’ Day nzuschauen. Wir haben deswegen vor einigen Monaten einen Beit für Jungenpolitik gegründet, ein Gremium, in dem icht nur, wie sonst, Wissenschaftler und Praktiker zuammensitzen, sondern auch sechs Jungen aus ganz unrschiedlichen sozialen Milieus. Sie alle entwickeln andlungsempfehlungen für die Jungenund Männerolitik. Ich sage Ihnen: Wenn wir uns das anschauen, ann können wir alle noch etwas lernen. Wir haben das Programm „MEHR Männer in Kitas“ estartet. Mehr Männer in Kitas sind wichtig, um Mänern neue Berufsaussichten zu ermöglichen, um Kindern on Anfang an zu zeigen, dass Erziehungsaufgaben von rauen und Männern wahrgenommen werden können, nd um mehr männliche Vorbilder zu haben. Männliche orbilder in den Kitas – das ist sowohl für die Jungen als uch für die Mädchen wichtig. Wir haben auch für die sogenannten Vätermonate eigentlich sind es die Partnermonate – beim Elterngeld esorgt. Diese Monate sind ein riesiger Erfolg. Bevor ir das Elterngeld eingeführt hatten, haben nur ,5 Prozent der Väter eine berufliche Auszeit für die Beeuung ihrer Kinder genommen. Jetzt sind es fast 5 Prozent. Das ist ein bemerkenswerter Wandel in so enigen Jahren. Die Ausweitung der Anzahl der Väteronate steht selbstverständlich nach wie vor auf unserer genda. Genauso wie alle anderen Maßnahmen, die wir Bundesministerin Dr. Kristina Schröder )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





(A) )

geplant haben, unterliegt diese Maßnahme natürlich
– der Neuigkeitswert dieser Aussage liegt genau bei null –
auch dem Finanzierungsvorbehalt.

Noch eins will ich Ihnen von der Opposition sagen:
Ihre Konzepte für eine Ausweitung der Anzahl der Vä-
termonate – Sie gehen teilweise so weit, zu fordern, der
Staat solle vorschreiben, dass die Anzahl der Väter- und
der Müttermonate hälftig, aktuell also sieben zu sieben,
aufzuteilen sei – sind einfach nur Ausdruck eines Mehrs
an Bevormundung, eines Mehrs an Umerziehung. Die
Umsetzung dieses Konzepts würde für 90 bis 95 Prozent
aller Paare bedeuten, dass ihnen das Elterngeld gekürzt
wird.


(Caren Marks [SPD]: Warum das denn?)


Das wird es mit uns nicht geben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Schließlich hat die Bundesregierung vor einigen
Wochen im Kabinett die Einführung einer Familien-
pflegezeit beschlossen. Die Familienpflegezeit ist auf
Menschen ausgerichtet, die Vollzeitarbeitsplätze haben.
Insofern ist die Familienpflegezeit auch auf Männer aus-
gerichtet. Diese bessere Vereinbarkeit von Pflege und
Beruf trägt dazu bei, dass die Pflege nicht weiter als rein
weibliche Aufgabe wahrgenommen wird.

Meine Damen und Herren, es hat knapp 90 Jahre
gedauert, bis ein Internationaler Männertag den Welt-
frauentag ergänzt hat. Es hat zehn Jahre gedauert, bis
zum Girls’ Day ein Boys’ Day hinzukam. Ich bin mir si-
cher: Es wird nicht mehr lange dauern, bis sich die Er-
kenntnis durchsetzt, dass zeitgemäße Politik Männer und
Frauen gleichzeitig ansprechen muss. Die Zeit der Ge-
schlechterkämpfe ist vorbei. Sorgen wir für die notwen-
dige Gestaltungsfreiheit, damit Männer und Frauen
Gleichberechtigung sowohl in der Partnerschaft als auch
im Beruf leben können!

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710520200

Das Wort hat nun Caren Marks für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Caren Marks (SPD):
Rede ID: ID1710520300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau
Ministerin, schön, dass Sie heute mal bei einem Thema
aus Ihrem Ressort anwesend sind!


(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU)


Aber leider ist es wie üblich: viele Worte, keine Taten.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Zur Sache!)


Mit Erstaunen habe ich den Antrag von Union und
FDP „Neue Perspektiven für Jungen und Männer“ gele-
sen. Wie ist es möglich, dass Ihnen erst jetzt klar gewor-
den ist, dass Gleichstellungspolitik beide Geschlechter

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(C (D Blick haben muss? Das ist eine ebenso selbstvertändliche wie banale Erkenntnis. (Michaela Noll [CDU/CSU]: Ach, neuerdings?)


elbstverständlich setzen erfolgreiche familien- und
leichstellungspolitische Maßnahmen bei Frauen und
ännern, bei Jungen und Mädchen gleichermaßen an.
Sozialdemokratische Gleichstellungspolitik war schon
mer darauf ausgerichtet, die Lebensbedingungen ei-

es jeden Kindes und Jugendlichen unabhängig vom Ge-
chlecht zu verbessern und auf Chancengleichheit hinzu-
irken.


(Ewa Klamt [CDU/CSU]: Die Ergebnisse sehen wir!)


Diese schwarz-gelbe Bundesregierung und insbeson-
ere ihre Ministerin aber suchen nicht das Verbindende,
ondern das Trennende zwischen den Geschlechtern.


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Das stimmt überhaupt nicht!)


och nie wurden so tiefe Gräben zwischen der Jungen-
nd der Mädchenförderung gezogen wie unter dieser Fa-
ilienministerin.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Unterste Schublade!)


Frau Schröder, Sie spielen sich in den Medien gern
ls Retterin der Jungs und der Männer auf. Sie behaup-
n pauschal, Jungen würden in der Schule benachteiligt
nd am Junge-Sein gehindert. Auch im Antrag von Ih-
en, meine Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-
elb, heißt es schwammig:

Auch in der Schule muss den besonderen Bedürf-
nissen von Jungen Rechnung getragen werden.

as bitte sollen denn deren besondere Bedürfnisse sein?
azu sagen Sie in Ihrem Antrag nichts.


(Ewa Klamt [CDU/CSU]: Bei den Sozialdemokraten ist das gleich!)


ielleicht ist es Ihnen noch nicht aufgefallen: Nicht alle
ungen sind gleich, und auch nicht jedes Mädchen be-
chäftigt sich gern still und – so das Klischee der Fami-
enministerin – malt mit einem Stift Schmetterlinge. Er-
eitern Sie doch erst einmal Ihren Horizont und bauen
ie die Rollenstereotypen in Ihrem Kopf ab! Das würde
ungen und Mädchen in diesem Land wirklich helfen,
rau Ministerin.


(Beifall bei der SPD – Markus Grübel [CDU/ CSU]: Das ist jetzt wirklich keine Sternstunde!)


Nicht Jungen per se sind benachteiligt bzw. haben
chulprobleme; es sind die Jungen aus benachteiligten
nd bildungsfernen Familien, die vor allem durch
chwarz-gelbe Politik konsequent weiter abgehängt wer-
en. Das ist ein Widerspruch höchsten Grades.


(Beifall der Abg. Christel Humme [SPD])






Caren Marks


(A) )


)(B)

Es ist doch gerade die Politik von Union und FDP in den
Bundesländern – man braucht nur einmal in mein Bun-
desland, Niedersachsen, zu schauen, um das festzustel-
len –, die dafür verantwortlich ist, dass Kinder nicht mit-
genommen und gefördert, sondern abgehängt und im
Stich gelassen werden.


(Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Das war unter Ihrer Regierung anders?)


Sie halten stur am dreigliedrigen Schulsystem fest,
wo Abschulen – ein schreckliches Wort! – und Sitzen-
bleiben zur Tagesordnung gehören. Sie bekämpfen kon-
sequent längeres gemeinsames Lernen. Das alles sind
Fakten, die manchen Jungen mehr Probleme machen als
manchen Mädchen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Gerade Jungen macht das frühe Aussortieren, das die
Union ja mit Verve vertritt, viel häufiger zu schaffen.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Ich denke, es gibt nichts Spezifisches für Jungen!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb,
im krassen Widerspruch zu Ihrer Forderung, mehr Jun-
gen zu fördern, steht Ihr aktuelles Handeln. Sie kürzen
gerade radikal bei erfolgreichen Projekten und Maßnah-
men, von denen insbesondere Jungen in schwierigen Si-
tuationen, aber durchaus auch Mädchen – die blenden
Sie ja völlig aus – profitieren. Ob es das erfolgreiche In-
tegrationsprojekt im Problemstadtteil ist, das durch das
Programm „Soziale Stadt“ gefördert wurde, oder das
Programm zur Senkung der Schulabbrecherquote: Dra-
matische Kürzungen, wohin man blickt! Sieht so Ihre
Vorstellung von der Förderung benachteiligter Jungen
aus, die Sie hier angeblich ganz neu in den Blick genom-
men haben?

Die SPD-Bundestagsfraktion hat ernsthafte Antwor-
ten auf die Frage, wie wir Kinder und Jugendliche besser
unterstützen und fördern können: Es kommt auf den An-
fang an. Kinder müssen also so früh wie möglich geför-
dert werden. Darum müssen wir beim Krippenausbau
mehr Fahrt aufnehmen. Aber da, Frau Ministerin, gehen
Sie auf Tauchstation.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Es geht um die Qualität, Frau Marks! Sie haben es immer noch nicht begriffen!)


Im Gegenteil, Sie, Frau Ministerin, halten am rück-
wärtsgewandten Betreuungsgeld fest. Sie sagen nicht
Nein zum Betreuungsgeld, sondern stehen weiter zu die-
ser Bildungsverhinderungsprämie.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Damit unterstützen Sie benachteiligte Kinder mit Sicher-
heit nicht, und auch bei dem notwendigen konsequenten
Ausbau von Ganztagsschulen ist keinerlei Unterstützung
sichtbar.

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(C (D Liebe Kolleginnen und Kollegen, die einfache Welt on Familienministerin Schröder erklärt die Benachteiliung von Jungen wie folgt: Schuld am schulischen Missrfolg von Jungen haben Frauen, da sie die Mehrheit der rzieherinnen und Grundschullehrerinnen stellen – intessant. Natürlich begrüßen auch wir, wenn sich mehr änner für den Beruf des Erziehers oder des Grund chullehrers entscheiden. Das Aufbrechen von Rollentereotypen ist grundsätzlich positiv. Doch, Frau Schröer, ich möchte Sie beruhigen: Studien belegen, dass ungen keine Nachteile und schlechtere Beurteilungen rfahren, wenn sie in erster Linie von Frauen betreut und nterrichtet werden. Was tun Sie eigentlich für die Förderung von Mädhen und Frauen? Hier kürzen Sie und verteilen Mittel r die Förderung von Frauen in die Förderung von Män ern um. So wird Gleichstellungspolitik nicht gelingen; enn diese muss auf beide Geschlechter ausgerichtet ein. Es sind überwiegend Frauen, die in der Pflege tätig ind. Das ist ein anstrengender Beruf mit viel zu wenig nerkennung und viel zu wenig Geld. Doch anstatt sich afür starkzumachen, dass der Dienst am Menschen ehr Anerkennung erfährt, sagen Sie ganz profan, rauen sollten doch einfach die richtigen Berufe ergrein. Das muss schön zu hören sein für Frauen in so an trengenden Berufen, die bemerken, dass sie im Stich elassen werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Claudia Bögel [FDP]: Was?)


Im heute debattierten Antrag von Schwarz-Gelb heißt
s: „Stereotype Zuschreibungen müssen überwunden
erden.“ Weiterhin ist zu lesen, dass „Männer in ihrer
ufgabe als Väter“ gestärkt werden müssen. Ich sage:
ur zu, mit Mut voran!

Warum aber hat diese Bundesregierung eine partner-
chaftliche Weiterentwicklung des Elterngeldes auf Eis
elegt? Warum trennen Sie sich nicht von steuerlichen
egelungen, die die klassische Rollenverteilung zemen-
eren? Warum wollen Sie nur unverbindliche Vereinba-
ngen mit der Wirtschaft? Wirklich gebraucht wird eine

erbindliche Zeitpolitik, die sowohl Männer als auch
rauen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf un-
rstützt, und kein Larifari mit netten Treffen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, es hilft den Fami-
en nicht weiter, wenn Männer und Frauen gegeneinan-
er ausgespielt werden, wie Sie es tun.


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Das machen Sie doch die ganze Zeit!)


s hilft auch nicht, wenn Sie als Familien- und Frauen-
inisterin gleichstellungspolitisch Engagierte bei jeder
elegenheit abfällig als Altfeministinnen bezeichnen.
rau Schröder, machen Sie endlich konkrete Politik!
ntwickeln Sie Maßnahmen, die bei den Familien an-
ommen! Reden Sie weniger, und handeln Sie endlich!





Caren Marks


(A) )


)(B)


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Hören Sie auf! Sie haben genug geredet!)


Das würde helfen – Jungen wie Mädchen, Frauen wie
Männern. Darauf wartet unser Land, seit Sie Ministerin
sind, vergeblich.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710520400

Das Wort hat nun Miriam Gruß für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Michaela Noll [CDU/CSU]: Endlich was Vernünftiges!)



Miriam Gruß (FDP):
Rede ID: ID1710520500

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Sie wissen, dass ich im Plenum nor-
malerweise sehr gern frei rede; aber ich habe heute bei
Ihrer Rede, Frau Marks, so viel mitgeschrieben, dass ich
jetzt einige Zettel mitnehmen musste.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das wäre aber nicht nötig gewesen!)


Zunächst einmal: Die Maßnahmen, die wir getroffen
haben, beruhen nicht auf banalen Erkenntnissen, sondern
auf der harten Realität, die wir vorfinden. Es ist eigent-
lich schade, dass erst wir als schwarz-gelbe Koalition
kommen mussten, damit etwas gegen die Missstände in
Deutschland getan wird,


(Caren Marks [SPD]: Sie haben nichts begriffen! – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie tun doch nichts, Sie reden doch nur!)


die damit zusammenhängen, dass Jungen und auch Män-
ner benachteiligt sind.

Es ist ja schön, dass Sie grundsätzlich sagen, dass wir
hier niemanden gegeneinander ausspielen sollen. Aber
genau das haben Sie mit Ihrer Rede getan; Sie haben
Frauen gegen Männer ausgespielt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Caren Marks [SPD]: Ganz im Gegenteil! Unsinn!)


Sie haben dann angesprochen, dass Sie die Lebensbe-
dingungen eines jeden Kindes verbessern wollten.
Schauen wir uns doch einmal die Kinderarmutszahlen in
den einzelnen Ländern an: In Berlin sind 35 Prozent von
Kinderarmut betroffen, in Niedersachsen sind es 15 Pro-
zent,


(Diana Golze [DIE LINKE]: Was tun Sie denn dagegen?)


in Bayern 7 Prozent.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


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(C (D o schaut es aus, denn wir machen eine gute Wirtchaftspolitik, die es ermöglicht, das zu erwirtschaften, as notwendigerweise verteilt werden muss. ach Ihrer Politik würde es keinem Kind, keinem Vater nd keiner Familie besser gehen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Caren Marks [SPD]: Aber Mindestlohn könnte gegen Armut in den Familien helfen!)


(Zuruf des Abg. Sönke Rix [SPD])


Tatsache ist, dass Jungs heutzutage schlechter lesen
önnen und dass sie häufiger in der Schule versagen.
as zeigen die Zahlen ganz eindeutig. Fakt ist auch, dass

s mehr Mädchen gibt, die Abitur machen, und dass es
ehr junge Frauen gibt, die Hochschulabsolventinnen

ind.

Das Problem für die Frauen ist letztendlich die Kin-
er-oder-Karriere-Frage, weil wir hinsichtlich Verein-
arkeit von Familie und Beruf immer noch etwas zurück
ind. Weil Sie uns die ganze Zeit vorwerfen, hier Kür-
ungen vorzunehmen,


(Caren Marks [SPD]: Beim Elterngeld haben Sie gekürzt!)


ill ich Ihnen an dieser Stelle sagen: Wir kürzen in die-
em Bereich nicht, sondern bauen die Betreuungsplätze
owohl quantitativ als auch qualitativ weiter aus und hal-
n am Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ab 2013 fest.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Christel Humme [SPD]: Das ist ja unglaublich!)


Sie behaupten weiterhin, wir würden uns nicht um die
esonderen Bedürfnisse der Jungs in der Schule küm-
ern und dazu nichts sagen. Ja, sehr geehrte Frau
arks, das ist so, weil wir uns hier auf Bundesebene be-

nden. Ich spreche mich zwar gegen das Kooperations-
erbot aus, das nach wie vor besteht, aber derzeit sind
ie Länder allein für die Schulen zuständig. Aber wir ha-
en die Fakten angesprochen; sie liegen jetzt auf dem
isch.


(Caren Marks [SPD]: Ist die CDU hier eine andere als in Niedersachsen?)


on Ihnen habe ich in dieser Richtung noch gar nichts
ehört. Wir erkennen die Realität, und wir handeln dem-
ntsprechend.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Lachen des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])


Ich bin der Meinung, dass die Phase des Kampfes der
eschlechter überwunden werden muss. Dafür sorgen
ir mit unserer Politik. Nur ein Miteinander ist erfolg-
ich.


(Caren Marks [SPD]: Eben! Das machen Sie aber nicht!)


Doch. Sie dagegen machen nichts. Ihre Politik basiert
uf dem Kampf Frau gegen Mann. Wir sind längst wei-
r. – Unsere Politik geht davon aus, dass Frauen und





Miriam Gruß


(A) )



(B)

Männer auf einer Seite stehen und es in den Familien ein
Miteinander gibt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei uns kämpfen auch Männer für die Frauenquote! Bei Ihnen sind alle dagegen!)


Die Regierung nimmt sozusagen eine Vorbildfunktion
ein, und wir brechen Strukturen auf.

Ich will noch eine persönliche Anekdote anbringen.
Als ich 2005 in den Bundestag gewählt wurde, hat der
Apotheker um die Ecke gesagt: Wir sind stolz, dass Sie
in den Bundestag gekommen sind. Aber, Herr Gruß, wie
machen Sie das jetzt eigentlich mit dem Essen? – Daran
konnte man sehen, wie tradiert die Rollenverständnisse
waren. Seit September ist mein Mann allerdings zu
Hause. Jetzt wird er nicht mehr ausgelacht. An diesen
Punkt müssen wir gelangen. Wir müssen Vorbild sein.
Dazu braucht es solche Signale wie die entsprechenden
Anträge, die wir in den Bundestag einbringen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Zur Diskussion über das Elterngeld: Das Elterngeld
ist, was die Männer anbelangt, ein Erfolg. Vorher kam es
so gut wie nicht vor, dass Männer wie selbstverständlich
zu Hause blieben. Die schwarz-gelbe Regierung bricht
die Strukturen auf, und jetzt machen sich Unternehmen
Gedanken darüber, wie sie nicht nur den Frauen, sondern
auch den Männern familienfreundliche Arbeitszeiten an-
bieten können.

Für die Ausweitung des Elterngeldes gilt: Wenn es zu
viel kostet, dann können wir sie nicht durchführen. So ist
es nun einmal. Aber wir machen eine verantwortungs-
volle Politik, die auf die nächsten Generationen ausge-
richtet ist. Wir sagen nämlich: Wir können nicht immer
nur verteilen; denn erstens muss das, was verteilt wird,
auch erwirtschaftet werden, und zweitens dürfen wir
nicht Geld verteilen, wenn dadurch auf dem Rücken un-
serer Kinder Schuldenberge angehäuft werden. Schließ-
lich haben die Kinder dann den Schlamassel. Auf Schul-
denbergen können sie nicht spielen und erst recht nicht
lernen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das mit Jungenpolitik zu tun?)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710520600

Das Wort hat nun Diana Golze für die Fraktion Die

Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Diana Golze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710520700

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Es ist schon bezeichnend, dass wir
ausgerechnet heute über einen Antrag debattieren, der
sich mit der Benachteiligung von Jungen und Männern
in unserer Gesellschaft befasst; denn es ist Girls’ Day,
also ein Tag, der eigentlich geschaffen wurde, um Mäd-
chen für männerdominierte Berufe zu interessieren.

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(C (D (Markus Grübel [CDU/CSU]: Das Gegenstück ist, Jungen für Frauenberufe zu interessieren!)


Nun gibt es dieses Jahr zum ersten Mal den sogenann-
n Boys’ Day. Ich finde es so schade, dass Sie schon
ieder das machen, was Sie auch sonst tun, nämlich die
enschen, in diesem Falle Jungen und Mädchen, gegen-

inander auszuspielen, statt sich um die Ursachen des
roblems zu kümmern, sehr geehrte Kolleginnen und
ollegen der die Bundesregierung stellenden Parteien.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU – Markus Grübel [CDU/ CSU]: Die beiden Dinge bedingen sich! – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Im Gegenteil!)


In Ihrem Antrag erklären Sie, werte Kolleginnen und
ollegen von CDU/CSU und FDP, dass die Jungen – Sie
den ja immer gleich von allen – immer offensichtlicher

u Bildungsverlierern werden. Der Focus titelte bereits
002 „Arme Jungs!“. Die Zeit titelte „Die neuen Prügel-
naben“. Sie zählen in Ihrem Antrag genau die Fakten
uf, die in dieses Bild passen: Jungen wiederholen häufi-
er eine Klasse, brechen häufiger als Mädchen die
chule ab und weisen geringere Lesekompetenzen als
ädchen auf.

Eine OECD-Studie vom Mai 2009 kommt zu dem
chluss, dass

diese Unterschiede eher auf Stereotype als auf un-
terschiedliche Begabung zurückzuführen sind, …

och an dieser Stelle kommt die gute Nachricht zu die-
em traurigen Befund: Sie glauben, Sie hätten die Ant-
ort und damit die Schuldigen gefunden. Den Jungen
hle aufgrund der Feminisierung in Kita und Schule und

es „Fehlens männlicher Bezugspersonen im familiären
ereich“ die „Ermutigung und positive Vorbilder“.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Genau so ist das!)


chuld sind also die zu hohe Zahl der Frauen in den Er-
iehungs- und Bildungsberufen und – wenn ich es richtig
erstanden habe – alleinerziehende Frauen bzw. gleich-
eschlechtliche Beziehungen, in denen Kinder ohne
ännliche Ermutigung und positive Vorbilder aufwach-

en, nach dem Motto: „Ich habe Feuer gemacht!“


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as sind Familienkonstellationen, die inzwischen zum
anz normalen Alltag gehören, offenkundig aber nicht in
as eine oder andere Weltbild passen.

Auf die Frage, was genau ein solches positives Vor-
ild ausmacht, welche Ansprüche eine Lehrerin, ein
ehrer, ein Erzieher erfüllen muss, um diese Lücke zu
chließen, hüllen Sie sich allerdings in Schweigen.
benso vage bleiben Sie bei der Unterlegung Ihrer The-
en mit wissenschaftlich oder empirisch belegbaren Zah-
n und Fakten, und zwar mit gutem Grund, denn solche
ahlen und Fakten gibt es nicht; eine Studie, die belegt,
ass sich allein durch die Anwesenheit von männlichem
)





Diana Golze


(A) )


)(B)

Erzieher- und Lehrerpersonal die Situation von Jungen
explizit verbessert hätte, liegt nicht vor. Österreichische
Erhebungen belegen sogar eine Diskriminierung von
Jungen in der Benotung, wenn sie von Männern unter-
richtet werden.

Es ist also nicht wichtig, ob Kinder von Männern oder
Frauen unterrichtet werden; wir brauchen Pädagoginnen
und Pädagogen, die in die Lage versetzt werden, eine ge-
schlechtssensible und gleichstellungsorientierte Schule
gestalten zu können.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Anträge wie dieser werden aber bestimmt keinen kon-
struktiven Beitrag dazu leisten.

Die bloße Forderung nach mehr männlichen Vorbil-
dern hilft nicht weiter. Vielmehr bauen Sie damit ein
Bild von scheiternden Jungen und von karriereorientier-
ten Mädchen auf, bei dem die einen absteigen und die
anderen aufsteigen, ein Bild, das der Realität nicht stand-
hält. Es gibt im realen Leben eben nicht die Jungen, die
als Loser zurückbleiben, und nicht die Mädchen, die auf
der Überholspur an ihnen vorbeirauschen.


(Caren Marks [SPD]: Ganz genau! – Michaela Noll [CDU/CSU]: Das sagt auch keiner! – Gegenruf der Abg. Caren Marks [SPD]: Doch!)


Es gibt Kinder und Jugendliche, die von vornherein
benachteiligt sind bzw. benachteiligt werden, und das
aus unterschiedlichen Gründen. Dazu können die Haut-
farbe, der Migrationshintergrund, Armutserfahrungen,
Homosexualität, Behinderungen und anderes gehören.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Genau! Jugendliche Homosexuelle mit Migrationshintergrund! – Caren Marks [SPD]: Alles Gruppen, für die die Ministerin nichts macht!)


Aber all das blenden Sie in Ihrem Antrag völlig aus. Mit
Forderungen nach jungengerechter Bildung stecken Sie
lediglich den Erzieherinnen und Lehrerinnen den
Schwarzen Peter für Ihre verkorkste Sozial-, Bildungs-
und Arbeitsmarktpolitik zu.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Gesamtgesellschaftliche Probleme werden einzelnen
Personengruppen zugeschoben. Damit lenken Sie ganz
bewusst davon ab, dass Sie von der christlich-liberalen
Koalition nicht in der Lage waren, eine Politik zu ma-
chen, die jedem Kind, damit auch jedem Jungen, gleich-
berechtigte Startchancen bietet. Sie waren nicht in der
Lage, Akzente zu setzen, um Väter in die Situation zu
bringen, eine – so beschreiben Sie es – „neue Balance im
Dreieck zwischen Beruf, Familie und Partnerschaft zu
schaffen“. Ist es nicht diese Regierung, die in dieser Wo-
che bekannt gemacht hat, dass die versprochene Auswei-
tung der Vätermonate beim Elterngeld nicht kommen
wird?

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(C (D (Caren Marks [SPD]: Ganz genau! – Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Nein! Das ist falsch! Das ist nicht die Wahrheit! Auch wenn Sie es dreimal sagen, ist es nicht wahr!)


t es nicht Ihre Regierung, die einen verfassungswidri-
en Regelsatz für Kinder unverändert lässt, obwohl er
ie besonderen und eigenständigen Bedarfe aller Kinder
icht berücksichtigt? Ist es nicht die christlich-liberale
oalition, die ein Bildungspaket feiert, das sich gerade
der Praxis als bürokratisches Monstrum erweist und

eine gerechten Bildungschancen für alle Jungen und
ädchen schafft?


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Genau! Das Füllhorn für alle ausschütten!)


An welcher Stelle im christlich-liberalen Antrag the-
atisieren Sie die Arbeitsbedingungen und die schlechte
ezahlung von Erzieherinnen und Erziehern, von Lehre-
nnen und Lehrern?


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: An keiner Stelle!)


t es nicht die christlich-liberale Koalition, die gerade
in bewährtes Programm für Schul- und Ausbildungsab-
recher so radikal zusammenstreicht, dass wahrschein-
ch über die Hälfte der Beratungsstellen schließen
uss?


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Wir brauchen keine Beratungsstellen!)


uch wenn es um die Aufgabenverteilung geht, sind Sie
rima: Alle Vorschläge, die Sie machen, gehen zulasten
er Länder und Kommunen, ohne dass Sie erklären, wo-
it sie die Kosten bestreiten sollen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich selbst bin Mutter
on zwei Kindern, einem Mädchen und einem Jungen.


(Caren Marks [SPD]: Ich auch!)


h befürchte, dass es das Mädchen sein wird, dem es
chwerfallen wird, trotz gleicher Voraussetzungen in Fa-
ilie und Schule später selbstbewusst durch das Leben

u gehen, dass sie also nicht fair und gerecht behandelt
ird und nicht denselben Erfolg haben wird. Denn
rauen erhalten trotz steigenden Bildungsniveaus immer
och 26 Prozent weniger Gehalt als Männer


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Wer spielt hier wen gegen wen aus? Das machen Sie jetzt wieder!)


nd sind an Unis, in Chefetagen und in den Vorständen
ach wie vor selten oder gar nicht anzutreffen. Vor die-
em Hintergrund kann ich über den von Ihnen formulier-
n Prüfauftrag, ob auch Männer Gleichstellungsbeauf-
agte sein sollten, nur den Kopf schütteln. Solange es
ine strukturelle Ungleichbehandlung von Frauen gibt,
edarf es eines solchen besonderen Wächteramtes für
rauen.





Diana Golze


(A) )


)(B)


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Caren Marks [SPD]: Das versteht die Ministerin nicht!)


Thomas Gesterkamp schrieb in einer Studie für die
Friedrich-Ebert-Stiftung:

Nur miteinander und nicht gegeneinander lässt sich
Geschlechterdemokratie umsetzen. Vereinfachun-
gen und die umgekehrte Stilisierung von Männern
zum Opfer „des Feminismus“ helfen nicht weiter.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710520800

Der Kollege Gehring hat für die Fraktion Bündnis 90/

Die Grünen das Wort.


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710520900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Als ich vor fünf Jahren die Einführung des Boys’ Day
gefordert habe, bin ich von nicht wenigen in diesem
Haus dafür belächelt worden.


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Aber nicht von mir! Ich fand das immer gut!)


Heute gibt es endlich den ersten bundesweiten Boys’
Day. Das begrüßen wir. Wir wünschen allen Beteiligten
viel Erfolg.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Noch besser wäre, wenn der Girls’ Day – übrigens
herzlichen Glückwunsch zum heutigen zehnten Geburts-
tag – und der Boys’ Day an verschiedenen Tagen statt-
finden würden. Damit würde man beiden Geschlechtern
noch gerechter.


(Beifall der Abg. Katja Dörner [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Für eine nachhaltige Jungenpolitik reicht ein einzel-
ner symbolischer Boys’ Day aber nicht aus. Wir brau-
chen einen grundlegenderen Ansatz.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Deswegen haben wir einen Antrag eingebracht!)


Geschlechtergerechtigkeit für Jungen und Mädchen
kann nur dann Normalität werden, wenn sie jeden Tag
gelebt wird.


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Richtig!)


Von der Kindertagesstätte an sollte jeder und jede frei
von tradierten Klischees verschiedene Rollenmuster und
Angebote kennenlernen können –


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Ganz ohne Tradition ist auch nicht schön!)


ohne Bevormundung, dafür mit Wahlfreiheit und Freude
an Vielfalt.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


aher sollten neue Wege und Perspektiven für Jungs das
anze Jahr über aufgezeigt werden:


(Zuruf von der FDP: Ja, genau! – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Dafür gibt es doch diesen hervorragenden Antrag!)


Bildungssystem, in der Jugendhilfe und in der Be-
fswelt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP)


Es gibt durchaus Forderungen in Ihrem Antrag, die
nterstützenswert sind, zumal wir seit langem etwa Pro-
leme von Jungen im Bildungssystem thematisieren.
anche Jungs stehen tatsächlich auf der Standspur.
iele Mädchen scheinen auf der Überholspur zu sein. Im
urchschnitt schneiden sie in der Schule besser ab, neh-
en häufiger ein Studium auf, machen bessere Ab-

chlüsse. Trotzdem sind Frauen in Führungspositionen
mer noch eine Seltenheit. Trotzdem entscheidet die

oziale Herkunft viel stärker über den Bildungserfolg als
as Geschlecht. Deshalb müssen wir vor allem da anset-
en.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Sönke Rix [SPD])


Besonders bei der Finanzierung von Jungenarbeit und
er tatsächlichen Verankerung bleibt Ihr Antrag völlig
ebulös. Jungenpolitik darf nicht auf Kosten der weiter-
in notwendigen Mädchenpolitik gehen.


(Zuruf von der FDP: Das will doch keiner!)


as ist offensichtlich auf der rechten Seite des Hauses
onsens. Dies wäre ein schwerer Fehler. Dies würde von
ns entschieden abgelehnt.


(Beifall der Abg. Katja Dörner [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] und Jörn Wunderlich [DIE LINKE] – Michaela Noll [CDU/CSU]: Von mir auch!)


Wir wollen eine Jungenpolitik, die Jungen individuell
rdert, ihnen bessere Teilhabe ermöglicht, neue Pers-

ektiven eröffnet und Mädchenpolitik sinnvoll ergänzt.
ie können sich ein gutes Beispiel etwa an Nordrhein-
estfalen nehmen, wo eine Mittelerhöhung des Kinder-

nd Jugendförderplans um 25 Prozent vorgesehen ist
nd die darin enthaltenen Gendermittel verdoppelt wer-
en – sowohl für Jungenförderung als auch für Mäd-
henförderung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Ewa Klamt [CDU/CSU]: Nur das Geld ist nicht da! Die Frage ist, wer das bezahlt!)


Sie wissen, Jugendförderung ist Zukunftsinvestition.

Wir wollen, dass sich das Spektrum bei der Ausbil-
ungs- und Studienwahl von Jungen erweitert und sie
ich für weitere Berufe begeistern. Mehr als die Hälfte





Kai Gehring


(A) )


)(B)

der männlichen Auszubildenden entscheidet sich für ei-
nen jungentypischen Ausbildungsberuf. Leider ist noch
kein einziger aus dem sozialen, erzieherischen oder pfle-
gerischen Bereich darunter. Hier sind Männer deutlich
unterrepräsentiert. In Kitas stellen sie nur 3,5 Prozent
des Personals, obwohl die EU seit Jahren einen Anteil
von 20 Prozent anpeilt. Automechatroniker und Koch
sind spannende Ausbildungsberufe. Wir wollen aber
mehr Männer für Pflege- und Erzieherberufe gewinnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP)


Weil das so ist, müssen viel stärker als bisher in allen
Schulen Geschlechterklischees, in der Berufsberatung
und -orientierung geschlechterstereotypische Berufsinte-
ressen hinterfragt werden.


(Zuruf von der FDP: Ganz genau!)


Der Bundesregierung und Ministerin Schröder fehlt
aber offenbar der notwendige Gestaltungswille, um Ge-
schlechtergerechtigkeit zu verwirklichen. Sie müssen
endlich an geschlechtsspezifische Benachteiligungen im
Berufsleben heran. Die müssen sie konkret angehen.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Machen Sie einen Vorschlag!)


Frauen werden in ihren beruflichen Karrierewegen aus-
gebremst. Die Chefsessel bleiben männlich besetzt.

Hier betreiben Sie, Frau Schröder, im Kabinett Blo-
ckadepolitik und werden Ihrem Amt nicht gerecht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie sind die erste Bundesfrauenministerin, die eine Frau-
enquote in den Aufsichtsräten und in den Vorständen ak-
tiv hintertreibt. Es geht hierbei konkret um Geschlech-
terpolitik und Geschlechtergerechtigkeit.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Machen Sie doch mal einen Vorschlag!)


Da muss ich Ihnen sagen: Folgenlose Appelle und
Flexi-Selbstverpflichtungen bringen bei diesem Thema
genauso wenig wie bei der skandalösen Lohndiskrimi-
nierung, die es in diesem Land immer noch gibt. Glei-
cher Lohn für gleichwertige Arbeit – nur das ist fair. Das
gilt sowohl für Männer als auch für Frauen. Daher müs-
sen Sie endlich aktiv werden.

Wir werden bei der heutigen Debatte das Gefühl nicht
los, dass diese Initiative von Ihrem frauenpolitischen
Nichtstun ablenken soll. Frau Schröder, wir wollen end-
lich Taten sehen. Wir kritisieren auch Ihre unsachliche
Feminismuskritik, mit der Sie nur von eigenen Versäum-
nissen ablenken wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie erklären den Geschlechterkampf für beendet. In
Gastbeiträgen in der FAS führen sie ihn aber munter wei-
ter, indem Sie sozusagen Feminismus-Bashing betrei-
ben. Sie bauen einen Popanz auf, indem Sie dort behaup-
ten, es gebe eine verbreitete Ablehnung der Jungen-

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(C (D olitik. Das sehe ich so nicht. Das Gegenteil ist doch der all. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Stimmen Sie doch einfach unserem Antrag zu, Herr Gehring!)


as beweist der heutige erfolgreiche Boys’ Day ein-
rucksvoll. Feminismus-Bashing ersetzt keine ge-
chlechtergerechte Politik für Frauen und Männer, son-
ern schadet nur.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Das Ausspielen von Mädchenförderung gegen Jun-
enpolitik ist ebenso falsch wie Ihr Versuch, die untaug-
che Familienpflegezeit als neue Männerpolitik zu ver-
aufen. Es ist genauso falsch, die Ausweitung der
artner- und Vätermonate beim Elterngeld einfach zu
eerdigen. Denn hiermit wären große Schritte in Rich-
ng Gleichstellung möglich. Es ist ebenso falsch, am

ntiquierten Ehegattensplitting und der Zuhausebleib-
rämie Betreuungsgeld festzuhalten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Diana Golze [DIE LINKE])


Sie bedienen mit solchen Scheindebatten gegen den
ermeintlich alten Feminismus letztlich abgestandene
lischees. Moderne Gleichstellungspolitik lässt sich nur
it Frauen und Männern gemeinsam gestalten. Denn
änner sind Partner für die Gleichstellungspolitik. Das

age ich auch als männlicher Feminist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Auch Männer wollen eine neue Arbeitszeitpolitik.
uch Männer profitieren von mehr Kita- und Ganztags-

chulplätzen. Auch sie wollen eine bessere Vereinbarkeit
on Familie und Beruf. Moderne Väter sind keine Fata
organa. Sie wollen weder von Kollegen noch Vorge-

etzten schief angeguckt werden,


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Macht doch niemand! Was für Leute kennen Sie denn? Das ist ja schrecklich!)


enn sie Teilzeitarbeit einfordern, Vätermonate bean-
pruchen oder sagen: Ich muss heute auch einmal um
4 Uhr gehen, weil ich Vater geworden bin. – Da ist es
öllig egal, ob diese Väter Automechatroniker, Grund-
chullehrer, Spitzenmanager oder Staatssekretär sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Männer brauchen eine bessere gesundheitliche Prä-
ention. Wir brauchen keine blöden und dumpfen Sprü-
he wie „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ mehr.
ies führt nur dazu, dass sie bezüglich der eigenen Ge-

undheit oder Ungesundheit Warnsignale überhören.
änner wollen wertvolle Zeit. Sie wollen auch eine Ent-

chleunigung im Beruf. Moderne Männer wollen Verant-
ortung teilen und vorgegebene Geschlechterrollen ver-
ssen. Sie wollen Neues ausprobieren.





Kai Gehring


(A) )


)(B)

Männer und Frauen wollen egalitäre Partnerschafts-
modelle leben. Weil das so ist, muss eine geschlechter-
gerechte Politik schon heute kluge und flexible Rahmen-
bedingungen dafür schaffen. Genau das tun Sie nicht.
Genau das leistet auch Ihr Antrag nicht. Ein gemeinsa-
mer Ansatz, der beiden Geschlechtern nutzt, bedeutet
nicht, gesellschaftlichen Konflikten aus dem Weg zu ge-
hen. Das aber tut die Ministerin. Statt warmer Worte
wollen wir eine mutige Gleichstellungspolitik. Das
heißt: Ausweitung der Partnermonate beim Elterngeld.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710521000

Kollege Gehring, bitte achten Sie auf die Zeit.


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710521100

Das heißt: Frauenquote für die Aufsichtsräte und Vor-

stände. Das heißt: eine emanzipierte Jugendpolitik, die
geschlechtersensibel ist und für Jungen und Mädchen die
besten Voraussetzungen für die Zukunft schafft.

Herzlichen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Peter Wichtel [CDU/CSU] – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Der Anfang war gut, Herr Gehring!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710521200

Für die Unionsfraktion hat die Kollegin Noll das

Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1710521300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich sage es ehrlich: Ich finde es schade. Frau
Marks, ich hatte eigentlich gedacht, wir hätten dieses
Spalten zwischen Jungen und Mädchen, das Sie gerade
vollzogen haben, längst überwunden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Caren Marks [SPD]: Sie spalten! Sie haben nicht zugehört, Frau Noll!)


Die Art, wie Sie argumentiert haben, ist für mich sehr
enttäuschend.

Ich hatte im Vorfeld schon zum Kollegen Kai Gehring
gesagt, er müsse sich nicht wundern, wenn ich ihn lobe.
Ich tue es nun auch. Vieles von dem, was er gerade ge-
sagt hat, ist im Endeffekt das, was im grünen Männer-
Manifest steht. Es geht darum, nicht länger Macho sein
zu müssen.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich sogar geschrieben!)


Einiges davon hat der Herr Kollege Gehring soeben be-
schrieben. Recht hat er.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich finde es unerträglich, dass die Kollegin Golze, deren
Arbeit in der Kinderkommission ich sehr schätze, hier
Sachen in den Raum stellt und Schuldzuweisungen

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(C (D acht. So sagt sie zum Beispiel, wir würden alleinerzieende Mütter an den Pranger stellen. Das ist weiß Gott icht der Fall. In unserem Antrag steht explizit, dass wir uf wissenschaftliche Studien zurückgreifen wollen. iese fehlen aber. Zur Mädchenforschung haben wir retiv viel, zur Jungenforschung ist bisher nicht viel voranden. Diese Forderung ist in unserem Antrag enthaln, damit wir künftig auf wissenschaftlichen Daten ufbauen können. Die Ministerin als erste Rednerin hat erläutert, dass ie Ausweitung der Vätermonate unter einem Finanziengsvorbehalt steht. Sie haben hier gesessen und die rgumente gehört. Hinterher behaupten Sie wieder das egenteil. Das finde ich mehr als unfair. So kann man eine Politik für die Bürger in Deutschland machen. Tut ir leid. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Diana Golze [DIE LINKE]: Das ist aber so! Kommen die Vätermonate oder kommen sie nicht?)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte auf einen anderen Punkt zu sprechen
ommen. Seit 2002 bin ich im Deutschen Bundestag.
as Thema „Jungen- und Männerpolitik“ liegt mir seit-
em wirklich am Herzen. Damals waren die Kollegin
ruß und ich noch Oppositionspartner, und wir befanden
ns auf einem gemeinsamen Weg. Ich habe eine Anfrage
estellt; sie hat einige Jahre später ebenfalls eine An-
age gestellt. Jeder, der diese Anfrage liest – und das
ürde ich Ihnen einmal empfehlen –, kann das Fazit zie-
en: Es liegt Handlungsbedarf vor; wir müssen uns um
ie Jungen kümmern.

Das heißt nicht, dass ich irgendetwas gegen die Mäd-
hen unternehmen möchte. Ständig sprechen wir von der
emografischen Entwicklung und darüber, wie wenig
inder wir haben. Wir tun uns keinen Gefallen, wenn
ir nicht versuchen, beide Geschlechter zu fördern, und

war in den Bereichen, wo sie vielleicht Probleme ha-
en. Bei den Mädchen ist das später – gläserne Decke,
ufstieg, Wiedereinstieg –, bei den Jungen ist es viel-
icht früher. Wie Sie aber argumentiert haben, kommen
ir definitiv nicht weiter.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Caren Marks [SPD]: Kürzung der Mittel für Benachteiligte!)


as finde ich persönlich nach wie vor ausgesprochen
nttäuschend.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen in Ihrem Wahlkreis geht.
h bin Familienpolitikerin, und wenn ich in Kindergär-
n, in Schulen oder bei Elternvereinen bin, werde ich oft
on Eltern angesprochen. Ich habe einen Brief von einer
utter dabei, die sich heute noch per E-Mail dafür be-

ankt hat, dass wir uns dieses Thema überhaupt einmal
ornehmen. Wir alle hören die Eltern, wir alle hören die
ehrer, und viele sagen: Wir müssen uns um die Jungs
ümmern. Das hat für mich nichts damit zu tun, etwas
egen die Mädchen zu tun.





Michaela Noll


(A) )


)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der FDP: Genau!)


Sie waren doch in der letzten Woche selber im Aus-
schuss. Dort hat Professor Mathias Albert noch einmal
bestätigt: Der geschlechtsspezifische Trend beim Thema
Bildung ist ungebrochen. Junge Frauen haben ihre
männlichen Altersgenossen bei der Schulbildung über-
holt. Ob Bildung oder Gesundheit: Mädchen haben die
Jungen in wichtigen Bereichen abgehängt. – Das ist gut
für die Mädchen, aber es ist schlecht für die Jungs.


(Caren Marks [SPD]: Aber Sie machen Bildungspolitik, die das verstärkt!)


Sie machen einen Fehler. Wir spielen die Menschen
nicht gegeneinander aus.


(Caren Marks [SPD]: Doch! Genau das tun Sie! Sie verschärfen das!)


Ich möchte, dass wir sie dort abholen, wo sie Defizite
haben. Das tun Sie eben nicht. Beide Geschlechter haben
Förderbedarf.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Weil Sie das vorhin angesprochen haben: Haben wir
in der 17. Legislaturperiode überhaupt einmal über die
Probleme von Männern oder Jungen gesprochen? Das
haben wir nicht getan. Ich habe einmal die entsprechen-
den Anträge aus der 17. Legislaturperiode herausge-
sucht. Es waren 15 Anträge, und nur einer hat am Rande
die Situation von Jungen gestreift. – Vielen Dank an die
Grünen, denn es war Ihr Antrag.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind meistens Vorreiter!)


Ich sage: Das ist zu wenig. Wir müssen uns für Männer-
und Jungenforschung öffnen.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wir waren immer für die Frauenquote!)


Wir müssen zusehen, dass wir in diesem Punkt weiter-
kommen. Es gibt kein Entweder-oder, sondern nur ein
Sowohl-als-auch für ein Miteinander der Geschlechter.


(Diana Golze [DIE LINKE]: Genau das steht aber nicht in Ihrem Antrag!)


Das haben Sie leider mit Ihrem Kommentar zu verhin-
dern versucht.

Professor Rauschenbach hat damals gesagt – viele
von Ihnen waren dabei –:

Es ist ein Drama, dass zunehmend Kinder bis zum
10. Lebensjahr in männerfreien Zonen aufwachsen.

Wir möchten die männerfreien Zonen mit Männern fül-
len, mehr nicht,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Caren Marks [SPD]: Nur zu! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In den Aufsichtsräten und Vorständen sitzen genug Männer!)


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(C (D amit die Kinder die Möglichkeit haben, beide Gechlechter und damit andere berufliche Perspektiven ennenzulernen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Diana Golze [DIE LINKE]: Warum sind es männerfreie Zonen? Die können nicht für 800 Euro im Monat arbeiten!)


Wir wollen Männern Mut machen, so wie es Kollege
ehring sagte. Wir wollen Männern Mut machen, sich

uch in anderen Rollen zurechtzufinden, sodass sie nicht
ehr belächelt werden. Viele Väter kommen zu mir und

agen: Wissen Sie, Frau Noll, die Elternzeit würde ich
erne machen, aber wenn ich mit diesem Anliegen zu
einem Arbeitgeber gehe, erhalte ich nur ein müdes
chmunzeln. Hier, in den Köpfen der Menschen, müssen
ir etwas verändern, sodass die Männer Akzeptanz er-
hren. Ich möchte den Männern Mut machen, auch ihr
ollenbild zu erweitern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Lassen Sie mich noch kurz auf den Punkt bringen,
arum ich glaube, dass wir dringend handeln müssen.
rau Professor Almendinger hat uns damals im Aus-
chuss die Brigitte-Studie „Frauen auf dem Sprung“ vor-
estellt. Damit hat sie deutlich gemacht, dass die Frauen
ihrer Entwicklung zugelegt haben. Was passiert aber,
enn diese kompetenten Frauen langfristig keinen

däquaten Partner mehr finden? Dann sieht es düster aus
it der Familiengründung. Dann sind wir mit der Fami-
enpolitik am Ende. Wenn Sie das ändern wollen, dann
elfen Sie doch bitte mit, dass wir beide Geschlechter
tark machen für eine Zukunft in Deutschland und sie
ort abholen, wo Defizite bestehen. Ich würde mich
euen, wenn Sie Ihr Schwarz-Weiß-Denken endlich ein-
al ad acta legen würden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710521400

Der Kollege Rix hat für die SPD-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Sönke Rix (SPD):
Rede ID: ID1710521500

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

in Hinweis, liebe Frau Noll: Lesen Sie sich die Rede
on Frau Marks noch einmal durch.


(Markus Grübel [CDU/CSU]: Oje! Sie hat keine masochistischen Anwandlungen!)


der nächsten Debatte können wir dann gerne noch ein-
al aufschlüsseln, an welchen Stellen Frau Marks die
eschlechter gegeneinander ausgespielt hat. Dass man
ie Jungen- und Männerpolitik, von der Sie sprechen,
ritisiert, heißt noch lange nicht, dass man eine entspre-
hende Förderpolitik nicht für notwendig hält.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Ach so! Das ist etwas ganz Neues! – Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Herr Rix, sie hat doch gesagt, das ist gar nicht nötig!)






Sönke Rix


(A) )


)(B)

Das sollten Sie nicht miteinander verwechseln. Die Kri-
tik an Ihren Ansätzen beinhaltet nicht automatisch eine
Ablehnung der Männer- und Jungenförderung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich gehöre zu den Männern, die 2,4 Prozent der Erzie-
her ausmachen.


(Beifall des Abg. Florian Bernschneider [FDP])


Ich bin also einer von denen, die mit den neuesten Initia-
tiven in vielen Bereichen gesucht werden. Mit diesem
Blickwinkel will ich versuchen, auf zwei, drei Punkte
einzugehen. Vor allem möchte ich auf die männerfreien
Zonen eingehen, die auch Sie, Frau Noll, gerade ange-
sprochen haben. Den Kindergarten und die Grundschule
hat Herr Rauschenbach zu Recht als männerfreie Zonen
bezeichnet. Ich weiß das, weil ich zu den 2,4 Prozent ge-
höre. Aber warum ist das so, und welche Antworten bie-
ten Sie, Frau Ministerin, mit dem Programm „MEHR
Männer in Kitas“?

Erstens. Jetzt, wo wir mehr Männer in die Kinderta-
gesstätten holen wollen, spielt die Bezahlung der Erzie-
herinnen und Erzieher eine Rolle. Warum war das nicht
schon vorher der Fall? Was haben Sie eigentlich für ein
Bild?


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Caren Marks [SPD]: Ja! Das ist unglaublich! – Markus Grübel [CDU/CSU]: Ist das in SPD-regierten Ländern anders?)


Und Sie sprechen davon, dass es darum geht, Rollen-
typen zu überwinden. Dabei wird dadurch ein Rollentyp
bestätigt: Der Mann ist der Ernährer, und deshalb muss
er besser verdienen. Das ist nicht der richtige Ansatz,
Frau Ministerin.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zweitens. Arbeitslose Männer sollen jetzt in einem
Crashkurs in relativ kurzer Zeit den Beruf des Erziehers
im Rahmen einer Umschulung erlernen können. Da
frage ich wieder: Was haben Sie eigentlich für ein Bild
von den jetzt arbeitenden Erzieherinnen und Erziehern?
Wie bewerten Sie die Tätigkeit, die sie ausüben? Es kann
doch nicht angehen, dass wir einerseits sagen, dass sich
gut qualifizierte Personen um die frühkindliche Bildung
kümmern müssen – es geht ja nicht nur um die Betreu-
ung, um das Aufpassen im klassischen Sinne, sondern
auch um die frühkindliche Bildung –, und auf der ande-
ren Seite nehmen wir einfach jemanden, der in einem
Crashkurs von vielleicht anderthalb Jahren den Beruf
des Erziehers erlernt hat.


(Miriam Gruß [FDP]: Das will doch keiner!)


So werte ich den Beruf des Erziehers und der Erzieherin
mit Sicherheit nicht auf.

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(C (D (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In Ihrem Antrag erwähnen Sie auch den Gleichstel-
ngsbericht. Diesen Bericht hat die zuständige Ministe-
n übrigens nicht einmal persönlich entgegengenom-
en, vielleicht weil das eine oder andere, was darin
rmuliert ist, ihr nicht passt – das sind aber Ansätze,

ber die wir zu diskutieren haben –: Das eine ist die
uote in Aufsichtsräten und Vorständen, das andere die
ntgeltgleichheit. Mit diesen Maßnahmen, mit der Ein-
hrung der Frauenquote in Vorständen und Aufsichtsrä-
n und der Herstellung der Entgeltgleichheit, überwinde
h die von Ihnen kritisierten Rollenbilder. Warum fan-
en wir damit nicht einfach an?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Fokussierung auf Jungen und Männer in dieser
ebatte ist – das ist schon mehrfach angesprochen wor-
en – ein Ausdruck des Geschlechterkampfes, den Sie
igentlich überwinden wollen.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Sie müssen den Antrag einmal lesen!)


ine Jungen- und Männerförderung kann nur in einem
esamtkonzept der Gleichstellungspolitik eine Rolle

pielen. Man kann nicht einerseits die Frauenpolitik und
ie vermeintlich alte Emanzipationsbewegung kritisie-
n und andererseits sagen: Wir machen jetzt nur etwas
r Jungen und Männer, um den Geschlechterkampf zu

berwinden. Sie befördern den Geschlechterkampf an
ieser Stelle.


(Beifall der Abg. Petra Crone [SPD] – Miriam Gruß [FDP]: Was? – Dr. Thomas Feist [CDU/ CSU]: Eine super Rede! Es ist gut, dass Sie kein Erzieher mehr sind!)


Ich will auf einen weiteren Punkt eingehen, weil Sie
mer von der Überwindung der Rollentypen reden. Auf

ie Frage nach den Partnermonaten beim Elterngeld in
iesem Zusammenhang – das ist eine ganz aktuelle De-
atte – haben leider auch Sie, Frau Noll, keine Antwort
egeben. Wir haben gemeinsam in der Großen Koalition
twas unternommen, um die Rollentypen zu überwin-
en. Wir waren es, die die Partnermonate eingeführt ha-
en. Jetzt, wo wir es verstärken wollen, weil wir alle der
einung sind, dass wir diese Rollentypen überwinden
ollen, zieht die Ministerin zurück und kneift, angeblich
eil nicht genügend Geld da ist.


(Caren Marks [SPD]: Ja! Schade, schade!)


Frau Ministerin, es wird nicht besser, wenn Sie
chaufensterpolitik betreiben, wenn Sie einfach nur
eue Projekte ankündigen und neben dem Girls’ Day
tzt auch noch den Boys’ Day einführen. Von unserer
eite sage ich: Wir finden es wunderbar, wenn Men-
chen am Boys’ und Girls’ Day teilnehmen und Mäd-
hen die Berufe kennenlernen, die vielleicht eher typisch
ännlich sind, und Jungen die Berufe kennenlernen, die
pisch weiblich sind.





Sönke Rix


(A) )


)(B)


(Beifall des Abg. Florian Bernschneider [FDP])


Das hat hier niemand kritisiert. Aber daraus müssen
auch Konsequenzen gezogen werden.


(Florian Bernschneider [FDP]: Ja! Steht im Antrag!)


Das fängt bei der Bezahlung, bei Quoten in Aufsichts-
räten, aber auch bei dem Bild, das man über Erzieherin-
nen und Erzieher in der Öffentlichkeit zeichnet, an. Das
Bild, das Sie prägen, ist nicht hilfreich zur Überwindung
der Rollentypen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710521600

Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Bernschneider

das Wort.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Florian Bernschneider (FDP):
Rede ID: ID1710521700

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Wir haben heute mehrfach gehört – ich möchte
es einmal positiv ausdrücken –, wie gut die Bilanz der
Bildungsabschlüsse junger Frauen heute ist: Mädchen
machen häufiger und ein besseres Abitur, Mädchen bzw.
junge Frauen sind auch die Gewinner an deutschen
Hochschulen. Die Expertise zum Programm „Neue
Wege für Jungs“ bringt es, wie ich finde, auf Seite 10 gut
auf den Punkt: Das katholische Arbeitermädchen vom
Land, das noch in den 70er-Jahren in der Bundesrepub-
lik als Bildungsverliererin galt, gibt es heute nicht mehr.
– Das sollte uns zunächst einmal freuen; denn all das
sind Zeichen eines positiven Wandels in unserer Gesell-
schaft und positive Ergebnisse einer erfolgreichen deut-
schen Gleichstellungspolitik.

Aber die eben genannte Expertise stellt auf Seite 10
auch klar: Der Bildungsverlierer von heute ist der Mi-
grantensohn aus einer bildungsschwachen Familie. Das
kann uns nicht zufriedenstellen; damit können wir uns
nicht zufriedengeben. Nun kann man natürlich immer
der Logik folgen und sagen: Es ist doch klar, wenn einer
in die erste Liga aufsteigt, nämlich die Mädchen, dann
muss auch jemand anders in die zweite Liga absteigen,
nämlich die Jungs. Ich sage Ihnen aber ganz deutlich:
Das ist nicht meine Auffassung von moderner Gleich-
stellungspolitik.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Unsere Aufgabe ist es, gute Rahmenbedingungen so
zu setzen, dass Kinder und Jugendliche unabhängig vom
Geschlecht Entwicklungschancen und Perspektiven er-
halten. Wir wollen, dass Jungen und Mädchen gemein-
sam in der ersten Liga spielen.


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Richtig!)


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(C (D eswegen verstehe ich nicht die Aufregung, die in dieer Debatte von Teilen der Opposition suggeriert wird. iemand will jetzt den Fokus auf die Jungs rücken und abei die Errungenschaften der Mädchenund Frauenolitik der letzten Jahrzehnte aufs Spiel setzen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ir wollen das eine tun, ohne das andere zu lassen.


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Das begreifen die nicht! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche neuen Errungenschaften in der Frauenpolitik planen Sie denn? Fordert die FDP jetzt eine Frauenquote?)


ie althergebrachte Maxime: „Willst du die Mädchen
tärken, musst du die Jungs schwächen“, war falsch und
t falsch. Sie wäre auch falsch, wenn die Jungs in die-

em Satz zuerst genannt würden. Das möchte niemand.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was tun Sie gegen neue Ungleichheit? Wann kommt die Frauenquote?)


Natürlich reicht zur Förderung der Jungs nicht ein
inzelner Boys’ Day.


(Diana Golze [DIE LINKE]: Richtig!)


h finde, Kollege Gehring hat es in seiner Pressemittei-
ng wunderbar formuliert: „Jeder Tag muss ein Boys’
ay sein.“ Das ist völlig richtig. Ich möchte Ihnen da
cht geben. Genau deswegen legen wir Ihnen ja heute

iesen Antrag vor. Uns allen ist doch bewusst, dass es
ns gelingen muss, mehr junge Männer von zum Bei-
piel einer Ausbildung im sozialen Bereich zu begeis-
rn. Deswegen ist der Boys’ Day in das Projekt „Neue
ege für Jungs“ eingebettet. Dieses Projekt versucht,

icht nur an einem Tag, sondern an 365 Tagen im Jahr
enau dieses Ziel zu erreichen. Wir wollen erzieherische
nd pflegerische Berufe attraktiver machen. Wir wollen
emeinsam mit den Ländern dafür sorgen, dass das Per-
onal in der Berufs- und Ausbildungsberatung entspre-
hend geschult wird.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Wir fordern im vorliegenden Antrag die Bundesregie-
ng auf, die bestehenden Programme in diesem Bereich

uszubauen. Weil ich jetzt immer wieder die Stichworte
indestlohn und Bezahlung gehört habe, sage ich: Das

llein löst das Problem nicht. Wenn Sie das Gehalt eines
ngen Tischlers mit dem eines jungen Erziehers oder
indergärtners vergleichen, dann werden Sie feststellen,
ass die Bezahlung nicht der Grund für die Berufswahl
ieser jungen Männer ist. Die Gründe liegen tiefer. Man
uss die Gründe angehen; das tun wir richtigerweise in

iesem Antrag.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich möchte mit einem Zitat von Norbert Blüm schlie-
en, das meiner Meinung nach sehr gut auf die heutige
ebatte passt,





Florian Bernschneider


(A) )


)(B)


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Rente ist sicher!)


gerade wenn ich mir die Rednerinnen und Redner der
Opposition vor Augen führe. Norbert Blüm hat einmal
gesagt: „Der Kampf der Geschlechter ist so einfallslos
wie der Klassenkampf.“ Wo er recht hat, hat er recht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Caren Marks [SPD]: Dann lassen Sie ihn einfach!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710521800

Für die Unionsfraktion hat der Kollege Weinberg das

Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Marcus Weinberg (CDU):
Rede ID: ID1710521900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Tatsächlich – Michaela Noll hat recht – ist der Verlauf
dieser Debatte interessant. Im Vorfeld habe ich mir die
Frage gestellt: Wie diskutieren wir wohl heute? Nehmen
wir dieses ernste gesellschaftliche Thema gemeinsam
mit der Opposition in den Fokus,


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Oh ja! Das wäre schön gewesen!)


oder transportieren wir weiterhin alte, ideologisch ge-
prägte Vorurteile in die Debatte? Letzteres haben einige
Redner der Opposition leider getan.


(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach was! Dann müssen Sie etwas Vernünftiges vorschlagen!)


Ich sage ausdrücklich – Kollege Gehring, ich hatte schon
große Sorge, dass wir ihn zu sehr gelobt haben und er
den Raum verlässt –: Ich möchte mich bei den Grünen
für die Art und Weise, wie sie diese Diskussion geführt
haben, bedanken.

Der Hamburger Pädagoge Frank Beuster hat in sei-
nem Buch Die Jungenkatastrophe Folgendes formuliert:

Viele Jungen sind in Not geraten. Grund ist eine
einseitige, unzureichende Prägung. … Auch fehlen
zu häufig die Väter und die Männer in der Erzie-
hung von Jungen.

Wir haben diese Aussage politisch aufgegriffen und zur
Diskussion gestellt. Frau Golze kritisierte daraufhin, wir
würden nur auf das Trennende hinweisen. Das ist völlig
falsch. Wir greifen genau die Punkte auf, die in der ge-
sellschaftlichen Diskussion, aber auch in der Wissen-
schaft mehr und mehr Raum einnehmen. Heutzutage
sind es nämlich in erster Linie die Jungen, die unterstützt
und gefördert werden müssen.

Frau Marks, Sie fordern von uns, die besonderen Be-
dürfnisse der Jungen in der Bildungspolitik zu definie-
ren. Frau Marks, besuchen Sie doch einmal die Schulen
in Ihrem Wahlkreis.

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(C (D (Caren Marks [SPD]: Das habe ich schon! Fragen Sie doch mal die Lehrer, was die von Ihrem Antrag halten!)


ollege Feist und ich haben das getan. An meiner ehe-
aligen Schule, einer katholischen Grund-, Haupt- und
ealschule – sie befindet sich in einem sozialen Brenn-
unkt im Süden Hamburgs, in Hamburg-Wilhelmsburg –,
aben die Jungen bzw. die Männer von sich aus eine AG
egründet. Sie wollen das Thema Jungenförderung mehr
den Fokus rücken, weil sie festgestellt haben, dass es

esondere Bedürfnisse gibt.


(Caren Marks [SPD]: Dann machen Sie von der CDU doch in den Ländern eine bessere Bildungspolitik!)


ies haben wir politisch aufgegriffen. Insofern können
ie uns nicht vorwerfen, wir hätten keine besonderen
edürfnisse definiert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Kollegen haben bereits klar zum Ausdruck ge-
racht: Die Defizite der Jungen gerade im Bildungsbe-
ich zu betrachten, hat nichts damit zu tun, Jungen und
ädchen in irgendeiner Weise gegeneinander auszuspie-
n. Wenn ich mir die Bildungsergebnisse ansehe, Frau
olze, dann stelle ich fest: Die Bildungsergebnisse der

ungen stagnieren nicht etwa, sondern die Jungen verlie-
n in nahezu allen Bereichen immer weiter an Boden.
ie letzte PISA-Studie kam zu dem Ergebnis, dass der
nterschied zwischen Mädchen und Jungen bei der Le-

ekompetenz mittlerweile 39 Punkte beträgt; das ent-
pricht einem Schuljahr.


(Caren Marks [SPD]: Ja! Wir brauchen eben längeres gemeinsames Lernen!)


arauf muss man als Bildungspolitiker und Familienpo-
tiker eingehen. Man muss sich überlegen, wie ein Pro-
ramm ausgestaltet sein könnte, mit dem man die Lese-
ompetenz der Jungen stärkt. Das haben wir getan. Sie
ber werfen uns vor, wir würden einseitige Politik betrei-
en.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Caren Marks [SPD]: Längeres gemeinsames Lernen, Herr Weinberg! Das wäre eine Antwort!)


Zur Schulabbrecherquote und zum Thema Klassen-
iederholungen haben die Kolleginnen und Kollegen

chon einiges gesagt.

Es gibt eine subjektive und eine objektive Wahrneh-
ung; Michaela Noll hat es formuliert. Wir wollen, wie
unserem Antrag formuliert, wissenschaftlich untersu-

hen: Wo genau liegen bei der Bildung und Ausbildung
on Jungen und Mädchen die Schwerpunkte? Herr Rix,
ir wollen auch erfahren: Was macht ein Erzieher ei-
entlich anders als eine Erzieherin? Auch wir wollen,
ass der Anteil männlicher Erzieher steigt und nicht wei-
rhin nur 2,8 Prozent beträgt. Dies betrachten wir als
orschungsauftrag. Wir müssen vermeiden, dass in die-
er Republik möglicherweise ein neues gesellschaftli-
hes Problem entsteht. Das Thema „Migration und sozi-





Marcus Weinberg (Hamburg)



(A) )


)(B)

aler Status“ – Sie haben es erwähnt – haben wir
Bildungspolitiker als bedeutsam erkannt. Entsprechende
Programme gibt es bereits. Wir wollen dafür sorgen,
dass sozialer Status und Migrationshintergrund in Zu-
kunft nicht mehr über den Bildungserfolg entscheiden.
Darüber hinaus muss ein weiteres Problem, das in den
letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat,
in den Fokus gerückt werden: die Entwicklung der Jun-
gen. Wenn Jungen in ihrer subjektiven Wahrnehmung zu
Bildungsverlierern werden und weniger Chancen auf
dem Ausbildungsmarkt haben, dann entwickeln sie sich
anders. Wenn sie zusätzlich einen Migrationshintergrund
haben oder ihr sozialer Status gering ist, dann entsteht in
weiten Teilen der Gesellschaft ein Problem.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Kernproblem ist trotzdem die soziale Lage!)


Der Anlass dafür, dass wir uns mit diesem Thema be-
fasst haben, war die Frage: Wie genau reagieren diese
Jungen? Die Antwort lautet: Sie reagieren auch mit Ag-
gression und üben häusliche Gewalt aus. Genau dies ist
familienpolitisch das Desaster und die Urkatastrophe.
Darauf müssen wir so schnell wie möglich reagieren,
insbesondere im Bildungsbereich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Worum geht es in unserem Antrag en détail? Der Kol-
lege von den Grünen hat den einen oder anderen Aspekt
bereits erwähnt. Es geht um eine geschlechtersensible
Pädagogik als Querschnittsaufgabe an den Schulen. Un-
terrichtsinhalte sollen so gestaltet werden, dass sie so-
wohl Mädchen als auch Jungen gerechter werden. Das
heißt nicht, dass Pädagogen männliche Rollenbilder und
Pädagoginnen weibliche Rollenbilder übernehmen sol-
len, sondern das heißt, dass Männer und Frauen an den
Institutionen, in der Kita und in der Schule, Jungen und
Mädchen gemeinsam unterrichten sollen. Die Unter-
richtsinhalte sollten so gestaltet sein, dass sie beiden,
Jungen und Mädchen, gerecht werden. Wir brauchen
Programme zur Stärkung der Lesekompetenz und müs-
sen bei der Berufswahl dafür sorgen, dass sich auch Jun-
gen – heute findet erstmalig der Boys’ Day statt – stärker
für Berufe interessieren, die sie bisher nicht angestrebt
haben. Nur so schaffen wir einen Ausgleich.

Das Programm „MEHR Männer in Kitas“ mit der
Zielmarke 20 Prozent ist bereits ein erster Aufschlag.
Frau Marks hat gesagt, sie sei darüber erstaunt, dass uns
erst jetzt klar werde, dass beide Geschlechter in den
Blick zu nehmen seien.


(Caren Marks [SPD]: So schreiben Sie das ja!)


Was haben Sie eigentlich bis 2005 gemacht?


(Caren Marks [SPD]: Viel!)


Wo haben Sie Ihre Akzente gesetzt? Ich kann nicht er-
kennen, dass die SPD damals in der Regierungsverant-
wortung irgendwie die Thematik der Jungen aufgenom-
men hätte. Sie haben sich richtigerweise zu den
Mädchen geäußert. Das wird von uns nicht als negativ
oder defizitär angesehen. Vielmehr nehmen wir jetzt die
jungen Männer bzw. die Jungen mit in den Fokus.

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(C (D Zum Schluss will ich Frank Beuster zitieren: Es liegt nun in der Hand von uns Männern, Vätern, Lebensgefährten, ob wir diese Aufgabe – Vorbild zu sein – dem Fernsehen, Computerspielen und der Straße überlassen. ir als Politik, als Regierung haben das aufgenommen. ie als Opposition können sich gerne anschließen. Wir ürden uns freuen, wenn wir in den Ausschüssen kon truktiv und kritisch darüber diskutierten. Herzlichen Dank. Der letzte Redner in dieser Debatte ist der Kollege ehrieder für die Unionsfraktion. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! iebe Kollegen! Während wir hier im Plenum des Deutchen Bundestages über unseren Koalitionsantrag debateren, sind bundesweit – um 18.30 Uhr werden hoffentch die ersten schon Feierabend haben – zahlreiche chüler seit heute früh quasi bei der praktischen Umsetung. Denn am heutigen Boys’ Day – dem ersten offizieln Zukunftstag für Jungen in unserem Land – erhalten undesweit zahlreiche Schüler der Klassen 5 bis 10 – Frau inisterin Schröder hat ausgeführt, dass 35 000 Jungen ie Gelegenheit wahrnehmen – Einblicke in interessante nd chancenreiche Dienstleistungsberufe, besonders in en Bereichen Erziehung, Gesundheit und Pflege. So beommen sie erste Eindrücke von Berufsbereichen, in deen bislang nur wenige Männer arbeiten. Herr Rix hat usgeführt, dass er zu der sehr kleinen Minderheit von ,4 Prozent Erziehern gehört, die im Kindergarten das ntsprechende Rollenbild tradieren. Bestenfalls lernen ie Schüler bereits am heutigen Tag ihre potenziellen rbeitgeber kennen. Ich glaube, das Programm ist wichg. Am 1. Juli fällt die Wehrpflicht weg. Viele junge änner mussten in den letzten Jahren, bedingt durch den ivildienst, in Berufe „hineinschnuppern“, die sie anonsten vielleicht nicht aus freien Stücken gewählt hätn. Deshalb ist es, Frau Ministerin, ganz wichtig, dass ir in den nächsten Monaten auch die Freiwilligenienste im Auge behalten. Wir müssen aufpassen, dass uch in Zukunft das Kennenlernen von bestimmten Befsbildern ermöglicht wird, was früher, als es die Wehr flicht noch gab, zwangsläufig geschah. Schon im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, eine oderne Jungenund Männerpolitik zu entwickeln und ereits bestehende Projekte weiter zu unterstützen. Die inführung des Boys’ Day am heutigen Tag ist ein weirer richtiger und wichtiger Schritt hin zur Verbesserung er Zukunftsperspektiven für Jungen. Ich hätte es, Frau ollegin Marks, begrüßt, wenn Sie gesagt hätten: Jaohl, hier seid ihr auf dem richtigen Weg. Wir haben das üher vielleicht noch nicht so dramatisch gesehen, aber ir sind auf einem guten Weg. Wir begleiten euch kon Paul Lehrieder )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710522000

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1710522100




(A) )

struktiv, aber auch kritisch, um für mehr Verständnis zu
sorgen.

Darüber hinaus möchte ich an dieser Stelle auf das
Projekt „Neue Wege für Jungs“ und die Initiative
„MEHR Männer in Kitas“ mit dem gleichstellungspoliti-
schen Ziel, den Anteil männlicher Fachkräfte in Kinder-
tagesstätten deutlich zu erhöhen, verweisen. Jahrzehnte-
lang galten nur Mädchen und Frauen als besonders
förderungsbedürftig. Gleichstellungspolitische Ansätze
für Jungen und Männer fehlten weitestgehend. Nun rü-
cken zusätzlich die Jungen in den Fokus der Gleichstel-
lungspolitik, und das ist gut so.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Von einer zeitgemäßen Gleichstellungspolitik können
wir alle nur profitieren. Die Vorredner haben in Bezug
auf viele Bereiche bereits darauf hingewiesen. Beson-
ders im pädagogischen Bereich sowie im Dienstleis-
tungssektor bei Gesundheit und Pflege zeichnen sich ein
Fachkräftemangel und auch ein besonderer gesellschaft-
licher Bedarf ab, der sich durch die demografische Ent-
wicklung unserer Gesellschaft in den nächsten Jahren
noch deutlich verstärken wird.

Wir wollen erreichen, dass die Männer von morgen
durch eine moderne Gleichstellungspolitik vor allem in
bildungs- und berufspolitischer Hinsicht gestärkt wer-
den. Jungen wie Mädchen, Männer wie Frauen sollen in
unserer Gesellschaft in allen Lebensbereichen die glei-
chen Chancen und Gestaltungsfreiheiten haben. Ich
glaube, es ist gut, wenn wir an dieser Sache hier gemein-
sam konstruktiv arbeiten und keine Feindbilder aufbauen
bzw. Gegenposition darstellen, die die Sache nicht ver-
dient.

Ich finde es auch gut, dass Kollege Gehrig gesagt hat:
Ein Boys’ Day im Jahr ist eigentlich zu wenig; wir
brauchten 365 Boys’ Days im Jahr. Natürlich kann ich
das nur unterstützen und sage: Jawohl, den Fokus, den
wir heute hier ganz bewusst auf dieses Thema richten,
müssen wir das ganze Jahr über beibehalten.

Dazu brauchen wir zum einen die Weiterentwicklung
von Programmen und Maßnahmen der Gleichstellungs-
politik, um einseitige männliche Rollenzuschreibungen
aufzubrechen. Zum anderen brauchen wir die Akzeptanz
für die Notwendigkeit dieser Fortentwicklung und die
gemeinsame Überwindung von Rollenstereotypen in un-
serer Gesellschaft. In den letzten Jahren hat sich bei den
Geschlechterrollen von Jungen und Männern einiges ge-
tan. Werte haben sich verschoben. Familie, Beziehung
und Freundschaft sind wichtiger geworden. Das Ge-
schlechterverhältnis wird neu ausbalanciert.

Ein Beispiel, das ich bewusst zum Schluss nenne,
sind die von mehreren Vorrednern bereits zitierten Vä-
termonate, die in den letzten Jahren dazu geführt haben,
dass sich deutschlandweit immerhin etwa 24 Prozent der
jungen Väter – Tendenz steigend – durch eine Auszeit
von ihrem beruflichen Leben zu ihrer Erziehungsverant-
wortung bekannt haben. In Bayern – darauf bin ich ganz
besonders stolz – sind es sogar über 30 Prozent.


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(C (D (Beifall der Abg. Dr. Thomas Feist [CDU/ CSU] und Miriam Gruß [FDP])


Liebe Frau Gruß, hier dürfen Sie laut klatschen. – Von
ayern lernen, heißt Siegen lernen. Machen Sie weiter in
ieser Richtung!

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Über Sachsen könnte er auch einmal etwas Nettes sagen!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710522200

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 17/5494 an die in der Tagesordnung aufge-
hrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-

erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Petra
Crone, Angelika Graf (Rosenheim), Petra Ernst-
berger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD

Potenziale des Alters und des Alterns stärken –
Die Teilhabe der älteren Generation durch
bürgerschaftliches Engagement und Bildung
fördern

– Drucksache 17/2145 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
öre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
in Petra Crone für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Petra Crone (SPD):
Rede ID: ID1710522300

Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen und Kolle-

innen! Meine Damen und Herren!


(Markus Grübel [CDU/CSU]: Das ist mal ein netter Anfang!)


t es nicht ganz wunderbar? Das, was sich die Men-
chen schon immer gewünscht haben, ist eingetreten:
nsere Lebensspanne wird immer länger. Ich finde,
iese dazugewonnene Zeit ist ein ganz schönes Ge-
chenk; denn wir sind immer besser gebildet, gesünder
nd fitter. Kurz: Wir haben mehr vom Leben. Gleichzei-
g kann man unsere Lebensläufe nicht mehr uniformiert
drei Teile einteilen: Schule/Ausbildung/Studium, Ar-

eitszeit und Ruhestand. Nein, viele Lebensläufe sind
on Brüchen, Umwegen, Veränderungen und Neubeginn





Petra Crone


(A) )


)(B)

gekennzeichnet. Keine Arbeitsphase kommt mehr ohne
Weiterbildung aus. Der Begriff „lebenslanges Lernen“
ist damit zum Teil schon mit Leben gefüllt. Nun muss er
sich auch noch deutlicher in der verlängerten Lebens-
phase verfestigen.

Werfen wir einen Blick in den Sechsten Altenbericht,
der sich mit dem Thema Altersbilder beschäftigt. Die
Älteren existieren überhaupt nicht. Diese Altersgruppe
ist genauso vielfältig wie alle anderen Bevölkerungs-
gruppen – mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen von
Leben, Alltag, Familie und Freizeitgestaltung. Leider
wird immer viel zu sehr darüber gesprochen, was Ältere
nicht mehr können und welche Macken sie haben. Diese
Diskriminierung muss endlich aufhören.


(Beifall bei der SPD)


Stattdessen müssen wir die Potenziale und Stärken viel
stärker hervorheben. Wir brauchen eine breite politische
und gesellschaftliche Debatte darüber, wie ältere Mitbür-
ger in der Arbeitswelt behandelt werden: ob sie gezielt
weitergebildet werden, ob ihre Erfahrung geschätzt wird
und ob die Arbeitsbedingungen ihnen gerecht werden.
Auch muss darüber gesprochen werden, inwiefern die
Bildungspolitik schon auf lebenslanges Lernen ausge-
richtet ist und ob das Gesundheitswesen entsprechend
vorbereitet ist.

Darum fordere ich die Bundesregierung auf, die An-
regungen der Wissenschaftler aus dem Fünften und
Sechsten Altenbericht in konkrete politische Program-
matik umzusetzen. Familienministerin Schröder hat
nicht nur die Jungenpolitik, sondern auch die Senioren-
politik zu einem ihrer Kernthemen ausgerufen. – Auch
wenn sie gerade nicht anwesend ist, frage ich sie: Wann
beschäftigen wir uns in diesem Parlament mit dem
Sechsten Altenbericht? Eine Debatte darüber stand zwar
ursprünglich auf der heutigen Tagesordnung, ist aber
kurzfristig wieder abgesetzt worden.


(Nicole Bracht-Bendt [FDP]: Nein! Er ist uns auch wichtig! Es kommt auf die Tagesordnung!)


Ergreifen Sie bitte endlich Initiativen, um die Potenziale
des Alters ausreichend zu fördern und zu stärken! Zwar
folgt ein Modellprojekt auf das nächste – ich erinnere
nur an den Kampf um die Mehrgenerationenhäuser –,
das ersetzt aber keinen langfristigen Aufbau und keine
langfristige Förderung von sinnvoller Infrastruktur, und
zwar gemeinsam mit Ländern und Kommunen. Hier et-
was und dort etwas: Das reicht nicht aus, um das Große
und Ganze zu gestalten.

In einer Gesellschaft mit einem größer werdenden
Anteil älterer Menschen muss die Politik, müssen wir
gemeinsam mit Wirtschaft und Gesellschaft die Teilha-
bemöglichkeiten auch für diese Gruppe sicherstellen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist das Anliegen unseres Antrags. Dabei geht es uns,
der SPD-Bundestagsfraktion, vor allem auch um die Be-
dürfnisse von sozial Schwächeren, Geringqualifizierten,

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(C (D igranten, Migrantinnen und Menschen mit Behindeng. Es geht uns auch um die Älteren in ländlichen Re ionen. Ziel ist eine neue Sicht des Alters in der Arbeitswelt. azu gehört das Recht auf Bildung für alle Lebensalter. eder, ob Kind, Jugendlicher oder Erwachsener, egal elchen Alters, hat das Recht auf Bildung. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ernen ist für die ältere Generation mehr als nur Wis-
enserwerb. Es ist vor allem soziale Teilhabe und bedeu-
t eine enorme Steigerung der Lebensqualität. Selbst im
ohen Alter hat Lernen noch positive Auswirkungen auf
eib, Seele und Selbstbestimmtheit, und es ist für uns
eshalb auch Gesundheitsförderung und Prävention.
enn ich mich hier umschaue und die älteren Kollegen

nd Kolleginnen sehe, kann ich nur sagen: Das Parla-
ent ist fast ein Jungbrunnen.


(Heiterkeit bei der SPD)


etztendlich motiviert Lernen auch zu bürgerschaftli-
hem Engagement. Die älteren Generationen prägen die
esellschaft – genauso wie die jüngeren – mit ihrer Er-
hrung, ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten. Sie haben
ehr Zeit und wollen auch mehr Verantwortung über-

ehmen. Neben den Fachkräften leisten vor allem ältere
enschen einen wertvollen Beitrag in Hospizen, Pflege-

eimen, aber auch für das sportliche und kulturelle Le-
en in den Kommunen. Davon profitieren wir alle.

Wir, meine Herren und Damen, müssen gute Rahmen-
edingungen für flexible Angebote schaffen. Allzu starre
egelungen und Verpflichtungen allerdings schrecken
b. Besser ist ein großes Spektrum möglichst passge-
auer Vereinbarungen. Ein Signal ist mir dabei sehr
ichtig: Dieses Engagement darf kein billiger Ersatz für
eistungen unseres Sozialstaates sein.


(Beifall bei der SPD)


s ist ein wichtiger Beitrag für den Zusammenhalt unse-
r Gesellschaft.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710522400

Der Kollege Grübel hat für die Unionsfraktion das

ort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Markus Grübel (CDU):
Rede ID: ID1710522500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

der Analyse der demografischen Entwicklung in
eutschland sind wir uns einig. Die Gesellschaft wird

lter. Die Lebenserwartung steigt. Gleichzeitig nimmt
ie Zahl der Jüngeren ab. In Zahlen: In den Zeiten der
eburtenstarken Jahrgänge gab es rund 1,4 Millionen
eburten im Jahr. Jetzt sind es weniger als 700 000. Das

ntspricht einem Verhältnis von zwei zu eins. Das heißt,





Markus Grübel


(A) )


)(B)

in wenigen Jahren gehen zwei Menschen in Ruhestand,
während einer aus der Ausbildung in das Erwerbsleben
nachrückt. Das ist eine Herausforderung für die Gesell-
schaft, insbesondere für die sozialen Sicherungssysteme,
aber auch eine Chance. Im Alter liegen nämlich auch
große Potenziale.

Wir müssen realistische und differenzierte Altersbil-
der entwickeln. Wir benötigen Altersbilder, die die Men-
schen motivieren, Altersbilder, die Alter als Chance be-
greifen. Alt sein heißt heute nicht in erster Linie, hilfs-
oder pflegebedürftig zu sein; nur 5 Prozent der 70- bis
75-Jährigen sind auf fremde Hilfe angewiesen und pfle-
gebedürftig. Die heutigen Seniorinnen und Senioren sind
im Durchschnitt besser ausgebildet und vitaler als frü-
here Generationen. Auch die Werbung greift das auf:
„Schönheit kennt kein Alter“, sagt die Werbung für ein
Körperpflegemittel. Ich möchte ergänzen: Kreativität
kennt kein Alter, Engagement kennt kein Alter, Bildung
kennt kein Alter.

Nun zum vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion. Sie
haben einen ungewöhnlichen Weg gewählt. Sie haben
Mitte Juni erst einmal einen Antrag geschrieben, in dem
Sie ganz viele konkrete Forderungen erhoben haben.
Wenige Tage später richten Sie eine Kleine Anfrage an
die Bundesregierung und fragen nach all dem, wozu Sie
vorher Position bezogen haben. Die Antworten konnten
aber nicht in Ihren Antrag einfließen. Platter gesagt: Sie
erklären zuerst den Weg, um dann nach dem richtigen
Weg zu fragen. Umgekehrt wäre es wohl sinnvoller ge-
wesen. Dann wären manche Punkte in dem Antrag nicht
mehr aufgeführt worden.

Die Erkenntnisse und Empfehlungen des fünften
Altenberichts haben Eingang in die Arbeit der verschie-
denen Ressorts der Bundesregierung gefunden. Eine
Vielzahl von Programmen insbesondere aus dem Bun-
desfamilienministerium fördert zielgruppengenau das
Engagement der älteren Menschen und trägt dazu bei,
dass die so vielfältig vorhandenen Potenziale der Älteren
genutzt werden. Programme wie „Alter schafft Neues –
Aktiv im Alter“, die Freiwilligendienste aller Generatio-
nen und die Mehrgenerationenhäuser fördern das Enga-
gement gerade älterer Menschen. Wir haben jetzt eine
Lösung gefunden, wie wir die Förderung der Mehrgene-
rationenhäuser für die Jahre 2012, 2013 und 2014 er-
möglichen können. Die Antragstellung ist ab Sommer
möglich.

Die Initiative „Wirtschaftsfaktor Alter“ greift die Er-
fahrungen und Anliegen der über 50-Jährigen auf und
macht gleichzeitig Unternehmen auf die ökonomischen
Chancen der demografischen Entwicklung aufmerksam.
Die Initiative „Internet erfahren“ will die Nutzung neuer
Medien durch Ältere gezielt fördern. Auch dafür gibt es
Programme in den Mehrgenerationenhäusern. Der „Frei-
willigendienst aller Generationen“ und sein Vorläufer,
der „Generationsübergreifende Freiwilligendienst“, sind
beides Modellprogramme mit großem Erfolg. Die Eva-
luation hat ergeben, dass 64 Prozent der Freiwilligen äl-
ter als 50 Jahre sind.

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(C (D In dem Antrag gibt es Punkte, bei denen wir nicht eit auseinander sind, teilweise sogar eng zusammen, um Beispiel bei der Überprüfung der Altersgrenzen. iesen Punkt haben wir auch im Koalitionsvertrag festehalten. Es gibt auch Punkte im Antrag – zum Beispiel ine weitere EU-Antidiskriminierungsrichtlinie –, die ir anders bewerten. Wir hatten über das Thema im usschuss und im Plenum mehrfach diskutiert; deshalb rauche ich das nicht näher auszuführen. Im Bereich der orschung hat die Antidiskriminierungsstelle letztes Jahr ine Expertise zum Thema „Diskriminierung im Alter“ orgelegt. Eine Konsequenz daraus ist, dass die Antidisriminierungsstelle des Bundes nächstes Jahr den chwerpunkt auf Altersdiskriminierung legt. Hier sind ir also schon sehr aktiv. Als Fortentwicklung der Erkenntnisse aus dem fünfn Altenbericht hat das Familienministerium den sechsn Altenbericht „Altersbilder in der Gesellschaft“ in uftrag gegeben. Der Bericht und auch die Stellungahme der Bundesregierung liegen vor. Frau Crone, wir erden noch vor der Sommerpause den sechsten Altenericht hier besprechen. Ihr Antrag stützt sich aber im esentlichen auf den fünften Altenbericht. Der sechste g damals noch nicht vor. Als einen wichtigen Punkt, den Sie in Ihrem Antrag icht ansprechen konnten, weil das damals nicht bekannt ar, möchte ich den Bundesfreiwilligendienst erwähnen. it dem neuen Bundesfreiwilligendienst bieten wir den ber 27-Jährigen und damit auch der älteren Generation ie Möglichkeit, sich zu engagieren und ihre Potenziale inzubringen. Dieser Dienst steht Männern und Frauen ffen. Er dauert in der Regel 12 Monate, mindestens 6 nd höchstens 18 Monate, wenn er nicht von einer beonderen pädagogischen Maßnahme begleitet wird. Für ie über 27-Jährigen und damit für die Älteren sind 0 Wochenstunden vorgesehen. Zu der 20-Stunden-Reelung haben wir in der Anhörung zum Bundesfreiwilliendienstgesetz die Sachverständigen befragt. Alle achverständigen haben einvernehmlich gesagt, dass sie ie 20-Stunden-Regelung für richtig halten, weil daurch eine Verstaatlichung des Ehrenamts verhindert ird. Mitte Mai startet die Informationskampagne mit dem itel „Zeit, das Richtige zu tun – Nichts erfüllt mehr, als ebraucht zu werden“. Eine der vielfältigen Maßnahmen ird sein, dass ein Bus der Linie 100, die auch hier am eichstagsgebäude vorbeiführt, mit entsprechenden Inrmationen versehen wird. Ich hoffe, dass dieses Ange ot viele Interessenten auch aus dem Kreis der Älteren ndet. Sie sehen also: Es geschieht schon viel, und wir ollen noch mehr anpacken. Es wäre gut, wenn wir hier n einem Strang ziehen würden. Herzlichen Dank. Für die Fraktion Die Linke hat die Kollegin Dittrich as Wort. )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710522600

(Beifall bei der LINKEN)





(A) )


Heidrun Dittrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710522700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Wir debattieren heute über den An-
trag der SPD und nicht über den Altersbericht der Bun-
desregierung. Das finde ich schade, denn da wäre mehr
drin.


(Nicole Bracht-Bendt [FDP]: Das ist uns so wichtig, dass wir das separat machen!)


Der Titel des Antrags lautet fast genauso wie der Be-
richt: „Potenziale des Alters und Alterns stärken – Die
Teilhabe der älteren Generation durch bürgerschaftliches
Engagement und Bildung fördern“. Leider schreiben Sie
nicht hinein, dass eine Teilhabe auch durch armutsfeste
Renten gefördert werden kann. Die besondere Benach-
teiligung von Frauen, Migranten und Menschen mit Be-
hinderung auf dem Arbeitsmarkt wird auch in Ihrer Be-
gründung nicht angesprochen. Frauen und Migranten
haben nicht 47 Jahre in Vollzeit gearbeitet, um eine
Rente ohne Abschläge mit 67 Jahren zu erhalten. Sie
bleiben in Minijobs und Teilzeitstellen hängen; sie blei-
ben im Alter arm.

Was bieten Sie diesen Menschen an? Als ersten Punkt
fordern Sie, meine Damen und Herren von der SPD, den
Freiwilligendienst aller Generationen. Die Benachteilig-
ten auf dem Arbeitsmarkt, die keine eigene existenz-
sichernde Rente aufbauen können, sind aber genau Ihre
Zielgruppe – die Freiwilligen aller Generationen –, und
sie werden auch dazu gezwungen sein zu arbeiten, wenn
sie ihre Teilrente, ihr Hartz IV oder ihre Grundsicherung
aufbessern wollen. Diesen Freiwilligendienst von 16 bis
70 Jahren braucht kein Mensch.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Jugendlichen benötigen stattdessen Ausbildungs-
plätze. 80 Prozent der Menschen in Deutschland wollen
nicht bis 67 arbeiten, und sie wollen auch nicht bis zum
Alter von 70 Jahren tätig sein. Hören Sie auf die Ge-
werkschaften, und verringern Sie das Renteneintrittsalter
wieder! Damit schaffen Sie Arbeitsplätze, auch für Ju-
gendliche.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie haben in der letzten Woche im Bundestag gemein-
sam mit der Linken und den Grünen gegen den Bundes-
freiwilligendienst gestimmt. Warum fordern Sie jetzt den
Freiwilligendienst aller Generationen, wo es noch weni-
ger Geld als Belohnung – zwischen 50 und 150 Euro –
gibt? Sind Ihnen denn die älteren Menschen so wenig
wert? Wo bleibt das Rentenalter als Lebensabschnitt, der
selbstbestimmt und erholsam sein kann, frei vom Zwang
der Erwerbstätigkeit?


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Trotzdem ist es bürgerschaftliches Engagement!)


Engagement bedeutet bei diesen Parteien, nicht für sich
selbst, sondern für die Gesellschaft, für andere tätig zu
sein, und das auch noch mit einem Dienst. Die Älteren
fordern das ein, behaupten Sie von der SPD. Mir sind
keine Briefe der Gewerkschaften und der Seniorenver-

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(C (D ände bekannt, die dies fordern. Die Unternehmen und ie Regierungen fordern das, weil sie so mit staatlicher ubvention einen neuen Niedriglohnbereich – Freiwilliendienst aller Generationen – einführen. Kranke, erchöpfte und ältere Menschen und Menschen mit Behinerung werden in Ihrem Antrag nicht bedacht. Wer aber nger fit ist, könnte sich Urlaubswünsche erfüllen und obbys nachgehen. Das ist selbstbestimmt, aber das ist icht vorgesehen. Wenn ein Liedermacher wie Konstann Wecker Konzerte gegen rechts organisiert, so habe h nichts dagegen. Er soll singen, solange er möchte. Er ann das auch; denn er ist finanziell abgesichert. Er kann ich frei entscheiden. Setzen Sie sich mit uns für den gesetzlichen Mindesthn von 10 Euro ein, damit die Beschäftigten eine ente aufbauen können. (Beifall bei der LINKEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Was sagen Sie zu Horst Janson?)


ann können sie sich entscheiden. Der Freiwilligen-
ienst aller Generationen orientiert sich an Mehrgenera-
onenhäusern, die zu Pflegestützpunkten werden sollen.
lle Wege der Freiwilligen führen in die Pflege; denn
5 000 Zivis wollen ersetzt werden.

Mit Ihrer Forderung nach lebenslangem Lernen und
berprüfung der Altersgrenzen beim bürgerschaftlichen
ngagement unterstützt auch die SPD die Altersbilder
Sechsten Altenbericht der Bundesregierung. Dort

eht es um eine Überprüfung der tariflichen Schutzvor-
chriften für Ältere. Es geht um den Abbau des Kündi-
ungsschutzes. Es geht darum, die noch gewerkschaftli-
hen Vorstellungen von einem Anspruch auf Rente mit 67
u beseitigen.

Dem Sechsten Altenbericht sind zwei Varianten zu
ntnehmen: Erste Variante: Das Rentenalter wird, ohne
ine Alterszahl zu nennen, erst mit Ende der individuel-
n Leistungsfähigkeit erreicht. Zweite Variante: Das
entenalter wird erreicht, wenn das 67. Lebensjahr voll-
ndet ist. Dann wird die individuelle Leistungsfähigkeit
berprüft. Warum sollen die Rentnerinnen und Rentner
ls niedrig Entlohnte bis 70 tätig sein und damit Arbeits-
lätze im öffentlichen Dienst besetzen? Sie leisten doch
ereits etwas für die staatliche Gemeinschaft, Stichworte:
inkommensteuer, Medikamentenzuzahlung, Kranken-
ersicherung, Pflegeversicherung, 19 Prozent Mehrwert-
teuer und eventuell Hundesteuer. Das ist nicht wenig.

Fordern Sie mit uns Arbeitsplätze im öffentlichen
ienst. Statt eine Teilhabe durch ausreichendes Einkom-
en und Rente zu fordern, diskriminieren Sie die Älte-
n durch Ihr Angebot, sich im Freiwilligendienst aller
enerationen zu verpflichten, und das – über die gesetz-
che Altersgrenze hinaus – bis 70 Jahre. Damit wenden
ie sich gegen die Beschäftigten, die auf ein gesetzliches
entenalter vertrauen. Wir hingegen sind für eine ar-
utsfeste Rente und einen zwanglosen Lebensabend.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) )


)(B)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710522800

Nächste Rednerin ist Nicole Bracht-Bendt für die

FDP-Fraktion.


Nicole Bracht-Bendt (FDP):
Rede ID: ID1710522900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Unsere Gesellschaft wird älter; das haben hier
heute schon mehrere festgestellt. Seniorenpolitik ist
längst kein Randthema mehr. Die demografische Ent-
wicklung betrifft uns alle. 2050 wird jeder dritte Bundes-
bürger älter als 60 Jahre sein. Die Veränderung der Al-
tersstrukturen wurde lange von vielen lediglich als
Belastung unserer Sozialsysteme dargestellt. Das ist in-
zwischen erfreulicherweise anders geworden.

Wir sind uns wohl alle darin einig, dass Menschen
nicht aufs Abstellgleis geführt werden dürfen, nur weil
sie ein bestimmtes Alter erreicht haben. Die meisten Äl-
teren wollen sich nicht von heute auf morgen aus dem
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben zurück-
ziehen. Sie wollen mit ihrer Bildung und ihrem Wissen
aktiv bleiben. Das zu ermöglichen, ist eine wichtige Zu-
kunftsaufgabe. Von der geistigen Fitness profitieren
nicht nur die Senioren, sondern alle.

Die FDP-Fraktion setzt sich seit langem für ein Ende
starrer Altersgrenzen ein. Deshalb unterstütze ich Ihre
Forderung, verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD-
Fraktion, Potenziale des Alters und des Alterns zu stär-
ken. Die Teilhabe älterer Generationen – sei es durch
Bildung oder durch bürgerschaftliches Engagement – ist
auch mein Ziel. Im ersten Teil Ihres Antrags schildern
Sie treffend die Situation. Sie haben recht: Diesen demo-
grafischen Prozess können wir nur gemeinsam mit den
Älteren gestalten. Nie waren Senioren so selbstständig
und führten individuell ihr Leben, wie sie es wollten.

Ältere Menschen gestalten und prägen die Gesell-
schaft im Beruf wie in ihrer privaten Zeit. Wir wären
dumm, wenn wir auf diese wertvollen Potenziale ver-
zichten würden. Bildung ist für Menschen ein Leben
lang die Voraussetzung, um in der sich wandelnden Ar-
beitswelt Schritt zu halten. Wer fordert, muss fördern.
Wer sich mit 50, 60 oder 70 beruflich engagiert, verdient
Anerkennung und Dank und muss, wie auch alle jünge-
ren Arbeitnehmer, motiviert und weitergebildet werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Lernen für das Alter umfasst die gesamte Lebensspanne.
Dies alles sind Forderungen, die wir, die FDP-Fraktion,
mittragen.

Allerdings ist der Forderungskatalog im SPD-Antrag
überzogen. Vieles darin ist ohnehin überholt oder nicht
finanzierbar, etwa der Ausbau der generationenübergrei-
fenden Freiwilligendienste. Wir haben gerade den Bun-
desfreiwilligendienst auf den Weg gebracht; er ist gene-
rationenübergreifend. Zum ersten Mal werden gerade
Ältere ermuntert, sich einzubringen. Ich wünsche mir
zum Beispiel, dass ein Tischler in die Kita geht und dort
Jungen und Mädchen zeigt, was man alles machen kann.


(Beifall der Abg. Miriam Gruß [FDP])


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(C (D ine Rentnerin oder ein Rentner hat sogar die Möglicheit, Geld dazuzuverdienen. Ich verweise auch auf den usbau der Mehrgenerationenhäuser. Die Ministerin hat rst im Dezember das Pilotprojekt neu ausgeschrieben. owohl etablierte Einrichtungen als auch ganz neue Prokte wird der Bund auch künftig tragen. Im Antrag heißt es weiter: Altersgrenzen sollen beim ürgerschaftlichen Engagement überprüft und abgebaut erden. – Daran arbeiten wir doch ebenfalls. Dies ist mir in wichtiges Anliegen. Außerdem fordern Sie die Bundesregierung auf, Alrsdiskriminierung aktiv zu bekämpfen. Was glauben ie, was die Antidiskriminierungsstelle des Bundes tut? Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle berichtete Familienausschuss auf meine Frage hin, dass es sich zwei von drei Beschwerdefällen um Altersdiskrimiierung handele, zum Beispiel dass Ältere von Weiterildungsmaßnahmen ausgeschlossen sind. Es gibt keien Grund dafür, dass in Betrieben das Recht auf eiterbildung an bestimmte Altersgrenzen gekoppelt ein soll. Die Antidiskriminierungsstelle legt hier bereits inen klaren Schwerpunkt. (Caren Marks [SPD]: Den die FDP nie wollte!)


Ansonsten enthält der Antrag zusätzliche, kostenin-
nsive Programme und Projekte, so wie wir es von der
PD gewohnt sind – ein Wohlfühlprogramm aus Steuer-
itteln finanziert.


(Caren Marks [SPD]: Sie machen lieber Wohlfühlprogramme für Mövenpick!)


einer Zeit, in der wir Politiker alles tun sollten, um un-
eren Kindern und Großkindern keine gigantischen
chuldenberge zu hinterlassen – auf denen können sie
icht spielen –, tun Sie so, als könnten wir Wohltaten mit
em Füllhorn ausschütten.

Ich möchte daran erinnern, dass es schon eine ganze
eihe von guten Maßnahmen gibt. Lebenslanges Lernen
ird bereits in vielen Projekten umgesetzt. Ob bei den
andfrauen, dem Kolpingwerk oder den Kommunen –
as Weiterbildungsangebot für Senioren ist mittlerweile
indrucksvoll. Viele Angebote sind sogar kostenlos. Ob
s ein Computerkurs ist, ein Fremdsprachenkurs oder ein
eniorenstudiengang an der Universität – alles das stärkt
ie Kompetenz für ein eigen- und mitverantwortliches
eben.


(Beifall bei der FDP)


Der Sechste Altenbericht enthält wichtige Erkennt-
isse und Handlungsempfehlungen für die Politik. Diese
mzusetzen, muss unser vorrangiges Ziel sein. Die Bun-
esregierung hat mit der Initiative „Aktiv im Alter“ be-
its klar Impulse zur Stärkung älterer Menschen gesetzt.
s werden Kommunen dabei unterstützt, Strukturen auf-
der auszubauen, die eine stärkere Partizipation älterer
enschen ermöglichen. In der Initiative „Wirtschafts-
ktor Alter“ unter Federführung des Wirtschaftsminis-
riums werden Senioren-, Wirtschafts- und Verbrau-

herpolitik miteinander verbunden mit dem Ziel, die





Nicole Bracht-Bendt


(A) )


)(B)

Lebensqualität von älteren Menschen zu erhöhen und
gleichzeitig das Wirtschaftswachstum zu stärken.

Die FDP-Fraktion unterstützt das wichtige Ziel, Poten-
ziale des Alters zu stärken. Die Koalition hat bereits
wichtige, wegweisende Entscheidungen dazu gefällt.


(Caren Marks [SPD]: Oh!)


Wir wollen eine Seniorenpolitik, die ältere Menschen als
selbstbewusste Personen wahrnimmt und mit allen
Rechten und Pflichten einbindet. Dazu braucht es aber
keine utopischen Programme, wie von der SPD ge-
wünscht, die nicht finanziert werden können und an der
Realität vorbeigehen. Deshalb werden wir den Antrag
natürlich ablehnen.

Danke schön.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710523000

Das Wort hat nun Elisabeth Scharfenberg für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Gespräche und Debatten über den demografischen
Wandel, über seine Herausforderungen und seine Folgen
sind mittlerweile ein Dauerbrenner. Jeder weiß, dass die-
ses Feuer seit einiger Zeit munter vor sich hinlodert.

Der Anteil der Älteren in unserer Bevölkerung steigt.
Das ist erfreulich; denn auch unsere Lebenserwartung
steigt. Dazu tragen der medizinische Fortschritt genauso
wie die besseren Lebensbedingungen bei. Das bedeutet
für uns aber auch ganz klar: Wir haben einen politischen
Handlungsauftrag.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, mit Ihrem
Antrag machen Sie deutlich, dass Ihnen der Handlungs-
bedarf durchaus bewusst ist. Ich möchte hier den Blick
auf die Potenziale Älterer noch etwas weiten. Das Enga-
gement der Älteren schiebt sich immer weiter über den
Beginn des Ruhestandes hinaus. Eine Grenze, sich zu
engagieren, ist oft dann erreicht, wenn es die eigene Ge-
sundheit nicht mehr zulässt. Hier sehen wir deutlich,
dass außer Engagement und Bildung auch andere Berei-
che gefragt sind, damit sich die Potenziale Älterer entfal-
ten können.

Altenpolitik ist ein Querschnittsthema. Es wird also
höchste Zeit, dass wir es in den Debatten verankern – im
Sinne einer bewussten Generationenpolitik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Tun wir dies nicht, wird die Herausforderung des demo-
grafischen Wandels schnell zur Überforderung für alle,
und aus dem Dauerbrenner wird dann ganz schnell ein
Flächenbrand. Zukünftig müssen alle Politikfelder auf
ihre generationengerechte Ausgestaltung und die dort
vorherrschenden Altersbilder und diskriminierenden Re-
gelungen überprüft werden.

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(C (D Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wir sind geagt in unserer persönlichen Einstellung gegenüber dem lter, in unserer Rolle als Abgeordnete, wie wir uns öfntlich äußern. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind enauso gefragt wie Familienangehörige. s gilt, ein realistisches Bild des Alters zu entwerfen. Es gibt nicht die Alten; da haben Sie recht, Frau rone. Das dritte und vierte Lebensalter sind von so groer Unterschiedlichkeit geprägt wie kaum ein anderes ebensalter zuvor. Deshalb muss auch unser Altersbild cettenreich sein. Es gibt eben nicht nur die fitten Älteren, es gibt auch iejenigen, die einen weitreichenden Unterstützungsnd Pflegebedarf haben. Auch diese müssen wir im lick haben. Das bedeutet aber auch, dass wir umfassenere Strategien brauchen, um die Potenziale und Resourcen dieses Personenkreises zu fördern. Die Nationale Engagementstrategie der Bundesregieng sollte ein Grundstein für die Förderung des bürger chaftlichen Engagements werden. Die diesbezüglichen rwartungen waren immens groß, und eine Strategie erspricht ja auch Großes. Doch was dabei herausgeommen ist, spottet wirklich jeder Beschreibung. Von trategischem Handeln auf der Bundesebene ist nichts zu rkennen. Stattdessen folgte eine Inventurliste von Maßahmen und Modellprojekten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Kein Wort wird darauf verwendet, wie es gelingen
oll, die wichtige Frage der Förderung zwischen Bund,
and und Kommune zu diskutieren und zu klären, und
ein Wort darüber, wie man sich die eigene Verantwor-
ng zur Infrastruktursicherung vorstellt. Als Trostpflas-
r stellt man dagegen einen neuen Freiwilligendienst
or. Das kann doch nicht allen Ernstes Ihre einzige Ant-
ort sein! Sie wissen doch sicherlich, dass dabei Träger-
rinzipien verletzt werden. Es werden Doppelstrukturen
ufgebaut, und das Wissen Älterer über Engagementför-
erung wird missachtet.

Die Bundesregierung hat auf eine Kleine Anfrage der
inken geantwortet, dass bürgerschaftliches Engage-
ent ein „Motor für die Entwicklung sozial innovativer
ösungen“ sei und die „Entwicklungsfähigkeit unserer
esellschaft“ stärke. Aber, liebe Kolleginnen und Kolle-
en, dieser Motor benötigt auch Energie. Die Nationale
ngagementstrategie taugt dafür nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Petra Crone [SPD])


iese Strategie lässt den Motor stottern. Ich befürchte,
m Ende würgt sie den Motor sogar noch ab. Dadurch
erschwendet man die Potenziale Älterer, anstatt sie im
inne aller Generationen zu fördern und zu nutzen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)







(A) )


)(B)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710523100

Das Wort hat nun Erwin Rüddel für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Erwin Rüddel (CDU):
Rede ID: ID1710523200

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

und Herren! Noch nie sind so viele Menschen so alt ge-
worden wie heute,


(Beifall des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


und noch nie waren sie dabei so gesund und so gut aus-
gebildet. Unsere Volkswirtschaft und unsere Gesell-
schaft insgesamt brauchen ihr Wissen und ihre Erfah-
rung. Ich habe gerade festgestellt, dass darüber sehr
großer Konsens in diesem Hause herrscht.

Die ältere Generation hat wachsende Bedeutung für
das Wirtschafts- und Arbeitsleben, den Bildungsbereich,
die Integrationspolitik und den gesellschaftlichen Zu-
sammenhalt in unserem Land. Es geht um soziale Teil-
habe, um den Austausch von Erfahrungen und um ein
breites bürgerschaftliches Engagement in einer lebendi-
gen Zivilgesellschaft. Damit die älter werdende Gesell-
schaft zu einer Chance für jeden Einzelnen und für unser
Land wird, hat die Bundesregierung eine Fülle von Ini-
tiativen ins Leben gerufen, liebe Frau Scharfenberg. Ich
erwähne beispielhaft die Mehrgenerationenhäuser, eine
große Erfolgsgeschichte, die wir deshalb auch fort-
schreiben. Ich erwähne die Freiwilligendienste aller Ge-
nerationen. Sie sind ausdrücklich für jedes Alter offen
und fördern das Miteinander in unserer Gesellschaft.
Beispielhaft sind auch die bundesweit 46 Leuchtturm-
projekte sowie die ebenfalls geförderten kommunalen
Onlinemarktplätze, über die Interessenten ein passendes
Angebot in ihrer Region finden können.

Ich erwähne ferner die Initiative der Bundesregierung
„Alter schafft Neues“, die insbesondere der älteren Ge-
neration vielfältige Wege aufzeigt, sich nach eigener
Wahl für das Gemeinwohl zu engagieren. Dazu gehört
auch das Programm „Aktiv im Alter“, das vor allem auf
die Kommunen zielt. Hier geht es darum, Nachbar-
schaftshilfen aufzubauen und altersgerechtes Wohnen zu
fördern. Auf diese Weise können die älteren Mitbürge-
rinnen und Mitbürger unmittelbar ihr örtliches Gemein-
wesen mitgestalten.

Schließlich soll auch die Initiative „Wirtschaftsfaktor
Alter“ nicht unerwähnt bleiben, die Senioren-, Wirt-
schafts- und Verbraucherpolitik miteinander verbindet.
Denn adäquate Dienstleistungen und Produkte steigern
die Lebensqualität älterer Menschen und stärken ihre
Rolle als Verbraucher.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mit Blick auf diese kurze Aufzählung wird es Sie
nicht erstaunen, wenn ich feststelle, dass wir die Politik
für die ältere Generation bei der zuständigen Bundesmi-
nisterin und natürlich auch beim zuständigen Staats-
sekretär in den besten Händen wissen.


(Caren Marks [SPD]: Wie anspruchslos!)


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(C (D h füge hinzu: Das gilt auch für die Bundesbildungsinisterin. Ich denke dabei an das Programm „Lernen Lebenslauf“, welches an das anschließt, was im Rah en der Qualifizierungsoffensive der Bundesregierung mgesetzt wird. Umso mehr erstaunt der Antrag der SPD. Sie rennen ier seitenlang offene Türen ein und beschwören wortich Dinge, die in unserem Land schon längst gelebte irklichkeit sind. Sie legen ein weiteres Mal Zeugnis on Ihrem unerschütterlichen Staatsglauben ab. Wir werden noch ausführlich Gelegenheit haben, im usschuss über Ihren Antrag zu sprechen. Aber schon tzt möchte ich sagen: Es geht um Menschen, die in der egel ein jahrzehntelanges Berufsleben hinter sich haen und durchaus in der Lage sind, selbstverantwortlich ber ihre Aktivitäten und Interessen zu entscheiden. Wir ollten ihnen Angebote machen und ihnen zusätzliche nreize für ihr freiwilliges Engagement und für ihre inividuelle Weiterbildung geben. Aber wir sollten jeden nschein von Bevormundung und von staatlich gelenkr Zwangsbeglückung der älteren Generation vermeien. Wir haben es schließlich mit mündigen Frauen und ännern zu tun, die über eine gehörige Portion Lebens rfahrung verfügen und eine beachtliche Lebensleistung orzuweisen haben. Ich glaube nicht, dass sie noch im lter auf Schritt und Tritt vom Staat gesagt bekommen öchten, was sie zu tun haben. Unserem Leitbild ent pricht eine ältere Generation, die selbstbewusst und eienverantwortlich über ihre Aktivitäten und ihr freiwillies Engagement entscheidet. Diesem Leitbild fühlen wir ns verpflichtet. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710523300

Das Wort hat nun Franz Müntefering für die SPD-

raktion.


(Beifall bei der SPD)



Franz Müntefering (SPD):
Rede ID: ID1710523400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als
manuel Kant 50 Jahre alt wurde, wurde er mit der Be-

erkung laudatiert „Verehrungswürdiger Greis“. Es ist
nge her; das würde heute keiner mehr sagen. Heute
ibt es in Deutschland 4 Millionen Menschen, die über
0 Jahre alt sind. Im Jahr 2050 werden es 10 Millionen
ein. Heute sind 7 000 Menschen in Deutschland über
00 Jahre alt. Im Jahr 2050 werden es etwa 75 000 sein.
as heißt, es verändert sich ganz viel, und es ist gut,
enn man darüber spricht und sich bewusst macht, was

ich da verändert.

Alt ist man nicht mehr mit 50. Ich sage: auch nicht
it 70, vielleicht mit 80 oder 85 Jahren. Wir sprechen

ber Ältere. Das sind die Menschen zwischen 60 und
0 Jahren. Dann kommen die Alten. Die Älteren sind
nger als die Alten. Das zeigt, dass wir die richtigen





Franz Müntefering


(A) )


)(B)

Worte an dieser Stelle noch gar nicht gefunden haben,
und macht deutlich, wie schnell sich diesbezüglich etwas
verändert hat.

Ich komme zum Ansehen der alten Menschen. Wenn
in einer Gesellschaft nur ganz wenige Menschen alt wa-
ren, dann galten sie als Weise. Wenn aber ganz viele
Menschen alt sind, dann ist sozusagen die Patina dünn,


(Heiterkeit bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


und man erkennt schnell, dass sich etwas verändert hat.
Deshalb müssen wir lernen, mit dem Alter richtig umzu-
gehen.

Wer 70 ist, hat deshalb nicht recht. Er hat deshalb aber
auch nicht unrecht. Wer 30 ist, hat nicht recht, nur weil
er 30 ist. Aber er hat auch nicht automatisch unrecht.
Vielleicht müssen wir uns einfach daran gewöhnen, das
Senioritätsprinzip ein bisschen infrage zu stellen und uns
klarzumachen, dass die Antwort auf die Frage, wie alt je-
mand ist, relativ wenig darüber aussagt, ob er recht hat
oder nicht recht hat. Das gilt übrigens auch für sein Kön-
nen; denn Ältere können eine ganze Menge.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])


Wir müssen auch über die Potenziale sprechen. Der
erste Punkt, der einem an dieser Stelle einfällt, ist das
Versprechen, eine Politik für alte Menschen zu machen.
Ich sage dazu: Wir müssen auch an der Stelle fördern
und fordern. Denn es gibt in der Demokratie keinen
Schaukelstuhl. Wenn man älter wird und der Kopf noch
in Ordnung ist, dann hat man eine Mitverantwortung da-
für, dass die Gesellschaft funktioniert. Das Schlimmste,
was Deutschland passieren könnte, wäre, dass die große
Gruppe der Menschen, die älter werden, nur von Mal-
lorca aus Karten schreibt und sagt: „Schickt uns noch
zwei Jahrzehnte die Rente! Das werdet ihr noch hinbe-
kommen. Dann schaut mal zu, wie ihr klarkommt!“ Wir
müssen wissen, dass wir aufeinander angewiesen sind,
dass wir diese Probleme miteinander klären müssen.

Das zweite Potenzial, um das es geht, liegt in der Prä-
vention. Altwerden fängt jung an. Was wir heute bei den
Kindern nicht hinbekommen – gesunde Ernährung, gute
Bildung und Selbstbewusstsein –, das kann sich auch
nicht auszahlen, wenn sie in ein höheres Alter kommen.
Menschen verändern sich nicht so sehr. Wenn wir sagen
„Engagiert euch!“, dann ist die Frage, ob die Kinder das
lernen, solange sie klein und jung sind, damit sie weiter-
machen, wenn sie ins Alter hereinwachsen, wenn sie das
Alter von 65, 67 oder 70 erreicht haben. Prävention ist
also etwas ganz Wichtiges.

Es gibt so einen schönen Spruch von Voltaire – wir in
Deutschland sollten hier zuhören –:

Da es sehr förderlich für die Gesundheit ist, habe
ich beschlossen, glücklich zu sein.

Ich finde das sehr geschickt: Wenn man sich darauf ein-
stellt, dass man die Chance hat, gesund alt zu werden,
dann kann man ein gutes Leben haben und etwas leisten.

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(C (D s ist auch eine Frage der Einstellung, wie man sich dieem Alter nähert und was man sich vornimmt, dann zu n. Nun will ich aber nicht nur über die schönen Seiten nd die philosophischen Aspekte sprechen. Ich will chon ernst nehmen, was eben von der Linken gesagt orden ist: Natürlich geht es hier auch um materielle icherheit im Alter. Ich glaube, dass wir deshalb nicht ehr allzu lange Altenberichte diskutieren werden, son ern Gesellschaftsberichte diskutieren müssen; alle Geerationen müssen berücksichtigt werden. Wir haben in den letzten zwei Jahrzehnten, in denen ns richtig bewusst geworden ist, dass sich da etwas verndert, lange darüber gesprochen, dass wir uns mit dem hema der Älteren beschäftigen müssen, dass wir hier eu denken und organisieren müssen. Jetzt müssen wir arangehen, sämtliche Konsequenzen der demografichen Entwicklung zu betrachten. Alle Generationen ind aufeinander angewiesen. Mich erinnert das ein bisshen an die Debatte über Jungen und Mädchen, die wir or einer Stunde geführt haben: Dort ist von allen gesagt orden, dass es nicht um einen Gegensatz geht. Auch ei den Generationen geht es nicht um Gegensätze. Alle, ie über Generationenkonflikte und -kriege sprechen, achen etwas ganz Gefährliches und Unnötiges. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


an muss deshalb darauf achten, dass wir uns bewusst
arüber bleiben, dass wir alle Generationen brauchen,
ass diejenigen, die heute älter sind, nicht nur für sich
erantwortlich sind – das haben wir in den 80er-Jahren
on Hans Jonas gelernt –, sondern auch für die Jüngeren
nd diejenigen, die danach kommen werden.

Ich glaube, dass wir in Deutschland – auch wir im
eutschen Bundestag – bald die Grundsatzdebatte ange-
en und Handlungskonzepte für ein Land entwickeln
üssen, das eine große demografische Veränderung er-
bt, die erhebliche Konsequenzen in allen Lebensberei-

hen haben wird. Da sind wir gerne dabei.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710523500

Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt

rteile ich Kollegen Norbert Geis für die CDU/CSU-
raktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Norbert Geis (CSU):
Rede ID: ID1710523600

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Niemand zieht in Zweifel, dass sich unsere Ge-
ellschaft – die Gesellschaften der Industrienationen ins-
esamt – in den letzten zwei Generationen entscheidend
erändert hat: Sie wird nicht mehr so sehr von Jugendli-





Norbert Geis


(A) )


)(B)

chen und Kindern geprägt, sondern mehr und mehr von
Erwachsenen, vor allen Dingen auch von rüstigen Pen-
sionisten und Rentnern. Dieser Wandel der Gesellschaft
fordert uns natürlich heraus. Im Antrag der SPD werden
die Herausforderungen benannt. Aber auch schon im
Sechsten Altenbericht werden die Herausforderungen
genau analysiert und hervorragend dargestellt. Die Bun-
desregierung hat entsprechend gehandelt. Eine Maß-
nahme aufgrund des demografischen Wandels ist zum
Beispiel die Rente mit 67.

Trifft man auf einen rüstigen Alten, einen rüstigen
Rentner oder Pensionisten, dann begegnet einem oft ein
gutaussehender, strahlender Mensch, der sich darüber
freut, dass er den Druck des Berufslebens hinter sich hat
und jetzt endlich zu dem kommt, was er schon immer
machen wollte. Aber es ist genauso richtig, dass die Ge-
sellschaft auf das Potenzial, auf das Können dieser rüsti-
gen älteren Menschen nicht verzichten kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deshalb glaube ich, dass alle Überlegungen richtig sind,
die einen Anreiz dafür bieten, dass sich die älteren Men-
schen dafür begeistern lassen, sich im Gemeinwesen zu
organisieren und einzubringen.

Damit die älteren Menschen einen entsprechenden
Beitrag leisten können, kommt es darauf an, dass sie sich
weiterbilden. Überhaupt meine ich, dass das lebenslange
Lernen, die Bereitschaft, die Augen aufzumachen und zu
sehen, was auf einen zukommt, und sich danach auszu-
richten, ein Grundmerkmal gerade im Alter sein sollte.
So wird die Erstarrung verhindert, die den älteren Men-
schen oft genug – manchmal sehr zu Unrecht – vorge-
worfen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das ist nur die eine Seite des Alters, in der die Men-
schen noch rüstig sind, in der sie Heiterkeit ausstrahlen
und bereit sind, in ihrem Beruf weiterzuarbeiten und sich
im Gemeinwesen zu engagieren.

Aber es gibt auch die andere Seite des Alters. Es gibt
viele einsame alte Menschen. Es gibt viele Menschen,
die ohne Familie sind, die keinen Anschluss haben, die
keine Freunde haben, die allein in ihrer Wohnung im
vierten, achten, zehnten Stock eines Hochhauses wohnen
und sich ausgegrenzt fühlen. Dies ist eines der großen
Probleme der Gesellschaften in einer Industrienation. Jo-
hannes Paul II. hat folgerichtig in seinem Schreiben
Novo Millennio Ineunte, das er zur Jahrtausendwende
herausgegeben hat, auf dieses Problem hingewiesen und
es als eines der drängenden Probleme unserer Zeit gese-
hen.

Es ist notwendig, dass es karitative Organisationen
gibt, die sich um diese Menschen kümmern, dass sich
die Kirchengemeinden ihre Altentreffs erhalten, die sehr
hilfreich sein können. Das Mehrgenerationenhaus spielt
hier eine große Rolle. Es ist aber auch der Ideenreichtum
einer guten Kommunalpolitik gefragt, die bereit ist, auf
diese Menschen zuzugehen, sie aus ihrem Schnecken-

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(C (D aus herauszuholen und sie für eine Mitarbeit im Geeinwesen zu begeistern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dann ommt eine weitere Phase des Alters, in der die Menchen gebrechlich werden, in der sie sich selbst nicht ehr vorstehen können, in der sie hilflos wie ein Kind ind. Dann kommt es zur Krise – nicht nur für diese alten enschen, sondern auch für ihre Umgebung. Sie sind ilflos wie ein Kind. Bei Kindern weckt diese Hilflosigeit die Liebe der Mutter und bringt die sorgende Umarung der Umgebung hervor. Bei den Alten wird oft mit iner spontanen Ablehnung reagiert, die aus einer natürchen Empfindung heraus kommt, weil das Alter in dieer Phase des Lebens keine Zukunft mehr verspricht, eil das Alter in dieser Phase des Lebens Gebrechlicheit zeigt, auch auf das eigene Ende hinweist. Hier ommt es darauf an, dass solche Menschen von einer gun Familie umgeben sind, aber auch darauf, dass die ungen und die rüstigen Alten bereit sind, diesen Menchen gegenüber Verantwortung zu übernehmen. Ich habe einen weiteren Gedanken. Es gibt auch die lten Menschen, deren Lebensbogen eine große Höhe nd Weite aufzeigt. Wir erinnern uns an unsere jüngste ergangenheit, in der alte Menschen, alte Männer bereit aren, Verantwortung für den ganzen Staat zu übernehen. Wir kennen die großen Staatsmänner gerade aus nserer jüngsten Vergangenheit, die aus einer schier unlaublichen physischen und psychischen Reserve heraus glich gehandelt und entschieden haben. Ich habe hier as Bild des jetzt amtierenden Papstes vor meinen Auen. Es kommt auch in der Wissenschaft vor. Denken Sie n Einstein. Oder denken Sie an die Literatur, an ernard Shaw oder an Ernst Jünger. Oder denken Sie an oethe, der in seinem Alter wunderbar abgeklärte Werke eschrieben hat. Oder denken Sie an einen Mann wie izian, der mit 100 Jahren von der Pest dahingerafft weren musste – so möchte ich beinahe sagen – und bis zum tzten Augenblick gemalt hat. Diesen Bogen gibt es uch. Es gibt aus den 60er-Jahren einen Ausspruch von uardini. Er heißt: Es gehört zu den fragwürdigsten Erscheinungen unserer Zeit, dass sie wertvolles Leben einfachhin mit Jungsein gleichsetzt. h meine, dass diese Mahnung bzw. diese Erkenntnis uch heute noch Gültigkeit haben. Danke schön. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf rucksache 17/2145 an die in der Tagesordnung aufgehrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710523700




(A) )

verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förde-
rung der Mediation und anderer Verfahren
der außergerichtlichen Konfliktbeilegung

– Drucksachen 17/5335, 17/5496 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile Bundesminis-
terin Leutheusser-Schnarrenberger das Wort.


(Beifall der Abg. Mechthild Dyckmans [FDP])


Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! In einer Entscheidung aus dem Jahr 2007 hat das
Bundesverfassungsgericht festgestellt – ich zitiere –:

Eine zunächst streitige Problemlage durch eine ein-
verständliche Lösung zu bewältigen, ist auch in ei-
nem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig ge-
genüber einer richterlichen Streitentscheidung.

An diesen Grundsatz knüpfen wir mit dem eingebrach-
ten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Mediation
und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konflikt-
beilegung an. Die Mediation als eine Methode, in geord-
neter und konstruktiver Weise mit Konflikten umzuge-
hen, ist besonders geeignet, die Verantwortung der
Bürgerinnen und Bürger für sich selbst und andere zu
stärken. Deshalb wollen wir die Bürger ermuntern, ihre
Streitigkeiten vornehmlich eigenverantwortlich zu lösen.

Bislang ist die Mediation gesetzlich weitgehend un-
geregelt. Nunmehr verpflichtet uns die EU-Mediations-
richtlinie zum Handeln. Anders als bei den meisten Ge-
setzesvorlagen, die im Deutschen Bundestag behandelt
werden, betreten wir rechtliches Neuland. Das bedeutet:
Wir konnten nicht auf vorhandenen Strukturen aufbauen,
sondern mussten das Mediationsgesetz von Grund auf
neu entwickeln. Deshalb haben wir im Rahmen einer
Expertengruppe namhafte Vertreter aus Wissenschaft
und Praxis in die Vorarbeiten einbezogen. Eine wichtige
Hilfestellung lieferte uns das vom Max-Planck-Institut
für ausländisches und internationales Privatrecht im
Auftrag meines Hauses erstellte rechtsvergleichende
Gutachten. Hierdurch konnten wir wertvolle Informatio-
nen über die Erfahrungen anderer Länder mit der Media-
tion gewinnen und bei der Erarbeitung des Entwurfs be-
rücksichtigen.

Im Bereich der Mediation treffen sehr unterschiedli-
che Auffassungen aufeinander, die nicht ganz leicht in
Einklang zu bringen sind. Bei der Schaffung des Regie-
rungsentwurfs haben wir die verschiedenen Interessen
abgewogen und darauf hingewirkt, diese in einen ange-

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(C (D essenen Ausgleich zu bringen. Dabei haben wir uns on dem Ziel leiten lassen, möglichst wenig in die Entltung der Mediation als eines noch in der Entwicklung efindlichen Konfliktlösungsverfahrens einzugreifen. h freue mich, dass der Gesetzentwurf ein breites und berwiegend positives Echo bei den Verbänden und auch der Gesellschaft gefunden hat. Auch die Länder be rüßen die mit dem Entwurf verfolgte Zielrichtung. leichwohl will ich nicht verhehlen, dass der vorgelegte ntwurf auch in der Kritik steht. Diese Kritik konzeniert sich vornehmlich auf einige wenige, allerdings uch bedeutsame Punkte. Ansprechen möchte ich zunächst das Thema der gechtsinternen Mediation. Die von verschiedenen Seiten rhobenen Forderungen nach einer kompletten Abschafng dieser Mediationsform teile ich nicht. Die gerichtsterne Mediation ist in den letzten Jahren eine feste röße an deutschen Gerichten geworden. Erfolgsquoten on bis zu 74 Prozent bei Konfliktbereinigung sprechen r sich. Mit dem Mediationsgesetz stellen wir den Län ern das notwendige Instrumentarium zur Verfügung, ie gerichtsinterne Mediation fortzuführen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


llerdings wollen wir den richterlichen Mediatoren auch
eine weiter gehenden Befugnisse einräumen als ihren
ußergerichtlich tätigen Kollegen.

Bei der Prüfung und Umsetzung von Vorschlägen aus
em parlamentarischen Raum, die auf eine weitere För-
erung gerade der außergerichtlichen Mediation abzie-
n, werden wir gerne unterstützend tätig werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Ingrid Hönlinger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


atürlich greifen wir das Anliegen gern auf, gerade die
ußergerichtliche Mediation so attraktiv zu machen, dass
ie sich entfalten kann. Aber wir dürfen nicht aus den
ugen verlieren, dass die finanziellen Rahmenbedingun-
en den Gestaltungsmöglichkeiten Grenzen setzen.

Unterschiedliche Auffassungen bestehen auch hin-
ichtlich der Frage, wie die Aus- und Fortbildung der

ediatoren und damit der Zugang zur Mediatorentätig-
eit geregelt werden soll. Hier haben wir die verschie-
ensten Modelle intensiv geprüft, wie zum Beispiel die
chaffung von Zulassungsvoraussetzungen oder einer
taatliche Anerkennung.

Am Ende haben wir uns mit dem Entwurf gegen eine
etaillierte gesetzliche Regelung entschieden. Damit
ollen wir gewährleisten, dass der Mediation als einem
och stark in der Entwicklung begriffenen Verfahren ge-
ügend Entfaltungsspielraum verbleibt. Zugleich wol-
n wir neuen bürokratischen Strukturen entgegenwir-
en, die wiederum mit Kosten verbunden wären.

Die Qualität der Mediation und die Transparenz auf
em Mediatorenmarkt sollen im Interesse der Verbrau-
herinnen und Verbraucher durch die Schaffung eines
rivaten Zertifizierungssystems gefördert werden. Wir





Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger


(A) )


)(B)

zählen dabei auf die Kraft der Selbstregulierung durch
die Berufsgruppen und Verbände.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, unsere Zivil-
gesellschaft erfordert die Weiterentwicklung von moder-
nen und effektiven Methoden autonomer Konfliktbeile-
gung. Ich bin sicher, dass wir mit dem vorgelegten
Gesetzentwurf diese Entwicklung befördern und damit
auch einen nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung der
Streitkultur in Deutschland leisten werden. Ich freue
mich auf konstruktive Beratungen im zuständigen Aus-
schuss.

Recht herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710523800

Das Wort hat nun Sonja Steffen für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Sonja Steffen (SPD):
Rede ID: ID1710523900

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Mi-

nisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Me-
diationsrichtlinie der Europäischen Union verfolgt das
Ziel, den Zugang von Einzelpersonen und sonstigen
Wirtschaftsteilnehmern zu modernen Methoden der al-
ternativen Streitschlichtung zu verbessern. Wir EU-Mit-
gliedstaaten haben bis Ende Mai dieses Jahres Zeit, diese
Richtlinie in das nationale Recht umzusetzen. Der uns
heute vorliegende Entwurf des BMJ sieht ein entspre-
chendes Bundesgesetz vor. Ziel des Gesetzes ist es, die
Mediation zu fördern und die außergerichtliche Kon-
fliktbewältigung voranzubringen. Wir alle begrüßen
grundsätzlich dieses Ziel.

Die entscheidenden Vorteile einer Streitbeilegung
durch Mediation gegenüber Prozess und Urteil sind fol-
gende: Eine Mediation ist in der Regel kürzer und billi-
ger als ein streitiges Verfahren. Außerdem entscheiden
die Konfliktparteien selbst über das Ergebnis. Dies för-
dert in aller Regel die Zufriedenheit der Beteiligten am
Ausgang des Verfahrens. Untersuchungen haben auch
gezeigt, dass die durch eine Mediation entstandenen Lö-
sungen länger halten.

Besonders Familienrechtler werden die Stärkung der
Mediation zur Streitbeilegung sehr begrüßen. Gerade in
hochemotionalen Familienkonflikten bietet die Media-
tion große Chancen. Sie macht nämlich vor allem dann
Sinn, wenn es nicht nur darum geht, einen Streit irgend-
wie zu klären, sondern auch darum, dass die Beteiligten
hinterher noch miteinander auskommen müssen.

So weit, so gut.

In den bisherigen, wie ich finde, sehr konstruktiven
Gesprächen, die überfraktionell stattfanden, haben sich
entscheidende Schwierigkeiten bei der Schaffung einer
neuen gesetzlichen Regelung der Mediation gezeigt, die
im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zu klären sein
werden. Die Frau Ministerin hat auf einige Punkte be-
reits hingewiesen. Ich teile diese Auffassung. Ich möchte
an dieser Stelle auf drei besonders wichtige Punkte ein-
gehen.

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(C (D Beim Stichwort „Mediation“ dachten und denken iele Menschen bis heute an einen Schreibfehler des Beriffs „Meditation“. (Heiterkeit und Beifall der Abg. Christine Lambrecht [SPD])


s geht hierbei jedoch nicht darum, bei Räucherstäbchen
nd Keksen Probleme zu diskutieren.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau, die Zeiten sind vorbei! – Gegenruf des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schade! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ich denke, so löst die SPD ihre Probleme! – Gegenruf der Abg. Christine Lambrecht [SPD]: Da geht es schon handfester zu!)


er Mediator soll nach dem Gesetzesvorhaben eine sehr
ntscheidende Aufgabe übernehmen: Er bringt die
treitparteien an einen Tisch und hilft ihnen, selbst zu ei-
er Lösung zu kommen. Der Mediator muss auf die Inte-
ssen der Kontrahenten eingehen, und er muss Men-

chen einschätzen können. Schließlich soll er eine
ereinbarung fixieren, und diese soll dann auch noch
ollstreckbar sein, das heißt, die Wirkung einer gerichtli-
hen Entscheidung haben.

Seit das Kabinett den Entwurf des Gesetzes auf den
eg gebracht hat, schießen Mediatorenkurse wie Pilze

us dem Boden. Das bereitet uns Sorge; denn bislang
chreibt das geplante Gesetz nicht vor, was ein Mediator
elernt haben muss. Wenn Politik und Gerichtsbarkeit
ontrolle abgeben, der Mediator aber nicht über eine
ndierte theoretische Ausbildung und vor allem über

eine praktische Erfahrung im Umgang mit Menschen
erfügt – was insbesondere bei der professionellen Kon-
iktbeilegung wichtig ist –, dann ist zu befürchten, dass
ich am Ende der Stärkere durchsetzt und unbefriedi-
ende Ergebnisse erzielt werden.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ingrid Hönlinger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir halten daher eine psychosoziale und bzw. oder ei-
en juristischen Hintergrund und ausreichende berufli-
he Erfahrung für unbedingt erforderlich.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Jens Petermann [DIE LINKE])


or allem, wenn es um Streitigkeiten um Kinder geht, ist
esonderes psychologisches Einfühlungsvermögen ge-
agt. Wir meinen daher, dass es verbindlicher gesetzli-
her Anforderungen an die Aus- und Fortbildung der
ediatoren bedarf.

Ich möchte nun auf einen weiteren Punkt eingehen,
en Sie, Frau Ministerin, bereits angesprochen haben.
ach dem vorliegenden Entwurf soll es unterschiedliche
ormen der Mediation geben: Sie kann unabhängig von
inem Gerichtsverfahren, im Verlauf des Prozesses oder
uch mit einem Richter als Mediator ablaufen. Bei ei-
em Scheitern der Mediation darf derselbe Richter nicht
ehr selbst in der Sache entscheiden, wenn es sich um

ine gerichtliche Mediation handelt. Gerade die eigent-





Sonja Steffen


(A) )


)(B)

lich nicht gewollte Stärkung der sogenannten gerichts-
internen Mediation sehen wir kritisch. Wir haben Sorge,
dass mit der richterlichen Mediation die eigentliche Auf-
gabe der Justiz in den Hintergrund gedrängt wird. Statt
einen Streit zu verkürzen, können Gerichtsverfahren so
durchaus auch in die Länge gezogen werden. Es ent-
spricht auch nicht dem Bild des unabhängigen Richters
nach dem Grundgesetz, wenn er erst als Mediator auftritt
und anschließend nicht in der Sache entscheiden darf.
Diese Einschränkung ist jedoch notwendig, um eine Vor-
eingenommenheit des urteilenden Richters zu vermei-
den.

Die gewünschte Beschleunigung der Streitbeilegung
und die gewünschte Kostenersparnis setzen daher vor-
aus, dass der Schwerpunkt des Gesetzes auf der außerge-
richtlichen Streitbeilegung liegt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Hierfür müssen im Gesetz zusätzliche Kostenanreize für
eine außergerichtliche Streitschlichtung geschaffen wer-
den.

Damit bin ich beim letzten Punkt angelangt. Eine Me-
diationskostenhilfe für die Nichtwohlhabenden ist im
Gesetzentwurf bislang nicht vorgesehen. Sie haben be-
reits darauf hingewiesen, dass das Probleme mit sich
bringt, weil das finanziert werden muss. Ich halte die
Mediationskostenhilfe insbesondere im Familienrecht
für unbedingt angebracht.


(Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: Ab welchem Einkommen denn?)


– Da gibt es die üblichen Regeln. – An dieser Stelle ist
der Gesetzentwurf aus unserer Sicht bislang nicht mutig
genug. Wenn das geplante Gesetz parallel dafür sorgt,
dass die Mediation im Gericht und zudem auch noch
kostenlos angeboten wird, werden die Parteien verständ-
licherweise sagen: Zur Not machen wir die Mediation
eben im Gericht. – Dies würde nicht zu der gewünschten
Entlastung der Gerichte führen. Daher müssen auch die
Länder ein Interesse daran haben, eine Kostenhilfe für
die außergerichtliche Mediation bereitzustellen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jens Petermann [DIE LINKE] – Otto Fricke [FDP]: Da können die rot-grünen Länder ja mal vorgehen!)


Der Gesetzentwurf ist ein guter Ansatz und zeigt die
Bedeutung, die Mediation in unserer Gesellschaft zu-
künftig haben soll. Klare gesetzliche Regelungen erhö-
hen die Transparenz und werden den Zugang zur Media-
tion erleichtern. Aber dazu bedarf der vorliegende
Entwurf der Überarbeitung; denn Sie haben es richtig
gesagt: Wir betreten gesetzliches Neuland. – Ich hoffe
daher, dass wir konstruktiv zusammenarbeiten und zu ei-
nem guten Ergebnis kommen werden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D Das Wort hat nun Patrick Sensburg für die CDU/ SU-Fraktion. Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Ver hrte Kolleginnen und Kollegen! Die Mediation ist gar icht ein so neues Verfahren. Bereits im 17. Jahrhundert at Alvise Contarini im Westfälischen Frieden 1648 als ediator die Abschlussverhandlungen mitgeführt. Er ar von allen Seiten anerkannt und mit hohem Vertrauen usgestattet. So gesehen hat es einige Zeit gedauert, bis ns der Gesetzesentwurf des BMJ, des Justizministerims, heute vorgelegt wurde. Aber das liegt nicht an einer eitlichen Verzögerung durch das Justizministerium, anz im Gegenteil. s hat vielmehr europarechtliche Gründe, dass es jetzt u einem Mediationsgesetz gekommen ist. Bereits 1999 atte der Rat von Tampere beschlossen, dass die Mitliedstaaten außergerichtliche Streitbeilegungsmechaismen einführen sollen. 2002 ist mit dem Grünbuch zur ußergerichtlichen Streitbeilegung im Grunde der ächste Schritt gegangen worden, bis dann die Richtlinie ur Mediation, die wir heute umsetzen, von der EU erssen worden ist. Es gibt also einen europarechtlichen intergrund; die entsprechende Richtlinie setzen wir tzt in deutsches Gesetz um. Generell soll der Gesetzentwurf die Mediation stären, das außergerichtliche Streitverfahren der Mediation efördern, und speziell soll die Richtlinie umgesetzt erden. Kern der Richtlinie sind drei Punkte: Vollstreckarkeit, Verjährung und Vertraulichkeit. Bezüglich der ollstreckbarkeit geht es darum, dass die Parteien die am bschluss getroffene Vereinbarung für vollstreckbar erlären lassen können oder sollen. Bezüglich der Verjähng geht es darum, dass die Parteien, die eine Mediation ingehen, nicht im Nachhinein schlechtergestellt weren, falls die Mediation scheitert und für sie dann gegeenenfalls Fristen abgelaufen sind. Bezüglich des Verauensschutzes geht es darum, dass die Dinge, die in inem Mediationsverfahren vor dem Mediator diskutiert erden – dies sind teilweise sehr vertrauliche, sehr inme Sachverhalte –, dann nicht durch den Mediator oder n der Mediation teilnehmende Dritte in die Öffentlicheit gelangen. Zu Recht hat die Justizministerin weitere Aspekte im esetzentwurf ergänzt, nämlich die Ausdehnung auf inerstaatliche Sachverhalte. Das ist richtig. Ich glaube, es äre zu kurz gegriffen, wenn man gesagt hätte: Wir becksichtigen nur grenzüberschreitende Sachverhalte. Es ar ein richtiger Entschluss, zu sagen: Wir dehnen dies uf deutsche Sachverhalte aus und erstrecken das Mediaonsgesetz auf alle Bereiche. Ebenso ist es richtig, dass wir bestimmte Definitionen chaffen, zum Beispiel des Mediators und des Media Dr. Patrick Sensburg )

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710524000

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Patrick Sensburg (CDU):
Rede ID: ID1710524100

(Heiterkeit des Abg. Otto Fricke [FDP])


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)





(A) )

tionsverfahrens, und auch gewisse Grundsätze festlegen,
beispielsweise die Verpflichtungen, die ein Mediator
eingehen muss. Das Gesetz leistet also zum einen eine
Umsetzung der Richtlinie, zum anderen – zu Recht –
eine Ausdehnung auf bestimmte weitere Aspekte. Von
daher bedanke ich mich ganz herzlich an dieser Stelle
bei der Frau Ministerin und bei Staatssekretär Dr. Stadler
für die konstruktiven Gespräche in den letzten Wochen.

Der schlanke Gesetzgebungsvorschlag wirft aber zu-
gleich verschiedene Fragen auf. An manchen Stellen
wirft er sogar mehr Fragen auf, als er Klärungen schafft.
Die Frage, die zuerst aufgeworfen wird, betrifft den An-
wendungsbereich. Für welchen Anwendungsbereich gilt
dieses Gesetz? Welche Arten der Mediation werden er-
fasst? Sollen beispielsweise auch Mediationen auf dem
Schulhof, wenn ein 18-jähriger Oberstufenschüler zwi-
schen 15- und 16-jährigen Schülern mediiert, erfasst
werden? Soll beispielsweise auch die Mediation in einer
sechsköpfigen Familie, wenn der ältere Bruder für eine
Schwester als Mediator tätig ist, erfasst werden? Das ist
unklar. Von einem Gesetz kann man, glaube ich, schon
erwarten, dass zumindest sein Anwendungsbereich klar
definiert ist; diese Definition muss mindestens in der Be-
gründung erfolgen. Sonst wird das Gesetz sicherlich
nicht den Erfolg haben, den wir ihm wünschen.

Der zweite Aspekt betrifft die Mediationsarten. Die
Kollegin Steffen hat es schon angesprochen: Ganz wich-
tig ist ein richtig austariertes Verhältnis zwischen der
gerichtlichen Mediation und der außergerichtlichen Me-
diation. Hier muss der Schwerpunkt auf der außerge-
richtlichen Mediation liegen; denn das ist das, was wir
im Kern wollen. Wir wollen nicht, dass Streitigkeiten
vor ein Gericht gebracht werden, sondern wir wollen,
dass möglichst viele Streitigkeiten bereits im Vorfeld ge-
klärt werden. Es entlastet auch die Staats- und Länder-
kassen, wenn die Gerichte gar nicht erst bemüht werden,
und führt bei den Parteien zu viel größerem Vertrauen.
Die Mediation schafft im besten Fall eine Win-win-
Situation.

In den nächsten Wochen muss es uns gelingen, die au-
ßergerichtliche Mediation zu stärken, ohne auf die aus
meiner Sicht guten Ansätze der Gerichtsmediation, die
insbesondere aus den Bundesländern gekommen sind, zu
verzichten. Es muss aber, wie gesagt, eine Stärkung der
außergerichtlichen Mediation geben. Dies sieht der Ge-
setzgebungsentwurf derzeit nicht vor. Wenn man ihn
liest, stellt man fest: Er stärkt eher die in Bezug auf die
Kosten nicht so günstige Gerichtsmediation.

Hier spielt übrigens § 2 Abs. 4 Mediationsgesetz eine
große Rolle. Er schließt nämlich die anwaltliche Bera-
tung im Rahmen der Mediation aus, wenn eine Partei
dem widerspricht. Hier müssen wir nachbessern. Sonst
bekommen wir an dieser Stelle ein Problem mit der an-
waltlichen Beratung der Parteien in der Mediation.

Der dritte ganz wesentliche Punkt – die Kollegin Stef-
fen hat auch ihn schon angesprochen – ist die Aus- und
Fortbildung. Will der Gesetzgebungsentwurf Erfolg ha-
ben, will er die Mediation wirklich voranbringen, dann
muss die Frage der Ausbildung der Mediatoren geklärt
sein. Es kann nicht sein, dass sich weiterhin jeder „Medi-

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(C (D tor“ nennen und ein entsprechendes Schild an seine Tür ängen darf und wir glauben, dadurch würden wir die ediation befördern. Denken Sie nur an die Recht chutzversicherer, die sich im Bereich der Mediation erne engagieren möchten. Sie brauchen aber auch die icherheit, dass der Mediator, der einen Fall mediiert, ut ausgebildet ist. (Thomas Silberhorn [CDU/CSU]: Und dass er haftet!)


ies dürfen wir, glaube ich, nicht allein der Selbstregu-
erung der Verbände überlassen. Denn in den letzten 10,
5 Jahren hat sich gezeigt: Den Verbänden alleine ist es
isher nicht gelungen, hier Standards zu schaffen. Das
at auch die Diskussion gezeigt.

In den nächsten Wochen wird es wichtig sein, in § 5
ediationsgesetz eine klare Regelung zu treffen, gege-

enenfalls im Rahmen einer Rechtsverordnung oder ei-
er Verwaltungsvorschrift, die, was die Voraussetzungen
ngeht, gewisse Mindeststandards und im Hinblick auf
ie Ausbildung eine gewisse Mindeststundenzahl nennt.
h denke, für die Ausbildung eines Mediators sollten

20 bis 150 Stunden notwendig sein; eine geringere
tundenzahl ist, glaube ich, nicht möglich.

Dies sind unserer Auffassung nach die Kernpunkte, in
enen wir in den nächsten Wochen eine Verbesserung
es Gesetzentwurfes erzielen müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Viele Detailfragen sind noch zu klären. Dabei geht es
ach meiner Meinung aber im Wesentlichen um techni-
che Fragen, beispielsweise um die Hemmung von Fris-
n; ich denke nur an § 4 Kündigungsschutzgesetz. Ein
loßer Verweis auf die BGB-Fristen reicht nicht aus.
ier müssen wir, glaube ich, etwas genauer hinschauen.

Eine weitere Frage lautet: Welche Gerichtsbarkeiten
ollen einbezogen werden: die Sozialgerichtsbarkeit, die
inanzgerichtsbarkeit, die Arbeitsgerichtsbarkeit? Wol-
n wir all diese Gerichtsbarkeiten in dem Gesetz erfas-

en oder nicht? Das ist bisher etwas unklar. Ein anderer
ichtiger Aspekt ist die Vollstreckbarkeit der Abschluss-
ereinbarung einer Mediation. Soll jeder Mediator, auch
in Soziologe oder Philosoph, eine Mediationsvereinba-
ng, die später vollstreckbar ist, verfassen dürfen? All

iese Fragen müssen wir noch klären, wenn dieses Ge-
etz Erfolg haben soll. Ich glaube, wir werden sie auch
lären, zumal gerade die letzten Fragen eher technischer
rt sind.

Die beiden zentralen Punkte, die angesprochen wor-
en sind, die Aus- und Fortbildung – dies betrifft § 5 des
ediationsgesetzes – und die Austarierung des Verhält-

isses zwischen gerichtlicher Mediation und außerge-
chtlicher Mediation, sind die Knackpunkte dieses Ge-
etzes, mit denen wir uns befassen müssen. Ich glaube,
enn wir diese beiden Probleme lösen, dann wird die
ediation Erfolg haben.

Frau Ministerin, von parlamentarischer Seite kann ich
nen unsere Zusammenarbeit zusichern. Ich glaube, wir





Dr. Patrick Sensburg


(A) )


)(B)

werden mit diesem Gesetz einen großen Erfolg erzielen,
wenn wir es schaffen, die genannten Probleme gemein-
sam zu lösen. Ich hoffe, dass uns dies in den nächsten
Wochen gelingen wird.

Ich bedanke mich ganz herzlich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710524200

Das Wort hat nun Jens Petermann für die Fraktion Die

Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Jens Petermann (Plos):
Rede ID: ID1710524300

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Ministerin,
mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Um-
setzung der europäischen Richtlinie über bestimmte
Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen prä-
sentiert die Bundesregierung leider nur ein halbgares
Gericht. Es besteht die Gefahr, dass es ungenießbar ist,
also schwer im Magen liegt, und Sie den Adressaten,
also den Bürgerinnen und Bürgern, den Betrieben, aber
auch den Institutionen, Steine statt Brot geben.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist es nun halbgar, oder sind es Steine? Können Steine halbgar sein?)


Der Entwurf aus Ihrem Hause, Frau Ministerin, ver-
dient leider keine Bestnote. Das sagt nicht nur die Oppo-
sition, die hier etwas schärfer kritisieren darf, das sieht
auch die Koalition so. Es gibt gravierende Mängel. Die
Kostenfrage sowie die Frage der Aus- und Weiterbil-
dung sind nicht geklärt. Ich glaube, die bisherige Debatte
hat gezeigt, dass hier wirklich Nachbesserungsbedarf be-
steht.

Am 21. Mai 2008 erteilten der Europäische Rat und
das Europäische Parlament den Mitgliedsländern die
Hausaufgabe, für grenzüberschreitende Streitigkeiten in
Zivil- und Handelssachen den Zugang zur Mediation zu
fördern. Die Frist zur Umsetzung endet demnächst, am
20. Mai dieses Jahres, also in circa fünf Wochen. Die
Regierung hatte fast drei Jahre Zeit, die Richtlinie umzu-
setzen. Das zu diskutierende Ergebnis scheint indes mit
heißer Nadel gestrickt. Es entsteht der Eindruck, dass Sie
den Auftrag aus Brüssel nicht so recht verstanden haben.

Laut Richtlinie soll die Mediation für grenzüber-
schreitende Streitigkeiten in Zivil- und Handelssachen
gesichert werden. Explizit ausgeschlossen sind Steuer-
und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegen-
heiten und die Staatshaftung. Diese Ausschlüsse bezie-
hen sich auf Rechtsgebiete, wo es ein starkes strukturel-
les Ungleichgewicht der Verfahrensbeteiligten gibt. Das
hat auch seinen Grund; denn eine Mediation macht nur
Sinn, wenn sich die Parteien auf Augenhöhe gegenüber-
stehen.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D nsonsten besteht nämlich die Gefahr, dass die schwähere Partei regelmäßig über den Tisch gezogen wird. as kann nicht Sinn der Sache sein. Das Bundesjustizministerium will nun die gerichtlihe, die gerichtsnahe und die außergerichtliche Mediaon in den Bereichen Zivilrecht, Familienrecht, Arbeitscht, Sozialrecht und Verwaltungsrecht einführen. raglich ist dabei, ob die Umsetzung der Richtlinie das berhaupt erfordert. Gerade im Sozial-, Arbeitsund erwaltungsrecht besteht ein strukturelles Ungleichgeicht zwischen den Beteiligten. Hat zum Beispiel ein artz-IV-Empfänger Probleme mit der Kürzung seiner egelleistungen, soll er sich künftig erst einmal mit der ehörde bei Kaffee und Kuchen und den berühmten äucherstäbchen – das Copyright dafür liegt beim Kolgen Ahrendt – an einen Tisch setzen und um eine gengere Kürzung feilschen, obwohl die Kürzung an sich nter Umständen rechtswidrig war. Wenn nun ein Hartz-IV-Empfänger eine Streitigkeit or dem Zivilgericht austrägt, besteht für ihn die Möglicheit, Prozesskostenhilfe zu beantragen. Das ergibt sich aus em Justizgewährungsanspruch und dem Sozialstaatsgeot. Hinsichtlich der Mediationskosten schweigt sich der ntwurf allerdings aus. Der Hartz-IV-Empfänger müsste lso, wenn er sich auf die Mediation einlässt, mindestens ie Hälfte der Kosten des Mediationsgespräches selbst agen. Das BMJ kann die Höhe der Kosten bisher nur chätzen. Es ist von circa 450 Euro die Rede. Bei einem egelsatz von 364 Euro, der in unserem eben geschildern Fall durch die Sanktionen noch gekürzt werden ürde, ist das Ganze unbezahlbar. Hier bedarf es eines echtsanspruchs auf Mediationskostenhilfe. Ein For chungsprojekt der Länder, wie es in dem derzeitigen § 6 es Entwurfs geplant wird, ist unzureichend. Die im Übrigen sehr spannende Frage, wer sich Meiator nennen darf, bleibt letztlich unbeantwortet. Der ntwurf überlässt es dem Mediator selbst, durch geeigete Ausund Fortbildung Sachkunde zu erlangen. Das t mir viel zu beliebig. Für die sachkundige Durchfühng einer Mediation – das ist hier schon gesagt worden – raucht man meines Erachtens eine hochqualifizierte usbildung in Psychologie und Kommunikation sowie indestens durchschnittliche Rechtskenntnisse. Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des ollegen Fricke? Nein. – Herr Kollege Sensburg hat in der FAZ geäu ert, dass es einer verbindlichen Zertifizierung bedarf. a bin ich mit Ihnen, geschätzter Kollege Sensburg, eier Meinung. Ich kann mich da nur anschließen. Schließlich soll die Mediation auch bundeseinheitlich eregelt sein. Ansonsten droht ein Flickenteppich mit nterschiedlichen Standards wie bereits in der Beamtenesoldung, und das ist von Nachteil. Jens Petermann )


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710524400
Jens Petermann (Plos):
Rede ID: ID1710524500




(A) )

Die Linke fordert: Mediation muss auf grenzüber-
schreitende Zivil- und Handelssachen beschränkt sein;
Mediationskostenhilfe muss eingeführt werden, und eine
bundesweit einheitliche Ausbildung der Mediatoren
muss sichergestellt werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Frau Ministerin, bessern Sie den Entwurf insoweit
nach. Beachten Sie dabei auch unseren Entschließungs-
antrag. Dann können wir die Regelung mittragen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1710524600

Das Wort hat nun Ingrid Hönlinger für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen.


Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710524700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Wir diskutieren
heute über den Entwurf eines Gesetzes der Bundesregie-
rung zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren
der außergerichtlichen Konfliktbeilegung. Heribert
Prantl hat die Intention dieses Gesetzentwurfs in der
Süddeutschen Zeitung als „juristischen Paradigmen-
wechsel“ geadelt.

Was müssen wir gesetzlich regeln, damit Mediation
ein effektiver Bestandteil dieser Gesellschaft wird? Wir
müssen uns zunächst im Klaren darüber sein, wo und
wie wir Mediation und andere Konfliktlösungsmethoden
vorrangig verankern wollen. Wollen wir sie in den Ge-
richtssälen bei den Richtern oder außerhalb des Ge-
richtsverfahrens bei freiberuflichen Mediatorinnen und
Mediatoren oder Beratungsstellen integrieren?


(Mechthild Dyckmans [FDP]: Warum „oder“? – Otto Fricke [FDP]: Wie wäre es mit „oder/ und“?)


In dem Gesetzentwurf werden beide Modelle definiert.
Die Begrifflichkeit orientiert sich aber am Wort „Ge-
richt“, indem von außergerichtlicher, gerichtsnaher und
gerichtsinterner Mediation ausgegangen wird. Die ge-
richtsinterne Mediation wird dabei durch Kostenfreiheit
privilegiert.

Meine Damen und Herren, das Mediationsverfahren
gewinnt seine Wirksamkeit durch Eigenverantwortlich-
keit der Parteien und durch die Gesprächsleitung eines
allparteilichen Mediators. In den Sitzungen können die
Parteien ihre Interessen und Bedürfnisse im direkten Ge-
spräch selbst herausarbeiten. Normalerweise dauert ein
Mediationsverfahren zwischen drei und acht Sitzungen à
1,5 Stunden. Es erstreckt sich über mehrere Wochen,
und am Ende kann eine gültige, von allen Parteien unter-
zeichnete Vereinbarung stehen.

Wie stellt sich der Vergleich zwischen richterlicher
und außergerichtlicher Mediation dar? Der Richterberuf
ist aufgrund hoher Fallzahlen und gekürzter Richterstel-
len durch einen enormen Zeit- und Erfolgsdruck geprägt.


(Otto Fricke [FDP]: Böse Länder!)


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(C (D ie Modellprojekte der richterlichen Mediation zeigen, ass dort die Mediation in ein bis zwei Sitzungen durcheführt wird. Oft hat der Richter die Akte vorher gelesen, sst sich die Interessenlage also nicht von den Parteien rklären, und am Ende gibt es einen Vergleichsvorschlag. ir verkennen nicht, dass zahlreiche Richterinnen und ichter viel Zeit und Geld investiert haben, um eine Meiationsausbildung zu absolvieren. Innerhalb der ihnen ur Verfügung stehenden Zeit arbeiten sie mit viel Engaement, erzielen auch gute Ergebnisse, aber das Verfahn entspricht doch eher dem Modell eines Güterichters, ie wir es aus Thüringen und Bayern kennen, das in 278 Abs. 5 ZPO verankert ist, und nicht der Mediation, ie sie außerhalb der Gerichte durchgeführt wird. Wenn wir eine eigenverantwortliche Konfliktlösung nd die Entlastung der Justiz erreichen wollen, dann üssen wir weiterdenken. Dann müssen wir auch an die unkte denken, die die Kolleginnen und Kollegen schon ngesprochen haben, nämlich daran, wie wir die Ausnd Fortbildung von Mediatorinnen und Mediatoren sihern können. Wir müssen die Grundzüge klar artikulien. Ich weiß, dass große Mediationsund Anwaltsver ände schon an Qualitätsstandards arbeiten und eine ualitätsvolle Ausbildung anbieten. Es reicht aber nicht us, diese Entwicklung nur dem freien Markt zu überlasen, wie es die Bundesregierung vorschlägt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


(Mechthild Dyckmans [FDP]: Völlig falsch!)


Ist die Qualität der Mediation erst einmal gesichert,
ann wird es der Justiz sicher leichter fallen, Streitfälle
n geeignete Mediatorinnen und Mediatoren nach außen
u verweisen. Das hätte viele Vorteile. Die Koordina-
onsstellen, die schon an den Gerichten existieren,
önnten genutzt werden, um Fälle auf ihre Geeignetheit
in zu überprüfen. Dort arbeiten erfahrene Richterinnen
nd Richter, die Mediationsfälle bearbeitet haben. Ein
hnliches Modell kennen wir aus den Niederlanden.
uch dort werden häufig Mediationsfälle in die freie
ediation verwiesen.


(Mechthild Dyckmans [FDP]: Das ist doch auch heute schon möglich!)


ür die Mediatorinnen und Mediatoren bestünde ein An-
iz, an dem Projekt mitzuwirken. Wir könnten die Mit-
irkung auch mit der Verpflichtung zu einer Evaluation
erbinden. Es entstünde ein positiver Kreislauf: Wir
önnten die Gerichte effektiv entlasten, die außergericht-
che Mediation würde in Anspruch genommen, die
onfliktlösungen würden immer nachhaltiger, und die
erichte würden weiter entlastet.

Das führt mich zu dem letzten Schritt, den wir aus
einer Sicht gehen müssen: die Einführung einer Media-
onskostenhilfe. Das würde Mediation unabhängig vom
inkommen ermöglichen und durch die Anbindung an
ie Gerichte die notwendige Qualitätssicherung bieten.
ie Bundesregierung führt immer wieder an, das sei
icht finanzierbar und falle in die Länderzuständigkeit.
ir wissen aber, dass zum Beispiel ein streitiges Fami-

engerichtsverfahren mit Regelungen zum Sorgerecht,





Ingrid Hönlinger


(A) )


)(B)

zum Umgang und zum Unterhalt sehr viel Zeit, Geld und
Nerven kostet. Ich denke, auch die Bundesländer sollten
ernsthaft darüber nachdenken, zumindest in Modellpro-
jekten eine Mediationskostenhilfe einzuführen; denn die
Mediation würde mit Sicherheit auch die Justizhaushalte
entlasten.


(Otto Fricke [FDP]: Das können ja die RotGrünen machen!)


Aus unserer Sicht ist der Gesetzentwurf leider in der
aktuellen Form nicht ausgewogen genug. Deswegen
können wir ihm in dieser Form nicht zustimmen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710524800

Für die Unionsfraktion hat der Kollege Silberhorn das

Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1710524900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Eine zunächst streitige Problemlage durch eine ein-
verständliche Lösung zu bewältigen, ist auch in ei-
nem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig ge-
genüber einer richterlichen Streitentscheidung.

Das schrieb das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2007.
In der Tat führen streitige Verfahren zwar zur Klärung
einer Rechtsfrage, aber nicht notwendig zu einer hinrei-
chenden Befriedung der Parteien. Das mag daran liegen,
dass unsere Zivilverfahren stark formalisiert sind und
auch in materieller Hinsicht unser Zivilrecht schrecklich
logisch ist. Jeder Student lernt in seiner ersten Stunde Zi-
vilrecht, die Frage zu beantworten, wer von vom was
woraus verlangen kann. Wer diese Frage stellt, wird in
unserem Zivilrecht eine Antwort finden. Allerdings ist
die Wirklichkeit oft so komplex, dass es mit der Beant-
wortung dieser Frage allein nicht getan ist. So können
ordentliche Gerichtsverfahren oft wenig Rücksicht auf
die Ursachen einer Streitigkeit und auf die Befindlich-
keiten der Parteien nehmen.

In diesem Zusammenhang begrüße ich es, dass wir
nun die Mediation in allen Formen – außergerichtlich,
gerichtlich und gerichtsnah – auf eine neue rechtliche
Grundlage stellen. Wir setzen damit zugleich die EG-
Richtlinie über bestimmte Aspekte der Mediation in Zi-
vil- und Handelssachen um, eine Richtlinie, die sich zu
Recht auf grenzüberschreitende Streitigkeiten in Zivil-
und Handelssachen beschränkt.

In Deutschland finden sich bislang Regelungen zu
konsensualen Konfliktlösungen nur vereinzelt, beispiels-
weise im Familienrecht und im Rahmen der Gütever-
handlungen in Zivilrechtsstreitigkeiten. Wir stellen das
nun auf eine deutlich breitere Grundlage. Der Anwen-
dungsbereich des Mediationsgesetzes wird nahezu alle
Rechtsgebiete erfassen. Weshalb die Finanzgerichtsbar-

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(C (D eit nicht dabei ist, kann vielleicht noch überprüft weren. Dass beispielsweise ausdrücklich das Markengesetz enannt ist, finde ich durchaus mutig, weil in diesem echtsbereich, in dem es häufig um hohe Streitwerte nd wettbewerbsrechtliche Bezüge geht, oft um jeden uadratmillimeter gekämpft wird. Aber immerhin: Wir aben einen sehr breiten Anwendungsbereich. Das zeigt, ass es völlig ausreichend ist, wenn sich die Europäische nion mit Mindestharmonisierung befasst. Wir sind elbst in der Lage, die Gelegenheit zu nutzen, das Weire in eigener Zuständigkeit zu regeln. Wir brauchen in iesem Bereich keine Vollharmonisierung. Der Gesetzentwurf soll zunächst einmal das Bewusstein für die Möglichkeiten schaffen, Konflikte im Einernehmen beizulegen. Dazu soll schon in der Klagechrift erklärt werden, ob der Versuch einer Mediation der eines anderen Verfahrens zur außergerichtlichen onfliktbeilegung unternommen worden ist oder ob ründe entgegenstehen. Diese Verfahren der Mediation ind bei rechtsuchenden Bürgern noch nicht sehr stark erankert. Ich denke, das Gesetz wird einen Beitrag dazu isten. Die streitenden Parteien sollen im Rahmen der Meiation eigenverantwortlich zu einer Einigung über ihre treitigkeit gelangen. Das setzt voraus, dass dieses Verhren in einem vertraulichen Rahmen geführt werden ann. Zu diesem Zweck ist es richtig, genauso eine Verchwiegenheitspflicht des Mediators zu vereinbaren wie m ein Zeugnisverweigerungsrecht zu geben. Wir solln vielleicht noch einmal die Frage, die an uns von vien Seiten herangetragen worden ist, aufwerfen, inwieeit ein Beweisverwertungsverbot realisiert werden ann. Das wird nicht ganz einfach; aber das Anliegen, in inem solchen Verfahren die Vertraulichkeit zu wahren nd als Partei eines Mediationsverfahrens nicht in einem treitigen Gerichtsverfahren zu scheitern, müssen wir rnst nehmen. Die Vollstreckbarkeit der Vereinbarungen soll erleichrt werden. Ob das auf die Zustimmung der Gerichte tößt, werden wir nochmals diskutieren können. Gerade außergerichtlichen Mediationsverfahren ist es nicht anz einfach, zur Vollstreckbarkeit zu kommen. Aber ier ist ein sinnvoller Ansatz gewählt. Ich begrüße ebenfalls, dass wir die gerichtsinterne ediation hier regeln. Die Frage, ob man dadurch tat ächlich zu einer Entlastung der Gerichte und zu effizinteren Verfahren kommen kann, wird sich den Bundesndern selbst stellen und auch von diesen zu eantworten sein. Es ist von unserer Seite aus richtig, en Ländern diese Möglichkeit an die Hand zu geben. h denke, wir können den Bundesländern selbst überssen, ob sie der Meinung sind, dass dieses Verfahren r sie eine Effizienzsteigerung und Erleichterung ist der ob nicht durch den höheren Zeitaufwand oder höere Kosten auch höhere Belastungen entstehen. Das Anliegen dieses Gesetzentwurfs ist aber insbeondere, die Möglichkeiten der außergerichtlichen Thomas Silberhorn )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





(A) )

Mediation zu erweitern. Die gerichtsinterne Mediation
findet nun schon seit geraumer Zeit, wenn auch erpro-
bungsweise, mit Erfolg statt. Die Frage, ob hinreichende
Anreize bestehen, zu einer außergerichtlichen Media-
tion zu kommen, müssen wir uns noch einmal vorlegen.
Es ist jedenfalls ernst zu nehmen, wenn viele sagen,
dass die Kostentragungspflicht der Parteien im außerge-
richtlichen Mediationsverfahren ein Wettbewerbsnach-
teil sein kann. Dieser Wettbewerbsnachteil darf jeden-
falls nicht so weit gehen, dass er prohibitiv wirkt und die
Parteien überhaupt nicht die Möglichkeit der Mediation
in Anspruch nehmen. Die Vorschläge, eine Gebührenan-
rechnung auf streitige Gerichtsverfahren zu erwägen,
können wir im Rahmen des parlamentarischen Verfah-
rens überdenken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Ausbildung der Mediatoren ist schon angespro-
chen worden. Nach dem Gesetzentwurf wird die Aus-
und Fortbildung in die Verantwortung des Mediators ge-
legt. Das, Frau Bundesministerin, ist in der Tat mutig.
Wir könnten uns durchaus vorstellen, die Entwicklung
von Mindeststandards zu erwägen, wie sie von verschie-
dener Seite an uns herangetragen werden. Ich jedenfalls
teile das Anliegen, das hier schon mehrfach vorgetragen
worden ist. Wir reden hier nicht über eine esoterische
Veranstaltung, sondern über die Beilegung von Rechts-
streitigkeiten. In diesem Zusammenhang muss die Qua-
litätssicherung ein wichtiger Punkt sein. Ich weise aller-
dings auch darauf hin, dass beispielsweise der Deutsche
Anwaltverein davon ausgeht, diese Qualitätssicherung
werde sich schon einstellen – nach dem Motto: Qualität
setzt sich durch. Das mag durchaus so sein; aber dann
sollten wir auch die Frage beantworten, wie es mit der
Haftung der Mediatoren steht. Wenn wir es weitgehend
in die Verantwortung der Mediatoren stellen, mit wel-
cher Ausbildung und mit welcher Erfahrung sie diese
Aufgabe übernehmen, dann muss auch sichergestellt
sein, dass bei einer mangelnden Beratung der Mediator
für das haftet, was er zwischen den Parteien vermittelt;


(Otto Fricke [FDP]: Also Haftpflicht!)


denn es kann am Ende nicht der rechtsuchende Bürger
darunter leiden, dass er mangelhaft beraten wird. Es be-
steht also ein Zusammenhang: Wenn man die Ausbil-
dung weitgehend freistellt, dann muss man die Frage der
Haftung beantworten.

Ich bin auch der Auffassung, dass rechtsberatende
Berufe immer für Mediation infrage kommen; denn die-
ses Verfahren zur Streitbeilegung ist ein Bestandteil der
Rechtspflege. Deshalb ist es wichtig, dass Parteien, die
eine Vereinbarung treffen, nicht nur in Kenntnis der
Sachlage, sondern auch in Kenntnis der Rechtslage han-
deln.

Wir haben also viel Potenzial für konsensuale Streit-
beilegungen in Deutschland. Dieser Gesetzentwurf ist
ein guter Grundstein dafür. Wir sollten die offenen Fra-
gen in einem guten Miteinander im parlamentarischen
Verfahren beraten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzenturfs auf den Drucksachen 17/5335 und 17/5496 an den echtsausschuss vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die berweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Omid Nouripour, Hans-Christian Ströbele, Marieluise Beck Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Prüfkriterien für Auslandseinsätze der Bundeswehr entwickeln – Unterrichtung und Evaluation verbessern – Drucksache 17/5099 – Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Rechtsausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre einen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollein Keul für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ollegen! Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. as bedeutet für uns Parlamentarier eine enorme Verantortung. Ich weiß, dass nicht nur bei uns Grünen vor jeem neuen Einsatz und vor jeder Verlängerung eines insatzes schwierige Debatten stattfinden, um dieser erantwortung gerecht zu werden. Grundlage für unsere persönliche Gewissensentscheiung sind die Informationen, die uns die Bundesregieng zukommen lässt. Die Qualität dieser Informationen t allerdings in Anbetracht der Tragweite unserer Ent cheidungen in vielerlei Hinsicht unbefriedigend. it dem vorliegenden Antrag wollen wir eine deutlich erbesserte Unterrichtungsund Evaluationspraxis seins der Bundesregierung einfordern. Das Parlamentsbeteiligungsgesetz legt fest, dass die undesregierung den Bundestag regelmäßig unterricht. In der Gesetzesbegründung heißt es: Es soll über orbereitende Maßnahmen, Planungen und den Verlauf on Einsätzen sowie Entwicklungen im Einsatzland bechtet werden. Jährlich und nach Abschluss der Einsätze t ein Evaluationsbericht vorzulegen. In Ausnahmefäln findet die Unterrichtung über die Obleute statt. – Die tsächliche Praxis der Unterrichtung wird diesem An pruch nicht gerecht. Die wöchentliche Aufzählung von Katja Keul )

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710525000
Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710525100

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) )

lagerelevanten Vorfällen im Verteidigungsausschuss
kann eine Analyse der Entwicklungen nicht ersetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Fortschrittsbericht zur Lage in Afghanistan 2010
war der erste seiner Art, obwohl der Einsatz schon neun
Jahre andauerte und meine Fraktion einen solchen Be-
richt seit Jahren immer wieder angefordert hatte.


(Zuruf von der FDP: Wir machen es endlich!)


Wir wollen aber nicht nur vergangene Einsätze aus-
werten, sondern auch konkrete Kriterien für zukünftige
Einsätze ermitteln. Oft geht es in der parlamentarischen
und öffentlichen Debatte um die Frage der völkerrechtli-
chen Legitimität, aber viel zu selten um die Frage der
Wirksamkeit militärischer Mittel. Dabei ist völkerrecht-
liche Legitimität zweifelsohne eine erforderliche, nicht
aber eine hinreichende Voraussetzung für einen Militär-
einsatz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ob ein Militäreinsatz erfolgreich ist oder nicht, kann nur
dann bestimmt werden, wenn ein konkretes Ziel gesetzt
wurde. An der Erreichung dieses Ziels müssen sich dann
die eingesetzten Mittel messen lassen.

Ich denke, wir sind uns alle darüber im Klaren, dass
in Afghanistan viele Fehler gemacht worden sind. Daher
ist es auch so wichtig, aus diesen Fehlern zu lernen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr richtig!)


2001 sind die Bündnispartner aus lauter Solidarität in ei-
nen gemeinsamen Einsatz gegangen, ohne zuvor ein ge-
meinsames Ziel zu definieren und sich darüber einig zu
werden, mit welchen Mitteln man das Ziel erreichen
will. Jeder hat das gemacht, was er gerade konnte oder
für sinnvoll hielt, bis klar war, dass keine Strategie die
schlechteste Strategie war. Trotz dieser Erfahrung haben
sich die Bündnispartner auch hinsichtlich der Flugver-
botszone über Libyen wieder einmal nicht auf gemein-
same Ziele einigen können.

Wir fordern also mit unserem Antrag klare Prüfkrite-
rien für Auslandseinsätze und aussagekräftige Fort-
schrittsberichte inklusive der Auswertung ziviler Maß-
nahmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dazu ist es aber auch erforderlich, Geheimhaltung auf
das zu beschränken, was wirklich geheimhaltungsbe-
dürftig ist. Es ist nachvollziehbar, dass in sicherheitsrele-
vanten Bereichen eine vertrauliche Einstufung notwen-
dig sein kann. Dafür gibt es aber im Wesentlichen nur
zwei relevante Gründe: der Schutz involvierter Personen
und der laufender Operationen. In der Praxis sieht es lei-
der so aus, dass jeder, der einen Bericht schreibt, selbst
über die Einstufung dieses Berichts entscheidet und an-
schließend niemand mehr prüft, ob das eigentlich wirk-
lich erforderlich war. Am Ende werden dann nur noch
die Obleute geheim unterrichtet, die dann nicht einmal
mehr ihre Ausschusskollegen informieren dürfen. Das

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(C (D t nicht im Sinne einer transparenten parlamentarischen ontrolle. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Überall, wo es irgendwie möglich ist, sollte das Parla-
ent als Ganzes über den Verlauf der Einsätze schrift-
ch und öffentlich informiert werden; denn wer Verant-
ortung übernehmen soll, ist auf eine qualifizierte
nterrichtung angewiesen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710525200

Der Kollege Kiesewetter hat für die Unionsfraktion

as Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Roderich Kiesewetter (CDU):
Rede ID: ID1710525300

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

erren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin
eul, Sie fordern in Ihrem Antrag eine andere, eine um-
ssendere Berichterstattung gegenüber dem Parlament.
h möchte Ihnen einmal kurz darstellen, wie sich die
erichterstattung in den letzten zehn Jahren entwickelt
at. Im Jahr 2000 hat Ihre Fraktion verlangt, dass der
osovo-Einsatz nicht mehr jährlich mandatiert wird, um
hrliche namentliche Abstimmungen im Rahmen eines
eschlusses zu vermeiden.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)


s war die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die erreicht
at, dass gerade beim Kosovo-Einsatz eine jährliche
andatierung erfolgt. Wir haben uns damals für die
echte des Parlaments eingesetzt.

Ich möchte noch einen anderen Punkt erwähnen. Es
ommt darauf an, wie die Mandate formuliert sind. Es
ar im Jahr 2003, als Außenminister Fischer sich recht-
rtigen musste, weil die Mandatsformulierung damals

o zweideutig war, dass Drogenbekämpfung eine Auf-
abe der Bundeswehr hätte sein können. Das haben wir
it einer aufwendigen Protokollerklärung verhindert. –
iese Zeiten sind vorbei. Ich freue mich, dass Sie den
valuierungsbericht Afghanistan angesprochen haben.
ir machen Fortschritte. Das ist auch ein Verdienst die-

es Parlaments.

Ich möchte kurz auf Ihre Kritik an den Berichtspflich-
n eingehen. Die Berichtspflichten haben natürlich auch
Sie haben es angesprochen – Geheimhaltungsschutz-
ründe. Es geht ebenfalls darum, dass das jetzige Obleu-
verfahren eingehalten wird. Wenn es gewünscht wird,
ann ich nachher gerne einzelne Obleuteinformationen,
sbesondere was Spezialkräfte angeht, darlegen. Offen-

ichtlich ist es nur Ihr Wunsch, entsprechende Informati-
nen über den Einsatz der Spezialkräfte zu erhalten.
azu aber haben Sie Ihre Obleute.





Roderich Kiesewetter


(A) )


)(B)

Ich möchte auf das eigentliche Thema, den Kriterien-
katalog, eingehen. Ich halte es für wichtig, dass wir uns
darüber unterhalten, was die Prüfsteine für einen Aus-
landseinsatz sind. Grundsätzlich gilt für uns, die CDU/
CSU-Fraktion, dass jeder Einsatz seine politische und
militärische Besonderheit hat. Ich möchte fast sagen: Je-
der Einsatz hat seine eigene Geografie. Die sachlichen
und politischen Ausgangslagen sind unterschiedlich. Ein
Schema eines Kriterienkatalogs entspricht nicht dem
Grundsatz, dass jeder einzelne Einsatz eine besondere si-
cherheitspolitische Herausforderung ist und es damit
auch spezieller sicherheitspolitischer Lösungsansätze
bedarf. Ich sage auch ganz offen: Der außenpolitische
Handlungsspielraum muss erhalten bleiben. Deswegen
müssen wir jeden Einzelfall konkret prüfen. Wir brau-
chen Ermessensspielräume. Ich nehme einfach einmal
das Beispiel „Responsibility to Protect“. Wäre dies ein
maßgebliches Kriterium für die Beteiligung an Auslands-
einsätzen, müssten wir tatsächlich überall dort interve-
nieren, wo Menschenrechte massiv verletzt werden. Dies
würde zu einer Überforderung nicht nur unserer Streit-
kräfte, sondern auch unserer Gesellschaft führen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte einen Bogen schlagen. Natürlich kann ein
Kriterienkatalog hilfreich sein; er kann Orientierung ge-
ben. Dem ist auch unsere Fraktion nachgekommen. Ich
verweise darauf, dass Herr Schockenhoff im Jahr 2006
einen Zehnpunktekatalog vorgelegt hat. Ich möchte sie-
ben Bausteine nennen, die für unsere Debatte ganz hilf-
reich sind.

Erster Baustein: völkerrechtlicher Rahmen. Liegt ein
Mandat der Vereinten Nationen vor? Ist es ein Einsatz im
Rahmen der kollektiven oder der Selbstverteidigung? Ist
es ein Einsatz im Rahmen von Bündnisverpflichtungen?

Zweiter Baustein: das politische Ziel. Frau Keul, Sie
haben vorhin zu Recht gefragt: Was ist die Exit-Strate-
gie? Was ist das Ziel eines Einsatzes? Wie realistisch ist
der Einsatz? Unter welchen Voraussetzungen und in wel-
chem Zeitraum kann der Einsatz erfolgreich beendet
werden? Für uns Deutsche ist besonders wichtig: Mit
welchen Partnern gehen wir in den Einsatz?

Dritter Baustein: deutsche Interessen. Sind durch den
Konflikt deutsche Interessen betroffen? Ein deutsches
Interesse ist immer, abgesehen von der Evakuierung
deutscher Staatsbürger, die Aufrechterhaltung des Prin-
zips „Keine Alleingänge“. Es gibt keine deutschen Son-
derwege bei Auslandseinsätzen. Sind die Einsatzregeln
so gestaltet, dass unsere Interessen und auch das politi-
sche Ziel umsetzbar sind? In dem Zusammenhang
nehme ich noch einmal den Gedanken einer nationalen
Sicherheitsstrategie auf, den unsere Fraktion im Jahr
2008 sehr deutlich formuliert hat.

Vierter Baustein: Was sind die Konsequenzen eines
Einsatzes oder Nichteinsatzes? Welche Folgen hat es,
wenn wir nicht eingreifen? Wie bedeutsam ist unser
deutscher Beitrag zum Gelingen einer Mission? – Das
sind Fragen, die wir uns auch aktuell stellen.

Fünfter Baustein: die zivile Krisenprävention. Frau
Keul, Sie haben den Punkt zu Recht angesprochen. Wel-

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(C (D he nichtmilitärischen Maßnahmen bzw. Maßnahmen er zivilen Krisenprävention werden zur politischen Löung des Konflikts ergriffen, und ist die Wahl der Mittel erhältnismäßig? Sechster Baustein: Welche Risiken bestehen für die insatzkräfte? Wir haben nicht nur die Verantwortung r die Umsetzung der politischen Ziele, liebe Kollegin en und Kollegen; wir haben auch eine Verantwortung egenüber den Soldaten, Polizisten und zivilen Aufbauelfern, die wir in die Einsätze schicken. Welche Risiken estehen für sie, und wie können sie begrenzt werden? Siebter Baustein. Damit spreche ich die öffentliche ommunikation an. Dabei geht es um die Stichworte Überforderung, politisch wie finanziell“ und „Kommuikationsbedarf“. Wir müssen auch darüber nachdenken, ie weit unsere Einsätze gehen können. Was können wir ns leisten? Vor allen Dingen – damit schlage ich den ogen zur Evaluierung –: Welche Lektionen lernen wir us den Einsätzen? Somit sind diese sieben Bausteine nicht als Checkliste u verstehen. Mein Kollege Reinhard Brandl wird noch inen anderen Gesichtspunkt einbringen. Wenn Sie von en Streitkräften sprechen, so sprechen wir auch von der erantwortung des Staatsbürgers und der Staatsbürgerin Uniform. Das ist auch eine verantwortungsethische rage, auf die wir nachher eingehen werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


uf jeden Fall muss über jeden Einsatz neu entschieden
erden.

Sie fordern in dem Zusammenhang einen Gesamtbe-
cht unabhängiger Experten. Ich sage ganz offen: Si-
herheitspolitik kann man nicht outsourcen. Wir, das
arlament, haben die Verantwortung. Wir können uns
atürlich Expertise ins Haus holen – wir haben auch
chon viele Anhörungen durchgeführt –, aber ich warne
avor, dass wir als Parlament unsere Verantwortung ab-
eben. Wir müssen dazu stehen und dürfen nicht sagen:
ie Wissenschaftler haben uns das empfohlen.

Allerdings – ich komme zum Schluss – ist Ihr Antrag
einem Punkt hilfreich, und das ist der bilanzierende
esamtbericht. Wir als Union haben im letzten Jahr

elbst gefordert – das waren einige Kollegen von mir
nd auch ich –, dass die Unterrichtung des Parlaments
mfassender geschieht, dass vielleicht ein Ministerium
derführend beauftragt wird, aber dass wir ganzheitli-

her informiert werden, aus entwicklungspolitischer
icht, aus wirtschaftlicher Sicht und natürlich – das ist
isher auch immer sehr gut geschehen – aus verteidi-
ungspolitischer Sicht. Das halte ich für ganz entschei-
end.

Diesen Punkt aus Ihrem Antrag können wir mittragen,
ber die anderen Punkte aus nachvollziehbaren Gründen
icht. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen. Wir
ind aber offen für Vorschläge, wie wir die Unterrich-
ng des Parlaments verbessern können. Das ist die Auf-
ssung und Erwartung der Union. Aber es gilt: Sicher-





Roderich Kiesewetter


(A) )


)(B)

heitspolitik kann man nicht outsourcen und auch nicht
katalogisieren.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710525400

Das Wort hat der Kollege Groschek für die SPD-Frak-

tion.


Michael Groschek (SPD):
Rede ID: ID1710525500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich

glaube, Herr Kiesewetter hat mit dem letzten Punkt ei-
nen Hinweis darauf gegeben, wo die Schwachstelle beim
Antrag der Grünen ist. Bei der Überschrift fängt es an.
Die Prüfkriterien für einen Einsatz erinnern doch zu
stark an eine Katalogisierung, bei der es dann nach dem
Motto geht: Wenn acht von zehn Punkten gegeben sind,
dann ja; wenn es sieben und weniger sind, dann nein.


(Agnes Malczak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch!)


Darüber besteht bei uns noch Diskussionsbedarf. An-
sonsten finden wir den Antrag wichtig und richtig, was
die Verdichtung und die wachsende Transparenz von In-
formationen angeht.

Ich komme auf einen Punkt zu sprechen, bei dem wir
uns, zumindest wir aus dem Verteidigungsausschuss, an
die eigene Nase fassen müssen. Ich sehe den Herrn
Staatssekretär Kossendey und habe seine wiederholten
Mahnungen im Ohr, dass sich der Ausschuss doch bitte
einmal intensiv und zeitlich angemessen mit dem Stich-
wort „Atalanta“ befasst. Der Bitte ist der Ausschuss bis-
lang nur rhetorisch nickend, aber nicht de facto gefolgt.
Zur Wahrheit gehört, glaube ich, nicht nur die Informa-
tionspflicht der Bundesregierung, die in ihren Defiziten
hier richtig beschrieben ist, sondern auch das politische
Management von Ausschussdiskussionen, um unserer
Verantwortung auf der anderen Seite gerecht zu werden.
Wenn wir die Diskussionskultur so beleben, kommen
wir ein ganzes Stück weiter.

Jetzt konkret zum Antrag. Jeder Einsatz ist ein Uni-
kat. Das muss man bei den Einsätzen berücksichtigen.
Man kann eine Zustimmung nicht nach Schema F geben.
Ich komme zum Schluss noch auf eine andere Perspek-
tive zu sprechen, mit der man das Problem lösen kann.
Die Problembeschreibung wurde auch schon im Antrag
gegeben.

Ich finde, Herr Kiesewetter, Sie haben zu Unrecht auf
Rot-Grün gezeigt, nach dem Motto: Da war die CDU
schon weiter, angefangen beim Kosovo. – Ich denke, es
war schon eine gemeinsame Leistung, sich nach der Ver-
einigung in einem sehr schwierigen Prozess des Lear-
ning by Doing in der neuen Rolle gesteigerter Verant-
wortung zurechtzufinden und diese zu praktizieren.
Dann wurde ein Gesetz über die parlamentarische Betei-
ligung auf den Weg gebracht. Damit haben wir seit 2005
eine klare gesetzliche Grundlage, wie ein Beschluss mit
Parlamentsbeteiligung zu fassen ist. Auf dieses Gesetz
und auf unsere Erfahrungen können wir uns stützen.


(Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Richtig!)


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(C (D Bisher haben wir die Verpflichtung zur umfassenden formation. Wir haben die Verpflichtung, über Einsätze chon im Stadium der Vorplanung zu diskutieren. Aktull besteht das Problem: Welche Libyen-Einsätze werden on wem mit welcher Legitimation wo vorbereitet? (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as ist ein Hinweis darauf, dass aktuell Defizite festzu-
tellen sind. Wir haben Informationspflichten in Bezug
uf den jeweiligen Verlauf, und wir haben Informations-
flichten im Rahmen einer Jahresbilanz. Ich glaube,
iese bilanzierenden Berichte sind ein Pferdefuß; sie
erden noch nicht hinreichend praktiziert, und es be-

teht großer Nachholbedarf.

Die formale Obleuteunterrichtung ist in Ordnung,
ber sie kann nicht reichen. Die Parlamentsarmee ist ein
erfassungsgebot, und sie ist unteilbar. Es gibt keine Ar-
ee in der Armee und schon gar keine Armee neben der
rmee. Deshalb ist auch die KSK integraler Bestandteil
ieser Parlamentsarmee und entsprechend in ihrem Tun
nd Handeln rechenschaftspflichtig. Wir sind rechen-
chaftspflichtig, was die Wahrnehmung unserer Verant-
ortung gerade bei diesen Einsätzen angeht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das heißt aber auch, dass wir mit dieser Verantwor-
ng sorgfältig umgehen müssen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710525600

Kollege Groschek, gestatten Sie eine Frage des Kolle-

en Ströbele?


Michael Groschek (SPD):
Rede ID: ID1710525700

Bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Danke, Herr Kollege. – Da Sie gerade bei dieser

rage sind: Ich hatte nachgeschaut, seit wann der Kol-
ge Kiesewetter Mitglied dieses Hauses ist und ob er
as wissen kann; aber er kann es offenbar nicht wissen:
ie Verantwortung bezieht sich auf das ganze Parla-
ent, nicht auf einen Ausschuss und schon gar nicht auf

ie Obleute eines Ausschusses. Deshalb muss auch das
anze Parlament über alle Einsätze informiert werden.


(Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Ist das eine Zwischenfrage an mich, oder? – Heiterkeit bei der CDU/CSU)



Michael Groschek (SPD):
Rede ID: ID1710525800

Billard!


(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Die Frage kommt jetzt. – Ist Ihnen bekannt, dass das

undesverfassungsgericht in einer Entscheidung aus-
rücklich festgestellt hat, dass „Parlamentsarmee“ heißt:
ine dem gesamten Parlament verantwortliche Armee





Hans-Christian Ströbele


(A) )


)(B)

– das bedeutet, dass das gesamte Parlament informiert
werden muss –, und dass es nicht der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts entspricht, wenn die jetzige
Bundesregierung irrtümlicherweise meint, dass sie,
wenn sie einzelne Leute wie zum Beispiel Obleute infor-
miert hat, ihrer Informationspflicht ausreichend nachge-
kommen ist?


Michael Groschek (SPD):
Rede ID: ID1710525900

Kollege Ströbele, da kann ich Ihnen nur antworten:

Ja. Im Übrigen teile ich Ihre Einschätzung, dass die
Obleuteunterrichtung im Sinne dieser Rechtsprechung
nicht ausreichend ist.

Ich komme zum Antrag zurück. Ich war bei dem
Stichwort „wechselseitige Verantwortung“. Die Solda-
tinnen und Soldaten des KSK tragen ganz besondere Ri-
siken. Sie sind bei ihren Einsätzen unmittelbar mit tödli-
cher Bedrohung konfrontiert. Deshalb haben wir die
große Verantwortung, bei dem Bedürfnis, den gläsernen
Soldaten zu schaffen, Grenzen zu ziehen und zu akzep-
tieren. Die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten kann
nicht in Kompromissen zwischen Opposition und Regie-
rung verhandelt werden. Da muss man Fingerspitzenge-
fühl haben. Deshalb sagen wir Ja; aber nach Einsätzen
müssen die Grundzüge im Parlament evaluierbar und
kritisierbar sein, um im Zweifel Konsequenzen für künf-
tige Einsätze ziehen und im Rahmen parlamentarischer
Verantwortung korrigierend eingreifen zu können. Ich
habe Soldatinnen und Soldaten so kennengelernt, dass
sie gesagt haben: Die Parlamentsverantwortung ist ein
hohes Gut. Seitdem es gefährliche Auslandseinsätze
gibt, wissen wir, wie wichtig die Verantwortung des Par-
lamentes für uns im Einsatz ist. – Wir haben daher eine
Verpflichtung, dieser Verantwortung auch durch das Ein-
fordern neuer Informationsqualitäten bestmöglich nach-
zukommen.

Ich komme zum Punkt zwei, der uns wie das Einfor-
dern eines Kriterienkatalogs vorkommt. Wir sagen: Das
macht keinen Sinn. Wenn man den Punkt zwei mit dem
Punkt drei zusammennimmt, dann wird das eigentliche
Problem deutlich, das Sie mit diesen Instrumenten hilfs-
weise lösen wollen. Unser gemeinsames Problem ist das
Fehlen einer aktualisierbaren sicherheitspolitischen
Agenda. Es gibt viel Stückwerk und Schubladen neben-
einander. Wir leiden manchmal eher an zu viel parallel
laufender schriftlicher als an systematischer und zielge-
richteter Unterrichtung. Deshalb muss es unser gemein-
sames Interesse sein, eine sicherheitspolitische Agenda,
nationale Interessen beachtend, zu schaffen und in eine
europäische sowie in eine Bündnisperspektive – Stich-
wort „NATO“ – einzubetten.

Es gibt viele aktuelle Hinweise, die genau dieses De-
fizit belegen: angefangen von der Bundeswehrreform,
die ohne eine konzeptionelle Einbettung gestartet wurde,
bis hin zu der Diskussion über Libyen. Die Enthaltung
im Sicherheitsrat ist strategisch überhaupt nicht einzu-
ordnen, sondern sie erscheint wie ein Zufallsprodukt.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D as zeigt, dass wir ganz dringend eine Agenda der veretzten Sicherheitspolitik brauchen, die dann Grundlage r eine gemeinsame Formulierung sicherheitspoliti cher Schritte sein kann. Das ist der entscheidende unkt. Kollege Kiesewetter, Ihre Schlussbemerkung ielt in diese Richtung. Ich würde mich freuen, wenn wir den Ausschussdiskussionen über eine sicherheitspolische Agenda einen Verständigungsprozess organisieren önnten, wie er auch in manch anderen Bereichen mögch geworden ist. Ich will mir einen Hinweis noch erlauben. Bei den austeinen und Kriterien für eine denkbare Einsatzorintierung haben Sie ein wesentliches Merkmal vergesen, das aber unter anderem bei der Stimmenthaltung im icherheitsrat eine Rolle zu spielen schien. Das war der inweis darauf, dass wir nicht nur eine Verantwortung egenüber den Soldatinnen und Soldaten, die wir in den insatz schicken, haben, sondern dass wir auch eine geeinsame Verantwortung für die potenziellen Opfer ei er solchen Auseinandersetzung tragen, gleich welcher erkunft und unabhängig davon, ob sie in Uniform oder Zivil im Rahmen eines solchen Einsatzes sterben. an muss sich daher fragen, wie adäquat der Mittelein atz ist, wenn es gilt, Soldatinnen und Soldaten in den insatz zu schicken. Frau Keul, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grüen, wir hoffen, dass wir diesen Punkt in einem Diskusionsprozess auflösen können. Wir teilen Ihr Bedürfnis ach dichterer und transparenterer Information und apellieren an uns Parlamentarier, die Informationspflichn wahrzunehmen. Wir hoffen, dass wir beim Formulien einer sicherheitspolitischen Agenda einen Schritt ach vorne kommen; denn sie fehlt an allen Ecken und anten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710526000

Der Kollege Dr. Djir-Sarai hat für die FDP-Fraktion

as Wort.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Bijan Djir-Sarai (FDP):
Rede ID: ID1710526100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

olleginnen und Kollegen! Die Genehmigung neuer
uslandsmandate – das ist vorhin schon von allen Red-
ern gesagt worden – oder eine Einsatzverlängerung
egt nicht in der Hand der Regierung. Nein, die Ent-
cheidung, deutsche Soldaten in Auslandseinsätze zu
chicken, muss vom Parlament getroffen werden.

Die Parlamentsarmee ist deshalb ein starkes Symbol
r die demokratische Willensbildung und zeigt den gro-

en Einfluss des deutschen Parlaments. Dieses Privileg
t natürlich nicht nur mit Rechten, sondern auch mit
erpflichtungen verbunden. Dabei sind wir uns selbst-
erständlich der großen Verantwortung bewusst, die mit
em Parlamentsbeteiligungsgesetz einhergeht. Die Grund-
oraussetzung für eine gewissenhafte Entscheidung ist
ie sehr gute Versorgung mit Informationen, Informatio-





Dr. Bijan Djir-Sarai


(A) )


)(B)

nen zu Situationen im Einsatzgebiet, Informationen zum
Zweck des Einsatzes oder zur Einsatzgestaltung.

Jede einzelne Einsatzentscheidung muss im Vorfeld
genauestens analysiert werden. Aus diesem Grunde ver-
sorgt uns die Bundesregierung auf vielfältige Weise mit
den wichtigsten Informationen dazu. Die Bundesregie-
rung fokussiert in der wöchentlichen Ausgabe der „Un-
terrichtung des Parlaments“ eine zeitnahe Unterrichtung
zu den laufenden Bundeswehreinsätzen. Damit wird al-
len interessierten Parlamentariern die Möglichkeit zur
Beobachtung der verschiedenen Einsätze gegeben.

Ich halte den Aspekt der Aktualität für besonders
wichtig. Deshalb begrüße ich die derzeitige Gestaltung
der Unterrichtung sehr. Ein Gesamtbericht, wie er vom
Antragsteller gefordert wurde, kann nicht im Sinne einer
zeitnahen Erfassung der Lage sein; das haben wir bereits
bei anderen Diskussionen festgestellt. Der geforderte
zeitnahe Evaluierungsbericht kann auch nicht im Sinne
einer rationalen Beurteilung des Einsatzes betrachtet
werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ein Evaluierungsbericht würde höchstens dann Sinn ma-
chen, wenn er mittel- bis langfristig ausgerichtet wird.
Der Erfolg der meisten Einsätze der Bundeswehr lässt
sich nämlich erst im Laufe der Zeit erkennen; das ist die
Realität.

Schon allein die Forderungen nach einem Kriterien-
katalog sowie nach konkreten und überprüfbaren Ziel-
vorgaben in diesem Antrag führen aufs Glatteis. Wie die
Fachpolitiker unter uns wissen, finden sich in der Ge-
schichte keine zwei exakt gleichen Auslandseinsätze
wieder. Jeder Einsatz ist speziell und ist mit speziellen
Herausforderungen verbunden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aus diesem Grund kann ein einzelner Kriterienkatalog
niemals die Komplexität der Situation angemessen wi-
derspiegeln. Jeder Einsatz muss individuell betrachtet
werden und darf nicht durch ein uniformes Raster gestri-
chen werden.

Konkrete und überprüfbare Zielvorgaben sind natür-
lich insbesondere im Militärbereich leicht aufzustellen.
Die Frage, die sich stellt, ist jedoch: Wie sinnvoll ist ein
solches Vorgehen? Ich bin davon überzeugt, dass das
nicht sonderlich sinnvoll ist, denn alle quantifizierbaren
Erfolge lassen in keinem Fall Rückschlüsse auf zivilge-
sellschaftliche Erfolge von Auslandseinsätzen zu. Der
Einfluss des Einsatzes auf die Regierungsführung, die
politische Stabilität eines Landes oder das Vertrauen der
Bevölkerung in eine Verbesserung der Lage können mit-
tels der in diesem Antrag vorgeschlagenen Maßnahmen
nicht beurteilt werden.

Deutlich beurteilt werden kann aber die Forderung im
Antrag nach einem unabhängigen Expertengremium. Es
handelt sich hierbei um die Berichtsfunktion dieses Gre-
miums. Die Aufstellung eines Mandats sowie die Beurtei-
lung und Unterrichtung über Auslandseinsätze deutscher
Soldaten sind ureigene Aufgaben der Bundesregierung.

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(C (D n dieser Stelle haben Dritte keine Legitimation zu erarten. Hier darf und wird keine Ausgliederung der Ver ntwortung stattfinden; mein Kollege hat das vorhin geagt. icherheitspolitik kann nicht ausgegliedert werden. Ich kann zusammenfassend sagen: Einige der Fordengen der Antragsteller erfüllt die Bundesregierung beits in hohem Maße. Die anderen Forderungen, die in rem Antrag enthalten sind, können bei aller wohlgeeinten Intention nicht rational umgesetzt werden. Bei llem Verständnis: Die geplante Umsetzung ist so nicht öglich. Der Antrag ist daher abzulehnen. Lassen Sie mich zum Schluss eine persönliche Beerkung machen. Sie haben das Thema Afghanistan und en Fortschrittsbericht angesprochen. Sie haben all die ahre natürlich darüber geredet, aber wir haben letztendch gehandelt. Wir haben geliefert, nicht Sie. Herzlichen Dank. Das Wort hat der Kollege Gehrcke für die Fraktion ie Linke. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! h habe die ganze Zeit geknobelt: Wie argumentiere ich ei diesem Antrag? Ich habe bislang keinem Auslandeinsatz zugestimmt und habe auch nicht vor, das zu mahen. Ich bin stolz darauf, dass dies nicht nur eine indiviuelle Haltung ist, sondern auch die Haltung meiner raktion: Wir haben keinem Auslandseinsatz zugetimmt und werden es auch nicht tun. (Beifall bei der LINKEN – Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Dann brauchen Sie auch keine Kriterien!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710526200

(Beifall bei der LINKEN)

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710526300

Eben. Das war ja mein Problem.

Im Antrag werden jetzt Prüfkriterien präsentiert. Ich
in trotz meiner grundsätzlichen Position, die ich gerade
eutlich gemacht habe, dafür, dass man ernsthaft darüber
det. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Mich persön-
ch bewegen hier zwei Motive: Erstens. Ich will mit sol-
hen Prüfkriterien die Zustimmung zu Auslandseinsät-
en der Bundeswehr schwerer, wenn nicht sogar
nmöglich machen. Das kann man erreichen, wenn man
s schlau anfängt. Zweitens. Ich möchte eine Kräftever-
chiebung mit befördern, weg vom Regierungshandeln,
in zu den Parlamentsrechten. Das ist hier immer um-
tritten gewesen. Das sind die Motive, die mich bewe-
en, überhaupt ernsthaft bei dieser Frage mitzudiskutie-
n. Man kann sich verschiedene Sachen anschauen, die
Antrag enthalten sind.

Der erste Punkt, bei dem ich glaube, dass der Antrag
öllig berechtigt ist, ist folgender: Ich halte die Unter-





Wolfgang Gehrcke


(A) )


)(B)

richtung des Parlaments über die Auslandseinsätze in-
haltlich wie formal für völlig ungenügend und nicht zu
akzeptieren.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Auch die Sonderbehandlung, das Obleutesystem – die
Fraktionsvorsitzenden haben dem ja zugestimmt –, halte
ich für völlig inakzeptabel. Man erfährt nämlich über-
haupt nichts. Wir werden morgen um 7.30 Uhr wieder
im U-Boot im Verteidigungsministerium sitzen. Dann
glaubt man, man hat etwas erfahren, geht raus, geht ins
Cafe, weil man nicht mitschreiben kann, guckt sich an,
was man erfahren hat, und stellt fest: Es stand alles
schon in der Zeitung. Die Regierung informiert nicht
vernünftig. Sie informiert nicht präzise.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte auch nicht, dass zwei Kategorien von Ab-
geordneten entstehen, Abgeordnete, die etwas erfahren,
und Abgeordnete, denen etwas verschwiegen wird. Die-
jenigen, die etwas erfahren, werden sogar unter Druck
gesetzt und dürfen noch nicht einmal ihren Kollegen in
den Ausschüssen mitteilen, was sie erfahren haben. Es
ist absurd, wenn man gefragt wird: „Wie ist es mit der
KSK?“, und man noch nicht einmal sagen darf, ob die da
oder nicht da sind, weil selbst das geheim ist. Das muss
unbedingt geändert werden.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich halte es auch für völlig inakzeptabel, dass man
erst jetzt über eine Bilanzierung von Auslandseinsätzen
redet. Dieses Parlament hat Auslandseinsatz auf Aus-
landseinsatz beschlossen. Aber keiner hat am Ende wirk-
lich kritisch nachgefragt: Welches sind die Ergebnisse
der Einsätze? Was ist moralisch, politisch, menschlich
zerstört worden? Was ist mit den Einsätzen erreicht wor-
den? Auch das halte ich für völlig inakzeptabel.

Ich möchte auch gern, dass am Parlamentsbeteili-
gungsgesetz Veränderungen vorgenommen werden. Dar-
über müsste man ernsthaft reden. Das Parlament muss
ein größeres Recht erhalten, Auslandseinsätze zu been-
den – auch mitten im Einsatz – und die Armee zurückzu-
holen.


(Beifall bei der LINKEN – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Recht hat es ja!)


Es muss das Recht haben, solche Auslandseinsätze zu
verbieten. Wir diskutieren doch nicht im luftleeren
Raum. Schauen wir uns einmal das Trauerspiel um den
Libyen-Einsatz an. Das ist doch eine Katastrophe, was
dort abläuft.

Bei der Beschlussfassung müssen die Fraktionen das
Recht haben, zu Anträgen der Bundesregierung Alterna-
tivanträge zu stellen. Wir haben ja nur das Recht, Ja oder
Nein zu sagen. Außer einer Entschließung gibt es keine
materiellen Rechte. Ich glaube, dass man über solche
Fragen reden muss.

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(C (D Zum Schluss, liebe Kollegen der Grünen: Als ich Ihn Antrag gelesen habe, habe ich mich an meinen Liebngsroman erinnert: Die Abenteuer des braven Soldaten chwejk. Schwejk war entschieden dafür, dass der Krieg egeln erhält. Ich bin entschieden dafür, dass der Frieen Regeln erhält. Sie hatten einmal gute Positionen. enn Sie ordentlich arbeiten und wieder darauf zurück ommen, wäre das ein echter Fortschritt in diesem ause. Danke sehr. Das Wort hat der Kollege Dr. Brandl für die Unions aktion. Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle en! Die Entscheidungen über Auslandseinsätze, die wir ier in diesem Saal zu treffen haben, sind mit die chwerwiegendsten Entscheidungen, die von diesen Abeordneten zu treffen sind. Schwerwiegend sind sie beonders deshalb, weil es neben den politischen Fragen uch ethische Aspekte des Handelns und des Nichthanelns abzuwägen gilt, und zwar in jedem einzelnen Fall. ie Kollegen haben es vorhin angesprochen: Jeder Fall t anders. Wenn wir eines aus der Geschichte lernen können, ann ist es doch, dass wir heute nicht vorhersehen könen, vor welchen Fragen wir in einem Jahr, geschweige enn in fünf oder in zehn Jahren stehen. Die Situation in ibyen ist heute doch ganz anders gelagert, als sie daals in Afghanistan war oder wie sie auf dem Balkan ar. Die Situation war vor einem Jahr auch nicht vorher ehbar. Klar ist, dass unsere Entscheidungen weder nach auen noch nach innen willkürlich wirken dürfen. Wir rauchen für unsere Außenpolitik und die Entscheidunen über Auslandseinsätze eine klare politische, wertrientierte Linie. Die Frage ist, inwieweit wir diese Linie nhand einer Checkliste in die Zukunft vorzeichnen könen. Meine Einschätzung dazu ist: Angesichts der Komlexität und der Unterschiedlichkeit der einzelnen insätze und der einzelnen Anfragen, die uns gestellt urden, muss man sagen: Wir können es nicht. Natürlich gibt es politische Leitplanken, an denen wir ns orientieren können, wie zum Beispiel das Vorhanensein eines völkerrechtlichen Mandats. Der Kollege iesewetter hat vorhin in seiner Rede sechs weitere sol her Leitplanken genannt. Vermutlich, Frau Kollegin eul, haben Sie in Ihren Fraktionen – – (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe nur eine!)


(Beifall bei der LINKEN)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710526400

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Reinhard Brandl (CSU):
Rede ID: ID1710526500

Ich habe gleichzeitig auch die SPD gemeint. Es tut mir
id.





Dr. Reinhard Brandl


(A) )


)(B)


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Katja Keul [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist ja auch fast das Gleiche!)


Vermutlich haben Sie, Frau Kollegin Keul und Herr Kol-
lege Groschek, in Ihren Fraktionen ähnliche oder andere
Punkte, an denen Sie sich orientieren. Das ist auch rich-
tig.

Ich stimme Ihnen und dem Kollegen Kiesewetter zu,
dass wir in der Frage der Unterrichtung des Parlaments
eine ganzheitliche, ressortübergreifende Information
brauchen. Wir können heute aber nicht festschreiben,
welche Kriterien mit welcher Gewichtung in einem nicht
bekannten Fall in der Zukunft maßgeblich sein sollen.
Wenn ich dann irgendwann einmal zu einem Einsatz
Nein sage,


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Na gut, machen Sie doch!)


dann will ich mir auch nicht vorhalten lassen: Aber du
musst doch, alle Kriterien, denen du damals zugestimmt
hast, sind erfüllt.


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist damit nicht gemeint!)


Jenseits aller politischen Kriterien ist eine solche Ent-
scheidung immer auch eine Gewissensentscheidung. Die
Freiheit dazu möchte ich mir nicht nehmen lassen.


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die will ich Ihnen auch nicht nehmen!)


Welche Leitlinien für das Gewissen gelten, muss jeder
Abgeordnete mit sich selbst vereinbaren. Auch das ist
nicht einfach.

Der Herr Kollege Kiesewetter hat heute eine Reihe
von politischen Kriterien hergeleitet.


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leitplanken! – Roderich Kiesewetter [CDU/ CSU]: Bausteine!)


– Ob Sie es Kriterien oder Leitplanken nennen, Frau
Kollegin Keul, ist eigentlich egal. – Es geht uns darum,
dass es keine Checklisten gibt, an denen man abhaken
kann: 80 Prozent sind erfüllt, was machen wir dann?
Stimmen wir zu, oder stimmen wir nicht zu?


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da steht auch nicht „Checklisten für Bundeswehr-Auslandseinsätze“!)


– Ja, da steht „Prüfkriterien“. Aber wenn Sie den Antrag
lesen, sehen Sie, dass genau das darin steht.

Es gibt neben den politischen Leitplanken, die Herr
Kollege Kieswetter angesprochen hat, auch noch ethi-
sche Leitplanken. Für mich persönlich war es sehr hilf-
reich, dass sich auch die Kirchen mit diesem Thema in-
tensiv beschäftigt haben. Bevor ich ins Parlament kam,
war mir das gar nicht so sehr bewusst. Ich habe danach
das Hirtenwort der Deutschen Bischofskonferenz „Ge-
rechter Friede“ gelesen. Darin wird die Gewaltanwen-

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(C (D ung als letztes Mittel der Politik als nur dann zulässig eschrieben, wenn sie zeitlich begrenzt ist, mit klarer ielsetzung auf das internationale Gemeinwohl ausgechtet ist (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na bitte!)


nd in der Verantwortung einer internationalen Autori-
t, das heißt der Vereinten Nationen, erfolgt. Alle ande-
n Mittel müssen entweder unanwendbar oder unwirk-

am sein. Der Waffeneinsatz darf nicht mehr Übel
ervorbringen als das zu beseitigende Übel selbst.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr richtig!)


Aber, Frau Kollegin Keul, auch das sind nur Leitplan-
en, die uns die konkrete Entscheidung im Einzelfall
icht abnehmen. Über den jeweiligen Einzelfall müssen
ir selbst nach bestem Wissen und Gewissen entschei-
en.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710526600

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
rucksache 17/5099 an die in der Tagesordnung aufge-
hrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-

erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 10 a und 10 b auf:

a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Vormundschafts- und
Betreuungsrechts

– Drucksache 17/3617 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses (6. Ausschuss)


– Drucksache 17/5512 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Andrea Astrid Voßhoff
Sonja Steffen
Stephan Thomae
Jörn Wunderlich
Ingrid Hönlinger

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Sonja Steffen,
Christine Lambrecht, Dr. Peter Danckert, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Änderung des Vormundschaftsrechts und wei-
tere familienrechtliche Maßnahmen

– Drucksachen 17/2411, 17/5512 –





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) )


)(B)

Berichterstattung:
Abgeordnete Andrea Astrid Voßhoff
Sonja Steffen
Stephan Thomae
Jörn Wunderlich
Ingrid Hönlinger

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Stephan Thomae für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Stephan Thomae (FDP):
Rede ID: ID1710526700

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen! Verehrte

Kollegen! Am 10. Oktober 2006 machten Polizeibeamte
in Bremen einen grausigen Fund: Sie entdeckten im
Kühlschrank der Wohnung eines drogenabhängigen Va-
ters die Leiche eines kleinen Kindes.

Der kleine Kevin, geboren im Januar 2004, hat in sei-
nem kurzen Leben Bekanntschaft gemacht mit Kliniken,
mit Heimen, mit Sozialarbeitern, aber die notwendige
Fürsorge hat er nicht erfahren. Als Kevin acht Monate
alt war, äußerte die Polizei gegenüber dem Jugendamt
den Verdacht auf einen gravierenden Fall der Kindes-
misshandlung. Als Kevin neun Monate alt war, wurde er
mit Knochenbrüchen ins Krankenhaus eingeliefert. Als
Kevin elf Monate alt war, kam er in die Obhut eines Kin-
derheimes. Als er 18 Monate alt war, starb seine drogen-
süchtige Mutter. Das Jugendamt erhielt die Vormund-
schaft über ihn, und er wurde zurück in die Obhut seines
Vaters gegeben. Im Oktober 2006 wurde seine Leiche im
Kühlschrank des Vaters gefunden.

Wir haben in der Politik die Aufgabe, die Konsequen-
zen hieraus zu ziehen, indem wir zunächst die Ursachen
eines solchen Falles analysieren und ihn einer genauen
Betrachtung unterziehen. Der Vater nahm Termine, die
das Jugendamt anberaumt hatte, nicht mehr wahr. Der
Amtsvormund, der für Kevin verantwortlich war, hatte
200 Vormundschaftsfälle zu betreuen. Er hatte kaum
persönlichen Kontakt zu seinem Mündel, was bei dieser
großen Fallanzahl, die er zu bewältigen hatte, fast nicht
verwundern kann. Kevin füllte eine dicke Akte beim Ju-
gendamt; aber diese dicke Akte konnte sein kurzes Le-
ben nicht retten.

Die Regierung und wir als Gesetzgeber wollen heute
mit der zweiten und dritten Beratung eines Gesetzes zur
Verbesserung der Vormundschaftsregelungen die Konse-
quenzen daraus ziehen. Es gibt zwei wichtige Punkte,
derer wir uns heute in dem Ihnen vorliegenden Entwurf
der Bundesregierung annehmen wollen.

Punkt eins betrifft die Regelung, dass ein Vormund
ein Mündel in der Regel einmal monatlich in seiner ge-
wöhnlichen Umgebung, also zu Hause, besuchen muss.
Im Einzelfall kann das auch mehr oder weniger häufig
sein. Es kann auch in Betracht kommen, dass dieser
Kontakt an anderen Orten stattfindet. Dieser Punkt, dass

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(C (D er Kontakt nicht unbedingt zu Hause stattfinden muss, t in Ihrem Antrag ebenso enthalten wie im Gesetzenturf der Regierung; Frau Kollegin Steffen wird sich achher noch dazu äußern. Im Einzelfall kann von dieser egel abgewichen werden. Wir haben Vertrauen zu den itarbeitern der Jugendämter, dass sie bestimmen kön en, wo ein problemloser oder ein problembehafteter all vorliegt. Wir wollen hier die Jugendämter nicht in in zu enges Korsett zwängen. Punkt zwei. Wir wollen die Fallzahl pro Amtsvorund auf 50 begrenzen. Der Antrag der SPD-Fraktion ieht eine Begrenzung auf 40 Fälle vor. Man kann natürch immer eine Unterbietung vornehmen. Egal wo man iese Grenze ansetzt, kann man immer versuchen, diese ahl zu unterbieten. Der Hintergrund ist aber der, dass ir in vielen Bundesländern gute Erfahrungen mit einer egrenzung auf 50 Fälle gemacht haben. Wir haben Verauen in die Mitarbeiter der Jugendämter, dass sie mit ieser Größenordnung verantwortungsvoll umgehen önnen. Bei 200 Fällen allerdings – das ist uns allen klar – ist in verantwortungsvoller Kontakt auch für den fürsorgchsten und gewissenhaftesten Mitarbeiter nicht mehr öglich. Da ist auch der fürsorglichste Jugendamtsmit rbeiter überlastet. Das Problem liegt also nicht in dem nterschied zwischen 40 und 50 Fällen, sondern in dem wischen 50 und 200 Fällen. Dieses Problem lösen wir it unserem Gesetzentwurf. Eine geringfügige Über chneidung ist, glaube ich, nicht das Problem. Das ist der ernpunkt, in dem wir uns – darüber freue ich mich sehr – diesem Hohen Hause weitgehend einig sind. Das sind die beiden Kernpunkte des heute zu verabchiedenden Gesetzentwurfs. Ich erlaube mir, abschließend einen Ausblick zu geen; denn wir wollen nicht bei dem stehen bleiben, was ir heute zur Vermeidung von Fällen wie dem von evin beschließen wollen. Im Zusammenhang mit den ormündern wollen wir auch eine Leitbilddiskussion hren. Diesbezüglich wollen wir weitere Korrekturen ornehmen, zum Beispiel bei der Frage, ob ein Vormund uch das Sorgerecht für seine Mündel erhalten soll. Das ürde eine Änderung des § 1800 BGB bedeuten. Wir ollen auch darüber diskutieren, ob ein Vormund in gechtlichen Verfahren als Beteiligter zwingend angehört erden muss. All das wollen wir weiter besprechen. Wir wollen uns den Anregungen, die vonseiten der pposition kommen werden, nicht verschließen. Im ahmen des Gesetzesvorhabens, das heute auf der genda steht, haben wir alle Anregungen aufgenommen. n dieser Stelle möchte ich deshalb allen Kolleginnen nd Kollegen aus den Koalitionsfraktionen und den Opositionsfraktionen meinen Dank für die konstruktive itwirkung bei diesem, wie ich meine, auch menschlich ehr wichtigen Gesetzesvorhaben aussprechen. Im Anchluss an den Dank möchte ich die Bitte aussprechen, ass der heute vorliegende Gesetzentwurf in diesem Parment eine breite Zustimmung erfährt. Vielen Dank. )


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)





(A) )


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710526800

Das Wort hat die Kollegin Sonja Steffen von der

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Sonja Steffen (SPD):
Rede ID: ID1710526900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! In einem Punkt sind wir uns fraktionsüber-
greifend einig: Der Schutz unserer Kinder hat oberste
Priorität, und der Gesetzgeber muss alles daransetzen,
dass Fälle wie der des kleinen Kevin, dessen trauriges
Schicksal Herr Thomae uns vorhin geschildert hat, zu-
künftig verhindert werden,


(Beifall bei der SPD)


jedenfalls soweit dies mit staatlicher Hilfe möglich ist.

Wir begrüßen daher jede gesetzliche Änderung, die
dazu dient, die Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht
gegenüber Kindern zu verbessern. Vormünder spielen in
diesem Bereich eine ganz zentrale Rolle. Im Fall von
Kevin – auch das hat der Kollege Thomae vorhin schon
gesagt – kamen auf zweieinhalb Planstellen bei der
Sozialbehörde rund 650 Mündel. Das bedeutet für jeden
Vormund 260 zu betreuende Kinder. Eine verantwor-
tungsvolle Wahrnehmung der mit einer Vormundschaft
verbundenen Aufgaben ist unter solchen Umständen un-
möglich.


(Beifall bei der SPD)


Zu Recht stehen daher bei dem vorliegenden Gesetz-
entwurf der persönliche Kontakt mit dem Mündel und
die Begrenzung der Vormundschaftsfälle im Vorder-
grund. Allerdings sind wir uns nicht mehr einig – darauf
haben Sie schon hingewiesen –, wenn es um die kon-
krete Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen geht,
insbesondere wenn es um die Fallobergrenze geht.

In dem vorliegenden Gesetzentwurf heißt es, dass ein
vollzeitbeschäftigter Beamter oder Angestellter höchs-
tens 50 Vormundschaften führen soll. „Soll“ in einer ge-
setzlichen Regelung heißt zwar in der Regel „muss“;
Überschreitungen sind in Ausnahmefällen jedoch mög-
lich. Aus unserer Sicht wäre hier eine Mussvorschrift er-
forderlich gewesen, um eine tatsächliche Schallgrenze
zu setzen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Ingrid Hönlinger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir bleiben daher bei der Forderung unseres heute eben-
falls zur Abstimmung vorliegenden Antrags, die Ober-
grenze auf 40 Vormundschaften in Form einer Mussvor-
schrift festzulegen.


(Beifall bei der SPD)


Die Aussagen der Sachverständigen in der öffentli-
chen Anhörung – viele von uns waren dabei – haben uns
in dieser Position bestärkt; denn es bestanden aufseiten
der Experten große Zweifel im Hinblick auf die prakti-
sche Einhaltung der Fallobergrenze und der Durchfüh-
rung des gleichzeitig vorgeschriebenen monatlichen

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(C (D ontaktes. Ich will Ihnen das einmal anhand eines Zahnbeispiels erklären: Ein vollzeitarbeitender Vormund it 50 Mündeln müsste nach Ihren Vorgaben zum mo atlichen persönlichen Kontakt pro Jahr 600 Besuche oranisieren. Bei 220 Arbeitstagen bedeutet das, dass pro ag zwei bis drei Mündel besucht werden müssen. Wenn an bedenkt, dass jeder Besuch der Planung bedarf, dass ich viele Mündel weit weg von der Behörde aufhalten, ass sie in Pflegefamilien oder in Heimen untergebracht ind, dann wird klar, dass das im Grunde genommen aum möglich ist. Es kann sich nur um sehr kurze Konollbesuche handeln, die den unterschiedlichen Situatioen, in denen sich die Mündel befinden, und der Persoensorge nicht gerecht werden können. Vor diesem raktischen Hintergrund wurde der monatliche Kontakt vorliegenden Entwurf – auch das haben Sie schon geagt – als Regelausnahmevorschrift ausgestaltet. Das sst natürlich einen Freiraum zu. Wie sich dieser Freium in der Praxis allerdings tatsächlich auswirken wird, leibt abzuwarten. Wir hätten uns hier eine stärker am ohl des Mündels orientierte Vorschrift mit einem klar stgeschriebenen vierteljährlichen Kontakt gewünscht. Denn die Notwendigkeit und das Bedürfnis nach ontakt richten sich nach der individuellen Fallgestalng. Die Kontakte sind vom Einzelfall und von der Siation vor Ort abhängig. Ausschlaggebend für die Innsität der persönlichen Kontakte zwischen Vormund nd Kind sollte immer der Bedarf des Kindes sein. Anererseits sollte gewährleistet sein, dass der Vormund uch bei augenscheinlich unproblematischen Situationen Lebensbereich des Kindes regelmäßige Besuche vorimmt; denn die Neuregelung soll es dem Mündel eröglichen, in seinem Vormund eine zuverlässige Be ugsperson zu finden. Die Umsetzung eines monatlichen ontaktes läuft Gefahr, für den Vormund und für das ündel zu einer oft nicht nötigen Pflichtveranstaltung u werden. Den Vormündern ist hier ein größerer zeitliher Spielraum innerhalb verbindlicher und praktisch erichbarer Eckdaten zu überlassen. Die Einführung einer als Mussvorschrift festgeschrieenen vierteljährlichen Regelung wäre aus unserer Sicht ielführender gewesen als ein im Regelfall monatlicher ontakt, der vermutlich schon bald eine Ausnahme sein ird. Um auch hier noch einmal ein Rechenbeispiel zu ringen: Bei unserem Vorschlag, vierteljährlicher Konkt und Fallzahlobergrenze 40, wäre es möglich, einen esuch pro Arbeitstag zu organisieren. Dann findet man u vernünftigen Lösungen. Einige der in unserem Antrag angeregten Änderunen, wie beispielsweise die Einführung eines Anhöngsrechts für den Vormund vor dem Familiengericht, at das BMJ mit dem Hinweis auf die geplante Gesamtform des Vormundschaftsrechts vorerst abgelehnt bzw. erschoben. Herr Thomae hat hier schon eine Diskusion angekündigt. Wir hoffen, dass wir in der Opposition ns dort einbringen können. Sie können sich sicher sein, ass wir dies an der einen oder anderen Stelle mit Nachruck versuchen und hoffentlich auch erfolgreich tun Sonja Steffen )


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)





(A) )

werden. Denn es bleibt noch einiges zu tun, wenn wir
die Vormundschaft und die Betreuung grundsätzlich ver-
bessern wollen.

Es gibt noch ein weiteres Problem. Es bleibt schließ-
lich offen, inwiefern der Bundesrat bei der Verabschie-
dung des vorliegenden Gesetzentwurfes mitzureden hat.
Nicht nur der Bundesrat, auch der Wissenschaftliche
Dienst des Deutschen Bundestages geht bei dem Gesetz-
entwurf von einer Zustimmungspflicht aus. Die Bundes-
regierung bleibt jedoch bei ihrer Haltung, dass der Bun-
desrat nicht zustimmen muss. Wir befürchten daher, dass
der Gesetzentwurf an der Zustimmungspflicht des Bun-
desrates scheitern könnte. Es wäre daher vielleicht klü-
ger gewesen, sich im laufenden Reformverfahren mit
den Ländern zusammenzusetzen,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


um eine bessere Praktikabilität des Gesetzes und damit
eine breite Zustimmung auf Länderebene zu erreichen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, insgesamt –
darin sind wir uns einig; das möchte ich hier noch ein-
mal betonen – geht der Gesetzentwurf mit seiner Absicht
des stärkeren Kinderschutzes in die richtige Richtung.
Allerdings geht er uns nicht weit genug. Deshalb werden
wir uns bei der Abstimmung enthalten.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710527000

Das Wort hat jetzt die Kollegin Ute Granold von der

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Ute Granold (CDU):
Rede ID: ID1710527100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

befassen uns heute mit einer Gesetzesänderung zum Vor-
mundschafts- und Betreuungsrecht. Wir haben in den
letzten Wochen, denke ich, auf sehr sachlicher Basis ver-
sucht, hier gemeinsam einen Weg zu finden, einen ersten
Schritt zu tun. Ich denke, er geht in die richtige Rich-
tung. Es geht um das Wohl und die Interessen minder-
jähriger Kinder, die unter Vormundschaft stehen. Es geht
um Menschen, die des besonderen Schutzes des Staates
bedürfen. Es geht um Kevin und viele andere Kinder, die
ein ähnliches Schicksal erlitten haben. Es geht bei die-
sem Gesetz darum, Vernachlässigung und Missbrauch
rechtzeitig zu erkennen und verhindern zu helfen.

Die Vormundschaft umfasst die gesamte elterliche
Sorge, das heißt Fälle, wo den Eltern die Sorge entzogen
und diese in der Regel auf das Jugendamt übertragen
wurde. Wir hatten in Deutschland 2007 30 547 Fälle,
2009 waren es 31 082 Fälle.

Wir haben in der letzten Wahlperiode einiges in die-
sem Bereich getan. Ich erinnere daran: § 1666 BGB, das
Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnah-
men bei der Gefährdung des Kindeswohls. Vorher sah

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(C (D ie Praxis so aus, dass, wenn ein Gericht eingeschaltet urde, das letzte Mittel im Entzug der elterlichen Sorge estand. Wir wollten die Möglichkeit schaffen, dass die erichte schon früher eingeschaltet werden. Wir wollten in möglichst frühes und niederschwelliges Tätigweren, das für die Kinder und für die Eltern gut ist. So wuren zum Beispiel das Gebot, für die Einhaltung der chulpflicht zu sorgen, und das Gebot, Leistungen der inderund Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen, eingehrt. Ich denke, in diesem Bereich ist das materielle echt zum Positiven geändert worden. Im Anschluss daran haben wir das Familienverfahnsgesetz in Kraft gesetzt – das FGG haben wir aufge oben – und damit begleitend dazu beigetragen, dass den erfahren, die Kinder betreffen, Vorrang eingeräumt ird. Sie müssen innerhalb eines Monats durchgeführt erden. Damit haben wir ein Vorrangund Beschleuniungsgebot in das Gesetz aufgenommen. An dieser Stelle ist es ganz wichtig, darauf hinzuweien, dass die allermeisten Eltern ihrer Sorgepflicht nachommen, ihre Kinder verantwortlich erziehen und sie ebevoll betreuen und versorgen. Der Schutzauftrag des taates ist den Fällen vorbehalten, in denen es im jeweigen Elternhaus Defizite gibt. Wir haben einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf rkannt, sowohl aufgrund der Empfehlungen der Arbeitsruppe, die vom Justizministerium eingesetzt wurde, achdem wir den § 1666 BGB geändert haben, als auch ufgrund der Evaluierung des Betreuungsrechtänderungsesetzes, das wir in der letzten Wahlperiode auf den Weg ebracht haben. Der zentrale Punkt – er wurde schon angesprochen – t der persönliche Kontakt des Vormundes zum Mündel zw. des Betreuers zu seinem Schützling, dem Betreun. Dieser Kontakt muss im Gesetz verankert werden. as ist für uns ein wichtiger Punkt, der sofort umgesetzt erden soll. Hinzu kommt, dass dieser Kontakt auch kontrolliert ird; dies muss deshalb auch in den jährlichen Bericht es Vormundes, des Betreuers, aufgenommen werden. In inem weiteren Schritt untersteht das Ganze der Konolle, der Aufsicht durch das Familiengericht. Weil uns ies so wichtig ist, haben wir festgelegt: Wenn der perönliche Kontakt im Falle der Betreuung nicht eingehaln wird, ist dies ein Grund, den Betreuer zu entlassen. Ebenso bedeutsam wie der persönliche Kontakt ist die egrenzung der Zahl der Mündel, um die sich ein Vorund zu kümmern hat. Wir haben im Rechtsausschuss ine umfassende Anhörung durchgeführt; das wurde chon angesprochen. In Anbetracht der Ergebnisse dieer Anhörung haben wir einige Änderungen am Gesetzntwurf der Koalitionsfraktionen vorgenommen. Auch nter Einbeziehung der Änderungsanträge von SPD und inken haben wir dem Rechtsausschuss einen Bechlussvorschlag vorgelegt, von dem wir denken, dass ir ihn umsetzen können. Dabei war für uns der alleiige Maßstab das Wohl des Kindes bzw. des Mündels. Der persönliche Kontakt wurde bereits angesprochen. ir haben im Gesetz die Regelung getroffen, dass der Ute Granold )





(A) )

Kontakt im Regelfall monatlich zu erfolgen hat, dass im
Einzelfall aber auch kürzere oder längere Besuchsab-
stände erforderlich sein können. Das Interesse des Kin-
des und die Situation des Mündels sollen bei der jeweili-
gen Regelung berücksichtigt werden, und die notwen-
dige Flexibilität soll gewährleistet sein.

Weil uns sehr wichtig ist, dass der Kontakt in der Pra-
xis tatsächlich erfolgt, haben wir festgelegt, dass die
Fallzahl auf 50 Vormundschaften pro Vormund begrenzt
ist. Diese Fallzahl ist auch von den Sachverständigen in
der Anhörung als praktikabel beurteilt worden; diese Re-
gelung muss von den Jugendämtern umgesetzt werden.
Es sind also nicht 200 oder, wie es zurzeit durchschnitt-
lich der Fall ist, 120 Vormundschaften pro Vormund,
sondern 50. Hätten wir die Fallzahl auf 40 festgelegt,
hätten Sie vielleicht 30 gefordert. Wir meinen, die Be-
grenzung auf 50 Vormundschaften pro Vormund ist in
Ordnung.

Wir haben diese Regelung als Sollvorschrift ausge-
staltet, das heißt, 50 Vormundschaften pro Vormund sind
der Regelfall. Wenn es aus jugendamtsinternen Gründen
für kurze Zeit ein oder zwei Fälle mehr sein sollten, dann
ist auch dies akzeptabel. Aber grundsätzlich ist die Zahl
der Vormundschaften pro Vormund auf 50 begrenzt. Diese
Begrenzung ist für uns unverzichtbar und stellt die abso-
lute Obergrenze dar. Wenn Sie dies als „Schallmauer“
bezeichnen wollen – auch in der Anhörung hieß es, die
Fallzahl 50 sei akzeptabel, da realistisch und umsetzbar –,
dann soll es so sein.

Wir haben deutlich gemacht, dass wir alles Weitere,
worüber wir diskutiert haben, gemeinsam mit der Oppo-
sition, in einem zweiten Schritt bei der Reform bzw. der
Modernisierung des Vormundschaftsrechts, das noch aus
dem vorletzten Jahrhundert stammt, umsetzen wollen.
Dazu gehört das Leitbild, das Berufsbild ebenso wie das
Tätigkeitsfeld des Vormundes. Die Beteiligung des
Mündels wurde bereits angesprochen. Bei der Anord-
nung bzw. der Führung der Vormundschaft soll das Mün-
del dann auch abhängig von geistiger Fähigkeit und
Reife an Entscheidungen des Vormundes beteiligt wer-
den.

Ein eigenes Anhörungsrecht des Vormundes in fami-
liengerichtlichen Verfahren ist ein weiterer Aspekt, über
den wir gerne noch diskutieren können. Über einige we-
nige Punkte, die ich gerade erwähnt habe, haben wir
schon im Berichterstattergespräch diskutiert. Auch diese
Vorhaben werden wir auf den Weg bringen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Lassen Sie mich noch auf das Inkrafttreten des Geset-
zes zu sprechen kommen – ich denke, dieser Punkt wird
vom Kollegen von der Linken noch angesprochen –: Es
ist ein zweistufiges Verfahren vorgesehen.

Zum Inkrafttreten. Wir haben das – nach eingehender
Diskussion und nachdem wir es auch noch einmal über-
prüft haben – als richtigen Weg empfunden. Wir sagen:
Der persönliche Kontakt des Vormundes mit dem Mün-
del, aber auch die jährliche Berichtspflicht sind so wich-
tig, dass dies mit Inkrafttreten des Gesetzes, das heißt

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(C (D it dem Tag der Verkündung, umgesetzt werden muss. u allem anderen – das heißt zur Fallzahlbegrenzung nd zur Aufsicht durch das Familiengericht – sagen wir, ass ein Jahr Zeit gegeben werden muss, um die nötige rganisation in den Behörden bzw. bei den Gerichten zu rmöglichen. Das ist auch realistisch. Die SPD hat zwar eantragt, dass es kein Jahr sein soll, sondern neun Moate. Darauf wird es, denke ich, aber nicht ankommen. ir wollen in einem zweiten Schritt – das wäre nach ei em Jahr – das Weitere, was uns ein Anliegen ist, auf en Weg bringen. Die Beteiligung des Bundesrates wurde angesprohen. Wir sind nach mehrfacher Überprüfung – dazu urden bereits einige Ausführungen gemacht; einige einten, es bedürfe einer Zustimmung des Bundesrates – u der Ansicht gelangt, dass eine solche Zustimmung icht erforderlich ist. Nach Art. 104 a Abs. 4 des Grundesetzes ist die Führung einer Vormundschaft keine verleichbare Dienstleistung im Sinne der Vorschrift. Bisng sind im Gesetz die Vormundschaft und auch die ontakte zum Mündel geregelt. Die Aufgaben des Vorundes sind konkretisiert worden. Die Fallzahlfest chreibung ist ebenfalls eine Konkretisierung, keine Ereiterung. Wir meinen daher, dass das Gesetz nicht ustimmungspflichtig ist. Lassen Sie mich noch etwas zu dem sagen, was die ollegin Hönlinger vielleicht noch ansprechen wird. as ist die Frage der Trennung zwischen Vormund chaftsund Betreuungsrecht. – Ja, ich habe eine lange edezeit; die muss ich ausnutzen. (Beifall der Abg. Andrea Astrid Voßhoff [CDU/CSU] – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Sie können mir ja was abgeben!)


Es ist so! Eine große Fraktion hat eine lange Redezeit,
nd wir von der Union haben jetzt keinen zweiten Red-
er. Ich meine daher, es ist sinnvoll, dass man auf das,
as diskutiert wurde, auch eingeht; das ist gut so.

Bei der Trennung zwischen Vormundschaft und Be-
euung gebe ich Ihnen grundsätzlich recht. Es hat sich
it der Änderung des Betreuungsrechtes in der letzten
ahlperiode – es wurde übrigens jetzt von der Bundes-
gierung auf eine Große Anfrage der Grünen hierzu ge-

ntwortet – gezeigt, dass wir überhaupt weltweit eines
er modernsten Betreuungsrechte haben. Das war natür-
ch auch ein großes Lob an die Bundesregierung. Das
aben wir in der letzten Wahlperiode auf den Weg ge-
racht. Die angesprochene Trennung ist grundsätzlich
chtig. Es ist aber durch die Evaluierung festgestellt
orden, dass der persönliche Kontakt zwischen Betreu-

rn und Betreuten – das sind in der Regel ältere Men-
chen – durch dieses Gesetz zurückgegangen ist. Der
ersönliche Kontakt hat gelitten. Uns ist es wie bei den
indern auch bei den Betreuten sehr wichtig, dass der
ersönliche Kontakt vorhanden ist. Deshalb gibt es die
erweisung von der einen Vorschrift zur anderen. Wir
ollen mit diesem Schritt sicherstellen, dass der persön-
che Kontakt zu den älteren betreuten Menschen da ist.
eshalb haben wir im Gesetz diese Verbindung geschaf-
n.





Ute Granold


(A) )


)(B)

Auch im Betreuungsrecht gibt es eine vom BMI ein-
gesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Wenn deren Eva-
luierung ausgewertet ist, wollen wir auch hier in einem
weiteren Schritt, aufbauend auf dem jetzigen Gesetz, die
Änderungen, die unter anderem vom Bundesverband der
Berufsbetreuer an uns herangetragen wurden, beraten
und das Erforderliche auf den Weg bringen.

Wir als Gesetzgeber wollen die Mündel schützen und
dafür Sorge tragen, dass es unseren Kindern gut geht.
Aber wir wissen auch, dass das alleine nicht reicht. Der
Kollege Thomae hat den Fall Kevin angesprochen. In
meinem Mainzer Wahlkreis wurde gerade wieder ein
Fall abgeurteilt. Das Kind war sechs Wochen alt. Trotz
einer engmaschigen Kontrolle durch das Jugendamt, die
Hebamme und Jugendhilfeeinrichtungen war es – auch
wegen Überforderung – nicht möglich, das Kind zu
schützen. Es ist dann zu Tode gekommen. Das heißt, wir
müssen versuchen, sehr schnell zu schauen, ob die Eltern
überfordert sind und ob das Kind der Hilfe bedarf. Auch
als Nachbarn sollte man darauf schauen, ob es Probleme
in der Familie gibt: Wie geht es der Mutter? Wie geht es
den Geschwisterkindern? Und vieles andere mehr ist in
dieser Hinsicht von Bedeutung.

Unser Anliegen heute ist also nur ein Baustein von
vielen, wenn es darum geht, denen zu helfen, die die
schwächsten Glieder unserer Gemeinschaft sind und
keine große Lobby haben. Wir müssen in jedem Bereich
– auch im Jugendhilferecht – begleitend als Gesetzgeber
da sein und korrigieren, wo es Fehlentwicklungen gibt.
Deshalb ist es für uns gemeinsam sehr wichtig, dass wir
in einem zweiten Schritt sowohl im Vormundschafts-
recht als auch im Betreuungsrecht weitere Verbesserun-
gen vornehmen und das Gesetz, das in der Tat schon sehr
alt ist, den heutigen Verhältnissen anpassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir würden uns freuen, wenn Sie in einem heutigen
ersten Schritt diesem Gesetz zustimmen würden, damit
wir dann in den weiteren Beratungen das, was wir schon
im Ausschuss bzw. in den Berichterstattergesprächen
diskutiert haben, noch auf den Weg bringen können.
Vielleicht kann die SPD dann doch zustimmen. Ob die
Fallobergrenze bei 50 oder 40 liegt, ob es nun neun Mo-
nate sind oder ob es ein Jahr bis zum Inkrafttreten des
Gesetzes ist: Das sind Kleinigkeiten. Die Richtung ist
richtig. Es wäre ein gutes Zeichen für die, die betroffen
sind, und für die, die mit den Kindern arbeiten. Das sind
insbesondere die Mitarbeiter der Jugendämter, die wirk-
lich eine sehr, sehr gute und vorbildliche Arbeit leisten.
Insofern sollten wir hier in diesem Hause sagen: Wir
bringen in einem ersten Schritt ein Gesetz auf den Weg,
das für alle nur das Beste will.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710527200

Das Wort hat der Kollege Jörn Wunderlich von der

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der ollege Thomae hat den Grund für den Gesetzentwurf utreffend beschrieben: Fälle wie der von Kevin und aneren sollen verhindert werden, der Kontakt zwischen ündel und Vormund soll gestärkt werden. Nach dem Gesetzentwurf, der jetzt vorliegt, sollen ersönliche monatliche Kontakte stattfinden. Das ist ine Sollvorschrift. Nach einer Einzelfallprüfung kann er Zeitraum kürzer oder länger ausfallen. Die Pflege nd Entwicklung des Mündels ist durch den Vormund ersönlich zu fördern und durch ihn zu gewährleisten. ier wird also eine Aufgabenerweiterung vorgenomen, die ganz erheblich ist. Die Fallobergrenze ist ange prochen worden. Das ist auch als Sollvorschrift ausgetaltet, das heißt, ein Abweichen nach oben ist ebenso öglich. Über die Kosten, die auf die Kommunen zukommen, t überhaupt nicht gesprochen worden. Die Kommunen aben sich gemeldet und gesagt: Um Gottes Willen, ebe Bundesregierung, hier kommen teilweise Personalosten auf uns zu, die um 100 Prozent über denen liegen, ie wir jetzt haben. Die Regierung sagt: Wir reden über ie Kosten nicht. – Die Aufgabenerweiterung soll sofort rfolgen, während es zur Fallobergrenze von 50 erst in inem Jahr kommt. Erst also die Aufgaben und dann die truktur? Ich kann die Kinder nicht auf die Wiese schiken und sagen: So, jetzt seid ihr alle da, jetzt baue ich inen Kindergarten um euch herum. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sönke Rix [SPD])

Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710527300

Es hieß, es gebe eine breite Zustimmung in diesem
aus. Frau Granold, Sie sagten auch noch: Vielleicht
ann die SPD zustimmen; das wäre ein deutliches Signal.
ir haben einen Änderungsantrag in den Ausschuss ein-

ebracht und nach der Sachverständigenanhörung über-
instimmend feststellen können, dass die Zahl 50 wirk-
ch als kritische Marke klassifiziert worden ist. Es hieß
ich zitiere einmal –: Die Einführung einer Fallober-
renze von 50 ist unverzichtbar, aber aufgrund der Ar-
eitsbelastung praktisch nicht umsetzbar. Das ist hier ja
orgerechnet worden. Von anderer Seite hieß es dann:
0 bis 40 Fälle sind angesichts der persönlichen Amts-
hrung die Grenze, und die Fallobergrenze von 50 muss
Form einer Mussvorschrift und nicht einer Sollvor-

chrift festgelegt werden.

Ein Grund dafür, das Ganze abzulehnen, war im We-
entlichen die Finanzierung. Es hieß, eine Fallober-
renze von 40 sei nicht zu finanzieren. Darüber, wie die
allobergrenze von 50 finanziert werden soll, ist aber nie
esprochen worden.

Die Zustimmung des Bundesrats ist nach Meinung
einer Fraktion ebenfalls erforderlich. Durch die Pflicht

er Länder, eine geldwerte Sachleistung oder vergleich-
are Dienstleistung mit einer nicht unerheblichen Kos-
nbelastung zu erbringen, wird eine Zustimmungs-
flicht nach Art. 104 a Abs. 4 Grundgesetz begründet.
as hat auch der Bundesrat so gesehen, und auch ein
om Wissenschaftlichen Dienst in Auftrag gegebenes





Jörn Wunderlich


(A) )


)(B)

Gutachten und eine Stellungnahme besagen: Das ist zu-
stimmungspflichtig; die Länder müssen beteiligt wer-
den.

In unserem Änderungsantrag fordern wir, wie gesagt,
aufgrund der Sachverständigenanhörung eine Fallober-
grenze von 40. Außerdem sollte die Anhörung des Ju-
gendlichen in dem Verfahren zwingend vorgeschrieben
werden, sofern das aufgrund des Alters und des Ent-
wicklungsstandes möglich ist. Ein ganz wesentlicher
Faktor ist: Das Personal sollte aus sozialpädagogischen
Fachkräften bestehen. Dazu hieß es: Das kommt in der
zweiten Stufe. Ebenso haben wir gesagt: Es müssen Inte-
ressenskonflikte vermieden werden, das heißt, der
Vormund darf nicht gleichzeitig Leistungsträger für Sozial-
leistungen sein, um hier Interessenskonflikte zu vermeiden.
Es hieß: Das kommt auch erst in der zweiten Stufe.

Durch das Inkrafttreten – Frau Granold hat es ange-
sprochen; ich habe das auch schon gesagt – wird ein un-
gemeiner Druck entstehen. Denn wie wollen Sie einem
Amtsvormund des Jugendamtes klarmachen: „Du hast
200 oder 250 Mündel – die Zahlen sind ja schon genannt
worden –, bekommst von jetzt auf gleich einen erweiter-
ten Aufgabenkreis zugewiesen und bist für die Pflege
und Entwicklung dieser 200 oder 250 Mündel letztlich
persönlich haftbar, die Strukturen, um das zu gewährleis-
ten, bieten wir dir aber nicht, die lassen wir erst in einem
Jahr in Kraft treten, wobei wir nicht geklärt haben, wie
das Ganze finanziell zu leisten ist“? Deshalb denkt die
Linke, dass man den Jugendämtern insgesamt ein Jahr
Zeit geben müsste, um dieses Gesetz dann tatsächlich
auch strukturell umzusetzen.

Alles in allem bedeutet der Gesetzentwurf eine Ver-
besserung der gesetzlichen Vorgaben, wobei diese wohl
kaum tatsächlich umsetzbar sein werden. Deshalb kann
vonseiten der Linken keine Zustimmung erfolgen, und
wir werden uns bei der Abstimmung über diesen Gesetz-
entwurf enthalten.

An Frau Granold und Herrn Thomae gerichtet: Hätten
Sie dem Änderungsantrag der Linken in den Bericht-
erstattergesprächen zugestimmt, dann hätten wir mit den
Ländern die Finanzierung klären können, dann hätten
wir die Personalbedarfe klären können, dann würde hier
Fachpersonal tätig werden, dann hätten wir in diesem
Haus wirklich eine breite Zustimmung, vielleicht sogar
eine Einstimmigkeit, zu diesem Gesetzentwurf und dann
wäre ein wirklich deutliches Signal an die betroffenen
Jugendlichen ausgesendet worden.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710527400

Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt

hat die Kollegin Ingrid Hönlinger von Bündnis 90/Die
Grünen das Wort.


Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710527500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wir debattieren heute über Änderungen im
Vormundschaftsrecht. Zentrale Frage ist, wie wir den

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(C (D chutz des Mündels realistisch verbessern und die Quatät der Vormundschaft sichern können. Der erste Ansatzpunkt dafür ist die Begrenzung der allzahlen für die Vormundschaft. Die Bundesregierung ieht in ihrem Gesetzentwurf eine Sollvorschrift vor. Die mtsvormundschaften sollen auf 50 Mündel pro Vorund beschränkt werden. Im Einzelfall ist es also mögch, dass ein Vormund übergangsweise mehr als 0 Mündel betreut. Meine Fraktion unterstützt in der jetzigen Lage den esetzentwurf. Er gibt den Kommunen eine klare renze nach oben vor, und er berücksichtigt auch, dass ie Kommunen Zeit und Raum brauchen, Herr Kollege underlich, um ihre finanzielle und personelle Situation n die Neuregelung anzupassen. In dem zweiten Schritt, den die Bundesregierung anekündigt hat, sollte aber unbedingt klargestellt werden, ie wir die Sollvorschrift zu einer Mussvorschrift umge talten können. Denn es ist auf Dauer unerlässlich, dass ie Fallzahlen auf 50 beschränkt werden. Das haben uch alle Sachverständigen in der Anhörung bestätigt. ier müssen wir handeln, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])


Ein zweiter wichtiger Ansatzpunkt ist die Verpflich-
ng des Vormunds zum persönlichen Kontakt mit dem
ündel. In der Regel, so der Gesetzentwurf, soll der per-

önliche Kontakt zwischen Vormund und Mündel einmal
Monat stattfinden. Dieser monatliche Kontakt wird

uch dem Schutz und den Interessen des Mündels ge-
cht. Missstände können frühzeitig erkannt und hel-
nde Maßnahmen rechtzeitig ergriffen werden. Die Ge-
chte haben auch einen klaren Maßstab für die
berprüfung der vormundschaftlichen Tätigkeit.

Laut Gesetzentwurf kann der Besuchsabstand in Aus-
ahmefällen verkürzt oder verlängert werden. Das kann
r die Individualität der vormundschaftlichen Arbeit

innvoll sein. Allerdings sollte die Bundesregierung
uch über ein geeignetes Instrumentarium nachdenken,
m eine Überprüfung bzw. einen Nachweis zu ermög-
chen. Das könnte zum Beispiel eine Berichtspflicht des
ormunds gegenüber dem Gericht oder auch eine Zu-
timmungspflicht des Gerichts für längere Besuchs-
bstände sein.

Frau Kollegin Granold, wir Grünen haben tatsächlich
robleme damit, dass auch Änderungen im Betreuungs-
cht vorgesehen sind. Wir meinen, dass wir grund-
gend über das Betreuungsrecht nachdenken müssen
nd dass sogar die UN-Behindertenrechtskonvention
ine grundlegende Reform erfordern könnte. Wir mei-
en, dass Regelungen zum Betreuungsrecht nicht am
ande anderer Gesetze getroffen werden sollten. An die-

em Punkt können wir dem Gesetzentwurf nicht zustim-
en.

Insgesamt begrüßen wir den Gesetzentwurf der Bun-
esregierung, soweit er das Vormundschaftsrecht be-
ifft. Für eine umfassende Reform ist der angekündigte





Ingrid Hönlinger


(A) )


)(B)

zweite Schritt dringend erforderlich. Zu den bereits ge-
nannten Punkten der zwingenden Begrenzung der Fall-
zahlen auf 50 und der Kontrolle des persönlichen Kon-
takts zwischen Vormund und Mündel kommen aus
unserer Sicht drei weitere hinzu.

Erstens. Interessenkollisionen innerhalb der Jugend-
ämter sollten überprüft werden. Zum Beispiel sollten
Fachkräfte, die finanzielle Aufgaben des Jugendamts als
Sozialleistungsträger wahrnehmen, von der Führung von
Amtsvormundschaften ausgeschlossen sein, soweit sie
die Person ihres Mündels betreffen.

Zweitens. Dem Vormund sollte ein eigenes Anhö-
rungsrecht im familiengerichtlichen Verfahren einge-
räumt werden, um eine umfassendere Beurteilung zu er-
möglichen.

Drittens sollte geprüft werden, inwieweit dem Mün-
del gegen Entscheidungen seines Vormunds eine Be-
schwerdemöglichkeit eingeräumt werden kann.

Meine Damen und Herren von der Koalition und von
der Regierungsbank, wir werden Sie an die offenen
Punkte erinnern.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710527600

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung
des Vormundschafts- und Betreuungsrechts. Der Rechts-
ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 17/5512, den Gesetzent-
wurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/3617 in
der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim-
men wollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? –
Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei
Enthaltung der Oppositionsfraktionen angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist mit gleichem Stimmenverhältnis angenommen.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Rechts-
ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD mit
dem Titel „Änderung des Vormundschaftsrechts und
weitere familienrechtliche Maßnahmen“. Der Ausschuss
empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 17/5512, den Antrag der Fraktion
der SPD auf Drucksache 17/2411 abzulehnen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfeh-
lung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen der SPD-Fraktion und der Fraktion Die
Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen ange-
nommen.

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(C (D Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Günter Gloser, Dietmar Nietan, Klaus Brandner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Für einen Neubeginn der deutschen und europäischen Mittelmeerpolitik – Drucksache 17/5487 – Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Wierspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das o beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Reder dem Kollegen Günter Gloser von der SPD-Fraktion as Wort. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Erst vier Monate sind vergangen, seit der nge Arbeitslose Mohammed Bouazizi am 17. Dezem er 2010 mit seiner Selbstverbrennung den Anlass für ie Jasmin-Revolution in Tunesien gab. Gespannt verlgen wir seither den mutigen Aufstand der Bevölkeng vieler arabischer Staaten gegen die korrumpierten achthaber und für die Verbesserung der eigenen Le ensperspektiven. In Tunesien und Ägypten gibt es beits hoffnungsvolle politische Reformen, und in der ge amten Region wird um politische Teilhabe und um ehr Demokratie gerungen. Die arabische Welt, ja die elt insgesamt, ist jedenfalls nicht mehr dieselbe wie or dem 17. Dezember 2010. Und wir Europäer? Müssen wir uns nicht angesichts er neuen politischen Situation bei unseren südlichen achbarn schnell und grundsätzlich neu positionieren? h meine: Ja. Der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion t ein Beitrag zu diesem Prozess und ruft zu einem irklichen Neubeginn der deutschen und europäischen achbarschaftspolitik gegenüber der südlichen Mitteleerregion auf. Ich schließe mich einer Botschaft an, die utet: Wir glauben an die Zukunft der Region. – Das hat or wenigen Tagen ein deutscher Unternehmer bei einer ebatte im Haus der Wirtschaft gesagt. Er hat hinzugegt, dass wir etwas für diese Region tun müssen. Ich laube, dass auch wir aus mindestens drei Gründen etas tun müssen: Erstens, weil wir selbst in der Vergangenheit die hancen für die Verbesserung der Menschenrechte und r eine demokratische Entwicklung in der Region falsch ingeschätzt haben. Damit meine ich Vertreter aller EUtaaten und Politiker jeder politischen Couleur. Günter Gloser )


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1710527700




(A) )

Zweitens, weil die Menschen in unserer Nachbar-
schaft verdient haben, dass sie nach ihrem mutigen
Kampf für die Freiheit nicht im Stich gelassen werden.

Und drittens, weil eine jetzt unterlassene Unterstüt-
zung für die Entwicklung im Norden Afrikas uns selbst
in Zukunft sehr teuer zu stehen kommen würde und wir
besser zum gegenseitigen Vorteil handeln sollten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Und was machen wir konkret?)


Nur wenn es uns gelingt, gemeinsam mit den Men-
schen in dieser Region eine soziale und wirtschaftliche
Lebensperspektive zu entwickeln, wird es auch für den
gesamten Mittelmeerraum und letztlich die ganze EU
eine stabile und friedliche Zukunft geben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben also, liebe Kolleginnen und Kollegen, die

einmalige historische Chance, einen Beitrag zu Frieden,
Freiheit und Entwicklung im Norden Afrikas zu leisten.
Wir haben aber auch die einmalige Chance, unsere eige-
nen politischen und wirtschaftlichen Interessen in der
Region im Wettstreit mit anderen Entwicklungsmodellen
zu verfolgen.

In dieser Zeit ist nicht Kleinmütigkeit gefragt. Des-
halb wiederhole ich die Idee, die Frank-Walter Stein-
meier und ich schon vor einigen Wochen in einer ersten
Reaktion genannt haben, nämlich einen Marshallplan für
den Mittelmeerraum aufzulegen. Natürlich nicht etwas
Vergleichbares zu dem, den es nach dem Zweiten Welt-
krieg gab, aber wir müssen deutlich machen, welche Di-
mension der Unterstützung notwendig ist, und den epo-
chalen Wandel mit einem angemessenen, großen
europäischen Projekt begleiten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die friedlichen Revolutionen in der arabischen Welt
müssen erfolgreich weitergehen. Den Menschen muss es
gelingen, die Forderung nach mehr Freiheit, mehr Ge-
rechtigkeit und mehr Wohlstand auch umzusetzen. Das
ist ja keinesfalls gesichert, wie wir in den letzten Wo-
chen verfolgen konnten. In manchen Ländern sind die
herrschenden Eliten verlockt, die Diktatur fortzusetzen,
selbst wenn die Diktatoren entmachtet sind.

Die Region und die Welt stehen vor einer historischen
Systementscheidung. Wird der Wandel zu Demokratie
und Freiheit gelingen, oder werden nur andere, wieder
autoritäre Regime an die Macht kommen? Orientieren
sich die Menschen in Zukunft an Europa, oder wählen
sie lieber das chinesische Modell, das autoritäre Führung
mit wirtschaftlicher Liberalisierung verbindet? – Ich
glaube, das wäre der falsche Weg; das ist ein Holzweg.
Was sich in den letzten Tagen in Syrien zugetragen hat,
zeigt es wieder: Allein mit wirtschaftlicher Liberalisie-
rung kann man keine politische Liberalisierung herbei-
führen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Entscheidung liegt also bei den Menschen vor Ort.

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(C (D Wir dürfen in der Situation nicht abseitsstehen. Wir üssen vielmehr alles tun, um die friedlichen Revolutio en zu unterstützen. Europa darf nicht in Kleinmut verarren, Europa muss der historischen Herausforderung urch neue Konzepte gerecht werden. Leider ist von dieen Konzepten bisher nicht viel zu erkennen. Zwar hat ie Europäische Kommission in einer Mitteilung zur Rerm der Nachbarschaftspolitik gezeigt, dass sie die Her usforderungen erkannt hat; die EU bleibt aber in ihren isherigen Instrumenten genauso gefangen wie in der ehr engen Budgetplanung; diese ist ja von 2007 bis 013 festgeschrieben. Aber wir brauchen nicht nur neue onzepte, wir brauchen auch zusätzliche Mittel, zum eispiel für einen regionalen Entwicklungsfonds. Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ist atürlich, dass der deutsch-französische Motor in dieser rage sehr stark stottert. Frankreich geht einen nationan Weg, Deutschland hat sich durch die Enthaltung im icherheitsrat der Vereinten Nationen einige Sympathien ei den Reformern im arabischen Raum verscherzt. Insesamt gibt die EU kein gutes Bild ab. Und um Europas laubwürdigkeit in der Region steht es momentan nicht um Besten. Ich denke aber, mit dem Projekt einer kohänten Nachbarschaftspolitik könnte Europa in der Mitlmeerregion zerschlagenes Porzellan wieder zusamenfügen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was müssen wir also tun?


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Gute Frage!)


h denke, wir müssen gemeinsame Wege mit den Staa-
n Nordafrikas gehen.


(Iris Gleicke [SPD]: Dafür interessiert sich die Bundesregierung überhaupt nicht! Die Bänke sind leer!)


h greife hier ganz bewusst und deutlich, weil diese
iskussion in den letzten Tagen etwas an Dynamik ge-
onnen hat, den Vorschlag von Experten auf, Tausende
efristete EU-Arbeitsvisa für arabische Akademiker aus-
ustellen. Diese könnten nach einer befristeten Beschäf-
gung in der Europäischen Union günstige Kredite für
xistenzgründungen in ihrer Heimat erhalten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


amit würde der Perspektivlosigkeit gut ausgebildeter
nger Menschen in der Region etwas entgegengesetzt,

ber auch dem Fachkräftemangel in der EU. Das ist auch
r uns wieder von Bedeutung. Selbst aus der deutschen
irtschaft höre ich positive Signale, die besagen: Das ist

in Beispiel für eine neue Partnerschaft. – Wir sollten
eine Angst haben, aber wir sollten auch nicht mit klei-
en Zahlen hantieren. Auch der Ruf nach Hilfe zur
elbsthilfe wird nicht reichen, um die Probleme in der
rabischen Welt – insbesondere auf dem Arbeitsmarkt –
u lösen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)






Günter Gloser


(A) )


)(B)

Ein weiteres Projekt ist die Energiepartnerschaft. Das
könnte gerade im Hinblick auf die Katastrophe von
Fukushima ein ganz wichtiger Punkt zwischen der EU
und Nordafrika sein. Dezentral erzeugte, erneuerbare
Energie und qualifizierte Arbeitsplätze in der Region
können für nachhaltiges Wirtschaftswachstum sorgen.
Stromimporte in die EU können dazu beitragen, die am-
bitionierten Klimaschutzziele zu erreichen.

Deshalb, weil es eine epochale Herausforderung ist
– ich wiederhole eine Forderung –, wäre es auch an der
Zeit, dass die EU endlich einen Sondergipfel mit den re-
formbereiten arabischen Staaten organisiert und damit
ihren Willen zur Zusammenarbeit zum Ausdruck bringt.

Ein weiterer Punkt ist die auswärtige Kulturpolitik.
Auch hier müssen in den nächsten Jahren mehr Mittel
eingesetzt werden, um die Reformbestrebungen in den
arabischen Ländern zu unterstützen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch das wiederholt, aber dennoch wichtig – heute
vielleicht eineinhalb Stunden früher als bei der letzten
Debatte –: Wir müssen auch die Handelshemmnisse auf-
heben, damit diese Länder auch Zugang zu Dienstleis-
tungen und Agrarprodukten bekommen.

Als Letztes noch ein Wort zur aktuellen Flüchtlings-
frage: Es ist ein Trauerspiel, wie hier die Europäische
Union vorgeht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Man muss sich das einmal vorstellen: Es ist gegenüber
einem Land wie Tunesien, das bei 10 Millionen Einwoh-
nern 240 000 Flüchtlinge aufgenommen hat, blamabel,
wenn seitens der EU mit ihren über 500 Millionen Ein-
wohnern behauptet wird, sie sei nicht in der Lage,
25 000 Flüchtlinge, die sich derzeit auf Lampedusa auf-
halten, vorübergehend unterzubringen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das versteht in Tunesien und auch in Ägypten kein
Mensch. Sonntagsreden helfen diesen Menschen nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was wir
von der Bundesregierung und der EU-Kommission an
Vorschlägen zur Mittelmeernachbarschaftspolitik bisher
gesehen und gehört haben, reicht nicht aus. Wir müssen
einen wirklichen Neubeginn wagen. Die Region ist zu
nahe und die Chance ist zu groß, als dass wir untätig
oder kleinmütig bleiben dürften. In diesem Sinne fordere
ich Sie auf, unserem Antrag zuzustimmen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710527800

Das Wort hat jetzt der Kollege Joachim Hörster von

der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe it großer Aufmerksamkeit die Ausführungen des Kolgen Gloser verfolgt, mit dem ich auch auf anderer bene – nämlich in den Parlamentariergruppen – gut zuammenarbeite. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Jetzt keine Fraternisierung!)

Joachim Hörster (CDU):
Rede ID: ID1710527900

Ich finde, es gibt einen Punkt, in dem sich unsere
uffassungen gravierend unterscheiden: Sie suchen die
chuld für Fehlentwicklungen vorwiegend bei der Euro-
äischen Union. Sie lassen der Europäischen Union
chuldzuweisungen zukommen, ohne dass auf der ande-
n Seite danach gefragt wird, was die betroffenen arabi-

chen Länder mit den Chancen und Möglichkeiten ma-
hen, die die Europäische Union angeboten hat.

Vielleicht stört es einen Sozialdemokraten ein biss-
hen, dass auf dem Europäischen Rat in Essen im
ahre 1994 unter dem Vorsitz von Helmut Kohl der
rundstein für die Mittelmeerpolitik der Europäischen
nion gelegt worden ist


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Gipfel ist gescheitert!)


nd dass daraus der Barcelona-Prozess entstanden ist.


(Günter Gloser [SPD]: Essen ist eine schöne Stadt!)


Ich empfehle Ihnen, Herr Kollege Gloser, sich aus pu-
r Kollegialität etwas zurückzuhalten. – Es stört Sie

ielleicht außerdem, dass es dann, nachdem im
ahre 1995 der Barcelona-Prozess in Gang gesetzt wor-
en war, in Stuttgart die Europa-Mittelmeer-Konferenz
er EU-Außenminister gegeben hat.

All diese Veranstaltungen haben in Deutschland statt-
efunden. Mithilfe von Deutschland sind also von der
uropäischen Union eine ganze Reihe von Initiativen er-
riffen worden. Wir haben den Barcelona-Prozess einge-
itet. Diesen haben wir auch ernst gemeint. Wir haben
einer ganzen Reihe von Fällen echte Fortschritte in

en arabischen Ländern erreicht. Wir haben eine ge-
einsame Sicherheits- und Stabilitätspolitik für den ara-

ischen Raum betrieben. Wir haben eine gemeinsame
andelspolitik betrieben.

Schwierigkeiten hatten wir – darüber haben wir uns
ft genug unterhalten – damit, dass der Korb III, die Ent-
icklung der Zivilgesellschaft, etwa in Tunesien, Alge-
en, Ägypten oder Syrien, massiv abgebremst worden
t. Wir haben beim Abschluss des Vertrages zum Barce-
na-Prozess durchgesetzt, dass Syrien auf Massenver-

ichtungswaffen verzichtet. Dass es sich aber zur Demo-
ratie verpflichtet, haben wir nicht durchgesetzt. Da hat
s eine Reihe von Schwachpunkten gegeben. Es musste
llerdings eine Güterabwägung vorgenommen werden.
o mussten wir uns fragen: Welche Möglichkeiten haben
ir, um auf diese Länder einzuwirken? Und: Führt eine
inwirkung zur Destabilisierung der Region oder nicht?

Bei all den Vorgängen, die jetzt stattfinden – im Gan-
en halten wir sie für sehr sympathisch und wollen sie





Joachim Hörster


(A) )


)(B)

auch unterstützen –, wissen wir nicht, wie sie enden wer-
den. Das sollte uns nicht daran hindern, zu handeln, aber
es sollte uns dazu veranlassen, klug zu handeln. Wir ha-
ben seinerzeit verlangt, dass in Palästina freie, allge-
meine und geheime Wahlen stattfinden. Dann ist gewählt
worden, und die Hamas hat 64 Sitze im Parlament erhal-
ten. Damit hatte sie einen Sitz mehr, als für die absolute
Mehrheit notwendig ist. Die Folge war, dass die Verei-
nigten Staaten und die Europäer unisono gesagt haben:
Ihr habt zwar demokratisch gewählt, mit den neuen Re-
gierungsvertretern verhandeln wir aber nicht; das ist
nicht unser Feld.

Wir müssen uns fragen: Sind wir bereit, jede Ent-
wicklung in einem dieser arabischen Länder zu akzeptie-
ren, selbst wenn nach demokratischen Wahlen Personen
an die Macht kommen, die gar nicht daran denken, ihre
Macht wieder abzugeben? Das alles sind Überlegungen,
die wir in dem Zusammenhang anstellen müssen. Es
sind deswegen nicht Schnellschüsse gefragt, sondern
kluge Überlegungen.

Ich finde, die im Barcelona-Prozess angelegte Ent-
wicklung der Zusammenarbeit war gar nicht so falsch.
Was sich in der Mittelmeerunion später herauskristalli-
siert hat – auch aufgrund der Vorschläge, die Sarkozy
gemacht hat –, ist auch nicht so schlecht.

Zu all diesen Vorgängen gibt es eine bedeutende Rede
vom 19. Juni 2009, die der damalige Staatsminister Glo-
ser in der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Mittelmeerdia-
log gehalten hat. Er hat da ausgeführt:

Und den zentralen Verdienst des Barcelona-Prozes-
ses dürfen wir nicht unterschätzen: Das ist die Fort-
setzung des Dialogs zwischen allen Beteiligten
trotz der immer wiederkehrenden Schwierigkeiten
im Nahostfriedensprozess.

Ich teile diese Meinung vollinhaltlich, und sie gilt auch
heute noch.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Herr Gloser hat weiter ausgeführt:

Wir wollen mit unseren Partnern gemeinsam oblie-
gende Herausforderungen angehen. Ich nenne nur
beispielhaft den Schutz des Klimas und der Um-
welt, die Auswirkungen der Migration oder die de-
mographische Entwicklung in unseren Ländern.

Wir haben also die Probleme erkannt, und die Pro-
bleme sind auch behandelt worden. Wir waren aufgrund
der politischen Strukturen in den arabischen Ländern
aber nicht in der Lage, so Einfluss zu nehmen, dass sich
die gesellschaftlichen Verhältnisse entsprechend entwi-
ckelt hätten.

Herr Gloser, Sie haben dann lobende Worte dafür ge-
funden, dass Ägypten gleichberechtigt mit Frankreich in
Abstimmung mit der tschechischen EU-Ratspräsident-
schaft der Union für das Mittelmeer vorsteht. – Ägypten
war damals Mubarak. Ich werfe Ihnen, Herr Gloser,
nicht vor, dass Sie das lobend erwähnt haben. Wir hatten
ja keinen anderen; das gebe ich zu. Ob Sie regiert haben

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(C (D der ob wir regiert haben: Wir haben doch versucht, aus er Situation das Beste im Interesse dieser Länder zu achen. (Lachen bei der LINKEN – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Im Interesse des deutschen Kapitals! In dem Interesse haben Sie gehandelt!)


iesen Erfolg würde ich ungern unter den Scheffel stel-
n; den würde ich ungern leugnen.

Ich glaube, dass wir diese Zusammenarbeit fortsetzen
önnen, auch unter den veränderten Bedingungen, wenn
hoffentlich – Demokratie entsteht. In Ägypten muss
an ja im Augenblick befürchten, dass das nicht gelingt,

a nur zwei politische Organisationen das Organisati-
ns-Know-how zur Bildung von politischen Parteien ha-
en, die bisherige Regierungspartei und die Muslimbrü-
er, die nicht dafür bekannt sind, dass sie demokratische
erte besonders respektieren oder fördern.


(Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das wissen Sie doch gar nicht! Sie haben doch nicht mit den Muslim Brothers geredet!)


Doch, habe ich, mehrfach. Es war politisch zwar nicht
rwünscht, aber ich habe mir die Freiheit genommen.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Das glaube ich!)


Wenn ich all diese Entwicklungen sehe, komme ich
u dem Schluss: Wir sollten versuchen, einen positiven
influss darauf zu nehmen unter der Maßgabe, dass die
enschen dort im Prinzip selbst bestimmen müssen, wie

ie es haben wollen. Wir sollten uns allerdings nicht in
ie Ecke der Schuldigen und der Büßer bringen lassen,


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Doch!)


eil wir da nicht hingehören.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ir haben uns nämlich gewaltig angestrengt, aber die
nderen haben die Angebote nicht angenommen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710528000

Das Wort hat die Kollegin Sevim Dağdelen von der

raktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Jetzt hören Sie mal gut zu!)



Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710528100

Werter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

aum hatte die im Juli 2008 in Paris gegründete Mittel-
eerunion vor einem Jahr ihre Arbeit aufgenommen, da
urde sie durch die Dynamik des demokratischen Auf-
egehrens in Nordafrika eigentlich schon zur Makulatur.
rneut bestätigte sich, dass im Ernstfall, wenn es um die
inforderung demokratischer Teilhabe in Afrika geht,
ie EU uns Schweigen als Gold serviert.





Sevim Daðdelen


(A) )


)(B)


Sevim Dağdelen
Das ist auch kein Zufall. Die Mittelmeerunion richtete
sich nämlich nicht, wie eben gesagt wurde, an die gesell-
schaftlichen Akteure in der Region, sondern war von
Anfang an ein rein zwischenstaatliches Forum. Als Ga-
ranten für die europäischen Interessen und Werte galten
dabei der Tunesier Ben Ali als Präsident dieser Union
und dessen ägyptischer Kollege Mubarak als Vizepräsi-
dent dieser Union.


(Niema Movassat [DIE LINKE]: Genau!)


Der französische Präsident Sarkozy besaß mehr Witz als
Verstand, als er damals noch um die Teilnahme Gaddafis
buhlte.


(Niema Movassat [DIE LINKE]: Illustre Runde!)


In dem vorliegenden Antrag der Kolleginnen und
Kollegen von der SPD findet sich leider kein Wort dazu.
Mit keinem Wort wird erwähnt, dass beide, Ben Ali und
Mubarak, jahrzehntelang ihren Platz in der sozialdemo-
kratischen Internationale an der Seite der SPD hatten.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Das ist jetzt aber wirklich eine olle Kamelle!)


Es findet sich kein Wort dazu, dass man diese Diktatoren
jahrzehntelang mit Waffen, Ausbildungs- und Ausstat-
tungshilfe beliefert hat. Es ist – das muss ich schon sa-
gen – an Heuchelei kaum zu überbieten, wenn Sie beim
Thema Flüchtlingssituation im Mittelmeerraum den Sa-
mariter mimen. Wir unterstützen ja den Willen, Flücht-
linge aufzunehmen. Aber wenn Sie in Ihrem Antrag an
Rückübernahme – sprich: einem Abschiebeabkommen
der EU – festhalten, geht das meines Erachtens nicht.


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, die Menschen in Nord-
afrika können sich von Sympathiebekundungen nichts
kaufen. Das Versagen Europas angesichts der Umbrüche
in der arabischen Welt darf nicht nachträglich in eine Tu-
gend umformuliert werden. Die Zukunft Afrikas darf
nicht weiterhin auf Konferenzen in Paris, Berlin oder
Brüssel entschieden werden. Diese Politik muss ein für
allemal der Vergangenheit angehören.


(Beifall bei der LINKEN)


Der SPD-Antrag beweist, dass aus der Vergangenheit
keine Lehren gezogen wurden. Es geht nicht darum, wie
Sie in Ihrem Antrag schreiben, europäische Werte und
Ziele in der unmittelbaren südlichen Nachbarschaft poli-
tische Praxis werden zu lassen. Ihr Antrag entspricht ei-
nem Doppeldenk frei nach George Orwell zwischen
Feststellungs- und Forderungsteil. Sie sprechen von
Sympathie, Demokratie und Werten und meinen ledig-
lich strategische Interessen Europas, besser gesagt der
Europäischen Union. Das haben Sie hier ja auch weiter
ausgeführt. Sie sprechen von Unterstützung und be-
schäftigen sich nur mit der Lösung europäischer Pro-
bleme wie der Energieversorgung und der Außen- und
Sicherheitspolitik der EU. Sie sprechen von Demokratie
und Wohlstand und meinen Freihandelszone. Sie spre-
chen von Freiheit und meinen Migrationskontrolle in

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(C (D orm von Rückübernahmeabkommen. Das lehnt die inke ab. Bei all den guten Vorschlägen stecken Sie somit imer noch mit beiden Füßen in der Vergangenheit. Der on Ihnen vorgeschlagene Neustart ist in Wirklichkeit er Versuch der Wiederbelebung einer Politik, der der emokratische Aufbruch längst einen klinischen Tod becheinigt hat. Diese Politik ist gescheitert, weil sie sich n den nationalen Kapitalinteressen in Europa und nicht m Gemeinwohl der betroffenen Menschen in Nordfrika orientierte. Es muss um die Menschen in Nordfrika mit ihren Bedürfnissen und Interessen gehen und icht um die Steigerung der Profite der Großkonzerne in uropa und der deutschen Unternehmen, der Sie so unissverständlich zustimmen. (Beifall bei der LINKEN – Dietmar Nietan [SPD]: Das steht nun wirklich nicht in dem Antrag! – Iris Gleicke [SPD]: Man muss davon ausgehen, dass Sie nicht lesen können!)


(Beifall bei der LINKEN)


So ist es auch kein Zufall, dass Sie die Zivilgesell-
chaft in Nordafrika noch nicht einmal fragen, sondern
en Menschen mit einem fertigen Konzept regelrecht
rohen. In Ihrem Antrag ist denn auch die Rede von ei-
em „wirksamen Hebel“, der bei richtiger Anwendung
orhanden ist.

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Der wahre
aßstab für einen Neubeginn wäre die Einlösung des

reiheits- und Demokratieversprechens und des Verspre-
hens eines sozialen Europas gegenüber den Menschen
den arabischen Staaten.


(Beifall bei der LINKEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Es fehlen nur noch die Mindestlöhne!)


ass Sie dazu nichts beizutragen haben, überrascht nicht
irklich. Dass Sie dies aber für alle offensichtlich auch
och aufschreiben, überrascht dann schon. Es scheint
och ein weiter Weg zu sein, bis Sie wieder zu einer So-
ialdemokratie zurückgekehrt sind,


(Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Mach dir mal keine Sorgen!)


ie einst unter internationaler Solidarität nicht Marktöff-
ung und Konzerninteresse verstand. Die Menschen in
ordafrika brauchen keine neuen einseitigen Verträge.
ie Menschen in Nordafrika brauchen echte und ehrli-

he Solidarität.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710528200

Das Wort hat der Kollege Dr. Rainer Stinner von der

DP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1710528300

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich meine das ganz

rnst: Es ist schon ein Fortschritt, dass wir uns bei dieser





Dr. Rainer Stinner


(A) )


)(B)

Debatte nicht um ein weiteres Land kümmern müssen,
wie wir es bedauerlicherweise in den letzten Wochen im
Wochenrhythmus erlebt haben. Das gibt uns Gelegen-
heit, uns damit zu beschäftigen, wie es weitergeht und
was wir tun können.

Ich glaube, wir sind alle der Meinung, dass es richtig
ist, die Instrumente zu überprüfen, die in den letzten Jah-
ren eingeführt worden sind. Die SPD macht das in ihrem
Antrag sehr ausführlich. Manchmal grenzt das, was Sie
da betreiben, an Selbstgeißelung, wenn man bedenkt,
wer in den letzten Jahren Verantwortung gehabt hat.
Aber Herr Hörster hat ja völlig zu Recht ausgeführt: Im
Prinzip haben wir alle gleichermaßen daran mitgewirkt,
diese Rahmenbedingungen zu schaffen, und deshalb
brauchen wir uns hier auch nicht gegenseitig die Augen
auszuhacken. Wir müssen aber daraus lernen und uns
überlegen, wie wir in Zukunft vorgehen wollen.

Die Bundesregierung hat, wie ich finde, schnell und
unbürokratisch gehandelt. Ich will Ihnen einige Zahlen
präsentieren:

Die Bundesregierung hat für den demokratischen
Übergang 17 Millionen Euro zur Unterstützung verarm-
ter Regionen in Tunesien und 30 Millionen Euro zur De-
ckung der dringendsten humanitären Bedürfnisse der
Flüchtlinge bereitgestellt.

Die politischen Stiftungen sind gestärkt worden: Sie
bekommen mehr Geld und sollen stärker einbezogen
werden.

Minister Niebel hat in seinem Ministerium einen
Fonds in Höhe von 40 Millionen Euro aufgelegt, mit
dem die Mittelmeerländer in den Bereichen Demokratie-
förderung, Bildung und Wirtschaftsförderung unterstützt
werden.

Die Europäische Union hat am 8. März einen Maß-
nahmenkatalog verabschiedet.

Der Kollege Lischka von der SPD hat eine Anfrage
an die Bundesregierung gerichtet, was denn mit dem
Geld gemacht worden sei. Er hat als Antwort darauf ei-
nen dicken Katalog vorgelegt bekommen, in dem seiten-
lang die Projekte beschrieben werden, die die Bundes-
regierung unterstützt; wobei es gar keine Frage ist, dass
das zum Teil auch unter Ihrer Ägide angestoßen wurde.

All das zeigt, dass finanziell schon sehr viel getan
wird. Ich glaube deshalb, dass wir mit dem Ruf nach
mehr Geld nicht weiterkommen. Lieber Herr Gloser, ich
bin auch hinsichtlich Ihres Vorschlages bezüglich eines
Marshallplans skeptisch; denn mit dem Begriff
„Marshallplan“ verbinden wir zunächst einmal – ich
sage es einmal platt – fette Kohle. Der Marshallplan
hatte damals ein Volumen von ungefähr 11 Milliarden
Dollar. Das entspricht einem heutigen Wert – kluge
Leute haben das ausgerechnet – von 75 Milliarden Dol-
lar. Herr Gloser, der Unterschied zu damals ist, dass die
Absorptionskapazität in den Ländern, um die es geht,
eine völlig andere ist als die, die es damals in Europa ge-
geben hat. Ich meine das in zweierlei Hinsicht: zum ei-
nen infrastrukturell und zum anderen in Bezug auf die
gesellschaftlichen Strukturen und auf das Staatswesen.

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(C (D iese besitzen nicht die entsprechende Absorptionskaazität. Ich glaube daher, dass wir allein mit Geld nicht eiterkommen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Unsere Bemühungen werden einen langen Atem er-
rdern. Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass die Bun-

esregierung schon in den nächsten zwei oder drei Jah-
n wesentliche Dinge in der Region so verändern kann,

ass man dort nachhaltige Erfolge sehen wird. Wir wis-
en aber, dass wir schnell an den richtigen Hebeln anset-
en müssen. Diese Hebel sind bekannt:

Erstens. Humanitäre Maßnahmen – auf diese Weise
andelt die Bundesregierung bereits; da sind wir uns alle
inig – müssen dort, wo sie notwendig sind, im Vorder-
rund stehen.

Zweitens. Wir müssen den Aufbau von politischen
trukturen unterstützen; diese sind ja die Voraussetzung
r einen politischen Wandel. Dazu hatte ich ja bereits

orhin im Zusammenhang mit dem Marshallplan etwas
esagt. Wir können nicht erwarten, dass sich etwas ent-
ickelt, wenn es keine entsprechenden Strukturen, Ent-

cheidungsprozesse etc. gibt. Das betrifft sowohl die ad-
inistrativen Strukturen als auch die grundlegenden
frastrukturen wie Straßen, Stromversorgung etc., die

och aufgebaut werden müssen.

Drittens. Natürlich ist es völlig richtig, dass die lokale
irtschaft aufgebaut werden muss. Es wird Sie nicht

erwundern, dass ich als Vertreter der FDP darauf be-
onderen Wert lege. Unser liberales Credo – ich sage
as, auch wenn man es nicht hören mag – lautet: Wirt-
chaft ist nichts alles, aber ohne Wirtschaft ist leider sehr
ieles nichts.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


as gilt auch insbesondere für diese Region. Deshalb
üssen wir schauen, wie wir schnell einen Beitrag dazu
isten können, dass sich die Wirtschaft entwickelt. Dazu
ehören die Unterstützung des Mittelstandes und der
ufbau von Unternehmen.

Natürlich ist genauso wichtig, zur Kenntnis zu neh-
en – Sie haben es vorhin gesagt; da liegen wir gar nicht
eit auseinander –, dass sich die Bundesregierung in den
ächsten Wochen und Monaten innerhalb der Europäi-
chen Union in einen ziemlich harten Kampf begeben
uss, um dafür zu sorgen, dass die EU ihre Märkte öff-

et. Wirtschaftliche Entwicklung heißt: Wandel und
andel zwischen Ländern. Unser Credo ist: Uns geht es
esser, wenn es diesen Ländern ebenfalls besser geht
nd umgekehrt. Ich wünsche der Bundesregierung bei
er Auseinandersetzung um diese Frage viel Glück und
urchhaltevermögen. Wir alle wissen, dass es schwer
ird. Ich hoffe, dass wir alle gemeinsam die Bundes-
gierung unterstützen und sie nicht kleinteilig kritisie-
n.

Viertens. Wir müssen gesellschaftliche Strukturen
ufbauen. Das ist leichter gesagt als getan. Die Stiftun-
en können dazu einen Beitrag leisten. Sie werden dafür





Dr. Rainer Stinner


(A) )


)(B)

auch allenthalben gelobt. Aber lassen Sie uns auch da re-
alistisch sein, meine Damen und Herren: Die Stiftungen
erreichen nur einen geringen Anteil, zum Teil im Promil-
lebereich, der Bevölkerung in den einzelnen Ländern.
Schauen Sie sich einmal Ägypten an. Dort sind alle gu-
ten Willens, aber natürlich können wir nicht erwarten,
dass die Arbeit der deutschen Stiftungen allein einen we-
sentlichen Umschwung bewirkt und für den Aufbau ge-
sellschaftlicher Strukturen sorgt. Da würden wir uns
überheben. Aber wir müssen es natürlich versuchen.

Fünftens. Wir müssen Strukturen für die Ausbildung
schaffen. Hier ist von Ihnen angeregt worden – ich be-
grüße das –, einmal zu überlegen, ob wir nicht jungen
ausgebildeten Leuten eine zeitweilige Lern- und Arbeits-
phase in Deutschland ermöglichen. Das ist völlig richtig.
Auch hier müssen wir uns dessen bewusst sein: Das
kann nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Die
Flüchtlinge, die uns jetzt entgegenkommen, sind nicht
diejenigen, von denen wir jetzt gesprochen haben. Auch
das müssen wir fairerweise zur Kenntnis nehmen.

Meine Damen und Herren, es ist in unserem Interesse,
dass sich diese Region entwickelt. Das entspricht der
Leitlinie der Europäischen Union für die europäische
Nachbarschaftspolitik, in deren Rahmen zwischen 2007
und 2013 immerhin 7 Milliarden Euro in die Region ver-
bracht werden: Es geht uns besser, wenn es dieser Re-
gion besser geht. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, da-
für zu sorgen. Das wird schwer sein; wir werden
schrittweise vorgehen müssen. Die Bundesregierung hat
damit angefangen; wir werden sie dabei unterstützen.
Wir alle wissen aber: Es bedarf eines langen Atems, um
dorthin zu kommen, wohin wir wollen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1710528400

Das Wort hat die Kollegin Viola von Cramon-Tauba-

del vom Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol-
legen! Ich möchte kurz vorwegschicken: Ich bin mit der
Uhrzeit, zu der wir über dieses Thema diskutieren, nicht
ganz einverstanden. Ich hätte mir gewünscht, wir hätten
einen Platz am frühen Morgen gehabt, nicht erst am spä-
ten Abend.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Uta Zapf [SPD])


Ich bin aber mit dem Zeitpunkt der Einbringung die-
ses Antrags sehr einverstanden – er ist absolut richtig –:
Es ist ein historischer Zeitpunkt, also genau der richtige
Zeitpunkt, um hier im Deutschen Bundestag über das
Thema zu reden.

Ich möchte auch betonen, dass die Notwendigkeit ei-
ner neuen Politik gegenüber den Ländern Nordafrikas
von allen Fraktionen in diesem Haus gesehen wird; das
ist sicherlich gut. Es ist auch gut, dass sich die Bundes-

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(C (D gierung im März dazu bekannt hat, dass sie eine klare ntwort auf die Umbrüche in diesen Ländern liefern ill. Wir bitten daher alle Mitglieder der Bundesregieng, nicht wieder in alte Reflexe zu verfallen, also nicht ie Flüchtlingsabwehr an den Anfang der neuen Zusamenarbeit zu stellen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Uta Zapf [SPD])


as wäre ein vollkommen falsches Signal, wenn es da-
m geht, die Aufbruchstimmung in diesen Ländern auf-

unehmen.

Wenn wir Partnerschaften anbieten wollen – das be-
chreiben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
PD, in Ihrem Antrag in der Tat sehr gut –, dann müssen
ir die Instrumente der Partnerschaft nutzen. Eine Rhe-
rik, bei der man von „Schleusen“ und Ähnlichem re-

et, hilft da sehr wenig.

Der SPD-Antrag verweist auf die drei Dimensionen
es Barcelona-Prozesses, an die sich jetzt mit verstärkter
tensität anknüpfen lässt. Richtig ist ebenfalls, dass es

inen signifikanten Unterschied zu den Umbrüchen in
ittel- und Osteuropa nach 1989 gibt, denn wir können

en Ländern Nordafrikas kaum eine Beitrittsperspektive
ieten. Daher müssen wir die anderen Möglichkeiten der
usammenarbeit voll ausschöpfen.

In den Ländern Nordafrikas ist das Wort „Stabilität“
zwischen ein Schimpfwort. Ich bin gerade heute aus
airo zurückgekommen. Dort habe ich erfahren, dass

ich die Menschen dort, vor allem jene, die die Revolu-
on maßgeblich mitgetragen haben, eine ideelle und in-
titutionelle Anerkennung ihres Mutes wünschen. Denn
en haben sie über Wochen hinweg bewiesen: Sie waren
nendlich mutig und haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt,
m Ägypten von Mubaraks Herrschaft zu befreien. Jetzt
ilt es, ihnen eine solche Anerkennung und kontinuierli-
he Unterstützung zukommen zu lassen. Da bin ich mir
icht sicher, ob ein Marshallplan die richtige Antwort
t.

Die Anerkennung kann aus unserer Sicht auf ver-
chiedene Weise zum Ausdruck gebracht werden:

Zunächst einmal ist es wichtig, dass alle politischen
ntscheidungsträger – angefangen bei Lady Ashton, die
b heute für zwei Tage Kairo besucht – immer auch die
GOs, also die Nichtregierungsorganisationen, die
enschenrechtsanwälte und die treibenden Revolutions-

räfte aus der Jugend treffen. Das war bei Lady Ashtons
rstem Besuch nicht der Fall und scheint erstaunlicher-
eise auch dieses Mal nicht geplant zu sein.

Zweitens müssen die westlichen Politikerinnen und
olitiker bei Besuchen die Rolle des Militärs und seine
igenen Interessen stärker hinterfragen.

Drittens müssen dringend die Voraussetzungen für
eie und faire Wahlen in Ägypten geschaffen werden:
arteien müssen zugelassen werden. Dabei ist es ent-
cheidend, dass die Barrieren für die Registrierung von
euen Parteien möglichst niedrig gehalten werden. Die
ürgerinnen und Bürger müssen über ihre Rechte und
flichten als Wähler informiert werden. Da leisten alle





Viola von Cramon-Taubadel


(A) )


)(B)

Stiftungen hervorragende Arbeit; das sollten wir nicht
unterschätzen.


(Dr. Rainer Stinner [FDP]: Nein, das unterschätzen wir nicht! Auf keinen Fall!)


Wir müssen an genau dieser Stelle ansetzen.

Wahlkommissionen müssen geschult werden. Die
Menschen dürfen am Ende nicht das Gefühl haben, un-
sichtbare Mächte oder das Militär hätten ihnen durch
Fälschung der Wahlen die Errungenschaften der Revolu-
tion entzogen. Das wäre ein fataler Rückschlag.

Ägypten besitzt in der arabischen Welt eine Vorbild-
funktion für viele andere Staaten, deren Bevölkerung
noch schwankt, ob sich ein Weiterkämpfen lohnt oder
nicht. Wenn das ägyptische Modell nicht überlebt, wer-
den viele Demonstrantinnen und Demonstranten in an-
deren Ländern den Mut, für die Freiheit zu kämpfen,
schnell verlieren.

Wichtig ist – darauf beziehen Sie sich auch in Ihrem
Antrag –: Wir müssen die Ebenen der interparlamentari-
schen Zusammenarbeit von Demokratien nutzen. Eine
junge Demokratie mit vielen neuen und unerfahrenen
Parlamentarierinnen und Parlamentariern ist äußerst ver-
letzlich. Wir sollten insbesondere unseren Kollegen nach
der Wahl Unterstützung in jeder Form zukommen lassen.

Dann muss selbstverständlich – ich glaube, es ist uns
noch nicht ganz klar, was das bedeutet – die Rehabilitie-
rung vieler Inhaftierter der Revolution, die derzeit in
schwierigen und undurchsichtigen Prozessen abseits jeg-
licher Öffentlichkeit und meist ohne rechtlichen Bei-
stand vor einem Militärgericht stehen, unbedingt von
uns, von westlichen Politikern angemahnt werden. Der
Militärrat scheint ein starkes Eigenleben zu führen, ohne
sich mit anderen innerhalb der Übergangsregierung ab-
zustimmen. Durch diese Entwicklung, wird sie nicht ge-
nau beobachtet, besteht die Gefahr, dass viele der ersten
Errungenschaften wie die Presse-, die Medien- und die
Versammlungsfreiheit wieder aufs Spiel gesetzt werden.
Nur durch eine enge Kooperation, die auf Dauer ange-
legt ist, können wir das verhindern.

Die EU und auch die deutsche Außenpolitik könnten
jetzt an dieser Stelle viel Glaubwürdigkeit zurückgewin-
nen, indem sie die Demokratisierungsbemühungen und
den gesellschaftlichen Wandel in Nordafrika unterstüt-
zen. Die Nachricht von der Festnahme Mubaraks ist si-
cherlich eine gute, reicht aber allein noch nicht aus. Für
den weiteren Verlauf der Umwälzungen ist auch die kri-
tische wirtschaftliche Lage von Bedeutung, die die poli-
tischen Gestaltungsspielräume in Tunesien und Ägypten
stark einengt.

Europa hat deshalb auch eine Verantwortung, soziale
und ökonomische Reformen in diesen Ländern zu unter-
stützen. Auch da liegen Sie mit Ihrer Forderung, die aus
unserer Sicht noch deutlicher hätte ausfallen können,
richtig. Wir sind gern bereit, Menschen mit guter Ausbil-
dung eine Migration – auch mit einer Arbeitsperspektive –
anzubieten. Eine richtig konzipierte zirkuläre Migration
kann hier eine Lösung darstellen.

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(C (D (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Die Nützlichen wollen Sie reinholen! Der Rest kann ersaufen!)


ir müssen uns in der EU darüber verständigen, wie ein
akt für Arbeit, Ausbildung und Energie zwischen der
U und den Staaten Nordafrikas aussehen soll.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1710528500

Das wäre ein guter Schlusssatz gewesen.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)



(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Wir brauchen eine Euro-Mediterrane Mobilitätspart-

erschaft mit Weitblick, die die Vergabe von Visa er-
ichtert, Bildungschancen ermöglicht und den Arbeits-
arkt gezielt für junge Menschen aus Nordafrika öffnet.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1710528600

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächster spricht

r die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege
r. Wolfgang Götzer.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Wolfgang Götzer (CSU):
Rede ID: ID1710528700

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

zwischen vergeht keine Woche, in der wir uns nicht
it den Umbrüchen in der arabischen Welt beschäftigen.
etzte Woche hatten wir im Auswärtigen Ausschuss eine
ehr interessante Anhörung, die uns einmal mehr sehr
eutlich gezeigt hat, wie unübersichtlich und differen-
iert die Lage in den einzelnen Länder in der Region ist.
ach wie vor ist unklar, wohin sich die einzelnen Länder

ntwickeln. Nur in Tunesien und Ägypten hat bisher ein
achtwechsel, eine Entmachtung der alten Regime

tattgefunden. Was am Ende des Prozesses in beiden
ändern steht – etwa eine rechtsstaatliche Demokratie –,
t noch offen. In den übrigen Ländern ist nur eines klar
nd den Aufständischen gemeinsam, nämlich die Forde-
ng nach besserer Zukunftsperspektive und einer Ent-
achtung der alten Regime.

Deshalb glaube ich, dass es noch zu früh ist, eine um-
ssende Neuausrichtung unserer Politik gegenüber der

rabischen Welt zu konzipieren, wie es in dem Antrag
er SPD anklingt. Sie verwenden in der Überschrift das
ort „Neubeginn“. Wie gesagt, ich halte das für verfrüht

nd vor allem auch für etwas vollmundig – wenn Sie mir
iese Bemerkung erlauben.


(Günter Gloser [SPD]: Ist erlaubt!)


Im Moment ist wichtig – das haben wir, die Koaliti-
nsfraktionen, in dem Antrag zum Ausdruck gebracht,





Dr. Wolfgang Götzer


(A) )


)(B)

der am 24. März beschlossen wurde –: Wir unterstützen
den demokratischen Wandel in der arabischen Welt. Wir
tun dies zum einen, weil die Menschen dort ein Recht
auf ein Leben in Freiheit und in Würde haben, und zum
anderen, weil es auch in unserem Interesse liegt, dass in
diesen Ländern Rechtsstaatlichkeit herrscht und sich
Wohlstand entwickelt. Denn diese Region ist von strate-
gischer Bedeutung für unsere innere und äußere Sicher-
heit. Wir brauchen also die Unterstützung des Transfor-
mationsprozesses durch uns und durch alle EU-Staaten
– das ist eine gesamteuropäische Aufgabe –, aber auch
die Klarstellung, dass die Eigenverantwortung der Län-
der in der arabischen Region entscheidend ist. Wohin der
Weg wirklich führt, können wir nicht beeinflussen.

Wir leisten nicht nur beim Aufbau von Demokratie,
Parlamentarismus und Rechtsstaatlichkeit humanitäre
Hilfe. Wir schaffen auch Zukunftsperspektiven für die
Menschen, vor allem für die jungen Menschen in der Re-
gion. Herr Kollege Gloser, ich rede von Hilfe vor Ort
und nicht in Europa. Diese kommt in Ihrem Antrag lei-
der nicht zum Ausdruck.


(Beifall bei der CDU/CSU – Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum das denn nicht? Das ist doch Quatsch!)


Wir brauchen Arbeitsplätze in den Heimatländern und
nicht in der Europäischen Union.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen die Amerikaner demnächst auch: Lassen Sie doch die deutschen Studenten an deutschen Unis studieren!)


Die Maßnahmen zur Hilfe und Förderung des Trans-
formationsprozesses müssen nach Spielregeln von Good
Governance erfolgen. Wir haben keinen Zweifel daran,
dass die bisherige europäische Nachbarschaftspolitik be-
züglich der südlichen Nachbarn der EU hinter der strate-
gischen Zielsetzung zurückgeblieben ist. Das gilt auch
für die Mittelmeerunion.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können Sie doch vergessen!)


Da muss sich einiges verbessern. Es muss sich aber auch
in bilateraler Hinsicht mehr tun. Denn es ist erfahrungs-
gemäß nicht leicht, alle Mitgliedstaaten der Europäi-
schen Union in dieser Frage auf eine Linie zu bekom-
men.

Da die Formulierung in Ihrem Antrag nicht eindeutig
und daher missverständlich ist, möchte ich noch eine
Klarstellung anbringen: Es gibt keine EU-Beitritts-
perspektive für die Länder Nordafrikas. Ich weiß nicht,
ob Sie das mit Ihrem Antrag verklausuliert gemeint ha-
ben. Wir stellen das jetzt jedenfalls klar.

Abschließend ein letztes Wort zur Flüchtlingsfrage:


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: „Abschottungsfrage“ meinen Sie!)


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(C (D s ist in den letzten Tagen viel von der eingeforderten olidarität Deutschlands die Rede. Wir zeigen durch die ufnahme von Flüchtlingen, die beispielsweise in Malta ngekommen sind, dass wir solidarisch sind. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 100!)


enn etwas unsolidarisch ist, dann ist es das Verhalten
aliens. Herr Kollege Gloser, Ihre Aufforderung im
PD-Antrag zu solidarischem Verhalten ist nicht an die
undesregierung zu richten, sondern an Italien.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Günter Gloser [SPD]: An die EU!)


Sie fordern aber die Bundesregierung auf; den Antrag
abe ich gelesen.

Dass Italien die rund 25 000 Flüchtlinge aufnehmen
oll, ist gerecht unter dem Gesichtspunkt der fairen Las-
nverteilung. Die Zahlen der Asylbewerberzugänge zei-
en, dass im Jahr 2010 auf Deutschland mehr als 40 000
nd auf Italien 6 500 Asylbewerber entfallen sind.
eutschland hat allein infolge des Balkan-Krieges etwa

wanzigmal so viele Flüchtlinge aufgenommen wie jetzt
alien. Da kann man weiß Gott nicht von unsolidari-
chem Verhalten Deutschlands sprechen, vielmehr von
em Italiens.


(Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber es ist eine faire Lastenverteilung, wenn wir 100 nehmen?)


Ich möchte an dieser Stelle – damit möchte ich schlie-
en – dem Bundesinnenminister Dr. Friedrich für seine
lare Haltung in dieser Frage ausdrücklich danken.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1710528800

Vielen Dank, Kollege Dr. Wolfgang Götzer.

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird
berweisung der Vorlage auf Drucksache 17/5487 an
ie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
chlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
all. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe den Zusatzpunkt 5 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Karl Hol-
meier, Marlene Mortler, Thomas Silberhorn, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/
CSU sowie der Abgeordneten Joachim Spatz, Mi-
chael Link (Heilbronn), Heinz Golombeck, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Strategie der Europäischen Union für den
Donauraum effizient gestalten

– Drucksache 17/5495 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
einen Widerspruch. Dann ist das ebenfalls so beschlos-
en.





Vizepräsident Eduard Oswald


(A) )


)(B)

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner in dieser
Debatte ist unser Kollege Karl Holmeier für die Fraktion
der CDU/CSU. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das
Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Karl Holmeier (CSU):
Rede ID: ID1710528900

Sehr verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wir beraten heute einen Antrag der Koalitionsfraktionen
zur Strategie der Europäischen Union für den Donau-
raum.

Was ist das eigentlich? Wozu ist diese Strategie not-
wendig? Und warum brauchen wir dazu einen Antrag?
Am 8. Dezember 2010 hat die EU-Kommission einen
Vorschlag für die Donauraumstrategie vorgestellt, und
zwar in Form einer 16-seitigen Mitteilung sowie eines
89 Seiten umfassenden Aktionsplans.

Die Donaustrategie ist die zweite makroregionale
Strategie der Europäischen Union und befasst sich mit
der Zukunft einer Region, die fast 115 Millionen Ein-
wohner zählt und von der Fläche etwa ein Fünftel der
Europäischen Union ausmacht. Sie umfasst acht EU-
Mitgliedstaaten und sechs Nichtmitgliedstaaten.

Die Donaustrategie ist nach dem Vorbild der Ostsee-
strategie eine Initiative zur nachhaltigen Entwicklung
des Donauraums durch eine bessere Koordinierung der
Mitgliedstaaten in verschiedenen Politikbereichen und
vor allem durch eine verbesserte grenzüberschreitende
Zusammenarbeit. Wir sind daher als nationale Parlamen-
tarier gefordert, uns zu dieser umfangreichen Strategie
zu positionieren. Ich freue mich, dass ich Ihnen heute
diesen Antrag der Koalitionsfraktionen vorstellen darf.

Aus unserer Sicht müssen bei der Verabschiedung der
Strategie folgende Punkte dringend beachtet werden: An
oberster Stelle steht dabei die strikte Einhaltung der so-
genannten drei Neins; das heißt, es darf keine neuen In-
stitutionen geben, keine neuen Rechtsetzungsakte und
vor allem keine zusätzlichen Finanzmittel.

Mindestens ebenso wichtig wie die Einhaltung der
drei Neins ist die Wahrung des Subsidiaritätsprinzips. In
unserem Antrag machen wir daher klar, dass die Donau-
strategie nicht in Bereiche hineinragen darf, die genauso
gut auf nationaler Ebene geregelt werden können. Viel-
mehr muss sie sich auf Handlungsfelder konzentrieren,
in denen ein echter Mehrwert – ich betone: ein echter
Mehrwert – für den Donauraum erzielt werden kann.
Hierzu gehört beispielsweise die dringend notwendige
Verbesserung der grenzüberschreitenden Verkehrsinfra-
struktur, sowohl im Bereich Schiene als auch in den Be-
reichen Straße und Wasserstraße, sowie die Vernetzung
dieser Verkehrsträger.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Joachim Spatz [FDP])


Besonders die Stärkung des grenzüberschreitenden
Güterverkehrs ist für die wirtschaftliche Entwicklung
des Donauraums von enormer Bedeutung. Neben dem

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(C (D üterverkehr darf aber auch der Personenverkehr nicht ernachlässigt werden. Ich begrüße daher ausdrücklich en Vorschlag der Europäischen Kommission, die Reiseeiten im Personenverkehr zwischen Großstädten zu verürzen. Auch hier haben wir einiges nachzuholen. So ibt es beispielsweise leider immer noch keine attraktive ahnverbindung zwischen den europäischen Metropolen ünchen und Prag. Beide Städte liegen im direkten Ein ugsbereich der Donau. Beide Städte haben eine herausgende europäische Bedeutung, sind aber nur sehr un ureichend miteinander vernetzt. Im Rahmen eines neuen transeuropäischen Verkehrsrojekts von Prag über die Donaustadt Regensburg über ünchen bis zur Adriaküste könnte diese Lücke im eupäischen Netz geschlossen werden. Weitere Handngsfelder der Donaustrategie sind unter anderem die örderung von Bildung, Wissenschaft und Forschung, ie Förderung von Austauschprogrammen vor allem im ereich der Berufsausbildung, die gegenseitige Anerennung von Abschlüssen, die Stärkung des interkultullen Dialogs zwischen jungen Menschen und die Unrstützung von Austauschprogrammen für Studenten nd Wissenschaftler. Meine Damen und Herren, kürzlich hat der Europausschuss eine Delegationsreise nach Ungarn unternomen. Ich darf Ihnen berichten, dass zum Beispiel bei der eutschsprachigen Andrassy-Universität in Budapest das orhaben auf Gründung eines Donaujugendwerks nach em Vorbild des Deutsch-Französischen und des eutsch-Polnischen Jugendwerks vorgestellt wurde. Auerdem plant die Universität die Etablierung eines neuen onaustudiengangs. Diese Projekte finden sich in der onaustrategie wieder und leisten auf diese Weise einen edeutenden Mehrwert für die europäische Integration nd den Zusammenhalt im Donauraum. Ein kleiner Beitrag konnte aufgrund dieser Reise zwichenzeitlich geleistet werden: Die Studenten baten daals um ein Abonnement von deutschen Zeitungen. Ich anke der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, die ich bereit erklärt hat, die Kosten der Abos für die Uniersität zu übernehmen. Abschließend möchte ich auf zwei Punkte eingehen, ie aus meiner Sicht im Vorschlag der Europäischen ommission zur Donaustrategie zu kurz kommen: die ntwicklung des ländlichen Raums und die Stärkung der andwirtschaft. Der Donauraum ist maßgeblich ländlich geprägt. iele Vorhaben der Donaustrategie haben daher indirekt it der Förderung ländlicher Regionen zu tun. Die Stär ung und Entwicklung des ländlichen Raums als Ziel ucht man in der Strategie der Europäischen Union jeoch vergebens. Aus meiner Sicht ist es unerlässlich, eien eigenen Schwerpunktbereich zum ländlichen Raum ufzunehmen, der sich mit allen für den ländlichen aum typischen Belangen befasst. Karl Holmeier )


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )

Gleiches gilt für die Landwirtschaft als ein wichtiger
Wirtschaftsfaktor im ländlichen Raum. Hier erwarten die
Koalitionsfraktionen eine stärkere Gewichtung.

An der Themenbreite der Donaustrategie sehen Sie,
wie wichtig die Auseinandersetzung und die Befassung
des Deutschen Bundestages mit diesem Thema ist. Ich
konnte bei weitem nicht alle Themen aufgreifen.


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Schade!)


Dafür hätte ich nicht 7, sondern 70 Minuten gebraucht.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Um Gottes willen!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1710529000

Wir haben Verständnis dafür, dass Sie das nicht bean-

tragt haben, Herr Kollege.


(Heiterkeit)



Karl Holmeier (CSU):
Rede ID: ID1710529100

Ich danke allen, die an der Einbringung dieses umfas-

senden Antrags beteiligt waren, für ihre Unterstützung.
Ich bitte Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, den
Prozess bis zur endgültigen Verabschiedung der Donau-
strategie beim Europäischen Rat im Juni dieses Jahres
kritisch und konstruktiv zu begleiten und unserem An-
trag zur Strategie für den Donauraum zuzustimmen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1710529200

Wir haben zu danken, Kollege Karl Holmeier. – Jetzt

spricht für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kol-
lege Dietmar Nietan. Bitte schön, Herr Kollege.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dietmar Nietan (SPD):
Rede ID: ID1710529300

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass die
Strategie für den Donauraum für diese Makroregion eine
große Chance bedeuten kann. Ich sage ausdrücklich „be-
deuten kann“, weil ich glaube, dass diese Strategie der
Europäischen Union noch präzisiert werden muss. Ich
glaube, dass sie konsistent in andere Politiken eingebaut
werden muss, damit sie ihre Wirkung entfalten kann.

Ich begrüße es ausdrücklich, dass wir heute im Parla-
ment darüber diskutieren; denn das ist eine wichtige
Strategie, die ein großes Entwicklungspotenzial in sich
birgt. Ich halte es auch für richtig, dass im Koalitionsan-
trag gefordert wird, dass die Entwicklungspotenziale, die
in dieser Makroregion schlummern, gehoben werden.
Allerdings möchte ich auch dies betonen: Ob uns das am
Ende des Tages gelingt, hängt nicht allein davon ab, wie
die Donaustrategie formuliert ist – in dem Aktionsplan
finden wir teilweise sehr gute und konkrete Projekte –,
sondern das hängt am Ende auch davon ab, wie mutig

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(C (D ie Europäische Union und damit wir alle sind, wenn es arum geht, auf wichtigen, großen Politikfeldern der EU eformen vorzunehmen. Das ist erforderlich, damit die onaustrategie eingebunden in andere Politiken und trategien eine Chance hat. Ich nenne in diesem Zusamenhang die Nachbarschaftspolitik, die Gemeinsame grarpolitik, die Kohäsionspolitik und letztlich auch die rage der zukünftigen Haushaltsgestaltung. Die Enticklung in diesen Politikfeldern darf man nicht geennt sehen von dem, was wir gemeinsam an positiver ntwicklung für den Donauraum erreichen wollen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Gunther Krichbaum [CDU/CSU])


Ich finde es hervorragend, dass sich die Donaustrate-
ie, die nach ihrer derzeitigen Ausgestaltung 14 Staaten
mfasst, nicht nur auf EU-Mitgliedstaaten und direkte
nrainer der Donau bezieht, sondern auch Länder be-
cksichtigt, die nicht oder noch nicht Mitglied der Eu-
päischen Union sind. Ich finde es auch sehr gut, dass
dem Antrag von CDU/CSU und FDP ausdrücklich un-
rstrichen wird, dass die Expertise nichtstaatlicher Ak-
ure eine große Rolle bei der Entwicklung und Umset-

ung der Donaustrategie spielen soll. Allerdings hätte
h mir gewünscht, dass an der einen oder anderen Stelle
es Antrags der Koalitionsfraktionen noch etwas stärker
erausgearbeitet worden wäre – das steht ohne Zweifel
rin –, dass im Zusammenhang mit den nichtstaatlichen
kteuren nicht nur die Unternehmensverbände und
Ks eine entscheidende Rolle spielen, sondern auch die

ivilgesellschaft


(Beifall bei der SPD)


nd die Donaustrategie daher in der Zivilgesellschaft
erankert sein muss und sie den Austausch und die Zu-
ammenarbeit der Zivilgesellschaften im Donauraum
rdern muss.

Ich möchte deshalb ausdrücklich betonen, dass ich es
r eine hervorragende Idee halte, ein Donaujugendwerk

u installieren. Das ist, glaube ich, genau der richtige
eg, um gerade auch die nächste Generation für dieses

rojekt zu begeistern und dazu zu befähigen, in der Re-
ion eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zu
etreiben. Abseits der Frage, wie man ein solches Ju-
endwerk am Ende institutionalisiert, halte ich es für
ichtig, dass man sehr schnell damit beginnt, dieses Ju-
endwerk zu gründen und es mit Leben zu füllen. Denn
as wäre, glaube ich, ein Symbol für die nach vorne ge-
chtete Donaustrategie.


(Beifall bei der SPD)


Eine entscheidende Frage, die sich mir stellt, ist na-
rlich: Wie gelingt es uns, der gesamten Makroregion
it der Donaustrategie eine gute Perspektive zu geben?
ie kann man einen Mehrwert für eine nachhaltige Ent-
icklung in der Region schaffen? Ich möchte noch ein-
al aufgreifen, was ich gerade schon angeführt habe. Ich

laube, nur wenn sich die europäische Donaustrategie
onsistent in eine Weiterentwicklung wichtiger EU-Poli-
kfelder einfügt, wird sie am Ende erfolgreich sein. Des-
alb müssen wir uns die Fragen stellen – das ist ein
unkt, der in diesem Antrag zu kurz kommt; über diesen





Dietmar Nietan


(A) )


)(B)

Punkt müssen wir sicherlich über diesen Antrag hinaus
auch hier im Parlament weiter ringen –: Welche Initiati-
ven werden aus Deutschland kommen, um die Kohä-
sionspolitik, die Strukturpolitik weiterzuentwickeln, die
Rolle der Regionen zu stärken und die grenzüberschrei-
tende Zusammenarbeit mit neuen zielführenden Instru-
menten zu bestücken, nicht nur die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit zwischen EU-Mitgliedstaaten, sondern
gerade auch zwischen EU-Mitgliedstaaten und Nicht-
EU-Mitgliedstaaten? Welche Ziele geben wir der Kohä-
sionspolitik in Zukunft? Wie präzisieren wir die Instru-
mente? Wie statten wir sie mit Mitteln aus? Ich glaube,
nur wenn sich die Kohäsionspolitik weiterentwickelt,
wird es einen Rahmen geben, in dem sich die Donaustra-
tegie erfolgreich entfalten kann.

Ebenfalls zu Recht betonen die Koalitionsfraktionen,
dass die Entwicklung im ländlichen Raum ein ganz ent-
scheidender Punkt ist. Aber wenn man das so betont,
wird man nicht um folgende Fragen herumkommen: Wie
werden wir uns als Bundesrepublik Deutschland in die
Diskussion über die grundsätzlich notwendigen Refor-
men der Gemeinsamen Agrarpolitik einbringen? Wie
schaffen wir es, noch stärker als bisher von den direkten
Subventionen hin zur Förderung einer nachhaltigen Ent-
wicklung im ländlichen Raum zu kommen?

Ebenfalls geht es darum – darauf wird rekurriert –,
das Ganze in die EU-Strategie 2020 einzubinden. Aber
das kann nur gelingen, wenn die EU-Strategie 2020
nicht allein auf Wettbewerbsfähigkeit achtet, sondern
auch Wohlstand und Prosperität für die gesamte Region
und nicht nur für die EU-Mitgliedstaaten beinhaltet. Ich
habe den Finanzrahmen angesprochen. Wir werden si-
cherlich auch darüber diskutieren müssen, wie die ein-
zelnen Politiken im Finanzrahmen von 2014 bis 2020
neu strukturiert werden, damit die benötigten Mittel mit
entsprechenden Prioritäten versehen zur Verfügung ge-
stellt werden können.

Zum Schluss erlauben Sie mir noch den Hinweis auf
zwei Politiken, die ich bisher nicht genannt habe, aber
jetzt noch einmal betonen möchte. Wir haben mit der
Donaustrategie den großen Vorteil, dass wir damit zum
Beispiel auch die Staaten des sogenannten Westbalkans
ansprechen. Ich glaube, die Donaustrategie ist am Ende
nur glaubwürdig, wenn wir in der europäischen Erweite-
rungspolitik deutlich machen, dass die Perspektive der
EU-Erweiterung für diese Staaten weiterhin besteht,


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Michael Link [Heilbronn] [FDP])


dass nach Kroatien nicht Schluss ist, sondern dass wir
uns ernsthaft darum bemühen, diesen Staaten diese Pers-
pektive zu geben. Ich glaube, wenn das konsistent der
Fall ist, ist auch die Donaustrategie für diese Staaten
eine glaubwürdige Strategie, eine Strategie, in die sie
sich sicherlich gerne einbringen werden.

Wir werden nicht nur im Zusammenhang mit den Ent-
wicklungen in Nordafrika – darüber haben wir hier im
Plenum ja gerade eine Diskussion geführt –, sondern
auch im Zusammenhang mit den Entwicklungen in der
Republik Moldau, in der Ukraine und in Belarus darüber

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(C (D iskutieren müssen, wie wir die europäische Nachbarchaftspolitik so reformieren, dass sie sich entfaltet und u Stabilität, Prosperität und Entwicklungschancen für ie Menschen in den Nachbarstaaten führen kann. Ich laube, das ist der entscheidende Punkt: Haben wir den ut, diese wichtigen EU-Politiken über die Donaustragie hinaus so zu reformieren, dass sie den Menschen ienen? Ich glaube, nur wenn wir beides tun, wird die onaustrategie Erfolg haben. Das sollten wir uns alle emeinsam wünschen. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Dietmar Nietan. – Jetzt pricht für die FDP-Fraktion unser Kollege Joachim patz. Bitte schön, Kollege Spatz. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1710529400


Joachim Spatz (FDP):
Rede ID: ID1710529500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde

erschiedentlich schon gesagt: Der alte Kulturraum Bal-
an/Donau ist ein wesentlicher Bestandteil der europäi-
chen Geschichte und der europäischen Zukunft. Des-
alb ist es wichtig und folgerichtig, dass sich die
uropäische Union um diesem Raum ähnlich wie um
en Ostseeraum, der auch eine gewachsene Kulturregion
t, kümmert. Eines möchte ich gleich zu Beginn betonen
auch der Kollege Nietan hat dies angesprochen –: Na-
rlich ist diese Strategie nur glaubwürdig, wenn auch

er Westbalkan eine Perspektive innerhalb der Europäi-
chen Union hat. Allerdings glaube ich, dass daran nie-
and in diesem Hause zweifelt. Entschlossene Schritte
diese Richtung gehen wir jedenfalls.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich finde es richtig und wichtig, dass sich die Europä-
che Union und ihre Mitgliedstaaten dieser Aufgabe

tellen. Dabei will man keine neue Institution schaffen,
eine neuen, zusätzlichen Mittel rekrutieren und ohne
eue Rechtsetzungsakte auskommen. Das heißt, man
tellt sich dieser Aufgabe, ohne sofort nach dem Füll-
orn der zentralen Umverteilung zu rufen. Das ist in Zei-
n wie diesen, in denen wir über Stabilisierungsmecha-
ismen und Ähnliches diskutieren, ein bemerkenswerter
nd unterstützenswerter Vorgang. Auch dies sei betont.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


An der Strategie für den Donauraum sind nicht nur
U-Mitgliedstaaten, sondern auch sechs Nichtmitglied-
taaten beteiligt. Dies zeigt ganz deutlich, dass Europa in
er Lage ist, über seine Grenzen hinaus zu denken und
ie Anrainerstaaten an der ökonomischen Prosperität,
ie diese Region durch die engere Kooperation mit der
U erfahren wird, teilhaben lassen will. Wir begrüßen
usdrücklich, dass das Prinzip der Subsidiarität auch hier





Joachim Spatz


(A) )


)(B)

gelten soll. Dies hat zur Folge, dass Bundesländer wie
Baden-Württemberg und Bayern die Expertise, die sie
bei diesem Thema seit vielen Jahren haben, einbringen
können.

Vier Säulen sind wichtig: die Anbindung des Donau-
raums an den zentraleuropäischen Raum, der Umwelt-
schutz im Donauraum – auch dies ist ein wichtiges
Thema –, der Aufbau von Wohlstand und die Stärkung
der inneren Sicherheit, Stichwort „Bekämpfung organi-
sierter Kriminalität“; dies ist besonders wichtig, wenn
man die Aufnahme der Staaten des Westbalkans in die
EU weiter vorantreiben will. Diese vier Säulen sind
Kernbestandteile der Strategie.

Ein zentraler Punkt ist die Befähigung der Länder des
Westbalkans zur Wettbewerbsfähigkeit. Es sei daran er-
innert: Das ist kein Nebenkriegsschauplatz, Herr Kol-
lege Nietan, sondern ein Hauptkriegsschauplatz. Denken
Sie nur an die Diskussionen, die wir in Bezug auf andere
Länder der Euro-Zone führen. Ich denke, eine zentrale
Weichenstellung für die nächsten Jahre besteht darin, die
Länder des Donauraums zu befähigen, aufgrund eigener
wettbewerbsfähiger Strukturen wirtschaftlichen An-
schluss an Zentraleuropa zu finden. Am Ende der Reise
sollte natürlich ihre Mitwirkung an der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion stehen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur wurde bereits
angesprochen. Der wesentlichste Punkt ist meiner Mei-
nung nach allerdings der Ausbau der Infrastruktur beim
Energietransfer. Wenn der Donauraum im Hinblick auf
den Austausch von Strom, Gas und anderen Energieträ-
gern an Zentraleuropa gut angebunden wird, ist zu er-
warten, dass sich dort eine vernünftige Infrastruktur ent-
wickelt. Auch für diesen Raum wird es unumgänglich
sein, seine Energiewirtschaft umzustellen.

Das Jugendwerk und der Austausch von Studierenden
wurden bereits angesprochen. In diesem Bereich kann
man bereits den ersten greifbaren Erfolg vermelden:
Schon bevor die Strategie zu Papier gebracht wird, wur-
den entsprechende Aktivitäten eingeleitet. So wird die
Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper,
morgen in Budapest den Partnerschaftsvertrag zwischen
Bayern, Baden-Württemberg, der Bundesrepublik Deutsch-
land und der deutschen Andrassy-Universität in Buda-
pest unterzeichnen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deutschsprachig! Sie diskriminieren sonst die Schweiz und das Tessin!)


– Ja, es ist eine deutschsprachige Universität in Buda-
pest.

Ich finde, dass wir im Übrigen – vielleicht weil wir
am Rande dieser Region liegen – nicht unterschätzen
sollten, für wie wichtig die betreffenden Länder diese
Strategie halten. Es ist ein wichtiges Zeichen für die

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(C (D uropäische Integration, dass wir die partnerschaftliche and in fairer Art und Weise ausstrecken. Danke schön. Vielen Dank, Kollege Joachim Spatz. – Als Nächster at unser Kollege Dr. Diether Dehm das Wort. Bitte chön, Kollege Diether Dehm, für die Fraktion Die inke. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Donau trategie bzw. das, was die Kommission da will, stellt irtschaftsund verkehrspolitische Ziele über den Erhalt on Ökosystemen und verschärft außerdem die vorhanenen sozioökonomischen Gegensätze zwischen den cht EU-Staaten und den sechs Donauanrainern weiter. er Koalitionsvertrag fällt noch hinter den Vorschlag der ommission zurück. Bis 2020 sollen die Kapazitäten für en Güterschiffsverkehr verdoppelt werden. Dazu sollen estehende Engpässe für die Schifffahrt beseitigt weren. Die Donau soll ganzjährig für große Binnenschiffe it einem Tiefgang von bis zu 2,50 Metern schiffbar ein. Das bedeutet Flussbegradigung, Vertiefung von ahrrinnen und Aufstauungen. Die Engpässe, die da einetoniert werden sollen, sind aber auch Auenlandschafn. Wir halten Güterschiffe durchaus für eine zukunftshige Verkehrsform. Sie sollte aber kein Bauplan für ein oziales und ökologisches Desaster sein. Die Umweltziele bleiben unkonkret. Aber es gibt beits eine konkrete Finanzierung für NAIADES und die EN-Projekte bzw. für den Straßenund Schienenverehr. Bayern plant so den Donauausbau mit Staustufen einzig unverbauten Abschnitt zwischen Straubing nd Vilshofen. Die Linke ist dagegen und steht an der eite der Umweltinitiativen vor Ort. In Mittelund Südosteuropa ist die Wirtschaft noch tärker eingebrochen als sonst in Europa. Das gilt besoners für Ungarn und Rumänien, die im Gegenzug für F-Kredite brutale Verarmungsprogramme einleiten ussten. Das Wiener Institut für Internationale Wirt chaftsvergleiche rechnet zwar ab diesem Jahr mit achstumsraten von durchschnittlich 3 Prozent, unter treicht aber, dass diese Staaten fünf bis sieben Jahre an ozioökonomischer Entwicklung verloren haben. Wie ollen mit den brutalen Sparprogrammen der Europa020-Strategie, auf die die Kommission als Ausweg vereist, Bildung und Beschäftigung ausgebaut werden? Die Kommission veranschlagt die Gesamtkosten der onaustrategie auf rund 100 Milliarden Euro, die 2014 is 2020 durch Einschnitte im Kohäsionsfonds, beim uropäischen Fonds für regionale Entwicklung und beim ozialfonds aufgebracht werden sollen. Der Förderfokus ird weiter auf Privatisierung und Wettbewerbsfähigkeit Dr. Diether Dehm )


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1710529600

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Jörg-Diether Dehm-Desoi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710529700

(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)





(A) )

zulasten von nötigen sozialen Ausgleichsprogrammen
eingeengt. Monopolkapitalistische EU-Politik beantwor-
tet nirgendwo die Frage: Wie sind Wirtschafts- und Bin-
nennachfrage anzukurbeln, wenn man sie gleichzeitig
– an der Donau, in Griechenland, Portugal und letztlich
auch in Deutschland – kaputtkürzt?


(Zuruf von der CDU/CSU: Seit wann fließt die Donau in Kuba?)


– Ich habe schon intelligentere Zwischenrufe gehört. –
So profitieren von diesem gigantischen Infrastrukturpro-
gramm in erster Linie Konzerne und Großbanken aus
Kerneuropa – besonders deutsche und österreichische –,
die die Märkte bereits beherrschen.

Eine nachhaltige soziale und ökologische Integration
der Region kann nur mit der von Gewerkschaften und
uns geforderten sozialen Fortschrittsklausel sowie der
grundlegenden Revision der Lissabon-Verträge erreicht
werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Die EU muss ihre Grundrichtung komplett ändern, so-
zial und ökologisch werden und nicht nur in der Donau-
region endlich zu den Menschen kommen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1710529800

Vielen Dank, Kollege Dr. Dehm. – Jetzt spricht als

Nächste auf unserer Rednerliste für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen unsere Kollegin Viola von Cra-
mon-Taubadel. Bitte schön, Sie sind erneut im Einsatz.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Verehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen! Die Donau verbindet. Sie verbindet EU-Mitglied-
staaten wie Deutschland mit EU-Anwärtern wie Kroa-
tien und mit den Ländern der EU-Nachbarschaftspolitik,
der Ukraine und Moldau. Es ist daher folgerichtig – wir
unterstützen das sehr –, dass die EU-Kommission eine
gemeinsame Strategie für diese Region entworfen hat.
Ich glaube, schon gestern haben die EU-Außenminister
genau diese Strategie beschlossen. Aber vielleicht haben
Sie eben über eine andere Vereinbarung gesprochen,
Herr Spatz.


(Joachim Spatz [FDP]: Das war in der Tat eine andere Vereinbarung!)


Die Umsetzung soll nun schnell beginnen, damit die Le-
bensqualität der etwa 115 Millionen Menschen in die-
sem Gebiet, wie Sie auch geschrieben haben, langfristig
verbessert werden kann.

Was haben wir uns nun unter dieser Donaustrategie
vorzustellen? Es heißt dort: Eine dynamische Donau-
region unter Beachtung des Naturschutzes und der Bio-
diversität soll gefördert werden.


(Dr. Rainer Stinner [FDP]: Das muss Ihnen doch gefallen!)


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(C (D afür hat die EU-Kommission selbstverständlich die olle Unterstützung von uns Grünen. (Joachim Spatz [FDP]: Da hättet ihr applaudieren müssen!)


eiterhin wird betont, für die Strategie keine neuen EU-
elder zu erheben, keine neuen EU-Vorschriften zu er-
ssen und keine neuen EU-Strukturen zu schaffen. Viel-
ehr soll es zu einer verstärkten regionalen Kooperation

ommen. Auch diesen Ansatz unterstützen wir.

Es gibt allerdings einen Knackpunkt, auf den ich Sie
erne hinweisen möchte. Das Hauptproblem der Donau-
trategie liegt – Herr Dehm hat das eben schon angespro-
hen – in den eklatanten Widersprüchen, also in einem
ielkonflikt. So soll auf der einen Seite die Donau
chiffbarer gemacht werden. Die Zielvorgabe lautet, den
rachtverkehr bis 2020 um mindestens 20 Prozent zu
teigern. Damit verbunden sind die geplanten Begradi-
ungen und Staustufen, um den flachen Fluss für die
roßen Frachtkähne befahrbar zu machen. Gleichzeitig
ich denke, das liegt uns Grünen wirklich besonders am
erzen – soll das Erreichen des anderen Ziels, die Bio-
iversität, gefördert werden.

Wer sich einmal die Statistiken anschaut und sieht,
ie viele Arten täglich verloren gehen, der oder die
eiß, wie wichtig die Erreichung genau dieses Ziels
icht nur für das Donaugebiet, sondern für den gesamten
uropäischen Kontinent ist.


(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Ja!)


Ich meine das ernst.


(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Gut, dass Sie das dazusagen!)


ie Natur im Donaugebiet ist ein besonders schützens-
erter und einmaliger Naturraum hier in Europa


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


das wissen Sie aus Bayern wahrscheinlich noch besser
ls ich –; denn mehr als 300 Vogelarten leben hier, und
iele von ihnen sind sehr selten.

Nun zurück zur Schlüsselfrage, wie dieser Zielkon-
ikt zu überwinden ist. Sogar die Bundeskanzlerin hat in
inem Statement genau diese Herausforderung als das
pannungsfeld der Strategie ausgemacht: Wie lassen
ich Naturschutz und Gütertransport auf dem Fluss ver-
inbaren? Antworten darauf, wie dieses Spannungsver-
ältnis aufzulösen ist, finden wir in Ihrem Antrag keine.
as ist das Bedauerliche, weswegen wir uns am Ende

uch enthalten werden.


(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Oh! Das ist ja überraschend!)


ie sagen nur, was nicht geschehen darf, bieten in Ihrem
ntrag allerdings keine Lösungsvorschläge an.

Für uns Grüne ist klar: Ein Schutz des Donauraums
ber die Grenzen der 14 Anrainerstaaten hinweg ist drin-
end nötig. Aber eine Flussbegradigung und Staustufen
ind unnötige Eingriffe. Vielmehr sollten wir darin in-





Viola von Cramon-Taubadel


(A) )


)(B)

vestieren, die Schiffe dem Fluss anzupassen – nicht um-
gekehrt. Ingenieure werden Ihnen sagen, dass es durch-
aus möglich ist, Schiffe so zu konstruieren, dass die
gleichen Lasten getragen werden können und die Donau
dennoch in ihrem ursprünglichen, natürlichen Zustand
befahren werden kann. Ich begrüße es daher ausdrück-
lich, dass sich die deutsche Delegation beim Treffen des
Rates der Europäischen Union am 8. April gegen die Be-
seitigung der Engpässe der Donau ausgesprochen hat.
Sie sehen: Ab und zu erkennen wir es sogar an, wenn
sich die Regierung richtig verhält. Der Schutz der Um-
welt muss aus unserer Sicht Priorität behalten. Nur wenn
der Umweltschutz gelingt, werden auch die anderen
Ziele der Strategie erreicht.

Am Ende komme ich nun zu den großen Chancen der
Strategie. Die größte Chance liegt für uns im nachhalti-
gen, grenzüberschreitenden Tourismus. Das ist ein Pro-
jekt mit großer Priorität. Als eine wichtige Vorausset-
zung genau hierfür – damit komme ich wieder auf den
Naturschutz zurück – muss es eben eine Verbesserung
des Naturschutzes und vor allem auch eine Verbesserung
der Wasserqualität geben. Die biologische und kulturelle
Vielfalt des Donauraums bietet ein enormes Potenzial
und hat eben auch eine existenzielle Bedeutung für den
Ökotourismus. Nachhaltiger Tourismus kann maßgeb-
lich – auch das wissen Sie – zur Wirtschaftsförderung
beitragen. Natürliche und kulturelle Ressourcen werden
geschützt, indem auf die umweltgerechte Gestaltung von
touristischer Infrastruktur gesetzt wird. Genau darauf
kommt es aus unserer Sicht in der Donauregion und in
dieser Strategie an.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1710529900

Wir haben zu danken. – Der letzte Redner in dieser

Debatte ist der Kollege Gunther Krichbaum für die Frak-
tion der CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Gunther Krichbaum (CDU):
Rede ID: ID1710530000

Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die
Donau hat viele Gesichter: Für die einen ist sie eine
Grenze, für die anderen eine lebensnotwendige Ver-
kehrsader und für Dritte ohne jeden Zweifel auch ein tol-
les Naherholungsgebiet.

Was die Grenze angeht – damit sind wir schon mitten-
drin –, wird ersichtlich, dass es letztlich darauf an-
kommt, was wir aus der Donau machen. Allein zwischen
Bulgarien und Rumänien erstreckt sich der Grenzverlauf
entlang der Donau über eine Länge von 380 Kilometern.
Aber es gibt nur eine einzige Brücke. Schon daraus wird
ersichtlich, dass diese beiden Länder so gut wie nichts
miteinander zu tun haben. Sie haben weder ein gutes
noch ein schlechtes Verhältnis zueinander; sie haben gar
kein Verhältnis zueinander. Genau an dem Punkt kann
die Donaustrategie ansetzen.

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(C (D Was die Verkehrskapazitäten angeht, muss sich in der ächsten Zeit in der Tat erheblich mehr tun. Dazu nur wei Zahlen: Während sich der schiffbare Verlauf des heins über 700 Kilometer erstreckt, sind es auf der Doau immerhin 2 200 Kilometer. Was die Frachtgüter aneht, fällt aber auf, dass auf der Donau 60 Millionen bis 0 Millionen Tonnen im Jahr befördert werden, während s auf dem Rhein bei einem Drittel der Länge immerhin 50 Millionen Tonnen sind. Das entspricht einem Verältnis von circa 1 zu 20. (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rotterdam an die Donau!)


as bedeutet, dass es zum einen in den Anrainerstaaten
nterschiedliche Voraussetzungen gibt und dass es zum
nderen an schiffbaren Abschnitten fehlt. Deswegen
erden wir langfristig nicht darum herumkommen, dar-
ber zu diskutieren, inwieweit die Donau vertieft werden
uss. Die Transportkapazitäten müssen schon deswegen

usgebaut werden, weil wir zunehmend auch im Stra-
enverkehr an unsere Kapazitätsgrenzen kommen. Unter
nderem daran zeigt sich die Wichtigkeit.

Die Donau ist auch Energieträger und Energiebringer.
as wird vor allem in Österreich deutlich. In Österreich
at die Donau auf ihrer Gesamtlänge ein Gefälle von
irca 10 Metern. Das heißt, sie ist faktisch ein Gebirgs-
uss. Das ermöglicht es, dass zahlreiche Wasserkraft-
erke zur Deckung des Strombedarfs in Österreich bei-
agen. Auch hier gibt es Möglichkeiten des Ausbaus,
icht unbedingt entlang der Donau in Österreich, wohl
ber bei den Zuflüssen. Das spielt für eine Energiestrate-
ie in Europa eine zunehmend wichtige Rolle.

Es gibt in der Tat sehr viele Facetten, bis hin zu der
ulturellen Verbindung. Das ist der eigentlich Charme
er Donauraumstrategie, die von Ländern wie Baden-
ürttemberg und Bayern entwickelt wurde. Die Initia-

ve ging damals von der EU-Regionalkommissarin
anuta Hübner und dem damaligen Ministerpräsidenten
ünther Oettinger aus. Ich erwähne das deswegen, weil

s zeigt, dass sehr wohl auch die Bundesländer dafür
orge tragen können, dass aus solchen Ideen eines Tages
ine gesamteuropäische Strategie entstehen kann. Die
undesländer können sich in Europa durchaus aktiver
inbringen, als dies in der Vergangenheit der Fall war.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Donauraumstrategie hat aber – das haben manche
edner bereits erwähnt – ihren besonderen Charme da-
n, dass sie Nicht-EU-Länder mit EU-Ländern verbin-
et. Ja, es wäre deutlich zu kurz gesprungen, wenn man
ie Donauraumstrategie nur als ein Infrastrukturprojekt
efinieren würde. Sie muss eine Anstoßwirkung haben,
ls Katalysator wirken, insbesondere was die Erweite-
ngspolitik der Europäischen Union angeht. Länder wie

ie Republik Moldau und Serbien brauchen eine Pers-
ektive in dieser Richtung. Für die Gesamtentwicklung
olcher Länder ist dies unabdingbar. Diese Länder rü-
ken näher zusammen. Das ist von unserer Seite zu be-
rüßen. Wir wollen deswegen die Donauraumstrategie
ahin gehend fördern, dass sie ein Ansporn zur soge-





Gunther Krichbaum


(A) )


)(B)

nannten Good Governance ist, dass sie eben die gute Re-
gierungstätigkeit in den Ländern zu befördern hilft.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich glaube, es sollte nicht nur eine Binnenstrategie der
Europäischen Union sein, sondern insbesondere auch ei-
nen Beitrag dazu leisten, dass die Bürgerinnen und Bür-
ger enger zusammenrücken und Städtepartnerschaften
entstehen. Dazu ein letztes Beispiel. Wir stellen fest, dass
Baden-Württemberg über 490 Städtepartnerschaften mit
Frankreich hat, während Gesamtdeutschland mit Serbien
gerade einmal drei Städtepartnerschaften hat. Auch das
sollte uns zu denken geben.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1710530100

Vielen Dank, Kollege Gunther Krichbaum. – Gunther

Krichbaum war der letzte Redner in dieser Debatte.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf
Drucksache 17/5495 mit dem Titel „Strategie der Euro-
päischen Union für den Donauraum effizient gestalten“.
Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Dieser Antrag ist angenommen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13 a und b auf:

a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Burkhard
Lischka, Karin Roth (Esslingen), Dr. Sascha Ra-
abe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
SPD

Stärkung der humanitären Lage in Afghani-
stan und der partnerschaftlichen Kooperation
mit Nichtregierungsorganisationen

– Drucksachen 17/1965, 17/4628 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Jürgen Klimke
Burkhard Lischka
Harald Leibrecht
Heike Hänsel
Ute Koczy

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)

Koenigs, Ute Koczy, Dr. Frithjof Schmidt, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Für einen nachhaltigen Ausbau des Bildungs-
und Hochschulsystems in Afghanistan

– Drucksachen 17/3866, 17/4629 –

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2)

(C (D Berichterstattung: Abgeordnete Philipp Mißfelder Johannes Pflug Patrick Kurth Wolfgang Gehrcke Dr. Frithjof Schmidt Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu iesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben.1)

h sehe, Sie sind damit einverstanden. Die Liste der Na-
en der Redner liegt dem Präsidium vor.

Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesord-
ungspunkt 13 a. Der Ausschuss für wirtschaftliche Zu-
ammenarbeit und Entwicklung empfiehlt in seiner Be-
chlussempfehlung auf Drucksache 17/4628, den Antrag
er Fraktion der SPD auf Drucksache 17/1965 abzuleh-
en. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Ge-
enprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung
t somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesord-
ungspunkt 13 b. Der Auswärtige Ausschuss empfiehlt
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/4629,

en Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
rucksache 17/3866 abzulehnen. Wer stimmt für diese
eschlussempfehlung? – Das sind die Koalitionsfraktio-
en und die Linksfraktion. Gegenprobe! – Bündnis 90/
ie Grünen. Enthaltungen? – Die Sozialdemokraten. Die
eschlussempfehlung ist somit angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
gegen den Handel mit illegal eingeschlagenem

(Holzhandels-Sicherungs-Gesetz – HolzSiG)

– Drucksache 17/5261 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz (10. Ausschuss)


– Drucksache 17/5498 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Alois Gerig
Petra Crone
Dr. Christel Happach-Kasan
Dr. Kirsten Tackmann
Cornelia Behm

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu
iesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben.2) –
lle Kolleginnen und Kollegen sind einverstanden, wie
h sehe. Die Liste der Namen der Redner liegt uns vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für
rnährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz emp-
ehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache
7/5498, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf
rucksache 17/5261 anzunehmen. Ich bitte diejenigen,
ie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das

Anlage 4
Anlage 5





Vizepräsident Eduard Oswald


(A) )


)(B)

Handzeichen. – Gegenstimmen? – Keine. Enthaltun-
gen? – Keine. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung einstimmig angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Keiner. Enthaltungen? – Keine.
Der Gesetzentwurf ist somit angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Nicole
Gohlke, Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Hochschulzulassung bundesgesetzlich regeln –
Sozialen Zugang und Durchlässigkeit in Mas-
terstudiengängen sichern

– Drucksache 17/5475 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Arbeit und Soziales
Haushaltsausschuss

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu die-
sem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu nehmen.1) –
Sie sind alle einverstanden. Die Liste der Namen der
Redner liegt uns vor.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/5475 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 a und b auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Helmut
Heiderich, Sibylle Pfeiffer, Dr. Christian Ruck,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/
CSU sowie der Abgeordneten Dr. Christiane Rat-
jen-Damerau, Harald Leibrecht, Helga Daub, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Illegale Landnahme verhindern, Eigentums-
freiheit schützen, Ernährungsgrundlage in
Entwicklungsländern sichern

– Drucksache 17/5488 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Haushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Niema
Movassat, Sahra Wagenknecht, Dr. Axel Troost,

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(D weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Hunger bekämpfen – Spekulation mit Nahrungsmitteln beenden – Drucksache 17/4533 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die eden zu Protokoll genommen. Die Liste der Namen er Kolleginnen und Kollegen liegt uns vor. In den vergangenen drei Jahren haben Investoren aus dustrieund Schwellenländern in Afrika rund 20 Milonen Hektar Ackerland gepachtet bzw. gekauft. Diese andnahme, auch „Land Grabbing“ oder „Offshore arming“ genannt, ist gerade in Afrika besonders auseprägt, da dort sowohl ausreichend landwirtschaftlihe Flächen als auch genügend preiswerte Arbeitskräfte ur Verfügung stehen. Die Herkunft der zum Teil privaten, aber auch staatchen Investoren ist so vielfältig wie ihre Beweggründe. ie stammen zum Beispiel aus der arabischen Welt, die esonders mit Wasserund Ackerlandmangel zu kämpn hat, aber vor allem aus asiatischen Ländern, wie hina und Indien, die ihrem rasanten Bevölkerungsachstum und dem Anstieg der Nahrungsmittelpreise m 15 Prozent zwischen 2007 und 2009)

Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1710530200
üssen. So kostet etwa Weizen international heute mit
ut 330 Dollar pro Tonne über 50 Prozent mehr als noch
or einem Jahr. Auch die Spekulationen mit Nahrungs-
itteln führen zu massiven Preissteigerungen, deren Ra-
n von Wissenschaftlern auf 20 Prozent bis 40 Prozent

ingeschätzt werden. Finanzinvestoren suchen verstärkt
ach Anlagemöglichkeiten in vermeintlich sicheren und
rofitablen Sachwerten, und dazu gehören nicht nur
old, sondern zum Beispiel auch Weizen, Mais, Soja und
ucker. Die steigende Nachfrage treibt die Preise in die
öhe – mit fatalen Folgen für arme Bevölkerungs-

chichten in Entwicklungsländern. Daneben macht sich
er steigende Lebensstandard vieler Einwohner von
chwellenländern, die verstärkt höherwertige Nah-
ungsmittel wie Fleisch und Milch nachfragen, bemerk-
ar. Der daraus entstehende größere Bedarf an Getreide
r Tierfutter lässt zusätzlich die Preise für Grundnah-

ungsmittel klettern.

In der Tat kann eine ausländische Investition in
grarflächen mit enormen Chancen für die einheimi-
che Bevölkerung verbunden sein: Investitionen in die
andwirtschaft sowie der Einsatz moderner Technik
önnen zu deutlichen Steigerungen der Nahrungsmittel-
roduktion führen. Außerdem können zusätzliche Ein-
ahmen durch Verkaufserlöse, Pachterträge und Steuern
rzielt werden; es können neue Märkte entstehen, und
ie Zahl der Beschäftigten kann deutlich ansteigen,


(A) )


)(B)

wenn die Investition mit einer Strategie zur Armutsbe-
kämpfung verbunden ist. Es gibt diese positiven Fälle,
wie beispielsweise in Malawi, wo Tausende ortsansäs-
sige Arbeiter beschäftigt werden und ein Großteil der
Wertschöpfung im Land verbleibt.

Die Realität sieht aber oftmals anders aus: Tatsäch-
lich finden Investitionen vor allem in den Ländern statt,
in denen diktatorische und korrupte Regierungen herr-
schen. Es gibt Beispiele, wo bestechliche Beamte Land-
flächen als unfruchtbar eingestuft haben, nur um diese
besser an ausländische Investoren verkaufen zu können.
Andererseits lassen sich viele Länder auf diese Ge-
schäfte ein, weil sie sich in den ländlichen Regionen In-
vestitionen in Schulen, Krankenhäuser und Verkehrs-
infrastruktur erhoffen. Außerdem möchte man vom
Know-how der ausländischen Fachkräfte profitieren.

So kommt es häufig vor, dass Länder, die im besonde-
ren Maße vom Hunger betroffen sind, Investoren gegen-
über am großzügigsten mit ihrem Ackerland umgehen.
Die betroffenen Kleinbauern werden dann aber bei der
Landverteilung nicht berücksichtigt und damit oftmals
zu Opfern von Vertreibung und Ausbeutung. In Äthio-
pien gibt es zum Beispiel kein Privateigentum an Land –
alles Land gehört dem Staat. Die Regierung kann es so
problemlos an Investoren vergeben. 3,6 Millionen Hek-
tar – das entspricht der Größe Belgiens – hat Äthiopien
für Investoren inzwischen bereitgestellt. Der „Tages-
spiegel“ berichtete am 3. April 2011 von enttäuschten
äthiopischen Kleinbauern: „Als die Behörden ihnen das
erste Mal von den ausländischen Investoren erzählten,
hätten sie Strom, bessere Gesundheitsversorgung, Schu-
len, Straßen und Wasser versprochen, doch nichts davon
sei gekommen. Stattdessen habe man ihnen das Land
weggenommen, auf dem sie Sesam und Mais anbauten
und auf denen ihr Vieh weidete.“

Nicolas Sarkozy hat das Problem der Rohstoffpreise
und der Lebensmittelsicherheit zu einer Priorität der
G 20 in diesem Jahr erklärt. Die Steigerung der Nah-
rungsmittelproduktion, neue Anbaumethoden und die
Verbesserung bei Marktzugang und Infrastruktur sind
Herausforderungen, denen sich jedes Land stellen muss,
wenn es dauerhaft Hunger und Armut beseitigen
möchte. Genau dies verfolgen wir mit unserem Antrag.
Besserer Zugang der Bauern zu den Märkten kann dazu
beitragen, die Effizienz der Lebensmittelversorgung zu
steigern. Eine bessere staatliche Verwaltung ist Voraus-
setzung, damit Investitionsprogramme der einheimi-
schen Bevölkerung zugutekommen. Eine verbesserte
Infrastruktur für Lagerung und Transport kann hohe
Verluste vermeiden.

Deshalb müssen wir in Zukunft Verstöße gegen das
Recht auf Besitz und Eigentum noch gezielter themati-
sieren, insbesondere im Menschenrechtsrat der Verein-
ten Nationen. Im Rahmen der Entwicklungszusammen-
arbeit wollen wir die Partnerländer noch stärker bei
einer zukunftsorientierten Landbewirtschaftungspolitik
unterstützen, um die Ernährung der Bevölkerung vor
Ort und global zu verbessern und auch um das Klima
und die Ressourcen für nachkommende Generationen zu
schonen. Mangelnde Rechtsstaatlichkeit und kaum funk-

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(C (D onierende Institutionen, insbesondere in vielen afrikaischen Ländern, machen die Durchsetzung von Landchten lokaler Gruppen jedoch oft schwierig, manchal sogar unmöglich. Daher wollen wir die Etablierung on Beschwerdemechanismen und die Stärkung bereits orhandener Menschenrechtsinstitutionen vor Ort förern. Vor dem Hintergrund des riesigen globalen Interesses n Land müssen wir so zu einer Stärkung von Good-Goernance-Strukturen beitragen. Es kann doch nicht sein, ass internationale Investoren auf Kosten der einheimichen Bevölkerung Millionengewinne machen und wir arallel dazu als Industrieländer die Ausgaben bei der ahrungsmittelhilfe andauernd drastisch erhöhen müs en. Die deutschen Auslandsvertretungen in den betreffenen Ländern müssen künftig noch stärker darauf hinwiren, dass Staaten, die über keine ausreichenden gesetzlihen Vorschriften zum Schutz von Besitz und Eigentum erfügen, einen verbindlichen Rechtsrahmen schaffen. Zuge der Entwicklungszusammenarbeit und des echtsstaatsdialogs wollen wir Unterstützung bei der usgestaltung dieses Gesetzgebungsprozesses – etwa in en Bereichen Immobiliarrecht, Sachenrecht, Grunduchund Katasterwesen, Staatshaftungsrecht oder Entchädigungsregelungen – geben. Um Korruption und enschenrechtsverstöße zu verhindern, wollen wir bei er Gestaltung der Verträge von ausländischen Investon mit Regierungen künftig darauf hinwirken, dass sie eim Verkauf oder der Verpachtung von Flächen die Benge der betroffenen ortsansässigen Bauern und die isiken für die Umwelt berücksichtigen. Die Entwicklung und Stärkung der Zivilgesellschaft t für uns von zentraler Bedeutung, ebenso wie die Auflärung der Bevölkerung über ihre Rechte. Insbesondere rauen soll Hilfestellung für die Bewirtschaftung von igentum und Besitz angeboten werden. Gemeinsam mit nseren EU-Partnern treten wir zudem bei den Vereinten ationen für ein Zusatzprotokoll ein, das den Schutz des igentums vor unberechtigten Eingriffen durch private ritte oder den Staat garantiert und angemessene Ent chädigungen im Falle von Enteignungen vorschreibt. enn wir konsequent und mit langem Atem auf die inhaltung dieser Standards drängen, stellen FDIs Foreign Direct Investments – kein Risiko oder eine Be rohung dar, sondern können eine wirkliche Chance für ntwicklungsländer und die Bekämpfung des Hungers der Welt sein. Die Nutzung von Grund und Boden für die Erzeugung on Lebensmitteln stand schon 1992 bei der „Agenda 21“onferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro anz oben auf der Tagesordnung. In Kapitel 14 der genda werden bedeutende Themen für die Zukunftsfäigkeit der Agrarwirtschaft besonders in Schwellenund ntwicklungsländern genannt, darunter auch die Boenordnung, Eigentumsfragen und die Bodenerhaltung. Aktuell sehen wir in vielen Entwicklungsund chwellenländern einen zunehmenden Wettbewerb um Helmut Heiderich gebene Reden )

Johannes Röring (CDU):
Rede ID: ID1710530300




(A) )

die Nutzung von Grund und Boden. Grund dafür ist,
dass wir eine stark wachsende Weltbevölkerung und die
damit einhergehende gestiegene Nachfrage nach Roh-
stoffen erkennen. Wir sehen ein verändertes Konsumver-
halten in den sich entwickelnden Regionen der Welt, be-
sonders in Asien. Auch die Nachfrage nach Bioenergie
sowie der Klimawandel, durch den immer mehr Flächen
durch Erosion und Wüstenbildung unfruchtbar werden,
sind Faktoren für diese Entwicklung. Wie dramatisch
dieser Entwicklungszustand ist, zeigen die Nahrungsmit-
telkrisen der letzten Jahre und eine zunehmende Anzahl
von hungernden Menschen auf der Welt.

Eine Folge dieser Entwicklung, die je nach Bewer-
tung entweder mit „Land Grabbing“ oder „Direct In-
vestment in Land“ überschrieben wird, ist der Kauf oder
die Anpachtung von Flächen in Entwicklungs- und
Schwellenländern. Wir sehen, besonders in Afrika, aber
auch in Teilen Asiens, meist zwei Arten von Käufern von
Landbesitz, die zu unterscheiden sind. Auf der einen
Seite stehen Länder wie etwa Saudi-Arabien, China, Ja-
pan oder Südkorea, die vor allem daran interessiert
sind, Nahrung für deren eigene Bevölkerung in den kom-
menden Jahren und Jahrzehnten zu sichern. All diese
Länder leiden unter einem Mangel an Wasser und
fruchtbaren Ackerböden.

Auf der anderen Seite sind jedoch auch vermehrt Pri-
vatkonzerne, Finanzinvestoren und Hedgefonds in das
„Land Grabbing“ eingestiegen. Diese Käufer kaufen
Agrarland oftmals aufgrund der in den nächsten Jahren
zu erwartenden Verknappung und erhoffen sich dadurch
hohe Renditen durch ihre Investitionen. Wir sehen bei
dieser Landnahme sowohl positive als auch negative
Entwicklungen für die betroffenen Staaten, die wir in un-
serem Antrag ja auch ausführlich beschrieben haben.
Allerdings sollten wir uns viel mehr die Frage stellen,
warum diese Staaten ihre Flächen nicht selber nutzen.

Die große Herausforderung von unserer Seite besteht
nun eigentlich darin, Unterstützung anzubieten, damit
insbesondere afrikanische Staaten in der Lage sind, die
landwirtschaftliche Produktion in den eigenen Händen
zu behalten. Eine Modernisierung und erhöhte Effektivi-
tät und Effizienz der ortsansässigen Landwirtschaft
würden dabei helfen, „Land Grabbing“ unattraktiv zu
machen. Dabei denke ich insbesondere an Know-how-
Transfer, Verbesserung von Anbaumethoden und Unter-
stützung bei der Ausbildung von Fachkräften. Dies
würde die Unabhängigkeit von der Praxis des „Land
Grabbing“ ermöglichen.

Die politische Umsetzung, hin zu einer erfolgreichen
Landwirtschaft, hängt auch entscheidend von einer gu-
ten Regierungsführung ab, weshalb wir auch besonderes
Augenmerk auf diesen Bereich legen. Mangelnde
Rechtssicherheit im Bezug auf Besitzverhältnisse sehen
wir als wichtigen Hinderungsgrund einer erfolgreichen
Entwicklung der am wenigsten entwickelten Länder an.
Die Bundesregierung setzt sich aktiv für den Aufbau von
rechtsstaatlichen Normen in Ländern der Dritten Welt
ein. Wir hoffen dadurch, unseren Partnerländern nicht
nur die Möglichkeit zu eröffnen, die Versorgung der ei-
genen Bevölkerung sicherzustellen, sondern auch das

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Zu Protokoll ge

(C (D ndwirtschaftliche Potenzial ihres Landes selbstständig utzen zu können. Landwirtschaft ist ein Wirtschaftsfaktor, der auch und esonders in Afrika Wohlstand in ländlichen Räumen ehren kann. Denn perspektivisch müssen diese Länder ie Vorteile von ihrem fruchtbaren Grund und Boden elber nutzen. Sie sollten zunächst in der Lage sein, sich elbst zu versorgen, um dann im nächsten Schritt Überchüsse zu produzieren, mit denen sie Handel treiben önnen, um so die wirtschaftliche Entwicklung, besoners in den ländlichen Gebieten, antreiben zu können. Durch die Zunahme von Investitionen in die Resource Boden ergeben sich politische Handlungsfelder, ie besonders auf den Gebieten der Landund Wasserchte, der sinnvollen Förderung und der notwendigen vestitionen in die Landwirtschaft und in den ländli hen Raum liegen. All diese Aspekte betonen wir in unerem Antrag. Wir wollen verantwortungsvoll getätigte nd notwendige Investitionen in den Agrarsektor, bei deen die lokalen, nationalen Rechte und der Schutz der ort lebenden Menschen und der dort verfügbaren Resourcen sichergestellt werden müssen. Wir wollen nicht, ass der Ackerboden in den Ländern der Dritten Welt pekulationsobjekt ist. Das Ziel unserer Politik muss es ein, den Stellenwert der Landwirtschaft zu erhöhen und o den Menschen die Möglichkeit zu geben, Ernährungsicherheit zu gewährleisten und langfristig Strukturen ufzubauen, die Wohlstand ermöglichen. Heute diskutieren wir zwei Anträge, die sich inhalt ch mit unterschiedlichen Themen beschäftigen, im Weenskern aber ein immer wieder auftretendes Phänomen us unterschiedlicher Perspektive beleuchten. Es geht m Spekulationen, Spekulationen um landwirtschaftlihes Nutzland und um Nahrungsmittel, die an den groen Warenterminbösen dieser Welt gehandelt werden. emein ist beiden Themenfeldern, dass die jeweiligen pekulationen – sofern sie keinen Regelungen unterleen sind und unkontrolliertes Ausmaß annehmen – vereerende Folgen für die Menschen in den Entwicklungsndern haben. Hieß es früher noch: „Mit Lebensmitteln pielt man nicht“, müsste es heute heißen: „Mit Lebensitteln spekuliert man nicht.“ Denn Hunger und Armut ntstehen, weil an anderer Stelle mit dem Essen spekuert wird. Im Februar 2011 erreichten die Lebensmittelpreise ach Angabe der Welternährungsorganisation der Verinten Nationen, UN Food and Agricultural Organisaon, FAO, einen neuen Rekordhöchststand. Innerhalb ines Jahres schnellten die Preise für Grundlebensmittel ie Weizen mit 74 Prozent oder Mais mit sogar 87 Pro ent unkontrolliert in die Höhe. Welche Auswirkungen iese Preisexplosionen für die Menschen in den Enticklungsländern haben, lässt sich schnell beantworten, enn man weiß, dass die meisten Menschen in den Enticklungsländern bis zu 80 Prozent ihres Einkommens r Nahrungsmittel aufwenden müssen. Solche rasanten reisentwicklungen sind dann fast nicht mehr zu stemen und ziehen gravierende Folgen nach sich. Schon Johannes Röring gebene Reden )

Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1710530400




(A) )

nach der enormen Preisexplosion im Frühjahr 2008
stellte die Weltbank fest, dass über 150 Millionen Men-
schen aufgrund der Preisentwicklungen der Grundnah-
rungsmittel unter die Armutsgrenze gefallen sind. Aber
auch ein Einbruch wirtschaftlichen Wachstums verbun-
den mit Unruhen und politischen Turbulenzen resultie-
ren aus dem mangelnden Zugang zu Lebensmitteln. Wel-
che Auswirklungen der diesjährige erneute Preisanstieg
haben wird, lässt sich schnell erahnen.

Die Ursachen dieser Preisentwicklungen sind vielfäl-
tig. Zum einen führen die stetig wachsende Weltbevölke-
rung und die veränderten Ernährungsgewohnheiten –
vorwiegend der steigende Fleischkonsum der Menschen
in asiatischen Schwellenländern – zu einem erhöhten
Lebensmittelbedarf. Zum anderen tragen der vermehrte
Anbau von Bioenergieträgern, die durch Erosion und
Versalzung für die Landwirtschaft unwirtschaftlich ge-
wordenen Flächen und die zunehmenden Ernteausfälle,
bedingt durch vom Klimawandel verursachte Naturka-
tastrophen, zu einer Verringerung der fruchtbaren Land-
flächen und Produktionsmengen von Nahrungsmitteln
bei.

Diese vorwiegend strukturellen Faktoren führen ers-
tens zu einem erhöhten Bedarf an begrenzten Ressour-
cen wie Lebensmittel und pflanzliche Energieträger.
Zweitens wird fruchtbares Land zu einem noch kostbare-
ren Gut. Begehrte Güter rufen Spekulanten auf die Ta-
gesordnung, die versuchen, sich am Bedarf knapper Gü-
ter zu bereichern. Leider ist das nicht nur an den
Finanzmärkten der Fall, sondern auch an den zur Er-
mittlung des Preises für Grundnahrungsmittel zuständi-
gen Warenterminbörsen.

Viel wurde in den letzten Wochen und Monaten über
Warenterminbörsen geredet, geschrieben und diskutiert
und dabei versucht herauszufinden, welchen Anteil die
Spekulationen in Bezug auf die hohe Volatilität der Preis-
entwicklung haben. Hier teile ich die Meinung der
Nichtregierungsorganisation Oxfam, die exzessiven Spe-
kulationen mit Agrarrohstoffen seien für die extremen
Preissprünge mitverantwortlich. Selbst die Weltbank
geht in einem Papier von 2010 davon aus, dass Index-
fonds einen wesentlichen Anteil an den Preisexplosionen
haben. Grundsätzlich geht es nicht darum, den Handel
und die Spekulationen an den Warenterminbörsen zu un-
terbinden. Das wäre falsch und marktwirtschaftlich
nicht dienlich. Genauso falsch wäre es aber, alles so zu
belassen, wie es ist. Denn aktuell „funktionieren“ die
Warenterminbörsen im Sinne der Steuerung von waren-
interessiertem Angebot und Nachfrage nicht. Daher be-
darf es klarer Regelungen und einer erhöhten Transpa-
renz in den und abseits der Warenbörsen. Es muss
eindeutig feststellbar sein, welche Akteure am Markt zu
welchen Konditionen aktiv sind. Die Einführung von Po-
sitionslimits ist dabei nur eine von vielen notwendigen
Maßnahmen, um der maßlosen Spekulation Einhalt zu
bieten. Daher haben wir als SPD-Bundestagsfraktion
mit einem Antrag – Drucksache 17/3413 – gegen diese
Spekulationen ein Zeichen gesetzt.

Bei der Spekulation mit agrarischer Landfläche ste-
hen wir vor einem ähnlichen Problem. Staatliche Ak-

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Zu Protokoll ge

(C (D ure – vorwiegend aus Schwellenländern und arabichen Ländern –, insbesondere aber private Investoren us Industrieund Schwellenländern versuchen, mit ngfristigen Pachtoder Kaufverträgen großer Agrarächen in Entwicklungsländern die Eigenversorgung it Nahrungsmitteln und Energiepflanzen zu sichern. ast 90 Prozent der Investitionen im Bereich „Land rabbing“ werden von privaten Kaufinteressenten – die vestoren sind zum einen dem Bereich Agrobusiness, um anderen der Finanzindustrie zuzuordnen – getätigt, ie dabei auch mit der Erwartung steigender Landpreise Agrarflächen als Spekulationsgut investieren, und das us gutem Grund: Die Welthungerhilfe stellt in einem ericht fest: „Bis 2030 müsste die heute verfügbare ndwirtschaftliche Fläche um 515 Millionen Hektar achsen, um eine ausreichende Produktion von Agrarnergieund Forsterzeugnissen zu sichern.“ Das entpräche ungefähr der Hälfte der Fläche Europas. Gerade ie in Deutschland aufkeimende Debatte um die Bioraftstoffbeimischung E10 zeigt, dass der Anbau von iokraftstoffen in Konkurrenz zum Anbau von Nahungsmitteln steht und damit unbewusst auch vermehrt um Kauf von Landflächen beiträgt. Das kann politisch icht gewollt sein. Zwar hat es schon immer ausländische Landpacht der Landkäufe gegeben, und neben der zu Recht angerachten Kritik gibt es bei Direktinvestitionen in Land uch viele positive Effekte, auf die im Einzelnen einzugeen ich verzichte. Neu sind jedoch das Ausmaß und die eschwindigkeit dieses Landerwerbs, und das ist unge und. Laut einer Studie von FAO/IFAD wurden allein seit 004 in nur fünf afrikanischen Ländern Vereinbarungen ber mehr als 2,5 Millionen Hektar Land abgeschlosen. Schätzungen des International Food Policy Reearch Institut, IFPRI, gehen davon aus, dass innerhalb er letzten 5 Jahre Verkäufe und Verpachtungen von 15 is 20 Millionen Hektar landwirtschaftlich nutzbarer läche in Entwicklungsländern getätigt wurden. Doch iese Einschätzung erscheint recht konservativ. Die eltbank hat in ihrer neuesten Studie ermittelt, dass es über 450 Projekten mit insgesamt 46,6 Millionen ektar weltweit bereits weit großflächigere Landakuise gibt als angenommen. Mit ein Grund für diese raante Entwicklung sind die auf den Finanzmärkten als vestment getätigten Land-Deals. Die Erwartung stei ender Renditen bei Investitionen in Land scheint Anleer zu locken, die auf den Kaufpreis spekulieren. Investenthäuser wie Morgan Stanley oder Goldman Sachs ind dick im Geschäft, so dick, dass in einem Artikel in er „Wirtschaftswoche“ unreflektiert den Lesern die Inestition in Landfläche schmackhaft gemacht wurde, hne auf die möglichen negativen Folgen der Investitioen in Ackerfläche hinzuweisen – und die können vereerend sein. Oftmals werden beim Erwerb von Landflächen – beusst oder unbewusst – Landrechte der lokalen Bevölke ung missachtet, die Einbindung oder eine Beteiligung er ansässigen Dorfgemeinschaften oder Kleinbauern ndet so gut wie nicht statt. Das Recht auf Eigentum ist vielen dieser Länder nur selten einklagbar – sodass leinbauern, die jahrzehntelang ihren Acker bewirt Dr. Sascha Raabe gebene Reden )





(A) )

schafteten, von ihrem Land vertrieben werden. Mögliche
Ausgleichszahlungen liegen meist ein Vielfaches unter
dem Wert des verkauften oder verpachtenden Landes.
Dabei bildet vor allem in Afrika für viele Haushalte die
Verfügbarkeit über Land die eigentliche Lebensgrund-
lage. Trotz dieser existenziellen Relevanz fehlen klare
gesetzliche Grundlagen, die die Menschen vor meist il-
legitimen Landverlusten schützen. In Sambia beispiels-
weise ist ein Viertel der ländlichen Bevölkerung landlos.

Daher ist es richtig und wichtig, die Verbesserung der
gesetzlichen Vorschriften zum Schutz von Besitz und Ei-
gentum in den jeweils betroffenen Staaten einzufordern.
Allerdings muss dabei sehr sensibel vorgegangen wer-
den, wenn es gilt, festzustellen, welches Land legal und
welcher Besitztum illegal erworben wurde. Hier müssen
aus dem jeweiligen spezifischen historischen Kontext
die ursprünglich vorhandenen Besitztümer mit den aktu-
ellen Besitzansprüchen in Einklang gebracht werden. So
wie ein nicht vorhandener Landtitel den Anspruch auf
Landbesitz nicht zwangsläufig auszuschließen hat, be-
deutet es im Umkehrschluss nicht, dass ein bereits er-
worbener Landtitel legalen Landbesitz definiert. Denn
in vielen Entwicklungsländern existiert seit Jahrzehnten
eine himmelschreiende Ungerechtigkeit bei der Land-
verteilung. Viele Großgrundbesitzer haben zwar Landti-
tel, diese sind aber nicht gerecht erworben worden. Des-
wegen müssen Landreformen teils gegen den Willen der
Großgrundbesitzer auch künftig möglich sein. Deshalb
ist an dieser Stelle die zweite Forderung des Koalitions-
antrages zumindest sehr missverständlich.

Bei einer neuen Vergabe von Landtiteln ist somit sehr
sensibel abzuwägen, wem das Recht auf Eigentum zuge-
sprochen werden kann und wem nicht. Genauso wichtig
wäre es aber auch, auf mehr Transparenz beim Vertrags-
abschluss von Landkäufen oder Pachtverträgen zu po-
chen – so wie es im Bereich der extraktiven Rohstoffe
durch Extractive Industries Transparency Initiative,
EITI, bereits eingefordert wird. Der Antrag der Koaliti-
onsfraktionen ist daher in seinen Forderungen nicht
falsch, jedoch einseitig und unzureichend, unzureichend
deshalb, weil die Forderungen nur auf die Stärkung lo-
kaler Regelungen abzielen. Die Umsetzung solcher Ge-
setzesvorhaben ist jedoch meist langwierig und selten
erfolgreich. Wichtig wäre, an die Verantwortung unter-
nehmerischen Handelns – insbesondere der westlichen
und arabischen Investoren – zu appellieren. Die Selbst-
verpflichtung von Investoren ist ein zusätzliches geeig-
netes Instrument, bei dem die Einbindung der lokalen
Bevölkerung in für sie relevante Entscheidungsprozesse
möglich ist. Die FAO arbeitet aktuell an einer neuen
Version der Voluntary Guidelines, die in den kommenden
Tagen veröffentlicht werden soll.

Wir als SPD-Bundestagsfraktion werden diesen Pro-
zess begleiten und uns dafür einsetzen, dass durch die
Anerkennung solcher freiwilligen Leitlinien der öffentli-
che Druck dazu führt, beispielsweise das Menschenrecht
auf Nahrung durchzusetzen. Neben diesen flankierenden
freiwilligen Maßnahmen wäre es jedoch noch wichtiger,
die lokale Bevölkerung durch verbindliches internatio-
nales Recht vor den negativen Auswirkungen von Agar-
investitionen zu schützen. Diese Perspektive findet sich

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(C (D den Forderungen des Koalitionsantrages nicht. Im ahmen der G-20-Verhandlungen bestünde die Mögchkeit, gegen sittenwidrigen und menschenverachtenen Landraub vorzugehen. Die Verankerung internatioaler Regelungen gilt es auch deshalb zu forcieren, amit die durchaus vorhandenen positiven Effekte von vestitionen in Land in die richtigen Bahnen gelenkt erden und dort ankommen, wo sie benötigt werden: bei en Menschen vor Ort. Die Preisexplosion bei Grundnahrungsmitteln ist ramatisch: Allein der Preis für Weizen lag im März 011 um mehr als die Hälfte über dem Niveau von 2010. ussland hat sein im August 2010 eingeführtes Exporterbot von Weizen bis heute noch nicht zurückgezogen. Die Nahrungsmittelpreise liegen seit langem auf chwindelerregenden Höhen: Der VN-Index für die eltweiten Nahrungsmittelpreise stand im ersten Halbhr 2010 nur rund 14 Prozent unter seinem Rekordwert es Krisenjahres 2008 und war damit fast doppelt so och wie noch im Jahr 2000. Eine Milliarde Menschen leiden weltweit an Hunger. edoch ist im letzten Jahr diese Zahl um 98 Millionen esunken. Das entspricht der Bevölkerung Deutschnds, Österreichs und der Schweiz zusammen. Das energische und fordernde Handeln von einzelnen taaten wie Deutschland und der Weltgemeinschaft haen erfolgreich dazu beigetragen, den drastischen Antieg der Zahl der hungernden Menschen zu stoppen. ber dies bedeutet nicht, dass wir uns zurücklehnen könen. Immerhin leiden immer noch knapp eine Milliarde enschen an Hunger. Wir müssen den Hunger weiter ekämpfen, um Stabilität und den Weltfrieden zu sichern nd um das Leben und die Würde der Menschen zu chützen. Die Tatsache, dass alle sechs Sekunden ein ind an Unterernährung oder den damit verbundenen roblemen stirbt, bleibt die größte Tragödie in der Welt. Die Ursachen des Hungers sind vielseitig: Anhaltenes Bevölkerungswachstum, Klimawandel und die ohnein steigende Nachfrage nach Nahrungsund Futtermitln sowie nach Agrarrohstoffen zur Energiegewinnung aben eine völlig neue Epoche eingeleitet. Land ist eine mer knapper werdende Ressource, die in Konkurrenz it den verschiedensten Nutzungsinteressen steht: Die achsende Weltbevölkerung, steigende Nachfrage nach ahrungsund Futtermitteln, ökologische Belastungen, ie Energiepolitik verschiedener Staaten und der Klimaandel sorgen für eine starke Rivalität der verschiedeen Bevölkerungsgruppen. Seit dem Jahr 2010 überteigt die weltweite Nachfrage nach Getreide fast jedes ahr das Angebot. Das Zeitalter der weltweiten Nahungsmittelüberschüsse ist vorbei. Insgesamt hat dies zu einer Entwicklung geführt, die nach Bewertung entweder als „Land Grabbing“ oder ls „Direct Investment in Land“ bezeichnet wird. Staatche Akteure, private Investoren aus Industrieund chwellenländern sowie inländische private Investoren ichern sich mittels langfristiger Pachtoder Kaufver Dr. Sascha Raabe gebene Reden )

Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP):
Rede ID: ID1710530500




(A) )

träge große Agrarflächen in Entwicklungsländern, um
dort Nahrungsmittel oder Energiepflanzen für den
Export anzubauen. Landwirtschaft wird zunehmend
nicht mehr nur zur Nahrungsmittelgewinnung betrieben.

Vor allem finanzschwache Länder in Afrika und
Asien, vereinzelt auch osteuropäische Staaten haben die
verstärkte Nachfrage nach Ackerflächen erfahren müs-
sen. Zu beobachten ist dieser Prozess insbesondere in
Staaten mit schwachen demokratischen Strukturen und
intransparenter Verwaltung.

Dringend benötigte Investitionen haben in der Land-
wirtschaft der Entwicklungsländer jahrzehntelang
gefehlt. Daher kann der derzeitige Trend zu mehr aus-
ländischem Engagement im Agrarsektor der Entwick-
lungsländer grundsätzlich auch als große Chance be-
griffen werden. Kapital- und Technologietransfer unter-
stützen landwirtschaftliche Produktionssteigerung und
sorgen für eine Verbesserung beim Marktzugang und der
Infrastruktur.

Werden Direktinvestitionen in Land und Landwirt-
schaft in Strategien der Armutsreduzierung eingebun-
den, können zusätzliche Beschäftigungs- und Einkom-
mensmöglichkeiten für die Bevölkerung geschaffen
werden. Es gibt viele positive Beispiele nachhaltiger In-
vestitionen in den Agrarsektor in Entwicklungsländern.
So profitieren beispielsweise bei der „Cotton made in
Africa“-Initiative, die von dem Hamburger Unterneh-
mer Michael Otto gegründet wurde, Farmer in Afrika
genauso wie europäische Firmen – die einen, da hohe
Umwelt- und Sozialstandards wie die Förderung von
Schulbesuchen der Kinder eingehalten werden, und die
anderen, da sie zuverlässig hochwertige Ware erhalten.

Doch es gibt auch zahlreiche negative Fälle: Bauern
werden von ihrem Land vertrieben, ohne sich dagegen
wehren zu können. Sie haben entweder keine formalen
Besitztitel, oder korrupte Behörden verwehren ihnen die
Durchsetzung ihrer Rechte. Entschädigungs- oder Aus-
gleichszahlungen bleiben den enteigneten Bauern ver-
wehrt. Damit verlieren ganze Dörfer ihre Lebensgrund-
lage. Verschärfend kommt hinzu, dass auf diesen
Flächen häufig Monokulturen angebaut werden, sodass
Konflikte um die Nutzungsrechte für das oftmals knappe
Wasser oder Umweltbelastungen vorprogrammiert sind.

Was müssen wir nun verändern, damit wir die positi-
ven Seiten der Investitionen nutzen und die negativen
Auswirkungen verringern können?

Als Erstes müssen wir uns alle des Problems bewusst
werden. Daher gilt es, sich kohärent in der Außen- und
Entwicklungspolitik für den Schutz von Besitz und Ei-
gentum einzusetzen.

Ich denke, damit sind wir mit unseren beiden Bundes-
ministern Herrn Dr. Westerwelle und Herrn Niebel
schon ein sehr gutes Stück vorangekommen. Auf das
Menschenrecht auf Nahrung und das Menschenrecht auf
Eigentumsfreiheit haben beide im Rahmen ihrer Politik,
ob im Inland, im Ausland oder bei internationalen Orga-
nisationen, erfolgreich einen Fokus gesetzt.

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(C (D Zum Zweiten müssen wir sowohl bei Staaten als auch ei Unternehmen, die an offizieller Landnahme beteiligt ind, offiziell protestieren. Gerade deutsche Unternehen müssen hier sensibilisiert und in die Verantwortung enommen werden! Und zum Dritten müssen wir Staaten und Unternehen bei der Umsetzung einer nachhaltigen Investitionsolitik aktiv unterstützen. Wir müssen beraten, begleiten nd beim Aufbau der Verwaltung, des Justizund Polieiwesens und eines funktionierenden Vergabesystems it unserem Wissen assistieren. Partnerländern müssen wir bei einer zukunftsorienerten Landnutzungsplanung behilflich sein und ihnen eim Abbau von Defiziten bei der tatsächlichen Durchetzung von Recht und Eigentum helfen. Damit wird die rnährung der Bevölkerung erheblich verbessert sowie as Klima und die Ressourcen für nachkommende Geneationen geschont. Good Governance ist der Schlüssel u einem fairen Wirtschaftssystem, das alle Menschen artizipieren lässt und Wohlstand für die gesamte Bevölerung schafft. Als Berichterstatterin der FDP-Bundestagsfraktion r Frauen in Entwicklungsländern möchte ich hierauf och einmal besonders eingehen: Frauen besitzen in ntwicklungsländern trotz ihrer bedeutenden Rolle in er Landwirtschaft und bei der Versorgung ihrer Famien nur 10 Prozent der Anbauflächen und nur 1 Prozent ller Landtitel. Jedoch produzieren sie 80 Prozent der rundnahrungsmittel. Oftmals haben sie keine oder nur angelhafte Besitzrechte. Sicherer Zugang zu Land veressert nicht nur ihre ökonomische Situation, sondern tärkt auch ihre soziale und politische Stellung in der esellschaft. Daher müssen wir Staaten dabei unterstüt en, gerade Frauen einen gerechten Zugang zu Eigenm zu verschaffen. Auch müssen wir weiter im Rahmen der Welternähungsorganisation FAO und anderen internationalen Iniativen konstruktiv mitarbeiten und die Ausgestaltung eiwilliger Leitlinien zum Eigentumsrecht vorantreiben. nd wir müssen uns mit noch mehr internationalen artnern für die Eigentumsfreiheit verbünden und verindliche Verträge mit anderen Staaten abschließen. Was wir aber nicht dürfen, ist, bevormunden und bergehen. Wir müssen die Menschen, die Unternehmen nd die Staaten bei dem Kampf gegen den Hunger mitehmen. Wir müssen sie mit unseren Argumenten übereugen und einen gemeinsamen Pakt für die Eigentumseiheit schließen! Daher bitte ich Sie ganz herzlich um Unterstützung r unseren Antrag. Niemals waren Nahrungsmittel so teuer wie derzeit. er Preisindex der Welternährungsorganisation FAO egt aktuell bei mehr als 230 Punkten, dem höchsten ert seit der Einführung im Jahr 1990. Dies ist kein under, schließlich sind die Preise für Grundnahrungsittel in den letzten zwölf Monaten explosionsartig ge tiegen: für Weizen zum Beispiel, welches zusammen mit Dr. Christiane Ratjen-Damerau gebene Reden )

Niema Movassat (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710530600




(A) )

Mais und Reis das meistangebaute Getreide der Welt ist,
um 45 Prozent, für Mais um 42 Prozent und für Öl und
Fette sogar um 56 Prozent. Dies bedeutet nichts ande-
res, als dass Millionen Menschen in den Hunger getrie-
ben werden.

Proteste gegen diese Entwicklung gibt es weltweit. In
der indischen Hauptstadt Delhi gingen Ende Februar
bis zu 200 000 Menschen auf die Straße, um gegen die
explodierenden Nahrungsmittelpreise und ungenügende
Gegenmaßnahmen zu protestieren. Im Norden Afrikas
begehren die Menschen nicht nur gegen autoritäre
Regime auf. Sie demonstrieren auch gegen Hunger und
Armut. Die Bilder gleichen denen der mexikanischen
Tortilla-Revolte von 2007.

Ein neuer preistreibender Faktor sind die Spekulatio-
nen mit Nahrungsmitteln. Diese treiben die Preise für
Lebensmittel immer höher. Dies trifft die Menschen na-
türlich auch hierzulande, insbesondere die ärmeren
Teile der Bevölkerung. Wesentlich stärker betroffen aber
sind die Menschen in den Entwicklungsländern, die bis
zu 70 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel ausge-
ben. Steigen die Preise für Nahrungsmittel dort an, be-
deutet das Hunger und Tod für die Bevölkerung.

Laut UNCTAD-Chefvolkswirt Heiner Flassbeck be-
wegen sich die Preise von Nahrungsmitteln, die an den
Börsen gehandelt werden, im Gleichschritt mit Aktien,
Währungen oder Öl. Da aber nur Finanzmarkttitel un-
tereinander so stark korrelieren können, sind die hohen
Soja- oder Weizenpreise eine Folge spekulativer Investi-
tionen. Mit ihren Erwartungen, mit ihren Wetten auf die
Zukunft, treiben die Spekulanten die Preise hoch und
machen Profite auf Kosten der Ärmsten. Die Beispiele
dafür sind zahlreich. Im Jahr 2008, dem Jahr der letzten
großen Nahrungsmittelkrise, kauften Finanzinvestoren
die komplette Weizenproduktion der kommenden zwei
Jahre auf. Damit heizten sie die Preisspirale massiv an.
2010 wurde der Kakao zum Spielball der Spekulanten.
Ein Londoner Handelshaus und Hedge-Fonds-Betreiber
kaufte binnen kürzester Zeit nahezu alle Warenbestände
an Kakao auf und trieb den Preis pro Tonne schlagartig
um mehr als 300 Dollar in die Höhe. Allein Goldman
Sachs machte 2009 mit Rohstoffderivaten 5 Milliarden
Dollar Gewinn, darunter in steigendem Maße durch
Agrarrohstoffderivate. Ähnlich war es bei Merrill Lynch
und der Deutschen Bank.

Diese Preissteigerungen lohnen sich auch für die gro-
ßen Lebensmittelkonzerne. So konnte Nestlé seinen
Reingewinn 2010 auf 26 Milliarden Euro mehr als ver-
dreifachen, auch Danone und Unilever machten glän-
zende Geschäfte. Börsenblätter und Banken wie die
Deutsche Bank rieten postwendend explizit zum Invest-
ment in Nahrungsmittelfirmen. Dabei mutet es schon
fast zynisch an, dass gerade die Unternehmen, die sich
der Nahrungsmittelproduktion verschrieben haben,
durch ihr Profitstreben direkt an der Bedrohung der Er-
nährungssicherheit eines Großteils der Menschheit mit-
wirken. Nicht zuletzt deswegen fordern wir in unserem
Antrag zum Verbot der Spekulation mit Nahrungsmit-
teln, die Erzeugung und den Handel von Agrarrohstof-
fen mittelfristig vollständig von den Finanzmärkten zu

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(C (D ntkoppeln und stattdessen politisch auf der Grundlage ternationaler Abkommen und im Interesse von Ernäh ungssicherheit und -souveränität zu regulieren. Verlierer in puncto hohe Nahrungsmittelpreise waren nd sind gerade diejenigen, die von Experten als der chlüssel zur globalen Ernährungssicherung gesehen erden: die Kleinbauern. Sie besitzen zu kleine Anbauächen, um ausreichend Nahrung zu produzieren, und ie sind zu schlecht an lokale Märkte angebunden, um ewinne zu erwirtschaften. Ihre Erträge reichen oftmals och nicht einmal für die Selbstversorgung aus. Sobald ie eigenen Ernteerträge aufgebraucht sind, müssen leinbauern wie auch Landlose Nahrungsmittel auf dem arkt kaufen. Wer jedoch mit weniger als einem Dollar ro Tag seinen Lebensunterhalt bestreiten muss, kann ich bei hohen Nahrungsmittelpreisen selbst die Grundahrungsmittel kaum noch leisten. Eines wird bei alledem klar: Mit einem „Weiter so!“ nd mit nur marginalen Änderungen an den herrschenen Strukturen lässt sich die Ernährung in den Entwickngsländern nicht sichern. Um die Grundnahrungsmitlpreise stabil zu halten und den Hunger in der Welt irksam zu bekämpfen, müssen sich die Regierungen ndlich durchringen, die Gier an den Märkten nachhalg einzudämmen. Dafür müssen die Agrarbörsen umgeend streng reguliert und transparent gemacht werden. Da auch die aktuellen Zahlen für europäische leischexporte, für illegale Landnahme und den Anbau on Agrotreibstoffen alle Rekorde brechen, muss sich die undesregierung endlich gegen die aggressive Freihanelspolitik der EU gegenüber den Ländern des Südens tellen, gegen Agrarexportsubventionen, gegen Landaub und gegen die Produktion von Agrotreibstoffen. Sie uss aktiv eintreten für die Stärkung regionaler Märkte, r die Entwicklung ländlicher Regionen und für umfas ende Landreformen – wie die Fraktion Die Linke es seit ngem fordert. Die Durchsetzung des Menschenrechts uf Nahrung und damit die ernsthafte Bekämpfung von rmut und Hunger kann nur gelingen, wenn die Gechäfte mit dem Hunger beendet werden. Es ist erfreulich, dass sich die Fraktionen der Union nd FDP nun auch dem überaus wichtigen Thema der roßflächigen Landnahme in Entwicklungsländern anehmen. Bereits vor zwei Jahren hatten wir Grünen ierzu einen Antrag eingereicht und durch diverse Facheranstaltungen, Pressemitteilungen und Anhörungen uf die Dringlichkeit der Problematik hingewiesen. Endch scheinen wir die Regierungskoalition überzeugt zu aben. Dennoch greift der Antrag in vielen Punkten zu kurz. ie menschenrechtliche Frage wird sehr einseitig beuchtet. So wird das Recht auf Nahrung nur ein einziges al erwähnt, während das Recht auf Eigentum den gan en Text wie einen ultimativen Imperativ durchzieht. Daei geht es bei dem Phänomen – neben zahlreichen aneren ökonomischen, sozialen und ökologischen Ausirkungen – im Besonderen um die Frage der Ernäh ungssicherheit der lokalen Bevölkerung. Werden rie Niema Movassat gebene Reden Thilo Hoppe )

Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710530700







(A) )

sige Landstriche von ausländischen oder nationalen In-
vestoren aufgekauft oder gepachtet und stehen somit
nicht mehr für den Anbau von Nahrungsmitteln zur
Selbstversorgung der dort wohnenden Menschen zur
Verfügung, dann ist das eine eklatante Beschneidung des
Rechts auf Nahrung. Auch die „Grundprinzipien und
Leitlinien zu Zwangsräumungen und Zwangsvertreibun-
gen“ des UN-Menschenrechtsrats werden nicht er-
wähnt, obwohl groß angelegte Landinvestitionen häufig
die zwangsweise Vertreibung von Kleinbäuerinnen und
-bauern nach sich ziehen.

Wie bereits erwähnt, preist der Antrag stattdessen das
Recht auf Besitz und Eigentum als Allheilmittel im
Kampf gegen „Land Grabbing“ an. Gewiss kann die
Verbriefung von Landnutzungsrechten in einigen Fällen
Kleinbäuerinnen und -bauern mehr Planungssicherheit
geben, zumal sich heute viele der von Landnahme Be-
troffenen nicht wehren können, da sie über keine offiziel-
len Titel verfügen, obwohl ihre Familien das Land über
Generationen hinweg bewirtschafteten. Allerdings ist
hier große Vorsicht geboten. Denn allein die juristische
Absicherung von Landbesitz bedeutet noch keine nach-
haltige Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und Er-
nährungssituation der neuen Titelhalterinnen und -hal-
ter. Werden nicht gleichzeitig andere ungerechte lokale
und globale Wirtschaftsstrukturen angegangen, ist es
wahrscheinlich, dass die Betroffenen schnell wieder in
die Schuldenfalle geraten und aus der Not heraus ihr
Land an Investoren verkaufen oder verpachten. Durch
die Formalisierung des Landbesitzes wird der Ausver-
kauf von Land in solchen Fällen sogar erleichtert. Ein
Ausbrechen aus dem Teufelskreis aus Land- und Arbeits-
losigkeit, Verstädterung, Verelendung und politischer
Ohnmacht ist damit jedenfalls nicht in Sicht.

Ein besonderes Augenmerk ist auch auf nomadisch
lebende Viehhirten zu legen. Bei der Ausstellung formel-
ler Landtitel kann es hier leicht zur Benachteiligung die-
ser Gruppen kommen, da die exakten Ausmaße der
Landflächen, die sie für ihre Herden benötigen, schwer
abzustecken sind. Des Weiteren gehen die Antragstelle-
rinnen und -steller nicht darauf ein, wie mit kollektiv ge-
nutztem Land, das auf Gewohnheitsrecht basiert, umge-
gangen werden soll. Dass hier zwei grundsätzlich
verschiedene Verständnisse von Land – einerseits die
Idee von Land als Allgemeingut, das auch kulturelle und
soziale Dienste erfüllt, und andererseits von Land als
reine Ware – aufeinanderprallen, wird schlichtweg unter
den Teppich gekehrt. Das ist ein nicht unerhebliches
Versäumnis, da diese Formen von Landnutzung in gro-
ßen Teilen des globalen Südens eine bedeutende Stellung
einnehmen. Umso wichtiger ist die Einbeziehung der Zi-
vilgesellschaft und der betroffenen Landbevölkerung bei
jedem Land-Deal. Der vorliegende Antrag hält dies
wohl nicht für nötig; Regierungen sollen nur dahin
gehend beraten werden, dass „die Belange der betroffe-
nen ortsansässigen Bevölkerung und die Risiken für die
Umwelt berücksichtigt werden“. Das ist eindeutig unzu-
reichend.

Erfahrungen aus Landtitelprogrammen in Südosta-
sien zeigen, dass in jenen Regionen, die nicht unter die
Programme fielen, die Lebensgrundlage von Kleinbäue-

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(C (D innen und -bauern ohne solche verbrieften Rechte soar eher gefährdet als geschützt wurde. Denn nun war es r Großplantagenbetreiber leichter, das Land an sich zu ißen – schließlich gehöre es offiziell niemandem. Die rechtliche Eintragung von Besitz und Eigentum ann ohne vorherige Umverteilung sogar zu einer Zeentierung extremer Verteilungsungleichheiten führen. unserem Antrag fordern wir Agrarreformen, die auch mverteilung einschließen, da diese einen essenziellen estandteil für eine gerechtere Landpolitik vor allem in ndlichen Regionen darstellen. In dem Antrag der Re ierungskoalition geht eine Umverteilung völlig unter – ußer mit dem Vermerk, dass „ein transparentes und chtsstaatliches Vergabesystem zu errichten sei, das es rmöglicht, Eigentum und langfristige Bewirtschafngsrechte zu erwerben“. Dabei bleibt unklar, ob hierit ein rein marktwirtschaftliches System angestrebt ird, was wiederum ein Schlag ins Gesicht der Ärmsten er Armen ist, die sich auf diesem Weg niemals eigenes and leisten können. Was die Forderung zum Engagement auf internatioaler Ebene angeht, bleibt die Formulierung schwamig. Es wäre gut zu wissen, zu welchen „anderen interationalen Initiativen“ neben den freiwilligen Leitlinien er FAO genau beigetragen werden soll. Vermutlich ird hier auf die Weltbank-Prinzipien zu verantwortlihem Investment angespielt, also auf die RAI-Prinziien. Beide Prozesse in gleichem Maße zu unterstützen, alten wir für wenig sinnvoll, da so Parallelstrukturen eschaffen werden und die Autorität der freiwilligen eitlinien aufgeweicht wird. Wir sprechen uns klar für ie FAO-Richtlinien aus, für deren weitere Ausgestalng die Bundesregierung dringend mehr finanzielle und rganisatorische Kapazitäten zur Verfügung stellen ollte. Insgesamt lässt sich sagen, dass trotz des Hinweises uf die Gefahren von ausländischen Direktinvestitionen dieser Begriff wird trotz des Antragstitels bevorzugt – ie Landnahmen in ein unangemessen mildes Licht getellt werden. Die bisher größte Konferenz zu dem hema, zu der sich 150 Wissenschaftlerinnen und Wisenschaftler vor wenigen Tagen in Sussex versammelten, am zu dem Schluss, dass der Hunger nach Land gewalge und unumkehrbare negative Auswirkungen auf Umelt und Menschen der betroffenen Länder hat. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf en Drucksachen 17/5488 und 17/4533 an die in der Taesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sie ind damit einverstanden? – Widerspruch erhebt sich icht. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Diana Golze, Agnes Alpers, Vizepräsident Eduard Oswald )

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1710530800

(11. Ausschuss)





(A) )

weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Fachkräftepotenzial nutzen – Gute Arbeit
schaffen, bessere Bildung ermöglichen,
vorhandene Qualifikationen anerkennen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Po-
thmer, Priska Hinz (Herborn), Fritz Kuhn,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Strategie statt Streit – Fachkräftemangel
beseitigen

– Drucksachen 17/4615, 17/3198, 17/5100 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Johannes Vogel (Lüdenscheid)


Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu
diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben.1) –
Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Die Liste der Na-
men der Kolleginnen und Kollegen liegt uns vor.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales
auf Drucksache 17/5100. Der Ausschuss empfiehlt
unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die
Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 17/4615. Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Gegenprobe! – Die Fraktion Die Linke. –
Enthaltungen? – Keine. Somit ist die Beschlussempfeh-
lung angenommen worden.

Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab-
lehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen auf Drucksache 17/3198. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Das ist die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Das
sind die Sozialdemokraten. Die Beschlussempfehlung ist
somit angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Koordinierung der Systeme der sozialen
Sicherheit in Europa und zur Änderung ande-
rer Gesetze

– Drucksache 17/4978 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)


– Drucksache 17/5509 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Anton Schaaf


(8. Ausschuss)


– Drucksache 17/5513 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle

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d1) Anlage 7

(C (D Bettina Hagedorn Dr. Claudia Winterstein Dr. Gesine Lötzsch Priska Hinz ie in der Tagesordnung bereits ausgewiesen, werden ie Reden zu Protokoll genommen. Die Liste der Naen der Kolleginnen und Kollegen liegt uns vor. Seit vielen Jahrzehnten ist die Europäische Union ein arant für Freiheit, Sicherheit und wirtschaftlichen Erlg in ganz Europa. Als exportorientierte und größte olkswirtschaft in Europa profitiert Deutschland in beonderem Maße vom freien Welthandel, vom europäichen Binnenmarkt und der EU-Erweiterung. Eine tarke Europäische Union ist die beste Voraussetzung r Wachstum, Wohlstand und soziale Sicherheit in unsem Land. Daher brauchen wir die richtigen Rahmen edingungen für unternehmerische Initiativen, für Innoationen in Wissenschaft und Technik und ein istungsfähiges Bildungssystem. Nur so können wir auf auer neue Arbeitsplätze auch in Deutschland schaffen nd den Erhalt unserer sozialen Sicherheit gewährleisn. Wohlstand und Stabilität sind aber keine Selbstvertändlichkeit. Das haben die Finanzund Wirtschaftsrise sowie die Schuldenkrise der Mitgliedstaaten geeigt. Europas Rahmenbedingungen im wirtschaftlichen nd sozialen Bereich sind einem ständigen Prozess von eränderung, Verwerfung und Neuorientierung unterorfen. In weniger als drei Wochen fallen auch in eutschland die letzten Zugangsbarrieren zu Europas rbeitsmärkten, und die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit ilt auch für uns uneingeschränkt. Viele Stimmen in eutschland warnen schon seit langem vor einer „Bilgkonkurrenz“ aus den Nachbarländern und vor „Soialdumping“. Diese Panikmache halte ich für nicht bechtigt. Denn alle Experten sagen uns, dass mit einem Massenansturm“ und gravierenden Verwerfungen für nseren Arbeitsmarkt nicht zu rechnen ist. Sorgen und ngste in Deutschland, aber auch in unserem Nachbarnd Polen, in Bezug auf die bevorstehende Öffnung des rbeitsmarktes nehmen wir ernst. Ich plädiere jedoch r mehr Gelassenheit und für eine offene Willkommens ultur. Gäbe es keine Gemeinschaftsvorschriften über die oziale Sicherheit, so wäre die Freizügigkeit der Arbeitehmerinnen und Arbeitnehmer bedroht. Denn es betünde die Gefahr, dass Wanderarbeitnehmer und ihre amilienangehörigen im Hinblick auf die soziale Siherheit unzureichend geschützt wären. Personen, die on ihrem Recht Gebrauch machen, sich frei innerhalb er Europäischen Union zu bewegen, werden mit vielfälgen Fragen und Problemen im Hinblick auf ihre sozile Sicherheit konfrontiert: Wie ist es um die Rentenanprüche eines Arbeitnehmers bestellt, der mehrere Jahre ng in einem anderen Mitgliedstaat gearbeitet hat? elcher Mitgliedstaat ist zur Zahlung von Famienleistungen für Kinder verpflichtet, die in einem aneren Mitgliedstaat wohnen? Welcher Mitgliedstaat ist )

Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1710530900

(A) )

zur Zahlung von Arbeitslosenleistungen für Grenzgän-
ger verpflichtet? Die nationalen Sozialgesetze geben auf
diese Fragen oft nur unzureichende oder überhaupt
keine Antworten: Viele Arbeitnehmer liefen Gefahr, dass
sie in zwei Mitgliedstaaten gleichzeitig oder gar nicht
versichert wären oder erworbene Ansprüche auf Sozial-
leistungen verlören, ohne neue Ansprüche aufbauen zu
können.

Aus diesem Grund sind gemeinsame Regelungen in-
nerhalb der Europäischen Union notwendig, die einen
wirksamen und umfassenden Schutz gewährleisten. Die
Gemeinschaftsvorschriften für den Bereich der sozialen
Sicherheit ersetzen die bestehenden nationalen Sozial-
versicherungssysteme nicht durch ein einheitliches eu-
ropäisches System. Eine derartige Harmonisierung
wäre unmöglich, da die Unterschiede im Lebensstan-
dard zwischen den Staaten der Europäischen Union und
des Europäischen Wirtschaftsraums zu groß sind. Aber
auch Staaten mit vergleichbarem Lebensstandard wei-
sen unterschiedliche Sozialversicherungssysteme auf,
die auf etablierte Traditionen zurückgehen, die fest in
der nationalen Kultur und den nationalen Gepflogenhei-
ten verwurzelt sind. Daher kann jeder Mitgliedstaat
selbst darüber entscheiden, wer nach den innerstaatli-
chen Rechtsvorschriften zu versichern ist, welche Leis-
tungen zu welchen Bedingungen gezahlt werden, wie
diese Leistungen berechnet werden und welche Beiträge
zu zahlen sind.

Anstelle einer Harmonisierung der einzelstaatlichen
Sozialversicherungssysteme sehen die Gemeinschafts-
vorschriften über die soziale Sicherheit lediglich eine
Koordinierung der Systeme vor. In den Gemeinschafts-
vorschriften über die Koordinierung der sozialen
Sicherheit sind gemeinsame Regeln und Grundsätze
festgelegt, die von allen nationalen Behörden, Sozialver-
sicherungsträgern und Gerichten beachtet werden
müssen. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die An-
wendung der unterschiedlichen innerstaatlichen Rechts-
vorschriften keine nachteiligen Folgen für Personen hat,
die von ihrem Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht in-
nerhalb der Europäischen Union und des Europäischen
Wirtschaftsraums Gebrauch machen. Es geht also nicht
darum, die besonderen Merkmale der Systeme der ein-
zelnen Mitgliedstaaten zu beseitigen, sondern darum,
einzelne Aspekte der innerstaatlichen Rechtsvorschrif-
ten zu korrigieren, die sich für Wanderarbeitnehmer und
ihre Familienangehörigen ungünstig auswirken können.

Die einschlägigen Regelungen, die es seit mehr als
30 Jahren gibt, sind in der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71
und der zugehörigen Durchführungsverordnung
Nr. 574/72 enthalten. Diese Verordnungen wurden seit
ihrer Verabschiedung im Jahre 1971 mehrfach ange-
passt, um den Änderungen in den nationalen Rechtsvor-
schriften Rechnung zu tragen, eine Reihe von Bestim-
mungen zu verbessern, Unzulänglichkeiten zu beheben
oder die besondere Situation bestimmter Personengrup-
pen zu berücksichtigen. Im Jahr 1998 legte die Kommis-
sion einen Vorschlag zur Modernisierung und Vereinfa-
chung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vor, um sie
„effizienter und nutzerfreundlicher“ zu machen. Der Rat
und das Europäische Parlament haben die Beratungen

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(C (D ber diesen Vorschlag bis jetzt noch nicht abgeschlosen. Die Bestimmungen der Verordnung tellen in dreifacher Hinsicht sicher, dass die Anwenung der verschiedenen innerstaatlichen Rechtsvorchriften keine nachteiligen Folgen für Personen hat, ie von ihrem Recht auf Freizügigkeit innerhalb der uropäischen Union Gebrauch machen. Dies geschieht folgender Weise: Die Gleichbehandlung aller taatsangehörigen der Mitgliedstaaten ist in den einzeltaatlichen Rechtsvorschriften gewährleistet. Alle erforerlichen Versicherungs-, Aufenthaltsund Beschäftiungszeiten werden berücksichtigt, nämlich durch die usammenrechnung der Versicherungszeiten. Wenn ein anderarbeitnehmer eine Beschäftigung in einem anden Mitgliedstaat aufnimmt, werden die Zeiten berück ichtigt, die nach den Rechtsvorschriften über die sozile Sicherheit in anderen Mitgliedstaaten erworben urden. Auf diese Weise gehen erworbene Leistungsan prüche nicht verloren. Schließlich werden Sozialleisngen für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen ngeachtet des Beschäftigungsoder Wohnorts garanert. Der durch die Gemeinschaftsbestimmungen vorgeseene Personenkreis ist umfassend geschützt. Die Geeinschaftsbestimmungen gelten für alle europäischen ürger, die sich in einem anderen Mitgliedstaat beween, und zwar unabhängig vom Grund und der Dauer res Aufenthalts. Diese gemeinschaftlichen Regeln geln für alle gesetzlichen Leistungen bei Krankheit und utterschaft – für Geldund für Sachleistungen –, bei rbeitsunfällen und Berufskrankheiten, bei Invalidität, ei Alter und im Todesfall, bei Arbeitslosigkeit sowie für amilienleistungen. Dagegen werden Sozialhilfe, Kranengeld, Leistungen an Kriegsversehrte und deren Hinrbliebene, Betriebsrenten und Vorruhestandsregelunen nicht durch Gemeinschaftsvorschriften abgedeckt. Wie ich schon in der Debatte zur ersten Lesung dieses esetzentwurfes ausgeführt habe, hat die Europäische nion im Rahmen ihrer Zuständigkeiten bereits einen anzen Sockel verbindlicher Mindeststandards im Areitsund Gesundheitsschutz sowie im Arbeitsrecht verbschiedet. Die Europäische Union hat auch Regeln für ie Beteiligung der Arbeitnehmer und die Mitwirkung er Sozialpartner geschaffen. Der Europäische Beiebsrat gehört ebenso dazu wie der „soziale Dialog“. ereits mit der Lissabon-Strategie haben sich die Mitliedstaaten verpflichtet, die Beschäftigungsund Soialpolitiken besser zu koordinieren. Um mehr und bessere Arbeitsplätze in Europa zu chaffen, arbeiten die Mitgliedstaaten und die Gemeinchaft seit langem an einer koordinierten Beschäftiungsstrategie und stimmen ihre Beschäftigungspolitik ufeinander ab. Diese Koordinierung hat über die Lisabon-Strategie ein ganz starkes Momentum bekommen. ernstück dieses Prozesses sind die beschäftigungspolischen Leitlinien als wesentlicher Bestandteil der EU020-Strategie, die die Lissabon-Strategie abgelöst hat. ir können also festhalten: Es gibt durchaus einen ockel von sozialen Standards, Regeln für die Beteili Dr. Johann Wadephul gebene Reden )





(A) )

gung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Re-
geln für die Koordinierung der sozialen Sicherheit,
finanzielle Hilfen zur Unterstützung der sozialen Kohä-
sion und europäische Ziele im Bereich der Koordinie-
rung der Beschäftigungs- und Sozialpolitiken.

Der Koordinierung der sozialen Sicherung in den
Mitgliedstaaten kommt daher eine erhebliche Bedeutung
zu. Die soziale Sicherung in der Europäischen Union ist
in den neuen Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und
Nr. 987/2009 zur Koordinierung der sozialen Sicherheit
geregelt. Ziel dieser Verordnungen ist es, die sozialen Si-
cherungssysteme der Mitgliedstaaten zu koordinieren,
damit niemand, der von seinem Recht auf Freizügigkeit
in der Europäischen Union Gebrauch macht, hierdurch
unangemessene sozialrechtliche Nachteile hat.

Diese Verordnungen sind ein wichtiges Beispiel für
ein Handlungsfeld der europäischen Sozialpolitik. Denn
nur durch verbindliche Regelungen auf europäischer
Ebene kann sichergestellt werden, dass das Recht auf
Freizügigkeit – eine der großen europäischen Grund-
freiheiten – im Hinblick auf die soziale Absicherung der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Selbst-
ständigen bei ihren erworbenen Anwartschaften ange-
messen flankiert wird. Zahlreiche Zuständigkeitsfragen
wurden nicht mehr in den Anhängen der Durchführungs-
verordnung geregelt, sondern sollen in eine öffentlich
zugängliche Datenbank eingetragen werden. Aus Grün-
den der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit sollen
entsprechende Aufgabenzuweisungen durch innerstaat-
liche Regelungen vorgenommen werden. Auch bedingt
die Ablösung der bisherigen Verordnungen entspre-
chende Änderungen im Sozialgesetzbuch und anderen
Gesetzen sowie der darin enthaltenen Verweisungen.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzent-
wurf zur Koordinierung der Systeme der sozialen Si-
cherheit in Europa regelt diese verwaltungsmäßige
Durchführung der neuen Verordnungen (EG) Nr. 883/
2004 und Nr. 987/2009 zur Koordinierung der Systeme
der sozialen Sicherheit in Europa. Insbesondere werden
damit künftig pflichtversicherte Rentner auch mit ihrer
ausländischen Rente zur Beitragszahlung herangezo-
gen. Im Fall von Entsendungen werden dabei die Be-
schäftigungsländer durch den Spitzenverband Bund und
Krankenkassen oder die Deutsche Verbindungsstelle
Krankenversicherung benachrichtigt. Mit diesen Maß-
nahmen wird dem Grundsatz der Gleichstellung von
Leistungen, Einkünften, Sachverhalten und Ereignissen
im Bereich der Krankenversicherung von Rentnern ent-
sprochen. Wesentlicher Zweck des Gesetzentwurfes ist
die Feststellung der zuständigen Behörden, Träger so-
wie Verbindungs- und Zugangsstellen bei der Anwen-
dung und Durchführung der EU-Verordnungen.

Verbindungsstelle für den europaweiten Datenaus-
tausch berufsständischer Versorgungseinrichtungen soll
die Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versor-
gungseinrichtungen werden. Sie soll die Verwaltungs-
hilfe und den Datenaustausch bei grenzüberschreiten-
den Sachverhalten koordinieren. Des Weiteren sind eine
Verbindungsstelle für Familienleistungen sowie eine
Koordinierungsstelle für die Systeme der Beamtenver-

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Zu Protokoll ge

(C (D orgung vorgesehen. Insgesamt sollen fünf Zugangssteln als Kontaktstellen für grenzüberschreitenden Datenustausch geschaffen werden, die alle in der EUerordnung Nr. 883/2004 geregelten Bereiche abdecken. Gesetz sind auch Anpassungen des Dritten, Sechsten, iebten und Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie des esetzes über die Altersversicherung der Landwirte vererkt, die sich aus der Umsetzung der EU-Verordnunen ergeben. So wie sich Europa also nach außen neu ausrichtet, o muss es das auch nach innen schaffen. Denn die Siherung von Wohlstand, Wachstum, Beschäftigung und ozialer Sicherheit – kurz: die Erhaltung und Entwickng unseres europäischen Sozialstaatsmodells, und war unter den Bedingungen der Globalisierung – ist as, was die Bürger von Europa und von ihren Regieungen erwarten. Mit der EU-2020-Strategie wollen wir ie Europäische Union zu einem Wirtschaftsraum mahen, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum it mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größen sozialen Zusammenhalt zu erzielen. Mit dem Gesetz zur Koordinierung der Systeme der ozialen Sicherheit in Europa und der damit verbundeen Änderung anderer Gesetze soll eine innerstaatliche esicherte Rechtsgrundlage hergestellt werden, die den uständigen Behörden, Trägern und Verbindungsstellen u mehr sozialer Sicherheit verhelfen soll. Mit dem Geetz werden die zuständige Behörde, die Verbindungstellen für berufsständische Versorgungseinrichtungen nd für Familienleistungen sowie die Zugangsstellen für en grenzüberschreitenden elektronischen Datenausleich festgelegt. Außerdem wird die Benachrichtigung er Träger des Beschäftigungslandes im Fall von Entendungen geregelt. Bei den Änderungsanträgen geht es um ein Rückkehrcht in die gesetzliche Krankenversicherung der bei ei er internationalen Organisation Beschäftigten, die veraltungsinterne Beteiligung von Verbindungstellen bei er Festlegung des anwendbaren Rechts, die Datenbermittlung und die Urlaubsund Lohnausgleichsasse der Bauwirtschaft sowie um Folgeänderungen ufgrund des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarn und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches ozialgesetzbuch. Durch die Herausnahme der vom Gesundheitsauschuss beantragten Änderungen bei Übernahme in das esetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und eiterer Gesetze können wir dem vorliegenden Gesetz ustimmen. Das Gesetz dient dem bereits verankerten rundsatz der Gleichstellung von Leistungen, in diesem all den Beziehern einer ausländischen Rente. Diese oll künftig zur Beitragsfinanzierung der Krankenund flegeversicherung herangezogen werden. Ab dem . Juli 2011 sollen in Deutschland damit auch für Renten us dem Ausland Beiträge zur Krankenund Pflegevericherung gezahlt werden. Nach bisherigem Recht unterlagen pflichtversicherte itglieder der gesetzlichen Krankenversicherung allein Dr. Johann Wadephul gebene Reden )

Anton Schaaf (SPD):
Rede ID: ID1710531000




(A) )

mit ihren ausländischen Versorgungsbezügen im Sinne
von § 229 SGB V der Beitragspflicht zur Krankenversi-
cherung der Rentner, nicht aber mit ihren ausländischen
Renten im Sinne von § 228 SGB V. Bei pflichtversicher-
ten Rentenbeziehern, die sowohl eine deutsche als auch
eine ausländische Rente beziehen, wurde deshalb bis-
lang lediglich die deutsche Rente zur Berechnung der
Beiträge zu ihrer Kranken- und Pflegeversicherung her-
angezogen. Dieses eher technische Gesetz soll es er-
leichtern, die Verfahren der Leistungen in grenzüber-
greifenden Sachverhalten besser zu koordinieren.

Die Einbeziehung ausländischer Renten in die Bei-
tragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung der
Rentner führt zu geringfügigen Mehreinnahmen der ge-
setzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Insbeson-
dere durch die Einführung des elektronischen Datenaus-
tauschs wird mit Mehrausgaben bei den zuständigen
Leistungsträgern – das sind die gesetzliche Krankenver-
sicherung, die gesetzliche Unfallversicherung, die ge-
setzliche Rentenversicherung, die Bundesagentur für
Arbeit, örtliche Familienkassen und örtliche Elterngeld-
stellen – sowie bei den Verbindungsstellen gerechnet,
die sich in den Jahren 2011 und 2012, in denen die benö-
tigte Software entwickelt wird, schätzungsweise auf rund
2 bis 3 Millionen Euro und in den Folgejahren auf circa
1 Million Euro belaufen werden. Sich hieraus ergebende
Mehrbelastungen für den Bundeshaushalt werden in den
jeweiligen Einzelplänen im Rahmen der bestehenden
Ansätze aufgefangen. Den Mehraufwendungen stehen
Effizienzzuwächse in der Zusammenarbeit zwischen den
inländischen und den ausländischen Stellen gegenüber.

Für Bürgerinnen und Bürger werden durch das Ge-
setz keine Informationspflichten eingeführt, geändert
oder aufgehoben. Für Unternehmen wird durch das Ge-
setz eine neue Informationspflicht eingeführt. Unterneh-
men müssen der Bundesagentur für Arbeit im Fall der
Arbeitslosigkeit ehemaliger beschäftigter Grenzgänger
und anderer Personen, die im Ausland Leistungen bei
Arbeitslosigkeit beantragen wollen, die für deren Leis-
tungsanspruch maßgeblichen Tatsachen mitteilen. Für
die Verwaltung wird eine Meldepflicht neu eingeführt.
Da die vorgesehene Übermittlung der in den Entsende-
bescheinigungen enthaltenen Daten in einem automati-
sierten Verfahren über den GKV-Spitzenverband, Deut-
sche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland,
erfolgt, wird sich der Mehraufwand in überschaubaren
Grenzen halten.

Klar ist, dass Neuregelungen nicht kostenlos umzu-
setzen sind. Natürlich ist der Gleichstellung der europä-
ischen Bürger und Bürgerinnen in Form der Koordinie-
rung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa
Rechnung zu tragen, wenn es um Neuregelungen geht.
Dies darf aber nicht mit dem Ziel einhergehen, insge-
samt in Europa eine schrittweise Durchsetzung eines
niedrigen Niveaus der sozialen Sicherheit zu etablieren,
was an vielen Stellen der europäischen Handlungen lei-
der allzu deutlich wird. Die SPD-Fraktion begrüßt, dass
die EU-Kommission eine Gleichstellung der Europäer
in den Blick nimmt. Da es in allen Mitgliedstaaten im-
mer mehr ältere Menschen gibt, stehen die aktuellen
Systeme für die Alterssicherung unter massivem Druck.

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Zu Protokoll ge

(C (D ie Wirtschaftsund Finanzkrise hat diesen Druck noch eiter verstärkt. Unabhängig von der Koordination der ozialen Sicherheit in Europa ist es für die SPD ein rundsatz, dass die Finanzierung und Bereitstellung on Renten in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten leiben muss. Wir werden es nicht zulassen, dass euroaeinheitliche Standards zu einer Verschlechterung gur Systeme einiger Mitgliedstaaten führen. Im Konfliktll müssen die sozialen Belange der Menschen Vorrang aben. Ich begrüße die Bereitschaft, die Änderungen aufzuehmen, die es ermöglicht haben, den Gesetzentwurf im usschuss für Arbeit und Soziales einstimmig anzunehen. Zum 1. Mai wird die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit der EU hergestellt. Um diesen Prozess sozialpolitisch uf nationaler Ebene zu flankieren, werden wir mit dem eute zu verabschiedenden Gesetz unseren nationalen eitrag dazu leisten, die sozialen Sicherungssysteme in uropa zu koordinieren. Im vorliegenden Entwurf eines esetzes zur Koordinierung der Systeme der sozialen icherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze erden von der Bundesregierung die Detailregelungen rmuliert, um die entsprechenden EU-Vorgaben in ationales Recht umzusetzen. Seitens der christlich-liberalen Koalition haben wir nser Hauptaugenmerk darauf ausgerichtet, die Sichereit unserer sozialen Versorgungssysteme zu erhalten nd zu stärken. Im Bereich der Alterssicherungssysteme erden Rentnerinnen und Rentner endlich gleichgestellt unabhängig davon, ob sie Renten aus dem Inland oder us dem Ausland beziehen. Die gesetzliche Krankenvericherung und die soziale Pflegeversicherung werden amit gestärkt, indem pflichtversicherte Rentnerinnen nd Rentner künftig auch mit ihrer ausländischen Rente ur Beitragsfinanzierung ihrer Krankenund Pflegevericherung herangezogen werden. Die Versichertengeeinschaft wird dadurch dauerhaft und nachhaltig ge chützt. Die Höhe der zu zahlenden Beiträge wird dabei erart festgelegt, dass die Leistungsempfänger von Alrssicherungssystemen im Ausland keine höhere Belasng erfahren als die Bezieher von gleich hohen Renten ahlungen im Inland. Wir haben als christlich-liberale Koalition dafür orge getragen, zum einen die Versicherten – und damit ie Beitragszahlerinnen und Beitragszahler – zu schüten und zum anderen die Gesamtheit der Bürgerinnen nd Bürger vor zusätzlichen Bürokratieund Kostenbestungen zu schützen. Von daher erachten wir es als au erordentlich wichtig, wie der nationale Normenkontllrat den Gesetzentwurf im Hinblick auf Bürokratie osten bewertet, die sich durch Informationspflichten ereben. Nach aktuell vorliegenden Kostenschätzungen ntstehen auf Verwaltungsseite Bürokratiekosten in öhe von rund 1,5 Millionen Euro pro Jahr. Da die voresehene Übermittlung von Daten im automatisierten erfahren erfolgen soll und die daraus resultierenden ürokratiekosten nachvollziehbar abgebildet werden, Anton Schaaf gebene Reden )

Sebastian Blumenthal (FDP):
Rede ID: ID1710531100




(A) )

wird sich die Kostensteigerung in sehr engen Grenzen
halten. Und für uns als FDP ist am allerwichtigsten:
Der Normenkontrollrat stellt klar, dass mit dem Entwurf
„für Bürgerinnen und Bürger keine Informationspflich-
ten neu eingeführt, geändert oder aufgehoben werden“.
Von daher werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen
und hoffen auf eine breite Zustimmung – auch von den
Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen
in diesem Haus.

Mit dieser Debatte kommt das parlamentarische Ver-
fahren zum vorliegenden Gesetzentwurf zum Abschluss.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen friedliche und ereig-
nisreiche Feiertage – gleich, ob Sie die Osterfeiertage
im Kreise der Familie und Freunde verbringen oder den
1. Mai gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen auf
Kundgebungen zubringen.


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710531200

Mit ihrem Gesetzentwurf legt die Bundesregierung

Detailregelungen zur Umsetzung der EU-Verordnungen
zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit
und zur Festlegung der Modalitäten zur Durchführung
dieser Verordnung fest. Die EU-Verordnung zur Koordi-
nierung der Systeme der sozialen Sicherheit regelt die
Anwendung der nationalen Sozialversicherungssysteme
in Europa, konkret in den 27 Mitgliedstaaten der EU
plus Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz,
„Europäischer Wirtschaftsraum“. Die nationalen Siche-
rungssysteme werden durch die Verordnung nicht er-
setzt, sondern zueinander kompatibel gemacht.

Ursprünglich wurde ein diskriminierungsfreier Zu-
gang von EU-Ausländerinnen und Ausländern zu den
nationalen Sozialversicherungssystemen festgelegt. Mit-
tlerweile ist dieser Grundgedanke durch die VO 883/04
weitergeführt worden. Es gelten dabei vier Grundprinzi-
pien:

Erstens. Menschen unterliegen zu jedem Zeitpunkt
immer nur den Vorschriften eines Landes und zahlen nur
in einem Land Beiträge. Die substanziellen Rechtsvor-
schriften werden in dem jeweiligen Land festgelegt.

Zweitens. Es gilt der Grundsatz der Gleichbehand-
lung und Nichtdiskriminierung. Das heißt: Von der Ko-
ordinierung umfasste Personen haben dieselben Rechte
und Pflichten wie die jeweils Einheimischen.

Drittens. Wenn eine Leistung beansprucht wird, wer-
den Versicherungs-, Beschäftigungs- und Aufenthalts-
zeiten in anderen Ländern gegebenenfalls berücksich-
tigt.

Viertens. Wenn ein Anspruch in einem Land besteht,
kann dieser auch in einem anderen Land ausgezahlt
werden – Leistungen sind also „exportierbar“.

Ich möchte einen Aspekt herausgreifen. Künftig sol-
len Grenzgängerinnen und Grenzgänger auch auf ihre
ausländischen Renten Beiträge an die Krankenversiche-
rung entrichten. Die Linke hält das für richtig, und zwar
aus einem einfachen Grund: Wir sind der Auffassung,
dass alle Bürgerinnen und Bürger mit allen ihren tat-
sächlichen Einnahmen im vollen Umfange einen Beitrag
zur gesetzlichen Krankenversicherung leisten sollen, der

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Zu Protokoll ge

(C (D rer tatsächlichen Leistungsfähigkeit entspricht. Wir inken wollen eine solidarische Krankenund Pflegeersicherung einführen. Mit dieser Bürgerinnenund ürgerversicherung wird die Bemessungsgrundlage auf lle Einnahmen ausgedehnt und die Versicherungsflichtgrenze ebenso abgeschafft wie die Beitragsbemesungsgrenze. Unsere Vorstellungen zu einer solidarichen Bürgerinnenund Bürgerversicherung haben wir nde März 2010 in den Bundestag eingebracht. Die Linke hat also an der Koordinierung der sozialen ysteme in Europa nichts auszusetzen. Die konkret in iesem Gesetz vorgesehenen Änderungen erscheinen nproblematisch. Wer allerdings ein wirklich soziales uropa will, also ein Europa auch der Arbeitnehmerinen und Arbeitnehmer, der muss mehr tun, als hier und a zu koordinieren. Wir brauchen endlich eine soziale ortschrittsklausel im Vertragswerk der Europäischen nion, die klarstellt, dass alle EU-Bürgerinnen und ürger soziale Grundrechte haben und nicht einfach nur angiermasse von Kapitalinteressen sind. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Stärkere Personenfreizügigkeit innerhalb der Mit-

liedsländer der Europäischen Union erfordert auch
ine stärkere Abstimmung der sozialen Sicherungssys-
me. Dies ist ein wichtiger Schritt hin zu einem „sozia-
n Europa“, in dem mobile Arbeitskräfte ausreichende
nd vor allem lückenlose Schutzrechte und Absicherun-
en erhalten. Sofern grundlegende datenschutzrechtli-
he Belange beachtet werden, kann der Abgleich von
ersichertendaten auch ein wichtiger Baustein im
ampf gegen Schwarzarbeit und Sozialversicherungs-
etrug sein. Die eher technische Aufgabenstellung wird
urch den vorliegenden Entwurf insgesamt recht ordent-
ch gelöst, deshalb werden wir dem Gesetzentwurf zur
oordinierung der sozialen Sicherheit in Europa zustim-
en.

Allerdings habe ich den Eindruck, dass es den Koali-
onsfraktionen nicht gut bekommt, wenn die Opposition
u wenig Anlass zur Kritik sieht. Nach den fraktionsü-
ergreifend im Grundsatz positiven Debattenbeiträgen
gten CDU/CSU und FDP einen Änderungsantrag zur
eratung in den Ausschüssen vor. Dieser Änderungsan-
ag sollte unter anderem einen neuen § 295 a im Sozial-
esetzbuch V schaffen, durch den die Datenverarbeitung
ei besonderen Versorgungsformen geregelt werden
ollte, unter anderem bei der hausarztzentrierten Ver-
orgung. Die Aufnahme dieses Punktes war völlig dane-
en.

Erstens handelt es sich dabei um ein komplexes
hema, das seit Jahren auf eine Lösung wartet. Die Ein-
chätzungen über die Rechtssicherheit und Zulässigkeit
er vorgeschlagenen Regelung gehen allerdings unter
achkundigen Experten auseinander. Dies zeigt auch die
ebatte zwischen dem Bundesbeauftragten für Daten-

chutz und Informationsfreiheit und seinem Amtskolle-
en aus dem Land Schleswig-Holstein. Damit be-
chleicht einen das Gefühl, hier solle unbemerkt eine
eit Monaten ausstehende Regelung durchgewunken




Sebastian Blumenthal
gebene Reden





Beate Müller-Gemmeke


(A) )


)(B)

werden. So geht das natürlich nicht. Für uns hat der Da-
tenschutz einen besonderen Stellenwert.

Genau deshalb ist es aber – zweitens – ein Unding,
dieses Regelungsvorhaben als Unterpunkt eines Ände-
rungsantrages zu einem gänzlich anderen Thema einzu-
bringen. Ohne Not, ohne begründeten Zeitdruck und
ohne zwingenden inhaltlichen Grund sollte der vorlie-
gende Gesetzentwurf quasi als „Omnibus“ für sonstige
Regelungsbedarfe verwendet werde. Ich finde, das wird
der Sache nicht gerecht. Es ist handwerklich wirklich
schlecht, wenn die Ablehnung einer an sich nicht
schlechten Vorlage in Kauf genommen wird, weil man
sie mit anderen Themen überfrachtet. Das zeigt – drit-
tens – auch mangelnden Respekt vor dem Parlament und
seinen Ausschüssen. Die Strukturen und Verfahren des
Deutschen Bundestages sind darauf angelegt, zwischen
den Lesungen die parlamentarischen Initiativen durch
Beratung und Änderungsanträge zu verbessern. Aber sie
sind nicht dafür gedacht, gänzlich neue Themen hinzu-
zustellen. Sachgerechte Beratung sieht anders aus.

Am Ende haben CDU/CSU und FDP ihr hemdsärmeli-
ges Vorgehen offenbar eingesehen. Der besagte Punkt 1d
des Änderungsantrags wurde gestrichen. Die verblei-
benden Punkte sind insgesamt unproblematisch und
haben in den Ausschüssen auch die Zustimmung der
Grünen gefunden. So sollen Rückkehrende aus internati-
onalen Organisationen demnach unter den gleichen Vo-
raussetzungen wie Auslandsrückkehrende Zugang zur
GKV erhalten, wenn sie innerhalb von zwei Monaten
eine neue Beschäftigung im Inland aufnehmen. Dem
steht nichts entgegen.

Die „Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versor-
gungseinrichtungen“ soll bei der Festlegung des anzu-
wendenden Rechts beteiligt werden, soweit der von ihr
betreute Personenkreis betroffen ist. Auch gegen diese
Anregung vonseiten des Bundesrates ist nichts einzu-
wenden. Schließlich soll die zuständige Datenstelle ge-
gebenenfalls Informationen an die Urlaubs- und Lohn-
ausgleichskasse der Bauwirtschaft zum Zwecke der
Einziehung von Beiträgen und der Gewährung von Leis-
tungen übermitteln. Dies ist als Schritt zur Verhinderung
von Schwarzarbeit und zur Gewährleistung sozialer Ar-
beitnehmerrechte zu begrüßen.

Wir, die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, wer-
den dem Gesetzentwurf daher auch in seiner geänderten
Form zustimmen. Als überzeugte Europäerinnen und
Europäer werden wir uns Regelungen nicht entgegen-
stellen, welche die europaweite Mobilität von Arbeitneh-
menden durch eine bessere Koordinierung sozialer Ab-
sicherung ergänzt. In diesem Zusammenhang möchte ich
auch nochmals sagen: Hier gibt es noch einiges zu tun.
Beispielsweise sollte die Bundesregierung dafür Sorge
tragen, dass auch Ansprüche aus Betriebsrenten in ein
anderes europäisches Land mitgenommen werden kön-
nen. Kollege Wadephul hat diesen Aspekt in seiner Rede
zur Einbringung des Gesetzentwurfes ebenfalls erwähnt.
Nun müssen den Worten allerdings noch Taten folgen.


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1)

(C (D Wir kommen somit zur Abstimmung. Der Ausschuss r Arbeit und Soziales empfiehlt in seiner Beschlussmpfehlung auf Drucksache 17/5509, den Gesetzenturf der Bundesregierung auf Drucksache 17/4978 in er Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, ie dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dage en? – Niemand. Enthaltungen? – Niemand. Somit ist er Gesetzentwurf in zweiter Beratung einstimmig angeommen. Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – egenprobe! – Enthaltungen? – Auch keine. Der Ge etzentwurf ist somit einstimmig angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Steinkohlefinanzierungsgesetzes – Drucksache 17/4805 – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1710531300

– Drucksache 17/5511 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Thomas Bareiß

– Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

gemäß § 96 der Geschäftsordnung

– Drucksache 17/5514 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Michael Luther
Klaus Brandner
Ulrike Flach
Roland Claus
Priska Hinz (Herborn)


Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu
iesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben.1)
ie sind sicher damit einverstanden. Die Liste der Na-
en der Kolleginnen und Kollegen liegt dem Präsidium

or.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für
irtschaft und Technologie empfiehlt in seiner Be-

chlussempfehlung auf Drucksache 17/5511, den Gesetz-
ntwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/4805
nzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent-
urf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Das

ind die Fraktionen von CDU/CSU, FDP und Bünd-
is 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Ein Kollege
timmt dagegen. Enthaltungen? – Das sind die Fraktion
er Sozialdemokraten und die Linksfraktion. Der Ge-

Anlage 8





Vizepräsident Eduard Oswald


(A) )


)(B)

setzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen
worden.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Das sind die
Fraktion der SPD und die Linksfraktion. Der Gesetzent-
wurf ist somit angenommen.1)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 20 a und b auf:

a) Beratung des Antrags der Fraktionen SPD, DIE
LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Deutschland im UN-Sicherheitsrat – Nationa-
len Aktionsplan zur UN-Resolution 1325 jetzt
erstellen
– Drucksache 17/5044 –

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Auswärtigen Ausschusses

(3. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Fraktion der SPD

10 Jahre UN-Resolution 1325 „Frauen, Frie-
den und Sicherheit“

– zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia
Möhring, Jan van Aken, Agnes Alpers, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Verpflichtung zur UN-Resolution 1325
„Frauen, Frieden und Sicherheit“ einhalten –
Auf Gewalt in internationalen Konflikten
verzichten

– zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Mül-
ler (Köln), Katja Keul, Ute Koczy, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

10 Jahre UN-Resolution 1325 – Frauen,
Frieden und Sicherheit – Nationaler Akti-
onsplan für eine gezielte Umsetzung

– Drucksachen 17/3176, 17/3205, 17/2484,
17/5092 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Philipp Mißfelder
Edelgard Bulmahn
Dr. Bijan Djir-Sarai
Sevim Dağdelen
Kerstin Müller (Köln)


Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu
diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben.2) –
Sie sind sicher damit einverstanden. Die Liste der Na-
men der Kolleginnen und Kollegen liegt uns hier vor.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktionen der SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 17/5044 mit dem Titel
„Deutschland im UN-Sicherheitsrat – Nationalen Akti-

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1) Erklärungen nach § 31 GO siehe Anlage 2
2) Anlage 9 3)

(C (D nsplan zur UN-Resolution 1325 jetzt erstellen“. Wer timmt für diesen Antrag? – Das sind die Fraktionen ündnis 90/Die Grünen, SPD und Die Linke. Wer timmt dagegen? – Das sind die Fraktionen CDU/CSU nd FDP. Enthaltungen? – Keine. Der Antrag ist abgehnt. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausärtigen Ausschusses auf Drucksache 17/5092. Der usschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be chlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frakon der SPD auf Drucksache 17/3176 mit dem Titel 10 Jahre UN-Resolution 1325 ‚Frauen, Frieden und Siherheit‘“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – as sind die Fraktionen CDU/CSU, FDP und Die Linke. egenprobe! – Das sind die Fraktionen SPD und ündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Keine. Die eschlussempfehlung ist angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Abhnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf rucksache 17/3205 mit dem Titel „Verpflichtung zur N-Resolution 1325 ‚Frauen, Frieden und Sicherheit‘ inhalten – Auf Gewalt in internationalen Konflikten erzichten“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehng? – Die Koalitionsfraktionen und die Sozialdemo raten. Gegenprobe! – Die Linksfraktion und ein Abgerdneter von Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – ündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfehlung ist ngenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter uchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung es Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf rucksache 17/2484 mit dem Titel „10 Jahre UNesolution 1325 – Frauen, Frieden und Sicherheit – Naonaler Aktionsplan für eine gezielte Umsetzung“. Wer timmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind die oalitionsfraktionen und die Linke. Gegenprobe! – SPD nd Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Keine. ie Beschlussempfehlung ist angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Neunundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes – Einführung eines Ordnungsgeldes – Drucksache 17/5471 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu iesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben.3)

h sehe, Sie sind damit einverstanden. Auch hier ver-

ichte ich auf das Vorlesen der Namen der einzelnen
edner.

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
urfs auf Drucksache 17/5471 an den Ausschuss für
ahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vorge-

Anlage 10





Vizepräsident Eduard Oswald


(A) )


)(B)

schlagen. – Andere Vorschläge gibt es nicht. Dann ist
das somit beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Annette
Groth, Katrin Werner, Jan van Aken, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Nein zur Todesstrafe – Hinrichtung von Troy
Davis verhindern

– Drucksache 17/5476 –

Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Die Liste der Namen
der Kolleginnen und Kollegen liegt hier vor.


Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1710531400

Für uns Deutsche und die große Mehrzahl der euro-

päischen Länder ist die Todesstrafe Geschichte, kein
Thema mehr, über das wir in Pro und Kontra diskutie-
ren. Nach unserer Vorstellung, nach unserem christlich
geprägten Menschenbild ist die Todesstrafe eine grau-
same und unmenschliche Strafe. Der Mensch kann nicht
Richter über Leben und Tod anderer Menschen sein,
ohne immer auch über sich selbst zu richten. Die Todes-
strafe verstößt gegen das Grundrecht auf Leben und die
unantastbare Würde des Menschen.

Aber gerade hier erleben wir in bedrängender Weise
die Ungleichzeitigkeit und Verschiedenheit der politi-
schen und kulturellen Verhältnisse in unserer Welt. Noch
immer gibt es eine Vielzahl von Ländern, die an der To-
desstrafe festhalten.

Wir sehen aber auch, wenn die jeweils von einem kon-
kreten Fall ausgelöste Welle von Emotionen wieder ein
Stück weit abgeebbt ist, dass in den letzten Jahren nicht
nur hier in Europa, sondern weltweit erhebliche Fort-
schritte erreicht worden sind. Auch in den Ländern, die
zurzeit noch an der Todesstrafe festhalten, beginnen un-
sere Argumente zu wirken. Kein System ist vor einem
Fehler sicher. Die Angst vor einem öffentlichen, weltweit
diskutierten Justizirrtum ist groß. Eine Gesellschaft, die
– und sei sie noch so rechtstaatlich und demokratisch le-
gitimiert – für sich das Recht in Anspruch nimmt, über
Leben und Tod eines Menschen zu entscheiden, stellt mit
jedem konkreten Fall ihre eigenen Existenzgrundlagen
infrage. Niemand kann den Fehler korrigieren, wenn
einmal doch ein Unschuldiger getötet wurde. Ein Todes-
urteil, einmal vollstreckt, kann nicht mehr revidiert wer-
den. Dies sollte letztlich jeden Menschen, sei er auch
noch so sehr durch ein schreckliches Verbrechen aufge-
wühlt, überzeugen und seinen Ruf nach harter Strafe
mäßigen.

Troy Davis wurde für den Mord an einem Polizeibe-
amten zum Tode verurteilt. Die Verurteilung beruhte
ausschließlich auf Aussagen von Augenzeugen. Seither
haben sieben von neun Belastungszeugen ihre Aussagen
widerrufen. Der Zeuge, der Davis‘ Tat zur Anzeige ge-
bracht hatte, war zwar am Tatort, stand aber ursprüng-
lich selbst unter dem Verdacht, den Mord begangen zu
haben. Das allein zeigt schon, auf welch unsicherer

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(C (D rundlage hier ein Mensch zum Tode verurteilt werden oll. In den Grundsätzen, Argumenten und Zielen unserer enschenrechtspolitik sind wir uns über die Fraktionen inweg einig. Weniger einig sind wir uns dagegen in der inschätzung, dass auch Menschenrechte etwas Dynaisches sind, dass man sie politisch nur mit Augenmaß, ur durch das behutsame, aber hartnäckige Bohren diker Bretter durchsetzen kann, vor allem aber, dass eine enschenrechtspolitik, die sich – in den Begriffen Max ebers – von einer Verantwortungsethik leiten lässt, die ich auf den konkreten nächsten Schritt konzentriert und uch Teilerfolge akzeptiert, letztlich zu besseren Ergebissen führt als eine gesinnungsethische Alles-oderichts-Politik, die ihren Anhängern zwar das Gefühl oralischer Überlegenheit gibt, aber mehr Porzellan erschlägt, als ihnen selbst lieb sein kann. Der hier vorliegende Antrag akzentuiert diejenigen olitischen Handlungsmuster, welche in der Sicht von nion und FDP als der Sache nicht dienlich, tendenziell ontraproduktiv und letztlich parteipolitischer Instruentalisierung dienend angesehen werden: die Bindung olitischer Einflussnahme und Aufklärungsarbeit an inzelfälle; die Auswahl der Einzelfälle nach Ländern in er Weise, dass das Thema Todesstrafe mit einer Kritik er deutschen Außenbeziehungen zu bestimmten Staaten erbunden werden kann. Einen Antrag zur Aufhebung iner Todesstrafe im Libanon oder im Iran scheint die inke dagegen stets zu vermeiden. Vor allem Punkt 5 der Feststellung, dass der Deutche Bundestag seine Überzeugung bekräftigen solle, ass sich die Einhaltung der Menschenrechte und die leichzeitige Verhängung der Todesstrafe mit Hinweis uf die USA zwingend gegenseitig ausschließen, kann in ieser Form nicht die Zustimmung von Union und FDP nden. Schließlich sind die USA diejenigen, die erstmals ie Menschenrechte in der Bill of Rights proklamiert haen. Sie jetzt aufgrund eines einzigen Problempunkts mit iktatorisch regierten Unrechtsstaaten in eine Ecke der enschenrechtsverletzer mit Staaten wie Nordkorea, hina oder auch dem Iran zu stellen, ist absurd. Aber auch die Forderung, sich in Gesprächen auf biteraler Ebene und im Rahmen der EU gegenüber den SA für ein umgehendes Moratorium als ersten Schritt ur Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen, sollte hier icht ernsthaft aufgestellt werden. Die Empfehlung an ie USA, die Todesstrafe abzuschaffen, ist seitens der undesrepublik wie auch der EU stets ausgesprochen orden. Aber wie die USA dies umsetzt und wann, ist Sahe dieses souveränen Staates. Die Forderung nach dem ittel alte ich für eine unzulässige Einmischung in die Innenolitik dieses Staates. Um es hier erneut klarzustellen: Der Bundestag hat ereits unter anderem mit der Drucksache 17/257 vom 6. Dezember 2009 beschlossen, sich weltweit für den chutz der Menschenrechte einzusetzen. Die Abschafng von Todesstrafe und Folter waren Kernbestandteile ieses Beschlusses. )


(A) )

Ich möchte aus unserem früheren Antrag und Be-
schluss „Menschenrechte weltweit schützen“ zitieren:
Gleich zu Anfang nehmen wir klar und unmissverständ-
lich zur Todesstrafe Stellung:

Unveräußerliche Prinzipien wie körperliche und
geistige Unversehrtheit, Gedanken- und Meinungs-
freiheit und die Freiheit von Diskriminierung sind
in vielen Teilen der Welt gefährdet. Die grausamste
und unmenschlichste Form der Bestrafung, die
Todesstrafe, wurde in vielen Staaten der Welt abge-
schafft. Darunter sind alle Staaten der Europäi-
schen Union. Doch immer noch wird die Todes-
strafe verhängt bzw. vollstreckt, und dies nicht nur
in autoritären Regimen wie Iran, China oder Su-
dan, sondern auch in Demokratien wie den USA
und Japan. Es gibt keinen rechtsstaatlichen Grund,
der die Todesstrafe rechtfertigt; zudem können
Fehlurteile nie ganz ausgeschlossen werden. Ein
Grundanliegen deutscher Menschenrechtspolitik
bleibt deshalb die Aussetzung und in letzter Konse-
quenz die Abschaffung der Todesstrafe.

Damit haben wir die Todesstrafe klar abgelehnt.
Menschenrechtliche, rechtsstaatliche und humanitäre
Gründe sprechen mit einer Stimme gegen die Todes-
strafe. Aber wir wissen auch, dass wir hier einen langen
und schweren Weg angetreten haben. Unser Antrag
heute geht einen weiteren Schritt in eine Richtung, die
wir alle für richtig halten – zur weltweiten Abschaffung
der Todesstrafe.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion
Die Linke, ich verstehe Ihr Engagement und schätze Ih-
ren guten Willen. Aber aufgrund dieser Gleichmacherei
völlig unterschiedlicher Länder und Regierungsformen
müssen Union und FDP Ihren Antrag in der vorliegen-
den Form ablehnen.


Angelika Graf (SPD):
Rede ID: ID1710531500

Die SPD tritt seit langem für die weltweite Bekämp-

fung der Todesstrafe ein. Als Abgeordnete und Men-
schenrechtspolitikerin ist dies für mich eine der wich-
tigsten menschenrechtlichen Aufgaben.

Deshalb hatte die SPD-Bundestagsfraktion im Juni
2010 gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen den An-
trag „Todesstrafe weltweit abschaffen“ eingebracht.
Die Regierungskoalition hatte unseren Antrag – obwohl
wir gerne einen interfraktionellen Antrag daraus ge-
macht hätten – aus nicht nachvollziehbaren Gründen
abgelehnt, um dann schnell noch einen eigenen, in we-
sentlichen Teilen von uns abgeschriebenen Antrag ein-
zubringen. Deutsche Wirtschaftspartner, die ziemlich ex-
zessiv die Todesstrafe verhängen, wie die USA oder
China, sind in der Version Ihres Antrages allerdings aus
der kritischen Würdigung rausgeflogen – ebenso wie der
Iran. Damit aber nicht genug: Auch den gemeinsam mit
den Grünen und Linken eingebrachten Antrag zu der da-
mals von der Steinigung bedrohten Iranerin Sakineh
Ashtiani haben Sie abgelehnt. Verehrte Kollegen und
Kolleginnen von der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion,
wir haben es Ihnen damals schon ins Stammbuch ge-
schrieben: Es ist sehr bedauerlich, dass Sie Ihre persön-

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Zu Protokoll ge

(C (D chen Befindlichkeiten auch in diesem Fall über die Sahe stellen, nämlich über den Kampf gegen die odesstrafe. Dieser Kampf bleibt aktuell. Zwar gibt es einen welteiten Trend zur Abschaffung der Todesstrafe, doch 8 Staaten halten noch an der Todesstrafe fest, und irca 25 von ihnen vollstrecken sie auch noch heute. In em kürzlich erschienenen Jahresbericht von Amnesty ternational „Todesstrafen und Hinrichtungen 2010“ t China wieder der grausame Rekordhalter. China exeutiert mehr Menschen als alle anderen Staaten zusamen. Im Reich der Mitte sind Todesstrafen Staatsgeeimnis. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass llein in China jährlich bis zu 5 000 Menschen hingeichtet werden. Diejenigen, die sich aufgrund kleinster ergehen in den Arbeitslagern zu Tode arbeiten, werden a noch nicht mitgerechnet. Außerhalb Chinas sind eltweit im Jahr 2010 mindestens 527 weitere Men chen der Todesstrafe zum Opfer gefallen. Auf den voreren Plätzen dieser grausamen Hitliste der Todesrteile verhängenden und vollstreckenden Staaten sind er Iran, der Irak, Saudi-Arabien, die USA und der Jeen. Weltweit warten noch mehr als 17 800 Menschen uf den Tod durch den Staat. Drei davon sind übrigens eutsche. Sie wurden wegen Mordes in den USA zum ode verurteilt. Staaten sprechen ihnen das Recht auf Leben ab. Sie erden enthauptet, vergiftet, erschossen, gesteinigt oder erschwinden einfach. Die Delikte muten bisweilen grosk an: In Laos und einer Reihe anderer Länder steht eispielsweise auf Drogenbesitz die Todesstrafe, in zahlichen muslimischen Ländern auf Ehebruch, Apostasie der die Beleidigung des nationalen Ehrgefühls. In der hinesischen Provinz Guangdong müssen selbst Handschendiebe um ihr Leben fürchten. Und vor ein paar agen wurde das Gerücht verbreitet, dass im ugandichen Parlament erneut versucht wird, Homosexualität nter bestimmten Bedingungen mit der Todesstrafe zu bestrafen“. Troy Davis, der in dem Linken-Antrag thematisierte odeskandidat aus den USA, steht in diesen Tagen zum iederholten Mal vor der Vollstreckung seines Todesrteils. Und er könnte – so die Vermutung vieler Expern – unschuldig sein. Seit er 1991, also vor 20 Jahren, usschließlich auf der Grundlage von Zeugenaussagen egen des Mordes an einem weißen Polizisten zum Tode erurteilt wurde, sitzt er in der Todeszelle. Weder eine atwaffe noch DNA-Spuren oder andere stichhaltige Beeise wiesen auf ihn hin. Im Laufe seiner bereits drei anestrengten Berufungsverfahren – das letzte wurde erst ürzlich vom Obersten Bundesgerichtshof abgelehnt – ogen sieben der insgesamt neun Zeugen ihre Aussagen urück. Sie hätten im Prozess gegen einen angeblichen olizistenmörder Angst bei ihren Aussagen gehabt. Ich in generell gegen die Todesstrafe, aber selbst wenn sie r die USA rechtsstaatlich legitim ist, so dachte ich, uch in den USA gilt „in dubio pro reo“, im Zweifel für en Angeklagten. Ich kann die Ablehnung eines neuen erfahrens beim besten Willen nicht nachvollziehen. Michael Frieser gebene Reden )





(A) )

Bürgerrechte, Freiheitsrechte, Menschenrechte, das
sind die Stichworte, die viele Amerikaner persönlich als
die Maxime ihres Handelns bezeichnen. Aber auch die
USA als Staat möchte Vorbild sein für die Welt. Nicht
erst seit heute zweifle ich daran, wie diese Grundsätze
mit der Exekution von Menschen, mit Guantanamo oder
mit der grausamen und unmenschlichen Behandlung des
Wiki-Leaks-Informanten Bradley Manning zusammen-
gehen.

Was den Antrag der Linken betrifft, werden wir uns
bei aller Zustimmung zur Abschaffung der Todesstrafe
und zum Einsetzen von Moratorien enthalten. Ihre For-
derung an die Bundesregierung, den USA das Angebot
zu machen, Troy Davis in Deutschland aufzunehmen,
halte ich nicht für den richtigen Weg. Was im Falle der
Uriguren aus Guantanamo zweifellos richtig gewesen
wäre, wollen Sie hier offensichtlich als Regelfall einfüh-
ren. Ich bin der Ansicht, dass die USA selbst die Verant-
wortung für den Fall übernehmen müssen. Unsere Auf-
gabe ist es, in den diplomatischen Beziehungen mit den
USA stetig für die Einsetzung eines Moratoriums zu
werben. Das Ziel muss die Abschaffung der Todesstrafe
sein.

Der Menschenrechtsbeauftragte im Auswärtigen
Amt, Markus Löning, hat den weltweiten Kampf gegen
die Todesstrafe zu seinem „persönlichen Schwerpunkt“
erklärt. Dafür hat er meinen hohen Respekt. Er sollte
diesen Fall zu „seinem“ machen.


Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1710531600

Wir beraten heute in erster Lesung über einen Antrag

der Linken zur drohenden Hinrichtung von Troy Davis.
Die FDP lehnt die Todesstrafe unter allen Umständen
ab – völlig unabhängig von der Frage der Schuld oder
Unschuld der dazu Verurteilten. Ich denke, alle Fraktio-
nen dieses Hauses sind sich in diesem Punkt einig. Die
Todesstrafe ist mit der Würde des Menschen unverein-
bar, sie verletzt das unveräußerliche Grundrecht auf Le-
ben. Sie ist durch nichts zu rechtfertigen. Weder hat sie
eine abschreckende Wirkung bei der Verbrechensbe-
kämpfung noch kann sie aus dem Motiv der Sühne oder
der Gerechtigkeit heraus begründet werden.

Dass im Fall von Troy Davis, wie von Menschen-
rechtsorganisationen berichtet wird, sieben von neun
Zeugen mittlerweile ihre Zeugenaussage widerrufen ha-
ben sollen, erinnert uns daran, dass kein Justizsystem
dieser Welt und kein Gerichtsverfahren gegen Irrtümer
gefeit ist. Vor diesem Hintergrund ist die Todesstrafe
schon allein wegen ihrer Unumkehrbarkeit mit unserem
liberalen Rechtsstaatsverständnis nicht vereinbar.

In den letzten Jahren war ein wachsender Widerstand
gegen die Todesstrafe zu verzeichnen, sodass sich mit-
tlerweile 65 Staaten zu ihrer vollständigen Abschaffung
verpflichtet haben und 150 Staaten auf ihre Anwendung
verzichten. Dass auch die Generalversammlung der Ver-
einten Nationen die Resolution über ein Moratorium zur
Vollstreckung der Todesstrafe vergangenes Jahr mit gro-
ßer Mehrheit verabschiedet hat, bestätigt den Trend in
Richtung ihrer weltweiten Abschaffung.

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(C (D In zahlreichen Ländern sind Todesurteile und die inrichtung von Menschen jedoch noch immer Realität. 7 Staaten sehen die Todesstrafe noch als Strafform vor. azu gehören auch die USA, einer unserer engsten Veründeten. Dort existiert sie weiterhin in 33 Bundesstaan als grausames und unmenschliches rechtliches Rekt in einer ansonsten so modernen Nation. Ich bin zwar in großer Freund der USA, aber diese Tatsache macht ich immer wieder aufs Neue fassungslos. Vergangenes ahr wurden 46 Menschen in den USA hingerichtet. Dait gehört das Land gemeinsam mit China, Iran, Saudirabien, Pakistan, Nordkorea und Irak zu den sieben taaten, die derzeit für 95 Prozent aller Hinrichtungen eltweit verantwortlich sind. Wollen die USA in Sachen enschenrechte eine Vorbildfunktion für andere Länder bernehmen, müssen sie zu Hause für eine möglichst onsequente Ächtung der Menschenrechte sorgen. Teil nserer Menschenrechtspolitik gegenüber den USA uss es sein, sie auf diesem Weg zu unterstützen. Die weltweite Ächtung und Abschaffung der Todestrafe ist ein erklärtes Ziel liberaler Menschenrechtspotik und ein Arbeitsschwerpunkt dieser Bundesregieung. Schon unser Koalitionsvertrag hält dieses Ziel chriftlich fest, und wir verfolgen diesbezüglich eine akve Politik. Damit wollen wir grundsätzlich auf diese raxis in einzelnen Ländern Einfluss nehmen, um auf ussetzung und Abschaffung der Todesstrafe hinzuwiren. In diesem Zusammenhang möchte ich beispielsweise aran erinnern, dass Gesundheitsminister Philipp Rösr im Januar für einen Lieferboykott des häufig in Toesspritzen enthaltenen Wirkstoffs Thiopental geworben at. Er warnte vor dem möglichen Missbrauch dieses arkosemittels zur Hinrichtung und appellierte an den roßhandel, solchen Lieferungsersuchen aus den USA icht nachzukommen. Auch Markus Löning, der Menchenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, war Anng Februar in den USA, um sich über die aktuelle Dis ussion zur Todesstrafe zu informieren und sich mit ren Verfechtern zu treffen. Mit seiner Kritik ist er mit ichten auf taube Ohren gestoßen. Wie er uns berichtet at, existiert dort selbst in konservativen Kreisen eine ebatte über die Todesstrafe, die nicht frei von Skepsis t. Wir begrüßen auch die Entscheidung von Pat Quinn, ouverneur des US-Bundesstaates Illinois, der am . März die Todesstrafe in diesem Bundesstaat abgechafft hat. Die Tatsache, dass die Debatte um die Abchaffung der Todesstrafe in Illinois von einer Gruppe on Studenten 1999 angestoßen worden ist, zeigt, wie ichtig das Engagement der Zivilgesellschaft bei der urchsetzung von Menschenrechten ist. Diese Entscheiung in Illinois ist geeignet, einen Bewusstseinswandel uch in den anderen 33 US-Bundesstaaten, die bis heute n der Todesstrafe festhalten, herbeizuführen. Hier den ialog mit Menschenrechtsaktivisten in den USA aufcht zu halten verspricht eher Erfolge, als nur mit dem oralischen Zeigefinger über den Atlantik zu winken. Ich denke, ich habe damit deutlich gemacht, dass die DP das grundsätzliche Anliegen, die Todesstrafe welt Angelika Graf gebene Reden )





(A) )

weit abzuschaffen, nicht nur teilt, sondern sich auch ak-
tiv dafür einsetzt. Insofern kann ich dem ersten Teil des
Antragstitels „Nein zur Todesstrafe!“ voll zustimmen.

In einem anderen Punkt widerspricht dieser Antrag
jedoch einem unserer Grundsätze. Nach unserer Auffas-
sung sollte nämlich kein einzelnes Todesurteil und keine
Hinrichtung einer einzelnen Person herausgestellt wer-
den. Denn jede Hinrichtung, auch jene der Tausenden
Namenlosen, ist eine zu viel. Schließlich wenden wir uns
nicht nur in diesem Fall gegen die Todesstrafe, sondern
verfolgen deren gänzliche Abschaffung in den USA und
weltweit. Dies geht weit über Ihren Antrag hinaus. In-
dem Sie hingegen Einzelpersonen herausstellen, werden
Sie einerseits der Tragweite dieser Problematik nicht
gerecht. Andererseits ist es uns als Bundestag nicht
möglich, Abgrenzungen vorzunehmen, für welche von
der Hinrichtung konkret bedrohte Person wir uns einset-
zen und für welche nicht. Die Entscheidung gegen Ihren
Antrag ist ausdrücklich keine Entscheidung gegen Troy
Davis. Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun,
der weltweiten Ächtung und einem völkerrechtlichen
Verbot der Todesstrafe näher zu kommen.


Annette Groth (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1710531700

Für viele von uns war die Nachricht, dass der Supreme

Court das Berufungsverfahren des seit 20 Jahren inhaf-
tierten Häftlings Troy Davis aus dem Bundesstaat Geor-
gia abgelehnt hat, sehr erschütternd. Mehrmals hat Troy
Davis vergeblich beantragt, dass sein Verfahren wieder
aufgenommen wird, da er neue, entlastende Beweise
vorlegen möchte. Dies wurde ihm immer verweigert. Mit
der Ablehnung durch den Supreme Court ist eine Neu-
verhandlung nun definitiv ausgeschlossen.

Die letzten zwanzig Jahre der Haft von Troy Davis
waren von traumatischen Erlebnissen geprägt. Dreimal
wurde ein Termin für die Hinrichtung von Troy Davis
festgesetzt und jeweils erst in letzter Minute verschoben.
Jedes Mal musste sich Davis mit seinem unmittelbar be-
vorstehenden Tod auseinandersetzen und konnte dann
wieder Hoffnung schöpfen. In diesen zwanzig Jahren
seiner Haft hat sich Troy Davis zu einem Symbol für den
Kampf gegen die menschenverachtende und inhumane
Todesstrafe entwickelt. Troy Davis war im Jahr 1991 al-
lein aufgrund von Zeugenaussagen wegen Mordes an
dem Polizisten Mark McPhail zum Tode verurteilt wor-
den, obwohl niemals eine Tatwaffe, DNA-Spuren oder
andere konkrete Tathinweise gefunden wurden. Viele ha-
ben sich für das Leben von Davis eingesetzt: das Euro-
päische Parlament, der ehemalige US-Präsident Jimmy
Carter, der südafrikanische Friedensnobelpreisträger
Desmond Tutu sowie Papst Benedikt XVI.

Laut Amnesty International gibt es nur in China, dem
Iran, Saudi-Arabien und Pakistan mehr Exekutionen als
in den Vereinigten Staaten. Angehörige von Minderhei-
ten und sozial Benachteiligte werden in den USA über-
proportional häufig zum Tode verurteilt und hingerich-
tet. Weltweit gibt es seit einigen Jahren einen Trend zur
Ächtung der Todesstrafe. Die Annahme der Resolution
gegen die Todesstrafe durch die 62. Generalversamm-
lung der Vereinten Nationen am 18. Dezember 2007 hat

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Zu Protokoll ge

(C (D eutlich gezeigt, dass die Abschaffung der Todesstrafe on der Mehrzahl der Staaten unterstützt wird. Der dänische Pharmakonzern Lundbeck, Hersteller es Präparates Nembutal Pentobarbital Sodium, kurz entobarbital, weigert sich, in seine Verträge eine Klauel einzufügen, mit der ausgeschlossen wird, dass Pentoarbital an die Todeskammern in den US-Bundesstaaten eitergegeben werden darf. Pentobarbital soll das biser in den USA eingesetzte Narkosemittel Thiopental er US-Firma Hospira für die Vollstreckung der Todestrafe ersetzen. Eine solche Ausschlussklausel verweiert die Firma Lundbeck mit dem Argument, man könne das komplexe Vertriebssystem letztendlich nicht konollieren“. Es ist völlig inakzeptabel, dass eine Firma in er Europäischen Union, in der alle Staaten die Ächtung er Todesstrafe vereinbart haben, mit diesem Mittel zur ollstreckung der Todesstrafe beiträgt. Dafür sollte die irma Lundbeck boykottiert werden. Trotz der seit vielen Jahren über ihm schwebenden inrichtung hat Troy Davis seine Hoffnung auf ein faires erfahren niemals verloren. Wir befürchten, dass die ollstreckung der Todesstrafe jetzt unmittelbar droht. ir freuen uns sehr, dass sich weltweit viele Menschen egen die Hinrichtung von Troy Davis engagieren und ier in Deutschland ein breites Bündnis von Organisatinen und Initiativen einen Aktionstag für die Rettung on Troy Davis plant. Auch in den letzten Jahren haben underttausende Menschen gezeigt, dass sie gegen die odesstrafe kämpfen. Alleine im Jahr 2009 haben in einer ail-Aktion mehr als 200 000 Menschen an den Gou erneur von Georgia geschrieben, um gegen die Verhänung der Todesstrafe gegen Troy Davis zu protestieren. Wir alle können Druck auf die Regierung der USA usüben. Deshalb bitten wir Sie, dem Antrag der Frakon Die Linke zuzustimmen, um für die Begnadigung on Troy Davis ein starkes Zeichen zu setzen. Die Frakon Die Linke unterstützt die Haltung der Bundesregieung, wonach die Todesstrafe weder ethisch noch rechtsolitisch zu rechtfertigen ist. Deshalb bitten wir Sie, sich eiterhin weltweit für die Ächtung und die Abschaffung er Todesstrafe einzusetzen. Wir wollen uns nicht in die Verfahren der US-Geichtsbarkeit einmischen. Wir appellieren jedoch an die erantwortlichen, im Rahmen der Möglichkeiten des S-Rechts eine Begnadigung oder die Umwandlung der odesstrafe von Troy Davis in eine Haftstrafe zu erwiren. Vom Deutschen Bundestag wünschen wir uns, dass r – als klares Zeichen gegen die Todesstrafe – den USA uch ausdrücklich anbietet, Troy Davis in Deutschland ufnahme zu gewähren. Seit nunmehr 20 Jahren wartet der US-Amerikaner roy Davis nach mehreren kräfteaufreibenden Gerichtserfahren darauf, dass sein Todesurteil vollstreckt wird, as 1991 wegen des Mordes an einem Polizisten gegen n verhängt wurde. Aber nicht erst die Fraktion Die Linke hat mit ihrem ntrag auf eklatante Mängel im Verfahren hingewiesen. Pascal Kober gebene Reden Tom Koenigs )

Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1710531800







(A) (C)


Es sind vielmehr die Familie des Verurteilten, die vielen
freiwilligen Freunde und Helfer, die Menschenrechts-
organisationen und -verteidiger, die sich mit all ihren
Kräften, ihren Ängsten und in ihrer Verzweiflung erweh-
ren und dem Verurteilten beistehen.

Begnadigung Troy Davis‘ einzusetzen, bilaterale Ge-
spräche mit den USA zu suchen, um unter Hinweis auf
unkalkulierbare Risiken und menschenrechtliche Beden-
ken für die Abschaffung der Todesstrafe einzutreten, und
in ihrer Arbeit gegen die Todesstrafe weltweit nicht
Mit der Ablehnung eines Antrages zur Wiederauf-
nahme des Verfahrens durch den Supreme Court am
28. März 2011 scheint der letzte Funken Hoffnung erlo-
schen: Die Behörden des Bundesstaates Georgia sind
nun berechtigt, einen endgültigen Termin zur Vollstre-
ckung des Urteils anzuberaumen. Davis kann jetzt nur
noch hoffen, dass ein Begnadigungskomitee die Todes-
strafe in lebenslange Haft umwandelt. Und ich hoffe
sehr, dass diese Umwandlung vorgenommen wird. Denn
solange man an der Todesstrafe festhält, lässt sich das
Risiko, Unschuldige hinzurichten, nicht ausschließen. In
der Causa Davis scheint das Risiko, einen Unschuldigen
zu töten, besonders hoch zu sein. Im Antrag der Linken
werden die Zweifel am Verfahren ja hinreichend ange-
sprochen. Gerade in einer solchen Frage ist es ange-
zeigt, sich auf das rechtstaatliche Prinzip „in dubio pro
reo“ zurückzubesinnen.

Einem Bericht von Amnesty International zufolge
sind seit 1973 in den USA 139 zum Tod verurteilte Ge-
fangene aus der Todeszelle entlassen worden, nachdem
in Revisionsverfahren ihre Unschuld festgestellt wurde.
Diese Menschen saßen viele Jahre unschuldig im Todes-
trakt. Einige standen nur wenige Stunden vor ihrer dro-
henden Hinrichtung. Andere Gefangene werden hinge-
richtet, obwohl starke Zweifel an ihrer Schuld bestehen.

Letztlich speist sich die Kritik an der Todesstrafe aus
der Wahrung und Achtung der allgemeinen Menschen-
rechte. In Art. 3 der Allgemeinen Erklärung der Men-
schenrechte ist das Recht auf Leben verbürgt. Das Recht
auf Leben ist das fundamentalste Menschenrecht, weil
das Leben des Menschen die notwendige Bedingung für
seine körperliche und psychische Integrität darstellt. Es
ist eine Vorbedingung, um alle anderen Menschenrechte
genießen zu können. Selbst die Würde einer Person ist
ohne den Eintritt in das Leben undenkbar.

Hinrichtungen sind dagegen archaische, vormoderne
und anti-aufklärerische Methoden des Strafvollzuges.
Der Staat muss sich vielmehr zum Leben bekennen. Er
ist dafür da, das Leben und die Rechte seiner Bürgerin-
nen und Bürger zu schützen. Die Freiheitsstrafe ist ein
Mittel, mit dem der Staat die Gesellschaft vor jenen zu
bewahren versucht, von denen eine Gefahr ausgeht. Die
Todesstrafe ist hingegen ein Akt der Rache. Mit Ab-
schreckung ist sie nicht zu begründen: Zahlreiche empi-
rische Studien widerlegen die Annahme, dass die Todes-
strafe als Kriminalsanktion eine präventive Wirkung
entfaltet. Kurzum: Die Todesstrafe ist irrational und ein
anti-aufklärerisches Übel.

Vor diesem Hintergrund fordern wir die Bundesregie-
rung dazu auf, an die USA zu appellieren, sich für eine

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(D achzulassen. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der raktion Die Linke auf Drucksache 17/5476. Wer timmt für diesen Antrag? – Das ist die Fraktion Die inke. Wer stimmt dagegen? – Die Koalitionsfraktionen. nthaltungen? – Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die rünen. Der Antrag ist somit abgelehnt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex – Drucksache 17/5470 – Überweisungsvorschlag: Innenausschuss Auswärtiger Ausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu iesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben.1)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1710531900
h sehe, Sie sind einverstanden. Die Liste der Namen

er Kolleginnen und Kollegen liegt hier vor.

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
urfs auf Drucksache 17/5470 an die in der Tagesord-
ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
ndere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die
berweisung so beschlossen.

Wir sind damit – Sie werden es nicht glauben, aber es
t wahr – am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
er eine oder andere hätte vermutlich hier noch gern
eitergearbeitet,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ber es gibt ja noch die Bürotätigkeit.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Freitag, den 15. April 2011, 9 Uhr,
in.

Die Sitzung ist geschlossen.