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    Plenarprotokoll 17/105 b) Erste Beratung des von den Abgeordneten René Röspel, Priska Hinz (Herborn), Patrick Meinhardt, Dr. Norbert Lammert und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur begrenzten Zulassung der Präimplantationsdia- gnostik (Präimplantationsdiagnostikge- setz – PräimpG) (Drucksache 17/5452) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Ulrike Flach, Peter Hintze, Dr. Carola Reimann, Dr. Petra Sitte, Jerzy Montag und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (Prä- implantationsdiagnostikgesetz – PräimpG) (Drucksache 17/5451) . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Molitor (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . . Julia Klöckner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Ursula Heinen-Esser (CDU/CSU) . . . . . . . . . Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) . . . . . . Rudolf Henke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . 11945 A 11945 B 11957 A 11958 A 11959 A 11960 A 11961 A 11961 D 11962 D 11963 D 11964 C 11965 B 11966 B Deutscher B Stenografisch 105. Sitz Berlin, Donnerstag, d I n h a l Wahl des Abgeordneten Reiner Deutschmann als Mitglied und des Abgeord- neten Patrick Kurth (Kyffhäuser) als stell- vertretendes Mitglied in das Kuratorium des Deutschen Historischen Museums . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Volker Kauder, Pascal Kober, Johannes Singhammer, Dr. h. c. Wolfgang Thierse, Kathrin Vogler und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Verbot der Präimplantationsdiagnostik (Drucksache 17/5450) . . . . . . . . . . . . . . . . R P B P D U P D J J P 11943 A 11943 B 11945 A Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11945 C 11946 D undestag er Bericht ung en 14. April 2011 t : ené Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . eter Hintze (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . irgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . riska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . lla Schmidt (Aachen) (SPD) . . . . . . . . . . . . atrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . ohannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . erzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11948 A 11948 D 11949 D 11950 B 11951 B 11952 B 11952 D 11953 D 11954 D 11955 B 11956 B Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11967 B II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 Dr. Helge Braun (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Gustav Herzog, Uwe Beckmeyer, Doris Barnett, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD: Für ei- nen neuen Infrastrukturkonsens – Schutz der Menschen vor Straßen- und Schienen- lärm nachdrücklich verbessern (Drucksache 17/5461) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniela Ludwig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Werner Simmling (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Pronold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . Judith Skudelny (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Patrick Schnieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gute Arbeit in Eu- ropa stärken – Den gesetzlichen Min- destlohn in Deutschland am 1. Mai 2011 einführen (Drucksachen 17/4038, 17/5499) . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Brigitte Pothmer, Beate Müller-Gemmeke, Fritz Kuhn, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes für die Einführung flächendeckender Mindestlöhne im Vorfeld der Einführung der Arbeitneh- c P A D K B U S P G D S D J D G T a b 11968 B 11969 A 11970 A 11971 A 11972 B 11973 A 11973 A 11974 D 11976 D 11978 A 11979 B 11981 A 11981 D 11983 C 11983 D 11985 A 11986 C 11987 C 11988 C 11989 D merfreizügigkeit (Mindestlohngesetz) (Drucksachen 17/4435, 17/5499) . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Anette Kramme, Gabriele Hiller-Ohm, Iris Gleicke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Gesetzlichen Mindest- lohn einführen – Armutslöhne verhin- dern (Drucksachen 17/1408, 17/5101) . . . . . . . eter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . nette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . laus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . rigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . igmar Gabriel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . ascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . abriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . r. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . igmar Gabriel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . ohannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Michael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . r. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . itta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 28: ) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dorothee Menzner, Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrach- ten Entwurfs eines … Gesetzes zur Ände- rung des Atomgesetzes – Keine Über- tragbarkeit von Reststrommengen (Drucksache 17/5472) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, Dr. Martina Bunge, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Europäische Forschungsförde- 11990 A 11990 A 11990 B 11991 C 11992 B 11993 B 11993 D 11995 B 11996 D 11997 B 11998 A 11999 D 12001 A 12002 A 12002 D 12003 D 12005 B 12005 D 12006 C 12007 A 12008 B 12009 B 12010 D 12011 B 12012 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 III rung in den Dienst der sozialen und ökologischen Erneuerung stellen (Drucksache 17/5386) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans- Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Krista Sager, Sylvia Kotting-Uhl, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stärkung des Europäischen For- schungsraums – Die Vorbereitung für das 8. Forschungsrahmenprogramm in die richtigen Bahnen lenken (Drucksache 17/5449) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Fraktion der SPD: Evaluie- rung befristeter Sicherheitsgesetze (Drucksache 17/5483) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Fraktion der SPD: Die Chance zur Stärkung des UN-Menschenrechts- rates nutzen (Drucksache 17/5482) . . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Dirk Becker, Marco Bülow, Gerd Bollmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Vorurteilsfreie Prüfung der Modelle zur Wertstofferfassung im Rahmen des Planspiels zur Fortentwicklung der Verpackungsverordnung (Drucksache 17/5484) . . . . . . . . . . . . . . . . g) Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, Nicole Gohlke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wissenschaftliche Urheberin- nen und Urheber stärken – Unabding- bares Zweitveröffentlichungsrecht ein- führen (Drucksache 17/5479) . . . . . . . . . . . . . . . . h) Antrag der Abgeordneten Dorothee Menzner, Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Sofortige Stillle- gung der sieben ältesten Atomkraft- werke und des Atomkraftwerkes Krümmel (Drucksache 17/5478) . . . . . . . . . . . . . . . . i) Antrag der Abgeordneten Dorothee Menzner, Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Überführung der Rückstellungen der AKW-Betreiber in einen öffentlich-rechtlichen Fonds (Drucksache 17/5480) . . . . . . . . . . . . . . . . j) Antrag der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Agnes Krumwiede, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: k l) Z a b c d e 12012 B 12012 C 12012 C 12012 D 12012 D 12012 D 12013 A 12013 A Öffentlichen Diskurs zum geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmal in Ber- lin ermöglichen (Drucksache 17/5469) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Undine Kurth (Quedlinburg), Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Tierschutz bei Tiertranspor- ten verbessern (Drucksache 17/5491) . . . . . . . . . . . . . . . Antrag des Präsidenten des Bundesrech- nungshofes: Rechnung des Bundesrech- nungshofes für das Haushaltsjahr 2010 – Einzelplan 20 – (Drucksache 17/5385) . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 3: ) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gedenkort für die Opfer der NS-„Eu- thanasie“-Morde (Drucksache 17/5493) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Stefan Kaufmann, Dr. Heinz Riesenhuber, Albert Rupprecht (Weiden), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Martin Neumann (Lausitz), Patrick Meinhardt, Dr. Peter Röhlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Gestaltung der zu- künftigen europäischen Forschungsför- derung der EU (2014–2020) (Drucksache 17/5492) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Kerstin Tack, Elvira Drobinski-Weiß, Dr. Wilhelm Priesmeier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Klonen von Tieren zur Lebensmittelproduktion verbieten (Drucksache 17/5485) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer, Karin Roth (Esslingen), Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Gesundheit ist ein globales öffentliches Gut – Rolle der Weltgesundheitsorganisation WHO in der „Global Health Governance“ stär- ken (Drucksache 17/5486) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Dr. Konstantin von Notz, Winfried Hermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Transparenz in Public Privat Partnerships im Verkehrswesen (Drucksache 17/5258) . . . . . . . . . . . . . . . 12013 B 12013 B 12013 B 12013 C 12013 C 12013 D 12013 D 12014 A IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 Tagesordnungspunkt 29: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (Drucksachen 17/5127, 17/5201, 17/5510) b) – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 9. April 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Common- wealth der Bahamas über die Unterstützung in Steuer- und Steu- erstrafsachen durch Informations- austausch (Drucksachen 17/5128, 17/5467) . . . . – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 27. Juli 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Fürstentum Monaco über die Unterstützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch Informationsaustausch (Drucksachen 17/5129, 17/5467) . . . . – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 27. Mai 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Kaimaninseln über die Unterstüt- zung in Steuer- und Steuerstrafsa- chen durch Informationsaustausch (Drucksachen 17/5130, 17/5467) . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland (Drucksachen 16/13325, 17/5314) . . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Erste Verordnung zur Änderung der Deponieverordnung (Drucksachen 17/5112, 17/5269 Nr. 2, 17/5462) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zur Anpassung chemikalienrechtlicher Vor- schriften an die Verordnung (EG) Nr. 1005/2009 über Stoffe, die zum Ab- bau der Ozonschicht führen, sowie zur f) B s 2 (D 1 Z a B s 2 (D 1 Z A n K v N G D D L D U H In P O P T A M g s B A N (D D 12014 A 12014 B 12014 C 12014 C 12014 D 12015 A Anpassung des Gesetzes über die Um- weltverträglichkeitsprüfung an Ände- rungen der Gefahrstoffverordnung (Drucksachen 17/5333, 17/5423 Nr. 2, 17/5497) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . –j) eschlussempfehlungen des Petitionsaus- chusses: Sammelübersichten 249, 250, 251, 52 und 253 zu Petitionen rucksachen 17/5393, 17/5394, 17/5395, 7/5396, 17/5397) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 4: )–h) eschlussempfehlungen des Petitionsaus- chusses: Sammelübersichten 254, 255, 256, 57, 258, 259, 260 und 261 zu Petitionen rucksachen 17/5501, 17/5502, 17/5503, 7/5504, 17/5505, 17/5506, 17/5507, 17/5508) usatztagesordnungspunkt 1: ktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- en der CDU/CSU und FDP: Pläne der EU- ommission zur stärkeren Besteuerung on Diesel-Kraftstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . orbert Schindler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . arrelt Duin (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . r. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . isa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Mathias Middelberg (CDU/CSU) . . . . . . we Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . einz Golombeck (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . grid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . eter Aumer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . lav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . atricia Lips (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 6: ntrag der Abgeordneten Dorothee Bär, arkus Grübel, Michaela Noll, weiterer Ab- eordneter und der Fraktion der CDU/CSU owie der Abgeordneten Miriam Gruß, Nicole racht-Bendt, Sibylle Laurischk, weiterer bgeordneter und der Fraktion der FDP: eue Perspektiven für Jungen und Männer rucksache 17/5494) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12015 B 12015 C 12015 D 12016 C 12016 D 12018 A 12019 A 12020 A 12021 A 12022 B 12023 B 12024 B 12025 B 12026 B 12027 D 12028 D 12029 D 12030 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 V Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Bernschneider (FDP) . . . . . . . . . . . . . Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Petra Crone, Angelika Graf (Rosenheim), Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Potenziale des Alters und des Alterns stärken – Die Teilhabe der älte- ren Generation durch bürgerschaftliches Engagement und Bildung fördern (Drucksache 17/2145) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Grübel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Dittrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Nicole Bracht-Bendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erwin Rüddel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Franz Müntefering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Kon- fliktbeilegung (Drucksachen 17/5335, 17/5496) . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . Jens Petermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . T A H (B F k w lu (D K R M D W D T a b S S U J In T A D g n s (D G J S 12031 A 12033 A 12034 B 12036 A 12038 B 12039 D 12041 A 12042 A 12043 C 12044 C 12044 D 12045 D 12047 A 12048 A 12049 A 12050 A 12050 D 12051 D 12053 A 12053 A 12054 A 12055 C 12057 A 12058 A 12059 A agesordnungspunkt 9: ntrag der Abgeordneten Omid Nouripour, ans-Christian Ströbele, Marieluise Beck remen), weiterer Abgeordneter und der raktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Prüf- riterien für Auslandseinsätze der Bundes- ehr entwickeln – Unterrichtung und Eva- ation verbessern rucksache 17/5099) . . . . . . . . . . . . . . . . . . atja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . oderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . ichael Groschek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . r. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . agesordnungspunkt 10: ) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vor- mundschafts- und Betreuungsrechts (Drucksachen 17/3617, 17/5512) . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Sonja Steffen, Christine Lambrecht, Dr. Peter Danckert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Änderung des Vormundschaftsrechts und weitere familienrechtliche Maß- nahmen (Drucksachen 17/2411, 17/5512) . . . . . . . tephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . onja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . te Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . örn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . grid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 11: ntrag der Abgeordneten Günter Gloser, ietmar Nietan, Klaus Brandner, weiterer Ab- eordneter und der Fraktion der SPD: Für ei- en Neubeginn der deutschen und europäi- chen Mittelmeerpolitik rucksache 17/5487) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ünter Gloser (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . oachim Hörster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . evim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 12060 C 12060 D 12061 C 12063 A 12063 D 12064 D 12065 C 12066 C 12067 D 12067 D 12068 A 12069 A 12070 B 12072 C 12073 B 12074 C 12074 C 12076 C 12077 D VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Karl Holmeier, Marlene Mortler, Thomas Silberhorn, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Joachim Spatz, Michael Link (Heilbronn), Heinz Golombeck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Strategie der Europäischen Union für den Donauraum effizient gestalten (Drucksache 17/5495) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl Holmeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Spatz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gunther Krichbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem An- trag der Abgeordneten Burkhard Lischka, Karin Roth (Esslingen), Dr. Sascha Raabe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Stärkung der humanitären Lage in Afghanistan und der partner- schaftlichen Kooperation mit Nichtre- gierungsorganisationen (Drucksachen 17/1965, 17/4628) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Ute Koczy, Dr. Frithjof Schmidt, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Für einen nach- haltigen Ausbau des Bildungs- und Hochschulsystems in Afghanistan (Drucksachen 17/3866, 17/4629) . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen den Handel mit illegal ein- geschlagenem Holz (Holzhandels-Siche- rungs-Gesetz – HolzSiG) (Drucksachen 17/5261, 17/5498) . . . . . . . . . . T A D o s S M (D T a b H J D D N T T B s – – (D 12078 D 12080 B 12081 D 12082 D 12083 A 12084 B 12085 C 12086 C 12087 B 12088 B 12089 B 12089 B 12089 C agesordnungspunkt 15: ntrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, r. Petra Sitte, Agnes Alpers, weiterer Abge- rdneter und der Fraktion DIE LINKE: Hoch- chulzulassung bundesgesetzlich regeln – ozialen Zugang und Durchlässigkeit in asterstudiengängen sichern rucksache 17/5475) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 14: ) Antrag der Abgeordneten Helmut Heiderich, Sibylle Pfeiffer, Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Dr. Christiane Ratjen-Damerau, Harald Leibrecht, Helga Daub, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Illegale Landnahme verhindern, Eigen- tumsfreiheit schützen, Ernährungs- grundlage in Entwicklungsländern si- chern (Drucksache 17/5488) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Niema Movassat, Sahra Wagenknecht, Dr. Axel Troost, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Hunger bekämp- fen – Spekulation mit Nahrungsmitteln beenden (Drucksache 17/4533) . . . . . . . . . . . . . . . . elmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . ohannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . r. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) . . . . . iema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . hilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 17: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Diana Golze, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Fachkräftepoten- zial nutzen – Gute Arbeit schaffen, bes- sere Bildung ermöglichen, vorhandene Qualifikationen anerkennen zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Priska Hinz (Herborn), Fritz Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Strategie statt Streit – Fachkräfteman- gel beseitigen rucksachen 17/4615, 17/3198, 17/5100) . . 12090 A 12090 B 12090 B 12090 C 12091 D 12092 D 12094 C 12095 D 12096 D 12097 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 VII Tagesordnungspunkt 16: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Eu- ropa und zur Änderung anderer Ge- setze Drucksachen 17/4978, 17/5509) . . . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/5513) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sebastian Blumenthal (FDP) . . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Stein- kohlefinanzierungsgesetzes (Drucksachen 17/4805, 17/5511) . . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/5514) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: a) Antrag der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Deutschland im UN-Sicherheits- rat – Nationalen Aktionsplan zur UN- Resolution 1325 jetzt erstellen (Drucksache 17/5044) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses – zu dem Antrag der Fraktion der SPD: 10 Jahre UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ – zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Jan van Aken, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ver- pflichtung zur UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ einhalten – Auf Gewalt in interna- tionalen Konflikten verzichten – zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Katja Keul, Ute Koczy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: 10 Jahre UN-Resolution 1325 T E C w z E (D T A K o z D D M A P A T T E C e r U R (D N A L A E ü ru (T M D 12098 B 12098 B 12098 C 12100 C 12101 C 12102 A 12102 C 12103 C 12103 D 12104 A – Frauen, Frieden und Sicherheit – Nationaler Aktionsplan für eine ge- zielte Umsetzung (Drucksachen 17/3176, 17/3205, 17/2484, 17/5092) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 19: rste Beratung des von den Fraktionen der DU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Ent- urfs eines Neunundzwanzigsten Gesetzes ur Änderung des Abgeordnetengesetzes – inführung eines Ordnungsgeldes rucksache 17/5471) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 22: ntrag der Abgeordneten Annette Groth, atrin Werner, Jan van Aken, weiterer Abge- rdneter und der Fraktion DIE LINKE: Nein ur Todesstrafe – Hinrichtung von Troy avis verhindern rucksache 17/5476) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . ngelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . . ascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nnette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . om Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 21: rste Beratung des von den Fraktionen der DU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs ines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- echtlicher Richtlinien der Europäischen nion und zur Anpassung nationaler echtsvorschriften an den EU-Visakodex rucksache 17/5470) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 rklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung ber den Entwurf eines Gesetzes zur Ände- ng des Steinkohlefinanzierungsgesetzes agesordnungspunkt 18) ichael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ieter Jasper (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 12104 A 12104 D 12105 A 12105 A 12106 B 12107 B 12108 A 12108 D 12109 C 12109 D 12111 A 12111 D 12112 B VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID) – Entwurf eines Gesetzes zur begrenzten Zulassung der Päimplantationsdiagnostik (Präimplantationsdiagnostikgesetz – PräimpG) – Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (Präimplanta- tionsdiagnostikgesetz – PräimpG) (Tagesordnungspunkt 3 a bis c) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Johanna Voß (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Zöller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Willi Zylajew (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht: Stär- kung der humanitären Lage in Afghanis- tan und der partnerschaftlichen Koopera- tion mit Nichtregierungsorganisationen – Beschlussempfehlung und Bericht: Für ei- nen nachhaltigen Ausbau des Bildungs- und Hochschulsystems in Afghanistan (Tagesordnungspunkt 13 a und b) Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A Z d d h g A P D D C A Z d s lä (T M T S K D N K A Z d d – – (T U G J S B 12113 B 12114 A 12115 B 12116 C 12117 B 12118 A 12118 D 12119 D 12120 C 12121 B 12121 D 12122 B 12123 B 12123 D 12124 D 12125 D 12126 D 12127 D nlage 5 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Gesetzes gegen den Han- el mit illegal eingeschlagenem Holz (Holz- andels-Sicherungs-Gesetz – HolzSiG) (Ta- esordnungspunkt 12) lois Gerig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . etra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . r. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . ornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 6 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Hochschulzulassung bundesge- etzlich regeln – Sozialen Zugang und Durch- ssigkeit in Masterstudiengängen sichern agesordnungspunkt 15) onika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . wen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . laus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . icole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . ai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 7 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung er Beschlussempfehlung und des Berichts zu en Anträgen: Fachkräftepotenzial nutzen – Gute Arbeit schaffen, bessere Bildung ermöglichen, vorhandene Qualifikationen anerkennen Strategie statt Streit – Fachkräftemangel beseitigen agesordnungspunkt 17) lrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . abriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . ohannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . abine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . rigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12128 D 12130 A 12131 A 12132 A 12133 A 12133 C 12135 B 12137 A 12137 D 12139 D 12140 B 12140 D 12142 A 12144 C 12145 D 12146 D 12147 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 IX Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Steinkohlefinanzierungsgesetzes (Tages- ordnungspunkt 18) Dieter Jasper (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Dr. Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Neunundzwanzigsten Ge- setzes zur Änderung des Abgeordnetengeset- zes – Einführung eines Ordnungsgeldes (Ta- gesordnungspunkt 19) Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) . . . . Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12148 D 12149 C 12150 D 12151 D 12152 C 12153 A 12156 D 12157 D 12158 B 12159 B 12160 C 12161 C 12162 A – Antrag: Deutschland im UN-Sicherheits- rat – Nationalen Aktionsplan zur UN-Re- solution 1325 jetzt erstellen – Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – 10 Jahre UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ – Verpflichtung zur UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ ein- halten – Auf Gewalt in internationalen Konflikten verzichten – 10 Jahre UN-Resolution – „1325 Frauen, Frieden, Sicherheit“ – Natio- naler Aktionsplan für eine gezielte Umsetzung (Tagesordnungspunkt 20 a und b) Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . . D J A Z d a p R g H R H U M12154 C 12155 D r. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . . erzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 11 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung ufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Euro- äischen Union und zur Anpassung nationaler echtsvorschriften an den EU-Visakodex (Ta- esordnungspunkt 21) elmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . üdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . artfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . lla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . emet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12162 C 12163 B 12164 A 12165 C 12167 B 12168 C 12169 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 11943 (A) ) )(B) 105. Sitz Berlin, Donnerstag, d Beginn: 9.0
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    Anlage 11 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12111 (A) ) )(B) kohlebergwerke einen Stilllegungsplan und einen kon- ferecht bei der EU-Kommission in Brüssel zu erwirken, folgte ein schlechter Kompromiss, nachdem nun die Re- visionsklausel ersatzlos gestrichen werden soll. Damit müssen die wenigen noch bestehenden deutschen Stein- DIE GRÜNEN Ostendorff, Friedrich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 Anlage 1 Liste der entschuldigte * A B k Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Arnold, Rainer SPD 14.04.2011 Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 Becker, Dirk SPD 14.04.2011 Binding (Heidelberg), Lothar SPD 14.04.2011 Bonde, Alexander BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 Brinkmann (Hildesheim), Bernhard SPD 14.04.2011 Dr. Danckert, Peter SPD 14.04.2011 Fell, Hans-Josef BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 Friedhoff, Paul K. FDP 14.04.2011 Friedrich, Peter SPD 14.04.2011 Gerster, Martin SPD 14.04.2011 Hermann, Winfried BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 Kampeter, Steffen CDU/CSU 14.04.2011 Kotting-Uhl, Sylvia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 Lange (Backnang), Christian SPD 14.04.2011 Leutert, Michael DIE LINKE 14.04.2011 Möller, Kornelia DIE LINKE 14.04.2011 Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ 14.04.2011 R D S S S D U W W W W D W W A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht n Abgeordneten für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates nlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes zur Änderung des Steinkohlefinanzierungs- gesetzes (Tagesordnungspunkt 18) Michael Groß (SPD): Nach den Versäumnissen der undesregierung, rechtzeitig für den deutschen Stein- ohlebergbau eine Regulierung im europäischen Beihil- oth (Esslingen), Karin SPD 14.04.2011 r. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 14.04.2011 chmidt (Eisleben), Silvia SPD 14.04.2011 chuster, Marina FDP 14.04.2011* üßmair, Alexander DIE LINKE 14.04.2011 r. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 lrich, Alexander DIE LINKE 14.04.2011 agner, Daniela BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 einberg, Harald DIE LINKE 14.04.2011 ellmann, Karl-Georg CDU/CSU 14.04.2011* erner, Katrin DIE LINKE 14.04.2011* r. Westerwelle, Guido FDP 14.04.2011 inkler, Josef Philip BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.04.2011 olff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 14.04.2011 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 12112 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) kreten Stilllegungszeitpunkt vorlegen, damit weiterhin Beihilfen gewährt werden können. Mit der jetzigen Lö- sung der derzeitigen Regierungspolitik müssen Stein- kohlebergwerke nicht nur rentabel und beihilfefrei arbei- ten wie andere Unternehmen, sondern sind zusätzlich verpflichtet, die Beihilfen aus den vergangenen Jahren zurückzuzahlen. Dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass ange- sichts weltweiter Rohstoffknappheit, steigenden Ener- giebedarfs und des Ausstiegs aus der Atomkraft in Deutschland die Rentabilität deutscher Steinkohleberg- werke durchaus in naher Zukunft realistisch sein kann. Die deutschen Bergbaumaschinentechnologie ist welt- marktführend und genießt hohes internationales Anse- hen. Der Technologieexport kann einen sinnvollen Bei- trag zur Wirtschaftlichkeit unserer Steinkohlebergwerke leisten. Die Sicherheitsstandards sind weltweit vorbild- lich. Die heimische Steinkohleförderung liegt zurzeit bei 23 Prozent des bundesweiten Verbrauchs. Zukünftig wird dieser Bedarf ausschließlich durch Importkohle ge- deckt werden, die über weite klimaschädliche Transport- wege nach Deutschland gelangt, Kohle, die billiger auf den Markt gelangt, da sie in vielen Förderländern unter menschenunwürdigen und unsicheren Lebens- und Ar- beitsbedingungen gefördert wird. Die heimische Stein- kohle weist Lagerstätten hochwertiger Kokskohle auf. In der Stahlerzeugung ist Kokskohle nicht zu substituieren. Etwa 18 Prozent des deutschen Stroms wird mit Stein- kohle produziert. Als Brücke in das Zeitalter der erneu- erbaren Energien sind hocheffiziente, lastflexible Kohle- kraftwerke derzeit nicht verzichtbar, bis die Maßnahmen zu Energieeffizienz greifen und der Strombedarf aus er- neuerbaren Energien vollständig abdeckt wird. Im Bergbau und in der Wertschöpfungskette des Stein- kohlebergbaus bestehen mehr als 10 000 Arbeitsplätze und kaum ersetzbare Ausbildungsplätze, hauptsächlich im Kreis Recklinghausen, die jetzt infrage gestellt sind. Die Änderung des Steinkohlefinanzierungsgesetzes wird automatisch zu massiven weiteren sozial- und arbeits- marktpolitischen Verwerfungen im Kreis Recklinghau- sen führen. Dieter Jasper (CDU/CSU): Ich erkläre hiermit, dass ich dem Gesetz zur Änderung des Steinkohlefinanzie- rungsgesetzes in der vorliegenden Form nicht zustimme. Dies möchte ich folgendermaßen begründen: Mit dem heutigen Gesetzentwurf erfüllt die christlich- liberale Koalition eine normative Voraussetzung, damit aus europäischer Sicht in Deutschland ein subventionier- ter Steinkohlenbergbau bis ins Jahr 2018 ermöglicht wird und sichergestellt werden kann. Inhaltlich bedeutet dieser Gesetzentwurf, dass die sogenannte Revisions- klausel ersatzlos gestrichen wird. Zum Hintergrund: Im Jahr 2007 wurde eine kohlepolitische Verständi- gung getroffen, in der die Bundesregierung, das Land NRW, das Saarland, die RAG und die IGBCE den sozial- verträglichen und geordneten Ausstieg aus dem subven- ti D v J ü le ru H K L la th im v m b b W a e 2 tr p te A fü u b tr s s s s ta s B d w E s n u d p S e ti d g g w ü (C (D onierten Steinkohlebergbau bis zum Jahr 2018 regelten. iese Vereinbarung beinhaltete auch die sogenannte Re- isionsklausel, die festlegte, dass dieser Beschluss im ahr 2012 noch einmal überprüft werden sollte. Völlig berraschend forderte die Europäische Kommission im tzten Jahr einen früheren Ausstieg aus der Kohleförde- ng bis zum Jahr 2014. Dies hätte für Deutschland und gerade auch für meine eimatregion dramatische wirtschaftliche und soziale onsequenzen gehabt. In Ibbenbüren im Tecklenburger and liegt eine der letzten Steinkohlenzechen in Deutsch- nd. Hier wird schon seit langer Zeit hochwertige An- razitkohle gefördert. Diese wird zu einem großen Teil direkt anliegenden hocheffizienten Kohlekraftwerk erfeuert und zum anderen Teil für den regionalen Wär- emarkt verwendet. Die wirtschaftliche und soziale Bedeutung des Berg- aus für die Stadt Ibbenbüren und die umliegenden Berg- augemeinden Mettingen, Recke, Hopsten, Hörstel und esterkappeln ist enorm. In der Bevölkerung und über lle gesellschaftlichen Gruppierungen hinweg herrscht ine hohe Akzeptanz. Im Bergbau sind derzeit direkt über 300 Menschen beschäftigt, im Bereich der Zulieferbe- iebe sind im Laufe der Zeit mehrere Tausend Arbeits- lätze entstanden. Auch im Bereich der Ausbildung leis- t die Zeche ganz hervorragende und unverzichtbare rbeit. Als der Vorschlag der EU-Kommission bekannt wurde, hrte dies natürlich zu großer Unruhe und Irritation in nserer Region. Ein Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau ereits im Jahr 2014 hätte dazu geführt, dass es zu be- iebsbedingten Kündigungen gekommen wäre und auch onst massive wirtschaftliche und soziale Probleme ent- tanden wären. In dieser Situation habe ich mich unmittelbar an un- ere Bundeskanzlerin gewandt und um Hilfe und Unter- tützung gebeten. Unter Einsatz aller Kräfte und durch tkräftige Unterstützung des Parlamentarischen Staats- ekretärs Peter Hintze konnte erreicht werden, dass der eschluss der EU revidiert wurde. Die Unterstützung er heimischen Steinkohlenförderung bis ins Jahr 2018 urde unter bestimmten Bedingungen auf europäischer bene akzeptiert. Eine dieser Bedingungen für die notwendige europäi- che Regelung war, dass die Revisionsklausel aus dem ationalen Gesetz gestrichen und der Ausstieg somit un- mkehrbar gemacht wird. Dieser Forderung wird mit em heutigen Gesetzentwurf Genüge getan. Aus euro- äischer Sicht darf es nach 2018 keinen subventionierten teinkohlenbergbau in Deutschland mehr geben, sodass s auch keiner weiteren Prüfung im Jahr 2012 bedarf. Hier handelt die christlich-liberale Regierungskoali- on konsequent und richtig, da es an vorderster Stelle arum geht, die auf europäischer Ebene gefundene Eini- ung nicht zu gefährden, die nur unter größten Mühen efunden werden konnte. Für mich persönlich stellt sich die Situation aber et- as komplexer dar: Die Revisionsklausel ist juristisch berflüssig geworden, und ihre Streichung dient dem Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12113 (A) ) )(B) Zweck der Bestandssicherung auch des Steinkohlen- bergbaus bei uns im Tecklenburger Land. Politisch ge- hört sie aber meines Erachtens auf die Tagesordnung der zukünftigen Energiepolitik, und deshalb kann ich einer Streichung nicht zustimmen. Ich möchte ein deutliches Signal setzen, dass die Zu- kunftschancen der Steinkohle nicht nur jetzt, sondern auch nach 2018 erkannt und genutzt werden müssen. Dazu müssen wir die weitere Entwicklung im Fokus ha- ben. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir die heimi- sche Steinkohle weiterhin als nationale Energiereserve benötigen und somit den Zugang zu den Lagerstätten er- halten sollten. In einem zukunftsorientierten Energiemix brauchen wir neben den regenerativen Energien auch hochmo- derne und effiziente Kohlekraftwerke, in denen dann auch die heimische Steinkohle verströmt werden kann. Gerade jetzt, wo alle möglichen Energieformen auf dem Prüfstand stehen und wir uns fragen müssen, wie eine sichere und bezahlbare Energieversorgung für unser Land zukünftig gestaltet werden kann, dürfen wir uns diese Möglichkeit eines heimischen Energieträgers nicht verbauen. Grundsätzlich ist es richtig, die jetzt gefundene euro- päische Vereinbarung endgültig zu ratifizieren. Aber wir dürfen die weitere wirtschaftliche Entwick- lung nicht aus den Augen verlieren und müssen uns be- wusst sein, dass wir in unserem rohstoffarmen Land mit der Steinkohle einen der ganz wenigen grundlastfähigen Energieträger verfügbar haben. Diesen sollten wir nicht vorschnell aufgeben. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der Prä- implantationsdiagnostik (PID) – Entwurf eines Gesetzes zur begrenzten Zu- lassung der Präimplantationsdiagnostik (Prä- implantationsdiagnostikgesetz – PräimpG) – Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (Präimplanta- tionsdiagnostikgesetz – PräimpG) (Tagesordnungspunkt 3 a bis c) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Angesichts der anspruchsvollen Debatte will ich nur kurz mit einigen Bemerkungen begründen, warum ich ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik ethisch und verfassungsrechtlich für geboten halte. In der Debatte wurden gewichtige Gesichtspunkte vorgetragen, wie zuvörderst der Wunsch der Eltern nach einem gesunden Kind oder die Gefahr eines Rutsch- bahneffektes, wenn wir die PID bei bestimmten Erb- k n E te g s e m n k te b ri v D d a k e b K h lu ih e g d R le P li s (C (D rankheiten zulassen. Gerade das Schicksal der betroffe- en Familien treibt uns alle um. Verfassungsrechtlich und ethisch muss aber meines rachtens der Schutz des menschlichen Lebens im Mit- lpunkt stehen und die Frage beurteilt werden, ob er gf. mit anderen Rechtsgütern abgewogen werden muss. Mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle ent- teht menschliches Leben und ist genetisch die Identität ines Menschen individuell festgelegt. Und jedes enschliche Leben ist zu schützen. Dies entspricht nicht ur christlicher Überzeugung, es entspricht – und darauf ommt es hier an – meines Erachtens der Logik der ers- n drei Artikel unserer Verfassung und der Logik der isherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsge- chtes hierzu. Oft wird ja die PID-Problematik mit der Abtreibung erglichen. Dies verbietet sich hier genauso wie bei der iskussion um embryonale Stammzellen. Die PID ist ie bewusste und gewollte künstliche Erzeugung von cht Embryonen zum Zwecke des Aussortierens und ein existenzieller Konflikt. In meiner Rede zur Stichtagsregelung für den Import mbryonaler Stammzellen hatte ich ausgeführt: Bei der Frage der Abtreibung steht das Leben der Mutter mit dem Leben des Kindes in einem direk- ten, unauflösbaren Konflikt. … Die Abtreibung bleibt auch nach dem Urteil des Bundesverfas- sungsgerichts zum § 218 StGB Unrecht, auch wenn sie nicht in jedem Fall strafrechtlich verfolgt wird. Das ist eine ganz klare ethische Linie. Lediglich bei den Instrumenten, also dabei, wie wir das menschli- che Leben in diesen Situationen schützen, hat das Bundesverfassungsgericht uns, dem Gesetzgeber, erlaubt, nicht in jedem Fall zum Mittel des Straf- rechts zu greifen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und die Vorgabe des Grundgesetzes sind klar. Beim Luftsicherheitsgesetz hat das Bundesverfassungs- gericht uns als Gesetzgeber noch einmal ermahnt: Leben ist nicht gegen Leben abzuwägen; nicht ein- mal Leben, das wir dem Tod geweiht glauben, darf geopfert werden, um anderes menschliches Leben zu retten. Nun geht es aber bei der PID um eine Abwägung Le- en gegen Leben Es geht eben nicht um Paare, die ihren indern das Leid durch eine von ihnen vererbte Krank- eit ersparen. PID ist keine Diagnose, die eine Behand- ng zum Ziel hat. Sie wendet nicht Leid von Eltern oder rem Kind ab, sondern wendet das Kind selbst ab. Es geht um den Wunsch eines Paares oder einer Frau, in Kind zu bekommen, das bestimmte genetische Anla- en nicht aufweist. Es geht um den Wunsch und nicht as Recht auf ein Kind. Dieser Wunsch verdient unseren espekt, und die Situation der Betroffenen hat unser al- r Mitgefühl. Dieser Wunsch darf aber nicht um jeden reis realisiert werden, nicht um den Preis, dass mensch- ches Leben zur Disposition gestellt wird und Men- chen, die Abgeordneten, die Ärzte oder Mitglieder von 12114 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) Ethikkommissionen darüber entscheiden, welches men- schliche Leben noch gelebt werden kann und welches nicht. Menschen dürfen sich nicht zum Richter über das Lebensrecht anderer aufschwingen. Wir dürfen nicht eine Debatte über lebenswertes und weniger lebenswer- tes Leben bekommen. Deshalb bin ich dafür, die PID ge- nerell nicht zuzulassen. Ich verkenne nicht, dass es im Antrag von Priska Hinz und René Röspel unter anderem um einen anderen An- satz geht. Man hat dort versucht, die PID auf nicht le- bensfähiges Leben zu beschränken. Gesetzgeberisch ist der Vorschlag meines Erachtens in dieser Hinsicht aber nicht ganz gelungen, und es erscheint mir auch nicht ge- klärt, ob diese Unterscheidung medizinisch so überhaupt möglich ist. Michael Brand (CDU/CSU): Weil wir heute eine Debatte über eine sehr zentrale Grundsatzfrage mit gro- ßem Engagement führen, muss es um Klarheit auch bei den Grundsätzen gehen. Die Argumente werden nach bestem Wissen und Gewissen vorgetragen. Dies tue ich heute in großer Klarheit und mit großem Engagement, weil wir doch alle um uns herum sehen, was sich aus einer sogenannten begrenzten Ausnahmere- gelung entwickeln kann. Wer sich heute mit Hinweis auf die derzeit noch nicht flächendeckenden Risiken in Eu- ropa optimistisch zeigt, der muss nur einen Blick in die Prospekte von Reproduktionskliniken mit der Darstel- lung von Wunschmerkmalen der gewünschten Kinder werfen. Dort erhält man einen Blick in die Zukunft, und es ist ein sehr skeptischer Blick. Es ist zweifelsfrei eine große Belastung, einen Kin- derwunsch nicht gefahrlos erfüllt zu bekommen. Es ist aber eine weit größere Belastung, ein Menschenleben abzutöten, weil es Risiken in sich birgt, und zwar solche, die entweder in dessen Lebenszyklus geheilt werden können oder teils gar nicht eintreten, während dieses Le- ben eben auch mit diesen Merkmalen ein ebenso wert- volles ist wie das eines jeden Einzelnen von uns. Wir sprechen bei der PID über jährlich 200 bis 300 Fälle bei einer Bevölkerung von über 80 Millionen. Wollen wir einen Grundpfeiler des Schutzes für menschliches Leben für Millionen von ungeborenen Kindern aufweichen, hier sozusagen als Einfallstor für die Selektion menschlichen Lebens, mit dem Risiko, dass dies schwere Folgen hinsichtlich einer weiteren Verschlechterung des Schutzes von menschlichem Le- ben bedeuten kann? Finden wir keine anderen Optionen, zum Beispiel die Erleichterung von Adoptionen, Hilfe für Menschen mit Behinderung, psychologische Hilfe und weitere Ansätze, um diesem Personenkreis zu hel- fen, eben ohne die Büchse der Pandora zu öffnen, mit al- len großen Risiken? Es wird hier immer wieder verlangt, das medizinisch Mögliche zu unternehmen. Ja, es stimmt, und das gehört zu einer modernen und menschlichen Gesellschaft: Wir wollen, wir sollten das medizinisch Mögliche ermögli- chen. Aber nie, ich wiederhole: nie dürfen wir das mora- li w s d s n R K s g k g s S k n d s w n b w M w m K s e w m b s Ä V S c s s m s u m n A s S u d S s h o (C (D sch-ethisch Unmögliche nur deshalb möglich machen, eil es inzwischen medizinisch möglich geworden ist. Dabei geht es nicht nur um den Druck auf die Frauen, ich vor einem möglicherweise behinderten Kind durch essen Selektion zu schützen – übrigens oftmals unter anften oder auch massiven Druck gesetzt aus dem eige- en Umfeld oder auch vom Partner. Das gilt auch für den echtfertigungsdruck nach der Geburt eines behinderten indes. Es geht auch um die Frage, ob wir unsere Kinderwün- che über alles stellen und dabei noch die Kinder nach ewünschten Eigenschaften auswählen. Niemand ver- ennt das Leid von Eltern. Unser Respekt, unsere Zunei- ung geht aber auch zu den Eltern, die sich ihrer Kinder o annehmen, wie diese Kinder sind, die sie im echten inne bedingungslos, das heißt ohne Anspruch auf Voll- ommenheit lieben. Wir dürfen aus behinderten Kindern ie ein solches Problem machen, dass gar die Selektion ieser Kinder in Kauf genommen wird. Es bleibt unverrückbar, dass mit einer weiteren Zulas- ung der Selektion und der damit unvermeidlich, ich iederhole: unvermeidlich verbundenen Tötung des icht zum Überleben ausgewählten menschlichen Le- ens eine Büchse der Pandora nicht mehr geschlossen ird. Wir haben als Parlamentarier, als Christen, als enschen die Möglichkeit, diese Büchse der Pandora ieder zu schließen. Wir sollten diese Kraft aufbringen. Jeder hier hat sicher Kontakt mit behinderten Mit- enschen, mehr oder weniger. Ich selbst habe diesen ontakt regelmäßig. Haben Sie sich vor diese Menschen chon mal hingestellt und ihnen gesagt, dass sie eventu- ll in einer nicht allzu fernen Zukunft zu einer kleiner erdenden Minderheit zählen werden, weil es immer ehr Menschen geben wird, deren Leben vor der Geburt eendet werden wird, weil ihre Nachteile unerwünscht ind? Es gibt die Warnungen der Ethiker, der Kirchen, von rzten, Wissenschaftlern, Verbänden wie Lebenshilfe, dK, von Betroffenen selbst, in der Tat viele warnende tellungnahmen – und es gibt die normalen, menschli- hen Reaktionen. Zu den zutiefst menschlichen Eigen- chaften und Reflexen gehört, menschliches Leben chützen zu wollen, retten zu wollen. Dieser zutiefst enschliche Reflex würde durch die Aufweichung die- er Schutzfunktion für das menschliche Leben bedroht, nd wir brauchen diesen Reflex und diesen Schutz. Ob dies, wie bei mir, auch aus christlichem Funda- ent oder von anderen Quellen her gespeist wird, das ist icht das Wichtigste. Das Wichtigste ist, dass wir die chtung vor uns Menschen nicht verlieren. Das ge- chieht nicht mit einem lauten Knall, es geschieht meist tück für Stück. Die Relativierung ist bereits unterwegs, nd wir müssen uns ihr mit Kraft entgegenstemmen, um ie Achtung vor dem menschlichen Leben und seinen chutz aktiv zu bewahren. Nicht nur wir Christen wis- en: Der Mensch wird nicht, er ist es von Anfang an. Er at uneingeschränkte Würde von Anfang bis zum Ende, hne jede Einschränkung. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12115 (A) ) )(B) Die Diagnostik soll helfen, um zu heilen, nicht um zu töten. In meiner Heimat treffe ich vielfach Menschen mit Behinderung, die mit all ihrer Verschiedenheit uns alle sehr bereichern. Wir beschließen die UN-Konvention für Inklusion, um Behinderte nicht aus unserem Alltag aus- zuschließen. Wer hier bei PID mit Kriterien eingrenzt, der grenzt auf der anderen Seite natürlich auch aus. Diese Verant- wortung kann man nicht wegdrücken auf Kommissio- nen; das ist unsere Verantwortung hier im Parlament, dies zu entscheiden und das Leben zu schützen. Wir ha- ben mit dem Embryonenschutzgesetz bewusst eine be- sonders hohe Hürde gesetzt; die dürfen wir nicht reißen. Denn es muss auch hier deutlich gesagt werden: Die Öff- nung würde nicht beim ersten Schritt stehen bleiben, es würde – wie immer bisher – ausgeweitet. Wir müssen das Ende bedenken, bevor wir den Beginn der Einfüh- rung der PID beschließen können. Ich will, dass wir mit allen Menschen zusammenle- ben. Ich will, dass auch behinderte Menschen in ihrem menschlichen Reichtum, ihrer Passion und ihrem unver- äußerlichen Recht von uns allen als Gesellschaft ange- nommen werden. Ich verkenne das Leid des Personen- kreises von 200 bis 300 Personen nicht. Aber ich kann und ich will lieber diese um Verzicht bitten, als die Se- lektion behinderter Menschen zuzulassen. Der Gesetzgeber würde mit der Zulassung der PID den fatalen Weg nach unten, zu immer weniger Schutz des menschlichen Lebens weiter fortsetzen. Der frühere Bundespräsident Johannes Rau hat 2001 zu Recht ge- sagt: „Wer anfängt, zwischen lebenswert und lebensun- wert zu unterscheiden, ist in Wirklichkeit auf einer Bahn ohne Halt.“ Gerade in den großen Grundfragen müssen wir es uns zu Recht sehr schwer machen. Das habe ich getan. Und eine schwere, eine schwerwiegende Entscheidung ge- troffen habe ich auch: Die Würde des Menschen ist un- antastbar, auch von großem Leid anderer unantastbar. Schützen wir die Würde von uns Menschen, lassen wir hier keine Ausnahmen zu! In voller Kenntnis und Anerkenntnis des Dilemmas schützen wir die elementa- ren Rechte von uns Menschen. Und wir sollten uns auch hier nicht zum Richter über Leben und Tod aufschwin- gen. Denn wir sollten nicht und dürfen nicht Gott spie- len. Norbert Geis (CDU/CSU): Das menschliche Leben beginnt mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzel- len, unabhängig davon, ob sich die Verschmelzung in der natürlichen Begegnung von Mann und Frau ereignet oder ob sie im Reagenzglas künstlich herbeigeführt wird. Die Technizität des Vorganges ändert nichts am Er- gebnis: Beide Male beginnt das Leben des Menschen mit der Vereinigung von Ei- und Samenzellen. Es gibt den Einwand, der Embryo im Reagenzglas be- ginne sein menschliches Leben erst dann, wenn die Im- plantation und die Einnistung erfolgt sei. Diese Behaup- tung, die Einnistung sei neben der Vereinigung von Ei- und Samenzellen gleichrangig kausal für den Beginn des L L n d „ ti G d D d d u d d d d g V d v ri m d W o w h u a b G M A U d p z A n b g w lu E n w ti g re s a P (C (D ebens, ist nicht zu halten. Das wird an der Situation der eihmutter deutlich. Sie gilt nach unserer Rechtsord- ung nicht als Mutter des Kindes. Mutter bleibt die Frau, ie das Ei „spendet“. Ebenso bleibt Vater, der den Samen spendet“. Allein von diesen beiden kommt die gene- sche Bestimmung des neuen menschlichen Lebens. Die ene sind es, die den einzelnen Mensch von jedem an- eren unterscheiden und ihn sein Leben lang bestimmen. ass viele weitere Schritte dazukommen müssen, damit er Mensch heranwachsen kann, steht außer Frage. Für en Embryo sind diese ersten Schritte die Implantation nd die Einnistung. Diese sind aber nicht der Ursprung es Lebens. Wir alle haben als Embryo begonnen. Wären wir in iesem Stadium getötet worden, wären wir heute nicht a. Uns gäbe es nicht. Das hat zur Folge, dass dieses menschliche Leben, as in einer besonderen Weise schutzbedürftig ist, auch eschützt werden muss. In der Tat steht der Mensch von Anfang an, ab der ereinigung von Ei- und Samenzelle, unter dem Schutz er Verfassung. Im ersten Urteil zum Abtreibungsrecht om 25. Februar 1975 stellt das Bundesverfassungsge- cht klar, dass der Schutz der Verfassung dort gilt, „wo enschliches Leben existiert“. Von Anfang an, so stellt as Verfassungsgericht fest, kommt dem Menschen ürde zu. Dies, weil er Mensch ist, unabhängig davon, b er sich dieser Würde bewusst ist und sie selbst auch ahren kann. Die Wahrung der Würde des Menschen eißt, dass der Mensch im innersten Kern seines Wesens nantastbar und unverfügbar ist. Der Mensch kann nicht ls Sache behandelt werden. Weil der Embryo Mensch ist, hat er das Recht auf Le- en und körperliche Unversehrtheit. Nach Art. 2 Abs. 2 rundgesetz hat jeder Mensch, auch der ungeborene ensch und der Embryo im Reagenzglas dieses Recht. uch dies hat das Bundesverfassungsgericht in seinem rteil vom 25. Februar 1975 klargestellt, dass nämlich er Staat unabhängig vom Status des Menschen ver- flichtet ist, dieses Leben zu schützen, vom Anfang bis um Ende. Auch der Schutz vor Diskriminierung gemäß Art. 3 bs. 3 Grundgesetz gilt nicht nur für jeden Erwachse- en, sondern auch für den Embryo. Die Tötung des Em- ryos verstößt also auch unter diesem Gesichtspunkt ge- en die Verfassung. Weil der Staat verpflichtet ist, die Grundrechte zu ahren, hat er mit dem Embryonenschutzgesetz Rege- ngen getroffen, die das Leben und die Integrität des mbryos schützen sollen. Die PID verstößt gegen die Regelungen des Embryo- enschutzgesetzes. Mit der PID wird danach geforscht, elche der im Reagenzglas befruchteten Eizellen gene- sch belastet sind. Es geht dabei allein darum, die mit enetischen Fehlern behafteten Embryonen auszusortie- n und sie nicht in den Uterus der Frau zu übertragen, ondern sie zu vernichten oder sonst wie dem Untergang nheimzugeben. Zu keinem anderen Zweck wird die ID eingesetzt. Sie ist, wenn sie Erbkrankheiten fest- 12116 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) stellt, das Todesurteil für den Embryo. Deshalb galt die PID in Deutschland gemäß dem Embryonenschutzgesetz als verboten. Der Bundesgerichtshof hat jedoch mit seinem Urteil vom 6. Juli 2010 entschieden, dass die PID nicht gegen das Embryonenschutzgesetz verstößt. Die PID sei viel- mehr darauf gerichtet, eine Schwangerschaft herbeizu- führen. Dies ist jedoch eine völlige Verkennung der Ab- sicht, mit der die PID durchgeführt wird. Sie hat keinen anderen Sinn und Zweck, als die „schlechten Embryo- nen“ von den „guten“ zu trennen und sie dann zu ver- nichten. Es ist völlig unerklärlich, wie die Richter zu ei- ner solchen Verkennung der Logik der PID kommen können. Ein falsches Urteil! Ebenso ist der Hinweis des Gerichtes, dass es, weil es nach dem Embryonenschutzgesetz auch erlaubt sei, Sa- menzellen auszusondern, wenn Erbkrankheiten festge- stellt wurden, deshalb auch erlaubt sein müsse, Embryo- nen mit Erbfehlern auszusondern, nicht nachvollziehbar. Die Samenzelle ist kein Embryo. Zu dieser Unterschei- dung müsste der BGH eigentlich fähig sein. Das Urteil des BGH zwingt aber dazu, gesetzlich klarzustellen, dass die PID in Deutschland verboten ist. Dabei kann aus Achtung vor dem Leben des Embryos im Reagenzglas nur ein striktes Verbot der PID infrage kommen. Durch die PID wird das Tor zu einer Qualitäts- kontrolle eröffnet. Am Ende geht es dann nicht mehr nur um die Aussonderung von erbkranken Embryonen, son- dern der Weg führt dann hin zur Geschlechtskontrolle oder zur Frage, welches Baby mit welchem Design es denn sein darf. Sicherlich will keiner der vorgelegten Gesetzentwürfe eine solch abartige Entwicklung gestatten. Man sollte je- doch den Anfängen wehren. Das gilt auch für den Gesetzentwurf, der für eine eng begrenzte Zulassung der PID plädiert, wie von dem Gut- achten der Leopoldina vom 18. Januar 2011 vorgeschla- gen wird. Wer die Tötung zulässt, auch nur im begrenz- ten Umfang, öffnet das Tor, wie dies die Erfahrung aus der Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch lehrt. Dann ist kein Halten mehr. Was heißt schon „eng be- grenzte“ Zulassung der PID! Wo ist die Zulassung be- grenzt, und wo geht sie zu weit? Aber selbst wenn die Fälle der möglichen Zulassung gesetzlich genau festge- schrieben werden könnten, bliebe doch die Tatsache, dass ein unschuldiges menschliches Leben getötet wird. Niemandem aber darf das Leben genommen werden, nur weil er behindert ist. Das Argument wird immer wieder bemüht, zwischen dem Verbot der PID und dem Abtreibungsstrafrecht be- stehe ein „Wertungswiderspruch“. Der Embryo im Re- agenzglas werde besser geschützt als das Kind im Mut- terleib. Diese Argumentation ist falsch. Nach dem Abtreibungsrecht existiert, wie bei dem Verbot der PID auch, keine Erlaubnis, ein Kind, nur weil es behindert ist, abzutreiben. Außerdem ist es sehr fraglich, ob die sehr problematische Abtreibungsregelung als Maßstab herangezogen werden darf. b g R T d in T W s s re Ü im H g s n b d d li g d W w E ru tr d z s z m b p w K v g d v s th h u (C (D Die Tötung eines unschuldigen Kindes durch Abtrei- ung kann nicht in irgendeiner Weise als ein „Wert“ an- esehen werden, zu dem der Schutz des Embryos im eagenzglas im Wertungswiderspruch stehen kann. Die ötung eines unschuldigen Menschen und der Schutz es Lebens sind unüberbrückbare Gegensätze, die sich ihrem „Wert“ nicht widersprechen können, weil die ötung eines Unschuldigen unter keinem Aspekt ein ert ist. Dies wäre sonst ein Widerspruch zu unserer ge- amten Rechtsordnung. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Paare wün- chen sich eigene gesunde Kinder. Wir sollten respektie- n, dass dies auch für Paare gilt, bei denen ein Partner berträger einer schweren Erbkrankheit ist. Die Prä- plantationsdiagnostik (PID) kann für diese Paare eine ilfe darstellen, gesunde Kindern zu bekommen. Sie ist leichwohl keine Garantie dafür, denn niemand kann ge- unde Kinder garantieren. Der Bundesgerichtshof hat im Sommer des vergange- en Jahres entschieden, dass in Deutschland nach dem is jetzt noch geltenden Recht die Präimplantations- iagnostik zulässig ist. Gleichzeitig hat der Gerichtshof en Bundestag aufgefordert, eine eigenständige recht- che Regelung zu verabschieden. Das Gericht hatte auf- rund der Selbstanzeige eines Berliner Arztes entschie- en. Dieser hatte in 2005 bei drei Paaren, die mit dem unsch nach einem gesunden Kind zu ihm gekommen aren, eine Präimplantationsdiagnostik durchgeführt. inem Paar konnte er helfen. Die Selbstanzeige des Berliner Arztes war ein Hilfe- f im Namen von Paaren, bei denen ein Partner Über- äger einer schweren Erbkrankheit ist. Ich bin froh, dass er Deutsche Bundestag jetzt auf dem Weg ist, über den ukünftigen Umgang mit der PID zu entscheiden. Ich etze mich dafür ein, dass klare rechtliche Regelungen ur Zulassung der PID in begründeten Einzelfällen for- uliert werden. Die seit der Verabschiedung des Em- ryonenschutzgesetzes erfolgten Entwicklungen der Re- roduktionsmedizin müssen im Gesetz berücksichtigt erden. Im Jahr 2009 wurden in Deutschland etwa 650 000 inder geboren und 110 000 Schwangerschaftsabbrüche orgenommen, darunter einige Hundert Spätabtreibun- en als Folge der Ergebnisse der genetischen Pränatal- iagnostik. Schon 1999 hat die Bioethik-Kommission on Rheinland-Pfalz ausgeführt: Es wäre ein Wertungswiderspruch, den Paaren, bei denen das Risiko der Übertragung eines Gendefekts festgestellt wurde, die PID aus Rechtsgründen zu verwehren und dann diesen Paaren gleichwohl die Durchführung der Pränataldiagnostik zu erlauben, die im Fall einer festgestellten Indikationslage zum Schwangerschaftsabbruch führen kann. Eine humangenetische Beratung von Paaren hat es chon gegeben, als noch niemand an Untersuchungsme- oden, die auf der Analyse des Genoms beruhen, über- aupt gedacht hat. Mit der Methode der Stammbaum- ntersuchung ist schon vor mehreren Jahrzehnten Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12117 (A) ) )(B) festgestellt worden, dass bestimmte Krankheiten vererbt werden und welcher Erbgang ihnen zugrunde liegt. Menschen aus Familien, in denen eine solche Disposi- tion gegeben ist, wissen in aller Regel darüber Bescheid. Deshalb meine ich, dass es keinen grundsätzlichen Un- terschied gibt zwischen der Entscheidung eines Paares, nach einer Pränataldiagnostik aufgrund einer festgestell- ten Erbkrankheit einen Schwangerschaftsabbruch durch- zuführen, und seiner Entscheidung, zur Vermeidung ei- nes erbkranken Kindes eine PID durchzuführen. Die befruchtete Eizelle, die Zygote, kann sich nur dann zu einem Menschen entwickeln, wenn sie sich er- folgreich in der Gebärmutter einnistet. Menschliches Le- ben entsteht nur in enger Beziehung mit seiner Mutter. Die Zygote allein ist nicht lebensfähig, sie ist nicht auto- nom. Nur etwa 30 Prozent der menschlichen Zygoten überleben unter natürlichen Bedingungen, die übrigen sterben ab. Eine Zygote, die sich noch nicht in der Ge- bärmutter eingenistet hat, ganz unabhängig davon, ob sie unter natürlichen Bedingungen oder in der Petrischale entstanden ist, kann daher nicht mit der Würde des Grundgesetzes ausgestattet sein. In Großbritannien, Frankreich, Belgien und Polen ist die PID erlaubt. Dortige Erfahrungen zeigen, dass die Furcht vor dem Designerbaby unbegründet ist. Ich kann nicht erkennen, warum dies in Deutschland anders sein sollte. Menschen mit Behinderung sind in unserer Gesell- schaft willkommen und sollen auch in Zukunft willkom- men sein. Daran hat die Nutzung der Pränataldiagnostik nichts geändert und wird auch der Einsatz der Prä- implantationsdiagnostik nichts ändern. Ich sehe keinen Grund, warum wir die PID verbieten sollten. Ich meine, wir sollten die PID auch in Deutsch- land unter bestimmten Bedingungen zulassen. Ange- sichts der emotionalen Not von Paaren mit einer erb- lichen Belastung, die sich eigene Kinder wünschen, sollten wir für die Anwendung der PID einen rechtlichen Rahmen schaffen. Die Eingrenzung der Zulassung der PID ist schwierig, aber diese Schwierigkeit kann keine Begründung für ein vollständiges Verbot sein. Ich bin vielmehr dafür, mit dieser inzwischen entwickelten me- dizinischen Möglichkeit Paaren einen Weg zu öffnen, auf dem sie gesunde Kinder bekommen können, auch wenn sie Überträger schwerer Erbkrankheiten sind. Ich meine, wir können Vertrauen in den verantwortungsvol- len Umgang von Eltern und Ärzten mit der PID haben. Deshalb gehöre ich zu den Mitunterzeichnern des Ge- setzentwurfs zur Regelung der Präimplantationsdiagnos- tik (Präimplantationsdiagnostikgesetz – PräimpG). Maria Michalk (CDU/CSU): Die Präimplantations- diagnostik ist ein Verfahren zur technischen Optimie- rung der künstlichen Befruchtung. Medizinisch gesehen würde die PID nach meinem Verständnis zu einem In- strument der Qualitätskontrolle für Embryonen werden und zur Selektion führen – gewollt oder ungewollt. Gesunde Kinder zu haben, ist ein uralter Mensch- heitswunsch. Deshalb hat sich medizinischer Fortschritt v g w s ü M d g G a w ih F b k d d s L d k g D te u is n te M z in m e is S s E M m F k ih u w n g k B b m G fr s (C (D on jeher auch mit Fragen der Optimierung von Schwan- erschaft und Geburt befasst. Diesem Streben verdanken ir grundsätzlich auch heute noch unseren gewohnten ehr hohen Standard in all diesen Fragen. Doch der Mensch will immer mehr. Ich bin fest davon berzeugt, dass die Entscheidung für oder gegen PID ein eilenstein für das Leben von uns Menschen hier auf ieser Erde sein wird. Das Ringen um die bestmögliche Lösung wird strittig eführt. Das ist gut so. Es geht letztlich darum, ob eine esellschaft, in der der Staat darüber entscheidet oder ndere, letztlich Fachleute, darüber entscheiden lässt, elches Leben gelebt werden darf und welches nicht, re Menschlichkeit verliert. Deshalb steht auch die rage dahinter, ob medizinischem Optimierungsbestre- en Grenzen gesetzt werden müssen oder nicht. 4 bis 5 Prozent aller Kinder, die geboren werden, ommen mit einer chronischen Erkrankung oder Behin- erung zur Welt. Deren Existenzberechtigung verhan- eln wir hier. Diese Kinder würden bei einer einge- chränkten Zulassung der PID keine Chance haben, das icht der Welt zu erblicken. Ich kann mir gut vorstellen, ass Menschen, die mit einer Behinderung zur Welt ge- ommen sind und vielleicht heute unsere Debatte verfol- en, unsere Argumente nicht nachvollziehen können. enn sie müssen sich die Frage stellen, ob sie selbst un- r diesen Umständen überhaupt auf dieser Welt wären nd nicht vorher aussortiert worden wären. Diese Frage t nicht nur schmerzhaft, sondern schlichtweg diskrimi- ierend. Ich bin für die Positionierung des Deutschen Behinder- nrates dankbar, denn wir wissen, dass auch unter den enschen mit Behinderung eine sehr ernste und differen- ierte Diskussion geführt wird. Es darf keine Einteilung lebenswertes und lebensunwertes Leben geben. Leben it Behinderungen oder chronischen Erkrankungen ist ine selbstverständliche Lebenswirklichkeit. Behinderung t kein persönliches Problem. Deshalb darf es keine chuldzuschreibungen und Diskriminierungen von Men- chen mit Behinderung geben, auch nicht gegenüber den ltern. Die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von enschen mit Behinderung in unserer Gemeinschaft uss Selbstverständlichkeit werden und geht uns alle an. amilien mit behinderten Kindern, behinderte, chronisch ranke und alte Menschen müssen selbstverständlich re selbstbestimmte Lebensführung haben und dabei nterstützt werden. Ihr Leben muss deutlich einfacher erden. Notwendige Hilfen müssen individuell, passge- au und vor allem ohne bürokratischen Aufwand erfol- en. Auf diese Themen müssen wir uns noch viel mehr onzentrieren. Eine offene, tolerante Gesellschaft, die Menschen mit ehinderung von Anfang an in alle Lebensbereiche ein- ezieht – und das ist in Deutschland durchaus Realität –, uss am Ende dieser Debatte die Frage, ob und wie die eburt von Kindern mit einer möglichen Behinderung ühzeitig verhindert wird, nach meiner festen Auffas- ung mit einem eindeutigen Nein beantworten. 12118 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) Für mich persönlich steht das Nein zur PID fest. Ich lasse mich davon leiten, dass Leben mit der Verschmel- zung von Ei- und Samenzelle beginnt. Deshalb sind Ex- perimente ab diesem Stadium nach meiner christlichen Überzeugung unzulässig. Trotzdem bleibt für die Wis- senschaft und Medizin ein großes Feld für mögliche Er- kenntnisse zum Wohl des Menschen. Wolfgang Nešković (DIE LINKE): Der Mann ist schwerstkrank. Die Krankheit ALS zerfrisst sein Ner- vensystem. Die Gliedmaßen sind wie nutzlose Gewichte. Ein Luftröhrenschnitt nahm ihm die Stimme. Mimik und Gestik sind erlahmt. Professor Stephen Hawking ist der bekannteste Astrophysiker der Welt. Sein gefesselter Leib ist ein schwerer Pflegefall. Aber sein Geist kann mühelos fliegen. Viele Millionen Menschen verehren ihn weltweit. Mediziner vermuten hinter ALS eine Erbkrankheit. Sie nehmen an, dass mehrere defekte Genabschnitte für das Leiden verantwortlich zeichnen. Hawking wurde im Jahre 1942 geboren. Zu jener Zeit war die Weitergabe von Erbinformationen noch nicht ausreichend begriffen. Niemand konnte wissen, dass Hawking einmal ALS be- kommen würde. Keiner wollte das verhindern. Zum Glück. Was wüssten wir heute über das Weltall, wenn man Hawkings Erbanlagen aus einer Petrischale in den Müll geworfen hätte? Genau das geschieht bei der Präimplantationsdiag- nostik (PID), über deren Zulässigkeit derzeit der Deut- sche Bundestag berät. Fraktionsübergreifend hat dies derzeit zu zwei Gruppenanträgen geführt. Der eine wirbt für eine beschränkte Zulassung. Der zweite, den auch der Verfasser unterstützt, strebt ein Verbot der PID an. Viele Paare sehnen die Legalisierung des PID-Verfah- rens herbei. Manche von ihnen haben bereits ein krankes oder behindertes Kind. Die PID kann ihnen den Wunsch nach gesundem Nachwuchs erfüllen. Bei dem Verfahren werden mehrere Eizellen der Mutter künstlich mit den Spermien des Vaters befruchtet und dann nach drei Ta- gen untersucht. Nur die gesunden „Wunscheizellen“ werden dann der Mutter zur Austragung verpflanzt. Al- les andere landet im Abfall. Befürworter des Verfahrens finden dafür Argumente: Der Embryo sei in seiner Ur- form nicht mehr als ein Zellhäuflein. Doch das war Pro- fessor Hawking im Jahre 1941 auch. Jeder Mensch ist schon am Anfang ein unersetzbares Unikat. Könnte er sich schon wehren, würde er sich Urteile über seinen Wert und Unwert gefälligst verbitten. Ein weiteres Argument lautet: Die PID sei gegenüber einer späteren Abtreibung der wesentlich schonerende Weg. Die Mutter erhalte eine ziemliche Gewissheit auf ein gesundes Kind und müsse später nicht ein krankes abtreiben. Das Argument ist kraftvoll, aber unlogisch. Dass Abtreibungen rechtlich möglich sein müssen, liegt an der notwendigen Abwägung zwischen dem seelischen Leid der schwangeren Mutter und der staatlichen Schutzpflicht gegenüber dem Embryo. Doch bei einer Vorfelduntersuchung liegt noch gar keine Schwanger- schaft vor, die eine Frau belasten könnte. In der Petri- schale herrscht damit allein das ethische Gebot, das wer- d A w e la S fe re w „ h F li „ k m D ri s „ d w d h w v W m u c h d n z b n M m ti ih K T k b B s s e g s n s (C (D ende Leben zu schützen. Wer die PID mit den btreibungsregeln des Strafgesetzbuches rechtfertigen ill, begründet ein vermeidbares ethisches Desaster mit iner ganz anderen, unvermeidbaren ethischen Konflikt- ge. Ethik funktioniert anders. Sie strebt nach einer tärkung des ethischen Verhaltens, nicht nach der Recht- rtigung von mehr „Unethik“. Befürworter der PID argumentieren schließlich, die chtlichen Grenzen des Verfahrens seien in ihrem Ent- urf klar abgesteckt. Die PID sei nur zulässig bei einer hohen Wahrscheinlichkeit“ einer „schweren Erbkrank- eit“ oder im Falle der Verhinderung einer Tot- oder ehlgeburt. Doch offene Rechtsbegriffe sind die natür- chen Feinde klarer ethischer Grenzen. Was ist eine schwere“ Erbkrankheit? Wann ist eine Wahrscheinlich- eit „hoch“? Rechtsbegriffe, die man nur begreift, wenn an über ihren Inhalt streitet, führen nicht selten zu ammbrüchen. Ist die PID einmal legal, wird sich „ge- nge Wahrscheinlichkeit“ zu „ausreichender Wahr- cheinlichkeit“ aufschwingen. Was heute keine schwere“ Erbkrankheit ist, wird morgen noch eine wer- en. Aus dem „Wunschkind“ wird schrittweise das „er- ünschte Kind“. Mit der Pipette gestaltet der Mensch ie Evolution. Alle Eltern wünschen sich starke, kluge, gutausse- ende und intelligente Kinder. Wir alle meinen zu wissen, as wir damit meinen. Dabei sind unsere Vorstellungen on „unseren“ Kindern kulturell geprägt. Kultur ist dem andel unterworfen. Viele Jahrhunderte dominierte die anuelle Arbeit. Folglich wünschten sich Eltern starken nd männlichen Nachwuchs. Heute schätzen wir weibli- hen und männlichen Nachwuchs gleichermaßen mit ho- er Intelligenz und Einfühlungsvermögen. Ein Jahrhun- ert zuvor wäre Hawking vermutlich verhungert. Heute utzt er modernste Technik, um der Welt von seinen Ideen u berichten. Dazu kommt: Unser Wissen von den Erbanlagen ist estenfalls lückenhaft. Gene tragen in ihren Kombinatio- en immer viele verschiedene Informationen. Jeder angel kann eine Stärke zur Kehrseite haben. Mitunter endeln sich diese Stärken erst in vielen Folgegenera- onen heraus – es sei denn, wir bewirken, dass schon re ersten Träger nie das Licht der Welt erblicken. Der Maler und Dichter Khalil Gibran schrieb: „Deine inder sind nicht Deine Kinder. Sie sind die Söhne und öchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selbst. Sie ommen durch Dich, aber nicht von Dir, und obwohl sie ei Dir sind, gehören sie Dir nicht. (…) Du bist [nur] der ogen, von dem Deine Kinder als lebende Pfeile ausge- chickt werden.“ Jeder Embryo, der eine PID-Untersuchung nicht über- teht, ist wie ein zerbrochener Pfeil. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): In der heutigen rsten Lesung wird das Gesetz zur Präimplantationsdia- nostik beraten. Nachdem der BGH am 6. Juli 2010 ent- chieden hat, dass die gesetzliche Regelung im Embryo- enschutzgesetz nicht hinreichend konkret ist, um eine trafrechtliche Verurteilung herbeizuführen – über ein Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12119 (A) ) )(B) generelles Verbot der Präimplantationsdiagnostik konnte der BGH gar nicht entscheiden –, hat der Gesetzgeber nun die Verpflichtung, eine hinreichend konkrete Rege- lung zu schaffen. Bis zu dem Urteil des BGH war die herrschende Meinung der Rechtswissenschaft, aber auch der Medizin und der Politik davon ausgegangen, dass die Präimplantationsdiagnostik in Deutschland verboten ist. Wenn dies nun nicht mehr klar ist, kann nach meiner Meinung eine Klärung dieser Situation nur durch ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik im Embryonen- schutzgesetz erfolgen, denn die Präimplantationsdia- gnostik ist mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar. Das Recht auf Leben beginnt schon vor der Geburt, nämlich mit der Vereinigung von Ei- und Samenzelle. Ein Embryo ist selbstverständlich als Mensch anzuse- hen, ob im Mutterleib oder vor der Einschwemmung. Wer dies bezweifelt, zettelt eine Diskussion an, die ethisch und moralisch nach meiner Meinung unhaltbar ist, da sie in Bezug auf den Wert von Menschenleben differenziert. Für mich darf es keine Abstufung zwi- schen dem Wert menschlichen Lebens geben. Art. 1 Abs. 1 GG verbietet, einen Menschen wie eine Sache zu behandeln. Der Artikel gilt auch für ungebore- nes Leben. Damit gilt die Menschenwürdegarantie ebenso für Embryonen. Durch die Bevorzugung von Embryonen mit passenderen Eigenschaften werden diese als bloßes Objekt behandelt, was mit der Menschenwür- degarantie nicht vereinbar ist. Erst recht werden die Em- bryonen zur Sache gemacht, die nicht genutzt wird, son- dern – wie es dann heißt – verworfen wird. Gemeint ist, sie wird vernichtet. Weiterhin wird nicht nur gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verstoßen, sondern auch gegen Art. 3 Abs. 3 GG, der das Diskriminierungsverbot von Behinderten festlegt: Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Dabei dient die Präimplantationsdiagnostik dem Zweck, Embryos, bei denen eine Krankheit oder Behin- derung festgestellt wurde, zu verwerfen und ihnen das Recht auf Leben zu verwehren. Lebenswertes und ver- meintlich lebensunwertes Leben werden bewusst un- gleich behandelt. Diese offenkundige Ungleichbehand- lung von gesunden und behinderten Menschen sowie die Diskriminierung von Behinderten ist nicht mit unserem Grundgesetz vereinbar. Somit bleibt für die Beantwortung der Frage, ob Prä- implantationsdiagnostik verboten werden soll oder nicht, aus verfassungsrechtlicher Sicht kein Spielraum. Denn letztlich treffen die Eltern und die verantwortlichen Me- diziner eine unumkehrbare Entscheidung über das Leben oder den Tod eines Kindes. Wenn wir der Präimplanta- tionsdiagnostik die Tür auch nur einen Spalt öffnen, se- lektieren wir Leben nach seiner Qualität und werden ein Ausdehnen der Selektion auch in zukünftigen Diskussio- nen nicht mehr verhindern können. Wenn die Präimplantationsdiagnostik zugelassen wird, bedeutet dies ein Legalisieren der Unterscheidung menschlichen Lebens aufgrund einer Behinderung. Ein Schwangerschaftsabbruch allein aufgrund einer Behin- derung ist nach der Reform des § 218 a StGB im Jahre 1 z g S V E s p e u W s K b c w m n n g g d g s d u b ti in g im d fi z b s b w E s z e S g te ti w k ti g h (C (D 995 verboten worden, um eine solche Diskriminierung u verhindern. Der Gesetzgeber hat auch im Stammzell- esetz festgelegt, dass es untersagt ist, embryonale tammzellen einzuführen und zu verwenden, wenn der erdacht einer genetischen Auswahl besteht und diese mbryonen verworfen werden. Die Spirale, die „Pille danach“ und Schwanger- chaftsabbrüche generell werden häufig mit der Präim- lantationsdiagnostik verglichen. Dabei gibt es einen indeutigen Unterschied: Die Spirale, die „Pille danach“ nd der Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf ochen selektieren nicht. Sie beenden eine Schwanger- chaft nicht aufgrund der möglichen Behinderung des indes. Eine Gleichsetzung dieser unterschiedlichen Le- enssachverhalte ist einfach falsch, genauso wie ein sol- hes „Erst-recht-Argument“ insgesamt falsch ist. Es ürde schließlich bedeuten, wenn schon Abtreibungen öglich sein sollen, dann ist es auch egal, dass Embryo- en erzeugt werden, um einen erheblichen Teil von ih- en zu töten. Statistische Erhebungen haben nämlich ezeigt, dass bei Anwendung der Präimplantationsdia- nostik 33,7 Embryonen selektiert und verworfen wer- en und nur ein Embryo tatsächlich geboren wird. Genauso bei Spätabbrüchen. Diese dürfen nicht auf- rund der Behinderung des Kindes durchgeführt werden, ondern werden nur noch in akuten Notsituationen urchgeführt. Besteht zum Beispiel akute körperliche nd seelische Gefahr für die Mutter, so ist ein Spätab- ruch der Schwangerschaft erlaubt. Diese Konfliktsitua- on – Mutter oder Kind – ist im Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG den Vordergrund gerückt. Das ist keineswegs ver- leichbar mit der Unterscheidung, wie sie bei der Prä- plantationsdiagnostik durchgeführt wird. Wenn wir die Präimplantationsdiagnostik verbieten, ann werden die Forscher und Mediziner andere Wege nden, um Familien die Geburt eines gesunden Kindes u ermöglichen, etwa über die Polkörperchendiagnostik, ei der nicht Embryos, sondern Eizellen untersucht und elektiert werden. Das ist ein Unterschied, denn dann würde kein Em- ryo – und damit ein Mensch im frühen Stadium – ver- orfen, also zerstört. Ich sehe hier eine vergleichbare ntwicklung wie bei der embryonalen Stammzellfor- chung, die nun auch keiner in der Wissenschaft mehr wingend fordert. Ich werbe aus all diesen Gründen nachdrücklich für in Verbot der Präimplantationsdiagnostik. Unterstützen ie daher bitte mit mir den entsprechenden Antrag. Jens Spahn (CDU/CSU): Ich weiß, dass es – wie erade deutlich geworden ist – in diesem Hause ganz un- rschiedliche Auffassungen zum Thema Präimplanta- onsdiagnostik gibt. Daher bin ich dankbar dafür, dass ir uns dafür mit der nötigen Zeit darüber austauschen önnen und diese Debatte auch mit der nötigen Ernsthaf- gkeit führen. Wer mit Paaren, mit Frauen und Männern, die eine enetische Veranlagung zu schwersten Erkrankungen aben, über ihren Kinderwunsch, ihr Schicksal, ihre Ver- 12120 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) zweiflung gesprochen hat, der kann und der darf sich eine solche Entscheidung heute nicht leicht machen. Er wird, er muss fast mit dieser Entscheidung hadern. Er weiß aber auch, dass er um diese Entscheidung nicht he- rumkommt, dass er diese Entscheidung treffen muss. Aus meiner Sicht muss der über allem stehende Grundsatz dabei sein, dass im Zweifel für das Leben ent- schieden wird und bei Unsicherheit größtmögliche Si- cherheit für das Leben gesucht wird. Hier gibt es viele Zweifel. Einige sind schon ange- sprochen worden, Ich habe zum einen Zweifel, dass es bei dem einmal definierten Ausnahmekatalog bleibt. Es ist ja schon gefragt worden: Wer soll ihn definieren? Der Bundestag? Oder soll dieser die Entscheidung auslagern und an andere delegieren? Sich für bestimmte Kriterien zu entscheiden, heißt, andere auszuschließen. Ich unter- stelle niemandem – ich glaube, darum geht es auch nicht –, dass es ihm um Designbabys, um die Frage der Augenfarbe oder ähnliche Dinge geht. Ich habe aber schon die Sorge, dass eine positive Entscheidung zwar nicht zu einem Dammbruch, aber doch zu einem lang- sam anschwellenden Fluss führt, sodass wir, wenn wir heute einmal das Tor geöffnet haben, die Dinge am Ende nicht mehr werden aufhalten können. Ich habe zum Zweiten Zweifel – das ist auch schon angeklungen – weil auch die PID keine hundertprozen- tige Sicherheit bringt. Trotz PID besteht das Risiko, dass das Kind später krank ist. Ist der Druck, ist das Leid in einem solchen Fall nicht noch viel größer und noch viel stärker? Ich habe auch Zweifel, weil für eine PID bis zu 40 Embryonen gebraucht werden. Was passiert mit den anderen, die nicht eingepflanzt werden? Wer wollte da- rüber entscheiden? Ich bin der Überzeugung: Was manchmal als Zell- klumpen bezeichnet wird, das hat das Potenzial, ja, das ist aus meiner Sicht menschliches Leben, und wer wollte über die Chance, die Wertigkeit dieses Lebens entschei- den? Ich jedenfalls – egal, was andere Länder da ent- schieden haben – will das nicht, und ich denke, es ist ei- nem anderen, Höheren vorbehalten, das zu entscheiden. Im Übrigen denke ich auch, dass gerade der Embryo in der Petrischale, weil sein Potenzial, sein Leben-Sein eben nicht augenfällig ist, vielleicht nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist, einen noch höheren Schutz braucht, ein noch größeres Maß an Sicherheit und Zu- rückhaltung in der Frage, was wir regeln. Gerade deswe- gen sollten wir an die PID mit größter Bedachtheit he- rangehen. Auch sehe ich da keinen Wertungswiderspruch zur Abtreibung, wie er hier schon mehrfach angesprochen worden ist. Bei der PID geht es voll und ganz und unmit- telbar um den Schutz des Embryos in der Petrischale, dessen Leben-Sein – ich habe es schon gesagt – nicht au- genfällig ist. Beim Schwangerschaftsabbruch geht es im Kern um die konflikthafte Situation, um die schwierige Lebenslage der Mutter, wo der Embryo natürlich mittel- bar auch eine Rolle spielt; aber es ist eine andere Aus- gangslage. Muss nicht eigentlich die Entwicklung, die w e h S le w w b z F in a 5 d Ic m d K (L (C g s d s E g m o g P g F h s g te F S g b s v P d A d e S s s z n re d d (C (D ir beim Schwangerschaftsabbruch haben, die ja auch inmal mit strengsten und striktesten Kriterien begonnen at, muss nicht diese Praxis, wie wir sie heute beim chwangerschaftsabbruch zum Teil haben, weniger uchtendes Beispiel als vielmehr Mahnmal dafür sein, as passiert, wenn man einmal bei der Entscheidung, die ir heute treffen, die Tür geöffnet hat? Deswegen: In dubio pro vita, im Zweifel für das Le- en. Ich möchte Sie bitten, heute für ein Verbot der PID u stimmen. Stephan Thomae (FDP): In der ethisch heiklen rage der Präimplantationsdiagnostik, kurz PID, treffen diesem Hohen Hause gegensätzliche Auffassungen ufeinander. Ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom . Juli 2010 macht deutlich, dass die PID nicht notwen- igerweise gegen das Embryonenschutzgesetz verstößt. h möchte ausdrücklich den Antrag unterstützen, den aßgeblich meine Fraktionskollegin Ulrike Flach auf en Weg gebracht hat, und der insbesondere von den olleginnen Dr. Carola Reimann (SPD), Dr. Petra Sitte inke) und den Kollegen Staatssekretär Peter Hintze DU) und Jerzy Montag (Bündnis 90/Grüne) mitgetra- en wird. Bei allem Respekt vor anderen Standpunkten prechen viele Gründe für diese Position: Ziel der PID ist, was das Embryonenschutzgesetz for- ert, nämlich eine Schwangerschaft herbeizuführen. In- ofern fördert die Zulassung der PID den Entschluss von ltern, die sich ohne eine solche Untersuchungsmethode egen ein Kind oder – weil sie vielleicht bereits ein Kind it einer ererbten Krankheit oder Behinderung haben der aufgrund dessen bereits ein Kind verloren haben – egen ein weiteres Kind entscheiden würden. Viele aare, die sich sehnlichst ein Kind wünschen, aber auf- rund erblicher Vorbelastung Angst vor einer Tot- oder ehlgeburt oder vor der Geburt eines todkranken Kindes aben, sehen in der PID eine Chance. Bislang konnten olche Paare allenfalls auf dem Wege der Pränataldia- nostik, kurz PND, feststellen, ob der Embryo im Mut- rleib an einem genetischen Defekt leidet. In solchen ällen waren die Eltern vor die Wahl gestellt, die chwangerschaft abzubrechen oder nicht. Ein Schwan- erschaftsabbruch aufgrund einer PND-Diagnose ist ins- esondere für die Schwangere jedoch mit wesentlich chwereren psychischen und physischen Belastungen erbunden als die Verwerfung einer Blastozyste in der etrischale. Bislang bot sich allenfalls für solche Paare, ie es sich leisten können, die Möglichkeit zur PID im usland. Die Zulassung der PID beseitigt deshalb auch en Widerspruch, dass zwar Präimplantationsdiagnose iner Blastozyste in der Petrischale verboten, aber der chwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Schwanger- chaftswoche und unter bestimmten Voraussetzungen ogar die Spätabtreibung nach einer Pränataldiagnose ulässig ist. Dieser Widerspruch kann weder moralisch och juristisch aufgelöst werden. Auch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes ungebo- nen Lebens ist es nicht die PID, die einem Lebenskeim as Lebensrecht entzieht oder zu einer Verschlechterung es Embryonenschutzes führt. Die Blastozyste ist außer- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12121 (A) ) )(B) halb des Mutterleibes nicht in der Lage, sich zu einem Embryo weiterzuentwickeln. Schon heute aber steht es der Mutter auch ohne PID frei, zu entscheiden, ob sie sich die Blastozyste einpflanzen lässt oder den Keim verwirft. Genauso wenig kann Bedenken gefolgt werden, die PID gefährde die Bereitschaft der Gesellschaft, Kinder mit Behinderungen zu akzeptieren. Weder ist eine solche Entwicklung in Ländern zu beobachten, welche die PID kennen, noch hat in Deutschland die Zulassung des Schwangerschaftsabbruchs nach einer PND eine solche Wirkung hervorgerufen. Die Integration und Inklusion von Menschen mit Behinderungen war – trotz PID und PND – nie so groß wie heute. Erlauben Sie mir abschließend eine höchstpersönliche Schlussbemerkung: Neben diesen eher vernunftgeleite- ten Überlegungen wurde ich selbst nicht zuletzt beim Besuch eines Kinderhospizes in meiner eigenen All- gäuer Heimat in meinem Entschluss bestärkt. Das Kin- derhospiz begleitet Kinder und deren Familien ab dem Zeitpunkt der Todesdiagnose eines Kindes oder Jugend- lichen bis zu dessen Tod. In einigen Fällen müssen El- tern schon das zweite, in einigen wenigen Fällen sogar gleichzeitig zwei todgeweihte Kinder dort auf ihrem letzten, manchmal langen Weg begleiten. Ich bin der tie- fen Überzeugung, dass das Recht Paaren mit erblicher Belastung zumindest die Möglichkeit einräumen muss, Ja oder erneut Ja zu einem Kind zu sagen, ohne ihnen dieses Leid und diesen Schmerz zuzumuten oder ein weiteres Mal zuzumuten. Bei allem Respekt vor jeder anderen Überzeugung habe ich mich aus diesen rechtlichen und ethischen Überlegungen entschieden, für den Entwurf eines Geset- zes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik nach dem Entwurf meiner Fraktionskollegin Ulrike Flach zu stimmen. Johanna Voß (DIE LINKE): Meine grundsätzliche Überzeugung besteht darin, dass jedes Leben, auch das „behinderte“, ein Recht darauf hat, beschützt zu werden. Bei der PID geht es aber nicht um das Recht auf Le- ben. Vor allem geht es auch nicht um die Abwägung ver- schiedener Rechtsgüter, wie zum Beispiel den Schutz der Mutter, so wie das bei einem Schwangerschafts- abbruch der Fall wäre. Und selbst beim Schwanger- schaftsabbruch dürfen mit Recht eventuelle Behinderun- gen des Kindes nicht die entscheidende alleinige Rolle spielen. Da geht es nur um die Abwägung der Rechte der Mutter gegenüber dem Kind. Die Präimplantationsdiagnostik ist die extremste Form der Selektion, da möglichst viele Embryonen er- zeugt werden, um wenigstens einige transplantierbare auslesen zu können. Der einzige Zweck der PID ist aber, Leben zu eliminieren, das weniger wert zu sein scheint; wir hatten in der deutschen Geschichte dafür schon ein- mal den Begriff des „unwerten Lebens“. Die PID spie- gelt wider, wie Leben heute in der Gesellschaft bewertet wird: Den vollen Wert hat da nur der Mensch, der im Vollbesitz aller nutzbaren Kräfte ist. Für Behinderungen is d d e k o s s D n k n d a s n s o v s je P e lu F d te s Z n m s d m re a fü a k P E M re d m le M n d u w n (C (D t kein Platz, und dementsprechend miserabel ist auch ie Fürsorge und Hilfe für Behinderte und deren Eltern. Insofern geht die PID von der völlig falschen Seite an ie Problematik heran. Ja, für Eltern, die sich gegen PID ntscheiden und für ein eventuell behindertes oder kran- es Kind, wird das Leben noch schwerer werden. Zu den hnehin zu erwartenden Einschränkungen wird starker ozialer Druck hinzukommen: Man hätte das Leben die- es Kindes ja schon in der Petrischale beenden können. ie Folge wird sein: noch weniger Mittel und Hilfen, och größere Ausgrenzung für Kinder und deren Eltern. Andere negative Aspekte der PID will ich hier nur urz erwähnen. Die Beteuerung der Befürworter, PID ur in Ausnahmefällen zulassen zu wollen, ist längst von er Realität überholt worden. In der Praxis werden ganz ndere Bedürfnisse als die ursprünglich behaupteten ge- chürt. In Fachzeitschriften wie Human Reproduction ist achzulesen (Nr. 1 von 2002), dass PID zum Beispiel ehr häufig allein der Geschlechtsbestimmung dient, hne dass ein erhöhtes Risiko zur Übertragung einer ererbbaren Krankheit vorlag. Man nennt das „social exing“. Die Begehrlichkeiten der Industrie zeigen sich tzt schon in den weiterentwickelten Verfahren von ID, wenn untersuchte Zellen mit „entkernten“ Maus- izellen geklont werden. Es fehlt nur noch die Herstel- ng von Embryonen als „Ersatzteillager“. Selbst wenn orscher nur die Gesundheit des Kindes im Auge haben, ann vergessen sie zu leicht, dass die PID und die Wei- rentwicklung des „therapeutischen Klonens“ den Men- chen aufs Gröbste instrumentalisiert. Selbst wenn das iel ethisch zu rechtfertigen wäre, der Weg ist es auf kei- en Fall. Wir müssen völlig neu bedenken, welchen Irrweg wir it dieser Bevorzugung des perfekten Menschen be- chreiten, und dann auch mehr Hilfe bereitstellen für die, ie Hilfe brauchen; denn jeder Mensch, der in die enschliche Gesellschaft hineingeboren wird, hat An- cht auf ihren Schutz und auf ihre Hilfe. Die PID scheint mir nur ein weiterer Schritt zu sein uf dem Weg, sich aus der besonderen Verantwortung r den Menschen, nicht nur für den behinderten, zu ver- bschieden. Wolfgang Zöller (CDU/CSU): In der Frage über den ünftigen Umgang mit der Präimplantationsdiagnostik, ID, geht es um eine politische Grundsatzentscheidung. s geht vor allem um die Frage, ob wir ein elementares enschenrecht, das Recht auf Leben auch für ungebo- ne Kinder, zur Disposition stellen – aber auch darum, ass wir den staatlichen Schutzauftrag gegen die Diskri- inierung von Menschen mit Behinderung infrage stel- n. Mit einer Zulassung der PID würde dies meiner einung nach geschehen. Es würde unser Wertgefüge achhaltig beschädigen. Nicht alles technisch Machbare ient letztendlich einer menschlichen Gesellschaft. Ich setze mich seit vielen Jahren für den Schutz des ngeborenen Lebens ein. Denn für mich ist das sich ent- ickelnde Leben von Anfang an schützenswert. Und ach meiner Auffassung hat niemand das Recht, über die 12122 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) Existenz eines ungeborenen Kindes zu entscheiden, auch nicht wenn eine genetische Erkrankung droht. Jeder Abgeordnete steht in der Tat vor einer Gewis- sensentscheidung. Als zweifacher Familienvater und dreifacher Großvater verstehe ich den verständlichen Wunsch betroffener Paare nach einem eigenen gesunden Kind nur zu gut. Für mich hat jedoch das uneinge- schränkte Lebensrecht eines jeden Menschen, ob gebo- ren oder ungeboren, ganz klar Vorrang. Wer die PID zulässt – und sei es auch nur begrenzt –, der eröffnet zwangsläufig damit eine Diskussion über le- benswertes und nicht lebenswertes Leben. Für mich gibt es jedoch kein lebensunwertes Leben – egal ob vor der Geburt, ob als behinderter, ob als alter oder schwerkran- ker Mensch. Eine Öffnung der PID für bestimmte Diagnosen ist keine Lösung. Die Erfahrungen aus dem Ausland zeigen die dann einsetzende Ausweitung der Anwendungsberei- che der PID. Eine solche Bewertung würde sich erheblich auf das gesamte gesellschaftliche Zusammenleben und auf die Einstellung anderer Menschen auswirken. Es wird höchste Zeit, dass wir uns wieder mehr auf christliche Grundwerte besinnen und auch danach handeln. Die durch Legalisierung der PID gesetzlich legiti- mierte Selektion vor Beginn der Schwangerschaft wäre ein Paradigmenwechsel. Die Akzeptanz für das Verfah- ren, auf Probe erzeugte Embryos mit einer bestimmten Erkrankung oder Behinderung aussortieren zu können, stellt damit einen Angriff auf die Würde eines jeden Menschen mit Erkrankungen oder Behinderungen dar. Eine Zulassung der PID würde auf potenzielle Eltern großen sozialen Druck ausüben, diese Möglichkeit in Anspruch zu nehmen. Ansonsten müssten sie sich ja zu- nehmend rechtfertigen, wenn sie die PID zunächst ab- lehnen und dann ihr Kind mit Beeinträchtigungen zur Welt kommt. Bereits jetzt berichten Eltern von schwer kranken oder behinderten Kindern von Diskriminierun- gen, mit denen sie konfrontiert sind. Krankheiten sowie körperliche und geistige Beein- trächtigungen sind jedoch ein Bestandteil des Lebens und werden dies auch künftig sein. Der Staat hat die Pflicht, vor Diskriminierung zu schützen und das Le- bensrecht zu verteidigen. Aus all diesen Gründen werde ich für ein striktes PID-Verbot stimmen. Willi Zylajew (CDU/CSU): Jede und jeder in diesem Hohen Haus ist sich der Tragweite unserer heutigen De- batte und der anstehenden Abstimmung in einigen Wo- chen bewusst. Einleitend möchte ich sagen, dass ich in der Sache eine klare Position habe, die ich vor meinem Gewissen, vor Gott und den Menschen, dem geborenen und ungeborenen Leben verantworten kann. Diese feste Position in einer bedeutenden Entscheidung schmälert aber nicht meinen Respekt vor den Mitmenschen, die sich in der Sache anders entscheiden. m G b F d u d is B M lu S z te d ti z s c d o g m s w e c k d le d G k P te s te g L G S G u F Z R (C (D Meine Einstellung wurde untermauert in Gesprächen it Eltern von Kindern mit Behinderungen, Ärzten, eistlichen und Fachkräften aus der Schwangerschafts- eratung. Seit einigen Jahrzehnten beschäftigt mich als amilienvater und Sozialarbeiter, Politiker und Christ ie Frage der Verschiebung von Werten beim Schutz des ngeborenen Lebens. Diese Verschiebung von Werten, ie Verschiebung von gesetzlichen Schutzvorschriften t ein bedeutendes Thema, vor allem, wenn ein Teil der etroffenen seine Position nicht darstellen kann. Wie enschen mit Behinderungen zu den Änderungsvorstel- ngen stehen, die auf Grundlage einer Reduzierung von chutzvorschriften für ungeborenes Leben, wie es nun ur Beratung steht, nicht das Licht der Welt erblickt hät- n, bleibt weitgehend unberücksichtigt. Wir stehen in der Pflicht, das ungeborene Leben vor er Verringerung seiner Rechte zu schützen. Die Selek- on von menschlichem Leben ist für mich völlig inak- eptabel, weder in einem frühen Stadium noch in einem päteren. Daher stimme ich für ein umfassendes gesetzli- hes Verbot der Präimplantationsdiagnostik. Dabei bin ich mir des Leidensdrucks von Paaren mit er individuellen Erfahrung einer eigenen Erkrankung der von Tot- oder Fehlgeburten bewusst. Aber eine Le- alisierung der PID ermöglicht eine gesetzlich legiti- ierte Selektion bereits vor Beginn der Schwanger- chaft. Unsere Gesellschaft verliert ihre Menschlichkeit, enn sie einen Paradigmenwechsel zulässt, der darüber ntscheidet, welches Leben gelebt werden darf und wel- hes nicht. Das medizinisch Machbare zur Gesundung von kran- en und behinderten Mitmenschen ist das eine, das me- izinisch Mögliche als Grundlage für die Auswahl von benswerten und nicht lebenswerten Embryonen das an- ere. Und genau dort liegt für mich die Grenze. Eine renze, die wir nicht überschreiten dürfen. Lassen Sie uns mit der gebotenen Ruhe und Sachlich- eit das Für und Wider bedenken. Es mag sein, dass die ID für manch einen nur ein kleiner Schritt bei der wei- ren Nutzung medizinischer Möglichkeiten zu sein cheint. Für mich wäre eine Zulassung der PID, auch un- r engen Beschränkungen, ein überaus großer Verstoß egen den Wert und die Unversehrtheit menschlichen ebens. Ich wiederhole, es wäre der Schritt über eine renze, die bislang von Staat und Gesellschaft bis zum ommer letzten Jahres anerkannt wurde. Ist diese renze einmal überschritten, wird dies weitere Wünsche nd Ansprüche zur Beseitigung von Lebensschutz zur olge haben. Meine Position möchte ich abschließend mit einem itat meines Kreisdechanten Achim Brennecke aus dem hein-Erft-Kreis zusammenfassen: Bereits seit meiner Schulzeit in den 60er Jahren hat sich mir der erste Satz unseres Grundgesetzes tief eingeprägt: „Die Würde des Menschen ist unantast- bar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (Art. 1 GG) Diese Würde des Menschen beginnt nicht irgendwann, sondern besteht bei allen Menschen seit Beginn des Lebens, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12123 (A) ) )(B) wenn Ei und Samenzelle verschmelzen und zu ei- nem Menschen werden. Diese Würde behält der Mensch auch bis zum Ende seines Lebens. Deshalb gilt es für Kirchen, Gesellschaft und Staat, diese Würde von Anfang bis Ende zu schützen. Eine Prä- implantationsdiagnostik macht den Menschen zum Objekt und öffnet einer Selektion, gewollt oder un- gewollt, Tor und Tür, was die Würde des Menschen mehr als antastet. Es wäre ein Dammbruch, dessen Auswirkungen nicht abzusehen sind. Aus christli- chem Verständnis des Menschen als Ebenbild Got- tes lehne ich die zur Verhandlung stehende PID ab und setze mich für die Verteidigung der Würde des Menschen ein. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht: Stärkung der humanitären Lage in Afghanistan und der partnerschaftlichen Kooperation mit Nichtregierungsorganisationen – Beschlussempfehlung und Bericht: Für ei- nen nachhaltigen Ausbau des Bildungs- und Hochschulsystems in Afghanistan (Tagesordnungspunkt 13 a und b) Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Am 26. Februar 2010 hat der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit ein neues Mandat für den Afghanistan-Einsatz erteilt. Mit diesem Mandat war ein Strategiewechsel verbunden, der die zivilen Anstrengungen in Afghanistan besser einbettet und aufwertet. Dies ging einher mit einer Quasiverdoppe- lung der Gelder, die wir für den zivilen Aufbau Afghani- stans im Rahmen unserer Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stellen. Dadurch wird sehr deutlich, wir meinen es ernst. Dies alles ist eingebettet in die Vereinbarungen der Londoner Afghanistan-Konferenz vom Januar 2010, auf der sich die internationale Gemeinschaft zu einem besser abgestimmten und stärkeren Engagement beim langfris- tigen zivilen Aufbau Afghanistans verständigt hat. Für diesen Strategiewechsel gab es gute Gründe. Af- ghanistans Entwicklung leidet unter den schwachen Or- ganisationsstrukturen, ausufernder Korruption, mangeln- den Monitoringinstrumenten und schwach ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein einiger Spitzen der Adminis- tration. Vieles von dem hatte ich bereits in meiner Rede zur Regierungserklärung zum Fortschrittsbericht zur Lage in Afghanistan am 21. Januar 2011 bemängelt; all das wird auch im vorliegenden Antrag von der SPD be- mängelt, und dem stimmen wir natürlich zu. Darüber hinaus finden sich im Antrag viele Allgemein- plätze und Forderungen, die von der Bundesregierung oh- nehin schon umgesetzt werden, wie beispielsweise zum Provincial Development Fund. ru R te S v w E a N W b g s v v M d b D c m s tr w E A w n s n w c lu e w G n h s a S O d s ü e G c u s V s e (C (D Und leider finden sich im Antrag auch einige Forde- ngen, die linker Ideologie geschuldet sind, aber mit der ealität in Afghanistan nichts zu tun haben. Im Gegen- il: Sie sind für die Betroffenen vor Ort brandgefährlich! o heißt es im Antrag: „Eine erzwungene Vermischung on humanitärer Hilfe und militärischem Einsatz lehnen ir ab.“ Oder an anderer Stelle: „Kontraproduktiv für die ntwicklungszusammenarbeit [ist es]…, zivile Aufbau- rbeit und Militär stärker zu verknüpfen“. Solche Vorwürfe sind polemisch, und Bundesminister iebel weist sie zurecht als „Desinformation“ zurück. er so etwas fordert, will damit in der Öffentlichkeit nur illig punkten, hat aber nicht begriffen, worum es in Af- hanistan eigentlich geht: Es geht darum, dass wir es chaffen müssen, dass Hilfsorganisationen schneller dort or Ort sind, wo militärische Operationen zur Sicherung on Gebieten stattgefunden haben. Nur so spüren die enschen in den geschützten Regionen eine Friedens- ividende, die ihnen hilft, mittel- und langfristig zu sta- ilen und gesicherten Lebensverhältnissen zu kommen. as gelingt nur, wenn die NGOs auch über die entspre- henden Operationen frühzeitig informiert werden, da- it sie ihre Programme darauf ausrichten und in den ge- icherten Gebiete arbeiten können. Dieses Konzept wird von den NGOs nicht nur mitge- agen, sondern auch angenommen und umgesetzt. Das ird allein schon daran deutlich, dass die 10 Millionen uro, die für private Träger im Rahmen des vernetzten nsatzes ausgeschrieben waren, schnell ausgeschöpft urden. Daher werden für dieses Jahr weitere 10 Millio- en Euro zur Verfügung gestellt, um diesen erfolgver- prechenden Ansatz weiter zu unterstützen. Das sind wir icht nur den Afghanen schuldig, sondern auch den Ent- icklungshelfern selbst. Sie brauchen für eine erfolgrei- he Arbeit ein sicheres Umfeld. Daher ist die Entkoppe- ng von zivilem Aufbau und militärischem Engagement in denkbar schlechter Ansatz, um eine nachhaltige Ent- icklung in Afghanistan zu unterstützen. Noch mehr: Ich wüsste nicht, ob unser Land mit gutem ewissen das Engagement von Aufbauhelfern in Afgha- istan weiter in Anspruch nehmen könnte, ohne die ohne- in schon riskanten Arbeitsbedingungen unnötig zu ver- chärfen. Wie prekär diese sind, zeigt allein der Anschlag uf das UN-Hauptquartier im nordafghanischen Mazar-i- charif, dem am vorletzten Freitag elf Menschen zum pfer gefallen sind. Daher sollten wir alles tun, was erforderlich ist, um ie Sicherheit unserer Entwicklungsfachkräfte sicherzu- tellen. Realitätsferne und ideologiebeladene Debatten ber das Verhältnis unserer Soldaten und Entwicklungs- xperten in Afghanistan bringen uns nicht weiter – im egenteil: Wir tragen als Parlamentarier auch für die Si- herheit unserer Fachkräfte vor Ort Verantwortung –, nd mit solchen Debatten werden wir ihr nicht gerecht. Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Wie ich an die- er Stelle bereits mehrfach ausgeführt habe, ist die enge erzahnung ziviler und militärischer Mittel der Schlüs- el zum Erfolg in Afghanistan. Beide sind zwei Seiten iner Medaille, die ohne einander nicht denkbar sind. 12124 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) Wenn wir die Voraussetzung dafür schaffen wollen, die Verantwortung nach und nach in afghanische Hände zu legen, müssen wir den zivilen Aufbau weiterhin unter- stützen. Wir können unser militärisches Engagement nur dann zurückfahren, wenn wir unser ziviles Engagement verstärken. Darauf kommt es zunehmend an. Der heute unter TOP 13 zur Debatte stehende Antrag der SPD-Fraktion zur „Stärkung der humanitären Lage in Afghanistan und der partnerschaftlichen Kooperation mit Nichtregierungsorganisationen“ und der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Für einen nachhalti- gen Ausbau des Bildungs- und Hochschulsystems in Af- ghanistan“ behandeln beide die zivile Seite des Wieder- aufbaus. Da Kollegin Pfeiffer auf den Antrag der SPD- Fraktion eingeht, beschränke ich mich hier auf den An- trag von Bündnis 90/Die Grünen. Ihr Antrag verlangt eine erhebliche Verstärkung des deutschen Engagements in der Bildungsförderung. Sie bemängeln, das deutsche Engagement bleibe in seinem Umfang hinter dem tatsächlichen Bedarf zurück. Des- halb fordern Sie eine Fülle von umfangreichen und kos- tenintensiven Einzelmaßnahmen zum Ausbau des Bil- dungs- und Hochschulsystems. Lassen Sie mich dazu kurz festhalten: Ich stimme ab- solut mit Ihnen überein, dass Bildung der Schlüssel für Prosperität, Wachstum, Versöhnung und Stabilität in Af- ghanistan ist. Darüber sind wir uns alle einig. Ihr Versuch, mit dem Antrag Defizite deutscher Poli- tik herbeizureden, geht jedoch an der Realität vorbei. Ich teile überhaupt nicht Ihre Ansicht, dass unser Engage- ment im Bildungsbereich defizitär ist. Wir sollten uns noch einmal vor Augen führen, dass das afghanische Bildungswesen in den Jahren des Bür- gerkriegs und unter den bildungsfeindlichen Taliban weitgehend kollabiert war. Zahlreiche Schulen wurden zerstört. Mädchen und Frauen waren fast vollständig vom Zugang zu Bildungseinrichtungen ausgeschlossen. Dies hat sich grundlegend geändert. Seit dem Ende der Talibanherrschaft zeigen sich insbesondere im Bereich der Grundbildung beachtenswerte Erfolge. Erlauben Sie mir den Verweis auf den Fortschrittsbe- richt der Bundesregierung zu Afghanistan: Die Einschu- lungsrate hat zwischen 2005 und 2007/08 von 37 Prozent auf 52 Prozent zugenommen, die Alphabetisierungsrate bei den 15- bis 24-Jährigen von 31 Prozent auf 39 Pro- zent. Neben der Versiebenfachung der Anzahl der afgha- nischen Schülerinnen und Schüler von rund 1 Million im Jahr 2001 auf rund 7 Millionen 2010 stieg der Anteil der Schülerinnen in Grundschulen von 0 Prozent im Jahr 2001 auf 38 Prozent 2008. Der Frauenanteil der an allge- meinbildenden Schulen unterrichtenden Lehrkräfte liegt mittlerweile bei 29 Prozent. Sie finden heute Frauen in afghanischen Universitäten, im Parlament und im Kabi- nett. Natürlich gibt es immer noch erhebliche Defizite. Dennoch sind die bislang erreichten Erfolge viel besser als erwartet und umfassendem internationalen Engage- ment zu verdanken. Gerade unser deutsches Engagement h tr S ru b P U d b w v g w c 7 2 n a v n k re 2 b 2 h tr R H ru u D M w K te s d s le m b e s M A w S A b s A (C (D at zu diesen Erfolgen in entscheidendem Maße beige- agen. Die Bundesregierung engagiert sich unter anderem im chulsektor, bei der Lehrerausbildung, bei der Förde- ng von Deutsch als Fremdsprache und bei der Alpha- etisierung und Erwachsenenbildung. Es gibt zahlreiche artnerschaften zwischen deutschen und afghanischen niversitäten. Der Deutsche Akademische Austausch- ienst, DAAD, hat seit 2002 etwa 950 Stipendien verge- en. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung steht, dass ir unser Engagement in Afghanistan als eine Aufgabe on besonderem nationalem Interesse verstehen. Dies ilt auch für unser Engagement im Bildungsbereich, das ir uns bereits heute einiges kosten lassen. Ich verdeutli- he Ihnen dies anhand folgender Zahlen: Das BMZ hat von 2002 bis 2010 insgesamt rund 0,5 Millionen Euro in die Grundbildung und rund 9,5 Millionen Euro in die berufliche Bildung in Afgha- istan investiert. Das AA hat seit 2002 über 30 Schulen us Mitteln des Stabilitätspakts neu gebaut und Hunderte on Schulen mit Ausstattungsmaterial, Zelten sowie klei- en Baumaßnahmen unterstützt. Allein im Jahr 2010 onnte durch die Erhöhung der Mittel im Bildungsbe- ich der Bau von über 20 Schulen begonnen werden. 009 wurden dafür rund 1,15 Millionen Euro für die Aus- ildung afghanischer Lehrer bereitgestellt, zwischen 002 und 2009 insgesamt 12,4 Millionen Euro. Das BMZ at im Zeitraum 2009 bis 2010 einen signifikanten Bei- ag zum nationalen Bildungsprogramm der afghanischen egierung in Höhe von 20 Millionen Euro geleistet. Der ochschulbereich wurde zwischen 2002 und 2009 mit nd 17 Millionen Euro aus dem Stabilitätspakt des AA nterstützt. 2010 sind es annähernd 4 Millionen Euro. as sind keine Peanuts, sondern substanzielle Summen. So wie Heidegger sagte, Sprache ist das Gehäuse des enschen, gestaltet Bildung dieses Gehäuse aus. Gerade ir Deutschen mit unserer großen bildungspolitischen ompetenz sind in der Verantwortung, an die jahrzehn- lang andauernde deutsch-afghanische Bildungspartner- chaft anzuknüpfen. Genau das machen wir aber bereits urch unser Engagement. Wir folgen deshalb der Be- chlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses und hnen Ihren Antrag ab. Burkhard Lischka (SPD): Wir befassen uns heute it einem Antrag, den wir als SPD-Bundestagsfraktion ereits vor zehn Monaten in den Deutschen Bundestag ingebracht haben. Der zivile Aufbau Afghanistans, Ge- undheit, Bildung, Beschäftigung, Lebensperspektiven, enschen- und Frauenrechte, all das thematisiert dieser ntrag. Und wir wissen: All das sind Schlüsselbegriffe, enn es um die Zukunft Afghanistans geht. Es waren chlüsselbegriffe vor knapp einem Jahr, als wir diesen ntrag gestellt haben, und sie sind es bis heute geblie- en. Ja, es gibt Fortschritte in Afghanistan: bei der Infra- truktur, in der Bildung, bei der Gesundheitsversorgung. ber wir treten eben auch in vielen Bereichen seit Jahren Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12125 (A) ) )(B) auf der Stelle. Und – wer wollte das leugnen? – es gibt auch Rückschritte. Herr Niebel, als Sie vor einigen Wochen hier im Deutschen Bundestag eine Regierungserklärung zu Af- ghanistan abgegeben haben, da sagten Sie: „Wer heute an den Hindukusch kommt, der sieht: Die Kinder lassen wieder Drachen steigen.“ Die Lebensfreude fasse wieder Fuß in Afghanistan, meinten Sie. Ich weiß nicht, Herr Niebel, was Sie gedacht haben, als vor wenigen Tagen sieben UN-Mitarbeiter in Mazar- i-Scharif gelyncht wurden, als ein deutscher Entwick- lungshelfer Ende des vergangenen Jahres bei seiner Ar- beit getötet wurde. Ich weiß nicht, was Sie empfunden haben, als wir vor einigen Wochen erfahren mussten, dass im vergangenen Jahr fast 3 000 Zivilisten – mehr als je zuvor – in Afghanistan ums Leben gekommen sind. Mit „einer Fuß fassenden Lebensfreude“ hat all das sicherlich nichts zu tun. Herr Niebel, ich werfe Ihnen nicht vor, dass Sie auch auf die Fortschritte, die wir in Afghanistan haben, ver- weisen. Nochmals: Ja, die gibt es. Ich verlange aber von Ihnen als verantwortlicher Minister, dass Sie schonungs- los und offen auch die Probleme und die Rückschritte benennen, mit denen wir es auch in Afghanistan zu tun haben, und dass Sie Strategien und Konzepte entwickeln und hier im Deutschen Bundestag vorlegen, wie wir diese Probleme überwinden können. Das ist Ihre Auf- gabe als zuständiger Minister, Herr Niebel. Und da sind Sie in der Vergangenheit leider vieles, vieles schuldig geblieben. Wo ist Ihre zukunftsfeste Strategie, Herr Niebel? Ich sehe sie nicht. Zehn Jahre nach Beginn des Einsatzes wissen wir: Viele Hoffnungen, die weite Teile der afghanischen Be- völkerung mit dem Beginn des Einsatzes verknüpft hat- ten, wurden enttäuscht. Die anfängliche Begeisterung ist viel zu oft inzwischen umgeschlagen in Frustration, Ab- lehnung, teilweise sogar offene Feindschaft. Woran liegt das? Was für Fehler haben wir in der Vergangenheit ge- macht? Wie können wir aus diesen Fehlern für die Zu- kunft lernen? Welche Maßnahmen und Projekte haben sich demgegenüber als erfolgreich herausgestellt? Wie können wir diese Ansätze verstärken und ausbauen? Die Beantwortung dieser Fragen ist entscheidend, wenn wir mithelfen wollen, dass die Menschen in Af- ghanistan wieder Perspektiven für sich und ihre Kinder sehen sollen, wenn sie wieder Hoffnung schöpfen sollen, wenn sie an ihre Zukunft denken. Deshalb brauchen wir eine unabhängige und fachkun- dige Analyse und Evaluation unseres bisherigen Engage- ments. Das aber verweigern Sie bis zum heutigen Tag. Das werden Sie auch heute Abend wieder verweigern, wenn Sie unseren Antrag ablehnen, der genau dies ein- fordert. Angesichts der Rückschläge und der Probleme, die wir in Afghanistan haben, ist das unverständlich. Und ich sage deutlich: Es ist auch politisch verantwor- tungslos. Politisch verantwortungslos ist es auch, Herr Niebel, wenn Sie jetzt immer noch einfordern, die in Afghanistan tätigen Hilfsorganisationen müssten näher an das Militär h m N g tr d d s s b s D T d s d K n H k u n fa G k z d li a li D a a b b n s 2 tu m ti n re a d g n A K n d w (C (D eranrücken und würden nur dann unterstützt, wenn sie it dem Militär zusammenarbeiten. Wissen Sie, Herr iebel, ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn eine Or- anisation aus freien Stücken für sich die Entscheidung ifft, mit dem Militär zu kooperieren. Ich habe aber etwas agegen, wenn Sie auch alle anderen Organisationen in ieses Korsett zwingen wollen, selbst dann, wenn diese agen: Das gefährdet unsere Projekte. Das gefährdet un- ere Mitarbeitet. Das gefährdet diejenigen Afghanen, die ei uns Hilfe suchen. – Und wenn Sie dann Hilfsorgani- ationen, die ihre Sorge öffentlich machen, auch noch esinformation vorwerfen, dann ist das ein starkes Stück. Desinformation, Herr Niebel, ist es, wenn Sie dieser age im Tagesspiegel behaupten, Hilfsorganisationen, ie frühzeitig über militärische Operationen informiert eien, könnten ihre Planungen darauf einstellen und ann schneller in Gebieten tätig werden, in denen vorher ampfhandlungen stattgefunden haben. So aber funktio- iert Entwicklungshilfe nicht, Herr Niebel, weil die ilfsorganisationen gerade dann als Partei eines Bürger- rieges wahrgenommen werden und nicht als neutrale, nabhängige Helfer. Ihr Vorhaben, die Hilfsorganisatio- en unter ein sicherheitspolitisches Primat zu stellen, ist lsch, Herr Niebel. Deshalb geben Sie es auf! Wenn ein Antrag wie dieser fast ein Jahr durch die remien des Deutschen Bundestags unterwegs ist, dann ann zweierlei passieren: Erste Möglichkeit: Der Antrag setzt Staub an. Oder, weite Möglichkeit: Er kann – quasi unfreiwillig – sehr eutlich machen, wie lange eine Sache schon im Argen egt. So wie hier, wo Sie seit einem Jahr versuchen, un- bhängige Hilfsorganisationen in eine politische und mi- tärische Gesamtstrategie einzubinden. Nur, Herr Niebel: as ist gefährlich. Denn die Hilfsorganisationen werden uch dann noch auf Jahre und Jahrzehnte in Afghanistan rbeiten, wenn sich die Militärs längst zurückgezogen ha- en. Aber sie sind dann darauf angewiesen, dass ihre Ar- eit in puncto Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit icht vorher diskreditiert wurde. Deshalb: Hören Sie auf mit dieser Politik! Sie be- chwert und behindert den Aufbau Afghanistans über 014 hinaus, also in einer Zeit, wo Sie keine Verantwor- ng mehr tragen. Harald Leibrecht (FDP): Die Bundesregierung hat it Unterstützung der Koalitionsfraktionen eine Neujus- erung des deutschen Afghanistan-Engagements vorge- ommen. Wir haben einen Wechsel hin zu einem stärke- n zivilen Wiederaufbau vollzogen und haben uns auch uf internationaler Ebene mit dem Ansatz durchgesetzt, ass der Afghanistan-Einsatz nicht rein militärisch zu ewinnen ist. Unser militärisches Engagement wird nur achhaltig erfolgreich sein, wenn wir es mit größeren nstrengungen zur Entwicklung des Landes verbinden. Afghanistan ist ein Land, das jahrzehntelang von riegen gebeutelt wurde, in dem staatliche Strukturen ur schwach ausgeprägt sind und das durch die Wirren es Krieges in seiner Entwicklung weit zurückgeworfen urde. Afghanistan belegt im aktuellen Index zur 12126 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) menschlichen Entwicklung der Vereinten Nationen, HDI, den vorletzten Platz von 182 Ländern. Ein Großteil der Bevölkerung lebt in Armut. Deshalb kann ich Ihnen nur zustimmen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wenn Sie in Ihrem Antrag darauf aufmerksam ma- chen, dass die Herausforderungen in Afghanistan enorm sind. Deutschland stellt sich seiner Verantwortung für Af- ghanistan und die internationale Sicherheit. Wir haben die Mittel für das zivile Engagement in Afghanistan auf insgesamt 430 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt und damit im Vergleich zum Jahr 2008 verdoppelt. Wir sollten die Herausforderungen und Probleme in Afghanistan nicht kleinreden, aber wir sollten auch die Fortschritte nicht ausblenden, die für viele Menschen spürbare Ver- besserungen in ihrem Alltag mit sich bringen. Die Kin- dersterblichkeit ist signifikant gesunken, und wir müssen uns weiter engagieren, damit sie weiter sinkt. Die Anzahl der Kinderheiraten (unter 15 Jahre) ist von 11 Prozent auf 3 Prozent zurückgegangen. 7 Millionen Mädchen und Jungen wurden eingeschult, darunter ein Drittel Mäd- chen. In den nordafghanischen Provinzen, wo die deut- sche Entwicklungszusammenarbeit schwerpunktmäßig tätig ist, haben wir die höchsten Einschulungsraten in ganz Afghanistan. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen hat sich seit Beginn des internationalen Einsatzes von rund 175 auf circa 460 US-Dollar erhöht. Um diese Er- folge nicht zu gefährden, wird die deutsche Entwick- lungszusammenarbeit selbstverständlich auch nach Ab- zug der Bundeswehr weiter in Afghanistan aktiv sein. Die Bundesregierung hat ihr Engagement in Afgha- nistan spürbar verstärkt, aber sie stellt auch Anforderun- gen an die afghanische Regierung, was beispielsweise die Bekämpfung von Korruption und gute Regierungs- führung angeht. Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dirk Niebel hat bei seinem Besuch in Afghanistan vor knapp zwei Wochen zunächst nur Zusagen über die erste Hälfte der für 2011 im BMZ-Haushalt vorgesehen Mittel in Höhe von 240 Millionen Euro gemacht. Die Auszahlung der zwei- ten Tranche hat Dirk Niebel an messbare Fortschritte bei der Regierungsführung geknüpft. Der Bundesentwick- lungsminister hat die ausdrückliche Unterstützung mei- ner Fraktion. Denn wir dürfen im Sinne der hilfebedürf- tigen Menschen in Afghanistan und der deutschen Steuerzahler Misswirtschaft und Korruption nicht dul- den. Der hier vorliegende Antrag der SPD-Fraktion ist in einigen Punkten bereits überholt. So haben wir mit dem Provincial Development Fund mittlerweile ein Instru- ment, das sich dem Thema ländliche Entwicklung wid- met und gleichzeitig lokale demokratische Entschei- dungsverfahren fördert. Ein weiterer Grund, weshalb die FDP-Fraktion dem Antrag nicht zustimmen kann, ist, dass er sich grundsätz- lich gegen das Konzept der vernetzten Sicherheit aus- spricht. Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen unterstützen dieses Konzept, weil die Entwicklungser- folge nachweislich dort am größten sind, wo die Sicher- heitslage stabil ist. Die SPD-Fraktion kommt ja selbst zu d g g b fö S N le u z s B n re M 1 v J ru N m fü m o E fü e F k d in m ü d g s s w S P 6 s A n K e g O z a v z ru s (C (D em Schluss, dass sich Sicherheit und Entwicklung ge- enseitig bedingen. Nichtregierungsorganisationen leisten einen wichti- en Beitrag zum Aufbau des Landes. Ihre Arbeit ist da- ei mit großen Risiken behaftet. Die Bundesregierung rdert deren Tätigkeiten deshalb vorrangig dort, wo der chwerpunkt des deutschen Engagements liegt, also im orden. Dabei geht es nicht um eine Unterordnung zivi- r Kompetenzen unter militärische Prämissen, sondern m eine bessere Zusammenarbeit und Abstimmung von ivilem und militärischem Engagement. Es gibt Organi- ationen, die dieses Potenzial erkannt haben, wie zum eispiel die Stuttgarter Initiative Kinderberg Internatio- al. Die Bundesregierung hat die Unterstützung von Nicht- gierungsorganisationen im Jahr 2010 deutlich gestärkt. it dem NRO-Fazilitätsfonds wurden im Jahr 2010 0 Millionen Euro für die Förderung von Projekten pri- ater deutscher Träger zur Verfügung gestellt. Im letzten ahr wurden die bereitgestellten Mittel vollständig abge- fen. Ich denke, dies zeigt, dass wir der Kooperation mit ichtregierungsorganisationen eine hohe Bedeutung zu- essen. Auch 2011 stellen wir erneut 10 Millionen Euro r die NRO-Fazilität zur Verfügung. Um in Afghanistan nachhaltige Erfolge zu bewirken, üssen alle beteiligten Akteure koordiniert und ziel- rientiert zusammenarbeiten. Dies gilt für die staatliche ntwicklungszusammenarbeit, für die Bundeswehr und r nichtstaatliche Akteure gleichermaßen. Wenn alle an inem Strang ziehen, können wir in Afghanistan konkrete ortschritte erzielen, die den Menschen vor Ort zugute ommen. Heike Hänsel (DIE LINKE): Im Parlament und in er Öffentlichkeit werden die Demokratiebewegungen Ägypten, Tunesien und anderen arabischen Ländern it viel Sympathie begleitet. Kaum jemand aber spricht ber die politische Situation in Afghanistan. Es wird in er Öffentlichkeit und den Medien übersehen und auch ezielt ignoriert, dass es auch in Afghanistan demokrati- che und soziale zivilgesellschaftliche Kräfte gibt, die ich gegen das Karzai-Regime und die NATO-Besatzung enden und dafür auch in immer größerer Zahl auf die traße gehen. So zum Beispiel Ende Februar, als in der rovinz Kunar durch eine NATO-Bombardierung 3 Menschen getötet wurden, darunter 50 Zivilisten. Sie ind davon überzeugt, dass diese Befreiung nur von den fghaninnen und Afghanen selbst kommen kann und icht durch Bomben. Diese zivilgesellschaftlichen räfte sind keine bezahlten NGOs, sondern größtenteils hrenamtliche Organisationen, Frauenrechtsbewegun- en, Studentengruppen, Menschenrechtsgruppen und pfervertreter und -vertreterinnen. Im Januar dieses Jahres hatte die Fraktion Die Linke ehn Afghaninnen und Afghanen in Berlin zu Gast, um uf der Konferenz „Das andere Afghanistan“ Perspekti- en für eine friedliche und demokratische Entwicklung u diskutieren. Sie kritisierten, dass die westlichen Regie- ngen seit 2001 einseitig prowestliche fundamentalisti- che Kräfte in ihrem Land gestärkt haben, die nach mili- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12127 (A) ) )(B) tärischen und geostrategischen Interessen ausgesucht wurden. Bei der Petersberger Konferenz 2001 und der Kabuler Konferenz 2010 waren maßgeblich Kriegsver- brecher, Warlords und andere Personen eingeladen, die Blut an den Händen haben; kritische zivilgesellschaftli- che Kräfte aber waren nicht beteiligt. Sie erfahren auch keinen Schutz und keine Unterstützung, sondern sind Op- fer von Anschlägen, müssen oft im Geheimen agieren und bleiben bei wichtigen politischen Verhandlungen au- ßen vor. Dies ist ein Skandal! Deshalb werden wir gemeinsam mit Friedensgruppen im Herbst anlässlich der zweiten Petersberger Konferenz diese kriegskritischen Stimmen aus Afghanistan sichtbar machen. Seit zehn Jahren herrscht Krieg in Afghanistan, Mil- liarden von Euro fließen in diesen Krieg. Nach Berech- nungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung von 2010 kostet die Fortsetzung des Bundeswehreinsat- zes in Afghanistan Deutschland rund 3 Milliarden Euro pro Jahr. Insgesamt dürfte dem DIW zufolge die deut- sche Beteiligung am Afghanistan-Krieg etwa 36 Milliar- den Euro kosten. Währenddessen ist die humanitäre Lage in Afghanistan gleichbleibend schlecht. Afghanistan liegt auf Platz 181 und damit auf dem vorletzten Platz des Human Develop- ment Index (HDI). Rund 80 Prozent der Frauen und 60 Prozent der Männer sind Analphabeten, weniger als 19 Prozent der Bevölkerung haben Zugang zu medizini- scher Versorgung und sauberem Wasser. Laut Weltbank liegt die Säuglingssterblichkeit bei 199 Kinder pro 1 000 Geburten. Sie ist damit 50-mal so hoch wie in Deutsch- land. Die Armut wächst, Hunger bedroht mehr als ein Drittel der afghanischen Bevölkerung. Erfolge in der Entwicklungszusammenarbeit werden durch den Krieg konterkariert. Die Zahl der zivilen Op- fer steigt seit 2006 dramatisch an. Auch die Zahl der Menschen, die vor den Kriegshandlungen fliehen, steigt weiter an. Im Human Development Index heißt es, dass sich 2,8 Millionen Afghaninnen und Afghanen – das ist jeder zehnte Einwohner – auf der Flucht befinden, oft ohne ausreichende humanitäre und gesundheitliche Ver- sorgung. Auch ein Bericht der International Crisis Group bemängelt, dass der Krieg den Zugang der afghanischen Bevölkerung zu Gesundheitsversorgung, Bildung und anderen sozialen Dienstleistungen stark eingeschränkt hat. Angriffe auf Schulen, zum Beispiel das Abbrennen oder erzwungene Schließen von Schulen, die Verwen- dung von Schulen für militärische Zwecke sowie Dro- hungen gegen das Lehrerpersonal und Schülerinnen und Schüler nehmen zu. In ihrem Antrag fordern die Grünen, dass der Aufbau des afghanischen Bildungssystems unterstützt werden soll und Mittel für Bildungsprojekte verdoppelt werden sollen. Unsere Fraktion lehnt diesen Antrag ab. Der Bil- dungsansatz entspricht eher einer Elitenbildung und ist damit weit entfernt von dem Grundsatz „Bildung für alle“. Zudem wird der militärische Schutz von Bildungs- einrichtungen erwogen und trägt so zur gefährlichen V N le d ta tr A ri s u E in ru lä g p lu B u E D a s N K s a s d re d u d fa fü n is re s e n k a b n p n ta F d g v (C (D ermischung zwischen Zivilem und Militärischem bei. ach Angaben von NGOs sind zivile Projekte und Schu- n nämlich durch die Nähe des Militärs eher gefährdet enn geschützt. Die SPD-Fraktion kommt in ihrem Antrag zu der fa- len Fehleinschätzung, dass der ISAF-Einsatz dazu bei- age, in Afghanistan ein sicheres Umfeld für den zivilen ufbau und Entwicklung zu schaffen. Das Gegenteil ist chtig: Der Militäreinsatz muss beendet werden, damit ich überhaupt erst eine Perspektive für eine friedliche nd soziale Entwicklung eröffnen kann. Mit dem ISAF- insatz sind Wiederaufbau, Demokratie und Sicherheit weite Ferne gerückt. Wir teilen allerdings die Forde- ng des SPD-Antrags, die humanitäre Hilfe stärker auf ndliche Räume auszurichten und nicht nur auf die Re- ionen mit militärischer Bedeutung für die NATO-Trup- en zu konzentrieren. Seit langem fordern wir: Entwick- ngshilfe muss dort stattfinden, wo Bedarf für die evölkerung besteht, nicht für die Bundeswehr! Es freut ns, dass mittlerweile auch die SPD-Fraktion zu dieser rkenntnis gekommen ist. Die NATO ist ein Unsicherheitsfaktor in Afghanistan. er Bombenangriff bei Kunduz im Jahr 2009 hat dies in ller Deutlichkeit gezeigt. Die Linke fordert deshalb den ofortigen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan. ur wenn die Waffen schweigen und die afghanischen onfliktparteien in einen politischen Friedens- und Aus- öhnungsprozess eingebunden werden, kann der Wieder- ufbau erfolgreich sein. Wir fordern dazu auf, die friedlichen zivilgesell- chaftlichen Kräfte endlich wahrzunehmen und ihre For- erungen zu unterstützen. Die Bundesregierung samt ih- r Vorgängerregierungen hat jahrelang zahlreiche iktatorische Regime im arabischen Raum unterstützt nd militärisch aufgerüstet. Jetzt werden sie aufgrund es starken Drucks aus der Bevölkerung nach und nach llengelassen. Doch gleichzeitig geht die Unterstützung r das korrupte Karzai-Regime und zahlreiche krimi- elle Kriegsfürsten in Afghanistan weiter. Diese Politik t in höchstem Masse unglaubwürdig. Wer also eine wirkliche Verbesserung der humanitä- n Lage in Afghanistan erreichen will und die Interes- en der Bevölkerung ernst nimmt, muss diesen Krieg be- nden und die Bundeswehr aus Afghanistan abziehen, icht erst 2014 sondern sofort. Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie önnen sich vorstellen, wie mich der Angriff auf die UN m vergangenen 1. April getroffen hat. Als ich dort gear- eitet habe, war es mein schlimmster Alptraum, dass ge- au das passieren könnte, was jetzt in Mazar-i-Scharif assiert ist. Ich trauere um meine ermordeten Kollegin- en und Kollegen, die zivilen UN-Mitarbeiter und ihre pferen nepalesischen Guards. Mein Beileid gilt ihren amilien und Freunden, mein Respekt allen Kollegen er UNAMA-Mission, die sich trotz allem weiter in Af- hanistan für Menschenrechte und Frieden einsetzen. Ich habe in Afghanistan und anderen UN-Missionen iele Reformen begleitet: Polizeiaufbau, Verwaltungs- 12128 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) aufbau, Justizreformen. Es gab auch viele Erfolge, aber die Erfolge, die nachhaltig Wirkung erzielt hatten, waren alle Bildungserfolge. Das gilt auch in Afghanistan: Fast alles, was die Sowjets in ihren 20 Jahren Einfluss und zehn Jahren Besetzung errichtet haben, ist zertrümmert. Aber wenn man heute in Kabul einen Kinderarzt trifft, dann ist er in aller Regel unter den Sowjets ausgebildet worden. Von den vielen Modernisierungsprojekten der Sowjets ist nur das geblieben. Es ist nicht alles schlecht in Afghanistan. Wir haben immer betont, was gut ist. Wer von den guten Dingen in Afghanistan spricht, der spricht von den Schulen. Das ist ein Ansatz, der gerade in der Grundbildung gelungen ist, der wichtig ist, der von uns erwartet wird und bei dem wir Expertise bieten können. Ich kann nicht verstehen, dass wir diesem Ansatz nicht stärker und konsequenter verfolgen. Warum haben wir ein großes schönes EU-POL-Headquarter gebaut, aber in der Schule gegen- über ist seit Jahren das Dach undicht? Wie kann es sein, dass zwei von fünf Schülerinnen im Freien unterrichtet werden müssen? Wie erklären wir, dass wir für die Förderung der af- ghanischen Sekundarschulen von 2002 bis 2009 ebenso viel Geld ausgegeben haben, wie wir im Monat für den Erhalt des Wehrmaterials? Warum lassen wir zu, dass das Goethe-Institut und die Amani-Oberrealschule in Kabul verfallen? In dieser Schule saßen seit 1924 die Kinder der Elite Afghanistans – und nicht nur die wirt- schaftliche, auch die intellektuelle Elite – auf der Schul- bank; jetzt verfällt das Gebäude. Andere Staaten reno- vieren und vergrößern ihre Bildungsinstitutionen in Afghanistan, wir machen nichts. Warum ist das Büro des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Kabul seit Monaten unbesetzt? Warum wird es jetzt offenbar ganz geschlossen? Warum kürzen wir die wenigen Stipendien- und Aus- tauschprogramme zwischen deutschen und afghanischen Universitäten? Warum geben wir 430 Millionen Euro für zivile Hilfe in Afghanistan aus, aber nur 2,3 Millionen für die Hochschulförderung? Allein die University of Massachusetts erhält von den USA 6,8 Millionen Euro für die Austauschprogramme mit Afghanistan – also das Dreifache von dem, was wir für die gesamte Universi- tätskooperation ausgeben. Gerade bei den Universitäten ist die deutsche Zurückhaltung unbegreiflich. Dort, an den Universitäten, wird die Bildungs- und Verwaltungs- elite Afghanistans ausgebildet. Von dort kommen die Menschen, die bald den Staat lenken und die Gesell- schaft prägen werden. Doch auch zehn Jahre nach dem Fall der Taliban sind die Universitäten in einem erbärm- lichen Zustand. Laut dem zuständigem Ministerium sind nur 134 der 2 572 Lehrenden promoviert. Warum haben wir denen nicht schon längst Stipendien angeboten? An- dere Staaten sind da aktiver, der Iran allen voran. Es gibt einzelne gute deutsche Projekte: zum Beispiel die Ausbildungsprogramme von Professor Wilhelm Löwenstein, die Kooperationen zur Curriculum-Reform oder die IT-Projekte von Dr. Peroz. Warum man solche Ansätze nicht vervielfältigt hat, das will ich nicht verste- hen. Dass man aber selbst diese Erfolgsprojekte nicht a L d w m N s g a U G p le m K w A g u n h d w d g Z te u A p n A d h v c d P le s d ru T is p w a (C (D ngemessen finanziert, ist einfach empörend. Sie sind euchttürme, die das Elend der deutschen Hochschulför- erung beleuchten. Sie zeigen, was alles möglich wäre, enn der politische Wille vorhanden wäre. Jedes Mal, wenn ich in Afghanistan bin, fragt man ich, worauf wir eigentlich warten. Nicht nur die GOs, die Studentinnen und Studenten, die Lehrenden, ondern auch das Ministerium wünscht sich mehr Enga- ement Deutschlands. Wir gelten dort als Vorbild für das kademische System, von uns will man lernen, wie man niversitäten organisiert. Es geht dabei nicht nur um eld. Die Afghanen wollen vor allem Beratung und Ex- ertise. Warum sträuben wir uns? Seit zehn Jahren wol- n wir in Afghanistan einen Staat, in dem die Menschen ehr Zeit in Schulen und Universitäten verbringen als in asernen. Dieses Ziel sollte auch darin deutlich werden, ie wir unsere Förderungen gewichten. Der Erfolg der fghanistan-Mission hängt nicht so sehr davon ab, ob enug und ausreichend qualifiziertes Personal für Armee nd Polizei vorhanden ist. Wichtiger ist, dass die Afgha- en Tag für Tag friedlich und gerecht miteinander umge- en – auch dann, wenn kein Polizist in der Nähe ist. Bil- ung ist hierfür eine entscheidende Voraussetzung. Aus drei Gründen sind wir in Afghanistan aktiv: Wir ollen dort Frieden und Demokratie. Wir wollen verhin- ern, dass Terror wächst. Und wir wollen die Beziehun- en zu unseren Bündnispartnern pflegen. Für alle drei iele ist Bildung ein sehr gutes Mittel. Wenn wir da wei- r zaudern und knausern, bleibt nach 2014, dem Abzug nserer Kampftruppen, vom deutschen Engagement in fghanistan so wenig wie von den großen Staudamm- rojekten der 1930er- und 1960er-Jahre – nämlich ichts. nlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes gegen den Handel mit illegal eingeschlagenem Holz (Holzhandels-Sicherungs-Gesetz – HolzSiG) (Ta- gesordnungspunkt 12) Alois Gerig (CDU/CSU): Die weltweite Zerstörung er Wälder nimmt dramatische Ausmaße an: Jährlich ge- en auf unserer Erde rund 13 Millionen Hektar Wald erloren; das entspricht mehr als der gesamten Waldflä- he Deutschlands. Durch Waldzerstörungen verschwin- en nicht nur wertvolle Lebensräume für Tiere und flanzen; auch die für den Klimaschutz notwenige Koh- nstoffspeicherung der Wälder wird erheblich abge- enkt. Waldzerstörungen tragen mit rund 20 Prozent zu en globalen Emissionen von Treibhausgasen bei. Eine wichtige Ursache für die weltweiten Waldzerstö- ngen ist der illegale Holzeinschlag insbesondere in den ropen. In Deutschland und anderen Ländern Europas t der illegale Holzeinschlag in der Regel kein ausge- rägtes Problem. Wahr ist aber auch, dass Europa ein ichtiger Markt für Holz aus anderen Teilen Welt ist – uch für Holz aus illegalem Einschlag. Das Johann- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12129 (A) ) )(B) Heinrich-von-Thünen-Institut hat ermittelt, dass 10 bis 18 Prozent des Holzes, das zwischen der EU und Dritt- ländern gehandelt wird, aus illegalem Einschlag stammt. Für Deutschland wird davon ausgegangen, dass 3 bis 6 Prozent aller Holzeinfuhren illegaler Herkunft sind. Damit unsere Nachfrage nach Holz nicht zu Waldzer- störungen anderswo beiträgt, müssen wir dem Handel mit illegal geschlagenem Holz einen Riegel vorschieben. Aufgrund der überragenden Bedeutung der Wälder für die Biodiversität und den Klimaschutz muss der Wald- zerstörung Einhalt geboten werden. Die Europäische Union hat sich dieser Aufgabe angenommen: Mit dem Aktionsplan „Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor“, Forest Law Enforcement, Go- vernance and Trade – FLEGT, will die EU Holzimporte besser kontrollieren und den illegalen Holzeinschlag be- kämpfen. Zentrale Bausteine des FLEGT-Aktionsplans sind zwei Verordnungen: Im vergangenen Jahr wurde vom Europäischen Parlament und vom Rat die EU-Holzhan- delsverordnung beschlossen, die das Inverkehrbringen von illegal geschlagenem Holz verbietet. Zudem werden den Marktteilnehmern bestimmte Sorgfaltspflichten vor- geschrieben. Bereits aus dem Jahr 2005 stammt eine weitere Ver- ordnung, die Holzeinfuhren aus den Partnerländern der EU regelt. Um die letztgenannte Verordnung in Deutsch- land umzusetzen, hat die Bundesregierung das Holzhan- dels-Sicherungs-Gesetz vorgelegt, das wir heute ab- schließend beraten. Mit dem Holzhandels-Sicherungs-Gesetz wollen wir die erforderlichen Regelungen schaffen, damit deutsche Behörden Holzlieferungen aus den Partnerländern der EU kontrollieren können. Partnerländer sind derzeit Ghana, Kamerun, Kongo und die Zentralafrikanische Republik. Im Rahmen von freiwilligen Partnerschaftsab- kommen hilft die EU den Partnerländern dabei, dass nur legal geschlagenes Holz auf den Markt gelangen kann und die Forstwirtschaft an den Prinzipien der Nachhal- tigkeit ausgerichtet wird. Im Gegenzug können die Part- nerländer nur noch Holz in die EU einführen, das legal geschlagen wurde. Die Legalität wird durch eine soge- nannte FLEGT-Genehmigung nachgewiesen, die bei der Einfuhr in die EU von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten kontrolliert wird. Das Holzhandels-Si- cherungs-Gesetz sieht vor, dass die Kontrollen in Deutschland vom Bundesamt für Landwirtschaft und Er- nährung, BLE, und von den Zollbehörden durchgeführt werden. Aus meiner Sicht sind die freiwilligen Partnerschafts- abkommen und die Einführung des FLEGT-Genehmi- gungssystems der richtige Ansatz: Europa stellt nicht einseitige Gebote auf, sondern leistet Hilfestellung, um vor Ort eine legale und nachhaltige Waldbewirtschaf- tung aufzubauen. Dies ist eine wichtige Maßnahme ge- gen den Raubbau am Wald. Nur wenn sich eine legale und nachhaltige Waldnutzung wirtschaftlich lohnt, be- stehen auch Anreize, die Wälder auf Dauer zu erhalten. Ziel muss es sein, dass die Holzwirtschaft in den Part- nerländern langfristig zur Existenzsicherung der Men- s H b S s d d m m s n n d s z s E h h a n H k a E b a d D g fo d n H a re s z d b s M v k c ru g v ß S c la v z a a (C (D chen beitragen kann, die im und vom Wald leben. Für andel, Holzverarbeiter und Endverbraucher in Europa ringt die Einführung der FLEGT-Genehmigung mehr icherheit, dass Holz aus den Partnerländern legal ge- chlagen wurde. Damit möglichst viele Holzeinfuhren in die EU unter ie FLEGT-Genehmigung fallen, ist es wünschenswert, ass mit mehr Holzlieferländern Partnerschaftsabkom- en geschlossen werden. Die Partnerschaftsabkommen it Ghana, Kamerun, Kongo und der Zentralafrikani- chen Republik können nur ein Anfang sein. Sicher ist icht zu erwarten, dass mit allen Holzlieferländern Part- erschaftsabkommen vereinbart werden können. Aus iesem Grund ist es äußerst wichtig, die bereits ange- prochene EU-Holzhandelsverordnung auch umzuset- en. Um den illegalen Holzeinschlag einzudämmen, chreibt diese Verordnung den Marktteilnehmern in der U bestimmte Sorgfaltspflichten vor, und zwar unab- ängig vom Herkunftsland des Holzes. Neben der Hilfe zum Aufbau einer legalen und nach- altigen Waldbewirtschaftung bieten die Partnerschafts- bkommen auch den Vorteil, dass durch die FLEGT-Ge- ehmigung bestimmte Nachweispflichten aus der EU- olzhandelsverordnung entfallen. Es ist bereits jetzt er- ennbar, dass dies weitere Holzlieferländer motiviert, uch Partnerschaftsabkommen mit der EU anzustreben. s ist erfreulicherweise damit zu rechnen, dass die EU ald mit fünf weiteren Holzlieferländern Partnerschafts- bkommen abschließen wird. Im Holzhandels-Sicherungs-Gesetz ist vorgesehen, ass bei der Einfuhr von Holz aus Partnerländern nach eutschland die Überprüfung der FLEGT-Genehmigun- en durch das BLE sowie durch die Zollbehörden er- lgt. Um einen reibungslosen Datenaustausch zwischen en Behörden zu ermöglichen, ist die Anschaffung eines euen IT-Systems geplant. Die Investitionskosten in öhe von 500 000 Euro erscheinen auf den ersten Blick ls viel Geld. Wenn man aber bedenkt, dass in absehba- r Zeit weitere Länder hinzukommen werden und eine teigende Anzahl von Holzeinfuhren aus diesen Ländern u überprüfen sein wird, so wird die Verhältnismäßigkeit er eingesetzten Finanzmittel schnell gegeben sein. BLE und Zollbehörden müssen effektiv zusammenar- eiten, um Verstöße gegen das FLEGT-Genehmigungs- ystem aufzuspüren und illegal geschlagenes Holz vom arkt zu nehmen. Das Holzhandels-Sicherungs-Gesetz erleiht dem BLE die dafür erforderlichen Befugnisse: So önnen beispielsweise verdächtige Holzlieferungen si- hergestellt und untersucht werden. Entsprechen Liefe- ngen nicht den Anforderungen des FLEGT-Genehmi- ungssystems, so kann die Behörde diese Lieferung öllig aus dem Verkehr ziehen. Zur Ahndung von Verstö- en gegen das FLEGT-Genehmigungssystem sind zudem trafen und Bußgelder vorgesehen. Das Holzhandels-Si- herungs-Gesetz macht deutlich, dass für uns in Deutsch- nd der Handel mit illegal geschlagenem Holz kein Ka- aliersdelikt ist. Illegaler Holzeinschlag trägt nicht nur ur weltweiten Zerstörung der Wälder bei, er verzerrt uch erheblich den Wettbewerb auf dem Holzmarkt. Holz us illegalem Einschlag muss so gut es geht vom Markt 12130 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) genommen werden, damit die Marktteilnehmer, die legal und nachhaltig erzeugtes Holz anbieten, nicht benachtei- ligt sind. Das Holzhandels-Sicherungs-Gesetz ist ein wichtiger Schritt, um den Handel mit illegal geschlagenem Holz zu bekämpfen. Weitere Schritte müssen unbedingt fol- gen. Ich denke besonders an die Umsetzung der EU- Holzhandelsverordnung. Mit dem Holzhandels-Siche- rungs-Gesetz setzen wir im Internationalen Jahr der Wälder ein wichtiges Signal, dass Deutschland entschie- den gegen den Handel mit illegal geschlagenem Holz vorgeht und einen Beitrag zum weltweiten Schutz der Wälder leistet. Ich bitte Sie deshalb, diesem Gesetz zuzustimmen. Petra Crone (SPD): Leider muss ich auch im Inter- nationalen Jahr der Wälder meine Rede mit dem Satz be- ginnen: Die illegale Abholzung ist in vielen waldreichen Ländern der Welt immer noch gängige Praxis. Der ge- samte Verlust an Wald auf der Erde beläuft sich laut Be- rechnungen der Welternährungsorganisation FAO auf jährlich etwa 13 Millionen Hektar. Wir verlieren hier überwiegend Flächen des tropischen Regenwaldes, und wir verlieren Herzstücke der Biodiversität. Ein Verlust von 13 Millionen Kubikmeter hieße: Wir würden kom- plett unsere deutsche Waldfläche innerhalb eines Jahres verlieren. Illegaler Holzeinschlag ist ein Problem, das in seinen Ausmaßen nicht verheerend genug beschrieben werden kann – vom Verlust der Artenvielfalt bis hin zu den nachteiligen sozialen Folgen für die dortige Bevölke- rung. Waldrodung ist zudem für rund 20 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Was nach dem globalen Raub an der Natur zurückbleibt, ist ein zerstör- ter Wald. Er ist kein Lebensraum mehr – weder für Men- schen noch für Tiere und Pflanzen. Ein starker Motor für die Zerstörung der Wälder ist die internationale und die europäische Nachfrage nach billigem Holz. Die Einfuhr illegalen Holzes nach Deutschland liegt schätzungsweise bei 3 bis 6 Prozent. Würden wir uns nur die Tropenholzimporte anschauen, läge der Anteil wohl um einiges höher. Es ist fast un- möglich, belastbare Zahlen über den Raubholzhandel zu bekommen. Der Anteil an illegalem oder verdächtigem Holz wird bei Lieferungen aus Afrika oder Südostasien auf fast 50 Prozent geschätzt. Es herrscht also dringendster Handlungsbedarf. Im Jahr 2003 wurde auf europäischer Ebene der Aktions- plan „Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor“, kurz FLEGT, ins Leben gerufen. Ein Eckstein dieser Politik sind die freiwilligen Partner- schaftsabkommen zwischen der EU und holzausführen- den Ländern. Sie bezwecken eine aktive Einbeziehung waldreicher Länder, in denen sich der illegale Holzein- schlag jeden Tag vollzieht. Das uns vorliegende Holzhandels-Sicherungs-Gesetz setzt nun die europäische Verordnung zur Einrichtung ei- nes FLEGT-Genehmigungssystems für Holzeinfuhren in die Europäische Gemeinschaft in nationales Recht um. A V H s n E te k K Z s G d s ri D E v k lo s s d li h re L e w a v D w s h n ü s g u a M Is E s k g re fi ti L g A A L L (C (D m Ende soll, vor allem für die Verbraucherinnen und erbraucher, die Gewissheit stehen: Alle Hölzer und olzprodukte aus dem Partnerland sind legalen Ur- prungs. Hierzu wird die Fracht mit einer FLEGT-Ge- ehmigung versehen. Fehlt diese Genehmigung, ist die infuhr von Holzprodukten aus dem Partnerland verbo- n. Als erstes Partnerland hat Ghana Ende 2009 ein Ab- ommen mit der EU unterzeichnet. Die Republiken ongo und Kamerun werden folgen, später auch die entralafrikanische Republik. Die Ratifizierungen müs- en abgewartet warten. Weitere Verhandlungen sind im ange. Ich hoffe auf viele belastbare Abschlüsse, beson- ers mit Malaysia und Indonesien. Im Herkunftsland elbst wird ein Rückverfolgungssystem für Holz einge- chtet. Dieses soll die definierte Legalität gewährleisten. er erste und der wichtigste Kontrollpunkt ist unseres rachtens schon die Baumfällung. Die Vertragsparteien erpflichten sich zudem, eventuelle negative Auswir- ungen des Abkommens auf die Existenzgrundlagen der kalen Gemeinschaften zu verhindern. Es werden bei- pielsweise Einkommensalternativen für Holzfäller ge- chaffen. Es darf aber auch nicht verschwiegen werden, dass er Erfolg der Partnerschaftsabkommen im Wesent- chen von der politischen Situation in den Ländern ab- ängen wird. Bestehen stabile rechtsstaatliche Struktu- n und eine Verwaltung, die die Einhaltung der egalität sichert? Oder besteht erhöhtes Risiko, dass ine illegale Regelung durch einen Federstrich legal ird? Die Unterstützung von guter Regierungsführung uch im Rahmen der FLEGT-Maßnahmen bleibt daher on zentraler Bedeutung. Wie gestaltet sich nun die Kontrolle in Deutschland? as wird durch das vorliegende Gesetz geregelt. Vorab ill ich anmerken: Ein Gesetz kann immer nur so gut ein, wie dessen Umsetzung gelingt. Als zuständige Be- örde ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Er- ährung vorgesehen. Sie wird alle FLEGT-Zertifikate berprüfen. Bei Zweifeln am FLEGT-Genehmigungs- chein dürfen Proben auf Kosten des Importeurs durch- eführt werden. Zur Untersuchung des Holzes müssen nserer Auffassung nach neben dem genetischen Finger- bdruck-Verfahren alle wissenschaftlich anerkannten ethoden angewendet werden, vor allem die Stabile- otopen-Analytik. Jeder Ort der Welt besitzt durch die igenheiten von Geografie und Klima ein charakteristi- ches Isotopenmuster. Dank dieses einmaligen Musters ann überprüft werden, ob eine behauptete Herkunftsan- abe auch stimmt. Was sich schon im Lebensmittelbe- ich bewährt hat, sollte ebenso für Holz Anwendung nden. Darüber hinaus erscheinen der SPD-Bundestagsfrak- on 16 Stichproben beim Zoll, also bei nur 1 Prozent der ieferungen, zu gering. Wir nehmen aber die Bundesre- ierung beim Wort: Bei begründetem Verdacht werde die nzahl der Stichproben ausgeweitet. Der Zoll wird laut uskunft des BMELV in der letzten Ausschusssitzung ieferungen aus kritischen Regionen vermehrt unter die upe nehmen. Die gelieferten Daten und Erkenntnisse Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12131 (A) ) )(B) sollten in der Folge einem europaweiten Datenaustausch zugeführt werden. Er muss gegenseitig und unverzüglich stattfinden können. Der Handel mit illegalem Holz kennt schließlich auch keine Grenzen. Die Gefahr der Re-Im- porte über Transitländer in unsere Märkte bleibt weiterhin bestehen. Ein Manko werden auch die im FLEGT-Ab- kommen nicht erfassten Holzproduktgruppen bleiben: Möbel, Papier, Holzkohle und Brennholz werden nicht berücksichtigt. Die SPD-Bundestagsfraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf dennoch zustimmen. Der weitaus umfang- reichere Part erwartet uns bei der erforderlichen nationa- len Umsetzung des europäischen Holzhandelsgesetzes Mitte bis Ende 2012. Mithilfe des FLEGT-Genehmi- gungssystems für Holzeinfuhren in die Europäische Ge- meinschaft kann die legale Nutzung der Wälder im FLEGT-Partnerland zumindest garantiert werden. Ich be- tone: Es geht um die Legalität. Zukünftig wird es aber da- rauf ankommen, dass wir der Legalität die Nachhaltigkeit an die Seite stellen. Gerade in der beginnenden Garten- möbelsaison möchte ich auf die legale, ökologisch und sozial verantwortliche Waldbewirtschaftung verweisen, die beispielsweise das FSC-Siegel garantiert. Ohne nach- haltige Waldnutzung wird es nicht gehen – das gilt im Üb- rigen auch für unseren deutschen Wald. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Wir wollen in- takte Primärwälder erhalten. Naturnahe Wälder sind die wichtigsten und größten Schatzkammern der Artenviel- falt. Sie sorgen für eine bessere Luftqualität und produ- zieren Sauerstoff. Für die Menschen vor Ort stellen in- takte Urwälder die Lebensgrundlage dar, sie schützen den Boden und das Wasser, liefern Nahrung und wertvolle nachwachsende Rohstoffe. Sie sind zudem entscheidend an der Speicherung von atmosphärischem Kohlenstoffdi- oxid beteiligt. Laut IPCC, dem Intergovernmental Panel on Climate Change, stammen bis zu 30 Prozent der zu- sätzlichen Belastungen der Atmosphäre mit Kohlenstoff- dioxid aus der Zerstörung von Wäldern. Nach Angaben der FAO gingen in den letzten zehn Jahren jährlich 13 Millionen Hektar naturnaher Wälder verloren. Das ist mehr als die gesamte Waldfläche Deutschlands. Insbesondere die Rodung von Wäldern für den Anbau von Soja, die Weidehaltung und die An- lage von Palmölplantagen, aber auch der illegale Holz- einschlag bedrohen die wertvollen Waldflächen. Der Raubbau ist in den Staaten der Tropen Afrikas, Südost- asiens und Südamerikas erheblich und die Satellitenbil- der machen es deutlich. An diesen Verlusten hat der ille- gale Holzeinschlag einen erheblichen Anteil. Die Zahlen aus dem „Global Forest Resources Assessment 2010“ der FAO zeigen eindeutig: Außerhalb Europas wird nur ein Bruchteil der Wälder nach den Kriterien der Nach- haltigkeit bewirtschaftet. Deutschland gehört wie China, die USA und Japan zu den großen Importländern von Holz und Holzprodukten. Wir sind uns fraktionsübergreifend einig, dass bei der Bekämpfung des illegalen Holzeinschlags und des Holz- handels Handlungsbedarf besteht. Etwa ein Drittel ihres Rohholzbedarfs importiert die EU aus Drittstaaten. Des- h u li s g b d H E 2 G is v w s fü tr n te m s fe D B li u te te te b d w b o d s b fü ß d s m g ta s li re a v d h d A e d u p li (C (D alb haben wir eine besondere Verantwortung, dass von ns genutztes Holz nur aus legaler und selbstverständ- ch auch nachhaltiger Bewirtschaftung von Wäldern tammt. Wir sind uns einig, dass der Handel mit illegal eschlagenem Holz und dessen Import in die EU unter- unden werden muss. Die FDP unterstützt ausdrücklich en Kampf gegen den illegalen Holzeinschlag und den andel mit solchem Holz. Ein wichtiger Baustein ist die im Jahr 2005 auf U-Ebene beschlossene FLEGT-Verordnung (EG) 2173/ 005; dabei steht FLEGT für Forest Law Enforcement, overnment and Trade. Ziel der europäischen Initiative t es, mithilfe von freiwilligen Partnerschaftsabkommen, on Voluntary Partnership Agreements oder VPAs, die ichtigen Herkunftsländer von Tropenholz zu einer bes- eren Überwachung und nachhaltigen Waldwirtschaft zu hren. Dazu müssen Einfuhrbeschränkungen in Kraft eten, sodass nur noch Hölzer mit gültiger FLEGT-Ge- ehmigung in die EU importiert werden dürfen. Wir un- rstützen die Bemühungen der Kommission, mit einer öglichst großen Zahl von Herkunftsländern Partner- chaftsabkommen auszuhandeln. Allerdings müssen wir ststellen, dass derzeit VPA lediglich mit Kamerun, der emokratischen Republik Kongo, Ghana und Kongo- razzaville abgeschlossen wurden. Somit ist bisher ledig- ch ein kleiner Teil der Holzimporte erfasst. Es ist aus nserer Sicht entscheidend, vorrangig die größten Expor- ure von Tropenholz wie Indonesien in das FLEGT-Sys- m einzubinden. Nur so können die am stärksten bedroh- n Wälder auch effektiv geschützt werden. Die Regelungen im Holzhandels-Sicherungs-Gesetz edeuten für die betroffenen Holzhandelsunternehmen ie Erhöhung ihres wirtschaftlichen Risikos. Die Verant- ortung für fehlerhaft ausgestellte Zertifikate liegt allein ei den Importeuren. Zudem erzeugen die FLEGT-Ver- rdnung, die Ende 2010 verabschiedete EU-Holzhan- elsverordnung (EU) 995/2010 und das vorliegende Ge- etz einen deutlichen bürokratischen Mehraufwand. Dies etrifft die Wirtschaft wie die zuständige Bundesanstalt r Landwirtschaft und Ernährung, die BLE, gleicherma- en. Auch wenn die genannten Maßnahmen zur Rettung er Tropenwälder ein sinnvoller Beitrag sein werden, ollte angesichts des bisher sehr geringen Liefervolu- ens aus Partnerländern insofern mit Bedacht vorgegan- en werden. Allein die Investitionen in ein Datenaus- uschsystem zwischen der BLE und den Zollbehörden oll laut Begründung des Gesetzes etwa eine halbe Mil- on Euro kosten. Um diese erheblichen Investitionen zu chtfertigen, müssen zügig mit weiteren Ländern VPAs bgeschlossen werden. Es muss kritisch die Höhe der In- estitionen überprüft werden. Auf nationaler Ebene sind die zuständigen Behörden azu angehalten, für eine zügige Umsetzung des Holz- andels-Sicherungs-Gesetzes zu sorgen. Die Kontrollen urch die Zollbehörden müssen risikoorientiert und in bstimmung mit den betroffenen Wirtschaftsbereichen rfolgen. Aus diesem Grund begrüßen wir die Initiativen es Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft nd Verbraucherschutz, schnellere, zuverlässigere und raktikablere Methoden zur Kontrolle zu entwickeln. Aus beraler Sicht können neue wissenschaftliche Methoden 12132 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) helfen, Verdachtsfälle eindeutig aufzuklären und die Kontrollen wesentlich zu vereinfachen und zu beschleu- nigen. Beispiele sind das genetische Fingerprinting, das am Institut für Forstgenetik des von-Thünen-Institutes in Großhansdorf entwickelt wird, oder die Isotopenanalyse. Angesichts der erschwerten Beweisführung bei Ver- dachtsfällen und angesichts des wirtschaftlichen Risikos für die Holzimporteure, die oft dem Mittelstand angehö- ren, sind wir auf moderne und effiziente Kontrollmetho- den angewiesen. Die FDP-Fraktion unterstützt die Bemühungen der Bundesregierung beim Kampf gegen den illegalen Holz- einschlag, und wir freuen uns, dass im Ausschuss für Er- nährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz alle Fraktionen für den Gesetzentwurf gestimmt haben. Wir stimmen dem Holzhandels-Sicherungs-Gesetz im Bun- destag zu und setzen uns ausdrücklich dafür ein, weitere Länder in das FLEGT-System mit einzubeziehen. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Illegaler Holzeinschlag bedroht weltweit die Wälder. „Bei der Ernte, Transport, Einkauf oder Verkauf des Holzes wird gegen nationale oder internationale Gesetze verstoßen“, schreibt der WWF. Das ist inakzeptabel. Auch bis zu 6 Prozent der Holzeinfuhren nach Deutschland sind ille- gal. Diese Zahl bezieht sich auf alle Hölzer, also auch EU-Holz. Bezogen auf Holz aus Drittländern dürfte der Prozentsatz illegalen Holzes noch deutlich höher sein. Beispielsweise sollen 80 Prozent des Amazonasholzes aus Raubbau stammen. Das ist ein lukrativer krimineller Markt, der dringend geschlossen werden muss. Zuletzt debattierte der Bundestag im Frühjahr 2010 über das Thema, als eine EU-Verordnung über Holz und Holzerzeugnisse erarbeitet wurde. Bei allen Meinungs- verschiedenheiten in Detailfragen wurde dennoch klar: Europa kämpft gemeinsam gegen Holz aus Raubbau. Bereits 2003 verabschiedete die EU einen FLEGT-Ak- tionsplan. Mit diesem soll der illegale Holzhandel ver- hindert und freiwillige Partnerschaftsabkommen mit Drittstaaten gestärkt werden, die sich an überprüfbare Forstgesetze halten. Die Linke begrüßt das ausdrücklich. Wir treten für eine nachhaltige, also soziale, ökologische und wirtschaftliche, Forstwirtschaft ein. Dazu gehört, dass Holzabbau selbstverständlich nur in Gebieten erfol- gen darf, die für Holznutzung ausgewiesen sind. Natio- nalparke und andere Juwelen der Artenvielfalt müssen tabu sein. Der heute zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf dient zunächst nur der Einrichtung eines nationalen Ge- nehmigungssystems für Holzeinfuhren aus Ländern, mit denen ein Partnerschaftsabkommen geschlossen wurde. Damit wird eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2005 in deutsches Recht umgesetzt. Es geht dabei um Holz aus Partnerländern wie zum Beispiel Ghana, Kamerun oder der Republik Kongo. Diese Länder haben sich gegen- über der EU verpflichtet, dem illegalen Raubbau den Kampf anzusagen. Sie haben eigene Forstgesetze erlas- sen und ein Prüf- und Kontrollsystem entwickelt. Damit wird das Holz aus diesen Ländern schon deutlich stärker unter die Lupe genommen als das Holz aus anderen Im- p k u b B b B le d ra z w v Z a n d s u B n T n R g g v d ri la P is p rü ri S d D m is R S g d c h R D w w h B w g d W (C (D ortländern. Trotzdem muss natürlich auch dieses Holz ontrolliert werden. Was bringt das Gesetz? Erstens. Verbraucherinnen nd Verbraucher können ihren Beitrag gegen den Raub- au an Wäldern leisten. Dazu ein Beispiel: Ein deutscher auhandel hat Gartenmöbel bei einem Möbelhersteller estellt. Der baut diese aus Holzimporten aus Ghana. isher konnte man nicht sicher sein, dass der Stuhl aus galem Holz gebaut wurde. Jetzt erhöht sich die Chance er Legalität, denn Baumärkte können und werden da- uf achten, nur noch Gartenmöbel von einem Hersteller u kaufen, der keine krummen Geschäfte macht. Wer ill schon Ärger mit dem Zoll – und damit die Kunden erschrecken? Der Hersteller muss die entsprechenden ertifikate des Partnerlandes besitzen. Stammt das Holz us einer illegalen Quelle – wurde also zum Beispiel in ei- em Naturschutzgebiet ohne Genehmigung geschlagen –, ann wird es aus dem Verkehr gezogen. Es droht eine aftige Strafe: ein Jahr Gefängnis oder 50 000 Euro. Zweitens. Durch die Nachfrage nach legalem Holz nd durch die Kampfansage an illegales Holz wird die iodiversität geschützt. Denn die forstlich nicht oder icht mehr genutzten Waldbereiche dieser Erde sind für iere und Pflanzen von großer Bedeutung. Sie stellen ei- en Rückzugsraum für bedrohte Arten dar, sie geben aum für natürliche Entwicklungsprozesse und sind das enetische Sparkonto für die Zukunft. Denn nur wenn enetische Vielfalt vorhanden ist, können sich Arten an eränderte Umweltbedingungen anpassen. Darum tritt ie Linke für 5 Prozent ungenutzte Waldflächen ein, üb- gens nicht nur international, sondern auch in Deutsch- nd. Drittens. Die EU gibt ein deutliches Zeichen an die artnerländer: Sie definiert, was legale Forstwirtschaft t, und erarbeitet ein Kontrollsystem, damit die kom- lette Kette vom Baumarkt bis zum Herkunftsland zu- ckverfolgt werden kann. Mit all dem geht der vorliegende Gesetzentwurf in die chtige Richtung. Neben Licht gibt es allerdings auch chatten zu erwähnen. Zum Beispiel soll nur 1 Prozent er Lieferungen stichprobenartig kontrolliert werden. as betrifft nach Kalkulation des BMELV in den kom- enden Jahren nur circa 16 jährliche Stichproben. Das t viel zu wenig. Die Kontrollen sollten sich an den isiken der Produktkategorien und Herkünfte bemessen. obald ein begründeter Verdacht besteht, muss einge- riffen und kontrolliert werden. Insofern ist der Zoll in er Pflicht, begründeten kritischen Hinweisen auf mögli- he illegale Holzlieferungen nachzugehen. Bedauerlich ist auch, dass nicht gleichzeitig die Holz- andels-Verordnung aus dem Jahr 2010 in nationales echt übernommen wird. Anscheinend soll noch auf die urchführungsbestimmungen gewartet werden, sodass ir das Holzhandels-Sicherungs-Gesetz wohl erst 2013 ieder im Bundestag debattieren werden. Man kann nur offen, dass dann wenigstens das Ergebnis den langen eratungszeitraum rechtfertigt. Denn eigentlich dürfen ir keine Zeit mehr verlieren im konsequenten Kampf egen den Raubbau am Wald. Dabei dürfen wir aber urchaus auch vor der eigenen Tür kehren, denn die aldstrategie 2020 der Bundesregierung lässt ja leider Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12133 (A) ) )(B) weiter auf sich warten. Trotzdem stimmt die Linke dem heute vorliegenden Gesetzentwurf zu. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bünd- nis 90/Die Grünen begrüßen, dass die Bundesregierung es im Internationalen Jahr der Wälder endlich geschafft hat, diesen Gesetzentwurf vorzulegen, und stimmen ihm zu. Denn er ist die überfällige Umsetzung der FLEGT-Verord- nung, die die EU zur Bekämpfung des Handels mit illega- lem Holz bereits im Dezember 2005 beschlossen hat – übrigens seinerzeit noch unter Mitwirkung des Interims- Agrarministers Jürgen Trittin. Man fragt sich, warum sich die Bundesregierung mit der Umsetzung so viel Zeit gelassen hat, wenn es vor al- lem darum ging, die für die Kontrolle von FLEGT-Holz- importen zuständigen Behörden zu benennen. Die Um- setzung hätte schon längst erfolgen können. Andererseits sind die Folgen dieser Trödelei begrenzt, weil es bis vor kurzem gar keine Partnerschaftsabkommen auf Grund- lage der FLEGT-Verordnung gegeben hat. Dementspre- chend waren auch keine FLEGT-Importe zu kontrollie- ren. Nun darf man sich jedoch trotz des vielversprechen- den Namens keine Illusionen über die Reichweite des Gesetzes hingeben: Das „Gesetz gegen den Handel mit illegal eingeschlagenem Holz“ wird vorerst nur für Im- porte aus Ländern gelten, mit denen die EU tatsächlich ein FLEGT-Partnerschaftsabkommen abgeschlossen hat. Das sind laut gestriger Auskunft der Bundesregierung erst vier Länder: Ghana, Kongo-Brazzaville, Kamerun und demnächst auch die Zentralafrikanische Republik. Nach Lage der Dinge wird es noch Jahre dauern, bis alle wichtigen Holzhandelsländer, in denen es illegalen Holzeinschlag gibt, ein Abkommen unterschrieben ha- ben werden. Bisher wird nur mit einem Teil der fragli- chen Länder verhandelt, immerhin aber mittlerweile mit den großen Urwaldländern Indonesien und Brasilien. Die Zeit drängt, denn jedes Jahr gehen 13 Millionen Hektar Urwald verloren. Daran erkennt man, wie falsch es von den Gegnern ei- nes Importverbotes für illegales Holz all die Jahre lang gewesen ist, zu sagen: Wir brauchen kein Importverbot für illegales Holz, weil wir FLEGT haben. – Wir haben uns hier im Bundestag jahrelang darüber gestritten, ob es möglich ist, ein nationales Importverbot für illegales Holz zu erlassen. Und wir haben uns darüber gestritten, ob die Bundesregierung ein EU-weites Importverbot für illegales Holz fordern sollte. Diese unsere Forderungen haben Union und SPD in der letzten Legislaturperiode hier im Bundestag allesamt abgelehnt. Nun hat die EU auch ohne Druck durch die Bundesre- gierung mit der FLEGT-Holzhandelsverordnung vom 20. Oktober 2010 ein faktisches Verbot für illegal einge- schlagenes Holz beschlossen. Ein Verbot, das für alle Länder gilt. Auf dieses EU-weite Importverbot für ille- gales Holz haben wir Bündnisgrüne jahrelang gedrängt. Der Wermutstropfen ist, dass es erst im März 2013 in Kraft tritt. s g z R m E A z s w s is la A B u e S a z w N d k re o le w rü T d P b n w n d je d b m d F d a le (C (D Deshalb werden wir Grüne auf einen schnellen Ab- chluss weiterer FLEGT-Partnerschaftsabkommen drän- en und natürlich auf eine rechtzeitige und zügige Umset- ung der FLEGT-Holzhandelsverordnung in nationales echt, damit illegales Holz auf dem europäischen Holz- arkt keine Chance mehr hat. Das wäre dann ein weiterer rfolg für den Schutz der Wälder dieser Welt. nlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Hochschulzulassung bundesgesetzlich regeln – Sozialen Zugang und Durchlässigkeit in Masterstudiengängen si- chern (Tagesordnungspunkt 15) Monika Grütters (CDU/CSU): Nun reden wir heute um wiederholten Male über das neue Hochschulzulas- ungsverfahren, das wir alle deshalb einführen wollten, eil wir den vielen Studierenden in Deutschland ein bes- eres Verfahren bieten wollen, als es derzeit vorhanden t. Wir wollten das europaweit modernste Hochschulzu- ssungsverfahren für Deutschland an den Start bringen. us Verantwortung für die Studierenden hat sich der und deshalb zu einer einmaligen Investition von sage nd schreibe 15 Millionen Euro bereit erklärt, mit der ine neue Software entwickelt worden ist, die es den tudierenden ermöglicht, bis zu neun Studienwünsche n den verschiedenen Hochschulen gleichzeitig zu plat- ieren. Im Idealfall hätte man also für die Studierenden irklich die Lebenssituation entscheidend verbessert: icht mehr zwischen zwei nacheinander zu entscheiden- en Studienwünschen hätten sie ihre Zukunft planen önnen, sondern gleich neun Varianten könnten ihnen lativ kurzfristig die Entscheidung über ihren Studien- rt – und das heißt: über ihren weiteren Lebensweg – er- ichtern. Wir alle gemeinsam, quer über alle Parteigrenzen hin- eg, sind enttäuscht, frustriert, aber auch verärgert da- ber, dass allen Aussagen der Verantwortlichen zum rotz jetzt, Mitte April 2011, erkannt werden muss, dass er ehrgeizige Zeitplan zum Start dieses so wichtigen rojektes vom Wintersemester 2011/12 auf zunächst un- estimmte Zeit verschoben werden muss. Es ist nicht achvollziehbar, dass die verantwortlichen Projektent- ickler, Vertreter der Länder und der Hochschulen, uns och Mitte März im Ausschuss einen pünktlichen Start es Zulassungsverfahrens in Aussicht gestellt haben und tzt, gerade einmal drei Wochen später, zugeben, dass ie großen Probleme bei der Softwareumstellung offen- ar kurzfristig überhaupt nicht in den Griff zu bekom- en sind. Wir alle fragen uns und natürlich auch diejenigen, die arüber Auskunft hätten geben können, wie eine solche ehleinschätzung zustande kommen konnte. Aber mit er Fragestellung ist ja jetzt nichts erreicht. Wir sind ver- ntwortlich dafür, dass sich die Situation der Hochschu- n und natürlich vor allem der Studierenden in absehba- 12134 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) rer Zeit verbessert wird. Nach wie vor ist es die Überzeugung der CDU, dass ein zentrales Zulassungs- verfahren, das den Studierenden viele Wahlmöglichkei- ten anbietet, die beste Lösung ist – besser jedenfalls als das bisherige Verfahren, in dem dezentral alle Hoch- schulen und Länder unterschiedliche Wege gehen. Das Gebot der Stunde ist deshalb tatsächlich ein zentrales Verfahren, so wie es jetzt geplant ist. Wir sind auch zu- versichtlich, dass die Software zukünftig sehr attraktiv sein wird. Deshalb ist es jetzt zuallererst nötig, die be- rühmte „Schnittstellenproblematik“ mit der Vielzahl ver- schiedenartiger Zulassungssysteme zu lösen. Wir müssen mit allem Nachdruck der Gefahr begeg- nen, dass jetzt einige ohnehin zögerliche Hochschulen sich aus dem künftigen gemeinsamen Verfahren wieder abmelden oder gar nicht erst mitmachen wollen. Was die Situation aber sicher nicht verbessern würde, wäre der im Antrag der Linken skizzierte Weg eines Bundesgeset- zes, so wie es auch der ehemalige Präsident der Hoch- schulrektorenkonferenz Landfried in seiner gewohnt markigen Art in der Presse vorgeschlagen hat. Wir setzen nach wie vor auf die Autonomie der Hoch- schulen. Das ist ein sehr hohes Gut in der Wissenschaft. Nicht der Bund, sondern vielmehr das Hochschulinfor- mationssystem, HIS, und die Stiftung für Hochschulzu- lassung sind jetzt in der Pflicht, eine schonungslose Feh- leranalyse vorzunehmen, ihren selbst so genannten „Aktionsplan“ zu konkretisieren und vor allem einen se- riösen Zeitplan dafür vorzulegen. Das sind sie nicht nur dem Bund als Hauptgeldgeber für die neue Software schuldig, sondern vielmehr den Hochschulen und noch mehr den Studierenden. In der Bewertung des gesamten Vorgangs sind wir uns sicher fraktionsübergreifend einig. Fürs Erste haben sich die Projektentwickler mit ihren kurzfristig gegebenen Zusagen für einen Start zum Wintersemester 2011 und ihrem jetzigen Eingeständnis, dass das auf absehbare Zeit verschoben wird, blamiert. Die CDU bleibt jedoch bei ihrer Überzeugung: Das Dialogorientierte Service- verfahren zu entwickeln, war und ist noch immer richtig. Es bietet gegenüber der derzeitigen Situation Vorteile für alle Beteiligten – für Studienanfänger wie für die Hoch- schulen. Erstens bietet es die Möglichkeit, ein zentrales Vergabeverfahren zu organisieren, ohne die Hochschu- len ihrer Autonomie zu berauben. Darüber hinaus be- schleunigt es die Studienplatzvergabe und räumt den Studierenden mehr Möglichkeiten bei der Wahl ihres Studienortes ein. Zweitens kann das neue Verfahren die Studienplatzvergabe schneller, effizienter und transpa- renter organisieren, wenn es denn einmal funktioniert. Deshalb halten wir es nach wie vor für richtig, dass wir als Parlament an dieser Stelle – trotz aller derzeitigen Probleme – auch noch einmal unsere grundsätzliche Un- terstützung für dieses Projekt dokumentieren. Der unmittelbar ersichtliche Nutzen eines solch ver- besserten Verfahrens für alle daran Beteiligten war und bleibt ja auch der Grund, der den Bund zu einer An- schubfinanzierung von 15 Millionen Euro veranlasst hatte, obwohl diese Aufgabe – wie alle anderen auch – eigentlich in die Zuständigkeit der Länder gefallen wäre. Ic e a g L li w S a d d s S a s c d w S s lu L m s s la D w Z g w z s u m le z w s S Z A S w L fa m H T te n S s a S B 3 (C (D h darf an dieser Stelle sicher auch noch einmal daran rinnern, dass das Dialogorientierte Serviceverfahren uch von der SPD befürwortet worden ist, mit der wir emeinsam die Anschubfinanzierung in der vergangenen egislaturperiode auf den Weg gebracht haben. Nun ist es angesichts der derzeitigen Situation letzt- ch natürlich richtig, die Einführung zu verschieben, eil auch insofern für alle gilt: Sicherheit geht vor chnelligkeit. Wir hatten ja schon in der Anhörung her- ushören können, dass die Stiftung schweren Herzens iesen Weg im Zweifelsfall gehen würde, weil die Be- enken in Bezug auf die berühmten Schnittstellen zwi- chen der neuen Software und den verschiedenen älteren ystemen schon lange vorhanden waren. Wir vertrauen uch weiter auf die hohe Professionalität der ausgewie- enen Experten vom Fraunhofer-Institut für Rechnerar- hitektur und Softwaretechnik und auch darauf, dass sie iejenigen sind, die im Kontakt mit den Softwareverant- ortlichen an den einzelnen Hochschulen künftig diese chnittstellenprobleme überwinden können. Eine Bundesgesetzgebung, wie der Antrag der Linken ie vorschlägt, hätte den Prozess der Softwareentwick- ng sicher nicht beschleunigen können. Und jetzt, wie andfried es vorschlägt, innerhalb von sechs Wochen al schnell ein Bundesgesetz für einheitliche Zulas- ungsregeln zu erlassen, ist völlig naiv. Da kann man ich über einen Profi wie Landfried, der die Hochschul- ndschaft aus seiner Amtszeit noch kennt, nur wundern. enn nur durch eine bundesgesetzliche Zuständigkeit ürden Schnittstellen auch nicht kompatibler. Was ist die Konsequenz aus der derzeitigen Situation? unächst einmal ist es ja schon bizarr, dass wir heute alle emeinsam hier diese Debatte führen müssen – hatten ir doch vor drei Wochen den Eindruck, Zeugen eines ufriedenstellend funktionierenden künftigen Zulas- ungssystems werden zu können. Jetzt gilt: Wir müssen ns als Parlament offensichtlich noch häufiger und eng- aschiger von den Verantwortlichen in den Hochschu- n, in den Ländern und bei der Stiftung für Hochschul- ulassung wie auch bei HIS darüber informieren lassen, ie der tatsächliche Stand des Projektes ist. Denn das ind wir alleine als Geldgeber – 15 Millionen Euro – den tudierenden und den Hochschulen als potenziellen ielgruppen und Nutznießern des Verfahrens schuldig. ußerdem sollten wir bei der Betreuung der nächsten chritte beachten, dass es auch um die neuerdings aufge- orfenen Fragen des Datenschutzes geht, dass auch ehramtsstudiengänge künftig in diesem Verfahren er- sst werden und dass die Hochschulen in Deutschland öglichst flächendeckend teilnehmen und nicht einige ochschulen jetzt die Chance nutzen, sich langfristig der eilnahme zu entziehen. Auch müssen wir darauf ach- n, dass die Länder ihren Folgefinanzierungspflichten achkommen. Die 15 Millionen sind ja jetzt nur für die oftwareentwicklung verausgabt worden, die Länder ind also künftig in der Finanzierungspflicht. Es war usgerechnet worden, dass bei ungefähr 20 Euro pro tudienplatz im Rahmen dieses Verfahrens für jedes undesland Kosten in Höhe von 80 000 Euro bis 00 000 Euro entstehen werden – eine Summe also, die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12135 (A) ) )(B) meines Erachtens sehr wohl von den Ländern im Inte- resse ihrer Studierenden erbracht werden kann. Passen wir also auf, dass jetzt hier nicht neue Fragezeichen an das Gesamtprojekt gemacht werden. Zum Antrag der Linken abschließend noch ein paar Worte: Es ist natürlich ihr gutes Recht und der klassische Trick, anhand eines konkreten Vorgangs ideologische Grundsatzfragen aufzuwerfen. Auch ein Zulassungsver- fahren wird generelle bildungspolitische Sachverhalte nicht umfassend lösen können. Dass die Schere zwi- schen bildungsfernen und bildungsnahen Schichten sich vergrößert, ist schlicht falsch: Sie wird substanziell klei- ner; immer mehr Kinder aus bildungsfernen Schichten studieren. Das wissen auch Sie von den Linken; ich weise nur auf die HIS-Studie „Studienberechtigte 2008“ hin. Sie möchten, dass die Studierendenquote in Deutschland erhöht wird. Auch das ist bereits seit Jahren der Fall. Inzwischen ist es so, dass 46 Prozent eines Jahr- gangs auf die Hochschulen gehen. Die Studierenden- quote in Deutschland wurde in den vergangenen Jahren also bereits massiv erhöht, und das ist vor allem der Er- folg des Hochschulpakts und seiner Architektinnen und Architekten. Sie sollten auch in Bezug auf ihr Stichwort „Master- studium“ zur Kenntnis nehmen, dass Bachelorabsolven- ten auf dem Arbeitsmarkt nicht länger brauchen, um ei- nen Arbeitsplatz zu finden als ihre Kommilitonen mit anderen akademischen Abschlüssen. Auch sie benötigen im Durchschnitt drei Monate, um sich nach dem Ab- schluss einen ersten Arbeitsplatz zu suchen. Einen Rechtsanspruch auf den Master kann es nicht geben, weil es in der Logik konsekutiver Studiengänge einfach nicht vorgesehen ist. Sie können von mir aus die altbe- kannte Kritik hier immer wiederholen; leider bleibt sie substanzlos. Wenn Sie die Hochschulzulassung nur als Alibi für ihre Fundamentalkritik benutzen, dann schaden Sie den Studierenden und tragen nicht zu einer konstruk- tiven Auseinandersetzung bei. In der gegenwärtigen bedauerlichen Situation geht es weniger um große ideologische Rundumschläge, son- dern darum, dass wir gemeinsam und sehr pragmatisch dafür Sorge tragen, dass sich die Zulassungssituation in den überfüllten Studiengängen in Deutschland ent- schärft. Wir sind einem echten Service- und Dienstleis- tungsgedanken gegenüber den Studierenden verpflichtet. Deshalb haben wir mit 15 Millionen Euro an Bundesmit- teln ein Projekt auf den Weg gebracht, dass den Studie- renden und den Hochschulen ihr Leben erheblich er- leichtern könnte. Jetzt müssen die Projektentwickler ihre Pflicht tun – seriöser als bisher und ohne falsche Zeitvor- stellungen, aber doch mit dem Ziel vor Augen, die Miss- stände zu beseitigen. In absehbarer und vertretbarer Zeit muss den Studierenden das Angebot zur Verfügung ge- stellt werden, das man nach einer Investition von 15 Mil- lionen Euro an Bundesgeldern auch erwarten kann. Tankred Schipanski (CDU/CSU): Die Linken nut- zen die öffentlich gewordenen technischen Probleme bei der Stiftung für Hochschulzulassung, um ihre bildungs- politische Ideologie wieder einmal im Plenum zu disku- ti d s z ü h ri S d H e w d h u H S v ra k k n s d s H h s d g d b S d im n ti b H B ri d n g li re B m lu U e m re m s v (C (D eren. Lobenswert ist, dass auch die Linken erkennen, ass ein funktionierendes Verfahren zur Hochschulzulas- ung notwendig ist und dass die Stiftung für Hochschul- ulassung das richtige Instrument ist. Bereits in der gestrigen Ausschusssitzung zeigte sich ber die Fraktionsgrenzen hinweg Einigkeit dahin ge- end, dass das dialogorientierte Serviceverfahren ein chtiger und wichtiger Schritt ist, um die Vergabe von tudienplätzen transparenter zu machen und um es an ie Bedürfnisse der Studierenden, aber auch an die der ochschulen anzupassen. Darüber hinaus sind wir uns inig, dass wir jetzt in engem Dialog mit den Verant- ortlichen eine Fehleranalyse vornehmen müssen, bei er aufgeklärt wird, wo noch technische Probleme beste- en – viel wird ja in diesen Tagen über die Schnittstellen nd die Kompatibilitäten zwischen teilweise veralteter ochschulsoftware und der von T-Systems entwickelten oftware geredet. Hier brauchen wir Klarheit, um dann ernünftige Lösungsansätze und einen realistischen Zeit- hmen für die Einführung des Systems entwickeln zu önnen. Die aufgetretenen technischen Probleme sind jedoch eine rechtlichen. Dies verkennen die Linken, wenn sie unmehr als Allheilmittel ein „Bundeshochschulzulas- ungsgesetz“ fordern. In Ihrem Antrag betonten Sie, dass er Bund die ihm seit der Föderalismusreform 2006 zu- tehende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung des ochschulzuganges bislang noch nicht wahrgenommen abe. Damit sagen Sie zwar nichts grundsätzlich Fal- ches. Sie erwecken aber fälschlicherweise den Ein- ruck, dass es explizites Ziel der Föderalismusreform ewesen sei, die Hochschulzulassung zukünftig durch en Bundesgesetzgeber regeln zu wollen. Damit offen- aren Sie ein völliges Missverständnis in Bezug auf die ystematik dieser Reform. Zum einen ist nämlich mit em Wegfall der bundesgesetzlichen Rahmenkompetenz Hochschulrecht eine Kompetenzveränderung vorge- ommen worden, aus der sich nun wirklich kein Impera- v für eine verstärkte hochschulrechtliche Gesetzge- ungstätigkeit des Bundes herauslesen lässt. Beim Bund verbleiben Kompetenzen im Bereich der ochschulzulassung und der Hochschulabschlüsse. eide Kompetenzen stehen aber im Katalog der konkur- erenden Gesetzgebung und fallen unter die Regelung es Art. 72 Abs. 3 Grundgesetz; da geht es um die soge- annte Abweichkompetenz der Länder. Diese Vorschrift ibt den Ländern die Möglichkeit, auf eine bundesrecht- che Regelung wiederum mit abweichendem Landes- cht zu reagieren. Ihr Ansinnen, die Länder durch ein undesgesetz vor vollendete Tatsachen zu stellen, ist so- it mehr als fragwürdig, denn es läuft Gefahr, ein Rege- ngschaos zwischen Bund und Ländern hervorzurufen. nser Ziel sollte es sein, im Dialog mit den Ländern zu iner sinnvollen und zielorientierten Lösung zu kom- en. Das ist jedoch nicht der einzige Irrtum in Ihrer chtlichen Argumentation. Mit Interesse habe ich gelesen, dass Sie Ihren Antrag it Zitaten aus dem zweiten Urteil des Bundesverfas- ungsgerichts zum Numerus clausus aus dem Jahre 1977 erziert haben. Ich will mich an dieser Stelle aber gar 12136 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) nicht darüber streiten, wie sinnvoll oder vielmehr wie sinnlos es ist, einzelne Zitate aus dem Gesamtzusam- menhang höchstrichterlicher Rechtsprechung zu reißen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass Sie gut daran getan hätten, nicht nur dieses Urteil, sondern auch das wesent- lich grundlegendere Urteil des Bundesverfassungsge- richts aus dem Jahre 1972 zu dieser Thematik vollstän- dig zu lesen. Beide Urteile stammen aus einer Zeit, in der sich die Universitäten der Gesellschaft gegenüber in massivem Umfang geöffnet haben. Das Bundesverfas- sungsgericht stellte bereits 1972 selber fest, dass der Hochschulausbau mit der Verdoppelung der Zahl der Studienanfänger – Referenzzeit waren die Jahre 1952 bis 1967 – nicht Schritt halten konnte. Diese Ressourcen- knappheit infolge des stärksten Umbruchs unserer Uni- versitätslandschaft ist wohl kaum mit der heutigen Situa- tion zu vergleichen. Der angesprochenen Verdoppelung der Zahl der Studienanfänger steht im aktuellen Refe- renzzeitraum der letzten 15 Jahre ein Anstieg der Studie- rendenzahl um lediglich 13 Prozent gegenüber. Das Ur- teil entstammt also einer Zeit mit vollkommen unterschiedlichen bildungspolitischen Herausforderun- gen. Dennoch stellt das Bundesverfassungsgericht in die- sen Urteilen natürlich auch Grundlegendes fest, so etwa auch, dass eine Auswahl zwischen hochschulzugangsbe- rechtigten Bewerbern prinzipiell eine Ungleichbehand- lung prinzipiell Gleichberechtigter darstellt. Es betont daher richtigerweise auch den Grundsatz, dass Auswahl- regelungen jedem Zulassungsberechtigten eine Chance lassen müssen. Daraus ein generelles Recht auf die freie Wahl des Faches wie des Studienortes zu konstruieren, wie Sie es in Ihrem Antrag tun, ist aber doch verblüf- fend. Das Bundesverfassungsgericht selbst stellt in dem von Ihnen bemühten Urteil nämlich fest, ich zitiere: „In harten Numerus-clausus-Fächern […] konnte [der Grundsatz, jedem Zulassungsberechtigten eine Chance zu lassen,] aber von Anfang an nicht so verstanden wer- den, als müsse eine Zulassung zum Studium garantiert werden. Schon begrifflich schließt die Einräumung von Chancen das Risiko des Fehlschlages ein.“ In unserer Bundesrepublik geht es um Chancen- gleichheit und nicht um Gleichmacherei, wie Sie dies aus Ihrer sozialistischen Doktrin kennen. Davon zeugen auch noch andere Passagen Ihres Antrags. Mit einer ge- wissen Überraschung durfte ich in Ihrem Antrag lesen, dass die Hochschulzugangsberechtigung in Form des Abiturs „die logische Konsequenz aus der ständischen Gliederung des bundesdeutschen Schulsystems“ sei. Es ist schon sehr bezeichnend, dass Sie unser gegliedertes Schulsystem, das den individuellen Begabungen des Einzelnen gerecht zu werden sucht, mit Begriffen der mittelalterlichen Feudalgesellschaft belegen. Solche Formulierungen zeugen wohl eher von rhetorischer Ein- fallslosigkeit als von bildungspolitischem Verantwor- tungsbewusstsein. Ihre bildungspolitische Verantwortungslosigkeit zeigt sich zudem in Ihrer populistischen Forderung „Master- studium für alle“. Die Forderung nach ausreichenden Masterstudienplätzen ist legitim, aber nicht Ihre aben- te d z g Ih tu te R s b d s s H A q K A lo v b m d B a g d U b h d m g v m le in K d li te V S n A re s w te Ic z H Z in li e (C (D uerlichen Forderungen, Studienanfängern schon mit er Zulassung zum Bachelorstudiengang die Zulassung u einem darauf aufbauenden Masterstudiengang an der leichen Hochschule zu gewährleisten. Dazu sage ich nen: Ein Master für alle, am besten ohne jegliche Leis- ngsanforderungen, ist mit uns nicht zu machen. Wir treten dafür ein, dass bei der Auswahl der Mas- rstudierenden der Leistungsgedanke eine tragende olle spielt. Hier geht es nicht um Mangelverwaltung, ondern darum, den Hochschulen die Möglichkeit zu ge- en, besonders bei stark nachgefragten Studiengängen ie leistungsfähigsten Studierenden auszuwählen. Wie ie das tun – ob durch Auswahlgespräche, Motivations- chreiben, die Nachweise von Praktika –, wissen die ochschulen selbst am besten, und deshalb sollte die uswahlentscheidung ihnen überlassen bleiben. Für uns ist und bleibt der Bachelor der erste berufs- ualifizierende Abschluss und kein Abschluss „zweiter lasse“ – zu dem Sie ihn gern degradieren würden. uch Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass der Bache- r in der Wirtschaft auf breite Akzeptanz stößt. Absol- enten eines Bachelorstudienganges finden auf dem Ar- eitsmarkt genauso schnell eine Stelle, wie dies Kom- ilitonen mit Magister- oder Diplomabschluss tun, und ie Rate der Arbeitslosigkeit liegt mit rund 3 Prozent für achelorabsolventen nicht höher als für Absolventen mit nderen Hochschulabschlüssen. Allerdings besteht auf- rund fehlender Erfahrungen hinsichtlich der Qualität er Bachelorabschlüsse in einigen Unternehmen noch nsicherheit darüber, wie Bachelorabsolventen im Hin- lick auf ihre Kompetenzen und Potenziale fachlich und ierarchisch einzustufen sind. Deshalb werben wir dafür, ass die Akzeptanz in den Unternehmen weiter steigt. Ihr Antrag enthält weitere Vorurteile, die es auszuräu- en gilt. Die Linke unterstellt, dass durch die derzeiti- en Vergabeverfahren eine soziale Selektion zulasten on Studierenden aus Arbeiterfamilien oder Familien it niedrigerem Einkommen stattfindet. Allein den Be- g für ihre Behauptung bleiben Sie uns schuldig. Bereits der Antwort – das ist Drucksache 17/373 – auf eine leine Anfrage Ihrer Partei auf Drucksache 17/183 hat ie Bundesregierung festgestellt: „Der Bundesregierung egen keine Erkenntnisse darüber vor, dass das erwei- rte Selbstauswahlrecht der Hochschulen nachteilige eränderungen bei der sozialen Zusammensetzung der tudierenden bewirkt hätte.“ Durch verschiedene Maß- ahmen – wie BAföG-Novelle, Stipendiengesetz und ufstiegsstipendien – versuchen wir, die Chancenge- chtigkeit zu erhöhen und Menschen aus allen gesell- chaftlichen Schichten ein Studium zu ermöglichen Als Partei der Utopien haben Sie natürlich auch noch eitere unrealistische Forderungen in Ihrem Antrag un- rgebracht: 500 000 zusätzliche Studienplätzen für alle. h darf Sie an dieser Stelle auf den Boden der Tatsachen urückholen. Bereits in der ersten Programmphase des ochschulpaktes wurde das ursprünglich verabredete iel, 91 370 zusätzliche Studienplätze zu schaffen, mit sgesamt 182 193 zusätzlichen Studienanfängern deut- ch übertroffen. Für die zweite Programmphase wurde ine Aufstockung um weitere 275 000 Plätze vereinbart. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12137 (A) ) )(B) Der Bund engagiert sich also hier bereits in überdurch- schnittlichem Maße. Utopische Forderungen zu stellen, ohne einen Vorschlag zu machen, woher die dafür not- wendigen Mittel kommen sollen, ist unredlich, in Ihrer Partei aber durchaus nichts Neues. Zusammenfassend ist Ihnen für zukünftige Anträge mit auf den Weg zu geben: Nehmen Sie endlich Tatsa- chen und Erfolge unserer Bildungsrepublik Deutschland zur Kenntnis. Erkennen Sie, dass wir in einer Leistungs- gesellschaft leben, und verführen Sie unsere Jugend nicht mit Ideologie und Utopien. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Der Antrag der Frak- tion Die Linke klingt zunächst sympathisch. Abgesehen von ein paar Ungereimtheiten enthält er eine ganze Reihe von weitgehenden Forderungen und Zielstellungen, da- runter den Wegfall aller Zulassungs- und Zugangshürden für das Studium und die Sicherstellung des Rechts auf ei- nen Masterstudienplatz im Wunschfach am Wunschort. Allein: Das ist nicht nur ambitioniert, sondern ein Wünsch-dir-was-Katalog, der schlichtweg nicht reali- sierbar ist. Und darum sagt die Linke in ihrem Antrag si- cherheitshalber auch nichts über Kosten und zur Fragen, woher das Geld dafür denn kommen soll. So sehr wir Zielstellungen wie die Ausweitung des Studienplatzan- gebotes – auch beim Master –, die Verbesserung der Lehre oder die soziale Mobilität teilen und unterstützen, so sehr gehört zu verantwortungsvoller Politik auch, dass gesagt wird, was in welchem Zeitraum geht und was nicht. Tatsächlich muss der Hochschulpakt verbessert wer- den. Die weiterhin bestehende Deckelung der Finanzie- rung von Studienanfängerplätzen muss weg. In der Tat gibt es ein immer stärker werdendes Problem mit dem Zu- gang zum Master. Auch das muss im Hochschulpakt künftig berücksichtigt werden. Die heute veröffentlichte Studie über Bachelorstudierende zeigt, dass die deutliche Mehrheit ein Masterstudium anhängen will. Es reicht eben nicht, Studienanfänger zu finanzieren, es muss ihnen auch eine ordentliche Perspektive gegeben werden. Und es muss auch die Qualität der Lehre und die Betreuung der Studierenden verbessert werden – der Qualitätspakt der Bundesregierung reicht da nicht aus. Alleine die Aufstockung des Hochschulpaktes für Stu- dienanfänger um 200 000 Plätze bis 2015 würde Bund und Länder 5,2 Milliarden Euro kosten – nach bisheriger Berechnung. Das ist anspruchsvoll, aber machbar. Damit wäre aber bei weitem noch nicht die Forderung nach Wegfall aller Beschränkungen realisiert und auch nicht die Aufstockung des Finanzierungsbetrages. Insofern also haben wir durchaus ähnliche Zielstellungen. Doch wäh- rend die Linke nach den Sternen greift, erstellen wir Kon- zepte, die realisierbar sind. Der Antrag behandelt eine weitere wichtige Fragestel- lung, nämlich die Regelung der Vergabe von Hochschul- plätzen. Wir erleben ja gerade ein Desaster, weil nun er- neut ein Anlauf für ein vernünftiges, organisiertes Vergabeverfahren geplatzt ist. 17 000 Studienplätze blie- ben zuletzt unbesetzt – was für ein Jammer und was für e D h A n g w ly k s n d d d w s e a le ti z H d d d n fe B is m b „ g le h n n a li s g s D n v v re v la B k w F d g (C (D in Schaden für die Menschen und für die Gesellschaft! as neue, Dialogorientierte Serviceverfahren sollte Ab- ilfe schaffen, aber – wir haben das ja gestern bereits im usschuss debattiert – die Verantwortlichen haben es icht hinbekommen. Mich erzürnt das Schwarze-Peter-Spiel, das jetzt be- onnen hat. Jeder weiß ganz genau, dass er nicht verant- ortlich ist. Wir fordern eine schonungslose Fehlerana- se – und Offenheit für die richtigen Konsequenzen. Es ann doch nicht sein, dass die Bundesministerin Schavan ich zurücklehnt und „Mein Name ist Hase, ich weiß von ichts!“ flötet. Die Bundesregierung ist genauso im Boot er Verantwortlichen wie die Länder, die Hochschulen, er Stiftungsrat und die Softwareentwickler. Da stellt sich ann schon die Frage, woran es genau gelegen hat. Wir erden das im Ausschuss näher erörtern. Sind es techni- che Probleme? Hat es mit der Finanzierung zu tun? Sind s zu viele Akteure, auf deren Kooperation das System ngewiesen ist? Ist es überhaupt machbar, den Hochschu- n weitgehende Autonomie einzuräumen und gleichzei- g ein bundesweites Verfahren zu organisieren? Wo set- en wir dann unsere Prioritäten? Die Linke fordert die bundesgesetzliche Regelung des ochschulzuganges. Das ist eine starke Forderung, für ie es gute Argumente gibt. Wir bekennen uns dazu, dass as durchaus eine der Möglichkeiten ist, die am Ende es Abwägungsprozesses stehen kann. Doch wir wollen icht so schnell mit scheinbaren Gewissheiten auftrump- n, sondern uns gemeinsam mit allen Beteiligten ein ild machen und das weitere Vorgehen erörtern. Jedoch t klar, dass umgehend ein „Plan B“ organisiert werden uss, der so lange greift, bis wir ein neues System ha- en. Dieser Plan B sollte tunlichst nicht in der Variante Weiter so wie bisher!“ bestehen. Auch das werden wir emeinsam – aber schnell – beraten müssen. Klaus Hagemann (SPD): Die deutschen Hochschu- n erwarten in diesem Jahr einen bisher noch nicht gese- enen Ansturm junger Studienanfänger und -anfängerin- en. Mit großen Worten hatte die Bundesregierung ein eues, zentralisiertes Vergabeverfahren für Studienplätze ngekündigt, das nach jahrelangen Versäumnissen end- ch die chaotischen Zustände beim Semesterstart be- eitigen sollte. Viel zu spät wurden die nötigen Impulse esetzt, um dem ineffizienten und langwierigen Zulas- ungsverfahren an deutschen Universitäten zu begegnen. er Stiftung für Hochschulzulassung blieb am vergange- en Dienstag nichts anderes übrig, als wenige Wochen or dem geplanten Start des Dialogorientierten Service- erfahrens die Reißleine zu ziehen und das neue Verfah- n abzusagen. So, wie es sich heute darstellt, hatten wir es uns nicht orgestellt, als wir zu Zeiten der Großen Koalition, nach nger Diskussion im Haushaltsausschuss, gemeinsam undesmittel in Höhe von 15 Millionen Euro als „Start- apital“ bewilligt haben – und dies, obwohl die Verant- ortung eigentlich bei den Bundesländern liegt. Die reigabe der Gelder wurde damals – auch auf Verlangen er SPD-Fraktion – an so wichtige Bedingungen wie die arantierte Gebührenfreiheit für die Studienbewerber 12138 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) und -bewerberinnen geknüpft. Es ist schon ein ungeheu- erlicher Vorgang, dass der Bund in die Bresche springen musste, nachdem der frühere „Innovations“-Minister aus NRW, Andreas Pinkwart, seinerzeit das System der ZVS kurzerhand zerrissen hat, ohne eine angemessene Alter- native hervorzubringen. Dieses Vorgehen war angesichts der steigenden Zahl an Studienanfängern und der Tatsa- che, dass die Bundesländer eine Finanzierung bestenfalls mittelfristig auf die Beine gestellt hätten, geradezu fahr- lässig. Frau Bundesministerin Schavan, ich habe den Ein- druck, Ihr Haus und die anderen Beteiligten waren durch die Planung des neuen Systems völlig überfordert. Es ist zwar rührend, dass Sie nun in einer Pressemitteilung das Scheitern des Serviceverfahrens bedauern. Sie können aber nicht behaupten, seitens des Bundes wären alle Vo- raussetzungen geschaffen worden, während Sie gleich- zeitig versuchen, die Verantwortung auf die Stiftung für Hochschulzulassung und die Gesellschaft Hochschul- Informations-System abzuwälzen. Die Überforderung der Hochschulen durch geburten- starke Jahrgänge und doppelte Abiturjahrgänge war seit langem absehbar. Erst haben Sie eine Lösung jahrelang verbummelt, dann musste plötzlich alles ganz schnell gehen. Nachdem sich dann noch die Auftragsvergabe um drei Monate verzögert hatte, sollte schließlich in nur rund einem Jahr ein System gezimmert werden, das Hunderte unterschiedlicher und teils veralteter Hoch- schulverwaltungssysteme zu einer modernen Web-Platt- form koordinieren sollte. Die negativen Erfahrungen, die bei der Einführung der Autobahnmaut gemacht wurden, hätten hier zur Lehre gereichen können. Seit damals wissen wir, wie langwierig und kostenintensiv solche Schwierigkeiten in komplexen Softwaresystemen wer- den können. Vor diesem Hintergrund war das Verspre- chen, im April 2011 mit dem neuen System an den Start zu gehen, nichts als Augenwischerei. Die enge Terminie- rung hätte letztlich auch bedeutet, dass mit der Inbetrieb- nahme des Systems der erste ernsthafte Test des Verfah- rens auf den bis dato größten Ansturm an die Universitäten geprallt wäre. Auch der knappe Zuschnitt des Systems, der etwa Lehramtsstudiengänge und Bachelor mit mehr als ei- nem Fach ausklammert, hätte dann zu neuen Problemen geführt. Auch die Hochschulrektorenkonferenz hätte während der Vorbereitung mehr Geschlossenheit zeigen müssen. Die millionenschwere Anschubfinanzierung des Bundes war offenbar nicht Anreiz genug, um die Kooperation der Hochschulen untereinander und an der Schnittstelle zur neuen Plattform herzustellen. Auch haben sich viele Universitäten noch bis kurz vor dem geplanten Start be- deckt gehalten, ob sie überhaupt mitmachen wollen. Die Haltung vieler Hochschulen war nicht so optimistisch, wie es zunächst die Zustimmung der Hochschulrektoren- konferenz suggeriert hat. Es wäre aber vor allem Ihre Aufgabe gewesen, Frau Bundesministerin, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. Das Dialogorientierte Serviceverfahren wird nur dann zum Erfolg, wenn Sie alle Universitäten ins Boot holen. Die Verzögerung ist n m g v tä z a v d g c s n m re e b m m s s b m 6 d w k s v S H g d w g H S b lo S M C d s p B R z e a v v z li (C (D icht technischen Widrigkeiten geschuldet, sondern angelnder politischer Koordination. Die Betroffenen sind die Studienanfänger und -anfän- erinnen, denen auch dieses Jahr der Start ins Studium erhagelt wird. Sie müssen sich an Dutzenden Universi- ten parallel bewerben und bleiben auf den Kosten und eitlichen Folgen des ineffizienten Systems sitzen. Für ll jene, die auch über eines der langwierigen Nachrück- erfahren keinen Platz erhalten haben, bleibt erneut nur ie Studienplatzbörse übrig – eher eine Notlösung als ein eordneter Übergang ins neue System. Die Effizienzlü- ken dieser akademischen „Resterampe“ zeigten sich chon bei einer Erhebung im Wintersemester 2009/2010, ach der mindestens 18 000 der begehrten Studienplätze it örtlichem Numerus clausus unbesetzt geblieben wa- n. Die damalige Argumentation der Unionsfraktion, in Großteil dieser Plätze sei im Semesterverlauf noch esetzt worden, wird durch die Zahlen zum Winterse- ester 2010/2011 eindeutig widerlegt. Nachdem auf assives Drängen der SPD-Fraktion im Haushaltsaus- chuss das Erhebungsinstrument verbessert wurde, zeigt ich jetzt, dass erneut fast 17 000 Studienplätze frei ge- lieben sind. Das sind 6,9 Prozent aller Studienplätze it lokaler Zulassungsbeschränkung! Mit den rund 0 000 Studieninteressierten, die durch die Aussetzung er Wehrpflicht zusätzlich an die Universitäten drängen erden, werden wir dieses Jahr wohl einen neuen „Re- ord“ erreichen. Eine solche Verschwendung von Kapazitäten ist be- onders pikant im Hinblick auf die Finanzmittel in Höhe on 4,7 Milliarden Euro, die der Bundestag für die chaffung von neuen Studienplätzen im Rahmen des ochschulpaktes für die Jahre 2011 bis 2015 zur Verfü- ung stellt. Das Bemühen, junge Menschen für ein Stu- ium zu begeistern und mehr Studienplätze zu schaffen, ird durch die bestehenden Mängel konterkariert. Die uten Voraussetzungen, die die Große Koalition mit dem ochschulpakt geschaffen hat, laufen ins Leere, weil ie, Frau Ministerin, den Schuss nicht gehört haben. Es raucht jetzt ein entschlossenes Vorgehen, um das Dia- gorientierte Serviceverfahren schnellstmöglich an den tart zu bringen und den Schaden zu begrenzen. Frau inisterin Schavan, machen Sie das Thema endlich zur hefsache, nutzen Sie die Kompetenzen des Bundes bei er Hochschulzulassung! Die Koordinierung des Zulas- ungsverfahrens muss unverzüglich und offensiv ange- ackt werden. Handeln Sie jetzt! Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): Die FDP- undestagsfraktion lehnt sowohl eine bundesgesetzliche egelung der Hochschulzulassung als auch des Zugangs u Masterstudiengängen ab. Für beide Maßnahmen gibt s keinerlei sinnvolle Begründung und nachweislich uch keinen Regelungsbedarf. Daher werden wir den orliegenden Antrag der Fraktion Die Linke ablehnen. Wieder einmal zeichnen die Antragsteller ein Bild om deutschen Hochschulsystem und von der Umset- ung des Bologna-Reformprozesses, das mit der Wirk- chkeit nicht ansatzweise übereinstimmt. Zahlreiche Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12139 (A) ) )(B) Studien belegen, dass die Umsetzung von Bologna in Deutschland auf einem guten Weg ist. Natürlich ist noch nicht alles optimal, aber es handelt sich um die größte Reform der deutschen Wissenschaftsgeschichte. Und „trotz mancher Kinderkrankheiten gibt es bereits viele gute Effekte“, wie es Uwe Schlicht jüngst in seinem Ar- tikel „Der Bachelor kann’s“ treffend konstatierte (ver- gleiche Der Tagesspiegel vom 11. März 2011). Viele der reform-auslösenden Mängel, wie beispielsweise ein im internationalen Vergleich später Berufseintritt durch eine lange Studiendauer, eine hohe Abbrecherquote oder eine geringe Praxisorientierung der Studiengänge, sind be- reits behoben oder zumindest abgeschwächt worden. Es herrscht trotz aller Unkenrufe eine hohe Zufriedenheit der Absolventen mit ihrer Ausbildung, und auch die Ak- zeptanz seitens der Arbeitgeber ist beachtlich hoch: 72 Prozent der Bachelorabsolventen hatten – so das Er- gebnis einer Studie des Internationalen Zentrums für Hochschulforschung in Kassel – drei Monate, nachdem sie die Urkunde in den Händen hielten, einen Arbeits- platz. Die Fraktion Die Linke behauptet zum wiederholten Male, dass in Deutschland zu wenige Masterstudien- plätze zur Verfügung stehen. Zu diesem Ergebnis ge- langt man, weil man im Lager der Linken die Unter- scheidung zu dem Vorgängermodell „Diplom“ nicht nachvollziehen will oder kann. Der Bachelorstudiengang wird dem Grundstudium gleichgesetzt. Deswegen kommt man zu dem Trugschluss, dass alle Absolventen eines grundständigen Studienganges auch ein Masterstu- dium anstreben müssten. Während die erstgenannte Be- hauptung einer empirischen Grundlage entbehrt, ver- deutlicht die zweitgenannte Annahme, wie wenig man sich mit der Zielsetzung der Bologna-Beschlüsse befasst hat. Die Kultusministerkonferenz, KMK, gelangt im die- ser Tage bekannt gewordenen Bericht des Hochschul- ausschusses zur „Situation im Masterbereich“ zu der Einschätzung, dass es gegenwärtig keinen Mangel an Masterstudienplätzen in Deutschland gibt (vergleiche dpa-Meldung „KMK: Derzeit kein Mangel an Master- studienplätzen“ vom 6. April 2011). Vielmehr sei die Zahl der angebotenen Masterstudienplätze ausreichend, wenngleich die Aufnahme eines Masterstudiums auch mit einem erforderlichen Ortswechsel verbunden sein könne. Interessant ist dabei, dass im Bachelorabschluss- jahrgang 2009 unter den Befragten, die ein Masterstu- dium aufgenommen haben, 90 Prozent angegeben ha- ben, dass sie sowohl ihr Wunschfach als auch ihre Wunschhochschule bekommen hätten. Und auch das sagt die Erhebung der KMK: Etwas mehr als drei Viertel aller Masterstudiengänge haben kei- nen örtlichen Numerus clausus. Und selbst bei den deutschlandweit 32 135 zulassungsbeschränkten Studien- plätzen sind ganze 6 258 nach dem Ende des Nachrück- verfahrens unbesetzt geblieben. Der Andrang war also geringer als erwartet, und es herrscht nachweislich keine Knappheit im Angebot von Masterstudienplätzen. Bei den Bachelorprüfungsjahrgängen 2005 bis 2007 wurde zudem lediglich eine Übertrittsquote von 33 Prozent ins M s n Ü k v – Ü M W n n d le la u c R ja E e fö M e s g g s s fo A re p le d a m w te G s k fü ru n w s re z s fe ü u W s s ß (C (D asterstudium ermittelt. Die Behauptungen der Antrag- teller sind damit zum heutigen Zeitpunkt empirisch icht belegt. Gleichwohl ist nicht absehbar, wie sich die bertrittsquoten vom Bachelor- zum Masterstudium ünftig angesichts der zu erwartenden steigenden Zahl on Bachelorabsolventen entwickeln werden. Doch und das ist meine volle Überzeugung – ein kompletter bergang von Bachelorabsolventenjahrgängen zum asterstudium ist gar nicht erstrebenswert. Eine solche iderspiegelung der ehemaligen Studienstruktur unter euem Namen wäre weder im Interesse der Studierenden och der Hochschulen oder des Arbeitsmarktes. Die Bildungsrepublik Deutschland kann auch dank er großen Anstrengungen seitens der christlich-libera- n Koalition – wir stellen allein in der laufenden Legis- turperiode zusätzlich 12 Milliarden Euro für Bildung nd Forschung im Bundeshaushalt bereit – auf beachtli- he Erfolge im Hochschulbereich verweisen: mit einer ekordstudienanfängerquote von 46 Prozent im Studien- hr 2010, mit der Bereitstellung von etwa 2 Milliarden uro bis zum Jahr 2020 für den Qualitätspakt Lehre, mit inem endlich Bologna-tauglichen Bundesausbildungs- rderungsgesetz, welches Fördermöglichkeiten für asterstudenten bis zum 35. Lebensjahr bietet, mit einer rfolgreichen Umsetzung des Hochschulpaktes, mit des- en Hilfe nicht nur die angestrebten 91 370, sondern so- ar 182 193 zusätzliche Studienplätze in der ersten Pro- rammphase geschaffen wurden, und der Zusicherung eitens der Bundesregierung, im Rahmen des Hoch- chulpakts II eine Aufstockung für darüber hinaus in- lge der Aussetzung der Wehrpflicht und der doppelten biturjahrgänge benötigte Studienplätze mitzufinanzie- n. Mit dem in diesem Jahr startenden Deutschland-Sti- endium, welches künftig einen wichtigen Beitrag dazu isten wird, dass das Jobben neben dem Bachelorstu- ium zunehmend überflüssig werden kann, sorgen wir uch dafür, dass die Rahmenbedingungen für eine opti- ale Umsetzung der Bologna-Reform weiter verbessert erden. Die Antragsteller beklagen die jahrzehntelange Un- rfinanzierung des deutschen Hochschulsystems. leichzeitig bieten sie aber keinerlei konstruktive Vor- chläge an, wie sich dieser Mangel beheben lassen önnte. Auch wenn sich über die Hälfte der Deutschen r Studienbeiträge als ein probates Mittel zur Finanzie- ng der Hochschulen aussprechen – die Linke will es icht wahrhaben. Sie scheut es, darüber nachzudenken, elche positiven Effekte Studienbeiträge für die Hoch- chullehre hat, angefangen bei verbesserten Betreuungs- lationen über bessere Hochschulinfrastruktur bis hin um persönlichen Anspruch des Einzelnen gegenüber einer Hochschule. Leider mussten wir immer wieder ststellen, dass sich die Oppositionsfraktionen gegen- ber Argumenten versperren, empirische Daten negieren nd Fakten infrage stellen. Wenn Wahrheiten nicht ins eltbild passen, werden sie passend gemacht. Mit die- em Anspruch lässt sich Politik betreiben; für das Wis- enschaftssystem ist eine solche Haltung bekannterma- en aber Gift. 12140 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) Ein – wie von den Antragstellern gefordertes – Bun- deshochschulzulassungsgesetz stellt einen Angriff auf die Autonomie der Hochschulen dar und wird seitens der FDP-Bundestagsfraktion mit aller Vehemenz abgelehnt. Damit wäre nicht nur der Bologna-Reformprozess ad ab- surdum geführt. Man vergisst auch zu gerne, dass der Bund sich nur im Rahmen der konkurrierenden Gesetz- gebung einbringen kann. Sobald ein Land ausschert, bricht das wackelige Gefüge zusammen. Da ist es doch besser, die Organisation dezentral zu verorten und auf das dialogorientierte Zulassungsverfahren „hochschul- start.de“ der Stiftung für Hochschulzulassung zu warten. Ja, es hat Verzögerungen gegeben, und diese müssen schnellstmöglich behoben werden. Wer aber so tut, als würden bundesgesetzliche Regelungen schneller greifen können, der handelt unredlich. Es gibt Software-Schnitt- stellenprobleme. Diese sind der Grund für das Verschie- ben. Aber das neue System wird kommen – wir lassen uns nicht auf eine Rolle rückwärts in die 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts ein. Die Studentenlandver- schickung per ZVS ist endgültig passé; das werden auch SPD, Grüne und die Linke begreifen müssen. Als Fazit bleibt – wie so oft bei den Anträgen der Fraktion Die Linke – festzuhalten: Hier wird mit untaug- lichen Mitteln die Beseitigung von nicht existierenden Problemen gefordert. Der Antrag ist also nicht nur nicht gut gemacht, sondern auch nicht gut gemeint und gehört daher abgelehnt. Nicole Gohlke (DIE LINKE): Seit Jahren erhalten jedes Semester viele Tausend junge Menschen, die stu- dieren wollen und dafür die nötigen Voraussetzungen mitbringen, von den Hochschulen eine Absage. Das heißt, sie erwerben sich durch das Abitur oder andere Studienberechtigungen zwar einen formalen, aber keinen tatsächlichen Hochschulzugang. Mittlerweile ist das nicht mehr nur beim Studienbeginn so, sondern nun auch beim Übertritt in den Master. Und damit nicht genug: Die Zulassungsverfahren sind chaotisch, das dialog- orientierte Zulassungsverfahren der Bundesregierung ist faktisch gescheitert, am Ende bleiben auch dieses Jahr wahrscheinlich wieder Tausende Studienplätze unbe- setzt. Dieser Zustand ist unerträglich! Seit 2006 fällt die Hochschulzulassung – unter Mitwir- kung der Länder – in den Kompetenzbereich des Bundes. Aber die Bundesregierung macht keine Anstalten, die chaotischen Verhältnisse nachhaltig zu verbessern. Mit unserem Antrag wollen wir das ändern. Deshalb fordert die Linke ein Bundeshochschulzulassungsgesetz: Jede und jeder Studienberechtigte soll tatsächlich studieren können, und zwar im gewünschten Fach und am ge- wünschten Ort. Seit der Regierung Schröder wird das sogenannte „Selbstauswahlrecht der Hochschulen“ gestärkt: Im Sinne der sogenannten „Profilbildung und des Wettbe- werbs zwischen den Hochschulen“ sollen sich die Hoch- schulen „ihre Studierenden“ aussuchen dürfen. Ich glaube aber, man muss sich an dieser Stelle entscheiden: Wollen wir, dass die Studierenden wählen dürfen – so v M d n u d p R 1 R ta s d H D d s m m d s F p re M S v s z s e d d S a re e u d z v F d h W g fu W lä (C (D erstehe ich das Recht auf freie Berufswahl und das enschenrecht auf Bildung –, oder wollen wir, dass sich ie Hochschulen ihre Studierenden aussuchen – dann immt man zwangsläufig in Kauf, dass Bewerberinnen nd Bewerber abgewiesen werden? Manche halten es für utopisch, dass jeder den Stu- ienplatz bekommt, den er will. Sehr lange war es aber olitischer Konsens, dass jeder Studienberechtigte das echt dazu hat. Das Bundesverfassungsgericht stellte 972 in seinem Urteil zum Numerus clausus fest: Das echt auf die freie Wahl der Ausbildungsstätte wäre – Zi- t – „ohne die tatsächliche Voraussetzung, es in An- pruch nehmen zu können, wertlos“. Und heute heißt es beim Thema Masterstudienplätze, ass es vielleicht genügend gibt, aber nicht an jeder ochschule und schon gar nicht in jedem Studiengang. amit wird dem Recht auf Selbstbestimmung der Stu- ierenden faktisch eine Absage erteilt. Wir fordern stattdessen das Recht auf einen Master- tudienplatz. Wir schlagen vor, dass die Studierenden it der Zulassung zum Bachelor auch das Recht bekom- en, nach dem Bachelorabschluss ein Masterstudium an er gleichen Hochschule anzuschließen. Ein Einwand liegt freilich auf der Hand. Viele Hoch- chulen sind heute schon überlastet. Die entscheidende rage ist: Was folgt daraus? Soll man sich jetzt damit olitisch abfinden, dass jedes Jahr Tausende Studienbe- chtigte von den Hochschulen abgewiesen werden? an darf sich nicht damit abfinden! Wir brauchen mehr tudienplätze, damit massenhafte Ablehnungen nicht orprogrammiert sind. Der Hochschulpakt verfolgt die- es Ziel bislang nicht. Er ist darauf angelegt, sich durch- uwursteln, und nicht darauf, Zulassungshürden zu be- eitigen. Für die Linke gehört die Finanzierung mit zum Kern ines guten Hochschulzulassungsgesetzes. Es geht nicht arum, den Mangel zu verwalten, sondern darum, ihn urch entschlossenen Hochschulausbau zu beseitigen. onst steht das Recht auf einen Studienplatz weiter nur uf dem Papier. Verhelfen Sie der Studienberechtigung wieder zu ih- m eigentlichen Sinn! Machen Sie aus der Berechtigung ndlich – wie es im Wort selbst schon steckt – ein Recht, nd stimmen Sie dem Antrag der Linken zu! Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer in iesen Tagen über den Hochschulzugang spricht, kann ur blamablen Verschiebung des Dialogorientierten Ser- iceverfahrens auf unbestimmte Zeit und zu den fatalen olgen für die Studienberechtigten der Jahre 2011 und anach nicht schweigen. Angesichts des Studierenden- ochs, doppelter Abiturjahrgänge, der Aussetzung von ehrdienst und Zivildienst wäre – gerade nach jahrelan- em Einschreibe-, Zulassungs- und Nachrückchaos – ein nktionierendes Hochschulzulassungssystems zum intersemester 2011/2012 zwingend erforderlich und ngst überfällig. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12141 (A) ) )(B) Das aktuelle Scheitern ist aber nur die Spitze des Eis- bergs, denn es geht um eine Serie bildungspolitischer Skandale: Es ist beschämend, dass ein Erreichen der Hochschulzugangsberechtigung hierzulande extrem eng mit dem Bildungsgrad der Herkunftsfamilie verknüpft ist. Die allgemeine Hochschulreife ist zudem keine Hochschulzugangsberechtigung mehr, sondern eher eine Bewerbungsberechtigung, die zur Teilnahme an einer Studienplatzlotterie berechtigt. Nachdem die ZVS in alter Form abgewickelt wurde, klemmt nun das lange angekündigte dialogorientierte Serviceverfahren unter anderem wegen technischer Soft- wareprobleme. Ausgerechnet im Jahr mit den meisten Studieninteressierten aller Zeiten wird so vielen der Weg zur Hochschule verbaut. Im letzten Wintersemester blie- ben rund 18 000 Studienplätze unbesetzt, da ihre Ver- gabe am Durcheinander gescheitert ist. Die Bundesre- gierung hat zwar die verfassungsrechtliche Möglichkeit, die Verfahren des Hochschulzugangs bundeseinheitlich zu regeln und transparent zu gestalten, nutzt diese aber fahrlässigerweise nicht. Die Studienberechtigten und Hochschulen warten seit Jahren auf eine Lösung der Zu- lassungsproblematik. Weitere Verzögerungen und anhal- tendes Chaos sind unzumutbar. Da das neue Zulassungs- verfahren aber nicht funktioniert, ist eine erneute Verschiebung leider unumgänglich. So richtig es ist, Studienberechtigte nicht zu Ver- suchskaninchen eines instabilen IT-Programms zu ma- chen, so klar bleibt das Ziel: Sie haben ein Recht auf ein funktionierendes Zulassungsverfahren, um ein Studium aufzunehmen. Dieses Recht ist jetzt akut gefährdet. Hochschulen und Studienberechtigten muss ein Desaster wie bei der Einführung der Lkw-Maut erspart bleiben. Ministerin Schavan muss daher unverzüglich eingreifen und das Zulassungschaos beheben, anstatt auf der Zu- schauertribüne zu verweilen. Wer wie der Bund 15 Mil- lionen Euro in das neue System investiert, muss mehr als ein Zaungast sein; er muss politisch steuern. Schavans Politikverweigerung in den letzten Jahren hat das Zulas- sungschaos verschärft. Nun sieht es so aus, als wolle sie tatenlos zusehen, wie zwischen Stiftung, IT-Entwicklern, Ländern und Hochschulrektorenkonferenz Schuldzuwei- sungen hin- und hergeschoben werden, anstatt Verant- wortung fürs Gelingen zu übernehmen, die Probleme zü- gig zu beseitigen und einen verlässlichen Zeitplan aufzustellen. Leidtragende sind Studienberechtigte, die im besten Fall erst in aufwendigen und langwierigen Nachrückverfahren einen Studienplatz erhalten. Im schlechtesten Fall bewerben sie sich vergebens und ver- lieren ein halbes oder gar ganzes Lebensjahr. Studierende wie Hochschulen brauchen jetzt Verfah- rens- und Planungssicherheit. Ministerin Schavan und ihre Länderkollegen und -kolleginnen müssen sicherstel- len, dass das alte Verfahren sofort anwendbar ist, damit nicht noch mehr Studienberechtigte vor dem deutschen Zulassungschaos Reißaus nehmen und später als akade- mische Fachkräfte fehlen, dass alle Mittel genutzt wer- den, um mit dem alten Verfahren zu besseren Ergebnis- s u In h u n k s W e p in a re Z te to w re d k B H ti d s D in m d A u u n G V c fo w g B D In R n li d S v s m d M m (C (D en zu kommen und nicht wieder 18 000 Studienplätze ngenutzt bleiben, und dass die Zeit bis zur endgültigen betriebnahme genutzt wird, für die volle Funktionsfä- igkeit des Systems auch für kombinierte Studiengänge nd für das Lehramt zu sorgen sowie verbindliche Teil- ahme aller Hochschulen sicherzustellen. Vor allem die Studierenden brauchen Klarheit: Es ist eine Panikmache, vor der realen Gefahr eines Zulas- ungsdesasters bis in den Herbst 2013 hinein zu warnen. ürde sich das deutsche Hochschulsystem als unfähig rweisen, seinen Mangel an gut ausgestatteten Studien- lätzen wenigstens effizient zu verwalten, so werden wir wenigen Jahren über einen Fachkräftemangel unge- hnten Ausmaßes diskutieren. Solange das neue Verfah- n nicht funktioniert, bleibt es beim unbefriedigenden ustand aus lokalen Zulassungsverfahren in komplizier- n Nachrückrunden mit anschließender Studienplatz- mbola. Dieser Zustand muss schnellstmöglich über- unden werden. Die Länder müssen zudem endlich das Kapazitäts- cht sinnvoll überarbeiten: Es muss einfacher werden, arf aber dem gesamtstaatlichen Ziel des Studienplatz- apazitätsausbaus keinen Bärendienst erweisen. Die undesforschungsministerin sei daran erinnert, dass ihre ightech-Strategie die Informations- und Kommunika- onstechnologien als Innovationsmotor Nr. 1 nennt. Vor iesem Anspruch bekommt das Verschieben von „Hoch- chulstart.de“ und das Zulassungsdesaster eine andere imension. Mit Blick auf den Antrag der Linksfraktion sehe ich einzelnen Punkten Übereinstimmung, in anderen uss ich widersprechen. Erstens. Es ist nicht Aufgabe es Bundes, „dafür zu sorgen, dass ein ausreichendes ngebot an Studienplätzen zur Verfügung steht.“ Das ist nd bleibt Aufgabe der Länder. Der Bund kann allenfalls nterstützend wirken. Fakt ist, dass der Hochschulpakt achzuverhandeln ist und dass Bund und Länder mehr eld für mehr Bachelor- und Masterstudienplätze zur erfügung stellen müssen. Zweitens. Dank der Abwei- hungsregel im Grundgesetz bliebe das von Ihnen einge- rderte Bundeszulassungsgesetz ein zahnloser Tiger, eil jedes Bundesland davon abweichen kann. Deswe- en setzen wir auf einen nachhaltig ausverhandelten und-Länder-Staatsvertrag zur Hochschulzulassung. ieser wäre ein effektiveres und wirkungsmächtigeres strument. Drittens. Dass Studienberechtigung „das echt, ein Studium im Fach und an der Hochschule sei- er Wahl aufzunehmen“, bedeute, ist realitätsfern und eße sich nur durch Bildungszentralismus statt Bil- ungsföderalismus umsetzen. Viertens. Es macht wenig inn, Hochschulen die Aufstellung jedweder Zugangs- oraussetzungen zu untersagen. Weiterbildungsmaster- tudiengänge, die Berufserfahrung voraussetzen, sollten öglich bleiben. Insgesamt sind wir der Linksfraktion ankbar, diese wichtige Debatte aufgesetzt zu haben. ehreren Vorschlägen können wir aber nicht zustim- en. 12142 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Fachkräftepotenzial nutzen – Gute Arbeit schaffen, bessere Bildung ermöglichen, vor- handene Qualifikationen anerkennen – Strategie statt Streit – Fachkräftemangel be- seitigen (Tagesordnungspunkt 17) Ulrich Lange (CDU/CSU): Die wirtschaftliche Situa- tion in Deutschland ist gut. Die Konjunktur ist nach der Finanz- und Wirtschaftskrise angesprungen. Deutsch- land, zu Zeiten von Rot-Grün das Schlusslicht in der EU, hat sich in der christlich-liberalen Koalition zur Konjunk- turlokomotive entwickelt. Erfreulich ist auch, dass die Anzahl der Erwerbstätigen stark gestiegen, die Arbeitslo- senquote gesunken ist. Trotz dieser grundsätzlich positi- ven Wirtschaftsdaten stehen wir einem Problem gegen- über: der Fachkräftesicherung. Derzeit aber gibt es noch keinen echten Mangel, aber starke regionale Unter- schiede. Wir sind uns darüber im Klaren, dass der wirtschaftli- che Aufschwung nur dann weitergehen wird, wenn wir dafür die nötigen Fachkräfte zur Verfügung haben. Die künftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unterneh- men wird deshalb entscheidend davon abhängen, ob es gelingt, die notwendigen Fachkräfte zu gewinnen. Ein ungedeckter Fachkräftebedarf verschenkt unnötigerweise vorhandene Wachstums- und Innovationspotenziale. Wie in der Anhörung dargelegt, hatten Mitte 2010 laut Umfrage der DIHK bereits 70 Prozent der Unternehmen Probleme bei der Besetzung offener Stellen. Im Dezem- ber 2010 lag die sogenannte MINT-Lücke, also die Be- rufe: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, bei 98 600; davon umfasst die Ingenieurlücke knapp 50 000 Stellen. Die IHK Bayern geht davon aus, dass in 2014 allein in Bayern rund 420 000 Fachkräfte, davon 25 000 Akademiker fehlen. Trotzdem sieht die Linke keinen Fachkräftemangel. Allein die genannten Er- hebungen widerlegen das „wirtschaftliche“ Fachwissen der Linken, zeigen, dass die Linken auch von Wirtschaft nichts, aber auch gar nichts verstehen. Sie sehen bei die- sen Fakten keinen gravierenden Engpass von Fachkräf- ten, sondern eine Intrige des Kapitalismus. Ihr Erfolgsre- zept: Mehr gute Arbeit! Ja wie naiv sind Sie denn, eine solch undifferenzierte Forderung zu stellen! Von Fach- wissen sind Sie wirklich völlig unbeleckt. Anders sieht die Analyse der Grünen aus, die einen wachsenden Fachkräftemangel diagnostizieren. Leider sind Ihre Schlussfolgerungen nicht immer Erfolg ver- sprechend. Insbesondere Ihre Forderung nach Ihrem „DualPlus“ als weiterentwickeltem Berufsausbildungs- system geht einfach in die falsche Richtung. „DualPlus“ ist nichts anderes als eine Variante der au- ßerbetrieblichen Ausbildung. Diese war in der Vergan- g d L ü A e Q s c c w A d z d s S g te Im a W z z K m s d g m ri g in b li v w H d M d s W S w n la g b s J h (C (D enheit leider notwendig, als die Ausbildungsnachfrage as betriebliche Angebot deutlich überstieg. Heute fehlen ehrlinge, keine Ausbildungsplätze. Unsere traditionelle berbetriebliche Ausbildung, bei der die betriebliche usbildung in überbetrieblichen Lehrgängen inhaltlich rgänzt und vertieft wird und die aufgrund ihrer guten ualität in den Betrieben als notwendig akzeptiert ist, hat ich bewährt. Daran werden wir festhalten. Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um ausrei- hend Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt zu si- hern. Da reicht eine Maßnahme, eine Aktion nicht aus, ir müssen an mehreren Bereichen ansetzen und unsere ktivitäten bündeln. Das Fachkräfteangebot kann gesteigert werden, in- em die Anzahl der Fachkräfte, die dem Arbeitsmarkt ur Verfügung stehen, erhöht wird und indem die von en Erwerbspersonen erwirtschaftete Wertschöpfung ge- teigert wird. In vielen Bereichen müssen gleichzeitig chritte zur Verbesserung der derzeitigen Situation ein- eleitet werden. Ich möchte einige Schwerpunkte auflis- n: Bildungsinitiative: Bildungspolitik ist Standortpolitik. Vordergrund steht die Aufgabe, den Anteil der Schul- bgänger ohne Hauptschulabschluss zu reduzieren. enn es gelingen würde, die Anzahl der Schulabgänger u halbieren, würden bis 2025 circa 300 000 Fachkräfte usätzlich zur Verfügung stehen. Arbeitgeberverbände, ammerorganisationen, Gewerkschaften, die Kultus- inisterkonferenz, der Bund und die Länder engagieren ich derzeit schon in diesem Bereich. Seitens der Bun- esregierung wird eine zweite Chance für Schulverwei- erer in einem extra Programm angeboten. Die Kultus- inisterkonferenz fördert gezielt Benachteiligte und chtet vermehrt praxisorientierten Unterricht aus. Mit ezielter, rechtzeitiger Förderung lassen sich Schwächen Mathematik und Deutsch, den beiden Grundfächern, eseitigen. Eine bessere Förderung müssen auch Jugend- che mit einem Migrationshintergrund erhalten. Eine erstärkte Einbindung der Eltern wird sich positiv aus- irken. Die Schulen sollten verstärkt mit Wirtschaft und ochschulen zusammenarbeiten, um bei den Schülern as Interesse für MINT-Bereiche zu erhöhen und mehr INT-Absolventen auf den Hochschulen zu erhalten. Berufseintrittsalter senken: Durch die Herabsetzung es Einschulungsalters, die Flexibilisierung des Grund- chuleinstiegs, die sogenannte G 8, die Aussetzung des ehrdienstes und die Einführung einer zweistufigen tudienstruktur treten die Jüngeren künftig früher ins Er- erbsleben ein. Die ältesten Berufseinsteiger kommen icht mehr aus Deutschland. Berufsausbildung unterstützen: Leider wird in Deutsch- nd noch jeder fünfte Ausbildungsvertrag frühzeitig auf- elöst. Die Hälfte dieser Jugendlichen, circa 70 000, eginnen keine neue Lehre. Hier muss weiter gegenge- teuert werden. Vertiefte Berufsorientierung bietet den ugendlichen eine sicherere Wahl des Berufes und ein hö- ere Zufriedenheit bei der Ausbildung. Erfolgreich ist Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12143 (A) ) )(B) auch die Berufseinstiegsbegleitung an bundesweit 1 000 Schulen. Aber auch die Betriebe sind gefordert. Die erfolgrei- che betriebliche Ausbildung muss weiterentwickelt wer- den. Durch die parallele Doppelqualifikation aus Berufs- abschluss und FH-/Uni-Abschluss kann die Gewinnung und Bindung von Fachkräften deutlich gefördert werden. Den Jugendlichen muss immer wieder verdeutlicht wer- den, dass unser Bildungssystem sehr durchlässig ist. Ent- scheidend ist ein guter Abschluss und Leistungsbereit- schaft. Senkung der Hochschulstudiumabbrüche: Leider liegt bei uns der Anteil der Studienabbrecher zwischen 20 und 30 Prozent. Wichtige Präventivmaßnahme sollte eine verbesserte und individuellere Beratung von Abiturien- ten und Studierenden sein, die an einen Abbruch denken, um ihnen die langfristigen Konsequenzen deutlich zu machen. Zudem sollten verstärkt Anstrengungen unter- nommen werden, die Situation in den Hochschulen zu verbessern und den jungen Menschen auch gute Bedin- gungen für ihr Studium zu gewähren. Mit den Bundesländern haben wir einen Hochschul- pakt geschlossen, um die Leistungsfähigkeit unserer Hochschulen zu sichern und für eine größere Zahl von Studenten offenzuhalten. Die stark steigende Zahl von Studienbewerbern und der sich abzeichnende Bedarf in bestimmten Branchen machen in besonderem Maße ei- nen gezielten Ausbau der Studienkapazitäten in Deutsch- land erforderlich. Im Vordergrund muss hierbei die Aus- bildung für den inländischen Bedarf stehen. Verlängerter Einsatz erfahrener Fachkräfte: In Deutsch- land sind nur 56 Prozent der Facharbeiter zwischen 55 und 64 tätig. Auch wenn dieser Wert über dem euro- päischen Durchschnitt liegt, sollte eine Steigerung mög- lich sein. Viele ältere Fachkräfte wollen länger im Er- werbsleben stehen und werden oft gegen ihren Willen in die Rente geschickt. Die Fortsetzung der staatlich geförderten Altersteil- zeit haben wir verhindert und die gesetzliche Lebensar- beitszeit verlängert. Mit beiden Entschlüssen haben wir deutlich gemacht, dass nicht der vorzeitige Ausstieg aus dem Erwerbsleben, sondern die Verlängerung der Er- werbsbiografien gefördert werden muss. Die Situation von älteren Menschen am Arbeitsmarkt hat sich seither kontinuierlich verbessert. Der Anteil der älteren Be- schäftigten an den sozialversicherungspflichtigen Be- schäftigungsverhältnissen ist stetig gestiegen. Unsere Unternehmen wissen immer mehr die Poten- ziale älterer Arbeitskräfte zu schätzen, weil ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Leistungsfähigkeit in den Betrie- ben gebraucht und genutzt wird. Die deutschen Unterneh- men, unterstützt durch zukunftsorientierte, arbeitsmarkt- politisch sinnvolle Maßnahmen der Bundesregierung, haben ihren Fokus bei der Gewinnung von Arbeitskräften auch auf Ältere gelegt und als Anreiz geeignete Maßnah- men realisiert, wie die Einführung eines Gesundheitsma- nagements, eine altersgerechte Gestaltung der Arbeits- plätze und auch – dies halte ich persönlich für sehr w re n w (I d b b te M „ b c c 4 b v a b M u A T a b ri a m g T s n W d B B a d je in d d ih d d g A s b v (C (D ichtig – die Anerkennung und Wertschätzung der erfah- nen Mitarbeiter zum Ausdruck gebracht. Das Ziel, die Arbeitsfähigkeit älterer Arbeitnehmerin- en und Arbeitnehmer zu erhalten und zu verbessern, ird auch mit der „Initiative Neue Qualität der Arbeit“ NQA) verfolgt. Die Bundesregierung fördert mit INQA ie Schaffung gesundheits- und leistungsfördernder Ar- eitsbedingungen. Darüber hinaus werden Unternehmen ei der Umsetzung einer nachhaltigen Personalpolitik un- rstützt und zu einer lebenslangen Qualifikation ihrer itarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert. Das Projekt Perspektive 50 plus“ ist ein Programm des Bundesar- eitsministeriums zur Verbesserung der Beschäftigungschan- en älterer Langzeitarbeitsloser. Frauenerwerbsquote steigern: In Deutschland sind irca 70 Prozent der Frauen berufstätig, davon circa 5 Prozent in Teilzeit. Viele Frauen wollen ganztags ar- eiten, haben jedoch Probleme, Beruf und Familie zu ereinbaren. Mit der Einführung eines Rechtsanspruchs uf einen Platz in einer Kindertagesstätte und dem Aus- au der frühkindlichen Betreuungsangebote geben wir üttern und Vätern die Möglichkeit, Erwerbstätigkeit nd Familie zu vereinbaren. Dennoch ist eine größere Flexibilität notwendig. Die rbeitgeber müssen noch flexiblere Arbeitszeiten oder eilzeitregelungen anbieten, die öffentliche Hand muss ber auch den Ausbau der Kinderbetreuung vorantrei- en. Wichtig ist zudem, dass die entsprechenden Ein- chtungen mit flexiblen und großzügigen Regelungen uf die Bedürfnisse der berufstätigen Eltern eingehen üssen. Aber auch die Betreuung von Schulkindern muss aus- ebaut werden, damit berufstätige Eltern ohne Sorge ihrer ätigkeit nachgehen können. Ein Ausbau von Ganztags- chulen, Nachmittags- und Ferienbetreuung ist dringend otwendig. Im Rahmen des Aktionsprogramms „Perspektive iedereinstieg“ werden Frauen nach einer familienbe- ingten Erwerbsunterbrechung bei der Rückkehr in den eruf unterstützt. Mit dem nationalen Pakt für mehr Frauen in MINT- erufen soll bei jungen Mädchen frühzeitig das Interesse n technischen Berufen geweckt werden. Weiterqualifizierung stärken: Die Grundausbildung er Deutschen ist im Europavergleich recht gut. Das sieht doch bei der Weiterbildung wesentlich schlechter aus, sbesondere für Frauen und Ältere. Hier stehen auch die eutschen Unternehmen in der Pflicht, vermehrt Fortbil- ungsangebote zu schaffen und ihre eigenen Mitarbeiter r Leben lang weiterzubilden. Dies bedeutet auch, dass ie derzeit bei uns bestehende Fortbildungslandschaft auf ie zukünftigen Berufe und den kommenden Bedarf aus- erichtet werden muss. Vor allem eine Ausweitung der ngebote im technischen Bereich ist unerlässlich. In den Unternehmen muss aber auch eine Kultur ent- tehen, dass Mitarbeiter eigenverantwortlich ihre Weiter- ildung betreiben, um langfristig für den Arbeitsmarkt on Interesse zu sein. 12144 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) Die Bundesanstalt für Arbeit, BA, hat verschiedene Programme zur Weiterbildung. So fördert zum Beispiel die BA die berufliche Weiterbildung Geringqualifizierter durch den Erwerb anerkannter Berufsabschlüsse oder Teilqualifikationen. Förderung von Menschen mit Migrationshintergrund: In Deutschland haben Menschen mit Migrationshinter- grund durchschnittlich eine schlechtere Bildung und sind dadurch auch häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen. Deshalb müssen diese besser gefördert werden. Dringend ist auch die schnelle und unbürokratische Anerkennung der im Ausland erworbenen Qualifikatio- nen, damit die Migranten auf unserem Fachkräftemarkt eingesetzt werden können. Bei diesem Verfahren kann die wirkliche Qualifikation des Migranten erkannt und seine Chancen auf unserem Arbeitsmarkt können ermit- telt werden. Lücken in der Qualifikation müssen mit Hilfe von Fortbildungsmaßnahmen geschlossen werden. Mit dem Nationalen Integrationsplan haben wir zahl- reiche integrationspolitische Maßnahmen auf den Weg gebracht, um das Potenzial der Bevölkerung mit Migra- tionshintergrund besser auszuschöpfen. Abwanderung verhindern: Ein zentrales Problem für den Arbeitsmarkt in Deutschland und damit für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist die starke Abwande- rung von in- und ausländischen Absolventen deutscher Universitäten und anderen Fachkräften nach Erwerb ih- rer Qualifizierung. Dieser Abwanderung von besonders gut ausgebildeten jungen Menschen, die bereits hervor- ragende Deutschkenntnisse besitzen, steht keine in glei- cher Weise qualifizierte Zuwanderung entgegen. Ein Hauptaugenmerk der deutschen Wirtschaft muss es also sein, die besonders gut ausgebildeten Absolventen mit attraktiven Lohn- und Arbeitsbedingungen im Land zu halten oder nach erfolgtem Auslandsstudium für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen. Auch ins Ausland abgewanderte nichtakademische Fachkräfte sollen ge- zielt für die deutsche Wirtschaft zurückgewonnen wer- den. Qualifizierte Zuwanderung ermöglichen: Da der welt- weite Wettbewerb um Fachkräfte vor langer Zeit begon- nen hat, müssen auch wir um qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland werben. Derzeit verliert Deutschland jedes Jahr Tausende von Facharbeitern, die ins Ausland wan- dern. Wir müssen versuchen, diesen Trend umzudrehen. Einmal müssen wir unseren Fachkräften ihre Chancen und Möglichkeiten in Deutschland aufzeigen, auf der an- deren Seite müssen wir uns um ausländische Fachkräfte bemühen. Dabei müssen wir politisch und gesellschaft- lich verdeutlichen, dass ausländische Fachkräfte bei uns willkommen sind und gute Perspektiven haben. Insbesondere die Forschungseinrichtungen sind im in- ternationalen Wettbewerb darauf angewiesen, hochquali- fiziertes Personal zu gewinnen und halten zu können. Um den Bedarf an akademischen Spitzenkräften decken zu können, führen wir die Wissenschaftsfreiheitsinitiative im Wissenschaftsfreiheitsgesetz weiter. Damit werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen, um Wissenschaftsorganisationen die Akquise von Spitzen- fo d k F g fr s s H d z te v S m z q b z b o D a b w w T m G p a M la G is A ri b a a g s b s w e s d S M w (C (D rschern zu erleichtern und im Wettbewerb mit auslän- ischen Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft onkurrenzfähige Angebote zu machen. Die erfolgreiche Bekämpfung des sich abzeichnenden achkräftemangels gelingt nicht mit punktuellen Lösun- en. Sie gelingt nur durch einen umfassenden und länger- istig angelegten Ansatz. Vor allem muss die Zielsetzung ein, das inländische Arbeitskräftepotenzial besser auszu- chöpfen. Hier wollen wir mit einer besseren Schul- und ochschulbildung sowie zusätzlichen Anstrengungen in er Aus- und Weiterbildungsförderung den Schwerpunkt ur Sicherung und Verbesserung des Fachkräfteangebo- s in Deutschland setzen. Ein weiteres zentrales Anliegen ist, die Abwanderung on Hochqualifizierten und Fachkräften zu stoppen. chließlich gilt es, durch die Entwicklung einer Willkom- enskultur die Attraktivität Deutschlands für qualifi- ierte ausländische Fachkräfte zu erhöhen und gezielt die ualifizierten Fachkräfte zu werben, für die ein Mangel esteht. Ich fordere die Opposition auf, sich unseren Aktionen ur Sicherung der Fachkräfte für unseren deutschen Ar- eitsmarkt anzuschließen. Gabriele Lösekrug-Möller (SPD): Haben wir ihn der haben wir ihn nicht, den Fachkräftemangel in eutschland? Die Wahrheit liegt zwischen Ja und Nein, lso in einem Gelände, in dem wir uns als Politiker so oft ewegen und feststellen, dass einfache Antworten nicht eiterhelfen. Die vorliegenden Anträge sind für die SPD illkommener Anlass, dieses Thema in der gebotenen iefe zu beleuchten. Betrachten wir die aktuelle Situation am Arbeits- arkt, stellen wir ungedeckte Bedarfe im Bereich der esundheitswirtschaft, hier besonders in der Alten- flege, fest. Im Streit um die Frage, wie die Altenpflege- usbildung finanziert wird, in niedrigen Löhnen – der indestlohn in der Pflege ist noch taufrisch – und in be- stenden Arbeitsbedingungen, liegen ein Bündel von ründen für diesen Mangel. Die Verweildauer im Beruf t kurz, die Aufstiegsmöglichkeiten sind gering und die ussicht auf Besserung ist schlecht. Fachkräftemangel herrscht aktuell auch bei Erziehe- nnen und Erziehern. Dem Aufbau von Betreuungsange- oten hat keine adäquate Ausweitung des Ausbildungs- ngebotes gegenübergestanden. Die Entgeltsituation ist ngesichts langer Ausbildungszeit schlecht. Auch hier ibt es so gut wie keine Karrierechance, und die Per- pektive, bis zum Renteneintrittsalter in der Kita zu ar- eiten, ist ebenfalls nicht prickelnd. Ebenso zutreffend ist, dass Bundesländer sich wech- elseitig Lehrkräfte abwerben. Aber schon hier stellen ir gleichzeitig fest, dass Berufseinsteiger und Berufs- insteigerinnen nur befristete Verträge bekommen. Be- onders hörbar melden sich die Fachverbände zu Wort, ie über einen Ingenieursmangel klagen. Bis zu 45 000 tellen seien unbesetzt, der Mangel in den sogenannten INT-Berufen – also Mathematik, Informatik, Natur- issenschaft, Technik – sei besonders dramatisch. Ar- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12145 (A) ) )(B) beitsmarktexperten bezweifeln diese Zahl – käme sie doch zustande, weil durch gute Entwicklung möglicher- weise entstehende Stellen hier mit eingerechnet worden seien. Fest steht: Branchen- und regionsbezogene Stellenbe- setzungsprobleme sind vorhanden. Gleichzeitig wird der Arbeitsmarkt enger, die Zahl der offenen Stellen größer und die Zahl der Arbeitsuchenden kleiner. Denn der deutsche Arbeitsmarkt hat sich trotz Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise gut entwickelt. Nicht zuletzt dank um- fassender Hilfen durch Kurzarbeit konnten viele Unter- nehmen ihr Fachpersonal über eine schwierige Phase hinweg halten. Das war gelungene Beschäftigungssiche- rung, auf der sich die Politik nicht ausruhen darf. Von ei- nem aktuellen generellen Fachkräftemangel in Deutsch- land zu sprechen, wäre jedoch falsch. Das zeigt sich ganz besonders in der alarmierenden Nachricht, die Leiharbeitsbranche leide unter Fachkräftemangel. Aus sozialdemokratischer Sicht liegt hier die Lösung doch eher darin, dass Unternehmen, die Fachkräftebedarfe nicht decken können, überprüfen sollten, wieweit sie Be- schäftigte durch Festeinstellung und/oder bessere Bedin- gungen für ihr Unternehmen gewinnen können. Aber zurück zur Politik. Drei Herausforderungen muss gute Arbeitsmarktpolitik bewältigen. Erstens. Das Arbeitskraftpotenzial der knapp 3 Millionen Arbeit- suchenden muss entwickelt werden. Einen gespaltenen- Arbeitsmarkt, der Langzeitarbeitslosen und Geringquali- fizierten keine Chancen eröffnet und gleichzeitig einen wachsenden Arbeitskräftebedarf nicht decken kann, neh- men wir nicht hin. Zweitens. Wir machen uns seitens der SPD-Bundes- tagsfraktion große Sorgen angesichts der radikalen Kür- zungen im Etat des BMAS. Zwei Stichworte dazu: Das deutsche Bildungssystem entlässt Jahr für Jahr mehr als 60 000 junge Männer und Frauen ohne Abschluss. Zu viele junge Menschen bleiben ohne Ausbildung und damit ohne Perspektive. Deshalb muss eine bildungspo- litische Initiative starten. Wie kommentiert Bundeswirt- schaftsminister Brüderle das? „Gut ausgebildete Arbeit- nehmer und Arbeitnehmerinnen sind der Grundstein für Wettbewerbsfähigkeit. Dies gilt für den Hightechstand- ort Deutschland in besonderem Maße.“ Recht hat er – aber da muss bildungs- und ausbildungsmäßig noch viel passieren. Und: Viele Menschen mit Migrationshinter- grund sind hochqualifiziert; ihre Abschlüsse aber wer- den nach wie vor nicht anerkannt. Hier ist die Bundesre- gierung endlich tätig. Ob zielführend, wird sich erst noch herausstellen müssen. Drittens. Demografisch bedingt sinkt das Erwerbstäti- genpotenzial in den kommenden Jahren dramatisch. Deshalb ist die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung ein wesentlicher Schlüssel zur Deckung des zukünftigen Fachkräftebedarfs. Hier geht es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, was eine deutlich bessere Be- treuungsinfrastruktur voraussetzt. Die Frage der Versor- gung pflegebedürftiger Angehöriger ist zurzeit ebenfalls ungelöst. Ich nenne das Beispiel der „Schattenfrauen“: 5,6 Millionen Frauen sind derzeit nicht erwerbstätig, 90 Prozent von ihnen wären aber gern berufstätig. Wir werden sie brauchen – ebenso wie ältere Arbeitnehmer u h n 1 in M b d b m O k e d a n s re v B g a v F w u w z R s tr n s h s g n d w w s in le n n u s R d W e (C (D nd Arbeitnehmerinnen, deren Erwerbsfähigkeit es zu er- alten gilt. Hier lautet das Stichwort: altersgerechte Arbeit. Unsere Arbeitsmärkte sind nicht mehr regional, auch icht national, sondern mindestens europäisch. Mit dem . Mai 2011 haben wir volle Arbeitnehmerfreizügigkeit der EU. Es wäre gut gewesen, mit einem gesetzlichen indestlohn dem zu erwartenden Lohndumping gerade ei Facharbeit entgegenzutreten. Aber Tatsache ist auch, ass sich Fachkräfte nun europaweit die besten Arbeits- edingungen aussuchen können. Deutsche Arbeits- arktpolitik muss dies im Blick haben. Muten wir uns noch eine unbequeme Wahrheit zu: hne kontinuierliche Weiterbildung bleiben auch Fach- räfte keine Fachkräfte. Zunehmend mehr Unternehmen rkennen das und investieren in Weiterbildung. Doch lei- er trifft auch zu, dass weniger investiert wird bei Leih- rbeitern und Leiharbeiterinnen und dass weniger bis gar icht investiert wird bei der großen Zahl atypisch Be- chäftigter. Es ist also erkennbar, dass lineare Lösungen nicht aus- ichen. Wir schlagen deshalb eine Allianz für Fachkräfte or. Wirtschaft, Gewerkschaften, Agentur für Arbeit, und, Länder und kommunale Spitzenverbände sollten emeinsam ein Konzept entwickeln, das Lösungsansätze ufeinander abstimmt. Dann können Fachkräfteoffensi- en erfolgreich, Unternehmen gut unterstützt und unsere achkräfte von morgen gut ausgebildet werden. Dazu erden wir konkrete Vorschläge unterbreiten. Viele der Probleme nehmen die Anträge von Grünen nd Linken auf. Das findet unsere Zustimmung. Gleich- ohl stimmen wir nicht in allen Punkten überein. So um Beispiel bei der Forderung der Linken nach einem egelsatz von 500 Euro und bei der Frage des Punkte- ystems für Einwanderung. Wir werden daher den An- ag der Linken ablehnen und uns beim Antrag der Grü- en enthalten. Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP): Im Gegen- atz zu einigen anderen Oppositionsanträgen, die wir eute schon debattiert haben, teile ich hier Ihre Auffas- ung, dass es einen konkreten Anlass für die Debatte ibt. Das Thema Fachkräftemangel können wir uns gar icht oft genug vornehmen, weil es ein ganz entschei- endes ist. Wenn wir ein offenes Land sein wollen, wenn ir weiterhin durch unseren Wohlstand beeindrucken ollen und wenn wir uns unseren Herausforderungen tellen wollen, dann müssen wir den Fachkräftemangel den Griff kriegen. Uns werden bis 2025 5 Millionen Erwerbstätige feh- n. Aktuell haben wir schon in den mathematisch-tech- ischen und naturwissenschaftlichen Berufen, im soge- annten MINT-Bereich, echten Mangel. Dies schadet nserer Volkswirtschaft und verursacht erhebliche Wert- chöpfungsverluste. An diesen demografisch bedingten ealitäten kommt niemand vorbei, der sich ernsthaft mit em Problem beschäftigt. Nicht demografisch bedingt ist hingegen die negative anderungsbilanz, die unser Land aufweist. Uns gelingt s nicht nur nicht gut genug, ausländische Fachkräfte 12146 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) nach Deutschland zu locken, sondern wir haben auch noch Schwierigkeiten damit, dass uns Fachkräfte verlas- sen. Schließlich lassen wir erhebliches Potenzial brach- liegen. Wir haben immer noch viele Menschen, die bis- her nicht gut oder gar nicht in den Arbeitsmarkt integriert sind, und zwar insbesondere unter den Migran- ten, die sich für ein Leben in Deutschland entschlossen haben. Zu Recht bringen wir daher jetzt ein zeitgemäßes An- erkennungsgesetz auf den Weg. Denn viele derjenigen, die aus dem Ausland zu uns gekommen sind, leiden da- runter, dass sie ihre vorhandenen Qualifikationen nicht vernünftig anerkannt bekommen. Alleine hier haben wir ein Potenzial von circa 285 000 Personen, die qualifi- ziert sind, deren Qualifikation ihnen und allen anderen aber nichts bringt, weil sie nicht angemessen anerkannt wird. Hier bügelt die schwarz-gelbe Koalition etwas aus, was bisher alle anderen Bundesregierungen versäumt ha- ben. Es wird einen Rechtsanspruch auf das Anerken- nungsverfahren geben, einheitliche Kriterien, ein ein- heitliches Verfahren, und zwar unabhängig von der jeweiligen Staatsangehörigkeit. Entscheidend wird al- leine die Berufsqualifikation sein. Außerdem werden wir es auch ermöglichen, bereits aus dem Ausland einen An- trag auf das Anerkennungsverfahren zu stellen. Damit gehen wir einen großen und wichtigen Schritt zur Be- kämpfung des Fachkräftemangels. Wir werden aber insgesamt drei Schritte gehen müs- sen, und das werden wir auch tun. Denn neben der Aner- kennung ausländischer Qualifikationen müssen wir un- ser inländisches Arbeitskräftepotenzial besser ausreizen. Und das heißt nichts anderes, als dass wir den Men- schen, die es bisher schwer auf dem Arbeitsmarkt hatten, besser helfen müssen. Der zweite Schritt muss also sein, die arbeitsmarktpolitischen Instrumente zu reformieren. Hier sind wir auf einem guten Weg. Das Bundes- ministerium für Arbeit und Soziales hat einen guten Ge- setzentwurf vorgelegt. An der einen oder anderen Stelle müssen wir noch etwas drehen, aber die Richtung stimmt schon mal. Wir werden die Zahl der arbeitsmarktpolitischen In- strumente reduzieren und damit eine Forderung verwirk- lichen, die Experten schon seit langem an die Politik he- rangetragen haben. Es war auch niemandem mehr zu vermitteln, warum es zum Beispiel für ein und denselben Zweck mehr als fünf unterschiedliche Instrumente geben musste. Das hat weder den Arbeitsuchenden geholfen noch hat es die Arbeit der Vermittler leichter gemacht. Gerade hierum geht es aber auch: Wir brauchen nicht nur einen gut aufgeräumten Instrumentenkasten, sondern auch einen fitten Experten, der sich auskennt und die passende Maßnahme in Kooperation mit dem Arbeitsu- chenden aussucht. Nicht nur für Arbeitsuchende heißt es, auf Qualifikation zu achten, sondern eben auch bei unse- ren Vermittlern in der Bundesagentur für Arbeit. Schließlich muss es aber noch einen dritten Schritt geben. Damit meine ich, dass wir mehr gesteuerte Zu- wanderung brauchen, und zwar mit einem Punktesys- te e h b m W g s L a m W A k re rü e s a b In d d g s m In is tr s d s m s R W b d D g B g m b d m g b d m a g s n is (C (D m. Hier schneiden wir im internationalen Vergleich infach noch zu schlecht ab. Dem müssen wir mit – ich abe das schon einmal an anderer Stelle gesagt – drei Ws egegnen: Wir müssen den Wettbewerb aufnehmen, wir üssen Werbung für uns machen, und wir müssen eine illkommenskultur schaffen. Bisher wandern die klu- en Köpfe weltweit an Deutschland vorbei und zum Bei- piel nach Kanada oder Australien. Klar, die genannten änder haben einen Sprachvorteil; aber das ist es dann uch, das können wir nicht als Ausrede benutzen. Wir üssen begreifen, dass wir hier in einem internationalen ettbewerb stehen, in dem einem nichts geschenkt wird. ber ich bin fest davon überzeugt, dass wir attraktiv wir- en können, wenn wir es nur besser im Ausland erklä- n. Dazu muss die Bundesrepublik die Werbetrommel hren. Wir müssen uns nicht verstecken, bei uns gibt es ine Menge guter Jobs. Wenn es uns gelingt, diese Bot- chaft im Ausland rüberzubringen, dann werden wir uch wieder mehr Fachkräfte zu uns bringen können. Zuletzt geht es aber auch darum – und damit bin ich eim dritten W –, eine Willkommenskultur zu schaffen. den Betrieben, in den Behörden und auch einfach auf er Straße oder im Supermarkt müssen wir denjenigen, ie zu uns gekommen sind, die Hand reichen. Das wäre, laube ich, letztlich auch die beste Werbung, die man für ich machen kann. Wir haben den Fachkräftemangel erkannt und küm- ern uns darum. Manche Ihrer Vorschläge teile ich ja. sgesamt reicht es bei Ihnen aber nicht, und die Sache t bei uns in guten Händen. Deshalb lehnen wir Ihre An- äge ab. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Es ist schon er- taunlich, welche Blüten die Diskussion um die Frage es Fachkräftemangels treibt. Kürzlich konnte man le- en, die Leiharbeitsbranche beklage einen Arbeitskräfte- angel. Das ist natürlich mehr als abstrus. Denn wie ieht die Realität aus? Nehmen wir einen Fall aus der egion Esslingen, also dem Bundesland Baden- ürttemberg, in dem die Industrie bekanntlich wieder oomt. Kürzlich schrieb hier die örtliche IG Metall Bun- esarbeitsministerin von der Leyen einen Brief. In einer rehmaschinenfabrik wurden über hundert Beschäftigte ekündigt, die Auszubildenden nicht übernommen. Die etroffenen erhielten von der Arbeitsagentur Stellenan- ebote, aber fast ausschließlich von den Leiharbeitsfir- en. Ein Kollege erhielt 17 Stellenangebote, 15 davon ei Leiharbeitsfirmen. Zu Recht schreibt die IG Metall aher in ihrem Brief: Die „Diskussion um Fachkräfte- angel bekommt eine ganz neue Bedeutung, wenn aus- ebildeten Mechatronikern eine Stelle bei einer Döner- ude oder einer Lidl-Filiale angeboten wird“. Ich bitte ie Bundesregierung, diese Realität zur Kenntnis zu neh- en, bevor sie die Klagen der Arbeitgeber über einen ngeblichen Fachkräftemangel nachbetet. Ohne Frage: Es gibt in einzelnen Branchen einen stei- enden Fachkräftebedarf. Das ist in Zeiten des Auf- chwungs nichts Ungewöhnliches. Aber deshalb von ei- em flächendeckenden Fachkräftemangel zu sprechen, t völlig haltlos. Das belegen auch seriöse wissenschaft- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12147 (A) ) )(B) liche Studien. Zu nennen ist hier die Gemeinschaftsstu- die des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und des Bundesinstituts für Berufsbildung, die in ihren Prognosen bis 2025 auch die demografische Entwick- lung berücksichtigen, das heißt die durch Alterungspro- zesse kleiner werdende Zahl von Erwerbstätigen. Dort findet sich kein Wort über einen flächendeckenden Fach- kräftemangel. Selbst für den technischen Bereich hat eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsfor- schung jüngst nachgewiesen: Auch dort gibt es keinen Fachkräftemangel, sonst hätten Arbeitgeber für diese Fachkräfte deutlich die Löhne erhöhen müssen. Aber das ist nicht geschehen. Was steckt also hinter den Klagen der Arbeitgeber über einen angeblichen Fachkräftemangel? In Wirklich- keit, so wird immer deutlicher, sind das Klagen über an- geblich zu teure, zu wenig flexible Arbeitskräfte. In mei- nen Bundesland Sachsen haben kürzlich die Industrie- und Handwerkskammern ihre Mitgliedsunternehmen zum Thema Fachkräfte befragt – unter anderem dazu, woran die Einstellung eines neuen Mitarbeiters scheitert. Die Antwort: Die Bewerber hätten zu wenig Berufser- fahrung und Spezialqualifikation, sie würden zum Teil überzogene Lohnforderungen stellen, seien manchmal zu alt und teilweise wegen familiärer Verpflichtungen zu wenig flexibel. Ja, ich weiß, viele Arbeitgeber haben ihre Vorstellung vom idealen Mitarbeiter. Er soll jung, ledig und flexibel sein, mehrjährige Berufserfahrung und Spezialqualifikation besitzen und zu einem niedrigen Lohn arbeiten wollen. Nur ist das natürlich etwas ande- res als Fachkräftemangel. Es ist die alte Leier: Der alte Ruf nach billigen, immer frei verfügbaren Arbeitskräften taucht nun im neuen Gewand auf. Mehr als deutlich wird das bei den Pflegeberufen. Erst vor einigen Tagen hat der Arbeitgeberverband Pflege über einen massiven Mangel an Pflegefachkräften geklagt. Hier ist es nun of- fensichtlich, dass niedrige Löhne und enorme Arbeitsbe- lastungen in dieser Branche dafür verantwortlich sind, dass viele nach wenigen Jahren aus diesem Job ausschei- den oder ihn erst gar nicht wählen. Wenn sich die Bundesregierung, in Teilen auch die Grünen, vor diesen Karren der Arbeitgeber spannen lässt, ist dies ein Armutszeugnis. Denn dabei gerät schnell das eigentliche Problem aus den Augen: der Mangel an ausreichenden und zudem guten Arbeitsplät- zen. Die Arbeitsmarktstatistik gibt uns recht. Die Zahl der prekären Arbeitsplätze – Leiharbeit, Minijobs und Befristungen – nimmt immer mehr zu; dieser Entwick- lung muss ein Riegel vorgeschoben werden. Noch im- mer wird Millionen Menschen ein gleichberechtigter Zu- gang zum Arbeitsmarkt verwehrt. Hier liegt viel Potenzial brach, das wegen einer falschen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik ungenutzt bleibt. Das betrifft insbesondere Ältere, Frauen, Menschen mit Behinde- rung und Migrantinnen und Migranten. In der Gruppe der über 55- bis 65-Jährigen zählt die Arbeitsmarktstatistik fast eine halbe Million Arbeitslose. Unter den circa 9 Millionen Menschen, die sich laut dem Statistischen Bundesamt in Deutschland Arbeit oder mehr Arbeit wünschen, sind überproportional viele Frauen. Bei ihnen ist der Wunsch nach Mehrarbeit stär- k g b h e ti te im s z h b T re z d lu B Q te K v h b U g S h is ti is li B ra te v d le R S v s n v R n s F s fü v n A d w (C (D er ausgeprägt als bei den Männern. Entgegen dem all- emeinen Trend steigt die Arbeitslosigkeit von schwer- ehinderten Menschen. Ein weiteres Problem ist die ohe Zahl von Langzeiterwerbslosen; ihre Zahl liegt bei twa 900 000. Ferner werden Hunderttausende Migran- nnen und Migranten in Deutschland vom Erwerbssys- m ausgegrenzt – etwa durch die Nichtanerkennung von Ausland erworbenen Bildungs- und Berufsabschlüs- en. Was ist also notwendig? Statt einen Fachkräftemangel u beklagen, gilt es, die Hindernisse abzubauen, die eute Millionen Menschen einen freien Zugang zum Ar- eitsmarkt verwehren. Frauen ist eine gleichberechtigte eilhabe am Erwerbsleben zu ermöglichen, indem mehr guläre Arbeitsplätze statt ungesicherter Mini- und Teil- eitjobs geschaffen werden. Die Entgeltgleichheit muss urchgesetzt und die geschlechtsspezifische Arbeitstei- ng aufgebrochen werden. Für ältere Menschen sind die eschäftigungsbedingungen zu verbessern. Spezifische ualifizierungsprogramme sind auszubauen, denn Äl- re werden seltener qualifiziert und weitergebildet. Der ündigungsschutz ist insbesondere für diese Gruppe zu erbessern. Gleiches gilt für den Arbeits- und Gesund- eitsschutz, um es Älteren zu ermöglichen, länger ohne esondere Belastungen am Erwerbsleben teilzuhaben. m Langzeiterwerbslosen mit einer aktiven Beschäfti- ungspolitik Chancen zu erschließen, ist das sogenannte parpaket zurückzunehmen. Verglichen mit dem Vorjahr werden derzeit nur noch alb so viele Weiterbildungsmaßnahmen genehmigt. Das t nicht hinnehmbar. Arbeitsmarktpolitik muss nachhal- g finanziert werden. Für Menschen mit Behinderungen t wichtig, dass in den Unternehmen endlich die gesetz- ch festgeschriebene Beschäftigungsquote erfüllt wird. arrierefreie Arbeitsstätten sind stärker zu fördern. Mig- ntinnen und Migranten müssen einen gleichberechtig- n Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen, unabhängig on der „ökonomischen Nützlichkeit“. Notwendig ist afür, dass die im Ausland erworbenen Qualifikationen ichter anerkannt werden können. Es muss einen echtsanspruch auf die Anerkennung von Berufs- und chulabschlüssen geben. Der von der Bundesregierung orgelegte Gesetzentwurf sieht jedoch keinen Rechtsan- pruch auf Anerkennung vor. Zudem sollten Migrantin- en und Migranten vor und während des Anerkennungs- erfahrens begleitet und beraten werden. Sie bleiben im egen stehen, wenn sie einen Beruf erlernt haben, der icht bundeseinheitlich geregelt ist. Dann müssen sie ich mit 120 Landesgesetzen auseinandersetzen. Die Bundesregierung tut nichts, um die drängenden ragen des Arbeitsmarktes anzugehen. Schlimmer: Sie orgt mit ihrem Sparkurs in der Arbeitsmarktpolitik da- r, dass Menschen Chancen für eine gute Beschäftigung erbaut werden. Das können und werden wir nicht hin- ehmen. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nfang April hat Bundesarbeitsministerin von der Leyen en Arbeitsmarktfachleuten der Koalitionsfraktionen die ichtigsten Handlungsschwerpunkte ihres Ministeriums 12148 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) für das laufende Jahr vorgestellt. An erster Stelle steht dabei das Thema Fachkräftesicherung. Und das über- rascht doch sehr, denn es ist weit und breit nichts davon zu merken, dass der wachsende Fachkräftebedarf bei den Aktivitäten der Bundesregierung irgendeine Rolle spielt. Im Gegenteil, still ruht der See. Sie verlassen sich darauf, dass die anziehende Kon- junktur die Sache schon regelt, und streichen rigoros bei der Arbeitsförderung. Und damit begehen Sie einen ka- pitalen Fehler, der sich schwer rächen wird. Alle Experten schreiben es Ihnen ins Stammbuch: Jetzt ist die Zeit, um in Qualifizierung zu investieren, da- mit auch Langzeitarbeitslose von der wirtschaftlichen Erholung profitieren. Nur so kann die positive Entwick- lung am Arbeitsmarkt anhalten. Bleiben Sie aber bei Ih- rem Spardiktat, dann provozieren Sie die Gefahr eines Fachkräftemangels bei gleichzeitig hoher Arbeitslosig- keit. Das darf auf keinen Fall geschehen. Darum appelliere ich an die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen: Nehmen Sie die Kürzungen bei der Arbeitsförderung zurück! Dasselbe gilt für Ihre Pläne für die Bundesagentur. Auch wenn Sie es stur leugnen: Sie treiben die Bundesagentur in die Schulden- falle. Auch das wird auf die aktive Arbeitsmarktpolitik zurückschlagen und die Chancen derer verringern, die wir eigentlich stärken müssten: Geringqualifizierte, Mi- grantinnen und Migranten, Menschen mit Behinderun- gen, Ältere und Frauen. Ihre Potenziale werden im Mo- ment nicht genutzt. Wir werden sie aber brauchen, wenn der Bedarf an Fachkräften demografisch bedingt weiter und weiter steigen wird. Wenn Sie meine Argumente schon nicht überzeugen, dann vielleicht Zahlen: Schon heute entgehen dem Mit- telstand durch den Fachkräftemangel Umsätze von 30 Milliarden Euro im Jahr, Tendenz steigend. Die Alarmglocken müssten bei dieser Regierung aber auch läuten, wenn sie präsentiert bekommt, dass in Deutsch- land im vergangenen Jahr 320 000 junge Menschen in unsinnigen Warteschleifen gelandet sind statt in einer betrieblichen Berufsausbildung. Diese jungen Leute werden uns später als Fachkräfte fehlen. Das ist fahrläs- sig, teuer und erfordert ein Umsteuern, damit kein Kind mehr die Schule ohne Abschluss verlässt und wirklich alle in eine Ausbildung münden. Doch auch hier ist keine Anstrengung bei der Bundesregierung zu erken- nen. Nur im Schneckentempo geht es auch bei der besseren Anerkennung von Abschlüssen voran, die im Ausland er- worben wurden. Nach Jahren der Ankündigung liegt nun endlich ein Gesetzentwurf vor. Aber das Ziel des Geset- zes, die Chancen von Menschen mit ausländischen Qua- lifikationen auf Integration in den deutschen Arbeits- markt zu verbessern, ist nicht ausreichend unterlegt. Es fällt damit hinter die Eckpunkte der Bundesregierung von 2009 zurück. Ob auf dieser Grundlage materielle Verbes- serungen für die erreicht werden, die bisher am deutschen Bewilligungsdschungel gescheitert sind, muss bezweifelt werden. Zu befürchten ist, dass sich auch weiterhin Ärz- tinnen als Putzfrauen oder Ingenieure als Pizzafahrer d A Q s w te p ti A n fu K s is w B F S ti fa F d E d u b li e fü E g A A s n in b d d w p g IG s z (C (D urchschlagen müssen, weil ihre im Ausland erworbenen bschlüsse hier nicht anerkannt werden. Aber selbst wenn es gelänge, bei der Ausbildung, der ualifizierung und bei der Anerkennung von Berufsab- chlüssen deutliche Fortschritte zu erzielen – selbst dann ürde das nicht genügen, um den wachsenden Fachkräf- bedarf zu decken. Hierzu – und das haben uns die Expertinnen und Ex- erten der zum Thema durchgeführten Anhörung bestä- gt – können wir auf Zuwanderung nicht verzichten. ber auch bei dieser Frage ist die Bundesregierung in ei- en Totstellreflex verfallen. Sie hat das Thema „Schaf- ng eines transparenten Zuwanderungssystems“ im oalitionsausschuss versenkt und macht gar keine An- talten, es wieder auf die Tagesordnung zu hieven. Das t hasenfüßig. Die Bevölkerung hingegen ist – mal wieder – viel eiter als die Koalition. 60 Prozent der Bürgerinnen und ürger befürworten die stärkere Zuwanderung von achkräften; das hat eine repräsentative Umfrage des achverständigenrates deutscher Stiftungen für Migra- on und Integration gezeigt. Wir Grünen haben Ihnen einen Antrag mit einer um- ssenden Strategie zur Bewältigung des wachsenden achkräftebedarfs vorgelegt. Es reicht nicht – und auch as bestätigten die Fachleute –, punktuell anzusetzen. inheimische und Einwanderer dürfen nicht gegeneinan- er ausgespielt werden, wir brauchen sie alle. Bildung nd Chancen für Kinder und junge Erwachsene, Weiter- ildung für Zukunftsberufe, Erhöhung der Erwerbsbetei- gung, Anerkennung ausländischer Qualifikationen und in transparentes Zuwanderungssystem – das sind die nf Handlungsstränge, die erst zusammen eine gute und rfolg versprechende Strategie ergeben. Nehmen Sie sie emeinsam mit uns in Angriff und stimmen Sie unserem ntrag zu. nlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Steinkohlefinanzierungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 18) Dieter Jasper (CDU/CSU): Mit dem heutigen Ge- etzentwurf erfüllt die christlich-liberale Koalition eine ormative Voraussetzung, damit aus europäischer Sicht Deutschland ein subventionierter Steinkohlenbergbau is ins Jahr 2018 ermöglicht wird und sichergestellt wer- en kann. Inhaltlich bedeutet dieser Gesetzentwurf, dass ie sogenannte Revisionsklausel ersatzlos gestrichen ird. Zum Hintergrund: Im Jahr 2007 wurde eine kohle- olitische Verständigung getroffen, in der die Bundesre- ierung, das Land NRW, das Saarland, die RAG und die BCE den sozialverträglichen und geordneten Aus- tieg aus dem subventionierten Steinkohlenbergbau bis um Jahr 2018 regelten. Diese Vereinbarung beinhaltete Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12149 (A) ) )(B) auch die sogenannte Revisionsklausel, die festlegte, dass dieser Beschluss im Jahr 2012 noch einmal überprüft werden sollte. Völlig überraschend forderte die Europäi- sche Kommission im letzten Jahr einen früheren Aus- stieg aus der Kohleförderung bis zum Jahr 2014. Dies hätte für Deutschland und gerade auch für meine Hei- matregion dramatische wirtschaftliche und soziale Kon- sequenzen gehabt. In Ibbenbüren im Tecklenburger Land liegt eine der letzten Steinkohlezechen in Deutschland. Hier wird schon seit langer Zeit hochwertige Anthrazitkohle geför- dert. Diese wird zu einem großen Teil im direkt anlie- genden hocheffizienten Kohlekraftwerk verfeuert und zum anderen Teil für den regionalen Wärmemarkt ver- wendet. Die wirtschaftliche und soziale Bedeutung des Bergbaus für die Stadt Ibbenbüren und die umliegenden Bergbaugemeinden Mettingen, Recke, Hopsten, Hörstel und Westerkappeln ist enorm. In der Bevölkerung und über alle gesellschaftlichen Gruppierungen hinweg herrscht eine hohe Akzeptanz. Im Bergbau sind derzeit direkt über 2 300 Menschen beschäftigt, im Bereich der Zulieferbetriebe sind im Laufe der Zeit mehrere tausend Arbeitsplätze entstanden. Auch im Bereich der Ausbil- dung leistet die Zeche ganz hervorragende und unver- zichtbare Arbeit. Als der Vorschlag der EU-Kommission bekannt wurde, führte dies natürlich zu großer Unruhe und Irrita- tion in unserer Region. Ein Ausstieg aus dem Steinkoh- lenbergbau bereits im Jahr 2014 hätte dazu geführt, dass es zu betriebsbedingten Kündigungen gekommen wäre und auch sonst massive wirtschaftliche und soziale Pro- bleme entstanden wären. In dieser Situation habe ich mich unmittelbar an unsere Bundeskanzlerin gewendet und um Hilfe und Unterstützung gebeten. Unter Einsatz aller Kräfte und durch tatkräftige Unterstützung des Par- lamentarischen Staatssekretärs Peter Hintze konnte er- reicht werden, dass der Beschluss der EU revidiert wurde. Die Unterstützung der heimischen Steinkohlen- förderung bis ins Jahr 2018 wurde unter bestimmten Be- dingungen auf europäischer Ebene akzeptiert. Eine die- ser Bedingungen für die notwendige europäische Regelung war, dass die Revisionsklausel aus dem natio- nalen Gesetz gestrichen und der Ausstieg somit unum- kehrbar gemacht wird. Dieser Forderung wird mit dem heutigen Gesetzentwurf Genüge getan. Aus europäischer Sicht darf es nach 2018 keinen subventionierten Stein- kohlenbergbau in Deutschland mehr geben, so dass es auch keiner weiteren Prüfung im Jahr 2012 bedarf. Hier handelt die christlich-liberale Regierungskoalition kon- sequent und richtig, da es an vorderster Stelle darum geht, die auf europäischer Ebene gefundene Einigung nicht zu gefährden, die nur unter größten Mühen gefun- den werden konnte. Für mich persönlich stellt sich die Situation aber et- was komplexer dar: Die Revisionsklausel ist juristisch überflüssig geworden und ihre Streichung dient dem Zweck der Bestandssicherung auch des Steinkohlen- bergbaus bei uns im Tecklenburger Land. Politisch ge- hört sie aber meines Erachtens auf die Tagesordnung der zukünftigen Energiepolitik, und deshalb kann ich einer Streichung nicht zustimmen. Ich möchte ein deutliches S n n w s b h b h d k a w u u n p d d w e v g w B le w T b B S P s K v g z d k s k d a B k M 2 F A k B S s m (C (D ignal setzen, dass die Zukunftschancen der Steinkohle icht nur jetzt, sondern auch nach 2018 erkannt und ge- utzt werden müssen. Dazu müssen wir die weitere Ent- icklung im Fokus haben. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir die heimi- che Steinkohle weiterhin als nationale Energiereserve enötigen und somit den Zugang zu den Lagerstätten er- alten sollten. In einem zukunftsorientierten Energiemix rauchen wir neben den regenerativen Energien auch ochmoderne und effiziente Kohlekraftwerke, in denen ann auch die heimische Steinkohle verstromt werden ann. Gerade jetzt, wo alle möglichen Energieformen uf dem Prüfstand stehen und wir uns fragen müssen, ie eine sichere und bezahlbare Energieversorgung für nser Land zukünftig gestaltet werden kann, dürfen wir ns diese Möglichkeit eines heimischen Energieträgers icht verbauen. Grundsätzlich ist es richtig, die jetzt gefundene euro- äische Vereinbarung endgültig zu ratifizieren. Aber wir ürfen die weitere wirtschaftliche Entwicklung nicht aus en Augen verlieren und müssen uns bewusst sein, dass ir in unserem rohstoffarmen Land mit der Steinkohle inen der ganz wenigen grundlastfähigen Energieträger erfügbar haben. Diesen sollten wir nicht vorschnell auf- eben. Thomas Bareiß (CDU/CSU): Das Gesetz, über das ir heute abstimmen, zeigt deutlich, wie erfolgreich die undesregierung die Interessen der deutschen Steinkoh- nregionen, der Beschäftigten und damit auch unsere irtschaftspolitischen Interessen in Brüssel vertritt. rotz aller Kritik an der Streichung der Revisionsklausel egrüße ich ausdrücklich, dass die Bundesregierung in rüssel durchgesetzt hat, dass wie geplant bis 2018 teinkohle subventioniert werden kann. Auch wenn der reis dafür die Aufgabe der Revisionsklausel ist, ist die- er Preis geringer als ein vorzeitiger Ausstieg aus der ohlensubvention im Jahre 2014, der auf Kosten der ielen Tausenden Kohlenarbeiter und deren Familie ge- angen wäre. Vorneweg möchte ich klarstellen: Im Steinkohlefinan- ierungsgesetz von 2007 hat sich die Große Koalition arauf geeinigt, die subventionierte Förderung der Stein- ohle in Deutschland bis 2018 zu beenden. Dieser Aus- tiegsplan ist sozial ausgereift und zeigt die Verlässlich- eit unserer Regierungsarbeit. Bereits im Jahr 2007, als as Steinkohlefinanzierungsgesetz von der Großen Ko- lition auf den Weg gebracht wurde, war allerdings allen eteiligten klar, dass für den Zeitraum 2011 bis 2018 eine beihilferechtliche Genehmigung der EU vorlag. it einer Entscheidung der EU zum Ende des Jahres 010 musste daher gerechnet werden. Diese sah nun in orm des aktuellen EU-Kommissionsvorschlags ein uslaufen der deutschen Subventionierung von Stein- ohle bereits im Jahr 2014 vor. Die Bundesregierung setzte sich daraufhin massiv in rüssel für eine Befristung der Subventionierung von teinkohle bis 2018 ein. Trotz aller Widerstände in Brüs- el konnte dies durchgesetzt werden. An dieser Stelle öchte ich nochmal ausdrücklich Bundeskanzlerin 12150 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) Angela Merkel und Wirtschaftminister Rainer Brüderle für ihren starken Einsatz auf europäischer Ebene danken. Ein vorzeitiger Ausstieg hätte frühzeitige Stilllegungen und betriebsbedingte Kündigungen von mehreren Tau- send Bergleuten zur Folge. Hinzu kommen weitere Fak- toren, wie praktische und technische Probleme, die Bergwerke früher zu schließen. Uns war es wichtig, dass Entscheidungen erst getrof- fen werden, wenn die Kosten beider Szenarien klar sind. Die Bundesregierung konnte auf europäischer Ebene klarmachen, dass ein für 2014 vorgesehener Ausstieg aus den staatlichen Subventionen für den Steinkohlen- bergbau nicht wirklich günstiger sei als ein geordneter Ausstieg aus den Beihilfen im Jahre 2018. Der Preis da- für war lediglich das Streichen der Revisionsklausel aus dem Gesetz von 2007. Nicht zum ersten Mal beschäftigt uns das Thema Steinkohlenförderung im Plenum. Schließlich ist es auch ein sehr emotionales Thema. Dies hat verschiedene Gründe, die auch dazu geführt haben, dass wir uns so stark wie nur möglich für das Ende der Steinkohlensub- ventionen 2018 auf europäischer Ebene eingesetzt ha- ben. Die große Bedeutung von Kohle ist zum einen dem hohen Anteil am derzeitigen Energiemix und zum ande- ren der langjährigen Tradition in Deutschland und ihrer Bedeutung als langjährig wichtigster Wirtschaftsfaktor für das Ruhrgebiet geschuldet. Immerhin liegt Deutsch- land bei der Steinkohlenförderung hinter Polen auf Platz zwei in Europa. In unserem deutschen Energiemix hat die Steinkohle einen Anteil von rund 19 Prozent an der Bruttostromerzeugung in Deutschland. Gemeinsam mit der Braunkohle beträgt der Anteil über 40 Prozent. Insbesondere die Menschen in der Region haben eine besondere Verbundenheit damit. Das hat unter anderem historische Gründe. Das Ruhrgebiet ist eine der bedeu- tendsten deutschen und europäischen Industrieregionen. Diese Entwicklung wäre ohne den Steinkohlenabbau nie möglich gewesen. Die heimische Steinkohle hat über Jahrzehnte entscheidend zum Aufbau unseres Landes und der Steigerung unseres Wohlstandes beigetragen. Das Gesetz von 2007 war somit eine Zäsur. Mit dem Ge- setz wurde eine wichtige ordnungspolitische Grundsatz- entscheidung getroffen und der größte Subventionsab- bau seit Bestehen der Bundesrepublik beschlossen. Deutschland ist damit das einzige Land, das ein schlüssi- ges, sozialverträgliches und wirtschaftliches Gesamt- konzept zur Beendigung der heimischen Steinkohlenför- derung hat. Der deutsche Steinkohlenbergbau ist seit vielen Jah- ren aufgrund seiner ungünstigen geologischen Bedin- gungen international nicht mehr wettbewerbsfähig. Mil- liardenschwere Subventionen – fast 2 Milliarden Euro pro Jahr in den letzten Jahren – waren bisher notwendig, damit der deutsche Steinkohlenbergbau wettbewerbsfä- hig bleibt. Bei der Versorgung der deutschen Wirtschaft aber überwiegen die Importe. Steinkohle kann jederzeit aus sicheren Lieferländern bezogen werden. Dies wurde auch im Steinkohlefinanzierungsgesetz von 2007 aufge- griffen. Das soll nicht heißen, dass die Förderung von Steinkohle in Deutschland nicht mehr politisch gewollt is W E s k z K d a z R s V S n fü u 2 ru d k fo D v fe w u s k ru w d z ti re v G A re S e te E E S h P ü v tr z h ru w li (C (D t, sondern dass die Förderung unter der Prämisse der irtschaftlichkeit stehen muss – was übrigens für alle nergieträger gilt. Die Streichung der Revisionsklausel, die wir jetzt be- chließen wollen, ist eine europapolitische Notwendig- eit, um den Schutz der Arbeitnehmer in dieser Branche u gewährleisten. Schließlich ist eine der wichtigsten omponenten der Wirtschaftspolitik, stabile Rahmenbe- ingungen zu schaffen, auf die sich Unternehmen, Mit- rbeiter und Bürger verlassen können. Es wurde seiner- eit eine gute Regelung getroffen, auf die sich die egion und die Menschen dort verlassen. Vertrauens- chutz und Planungssicherheit konnten in den harten erhandlungen mit Brüssel sichergestellt werden. Im inne einer verlässlichen Wirtschaftspolitik wurde an ei- er Förderung bis 2018 festgehalten, was ich persönlich r richtig halte. Wegen der genannten Gründe halte ich es für sinnvoll nd lobenswert, dass die Bundesregierung den im Jahr 007 beschlossenen Ausstieg aus der Steinkohlenförde- ng bis 2018 in Brüssel durchgesetzt hat. Auch wenn er politische Preis dafür die Streichung der Revisions- lausel ist, haben wir unterm Strich einen wichtigen Er- lg für unsere heimische Kohlenwirtschaft errungen. enn angesichts der Größe der Branche braucht es die on uns gezeigte Verlässlichkeit, wenn man den betrof- nen Menschen eine vernünftige Perspektive bieten ill, die nicht zulasten einer traditionsreichen Branche nd ihrer Arbeiter geht. Deshalb plädiere ich für die Zu- timmung zum Gesetz über die Änderung des Stein- ohlefinanzierungsgesetzes. Rolf Hempelmann (SPD): Das Steinkohlefinanzie- ngsgesetz, das mit dem vorliegenden Gesetz geändert erden soll, geht auf den Steinkohlenkompromiss aus em Jahre 2007 zurück, der sorgsam austariert eine so- ialverträgliche und geordnete Beendigung des subven- onierten Steinkohlenbergbaus in Deutschland bis 2018 gelte. Damals war bekannt, dass die Steinkohlensub- entionen unter dem Vorbehalt der beihilferechtlichen enehmigung durch die EU stehen, die nach 2010 einer nschlussregelung bedurfte. Offenbar ging die Bundes- gierung davon aus, dass die deutsche Regelung für den trukturwandel die Unterstützung der EU bekommen und ine entsprechende Genehmigung quasi automatisch er- ilt werden würde. Nun haben wir im vergangenen Jahr erlebt, wie diese rwartungen enttäuscht wurden. Nach dem Vorschlag der uropäischen Kommission sollte der subventionierte teinkohlenbergbau 2014 beendet werden. Das wäre ein arter Schlag für die betroffenen Regionen gewesen. Alle rämissen für einen geordneten Strukturwandel wären ber den Haufen geworfen worden. Beim Kommissions- orschlag blieb außen vor, dass Tausenden Bergleuten be- iebsbedingt gekündigt worden wäre. Außerdem wäre es u massiven Arbeitsplatzverlusten in vom Bergbau ab- ängigen Bereichen gekommen. Auch der Finanzie- ngsfahrplan der RAG-Stiftung für die Ewigkeitslasten äre gefährdet gewesen. Schließlich spielte offensicht- ch die in einer Studie festgestellte Klimaneutralität der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12151 (A) ) )(B) Steinkohlenförderung keine Rolle. Mit Beendigung der Steinkohlenförderung in Deutschland wird nicht automa- tisch die fossile Stromerzeugung reduziert. Vielmehr wird die deutsche Steinkohle dann durch Importkohle aus Drittländern ersetzt werden. Nach massiven Protesten unter anderem des Europäi- schen Parlaments ist mit dem Ratsbeschluss vom 10. De- zember 2010 die weitere Subventionierung des Steinkoh- lenbergbaus bis 2018 genehmigt worden. Festzuhalten ist jedoch: Im gesamten Verfahren auf europäischer Ebene hat die Bundesregierung widersprüchliche Signale nach Brüssel gesandt. Die Bundeskanzlerin war mehr als ein Jahr untätig. Wirtschaftsminister Brüderle hatte offenbar sogar mit einer verkürzten Perspektive für die deutsche Kohle geliebäugelt und war anscheinend auch bereit, die damit verbundenen betriebsbedingten Kündigungen billi- gend in Kauf zu nehmen. Wie anders ist es zu interpretie- ren, dass er lediglich einen Prüfvorbehalt einlegte, wäh- rend die Wirtschaftsminister der ebenfalls betroffenen Bergbauländer Spanien und Rumänien gegen die Verkür- zungspläne der Kommission Widerspruch einlegten? Jetzt kann der Steinkohlenbergbau bis 2018 weiter subventioniert werden, jedoch ist dafür die Revisions- klausel geopfert worden, die Klausel, nach der die Bun- desregierung dem Deutschen Bundestag bis Mitte 2012 einen Bericht vorlegen sollte. Auf Grundlage dieses Be- richts sollte dann der Deutsche Bundestag entscheiden, ob weiterhin eine Förderung der Steinkohle erfolgen soll. Dabei sollten drei Gesichtspunkte eine Rolle spie- len: Wirtschaftlichkeit, Sicherung der Energieversor- gung und andere energiepolitische Ziele. Jetzt – und nicht 2012 – und ohne Bericht der Bundesregierung ent- scheiden wir. Dabei erörtern wir nicht die sich fortlau- fend verändernde Situation auf dem Weltenergiemarkt und die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Wir nehmen uns die Möglichkeit einer umfassenden Bewer- tung des Steinkohlenweltmarktes. Vor dem Hintergrund der aktuellen Preisentwicklung auf dem Weltmarkt und der Verknappung, der Verteuerung und dem aufkom- menden Protektionismus einzelner Länder bei immer mehr energetischen und nichtenergetischen Rohstoffen ist das leichtsinnig. Wie die parlamentarische Anhörung ergeben hat, kann insbesondere für die in Deutschland abgebaute Kokskohle nach 2018 eine Perspektive für einen subven- tionsfreien Abbau nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Der Marktpreis für Kokskohle bewegt sich nicht erst seit der Hochwasserkatastrophe in Queensland auf hohem Niveau. In diesem Marktsegment ist es vorstell- bar, dass die Wettbewerbsfähigkeit erreicht wird und Kokskohle dauerhaft konkurrenzfähig angeboten werden könnte. Es geht in dieser Diskussion aber auch um hochquali- fizierte Arbeitsplätze im Maschinen- und Anlagenbau. Der Bergbau ist ein Erprobungsfeld für weltweit ge- fragte Technologien. Der deutsche Maschinen- und An- lagenbau hat hier eine Spitzenstellung in der Welt. Um diese Spitzenstellung zu erhalten und langfristig diese Arbeitsplätze in Deutschland zu halten, muss jetzt über Perspektiven nachgedacht werden. Vor dem Hintergrund d im s u H d in n b R fe s v ti s re b a im g S A E K fü S d le u le u k te e s v v e fü m d li D lu N d fi u p b G le d d (C (D er derzeitigen Energiedebatte müssen wir uns darüber Klaren sein, dass wir über kurz oder lang auf den fos- ilen Energieträger Kohle nicht verzichten können, um nter anderem Versorgungssicherheit zu gewährleisten. inzu kommt dann die fortbestehende rohstoffliche Be- eutung insbesondere für die Stahlindustrie und weitere dustrielle Spezialbedarfe. Betrachtet man dies alles, ist es besonders leichtsin- ig, dass nach der derzeitigen Rechtslage Steinkohlen- ergwerke, die Stilllegungsbeihilfen nach Art. 3 des atsbeschlusses seit Beginn 2011 erhalten, diese Beihil- n komplett zurückzahlen müssen, wenn sie nach 2018 ubventionsfrei betrieben werden. Diese Rückzahlungs- erpflichtung behindert jegliche Option auf subven- onsfreie Weiterführung von Bergwerken. Der europäi- chen Ebene ging es bei ihrer Entscheidung um ein kla- s Enddatum für den subventionierten Steinkohlenberg- au, ein subventionsfreier Bergbau sollte dabei aber nie usgeschlossen werden. Hier hätte die Bundesregierung Europäischen Rat besser aufpassen müssen. Jetzt eht es darum, den von Brüderle & Co. angerichteten chaden nachträglich zu reparieren. Dazu haben wir im usschuss für Wirtschaft und Technologie mit unserem ntschließungsantrag einen Vorschlag gemacht. Die Bundesregierung muss mit der Europäischen ommission und mit dem Europäischen Rat Gespräche hren, um Wege zu finden, einen subventionsfreien teinkohlenbergbau nach 2018 zu ermöglichen. Außer- em muss geprüft werden, wie das Regime der Steinkoh- nsubventionierung bis 2018 ausgestaltet werden kann, m eine subventionsfreie Weiterführung von Steinkoh- nbergwerken nicht nur nicht zu behindern, sondern zu nterstützen. Das muss zeitnah erfolgen, denn andernfalls önnte der Zugang zu den Lagerstätten nicht offen gehal- n werden. Klaus Breil (FDP): Mit dem vorliegenden Gesetz- ntwurf endet ein Jahrzehnte andauerndes Kapitel deut- cher Industriegeschichte: Im Jahr 2018 wird der sub- entionierte Steinkohlenbergbau in Deutschland nun erbindlich und mit Zustimmung der EU auslaufen. Bis zu diesem Zeitpunkt werden die deutschen Steu- rzahler jedoch über 140 Milliarden Euro Subventionen r die Steinkohlenförderung aufgebracht haben. Seit ehr als 20 Jahren hat sich die FDP im Deutschen Bun- estag deshalb für einen geordneten und sozialverträg- chen Ausstieg aus dieser Subventionspolitik eingesetzt. ie Weichen hierfür stellte der Ende 2007 in Verhand- ngen zwischen dem Bund, den betroffenen Ländern ordrhein-Westfalen und Saarland, der IG BCE sowie er RAG AG errungene Kompromiss im Steinkohle- nanzierungsgesetz. Da staatliche Beihilfen für den Steinkohlenbergbau nter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Euro- äische Kommission stehen, waren mit dem Ablauf der isherigen Regelungen zum 31. Dezember 2010 erneut espräche auf europäischer Ebene erforderlich. Vor al- m dem beharrlichen Einsatz der Bundesregierung – und as möchte ich an dieser Stelle besonders betonen – für en 2007 gefundenen Konsens ist es zu verdanken, dass 12152 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) der erfolgreich begonnene Veränderungsprozess in den Bergbauregionen fortgeführt werden kann und dass ein verlässlicher Fahrplan den betroffenen Menschen auch weiterhin die dafür erforderliche Orientierung bietet. Nun mag mancher kritisieren, dass eine Annäherung der Positionen in den Verhandlungen mit der Europäi- schen Union nur unter Verzicht auf die bisher im Gesetz enthaltene Revisionsklausel möglich war. Hier stellt sich jedoch die grundsätzliche Frage, ob eine Förderung von Steinkohle in unseren Regionen jemals zu wettbewerbs- fähigen Bedingungen möglich wäre. Auch wenn zuletzt durch Verknappungen des Angebots – unter anderem durch die Flutkatastrophe in Australien – die Weltmarkt- preise für Kraftwerkskohle deutlich bis in den Bereich von 100 Euro je Tonne gestiegen sind, liegt dieses Preis- niveau noch weitaus niedriger als die Förderkosten für deutsche Steinkohle. Rund 90 Prozent der in Deutsch- land im vergangenen Jahr geförderten Steinkohlen- menge von circa 13 Millionen Tonnen entfielen auf Kraftwerkskohle. Daher ist deren Preisentwicklung für die Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit maßgebend, nicht der isolierte Blick auf den zeitweilig stärkeren Preisanstieg bei Kokskohle. Sollte es zudem am Welt- markt zu einem dauerhaft hohen Preisniveau bei der Steinkohle kommen – was bei weiter zunehmender Nachfrage insbesondere aus Asien möglich ist –, wird dies einen deutlichen Anstieg der Fördermengen in an- deren Regionen der Erde nach sich ziehen. Die wach- sende Rentabilität der Förderung führt zwangsweise zu einer Anpassung auf der Angebotsseite. Deutschland könnte angesichts seines geringen Anteils von unter 3 Prozent der globalen Vorkommen und angesichts der bestehenden erheblichen geologischen Nachteile mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten. Hinzu kommt, dass auch die Kosten für den Rückbau und die Beseitigung unvermeidlich auftretender Schäden erwirtschaftet werden müssen. Auch insofern haben die deutschen Lagerstätten in dicht besiedeltem Gebiet er- hebliche Nachteile gegenüber dem internationalen Wett- bewerb. Weder in Bezug auf die Versorgungssicherheit noch auf die Entwicklung der Weltmarktpreise wird so- mit der Steinkohlenbergbau in unserem Land jemals ei- nen relevanten Einfluss nehmen können. Daher stellt für uns die Streichung der Revisionsklausel eine tragfähige Lösung dar. Auf einen weiteren Punkt möchte ich kurz eingehen. Nicht erst in jüngster Zeit ist der Ruf nach dem dauerhaften Erhalt eines Referenzbergbaus zu verneh- men. Begründet wird dieser häufig mit dadurch verbes- serten Absatzchancen der heimischen Maschinen- und Anlagenbauer. Hierauf kann es nur eine Antwort geben: Die beste Referenz ist der Beweis des leistungsfähigen und störungsfreien Betriebs deutscher Qualitätsprodukte in den weltweit bedeutendsten Fördergebieten. Nur diese Argumente erhöhen die Marktchancen für „Made in Germany“ nachhaltig. Zum Antrag der SPD möchte ich die Stellungnahme des Gesamtverbandes Steinkohle e. V. zur öffentlichen Anhörung am 11. April 2011 zitieren: „Die deutsche Steinkohle ist aus heutiger Sicht nicht in der Lage, kurz- u z e k ic w S z k d d e re o s s m n F d w s h a P im te d te w a d w s d a s L fö d fi n z s s ö U M G h g w s d (C (D nd mittelfristig Kraftwerkskohle wettbewerbsfähig an- ubieten.“ Das beschreibt, wie auch das vorhin Gesagte, igentlich alles zu der Idee, subventionsfrei weiter Stein- ohle abbauen zu wollen. Was den vorliegenden Gesetzentwurf betrifft, möchte h gleichwohl um Ihre Zustimmung werben. Nur wenn ir es gemeinsam schaffen, uns von einer Politik der ubventionsverteilung zu lösen, werden wir die finan- iellen Spielräume für die Beantwortung drängender Zu- unftsfragen gewinnen – sei es für die Konsolidierung er öffentlichen Haushalte oder für die Beschleunigung er Energiewende in unserem Landes. Wir haben durch ine verlässliche Positionierung gegenüber der EU er- icht, dass die Steinkohlensubventionen bis 2018 ge- rdnet abgebaut werden können. Ein ständiges Rum- chrauben an den Modalitäten wird niemandem helfen – chon gar nicht den betroffenen Mitarbeitern. Ulla Lötzer (DIE LINKE): Mit der heutigen Abstim- ung soll der Steinkohlenbergbau in Deutschland defi- itiv zu Grabe getragen werden. Wir stehen aufgrund der ehler der Bundesregierung jetzt vor dem Dilemma, ass wir diese Gesetzesänderung nicht ablehnen können, eil sonst die Förderung der heimischen Steinkohle chon 2014 beendet werden würde. Die große Koalition atte es versäumt, den „Kohlekompromiss“ von 2006 uf der europäischen Ebene bestandsfest zu machen. rompt hatte die EU-Kommission die Beihilferegelung letzten Jahr gänzlich infrage gestellt. Nur den Protes- n der Bergleute und der Gewerkschaften ist es zu ver- anken, dass der Bergbau jetzt wenigstens bis 2018 wei- rlaufen kann. Doch die Genehmigung der Beihilfen urde mit dem Deal erkauft, dass die Revisionsklausel us dem deutschen Gesetz gestrichen werden soll. So weit, so schlecht. Doch sieht man genau hin, geht er Eingriff mit der heutigen Gesetzesänderung noch esentlich weiter. In der Anhörung des Wirtschaftsaus- chusses in dieser Woche wurde sehr deutlich, dass Ziel er EU-Kommission definitiv die endgültige Stilllegung ller Zechen in Deutschland und in anderen Mitglied- taaten ist. Selbst wenn eine Zeche im Jahre 2018 in der age wäre, ohne weitere Subventionen Steinkohle zu rdern, wird ihr der Garaus gemacht. Dann nämlich, so ie EU-Verordnung und die Änderung des Steinkohle- nanzierungsgesetzes, muss die Zeche alle Subventio- en, die sie ab 2011 erhalten haben wird, wieder zurück- ahlen. Das ist wirtschaftlich auf keinen Fall zu chaffen. Das heißt, die Zechen müssen dann so oder so chließen, ob sie 2018 rentabel sind oder nicht. Das ist konomischer und arbeitsmarktpolitischer Unsinn. Selbst wenn nach 2018 kein Bergwerk ohne staatliche nterstützung weiterlaufen könnte, halten wir es für das indeste, über Technologieförderung wenigstens eine rube für die Sicherung des technologischen Know- ows offen zu halten. Die Folgen der Zechenschließun- en betreffen nicht nur die Beschäftigten in den Berg- erken. An der Kohleförderung hängt ein moderner Ma- chinen- und Anlagenbau. Allein die Technologiesparte er Kohlewirtschaft beschäftigt mehr als 15 000 Men- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12153 (A) ) )(B) schen in NRW. Nur mit dem Erhalt eines Referenzberg- werks können diese Arbeitsplätze in Deutschland erhal- ten werden. Mittelfristig kann die Kohle auch ein wichtiger Ersatzrohstoff für das zur Neige gehende Erdöl als Grundstoff der petrochemischen Industrie wer- den. Je nach der Entwicklung auf den Rohstoffmärkten werden wir eines Tages vielleicht noch heilfroh sein, wenn wir heute die heimischen technologischen Kompe- tenzen im Bergbau nicht völlig vernichten. Eine Beendigung der heimischen Steinkohlenförde- rung ist kein Beitrag zum Klimaschutz, solange nicht gänzlich aus der Kohleverstromung ausgestiegen wird. Sie verlagert nur die Umweltkosten und Arbeitsplätze ins Ausland. Verstehen Sie uns nicht falsch – wir teilen das Nein zum Bau neuer Kohlekraftwerke. Kohle- und Atomkraftwerke blockieren den dringend notwendigen Umstieg auf erneuerbare Energien. Aber mit der Be- endigung der heimischen Steinkohlenförderung wird kein Kohlekraftwerk abgeschaltet, sondern nur die hei- mische Kohle durch Importkohle ersetzt. Die Entschei- dung an diesem Punkt heißt deshalb nicht „Kohle? Ja oder Nein“, sondern „aktive Industriepolitik oder Wirt- schaftsliberalismus?“. Wir treten für eine aktive Indus- triepolitik und für den Erhalt von Industriearbeitsplätzen durch einen sozial-ökologischen Umbau ein, nicht aber für eine Verbesserung der CO2-Bilanz durch die Vernich- tung von qualifizierten Arbeitsplätzen in der Industrie. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach den Beratungen in den Ausschüssen und der Anhö- rung zur Streichung der Revisionsklausel und der damit verbundenen Änderung des Steinkohlefinanzierungsge- setzes im Wirtschaftausschuss beraten wir heute über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Streichen der Revisionsklausel im Steinkohlefinanzierungsgesetz in zweiter und dritter Lesung. Grund dafür ist, dass sich im Jahr 2007 die damalige Große Koalition im Bund, die Länder, die RAG und die IG BCE auf eine Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus bis zum Jahr 2018 geeinigt hatten – mit der Vorgabe, dies aufgrund einer Revisionsklausel im Jahr 2012 noch einmal zu überprüfen. Dabei wurde es jedoch von der damaligen Großen Koalition im Bund und der damaligen schwarz-gelben Landesregierung in Nordrhein-Westfalen versäumt, das deutsche Steinkohle- finanzierungsgesetz von 2007 auch europarechtlich ab- zusichern. Denn es gab vonseiten der EU-Kommission nur eine Zustimmung für ein Fortführen der Subventio- nen bis 2011. Rückblickend muss man sagen, dass dies eine arrogante Haltung der damaligen Bundes- und Lan- desregierungen war, die sich im Juli 2010 gerächt hat. Denn zu diesem Zeitpunkt machte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates, die Steinkohlenbeihilfen bereits im Oktober 2014 einzustel- len. Nur durch erheblichen politischen Druck und wahr- scheinlich auch durch viele sachfremde Zugeständnisse in anderen Politikfeldern konnte Deutschland die Kom- mission und die anderen Mitgliedstaaten doch noch be- w z v s 2 A B te G G E Z w s e Z A d la le le E s la v P s k d m P S J ü s u b d s In a fu R m n d E e b F fö e d A a (C (D egen, Steinkohlensubventionen bis 2018 statt bis 2014 uzulassen. Deutschland musste aber zusichern, die Re- isionsklausel im deutschen Steinkohlefinanzierungsge- etz zu streichen, damit der subventionierte Bergbau bis 018 definitiv beendet wird. Denn bisher heißt es in § 1 bs. 2 des Steinkohlefinanzierungsgesetzes, dass die undesregierung dem Deutschen Bundestag bis spätes- ns 30. Juni 2012 einen Bericht zuleitet, auf dessen rundlage der Deutsche Bundestag unter Beachtung der esichtspunkte der Wirtschaftlichkeit, der Sicherung der nergieversorgung und der übrigen energiepolitischen iele prüft, ob der Steinkohlenbergbau weiter gefördert ird. Der heute zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf ieht eine Streichung genau dieses Absatzes vor. Dies ist in richtiges, vernünftiges und auch absolut notwendiges eichen an Europa. Denn die Revisionsklausel war von nfang an überflüssig und unsinnig. Sie hat verhindert, ass alle Beteiligten Planungssicherheit haben und sich ngfristig auf das unvermeidliche Ende des Steinkoh- nbergbaus einstellen konnten. Wir Grüne haben im tzten Jahr schon lange vor der Diskussion auf EU- bene hier im Bundestag entsprechende Anträge ge- tellt. Die Bundesregierung muss sich jedoch vorwerfen ssen, hier lange Zeit untätig gewesen zu sein. Schon iel früher hätte sie durch konkrete Gesetzesinitiativen lanungssicherheit für alle Beteiligten schaffen und zu- ätzliche, neue Bergschäden, Altlasten und Ewigkeits- osten vermeiden können. Doch die Bundesregierung brauchte anscheinend erst en Druck aus Brüssel, um durch den heute zur Abstim- ung vorliegenden Gesetzentwurf den europäischen artnern ernsthaft zu versichern, dass 2018 endlich chluss ist. Ansonsten hätten Sie bereits im vergangenen ahr unseren Anträgen „Steinkohlesubventionen jetzt berprüfen“ und „Subventionierten Steinkohlebergbau ozialverträglich beenden“ im Bundestag zugestimmt. Dass die Streichung der Revisionsklausel ein richtiges nd glaubhaftes Instrument für das Ende des nicht-wett- ewerbsfähigen Bergbaus in Deutschland ist, hat auch ie Anhörung an diesem Montag im Wirtschaftsaus- chuss des Deutschen Bundestages ergeben. Bis auf die teressenvertreter des Steinkohlenbergbaus waren sich lle Fachleute und Wissenschaftler einig: Eine Überprü- ng der Steinkohlensubventionen durch die sogenannte evisionsklausel im Jahr 2012 ist überflüssig und nicht it den EU-Vorgaben vereinbar. Es ist daher nur ver- ünftig, den Empfehlungen der Experten zu folgen und urch das Streichen der Revisionsklausel den anderen U-Staaten ernsthaft zu belegen, dass Deutschland 2018 ndgültig seine Beihilfen für den Steinkohlenbergbau eenden wird. Die Forderung der SPD und der Linken nach einer ortführung der nichtwettbewerbsfähigen Steinkohlen- rderung in Deutschland scheint momentan jedoch in ine ähnliche energiepolitische Sackgasse zu laufen, wie as bei Union und FDP vor wenigen Monaten in der tomfrage der Fall war. Rot-Rot scheint auch insofern n alten Strukturen festhalten zu wollen, statt die Ener- 12154 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) giewende zu beschleunigen. Dies hat nicht zuletzt auch der Entschließungsantrag der SPD-Fraktion im Wirt- schaftsausschuss gezeigt. Darin wird offen gefordert, mit der EU-Kommission und dem EU-Rat Gespräche zu führen, um den Steinkohlenabbau auch weiterhin in Deutschland zu ermöglichen. Angesichts der bereits jetzt gezahlten Milliardensummen und angesichts der entstan- denen Bergschäden und Ewigkeitskosten frage ich mich ernsthaft, ob dies gerade in der jetzigen energie- politischen Diskussion der richtige Weg ist. Wollen Sie, liebe Sozialdemokraten, nach der Debatte im letzten Jahr gegen die EU-Kommission und die große Mehrheit der anderen Mitgliedstaaten – wo wir doch fast schon bei ei- nem Aus 2014 gelandet wären –, das Fass noch mal auf- machen? Das können Sie nicht ernst meinen. Kommen Sie endlich im 21. Jahrhundert an! Der Steinkohlenberg- bau hat in Deutschland aus vielen Gründen keine Zu- kunft mehr. Statt viele Milliarden Euro in schwarzen Löchern zu versenken, brauchen wir das Geld viel dringender für den Strukturwandel in den betroffenen Regionen, um den Umbau der Energieversorgung weg von den fossilen Energieträgern hin zu den erneuerbaren Energien zu be- werkstelligen. Dabei steht die Sozialverträglichkeit der Beendigung des Steinkohlenbergbaus nicht infrage. Bis allerspätestens 2018 ist nun Zeit, alles sauber zu beenden und in der Zeit bis dahin, wo immer möglich, das Entste- hen neuer Ewigkeitslasten zu vermeiden. Ohne Zweifel, mit der heutigen Entscheidung geht eine lange Bergbautradition an Saar und Ruhr zu Ende, die ganze Generationen und das Gesicht der Regionen geprägt und eine ganz entscheidende Rolle bei der In- dustrialisierung und dem Wiederaufbau Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg gespielt hat. Dass vielen Menschen der Abschied von Steinkohlenbergau auch aus emotionalen Gründen schwer fällt, kann ich gut ver- stehen. Man muss aber auch sehen: Der Bergbau hat auch zu beträchtlichen Altlasten und Ewigkeitskosten geführt. Auf ewig werden unsere Nachkommen an diese Zeit erinnert werden, denn sie werden ewig – solange Menschen im Ruhrgebiert und am Niederrhein leben werden – pumpen müssen, um durch den Bergbau abge- senkte Flächen zu entwässern. Hinzu kommt die Unter- haltung von Deichen, die Sanierung Tausender alter Schächte und vieles mehr. Auch Gebäudeschäden, Infra- strukturschäden und Umweltschäden werden uns und die nachfolgenden Generationen dauerhaft begleiten. Ob und wie viel unsere Nachkommen dafür zahlen müssen, ist ungeklärt. Denn ob die Einnahmen der RAG-Stiftung aus dem Verkauf der Evonik für alle Ewigkeitskosten ausreichen, ist längst nicht sicher. Vor diesen Hintergründen und in Anbetracht der Si- tuation des Bundeshaushaltes unterstützen wir Grünen den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Streichung der Revisionsklausel im deutschen Steinkohlefinan- zierungsgesetz. Wir hätten uns einen Ausstieg aus den Subventionen auch einige Jahre eher vorstellen können, wollen heute jedoch konstruktiv dazu beitragen, dass nun durch eine breite Mehrheit das Ende der Steinkohlen- subventionen 2018 endgültig besiegelt ist. A le h h u g d fü a s F s k d F n R d g ic d R g T b g v s g w b ü h s v (C (D nlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Antrag: Deutschland im UN-Sicherheitsrat – Nationalen Aktionsplan zur UN-Resolution 1325 jetzt erstellen – Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – 10 Jahre UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ – Verpflichtung zur UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ einhal- ten – Auf Gewalt in internationalen Kon- flikten verzichten – 10 Jahre UN-Resolution 1325 – Frauen, Frieden, Sicherheit – Nationaler Aktions- plan für eine gezielte Umsetzung (Tagesordnungspunkt 20 a und b) Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Ich mache nun seit vie- n Jahren Entwicklungspolitik. Und in all den Jahren abe ich immer Gewalt gegen Frauen angeprangert. Ich abe immer die Bedeutung von Frauen in Konflikten nd die Prävention betont. Und ich habe immer darauf epocht, die gesellschaftliche Stellung von Frauen in en Entwicklungsländern zu verbessern. Das war und ist r mich nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern uch ein Herzensanliegen. Daher begrüße ich ausdrücklich die Sicherheitsratsre- olution 1325, die die überaus wichtige Rolle von rauen in Konflikten, deren Prävention und bei der ge- ellschaftlichen Aufarbeitung von Konflikten aner- ennt. Für mich als Entwicklungspolitikerin verbindet sich amit die Aufgabe, noch mehr die zentrale Rolle von rauen für Sicherheit und Entwicklung in unseren Part- erländern zu betonen. Sie müssen sowohl in ihren echten als auch in ihrer sozialen Stellung gestärkt wer- en; denn nur so bekommen sie in Konfliktländern die esellschaftliche Rolle, die ihnen zusteht. Daher begrüße h ausdrücklich die diversen Strategien des BMZ, sei es er entwicklungspolitische Gender-Aktionsplan, der den ahmen für unser entwicklungspolitisches Handeln vor- ibt, oder sei es das Grundlagenpapier „Stärkung der eilhabe von Frauen in der Entwicklungszusammenar- eit“, das Wege beschreibt, wie Frauen in ihrer Teilhabe estärkt werden können. Wenn uns das Empowerment on Frauen – also ihre Befähigung, ihr Leben selbstbe- timmt in die eigenen Hände zu nehmen – noch besser elingt als bisher, wäre dies ein großer Beitrag der Ent- icklungspolitik zur Erfüllung der Resolution 1325. Denn Frauen tragen bis heute in Konflikten, aber auch eim Wiederaufbau oftmals die Hauptlast, ohne dass sie ber entsprechenden politischen Einfluss verfügen. Da- er ist diese Resolution für mich ein Meilenstein, denn ie erkennt unmissverständlich an, dass Frauen ein Teil on Friedensprozessen sein müssen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12155 (A) ) )(B) Frauen in den Konfliktgebieten der Welt können sich auf diese Resolution berufen. Jetzt ist es an den Natio- nalstaaten, diese Resolution mit Leben zu füllen, und wir alle wissen, dass es daran mitunter noch gewaltig hapert. Anlässlich der Verabschiedung der Sicherheitsratsre- solution 1325 vor zehn Jahren liegen heute einige An- träge auf dem Tisch. Im SPD-Antrag finden sich viele wichtige und richtige Feststellungen, die ich ausdrück- lich unterstütze. Auch die Fakten sind klar und eindeu- tig, soweit der Antrag mangelnde Fortschritte bei der Umsetzung – wohlgemerkt, weltweit – beklagt. In 51 Ländern ist sexualisierte Gewalt gegen Frauen doku- mentiert. Hier gibt es nichts zu beschönigen oder zu rela- tivieren. Aber der Antrag fordert auch einen „nationalen Ak- tionsplan“ zur Umsetzung der Resolution. Nun haben wir uns in der Fraktion mit diesem Thema lange und in- tensiv beschäftigt und die Argumente gegeneinander ab- gewogen. Im Ergebnis haben wir uns nach heutigem Kenntnisstand gegen einen Aktionsplan ausgesprochen. Denn ein solcher nationaler Aktionsplan würde gegen- über dem bestehenden deutschen Engagement keinen entscheidenden Mehrwert erzeugen. Bis heute konnte mich niemand überzeugen, worin der politische Mehr- wert eines solchen Aktionsplans liegen könnte. Daher war diese Forderung auch nicht in unserem umfassenden Antrag vom 3. März 2010 „Internationaler Frauentag – Gleichstellung national und international durchsetzen“ (Bundestagsdrucksache 17/901) enthalten. Ein Aktions- plan soll ja die Regierungen dazu anhalten, die Resolu- tion umzusetzen und das Engagement nachprüfbar zu machen, insbesondere für das Parlament. Ich kann mir vorstellen, dass solche Aktionspläne in vielen Ländern dringend notwendig wären, in denen es gravierende De- fizite hinsichtlich der Umsetzung der Resolution 1325 gibt. Zumindest fallen mir mehr Länder ein als die bis- lang rund zwei Dutzend, die einen nationalen Aktions- plan verabschiedet haben. Doch Sie stimmen mir sicherlich zu, dass die Bundes- regierung die Ziele und Verpflichtungen aus der Resolu- tion 1325 sehr ernst nimmt: Deutschland gehört der „Freundesgruppe der Resolu- tion 1325“ an, Deutschland nimmt an den jährlichen of- fenen Debatten im Sicherheitsrat teil, und Deutschland setzt sich für die Berücksichtigung der in der Resolution enthaltenen Forderungen in allen VN-Gremien ein. Die nationale Umsetzung der Resolution erfolgt durch die verschiedenen beteiligten Ressorts. Dazu wurde eigens eine Ressortarbeitsgruppe 1325 eingerichtet. Und seit 2004 berichtet die Bundesregierung dem Bundestag über die Umsetzung der Resolution 1325. Aber auch im europäischen Kontext engagiert sich die Bundesregierung: Die EU wendet die Resolution 1325 im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidi- gungspolitik an, zum Beispiel in Form von Richtlinien für die Umsetzung der Resolution in europäischen Frie- denseinsätzen oder durch Ratsschlussfolgerungen zur Berücksichtigung von Gleichstellungsaspekten im Kri- senmanagement. d Z – k M re li li e u d v S s g K k n c e e d w fl w g a L ih F m a d ru d d ti C te d T b a d V g G s h m m te h d (C (D Daher kann ich beim besten Willen keinen Mehrwert urch einen eigenen nationalen Aktionsplan erkennen. u beiden Zielen eines solchen nationalen Aktionsplans der Umsetzung der Resolution und der Überprüfbar- eit der Ergebnisse – würde ein Aktionsplan keinen ehrwert erbringen. Somit wäre ein unter den Bundes- ssorts abgestimmter Aktionsplan allenfalls von symbo- schem Wert. Doch die Wirkung einer solchen Symbo- k ist sehr begrenzt. Ich bin der Meinung, dass die rheblichen Ressourcen, die ein solches Dokument in nseren Ministerien binden würde, besser genutzt wer- en können. Denn: Symbolik beendet nicht die Massen- ergewaltigungen im Kongo, im Tschad oder Sudan, ymbolik beendet nicht die Straflosigkeit nach chlimmsten Verbrechen wie Mehrfachvergewaltigun- en an Kindern, Frauen oder Greisen, wie sie in einigen onflikten in Form von sexualisierter Gewalt vorge- ommen sind, und Symbolik in Form eines deutschen, ationalen Aktionsplans wird Menschenrechtsverbre- her nicht davon abhalten, die Zerstörung von Frauen in inigen Konflikten als Kriegsziel anzusehen. Wir sollten daher unsere politische Arbeit nicht auf ine Debatte über einen in meinen Augen überflüssigen eutschen Aktionsplan konzentrieren. Vielmehr sollten ir versuchen, die Ursachen für solch schreckliche Kon- ikte und Verbrechen an Frauen zu beseitigen. Damit äre dem Geist der Resolution 1325 wesentlich besser eholfen. Darum lautet das Votum zu den Oppositions- nträgen Ablehnung. Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Die Heldin ysistrata des griechischen Dichters Aristophanes und re Initiative, durch die sexuelle Verweigerung der rauen die Männer zum Frieden zu zwingen, ist allge- ein bekannt. In Liberia hat es vor einigen Jahren Nach- hmerinnen – wenn auch mit anderen Mitteln – gefun- en: Während des schrecklichen Krieges – der bis 2003 nd 250 000 Menschenleben forderte und in dem etwa rei Viertel aller Frauen und Mädchen vergewaltigt wur- en – entstand ein ganzes Netzwerk von Frauenorganisa- onen, das sich für die Schaffung von Frieden einsetzte. hristinnen und Musliminnen beteten und demonstrier- n zu Tausenden gemeinsam und sammelten sich vor em Präsidentenpalast in Monrovia. Sie haben in weißen -Shirts gegen die Kriegsgewalt angeschwiegen. Die li- erianischen Frauen haben sich außerdem mit Frauen us Sierra Leone und Guinea zusammengeschlossen und ie Verantwortlichen durch ihre Demonstrationen an den erhandlungstisch gebracht. Während der Verhandlun- en 2003 haben sie unter der Anführung von Leymah bowee das Haus umzingelt und den Männern gedroht, ie vor dem Abschluss eines Friedensabkommens nicht erauszulassen. Der Krieg fand ein Ende. Die Frauen haben sich ihr Mitspracherecht genom- en und sich religions- und grenzübergreifend zusam- engeschlossen, während die Männer sich abgeschlach- t und die Frauen der jeweiligen Gegner vergewaltigt aben. Bei den konkreten Friedensverhandlungen wur- en die Frauen dann übrigens wieder ausgeschlossen, 12156 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) aber: Frauenorganisationen haben anschließend bei der Entwaffnung und Demobilisierung der Rebellengruppen geholfen und sich für eine Frauenquote von 30 Prozent im Parlament eingesetzt. Für Letzteres erhielt Etweda Cooper einen 1325-Award. Seit 2005 hat Liberia eine weibliche Präsidentin, die erste in Afrika, welche nicht nur Vergewaltigung unter Strafe gestellt hat, sondern derzeit auch eine weibliche Polizeitruppe in Monrovia aufbaut. Das Beispiel aus Liberia macht deutlich, was der Hin- tergrund der UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden, Si- cherheit“ ist, an deren 10-jähriges Bestehen wir uns im Oktober 2010 erinnern konnten. Wir haben diese Reso- lution als „historischen Meilenstein“ bezeichnet, weil sie neben der Verurteilung von sexualisierter Gewalt an Frauen die Frauen aus der einseitigen Opferrolle heraus- holt und fordert, Frauen zu Akteurinnen in der Friedens- schaffung und Konfliktbeilegung zu machen. In der damaligen Debatte im Plenum hatte ich bedau- ert, dass CDU/CSU und FDP keinen eigenen Antrag vorgelegt haben, um ihre Vorstellungen zur Umsetzung der Resolution zur Diskussion zu stellen. Nun haben wir April, und Sie haben sich immer noch nicht positioniert. Und die Zustimmung der Koalitionäre im Unteraus- schuss „Zivile Krisenprävention“ zum SPD-Antrag scheint ja wohl eher ein Versehen gewesen zu sein und wurde deshalb im Auswärtigen Ausschuss durch eine Ablehnung „geheilt“. Ich finde, Sie könnten Ihrer Regie- rung gegenüber ein bisschen mutiger sein, wenn es um die Rolle von Frauen in Konflikten geht. Ihr Verhalten kann ich umso weniger verstehen, als wir in der Großen Koalition doch einen gemeinsamen Antrag (Drucksache 16/3501) eingebracht haben. Ich darf Ihnen den Inhalt diesen Antrages vielleicht kurz in Erinnerung rufen. Wir erkannten darin unter anderem an, dass die Fortschritte zur Umsetzung der UN-Resolution 1325 mehr als bescheiden sind, weil sich vor allem in der Lebenswirklichkeit der Frauen nicht viel verändert hat. Deshalb forderten wir die Bundesregierung auf, für die konsequente und zeitgerechte Umsetzung des UN- Aktionsplanes einzutreten. Und was haben Sie seit dem Regierungswechsel zu Schwarz-Gelb von unseren Einsichten umgesetzt? Lei- der nicht sehr viel. Nicht einmal, wenn Sie direkt die Möglichkeit hatten, ein gleichstellungspolitisches Auge auf die Besetzung von Vorständen, wie bei der Deut- schen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ, zu haben. Obwohl GTZ, Inwent und DED ausrei- chend Top-Frauen aus dem Executive und Upper Ma- nagement zu bieten hatten, beruft ihr Entwicklungsminis- ter Niebel ausschließlich sieben (!) Männer – und scheut nicht davor zurück, auch seinen alten (Partei-)Kumpel Tom Pätz, der zuletzt lokale Talkshows in Bonn mode- rierte, dort „hineinwählen“ zu lassen. Selbst der sonst so vorsichtige Personalrat des BMZ warf Niebel bereits letztes Jahr vor, er missachte den „Grundsatz der Beset- zung öffentlicher Ämter nach Leistung, Befähigung und Eignung“ (Spiegel, 1. März 2010). Ich füge auch hinzu: Herr Niebel, Sie haben auch diese wichtige UN-Resolu- tion missachtet! n K a re s D h w H g w a 1 s h te P d Z a lu R d re g ti L S B s d d b h lu z ti s g s u W d d c d a lu s c S (C (D Das macht deutlich: Was wir brauchen, ist ein natio- aler Aktionsplan zur Umsetzung der Resolution 1325. ofi Annan hat die Zeichnerstaaten bereits 2005 dazu ufgefordert. 15 europäische Staaten – zuletzt Frank- ich und Estland – sind seiner Forderung in der Zwi- chenzeit gefolgt, das Europäische Parlament rät dazu. eutschland sollte sich dem als Mitglied im UN-Sicher- eitsrat nicht länger verweigern – wobei ich mir auch ünschen würde, dass mit dem eigenen Aktionsplan im intergrund die Bundesregierung auch die UN-Gremien laubwürdig an ihre Pflicht zur Umsetzung erinnern ürde: Immerhin nahmen nach Informationen der GTZ n UN-Friedensmissionen neben 78 407 Männern nur 794 Frauen teil. Alle Oppositionsparteien fordern heute diesen deut- chen nationalen Aktionsplan in ihren Anträgen. Des- alb ist es gut und richtig, dass wir alle Oppositionspar- ien zusammen – und das ist ein Novum in diesem arlament – einen Entschließungsantrag vorlegen, der iese gemeinsame Forderung unterstreicht. Wir fordern, dass ein nationaler Aktionsplan in enger usammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Experten er- rbeitet wird. Dieser soll die volle Umsetzung der Reso- tion 1325 und der damit verbundenen drei weiteren esolutionen sicherstellen und über eine Berichtspflicht ie regelmäßige Evaluierung der Maßnahmen transpa- nt machen. Dieser Aktionsplan muss angemessen bud- etiert werden. Lassen Sie mich – auch im Nachgang zum Interna- onalen Frauentag – zum Schluss zu dem Geist von ysistrata und den Frauen in Liberia zurückkommen: ie haben es geschafft, Kriege zu beenden – gemeinsam. ei den friedlichen Revolutionen in Ägypten und Tune- ien haben viele Frauen in der vordersten Reihe gestan- en. Sie haben der Revolution ihr Gesicht gegeben und as Bild des Islam korrigiert, das viele zu Unrecht ha- en. Dafür sollten wir ihnen danken. Dr. Bijan Djir-Sarai (FDP): Zehn Jahre ist sie nun er: die einstimmige Verabschiedung der UN-Reso- tion 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ auf der Sit- ung des UN-Sicherheitsrats. Wir sehen diese Resolu- on als Ergebnis eines jahrzehntelangen Prozesses, der chon weit vor der Pekinger Weltfrauenkonferenz be- ann. Wir sehen diese Resolution aber nicht als Ab- chluss und Deckel des Prozesses. So gibt dieses Jubilä- msjahr, das am 31. Oktober 2010 begann, Anlass für ürdigungen, aber manchmal auch kritische Analysen er Resolution 1325 und ihrer Nachfolger. Ich begrüße die Diskussion dieses oft an den Rand ge- rängten Themas hier im Deutschen Bundestag sehr. Si- herheit und Frieden sind die definierten Hauptaufgaben es UN-Sicherheitsrats. Sicherheit und Frieden sind aber uch zwei Aspekte, welche die Umsetzung dieser Reso- tion bestimmen. Die Resolution und die folgenden Resolutionen wei- en auf vielfältige Bedrohungen durch die mangelnde Si- herheit der Zivilbevölkerung hin und fordern verstärkte icherheitsmaßnahmen. Dabei bildet die starke Bedro- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12157 (A) ) )(B) hung und Unsicherheit von Frauen und Kindern die Aus- gangslage dieser Resolution. Allerdings wird nicht nur auf deren besondere Schutzbedürftigkeit und die mangelnde Sicherheit hin- gewiesen, sondern es wird auch ihre herausragende Rolle für das Gelingen von Friedensprozessen betont. Seit der Beschlussfassung der Resolution 1325 vor über zehn Jahren gibt es einen vielfältigen Prozess der Umsetzung. Und es gibt Länder, die den Verpflichtungen der Resolution durch die Umsetzung eines nationalen Aktionsplanes nachkommen. Es gibt Länder, die halten dies für den richtigen Weg der Umsetzung. Das wird hier in diesem Haus auch in einigen Anträgen der Opposition gefordert. Deren politische Stoßrichtung – so wie sie in den Anträgen dargestellt wird – teilen wir allerdings nicht. Die Bundesregierung berücksichtigt die völkerrechts- verbindliche Resolution der Vereinten Nationen, sowohl in ihren nationalen als auch in ihren internationalen Poli- tikstrategien. Die Bundesregierung hat mit dem Aktions- plan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Frie- denskonsolidierung“ bereits ein sehr umfassendes Instrument geschaffen. Das ist meiner Meinung nach völlig ausreichend, um eine zielorientierte Umsetzung der UN-Resolution 1325 zu erreichen. Daher halte ich die Konstruktion eines weiteren nationalen Aktionsplans an dieser Stelle nicht für hilfreich. Deshalb können wir die Hauptforderung Ihrer Anträge nicht unterstützen. Die Bundesregierung ist sich ihrer Pflicht bewusst und handelt schon. Der Förderung von Frauen, Frieden und Sicherheit auf internationaler Ebene kommt die Bundesregierung nach – gerade auch in ihrer neuen Funktion als Mitglied des UN-Sicherheitsrates. Die UN-Resolutionen zeichnen sich durch relativ klare und entschiedene Formulierungen und Absichtser- klärungen aus. In der Realität herrscht immer noch ein etwas anderes Bild vor: Der Frauenanteil in militäri- schen EU-Missionen zum Beispiel liegt bei circa 6 Prozent und in den zivilen Missionen bei 8 Prozent. Vor diesem Hintergrund liegt es in der Natur der Sache, dass die Forderung, Frauen auf allen Ebenen einzubezie- hen, zunehmend energischer diskutiert wird. Weitere Resolutionen wurden verabschiedet mit der Maßgabe, die Rolle der Frauen als friedenspolitische Akteurinnen zu stärken und sie nicht primär oder gar ausschließlich als schutzbedürftig zu betrachten. Frauen werden – nicht nur in der Friedens- und Sicherheitspoli- tik – berücksichtigt und gefördert. Das ist auch wichtig; das steht außer Frage. Dass in diesem Zusammenhang der Wunsch nach einer Quotierung besteht, ist nachvoll- ziehbar, jedoch nicht zielführend. Bereits jetzt achtet die Bundesregierung in der Arbeit in allen Ressorts auf das sogenannte Gender-Mainstreaming. Auch dies ist schon eine gelungene Umsetzung der hier vorgelegten Wün- sche und wesentlich produktiver als auf eine quantitative Quote zu setzen. Eine kurze Stellungnahme zum vorliegenden Antrag der Kollegen von den Linken kann ich mir nicht gänzlich v d d F te s G u d te s z n T B g b n K u g u K d V g h h S le z s m e re u „ d h n ih te re F k fl G o w in N (C (D erkneifen. Ihr Antrag ist ideologisch geprägt und for- ert eine Vielzahl von Maßnahmen, die teuer sind und eren Zweckmäßigkeit zweifelhaft ist. In Ihrer sechsten orderung unterstellen Sie der Bundesregierung, sie un- rstütze Regime, die Kindersoldaten einsetzen und onstige Rechtsverstöße begehen. Ich kann Ihnen eins sagen: Das ist nicht der Fall. anz im Gegenteil werden solche Regime sanktioniert, nd die Bundesregierung setzt sich überall weltweit ein, ass sie in ihrer Haltung von anderen Staaten ebenso un- rstützt wird. Mit solchen Regimen arbeitet die deut- che Bundesregierung definitiv nicht zusammen. Wir haben mit der Entwicklung des vernetzten Ansat- es ziviler und militärischer Mittel in Konfliktsituatio- en einen großen Schritt nach vorne gemacht. Das hema hat in der jüngsten Vergangenheit eine größere edeutung erlangt. Krisen und Konflikte sind komplexer eworden in den vergangenen Jahren. So müssen wir ne- en dem klassisch-militärischen Bereich auch die öko- omische, entwicklungspolitische, soziale und kulturelle omponente vor Augen haben. Prävention, Bewältigung nd Nachsorge von Konflikten kann unter den Bedin- ungen unseres Jahrhunderts nur funktionieren, wenn nterschiedliche Maßnahmen in einem umfassenden onzept miteinander vernetzt werden. Zusammengefasst lässt sich sagen: Die Umsetzung er UN-Resolution 1325 ist auch zehn Jahre nach ihrer erabschiedung auf einem guten Wege. Die Bundesre- ierung weiß um ihre Pflicht und handelt. Daher sind die ier vorliegenden Oppositionsanträge nicht notwendig. Christine Buchholz (DIE LINKE): Vor zehn Jahren at die UNO die Resolution 1325 „Frauen, Frieden und icherheit“ verabschiedet. Die Bundesregierungen der tzten zehn Jahre haben es versäumt, einen Aktionsplan ur Umsetzung dieser Resolution zu erarbeiten. Deshalb ind wir uns mit SPD und Grünen einig: Die Regierung uss einen Aktionsplan vorlegen. Die entscheidende Frage ist allerdings, was der Inhalt ines Aktionsplanes ist. Die Linke ist hier gänzlich ande- r Meinung als die Bundesregierung, aber auch als SPD nd Grüne. Letztere rühmen sich, in ihrer Regierungszeit die Geschlechterperspektive in UN-Mandate für Frie- ensmissionen“ wie Afghanistan 2001 aufgenommen zu aben. Die vorliegende UN-Resolution und alle Fraktio- en des Bundestags außer der Linken schließen Krieg in re Politik mit ein. Für uns dagegen ist Krieg kein Mit- l der Politik und schon gar kein Mittel, um Frauen- chte durchzusetzen. Krieg bringt Krieg und keinen rieden! In der Resolution wird ein Aktionsplan zur „Mitwir- ung von Frauen in Entscheidungsfunktionen bei Kon- iktbeilegungs- und Friedensprozessen“ gefordert. Das egenteil ist der Fall. Frauen werden als Soldatinnen der für Propagandazwecke instrumentalisiert, oder sie erden zum Opfer von Kriegen. Die Bundesregierung hat den Anteil von Soldatinnen der Bundeswehr seit dem Jahr 2001 verdreifacht. Die ATO betont, wie enorm wichtig Frauen für den Erfolg 12158 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) des Krieges in Afghanistan seien; mehr Soldatinnen ver- besserten den Schutz der eigenen Truppen. Für die Bun- desregierung und für die NATO sind Frauen Mittel zum Zweck, um den Krieg zu gewinnen. Das ist pervers! Schicksale afghanischer Frauen werden benutzt, um hierzulande den Krieg zu rechtfertigen. Ich zitiere ein von WikiLeaks veröffentlichtes CIA-Dokument: „Af- ghanische Frauen könnten als ideale Botschafterinnen dienen“. Ihre Medienauftritte sollen „helfen, die unter westeuropäischen Frauen weitverbreitete Skepsis gegen- über dem Afghanistan-Einsatz zu überwinden“. Jedes Jahr wieder wird die Fortsetzung des Krieges in Afghanistan von Vertreterinnen und Vertretern aller Par- teien von FDP bis SPD damit begründet, man könne die Frauen jetzt nicht im Stich lassen. Die Bundesregierung schrieb letztes Jahr auf ihrer Internetseite: „Mit der Mo- dernisierung des Landes wird sich auch die Lage der Frauen kontinuierlich verbessern. Daran wirken wir mit.“ Aber was bedeutet der Krieg vor Ort? Ich selbst habe mich in der afghanischen Provinz Kunduz mit Frauen getroffen, deren Männer und Söhne am 4. September 2009 auf Befehl der Bundeswehr getötet wurden. Sie ha- ben nicht nur ihre Angehörigen, sondern meist damit auch ihre Existenz und Zukunft verloren. Denn auch zehn Jahre nach Beginn des Krieges hat die Mehrheit der Frauen in Afghanistan keine Chance auf einen eigen- ständigen Broterwerb. Deshalb ist es besonders bitter, dass die Familien der Kunduz-Opfer noch heute auf an- gemessene Entschädigung von der Bundesregierung warten. Die ehemalige afghanische Abgeordnete Malalai Joya sagte mir: „USA und NATO fielen in Afghanistan an- geblich für die Rechte der Frauen ein, aber heute ist die Situation der Frauen genauso katastrophal wie unter der Herrschaft der Taliban. Vergewaltigungen, Entführun- gen, Morde, Säureattentate und häusliche Gewalt steigen rapide an.“ Auf die Frage, wie wir Frauen in Afghanistan unterstützen können, antwortete sie: „Erstens wird Krieg Frauen niemals helfen. Zweitens haben wir die Chance, dass sich afghanische Frauen selbst befreien und pro- gressive Männer uns helfen werden.“ Das zeigt: Krieg für die Rechte von Frauen ist ein Mythos. Ohne eine klare Absage an Krieg, der immer ein Krieg gegen Frauen und Kinder ist, ist jeder Aktions- plan Makulatur. Deshalb fordert die Linke, die Resolu- tion 1325 weiterzuentwickeln und festzuschreiben, auf militärische Gewalt zu verzichten. Und genau deshalb lehnt die Linke die Anträge von SPD und Grünen ab. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Am 8. März dieses Jahres haben wir „100 Jahre Internationaler Frauentag“ gefeiert. National und inter- national gibt es neben vielen Problemen auch Fort- schritte und Erfolge für die Frauen. Der Beschluss der Resolution 1325 vor zehn Jahren im UN-Sicherheitsrat war ein solcher Erfolg. Er war ein Meilenstein auf dem Weg zu einer wirklich geschlechtersensiblen Friedens- und Sicherheitspolitik. Erstmals beschloss damit die U te g J la s b d U z d 2 n d u te d z s F V re w B h B b lo fü R s le z d U b u h n d fo d d v g 1 z T n M e K z n ra fü (C (D NO eine völkerrechtlich verbindliche Vorgabe zur Be- iligung von Frauen an der Bewältigung von gewalttäti- en Konflikten und beim Friedensaufbau. Allerdings mussten wir anlässlich des zehnjährigen ubiläums im letzten Jahr auch feststellen, dass die Bi- nz mehr als ernüchternd ist: In den meisten Konflikten ehen sich die Parteien nicht an die Resolution 1325 ge- unden. Frauen werden eben meistens nicht am Frie- ensaufbau beteiligt. So ergaben Stichproben von NIFEM bei 24 UN-gestützten Friedensverhandlungen wischen 1992 und 2008: Nur 7,6 Prozent der Verhan- elnden, nur 3,2 Prozent der Vermittelnden und nur ,5 Prozent der Unterzeichnenden waren weiblich. Ich enne ein aktuelles Beispiel, nämlich die Umbrüche in er arabischen Welt. Zwar haben die Frauen in Tunesien nd Ägypten maßgeblich dafür gesorgt, dass die Despo- n abtreten mussten, aber jetzt, nach der Revolution, bei er Gestaltung der neuen Demokratien, sollen sie wieder urück an den Katzentisch. Das darf nicht sein. Lassen ie uns hier ganz klar die Frauen in Ägypten mit ihren orderungen unterstützen. Auch Frauen müssen in der erfassungskommission und in den Übergangsstruktu- n, die jetzt die Demokratie aufbauen, vertreten sein. Auch Gewalt gegen Frauen wird in vielen Kriegen eiter systematisch als Kriegswaffe eingesetzt, wie zum eispiel im Ostkongo. Dort finden seit Jahren massen- afte Vergewaltigungen statt, sogar vor den Augen der lauhelme. Allein im Juli und August 2010 waren es rutale Vergewaltigungen an über 500 Frauen. Für die kalen Kriegsherren, dramatischerweise aber oft auch r die UN vor Ort, scheinen die Verpflichtungen aus der esolution 1325 und der Folgeresolution 1820 offen- ichtlich keine Rolle zu spielen. Wenn wir wirklich wol- n, dass die Resolution 1325 mit Leben gefüllt wird und entraler Bestandteil der internationalen Politik wird, ann müssen sich endlich auch die Mitgliedstaaten der NO konsequent an die Umsetzung machen. Sonst blei- en die Resolutionen nichts weiter als bedrucktes Papier. Meine Damen und Herren von der Bundesregierung nd den Koalitionsfraktionen, ich finde es wirklich un- altbar, dass wir, als Mitglied im Sicherheitsrat, immer och nicht bereit sind, einen nationalen Aktionsplan auf en Weg zu bringen. Schon 2005 hat Kofi Annan das ge- rdert, doch erst 25 Staaten sind dem gefolgt. Es ist och peinlich, dass Deutschland als angebliche Stütze es UN-Systems sich dieser Aufforderung immer noch erweigert. In der UNO-Agenda der Bundesregierung ibt es noch nicht mal einen Hinweis auf die Resolution 325 – und das, obwohl auch Ban Ki-moon die Umset- ung der Resolution 1325 zu einem seiner wichtigsten hemen gemacht hat: Es wurde mit UN-Women eine eue einheitliche UN Organisation geschaffen und mit argot Wallström eine Sonderbeauftragte gegen sexu- lle Gewalt in Konflikten eingesetzt. Auch die Anhörung des Unterausschusses „Zivile risenprävention und vernetzte Sicherheit“ am 13. De- ember 2010 hat ganz klar ergeben, dass die Frauenorga- isationen wie medica mondiale, der Frauensicherheits- t oder UNIFEM einen solchen nationalen Aktionsplan r unabdingbar halten. Da kann sich doch Deutschland Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12159 (A) ) )(B) nicht einfach ausklinken und alle diese Empfehlungen ignorieren. Deshalb bin ich sehr froh, dass es uns gelun- gen ist, zumindest zwischen den Fraktionen von SPD, Linken und Bündnis 90/Die Grünen einen gemeinsamen Antrag zu vereinbaren. Das ist ein großer Erfolg, und ich bin mir sicher: Das wird politisch wahrgenommen wer- den. Wir stellen damit klar: Mit anderen Mehrheitsverhält- nissen im Deutschen Bundestag werden wir – SPD, Grüne und Linke – einen solchen Aktionsplan gemein- sam auf den Weg bringen. Dadurch werden wir tatsäch- lich die UNO unterstützen – und nicht nur, wie die Ko- alition, durch Sonntagsreden. Konkrete Vorschläge zu einem solchen Aktionsplan, wie jetzt der des Frauensi- cherheitsrates, liegen ja sogar auf dem Tisch. Meine Da- men und Herren von der Koalition, Sie müssen nur zu- greifen und lesen. Es geht dabei um die Umsetzung der 4 Ps: der Prävention, der Protektion – also dem Schutz von Frauen und Mädchen –, der Präparation – also der gendersensiblen Vorbereitung von zivilem oder militäri- schen Personal, das wir in internationale Missionen oder Missionen der EU oder der OSZE entsenden – und der Partizipation. Besonders wichtig ist dabei das zuletzt Genannte: Partizipation, also die Förderung der Beteili- gung von Frauen als Akteurinnen des Wandels. Klar ist: Wir wollen einen effektiven Plan. Dabei müssen wir von anderen Ländern lernen. Dazu ist es enorm wichtig, bei der Erstellung in einem transparenten Prozess die Zivilgesellschaft einzubeziehen, die Maß- nahmen regelmäßig zu überwachen und vor allem zu evaluieren, ob die Zielvorgaben auch erreicht wurden. Es muss jährlich dem Bundestag berichtet werden, und der Aktionsplan muss mit entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden, denn ohne Budget bleiben viele Vorhaben blanke Theorie. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, ich habe in vielen Krisenregionen dieser Welt erlebt, wie wichtig und von welch konkreter Bedeutung für die Frauen vor Ort die Umsetzung dieser Resolution ist, die für uns hier vielleicht so theoretisch erscheint: im Kongo, in Darfur, im Südsudan, in Afghanistan und jetzt aktuell in der arabischen Welt. Diese Frauen haben große Erwartungen und Hoffnungen, auch die Hoffnung, dass wir die Umsetzung der Resolution ebenso ernst nehmen wie sie. Lassen sie uns diese Frauen nicht enttäuschen, werfen Sie Ihr Herz über die Hürde und stimmen Sie, wie Ihre Kollegen und Kolleginnen im Unterausschuss „Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit“, die durch die Anhörung und durch die Debatte inzwischen von der Sache offensichtlich überzeugt worden sind, ei- nem der Einzelanträge oder wenigstens unserem über- fraktionellen Antrag zu! Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Neunund- zwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abge- h d d ri d g s e ti G v W ti 1 z re s s s w n k d e n v m S ti ru z n g n v M s s ti p m z m tr m W D W ö (C (D ordnetengesetzes – Einführung eines Ordnungs- geldes (Tagesordnungspunkt 19) Bernhard Kaster (CDU/CSU): Wir debattieren eute über Änderungen des Abgeordnetengesetzes und er Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, Än- erungen, die das Selbstverständnis unserer parlamenta- schen Arbeit betreffen. Der Begriff der Geschäftsordnung wird im Übrigen er Bedeutung gerade dieser Geschäftsordnung nicht anz gerecht; ist es doch letztlich die gemeinsame Ver- tändigung über die Spielregeln unserer Demokratie in inem demokratisch gewählten Parlament. Unsere Geschäftsordnung hat eine sehr lange Tradi- on. Sie finden in ihr wörtliche Formulierungen aus der eschäftsordnung des Deutschen Abgeordnetenhauses on 1848, des Norddeutschen Reichstages von 1868, der eimarer Republik und zu guter Letzt der ersten endgül- gen Geschäftsordnung des Bundestages aus dem Jahre 951. Dennoch ist die Geschäftsordnung über die Jahr- ehnte immer wieder aktualisiert worden. Sehr umfang- ich geschah dies zuletzt infolge des Vertrages von Lis- abon. Heute diskutieren wir über eine Änderung der Ge- chäftsordnung, die sich unsere Fraktion sehr gerne er- part hätte. Es ist ungewöhnlich, ja beschämend, dass ir uns als Bundestag mit der Ausweitung von Ord- ungsmaßnahmen befassen müssen. Dies ist sicherlich eine Sternstunde des Parlamentes. Anlass für die Einführung eines Ordnungsgeldes – und ies muss hier klar zum Ausdruck gebracht werden – ist inzig und alleine das unparlamentarische Verhalten ei- er Fraktion. In dieser Legislaturperiode wie auch in der orangegangenen Legislaturperiode hat immer und im- er wieder die Nachfolgepartei der kommunistischen ED die Regeln dieses Hauses und damit der Demokra- e vorsätzlich verletzt. Die Linksfraktion hat diese Stö- ngen offensichtlich ganz gezielt und abgestimmt ins- eniert, um sich ihrer Aktivitäten anschließend auch och im Internet zu rühmen. Im Rahmen der Debatte um die Erweiterung des Af- hanistan-Mandats zeigten eine Vielzahl von Abgeord- eten der Linken im Plenum Spruchbänder. Die Partei- orsitzende der Linken hat diese Entgleisung der itglieder ihrer Fraktion nicht etwa kritisiert, sondern ogar noch mit den Worten gelobt „Ich danke auch per- önlich meiner Fraktion sehr, wie würdevoll diese Ak- on vorbereitet und umgesetzt wurde.“ Es ist die Übereinkunft aller Demokraten, dass der olitische Wettstreit, die Kontrollfunktion des Parla- ents gegenüber der Regierung und die Auseinanderset- ung zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen it engagierten, durchaus auch hitzigen Debatten ausge- agen werden. Dieses Haus ist aber kein Platz für De- onstrationen, Transparente und jede Art von Klamauk. er wie die Linksfraktion das Bundestagsplenum als emonstrationsplattform nutzt, will damit in unredlicher eise die Wirkung und die Kraft der Argumente aus der ffentlichen Diskussion verdrängen. Er zeigt damit zu- 12160 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) gleich, dass er von der Kraft der eigenen Argumente of- fensichtlich selbst nicht überzeugt ist, denn sonst be- dürfte es solcher Aktionen ja nicht. Der Bundestagspräsident hat bereits im November 2008 festgestellt, dass die Neigung zu Disziplinlosigkei- ten deutlich größer geworden ist. Das ist alles mehr als bedauerlich. Wir sind inzwischen nicht mehr bereit, eine Verro- hung der Sitten, wie sie in letzter Zeit im Plenum einge- rissen ist, weiter hinzunehmen. Es ist eine fühlbare Sanktion notwendig. Deshalb sprechen wir uns jetzt, wenn auch ungern, für die Einführung eines Ordnungs- geldes aus. Dieses wird in sinnvoller Weise in § 44 a des Abgeordnetengesetzes und dann in einer klaren Einord- nung in die §§ 36 bis 38 der Geschäftsordnung ein- gefügt. Wir haben damit eine Regelung, die vom Ordnungsruf über die Wortentziehung und das Ord- nungsgeld bis hin zum gravierendsten Mittel, dem Sit- zungsausschluss, reicht. Wir haben auch Wert darauf gelegt, eine klare Rege- lung im Hinblick auf die Höhe des Ordnungsgeldes zu treffen. Sie beträgt 1 000 Euro bzw. 2 000 Euro im Wie- derholungsfall. Wir sehen nicht ein, den ganzen Unfug und Unsinn der Fraktion Die Linke auch noch im Rah- men einer Spanne zu katalogisieren. Bedauerlich ist aber auch, dass nicht alle demokrati- schen Fraktionen diesen Gesetzentwurf mittragen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat von Beginn an im- mer wieder betont, dass sie sehr wohl bereit sei, ein Ord- nungsgeld einzuführen. Aber bei allen Beratungen hat sie bereits im Vorfeld immer wieder nach Gründen oder einem Vehikel gesucht, um letztlich dann doch wieder aus dieser Regelung auszusteigen. In diesem Zusam- menhang erinnere ich daran, dass bei der letzten Störung durch die Fraktion Die Linke, die auch zum Sitzungsaus- schluss von Abgeordneten geführt hat, dieses undemo- kratische Verhalten die ausdrückliche Zustimmung des Kollegen Ströbele von der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- nen gefunden hat. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen wehrt sich mit vorgeschobenen Argumenten dagegen, zukünftig auch Verstöße gegen die Würde des Bundestages mit ei- ner Ordnungsmaßnahme zu sanktionieren. Sie hat damit letztlich das Vehikel gefunden, um Teilen ihrer Fraktion entgegenzukommen. Da nützt es auch gar nichts, dies mit allen möglichen juristischen Spitzfindigkeiten, Be- wertungen und Auslegungen zu begründen. Die Würde des Hauses, die Würde des Deutschen Bundestages, hat bereits im § 7 der Geschäftsordnung ihren Niederschlag gefunden. Viele andere Vergleiche, beispielsweise in der Justiz, könnten ebenso angeführt werden. So kennt unser Gerichtsverfassungsgesetz den Begriff „Würde des Ge- richts“, der in § 175 des Gerichtsverfassungsgesetzes ge- regelt ist. Wenn die demokratischen Fraktionen CDU/CSU, SPD und FDP auch Verstöße gegen die Würde des Bun- destages als ahndungswürdig betrachten, ist dies absolut nachvollziehbar. Damit wird die Entscheidungsgrund- lage des amtierenden Präsidenten verbessert, im Übrigen a s k G n w n u d V D re in z w m s d M d s d m n s d g d D fa li A m re in s z le S n d s m n b S s b s e A U (C (D uch in der Bundesversammlung, für die unsere Ge- chäftsordnung sinngemäß gilt. Es gibt also schlichtweg ein Argument für die Fraktion von Bündnis 90/Die rünen, unseren Gesetzentwurf nunmehr ganz abzuleh- en. Sie hatte im Übrigen Bedenken geäußert, beispiels- eise wegen einer möglichen strittigen „Kleiderord- ung“. Auch da sind alle Fraktionen darauf eingegangen nd haben in der Begründung nochmals klargestellt, ass es darum genau nicht geht. Lassen Sie mich abschließend noch einmal an die erursacher dieser Regelung appellieren, die Fraktion ie Linke: Sie sollten endlich die demokratischen Spiel- geln anerkennen und trotz Ihrer Vergangenheit endlich der Demokratie ankommen. Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Noch vor wei Jahren habe ich mir nicht vorstellen können, dass ir heute über eine Verschärfung der Ordnungsmaßnah- en gegen Abgeordnete beraten müssen. Eigentlich ollte es unter Demokraten möglich sein, die Argumente er politisch anders Denkenden zu ertragen, ohne zu itteln der Störung und des Klamauks zu greifen und amit nicht nur die Arbeit der anderen Abgeordneten zu tören, sondern auch das Ansehen des Bundestages in en Augen der Öffentlichkeit niederzumachen. Leider usste ich mich durch die verschiedenen massiven Ord- ungsstörungen in der jüngeren Vergangenheit, insbe- ondere durch konzertierte Aktionen mehrerer Mitglie- er der Fraktion Die Linke, eines Besseren – oder besser esagt, eines Schlechteren – belehren lassen. In geradezu unverantwortlicher Weise versuchen iese Kolleginnen und Kollegen immer wieder, den eutschen Bundestag – das höchste gesetzgebende Ver- ssungsorgan unseres Landes – zu einer Bühne für bil- ge politische Polemik zu machen. Ich denke nur an die ktion in der letzten Wahlperiode, in der sie einen da- als amtierenden Ministerpräsidenten durch verzer- nde Masken verächtlich machten wollten. Aber auch dieser Wahlperiode musste der Bundestagspräsident chon zweimal Mitglieder der Linksfraktion von der Sit- ung des Bundestages wegen gröblicher Ordnungsver- tzungen ausschließen. Leider lassen diese Erfahrungen keinen anderen chluss zu als den, die Effizienz der bestehenden Ord- ungsmaßnahmen nach der Geschäftsordnung des Bun- estages kritisch zu überprüfen. Dabei hat sich herausge- tellt, dass der Sach- und der Ordnungsruf für solche assiven Störungen der Ordnung während einer Sitzung icht ausreichend sind. Ihr Sanktionscharakter ist eher egrenzt und sie sind im Konfliktfall nicht geeignet, die törung nachhaltig zu beseitigen. Der Sitzungsaus- chluss – nach unserer Geschäftsordnung immerhin für is zu 30 Sitzungstage möglich – ist demgegenüber das chärfste Ordnungsmittel, das zur Verfügung steht, weil s in die Rede- und Abstimmungsrechte des betroffenen bgeordneten massiv eingreift. Es kann deshalb nur als ltima Ratio in Betracht kommen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12161 (A) ) )(B) Genau in den Zwischenraum zwischen Sach- und Ordnungsruf und dem Sitzungsausschluss soll nach übereinstimmender Auffassung der Koalitionsfraktionen und der SPD nun – quasi als neues Ordnungsmittel auf mittlerer Ebene – ein Ordnungsgeld treten. Es hat den Vorteil, dass es einerseits eine spürbare Sanktion dar- stellt, andererseits aber in die parlamentarischen Rechte der Abgeordneten nicht eingreift und öffentlichkeits- wirksame Konfrontationen, wie zum Beispiel bei einer zwangsweisen Entfernung aus dem Plenarsaal, vermei- den kann. In breiter Einmütigkeit mit Ausnahme der Fraktion Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen – Letztere hat al- lerdings auch die grundsätzliche Notwendigkeit der Ver- schärfung der Ordnungsmittel gesehen – hat der Ge- schäftsordnungsausschuss in zahlreichen Sitzungen den Ihnen nun vorliegenden Gesetzentwurf der drei Fraktio- nen zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vorberei- tet, der als Rechtsgrundlage für eine nachfolgende Ände- rung der Geschäftsordnung dient. Er empfiehlt, das Ordnungsgeld in einer festen Höhe von 1 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro, vorzusehen. Es soll vom jeweils sitzungsleitenden Präsidenten bei einer „nicht nur geringfügigen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages“ festgesetzt werden können. Wegen einer „gröblichen“ Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages soll – wie bisher – der Sit- zungsausschluss möglich sein. Die feste Höhe des Ordnungsgeldes von 1 000 Euro bzw. 2 000 Euro und der Verzicht auf einen entsprechen- den Ermessensspielraum des amtierenden Präsidenten bzw. der amtierenden Präsidentin sollen Streitigkeiten nur über die angemessene Höhe des verhängten Ord- nungsgeldes vermeiden. Weitere gesetzliche Konkreti- sierungen der Frage, was denn konkret unter einer „nicht nur geringfügigen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages“ zu verstehen ist, hat der Ge- schäftsordnungsausschuss als nicht sinnvoll abgelehnt. Unterschiedliche Auffassungen hierzu wird man weder durch gesetzliche Fallbeispiele noch durch weitere unbe- stimmte Rechtsbegriffe im Gesetzestext befrieden kön- nen. Letztlich ist es eine Entscheidung des amtierenden Präsidenten bzw. der amtierenden Präsidentin, die unter Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalles zu treffen ist. Im Geschäftsordnungsausschuss wurde bis zuletzt die Frage diskutiert, ob auch die „Würde des Bundestages“ ausdrücklich in den Schutzbereich der Ordnungsmaß- nahmen aufgenommen werden sollte. Hiergegen sprach sich insbesondere die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aus, anscheinend weil sie immer noch ein grundsätz- liches Problem mit dem Schutz der Würde dieses Parla- ments hat. Die antragstellenden Fraktionen sahen dage- gen den ausdrücklichen Schutz der Würde des Bundestages als notwendig an, damit klar gestellt wird, dass auch bei nichtverbalen Ordnungsstörungen, wie zum Beispiel beim Hochhalten von Transparenten oder sonstigem provokativem Verhalten, eindeutig die Mög- lichkeit einer angemessenen Reaktion hierauf besteht. Klar ist für uns allerdings auch, dass nicht jede Verhal- tensweise, die dem einen oder anderen nicht gefallen m w z a s d s E n a in n B z o m b s z te o in o z h h o ß k h s d m W s F h M F h b s ri m k is e s s F b S (C (D ag, als ein Angriff auf die Würde des Bundestages ge- ertet werden kann. Bloße Fragen der Kleiderordnung um Beispiel können nicht hierunterfallen. Die nähere Regelung des Ordnungsgeldes soll – wie uch bisher bei den Ordnungsmaßnahmen – durch un- ere Geschäftsordnung erfolgen. Auch insoweit hat sich er Geschäftsordnungsausschuss auf konkrete Vor- chläge schon verständigt, die dem Plenum alsbald zur ntscheidung vorgelegt werden. Danach soll das Ord- ungsgeld – wie bisher schon der Sitzungsausschluss – uch später noch festgesetzt werden können, und es soll das bestehende Rechtsmittelsystem der Geschäftsord- ung eingebunden werden, wonach bei Einspruch der undestag insgesamt entscheidet und danach der Weg um Bundesverfassungsgericht im Wege der Organklage ffensteht. Ich bin überzeugt, dass das Ordnungsgeld eine ange- essene, aber leider auch notwendige Erweiterung des estehenden Systems der Ordnungsmaßnahmen für un- er Parlament ist. Ich bitte Sie daher um Ihre Unterstüt- ung des vorliegenden Gesetzentwurfs. Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Wir bera- n heute in erster Lesung über eine Änderung des Abge- rdnetengesetzes, die niemand von uns in Wahrheit mit nerer Begeisterung betreibt. Denn als Parlamentarierin der Parlamentarier sich selbst mit härteren Sanktionen u belegen macht keine Freude. Doch leider hat das Ver- alten gerade einer Fraktion hier im Hause dieses Vorge- en unumgänglich gemacht. Bereits jetzt darf uns der Präsident zur Ordnung rufen der sogar bis zu 30 Tage von den Beratungen ausschlie- en. Das erste Instrument beeindruckt einige hier wohl aum, das andere Instrument aber ist eine sehr, sehr arte Maßnahme. Denn es bedeutet, dass Mitglieder die- es Hohen Hauses in ihrem elementaren Recht, dem Re- erecht, massiv beschnitten werden. Der Ausschluss uss also immer das letzte Mittel sein. Das Parlament lebt vom Parlieren. Das gesprochene ort ist unser Mittel der demokratischen Auseinander- etzung. Deshalb ist es nicht hinnehmbar, dass eine raktion so agiert, als könne man sich beliebig darüber inwegsetzen. Vermeintlich im Besitz einer höheren oral und nach billiger Publicity heischend, hat die raktion der Linken immer wieder unsere Beratungen ier desavouiert. Sie nimmt sich Sonderrechte heraus, egeht bewusst Regelverletzungen und entwertet damit ehenden Auges und bewusst jede Form der parlamenta- schen Auseinandersetzung. Würde jede Fraktion kraft eigenen Rechts die ge- einsamen Spielregeln so außer Kraft setzen, dann wäre einerlei geordnete Debatte mehr möglich. Gefährlich t dies deshalb, weil jeder, der so agiert, den Eindruck rweckt, als habe man kein anderes geeignetes Mittel, ich darzustellen, oder aber als habe man einen An- pruch auf Regelverletzung. Das ist ein Spiel mit dem euer. Nach dem Prinzip von Rede und Gegenrede ha- en wir alle hier weidlich die Möglichkeit, abgelehnte tandpunkte zu entkräften und die eigene Position zu 12162 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) stärken, öffentlich Rechenschaft abzulegen oder einzu- fordern. Mehr und anderes darf und kann nicht sein, sonst entwerten wir uns als Mitglieder des Parlaments. Jeder Versuch, unter Kolleginnen und Kollegen ohne weitere Sanktionen auszukommen, ist leider ignoriert worden: Zusagen wurden gebrochen, Wiederholungen gab es immer wieder. Deshalb ist es zur Wahrung der gu- ten Formen leider zwingend notwendig, ein Ordnungs- geld einzuführen. Wer durch das Hochhalten von Pro- testschildern, entsprechender Bekleidung oder andere Albernheiten den Komment verletzt, der muss zukünftig mit 1 000 Euro oder sogar 2 000 Euro Ordnungsstrafe rechnen. Damit wird der Spuk hoffentlich ein Ende ha- ben. Wir sind dem demokratischen Streit, nicht dem Kla- mauk verpflichtet. Wer nicht hören will, muss nun füh- len – leider! Jörg van Essen (FDP): Die FDP-Bundestagsfrak- tion hat von Anfang an die Initiative des SPD-Kollegen Lange, dem ich für seine Anregung an dieser Stelle nochmals besonders danken möchte, unterstützt. Wir freuen uns deshalb sehr, dass es gelungen ist, sich ge- meinsam mit CDU/CSU und SPD auf einen Gesetzent- wurf zur Änderung des Abgeordnetengesetzes zu ver- ständigen. Die Notwendigkeit zu einer Regelung hat sich in dem mehrfachen Fehlverhalten von Abgeordneten der Links- fraktion im Plenum gezeigt. Das Hochhalten von Trans- parenten und andere Aktionen ähnlicher Art beeinträch- tigen die Würde eines obersten Verfassungsorgans und sind nicht hinnehmbar. Ein Abgeordneter kann jederzeit im Plenum das Wort ergreifen und seine Position ver- deutlichen. Es bedarf eines solchen Verhaltens also nicht. Bei der notwendigen Reaktion auf dieses Fehlverhal- ten hat sich gezeigt, dass ein Ordnungsruf eine zu ge- ringe Sanktion ist, aber auch Bedenken bestehen, die be- troffenen Abgeordneten von der Sitzung auszuschließen. Dies hat sich besonders deutlich bei einer anstehenden Entscheidung zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr gezeigt. Trotz des vom Präsidenten verhängten Aus- schlusses sind alle Fraktionen übereinstimmend zu der Auffassung gekommen, dass den betroffenen Kollegen die Teilnahme an der Abstimmung ermöglicht werden sollte. In Fällen wie diesen wäre die Verhängung eines Ordnungsgeldes die angemessenere Sanktion. Sie macht deutlich, dass ein erhebliches Fehlverhalten nicht gedul- det wird, ermöglicht aber auf der anderen Seite uneinge- schränkt die Ausübung des Abgeordnetenrechts. Wir haben lange überlegt, welche Höhe dieses Ord- nungsgeld haben sollte. Wir schlagen eines in Höhe von 1000 Euro vor. Wie bei allen Ordnungsgeldern ist dies ein einheitlicher Betrag. Auch in anderen Fällen eines Ordnungsgeldes findet keine Differenzierung etwa nach Familienstand oder Anzahl von Kindern statt. Es ent- spricht auch dem verfassungsrechtlichen Bild des Abge- ordneten, wonach alle Abgeordneten gleich sind. In den anstehenden Beratungen sind wir offen dafür, über die- sen Betrag noch einmal zu reden. In unseren fraktionsin- ternen Beratungen ist der Hinweis gegeben worden, dass d k w d g d o g g d g b J ti fa d S d g d li k h n s W H d w v z n d ta C d g V g S d D w g L b e O S n N d (C (D ie Höhe den amtierenden Präsidenten davon abhalten önnte, das Ordnungsgeld zu verhängen, obwohl es not- endig wäre. Das wäre ein Ergebnis, das es zu verhin- ern gilt. Insgesamt erhoffe ich mir, dass es nur wenige Anlässe eben wird, bei denen die amtierenden Präsidenten zu iesem Mittel greifen müssen. Ein oberstes Verfassungs- rgan sollte immer streng darauf achten, seiner Würde erecht zu werden. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Vor weni- en Monaten wurde hier an dieser Stelle das Vorgehen er Koalition bei der Laufzeitverlängerung als „Gesetz- ebung mit der Brechstange“ gebrandmarkt. In der De- atte fielen Worte wie „Lügner“ oder „Affentheater“. ournalisten berichteten später, in Richtung der Opposi- onsfraktionen seien sogar Worte wie „Faschisten“ ge- llen, weil eine Fraktion in einheitlicher Protestklei- ung aufgetreten war. Rügen an Abgeordnete seitens der itzungsleitung, Ordnungsrufe oder gar Ausschlüsse von er Sitzung sind nicht bekannt, auch keine Entschuldi- ungen. Nur der Präsident des Bundestages erinnerte aran, es sei guter parlamentarischer Brauch, auf persön- ch herabsetzende Bemerkungen zu verzichten. Offen- undig hat sich daran niemand wirklich gestört. Die Laufzeitverlängerung wurde dann mit der Mehr- eit der Koalition durchgewunken – entgegen aller Ver- unft, wie wir heute nach den Ereignissen um Fuku- hima wissen. Diese Art Gesetzgebung nach politischer illkür verletzt die Würde der Demokratie und dieses auses. Dass Abgeordnete zu Abnickmaschinen degra- iert werden, erleben wir nicht zum ersten Mal. Ähnlich urden hier Gesundheitsreformen, Bankenrettungsfonds on 480 Milliarden Euro oder – wie jüngst – Einsätze usätzlicher Bundeswehrsoldaten in AWACS-Maschi- en über Afghanistan beschlossen – oder besser gesagt: urchs Parlament gepeitscht. Aber gegen diese anhaltende Missachtung parlamen- rischer Spielregeln liegt seitens der Fraktionen von DU/CSU, SPD und FDP kein Gesetzentwurf vor. Statt- essen legen Sie einen Gesetzentwurf vor, nach dem Ab- eordnete künftig bei einer „nicht nur geringfügigen erletzung der Ordnung oder der Würde des Bundesta- es“ mit einem Ordnungsgeld bestraft werden können. ie tun so, als drohten hier im Bundestag Verhältnisse, in enen Abgeordnete mit Fäusten aufeinander losgehen. avon kann, wie Sie genau wissen, nicht die Rede sein. Ganz offen wird von Ihnen erklärt, das Ordnungsgeld erde nur wegen angeblicher Störaktionen einer einzi- en Fraktion eingeführt: der Linken. Eine Aktion der inken, die Sie zum Beispiel als störend erachteten, etraf das Gedenken an die Opfer von Kunduz – Opfer ines Bombardements, befohlen von einem deutschen ffizier. Ein angemessenes Gedenken daran aber haben ie abgelehnt. Das hat die Würde dieses Hauses verletzt, icht aber die von Linken hochgehaltenen Schilder mit amen und Alter der Opfer. Ihr Gesetzentwurf ist im Kern eine Lex Linke. Auch as ist würdelos. Keine Frage: Das demonstrative Tra- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12163 (A) ) )(B) gen von Kleidung, zumal im Parlament vor der Öffent- lichkeit, muss nicht jeder gut finden – so wie nicht jeder das Tragen einer Krawatte gut finden muss. Kleidungs- und Geschmacksfragen aber demonstrativ mit Ord- nungsgeld zu bestrafen, ist eindeutig überzogen und zu- dem verfassungsrechtlich bedenklich. Wann und wie die Würde des Hauses verletzt sein soll, weiß die Mehrheit dieses Hauses zudem so genau nicht. Die Entscheidung darüber überlassen Sie dem Prä- sidenten des Bundestages. Das Ordnungsgeld wird so zu einer politischen Willkürveranstaltung. Gegen das geplante Ordnungsgeld gibt es für die Ab- geordneten auch keinen effektiven Rechtsschutz. De facto müsste ein Abgeordneter, wenn sie oder er mit dem verhängten Ordnungsgeld nicht einverstanden ist, beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde einlegen. Da- rüber hinaus hält die Fraktion Die Linke die von der Mehrheit des Hauses vorgesehene Einschränkung der Rechte souveräner Abgeordneter für verfassungsrecht- lich bedenklich. Deshalb behält sich die Linke auch vor, das Ordnungsgeld vom Bundesverfassungsgericht prü- fen zu lassen. Im Parlament soll es auf das Miteinander-Reden, auf das Abwägen von Argumente ankommen. Darin sind wir uns sicher einig. Ich hoffe sehr, dass sich die Fraktio- nen von Union, SPD und FDP bei den kommenden Aus- schussberatungen von vernünftigen Argumenten leiten lassen und diesen Gesetzentwurf zurücknehmen. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ei- nige Verhaltensweisen von Mitgliedern des Deutschen Bundestags in der letzten Zeit waren der Auslöser für Gespräche über mögliche oder notwendige Änderungen in unserer Geschäftsordnung. Ziel dieser Gespräche im Geschäftsordnungsausschuss war es, das Ordnungsgeld einzuführen, um das bestehende System aus Sach- und Ordnungsruf sowie der Wortentziehung einerseits und eines Sitzungsausschlusses andererseits sinnvoll zu er- gänzen. Eingeführt werden sollte ein Sanktionsmecha- nismus, der auf nicht nur geringfügige Ordnungsstörun- gen angemessen reagieren kann, ohne gleich auf die Ultima Ratio des Sitzungsausschlusses zurückgreifen zu müssen. Es sollte nicht mit Maßnahmen gegen Abgeord- nete aufgesattelt werden, und es sollten auch keine neuen Gründe für solche Maßnahmen hinzukommen. Das Ordnungsgeld sollte dem Präsidenten ermöglichen, situationsangemessen reagieren zu können, ohne zu schnell zum schärfsten Mittel, dem Ausschluss von der parlamentarischen Arbeit, greifen zu müssen. Dieses Ziel ist mit der Einführung des Ordnungsgeldes als mitt- lerer Stufe des Eingreifens des Präsidenten erreicht. Bünd-nis 90/Die Grünen begrüßt dies. So weit, so gut. Leider haben die Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der SPD sich im Geschäftsord- nungsausschuss damit nicht begnügt. Vielmehr wurde – ohne Not und ohne Sinn – die Gelegenheit genutzt, um – sozusagen durch die Hintertür – auch noch einen völlig neuen Grund für ein Eingreifen des Präsidenten gegen einen Abgeordneten einzuführen: die „Verletzung der Würde des Bundestags durch Abgeordnete“. g tu fa s d d le v d fü fä s „ s – „ K z h 1 li d s n E v d k K L li e n D F im – s B L T re d h d d a s d z ru li A s ü (C (D Diese Neuerung hat in der Sache nichts – aber auch ar nichts – mit der Einführung des Ordnungsgelds zu n. Vielmehr sollen alle Sanktionsmechanismen, ange- ngen vom Ordnungsruf bis hin zum Sitzungsaus- chluss, mit bei einer „Verletzung der Würde des Bun- estags“ greifen. Auch das Abgeordnetengesetz, über essen Änderung wir heute beraten, soll nach dem Wil- n von Koalition und der SPD um die Sanktionierung on Würdeverletzungen des Bundestags erweitert wer- en. Dies lehnen wir ab, weil dies völlig entbehrlich und r die Freiheit der Abgeordneten sogar tendenziell ge- hrlich ist. Zuerst zur leidigen Krawattenfrage. Zwar heißt es in- oweit in der Begründung des Gesetzentwurfs, dass reine Fragen der Kleiderordnung … ausgenommen ind, soweit sie nicht allgemeine Regeln des Anstands“ und ich füge hinzu: damit die Ordnung des Bundestags – verletzen“. Aber in Wirklichkeit wird schon heute die rawattenlosigkeit bei Abgeordneten, wenn sie im Sit- ungsvorstand tätig sind, als ein würdeverletzendes Ver- alten angesehen. Ich darf aus dem Protokoll des Ältestenrates vom 6. Dezember 2010 zitieren: „Der Präsident macht deut- ch, dass das Präsidium großen Wert darauf lege, dass er Sitzungsvorstand der Würde eines obersten Verfas- ungsorgans entsprechend gekleidet sei, wozu bei Män- ern grundsätzlich das Tragen von Krawatten gehöre.“ in Schelm, der Böses dabei denkt, dass wir zukünftig ielleicht wegen Krawattenlosigkeit als Würdeverletzer es Bundestags mit Ordnungsmitteln belangt werden önnten! Die geschätzten Kolleginnen und Kollegen von der oalition und von der SPD waren bis heute nicht in der age zu erklären, was diesen neuen Tatbestand eigent- ch wirklich notwendig macht. Es ist bezeichnend, dass r sozusagen klammheimlich, ohne ausdrückliche Nen- ung im Namen des Gesetzentwurfs, eingeführt wird. ie Begründung dafür ist entlarvend. So gestehen die raktionen der CDU/CSU, FDP und SPD zu, dass bisher Rahmen der Geschäftsordnung des Bundestags eine angebliche – Verletzung der Würde des Bundestags tets als eine Ordnungsverletzung im Sinne des § 38 GO- T angesehen wurde. Es gibt also offensichtlich keine ücken, die es mit der neuen Regelung zu füllen gäbe. rotzdem sollen künftig das Hochhalten von Transpa- nten, das Tragen von Anstecknadeln – hierzu gibt es en verräterischen Zusatz: „je nach Gegebenheit oder In- alt“ – oder „sonstiges provokatives Verhalten“ – auch ies eine reine Leerformel – eine Verletzung der Würde es Bundestags, begangen durch Abgeordnete und zu hnden durch den Präsidenten, sein. Ich will dazu in aller Deutlichkeit sagen: Entweder ind solche Verhaltensweisen Störungen der Ordnung es Bundestags und damit jetzt schon vom Präsidenten u sanktionieren, oder sie sind eben keine Ordnungsstö- ngen. Es soll so wohl ganz allgemein bestimmtes – un- ebsames – Verhalten und bestimmte Äußerungen von bgeordneten unterbunden werden können. Damit be- teht die Gefahr, dass Abgeordnete an der freien Aus- bung ihres Mandats durch den Präsidenten gehindert 12164 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) werden, dass sie dabei kontrolliert und einer Zensur un- terworfen werden, ohne dass sie die Ordnung des Bun- destags stören. Eine solche Regelung wird die Zustim- mung der Grünen nicht finden – und ich wundere mich, weshalb die Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und SPD sie vorschlagen. Es kann doch nicht ausschlaggebend sein, dass sich gerade die Kolleginnen und Kollegen der Linken in letzter Zeit mit ihren Aktionen im Hohen Hause unbeliebt gemacht ha- ben. Ich kann den Kolleginnen und Kollegen der Koali- tion und der SPD nur zurufen: Bedenken Sie, dass sich diese neue Regelung auch einmal gegen sie selbst rich- ten kann! Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visa- kodex (Tagesordnungspunkt 21) Helmut Brandt (CDU/CSU): Wir beraten heute in erster Lesung den Entwurf eines Gesetzes der Bundesre- gierung zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtli- nien der Europäischen Union und zur Anpassung natio- naler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex. Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung der folgenden Richt- linien in das innerstaatliche Recht: erstens, der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. L 348 vom 24. Dezember 2008, S. 98 – das ist die sogenannte Rück- führungsrichtlinie –, und zweitens, der Richtlinie 2009/ 52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehö- rige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen, ABl. L 168 vom 30. Juni 2009, S. 24 – das ist die sogenannte Sanktionsrichtlinie. Ferner dient der Gesetzentwurf der Anpassung des innerstaatlichen Rechts an die Verord- nung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft. Ich möchte zunächst auf die Umsetzung der soge- nannten Rückführungsrichtlinie eingehen, die auf die Festlegung eines für alle Mitgliedstaaten verbindlichen rechtsstaatlichen Mindeststandards bei der Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer zielt und damit, entgegen aller Kritik, ein erster und wichtiger Schritt in Richtung einer gemeinschaftlichen Einwanderungspolitik ist. Ein großer Teil der in der Richtlinie enthaltenen Vorgaben wird in Deutschland bereits durch das im geltenden Auf- enthaltsgesetz vorgesehene Recht der Aufenthaltsbeen- digung erfüllt. Von einigen Nichtregierungsorganisatio- nen wird der Gesetzentwurf allerdings zum Anlass für weitergehende Forderungen zur Reform des Abschie- bungsrechts genommen. Gefordert wird beispielsweise e h e A R M S h e g s n fü a V e U w ta A s m d s D b li s s n g k g s a le li b E A d a li R V s fü n ty g li w a z fe (C (D ine Verkürzung der gesetzlich vorgesehenen Höchst- aftdauer von 18 Monaten. Gefordert wird außerdem ine Regelung, dass unbegleitete Minderjährige nicht in bschiebehaft genommen werden dürfen. Die Kritik überrascht nicht. So wurde bereits der ichtlinienentwurf von einigen Flüchtlings-, Asyl- und enschenrechtsorganisationen als „Richtlinie der chande“ verteufelt. Die Kritiker der Richtlinie überse- en dabei, dass eine wirkungsvolle Rückführungspolitik in notwendiger Bestandteil einer durchdachten und laubwürdigen Migrationspolitik ist. Und sie ist – wie ollte es anders sein? – ein Kompromiss zwischen natio- alen Interessen und humanitären Gesichtspunkten. Sie hrt Mindeststandards in allen Mitgliedstaaten ein, vor llem bei der Unterbringung der Betroffenen und im erfahren sowie beim Rechtsbeistand. Überall dort, wo s vorher keine verbindlichen Vorschriften gab, führt die msetzung dieser Richtlinie in vielen Bereichen zu einer irklichen Verbesserung. So gibt es in der EU momen- n neun Länder, die gar keine zeitliche Begrenzung der bschiebehaft kennen; jetzt werden es sechs Monate ein. Diese Haftzeit kann nur in Ausnahmefällen zwei- al um sechs Monate verlängert werden. Eine deutliche Verbesserung stellt die Beschränkung es Wiedereinreiseverbots auf fünf Jahre dar. 14 Länder prechen derzeit längere Wiedereinreiseverbote aus, eutschland sogar unbefristete. Das Wiedereinreisever- ot führt auch nicht – wie behauptet – die Flüchtlingspo- tik ad absurdum. Denn Art. 9 Abs. 5 der Richtlinie ieht ausdrücklich vor, dass das Recht, in den Mitglied- taaten nach internationalem Schutz zu suchen, von ei- em Wiedereinreiseverbot unberührt bleibt. Übrigens ilt das Wiedereinreiseverbot künftig EU-weit. Bisher onnte ein Mitgliedstaat Einreiseverbote nur für das ei- ene Territorium aussprechen. Dies alles gilt ganz abge- ehen von der Möglichkeit, im Einzelfall einen Antrag uf nachträgliche Reduzierung der Befristung zu stellen. Eine Umsetzung über den Richtlinienentwurf hinaus hnen wir ab, da unsere Abschiebungsregelungen richt- nienkonform sind und sich in der Praxis bewährt ha- en. Die im Gesetzentwurf enthaltenen Regelungen zur rforderlichkeit der Abschiebungsandrohung und zur bschiebehaft lehnen sich eng an die Formulierungen in er Rückführungsrichtlinie an und tragen darüber hinaus uch Forderungen insbesondere der Kirchen, der Flücht- ngsorganisationen und der Integrationsbeauftragten echnung. Die Regelungen zur Abschiebehaft übernehmen die orgaben der Richtlinie zum Teil ausdrücklich; zum Bei- piel gibt es die Abschiebehaft nur als Ultima Ratio und r Minderjährige sowie Familien mit Minderjährigen ur in Ausnahmefällen, und die Berücksichtigung alters- pischer Belange minderjähriger Abschiebungsgefan- ener ist gewährleistet. Auf weitere Vorgaben der Richt- nie wird in der Gesetzesbegründung ausdrücklich ver- iesen, zum Beispiel darauf, dass Gelegenheit zu ltersgerechtem Spielen zu geben ist und dass es Zugang u Bildungsangeboten geben muss. Ich habe keine Zwei- l daran, dass diese Umsetzung den europarechtlichen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12165 (A) ) )(B) Vorgaben genügt und die Interessen der Betroffenen hin- reichend wahrt. Kritisiert wird ferner, dass keine ausdrückliche Um- setzung der in Art. 8 Abs. 6 der Rückführungsrichtlinie enthaltenen Verpflichtung zur Schaffung eines Systems zur Überwachung von Rückführungen – das ist das soge- nannte Monitoring – erfolgt sei. Unter anderem haben die Kirchen vorgeschlagen, die Überwachungspflicht im Gesetz festzuschreiben und darüber hinaus in der Be- gründung zum Gesetz eine Bezugnahme auf das beste- hende System der Abschiebungsbeobachtungsstellen aufzunehmen. An den Flughäfen Frankfurt, Düsseldorf und Hamburg bestehen bereits Abschiebungsbeobach- tungsstellen, die von den Kirchen und anderen Nichtre- gierungsorganisationen getragen werden; sie beobachten aufgrund von Vereinbarungen mit den Bundespolizeiin- spektionen der Flughäfen die Durchführung von Rück- führungen auf dem Luftweg. Bei der Unionsfraktion und bei der Bundesregierung bestehen Vorbehalte gegen die Schaffung einer Rechtsgrundlage und damit einer recht- lichen Absicherung der Rückführungsüberwachung. Eine solche Regelung widerspräche aus Sicht der Frak- tion dem rechtsstaatlichen Grundsatz, dass staatliche Machtausübung durch die Gerichte, nicht aber durch Nichtregierungsorganisationen kontrolliert wird. Auf eine gesetzliche Regelung der Rückführungsüberwa- chung wurde daher zu Recht verzichtet. Zudem sind die bestehenden verwaltungsinternen Vorkehrungen, auf de- nen das System der Abschiebungsbeobachtung beruht, zur Umsetzung der Verpflichtung aus Art. 8 Abs. 6 der Rückführungsrichtlinie ausreichend. Lassen Sie mich nun noch einige Worte zur sogenann- ten Sanktionsrichtlinie und zum Visakodex sagen. So- wohl der EU-Visakodex, der das Verfahren zur Erteilung von Schengen-Visa innerhalb der EU harmonisiert, als auch die Sanktionsrichtlinie verstehen sich als Teilaspekt im Kampf gegen illegale Einwanderung. Diese Maßnah- men sollen wiederum Teilgrundlage in einer umfassen- den Einwanderungspolitik werden. Illegale Einwande- rung wird durch die Möglichkeit, ein illegales Beschäftigungsverhältnis in der EU eingehen zu können, begünstigt. Die illegale Beschäftigung illegaler Einwan- derer stellt damit einen wesentlichen „Pullfaktor“ dar. Deshalb benötigen wir in allen EU-Mitgliedstaaten ver- gleichbare Sanktionen für die Beschäftigung von illegal eingereisten Personen. Die Umsetzung der Richtlinie dient diesem Erfordernis. Lassen Sie mich ganz zum Schluss noch ein paar Worte an die selbsternannten Menschenrechtler unter Ih- nen richten: Ich verstehe, wenn sich Nichtregierungsor- ganisationen und Kirchen über die teils strikten Regelun- gen der Richtlinien und die Eins-zu-eins-Umsetzung durch die Bundesregierung enttäuscht zeigen. Aber was ist die Alternative? Nicht jeder, der in Europa Zuflucht sucht, ist auch tatsächlich schutzbedürftig. Dass eine il- legale Zuwanderung schon allein aufgrund der nach- drängenden Massen nicht einfach akzeptiert werden kann, hat jeder Nationalstaat schon lange für sich ent- schieden. Insbesondere aus Frankreich und Italien hören wir in regelmäßigen Abständen immer wieder Rufe nach restriktiveren Abschieberegelungen. Abgeschoben wird in d d V g F g G z e u d z in g ru ro ü g m ti ru s fü le n fr s d b b s D d A e B z d g la d b n In u n li ti w M M w d w (C (D allen europäischen Staaten – aber eben unter verschie- enen Voraussetzungen und Bedingungen. Es einfach abei zu belassen, wäre die denkbar schlechteste aller arianten gewesen – erst recht im Sinne der illegal ein- ereisten Menschen. Ich bin überzeugt, dass das Gesetzespaket, dass wir in orm der Umsetzung der diesem Gesetzentwurf zu- runde liegenden Richtlinien geschnürt haben, eine gute rundlage für weitere legislative Schritte auf dem Weg u einer gemeinsamen Einwanderungspolitik ist. Rüdiger Veit (SPD): Mit dem vorliegenden Gesetz- ntwurf sollen zwei Richtlinien der Europäischen Union mgesetzt werden: einmal die Richtlinie 2008/115/EG es Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. De- ember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhälti- er Drittstaatsangehöriger – die sogenannte Rückfüh- ngsrichtlinie – und die Richtlinie 2009/52/EG des Eu- päischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 ber Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen egen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne recht- äßigen Aufenthalt beschäftigen – die sogenannte Sank- onsrichtlinie. Die Umsetzungsfrist für die Rückfüh- ngsrichtlinie ist am 24. Dezember 2010 abgelaufen; ie ist mithin jetzt geltendes innerstaatliches Recht. Da- r, sich an ihre „Umsetzung“ zu machen, ist es also al- rhöchste Zeit – wenn man die Regelungen der Richtli- ie begrenzen will. Und das wollen die Regierungs- aktionen ganz offensichtlich, wie der vorgelegte Ge- etzentwurf aufzeigt. In Art. 11 Abs. 2 RL 2008/115/EG wird festgelegt, ass für abgeschobene Personen ein Wiedereinreisever- ot ergeht: „Die Dauer des Einreiseverbotes wird in An- etracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festge- etzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre“. ie Formulierung „wird … festgesetzt“ macht dabei eutlich, dass die Befristung des Einreiseverbotes von mts wegen erfolgen muss und ein Antrag hierfür nicht rforderlich ist. Anders steht es jedoch in dem von der undesregierung vorgelegten Gesetzentwurf. Dort wird war auf den Einzelfall abgestellt und eine Befristung er Wiedereinreisesperre von maximal fünf Jahren fest- elegt; allerdings erfolgt eine solche Befristung wie bis- ng nach in Deutschland üblicher Praxis nur auf Antrag es Betroffenen. Ohne einen Antrag gilt sie quasi ein Le- en lang. Das ist aber mit der Richtlinie 2008/115/EG icht vereinbar. Kapitel IV der RL 2008/115/EG gibt vor, wann eine haftnahme zum Zwecke der Abschiebung zulässig ist nd unter welchen Bedingungen diese erfolgen darf. Zu- ächst ist hier festzuhalten und noch einmal ganz deut- ch zu machen, dass die Abschiebehaft allein eine Ul- ma-ratio-Regelung sein kann, die erst dann ergriffen erden darf, wenn keine anderen gleich wirksamen öglichkeiten gegeben sind. Und wenn man dann zum ittel der Abschiebehaft greift, muss immer beachtet erden, dass die Abschiebehaft nur und ausschließlich ie physische Anwesenheit garantieren soll und dass sie eder einen Straf- noch Abschreckungscharakter haben 12166 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) darf; schließlich geht es bei der Inhaftnahme um einen der schwersten Grundrechtseingriffe überhaupt: den Ent- zug der Freiheit. Gemäß Art. 16 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie hat die Abschiebehaft grundsätzlich in speziellen Haftein- richtungen zu erfolgen. Damit soll ausgeschlossen wer- den, dass Abschiebehäftlinge in regulären Strafvollzugs- anstalten festgehalten werden. Von dieser Voraussetzung darf nach der RL 2008/115/EG eine Ausnahme gemacht werden, wenn „in einem Mitgliedstaat solche speziellen Einrichtungen nicht vorhanden“ sind. In „Umsetzung“ der Richtlinie normiert § 62 a Abs. 1 AufenthG-E in Satz 1 zwar, dass „die Abschiebungshaft grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen“ wird, in Satz 2 steht dann allerdings, dass für den Fall, wenn „spezielle Hafteinrichtungen im Land nicht vorhanden“ sind, die Abschiebungshaft „in diesem Land“ auch „in sonstigen Haftanstalten vollzogen werden“ kann. Die Rückführungsrichtlinie meint mit „Mitgliedstaat“ in unserem Fall Deutschland und nicht etwa das Bundes- land Hessen oder Berlin oder sonstiges. § 62 a Abs. 1 Satz 2 AufenthG-E liest sich aber genau so, als würde es darauf ankommen, ob in einem Bundesland spezielle Einrichtungen für Abschiebehäftlinge vorhanden sein müssten, und, wenn dies nicht der Fall ist, die Abschie- behaft in diesem Bundesland auch in allgemeinen Straf- vollzugsanstalten zulässig sei. Damit verkennt der Ge- setzentwurf der Bundesregierung die Intention der Rückführungsrichtlinie und dehnt die Ausnahmereglung des Art. 16 Abs. 1 in unzulässiger Weise aus. Im Ausnahmefall, in dem die Unterbringung nicht in speziellen Abschiebeeinrichtungen möglich ist, muss ge- mäß der Richtlinie die Unterbringung der „in Haft ge- nommenen Drittstaatsangehörigen gesondert von den gewöhnlichen Strafgefangenen“ erfolgen. Sinn und Zweck dieser Regelung kann allein sein, die auf ihre Ab- schiebung wartenden Drittstaatsangehörigen vor einer Kriminalisierung und Stigmatisierung durch die Zusam- menlegung mit gewöhnlichen Strafgefangenen zu schüt- zen. Dies ist nicht nur insbesondere für Minderjährige und Familien von besonderer Bedeutung, sondern vor al- lem auch für traumatisierte und psychisch schwer ge- schädigte Menschen von großer Wichtigkeit. Diese Menschen werden durch die eventuelle Zusammenle- gung mit normalen Straftätern noch weiter traumatisiert und psychisch destabilisiert; nach einer langen Flucht muss ihnen die Inhaftierung in einem deutschen Strafge- fängnis wie eine nicht mehr zu erklärende Endstation vorkommen. Den Bedürfnissen besonders schutzbedürf- tiger Personen muss jedoch gemäß Art. 16 Abs. 3 der RL 2008/115/EG Rechnung getragen werden. Am sinnvolls- ten wäre hier sicherlich eine vorherige psychologische Untersuchung zur Feststellung, ob die oder der Dritt- staatsangehörige überhaupt haftfähig ist. Schließlich normiert Art. 17 der Rückführungsrichtli- nie besondere Regeln im Umgang mit der Inhaftierung von Minderjährigen und Familien. Hierzu betont die Richtlinie in Abs. 1, dass bei diesen Personengruppen das Mittel der Abschiebehaft „nur im äußersten Falle und nur für die kürzest mögliche angemessene Dauer“ e A d ra s s E h w jä d z g p p d g d w d A d S is e w E R g g d g li d d A s n le A e d d s v z d d tr d z m B n b te (C (D ingesetzt werden darf. Weiter macht die Richtlinie in rt. 17 Abs. 3 dann sehr konkrete Angaben darüber, wie ie Ausgestaltung der Haft – wenn sie denn als Ulitma tio angewandt wird – aussehen muss. In der Richtlinie teht, dass die Jugendlichen „Gelegenheit zu Freizeitbe- chäftigungen einschließlich altersgerechter Spiel- und rholungsmöglichkeiten und … Zugang zu Bildung er- alten“ müssen. Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie fordert eiter ebenfalls sehr konkret, dass unbegleitete Minder- hrige in Einrichtungen untergebracht werden müssen, ie personell und materiell in der Lage sind, auf die spe- iellen altersgemäßen Bedürfnisse dieser Personen- ruppe einzugehen. Insbesondere das Erfordernis der ersonellen Kapazität verweist auf das Erfordernis, dass ädagogisch geschultes Personal institutionell vorhan- en sein muss. Zwar verweist der Gesetzentwurf in § 62 a Abs. 3 all- emein auf Art. 17 der Rückführungsrichtlinie. Es ist je- och unklar, ob hiermit Art. 17 Abs. 3 oder 4 umgesetzt erden soll. In der Begründung findet sich dazu Folgen- es: „Um den spezifischen Bedürfnissen minderjähriger usländer nach § 62 a Abs. 3 Rechnung zu tragen, soll iesen zum Beispiel Gelegenheit zu altersgerechtem pielen und zur Erholung gegeben werden.“ Zum einen t dies jedoch gegenüber Art. 17 III RL 2008/115/EG benfalls unvollständig, weil der Verweis auf den not- endigen Bildungszugang fehlt. Zum anderen ist eine rläuterung in der Begründung keine ausreichende ichtlinienumsetzung. Diese muss im Gesetzestext vor- enommen werden. Über die personelle Ausgestaltung von Einrichtun- en, in denen unbegleitete Minderjährige inhaftiert wer- en, findet sich in § 62 a AufenthG-E nichts. Alle Maßnahmen die Inhaftnahme von Minderjähri- en betreffend sind an Art. 17 Abs. 5 Rückführungricht- nie zu prüfen. Dieser besagt, dass „dem Wohl des Kin- es … Vorrang“ einzuräumen ist. Ein Hinweis auf iesen wichtigen Maßstab fehlt ebenfalls in § 62 a ufenthG-E. Neben der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie oll der Gesetzentwurf die Sanktionsrichtlinie dem in- erstaatlichen Recht anpassen. Bei der Umsetzung feh- n vor allem Regelungen für den Fall, dass ein illegaler rbeitnehmer um seinen Lohn geprellt wird und diesen inklagen möchte. Für diesen Fall sieht Art. 6 II RL vor, ass die Mitgliedstaaten Verfahren einrichten müssen, ie es illegal aufhältigen Ausländern ermöglichen, An- prüche auf ausstehenden Lohn und ausstehende Sozial- ersicherungsbeiträge gegen ihren Arbeitgeber geltend u machen. Dies soll entweder dadurch geschehen, dass er Arbeitnehmer selber seinen Lohn einklagt, oder aber adurch, dass er sich an eine zuständige Behörde des be- effenden Mitgliedstaats wendet, um ein Verfahren mit em Ziel einzuleiten, die ausstehenden Vergütungen ein- uziehen, ohne selbst einen Anspruch geltend machen zu üssen. Ein solches Verfahren ist im Gesetzentwurf der undesregierung nicht vorgesehen. Theoretisch ist es ach wie vor denkbar, dass ein Illegaler vor dem Ar- eitsgericht ein Verfahren einleitet. In der Praxis schei- rt die Geltendmachung eines solchen Anspruches aber Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12167 (A) ) )(B) zumeist daran, dass die Betroffenen aus Angst vor der Aufdeckung ihres Status und der daraufhin zu befürch- tenden Abschiebung davon absehen, eine solche Klage zu erheben; Denn der Arbeitsrichter ist gemäß § 87 II AufenthG übermittlungspflichtig an die Ausländerbe- hörden. Mittlerweile sind die Übermittlungspflichten für den Bereich der Gesundheit zumindest in den Verwaltungs- vorschriften eingeschränkt worden, sodass Illegale ohne Angst vor der sofortigen Abschiebung den Gang zum Arzt wagen können, bevor sie im schlimmsten Fall un- heilbar krank sind. Dass die Übermittlungspflichten für Kindergärten, Schulen und sonstige Jugendfreizeitein- richtungen eingeschränkt werden müssen, so wie es in vielen Bundesländern Praxis ist, ist mittlerweile wohl politischer Konsens quer durch alle Fraktionen. Für eine effektive Umsetzung von Art. 6 II RL wäre daher mindestens eine spezielle Ausnahme für Arbeits- gerichte in den hier relevanten Fällen von der Übermitt- lungspflicht des § 87 II AufenthG geboten. Eine Lösung, die diese ebenso wie andere Fallkonstellationen auf- greift, hat die SPD-Bundestagsfraktion in Bundestags- drucksache 17/56 vorgeschlagen. Wir bitten aus diesen Gründen ausdrücklich um Ihre Unterstützung für unse- ren Entwurf. Den vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung empfehle ich jedoch aus den genannten Gründen abzu- lehnen. Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Der Gesetzent- wurf dient der Umsetzung einiger wichtiger Richtlinien im Bereich des Ausländer- und Aufenthaltsrechts; insbe- sondere die Rückführungs- und die Sanktionsrichtlinie sind hier zu nennen. Die FDP-Bundestagsfraktion hat die Rückführungs- richtlinie begrüßt. Anders als zum Beispiel die Kollegen von der Linken sehen wir hier einen großen Fortschritt: Erstmals gibt es innerhalb Europas gleiche Mindeststan- dards im Bereich der Rückführung. Reflexartig wird die Richtlinie verteufelt. Aber sie ist ein großer Fortschritt für die Betroffenen. Und das ist entscheidend – nicht die poli- tische Polemik der Linken. Die Rückführungs-RL hätte bereits zum Ende letzten Jahres umgesetzt werden müssen. Die sorgfältige Ab- stimmung des Gesetzentwurfes innerhalb des BMI mit den anderen Ressorts und insbesondere auch die inten- sive Beteiligung der Verbände zeigt, dass die Bundesre- gierung große Sensibilität in diesem Themenbereich zeigt. Dies ist auch richtig: Gerade die Abschiebungshaft greift tief in Grundrechte ein und muss daher besonders austariert werden. Für die FDP-Bundestagsfraktion war immer wichtig, dass diese nur letztes Mittel sein kann und sein darf. Nach unserer Überzeugung wurde bei dem Gesetzentwurf dieser Haltung Rechnung getragen. Die Koalitionsfraktionen haben sich entschieden, den Gesetzentwurf parallel einzubringen, da die Frist zur Umsetzung bereits verstrichen ist. Ein Vertragsverlet- zungsverfahren wegen besonders sorgfältigen Abwägens sollte der Bundesregierung nicht aufgebürdet werden. D d e A m p S s w jä le w m g z te z V g n s V d d fr A s m D s n le b n h g w U b li s li g a s d u ti „ (C (D ies bedeutet jedoch nicht, dass der Gesetzentwurf in ieser Form verbleiben muss. Sicherlich wird es dazu ine Anhörung im Innenausschuss geben, die meiner nsicht nach so bald wie möglich stattfinden sollte, da- it wir das Gesetzesvorhaben noch vor der Sommer- ause abschließen können. Lassen Sie mich auf einige Punkte eingehen, die aus icht der FDP-Bundestagsfraktion im Rahmen des Ge- etzentwurfes nochmals näher zu betrachten sind: Das Kindeswohl muss Priorität haben. Der Gesetzent- urf ist in Bezug auf die Abschiebungshaft bei Minder- hrigen sehr ausgewogen. Allerdings gibt es doch Stel- n, an denen Kritik insbesondere von Kirchen erhoben ird. Hier wird zu klären sein, ob eventuell klarere For- ulierungen hilfreich sein könnten, um auch das Anlie- en der Regierungskoalition, das Kindeswohl prioritär ur Geltung zu bringen, vollumfänglich zu gewährleis- n. Das Kindeswohl ist für die schwarz-gelbe Koalition entral. Dies zeigt sich bereits in der Rücknahme des orbehalts zur Kinderrechtskonvention. Keine Vorgän- erkoalition hatte dies zustande gebracht. Mit der Rück- ahme des Vorbehalts kann selbstverständlich der Ein- atz für das Kindeswohl noch nicht abgeschlossen sein. ielmehr muss der Gesetzgeber bei allen Rechtsakten arauf achten, dass dieses entsprechend Maßstab ist. Abschiebungen sind im Ausländerrecht notwendig; ie Abschiebungshaft ist aus Sicht der FDP-Bundestags- aktion auch notwendiges Mittel zur Durchsetzung des usländerrechts. Allerdings muss man bei einem derart ensiblen Bereich als Gesetzgeber und als Vollziehende öglichst alles unternehmen, um für eine angemessene urchführung, Transparenz und Akzeptanz zu sorgen. Den Vorschlag insbesondere der Kirchen, die Ab- chiebebeobachtung als Möglichkeit ins Gesetz aufzu- ehmen, halte ich aus diesem Grund durchaus für über- genswert. Diese ist bereits erprobt und hat sich ewährt. Wir müssen dabei zum einen an die Betroffe- en denken, für die die Abschiebebeobachtung zur Beru- igung beitragen kann, zum andern aber auch an diejeni- en, die die Abschiebung durchzuführen haben. Diese erden oftmals in der Öffentlichkeit vollkommen zu nrecht verunglimpft. Gerade denen kann die Abschie- ebeobachtung auch helfen. Dass nun explizit vorgesehen ist, dass Abschiebehäft- nge in separaten Einrichtungen untergebracht werden ollen, begrüßt die FDP-Bundestagsfraktion ausdrück- ch. Die Unterbringung in normalen Gefängnissen kann rundsätzlich nicht hingenommen werden. Die Umsetzung der Rückführungsrichtlinie ist für uns uch Anlass, das Vorhaben im Koalitionsvertrag, die Ab- chiebehaftbedingungen zu evaluieren, anzugehen. Wir möchten auch die sozialrechtlichen Vorschriften, ie beim Zwangsheiratsbekämpfungsgesetz nicht mehr ntergebracht werden konnten, nun einflechten. Uns liegt des Weiteren noch ein Vorhaben des Koali- onsvertrages am Herzen. Dort ist Folgendes vereinbart: Wir werden die aufenthaltsgesetzlichen Übermittlungs- 12168 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 (A) ) )(B) pflichten öffentlicher Stellen dahin gehend ändern, dass der Schulbesuch von Kindern ermöglicht wird.“ Es ist ein humanitärer Fortschritt, wenn wir die aufenthalts- rechtlichen Übermittlungspflichten öffentlicher Stellen ändern, um den Schulbesuch von Kindern zu gewähr- leisten. Bildung ist die Basis für gesellschaftliche Inte- gration und persönlichen Erfolg. Wir werden in den kommenden Wochen in der Koali- tion über diese und weitere Änderungen verhandeln. Die Anhörungsergebnisse sollen ebenso Grundlage für die weiteren Überlegungen sein. Ich bin mir angesichts der erfolgreichen Verhandlungen innerhalb der Koalition un- ter anderem zum Zwangsheiratsbekämpfungsgesetz si- cher, dass wir auch hier wichtige Weichenstellungen er- reichen werden. Um die illegale Beschäftigung von Ausländern zu verhindern bzw. zu sanktionieren, fordert die Sanktions- richtlinie im Wesentlichen die Ausdehnung der Arbeit- geberhaftung auf Generalunternehmer und zwischenge- schaltete Unternehmer, erhöhte Nachweispflichten für Arbeitgeber und die Einführung von zwei neuen Straftat- beständen. Darüber hinaus ist ein befristeter Aufenthaltstitel für Opfer illegaler Beschäftigung einzuführen, um ihre Mit- wirkung als Zeugen im Strafverfahren zu ermöglichen. Wegen einiger Regelungen des Visakodex (insbeson- dere zur Erforderlichkeit der Begründung von Visumver- sagungen sowie zur Anfechtbarkeit der Visumversa- gung) sind im Wesentlichen Anpassungen der Form- und Verfahrensvorschriften des Aufenthaltsgesetzes notwen- dig. Im Zusammenhang mit den genannten Anpassungen an europäische Rechtsakte werden zur Klarstellung und zur Bereinigung von Unstimmigkeiten technische und redaktionelle Anpassungen aufenthaltsrechtlicher Vor- schriften vorgenommen, die sich auf unterschiedliche Regelungsbereiche des Aufenthaltsgesetzes, das AZR- Gesetz, die Aufenthaltsverordnung und die AZRG- Durchführungsverordnung erstrecken. Deutschland verändert sich. Die neue Bundesregie- rung wird diese Veränderung gestalten – ohne Ideologie und vorurteilsfrei. Migration und Integration stellen Deutschland vor neue Herausforderungen. Sie bieten aber auch neue Chancen. Die Koalition hat sich auf eine konsequente Steuerung der Zuwanderung nach Deutschland und eine aktive Integrationspolitik geeinigt. Wir wollen eine neue Kultur des Willkommens, die nicht falsche Versprechun- gen auf Kosten anderer Leute macht, sondern Chancen und Perspektiven eröffnet für die, die nicht nur „territo- rial“ nach Deutschland kommen, sondern auch mit ihrer Kultur in unserem Land sowie unserer Gesellschaft mit ihren Grundwerten ankommen wollen. Wir halten es nicht wie die Grünen oder Linken für unzumutbar, Deutsch zu lernen, wir halten Zuwanderer nicht für bemitleidenswerte und unfähige Menschen, de- nen nur mit Nachsicht oder Sozialhilfe begegnet werden k „ m M m ti fü g B s S d s in d te h ti g A d g h g a tu s p s d c c H tr A fü E b m S a b le w d k a d z p A ic s s (C (D ann und die auf Generationen hinaus mit dem Unwort Migrationshintergrund“ stigmatisiert werden sollen. Wir meinen, dass hier endlich ein Umdenken erfolgen uss: Statt der Unkultur eines auf Dauer erniedrigenden itleids und des Verzichts auf Integrationsforderungen uss Deutschland in der Integrationspolitik endlich posi- v denken. Wir brauchen eine Kultur der Anerkennung r diejenigen, die das geschafft haben. Wir halten inte- rierte Zuwanderer mit ihren Erfahrungen für eine große ereicherung unserer Gesellschaft. Wir beglückwün- chen diejenigen, die sich erfolgreich integriert haben. ie können stolz auf ihre Leistung sein, und wir sind ankbar und stolz, dass sie sich für Deutschland ent- chieden haben. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Wir verhandeln hier heute erster Linie die Umsetzung zweier EU-Richtlinien in as deutsche Aufenthaltsrecht. Die eine Richtlinie ist in- rnational als Abschieberichtlinie zu trauriger Berühmt- eit gelangt. Des Weiteren soll die sogenannte Sank- onsrichtlinie umgesetzt werden. Damit werden Strafen egen Arbeitgeber, die Menschen ohne Aufenthalts- und rbeitserlaubnis beschäftigen, zur Pflicht. Zudem sollen ie Betroffenen die Möglichkeit erhalten, als Zeugen ge- en ausbeuterische Arbeitgeber aufzutreten und ausste- enden Lohn einzuklagen. Im Rahmen der Umsetzung der Sanktionsrichtlinie eht es auch um das Aufenthaltsrecht für die Betroffenen usbeuterischer Arbeitsverhältnisse ohne Aufenthaltssta- s. Hier gibt es dringenden Änderungsbedarf. Wie chon bei den Opfern von Menschenhandel und Zwangs- rostitution soll das Aufenthaltsrecht für diese Men- chen begrenzt und davon abhängig gemacht werden, ob ie Mitwirkung der Betroffenen in einem strafrechtli- hen Verfahren erforderlich ist. Das ist eine strafrechtli- he Instrumentalisierung von Menschen, die nicht selten ilfe und Beistand benötigen. Noch schlimmer: Die Be- offenen können sich nicht einmal sicher sein, ob ihre ussagebereitschaft auch zu einer Aufenthaltserlaubnis hrt, weil die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im rmessen der Ausländerbehörde steht. Den Opfern aus- euterischer Arbeitsverhältnisse wird klargemacht, dass an sie so schnell wie möglich wieder loswerden will: ie können zur Ausreise verpflichtet werden, obwohl sie usstehenden Lohn noch nicht erhalten haben. Wenn sie leiben dürfen, erhalten sie lediglich abgesenkte Sozial- istungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, ob- ohl sich strafrechtliche Prozesse wegen Menschenhan- el und illegaler Beschäftigung über Jahre hinziehen önnen. In dieser Zeit können die Betroffenen damit uch kaum therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Die Linke fordert ein bedingungsloses Bleiberecht für iese Menschen und ihre Familien. Sie dürfen nicht ein weites Mal zu Opfern werden, indem man sie für Straf- rozesse instrumentalisiert. Noch weitaus erschreckender ist die Umsetzung der bschieberichtlinie durch die Koalition. Zunächst will h Folgendes vorausschicken: Die Linke lehnt die Ab- chiebehaft weiterhin grundsätzlich ab. Sie dient aus- chließlich der Durchsetzung einer Verwaltungsmaß- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 12169 (A) ) )(B) nahme, der Ausreisepflicht. Eine Inhaftierung von Menschen zu diesem Zweck ist aus unserer Sicht grund- sätzlich unverhältnismäßig. Dass sich nach deutscher Rechtslage der Freiheitsentzug über 18 Monate hinzie- hen kann, ist inakzeptabel. Diese Höchstgrenze für Abschiebehaft von 18 Monaten aber hat die Bundesre- gierung auf EU-Ebene durchgesetzt, um an unverhältnis- mäßig langen Haftzeiten auch in Deutschland festhalten zu können. Allerdings enthält die Abschieberichtlinie auch vor- gaben, die zu wenigen menschenrechtlichen Verbesse- rungen im Vollzug der Abschiebehaft in Deutschland führen müssten. Der vorliegende Gesetzentwurf setzt diese Vorgaben gar nicht oder ungenügend um. In Teilen verletzt er andere menschenrechtliche Verpflichtungen der Bundesrepublik. Darauf will ich im Folgenden ein- gehen. Der Schutz des Kindeswohls wird im vorliegenden Gesetzentwurf schlicht ignoriert. Nach der Rücknahme des Vorbehalts gegen die UN-Kinderrechtskonvention darf die Bundesrepublik ausländische Kinder nicht mehr schlechter behandeln als inländische Kinder. Auch für die ausländischen Kinder gilt, dass ihr Wohl im Handeln der Behörden vorrangig beachtet werden muss. Die Abschiebehaft bei Kindern und Jugendlichen ist ein ek- latanter Verstoß gegen diesen Grundsatz. Die UN-Kin- derrechtskonvention erlaubt eine Inhaftierung Minder- jähriger lediglich bei Straftaten und nur als letztes Mittel. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat in einem Gutachten klargestellt: Unbegleitete Minderjäh- rige dürfen nicht in Abschiebehaft genommen werden. Auch für Minderjährige in Begleitung von Erwachsenen gilt diese menschenrechtliche Grenze. Auch die in Deutschland übliche Inhaftierung eines Elternteils, um die Abschiebung der gesamten Familie zu sichern, ver- letzt die Verpflichtung zum Vorrang des Kindeswohls, so das Gutachten. Das fehlende Verbot der Inhaftierung Minderjähriger und ihrer Sorgeberechtigten im Gesetz- entwurf ist ein menschenrechtlicher Skandal. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Auch die Inhaf- tierung Kranker und insbesondere psychisch Traumati- sierter und anderer besonders schutzbedürftiger Perso- nen muss endlich eindeutig im Gesetzestext untersagt werden. Es gibt noch einigen weiteren Anpassungsbedarf, um wenigstens dieser „Richtlinie der Schande“, wie sie ge- nannt wurde, Genüge zu tun. Die Pflicht zur gesonderten Unterbringung außerhalb von Strafvollzug und Untersu- chungshaft muss wirksam und ausnahmslos umgesetzt werden. Die Abschiebehäftlinge müssen kostenlos Zu- gang zu Rechtsvertretung und -beratung haben. Die In- haftierung von Asylsuchenden, die üblicherweise kein Visum erhalten und deshalb illegal einreisen müssen, muss wirksam ausgeschlossen werden. Das ist auch eine Anforderung aus der Genfer Flüchtlingskonvention, der die Bundesrepublik noch nicht nachgekommen ist. Die Koalition muss im weiteren Gesetzgebungsver- fahren wenigstens den Anforderungen der Abschiebe- richtlinie und der menschenrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik nachkommen. Ungeachtet dessen b A ti B U li B g is fü fa a S n a D q n n k B h s u G z R te s D s g g w p s d k A a R D s fa H g A in n d g is T h ru (C (D leibt Die Linke bei ihrer grundsätzlichen Kritik an der bschiebehaft als Instrument einer restriktiven Migra- ons- und Flüchtlingspolitik. Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die undesregierung legt uns heute einen Gesetzentwurf zur msetzung zweier EU-Richtlinien vor, der sehr ängst- ch und zurückhaltend ist, wenn es um die rechtliche esserstellung von Immigranten geht. Bei der Beseiti- ung der Missstände taucht die Bundesregierung ab und t ideenlos. Der Gesetzentwurf betrifft zum einen die EU-Rück- hrungsrichtlinie über gemeinsame Normen und Ver- hren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal ufhältiger Drittstaatsangehöriger, zum anderen die EU- anktionsrichtlinie über Mindeststandards für Sanktio- en und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaats- ngehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen. ie noch im Referentenentwurf enthaltene EU-Hoch- ualifiziertenrichtlinie findet sich im Gesetzentwurf icht mehr. Offenbar konnte die Bundesregierung sich icht über die notwendigen Änderungen bei der Fach- räfteeinwanderung einigen. Das ist typisch für diese undesregierung: Vor lauter Streit ist sie nicht mehr fä- ig zu regieren. Die Rückführungsrichtlinie hätte bis pätestens zum 24. Dezember 2010 in deutsches Recht mgesetzt werden müssen. Die noch nicht einmal im esetzgebungsverfahren befindliche EU-Hochqualifi- iertenrichtlinie muss bis Juni 2011 umgesetzt werden. Im vorliegenden Gesetzentwurf sind hinsichtlich der ückführungsrichtlinie weiterhin Bestimmungen enthal- n, die im Vorfeld von allen kirchlichen und gesell- chaftlichen Institutionen – zum Beispiel auch dem eutschen Institut für Menschenrechte – einhellig kriti- iert wurden: Sie betreffen die vorgesehenen Regelun- en zur Abschiebehaft, insbesondere von Minderjähri- en. Diese soll – wenn auch mit Einschränkungen – eiterhin zulässig sein. Aus unserer Sicht ist das höchst roblematisch. Auch das Deutsche Institut für Men- chenrechte betont in einer jüngst erschienenen Studie, ass „es unter Berücksichtigung der UN-Kinderrechts- onvention (KRK) menschenrechtlich unzulässig ist, bschiebehaft gegenüber unbegleiteten Minderjährigen nzuordnen“. Problematisch ist auch die fehlerhafte Umsetzung der ückführungsrichtlinie zum Vollzug der Abschiebehaft. ie Richtlinie lässt nämlich die Unterbringung von Ab- chiebehäftlingen in gewöhnlichen Haftanstalten allen- lls dann zu, wenn in einem Mitgliedstaat spezielle afteinrichtungen nicht vorhanden sind. In Deutschland ibt es diese jedoch in mehreren Bundesländern. Die usnahmeregelung bezieht sich auf EU-Mitgliedstaaten, denen es keine speziellen Hafteinrichtungen gibt, icht auf deutsche Bundesländer, wie im Gesetzentwurf er Bundesregierung vorgesehen. Die weitere Unterbrin- ung von Abschiebungshäftlingen in Strafhaftanstalten t demnach unzulässig. Auch die Schaffung gesonderter rakte in Justizvollzugsanstalten reicht nicht aus. Denn inter der Regelung des Art. 16 Abs. 1 der Rückfüh- ngsrichtlinie steht die Erkenntnis, dass Abschiebungs- (A) (C)häftlinge nicht wie Straftäter behandelt und dementspre- chend auch nicht den Strafvollzugsregelungen unterworfen werden dürfen. Die Regierung scheint ver- gessen zu haben, dass es sich bei der Abschiebehaft nicht um Strafhaft zur Ahndung strafrechtlicher Delikte handelt. Zweck der Abschiebehaft ist einzig die Durch- führung der Abschiebung. Deswegen wäre es auch rich- tig und wichtig gewesen, anlässlich der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie die Höchstdauer der Abschiebe- haft von 18 Monaten deutlich zu verkürzen. Denn die Möglichkeit, einem Menschen für 18 Monate allein zur Durchführung der Abschiebung die Freiheit zu entzie- hen, wird dem Gebot größtmöglicher Verfahrensbe- schleunigung und dem Grundsatz der Verhältnismäßig- keit nicht gerecht. Bedauerlicherweise wird in dem vorgelegten Gesetz- entwurf die Gelegenheit nicht wahrgenommen, auch andere durch europäisches Recht notwendig gewordene Änderungen bzw. Klarstellungen vorzunehmen. So er- scheint es dringend geboten, gemäß Art. 13 der Rück- führungsrichtlinie, der die Gewährung effektiven Rechtsschutzes fordert, endlich den einstweiligen Rechtsschutz in Verfahren nach der Dublin-II-Verord- nung zu ermöglichen. Ich verweise insofern auf die Grundsatzentscheidung des EGMR vom 21. Januar 2011 im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland, Beschwerde Nr. 30696/09. Seit den mit dem 1. EU- Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 eingeführten Ände- rungen wurde über § 34 a Abs. 2 AsylVfG der einstwei- lige Rechtsschutz gegen Entscheidungen im Verfahren sen. Vom Ausland aus kann ein effektiver Rechtsschutz vor deutschen Verwaltungsgerichten nicht greifen. Ein Rechtsbehelf ist nur dann wirksam, wenn irreparable Folgen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer ho- heitlichen Maßnahme vor deren gerichtlicher Überprü- fung eintreten können, soweit als möglich ausgeschlos- sen werden können. Weiterhin sind gesetzliche Anpassungen, die sich aus der Rücknahme der Vorbehalte zur UN-Kinderrechts- konvention ergeben, in den Gesetzentwurf zu integrie- ren. Schließlich hat die Bundesregierung die Gelegen- heit verpasst, die Übermittlungspflichten des § 87 AufenthG einzuschränken, damit statuslose Kinder ihr Recht auf Schulbildung auch tatsächlich ausüben kön- nen. Ebenso hat die Bundesregierung es unterlassen, die Residenzpflicht für Geduldete und Asyl bewerber zu lo- ckern. Mit der Residenzpflicht gibt es in Deutschland ein bundesweites und in Europa einzigartiges System der Aufenthaltsbeschränkung. Diese räumliche Beschrän- kung des Aufenthalts auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde hat diskriminierende Wirkung und führt dazu, dass das Recht dieser Personen auf Teil- nahme an kulturellen, politischen und religiösen Veran- staltungen unzulässig eingeschränkt und der Zugang zu einer erforderlichen ärztlichen oder psychologischen Be- handlung und zum Arbeitsmarkt wesentlich erschwert werden. Ich erwarte, dass die Bundesregierung im weiteren Gesetzgebungsverfahren die allseitige Kritik ernst V Offsetdrucker ertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln (D (B) nach der Dublin-II-Verordnung generell ausgeschlos- n ) immt und die notwendigen Änderungen vornimmt. 12170 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 ei, Bessemerstraße 83–91, 1 , Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 105. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 14. April 2011 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Jörn Wunderlich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Es hieß, es gebe eine breite Zustimmung in diesem
    aus. Frau Granold, Sie sagten auch noch: Vielleicht
    ann die SPD zustimmen; das wäre ein deutliches Signal.
    ir haben einen Änderungsantrag in den Ausschuss ein-

    ebracht und nach der Sachverständigenanhörung über-
    instimmend feststellen können, dass die Zahl 50 wirk-
    ch als kritische Marke klassifiziert worden ist. Es hieß
    ich zitiere einmal –: Die Einführung einer Fallober-
    renze von 50 ist unverzichtbar, aber aufgrund der Ar-
    eitsbelastung praktisch nicht umsetzbar. Das ist hier ja
    orgerechnet worden. Von anderer Seite hieß es dann:
    0 bis 40 Fälle sind angesichts der persönlichen Amts-
    hrung die Grenze, und die Fallobergrenze von 50 muss
    Form einer Mussvorschrift und nicht einer Sollvor-

    chrift festgelegt werden.

    Ein Grund dafür, das Ganze abzulehnen, war im We-
    entlichen die Finanzierung. Es hieß, eine Fallober-
    renze von 40 sei nicht zu finanzieren. Darüber, wie die
    allobergrenze von 50 finanziert werden soll, ist aber nie
    esprochen worden.

    Die Zustimmung des Bundesrats ist nach Meinung
    einer Fraktion ebenfalls erforderlich. Durch die Pflicht

    er Länder, eine geldwerte Sachleistung oder vergleich-
    are Dienstleistung mit einer nicht unerheblichen Kos-
    nbelastung zu erbringen, wird eine Zustimmungs-
    flicht nach Art. 104 a Abs. 4 Grundgesetz begründet.
    as hat auch der Bundesrat so gesehen, und auch ein
    om Wissenschaftlichen Dienst in Auftrag gegebenes





    Jörn Wunderlich


    (A) )


    )(B)

    Gutachten und eine Stellungnahme besagen: Das ist zu-
    stimmungspflichtig; die Länder müssen beteiligt wer-
    den.

    In unserem Änderungsantrag fordern wir, wie gesagt,
    aufgrund der Sachverständigenanhörung eine Fallober-
    grenze von 40. Außerdem sollte die Anhörung des Ju-
    gendlichen in dem Verfahren zwingend vorgeschrieben
    werden, sofern das aufgrund des Alters und des Ent-
    wicklungsstandes möglich ist. Ein ganz wesentlicher
    Faktor ist: Das Personal sollte aus sozialpädagogischen
    Fachkräften bestehen. Dazu hieß es: Das kommt in der
    zweiten Stufe. Ebenso haben wir gesagt: Es müssen Inte-
    ressenskonflikte vermieden werden, das heißt, der
    Vormund darf nicht gleichzeitig Leistungsträger für Sozial-
    leistungen sein, um hier Interessenskonflikte zu vermeiden.
    Es hieß: Das kommt auch erst in der zweiten Stufe.

    Durch das Inkrafttreten – Frau Granold hat es ange-
    sprochen; ich habe das auch schon gesagt – wird ein un-
    gemeiner Druck entstehen. Denn wie wollen Sie einem
    Amtsvormund des Jugendamtes klarmachen: „Du hast
    200 oder 250 Mündel – die Zahlen sind ja schon genannt
    worden –, bekommst von jetzt auf gleich einen erweiter-
    ten Aufgabenkreis zugewiesen und bist für die Pflege
    und Entwicklung dieser 200 oder 250 Mündel letztlich
    persönlich haftbar, die Strukturen, um das zu gewährleis-
    ten, bieten wir dir aber nicht, die lassen wir erst in einem
    Jahr in Kraft treten, wobei wir nicht geklärt haben, wie
    das Ganze finanziell zu leisten ist“? Deshalb denkt die
    Linke, dass man den Jugendämtern insgesamt ein Jahr
    Zeit geben müsste, um dieses Gesetz dann tatsächlich
    auch strukturell umzusetzen.

    Alles in allem bedeutet der Gesetzentwurf eine Ver-
    besserung der gesetzlichen Vorgaben, wobei diese wohl
    kaum tatsächlich umsetzbar sein werden. Deshalb kann
    vonseiten der Linken keine Zustimmung erfolgen, und
    wir werden uns bei der Abstimmung über diesen Gesetz-
    entwurf enthalten.

    An Frau Granold und Herrn Thomae gerichtet: Hätten
    Sie dem Änderungsantrag der Linken in den Bericht-
    erstattergesprächen zugestimmt, dann hätten wir mit den
    Ländern die Finanzierung klären können, dann hätten
    wir die Personalbedarfe klären können, dann würde hier
    Fachpersonal tätig werden, dann hätten wir in diesem
    Haus wirklich eine breite Zustimmung, vielleicht sogar
    eine Einstimmigkeit, zu diesem Gesetzentwurf und dann
    wäre ein wirklich deutliches Signal an die betroffenen
    Jugendlichen ausgesendet worden.

    Danke.


    (Beifall bei der LINKEN)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt

hat die Kollegin Ingrid Hönlinger von Bündnis 90/Die
Grünen das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ingrid Hönlinger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

    Kollegen! Wir debattieren heute über Änderungen im
    Vormundschaftsrecht. Zentrale Frage ist, wie wir den

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    (C (D chutz des Mündels realistisch verbessern und die Quatät der Vormundschaft sichern können. Der erste Ansatzpunkt dafür ist die Begrenzung der allzahlen für die Vormundschaft. Die Bundesregierung ieht in ihrem Gesetzentwurf eine Sollvorschrift vor. Die mtsvormundschaften sollen auf 50 Mündel pro Vorund beschränkt werden. Im Einzelfall ist es also mögch, dass ein Vormund übergangsweise mehr als 0 Mündel betreut. Meine Fraktion unterstützt in der jetzigen Lage den esetzentwurf. Er gibt den Kommunen eine klare renze nach oben vor, und er berücksichtigt auch, dass ie Kommunen Zeit und Raum brauchen, Herr Kollege underlich, um ihre finanzielle und personelle Situation n die Neuregelung anzupassen. In dem zweiten Schritt, den die Bundesregierung anekündigt hat, sollte aber unbedingt klargestellt werden, ie wir die Sollvorschrift zu einer Mussvorschrift umge talten können. Denn es ist auf Dauer unerlässlich, dass ie Fallzahlen auf 50 beschränkt werden. Das haben uch alle Sachverständigen in der Anhörung bestätigt. ier müssen wir handeln, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])


    Ein zweiter wichtiger Ansatzpunkt ist die Verpflich-
    ng des Vormunds zum persönlichen Kontakt mit dem
    ündel. In der Regel, so der Gesetzentwurf, soll der per-

    önliche Kontakt zwischen Vormund und Mündel einmal
    Monat stattfinden. Dieser monatliche Kontakt wird

    uch dem Schutz und den Interessen des Mündels ge-
    cht. Missstände können frühzeitig erkannt und hel-
    nde Maßnahmen rechtzeitig ergriffen werden. Die Ge-
    chte haben auch einen klaren Maßstab für die
    berprüfung der vormundschaftlichen Tätigkeit.

    Laut Gesetzentwurf kann der Besuchsabstand in Aus-
    ahmefällen verkürzt oder verlängert werden. Das kann
    r die Individualität der vormundschaftlichen Arbeit

    innvoll sein. Allerdings sollte die Bundesregierung
    uch über ein geeignetes Instrumentarium nachdenken,
    m eine Überprüfung bzw. einen Nachweis zu ermög-
    chen. Das könnte zum Beispiel eine Berichtspflicht des
    ormunds gegenüber dem Gericht oder auch eine Zu-
    timmungspflicht des Gerichts für längere Besuchs-
    bstände sein.

    Frau Kollegin Granold, wir Grünen haben tatsächlich
    robleme damit, dass auch Änderungen im Betreuungs-
    cht vorgesehen sind. Wir meinen, dass wir grund-
    gend über das Betreuungsrecht nachdenken müssen
    nd dass sogar die UN-Behindertenrechtskonvention
    ine grundlegende Reform erfordern könnte. Wir mei-
    en, dass Regelungen zum Betreuungsrecht nicht am
    ande anderer Gesetze getroffen werden sollten. An die-

    em Punkt können wir dem Gesetzentwurf nicht zustim-
    en.

    Insgesamt begrüßen wir den Gesetzentwurf der Bun-
    esregierung, soweit er das Vormundschaftsrecht be-
    ifft. Für eine umfassende Reform ist der angekündigte





    Ingrid Hönlinger


    (A) )


    )(B)

    zweite Schritt dringend erforderlich. Zu den bereits ge-
    nannten Punkten der zwingenden Begrenzung der Fall-
    zahlen auf 50 und der Kontrolle des persönlichen Kon-
    takts zwischen Vormund und Mündel kommen aus
    unserer Sicht drei weitere hinzu.

    Erstens. Interessenkollisionen innerhalb der Jugend-
    ämter sollten überprüft werden. Zum Beispiel sollten
    Fachkräfte, die finanzielle Aufgaben des Jugendamts als
    Sozialleistungsträger wahrnehmen, von der Führung von
    Amtsvormundschaften ausgeschlossen sein, soweit sie
    die Person ihres Mündels betreffen.

    Zweitens. Dem Vormund sollte ein eigenes Anhö-
    rungsrecht im familiengerichtlichen Verfahren einge-
    räumt werden, um eine umfassendere Beurteilung zu er-
    möglichen.

    Drittens sollte geprüft werden, inwieweit dem Mün-
    del gegen Entscheidungen seines Vormunds eine Be-
    schwerdemöglichkeit eingeräumt werden kann.

    Meine Damen und Herren von der Koalition und von
    der Regierungsbank, wir werden Sie an die offenen
    Punkte erinnern.

    Danke für Ihre Aufmerksamkeit.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)