Gesamtes Protokol
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-
zung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Berufsbildungsbericht 2011.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Bildung und Forschung, Dr. Helge Braun. –
Herr Braun, Sie haben das Wort, bitte schön.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Das Kabinett hat heute den Berufsbildungsbe-
richt 2011 beraten. Danach hat sich die Ausbildungslage
in Deutschland deutlich verbessert. Die Zahl der angebo-
tenen Ausbildungsstellen beträgt 579 000. Sie hat sich
gegenüber der Prognose, die von 563 000 Ausbildungs-
stellen ausgegangen ist, um rund 16 000 erhöht. Am
Ende des Zeitraums waren mehr unbesetzte Ausbil-
dungsplätze vorhanden als unversorgte Bewerber.
Der demografische Wandel trägt hierzu einiges bei.
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Die Zahl der Schulabgänger in Ostdeutschland ist um
13,5 Prozent gesunken. Die Angebots-Nachfrage-Rela-
tion, die im Jahr 2004 noch bei 90 Prozent lag, liegt im
Jahr 2009/2010 bei 99,9 Prozent. Das heißt, dass die
Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze leicht unter der
der unversorgten Bewerber liegt.
Die Zahl der sogenannten Altbewerber – das sind die-
jenigen, die sich auch in den Vorjahren beworben haben –
ist ebenfalls stark gesunken. Im Jahr 2008 haben
262 000 Altbewerber einen Ausbildungsplatz ange-
strebt. Derzeit sind es 184 745. Das entspricht einem Mi-
nus von rund 30 Prozent.
Auch im Übergangssystem befinden sic
Ausbildungssuchende und sozusagen auf ein
dung Wartende, als das früher der Fall war. In
fünf Jahren ist diese Quote um 22,5 Prozent
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20 und 29 Jahren, die keinen Berufsabschluss haben.Angesichts dieser Zahl glaube ich, dass erhöhte Anstren-gungen und größere Aktivitäten notwendig sind, sowohlim Hinblick auf die demografische Entwicklung als auchim Hinblick auf den Fachkräftebedarf. Meine Frage ist:Was will die Bundesregierung tun?D
Sehr geehrter Herr Kollege Brase, ich bedanke mich
für diese Frage. Die Daten aus dem Berufsbildungsbe-
richt zeigen eine in der Summe positive Entwicklung.
Nichtsdestotrotz gibt es noch Menschen im Übergangs-
system. Es gibt noch Altbewerber. Es gibt auch immer
noch das Problem nicht ausreichender Ausbildungsreife
am Ende einer Schullaufbahn. Das sind drei Probleme,
die die Bundesregierung mit ihren Maßnahmen be-
kämpft.
Als eine dieser Maßnahmen haben wir im letzten Jahr
die sogenannten Bildungsketten gestartet. Im Rahmen
dieser Bildungsketten wollen wir uns darum kümmern,
dass diejenigen Jugendlichen, die in der Gefahr sind, am
Ende ihrer Schullaufbahn nicht ausbildungsreif zu sein,
frühzeitig an die Berufswelt herangeführt werden. Die
Maßnahme beginnt in der siebten Klasse mit einer Po-
tenzialanalyse, in der die jeweiligen Stärken und Schwä-
chen der Schüler untersucht werden. In der achten
Klasse geht es mit einem allgemeinen Berufsorientie-
rungsprogramm weiter, welches vom Bundesministe-
rium für Bildung und Forschung über die BA angeboten
wird. Im Rahmen dieses Programms können sich junge
Menschen unterschiedliche Berufe in außerbetrieblichen
Bildungsstätten ansehen und diese ausprobieren. Dies
kann dann in Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit
münden, zum Beispiel in Form der vertieften Berufsvor-
bereitung. Dort haben die Jugendlichen die Möglichkeit,
sich die Betriebe vor Ort anzusehen.
Die genannten Maßnahmen sind in dieser Konzentra-
tion im letzten Jahr gestartet worden. Wir erhoffen uns
dadurch für die Zukunft, dass der Übergang von der
Schule in den Beruf, insbesondere bei den Jugendlichen,
die Schwierigkeiten mit der Ausbildungsreife haben,
noch besser gelingt als in der Vergangenheit.
In Bezug auf das Übergangssystem gibt es noch wei-
tere Maßnahmen. In Meseberg ist vom Kabinett eine Ar-
beitsgruppe eingesetzt worden. In dieser Arbeitsgruppe
arbeiten das Wirtschaftsministerium, das Arbeitsministe-
rium, das Familienministerium und das Bildungsminis-
terium gemeinsam an einem lückenlosen Angebot des
Bundes im gesamten Bereich des Übergangssystems, in-
dem die Bildungsketten – das sagt der Name schon – in-
einander verzahnt werden. All den Problemgruppen, die
Sie angesprochen haben, können dann noch mehr Ange-
bote gemacht werden als in der Vergangenheit. Das Ziel,
Deutschland zur Bildungsrepublik zu entwickeln, haben
wir dabei fest im Blick.
Vielen Dank. – Ich gebe die Namen derjenigen, die
Fragen stellen wollen und die ich auf meiner Liste aufge-
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Handlungsfelder dargestellt haben, die es noch zu bear-beiten gilt.Ein Handlungsfeld ist mit Sicherheit die Ausbil-dungsbeteiligung von jungen Menschen mit Migrations-hintergrund. Wie beurteilt die Bundesregierung derenAusbildungsbeteiligung? Und wie tragen Sie als Bun-desregierung dafür Sorge, dass die duale Ausbildung imzunehmenden Wettbewerb mit den Hochschulen umgute Nachwuchskräfte weiterhin ein attraktiver Bil-dungsweg bleibt?D
Lieber Herr Kamp, das Thema Migration und Ausbil-
dung ist in der Tat eines, bei dem es noch große Heraus-
forderungen gibt, wie die Zahlen des Berichts veran-
schaulichen: 13,8 Prozent der hier lebenden Migranten
haben keinen Schulabschluss. Im Verhältnis zu den
5,8 Prozent bei den Deutschen ohne Schulabschluss ist
die Zahl damit fast doppelt so hoch. Das zieht Konse-
quenzen in der Ausbildung nach sich. Während die Aus-
bildungsquote bei den deutschen Jugendlichen bei
64,3 Prozent liegt, beträgt die Ausbildungsquote bei Mi-
granten nur 31,4 Prozent. Das heißt, hier ist noch eine
Menge von Aufgaben zu bewältigen.
Im Nationalen Ausbildungspakt haben wir mit den
Beteiligten der Wirtschaft und den Sozialpartnern fest-
gelegt, dass wir genau diese Zielgruppe, nämlich Altbe-
werber und Benachteiligte, mit Blick auf die Ausbildung
besonders berücksichtigen wollen. Das schließt an das
an, was ich gerade zu Frau Hein gesagt habe. Es geht im
Nationalen Ausbildungspakt nicht einfach nur darum,
die Wirtschaft zu bitten, mehr Ausbildungsplätze zur
Verfügung zu stellen; vielmehr soll sich die Wirtschaft
stärker als bisher bereit erklären, auch die Jugendlichen,
deren Ausbildungsreife nicht perfekt ist, in die Betriebe
zu integrieren.
Darüber hinaus ist eine weitere Aufgabe zu nennen.
Wir sehen, dass insbesondere in Unternehmen, deren
Unternehmensführer nicht deutscher Herkunft sind – in
vielen anderen Ländern gibt es kein duales Ausbildungs-
system wie bei uns –, die Quote der angebotenen Ausbil-
dungsplätze viel geringer ist. Deshalb verfolgen wir mit
unserem Jobstarter/KAUSA-Programm zwei Punkte:
Zum einen sollen Berufseinstiegsbegleiter speziell Mi-
granten helfen, einen Ausbildungsplatz zu finden. Zum
anderen kümmern wir uns – das ist, wie ich finde, ein
sehr intelligentes Instrument – darum, dass Firmen, die
von Migranten geleitet werden, ihre Ausbildungsquote
gegenüber früher erhöhen. Das halte ich für sehr wichtig.
Wir müssen das Übel an der Wurzel packen. Das
heißt, wir müssen unbedingt erreichen, dass die Zahl der
Migranten, die keinen Schulabschluss als Voraussetzung
für ihre Ausbildungsreife haben, deutlich reduziert wird.
Das vorhin von mir erwähnte Instrument der Bildungs-
ketten kommt, glaube ich, insbesondere dieser Gruppe
zugute.
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Frau Hinz, wenn auch Sie etwas fragen möchten, dann
elden Sie sich doch einfach.
Gesundheit. – Ich wollte angesichts der Tatsache, dass
er Wettbewerb um die immer weniger werdenden
chulabgänger ja nun noch härter wird, fragen: Wie will
ie Bundesregierung erreichen, dass gute Leute einen
usbildungsberuf ergreifen? Denken Sie, dass eine
agekampagne wie „Das Handwerk. Die Wirtschafts-
acht. Von nebenan“, die das deutsche Handwerk ge-
tartet hat, ein geeignetes Instrument ist, um junge Men-
chen an einer Ausbildung zu interessieren und sie
arauf vorzubereiten?
D
Ja, in der Tat. 46 Prozent des letzten Jahrgangs – Herramp hat das schon angesprochen; ich hatte vergessen,as zu erwähnen – haben ein Studium aufgenommen.as ist – auch absolut – die höchste Zahl an Studienan-ngern, die es je gab. Noch nie haben so viele Men-chen in Deutschland ein Studium begonnen. Deshalb istlar, dass weniger Menschen mit Hochschulreife aufem Ausbildungsmarkt zur Verfügung stehen.Wir gehen davon aus, dass sich das in den nächstenin bis zwei Jahren durch die doppelten Abiturjahrgänge jetzt drängen zwei Jahrgänge auf den Ausbildungs-nd Studienmarkt – und durch die Aussetzung der Wehr-flicht ein wenig nivelliert. Derzeit haben ungefähr7 Prozent derer, die eine Ausbildung machen, dieochschulreife. Ich glaube, dass es in Zukunft gelingenird, insbesondere diejenigen Ausbildungsstellen, diein besonders hohes Anspruchsniveau haben und heutenbesetzt bleiben, zu besetzen. Wir gehen davon aus,ass es am Ausbildungsmarkt durch die doppelten Abi-rjahrgänge und die Aussetzung der Wehrpflicht keinengpässe geben wird. Vielmehr wird es uns sogar besserelingen, die hochspezialisierten Ausbildungsberufe mitewerbern zu versorgen.Nichtsdestotrotz wird der Wettbewerb um die Höher-ualifizierten in der Zeit, in der diese beiden Effekteicht mehr wirken, ein relevantes Thema sein. Deshalbird im Juli dieses Jahres, wenn die nächste Sitzungum Ausbildungspakt stattfindet, eine entsprechende
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11556 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011
Parl. Staatssekretär Dr. Helge Braun
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Kampagne begonnen werden, um deutlich zu machen,dass es in Deutschland viele tolle Ausbildungsberufegibt, die teilweise in anderen Ländern sogar als akademi-sches Studium angeboten werden. Wir müssen das mitMaßnahmen der Aufstiegsmöglichkeiten flankieren. Esmuss klar sein, dass demjenigen, der sich zunächst füreine Lehre entscheidet, der akademische Weg nicht füralle Zeiten verschlossen ist. Derjenige, der sich zunächstfür den Weg einer Lehre entscheidet, soll, gerade alsHochqualifizierter, attraktive Angebote vorfinden undauch im weiteren Leben Aufstiegsmöglichkeiten haben.
Vielen Dank. – Das Fragerecht geht jetzt an den Kol-
legen Rossmann.
Herr Staatssekretär, manche der Probleme, die Sie
aufwerfen, sind ja regierungsunabhängig und haben
auch schon früher die Jugend- und Bildungspolitik be-
schäftigt. Sie haben den Rückgang der sogenannten Alt-
bewerber angesprochen und bemerkenswerte Prozent-
zahlen genannt. Dies wirft eine Frage auf: Was sind die
konkreten berufsbildungspolitischen Maßnahmen jen-
seits der demografischen Entwicklung, die seitens der
Regierung und seitens der Wirtschaftspartner ergriffen
worden sind? Wenn diese Maßnahmen so erfolgreich
waren, sollten sie jetzt noch deutlich verstärkt werden,
damit in Zukunft nicht noch 180 000 junge Menschen
länger als ein Jahr auf eine Ausbildungsgelegenheit, eine
vollwertige Ausbildungsstelle warten müssen. Können
Sie aus der Analyse heraus sagen, dass Sie diese beson-
ders effektiven Maßnahmen auch in Zukunft weiter aus-
bauen wollen?
D
In diesem Übergangssystem gibt es eine Reihe von
Maßnahmen. Neben den Altbewerbern geht es übrigens
auch um viele andere Gruppen, zum Teil um Personen,
die eine Ausbildung abgeschlossen haben, aber nicht den
Weg in die Berufstätigkeit finden. Hier setzen die Ar-
beitsmarktprogramme der Bundesregierung an. Wir
versuchen, diesen Menschen durch Nachqualifizierungs-
maßnahmen in unterschiedlichster Weise Hilfestellun-
gen zu geben.
Wichtig ist, dass wir auch nach erfolgreicher Vermitt-
lung in eine Ausbildung das Konzept der sogenannten
Senior Experts verfolgen. Dabei handelt es sich um Eh-
renamtliche, die Menschen mit besonderen Problemen
zum Beispiel bei der Suche nach einem Ausbildungs-
platz unterstützen, wobei jeweils ein Ehrenamtlicher für
einen Jugendlichen zuständig ist. Wenn im Rahmen
einer Ausbildung Probleme auftauchen und möglicher-
weise ein Ausbildungsabbruch droht, kann die Unter-
stützung in der Form fortgesetzt werden, dass sich der
Ehrenamtliche dafür einsetzt, dass die Ausbildung er-
folgreich abgeschlossen werden kann. Ich denke, unser
Instrumentenkasten im Bereich der Arbeitsmarktförde-
rung ist an dieser Stelle außerordentlich groß. Dies wird
auch in Zukunft der Fall sein.
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Die erste mögliche Erklärung ist, dass ein Missver-hältnis zwischen den hohen Ansprüchen in den Ausbil-dungsberufen auf der einen Seite und der Qualifikationder Bewerber auf der anderen Seite besteht. Die zweitemögliche Erklärung ist die mangelnde Attraktivität derAusbildungsberufe; darauf haben Sie hingewiesen. Esgibt aber noch eine dritte mögliche Erklärung – ich habesie eingangs erwähnt –: Es gibt sehr große regionale Un-terschiede. Deshalb ist es primär Aufgabe der Wirt-schaft, dort, wo sie Bedarf an Arbeitskräften hat, attrak-tive Ausbildungs- und Beschäftigungsbedingungen zuschaffen. Es ist die Aufgabe der Politik, die Mobilität derMenschen zu fördern und ihre Ausbildungsreife zu ver-bessern, um auf diesem Wege möglichst auch die beidenanderen genannten Probleme zu lösen. Ich denke, dannist in den kommenden Jahren ein weiterer Abbau derProbleme im Bereich des Übergangssystems und hin-sichtlich der Altbewerber möglich.
Vielen Dank. – Die nächste Frage hat die Kollegin
Hinz.
Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Herr Staatssekretär, ich möchte an die Frage des Kol-
legen Rossmann und Ihre Antwort anschließen, die mich
etwas verblüfft hat. Sie haben gesagt, der arbeitsmarkt-
politische Instrumentenkasten der Bundesregierung
bleibe so breit. Seit kurzem wissen wir aber, dass das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales den Instru-
mentenkasten verändern und zum Beispiel ein wesentli-
ches Element in der jetzigen Form abschaffen will, näm-
lich die Einstiegsqualifizierung, die vor allen Dingen
von der Koalition und der Bundesregierung immer ganz
besonders gelobt worden ist. Wir haben auch gehört, das
sei mit den Paktpartnern überhaupt noch nicht abgespro-
chen; das heißt, die Betriebe, die ebenfalls damit zufrie-
den waren, wissen noch gar nichts davon.
Deswegen stellen sich mir schon die Fragen: Spre-
chen die Regierungsmitglieder miteinander? Haben Sie
eine Strategie dafür, wie man den Übergang von der
Schule zur Ausbildung tatsächlich gut gestalten kann?
Warum sagen Sie, der Instrumentenkasten bleibe, ob-
wohl wir schwarz auf weiß haben, dass etliche Abstriche
geplant sind? Wie passt das zusammen, und wo ist hier
eigentlich Ihre Konzeption?
D
Liebe Frau Kollegin Hinz, in der Vergangenheit gab
es gerade von denjenigen, die versucht haben, jungen
Menschen entsprechende Unterstützungsmaßnahmen
zuteilwerden zu lassen, viele Beschwerden, dass das
Sammelsurium an Maßnahmen im Übergangssystem so
groß ist, dass es schwer überschaubar ist.
Deshalb hat das Kabinett beschlossen, eine Arbeits-
gruppe einzusetzen, an der das Wirtschaftsministerium,
das Arbeitsministerium, das Familienministerium und
das Bildungsministerium beteiligt sind. In dieser Ar-
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Die nächste Frage stellt der Kollege Swen Schulz.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
ieran will und muss ich doch noch einmal anschließen,
eil wir natürlich eine ganze Menge darüber hören
auch aus Regierungskreisen und durch öffentliche Ver-
utbarungen –, welche großartigen Veränderungen des
strumentenkastens, wie Sie das genannt haben, im Be-
ich der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen man
urchführen werde. Jetzt sagen Sie: Das alles ist noch
icht so weit; man wird erst einmal sehen müssen, zu
elchen Ergebnissen die Arbeitsgruppe im Sommer
ommt.
Auch in der Beantwortung der Frage von Herrn
ossmann haben Sie gesagt, dass der Instrumentenkas-
n erhalten bleibt. Das haben Sie auf Nachfrage von
rau Hinz relativiert. Entnehme ich dem richtigerweise,
ass sich das Ministerium für Bildung und Forschung in
ieser Arbeitsgruppe und in der Bundesregierung dafür
insetzen wird, dass es keine Einschnitte bei den arbeits-
arktpolitischen Maßnahmen, keine Abschaffung des
echts auf das Nachholen eines Schulabschlusses und
eine Einschnitte im Bereich der Berufseinstiegsbeglei-
ng geben wird?
D
Lieber Herr Kollege, Sie können von mir nicht erwar-n, dass ich hier vonseiten der Regierung irgendwelcheermutungen anstellen werde; vielmehr sollten wir daserfahren einhalten. Zu den Fragen in Bezug auf dasbergangssystem gibt es eine Arbeitsgruppe. Danebenilt das Prinzip der Ressortabstimmung. Ergebnisse gibts noch keine, und deshalb kann ich sie Ihnen hier auch
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Parl. Staatssekretär Dr. Helge Braun
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nicht irgendwie vorab oder in Form von Vermutungenoder Ähnlichem kundtun. Die Bundesregierung sprichtauch an dieser Stelle mit einer Stimme. Zu den in derRessortabstimmung befindlichen Einzelmeinungen vonMinisterien werde ich mich hier nicht äußern.
Die nächste Frage stellt der Kollege Schummer.
Herr Staatssekretär, das Ziel einer frühzeitigen Be-
rufsorientierung beim Übergang von der Schule in den
Beruf liegt auch darin, die Motivation für den Schulab-
schluss zu erhöhen. Dann weiß ein Jugendlicher, dass er
eine Perspektive hat: Er wird einen guten Beruf finden,
statt Hartz-IV-Empfänger zu werden. Das heißt, es geht
darum, die Abbrecherquote bei der Schulausbildung zu
reduzieren.
Das zweite Ziel besteht darin, die Suche nach einem
geeigneten Ausbildungsberuf so zu verbessern, dass
auch die Abbrecherquote bei der Berufsausbildung redu-
ziert wird.
Wie werden sich Ihrer Ansicht nach in den nächsten
drei bis vier Jahren die Abbrecherquoten innerhalb der
Schule und in der Berufsausbildung weiter reduzieren
lassen?
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Was die Schule angeht, hat sich die Bundesregierung
das Ziel gesetzt, die Zahl der Schulabbrecher zu halbie-
ren. Da sind wir auf einem guten Weg. Allerdings ist
sehr stark nach Bundesländern zu differenzieren. In eini-
gen Bundesländern ist es in den letzten Jahren gelungen,
die Zahl der Schulabbrecher sehr deutlich zu reduzieren.
In anderen Bundesländern ist sie in den letzten Jahren
sogar teilweise gestiegen.
Insofern besteht die Aufgabe fort. Die Bundesregierung
ist bereits mit der KMK über dieses Thema im Gespräch.
Unser Ziel bleibt die Halbierung der Schulabbrecher-
zahl. Die Europäische Union strebt an, dieses Ziel in die
Europa-2020-Strategie zu übernehmen. Das heißt, dieses
zentrale Bildungsziel wird in Zukunft auch auf europäi-
scher Ebene verfolgt. Die Berechnungsweise der Euro-
päischen Union unterscheidet sich ein bisschen von un-
serer, aber wir sind auf einem guten Weg. Wenn das Ziel
in den nächsten Jahren auf europäischer Ebene festgelegt
wird, wollen wir auch das erreichen.
Was die Abbrecherzahl bei der Berufsausbildung an-
geht, wollen wir insbesondere mit dem Instrument der
schon genannten Senior Experts arbeiten, indem wir in
den jeweiligen Berufen erfahrene Personen einsetzen,
wenn im Lehrbetrieb die Zeit nicht ausreicht, um sich
um individuelle Probleme des Auszubildenden zu küm-
mern, und es um Vermittlung und Motivation geht. Auf
diese Weise sollen einzelne von einem Ausbildungsab-
bruch bedrohte Jugendliche unterstützt werden, damit es
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aufgrund der positiven wirtschaftlichen Entwicklungmomentan deutlich steigt.Wir gehen daher davon aus, dass in den kommendenJahren die Lücke zwischen unversorgten Bewerbern unddenjenigen, die Ausbildungsplätze anbieten, verringertwerden kann, dass ein numerisches Überangebot anAusbildungsplätzen wahrscheinlich ist. Angesichts derZahlen der Bundesagentur für Arbeit im letzten Halbjah-resbericht – ich hatte sie bereits genannt – kann davonausgegangen werden, dass im Vergleich zu 2010/201148 000 zusätzliche Ausbildungsplätze angeboten werden– das wäre ein Plus von 14 Prozent –, bei einer leicht ge-ringeren Bewerberzahl in diesem Jahr. Es handelt sichalso um einen sehr stark nachfrageorientierten Markt,was ganz im Sinne der Auszubildenden ist.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Gibt es Fragen zu
anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? – Das
ist nicht der Fall.
Gibt es darüber hinausgehende Fragen? – Die Kolle-
gin Inge Höger hat eine Frage angemeldet. – Bitte.
Vielen Dank. – Ich habe eine Frage an die Bundesre-
gierung im Zusammenhang mit dem Absturz eines
US-Kampfflugzeuges in der Eifel. Am 1. April ist ein
Kampfflugzeug vom Typ A-10 in der Eifel bei Laufeld
abgestürzt. Uns wurde heute im Verteidigungsausschuss
gesagt, dass das Verteidigungsministerium nicht zustän-
dig ist und dazu nichts sagen kann. Deshalb lautet meine
Frage – an wen auch immer in der Bundesregierung –: Ich
möchte gerne wissen, welche Maßnahmen die Bundesre-
gierung in Absprache mit dem US-Militär unternommen
hat, um die Bevölkerung und die Umwelt vor Gefahren zu
schützen, die durch den Einsatz von uranhaltiger Muni-
tion und des Treibstoffes JP – das ist ein Spezialtreibstoff,
der die Umwelt verschmutzen kann – entstehen können.
Zur Beantwortung erhält Herr Staatsminister von
Klaeden das Wort. – Bitte schön.
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Frau Kollegin, zunächst darf ich darauf hinweisen,
dass es sich hier um eine dringliche Frage handelt, die
vom Präsidium nicht zur Beantwortung zugelassen wor-
den ist. Es ist eigentlich nicht meine Aufgabe, über die
Einhaltung der Geschäftsordnung des Deutschen Bun-
destages zu wachen. Ich finde aber, dass es sich um eine
Umgehung der Regelungen der Geschäftsordnung han-
delt, wenn Sie jetzt eine dringliche Frage, die nicht zuge-
lassen worden ist, stellen.
Gleichwohl will ich Ihnen kurz vortragen, was dazu
vorbereitet worden ist. Das am 1. April 2011 gegen
15.50 Uhr in der Nähe des rheinland-pfälzischen Ortes
Laufeld abgestürzte Flugzeug der US Air Force vom
Typ Thunderbolt II hatte nach Auskunft der US Air
Force ausschließlich Übungsmunition ohne abgereicher-
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schließen, dass die laut der Landesregierung von Nordrhein-
Westfalen fehlenden Brennelementekugeln illegal in der Asse
eingelagert waren?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
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Herr Präsident! Die Antwort auf die Frage des Abge-rdneten Krischer lautet wie folgt: Die in der Antwortngegebene Zahl von 288 161 Brennelementen, welche den 152 Castoren im AVR-Behälterlager des For-chungszentrums Jülich lagern, ist korrekt. Bezüglicher in der dringlichen Frage angesprochenen Gesamtzahlerweise ich auf meine Antwort auf die Frage 42, die ichleich geben werde.Das Bundesamt für Strahlenschutz hat am 4. Aprilieses Jahres mitgeteilt – ich zitiere –:Die von der nordrhein-westfälischen Landesregie-rung als vermisst gemeldeten 2 285 Brennelemen-tekugeln aus dem früheren Forschungsreaktor inJülich befinden sich nicht in der Asse.Weiterhin teilt das BfS, das Bundesamt für Strahlen-chutz, mit – Zitat –:Zwar sind 1976 in der Schachtanlage zwei Fässermit Brennelementekugeln aus dem Forschungszen-trum Jülich eingelagert worden, dabei handelt essich jedoch um mittelradioaktive Abfälle und nicht
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11560 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011
Parl. Staatssekretär Thomas Rachel
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um hochradioaktive Abfälle. Diese Fässer liegen inder 511 Meter tiefen sogenannten MAW-Kammer.Diese Lieferungen sind der Atomaufsicht des Lan-des Nordrhein-Westfalen bekannt und auf derHomepage des Bundesamtes für Strahlenschutzveröffentlicht.Mit Erlaubnis des Präsidenten möchte ich gleich diethematisch dazugehörende Frage 42 beantworten.
Ich rufe die Frage 42 des Abgeordneten Oliver
Krischer auf:
Wie viele radioaktive Brennelementekugeln wurden insge-
samt in der Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor Jülich wäh-
rend seiner gesamten Betriebszeit über die 288 161 Kugeln
plus 124 Absorberkugeln, die derzeit in den 152 Castorbehäl-
naus noch eingesetzt, und wo lagern diese Kugeln heute – bitte
exakte Zahlenangaben inklusive Kugelbruch?
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Insgesamt wurden im Betrieb der AVR 290 705 Brenn-
elementekugeln eingesetzt. Davon befinden sich
288 161 Brennelemente verpackt in 152 Castorbehältern
im AVR-Behälterlager des Forschungszentrums Jülich,
62 Brennelemente in den Heißen Zellen des Forschungs-
zentrums Jülich. 197 Brennelemente befinden sich im
Reaktorbehälter. Diese sind größtenteils zerbrochen und
nicht mehr entnehmbar. Darüber hinaus gab es laut Aus-
sage der AVR GmbH und des Forschungszentrums
Jülich 2 285 Brennelemente. Davon wurden die Be-
standteile von 359 Kugeln als Kugelbruch aus dem
AVR-Reaktor entfernt und in Fässer einzementiert. Die
restlichen 1 926 Brennelemente wurden für Forschungs-
zwecke genutzt und dabei größtenteils beschädigt oder
zerstört. Daher wird nicht die Anzahl von Kugeln, son-
dern werden die vorhandenen Kernbrennstoffmengen bi-
lanziert.
Die bei diesen Versuchen genutzten Brennelemente
bzw. der entstandene Kugelbruch wurden ebenfalls in
Fässer einzementiert. Alle diese Fässer befinden sich – im
Gegensatz zu der Annahme in der Frage des Fragestel-
lers – im Zwischenlager des Forschungszentrums Jülich.
Das Bundesministerium für Umwelt hat gestern nach ei-
nem aufsichtsrechtlichen Gespräch mit der atomrechtli-
chen Aufsichtsbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen,
dem Wirtschaftsministerium von Nordrhein-Westfalen,
Folgendes amtlich festgestellt – Zitat –:
Nach Darstellung der Landesatomaufsicht lagern
diese 2 285 beim Betrieb oder bei nachfolgenden
Versuchen zerbrochenen Kugeln einzementiert im
Zwischenlager des Forschungszentrums Jülich.
Und weiter – Zitat –:
Die Darstellung der nordrhein-westfälischen Atom-
aufsicht zum Verbleib der Brennelementekugeln
wird durch die Prüfungen von Euratom, der Euro-
päischen Atomgemeinschaft, belegt. Demnach weist
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11561
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Ich möchte eine weitere Frage stellen. Sie haben ge-sagt: 197 Kugeln befinden sich im Reaktorbehälter.Nach meinen Informationen ist der Reaktorbehälter ein-betoniert. Er ist derart stark verstrahlt, dass man ihnnicht auseinanderbauen kann. Ich kann mir nicht vorstel-len, dass jemand in ihn gekrochen ist, um diese Kugelnzu zählen. Ich möchte Sie um Auskunft darüber bitten,wie die Anzahl der Kugeln im Reaktorbehälter – 197 –ermittelt worden ist.T
Ich stelle als Erstes fest, dass ich Ihnen gerade präzise
gesagt habe, dass insgesamt 290 705 Brennelemente-
kugeln in der AVR Jülich in der Vergangenheit einge-
setzt worden sind. Ich wiederhole: 288 161 Kugeln lie-
gen in 152 Castorbehältern, 62 in Heißen Zellen, 197 in
Reaktorbehältern, und die anderen werden für For-
schungsversuche verwandt und sind per Kugelbruch zer-
kleinert worden. Sie liegen einzementiert in Fässern des
Forschungszentrums Jülich. Diese Information ist aus-
reichend und im Übrigen präzise.
Sie und auch die Landesregierung von Nordrhein-
Westfalen haben in den letzten Tagen den Eindruck er-
weckt, dass mehrere Tausend Brennelementekugeln feh-
len. Ich möchte Sie daher damit konfrontieren, dass das
Bundesamt für Strahlenschutz am 3. April dieses Jahres
Folgendes festgestellt hat – Zitat –:
Statt über den möglichen Verbleib der Brennele-
mentekugeln in der Asse öffentlich zu spekulieren,
hätte der Weg einer Klärung zusammen mit dem
BfS jederzeit offengestanden.
Ich glaube, das sollte in Ihren Ohren und auch in denen
der Landesregierung klingen.
Im Übrigen verwundert es mich sehr, wie Sie vorge-
hen. Ich kann nur feststellen, dass das Wirtschaftsminis-
terium Nordrhein-Westfalen dem Bundesumweltminis-
ter über die vorhandenen und die zerbrochenen Kugeln
und ihre Lagerung im Forschungszentrum Jülich sehr
korrekt und präzise Auskunft gegeben hat. Deswegen
möchte ich Sie fragen, wie Sie in Ihrer Pressemitteilung
vom 2. April zu der Aussage kommen – Zitat Oliver
Krischer –:
Möglicherweise sind sie illegal und falsch dekla-
riert in der Asse entsorgt worden und sind nun ein
wesentliches, milliardenschweres Problem dort.
Ich weise ausdrücklich zurück, wie hier dem For-
schungszentrum und seinen über 4 000 Mitarbeitern Ille-
galität unterstellt wird.
Darüber hinaus schreiben Sie in Ihrer Pressemittei-
lung – Zitat Oliver Krischer –:
Ganz zu schweigen davon, wenn die Kugeln in die
Hände von Terroristen oder anderen gelangt sind.
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h finde es unerhört, wie hier über den Zugang von Ter-
risten zu Kernbrennstoffen spekuliert und schwadro-
iert wird. Ich würde mir wünschen, dass Sie mit diesen
hemen ernsthaft umgehen, so wie sich das gehört.
Herr Krischer, Sie können keine Nachfrage mehr stel-
n.
Sie haben schon zwei Nachfragen gestellt.
Ach so, verstehe. – Bitte schön, dann haben Sie das
ort zu einer weiteren Nachfrage.
Herr Kollege Rachel, zunächst einmal muss ich auch
ierzu wieder feststellen, dass ich danach gefragt habe,
ie Sie die Zahl der Kugeln im Reaktor, der mit Beton
usgeschäumt wurde, ermittelt haben. Auch diese Frage
aben Sie jetzt nicht beantwortet. Sie beantworten hier
ar keine Fragen, sondern stellen Behauptungen auf, die
bsolut nicht der Wahrheit entsprechen.
Deshalb möchte ich Sie noch einmal fragen. Ich habe
ehrfach – über Monate hinweg – das Bundesamt für
trahlenschutz angeschrieben und um Auskunft bzw. um
ine Bilanz der Kugeln gebeten. Das alles ist dokumen-
erbar. Warum haben weder das Bundesamt für Strah-
nschutz noch Sie klare Zahlen geliefert? Selbst auf
ine schriftliche Anfrage hier im Parlament – das liegt
lles vor – haben Sie eine nicht zutreffende, im günstigs-
n Falle unvollständige Antwort geliefert. Warum haben
ie nicht für Aufklärung in dieser Frage gesorgt, und
arum unterstellen Sie anderen, dass sie Verunsicherung
etreiben,
enn diese Nachfragen stellen und darüber nachdenken,
o die Kugeln geblieben sein könnten? Ich erbitte von
nen eine klare Auskunft, warum Sie meine Fragen in
er Vergangenheit nicht beantwortet haben.
Herr Staatssekretär, bitte.
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Herr Präsident, Herr Abgeordneter Krischer, die Fra-en sind genau beantwortet worden. Es ist genau das be-ntwortet worden, wonach gefragt wurde. Im Übrigen
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11562 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011
Parl. Staatssekretär Thomas Rachel
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weise ich darauf hin: Zuständige Aufsichtsbehörde istnicht das Bundesministerium für Bildung und For-schung, sondern das in der Verantwortung der rot-grünenLandesregierung liegende Wirtschaftsministerium inNordrhein-Westfalen.Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie eigentlicheine amtierende Wissenschaftsministerin dazu kommenkann, die auch von Ihnen hier aufgeworfene Frage in denRaum zu stellen, wenn sie gleichzeitig am Kabinettstischin der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen dieMöglichkeit hätte, den Wirtschaftsminister des LandesNordrhein-Westfalen um Auskunft zu bitten, der ganzoffensichtlich in der Lage ist, Auskunft zu geben.Abschließend weise ich darauf hin, dass das Wirt-schaftsministerium eine genaue Inventarliste vorliegenhat und diese auch entsprechend überprüft.Sie fragten nach der technischen Betrachtung bzw.danach, wie viele Kugeln sich noch im Reaktor befin-den. Dies ist mithilfe einer Videoinspektion im Behältererfolgt.
Sie haben noch eine Nachfrage, bitte.
Da Sie jetzt plötzlich die Zahlen sehr genau kennen
– das hatten Sie mir vorher trotz klarer und eindeutiger
Nachfragen nicht beantwortet –,
möchte ich Sie fragen, wie viele Kugeln beim Betrieb
des Reaktors zu Bruch gegangen sind, das heißt, wie
viele Kugeln beim Betrieb des Reaktors zerstört worden
sind und wie viele aktiv zerstört worden sind, um daran
Forschung zu betreiben.
Weiterhin möchte ich fragen, wo diese Daten doku-
mentiert sind und wo sie gegebenenfalls im Forschungs-
zentrum einsehbar sind.
Herr Staatssekretär.
T
Ich freue mich, dass Sie weitere drei bis vier Fragen
gestellt haben.
Für die Auskunft ist das entsprechende Aufsichtsgre-
mium, das Wirtschaftsministerium in Nordrhein-West-
falen, zuständig. Ich darf wiederholen – daraus können
Sie ersehen, welche Kugeln vorhanden sind und welche
sich mittlerweile in einem anderen Zustand befinden –:
Es handelt sich um insgesamt 290 705 Brennelemente-
kugeln. Davon befinden sich 288 161 in 152 Castoren.
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h finde, Sie sollten sich etwas zurückhalten, gerade an-
esichts der doch etwas dubiosen Verflechtungen, die da
um Teil existieren.
Meine Frage ist: Kann die Bundesregierung aus-
chließen, dass neben den 86 Fässern mit bestrahlten
VR-Absorberelementekugeln und den 8 Fässern mit im
orschungsreaktor testweise bestrahlten AVR-Brennele-
entekugeln, die zwischen 1974 und 1978 in der Asse
ingelagert wurden, weitere radioaktive Abfälle in die-
em Zwischenlager oder in anderen Zwischenlagern ein-
elagert wurden?
Herr Staatssekretär, bitte.
T
Herr Kollege, ich weise darauf hin, dass das zustän-
ige Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen ge-
enüber dem Bundesumweltministerium eindeutig be-
gt und erläutert hat, dass 2 285 beim Betrieb oder bei
achfolgenden Versuchen zerbrochene Kugeln einze-
entiert im Zwischenlager des Forschungszentrums lie-
en.
Eine weitere Frage, und zwar des Kollegen
retschmer.
Herr Staatssekretär, ich möchte erst einmal zur Kennt-is geben, dass Sie unserer Meinung nach die Fragen,ie hier gestellt worden sind, ausführlich und zutreffendeantwortet haben
nd dass man sich auch in einer Fragestunde nicht inieser Weise beschimpfen lassen muss.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11563
Michael Kretschmer
)
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Ich habe eine Frage. Es gibt diejenigen, die eigentlichdafür verantwortlich sind und die im Wirtschaftsministe-rium in Nordrhein-Westfalen sitzen, und diejenigen, diediese Diskussion losgetreten haben und über Tage in derdeutschen Öffentlichkeit Angst und Besorgnis ausgelösthaben, was aber ganz offensichtlich unbegründet ist. Istder Grund dafür Unkenntnis und Unfähigkeit, die Dingeim eigenen Hause aufzuklären, oder ist der Grund viel-leicht der, dass viel Bösartigkeit und Propaganda imSpiel sind? Was halten Sie für wahrscheinlicher?T
Ich glaube, die Zuschauer können sich ihr eigenes Ur-
teil an dieser Stelle bilden. Ich will nur ergänzen, dass
sich seit Jahren, seit zwei Jahrzehnten an dem Verbleib
der Kugeln und der bei Kugelbruch zerbrochenen Ku-
geln in der Gesamtzahl, die ich vorhin genannt habe, im
Forschungszentrum Jülich nichts verändert hat;
nicht vor einer Woche, nicht vor einem Monat, nicht vor
einem Jahr, nicht vor mehreren Jahren hat sich da etwas
verändert. Insofern ist es schon sehr auffällig, dass plötz-
lich eine Debatte über eine Frage angestoßen wird, die
durch eine einfache Rückfrage
des Landeswissenschaftsministeriums beim zuständigen
Wirtschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen oder
beim Bundesamt für Strahlenschutz zu klären gewesen
wäre.
Eine weitere Frage, und zwar der Kollegin Undine
Kurth.
Undine Kurth (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
völlig unabhängig von der Zuordnung von Eigenschaf-
ten zu unseren Fragen müssen Sie verstehen – ich
glaube, das können alle verstehen –, dass ein hohes Inte-
resse an der Belastbarkeit der Informationen
und auch an der Beantwortung der Frage besteht: Wohin
sind die Kugeln denn nun wirklich gekommen? Da es
eine Pressemitteilung des Forschungszentrums Jülich
gibt, nach der bis auf Milligramm genau zu dokumentie-
ren ist und auch dokumentiert werden könne, wo die
Kugeln verblieben sind, frage ich hier: Sind diese Do-
kumente einsehbar? Sind sie öffentlich zugänglich?
Können wir sie einsehen und, wenn ja, wo? Das frage
ich vor dem Hintergrund, dass auch Ruß und Staub ent-
standen sind. Wenn es um Milligramm geht, müssen wir
wissen, wo was geblieben ist.
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Es gibt zwei weitere dringliche Fragen, und zwar der
ollegin Dorothee Menzner, die im gleichen Sachzu-
ammenhang stehen. Herr Staatssekretär, wollen Sie die
usammen beantworten?
T
Wenn das der Fragestellerin recht ist, würde ich sie
usammen beantworten.
Dann rufe ich die dringlichen Fragen 2 und 3 auf:
Lässt sich anhand der der Bundesregierung vorliegenden
Inventarlisten der Verbleib von Brennelementen und hochra-
dioaktiven Abfällen aus Forschungsreaktoren generell lücken-
los darstellen, und welche Informationen hat sie diesbezüglich
über den Verbleib des radioaktiven Inventars des Forschungs-
reaktors Jülich?
Welche Unternehmen bzw. Behörden sind nach Auffas-
sung der Bundesregierung zuständig für die lückenlose Doku-
mentation des Verbleibs von radioaktivem Inventar aus dem
Forschungsreaktor Jülich?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
T
Meine Antwort auf die erste Frage der Kolleginenzner lautet: Der Bestand an Kernbrennstoffen undochradioaktiven Abfällen unterliegt strengen Doku-entationspflichten. Die rechtliche Grundlage für dieokumentation und Meldung radioaktiver Abfälle stellt70 Strahlenschutzverordnung dar. Zudem wird der Be-tand an Kernbrennstoffen unabhängig von Euratom under Internationalen Atomenergie-Behörde IAEO über-acht. Nach § 24 Atomgesetz üben die Länder über An-gen oder den Umgang mit Kernbrennstoffen die atom-chtliche Aufsicht aus und sind damit auch für dieberwachung der Dokumentations- und Meldepflichtuständig. Das Bundesumweltministerium und das Bun-esamt für Strahlenschutz führen die Aufsicht über dieänder.Nach Angaben des Forschungszentrums Jülich, inessen Zwischenlager die Brennelemente bzw. derenernbrennstoffe aus dem Betrieb des AVR lagern, ist deresamtbestand an spaltbarem Material lückenlos doku-entiert. Dieser Bestand wird regelmäßig dem Ministe-
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11564 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011
Parl. Staatssekretär Thomas Rachel
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rium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Ver-kehr des Landes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorfsowie der Euratom, Ersterer als atomrechtlicher Auf-sichtsbehörde, gemeldet. Das Wirtschaftsministerium inNordrhein-Westfalen hat inzwischen gegenüber derBundesregierung bestätigt, dass die vom FZJ gegenüberEuratom erklärte Kernbrennstoffbilanzierung keineLücken aufweist.Meine Antwort auf die zweite Frage, die KolleginMenzner gestellt hat, lautet: Die in den AVR-Brennele-mentekugeln enthaltenen und im Zwischenlager des FZJlagernden Kernbrennstoffe bedürfen zur Aufbewahrungeiner Genehmigung nach § 6 Atomgesetz. Für die Ertei-lung einer solchen Genehmigung ist nach § 23 Atomge-setz das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig. Voll-zug und Überwachung der Genehmigung obliegen nach§ 24 Atomgesetz den Landesbehörden, also in Nord-rhein-Westfalen dem bereits genannten Ministerium fürWirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr. Diesschließt auch die Pflicht zur Dokumentation mit ein; daswar ja der Kern Ihrer Frage.Die während des Betriebs des AVR sowie bei Nach-untersuchungen zerstörten Kugeln lagern zementiert imZwischenlager des FZJ, das nach § 3 Strahlenschutzver-ordnung durch die Landesbehörden inNordrhein-Westfalen genehmigt ist und auch beaufsich-tigt wird. Auch hier ist die Pflicht zur Dokumentationeingeschlossen.
Nachfragen?
Herr Staatssekretär, Sie haben die letzten Tage klären
können, wo diese Kugeln abgeblieben sind. Am Wo-
chenende war die Unruhe nicht unerheblich und, so sage
ich einmal, deswegen nicht ganz so schnell zu beheben,
weil nicht nachweisbar war, dass sie nicht in der Asse la-
gern. Es war ja der Verdacht aufgetaucht, dass sie ähn-
lich wie die Moderatorkugeln in der Asse abgeblieben
sein könnten.
Man konnte das auch dort anhand der Inventarlisten
nicht im Umkehrschluss ausschließen. Wie bewerten Sie
das?
Bitte, Herr Staatssekretär.
T
Danke schön, Herr Präsident. – Die am Wochenende
geäußerten spekulativen Bemerkungen haben tatsächlich
– das ist auch sehr zu bedauern – zu einer Verunsiche-
rung in der Bevölkerung geführt. Das ist auch der Grund
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11565
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mir aber zu, dass sowohl die Landesregierung als auchdie Bundesregierung gefordert sind, diese Versäumnisseder Vergangenheit schnellstmöglich und mit größtmögli-cher Transparenz aufzuarbeiten?T
Das Bemühen, hier für Transparenz und für ein ge-
ordnetes Verfahren zu sorgen, ist bei allen Beteiligten
auf lokaler, regionaler sowie auf Landes- und Bundes-
ebene inklusive des Bundesumweltministers erkennbar.
Die Probleme müssen selbstverständlich gelöst werden.
Danke schön. – Jetzt eine Zusatzfrage des Kollegen
Krischer.
Ich will jetzt nicht darauf eingehen, dass meine Fra-
gen, die genau diesen Sachverhalt betreffen, über Mo-
nate nicht beantwortet wurden, jetzt aber ohne Weiteres
beantwortet werden können.
Ich habe den Zahlen, die Sie genannt haben, entnom-
men, dass es einen Kugelbruch bei 395 Brennelemente-
kugeln gibt. Hinzu kommt eine relevante Anzahl von
Kugeln – nämlich 197 –, die sich nach wie vor im Reak-
tor befinden. Ich komme also insgesamt auf knapp
600 Kugeln. Bisher wurde im Zusammenhang mit dem
Kugelbruch immer von 200 Brennelementekugeln ge-
sprochen. Es handelt sich jetzt um eine deutlich höhere
Zahl.
Wenn ich mir vor Augen führe, dass das Problem
beim Betrieb sowohl des THTR in Hamm-Uentrop als
auch des Versuchsreaktors in Jülich der Kugelbruch war
und dieses Problem im Fall von Hamm-Uentrop letzt-
endlich zur Stilllegung führte, dann muss ich schon die
Frage an Sie stellen: Sollte möglicherweise nicht be-
kannt werden, dass das Ausmaß des Kugelbruchs in der
Vergangenheit wesentlich höher war? Die ehemalige
Wirtschaftsministerin des Landes Nordrhein-Westfalen,
Frau Thoben von der CDU, hat nämlich im Jahr 2006
sehr deutlich eine Wiederbelebung der Kugelhaufentech-
nik gefordert:
Wir haben uns, nach meiner Überzeugung in einer
Kurzschlussreaktion, aus der THTR-Technik verab-
schiedet. Dieser Ausstieg war ein Fehler!
Deshalb meine Frage an Sie: Sollte die Zahl der Ku-
gelbruchfälle möglicherweise deshalb kleingerechnet
werden, damit dieses Problem, woran die damalige
Technik gescheitert ist, zukünftigen Projekten der mitt-
lerweile abgewählten CDU/FDP-Landesregierung nicht
im Wege stand?
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Ich glaube, spätestens jetzt hat jeder erkennen kön-
nen, was der Hintergrund Ihrer Fragestellung und Ihrer
Angriffe ist.
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Sie hatten eine Frage. Jetzt hat der Kollege Fischeras Fragerecht.
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11566 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011
)
)
Herr Staatssekretär! Haben Sie gerade vor dem Hin-
tergrund der jetzt gestellten Frage zum Verschwinden
von Staub und Ähnlichem in Ritzen mit mir den Ein-
druck, dass man alle diese Fragen der eigenen Regierung
und den eigenen Verantwortlichen im Wirtschaftsminis-
terium in Nordrhein-Westfalen hätte stellen können und
dass man sie ohne das Stellen einer Dreiecksfrage hätte
klar beantwortet bekommen können? – Hätte man damit
nicht die Chance gehabt, eine ehrliche Diskussion zu
führen und nicht nur eine Verängstigung der Bevölke-
rung herbeizuführen?
T
Meine Antwort lautet: Ja.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes. Zur Beantwortung steht Frau Staatsministerin
Cornelia Pieper zur Verfügung. Es handelt sich um die
dringliche Frage 4 der Kollegin Sevim Dağdelen:
Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung am
1. April 2011 im Rat der Europäischen Union einer Militär-
operation der Europäischen Union, EUFOR Libya, im schrift-
lichen Verfahren zugestimmt, und beabsichtigt die Bundesre-
gierung die Entsendung von Bundeswehreinheiten im
Rahmen dieser Militäroperation?
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Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr verehrte Frau
Abgeordnete Dağdelen, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Nach dem Beschluss des Rates vom 21. März
2011 und der Annahme des Krisenmanagementkonzepts
war ein weiterer Ratsbeschluss erforderlich, um Planun-
gen der Europäischen Union weiterführen zu können.
Dieser Ratsbeschluss bedeutet allerdings nicht, dass es
automatisch zu einer Operation kommt. Der Beginn ei-
ner Operation setzt nämlich die Vorlage und Billigung
eines Operationsplanes durch den Rat voraus sowie eine
separate Entscheidung des Rates, die Operation auch tat-
sächlich zu beginnen.
Dies kann im konkreten Fall einer militärischen Ope-
ration zur Unterstützung von humanitärer Hilfe erst dann
finalisiert und beschlossen werden, wenn eine Anfrage
des Büros der Vereinten Nationen für die Koordinierung
humanitärer Angelegenheiten – in Kurzform OCHA –
vorliegt. Die geplante Operation EUFOR Libya soll,
wenn OCHA darum ersuchen sollte, die Mandate der
Resolutionen 1970 und 1973 des Sicherheitsrats der Ver-
einten Nationen untermauern, indem sie erstens einen
Beitrag zum sicheren Transport und zur Evakuierung
von Staatsangehörigen dritter Staaten leistet und zwei-
tens die humanitären Hilfsorganisationen bei ihrer Ar-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11567
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Frau Abgeordnete, zu den Gründen will ich noch ein-
mal ganz klar sagen: Wir wollen nicht, dass es zu einer
humanitären Katastrophe in Libyen kommt. Ich glaube,
dass Sie das auch nicht wollen. Es geht hier nicht um die
Zustimmung zu einer militärischen Aktion, die Sie hin-
terfragen. Wir wollen die Durchführung einer humanitä-
ren Aktion ermöglichen. Der Weg bis dahin ist aber noch
weit. Ich habe Ihnen das Verfahren gerade vorgestellt.
Ich könnte das jetzt auch noch einmal vorlesen. Ich will
an dieser Stelle aber daran erinnern, dass sich die UN
eindeutige Richtlinien gegeben haben, die Sie kennen:
die Osloer Richtlinie und die Richtlinie für „Military and
Civil Defence Assets“. Darin heißt es, dass der Einsatz
militärischer Mittel „the last resort“ ist. Es ist also das
letzte Mittel, um humanitäre Katastrophen zu verhin-
dern. Das will ich noch einmal eindeutig herausstellen.
Zu Ihrer Bemerkung, „Battle Group“ einfach wörtlich
zu übersetzen, möchte ich Folgendes sagen: Eine Battle
Group besteht aus insgesamt 2 000 Personen. Deutsch-
land stellt für eine der beiden derzeit aktiven Battle
Groups umfangreiche Komponenten zur Verfügung, ins-
gesamt 990 Soldaten, darunter für den humanitären Ein-
satz besonders geeignete Kräfte wie Sanitäter und Pio-
niere.
Ich möchte noch einmal ausdrücklich sagen: Die
OCHA hält eine Anfrage nach militärischer Unterstüt-
zung für humanitäre Aktionen für derzeit nicht erforder-
lich, da eine ausreichende Bewegungsfreiheit der Helfer
gegeben ist. Dennoch kann es eine solche Anfrage ge-
ben. Daher befasst man sich nun vorsorglich mit diesen
Planungen. Das bedeutet nicht, dass diese dann auch um-
gesetzt werden. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Es
bedarf eines Operationskonzeptes und vieles andere
mehr; aber das wissen Sie auch, Frau Abgeordnete. Des-
wegen stellen sich diese Fragen aktuell nicht.
Frau Kollegin Dağdelen, eine zweite Nachfrage. Bitte
schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatsministerin,
wir als Fraktion legen selber fest, ob eine Frage sinnvoll
ist oder nicht. Sie sagen, die OCHA hält einen militäri-
schen Einsatz mit Blick auf die humanitäre Situation im
Moment für nicht notwendig. Da fragt man sich schon,
warum ein Ministerrat, bevor er überhaupt zusammen-
kommen kann, im schriftlichen Verfahren einen solchen
Vorratsbeschluss für einen Militäreinsatz fasst. Diese
Frage ist durchaus legitim. Sie meinten, der Grund dafür
wäre, dass man eine humanitäre Katastrophe verhindern
wolle; das ist auch in unserem Sinne; da haben Sie recht.
Es ist in unser aller Interesse, eine humanitäre Katastro-
phe abzuwenden.
Ich möchte dennoch gern wissen, inwiefern für die
Bundesregierung dieser Vorratsbeschluss und ein eventu-
eller militärischer Einsatz zur Unterstützung der Umset-
zung humanitärer Hilfe vereinbar ist mit der alltäglichen
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Zum anderen ist es auch wichtig, dass die Bundesre-gierung den Bündnispartnern zeigt, dass wir entspre-chend unseren Möglichkeiten alles tun werden, um hu-manitäre Hilfe zu leisten. Wir haben die notwendigenMittel dafür aufgestockt; das wissen Sie, Frau Abgeord-nete. Sie wissen auch, dass die Bundesregierung sehrdeutlich gemacht hat, dass Gaddafi weg muss, dass wirmit Sanktionen, die wir von Anfang an eingefordert ha-ben, Druck auf Gaddafi und sein Regime ausgeübt ha-ben. Die Bundesregierung hatte in Europa hier eine Vor-reiterrolle eingenommen. Ich glaube, das ist der besteWeg, um Gaddafi zum Rücktritt zu zwingen. Sie könnensicher sein, dass wir das auch weiter im Auge behaltenwerden.
Eine Frage der Kollegin Inge Höger.
Frau Pieper, meines Erachtens haben Sie die Frage
meiner Kollegin Dağdelen immer noch nicht beantwor-
tet. Im UN-Sicherheitsrat hat sich die Bundesregierung
enthalten und bewusst gesagt, sie wolle nicht militärisch
in den Konflikt in Libyen eingreifen, sondern sehe, ganz
im Gegenteil, andere außenpolitische Maßnahmen als
sehr viel wichtiger und erfolgversprechender an. Jetzt
stimmen Sie einem EU-Einsatz zu. Das erschließt sich
mir nicht. Für mich ist das ein Widerspruch. Ist das ein
Strategiewechsel, oder gibt es eine konkrete Anforde-
rung vonseiten der UN, dass sich nicht nur die NATO,
sondern jetzt auch die EU militärisch an diesem Projekt
beteiligen soll? Will sich die Bundesregierung an einer
Militäroperation beteiligen?
C
Nein, es gibt keine konkreten Anforderungen. Die
Bundesregierung wird sich auch nach diesem Vorratsbe-
schluss nicht zwangsläufig an militärischen Aktionen be-
teiligen. Hier geht es nicht um einen Automatismus. Ich
will Ihnen noch einmal ganz klar sagen, was die VN-Leit-
linien vorsehen: Diese fordern unter anderem, dass alle
zivilen Möglichkeiten ausgeschöpft sein müssen, bevor
überhaupt militärische Unterstützung für humanitäre Ak-
tionen gewährleistet wird; das habe ich bereits gesagt.
Militärische Unterstützung ist erst als letztes Mittel anzu-
wenden. Dafür – das habe ich auch schon gesagt – gibt es
derzeit keine Anfragen.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin.
Wir kommen jetzt zu den übrigen Fragen auf Druck-
sache 17/5321 in der üblichen Reihenfolge. Wir begin-
nen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zur Beant-
wortung steht zur Verfügung der Parlamentarische
Staatssekretär Dr. Hermann Kues.
Zunächst rufe ich die Frage 1 der Kollegin Caren
Marks auf:
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(Iris Gleicke [SPD]: Das ist dann aber faktischso!)Es geht dabei um die Frage, welches Einkommen bei derFestlegung des Hartz-IV-Satzes berücksichtigt wird. Da-rüber liegen uns keine Erkenntnisse vor. Das müsste,wenn überhaupt, das Sozialministerium wissen.
Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass man auch dortnoch keine Erkenntnisse dazu hat; es ist ja erst April.
Weitere Nachfrage? Bitte.
Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, da das Ministe-
rium ja eigentlich die Interessen von Kindern und Fami-
lien vertreten sollte –
– ich habe die Formulierung „sollte“ bewusst gewählt –,
wäre es, denke ich, auch im Interesse des Ministeriums,
sich mit dem BMAS kurzzuschließen und diese Auswir-
kung zu prüfen. Ihre Anmerkung, dass es angerechnet
wird und keine Streichung erfolgt, halte ich für süffisant
und gegenüber den betroffenen Familien – in deren Le-
benswirklichkeit ist es definitiv eine komplette Strei-
chung – für nicht angemessen.
Im Zusammenhang mit den Veränderungen des El-
terngeldes, die Sie vorgenommen haben, hatte die Bun-
desregierung, hatte Ihr Ministerium in Aussicht gestellt,
das Elterngeld positiv und partnerschaftlich weiterzuent-
wickeln; dies wurde im letzten Jahr auf Eis gelegt. Ha-
ben Sie angesichts der Einsparmaßnahmen, die Sie hier
nicht in Abrede gestellt haben – Sie sagen, dass Sie von
solchen ausgehen –, zumindest vor, das Elterngeld part-
nerschaftlich weiterzuentwickeln?
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Es gibt eine Koalitionsvereinbarung, in der klar fest-
gelegt ist, wie mit dem Elterngeld umgegangen werden
soll. Aber auch Sie wissen, dass es eine dramatische Ent-
wicklung auf den Finanzmärkten gab, was erhebliche
Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte hatte. Es
wäre völlig unverantwortlich, wenn die Bundesregie-
rung das nicht in irgendeiner Form berücksichtigt hätte.
Sie wird zu gegebener Zeit über die Haushaltssituation
und das weitere Verfahren zu befinden haben. Dann wird
man sich alle Projekte ansehen, die jetzt unter einem Fi-
nanzierungsvorbehalt stehen.
Wir kommen zur Frage 2 der Kollegin Marks:
Wie begründet es die Bundesregierung, dass der ursprüng-
lich von ihr angekündigte Rechtsanspruch auf Familienpfle-
gezeit nicht in ihren Referentenentwurf aufgenommen wurde,
und welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen,
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fragten Personen angaben, von der neuen Regelung Gebrauch
machen zu wollen – bitte einzeln darstellen und begründen?
Herr Kollege Kues.
Dr
Dazu kann ich gern etwas sagen. Aus unseren Unter-uchungen geht hervor, dass über 80 Prozent der Unter-ehmen die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf alsichtig ansehen und der Auffassung sind, dass diese zurleichtern ist und dass durch eine Flexibilisierung derrbeitszeit die Möglichkeit besteht, einen substanzielleneitrag dazu zu leisten. Wir wissen außerdem, dass dieereitschaft und das Interesse bei der Bevölkerung, beirauen und bei Männern, vorhanden sind. Deswegenlauben wir, dass die Familienpflegezeit – ähnlich wieie Altersteilzeit – ein Erfolgsmodell wird; denn die Fa-ilienpflegezeit ist nach einem ähnlichen Muster orga-isiert.Die gesetzlichen Regelungen, die jetzt getroffen wor-en sind, sollen einen unterstützenden Rahmen bieten,en Arbeitgeber und Beschäftigte auf vertraglicherrundlage ausfüllen können. Das ist im Grunde genom-en eine Anregung für die Tarifpolitik, Fantasie zuguns-n derjenigen, die pflegen wollen, und derjenigen, dieflegebedürftig sind, walten zu lassen. Arbeitgeber undrbeitnehmer schließen eine Vereinbarung, und auf die-er Grundlage kann man dann den individuellen Bedürf-issen der Beschäftigten und der Arbeitgeber Rechnungagen. Die Erfahrung mit der Altersteilzeit zeigt, dasserartige Fördermodelle sowohl bei Beschäftigten alsuch bei Arbeitgebern auf hohe Akzeptanz stoßen. Des-egen sind wir bezüglich der Familienpflegezeit opti-istisch.Es wird auch nach einer verstärkten Beteiligung deränner gefragt. Ich glaube, es geht generell darumauch dazu soll die Familienpflegezeit dienen –, über-olte Rollenmuster abzubauen. Die Pflege ist kein Frauen-ema, sondern die Pflege hat die gesamte Bevölkerung,ie Männer also in gleicher Weise, zu interessieren. Wirissen aus Untersuchungen, dass sich jede zweite be-fstätige Frau vorstellen kann, in einer konkreten Situa-on Familienpflegezeit zu nehmen und sich der Pflegeu widmen. Bei den Männern sind es weniger, ungefährin Drittel, die sich dies vorstellen können.Ich glaube, dass wir darauf hinarbeiten müssen – dasonzept der Familienpflegezeit setzt ja auf Beibehaltunger Beschäftigung, auf Kontinuität der Erwerbsbiogra-e –, dass sie die größte Wirkung bei Vollzeitbeschäftig-n erzielt, die ihre Arbeitszeit vorübergehend reduzierenollen. Deswegen glauben wir, dass gerade Männer inie Familienpflegezeit mit einbezogen werden müssen.ie sie sich exakt entwickelt, müssen wir abwarten. Wirind aber zuversichtlich, dass sie eine ähnliche Wirkungie die Altersteilzeit entfalten wird. Hier hat es ge-
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11570 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011
Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kues
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klappt, weil die Betriebe ein Interesse daran hatten, weilaber auch die Beschäftigten ein Interesse daran hatten.
Eine Nachfrage, Frau Marks?
Ja.
Bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
ich möchte richtigstellen, dass sich nach einer aktuellen
Befragung, der COMPASS-Befragung, nur 11 Prozent
der befragten männlichen Personen annähernd vorstellen
können, von der neuen Regelung Gebrauch zu machen.
Insofern liegen mir scheinbar andere Ergebnisse und
Studien zu diesem Thema vor als Ihnen; Sie beziehen
sich offensichtlich auf andere Studien. Ich denke, es
wäre wichtig, dass das Ministerium auch diese Analysen
mit einbezieht. Sie sollten, was die Gleichstellungspers-
pektive betrifft, nicht nur zuversichtlich sein, sondern
Sie haben hier auch noch Hausaufgaben zu machen.
Bevor ich in meine erste Nachfrage einsteige, möchte
ich Sie bitten, auch auf den anderen Bereich meiner
schriftlich eingereichten mündlichen Frage einzugehen.
Auf den angekündigten Rechtsanspruch, der ursprüng-
lich vorgesehen war, im Referentenentwurf aber nicht
mehr enthalten ist, sind Sie bei der Beantwortung meiner
schriftlich eingereichten mündlichen Frage nämlich
noch nicht eingegangen.
Dr
Es gibt einen solchen Anspruch, wenn Arbeitgeber
und Beschäftigte im Hinblick auf die Familienpflegezeit
Vereinbarungen getroffen haben. Das ist eine bestimmte
Art von Rechtsanspruch. Er gilt dann, wenn es eine Eini-
gung zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten gibt. Da-
rauf haben wir uns verständigt. Ich habe gesagt: Dieses
Konzept haben wir analog zu dem der Altersteilzeit ge-
staltet. Man könnte diesen Bereich natürlich auch anders
regeln. Wir haben allerdings ein Konzept gewählt, das
vorsieht, dass in Betrieben geworben wird.
Aufgrund der Ergebnisse der uns vorliegenden Unter-
suchungen wissen wir, dass die Betriebe selbst daran in-
teressiert sind. Natürlich werden nicht alle Unternehmen
diese Regelungen in gleicher Weise in Anspruch neh-
men. Aber ich denke, dies kann ein Stück moderne So-
zialpolitik sein. Es wird nämlich nicht von vornherein
gefragt: „Was muss der Staat dem Einzelnen vorge-
ben?“, sondern der Staat sagt: Wir setzen einen Rahmen
und geben den Bürgern – in diesem Fall den Arbeitge-
bern und Arbeitnehmern – die Chance, diesen Rahmen
konstruktiv auszufüllen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11571
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Nein. Die erste Frage musste ich stellen, weil die
schriftlich eingereichte Frage im Hinblick auf den
Rechtsanspruch nicht beantwortet wurde.
Frau Kollegin, Sie hatten zwei Fragen und vier Nach-
fragen. Sie sind alle gestellt.
Gut.
Nun kommen wir zu den nächsten Fragen.
Die Fragen 3 und 4 der Kollegin Aydan Özoğuz und
die Fragen 5 und 6 der Kollegin Dagmar Ziegler werden
schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Sönke Rix auf:
Hält die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Kabi-
nettsbeschlusses zu den Eckwerten des Regierungsentwurfs
des Bundeshaushalts 2012 und zum Finanzplan bis 2015 an
der auf der Homepage des Bundesprogramms „Toleranz för-
dern – Kompetenz stärken“ getroffenen Aussage fest, dass für
die beiden bisherigen Bundesprogramme „Vielfalt tut gut. Ju-
gend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ und „kompetent.
für Demokratie – Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremis-
mus“ bis 2013 jährlich 24 Millionen Euro an Bundesmitteln
zur Verfügung stehen?
Herr Staatssekretär, bitte.
Dr
Die auf der Website „Toleranz fördern – Kompetenz
stärken“ getroffene Aussage, dass für die Umsetzung
dieses Bundesprogramms bis 2013 jährlich 24 Millionen
Euro an Bundesmitteln zur Verfügung stehen werden,
entspricht der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes-
ministeriums. Die Präventionsprogramme für Demokra-
tie und Toleranz haben weiterhin einen sehr hohen Stel-
lenwert. Daran werden wir uns mit allen weiteren
Maßnahmen orientieren.
Ihre Nachfragen, bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
halten Sie die Bekämpfung von Extremismus und die
Förderung von Demokratie und Toleranz für eine dauer-
hafte Aufgabe?
Dr
Ich gehe davon aus, dass das eine dauerhafte Aufgabe
ist. Sie wird zumindest so lange bestehen, wie sie durch
die mittelfristige Finanzplanung abgedeckt ist. Wir ha-
ben uns ja verschiedentlich darüber unterhalten. Es gibt
keinen Anlass, anzunehmen, dass das von irgendeiner
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11572 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011
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Jahren im Übrigen auch. Sie sollen die Projektträger be-raten usw. Dazu gibt es einen Leitfaden für Öffentlich-keitsarbeit, der sich nicht geändert hat.
Sie haben jetzt insgesamt vier Nachfragen, die Sie
aber nicht alle stellen müssen. Bitte schön, Frau Kolle-
gin.
Vielen Dank für den Hinweis. – Vielen Dank, Herr
Staatssekretär. Verstehe ich Sie richtig, dass vonseiten
Ihres Ministeriums – gerade auch durch die Förderricht-
linie – nicht vorgeschrieben wird, dass Pressemitteilun-
gen von geförderten Initiativen vor der Veröffentlichung
den Landeskoordinierungsstellen zur Verfügung gestellt
und von diesen abgesegnet werden müssen?
Dr
Es gibt keine Hinweise, wie die Regelungen im Ein-
zelnen auszusehen haben. Es gibt aber den Hinweis, dass
die Landeskoordinierungsstellen die Öffentlichkeitsar-
beit zu koordinieren haben. Das heißt nicht unbedingt,
dass jede einzelne Pressemitteilung vorgelegt wird. Hier
gibt es aber einen großen Ermessensspielraum in der je-
weiligen Landeskoordinierungsstelle.
Bislang ist das kein Problem gewesen. Ich sage aber
ausdrücklich dazu: Die Geldmittel, die vom Bund einge-
setzt werden, sind dafür vorgesehen, für diese Pro-
gramme zu werben. Falls Ihre Frage in diese Richtung
gehen sollte: Sie sind nicht für einen allgemeinen politi-
schen Aktionismus vorgesehen.
Nein, meine Frage geht in folgende ganz konkrete
Richtung: In Sachsen – deswegen dürfte Sie das auch in-
teressieren – besteht die konkrete Forderung gegenüber
Initiativen, Pressemitteilungen, die sich auf die Pro-
gramme und Projekte, die gefördert werden, beziehen,
vor der Veröffentlichung vorzulegen. Dabei wird darauf
verwiesen, es sei eine Forderung seitens des Bundes-
ministeriums, so zu verfahren; es gebe also eine Richtli-
nie bzw. Anweisung, so zu verfahren. Sie sagen, dass das
sozusagen ein Missverständnis ist, oder wie würden Sie
das bewerten?
Dr
Wenn das so gesagt worden ist, dann würde ich es als
Missverständnis bezeichnen; denn die Förderrichtlinie
ist nicht geändert worden. Hier hat sich keine neue Si-
tuation ergeben.
Dann lautet meine dritte Frage: Gibt es seitens des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend neben den Förderbescheiden noch andere
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11573
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nicht nachweisen können, nicht in das Programm aufge-nommen?Dr
Wir haben eindeutig gesagt, und das haben auch un-
sere Untersuchungen ergeben, die Ihnen bekannt sind,
dass dort, wo sich die Kommunen beteiligen und ein Ei-
geninteresse haben, die Mehrgenerationenhäuser besser
funktionieren. Insofern muss das klar artikuliert werden.
Wie im Einzelnen verfahren wird, wird sich zeigen.
Das Programm wird ausgeschrieben. Dann besteht die
Möglichkeit, sich zu bewerben. Wenn es noch Unklar-
heiten gibt, wird sich das im Einzelnen abstimmen las-
sen. Letztlich wird man dann, wenn ein Haus aufgenom-
men wird, einen Weg finden müssen, die Kommune
angemessen zu beteiligen. Das halte ich für richtig und
notwendig. Denn was über die Mehrgenerationenhäuser
geleistet wird, ist in nicht unerheblichem Maße eine
kommunale Aufgabe.
Wie Sie wissen, sind durch die Beschlüsse des Bun-
destages und des Bundesrates auch erhebliche finan-
zielle Mittel an die Länder bzw. Kommunen geflossen,
um bestimmte Aufgaben besser bewältigen zu können.
Ein Teil der Aufgaben, die mit den Mehrgenerationen-
häusern angegangen werden sollen, sind Bestandteil des
Paketbeschlusses von Bundesrat und Bundestag.
Sie haben eine zweite Nachfrage.
Herr Staatssekretär, Sie wissen genauso gut wie ich,
dass es sich dabei um freiwillige Leistungen der Kom-
munen handelt, die von sehr finanzschwachen Kommu-
nen nicht geleistet werden dürfen. Daher sind auch die
Länder gefragt. In Bayern zum Beispiel hat der Sozial-
ausschuss entschieden, die Kommunen nicht zu unter-
stützen, was die Mehrgenerationenhäuser angeht.
Welche Überlegungen gibt es bei Ihnen, wie Sie nicht
nur auf Bayern, sondern auf die Länder insgesamt ein-
wirken können, sich zu beteiligen?
Dr
Wir sind mit den Bundesländern im Gespräch. Was
das Programm angeht, werden die Häuser immer in Ab-
stimmung mit allen Bundesländern ausgesucht. Anders
ist das gar nicht praktikabel. Dabei sind wir auch mit
Bayern im Gespräch. Das wird dann im konkreten Fall
entschieden werden. Ich bin nicht pessimistisch, dass wir
das hinbekommen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung der Fra-
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11574 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011
)
D
Die Bundesregierung befindet sich in Beratungen mit
den Ländern. Das Ergebnis ist noch nicht absehbar.
Wir arbeiten an einer Verbesserung der Ausbildungen
der verschiedenen Pflegeberufe. Wir wollen zu einer
Ausbildungsstruktur kommen, die die theoretischen und
praktischen Gemeinsamkeiten besser berücksichtigt. Ich
kann aber das Ergebnis – ich betone das noch einmal –
nicht vorwegnehmen, weil wir mit den Ländern noch in-
tensiv beraten. Das Ergebnis ist abzuwarten und erst,
wenn es vorliegt, politisch zu beurteilen.
Vielen Dank. – Die Fragen 12 und 13 der Kollegin
Mattheis werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zu den Fragen 14 und 15 der Kollegin
Elisabeth Scharfenberg:
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
jüngst öffentlich geäußerten Forderungen nach einer Erhö-
hung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung um
bis zu 0,5 Prozentpunkte, mit der unter anderem Leistungs-
verbesserungen, eine bessere Entlohnung von Pflegekräften
und der Aufbau eines kollektiven Kapitalstocks refinanziert
Ist vor diesem Hintergrund die Aussage seitens der Bun-
desregierung, dass die Finanzierung der sozialen Pflegeversi-
cherung nicht zur Diskussion stehe und man lediglich über
zu verstehen, dass Leistungsverbesserungen nur dann umge-
setzt werden, sofern dafür keine zusätzlichen Finanzmittel in
der sozialen Pflegeversicherung bereitzustellen wären?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
D
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Scharfenberg,
Sie beziehen sich in Ihren Fragen unter anderem auf ei-
nen Artikel der Tageszeitung Die Welt vom 30. März
2011 mit dem Titel „Pflegeversicherung wird deutlich
teurer“. Dazu möchte ich Folgendes betonen: Zur Frage
der genauen Ausgestaltung der künftigen Finanzierung
der sozialen Pflegeversicherung gibt es noch keine Fest-
legung. Bei der Erarbeitung der Eckpunkte für die Re-
form wird sowohl über die künftige Ausgestaltung der
Leistung als auch über den sich daraus ergebenden Fi-
nanzierungsbedarf entschieden werden.
Eine Nachfrage.
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Vielen Dank. – Wie ich höre, diskutiert die Bundesre-
ierung über Leistungsausweitungen. Wenn über Leis-
ngsausweitungen diskutiert wird, dann kommt man
icht daran vorbei, zusätzliche Finanzmittel zu realisie-
n, es sei denn, Leistungen werden an anderer Stelle ge-
ürzt. Ich frage Sie: Wenn man zusätzliche Finanzmittel
raucht, wie soll man sie generieren, wenn nicht über
ine Erhöhung des Beitragssatzes?
D
Frau Kollegin Scharfenberg, ich habe eben betont,
ass wir zuerst darüber diskutieren, welche Leistungen
nd Strukturen verbessert werden sollen. Erst danach
erden wir über die Finanzierung entscheiden. Der
oalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP sieht eine er-
änzende Kapitaldeckung vor, die vor allem Vorsorge
r kommende Leistungssteigerungen aufgrund der de-
ografischen Entwicklung darstellen soll. Ob und wie
ie Schaffung einer solchen zusätzlichen Säule mit Ver-
esserungen der Leistungen verbunden wird, ist noch
icht entschieden, weil über die Finanzierungsfragen
rst entschieden wird, nachdem die Sondierungen über
ie Struktur und Verbesserung der Leistungen im Be-
ich der gesetzlichen Pflegeversicherung stattgefunden
aben.
Zweite Nachfrage.
Sie haben eben die kapitalgedeckte Säule angespro-
hen. Da möchte ich nachhaken. Sie haben erwähnt, dass
iese im Koalitionsvertrag verankert ist. Dennoch: Auch
enn Sie bekräftigen, dass über die Finanzierung nicht
esprochen wird, so dringt doch viel von der Finanzie-
ngsdiskussion nach außen.
D
Es wird über Finanzierung gesprochen.
Die Union macht klar, dass sie diese kapitalgedeckte
äule nicht haben will, sondern für einen kollektiven
apitalstock ist. Wie wird dies diskutiert, und womit
önnen wir rechnen?
D
Frau Kollegin Scharfenberg, Sie behaupteten gerade,ass über Finanzierung nicht gesprochen und entschie-en würde. Das stimmt nicht. Ich habe nur den Prozessargestellt. Erst unterhalten wir uns über die Leistungennd Strukturen, anschließend über die Finanzierung. Dieaßgabe für die Bundesregierung ist der Koalitionsver-ag, den CDU, CSU und FDP gemeinsam beschlossen
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11575
Parl. Staatssekretär Daniel Bahr
)
)
haben. Er ist Grundlage und Vorgabe zugleich für alleBeratungen über die Verbesserungen im Bereich der ge-setzlichen Pflegeversicherung. Natürlich sind wir in in-tensiven Gesprächen mit Betroffenen, mit Verbändenund auch innerhalb der Koalition über die Frage, wie wirnach der Einigung über Strukturen und Leistungen diesefinanzieren. Dies geschieht vor dem Hintergrund stei-gender Kosten durch eine alternde Bevölkerung. Überdie konkrete Ausgestaltung ist aber noch nicht entschie-den.
Herr Staatssekretär, haben Sie damit die Frage 15 mit-
beantwortet, oder wollen Sie dazu noch etwas anmer-
ken?
D
Die Frage ist mitbeantwortet. Über die Fragen des
Leistungsspektrums und der langfristigen Finanzierung
ist noch nicht entschieden.
Dann haben Sie noch zwei Nachfragen.
Auch wenn immer wieder beteuert wird, dass noch
nicht entschieden ist, so dringen doch Informationen
über kontroverse Diskussionen nach außen. Ich würde
gerne wissen, welche Haltung die Bundesregierung zu
den Forderungen aus den Reihen der Regierungspar-
teien, die öffentlich erhoben werden, einnimmt, nämlich
dass es nicht zu Beitragserhöhungen kommen dürfe und
man Leistungsausweitungen gegebenenfalls durch Ein-
sparungen an anderer Stelle gegenfinanzieren müsse.
Welche Einsparungen könnten denn damit gemeint sein?
D
Es bewegt sich im Rahmen des üblichen Diskussions-
prozesses, dass es, wenn wir ein Gesetzgebungsverfah-
ren auf den Weg bringen, auch innerhalb der Koalition
unterschiedliche Meinungen gibt. Für die Bundesregie-
rung ist das Maßgabe, was im Koalitionsvertrag verein-
bart worden ist und was wir in der Koalition als Verfah-
ren vereinbart haben. Wir verschaffen uns zunächst in
Dialogforen mit Betroffenen, mit Verbänden und Exper-
ten ein Bild darüber, was verbessert werden muss, und
unterhalten uns danach darüber, wie das Ganze finan-
ziert wird. Ich kommentiere nicht Einzelstimmen aus der
Koalition, die sich möglicherweise nicht auf der Grund-
lage des Koalitionsvertrages und des vereinbarten Ver-
fahrens befinden. Für uns ist die Maßgabe der Koali-
tionsvertrag und das vereinbarte Verfahren.
Eine weitere Nachfrage?
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Ja, danke. – Laut Presseberichten wollte sich gestern
bend der Koalitionsausschuss auf einen Fahrplan für
ie Pflegereform verständigen. Dazu möchte ich nach-
agen, wie dieser Zeitplan aussehen wird. Wann wird es
ach den Eckpunkten einen Gesetzentwurf geben, wann
t mit den parlamentarischen Beratungen und der Pfle-
ereform zu rechnen? Welche Aspekte werden dabei
ine Rolle spielen?
D
Wir sind noch mitten in den Beratungen mit Wissen-
chaftlern, Experten und Betroffenen in den Dialogfo-
n, die eine breite Resonanz in der Öffentlichkeit gefun-
en haben. Diese Beratungen sind noch nicht
bgeschlossen. Wir werden in den nächsten Wochen
eitere solcher Dialogforen haben. Wir rechnen damit,
ass wir innerhalb der Koalition in den nächsten Mona-
n Eckpunkte für eine Reform vorlegen, sodass wir
ach unserer jetzigen Zeitplanung zu Beginn des Som-
ers einen konkreten Gesetzestext formulieren können.
der zweiten Jahreshälfte können wir dann intensiv
ier im Parlament über einen Gesetzentwurf für eine
eiterentwicklung der sozialen Pflegeversicherung be-
ten.
Wir kommen zur Frage 16 des Abg. Markus Kurth:
Gedenkt die Bundesregierung, den Beitragssatz zur so-
zialen Pflegeversicherung zu erhöhen, wie jüngst öffentlich
gierung vielmehr der Forderung folgen, die umlagefinanzierte
Pflegeversicherung sei durch eine Kapitaldeckung zu ergän-
zen, wie es in der Koalition zwischen CDU, CSU und FDP
vereinbart sei, um eine Erhöhung des lohnbezogenen Beitrags
D
Ich beantworte die Frage des Kollegen Kurth wie
lgt: Die Bundesregierung wird dafür sorgen, dass die
flegebedürftigen auch zukünftig angemessene Pflege-
istungen zu bezahlbaren Preisen erhalten. Weitere
estlegungen werden im Rahmen eines Eckpunktepa-
iers erfolgen.
Bitte schön, Nachfrage.
Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, stimmenie mit mir überein, dass aufgrund einer die Pflegeversi-herung ergänzenden Kapitaldeckung sich frühestens ininigen Jahren Ausschüttungen ergeben? Wenn ja, wasedenkt die Bundesregierung in der Zwischenzeit, bis esu einer solchen Ausschüttung kommen kann, zu tun,m etwa die steigenden Kosten für Leistungsausweitun-en oder Personal zu begleichen?
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11576 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011
)
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D
Nein, Herr Kollege Kurth, ich stimme Ihnen nicht zu.
Wir haben Erfahrungen beim Aufbau einer Kapital-
deckung in der Pflegeversicherung, nämlich in der priva-
ten Pflegeversicherung. Die private Pflegeversicherung,
die 1994 als kapitalgedeckte Pflegeversicherung aufge-
baut wurde, war innerhalb kürzester Zeit in der Lage,
Leistungen zu finanzieren. Das zeigt: Auch bei einer ka-
pitalgedeckten Pflegeversicherung ist es möglich, dass
Leistungen unmittelbar und nicht erst in einigen Jahr-
zehnten finanziert werden.
Sie haben eine weitere Nachfrage? – Bitte schön, Herr
Kurth.
Inwiefern ist es aus Ihrer Sicht mit Ihrem Ziel „Mehr
Netto vom Brutto“ vereinbar, wenn von den Versicherten
ein zusätzlicher Beitrag erhoben wird?
D
Herr Kollege Kurth, ich schätze Ihre Taktik der Fra-
gestellung: Sie wollen erneut herausfinden, ob es schon
eine Einigung über eine konkrete Ausgestaltung einer
solchen Kapitaldeckung im Bereich der Pflegeversiche-
rung gibt. Ich betone noch einmal: Es gibt noch keine
Entscheidung über die konkrete Ausgestaltung. Das Ziel
„Mehr Netto vom Brutto“, das sich diese Koalition ge-
setzt hat, bezieht sich auf die Kombination aus Steuer-
zahlungen und Sozialabgaben. Die Sozialabgaben als
Abzüge direkt vom Lohn, als Arbeitnehmer- und Arbeit-
geberanteil, in Kombination mit Steuerzahlungen sind
dafür entscheidend, ob man mehr Netto vom Brutto hat.
Dabei kann man auch noch eine zusätzliche Vorsorge in
den Blick nehmen.
Ich erinnere daran, dass wir auch in einem anderen
Bereich Erfahrungen haben – ich bitte fairerweise da-
rum, das nicht in Bezug zur konkreten Ausgestaltung der
Pflegeversicherung zu setzen –: Die damalige rot-grüne
Koalition hat bei der Riester-Rente einen Kapitalstock
auf freiwilliger Basis aufgebaut. Das war nötig.
Um eine Botschaft kommen wir nicht herum – das ha-
ben auch die Grünen immer vertreten –: Gerade auf dem
Gebiet der Pflege kommen durch eine alternde Bevölke-
rung steigende Kosten auf uns zu. Deswegen streiten wir
hier im Parlament um die konkrete Ausgestaltung. Es
geht darum, wie wir diese steigenden Kosten fair und ge-
nerationengerecht in der Gesellschaft verteilen.
Wir kommen zur Frage 17 des Abgeordneten Kurth:
Gedenkt die Bundesregierung, die von der Koalition ver-
einbarte Kapitaldeckung allein über zusätzliche Beiträge der
Versicherten zu finanzieren, oder wird die Bundesregierung
öffentlich geäußerten Forderungen folgen, eine paritätische
D
Meine Antwort ist, wie Herr Kurth es wahrscheinlich
rahnt, recht kurz: Die Einzelheiten der vereinbarten Ka-
italdeckung werden im Rahmen der anstehenden Re-
rm der Pflegeversicherung zu klären sein.
Herr Kurth, Sie haben womöglich eine Nachfrage. –
itte schön.
Ich möchte versuchen, herauszufinden, ob die Koali-
on wenigstens in einem Punkt eine politische Einigung
erbeigeführt hat. Würde ein Zusatzbeitrag paritätisch
rhoben, oder wäre er allein von den Arbeitnehmern,
on den Versicherten, zu tragen? Denkbar ist ja, einen
ollektiven Kapitalstock über eine paritätische Beitrags-
atzerhöhung aufzubauen.
D
Herr Kollege Kurth, Sie fragen erneut geschickt, um
erauszufinden, ob es eine Einigung gibt. Da es noch
eine Einigung gibt, kann ich Ihnen eine solche Eini-
ung nicht präsentieren, egal wie geschickt Sie fragen.
s gibt keine Festlegung auf eine konkrete Ausgestal-
ng der Finanzierungsmodalitäten. Wir sind noch in den
eratungen. Sie werden noch einige Zeit dauern. Sobald
iese Beratungen abgeschlossen sind, werden wir die Er-
ebnisse dieser Beratungen dem Parlament vorlegen,
nd wir werden im üblichen parlamentarischen Verfah-
n darüber diskutieren können.
Haben Sie noch eine weitere geschickte Zusatzfrage?
Ich fühle mich zwar geschmeichelt, aber angesichts
er Situation verzichte ich auf eine weitere Zusatzfrage.
anke.
Dann kommen wir zur Frage 18 der Kollegin Brittaaßelmann:Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung an-gesichts der derzeitigen Diskussionen zur Finanzierungsre-form der sozialen Pflegeversicherung aus der öffentlich geäu-ßerten Kritik, die Regierungskoalition habe bei ihremAntreten mehr Netto vom Brutto zugesagt und dürfe keine ge-
äußerten Forderungen, eine Erhöhung des Beitragssatzes zursozialen Pflegeversicherung sei unter anderem deswegen not-
Herr Staatssekretär, bitte.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11577
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Ich beantworte die Frage wie folgt: Über die genaue
Ausgestaltung der künftigen Finanzierung der sozialen
Pflegeversicherung gibt es noch keine Festlegungen.
Deshalb kann in diesem Zusammenhang auch über mög-
liche Auswirkungen auf die Beitragsbelastung der Ver-
sicherten keine Aussage gemacht werden.
Frau Haßelmann, Sie haben eine Nachfrage. Bitte
schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
Ähnliches klang gerade schon in den Antworten auf die
Fragen meiner Kollegin Scharfenberg und meines Kolle-
gen Kurth an. Sie haben in Beantwortung der Frage mei-
nes Kollegen Kurth das Thema „steigende Kosten“ so-
wie die faire und gerechte Verteilung der zusätzlichen
Kosten selbst angesprochen. Deshalb meine Frage:
Schließen Sie aus, dass es bei der Neukonzeption der so-
zialen Pflegeversicherung zu einer Beitragserhöhung
kommt?
D
Da wir noch nicht über die Leistungen diskutiert und
entschieden haben, haben wir folglich auch noch nicht
über die Finanzierung entschieden. Deswegen kann ich
Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt weder das eine noch das
andere konkret darlegen. Ich kann Ihnen weder darlegen,
ob und in welchem Umfang es zu Leistungsausweitun-
gen, noch, ob und in welchem Umfang es zur Erhöhung
der Beitragssätze für die Versicherten kommt.
Frau Haßelmann, haben Sie eine zweite Nachfrage? –
Bitte schön, dann haben Sie das Wort dafür.
Vielen Dank für die Beantwortung der Frage, mit der
Sie deutlich gemacht haben, dass Sie eine Beitragserhö-
hung zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen können.
Meine zweite Frage lautet: Schließen Sie bei der Neu-
konzeption der sozialen Pflegeversicherung eine Ein-
schränkung des Leistungskatalogs aus?
D
Frau Haßelmann, jetzt haben Sie mir etwas in den
Mund gelegt. Dem muss ich erst einmal widersprechen.
Ich habe in meiner Antwort klargestellt, dass weder über
die Leistungen noch über die Finanzierung entschieden
worden ist – weder in die eine noch in die andere Rich-
tung. Das heißt, ich kann hier heute überhaupt keine
Festlegungen – weder in Bezug auf die Fragen der Aus-
weitung und der Struktur der Leistungen der gesetzli-
chen Pflegeversicherung noch hinsichtlich der Frage
notwendiger Veränderungen bei der Finanzierung – tref-
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Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, dass die
ussagen, die Sie dazu treffen, und die Antworten, die
ie uns heute geben, im April dieses Jahres, das vom
esundheitsminister als Jahr der Pflege ausgerufen wor-
en ist, doch relativ dürftig sind?
D
Frau Kollegin Scharfenberg, 2011 ist das Jahr der
flege. Das bedeutet aber nicht, dass es nur im Jahr 2011
m Fragen der Pflegeversicherung geht. Vielmehr soll
as in diesem Jahr der Schwerpunkt der Arbeit des Ge-
undheitsministeriums sein. Ein Viertel des Jahres ist
m, sodass noch drei Viertel des Jahres vor uns liegen
nd wir deshalb noch ausreichend Zeit haben, die Fragen
u beantworten und zu entscheiden.
Das bedarf natürlich auch im Jahr der Pflege einer
ründlichen Vorbereitung. Ich habe die bisherigen Dia-
gveranstaltungen mit den Wissenschaftlern, Experten,
etroffenen und Verbänden als sehr informativ, gewinn-
ringend und erkenntniserweiternd empfunden. Übri-
ens gehen in diese Richtung auch die Rückmeldungen,
ie wir von den Verbänden bzw. Teilnehmern erhalten
aben. Insofern ist es ein kluger Prozess, sich zunächst
u verständigen und sich ein Bild zu verschaffen und da-
ach die nötigen politischen Entscheidungen zu treffen.
Wir haben in diesem Jahr keine Hektik, stehen unter
einem Zeitdruck und müssen keine übereilten Entschei-
ungen treffen. Vielmehr sollten wir uns in der politi-
chen Debatte die nötige Zeit nehmen, damit wir danach
luge Entscheidungen treffen können.
Jetzt kommen wir zur Frage 19 der Kollegin
aßelmann:
Wie gedenkt die Bundesregierung, das Leistungsspektrum
der sozialen Pflegeversicherung zu reformieren, sofern nach
öffentlichen Forderungen eine Reform so auszugestalten sei,
dass es nicht zu Beitragserhöhungen komme und Leistungs-
erhöhungen durch Einsparungen an anderer Stelle gegenfi-
und welche Einsparungen könnten dies sein?
D
Die Frage beantworte ich wie folgt: Derzeit wird imahmen einer Reihe von Dialogveranstaltungen desundesgesundheitsministers mit Wissenschaftlern, Be-offenen und Beteiligten diskutiert, wie eventuelle Ver-nderungen im Rahmen der Pflegeversicherung ausge-
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11578 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011
Parl. Staatssekretär Daniel Bahr
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staltet sein müssten. Festlegungen hierzu gibt es bislangnicht. Sie werden in den nächsten Monaten erfolgen.
Sie haben eine Nachfrage? – Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich möchte Sie
gerne noch einmal fragen: Schließen Sie aus, dass es
beim Aufbau des Kapitalstocks zu einer einseitigen Be-
lastung der Arbeitnehmerseite kommt?
D
Frau Kollegin Haßelmann, auch wenn Sie weiter ver-
suchen, geschickt zu fragen: Ich gebe noch einmal die
Antwort: Es ist über die Frage der Finanzierung nicht
entschieden worden, erst recht nicht über die konkrete
Ausgestaltung der Finanzierung. Deswegen kann ich
weder das eine noch das andere ausschließen und bitte
Sie, eine solche Antwort jetzt nicht wieder umzudeuten,
so wie Sie es mit der Frage vielleicht gern implizieren
möchten.
Noch eine weitere Frage?
Ja. – Herr Staatssekretär, Sie sind ja der Fachmann in
diesem Bereich. Wenn wir über die soziale Pflegeversi-
cherung sprechen, wissen wir, dass wir angesichts des
demografischen Wandels und der Generationenvertei-
lung sicherlich nicht zu einer Entlastung in der Pflege-
versicherung kommen. Oder möchten Sie es mit Ihrer
Antwort anders intendieren?
D
Ausgehend von den heutigen Leistungen der gesetzli-
chen Pflegeversicherung ist selbstverständlich nicht da-
mit zu rechnen, dass in den nächsten Jahrzehnten der
Beitragssatz sinken kann. Die demografische Entwick-
lung führt dazu, dass wir mehr Pflegebedürftige und
gleichzeitig weniger junge Beitragszahler als heute ha-
ben werden. Das ist das demografische Problem, das wir
in der Renten-, in der Pflege- und auch in der Kranken-
versicherung haben.
Deswegen diskutieren wir in der Koalition über Re-
formen. Solche Reformen sind in den letzten Jahren teil-
weise nicht angegangen worden, weshalb wir die Zeit in
dieser Legislaturperiode nutzen müssen, zu Entschei-
dungen darüber zu kommen, wie wir die Lasten einer al-
ternden Bevölkerung bei einer nachhaltigen und sozial
gerechten Finanzierung der Pflege fair auf die Genera-
tionen verteilen. In diesen Beratungen sind wir gerade.
Wir als Bundesregierung sind optimistisch, Ihnen, dem
Parlament, in diesem Jahr ein gutes Ergebnis vorlegen
zu können.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11579
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und Leistungsempfänger mit sich bringt. Damit habenwir zu rechnen; das wissen Sie als Seniorenpolitikerin.Gleichzeitig wissen wir – wir kennen den Altersaufbauder Gesellschaft –, dass immer weniger junge Beitrags-zahler nachkommen. Das bedeutet natürlich, dass, aus-gehend von dem heutigen Leistungsniveau der sozialenPflegeversicherung, die Ausgaben steigen. Deswegenhabe ich in diesem Zusammenhang – das war die Aus-gangsfrage – von einer finanziellen Last für die Beitrags-zahler gesprochen.Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren, wo not-wendige Entscheidungen aufgeschoben wurden, arbeitenwir daran, die Lasten fair, gerecht und solidarisch auf dieGenerationen zu verteilen. Wir wollen eben nicht, dasseine Generation zulasten anderer Generationen lebt. Unsgeht es darum, die Kosten der Pflege und der Teilhabe inder Gesellschaft fair auf die Generationen zu verteilenund damit insgesamt zur Solidarität der Generationenuntereinander beizutragen. Das ist das Ziel dieser Koali-tion.Ich bitte Sie deshalb, nicht mit solchen Unterstellun-gen in der Debatte zu arbeiten, und zwar insbesonderemit Blick auf diejenigen, die über ein zukunftsfähigesPflegewesen in Deutschland debattieren und das Pro-blem so lösen wollen, dass die Pflege auch zukünftig fi-nanzierbar, solidarisch und gerecht dargestellt werdenkann.
Frau Scharfenberg.
Vielen Dank. – Ich habe auch noch eine Nachfrage zu
diesen Dialogveranstaltungen. Sie haben eben davon ge-
sprochen, dass Sie im Dialog mit den pflegenden Ange-
hörigen Erkenntnisse gewonnen haben und Ihnen dabei
klar geworden ist, dass pflegende Angehörige stärkere
Unterstützung brauchen und von unserer Seite mehr Au-
genmerk auf sie gerichtet werden muss. Ich frage Sie
jetzt: Wussten wir das nicht vorher? Darüber wird doch
seit mehreren Jahren diskutiert. Das ist doch keine neue
Erkenntnis.
Wenn ich diese Dialogveranstaltungen in diesem
Licht betrachte, stellt sich für mich die Frage: Sind das
nicht eher Show-Veranstaltungen, die das Ministerium
ins rechte Licht rücken sollen, ein Ministerium, das da-
bei nur Dinge erkennt, die eigentlich alle schon lange
wussten? Muss man letztendlich nicht anders an die Sa-
che herangehen?
D
Frau Kollegin Scharfenberg, es ist völlig korrekt, dass
wir schon seit Jahren wissen, dass Angehörige im Be-
reich der Pflege eine bessere Unterstützung brauchen.
Ich will nur daran erinnern, dass diese Legislatur gerade
anderthalb Jahre dauert und vorher andere Verantwor-
tung für das Gesundheitsressort getragen haben. In ver-
gangenen Legislaturperioden, in denen beispielsweise
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Bitte schön, Herr Scheuer.
D
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
en! Ich hätte mich wirklich gefreut, die Frage 25 des
ollegen Herzog zu beantworten. Da geht es nämlich
m die Nassbaggerei.
Ich komme aber jetzt zu den Fragen 26 und 27 des
ollegen Hofreiter, die ich, wenn Sie erlauben, im Sach-
usammenhang beantworten möchte. Es geht hier um
ie Protokollierungskosten einer Sitzung.
Dann rufe ich auch die Frage 27 des Kollegen
ofreiter auf:
In welcher Verkehrsausschusssitzung wurde zu welchem
Thema im Auftrag der Bundesregierung protokolliert?
D
Meine Antwort auf beide Fragen lautet wie folgt: Derericht des Bundesrechnungshofs an den Haushaltsaus-chuss des Deutschen Bundestags nach § 88 Abs. 2 Bun-eshaushaltsordnung vom 23. März 2011 zum Einsatzxterner Berater bei Normsetzungsverfahren wird der-eit noch in Zusammenarbeit mit dem BMF geprüft.iese Prüfung konnte noch nicht abgeschlossen werden,a die Prüfungsfeststellung des Bundesrechnungshofs
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11580 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011
Parl. Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer
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auf einer anonymisierten Querschnittsprüfung mehrererRessorts beruht, sodass Details insbesondere beim BMFerst aufwendig ermittelt werden müssen.
Eine Nachfrage, Herr Hofreiter? – Bitte sehr.
Das heißt, Sie wissen in der Bundesregierung schlicht-
weg nicht, welche Aufträge Sie vergeben haben, und kön-
nen nicht beantworten, ob Sie tatsächlich 17 000 Euro für
die Protokollierung einer Sitzung ausgegeben haben, wie
der Bundesrechnungshof vermutet, oder nicht. Ihre Aus-
sage, das sei vom Zeitpunkt des Einreichens der Frage bis
jetzt nicht recherchierbar, kann ich nicht ohne Weiteres
nachvollziehen.
D
Ich kann Ihnen nur sagen, was ich in der Antwort
schon gesagt habe: dass intensiv geprüft wird. Das
BMVBS hat einen Auftrag für solche Arbeiten nicht er-
teilt.
Sie haben eine weitere Nachfrage. Bitte sehr.
Das heißt, der Auftrag kommt nicht aus dem Bundes-
verkehrsministerium?
D
So habe ich das gerade gesagt, Herr Kollege
Hofreiter.
Wir kommen zur Frage 28. – Die Kollegin Lühmann
ist allerdings nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in
der Geschäftsordnung vorgesehen.
Die Frage 29 des Kollegen Süßmair wird schriftlich
beantwortet.
Wir kommen zur Frage 30 der Kollegin Behm:
Wie bewertet die Bundesregierung die Einigung der Flug-
lärmkommission zu den Flugrouten für den Airport Berlin
Brandenburg International, BBI, und inwieweit ist diese Eini-
gung relevant für die endgültige Festlegung der Flugrouten?
Bitte schön.
D
Frau Kollegin Behm, die gesetzliche Rolle der Flug-
lärmkommission liegt nach § 32 b des Luftverkehrsgeset-
zes in der Beratung unter anderem des Bundesaufsichtsam-
tes für Flugsicherung und der Flugsicherungsorganisation.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11581
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55-dB(A)-Schutzgebiet verortet haben, sind nach diesemGutachten 102 550 Menschen betroffen. Diese Zahl kannnoch auf 620 000 Bürgerinnen und Bürger steigen.Angesichts der Tatsache, dass sich Bundesbehördenso spät an diesem Verfahren beteiligen, frage ich Sie:Kennen Sie das Gutachten, und wie bewerten Sie es?Halten Sie es nicht für erforderlich, dass man in den Pla-nungen einen Schritt zurückgeht, um die Betroffenheitenentsprechend zu würdigen?D
Frau Kollegin Behm, ich mache aus meinem Herzen
keine Mördergrube, wenn ich sage: Wir bauen zwar den
Flughafen BBI, aber wir können ihn nicht anfliegen. Das
ist schon bemerkenswert. Wir begleiten diesen Dialog-
prozess als Bund schon sehr lange. Ihren Worten ent-
nehme ich: Alle Vorschläge, die gemacht wurden, wer-
den entweder mit neuen Versuchen verzögert, oder es
werden Ablenkungsmanöver von verschiedenen Ebenen
auf den Bund gestartet und vieles mehr.
Fakt ist – das habe ich in einer der letzten Fragestun-
den ja schon beantwortet –, dass die Genehmigungsbe-
hörden in Berlin und in Brandenburg sitzen. Unsere Be-
hörden sind zwar in den Sachverhalt eingebunden, aber
die genauen Abläufe beim BBI liegen in den Händen der
Genehmigungsbehörden. Ich denke, dass die Fluglärm-
kommission sehr engagiert auf Gutachten eingeht und
auf Bürgerinitiativen zugeht. Der eine oder andere mag
dies anders sehen, aber ich bewerte das so. Wir müssen
versuchen, eine Lösung zu finden. Das Motto „Einen
Schritt vor, aber drei zurück“ bringt uns nicht weiter. Wir
wollen diesen Flughafen ja irgendwann einmal in Be-
trieb nehmen. Dafür ist es notwendig, dass wir den Flug-
hafen auch anfliegen können. Alle Bürgerinitiativen und
alle Bürger sind eingeladen, sich an diesem Prozess zu
beteiligen. Aber noch einmal: Die für die Genehmigung
zuständige Ebene ist nicht der Bund.
Vielen Dank.
Nun sind wir beim Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische
Staatssekretärin Frau Heinen-Esser zur Verfügung. Die
Kolleginnen Wagner und Lühmann, die die Fragen 31
und 32 gestellt haben, sind nicht anwesend; es wird ver-
fahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die
Fragen 33 und 34 der Kollegin Menzner wurden zurück-
gezogen. Die Fragen 35 und 36 der Kollegin Kotting-
Uhl werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 37 des Kollegen Hans-Josef
Fell:
Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass bei dem ge-
planten europäischen Stresstest auch Kriterien für die Unter-
suchung von Terrorszenarien wie dem gezielten Absturz von
großen Passagierflugzeugen festgelegt werden?
Bitte schön.
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11582 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011
)
Attacken zu untersuchen und die betreffenden Atom-reaktoren einem solchen Stresstest zu unterziehen? Eswürde nichts nützen, wenn wir nur die deutschen Atom-kraftwerke untersuchen würden. Sie wissen, dass bei-spielsweise das Kernkraftwerk in Fessenheim und auchdas Kernkraftwerk in Tschechien ganz nah an der deut-schen Grenze liegen. Wir müssen im Interesse derdeutschen Bevölkerung sicher sein, dass auch dieseKernkraftwerke bezüglich möglicher Attacken einemStresstest unterzogen werden. Welche Maßnahmen er-greift die Bundesregierung, um dies sicherzustellen?Ur
Wir werden uns in beiden Gruppen, die sich auf euro-
päischer Ebene mit dem Stresstest befassen – ich habe
sie vorhin genannt –, einbringen und Schadensszenarien
aufzeigen. Wir werden auch die Anforderungen einbrin-
gen, die die Reaktor-Sicherheitskommission für Stress-
tests der deutschen Kernkraftwerke erarbeitet. Sie kön-
nen davon ausgehen, dass wir wirklich mit aller Kraft
daran arbeiten, all das genau untersuchen zu lassen. Ich
möchte hier aber auch noch einmal auf die geltenden Re-
gelungen in Europa hinweisen. Ich bin zuversichtlich,
dass wir mit den Stresstests ein weites Feld abdecken
können.
Frau Behm.
Ich möchte nachfragen, ob neben den Kernkraftwer-
ken, die der Stromversorgung dienen – über diese reden
wir im Allgemeinen –, auch der Versuchsreaktor in Ber-
lin-Wannsee einem Stresstest unter besonderer Berück-
sichtigung der Auswirkungen von versehentlich oder aus
terroristischen Gründen erfolgenden Flugzeugabstürzen
unterzogen wird.
Ur
Wir haben entschieden, dass zunächst einmal unsere
Kernkraftwerke einem Stresstest unterzogen werden.
Darüber hinaus werden wir auch Forschungsreaktoren,
Zwischenlager etc. in die Untersuchung einbeziehen. Im
ersten Schritt geht es aber um die Kernkraftwerke. Alles
Weitere wird ebenfalls berücksichtigt werden. Ob diese
Untersuchung im Laufe des dreimonatigen Moratoriums
erfolgen kann, kann ich nicht sagen; aber sie wird auf je-
den Fall durchgeführt werden.
Herr Kollege Fischer, bitte.
Frau Staatssekretärin, bin ich richtig informiert, dass
es im Rahmen des Atomkonsenses von Rot-Grün, also
zu der Zeit, als Herr Trittin Umweltminister war, eine
Vereinbarung über die Begrenzung von Laufzeiten gege-
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Die Fragen 38 und 39 der Kollegin Bärbel Höhn und
ie Frage 40 des Kollegen Klaus Hagemann sind zur
chriftlichen Beantwortung vorgesehen. Die Frage 41
es Kollegen Oliver Krischer wurde zurückgezogen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
ums für Bildung und Forschung auf. Die Frage 42 des
ollegen Oliver Krischer wurde vorgezogen. Die
rage 43 des Kollegen Klaus Hagemann wird schriftlich
eantwortet.
Damit rufe ich den Geschäftsbereich des Bundes-
inisteriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
ntwicklung auf. Die Frage 44 der Kollegin Heike
änsel und die Frage 45 des Kollegen Alexander Ulrich
erden schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin
nd des Bundeskanzleramtes auf. Die Frage 46 der Kol-
gin Marlene Rupprecht wird schriftlich
eantwortet.
Damit rufe ich den Geschäftsbereich des Auswärtigen
mtes auf. Zur Beantwortung steht Frau Staatsministe-
n Cornelia Pieper bereit.
Schriftlich beantwortet werden die Frage 47 des Kol-
gen Alexander Ulrich, die Frage 48 der Kollegin
evim Dağdelen, die Fragen 49 und 50 des Kollegen
iema Movassat sowie die Frage 51 des Kollegen
ndrej Hunko.
Ich rufe die Frage 52 der Abgeordneten Heike Hänsel
uf:
Welche Ziele verfolgen nach Auffassung der Bundesregie-
rung die gegen Laurent Gbagbo und zahlreiche seiner mut-
maßlichen Unterstützer verhängten Sanktionen, und wie be-
wertet die Bundesregierung die Einschätzungen humanitärer
Organisationen wie von Ärzte ohne Grenzen, dass diese Sank-
tionen das Wirtschaftsleben und das Gesundheitssystem in
Côte d’Ivoire zum Zusammenbruch gebracht und damit die
humanitäre Lage drastisch verschlechtert hätten?
Bitte schön.
C
Frau Abgeordnete, mit den gegen Laurent Gbagbond seine Unterstützer verhängten Sanktionen wird dasiel verfolgt, politischen und wirtschaftlichen Druckuszuüben, um auf diese Weise gewaltsame Auseinan-ersetzungen zu verhindern bzw. rascher zu beenden und
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11583
Staatsministerin Cornelia Pieper
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)
weiteres Leid von der Zivilbevölkerung abzuwenden.Die Sanktionen haben nicht zur aktuellen Eskalation desKonflikts beigetragen, sondern haben nach Auffassungder Bundesregierung den Ausbruch gewaltsamer Aus-einandersetzungen zunächst abgewendet, da Staatspräsi-dent Ouattara deren Wirksamkeit abgewartet hat.In der Abwägung hat aus meiner Sicht eine rascheBeendigung der gewaltsamen Auseinandersetzung Prio-rität, um eine Rückkehr zur Normalität zu ermöglichen.Die Bundesregierung setzt sich gemeinsam mit den eu-ropäischen Partnern dafür ein, dass die Lieferung huma-nitärer Hilfsgüter nicht durch die Sanktionen behindertwird.
Sie haben eine Nachfrage, Frau Hänsel?
Ja.
Bitte schön.
Danke schön, Frau Präsidentin. – Sie haben gesagt,
dass die Sanktionen auch dem Schutz der Bevölkerung
dienen sollen. Ich möchte aus einem Bericht der Huma-
nitarian Country Teams der Vereinten Nationen zitieren.
Dort heißt es:
Aufgrund der Entscheidung der EU, das Anlaufen
von Schiffen zu unterbinden, wurden medizinische
Güter und notwendige Medikamente für Kinder,
Mütter und Aids-Kranke sowie Impfstoffe knapp.
Insgesamt wird beklagt, dass die Lebensmittelpreise
durch die Sanktionen seit Dezember 2010 massiv ange-
stiegen sind. Die Ärzte ohne Grenzen sprechen von einer
humanitären Katastrophe. Deswegen meine Frage: Wie
kommen Sie zu der Einschätzung, durch diese Sanktio-
nen werde die Zivilbevölkerung geschützt?
C
Frau Abgeordnete, wir müssen davon ausgehen, dass
ein Andauern des Konflikts nach den Wahlen zu einem
Bürgerkrieg führen würde und damit zu sehr hohen Op-
ferzahlen in der Bevölkerung. Das wollen wir natürlich
nicht. Die massive Hasspropaganda des früheren Präsi-
denten Gbagbo und seines Lagers hat die Verbitterung in
der Bevölkerung und die Gewaltbereitschaft multipli-
ziert. Das belegen die zahlreichen Übergriffe.
Wir haben ein sehr großes Interesse daran, dass die
humanitären Aktionen ohne Behinderungen durchgeführt
werden können. Wir sehen anhand der Berichte, dass
sich die humanitäre Lage, wie Sie es beschrieben haben,
dramatisch verschlechtert hat. Es gibt bis zu 1 Million
Vertriebene im Land. Es gibt über 100 000 Flüchtlinge,
unter anderem in Liberia. Zum Glück wurde die humani-
täre Hilfe durch die Bundesregierung aufgestockt. Na-
türlich sehen wir die vorhandenen Schwierigkeiten. Ich
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ie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die
onrad-Adenauer-Stiftung ihre durch das Regionalpro-
ramm Politischer Dialog Westafrika gewonnenen Kon-
kte genutzt hat, die Möglichkeiten eines Putsches in
ôte d’Ivoire gegen Gbagbo, der sich als Präsident ver-
teht, in ihrem Länderbericht zu erörtern?
C
Das sind mehrere Fragen auf einmal, deren Beantwor-ng sicher nicht in einer Minute zu erledigen ist.Vielleicht darf ich vorwegnehmen, dass heute nichtur im Auswärtigen Ausschuss über dieses Thema ge-prochen wurde. Der Bundesaußenminister hat natürlichuch über die Lage an Côte d’Ivoire informiert.In den letzten Tagen ist es zu einer beschleunigtenntwicklung gekommen. Die Truppen des gewähltennd international anerkannten Präsidenten Ouattara sindberraschend schnell aus dem Norden vorgedrungen undind seit dem 31. März 2011 in Abidjan. Man kann sa-en, dass die bewaffneten Kräfte des abgewählten Präsi-enten Gbagbo weitgehend kollabiert sind. Sie leistenber zurzeit noch an wenigen Örtlichkeiten in Abidjannatischen Widerstand. Gbagbo hält sich nach unsereruffassung in Abidjan auf. Er selbst ist nicht kompro-iss- oder verhandlungsbereit.Wie Sie wissen, wurde vonseiten der internationalenemeinschaft, insbesondere von der Europäischen
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11584 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011
Staatsministerin Cornelia Pieper
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Union und der Afrikanischen Union, in den letzten vierMonaten seit der Wahl alles getan, um diesen Konfliktfriedlich zu lösen. Das gesamte Instrumentarium desKrisenkonfliktmanagements ist eingesetzt worden, umhier zu vermitteln. Das hat alles nichts geholfen. Selbstdas Vermittlungspanel von fünf afrikanischen Staats-chefs hat nichts gebracht. Das Regime Gbagbo hat sichden Initiativen entzogen. Die Regierung von Ouattarasah keine Alternative zu einem Angriff. Sogar die Afri-kanische Union hielt hier eine politische Lösung nichtmehr für möglich. Deswegen ist die Lage – das sehenauch wir so – ziemlich prekär und zugespitzt. Ich sageaber noch einmal: Es sollte jetzt alles darangesetzt wer-den, dass es zu keiner Ausbreitung des Bürgerkrieges,sondern sehr schnell zu einer Beendigung des Konflikteskommt. Da ist sich die internationale Gemeinschaft ei-nig; davon können Sie ausgehen.Sie hatten noch eine Nachfrage zur Konrad-Adenauer-Stiftung, die bereits einer Ihrer Kollegen ge-stellt hat; ich weiß nicht mehr, wer es war. Der Konrad-Adenauer-Stiftung wurde vorgeworfen, dass sie die mili-tärische Intervention vorgeschlagen hat, die aber nichtnotwendigerweise fremde Soldaten auf ivorischem Ter-ritorium bedeuten müsste. Ich will festhalten: Nach un-seren Informationen hat die Konrad-Adenauer-Stiftungkeinen derartigen Vorschlag unterbreitet oder gefördert.Nach Angaben der Stiftung wurden lediglich theoretischmögliche Vorteile erörtert, zum Beispiel ein Überein-kommen führender Militärs über eine gemeinsame Posi-tion im Hinblick auf eine friedliche Konfliktbeilegung,die sich aus der Tatsache, dass sich Generalstabsoffiziereaus den Projektländern auf einer Stiftungsveranstaltungpersönlich kennengelernt haben, ergeben könnte. NachAngaben der Stiftung hat zu keinem Zeitpunkt ein Mitar-beiter des Politischen Dialogs Westafrika Gesprächeoder Telefonate im Sinne der Frage geführt oder ander-weitig eine aktive Kontaktaufnahme außerhalb der jähr-lichen Veranstaltung gefördert oder begünstigt.Die Bundesregierung selbst hat von Beginn des Kon-fliktes an die Vermittlungsbemühungen von der Afrika-nischen Union und ECOWAS für eine friedliche Kon-fliktbeilegung unterstützt.
Frau Hänsel, Sie haben nach wie vor eine Nach-
frage? – Es hätte ja sein können, dass sich das erledigt
hat. Bitte schön.
Frau Staatsministerin, ich möchte noch einmal fest-
halten, dass wir bereits viele Tote zu beklagen haben.
Hier war die UNO überhaupt nicht präsent. Es sollen bis
zu 1 000 Ouattara-Anhänger niedergemetzelt worden
sein. Insofern kann man nicht von einem effektiven
Schutz sprechen. Es entsteht vielmehr der Eindruck, als
werde nur eine Seite geschützt. Ich denke, die UNO
muss neutral sein und in diesem Konflikt vermitteln. Sie
soll zu einem Ende der Gewalt beitragen und darf nicht
Teil dieses Krieges sein.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11585
Staatsministerin Cornelia Pieper
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der Vereinten Nationen vom 30. März 2011 hingewie-sen. Der Bürgerkrieg muss schnell eingedämmt werden.Ihr Beispiel zeigt, dass wir hier handeln müssen undnicht einfach nur zusehen dürfen.
Die Fragen 53 und 54 der Kollegin Katrin Werner, die
Fragen 55 und 56 der Kollegin Erika Steinbach, die
Frage 57 der Kollegin Ute Kumpf, die Frage 58 des Kol-
legen Hans-Christian Ströbele und die Frage 59 des Kol-
legen Tom Koenigs werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums des Innern auf. Die Frage 60 des Kollegen Tom
Koenigs, die Frage 61 des Kollegen Andrej Hunko und
die Frage 62 des Kollegen Konstantin von Notz werden
schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums der Finanzen auf. Die Fragen 63 und 64 des Kolle-
gen Willi Brase werden entsprechend der Geschäfts-
ordnung behandelt. Die Fragen 65 und 66 der Kollegin
Christel Humme werden schriftlich beantwortet. Die
Frage 67 der Kollegin Marlene Rupprecht wird entspre-
chend der Geschäftsordnung behandelt. Schriftlich be-
antwortet werden die Fragen 68 und 69 der Kollegin
Ulla Burchardt, die Fragen 70 und 71 des Kollegen René
Röspel sowie die Fragen 72 und 73 des Kollegen Hans-
Joachim Hacker. Die Frage 74 des Kollegen Sönke Rix
wird entsprechend der Geschäftsordnung behandelt.
Weil wir uns über die Ankunft des Parlamentarischen
Staatssekretärs freuen, wollen wir die Frage 75 der Kol-
legin Höll trotz der überschrittenen Zeit der Fragestunde
noch behandeln:
Welche finanziellen Auswirkungen ergeben sich nach
Schätzungen der Bundesregierung infolge der Ausweitung
des Anwendungsbereichs der körperschaftsteuerlichen Organ-
schaft gemäß Schreiben des Bundesministeriums der Finan-
zen, BMF, vom 28. März 2011, und wird die Ausweitung des
Anwendungsbereichs auch gesetzlich geregelt werden?
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Charmante Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen
und Kollegen! Frau Kollegin Höll, ich darf Ihnen darauf
wie folgt antworten: Finanzielle Auswirkungen aufgrund
der Ausweitung des Anwendungsbereichs gemäß dem in
der Frage genannten BMF-Schreiben sind nicht zu er-
warten, da aufgrund der weiteren Voraussetzungen für
die Anerkennung einer steuerlichen Organschaft, insbe-
sondere des Vorliegens eines Gewinnabführungsvertra-
ges, derzeit keine Fälle vorliegen dürften, die ohne zu-
sätzliche Anpassung eine steuerliche Organschaft bilden
könnten. Eine isolierte gesetzliche Anpassung der von
der Europäischen Kommission beanstandeten Regelung
des § 14 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes
und des § 17 des Körperschaftsteuergesetzes ist nicht ge-
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11586 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011
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Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktion der SPDGründe des Bundeswirtschaftsministers ge-gen ein Verbot von KlonfleischIch rufe als ersten Redner den Kollegen Ulrich Kelberfür die SPD-Fraktion auf.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Die europäischen Verbraucherinnen und Ver-braucher werden es auch in Zukunft nicht genau wissen:Sie werden nicht wissen, ob die Milch, die sie trinken,oder das Fleisch, das sie essen, von geklonten Tierenstammt oder nicht. Die Bundesregierung aus CDU/CSUund FDP hat mit ihrer Stimmabgabe in der EuropäischenUnion dafür gesorgt, dass Fleisch, Milch und andereProdukte von geklonten Tieren oder deren Nachkommennicht gekennzeichnet werden müssen. Man kann mit an-deren Worten sagen: Die schwarz-gelbe Bundesregie-rung ist der Meinung, dass die Verbraucherinnen undVerbraucher nicht wissen dürfen, was auf ihrem Tellerliegt, damit sie sich nicht gegen bestimmte Produkte ent-scheiden können.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sindder Überzeugung, dass Verbraucherinnen und Verbrau-cher das Recht haben, zu wissen, woher Lebensmittelstammen, wie sie produziert wurden, welche Technikendabei zum Einsatz kommen und welche Folgen sie ha-ben.Es gibt eine Reihe von Gründen, das Klonen von Tie-ren zur Produktion von Lebensmitteln abzulehnen.Erstens. Es ist und bleibt Tierquälerei, weil bei dengeklonten Tieren eine Reihe von Defekten entsteht. Überdie Hälfte stirbt frühzeitig oder hat vermehrt Krankhei-ten.
Zweitens. Die genetische Vielfalt der Herden wird re-duziert, verbunden mit den entsprechenden Problemenim Hinblick auf Krankheiten und Seuchen.Drittens. Es ist keineswegs geklärt, ob Gendefekte,die aus dem Klonverfahren resultieren, den Tieren oderden Konsumenten dauerhaft Schaden zufügen können,übrigens auch Defekte, die mit herkömmlichen Metho-den nicht zu entdecken sind.Viertens – nicht am unwichtigsten –: Es ist ein weite-rer Beitrag zur Industrialisierung der Landwirtschaft undzur Abkehr von den Produktionsstrukturen, die wir imDeutschen Bundestag bereits debattiert haben.
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Die deutschen Lebensmittelkonzerne und die deut-chen Bauern haben deutlich gemacht: Sie wollen keinelonprodukte. Ich bin froh, dass zahlreiche Kolleginnennd Kollegen auch aus CDU/CSU und FDP im Europäi-chen Parlament und im Deutschen Bundestag deutlichemacht haben, dass sie die Stimmabgabe von Rainerrüderle ablehnen. Vielleicht braucht die Bundesregie-ng auch hier eine Ethikkommission, die sie auf dentand der Diskussion im Rest der Gesellschaft bringt.err Otto, das wäre doch eine Idee: Schalten Sie die Ka-eras an, und richten Sie eine Ethikkommission zumlonen von Tieren ein.
Ich glaube, das Thema muss wieder auf den Tisch.as Platzen-Lassen durch Rainer Brüderle darf nicht dasnde dieser Debatte sein. Wer wie die schwarz-gelbeundesregierung immer gerne von den mündigen Ver-raucherinnen und Verbrauchern spricht, der darf diesenerbraucherinnen und Verbrauchern nicht die Informa-onen vorenthalten, durch die diese eine mündige Ent-cheidung treffen können. Die Verbraucherinnen underbraucher haben einen Anspruch darauf, zu wissen, obas Fleisch, die Milch und die anderen Produkte von ge-lonten Tieren stammen. Die Bundesregierung darf ih-en nicht die Entscheidung verweigern, ob sie sie habenollen oder nicht.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11587
Ulrich Kelber
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Letzter Punkt. Der Wirtschaftsminister – ich betonees: der Wirtschaftsminister – hat nicht nur gegen Ver-braucherschutzinteressen verstoßen, sondern auch diewirtschaftlichen Interessen Deutschlands massiv geschä-digt. Wir, die wir im Landwirtschaftsbereich politisch tä-tig sind, wissen: Jeder Vertrauensverlust in die Qualitätdeutscher Lebensmittel hat automatisch einen Verlust anArbeitsplätzen zur Folge. Dieser Minister hat versagt. Eswird Zeit, dass ihm jemand nachhaltig erklärt, dass ervorrangig die Interessen der Menschen in Deutschlandund nicht die von amerikanischen Lebensmittelkonzer-nen zu vertreten hat.Vielen Dank.
Franz-Josef Holzenkamp hat das Wort für die CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Herr Kelber, in einigen Passagen war Ihre Redegar nicht so schlecht. Zum Schluss gab es dann abereben doch wieder Klamauk.Zum inhaltlichen Teil. Ich spreche für mich persön-lich, und, denke ich, auch für meine Fraktion, wenn ichsage: Wir wollen keine künstliche Reproduktion und da-mit kein Klonen von Tieren. Wir lehnen das aus ethi-schen Gründen – sie sind schon ausgeführt worden – undauch aus Gründen des Tierschutzes ab. Wir kennen dieFolgen: frühe Sterblichkeit, Missbildungen auch bei denOrganen und eine zunehmende Krankheitsanfälligkeit.Wir wollen das nicht; ich würde solche Produkte auchnicht essen. Wir müssen uns das nicht antun.Trotzdem gibt es in der Politik eine Selbstverständ-lichkeit, die ich in Erinnerung rufen möchte, nämlichKompromisse.
Ein Kompromiss bedeutet, dass man versucht, miteinan-der zu Ergebnissen zu kommen.
Leider konnten sich das EU-Parlament und der Minister-rat nicht einigen. Ich persönlich bedauere das sehr.
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amit hat das EU-Parlament gesagt: Die Vorschläge desuropäischen Rates gehen uns nicht weit genug.
Jetzt stellt sich die Frage: Ist das umsetzbar, ist dasraktizierbar? Hier gehen die Meinungen auseinander.eshalb hat man eine Machbarkeitsstudie in Aussichtestellt. Letztendlich gibt es auch eine ganze Mengeeute, die sagen: Es ist sehr schwierig, insbesondere dieennzeichnung von Produkten aus der Nachkommen-chaft zu kontrollieren.
Schön, dass Sie fragen, was ich möchte. Ich persönlichätte mir eine Umsetzung der Vorstellungen des EU-Par-ments gewünscht.
h muss aber auch feststellen, dass wir nicht alleine aufer Welt sind.
ie entscheidende Frage ist: Was haben wir jetzt? Wiraben jetzt eine Situation, die schlechter ist als vorher.as bedauere ich in besonderem Maße. Ich habe vorhinlle fünf Vorschläge genannt, die vorgelegen haben undie wir bis heute hätten umsetzen können. Leider ist dasicht gelungen.Ich bin froh, dass die Einführung von Erzeugnissenus geklontem Fleisch in Europa einer Zulassung bedarf,ass keine Zulassung vorliegt und wir somit in Deutsch-nd und Europa nicht Gefahr laufen, dass Lebensmittel
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11588 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011
Franz-Josef Holzenkamp
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von geklonten Tieren in den Märkten liegen. Letztend-lich ist es aber ungenügend, finde ich, dass man sich zu-mindest für den Übergang nicht auf diesen Kompromisshat einigen können. Ich finde, der Kompromiss wärebesser gewesen als der jetzige Zustand.Deshalb hoffe ich, dass die Kommission schnellst-möglich einen neuen Vorschlag erarbeitet, und forderesie dazu auf. Es sollte nicht auf Dauer in der Novel-Food-Verordnung geregelt werden; hierbei soll es sichlediglich um eine Übergangslösung handeln. Wir wolleneine gesonderte Rechtsvorschrift, in der wir das Klonenregeln.
Um das abschließend noch einmal klar zu sagen: Ichbin gegen Klonen. Ich will keine Nahrungsmittel von ge-klonten Tieren essen. Ich bin aus ethischen Gründen undaus tierschutzrechtlichen Gründen davon überzeugt, dasswir uns das in unserer Gesellschaft nicht antun müssen,und dazu stehen wir.
Aber der vorgeschlagene Kompromiss hätte uns weitergebracht als der Zustand, in dem wir uns im Moment be-finden.Herzlichen Dank.
Karin Binder hat das Wort für die Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! Drei von vier Bürgerinnenund Bürgern in der EU lehnen Fleisch oder Milch vongeklonten Tieren ab. Sie halten das Kopieren von Lebe-wesen aus ethischen Gründen für nicht vertretbar. Des-halb sagen wir, die Linke: Verbraucherinnen und Ver-braucher haben den Anspruch, zu erfahren, was auf ihrenTeller kommt.
Klonfleisch muss gekennzeichnet sein,
damit jeder und jede selbstbestimmt entscheiden kann,ob er oder sie das kaufen möchte. Aber die Bundesregie-rung interessiert das nicht wirklich. Man muss es sichvor Augen halten: Vertreten durch unseren Wirtschafts-minister, Herrn Brüderle von der FDP
das ist richtig: durch den Wirtschaftsminister –, hat dieegierung dafür gesorgt, dass Klonfleisch auch weiter-in unkontrolliert und ohne Kennzeichnung auf denarkt und in die Verkaufsregale kommen darf.Deutschland hätte sich mit seinem Stimmengewichtr die Belange der Bürgerinnen und Bürger einsetzenönnen.
ber das Gegenteil wurde getan. Das ist Verbrauchertäu-chung XXL.
Für einen glaubwürdigen Verbraucherschutz ist einelonkennzeichnung unerlässlich. Mit dem Kopieren ha-en schon frühere Regierungsmitglieder ihre eigenen Er-hrungen gemacht.
ber hier geht es nicht um die Erhaltung eines einzelnenegierungsmitglieds. Im Fall von Wirtschaftsministerrüderle hat sich gezeigt, dass zwischen den Regie-ngsmitgliedern offensichtlich keinerlei Abstimmungtattgefunden hat und Schwarz-Gelb offensichtlich keinteresse am Verbraucherschutz hat und sich auch wei-rhin lieber als Steigbügelhalter der Agrarindustrie be-tigt, frei nach dem Motto „Wessen Klonfleisch ich ess,essen Lied ich sing“.Tatsache ist: Um den weltweiten Absatz deutscherchweinehälften und deutscher Milch zu sichern, ist dieundesregierung einmal mehr vor den USA eingeknickt.ie Vereinigten Staaten bringen Klonfleisch unkontrol-ert und ohne Kennzeichnung auf den internationalenarkt. Eine Kennzeichnungspflicht in Europa käme alsoinem Importstopp für US-amerikanische Steaks gleich.ie USA drohen im Gegenzug mit einem Handelsstreit.amit gerät die unsinnige Exportstrategie der deutschenegierung, deutsche Schweinehälften über die ganzeelt zu verbreiten, in Gefahr.Diese Haltung ist nach meiner Auffassung ethischbenso unvertretbar wie das Klonen von Lebewesen. Dieerbraucherorganisation Foodwatch bringt es auf denunkt: „Sichere Exportmärkte für europäische Agrar-berschüsse sind offenbar wichtiger als Transparenz füren Verbraucher.“In der Folge wird nun der europäische Markt mit ge-lontem Tiermaterial überschwemmt. Der vielfach ko-ierte Zuchterfolg, made in USA, kommt in Form vonullenspermien und tiefgefrorenen Embryonen unge-ennzeichnet auch nach Deutschland. Die Nachkommener geklonten Tiere landen auf unseren Tellern. Mahl-eit, Herr Brüderle! Nicht einmal wenn wir Biofleischaufen, können wir sicher sein, dass es sich nicht umachwuchs von geklonten Tieren handelt.
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Karin Binder
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Aber warum ist das alles so schlimm, meine Damenund Herren? Weil es die genetische Vielfalt und damitlangfristig auch die Artenvielfalt gefährdet. Wie der in-formierte Verbraucher und die informierte Verbraucherinwissen, ist die Vielfalt ein wichtiger Aspekt zur Erhal-tung jeder Art. Sie ist auch ein wichtiger Bestandteil desgesamten Systems, wenn es darum geht, sich vor Krank-heiten zu schützen oder vor anderen Unbillen, die die Er-haltung der Art gefährden könnten, weil mit dem Klonenauch negative genetische Merkmale transportiert undvielfach verbreitet werden. Es geht darum, die geneti-sche Vielfalt zu erhalten, aber das wird gefährdet durchdas Klonen von Tieren. Deshalb sagen viele Menschen:Mit uns nicht.Es gibt in Europa keine Notwendigkeit, Lebensmitteldurch das Kopieren von Lebewesen zu erzeugen. Einzigund allein für die Agrarkonzerne ist das von Interesse,weil es Profit bringt. Das kann für mich nicht der Grundfür eine solche Form der Erzeugung von Lebensmittelnsein.Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Rechtdarauf, zu erfahren, was auf ihren Teller kommt. Siemüssen auch die Möglichkeit haben, ihr Essen nach öko-logischen, sozialen und ethischen Grundsätzen auszu-wählen. Deshalb sage ich: Machen Sie endlich Schlussmit der Klientelpolitik, und machen Sie Verbraucher-schutz!Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Die Kollegin Dr. Christel Happach-Kasan hat das
Wort für die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Kollege Kelber hat im ersten Satz seiner Rede be-reits deutlich gemacht, worum es in dieser Debatte geht.Es geht darum, die unternehmerische Landwirtschaft inDeutschland zu diskreditieren, um nichts anderes, und esgeht ebenfalls darum, einen erfolgreichen Wirtschafts-minister zu diskreditieren. Das allein ist Ziel des Antra-ges der SPD-Fraktion.
Im Übrigen darf ich einmal darauf hinweisen: JederWirtschaftsminister der SPD hätte genauso gehandelt,wie diese Bundesregierung gehandelt hat.
– Machen Sie eine Zwischenfrage, wenn Sie etwas fra-gen wollen!
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Wir als FDP wollen einen eigenen Rechtsakt für daslonen. Wir wollen Transparenz für die Verbraucherin-en und Verbraucher.
ir waren dafür, den Tatbestand des Klonens vorüberge-end in die Novel-Food-Verordnung aufzunehmen. Lei-er hat das Europäische Parlament das verhindert, undh bedauere außerordentlich, dass ein Abgeordneter, derazu beigetragen hat, dass es verhindert wurde, sich an-chließend am Bundeswirtschaftsminister schadlos hält.as ist enttäuschend – das will ich ganz deutlich sagen –,nd es ist menschlich absolut nicht in Ordnung.
Wir sollten beim Klonen zur Sachlichkeit zurückkeh-n. In Deutschland gibt es seit etwa 50 Jahren eine wis-enschaftliche Tierzucht. Die entsprechenden Methodenind inzwischen anerkannt. Dazu gehört beispielsweiseie künstliche Besamung. 90 Prozent der Rinder werdenünstlich besamt. Die hierfür notwendigen Verfahrenind wichtig für den Arbeitsschutz und die Sicherheit derrbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in der Land-irtschaft arbeiten. Der Embryonentransfer ist ebenfallsichtig. Die Züchterverbände haben sich entsprechendeäußert. Die Medizin und die Züchterverbände setzenarauf, dass die Technologie des Klonens weiterentwi-kelt wird. Wir alle sind uns einig, dass dieses Verfahrenus Tierschutzgründen noch nicht anwendungsreif ist.ber jeder, der davon redet, dass irgendwo auf der Weltuch nur ein Gramm Fleisch von geklonten Tieren aufem Teller landet, der glaubt auch an den Weihnachts-ann oder den Osterhasen; denn das ist viel zu teuer.as passiert nicht; da können wir sicher sein.Wir als FDP wollen eine zukunftsorientierte, moderneandwirtschaft, die den Landwirten sowie den Verbrau-herinnen und Verbrauchern zugutekommt. Wir wollen,ass Technologien in Deutschland möglich sind und ge-rdert werden; denn wir sind der Meinung, dass wir unsicht vom wissenschaftlichen Fortschritt abkoppeln dür-n. Herr Kelber, ich darf Ihnen deutlich sagen: Die SPDntfernt sich von ihrem Markenkern.
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Dr. Christel Happach-Kasan
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Denn ursprünglich war auch die SPD eine Partei, die da-rauf gesetzt hat, dass wir nur mit wissenschaftlichemFortschritt die Arbeitsplätze hier bei uns in Deutschlandhalten können, die notwendig sind, damit die Menschenin Wohlstand leben können.
– Es tut mir schrecklich leid, dass ich Ihnen als Informa-tiker tatsächlich solches Basiswissen vermitteln muss.
Das Klonen ermöglicht gerade im Bereich der Medi-zin großen Fortschritt. Ich erinnere nur an die Produk-tion von pharmazeutischen Eiweißstoffen. Es ermöglichtaußerdem den Erhalt genetischer Vielfalt, beispielsweisedes Mufflonwilds. Wir sollten uns auf keinen Fall wis-senschaftlich isolieren. Vielmehr müssen wir daran mit-wirken, dass die Menschen in Deutschland die modernenlandwirtschaftlichen Methoden begreifen. Wir müssensie dafür öffnen. Dazu gehört auch, ihnen die Tierzuchtbegreiflich zu machen und sie auf dem Weg mitzuneh-men. Dies kommt den landwirtschaftlichen Betriebengenauso zugute wie den Verbraucherinnen und Verbrau-chern. Das ist Ziel der FDP-Politik.Danke schön für die Aufmerksamkeit.
Friedrich Ostendorff hat das Wort für Bündnis 90/DieGrünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen undHerren! In Deutschland gibt es einen ethischen Grund-konsens, ein gemeinsames Wertefundament, das unsereGesellschaft auszeichnet und auf das wir stolz sind.
Dieser ethische Grundkonsens spiegelt sich zum Bei-spiel im Umgang mit dem Mitgeschöpf Tier wider. DerSchutz der Tiere steht genau deshalb in unserem Grund-gesetz. Ich glaube, unsere Gesellschaft hat ein sehr ge-naues Empfinden dafür, was man mit einem Tier tun darfund was man nicht tun darf.
Das Klonen von Tieren widerspricht – das ist spätes-tens seit dem Klonschaf Dolly klar – den Werten unsererGesellschaft. Im Kern geht es immer um die eine Frage:Dürfen wir das Tier zur Minimierung der Produktions-kosten willkürlich der billigsten, arbeitsparendsten Hal-tungsform anpassen, oder haben wir auch noch einenethischen Anspruch an unseren Umgang mit den Tieren?Klonen bedeutet das tausendfache Kopieren zum Bei-spiel ein und derselben Hochleistungskuh. ZahlloseTiere werden mit schweren Missbildungen geboren, er-legtrBrirebvvvbzrudteAFEduvNApanLwkIncdDaBwwRhg„
Die Anti-Klonfleisch-Koalition ist breit und reichtom Deutschen Bauernverband über die Umweltver-ände und die Kirchen bis hin zu Foodwatch. Der Vorsit-ende der Bundesvereinigung der Deutschen Ernäh-ngsindustrie, Herr Abraham, erklärte: „Wir lassen unsieses Thema nicht von EU-Bürokraten und Tierzüch-rn aufzwingen.“
ufgezwungen hat es uns am Ende vor allem Noch-DP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle.
s ist beschämend, dass ausgerechnet die deutsche Bun-esregierung ein Verbot von Produkten geklonter Tierend deren Nachkommen und selbst eine Kennzeichnungon Klonfleisch in der EU zu Fall gebracht hat.
och-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle oder seinebgesandten haben in Brüssel verhindert, dass der Kom-romissvorschlag seiner Kabinettskollegin Ilse Aignerngenommen wurde, der wenigstens für eine Kennzeich-ung gesorgt hätte. Brüderle hat auch dafür gesorgt, dassebensmittel, die mittels Nanotechnologie produzierterden, weiterhin ungekennzeichnet auf den Marktommen. Wieder einmal war es Herr Brüderle, der dieteressen von Europas Verbraucherinnen und Verbrau-hern den wirtschaftlichen Interessen Amerikas und an-erer untergeordnet hat.
Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa undeutschland werden künftig Klonfleisch und Klonmilchuf dem Tisch haben, ohne es zu wissen, weil Herrrüderle nicht will, dass sie es wissen, schlimmer noch,eil auch die Bundeskanzlerin nicht will, dass wir esissen; denn Herr Brüderle handelte offenbar mit vollerückdeckung des Kanzleramtes. „Klarheit und Wahr-eit“ lautet die selbstgerechte Überschrift schwarz-elber Verbraucherpolitik. Die Bild-Zeitung nennt esVerbraucher-Verarsche“. Das ist Wahrheit und Klarheit
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11591
Friedrich Ostendorff
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Ihrer Politik, meine Damen und Herren. Die Demontageder eigenen Verbraucherschutzministerin nimmt dieBundeskanzlerin dabei billigend in Kauf, so wie sie auchtatenlos zusieht, wie die eigenen Leute jeden richtigenVorstoß von Ilse Aigner beim Tierschutz und Verbrau-cherschutz hinterrücks sabotieren, anstatt der eigenenMinisterin den Rücken zu stärken. Wir erlebten heutemorgen im Ausschuss dafür ein Beispiel.
Das Klonfleischergebnis ist ein weiteres Desaster fürden Tierschutz, ein weiteres Desaster für den Verbrau-cherschutz in Europa. Herr Brüderle trägt dafür die Ver-antwortung. EU-Gesundheitspolitiker Peter Liese vonder CDU kommentierte das wie folgt, liebe ChristelHappach-Kasan:Das Verhalten von BundeswirtschaftsministerRainer Brüderle in der Klonfleischfrage ist nebenseiner unglücklichen Rolle in der Energiepolitik einweiterer Grund für einen Rücktritt.
Peter Liese hat recht, und das wissen Sie genau. Wirfordern daher die Bundeskanzlerin auf: Entlassen SieHerrn Brüderle, informieren Sie das Parlament darüber,welche Rolle das Kanzleramt bei diesem schmutzigenKlonfleischdeal gespielt hat und was Deutschland fürdiesen Verrat an den Verbraucherinnen und Verbrau-chern geboten wurde! Sorgen Sie dafür, dass in Brüsselneu verhandelt wird, um endlich ein Verbot für Produktevon geklonten Tieren und deren Nachfahren in der EUdurchzusetzen!Schönen Dank.
Alois Gerig hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-
Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Siemich meine wichtigste Botschaft zu dieser AktuellenStunde gleich an den Anfang meiner Rede setzen. Dieheutige Debatte zum Klonfleisch ist nach meiner Mei-nung zum jetzigen Zeitpunkt so unnötig – das sage ichsehr bewusst in Richtung der Antragsteller – wie dasKlonfleisch selber, zumal wir beim Ziel alle einer Mei-nung sind.
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Diese Debatte kann wieder einmal nur dazu dienen,ass die Verbraucher verunsichert werden. Deshalb kurzur Klarstellung: Wissenschaftliche Untersuchungen be-tätigen, dass durch den Verzehr von Lebensmitteln auseklonten Tieren keine gesundheitlichen Risiken entste-en können. Außerdem ist die Herstellung von Klon-eisch, wie wir bereits gehört haben, aufwendig unduer, sodass eine Massenproduktion glücklicherweiseicht zu erwarten ist. Aber jetzt der Reihe nach.In der vergangenen Woche erreichte uns ohne Frageine schlechte Nachricht aus Brüssel: Rat, Kommissionnd Europäisches Parlament konnten sich nicht auf eineovellierung der Novel-Food-Verordnung einigen, ob-ohl ein Erfolg in greifbarer Nähe war. Was diesescheitern bedeutet, haben wir ja gehört. Aus Sicht derDU/CSU ist das Scheitern der Verhandlungen – hörenie bitte genau hin! – sehr bedauerlich. Das Klonen vonieren ist ein höchst bedenklicher Eingriff in die Schöp-ng, den viele Bürger als eine Vorstufe zum Klonen vonenschen ansehen. Gegen das Klonen von Tierenpricht neben diesen ethischen Bedenken der Tierschutz:iele geklonte Embryonen werden gar nicht erst gebo-n, und viele geklonte Tiere sterben kurz nach der Ge-urt, mitunter qualvoll. Deshalb ist nach unserer Über-eugung ein umfassendes Klonverbot notwendig.
Danke.Neben dem Klonverbot muss geregelt werden, wieir in der EU mit den Erzeugnissen von Nachkommeneklonter Tiere umgehen. Wir können leider nicht ver-indern, dass außerhalb der EU Tiere geklont werdennd Erzeugnisse aus geklonten Tieren auf den europäi-chen Markt gelangen. Die Forderung des Europäischenarlaments nach einer umfassenden Pflicht zur Kenn-eichnung von Erzeugnissen von Nachkommen geklon-r Tiere ist aus meiner Sicht nachvollziehbar. Der euro-äische Verbraucher steht dem Klonfleisch zu Recht sehrritisch gegenüber, und deshalb ist eine weitgehenderansparenz für uns alle unbedingt erstrebenswert.Die Verhandlungen zwischen Rat, Kommission undem Europäischen Parlament haben uns klar gezeigt,ass die Forderung nach einer umfassenden Kennzeich-ungspflicht schnell an ihre Grenzen stößt. Sie ist des-alb nicht praktikabel, weil nicht bei allen tierischen Er-eugnissen eine lückenlose Rückverfolgbarkeit – darumeht es – möglich ist.
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11592 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011
Alois Gerig
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Zudem ist zu befürchten, dass eine umfassende Kenn-zeichnungspflicht zu einem faktischen Verbot der Ein-fuhr von Erzeugnissen aus Drittstaaten führt und da-durch Grundsätze der WTO verletzt werden.
Dies ist doch der Knackpunkt des Ganzen. Das Europäi-sche Parlament muss einsehen, dass es sich nicht übereine bestehende Handelsvereinbarung hinwegsetzenkann.Aus den genannten Gründen war es richtig, dass sichdie Bundesregierung in Brüssel für eine WTO-konformeLösung eingesetzt hat.
Hervorzuheben ist, dass sich neben Deutschland andereMitgliedstaaten und die EU-Kommission für die Einhal-tung internationaler Handelsverpflichtungen eingesetzthaben. Deshalb ist es völlig falsch, das Scheitern derNovel-Food-Verordnung Herrn Bundesminister RainerBrüderle in die Schuhe zu schieben.
Die Ansetzung der heutigen Aktuellen Stunde und be-stimmte Beiträge offenbaren, dass die Opposition eineKampagne gegen die Person des Wirtschaftsministersführen möchte. Dies führt aber ins Leere.
Die Bundesregierung hat bei den Verhandlungen überdie Novel-Food-Verordnung konstruktiv an Lösungengearbeitet. Frau Bundesministerin Ilse Aigner hat sichdafür eingesetzt, dass zumindest die Kennzeichnung vonLebensmitteln aus der ersten Generation von Nachkom-men geklonter Tiere Pflicht wird. Es ist sehr bedauerlich,dass sich im Rat zu wenige Mitgliedstaaten fanden, diediesen Weg mitgehen wollten.Statt ungerechtfertigte Kampagnen gegen die Mitglie-der der Bundesregierung zu führen, sollten wir gemein-sam die Frage in den Mittelpunkt stellen, wie wir dasKlonverbot und eine vernünftige Kennzeichnungsrege-lung zustande bringen.
Herr Kollege, kommen Sie zum Ende, bitte.
Jawohl. Ich bin gleich am Ende. – Kommission, Rat
und das Europäische Parlament fordern wir auf, umge-
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ass wir jetzt Fleisch von geklonten Tieren ohne Kenn-eichnung in den Supermärkten zulassen, hat etwas mitem Verhalten der deutschen Bundesregierung zu tun.as müssen wir doch viel stärker in den Mittelpunkttellen. Sich hier hinzustellen und zu sagen: „Das haturopa mal eben so beschlossen, nun finden wir dasanz schlimm“, ist, finde ich, geheuchelt, um das auchinmal deutlich zu sagen.
Der 29. März ist für die Verbraucherinnen und Ver-raucher ein schwarzer Tag gewesen. Wir sehen, dass esine Abstimmung mit einer Regierung gab, die dieseshema so wenig ernst nimmt, dass sie hier heute nochicht einmal Stellung zu ihrem Verhalten nimmt. Sie istoch nicht einmal in allen Teilen anwesend. Von daherehen wir, wie ernst die Regierung diesen Teil nimmt.Wir wissen auch, dass es innerhalb der Koalition malieder eine Situation gibt, die dazu führt, dass die einenedauern, dass wir diese Lösung haben, während die an-eren sagen: Wir können gar nicht schnell genug nocheiter in die Klondebatte kommen. – Ich empfehle Ih-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11593
Kerstin Tack
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nen: Machen Sie an dieser Stelle auch hier einmal einMoratorium, gehen Sie miteinander ins Gericht und klä-ren Sie, wie denn eigentlich Ihre Position zum ThemaKlonfleisch ist! Die Verbraucherinnen und Verbrauchererwarten jedenfalls mehr Antworten als das, was wir hierheute gehört haben.
Um einmal etwas anderes zu machen, als HerrnBrüderle hier vorzuführen, will ich Ihnen sagen: Wir ha-ben das Pech, dass wir eine Verbraucherministerin ha-ben, die ein so schwaches Glied dieses Kabinetts ist,dass ihr Vermittlungsvorschlag, nämlich eine Kenn-zeichnung vorzunehmen, dort keine Mehrheit gefundenhat. Auch das ist ein Skandal. Wir haben eine Verbrau-cherministerin, die derart schwach ist, dass sie hilflos zu-sehen muss, wie ihr Kollege innerhalb dieser Debatte ei-nen Scherbenhaufen an Verbraucherrechten hinterlässt.Wir müssen deutlich sagen: Eine solche Ministerin, diedie Verbraucherinnen und Verbraucher nicht in der Artund Weise schützen kann, wie es erforderlich ist, darfdiesem Kabinett eigentlich auch nicht mehr angehören.
Egal was Frau Aigner anfasst: Wenn sie nicht alleinzuständig ist, kriegt sie in diesem Kabinett nichts durch.Ob es mit dem Finanzminister um den Anlegerschutzgeht, mit dem Umweltminister um die Waldstrategie, mitdem Innenminister um den Datenschutz und mit derKanzlerin um Google,
diese Verbraucherministerin ist nicht in der Lage, dieVerbraucherinnen und Verbraucher in der Art zu schüt-zen, dass sie als Marktteilnehmer ernst genommen wer-den und mit ihrem Kaufverhalten dazu beitragen kön-nen, wie die Angebotsseite im Supermarkt aufgestellt ist.Dazu brauchen sie aber eine Information und eine Kenn-zeichnung, die sie in die Lage versetzt, diese Entschei-dung abzuwägen und nach bestem Wissen und Wollenauch treffen zu können.In Bezug auf Ihre Kampagne „Klarheit und Wahrheit“will ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Opposi-tionsfraktionen die Einzigen sind, welche die FrauMinisterin bei der Internetplattform „Klarheit und Wahr-heit“ überhaupt unterstützt haben. Denn Sie als Regie-rungskoalition sind diejenigen, die ihre eigene Ministe-rin vorgeführt haben und das von ihr Vorgeschlagene umGottes willen mit allen Mitteln verhindern wollten.Auf der einen Seite macht die Ministerin die Kam-pagne „Klarheit und Wahrheit“ bei den Lebensmitteln,aber in der eigenen Politik sorgt sie für Intransparenzund Irreführung. Auch das ist Teil einer Verbraucherpo-litik, wie sie Deutschland, im Moment vertreten durchdie Bundesregierung und deren Mitglied Frau MinisterinAigner, hier vorführt.jedenmvdsnafüdEdfiticdsLFKsSm–fiügliindinvEtegdA
Hans-Michael Goldmann hat das Wort für die FDP-
raktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Ich würde einfach einmal empfehlen, zu le-en. Wenn man das tut, dann sieht man: Die Aktuelletunde hat das Thema „Gründe des Bundeswirtschafts-inisters gegen ein Verbot von Klonfleisch“.
Herr Kelber, Sie sind vielleicht dieser Meinung. – Ichnde es schade, dass man eine so wichtige Diskussionber ein Thema, das die Menschen bewegt, im Grundeenommen auf eine Person reduziert und die grundsätz-che Frage „Wie gehen wir mit dem Klonen um?“ dabei eine Ecke schiebt, die die Sache wirklich nicht ver-ient hat.Die Ausrichtung auf den Bundeswirtschaftsminister dieser Frage ist im Grunde genommen auch Ausdruckon politischer Unwissenheit. Sie sollten wissen, dass inuropa nicht die Position des Bundeswirtschaftsminis-rs, sondern die Position der Bundesregierung zum Tra-en kommt. Deswegen will ich Ihnen einmal sagen, wasie Bundesregierung erklärt hätte, wenn wir heute imusschuss zügiger gearbeitet hätten:
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Hans-Michael Goldmann
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Die Bundesregierung bedauert das Scheitern des Ver-mittlungsverfahrens.
– Herr Kelber, sind Sie wenigstens so nett und hören zu,oder wollen Sie nur dazwischenbrüllen?
– Danke. Herr Kelber, Sie sind immer so angenehm. –Berichte in den Medien, so sagt die Bundesregierung,die Verhandlungen seien an Deutschland gescheitert,sind falsch. – Herr Kelber, das wissen Sie auch. – Beiden Verhandlungen mit dem Europäischen Parlamentund der Kommission – Frau Tack, man sollte wissen, dassdie Dinge nicht nach Europa geschoben werden, sonderndass sie auf europäischer Ebene verankert sind; Sie wissenauch, dass das Europäische Parlament neue Mitsprache-rechte hat und dass es im Moment eine ungarische Präsi-dentschaft gibt – hat die ungarische Präsidentschaft dievorher mit allen Mitgliedstaaten abgestimmte Positiondes Rates vertreten. Die Bundesregierung hat die Posi-tion des Rates nicht nur zur Kenntnis genommen, son-dern unterstützt und war bereit, eine darüber hinausge-hende Kennzeichnung von Lebensmitteln der erstenNachkommensgeneration geklonter Tiere mitzutragen– jetzt kommt es! –, wenn die Europäische Kommissiondies ebenfalls als WTO-konform mitgetragen hätte.
Da die Europäische Kommission das nicht als WTO-konform mitgetragen hat, sind dort die Gespräche ge-scheitert.Das bedauert die Bundesregierung. Wir werden ver-suchen, das Scheitern zu korrigieren.
Ich glaube, dass Sie, Frau Tack, und andere einfacheinmal überlegen sollten – ich will jetzt nicht klugschei-ßerisch sein –, was Sie eigentlich wollen. Wollen Sie dieKennzeichnung von geklontem Fleisch, oder wollen Sieüberhaupt kein Klonen?
– Moment! Langsam! Sie haben eben davon geredet, essei ganz schlimm, dass dieses geklonte Fleisch auf demMarkt nicht gekennzeichnet sei.
Sie müssen sich schon entscheiden: Sind Sie ganz gene-rell gegen jede Form des Klonens, oder wollen Sie nurdie Ergebnisse des Klonens dem Verbraucher kenntlichmachen, sodass er sich entscheiden kann?–nSVtaWpDKMssdHsgWsbWSBmreNwAGsMImbgkkgw
Herr Kelber, langsam! Ich höre Sie auch, wenn Sieicht so brüllen.
Da gibt es, finde ich, einen Sprung. Sie sagen, dassie einen Ethikrat wollen. In Ordnung! Ich bin dabei!
or kurzem hat der Ethikrat die Position zur Präimplan-tionsdiagnostik im Deutschen Bundestag vorgestellt.o waren Sie, als wir über dessen Haltung zur Präim-lantationsdiagnostik diskutiert haben? Wo waren Sie da?Ich bin sehr gerne bereit, mit Ihnen eine intensiveiskussion über das Klonen zu führen, aber, Herrelber, dann mit ein bisschen mehr Fachlichkeit.anchmal ist es nicht verkehrt, auf die zu hören, dieich bei ihrem Tiermedizinstudium auch mit Genetik be-chäftigt haben. Wissen Sie überhaupt, worüber wir re-en?
err Kelber, wissen Sie überhaupt, dass sehr viele Men-chen froh darüber sind, dass es therapeutisches Klonenibt?
issen Sie, dass Klone natürlich vorkommen? Men-chen zum Beispiel, die eine Zwillingsgeburt haben, ha-en Klone.
issen Sie, dass Klone nicht automatisch immer etwaschlechtes sind? Wissen Sie, dass sich Pflanzen zumeispiel im Grunde genommen im Klonverfahren ver-ehren, dass man das also nicht einfach so diskreditie-n darf? – Nein, Sie wissen es nicht.
ein, Herr Kelber, Sie sprechen davon, dass Klonen et-as mit Gendefekten zu tun hat. Genau daran wird Ihrebsicht deutlich: Sie wollen Klonen in den Bereich derentechnik schieben und damit deutlich machen, dass esich dabei um eine Form von Genmanipulation handelt.Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Im deutschenarkt gibt es keinen geklonten schwarzbunten Bullen. deutschen Markt gibt es keinen geklonten Fleckvieh-ullen. Im deutschen Markt gibt es aber möglicherweiseeklontes Fleisch, weil es Sperma von Bullen aus ameri-anischer Züchtung gibt, die im Grunde genommen ge-lont sind. Wir müssen uns nun darum kümmern, dassekennzeichnet wird, wenn solches Fleisch verbreitetird. Deswegen bin ich dafür, dass wir einen erneuten
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11595
Hans-Michael Goldmann
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Anlauf unternehmen, dieses Problem vom Tisch zu be-kommen, und dafür sorgen, dass der Verbraucher nochbesser darüber informiert wird.Hören Sie aber damit auf, zu erklären, dass geklontesFleisch von minderer Qualität ist! Das Problem – das hatHerr Ostendorff völlig richtig beschrieben – entsteht imGrunde genommen in der Klonphase. Hier sind erhebli-che Mängel beim Tierschutz vorhanden.
Herr Kollege!
Auf der anderen Seite muss man aber auch sehen,
dass zum Beispiel die Effizienzrate bei Rindern – das
wissen Sie, Herr Kelber, ja auch – bis zu 87 Prozent be-
trägt. Etwas mehr Fachlichkeit bei diesem Thema würde
uns also helfen.
Herzlichen Dank.
Die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß hat jetzt das
Wort für die SPD-Fraktion.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr ge-ehrten Damen und Herren! Ich finde es immer wiederschön, wenn Herr Goldmann uns hier in einer Art VHS-Kurs noch einmal informiert, was das alles bedeutet.Vielen Dank, Herr Kollege Goldmann!
Gerne hätte ich den Herrn Staatssekretär Bleser alsVertreter der Ministerin, die ja heute wie auch der HerrBrüderle leider fehlt, gefragt, ob ihm heute Morgen seinGlas Milch geschmeckt hat oder das Stück Fleisch, daser heute Mittag gegessen hat. Hier wird ja vielfach nachdem Motto verfahren: Was ich nicht weiß, macht michnicht heiß. Denn – Sie, sehr verehrte Damen und Herrenoben auf den Rängen, haben es ja schon vielfach gehört –:Es gibt kein Verbot von Fleischprodukten oder anderenNahrungsmitteln, die aus Klontieren bzw. deren Nach-kommen gewonnen werden.
Es gibt nicht einmal eine Kennzeichnungspflicht. Diesehat jetzt ja sogar Frau Aigner gefordert. In diesem Fallist sie tatsächlich einmal ihrem Titel als Verbraucher-schutzministerin gerecht geworden.Wie wir alle wissen – Frau Kollegin Tack hat es jaauch ausgeführt –, konnte sie sich aber gegen ihren Mi-nisterkollegen Brüderle, der ja jetzt auch von der FDP-SzHscDVfadwskDbMdhkkDuörunkEmraAtiWKsgvisnbsqssk
err Brüderle hatte sich ja, wie wir alle wissen, querge-tellt und dafür gesorgt, dass eine verbraucherfreundli-he Regelung nicht zustande kam.
iesem Minister sind nämlich die Verbraucherinnen underbraucher völlig egal; auch das ist hier schon mehr-ch angesprochen worden. Ihn interessieren letztendlichoch nur die Interessen der Wirtschaft. Bedauerlicher-eise stellt er sich hier im Parlament nicht der Diskus-ion, was ich außerordentlich schade finde. Ansonstenönnte er doch hier bestätigen, dass es ihm nur um dieurchsetzung der Interessen der Industrie geht, die Ver-raucherinnen und Verbraucher ihm dagegen egal sind.öglicherweise fürchtet er allerdings die Stenografen,ie protokollieren, was er wieder einmal nicht gesagtat.
Auch aus Sicht der Fleischproduzenten muss dochlar sein, dass die Haltung der Bundesregierung sehrurzsichtig ist.
enn der Vertrauensverlust bei den Verbraucherinnennd Verbrauchern in Sachen Fleisch bedeutet auch einkonomisches Risiko, wenn damit eine Verhaltensände-ng einhergeht. Das ist der Fall, wenn der Verbrauchericht weiß, ob das Fleisch an der Fleischtheke von Nach-ommen geklonter Tiere stammt.
Das Ganze hat aber noch eine viel grundlegenderebene. Es stellt sich nämlich die Frage: Ist Ihre Politikit Ihren ethischen Maßstäben vereinbar? Die Ethikbe-tergruppe der EU sagt, es gebe keine überzeugendenrgumente, um die Produktion von Nahrung aus Klon-eren und ihren Nachkommen zu rechtfertigen.
as macht eine christlich-liberale Bundesregierung imern noch aus, wenn es ein ethisches Fundament offen-ichtlich nicht mehr gibt? Was die Menschen betrifft,ibt es dieses Fundament nicht. Es ist aber auch nichtorhanden, wenn es um den Tierschutz geht. Auch dast hier schon mehrfach ausgeführt worden. Denn einennenswerter Anteil der Klontiere ist gesundheitlicheeinträchtigt. Die Vizepräsidentin des Deutschen Tier-chutzbundes hat gefragt, ob es jetzt freie Fahrt für Tier-uälerei gebe. Wir dürfen nicht einfach darüber hinweg-ehen, dass Tiere großem Leiden ausgesetzt sind.Bemerkenswert ist auch, dass nicht nur das Europäi-che Parlament – es hat Gott sei Dank mehr Rechte be-ommen –, sondern auch meine Kolleginnen und Kolle-
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Elvira Drobinski-Weiß
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gen von der konservativen Seite dieses Hauses dasErgebnis bedauern. Ich finde es aber schade, dass Sie,Herr Kollege Holzenkamp, der Sie das, was beschlossenworden ist, total ablehnen, nicht auf Ihren Koalitions-partner in Person des Wirtschaftsministers Brüderle ein-wirken konnten. An dieser Stelle hätten Sie zu einemechten Verbraucherschutz beitragen können. Selbst derKollege Goldmann, der Vorsitzender des Ausschussesfür Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutzist, hat bedauert, dass es „im Interesse von Wahrheit undKlarheit im Markt“ keine Kennzeichnung gibt.
Geholfen hat es allerdings nichts; denn selbst der vomEuropäischen Parlament vorgeschlagene Kompromiss,Fleisch und andere Produkte von Nachkommen geklon-ter Tiere zwar zuzulassen, aber entsprechend zu kenn-zeichnen,
wurde von deutscher Seite im Rat einfach abgebügelt.Auch das muss gesagt werden.
Nicht nur beim Klonfleisch lässt die Bundesregierungdie Verbraucherinnen und Verbraucher im Regen stehen.Zum Beispiel ist auch eine Einigung über eine Kenn-zeichnungs- und Zulassungspflicht für Nanomaterialienin Lebensmitteln hinten heruntergefallen.
Ich erwähne in diesem Zusammenhang nur die Novel-Food-Verordnung, die ebenfalls hinten heruntergefallenist. Über die Grüne Gentechnik könnten wir auch nochdiskutieren.Ihr Motto lautet: Was interessieren mich die Men-schen, was interessieren mich die Verbraucherinnen undVerbraucher? Gar nichts. Und da wundern wir uns überPolitikverdrossenheit. Wir brauchen diese Technologienicht; denn sie dient nicht dem Kampf gegen den Hungerin der Welt, sondern sie wird lediglich dazu genutzt, be-sonders viel Geld zu verdienen.Wir wollen wissen, was wir essen. An die Adressevon Herrn Brüderle – auch wenn er jetzt nicht anwesendist – sage ich: Sie haben eine entsprechende Regelungverhindert. Ich kann die Forderung des konservativenKollegen aus dem Europäischen Parlament sehr gut ver-stehen. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.Vielen Dank.
Der Kollege Obermeier spricht für die CDU/CSU-
Fraktion.
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Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Wennan die Debatte verfolgt,
ann verzweifelt man über die Art und Weise, wie diepposition mit einem so wichtigen, für die Schöpfungxistenziellen Thema umgeht.
Ich nehme den Kollegen Ostendorff aus, der in seinerede der Sache gerecht wurde. Aber was beispielsweiseie Frau Tack und andere Kolleginnen und Kollegenorgetragen haben, dient meines Erachtens nur der Dis-reditierung der Mitglieder der Bundesregierung und deritglieder der sie tragenden Fraktionen dieses Hauses.Sie sagen nichts aus zur Sache und zur Problematik,ie uns bei der Thematik beschäftigen sollten. Es gibtur persönliche Anwürfe, Beschimpfungen und Ähnli-hes und nichts zur Problemstellung, vor der die Bun-esregierung stand, als es um die Frage ging: Wie posi-onieren wir uns zu der europäischen Verordnung?Kolleginnen und Kollegen, die Haltung der Bundesre-ierung wird im Kabinett festgelegt. Dort haben sich dieabinettsmitglieder, Frau Aigner und Herr Brüderle, zuort gemeldet und auf die unterschiedlichen Formennd Interessen hingewiesen. Die Frau Verbraucher-chutzministerin hat sehr wohl auf die ethischen Dingend auf die Tierschutzfragen hingewiesen. Dem Herrnundeswirtschaftsminister muss man zugestehen, dassr auf rechtliche Belange hinweist, die für meine Be-riffe nicht vernachlässigt werden dürfen.
So gelten für lebende Tiere, für tierische Erzeugnisseie Samen und Embryonen, aber auch Wolle und Lederowie für Lebensmittel multilaterale Übereinkommener Welthandelsorganisation, der WTO. Diese sind zueachten. Ich habe es genau verfolgt: Von Ihnen aus derpposition wurde auf diese Belange der WTO mit kei-em Wort hingewiesen. Das ist der schlagende Beweisafür, dass es Ihnen eigentlich nicht um die grundlegen-en Themen der Schöpfungsbewahrung geht, sondernass es Ihnen nur um die Diskreditierung der Mitgliederer Bundesregierung geht
nd dass es Ihnen darum geht, die Verbraucher mit Wor-n wie beispielsweise der Aussage zu verunsichern,
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Franz Obermeier
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dass wir geklontes Fleisch auf unseren Tellern nichtmehr ausschließen können.
Kolleginnen und Kollegen, es geht um die Fragen:Wie beachten wir das Allgemeine Zoll- und Handelsab-kommen, GATT? Was ist mit dem Übereinkommen überdie Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzen-schutzrechtlicher Maßnahmen und dem Übereinkommender technischen Handelshemmnisse? Was sagen Siedazu? Nichts. Mit keinem Wort erwähnen Sie diese Pro-blematik, vor der wir stehen. Sie machen nur persönlicheAnwürfe.Kolleginnen und Kollegen, ein mehrheitsfähiger Vor-schlag des Rates war es, schrittweise vorzugehen. Zu-nächst sollte das Fleisch von geklonten Tieren und auchdas von den Nachkommen geklonter Tiere gekennzeich-net werden. Über weitere Kennzeichnungen von Lebens-mittelprodukten von Nachfahren geklonter Tiere, zumBeispiel von Milch, und über alle noch offenen Fragender Kennzeichnung, der Erfassung etc. sollte erst binnenzwei Jahren ein Bericht verfasst werden. Auf dieser Ba-sis sollte die Kommission sodann Regeln vorschlagen.Im Gegensatz dazu wollte das Europäische Parlamenteine sofortige Kennzeichnung von der ersten Generationan.
Deutschland hat im Rat die durchsetzbaren Positionensorgfältig „abgetastet“ und alles versucht, um dem ge-fundenen Kompromissvorschlag zum Durchbruch zuverhelfen.
Das ist leider an der Mehrheit des Europäischen Parla-ments gescheitert. Die Folge ist nun, dass die alte Rege-lung fortbesteht, wonach die Nachkommen geklonterTiere nicht erfasst werden.
Kolleginnen und Kollegen, wir haben einen Konsensdahin gehend, dass wir geklonte Tiere nicht wollen. Wirhaben einen Konsens, dass wir dies auch aus ethischenGründen verhindern wollen.
Wir wollen verhindern, dass sich das Klonen weiter ver-breitet und dass wir am Ende doch Interessen nachgebenmüssen, die wir nicht verantworten können. Auf dieserBasis schlage ich vor, dass wir auf europäischer Ebenedie Diskussion fortsetzen, um zu besseren Regelungenzu kommen als denen, die wir jetzt haben.Vielen Dank.
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Passen Sie auf. – Schon im Juni 2009 hat nämlich dieundesregierung – soviel ich weiß, war damals ein Herron und zu Guttenberg Wirtschaftsminister; die Verbrau-herministerin hieß schon damals Aigner – den Wider-tand gegen den Verkauf von Fleisch, das von Nachkom-en von Klontieren stammt, in der EU aufgegeben. Soiel zur Richtigstellung.Vor ungefähr neun Tagen – das wurde schon gesagt –urde der deutsche Widerstand in Brüssel endgültig auf-egeben. Man hat das alles durchgehen lassen. Das Eu-päische Parlament wollte ein komplettes Klonverbot.er Ministerrat hingegen wollte weder ein Verbot nochine Kennzeichnung. Für Europa gibt es daher keine Re-elung in Sachen Klonfleisch. Das ist das Schlimmste,as dem Verbraucher passieren konnte.
ass selbst der Europa-Abgeordnete der CDU das kriti-iert, darauf wurde schon hingewiesen.
ber es hilft nichts, der Dissens bleibt, und somit bleibtlles beim Alten.Der EU-Kommissar John Dalli beschwichtigt. Wis-enschaftliche Untersuchungen hätten ergeben, dass Pro-ukte der Nachfahren völlig ungefährlich seien.
r hat bestätigt, dass es in Europa keine Kontrollen hin-ichtlich der Klontechniken und der Klone in Europa ge-en wird. Die Kommission argumentiert damit, dassontrollen und Kennzeichnungen zur Ermittlung dererkunft geklonter Tiere und deren Nachfahren sehrufwendig seien. Damit bestätigt die Kommission die
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Doris Barnett
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deutschen Bedenken, dass EU-Klonfleischregeln gegenWTO-Regeln verstoßen könnten, und niemand will ei-nen Handelskrieg mit den USA, weil das auch Auswir-kungen auf Exporte europäischer Agrarüberschüssehätte. Man muss immer fragen: Wem nützt was?
Also haben unsere deutschen Minister Aigner undBrüderle eine abgestimmte, hinweisende Position: InDeutschland ist man für ein Klonverbot, aber wegen deszu beachtenden multilateralen Handelssystems der WTOkann man nicht einmal für eine Kennzeichnung und einSystem der Rückverfolgung in Europa sein. Ich frageSie: Seit wann sind denn WTO-Regeln in Stein gemei-ßeltes Naturrecht? Immerhin haben wir es beim Hor-monfleisch 25 Jahre lang geschafft, die Barriere hochzu-halten.In Deutschland oder Europa werden keine geklontenTiere bzw. deren Produkte verkauft – das wissen wir, daswäre auch viel zu teuer –, also streitet man sich wegender Produkte aus dem Fleisch von Klonnachkommen.Aber, liebe Landsleute, beruhigt euch. Man sagt uns,dass der Verzehr des Fleisches der Nachkommen unbe-denklich ist. Es geht aber auch um den Tierschutz unddie Ethik; denn Klone haben – darauf wurde hingewie-sen – bestimmte Auffälligkeiten. Diese findet man beideren Nachfahren aber angeblich nicht mehr. Deshalb istes auch wesentlich einfacher, über diese zu reden. Mankann sagen: Alles nicht schlimm. Ihr könnt das essen, espassiert nichts.Ärgerlich ist Folgendes: Der Aufwand, den man be-treiben muss, um die Herkunft der Nachfahren vonKlontieren nachzuvollziehen, ist angeblich zu groß.
Natürlich gibt es in den USA kein System zur Erfassung.Wenn die EU diesbezüglich etwas einführen wollte,würde dies wiederum gegen die WTO-Regeln verstoßen.Liebe Leute, seltsam ist, dass diese ganzen Bedenkenwegen der WTO-Regeln bei dem BSE- und dem Dioxin-Skandal gar keine Rolle spielten. Da konnte man alleszurückverfolgen, und jeder konnte die Information ver-langen.
Für mich ist folgende Feststellung wichtig: Wir verfü-gen über die Methoden. Wir haben die entsprechendenDatenbanken. Die Transparenz muss also nur gewolltsein. Jetzt ist das Ganze aber auf Eis gelegt worden. Inzwei Jahren will der Ministerrat die Frage erneut prüfen.Toll! Wir werden sehen, ob dieses Vorhaben nicht dochauf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird.Für Fragen der Energiesicherung bemühen wir eineneu eingerichtete Ethikgruppe. Der Ethikrat, den wir seitein paar Jahren haben, könnte sich mit diesen Fragen jaeinmal befassen. Wenn er das nicht tut, bedeutet das fürmWTscPureErukzMEdMteLgKkpgEnRNdVaretefürepvSbvZ
Dieter Stier hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine Damen und Herren! Klonen kann sich lohnen.rst kommt die Kuh dran, dann, mein Schatz, bist duran.
it diesem von mir – ich gebe das zu – frei interpretier-n Zitat begrüßt der Sänger Max Raabe in einem seinerieder unzählige Zuschauer, von denen nicht ein Einzi-er geklont ist.Aber Spaß beiseite: Wie emotional über das Themalonfleisch und über seine Kennzeichnung derzeit dis-utiert wird, konnten wir in den letzten Tagen der Tages-resse entnehmen. Nach dem Scheitern der Verhandlun-en zwischen dem Europäischen Parlament und demuropäischen Rat über die strittige Frage der Kennzeich-ung von frischem Fleisch der Nachkommen geklonterinder der ersten Generation kann die Neufassung derovel-Food-Verordnung leider nicht verabschiedet wer-en.Dies ist außerordentlich bedauerlich; das haben einigeorredner bereits deutlich gemacht. Denn damit sinduch die in dieser Verordnung vorgesehenen Übergangs-gelungen vom Tisch. Diese Regelungen hätten einmporäres Verbot des Klonens zu Lebensmittelzweckenr zunächst fünf Jahre bedeutet. Nach diesen fünf Jah-n hätte eine erneute Evaluierung angestanden. Die ge-lante Entwicklung nationaler und internationaler Rück-erfolgungsmechanismen im Hinblick auf Importe vonamen und Embryonen ist damit erst einmal ausge-remst. Ausgebremst sind mit dem Nichterlass der No-el-Food-Verordnung auch die wichtigen Regelungen imusammenhang mit der Nanotechnologie.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11599
Dieter Stier
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Meine Damen und Herren, aus diesen Gründen hätteich mir vonseiten des EU-Parlaments ein engagierteresund vor allem kompromissbereiteres Vorgehen ge-wünscht. Aber wir müssen auch erkennen, wie schwieriges ist, den Königsweg zu finden, wenn man dem Klonenerst einmal die Tore geöffnet hat. Wir brauchen eine ein-deutige Rechtslage, bevor wir dem Einsatz von Klonver-fahren bei der Lebensmittelproduktion sowie der Kenn-zeichnung von geklonten Lebensmittelprodukten grünesLicht geben.
Einen Schwerpunkt im Zusammenhang mit dem Klo-nen möchte ich auf das Wohlergehen der Tiere legen.Der zu beobachtende hohe Anteil der Sterberate von ge-klonten Tieren – das wurde heute schon gesagt – ent-spricht bei weitem nicht unserem Maßstab von Tier-schutz und Tiergesundheit. Die Mehrheit der Klone kannsich gar nicht erst bis zur Geburt entwickeln. Die Sterbe-rate ist signifikant höher als bei normal reproduziertenTieren. Ein japanisches Forschungsprojekt, das zwi-schen Juli 1998 und September 2009 durchgeführtwurde, zeigte: Von 575 geklonten Rindern starben55 Prozent kurz nach der Geburt.Eine hohe Quote von Fehlbildungen bei Klonen istaus unserer Sicht mit den ethischen Zielen des Tierschut-zes und der Tiergesundheit nicht vereinbar. Eine Fehlbil-dung, die bei Rindern häufig auftritt, ist das Large-Off-spring-Syndrom, bei dem nicht nur der Klon, sondernauch das Trägertier in Mitleidenschaft gezogen werdenkann. Bei diesem Syndrom sind geklonte Kälber undSchafe bei der Geburt außerordentlich groß, sodass eineunnatürliche, künstliche Geburtsmaßnahme, zum Bei-spiel ein Kaiserschnitt, vorgenommen werden muss.Weitere Beeinträchtigungen können erst dann zutage tre-ten, wenn die Tiere unter Leistung belastet werden.Meine Damen und Herren, das Klonen zu Lebensmit-telzwecken sollte unter der Prämisse der Tiergesundheitund des umfassenden Tierschutzes nicht ernsthaft ange-strebt werden. Meiner Meinung nach sollte das Klonenzu Forschungs- und Erhaltungszwecken in den nächstenJahren teilweise weiterhin zugelassen bleiben. Ein Gut-achten der Europäischen Behörde für Lebensmittel-sicherheit, der EFSA, aus dem Jahre 2009 kommt zudem Ergebnis, dass durch eine verbesserte Technik desKlonens die Anzahl von Krankheits- und Todesfällenverringert werden kann. Forschungen in dieser Richtungsollten also weiterhin erlaubt bleiben. Sie versuchen,dem deutschen Bürger weiszumachen, dass in Deutsch-land fast alle Menschen von Klonfleisch ernährt werden.Dem ist nicht so. Ein verschwindend geringer Bruchteilgelangt auf die Ladentheke.Persönlich bin ich davon überzeugt, dass in der Zu-kunft das Klonen in der Lebensmittelproduktion keine soausgeprägte Rolle spielen wird, wie das hier zum Teildargestellt wird; denn es ist nicht wirtschaftlich, es man-gelt an Rentabilität, und das Verfahren ist sehr teuer. Dienegativen Begleitumstände des Klonens stellen zudemimkse„Dw–ghnesKreTuAreWdes
Lieber Herr Kelber, in meiner Kinderstube habe ichelernt, mein Gegenüber ausreden zu lassen. Von Ihnenabe ich lernen dürfen, dass Sie das überhaupt nicht kön-en. Das darf ich Ihnen jetzt einmal sagen.
Ich denke vielmehr, dass die heutige Veranstaltungin Nebenkriegsschauplatz ist. Sie erwecken den An-chein, die gesamte deutsche Bevölkerung würde vonlonfleisch ernährt. Sie treiben Mitglieder der Bundes-gierung durchs Haus und benutzen dieses wichtigehema lediglich als Vorwand,
m Wirtschaftsminister Brüderle hier im Plenum vor denugen der gesamten deutschen Öffentlichkeit vorzufüh-n und zu diskreditieren.
ir haben diese Absicht durchschaut.
Herzlichen Dank.
Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Donnerstag, den 7. April, 9 Uhr,
in.
Genießen Sie den Abend und die gewonnenen Ein-
ichten.
Die Sitzung ist geschlossen.