Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Nehmen Sie bitte Platz. Guten Morgen, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich zu
der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Abgabe einer Regierungserklärung durch die
Bundeskanzlerin
zum Europäischen Rat am 16./17. Dezember
2010 in Brüssel
Zu dieser Regierungserklärung und dem damit ver-
bundenen Thema liegt je ein Entschließungsantrag der
Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke sowie der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer inter-
fraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im
Anschluss an die Regierungserklärung 90 Minuten vor-
gesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so
beschlossen.
Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
die Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das
Jahr 2010 war für die Europäische Union, für alle Bürge-
rinnen und Bürger Europas, ein Jahr großer Herausforde-
rungen und auch ein Jahr grundlegender Entscheidungen.
All das, was vorgefallen ist, steht in engstem Zusammen-
hang mit der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise
und den Auswirkungen, die sie hatte. Ich darf sagen: Wir
haben in diesem Jahr erfahren, was den Kern der Wirt-
schafts- und Währungsunion und damit der Europäischen
Union insgesamt ausmacht; wir haben erfahren, dass Eu-
ropa eine Verantwortungsgemeinschaft ist.
Nach dem Zweiten Weltkrieg haben unsere politi-
schen Vorgänger Verantwortung übernommen, für Eu-
ropa und für seine Gemeinschaft. Dies hat zu
ten Friedensperiode geführt, die es je in Europ
hat. Deutschland profitiert von dieser Gemein
der Währung und dem Binnenmarkt. Ich dar
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stabilität der Euro-Zone als Ganzes zu wahren. Darin
sollen sowohl der Privatsektor als auch der Internatio-
nale Währungsfonds eine Rolle haben, und die Inan-
spruchnahme des Mechanismus soll an strikte Auflagen
geknüpft werden.
Zweitens wird der Auftrag erfüllt, einen Vorschlag für
die zur Einrichtung des Mechanismus erforderliche eng
begrenzte Vertragsänderung vorzulegen, wobei aus-
drücklich das Beistandsverbot in Art. 125 des Vertrages
über die Arbeitsweise der Europäischen Union nicht an-
getastet werden darf.
Auf dieser Grundlage hat Präsident Van Rompuy ge-
meinsam mit der Europäischen Kommission in den letz-
ten Wochen Konsultationen mit den Mitgliedstaaten des
Europäischen Rates geführt. Dazu wird er uns morgen
seinen Bericht vorlegen, und die Oktoberbeschlüsse wer-
den umgesetzt. Außerdem wird die Erklärung der Finanz-
minister der Euro-Zone vom 28. November 2010, in der
die Grundzüge des neuen Mechanismus verabredet wur-
den, vom Europäischen Rat beschlossen werden. Auf die-
ser Grundlage werden wir mit der Kommission die De-
tails – ich betone: die Details – für eine Vereinbarung
unter den Mitgliedern der Euro-Zone bis März 2011 aus-
arbeiten. Die bereits in der Euro-Gruppe vereinbarten
Grundzüge enthalten alle Elemente, für die wir uns in en-
ger Abstimmung mit Frankreich stets starkgemacht ha-
ben und die ich auch für unverzichtbar halte.
Erstens. Es handelt sich um einen Krisenmechanis-
mus der Mitgliedstaaten der Euro-Zone. Das heißt, es
werden keine Hoheitsrechte an die Europäische Union
übertragen.
Zweitens. Voraussetzung für die Auslösung des Me-
chanismus ist die Gefährdung der Finanzstabilität der
Euro-Zone insgesamt.
Drittens. Über die Inanspruchnahme entscheiden wir
in der Euro-Zone einstimmig.
Viertens. Der Internationale Währungsfonds wird eng
eingebunden.
Fünftens. Die Inanspruchnahme des Mechanismus
durch einen Euro-Mitgliedstaat erfolgt auf der Grundlage
einer umfassenden Analyse der Schuldentragfähigkeit,
die die Europäische Kommission und der Internationale
Währungsfonds in Verbindung mit der Europäischen
Zentralbank erstellen werden.
Sechstens. Finanzielle Unterstützung wird an strenge
Bedingungen geknüpft.
Siebtens. Private Gläubiger werden fallweise in die
Krisenbewältigung eingebunden. Ist die Schuldentragfä-
higkeit eines Landes nicht gewährleistet, müssen – ich
wiederhole: müssen – die privaten Gläubiger einen Bei-
trag leisten. Dies entspricht dem, was bei Programmen
des Internationalen Währungsfonds üblich ist.
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Für mich ist wichtig, dass die Gewährung finanzieller
Hilfen auch in Zukunft nur letztes Mittel sein kann. Ich
bin sicher, dass wir uns morgen auf eine präzise und eng
gefasste Vertragsbestimmung für den dauerhaften Me-
chanismus einigen werden und damit die notwendige
Rechtssicherheit und Rechtsklarheit geschaffen werden.
Jetzt frage ich einfach einmal: Wer hätte es noch vor
wenigen Wochen für möglich gehalten, dass wir in Eu-
ropa das schaffen können? Was wurde nicht alles vorher-
gesagt! Wir haben uns davon nicht entmutigen lassen,
sondern konsequent für den Weg gearbeitet, den Europa
jetzt eingeschlagen hat. Ich erwarte daher, dass der Euro-
päische Rat morgen förmlich das vereinfachte Vertrags-
änderungsverfahren einleiten wird. Das bedeutet, dass
der Europäische Rat nach Anhörung des Europäischen
Parlaments, der Europäischen Kommission und der Eu-
ropäischen Zentralbank voraussichtlich schon bei dem
Treffen der Staats- und Regierungschefs im März 2011
den einstimmigen Beschluss der Vertragsänderung fas-
sen kann.
Anschließend müssen natürlich alle 27 Mitgliedstaa-
ten diese Vertragsänderung gemäß ihren nationalen Vor-
schriften ratifizieren. Wir werden uns dafür als Ziel Ende
2012 setzen, damit keine Verunsicherung aufkommt,
dass der im Augenblick geltende befristete Krisenme-
chanismus nicht eine klare Verlängerung erhält. Diese
Ratifikation wird natürlich eine äußerst wichtige Auf-
gabe für dieses Hohe Haus, für den Deutschen Bundes-
tag sein. Ich hoffe, dass sich eine breite Mehrheit finden
wird, um das Fundament der Wirtschafts- und Wäh-
rungsunion noch stabiler und noch unangreifbarer zu
machen.
Bei all den Details, die ich Ihnen hier geschildert habe
– ich denke, ich muss es Ihnen auch so schildern, weil
die Dinge sehr konkret sind; das ist für die gute Zukunft
des Euro unverzichtbar und hört sich immer sehr tech-
nisch an –, dürfen wir natürlich den eigentlichen Impuls
für unser Handeln nie aus den Augen verlieren. Dieser
Impuls sind nicht Mechanismen, Anleihen, Regeln,
Schuldengrenzen und vieles mehr – so wichtig das alles
im Einzelnen auch ist –, dieser Impuls, der Grund, wa-
rum wir das alles tun, ist etwas anderes: Es ist die gran-
diose Friedens- und Freiheitsidee der europäischen Eini-
gung.
Sie stand vor 50 Jahren mit den Römischen Verträgen
am Anfang des europäischen Einigungswerks. Sie war
der Ausgangspunkt des Handelns der damaligen politi-
schen Generation, der Ausgangspunkt nach fürchterli-
chen Kriegen, Vernichtung und unendlichem Leid für
unseren Kontinent. Diese grandiose Friedens- und Frei-
heitsidee der europäischen Einigung ist das Vermächtnis,
das unserer Generation und künftigen politischen Gene-
rationen hinterlassen wurde. Diesem Vermächtnis fühle
ich mich, die ich erst seit 1919 – 1990 – Bürgerin eines
freien und friedlichen Europas bin, –
– ja, das können Sie natürlich nicht verstehen – ganz per-
sönlich verpflichtet.
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Meine Damen und Herren, ich fühle mich dem per-
önlich verpflichtet, als Mensch, aber auch als Bundes-
anzlerin der wirtschaftlich stärksten Nation. Diese Ver-
flichtung gilt für alle Mitglieder der Bundesregierung.
s geht dabei natürlich um eine wirtschaftliche Aufgabe,
ber in erster Linie und vornweg geht es um einen politi-
chen Auftrag, für den vor über 50 Jahren der eine, im-
erwährende Leitsatz gegolten hat, der auch heute und
den nächsten 50 Jahren gilt: Niemand in Europa wird
lleingelassen, niemand in Europa wird fallen gelassen,
uropa gelingt gemeinsam. Ich füge hinzu: Europa ge-
ngt nur gemeinsam.
Mit diesen Worten haben wir 2007 die deutsche EU-
atspräsidentschaft überschrieben. Genauso gehen wir
uch an die aktuellen Aufgaben heran. Europa gelingt
emeinsam und nur gemeinsam; denn – ich sagte es zu
eginn – die Wirtschafts- und Währungsunion ist eine
erantwortungsgemeinschaft. Auch Verantwortung ge-
ngt nur gemeinsam. Verantwortung ist anstrengend. Sie
erlangt jedem in Europa etwas ab. Für den dauerhaften
rfolg Europas und der gemeinsamen Währung müssen
ir alle, die Organe der Europäischen Union und die
itgliedstaaten, unserer Verantwortung gerecht werden.
Die Aufgaben der nächsten Zeit liegen vollkommen
lar auf der Hand. Im Grundsatz gibt es darüber, so
enke ich, auch in diesem Hause weitgehende Einigkeit.
s geht nämlich um eine tiefere politische und in Bezug
uf den Euro vor allen Dingen erst einmal wirtschafts-
olitische Integration, die dann aber auch nach den Re-
eln des wirtschaftlichen Erfolges erfolgen muss. Des-
alb ist es so wichtig, dass wir in den nächsten Monaten
ber die weitere politische Integration sprechen, dass wir
ber nicht den Fehler machen, die Vergemeinschaftung
er Risiken, wie es zum Beispiel bei Euro-Bonds ge-
chieht, als Lösung erscheinen zu lassen. Dies ist über-
aupt keine Lösung, sondern die Lösung ist mehr Har-
onie und mehr Wettbewerbsfähigkeit gleicher Art in
en europäischen Mitgliedstaaten und ganz besonders
Euro-Raum. Darauf muss hingearbeitet werden.
Solidarität und Verbesserung der Wettbewerbsfähig-
eit und vor allen Dingen auch der Haushaltssituation
ind immer zwei Seiten einer Medaille. Wir dürfen
iemals eine dieser Seiten vergessen, weil Europa an-
onsten insgesamt keinen guten Weg nehmen würde.
8820 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
)
)
„Verantwortung übernehmen“ heißt, dass auch wir Ver-
antwortung übernehmen müssen – das haben wir in die-
sem Jahr im Übrigen gezeigt –, es heißt aber auch für je-
den Einzelnen, Verantwortung übernehmen zu müssen.
Darüber werden wir in den nächsten Monaten des
kommenden Jahres weiter diskutieren. Wir werden vor
allen Dingen Europa auch auf anderen Feldern weiter als
Verantwortungsgemeinschaft darstellen; denn es geht bei
diesem Rat auch um das Thema strategischer Partner-
schaften von Europa mit anderen Ländern – ich nenne
als Beispiele nur China und Russland –, und es geht da-
rum, dass wir zeigen, dass wir als Europa auch gemein-
same Ziele und Werte vertreten, wenn es um internatio-
nale Verhandlungen geht.
Der Europäische Rat wird sich mit den Ergebnissen
der Konferenz von Cancún befassen. Ich darf unserem
Bundesumweltminister ganz herzlich zu den Erfolgen,
die dort erzielt worden sind, gratulieren. Das war
schwere Arbeit.
– Auch viele von Ihnen waren daran beteiligt. Insofern
können wir alle miteinander froh sein, dass der interna-
tionale Klimaprozess nach der schwierigen Situation, die
nach Kopenhagen entstanden ist, in Cancún weiterge-
gangen ist. Ich glaube, die Freude darüber ist auch auf-
seiten der Opposition klar ausgeprägt, auch wenn man
das nicht bei jeder Wortmeldung sofort erkennen kann.
Es ist zum ersten Mal gelungen, das 2-Grad-Ziel als
Marke für den globalen Klimaschutz festzulegen; wir
sind dafür. Niemand bestreitet, dass jetzt viel Arbeit not-
wendig ist. Deutschland hat sich mit seinem 40-Prozent-
Reduktionsziel verpflichtet, zusammen mit Europa eine
Vorreiterrolle zu spielen. Aber wir müssen Schritt für
Schritt vorgehen. Insofern darf man sich über den Erfolg
von Cancún freuen und der mexikanischen Präsident-
schaft, insbesondere der Außenministerin, ein ganz herz-
liches Dankeschön sagen.
Wir werden auf diesem Europäischen Rat auch über
die Erweiterung bei Einhaltung der Kriterien für den
Beitritt zur Europäischen Union beraten. Von der Euro-
päischen Kommission wurde am 9. November 2010 ein
Fortschrittsbericht zu den EU-Beitrittskandidaten und zu
solchen Ländern des Westbalkans, die dies werden wol-
len, vorgestellt. Ich finde es sehr bemerkenswert: In die-
sem Fortschrittsbericht wird klar differenziert, und das
ist auch richtig so. Jedes Land, das der EU beitreten
möchte, wird auf dem Weg dorthin an seinen eigenen
Leistungen gemessen. Es gilt, genau hinzusehen, Refor-
men zu fordern und dann die Umsetzung zu unterstüt-
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Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
er Kollege Dr. Frank-Walter Steinmeier für die SPD-
raktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Es gibt europäische Fragen – das habe auch ich
rlebt –, bei denen die Antworten nicht auf der Hand lie-
en, und niemand sollte so tun, als habe er sie komplett
arat. Die Frage ist nur, ob diese Regierung die Bot-
chaften in den letzten Tagen, insbesondere die gestrigen
otschaften aus Frankfurt, richtig verstanden hat.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8821
Dr. Frank-Walter Steinmeier
)
)
Gestern war nicht irgendein Tag im europäischen All-
tag. Wenn Sie sich die Agenturmeldungen den Tag über
angeschaut haben, dann wissen Sie, dass es dort hieß:
Die EZB steht an der Kante. – Die FTD hat geschrieben:
„EZB muss Euro-Staaten anpumpen.“ Das Handelsblatt
schrieb: „Hilfe für Schuldensünder wird für EZB zum
Bumerang.“
Unterschätzen Sie das nicht: Das, was wir hier von
der EZB gehört haben, war ein letztes Alarmsignal. Frau
Merkel, es war heute zu spüren: Dieses Alarmsignal
wollen Sie nicht wirklich hören.
Wie hat man das zu interpretieren? Ich interpretiere
das so: Es gab eine ziemliche Scheinruhe in den letzten
Tagen, eine relative Ruhe auf den Anleihemärkten, und
diese Scheinruhe hatte einen hohen Preis. Warum? Weil
die Regierungen in Europa nicht gehandelt haben – auch
die deutsche Regierung nicht –, musste die EZB handeln
– es blieb ihr gar nichts anderes übrig –, und das hat sie
getan. Was hat sie getan? Sie hat massenhaft notleidende
Staatsanleihen aufgekauft. Die Folgen sehen wir jetzt.
Das, was droht, ist ein schwerwiegender Vertrauensver-
lust der Europäischen Zentralbank. Was wird damit klar?
Nicht nur Handeln hat seinen Preis – das ist das, womit
Sie in den letzten Tagen immer in den Medien präsent
waren –, auch Nichthandeln hat einen Preis. Hü und hott
haben wir in den letzten Tagen gesehen.
Aber das ist eben nicht nur hü und hott in den Me-
dien, sondern das hat Konsequenzen: Glaubwürdigkeits-
verlust für die Regierung, Glaubwürdigkeitsverlust auch
für die Europäische Zentralbank, wie wir sehen, die jetzt
mit in den Sog gezogen wird. Das ist nicht zu verantwor-
ten.
Wenn die Regierungen in Europa in diesen Tagen
nichts Entscheidendes bewegen oder wenn sie einfach
nur weiter darauf setzen, dass die Europäische Zentral-
bank das tut, was sie in den letzten Tagen getan hat, dann
wird diese Zentralbank, ob sie will oder nicht – das kann
sie dann gar nicht verhindern –, zur Bad Bank in Europa.
Sie wissen das genau. Herr Trichet hat es Ihnen gesagt,
Herr Weber hat es Ihnen gesagt.
Alle in Europa fordern doch jetzt ein kräftiges Signal, ei-
nen mutigen Entwurf, um die zweifelnden Märkte
– nichts anderes ist es doch, was sich da täglich zeigt –
zu überzeugen.
Deshalb ist mein Schluss aus der Nachrichtenlage des
gestrigen Tages, Frau Merkel, verehrte Mitglieder der
Regierung: Das, was die EZB macht, taugt nicht dauer-
haft als Rettungsschirm, nicht für bankrotte Staaten,
nicht für Banken, die unverantwortliche Kreditpolitik
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Das Durchwursteln wird in der Lage, in der wir sind,
infach nicht mehr funktionieren. Ich glaube, Sie, Frau
erkel, wissen das. Bei Ihrer Rede heute Morgen hatte
h allerdings den Eindruck, Sie wollen es uns nicht sa-
en. Wenn man genau hingehört hat bei der Rede, dann
örte man viel Hoffnung. Da ist viel lautes Pfeifen im
alde. Aber knapp unter der Oberfläche haben Sie doch
ieselben Befürchtungen, die auch bei den anderen Frak-
onen hier im Hause bestehen. Die Hoffnung, von der
iese Regierungserklärung heute Morgen getragen war,
t doch, dass man mit einer kleinen Vertragsänderung
so haben Sie es eben vorgetragen –, die niemandem so
chtig wehtut, durchkommt. Dann kommt Weihnachten,
nd die Finanzmärkte sind weit weg. Dann ist für viele
kiurlaub, und im Januar schauen wir einmal. Ich sage
nen: So mag man denken, aber das ist keine Politik.
as zeugt nicht von Verantwortung in der tiefsten Krise
uropas, die jedenfalls ich erlebt habe und an die ich
ich erinnern kann.
Aber ich ahne: Sie haben dieselben Befürchtungen
ie wir. Das, was sich da an Ratlosigkeit und Angst
reitmacht, kann doch nicht der Gradmesser für richtige
olitik sein. Auch Sie haben doch die Befürchtung, dass
ie europäischen Partner irgendwann sagen: „Jetzt reicht
s“, oder dass die EZB in den nächsten Tagen sagt: „Bad
ank in Europa wollen wir nicht länger sein. Wir halten
as nicht aus“, oder dass die Märkte sagen: „Wir lassen
ns über die nächsten zwei, drei Wochen oder gar zwei,
rei Monate nicht einlullen“, und das Elend dann sofort
Januar beginnt.
Von dem, was in den letzten Tagen und Wochen of-
nsichtlich die Leitmarken Ihrer Politik waren, nämlich
offnung und Angst, können und dürfen Sie sich nicht
iten lassen. Sie dürfen sich nicht von der leeren Hoff-
ung leiten lassen, dass es schon nicht ganz so schlimm
ommen wird, vor allen Dingen aber nicht davon – das
püren wir auf der linken Seite des Hauses noch viel
tärker –, dass Ihnen am Ende Ihre eigenen Leute von
er Fahne gehen. Das kann nicht Maßstab für Politik
ein. Sich wegducken, das ist ein kläglicher Abgesang
uf die gestaltende europäische Politik, wie wir sie in
en letzten Jahrzehnten geleistet haben.
Ja, das war Helmut Schmidt. Das habe ich auch gele-
en. Aber ich bin mir sicher: Helmut Kohl sieht das auf
rer Seite des Spektrums auch nicht ganz anders.
Leere Hoffnung, Angst oder Befürchtungen, die nicht
it einer entsprechenden Politik einhergehen: Das
8822 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Dr. Frank-Walter Steinmeier
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)
macht den Zickzackkurs aus, von dem ich schon gespro-
chen habe, und führt letzten Endes dazu, dass diese Re-
gierung vor der europäischen Aufgabe so versagt wie
keine andere vor ihr. Ich glaube, Frau Merkel, Sie spü-
ren, dass Sie sich durch die Entscheidungen und Nicht-
entscheidungen der letzten Wochen in ein Geflecht von
Ankündigungen, Halbwahrheiten und auch Lebenslü-
gen hineinbegeben haben. Aber Sie wissen im Augen-
blick nicht, wie Sie da herauskommen sollen.
Im April haben Sie verkündet: kein Geld für Grie-
chenland. Das Ergebnis ist bekannt. Sie haben gesagt:
Griechenland bleibt ein Einzelfall. Dann kam der Ret-
tungsschirm. Sie haben gesagt: Der Schirm ist Ultima
Ratio; er wird wahrscheinlich gar nicht in Anspruch ge-
nommen. Dann kam Irland.
Sie haben gesagt: Wir wollen keine Transferunion. Ihr
eigener Berater aber sagt: In gewisser Weise haben wir
das schon. Sie haben gesagt: Wir brauchen automatische
Sanktionen. Zusammen mit Herrn Sarkozy haben Sie sie
in Deauville gekippt. Sie haben gesagt: Defizitsünder
werden mit dem Entzug der Stimmrechte bestraft. Heute
war kein Wort davon zu hören. Sie haben gesagt: keine
Euro-Bonds. Ihre Experten sagen: Mit der European Fi-
nancial Stability Facility haben wir sie eigentlich schon.
Sie haben die Gläubigerbeteiligung gefordert. In Ihrer
heutigen Regierungserklärung sind Sie merkwürdig vage
geblieben.
Nicht zu vergessen ist auch das Gezerre um die Fi-
nanztransaktionsteuer. Hier im Parlament ist Frau
Merkel manchmal ein bisschen dafür; auf europäischer
Ebene ist Herr Schäuble manchmal ein bisschen dage-
gen. Geschehen ist jedenfalls nichts. Das ist die dramati-
sche Bilanz nach diesem halben Jahr europäischer Poli-
tik in der Krise. Ich sage Ihnen: Das sehen die Leute in
Ihren eigenen Reihen nicht wesentlich anders als wir.
Das muss Ihnen Sorgen machen, Frau Merkel.
Aber wir stehen in der Tat in diesen Tagen in Europa
vor einer historischen Aufgabe. Es geht um die Zukunft
der gemeinsamen Währung. Mehr noch: Es geht um die
Zukunft des gemeinsamen europäischen Projekts. Es
wird vom Handeln der europäischen Regierungen ab-
hängen, ob wir wieder ins 19. und 20. Jahrhundert, in na-
tionalstaatliches Denken zurückfallen oder – darauf
kommt es an – ob wir jetzt den Mut zu dem nächsten
großen europäischen Sprung aufbringen, das Europa der
Nationalstaaten schrittweise zu überwinden und diese
Europäische Union zu einer politischen Union fortzuent-
wickeln. Diese Frage steht auf der Tagesordnung. Vor
dieser Frage dürfen wir uns nicht verstecken.
Das ist meine feste Überzeugung.
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eshalb – da bin ich mir sicher – werden wir diese
weifel, die ich eben beschrieben habe, nur beseitigen,
enn wir auf die sich stellenden Fragen klar und unmiss-
erständlich antworten.
Keine Einzelmaßnahme – nicht die Aufstockung des
ettungsschirms, kein Euro-Bond, nicht ein weiteres
ZB-Aufkaufprogramm – wird in der Lage sein, die
weifel zu überwinden, von denen ich spreche. Wir
rauchen aus meiner Sicht einen wirklich umfassenden
nsatz, der aus drei Elementen besteht:
Erstens. Wir brauchen die Gläubigerbeteiligung durch
inen intelligenten Haircut. Die Krisenstaaten Griechen-
nd, Irland und Portugal werden auf absehbare Zeit – das
issen Sie in der Regierung auch – nicht in der Lage sein,
uf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurückzukom-
en. Wenn die Anpassungslast am Ende nicht allein bei
en europäischen Steuerzahlern ankommen soll – darum
eht es mir –, dann muss der Weg der Gläubigerbeteili-
ung durch einen intelligenten Haircut beschritten wer-
en, bevor die EZB die schlechten Anleihen wieder ins
ortfolio aufnimmt.
Zweitens – das wird unumgänglich sein, wenn wir im
anuar 2011 nicht wieder über dieselben Themen mit der
erselben Tagesordnung miteinander reden wollen –:
amit die Krise nicht noch auf andere stabile Volkswirt-
chaften in Europa übergreift, brauchen wir ein klares
ignal europäischer Solidarität. Ich sage Ihnen voraus,
ass dieses Zeichen der europäischen Solidarität – auch
enn wir das heute verdrängen; wir werden dazu gleich
och mehrere Redner von Ihnen hören – höchstwahr-
cheinlich eine Unterfütterung durch einen erweiterten
uropäischen Rettungsschirm braucht.
Drittens. Wir müssen endlich den Geburtsfehler der
irtschafts- und Währungsunion beseitigen und zu einer
olitischen Union kommen. Eben wurde dazwischenge-
fen: Euro-Bonds. Ich finde, wir sollten uns zu schade
ein, die Fragen, die uns im Augenblick gestellt werden,
mer nur mit Ja oder Nein zu beantworten. Wenn wir
u der politischen Union kommen wollen – und zwar mit
uropäischer Solidarität, wie ich sie verstehe –, dann
üssen die Antworten anspruchsvoller ausfallen. Jeder
on uns, auch auf dieser Seite des Bundestages, weiß,
ass die Antwort nicht allein „Euro-Bonds“ lautet.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8823
Dr. Frank-Walter Steinmeier
)
)
Den Weg zur politischen Union werden wir nur gehen
können, wenn wir uns in Europa auf klare Regeln und
solide Haushaltspolitik sowie auf Mindeststandards für
Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik verständigen. Das gilt
aber auch da, wo die Verständigungen am stärksten blo-
ckiert waren, etwa im Steuerrecht. Es kann doch nicht
sein, dass Länder wie Irland oder durch neue Entschei-
dungen jetzt auch Ungarn ihre Standards zulasten ande-
rer Mitgliedsländer nach unten verändern.
Da brauchen wir eine engere wirtschaftspolitische Ab-
stimmung und Homogenisierung.
Dann sage ich Ihnen: Ja, in diesem Zusammenhang
macht auch das Nachdenken über limitierte Euro-Bonds
einen Sinn. In diesem Zusammenhang sind sie tatsäch-
lich verantwortbar. Wir sollten uns endlich aus einer
kleinlichen Instrumentendebatte befreien, die uns mit
den immer gleichen Fragen und den immer gleichen
Antworten aufgedrängt wird.
Wir müssen vielmehr die Größe der Frage erkennen, die
wir hier zu beantworten haben.
Frau Merkel, auch wenn Sie in der Regierungserklä-
rung etwas anderes gesagt haben, sage ich Ihnen voraus:
Das meiste von dem, was ich eben als Aufgabe beschrie-
ben habe, wird kommen, und zwar nicht nur, weil es ver-
nünftig ist, sondern weil wir die Risiken, mit denen wir
im Augenblick zu kämpfen haben, für die Zukunft ver-
meiden wollen.
Ob wir den im Augenblick in Europa bestehenden
Grundzweifel an Deutschlands europapolitischer Glaub-
würdigkeit beseitigen können, hängt von der entschei-
denden Frage ab, wie wir uns in dem Diskussionsprozess
der nächsten Wochen darstellen, ob das alles gegen den
Widerstand eines unentschiedenen, zögernden und zwei-
felnden Deutschlands kommt oder ob wir die Kraft für
wirkliche Gestaltung in Europa zurückgewinnen. Ehr-
lichkeit, Mut und Klarheit, das ist aus meiner Sicht ge-
fragt, nicht leere Hoffnung und Angst. Unsere Partner
erwarten von uns – darauf weise ich ausdrücklich hin –
ein klares Bekenntnis zum europäischen Projekt. Sie er-
warten, dass wir uns eben nicht wegducken, sondern
dass wir Verantwortung übernehmen. Wenn ich sage
„Verantwortung übernehmen“, dann meine ich die euro-
päische Verantwortung. Damit wir uns nicht missverste-
hen: Wenn wir europäische Verantwortung übernehmen,
dann liegt das im deutschen Interesse.
Herzlichen Dank.
Das Wort erhält nun die Kollegin Birgit Homburger
für die FDP-Fraktion.
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as ist der Grund, warum sich der Deutsche Bundestag
den letzten Wochen massiv engagiert hat. Wir haben
it der Mehrheit der Koalitionsfraktionen eindeutige,
lare Beschlüsse gefasst und der Bundesregierung bei
ren schwierigen Verhandlungen in Europa den Rücken
estärkt. Diese Beschlüsse gelten fort.
Ich kann die Opposition in diesem Hause nur auffor-
ern, die Bundesregierung bei der Wahrnehmung der In-
ressen Deutschlands in Europa, die darin bestehen,
ine Stabilisierung zu erreichen, zu unterstützen, anstatt
r in den Rücken zu fallen. Ich halte an dieser Stelle
st: Die Mehrheit des Deutschen Bundestages steht klar
inter der Verhandlungslinie der Bundesregierung.
In den letzten Wochen wurde der Rahmen für einen
auerhaften Krisenmechanismus abgesteckt. Jetzt gilt es,
as durch entsprechende Vertragsänderungen umzuset-
en; das ist die Aufgabe, vor der wir stehen. Es ist wich-
g, das, was wir auf europäischer Ebene vereinbart ha-
en, jetzt auch vertraglich zu formulieren.
8824 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Birgit Homburger
)
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Dazu gehört aus unserer Sicht ganz eindeutig die
Ultima Ratio. Hilfen gibt es nur als Ultima Ratio. Das
bedeutet, dass die betroffenen Staaten selbst alle notwen-
digen Maßnahmen ergreifen, und es bedeutet genauso
– Herr Steinmeier, Sie haben das gerade angesprochen –,
dass private Gläubiger in allen Phasen beteiligt werden.
Dafür hat die Euro-Gruppe am 28. November die Grund-
lage geschaffen, und auf dieser Grundlage muss man
jetzt aufbauen. Für den Fall der Insolvenz ist eine zwin-
gende Beteiligung der Gläubiger, der Haircut, vorgese-
hen, Herr Steinmeier. Genau das haben wir in harten
Verhandlungen erreicht. Wir haben damit genau das ge-
tan, was Sie jetzt plötzlich einfordern.
Wir sind überzeugt, dass nur mit einer solchen Betei-
ligung von Gläubigern Risiken minimiert werden und
dass sich Zinsen der Bonität anpassen. Wenn man die
Zinsen wirken lässt, ist das das beste Mittel, um die Ei-
genverantwortung zu stärken. Deshalb gilt für uns die
Ultima Ratio: Nur wer am Kreditmarkt keine Refinan-
zierung bekommt, kann Hilfen der europäischen Partner
bekommen. Das muss auch vertraglich entsprechend
vereinbart werden.
Herr Steinmeier, diese Koalition und diese Bundes-
regierung haben Verantwortung übernommen, und zwar
von Anfang an. Als es um Griechenland ging, haben wir
klar Verantwortung übernommen. Es war richtig, von
den betroffenen Ländern eigene Anstrengungen zu ver-
langen. Es war richtig, den IWF mit seiner Erfahrung
einzubinden. Es war richtig, dass die Bundesregierung
nicht gleich Geld ins Schaufenster gelegt, sondern zu-
nächst einmal einen klaren Mechanismus gefordert hat.
Ja, wir haben Verantwortung übernommen, nicht nur bei
Griechenland, sondern auch für den gesamten Rettungs-
pakt, der geschnürt worden ist. Sie, meine sehr verehrten
Damen und Herren von der Opposition, waren nirgends.
Sie haben nicht zugestimmt. Sie haben Ihre Verantwor-
tung für Europa nicht wahrgenommen.
Deshalb sind Sie die Letzten, die dieser Bundesregie-
rung hier Vorwürfe machen können.
Herr Steinmeier, Sie haben das Hü und Hott der letz-
ten Tage beklagt.
Das kam doch nicht von dieser Koalition, und es kam
auch nicht von dieser Bundesregierung; sie hatte eine
klare Haltung. Ich bin überzeugt davon, dass es nicht
hilfreich ist, täglich neue Forderungen zu stellen, nach-
dem man sich auf die Grundstruktur eines Hilfsmecha-
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ie haben hier demonstrativ Bekenntnisse zu Europa ge-
rdert. Unser Bekenntnis zu Europa ist so klar, wie es
larer nicht sein kann.
Sie fordern hier Bekenntnisse ein und erklären, dass
eispielsweise eine Garantie für alle Schulden anderer
änder notwendig sei, mittelfristig auch Euro-Bonds.
ehr verehrter Herr Steinmeier, demonstrative Bekennt-
isse sind kein Ersatz für eine politische Lösung, und sie
ind vor allen Dingen kein Ersatz für eine Krisenbewälti-
ung. Deshalb fordern wir Sie auf: Arbeiten Sie ganz
onkret an der Krisenbewältigung mit! Verlangen Sie
icht einfach nur Bekenntnisse! Worte werden nicht rei-
hen, um die Situation zu bewältigen.
Europa übt Solidarität.
as ist in diesem Jahr so deutlich geworden wie selten
uvor. Aber Solidarität ist keine Einbahnstraße. Solidari-
t bedeutet, dass die Starken den Schwachen helfen.
ber Solidarität bedeutet auch, dass diejenigen, die be-
offen sind, selber Anstrengungen unternehmen müs-
en; das gehört genauso dazu.
on dieser Solidarität hat Deutschland die größte Last
etragen. Wir sind weiter bereit, unserer Verantwortung
erecht zu werden. Aber wir machen genauso deutlich,
ass es auf europäischer Ebene keine Vollkaskomentali-
t und keine Vollkaskoversicherung geben kann.
Wenn wir über die Euro-Bonds reden, dann geht es
icht um irgendeine kleinliche Instrumentendebatte, son-
ern dann geht es im Kern um die Frage, ob es einen
ruck in Richtung Haushaltskonsolidierung gibt oder ob
s diesen Druck zukünftig nicht mehr gibt. Gemeinsame
uropäische Anleihen führen dazu, dass diejenigen Län-
er, die die Haushaltssanierung in der Vergangenheit
icht ernst genug genommen haben und die erst jetzt auf
em Weg zur Haushaltskonsolidierung sind, diesen
ruck nicht mehr verspüren, weil sie eine Absicherung
ekommen. Gemeinsame Anleihen, das bedeutet nichts
nderes als einen Länderfinanzausgleich auf europäi-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8825
Birgit Homburger
)
)
scher Ebene. Das bedeutet, dass Deutschland dauerhaft
für die Schulden anderer Länder zahlen würde. Das kön-
nen wir nicht zulassen, das wollen wir nicht zulassen,
und das werden wir auch nicht zulassen.
Es ist wichtig, dass jetzt ganz klar festgelegt wird,
was europäisch vereinbart ist, nämlich das Einstimmig-
keitsprinzip.
Das Einstimmigkeitsprinzip ist die Lebensversicherung
auch für die deutschen Sparer. Es stellt sicher, dass sie
nicht plötzlich für die Schulden aller anderen Europäer
in Haftung genommen werden können. Die Schulden an-
derer Länder müssen auch die Schulden anderer Länder
bleiben.
Weit über den Europäischen Rat hinaus gilt, dass wir
an einer Verschärfung des Stabilitätspakts arbeiten.
Dazu, sehr verehrter Herr Steinmeier, will ich Ihnen
schon sagen: Es ist dreist, was Sie sich hier erlauben:
von einer Stabilisierung zu reden, obwohl Sie diejenigen
waren, die im Jahr 2005 den Stabilitätspakt auf europäi-
scher Ebene ausgehebelt haben.
Sie sind diejenigen, die Verantwortung dafür tragen, dass
Europa überhaupt in eine solch schwierige Situation ge-
kommen ist.
Wir versuchen jetzt mühselig, auf europäischer Ebene
das zu erreichen, was Sie eingefordert haben,
nämlich eine Stärkung des Stabilitätspakts, einen Früh-
warnmechanismus, bessere Kontrollierbarkeit, automati-
sche Sanktionen und auch eine bessere Koordinierung in
der Wirtschafts- und Haushaltspolitik. Das ist sicherlich
notwendig. Das alles ist auf den Weg gebracht und muss
in dieser schwierigen Situation verhandelt und diskutiert
werden.
Es sind harte Verhandlungen, die auf europäischer
Ebene geführt werden. Es ist ein klarer Kurs gefordert.
Dieser klare Kurs, der alle in die Solidarität nimmt, der
ein Bekenntnis zu Europa darstellt, ist ein Stabilitäts-
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Dr. Gesine Lötzsch ist die nächste Rednerin für die
raktion Die Linke.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten
amen und Herren! Sie, Frau Merkel, eilen von einem
roßbrand zum nächsten und wollen den Eindruck er-
ecken, dass Sie alles im Griff haben. Die Wahrheit aber
t, dass zahlreiche Brandherde weiter schwelen und es
ur eine Frage der Zeit ist, wann sie wieder auflodern.
ie aber wehren sich mit Händen und Füßen dagegen,
ach den Brandursachen zu suchen, und sind auch nicht
ereit, die Brandstifter so zur Verantwortung zu ziehen,
ass sie nie wieder in die Versuchung kommen, ein
eues Feuer zu legen.
Frau Merkel, Sie sehen eine Ursache für diese Krise
den überschuldeten Haushalten der Euro-Länder und
rdern deshalb einen eisernen Sparkurs. Das klingt für
en einen oder anderen CDU-Wähler ganz gut; doch es
at dramatische Folgen für ganz Europa. Wir erinnern
ns: Sie wollten die Wahlen in Nordrhein-Westfalen ge-
innen und Rot-Rot-Grün verhindern. Darum hatten Sie
in so brutales Kürzungspaket für Griechenland ge-
chnürt, dass selbst der beinharte IWF-Chef Strauss-
ahn Bedenken anmeldete. Sie wussten doch, dass die
riechen diese Auflagen niemals erfüllen konnten.
rotzdem haben Sie von ihren ökonomisch unsinnigen
orderungen nicht abgelassen.
Das Ergebnis war vorhersehbar: Griechenland befin-
et sich in der heftigsten Krise seit dem Zweiten Welt-
rieg und wird seine Schulden auf absehbare Zeit nicht
urückzahlen können. Das Beispiel Griechenland hat Sie
ber nicht bewegen können, Ihre falsche und kostspie-
ge Strategie zu ändern. Auch Irland, Spanien und Por-
gal haben Sie eine entsprechende Rosskur verschrie-
en. Können Sie aus Ihren Fehlern nicht lernen, oder
erfolgen Sie ganz andere Ziele, Frau Merkel? Es geht
nen doch gar nicht um ein gemeinsames, friedliches
uropa; es geht Ihnen vielmehr um die Rettung der An-
gen der deutschen Banken in diesen Ländern.
8826 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Dr. Gesine Lötzsch
)
)
Deutsche Banken haben allein in Griechenland,
Irland, Portugal und Spanien 318 Milliarden Euro inves-
tiert. Diese Milliarden wollen die deutschen Banken
ohne Verluste und hochverzinst zurückhaben. Das er-
warten sie von Ihnen. Frau Merkel, Sie müssen uns end-
lich sagen, in wessen Auftrag Sie am Donnerstag eigent-
lich verhandeln: Verhandeln Sie im Auftrag der
Bürgerinnen und Bürger oder im Auftrag dieser deut-
schen Banken?
Für beide gleichzeitig können Sie nämlich nicht verhan-
deln, weil die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in
der Bundesrepublik nicht im Ansatz mit den Interessen
der deutschen Banken deckungsgleich sind.
Die Ursache der Euro-Krise sind nicht überschuldete
nationale Haushalte, sondern ist das schnelle ökonomi-
sche Auseinanderdriften der Volkswirtschaften in der
Euro-Zone. Die Agenda 2010 hat diesen Prozess noch
dramatisch beschleunigt. Ich will Ihnen das einmal an ei-
nem aktuellen Beispiel deutlich machen: In den französi-
schen und dänischen Schlachthöfen werden Mindest-
löhne gezahlt – in deutschen Schlachthöfen nicht.
Das hat dazu geführt, dass Schlachthöfe in Dänemark
schließen mussten und die französischen Arbeitgeber
von der EU fordern, in Deutschland auf Mindestlöhne zu
drängen. Die Deregulierung des deutschen Arbeitsmark-
tes bringt alle anderen europäischen Länder, die gerechte
Löhne zahlen, in größte Schwierigkeiten.
Es sind also nicht nur die Hochtechnologien, die zu ei-
nem deutschen Exportüberschuss führen – um mit dieser
Legende einmal aufzuräumen –, sondern es ist auch der
unfaire Wettbewerb um die niedrigsten Löhne, den die
Bundesregierung den anderen Volkswirtschaften auf-
zwingt. Das muss endlich ein Ende haben.
Eine andere Ursache der Euro-Krise liegt in der Fehl-
konstruktion des Euro selbst. Waren die Väter des Euro
wirklich so naiv, zu glauben, dass allein die Währung in
der Lage sei, diesen unterschiedlichen Volkswirtschaften
Europas eine gemeinsame Basis zu geben? Ich sage Ih-
nen: Die Einführung des Euro, wie sie damals geschehen
ist, war eine Einladung zum Schuldenmachen. Mit dem
Euro in der Hand konnten auch schwache Volkswirt-
schaften zu niedrigen Zinsen Kredite aufnehmen und
sehr zur Freude deutscher Exporteure in Deutschland auf
Shoppingtour gehen. Das ist nämlich die Wahrheit.
Was wir jetzt brauchen, sind Investitionen in die Zu-
kunft Europas. Selbst das regierungsfreundliche Han-
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as Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung fordert
ine einmalige Vermögensabgabe zur Sanierung unserer
aushalte. Doch ich sage Ihnen: Jedes Konjunkturpro-
ramm ist für die Katz, wenn wir nicht endlich die Fi-
anzmärkte wirksam regulieren.
Es ist doch sinnlos, wenn wir die öffentlichen Haus-
alte nur sanieren, damit wir wieder die Kosten der
ächsten Finanzkrise übernehmen können. Es ist für mich
öllig unbegreiflich, dass es die Bundesregierung seit
wei Jahren nicht geschafft hat, für eine bessere Kontrolle
er Finanzmärkte zu sorgen. Neuerdings, Frau Merkel,
rdern Sie ja auch die privaten Anleger auf, ein Risiko
itzutragen. Einverstanden. Aber warum fangen Sie
icht gleich bei den deutschen Banken an? Worauf warten
ie noch?
Die Linke fordert eine Finanztransaktionsteuer und
ine wirksame Kontrolle der Finanzmärkte. Wer eine
ährung ohne eine abgestimmte Wirtschafts-, Finanz-
nd Sozialpolitik einführt, der handelt unglaublich ver-
ntwortungslos.
s ist doch völlig absurd, in der Europäischen Union
ine Konkurrenz um die niedrigsten Unternehmensteu-
rn überhaupt zuzulassen. Noch absurder ist es, dass Ir-
nd EU-Hilfen bekommt, ohne dass eine Anhebung der
nanständig niedrigen Unternehmensteuern vereinbart
urde. So werden die Dinge nie in Ordnung gebracht,
eine Damen und Herren.
Wir als Linke sind der Auffassung, dass der Euro nur
erettet werden kann, wenn die Finanzmärkte streng
ontrolliert und reguliert werden und endlich eine ge-
einsame Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik ver-
aglich vereinbart wird. Euro-Bonds oder der Ankauf
on Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank
ind im Rahmen einer Rettungsaktion als Übergangslö-
ung wichtig. Eine grundsätzliche Revision des Lissa-
onner Vertrages ersetzen sie allerdings nicht.
Frau Bundeskanzlerin, überdenken Sie Ihre Rolle in
uropa! Bringen Sie unser Land nicht weiter in Verruf!
uchen Sie nach gemeinsamen Lösungen, die Europa
tärken und nicht in Stücke reißen!
Vielen Dank.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8827
)
)
Das Wort erhält nun der Kollege Volker Kauder für
die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Es war unsere Generation, die das Thema Europa in den
Mittelpunkt ihrer politischen Arbeit gestellt hat. Es war
unsere Generation, die an der deutsch-französischen
Grenze die Schlagbäume weggerissen und gesagt hat:
Wir wollen ein Europa ohne Grenzen! – Die Einheit Eu-
ropas haben wir formuliert. Das ist unsere Zukunft.
Deutschland ist unser Vaterland. Europa ist unsere Zu-
kunft.
Das waren die Formulierungen. An diesen Kernaussagen
hat sich überhaupt nichts geändert.
Wir haben in vielen, vielen Europawahlkämpfen ge-
zeigt – viel mehr als manch anderer hier auf der linken
Seite dieses Hauses –, dass wir zu Europa stehen.
Wir haben keinen Zweifel an Europa gelassen. So bleibt es
auch in Zukunft. Wir haben alle großen Entscheidungen in
Deutschland mit Europa verbunden. Im Zusammenhang
mit einer der größten Entscheidungen der Nachkriegsge-
schichte und einer der glücklichsten Entscheidungen der
Nachkriegsgeschichte haben wir schließlich immer for-
muliert: Deutsche Wiedervereinigung, deutsche Einheit
und europäische Einheit gehören zusammen. Ein größe-
res Bekenntnis zu Europa kann man gar nicht abgeben,
als wir es getan haben.
Zu diesen beiden Punkten – Deutschland als Vater-
land, Europa als Zukunft – kommt heute dazu: Der Euro
ist unsere Währung. Diese drei Positionen bestimmen
unsere Politik. Wenn wir uns für den Euro einsetzen,
wenn wir alles dafür tun, dass der Euro stabil bleibt,
dann handeln wir schließlich auch im deutschen Inte-
resse; denn der Euro ist die deutsche Währung. Diese
wollen und werden wir erhalten. Da kann sich jeder auf
uns verlassen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir wissen, dass die inzwischen berühmt gewordenen
Märkte auch die Solidarität in Europa testen. Ich kann
nur sagen: Sie können sich darauf verlassen, dass wir,
weil der Euro unsere Währung ist, schon aus ureigenem
Interesse alles für den Euro tun werden. Wir werden den
Spekulanten zeigen: Wir sind solidarisch in Europa. Wir
werden nicht zulassen, dass der Euro attackiert wird.
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etzt, Herr Steinmeier, kommt es natürlich darauf an,
ass man nicht einfach so daherredet.
uch ein Oppositionspolitiker trägt in solch schwierigen
ragen Verantwortung. Jetzt will ich Ihnen einmal sagen,
as Verantwortung bedeutet: Ich rate dringend – dies
alte ich für außerordentlich klug –, dass weder ein Op-
ositionspolitiker noch jemand anderer die Unabhängig-
eit unserer Notenbank in Zweifel zieht.
Nein, Herr Steinmeier, so einfach kommen Sie nicht
avon. Es ist nicht Aufgabe des deutschen Parlaments,
arüber zu diskutieren, was die Europäische Zentralbank
eigener unabhängiger Verantwortung tun darf oder
icht. Das gefährdet nämlich die Dinge in Europa.
Wir alle haben ein natürliches Interesse an einem sta-
ilen Euro. Sie selber haben – zumindest zum Start des
uro – den Menschen versprochen, dass der Euro so sta-
il und hart ist wie die D-Mark. Aber kaum waren Sie in
er Regierungsverantwortung, haben Sie dies alles ver-
essen. Sie haben die Stabilität des Euro für einen kurz-
istigen vermeintlichen Erfolg in Ihrer Regierungspoli-
k aufgeben. Das hat mit Verantwortung für Stabilität
ichts zu tun. Deswegen brauchen Sie aus der Opposi-
on heute keine so großen Töne zu spucken. Sie haben
llen Grund, in sich zu gehen, und sollten hier keine sol-
hen Reden führen.
Die Stabilität des Euro ist ganz entscheidend dafür,
ass der Satz, dass Europa unsere Stärke und Zukunft ist,
ahr wird. Der Euro wird nicht dadurch stark, wie es
eute eine Journalistin in der Welt zu Recht schreibt,
ass der Konsum national gesteuert wird und die Schul-
en auf die europäische Ebene gehoben werden. Dann
ibt es nämlich keinen Anreiz mehr.
Herr Kollege Steinmeier, was ist das für eine Argu-
entation? Sie haben mit uns allen dafür gestritten und
estimmt, dass wir die Schuldenbremse in das Grundge-
etz bringen. Aber mit der Schuldenbremse ist das, was
ie vor wenigen Minuten hier an diesem Rednerpult ge-
agt haben, in keiner Weise vereinbar.
ie sollten uns mehr darin unterstützen, dass wir auch in
nderen europäischen Ländern mehr Verständnis für
aushaltsdisziplin und schuldenbremsende Politik be-
ommen, anstatt solche Reden zu führen, die niemanden
8828 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Volker Kauder
)
in Europa dazu motivieren, die Haushalte zu sanieren
und Schulden zurückzuführen.
Wenn ich sage, wir brauchen einen starken Euro, weil
Europa unsere Zukunft ist, dann sollten wir, wie die
Bundeskanzlerin zu Recht angemerkt hat, in diesen Ta-
gen nicht nur auf die Rettung unserer Währung schauen.
In diesen Monaten, Wochen und Tagen findet nämlich
eine intensive weltweite Politik statt, bei der wir auf die
Stärke Europas angewiesen sind. Ich möchte es von die-
sem Pult einmal ausdrücklich sagen: Wir freuen uns da-
rüber, dass Deutschland so stark und so gut aus der Krise
herausgekommen ist. Wir wissen aber auch, dass wir
trotz dieser Stärke die Dinge, die weltweit geregelt wer-
den müssen, ohne Europa nicht regeln könnten. Das
heißt, wir brauchen Europa auch im eigenen Interesse.
Wir können doch nicht zuschauen, wie der ganze
Rohstoffmarkt auf einmal von China bearbeitet wird.
Wir können doch nicht zuschauen, wenn China auf ein-
mal eine Afrika-Politik macht, die mit dem, was wir in
Europa wollen, nicht harmoniert. Wir müssen doch se-
hen, dass wir bei den WTO-Verhandlungen unsere Inte-
ressen durchsetzen. Herr Steinmeier, Sie wissen ganz ge-
nau: An diesem Pult Regelungen für eine Beteiligung
der Finanzmärkte zu fordern, ist etwas ganz anderes, als
das europaweit oder weltweit durchzusetzen. Diese Re-
gierung müht sich.
Darin sollten Sie sie unterstützen, statt sie öffentlich zu
attackieren. Das liegt in schwieriger Zeit im nationalen
Interesse.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen, wir haben deshalb allen Grund,
der Bundeskanzlerin, dem Bundesaußenminister und un-
serem Finanzminister viel Erfolg bei der Durchsetzung
des heute hier als richtig skizzierten Weges in den nächs-
ten Tagen in Brüssel zu wünschen. Wir begleiten die Ar-
beit der Bundesregierung in diesem Sinne.
Das Wort erhält nun der Kollege Jürgen Trittin, Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich
glaube, Herr Kollege Kauder, Sie haben versucht, durch
Lautstärke einen tiefen Zwist in Ihren eigenen Reihen zu
übertönen.
Liebe Frau Merkel, wir haben Sie um diese Regie-
rungserklärung gebeten, weil wir der Auffassung sind,
dass dieses Haus ein Anrecht darauf hat, in einer, wie
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Das reiht sich ein in die Geschichten der letzten Mo-
ate: Ihre Orientierungslosigkeit bei der Bankenrettung,
r Zögern bei der Griechenland-Hilfe, Ihre falschen Ver-
prechungen, Weiteres würde nicht folgen, Ihre ultimativ
orgetragenen Forderungen nach Stimmrechtsentzug,
ach Rausschmiss Einzelner aus der Euro-Zone – all dies
ar nicht nur europapolitisch fragwürdig, sondern es hat
ie Krise auch verschärft und nicht vermindert. Das ist
as Problem.
Man könnte sagen: Das ist nicht so schlimm; denn wir
aben ja noch einen Bundesaußenminister.
iebe Kollegin Homburger, da Sie auf die Geschichte
erwiesen, möchte ich auf eines aufmerksam machen,
as Ihre Verantwortung und Ihre Ideen angeht: Der jet-
ige Bundesaußenminister hat am 4. Juli 2002 hier eine
ede gehalten.
Da war er noch Ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Fricke,
enn Sie sich noch daran erinnern; ich weiß, Sie wollen
n loswerden, aber das ist die geschichtliche Wahrheit.
In dieser Rede hat er, als Vorhalt gegenüber der dama-
gen Bundesregierung, gesagt:
… dann reden wir über 6,5 Prozent Wirtschafts-
wachstum wie beispielsweise in Irland. … Der
Grund ist ganz einfach: Irland hatte wie wir eine
Staatsquote von etwa 50 Prozent, nach Jahren be-
trägt die Staatsquote jetzt etwa ein Drittel. Da müs-
sen wir in Deutschland auch hin …
on Irland lernen heißt siegen lernen.
Das waren nicht unsere Rezepte, sondern Ihre Re-
epte, und das ist der Grund, warum wir Irland heute ret-
n müssen.
Nun kommt derselbe als Bundesaußenminister und
rklärt öffentlich, Deutschland dürfe nicht zum Zahl-
eister Europas werden. Meine Damen und Herren, ei-
)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8829
Jürgen Trittin
)
)
nen solchen Satz hätten Sie nie von einem Außenminis-
ter Steinmeier oder von einem Außenminister Fischer
gehört. Sie hätten ihn auch nie und nimmer von einem
Außenminister Kinkel oder von einem Außenminister
Genscher gehört; denn diese Außenminister haben sich
als Anwälte Europas in Deutschland verstanden und
nicht als Totalausfall.
Wie gehen Sie, Frau Bundeskanzlerin und Herr
Kauder, mit den Stimmen in Ihren eigenen Reihen um?
Da gibt es Herrn Dobrindt.
Er behauptet, wer für Euro-Bonds sei, der betreibe den
„Verrat deutscher Interessen“ und sei ein „Wegelagerer
Europas“. Er hat das zwar auf mich persönlich bezogen,
aber er meint natürlich jemand anderen.
Er meint einen Parteifreund von Ihnen, meine Damen
und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, nämlich ein
Mitglied der Europäischen Volkspartei, den konservati-
ven, christdemokratischen Ministerpräsidenten Luxem-
burgs und Träger des Karlspreises, den Sie, verehrte
Frau Bundeskanzlerin, zum Vorsitzenden der Euro-
Gruppe gemacht haben. Dieser sei ein „Wegelagerer Eu-
ropas“. So weit ist diese Koalition mittlerweile europa-
politisch gesunken. Da hätte ich mir von Ihnen ein klä-
rendes Wort gewünscht.
Wir können die Debatte auch gerne fachlich führen.
Schauen Sie sich einmal an, wer sich neben Herrn
Juncker für dieses Instrument der Euro-Bonds eingesetzt
hat. Der Chef der konservativen EVP-Fraktion im Euro-
päischen Parlament, Ihrer Schwester-, Bruder- oder Mut-
terpartei – ich weiß nicht, wie es bei Ihnen heißt –, hält
das für eine gute Idee. Der Chef der liberalen Fraktion,
der ehemalige belgische Ministerpräsident Guy
Verhofstadt – er wurde von Frau Merkel einmal als Prä-
sident des Rates ins Gespräch gebracht –,
sieht es genauso.
Sie versuchen damit, eines vergessen zu machen,
nämlich dass man Euro-Bonds durchaus so konstruieren
kann, dass sie nicht zinssteigernd, sondern zinsbegrenz-
end wirken. Man kann sie so konstruieren, dass noch ein
Rest übrig bleibt, der nur durch nationale Anleihen ge-
deckt werden kann und der einen sehr großen Druck auf
diejenigen ausübt, die diese Euro-Bonds dann in An-
spruch nehmen. Ohne dass ich mir alles, was Herr
Juncker aufgeschrieben hat, zu eigen machen will,
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Es hätte noch etwas dazu gehört, liebe Frau Merkel.
ie hätten der Öffentlichkeit erklären müssen, dass sol-
he Anleihen überhaupt nichts Neues sind. Womit hat
enn in den letzten Monaten die Europäische Union
ngarn und das Baltikum vor dem Staatsbankrott geret-
t? Durch Euro-Bonds, die aufgenommen worden sind
nd bei denen wir den Zinsvorteil an diese Länder wei-
rgegeben haben. An dieser Stelle haben wir praktische
olidarität geübt.
Was ist der europäische Krisenmechanismus, die Sta-
ilitätsfazilität? Nichts anderes. Es werden Anleihen am
arkt aufgenommen mit den Garantien der solventen
U-Staaten, wie wir es Gott sei Dank sind und auch blei-
en wollen. Dieser Zinsvorteil wird dann an Länder wie
eispielsweise Irland weitergegeben. Was glauben Sie,
as mit den Zinsen für Anleihen passiert, wenn es jetzt
olventere Gläubiger als Irland gibt? Sie aber haben ein
innvolles Instrument zur Steuerung hin zu mehr Stabili-
t einfach vom Tisch gewischt. Das ist der Grund, wa-
m Deutschland unter Ihrer Kanzlerschaft, liebe Frau
erkel, mittlerweile so extrem unpopulär in der Euro-
äischen Union ist.
Es kommt hinzu, dass Ihnen niemand Ihre Position
laubt. Der Hintergrund dieser Krisen ist doch nicht
berbordender Staatskonsum. Das war allein in Grie-
henland das Problem; das ist aber nicht das Problem in
land, Spanien oder Portugal. Die Haushaltsdefizite in
iesen Ländern sind Ergebnisse zum Beispiel der Fi-
anzkrise oder des Zusammenbruchs der Baubranche
ach dem Bauboom.
Wenn Sie jetzt als teutonisches Sparmonster herum-
ufen – so werden Sie in vielen Ländern der Europäi-
chen Union empfunden; es ist nicht meine Sicht –, dann
erden Sie sich einer Frage stellen müssen: Wie war das
enn im Jahr 2007? Im Jahre 2007 sind 2 Prozent unse-
r gesamten Wirtschaftsleistung, 25 Prozent unseres ge-
amten Exportüberschusses in Spanien, Italien, Irland,
riechenland und Portugal erwirtschaftet worden. Das
eißt, wir haben als Wirtschaftsnation gut davon gelebt,
ass andere zum Kauf unserer Produkte Kredite aufge-
ommen haben, die sie dann nicht bedienen konnten.
eswegen hat uns die Haltung, anderen nur Stabilität zu
redigen, aber selber konstruktive Beiträge und Lösun-
en zu verweigern, in Europa unpopulär gemacht.
8830 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Jürgen Trittin
)
)
Wir brauchen einen Abbau der gesamtwirtschaftli-
chen Ungleichgewichte; wir brauchen eine wirkliche
Wirtschaftsunion. Das sind die Schritte, vor denen Sie
zurückschrecken. Sie kommen mit der nationalen Re-
gression à la Westerwelle oder Dobrindt nicht aus dieser
Krise heraus. Sie kommen nur mit mehr und nicht mit
weniger Europa aus dieser Krise heraus.
Es geht bei dem, was ich sage, aber nicht nur um eine
Frage der Wirtschaftspolitik. Kooperation in Europa ist
in unserem ureigenen Interesse. Für Helmut Kohl ging
es bei der Einführung des Euro um – ich zitiere – „eine
Frage von Krieg und Frieden“. Ich glaube, Helmut Kohl
hatte recht. Die Einheit Europas in Frieden basiert auf
wirtschaftlicher Zusammenarbeit. Wir müssen endlich
zu einer gemeinsamen Wirtschafts- und Steuerpolitik in
diesem gemeinsamen Europa kommen. Nur dann wird
die gemeinsame Währungsunion funktionieren. Nur
dann hat dieses Europa eine Zukunft. Lieber Herr
Dobrindt, lieber Herr Westerwelle, das ist im Interesse
Deutschlands, nicht das dumme Gerede vom Zahlmeis-
ter.
Der Kollege Otto Fricke ist der nächste Redner für die
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol-
lege Trittin, ich will Ihnen etwas zu der „Frage von
Krieg und Frieden“ sagen. Es gibt in der Nähe von Now-
gorod einen kleinen Gedenkstein, auf dem der Name
meines Großvaters steht: Otto Fricke. Ich will Ihnen ei-
nes sagen: Mein Vater und viele in seiner Generation
sind ohne Vater aufgewachsen. Das lag daran, dass Eu-
ropa nicht funktioniert hat. Meine Fraktion, die Koali-
tion und die Regierung haben das begriffen. Sie versu-
chen an der Stelle, den Außenminister zu geben, obwohl
Sie das nie sein werden; das müssen Sie irgendwann ein-
mal lernen.
Was hat der Kollege Trittin noch gemacht? Er hat ver-
sucht, zu sagen, dass es nicht im europäischen Sinne sei,
wenn man die Interessen des deutschen Steuerzahlers
berücksichtigt. Herr Kollege Trittin, da muss ich ehrli-
cherweise sagen: Ja, so denken Sie. Sie werden das Me-
netekel von Rot-Grün, den Stabilitätspakt aufgeweicht
zu haben, nie verlieren. Da können Sie so viel wischen,
wie Sie wollen: Die grüne Farbe wird weiterhin an der
Aufweichung des Stabilitätspaktes kleben; Sie werden
weiterhin nicht in der Lage sein, an der Stelle Lösungen
zu finden.
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as ist es, was Sie auch auf europäischer Ebene am
ebsten wollen.
Man kann an dieser Stelle nur davor warnen. Wenn
ie für Euro-Bonds reden – Herr Steinmeier hat das ge-
n, und Sie haben es letztlich auch getan –, dann sagen
ie den Bürgern auch, was Euro-Bonds für den deut-
chen Haushalt bedeuten.
ie bedeuten – wir konnten es in der FAZ lesen –
7 Milliarden Euro jährlich an zusätzlichen Zinsausga-
en. 17 Milliarden Euro! Das ist das, was Sie vom deut-
chen Steuerzahler haben wollen.
an muss einmal klarmachen, wer der deutsche Steuer-
ahler ist. Das sind nicht nur irgendwelche Unterneh-
en, denen Sie etwas wegnehmen wollen. Das sind
icht nur irgendwelche fleißigen Selbstständigen oder
rbeitnehmer, die Lohn- und Einkommensteuer zahlen.
as ist auch der Schüler, der sich morgens etwas kauft.
as ist auch der Rentner, der versucht, mit seiner Rente
uszukommen.
as sind auch diejenigen, die Mehrwertsteuer zahlen.
as sind wir alle. Uns alle haben Sie genauso zu schüt-
en.
Jetzt zum Thema Europa: Wenn Sie wirklich wollen,
ass wir ein zukunftsfähiges, ein starkes, ein stabiles
uropa haben, dann müssen Sie die Tatsache akzeptieren
diese Wahrheit müssen Sie den Bürgern sagen –, dass
u einem stabilen Europa gehört, dass man spart. Die
undesrepublik Deutschland hat das getan. Deswegen
preche ich der SPD ausdrücklich meine Anerkennung
afür aus, dass sie bei der Schuldenbremse mitgemacht
at. Die Schuldenbremse ist der Kern. Ihre Aufgabe ist
s jetzt, nachdem Sie sie auf nationaler Ebene mitge-
acht haben – hoffentlich stehen Sie noch dazu –, dieser
undesregierung zu helfen, damit sie sie auch auf euro-
äischer Ebene erreicht. Ihre Verantwortung ist genauso
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8831
Otto Fricke
)
)
groß wie die der vielen anderen Demokraten in diesem
Land.
Herzlichen Dank.
Das Wort erhält nun der Kollege Axel Schäfer für die
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Während der Kollege Fricke etwas von der SPD einfor-
derte, hat das FDP-Vorstandsmitglied Chatzimarkakis
soeben erklärt: Frau Merkel hat in der Europapolitik to-
tal versagt.
Das ist alles nachzulesen. Herr Chatzimarkakis ist Mit-
glied des Europäischen Parlaments.
Herr Schäffler
hat zum Thema CDU erklärt, Herr Kollege Kauder:
„Schäuble führt die EU in den Geldsozialismus.“ Das ist
die europapolitische Realität dieser Koalition.
Kollege Fricke, Sie haben aus der FAZ zitiert. Ich
weiß, dass sie das Leitblatt, Ihr Leib- und Magen-Blatt
von ganz vielen auf dieser Seite des Hauses ist.
Passen Sie auf, wo Sie sich hinbegeben. Die FAZ hat am
Sonntag geschrieben: „Deutsche sollen wieder mehr
zahlen.“ Deutlicher wird sie im Innenteil: „Wir Deutsche
sollen noch mehr zahlen“, weil die Euro-Bonds
17 Milliarden Euro kosten. „Deshalb zurück zur
D-Mark?“ Um das Ganze zu toppen – ich zitiere noch
einmal –, stehen in der FAZ auf Seite 49 Tipps für Spe-
kulanten. Das ist die europäische Wirklichkeit einer
Leitzeitung in Deutschland, auf die Sie sich beziehen.
Nehmen wir die Situation Deutschlands in Brüssel
einmal sehr genau unter die Lupe. Viele von Ihnen und
uns sind fast jede Woche dort, reden mit Kolleginnen
und Kollegen ihrer Fraktionen und der anderen Länder.
Die Situation der deutschen Europapolitik ist so kata-
strophal – ich bin seit 1978 in vielen Funktionen dort un-
terwegs –, wie wir es noch nie erlebt haben.
Ich will Ihnen das an dem ganz simplen Beispiel der
Einlagensicherung bei den Sparkassen deutlich machen.
Das, was Sie hier im Hause mit großer Zustimmung von
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Diese Forderung nach Stimmrechtsentzug ist absurd.
as wäre so, als würden wir in bestimmten Situationen
Deutschland sagen – hier sitzen Vertreterinnen und
ertreter des Bundesrates –: Weil die finanzielle Lage im
aarland und in Bremen höchst schwierig ist, müssen
em Saarland und Bremen die Stimmen im Bundesrat
ntzogen werden. – Das ist politisch absurd und aus ver-
ssungsrechtlichen Gründen in Deutschland nicht mög-
ch.
der EU geht so etwas auch nicht.
Von der europäischen Bürgerinitiative über die Frage,
ie wir jetzt mit der Krise umgehen, bis zum Thema eu-
päische Wirtschaftsregierung, zu all diesen Punkten
ibt es von den Koalitionsfraktionen keinen Entschlie-
ungsantrag. Wir wundern uns gar nicht darüber; denn
ie haben dazu keine Positionen. Auch das gehört zu den
ahrheiten der Europapolitik in diesem Hause.
8832 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Axel Schäfer
)
)
Ich verspreche der Regierung eines: Was auch immer
Sie bei den Themen machen, an deren Behandlung das
Europäische Parlament im Rahmen der Gesetzgebung
beteiligt ist: Wir werden uns als sozialdemokratische
Fraktion des Deutschen Bundestages kooperativ mit un-
seren Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parla-
ment einbringen. Wir wissen aus vielen Gesprächen: Im
Europäischen Parlament – dort geht es um Mehrheiten –
haben Sie für die meisten Ihrer Vorstellungen keine Un-
terstützung. Unsere Vorstellungen entsprechen eher de-
nen der Mehrheit. Das werden wir konsequent parlamen-
tarisch nutzen, weil Europa in dieser Krise mehr
Demokratie, mehr Gemeinschaft braucht. Gemeinschaft
ist nur in europäischer Demokratie möglich. Das ist un-
ser sozialdemokratischer Weg; diesen Weg gehen wir.
Nächster Redner ist der Kollege Hans-Peter Friedrich
für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! So flach, so seicht und so schlicht, wie diese De-
batte vonseiten der Opposition geführt wird, wird sie der
historischen Herausforderung und der historischen Phase
der europäischen Integration, in der wir uns in diesen
Wochen und Monaten befinden, nicht gerecht.
In jeder Krise, so heißt es, liegt eine Chance. Ja, Kri-
sen beschleunigen Prozesse, positiv wie negativ.
Eine Chance liegt aber nur dann in der Krise, wenn man
Defizite benennt und sie beseitigt.
Wir haben 2008 eine Nagelprobe für unsere Banken in
Europa, in der Welt erlebt, durch die Defizite aufgedeckt
wurden. Wir haben anschließend erlebt, dass die Wirt-
schaft einer Nagelprobe ausgesetzt wurde, durch die De-
fizite aufgedeckt wurden.
Wir sehen jetzt, dass die Staaten einem Stresstest ausge-
setzt werden. Dabei geht es darum, Defizite zu benennen
und zu beseitigen.
Wenn wir das tun, wenn wir Defizite aufdecken und
sie beseitigen, dann wird der Euro stärker aus der Krise
hervorgehen, als er es vorher war. Unser Euro hat in den
letzten Jahren für Stabilität in Europa gesorgt. Übrigens
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as ist nicht in Ordnung; das ist nicht patriotisch.
Wir müssen jetzt den Beweis dafür erbringen, dass
ir auch politisch in der Lage sind, Defizite zu benennen
nd zu beseitigen.
ir erleben das seit einigen Monaten in Griechenland.
ie griechische Regierung ist dabei, ihre Ausgaben um
Prozent und die Nettoneuverschuldung um 6 Prozent
u reduzieren. Sie hat in all den Bereichen, in denen
trukturveränderungen notwendig waren, Kürzungen
orgenommen. Wir erleben das in Irland, wo die Neu-
erschuldung im nächsten Jahr massiv zurückgefahren
erden soll. Wir erleben das in Spanien und Portugal,
ie in den beiden kommenden Jahren ihre Ausgaben um
weils 3 Prozent reduzieren werden. In jeder Krise liegt
ine Chance, wenn man die Defizite benennt und besei-
gt. Herr Trittin, man wird natürlich nicht beliebt,
enn man Defizite aufdeckt und fordert, sie zu beseiti-
en. Aber Europa braucht in dieser Phase keine Politi-
er, die geliebt werden wollen, sondern Politiker, die
erantwortung für die Stabilität in Europa übernehmen.
Wir werden – das ist das Ziel der nächsten Tage und
ochen – einen neuen europäischen Krisenmechanis-
us erarbeiten, der den vorläufigen Krisenmechanismus
eiterentwickelt, der für Irland sozusagen ad hoc in ei-
er Notsituation geschaffen wurde und sich auf den Be-
ich der Euro-Zone beschränkt, der in den Verträgen
lso in einem Bereich angesiedelt ist, der nur die Euro-
taaten betrifft; ich halte das für wichtig.
Dieser neue Krisenmechanismus wird gegenüber dem
echanismus, der bisher für Irland gilt, modifiziert und
erbessert; ich denke, auch das ist wichtig. Entscheidend
t, dass auch der neue Mechanismus die Aufgabe, auf
ie es ankommt, nämlich Defizite aufzudecken und zu
eseitigen, erfüllt. Das ist auch die Anforderung an den
ettungsschirm. Dabei ist es völlig irrelevant, wie groß
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8833
Dr. Hans-Peter Friedrich
)
)
dieser Schirm ist, sondern wichtig ist, dass er die Aufga-
ben, die er wahrzunehmen hat, erfüllen kann.
Dazu gehört auch die Beteiligung des IWF. Ich denke,
dass der Internationale Währungsfonds sowohl in Bezug
auf Griechenland als auch in Bezug auf Irland mit seiner
Expertise und seinen Möglichkeiten hilfreich gewirkt
hat.
Wir werden die Gläubigerbeteiligung einführen, die
nichts weiter bedeutet, als dass die Möglichkeit, dass ein
Staat insolvent wird und pleitegeht, aufrechterhalten
wird. Innerhalb des Mechanismus kann ein solcher Staat
allerdings aufgefangen werden, und ihm kann die Mög-
lichkeit gegeben werden, sich zu sanieren und zu ent-
schulden; das ist entscheidend.
Meine Damen und Herren, Europa geht den Weg in
eine Stabilitätsunion, und Deutschland geht voraus, zu-
sammen mit Frankreich, mit den Niederlanden, mit Ös-
terreich und all den Ländern in Europa, die größtes Inte-
resse an der Stabilität unserer gemeinsamen Währung
haben. Das gilt übrigens auch für diejenigen Länder, die
auf dem Weg zum Euro sind, zum Beispiel für Polen und
Tschechien, ob in naher oder ferner Zukunft. All diese
Staaten haben ein gemeinsames Interesse an einer stabi-
len gemeinsamen Währung. Wer gehört hat, welches
Hohelied der schwedische Außenminister vor zwei Wo-
chen auf den Euro und seine Stabilität gesungen hat, der
weiß: Man schaut auf Europa. Man schaut auf die Euro-
Zone und darauf, wie wir die Stabilität des Euros auf-
rechterhalten.
Die heilende Wirkung des Krisenmechanismus
mit der Zielsetzung der Aufdeckung und Beseitigung
von Defiziten wäre sofort, von heute auf morgen, been-
det, wenn wir Euro-Bonds einführen würden.
Es irritiert mich sehr, dass die Einführung von Euro-
Bonds plötzlich sowohl vonseiten der SPD als auch von-
seiten der Grünen gefordert wird. Das gibt mir eine Vor-
stellung davon, wie das Klima wohl damals in der rot-
grünen Koalition war, als man mir nichts, dir nichts und
ohne mit der Wimper zu zucken den Stabilitätspakt auf-
geweicht hat
und als man, ohne Widerstand zu leisten, der Aufnahme
Griechenlands in die Euro-Zone zugestimmt hat. Das ist
Ihre Politik von damals, aus der Sie bis heute nichts ge-
lernt haben. Deswegen sind wir froh, dass Sie in der Op-
position sind.
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as muss auch in der Zukunft eine Aufgabe der nationa-
n Regierungen sein, unter Kontrolle der nationalen
arlamente.
uch künftig muss der Europäische Rat der Ort sein, an
em die gemeinsame Koordinierung der nationalen Poli-
ken stattfindet. Daran kann und darf es auch in der Zu-
unft keinen Zweifel geben.
Ja, wir brauchen eine stärkere Koordinierung, und wir
üssen Wege dafür finden, die Idee der deutschen Stabi-
tätskultur auf andere Staaten innerhalb des Euro-
aums zu übertragen. Das ist ohne Frage richtig; da ha-
en Sie recht. Ich denke, man darf dabei auch diejenigen
icht ausschließen, die Interesse daran haben, diesen
eg der Stabilität mit uns zu gehen, auch wenn sie den
uro noch nicht eingeführt haben, namentlich Polen,
ber auch, wie gesagt, Tschechien und die anderen Län-
er, die dieses Interesse haben.
Die Menschen in Deutschland und in ganz Europa ha-
en sich gewünscht, dass sie einen Euro bekommen, der
o stark ist wie die D-Mark. Der Euro ist heute stärker
ls die D-Mark.
afür, dass er das auch bleibt und dass er weiterhin die
tabile Währung ist, auf die übrigens viele auch außer-
alb von Europa ihre Hoffnung setzen, bürgen Angela
erkel und diese Bundesregierung mit ihrem Kurs.
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, deswegen wün-
chen wir Ihnen alles Gute, viel Glück und eine glückli-
he Hand bei der Aufgabe, die Ihnen in den nächsten
eiden Tagen bevorsteht.
Vielen Dank.
8834 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
)
)
Dr. Diether Dehm ist der nächste Redner für die Frak-
tion Die Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
ren! Viel zu kurzfristig hat der Bundestag erfahren, dass
morgen auf dem Europäischen Rat ein Beschluss zur
Änderung des Vertrages über die Arbeitsweise der Euro-
päischen Union – AEUV – gefasst werden soll. Das ist
ganz sicher ein Vorhaben nach dem Zusammenarbeitsge-
setz. Hier spreche ich Sie an, Herr Lammert, der Sie
sich, wie man hört, auch in Ihrer Partei oft beherzt für
die Rechte nach diesem Zusammenarbeitsgesetz einset-
zen.
Darüber hätte die Bundesregierung den Bundestag recht-
zeitig informieren müssen,
und sie hätte dem Parlament rechtzeitig die Möglichkeit
zur vorherigen Stellungnahme geben müssen. Das hat
sie nicht getan. Frau Bundeskanzlerin, damit haben Sie
ein weiteres Mal Ihre gesetzlichen und verfassungsmäßi-
gen Pflichten grob verletzt.
Der Vertrag von Lissabon ist jetzt gerade einmal ein
Jahr in Kraft. Alle Probleme der EU sollten damit gelöst
werden, und er sollte lange Zeit unverändert bleiben.
Das verkündeten die Bundesregierung, aber auch SPD
und Grüne damals mit viel Pathos. Das alles ist jetzt
Schall und Rauch. Schon jetzt ändern Sie das Vertrags-
recht radikal, indem Sie die Bail-out-Klausel außer Kraft
setzen.
Die Ursachen für die Finanzkrise bleiben also unan-
getastet, zum Beispiel dieser irrsinnige Art. 63 AEUV,
wodurch jegliche Beschränkung des turbokapitalisti-
schen Finanzverkehrs verboten wird. Der US-Milliardär
Warren Buffett, den Sie ja oft wegen seiner Spenden lo-
ben, nannte diese Spekulationsgeschäfte – Zitat – „finan-
zielle Massenvernichtungswaffen“. Sagen wir es einmal
klar: Die Profiteure von Hunger, Massenarbeitslosigkeit,
Krieg und Finanzkrise lassen Sie unangetastet.
Ohne die Einführung einer sozialen Fortschrittsklau-
sel, wie Sie von Gewerkschaften, Christen, Attac und
den Linken gefordert wird, zerreißen Sie die EU. Das ist
keine Science-Fiction-Vision: Da brennende Autos in
den Vorstädten von Paris und Athen, hier gut bewachte
Paläste. Ihre EU bleibt die EU derer, die sich Parteispen-
den in Höhe der Allfinanz und der Familie Quandt leis-
ten können.
Die aggressive deutsche Exportstrategie, die durch
ein immer weiteres Herabpressen der deutschen Lohn-
stückkosten – die Lohnstückkosten und damit die deut-
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Meine Damen und Herren, wir wollen mit unserem
ntschließungsantrag ein transparentes Änderungsver-
hren des Vertrags erreichen. Sie wollen ein sogenann-
s vereinfachtes Verfahren, weil Sie die Öffentlichkeit
cheuen wie der Vampir das Tageslicht.
ie wollen heute eine vertragswidrige intransparente Er-
ächtigung für einen sogenannten Stabilisierungsmecha-
ismus zur Fortsetzung Ihrer EU-Politik für Ackermann
nd die Superreichen.
Wer Euro-Bonds jetzt so dogmatisch verweigert,
eibt die EU auseinander. Sie, Frau Merkel, sind eine
ntieuropäerin par excellence.
Herr Kollege.
Ich komme zum Schluss. – Letztlich wird diese Krise
ur Verstaatlichung des gesamten Kreditsektors führen,
icht nur der Schrottbanken, sondern auch der Deut-
chen Bank als Diktatorin deutscher Wirtschaftspolitik
eit 1933; denn wenn Kredite das Blut der Wirtschaft
ind, dann dürfen wir die Blutbank nicht mehr länger
en Vampiren überlassen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8835
)
)
Michael Stübgen ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich möchte am Schluss dieser Debatte versu-
chen, unsere Aufmerksamkeit noch einmal darauf zu
lenken, was morgen beim Europäischen Rat zur Ent-
scheidung ansteht. Es geht um Folgendes – Herr Dehm,
hören Sie genau zu –: Der Rat strebt eine politische Eini-
gung auf eine kleine Vertragsänderung nach Art. 48 des
Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union
in Art. 136 AEUV, den Euro-Artikel, an. Der formelle
Beschluss über die Vertragsänderung soll im März nächs-
ten Jahres gefasst werden. Selbstverständlich werden wir
dafür sorgen, dass der Bundestag im Vorfeld – so wie es
das Integrationsverantwortungsgesetz vorschreibt – das
Einvernehmen mit der Bundesregierung zu dieser Ver-
tragsänderung herstellt. Aber wir sind jetzt schon in der
Lage, ziemlich genau über das, was geplant ist, zu disku-
tieren.
Da will ich zwei Anmerkungen machen. Ich höre stän-
dig die Behauptung, die Bundesregierung und die Koali-
tionsfraktionen hätten in den letzten Monaten keinen kla-
ren Kurs darüber gehabt, was wir in Europa ändern
müssen. Ich will Sie daran erinnern: Nachdem wir im
Mai dieses Jahres sehr kurzfristig und sehr schnell den
europäischen Rettungsschirm beschlossen haben, haben
wir von Anfang an in aller Klarheit darauf hingewiesen,
dass – erstens – dieser europäische Rettungsschirm nur
ein befristetes Notinstrument sein kann und dass – zwei-
tens – wir darangehen müssen, im sekundärrechtlichen
Teil des Vertrages den Stabilitätsvertrag deutlich zu ver-
schärfen, deutlich zu verändern. Aber wir haben auch
von Anfang an klargemacht, dass es notwendig sein wird,
eine Vertragsänderung anzustreben.
Ich kann mich daran erinnern, dass viele Leute in
ganz Europa gesagt haben: Bloß keine Vertragsände-
rung; das ist alles sehr kompliziert. – Wir haben daran
festgehalten, dass es sein muss.
Was ist seit Mai/Juni dieses Jahres passiert? Seit Sep-
tember liegt der Vorschlag der Europäischen Kommis-
sion, das sogenannte Governance Package, vor, eine An-
zahl von Verordnungen und Richtlinien, die zu einer
nachhaltigen Verschärfung des Stabilitätspakts in Europa
führen werden. Es gibt seit Oktober einen einstimmigen
Vorschlag der Task Force des Europäischen Rates, der in
einzelnen Teilen minimal anders ist als der Vorschlag der
Europäischen Kommission. Wir werden in der Lage sein,
bis zum Sommer des nächsten Jahres – so ist der Zeitplan
des Europäischen Parlaments, der Fachministerräte und
der Europäischen Kommission – diese sekundärrechtli-
che Änderung durchzusetzen. Das ist ein Quantensprung
in unserem Bemühen darum, in Zukunft ähnliche
Schwierigkeiten und Katastrophen auf den Finanzmärk-
ten bzw. ähnliche Verschuldungssituationen in Mitglieds-
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Des Weiteren haben wir immer gesagt, dass es nicht
usreichen wird, nur sekundärrechtliche Änderungen
orzunehmen, sondern um eine dauerhafte Einrichtung
es Stabilitätsmechanismus zu ermöglichen, der ausrei-
hend vertraglich fixiert ist, und um dauerhaft in der
age zu sein, notleidenden Staaten zu helfen, müssen
ir auch eine Vertragsänderung anstreben. Genau diese
leine Vertragsänderung wird diskutiert.
Die Euro-Gruppe und der letzte Ecofin-Rat haben sehr
onkrete Vorschläge gemacht, die in etwa auch morgen
ur Debatte und zur Beschlussfassung vorliegen werden.
as führt dazu, dass wir zum einen den Stabilitätsmecha-
ismus dauerhaft sichern. Zum Zweiten wollen wir fest-
gen, dass bei Verlust der Schuldentragfähigkeit eines
uro-Mitgliedslandes ein geordnetes Umstrukturierungs-
erfahren mit Einbeziehung der privaten Gläubiger er-
öglicht und auch in den Zusatzverträgen vertraglich
stgelegt wird.
Diese Vertragsänderung wollen wir bis zum Jahr 2012
msetzen. Wir sind dabei auf einem guten Weg. Vor we-
igen Wochen allerdings – das muss ich ehrlich sagen –
ah es nicht so aus, als ob wir dazu in der Lage sein wür-
en.
Wirklich verwirrend und schwierig ist aber in der öf-
ntlichen Diskussion zurzeit die Tatsache, dass es eine
nüberschaubare Vielzahl von mehr oder weniger durch-
achten Vorschlägen gibt, wie man mit der Euro-Krise
mgehen könnte. Ich will nur auf zwei Tickermeldungen
on heute Morgen hinweisen. Reuters schreibt: „Steinbrück
nd Steinmeier plädieren für Eurobonds“. Zeitgleich
chreibt die dapd, Steinmeier habe im ZDF-Morgenma-
azin gesagt, mit Euro-Bonds sei das Problem nicht zu lö-
en. – Es scheint ja sehr gradlinig zu sein, was Sie wollen.
Wir haben heute von Herrn Steinmeier gehört, dass er
ich für limitierte Euro-Bonds ausspricht. Haben Sie den
orschlag von Jean-Claude Juncker nicht gelesen? Darin
eht es um limitierte Euro-Bonds. Also wollen Sie die
uro-Bonds, wie Juncker sie vorschlägt. Des Weiteren
rdern Sie einen intelligenten Haircut. Haben Sie nicht
elesen, was die Euro-Finanzminister beschlossen ha-
en? Das geplante Vorgehen bei Verlust der Schulden-
agfähigkeit eines Landes sieht einen intelligenten Hair-
ut vor. Was wollen Sie mehr? Sie könnten dann doch
aber dazu werden Sie sich sicherlich nicht durchringen
önnen – unseren Vorschlägen zustimmen.
Ich will noch kurz auf einen breit diskutierten Vor-
chlag eingehen, den der Premierminister von Luxemburg,
ean-Claude Juncker, vor kurzem gemacht hat: die Ein-
hrung der sogenannten Euro-Bonds. Im Übrigen ist die-
er Vorschlag von Jean-Claude Juncker nahezu identisch
it dem Vorschlag des Brüsseler Instituts Bruegel.
8836 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Michael Stübgen
)
)
Gestatten Sie mir drei kurze Anmerkungen dazu – das
muss man wissen, bevor man lauthals Euro-Bonds for-
dert –: Erstens würde die Einführung der Euro-Bonds
eindeutig eine große Vertragsänderung bedeuten. Wir
bräuchten dazu auf europäischer Ebene einen Konvent,
eine Regierungskonferenz
und zig verschiedene Referenden. Ich erinnere nur da-
ran, wie lange wir gebraucht haben, um den Lissabon-
Vertrag umzusetzen, der einst als Verfassungsvertrag ge-
plant war. Das dauert Jahre. Wir haben aber nicht jahre-
lang Zeit, zu diskutieren. Wir müssen jetzt entscheiden.
Zweitens – das ist schon mehrfach angesprochen wor-
den –: Wenn wir Euro-Bonds bekämen, würden sie mit
Sicherheit sofort zu einer deutlichen Steigerung der
deutschen Zinslast und damit zu Milliarden Mehrausga-
ben von Bund, Ländern und Gemeinden führen. Das
muss man den Menschen sagen, bevor man sie als kom-
mendes Heilsinstrument beschreibt.
Drittens. Viele glauben – das ist eine trügerische
Hoffnung –, dass die Spekulationen plötzlich aufhören
würden, wenn wir Euro-Bonds bekämen. Ich sage Ihnen
voraus, dass das nicht passieren wird, und zwar aus fol-
gendem Grund: Jean-Claude Juncker schlägt vor, dass
sich die Euro-Bonds, das heißt die gemeinschaftliche
Absicherung, auf bis zu 40 Prozent der Verschuldung der
Nationalstaaten im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt
beziehen sollen. Die Frage ist: Was ist mit dem Rest der
Verschuldung? Nahezu alle Euro-Länder haben eine
deutlich höhere Verschuldung als 40 Prozent. Es würde
wahrscheinlich nur Tage dauern, bis es zu Spekulationen
auf den Kapitalmärkten und zu einer Diskussion darüber
kommt, ob wir nicht auf 60, 80 oder 100 Prozent gehen
müssten. Dann wäre das Dilemma schlimmer als heute.
Die CDU/CSU-Fraktion unterstützt die kleine Ver-
tragsänderung als Ziel der Bundesregierung. Wir hoffen,
dass es morgen zu einer klaren und deutlichen Einigung
für diese kleine Vertragsänderung kommt.
Schon Anfang nächsten Jahres werden wir in diesem
Haus detailliert über die Inhalte dieser Vertragsänderung
einschließlich der Folgegesetze debattieren.
Danke schön.
Zum Schluss der Debatte erhält der Kollege
Dr. Michael Luther ebenfalls für die CDU/CSU-Fraktion
das Wort.
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ie Finanz- und Wirtschaftskrise hat alle, auch uns in
eutschland, kalt getroffen. In Deutschland sind wir gut
us der Krise herausgekommen, weil wir die Zeichen der
eit verstanden und gesagt haben: Wir müssen konsoli-
ieren und unsere Wirtschaft stärken. Das wird in
eutschland von den Märkten honoriert.
Mit dem Blick auf Europa muss man aber feststellen,
ass die Finanz- und Wirtschaftskrise Probleme aufge-
eckt hat, die es zu lösen gilt. Aus dem, was Frau Merkel
ier vorgetragen hat und was mein Kollege Herr Stübgen
seiner Rede gerade wiederholt hat, ergeben sich die
chtigen vernünftigen, kleinen Schritte, die jetzt getan
erden müssen, um aus den entstandenen Problemen zu
rnen und um Stabilität auf den Finanzmärkten in Eu-
pa wiederherzustellen.
Vorhin habe ich Herrn Steinmeier zugehört. Ich fand
eeindruckend, dass er sagte: Was wir brauchen, ist ein
räftiges Signal. – In der weiteren Rede habe ich zu-
ächst außer Kritik vonseiten der Opposition nichts wei-
r gehört.
Dann kamen allerdings zwei Vorschläge, nämlich der
telligente Haircut und die limitierten Euro-Bonds.
eide Vorschläge halte ich für limitiert intelligent.
Was wir in Europa brauchen, ist Solidarität. Das ha-
en wir zum Beispiel mit dem Rettungsschirm gezeigt.
ieser Rettungsschirm allein funktioniert jedoch nicht,
enn er nicht mit Hausaufgaben für die betroffenen Län-
er verknüpft wird. Die europäischen Staaten, die den
ettungsschirm in Anspruch nehmen wollen, müssen
ich mit den Fragen der Haushaltskonsolidierung und
er Konsolidierung ihrer Wirtschaft beschäftigen, wie
as auch Deutschland getan hat.
Man muss sich die Frage stellen: Warum sind die
ärkte so nervös? Sie sind nervös, weil sie sich Sorgen
ber die Wirtschafts- und Finanzlage in bestimmten
ändern machen und weil sie diese Situation beunruhigt.
ür mich stellt sich die Frage, ob uns in dieser Situation
uro-Bonds etwas nutzen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8837
Dr. Michael Luther
)
)
Ich habe versucht, mir das Ganze an einem einfachen
Beispiel zu verdeutlichen. Stellen Sie sich vor, Ihr Sohn
erzählt Ihnen eines Tages, dass er in der letzten Zeit lei-
der einige Schulden gemacht und über seine Verhältnisse
gelebt hat. Er gibt also mehr Geld aus, als er hat.
Was machen Sie dann? Sie könnten natürlich zuschauen,
wie er mit dieser Situation zurechtkommt. Das machen
Sie als Familienvater aber nicht, weil Sie sich sagen: Wir
sind eine Familie, und eine Familie ist eine Solidarge-
meinschaft, in der man sich gegenseitig hilft. – Genauso
machen wir es in der Europäischen Union.
Wie helfen Sie Ihrem Sohn? Sie überlegen mit ihm
gemeinsam, warum diese Situation eingetreten ist und
was man tun kann, um aus ihr herauszukommen.
Erst danach machen Sie sich daran, die aktuellen Finanz-
probleme in den Griff zu bekommen.
Notfalls werden Sie das Konto Ihres Sohnes ausglei-
chen.
Es gibt noch eine dritte Möglichkeit. Man könnte sei-
nem Sohn sagen: Mein lieber Sohn, ich erteile dir Kon-
tovollmacht, gebe dir meine Kreditkarte, und du kannst
so weitermachen wie bisher. – Um nichts anderes han-
delt es sich bei den Euro-Bonds.
Es geht eben nicht, dass manche Schulden machen
und alle anderen dafür haften sollen. Das trägt nicht zur
Lösung der vorhandenen Probleme bei. Die Finanz-
märkte werden ihr Augenmerk darauf richten, ob die
Haushalte und die Wirtschaft in den betroffenen Ländern
in Ordnung sind oder nicht. Erst wenn die einzelnen
Wirtschaftslagen in Ordnung gebracht werden, werden
sich die Finanzmärkte beruhigen.
Ich sage an dieser Stelle ganz klar: Auf die CDU/CSU
und die FDP ist Verlass. Wir werden in Solidarität mit
den anderen europäischen Staaten uns darum bemühen,
dass die Solidargemeinschaft Europa funktioniert. Aber
wir werden jede Solidarität an die Erfüllung der richti-
gen und notwendigen Hausaufgaben knüpfen. Wir unter-
stützen ausdrücklich Frau Merkel auf dem vor uns lie-
genden Gipfel des Europäischen Rats. Das, was die Frau
Bundeskanzlerin vorgetragen hat, sind die richtigen
Schritte. Es geht um robuste Krisenbewältigungsmaß-
nahmen. Es geht um die Einbindung privater Gläubiger.
Es geht um eine tiefere wirtschaftspolitische Integration.
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Entschlie-
ungsanträge, und zwar zunächst zur Abstimmung über
en Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf
rucksache 17/4183. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
er Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der bei-
en Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD
nd Grünen bei Enthaltung der Linksfraktion abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache
7/4184. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? –
er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschlie-
ungsantrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die
timmen der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
rucksache 17/4185. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
er Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von
DU/CSU, FDP und Linken gegen die Stimmen von
PD und Grünen abgelehnt.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Fraktionen haben vereinbart, dass die Regie-
ngsbefragung heute insgesamt 45 Minuten dauern soll.
ind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
erfahren wir so.
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
inettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
nderung wehrrechtlicher Vorschriften 2011 und
ntwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Bun-
esfreiwilligendienstes.
Das Wort für die einleitenden je fünfminütigen Be-
chte haben zunächst der Bundesminister der Verteidi-
ung, Herr Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, und
nschließend die Bundesministerin für Familie, Senio-
n, Frauen und Jugend, Frau Kristina Schröder. – Bitte
chön, Herr Minister.
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bun-
esminister der Verteidigung:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
undesregierung hat heute die Eckpunkte zur Neuaus-
chtung der Bundeswehr und als ersten Schritt zu deren
msetzung den Entwurf eines Gesetzes zur Aussetzung
es Grundwehrdienstes und zur Einführung des freiwilli-
en Wehrdienstes beschlossen. Ich darf an dieser Stelle
8838 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Bundesminister Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
)
)
vielen von Ihnen für zahlreiche Impulse und hilfreiche
Hinweise, die aus den Facharbeitsgruppen aller Fraktio-
nen gekommen sind, danken.
Mit den heute verabschiedeten Eckpunkten bekräfti-
gen wir unsere Absicht, die Bundeswehr als leistungsfä-
higes Instrument unserer Sicherheitspolitik zu stärken
und sie konsequent auf die heutigen und absehbaren He-
rausforderungen auszurichten. Mit den beschlossenen
Eckpunkten decken wir vier entscheidende Bereiche ab.
Wir sorgen zum Ersten dafür, dass die Bundeswehr ihren
Auftrag entsprechend den aktuellen und in Zukunft zu
erwartenden sicherheitspolitischen Rahmenbedingun-
gen erfüllen kann. Wir leiten daraus zum Zweiten den er-
forderlichen Gesamtumfang der Streitkräfte ab. Wir
schaffen zum Dritten eine Wehrform, die unter Berück-
sichtigung der aktuellen sicherheitspolitischen Lage eine
angemessene Abwägung zwischen Freiheit und bürger-
schaftlicher Verantwortung darstellt und dabei zumin-
dest konzeptionell nicht auf eine Rekonstitutionsfähig-
keit verzichtet. Wir stärken zum Vierten insgesamt die
Kosteneffizienz und den verantwortlichen Umgang mit
knappen Ressourcen.
Es ist deshalb folgerichtig, dass wir zeitgleich mit den
Eckpunkten eine Gesetzesnovelle zum Wehrpflichtge-
setz auf den Weg bringen. Die Pflicht zum Grundwehr-
dienst wird zum 1. Juli 2011 ausgesetzt. Anstelle des
Grundwehrdienstes tritt ein neuer freiwilliger Wehr-
dienst von 12 bis 23 Monaten für junge Frauen und
junge Männer. Weder die verfassungsrechtliche noch die
einfachgesetzliche Grundlage der Wehrpflicht wird
gänzlich abgeschafft. Im Kern wird damit die Verpflich-
tung zum Grundwehrdienst ausgesetzt.
Dies unterstreichen wir zunächst dadurch, dass wir
den neuen freiwilligen Wehrdienst im Wehrpflichtgesetz
verankern. Auf der Grundlage der bei den Meldebehör-
den erhobenen Daten werden wir künftig junge Men-
schen mit Informationsmaterial über einen Freiwilligen-
dienst in der Bundeswehr versorgen. Dies gewährleistet,
dass wir möglichst alle potenziellen Interessenten errei-
chen. So stellen wir sicher, dass diejenigen, die echtes
Interesse haben, auch eine ausführliche persönliche Be-
ratung erhalten können. Damit ist zugleich sichergestellt,
dass wir junge Frauen und Männer gleichermaßen errei-
chen. Dieses Verfahren ist datenschutzrechtlich völlig
unproblematisch und zudem mit einem vergleichsweise
geringen bürokratischen Aufwand verbunden. Diese
neue Form einer Datenerfassung tritt an die Stelle der
bisherigen Erfassung, die aber im Spannungs- und Ver-
teidigungsfall wie die gesamte Verpflichtung zum
Grundwehrdienst wieder aufleben würde.
Im Vorgriff auf die gesetzliche Regelung lässt sich ge-
währleisten, bereits ab dem 1. März des kommenden
Jahres niemanden mehr gegen seinen Willen einzuberu-
fen. Wir haben zu diesem Zeitpunkt zwar noch die ge-
setzliche Ermächtigung, werden von ihr aber nur inso-
weit Gebrauch machen, als junge Männer sich damit
einverstanden erklären, freiwillig weiterhin Grundwehr-
dienst leisten zu wollen. Sie können dann bei Interesse
und Eignung in den freiwilligen Wehrdienst überführt
werden.
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oder um die alte Dame, die nur mithilfe ihres Zivis auch
einmal in den Garten kommt und frische Luft schnappen
kann. Angesichts der Arbeit, die die Zivis leisten, sind
sie uns allen in den letzten Jahrzehnten sehr ans Herz ge-
wachsen.
Die Aussetzung der Wehrpflicht, mit Sicherheit einer
der größten Veränderungsprozesse der letzten 20 Jahre,
hat nicht nur Bedeutung für die Bundeswehr, sondern
auch Bedeutung für das Leben von jungen Männern. Sie
hat Bedeutung für die soziale Infrastruktur unserer Ge-
sellschaft. Aber es ist ganz klar: Man kann die Wehr-
pflicht nicht über den Zivildienst begründen. An dem
Tag, an dem die Wehrpflicht endet, endet auch der Zivil-
dienst.
Natürlich ist das deshalb schade, weil uns in Zukunft
die Zivis fehlen werden; aber es ist auch gerade deswe-
gen schade, weil der Zivildienst für viele junge Männer
bisher die einzige Möglichkeit war, Interesse an einem
sozialen Beruf zu finden und mit diesen Feldern in Kon-
takt zu kommen. Die wenigen Männer, die zum Beispiel
in Kitas arbeiten, kamen in der Regel über den Zivil-
dienst in diesen Beruf hinein.
Es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, uns Gedanken
darüber zu machen, wie wir die Aussetzung des Zivil-
dienstes so weit wie irgend möglich kompensieren kön-
nen. Das bringen wir mit dem Entwurf eines Gesetzes
zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes auf den
Weg. Gleichzeitig stärken wir damit die Freiwilligen-
dienste der Länder.
Die Eckpunkte werden Ihnen bekannt sein:
Wir wollen den Bundesfreiwilligendienst für Männer
und Frauen öffnen. Wir wollen ihn für Menschen jeder
Altersgruppe öffnen.
Die Regeldauer des Bundesfreiwilligendienstes soll
12 Monate betragen; 6 bis 18 Monate sollen möglich
sein, 24 Monate in Ausnahmefällen.
Wir wollen, dass der Bundesfreiwilligendienst von
unter 27-Jährigen in Vollzeit und von über 27-Jährigen
mit mindestens 20 Stunden die Woche geleistet wird.
Der Hintergrund für diese Regelung ist folgender: Wenn
man das weiter herunterschrauben würde und zum Bei-
spiel einen Dienst für zehn oder fünf Wochenstunden er-
möglichen würde, liefe man Gefahr – so unsere Befürch-
tung –, ehrenamtliches Engagement zu verdrängen, etwa
im Katastrophenschutz. Ich glaube, das will niemand
von uns.
Der Bundesfreiwilligendienst soll arbeitsmarktneutral
gestaltet werden. Es dürfen keine regulären Arbeits-
plätze ersetzt werden. Es geht allein um unterstützende
Tätigkeiten.
Der Bundesfreiwilligendienst soll in den Bereichen
und an den Einsatzorten des bisherigen Zivildienstes ge-
leistet werden. Hinzu kommen Einsatzbereiche wie
Sport, Integration, Kultur, Bildung sowie Zivil- und Ka-
tastrophenschutz.
Die Freiwilligen werden gesetzlich sozialversichert.
Ihr Taschengeld handeln sie wie beim FSJ und FÖJ mit
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für den Bundesfreiwilligendienst zu gewinnen. Wir wis-
sen zum Beispiel aus dem Freiwilligensurvey der Bun-
desregierung, dass ein Drittel der über 65-Jährigen be-
reits ehrenamtlich engagiert ist und sich ein weiteres
Drittel gerne engagieren würde, dem aber noch der rich-
tige Anknüpfungspunkt fehlt. Der Bundesfreiwilligen-
dienst kann ein solcher guter Anknüpfungspunkt sein.
Die Frage hinsichtlich der 20 Wochenstunden haben
wir uns natürlich auch gestellt. Ich weiß, dass es aus der
Verbandsszene einzelne Überlegungen gab, diese Stun-
denzahl noch etwas herunterzufahren, zum Beispiel auf
zehn oder acht Stunden. Ich befürchte allerdings – das
habe ich schon geschildert –, dass dann reguläres ehren-
amtliches Engagement verdrängt und plötzlich formali-
siert würde. Ich glaube nicht, dass wir das wollen. Des-
halb sage ich: Wir sollten erst einmal schauen, ob wir
unter diesen Voraussetzungen – 20 Stunden pro Woche –
genug Ältere finden, die bereit sind, den Bundesfreiwil-
ligendienst zu leisten. Ich meine, dafür gibt es gute Hin-
weise. Aber natürlich werden wir auch dieses Gesetz
ständig überprüfen.
Nun antwortet der Minister.
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bun-
desminister der Verteidigung:
Herr Kollege, die Frage der Attraktivität ist eine ent-
scheidende. Sie gilt, wenn man so will, im Grunde für
alle Laufbahngruppen der Bundeswehr. Aber wenn wir
nach der Aussetzung des Grundwehrdienstes junge Men-
schen tatsächlich dafür gewinnen wollen, einen freiwilli-
gen Dienst zu leisten, dann muss die Maßgabe sein, dass
jemand, der zur Bundeswehr kommt, sie besser ausgebil-
det und besser qualifiziert verlässt, als er es zu dem Zeit-
punkt war, als er eingetreten ist. Das mag banal klingen;
aber das hat etwas damit zu tun, dass wir die Aus-, Fort-
und Weiterbildungsangebote, die wir bereits vorhalten,
weiter verbessern und weiter verbessern können. Es gibt
weitere Punkte – einen Punkt, der sich finanziell nieder-
schlagen würde, habe ich schon genannt –, die wir
bereits in einem ganz breiten Attraktivitätsprogramm an-
gelegt haben. Dazu sollen Anfang des Jahres Entschei-
dungen getroffen werden, auch mit Blick auf eine Priori-
sierung. Das ist sehr wichtig; denn wir können nicht
alles auf einen Schlag umsetzen.
Es wird aber auch darauf ankommen, bei Fragestel-
lungen, die wir nicht alleine von der Bundesseite aus be-
antworten können, bei denen wir aber auch im Zusam-
menhang mit dem, was Kollegin Schröder gerade
vorgetragen hat, durchaus einen Mehrwert sehen wür-
den, die Länder mit einzubinden. Wenn ein solcher
Dienst in der Gesellschaft entsprechend honoriert wer-
den soll, dann muss man diese Honorierung auch dar-
stellen können. Zum Beispiel könnte jemand, der diesen
Dienst leistet und sich dann um einen Studienplatz be-
wirbt, einen Bonus erhalten. Das geht aber nur mit einer
entsprechenden Begleitung durch die Bundesländer, aus
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werben. Es soll nun dazu kommen, dass man daraus eher
einen Vorteil zieht.
Das Verfahren sieht so aus, dass sich, wie ich vorhin
gesagt habe, die neue Form der Erfassung von Daten, die
nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen betrifft,
auf einen Kernbereich von Daten beschränkt; das ist im
Gesetzentwurf so festgelegt. Ich finde den Gedanken,
eine Woche des Freiwilligendienstes bzw. Tage des Frei-
willigendienstes auszurichten, sehr reizvoll. Wir sollten
uns auch überlegen, in welchen Bereichen man die Mög-
lichkeit hat, möglichst viele junge Menschen auf den
Wert des freiwilligen Dienens hinzuweisen. Ich denke da
beispielsweise an die Schulen. Die Schulen sind einer
der wenigen Bereiche, in dem man quasi jeden jungen
Menschen ansprechen kann. Man darf jetzt nicht in Pa-
nik verfallen – das tun wir wahrscheinlich alle nicht –,
dass in den Schulen nunmehr für Auslandseinsätze ge-
worben würde; eine entsprechende Diskussion hatten
wir in diesem Jahr schon. Ein Werben für den Wert der
Freiwilligkeit sollte man aber durchaus andenken, und
man sollte jede Möglichkeit, wie man diesen Gedanken
vertiefen kann, in Ansatz bringen.
Ich möchte noch einen Gedanken hinzufügen: In den
nächsten Monaten, in der Phase des Übergangs, ist es
ganz wichtig, dass wir die Kreiswehrersatzämter, die wir
jetzt noch vorhalten, aber bei denen sich noch einiges
ändern wird, so umgestalten – das ist eine Frage der
Feinausplanung –, dass sie in der Form, die am Ende in
veränderten Ansätzen entstehen wird, zunehmend Dienst-
leister in der Hinsicht werden, dass ihre Angebote so un-
terfüttert werden, dass junge Menschen angesprochen
werden. Damit kann diesen, wenn sie kommen, ein brei-
teres Angebot dargestellt werden, als es im Zweifelsfall
in einem Brief möglich ist. Dies sei vielleicht noch als
komplementärer Gedanke hinzugefügt.
Jede kreative Idee – das sage ich über alle Parteigren-
zen hinweg –, die dazu beiträgt, den Grundgedanken der
Freiwilligkeit in diesem Lande zu stärken, ist herzlich
willkommen und wird selbstverständlich mit in die
Überlegungen aufgenommen.
Nun bitte Kai Gehring, danach Heidrun Dittrich.
Vielen Dank. – Vielen Dank auch für den Auftritt als
Duo an die Frau Ministerin und den Herrn Minister.
Noch besser wäre es sicherlich gewesen, wenn Sie als
Quartett aufgetreten wären, indem Sie auch Bundesbil-
dungsministerin Schavan, die sich jetzt für die Schaf-
fung von circa 150 000 Ausbildungs- und Studienplät-
zen verantwortlich fühlen muss, und Herrn Rösler
mitgebracht hätten, der jetzt zusehen muss, wie auch im
Rahmen der Pflegereform der Wegfall des Zivildienstes
kompensiert wird.
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das ist richtig. Ich denke, in den letzten Monaten ist auch
bei den Trägern die Überzeugung gereift, dass es ein
Fehler gewesen wäre, wenn wir die bestehenden Struk-
turen zerstört und alles auf Bundesebene gebündelt hät-
ten. Es gab ja ein entsprechendes Ansinnen, angeführt
von Frau Kollegin Schwesig. Dies hätte aber bedeutet,
dass die bestehenden Strukturen auf Landesebene, näm-
lich FSJ und FÖJ, erst einmal plattgemacht worden wä-
ren. Wenn man, wie Frau Schwesig, für das FSJ keinen
einzigen eigenen Euro ausgibt, dann mag das nicht so
wehtun. Aber es gibt Länder, die gerade ihr Freiwilliges
Ökologisches Jahr mit unglaublich viel Herzblut gestal-
ten, und es ist ein Unterschied, ob man das Freiwillige
Ökologische Jahr im Wattenmeer oder in den Alpen
macht. Deswegen glaube ich, dass es richtig ist, dass die
Länder weiterhin dafür verantwortlich sind. Wir sind froh
darüber, dass wir diese hoffentlich bald 35 000 Plätze ha-
ben.
In der Tat ist der Grundgedanke, die beiden Formate,
wo immer es geht, aneinander anzugleichen, sodass der
einzelne Freiwillige im Idealfall überhaupt nicht merkt,
um welche Rechtsform es sich handelt. Dort, wo es noch
Unterschiede gibt, beispielsweise beim Kindergeld,
muss ein Ausgleich erfolgen. Noch einmal: Im Idealfall
ist es dem Einzelnen völlig gleichgültig, um welche
Rechtsform es sich handelt. Auch für die Träger ist das
nichts Neues; denn sie haben in aller Regel bisher so-
wohl FSJ und FÖJ als auch Zivildienst durchgeführt. Sie
haben die Mittel schon aus zwei Töpfen bezogen, und so
wird es bleiben; denn das hat sich gut bewährt.
Herr Minister.
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bun-
desminister der Verteidigung:
Herr Kollege Gehring, ich kann die Frage relativ zü-
gig beantworten: Es hat heute Morgen keine Diskussion
über eine etwaige Reform der Pflegeversicherung gege-
ben.
Dann Kollegin Heidrun Dittrich, anschließend Ernst-
Reinhard Beck.
Frau Ministerin, Sie haben soeben erklärt, dass das
Kindergeld bei einem Freiwilligendienst auf Länder-
ebene gezahlt wird, beim Bundesfreiwilligendienst aber
offensichtlich nicht, und dass Sie das ausgleichen wol-
len. Ist Ihnen die Benachteiligung von Eltern im öffentli-
chen Dienst bekannt? Wenn das Kindergeld für eine Zeit
entfällt, dann entfallen im öffentlichen Dienst auch die
kindbezogenen Leistungen und leben auch nach Beendi-
gung des Bundesfreiwilligendienstes nicht mehr auf. Die
Familien, die ihre Kinder in den Bundesfreiwilligen-
dienst schicken, wären somit benachteiligt. Es könnte
aber auch sein, dass die Kindergeldkasse weiter zahlt
und hinterher festgestellt wird: Das war kein FSJ im
Bundesland XY; das war der Bundesfreiwilligendienst.
Liebe Eltern, zahlen Sie bitte die Beträge zurück! –
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Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bun-
desminister der Verteidigung:
Vielen Dank, Herr Kollege Beck, für die beiden Fra-
gen. Es ist tatsächlich so, dass ein wesentlicher Bestand-
teil der großen Bundeswehrreform eine Reform der Re-
servistenkonzeption sein wird und sein muss. Wir haben
hochmotivierte, erstklassige Reservisten in diesem unse-
rem Lande. Aber wir hören immer wieder von Reservis-
ten, auch was das künftige Aufgabenspektrum anbe-
langt, dass wir ihnen mehr Verantwortung geben können
und geben sollten. Schon vor diesem Hintergrund ist es
ungemein wichtig, dass wir auch hier die Strukturen ver-
ändern, dass wir die Verantwortungsbereiche erweitern
und beispielsweise klare Kommandostrukturen bei den
Reservisten schaffen. Es gibt Aufgabengebiete, die vie-
len gar nicht bekannt sind. So befinden sich etwa schon
zahlreiche Reservisten in Auslandseinsätzen. Wir brau-
chen sie gerade im Bereich der zivil-militärischen Zu-
sammenarbeit oder zum Beispiel bei Naturkatastrophen.
Diese Konzeption wird derzeit unter Federführung
von Generalleutnant Weiler, dem stellvertretenden Ge-
neralinspekteur, erarbeitet. Auch hier sind viele Impulse
aus den Reihen des Parlaments, über alle Fraktionsgren-
zen hinweg, mit eingeflossen und fließen sicher auch
künftig mit ein. Im kommenden Jahr – in diesem Jahr
schaffen wir es nicht mehr – werden wir dann ein ent-
sprechendes Reservistenkonzept auf den Weg bringen.
Die zweite Frage ist ganz entscheidend in Bezug auf
das Grundverständnis unserer Streitkräfte. Es ist tatsäch-
lich so, dass wir in den letzten Jahrzehnten mit dem Mo-
dell der Wehrpflicht eine Verstärkung des Prinzips des
Staatsbürgers in Uniform und des Prinzips der Inneren
Führung darstellen konnten. Deswegen muss es unser
Anspruch sein, auch unter den neuen Strukturen im Rah-
men des neuen Modells, das wir jetzt schaffen, diesbe-
züglich keinerlei Abstriche zu machen. Für alle Solda-
tinnen und Soldaten – egal welche Laufbahngruppe, egal
ob freiwillig Wehrdienstleistende oder Berufssoldaten,
egal ob Mannschaftsdienstgrad, Unteroffizier oder Offi-
zier – sollte das Prinzip der Inneren Führung und des
Staatsbürgers in Uniform weiterhin gelten. Es ist nicht
zwingend allein an die Wehrpflicht gebunden, sondern
auch an das Verständnis von Ausbildung und an die
Frage, wie sich Gesellschaft und Bundeswehr wechsel-
seitig zueinander verhalten. Dieser Anspruch bleibt
maßgeblich und wird die künftigen Strukturen und somit
auch die Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten wie
auch in den vergangenen Jahrzehnten prägen.
Danke schön. – Nun Harald Koch und anschließend
Michael Groschek.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich weiß jetzt nicht,
wer von Ihnen beiden, Frau Ministerin und Herr Minis-
ter, meine erste Frage beantworten will. Das können Sie
selbst entscheiden. Nach welchen Kriterien, in welcher
Frequenz und in welcher Tiefe soll das Bundesamt für
den Zivildienst überprüfen, ob auch beim Bundesfreiwil-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8845
Bundesministerin Dr. Kristina Schröder
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reichen Freiwillige eingesetzt werden, stellen Sie fest,
dass das keine Bereiche sind, in denen dadurch Wettbe-
werbsvorteile entstehen. In diesen Bereichen findet viel-
mehr die Kür und nicht die Pflicht statt. Wenn wir uns
darauf einigen könnten, wären wir schon einen Schritt
weiter.
Nun fragt Patrick Kurth und danach als letzter Frage-
steller Sönke Rix.
Herr Minister, ich komme auf die Kreiswehrersatz-
ämter zurück, die im Zusammenhang mit der Reform
von wesentlichen Aufgaben entbunden werden sollen.
Auch die zivilen Mitarbeiter brauchen Planungssicher-
heit. Wann rechnen Sie mit einer neuen Konzeption, mit
einer neuen Ausrichtung der Kreiswehrersatzämter?
Zweite Frage. Sie sprachen von der Bundeswehr als
Teil der Gesellschaft und sagten, dass sie auch weiterhin
in die Mitte der Gesellschaft gehört. Muss man nicht
auch darüber nachdenken, wie man mit Standorten in In-
nenstädten umgeht, ob auf diese Standorte, Kasernen
und Garnisonen nicht möglicherweise eine veränderte
Verantwortung zukommt, damit sie weiterhin als Teil der
Gesellschaft verstanden werden?
Bitte schön, Herr Minister.
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bun-
desminister der Verteidigung:
Vielen Dank, Herr Kollege Kurth. Zunächst zu den
Kreiswehrersatzämtern: Den Kreiswehrersatzämtern
kommt derzeit eine hochverantwortungsvolle Rolle zu.
Zum einen sind sie gefordert, den Status quo bis zum
30. Juni bzw. 1. Juli 2011 aufrechtzuerhalten, das heißt
in bekannten Strukturen zu arbeiten. Ich weise aber noch
einmal darauf hin, dass wir den Kreiswehrersatzämtern
das Angebot machen, sich im nächsten Jahr, beginnend
mit dem 1. März 2011, zu erneuern. Der junge Mensch
wird entsprechend anders darauf zurückgreifen können.
Dann wird er nicht mehr gegen seinen Willen eingezo-
gen werden. In dieser Übergangszeit werden sich die
Kreiswehrersatzämter ihren neuen Aufgaben zuzuwen-
den haben. Letztlich werden sie in die Dienstleistungs-
struktur in veränderter Form eintreten. Wir wollen sehr
bald, das heißt, in den nächsten zwei, drei Monaten,
Klarheit darüber haben, wohin die Reise geht und wie
sich die Kreiswehrersatzämter aufgrund ihrer neuen
Aufgabengebiete neu zu positionieren haben. Dabei
kann man natürlich Erfahrungswerte einfließen lassen.
Es ist sinnvoll, diese Erfahrungswerte aufzunehmen.
Was die Stationierung und die Standorte der Kreis-
wehrersatzämter anbelangt, ist zu sagen, dass das im
Zusammenhang mit der gesamten Standort- und Statio-
nierungsplanung in Deutschland zu sehen ist, weil viele
Dinge dabei sehr eng zusammenhängen. Es kann ja
durchaus sein, dass die Nachfolgeeinrichtungen der heu-
tigen Kreiswehrersatzämter in Bereichen aktiv werden,
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den wir die bestehenden Strukturen der Länder plattma-
chen.
Wir würden sie gefährden. Ich glaube, das möchte keiner
von uns. Wir würden vor allen Dingen auch ein zentra-
listisches Instrument schaffen, das die regionalen Unter-
schiede, die es gerade auch beim Freiwilligen Sozialen
Jahr und Freiwilligen Ökologischen Jahr gibt, negieren
würden. Wenn ich mit den Trägern spreche, bei denen es
damals durchaus Sympathien für die Idee, alles auf Bun-
desebene zu bündeln, gab, habe ich das Gefühl, dass
diese wenigen Sympathien deutlich abgenommen haben
und sich die Einsicht durchgesetzt hat, dass es gut ist,
dass wir diese Strukturen erhalten.
Sie haben auch gefragt, warum wir nicht quasi nur die
Landesfreiwilligendienste erhalten. Auch diese Antwort
ist ausgesprochen einfach: weil die Länder nicht bereit
sind, dafür 300 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen.
Wenn sie das tun würden, wäre das ein interessantes und
vielleicht auch zukunftsweisendes Unterfangen. Aber sie
sind nicht dazu bereit. Sie wollen, dass wir mit Mitteln
des Bundes Länderstrukturen umfassend finanzieren.
Das wäre finanzverfassungsrechtlich nicht zulässig;
diese Auseinandersetzung haben wir schon oft geführt.
Das wäre auch nicht im Sinne unseres Föderalismus und
auch nicht im Sinne einer klaren Zuständigkeit und einer
klaren Verantwortlichkeit.
Die Pauschalen, die wir zahlen – das wissen auch Sie –,
sind eine Art pädagogische Pauschalen. Es ist etwas an-
deres, ob Sie einen Dienst zu einem kleinen Teil oder
umfassend finanzieren. Darauf würde es hinauslaufen,
wenn wir 300 Millionen Euro für die Landesfreiwilli-
gendienste zur Verfügung stellen würden.
Die einzige Möglichkeit wäre, den Ländern die
300 Millionen Euro über Umsatzsteuerpunkte zukom-
men zu lassen. Ich möchte gar nicht bestreiten, dass dies
rein theoretisch möglich ist. Ich glaube aber, wir alle
sind uns einig, dass das ein ganz schlechter Weg wäre.
Wir wissen aus anderen Gesetzgebungsbereichen – ich
möchte es einmal nett ausdrücken –, dass nicht immer
ganz klar ist, ob jeder Euro da ankommt, wo ihn der
Bundesgesetzgeber haben wollte. Deshalb sage ich: So,
wie wir das machen, ist es vernünftig.
Danke schön. – Ich beende die Befragung der Bun-
desregierung.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:
Fragestunde
– Drucksache 17/4153 –
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung
steht die Parlamentarische Staatssekretärin Annette
Widmann-Mauz zur Verfügung.
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Die Höhe des Zusatzbeitrags hängt sehr stark von der
Ausgestaltung eines künftigen Finanzierungsmodells ab.
Da es noch keine Festlegung auf ein Finanzierungs-
modell gibt, kann ich auch dazu zum heutigen Zeitpunkt
keine Aussage treffen.
Eine weitere Nachfrage?
Ja.
Bitte.
Meine Frage im Anschluss daran lautet: Wie sieht der
Zeithorizont aus? Das Gespräch mit den Beteiligten,
auch mit den Kostenträgern, bezüglich der Finanzierung
wurde abgesagt. Es gab für 2011 die Ankündigung, ei-
nen Finanzierungsvorschlag bzw. ein Konzept vorzule-
gen. Wie ist jetzt der Zeithorizont?
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Frau Kollegin Mattheis, der Bundesminister für Ge-
sundheit, Philipp Rösler, hat am 6. Dezember dieses
Jahrs mit einer Dialogreihe begonnen, in der es um die
inhaltlichen Festlegungen, die im Koalitionsvertrag vor-
genommen worden sind, geht, angefangen beim Fach-
kräftebedarf über Fragen des Pflegebedürftigkeitsbe-
griffs und der Einstufung bis hin zur Förderung von
Wohngruppen und Ähnlichem. Das ist die Basis, um die
Beratungen über die Finanzierungsgrundlagen sorgfäl-
tig und sachgerecht durchführen zu können. Diese Ge-
spräche werden wir im Laufe des ersten Halbjahres des
nächsten Jahres abschließen und eine interministerielle
Arbeitsgruppe einsetzen.
Danke. – Eine weitere Nachfrage stellt Frau Vogler.
Frau Staatssekretärin, mich würde interessieren, ob in
Ihrem Ministerium schon Berechnungen angestellt wor-
den sind, wie viele Pflegemonate jemand, der mit
25 oder 30 Jahren anfängt, mit den von der Kollegin
Mattheis unterstellten Beitragssätzen in diese Zusatzver-
sicherung einzuzahlen, mit dem angesparten Kapital-
stock finanzieren könnte. Gibt es dazu Berechnungen?
Haben Sie geplant, solche Berechnungen anzustellen?
Wann können wir mit Ergebnissen rechnen?
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Frau Kollegin Vogler, auch hier gilt: Die Bundesre-
gierung und das Bundesgesundheitsministerium wollen
zunächst die inhaltlichen Fragestellungen klären, die die
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Frau Kollegin Bunge, zunächst erlaube ich mir, Sie zu
berichtigen. Ich habe heute Vormittag im Ausschuss für
Gesundheit die neuesten Entwicklungen und auch Pro-
gnosen hinsichtlich der Einnahmen und Ausgaben in der
sozialen Pflegeversicherung vorgestellt. Durch die ver-
besserte Entwicklung bei den Einnahmen werden wir
– das wird auch aus der Einnahme- und Ausgabenstatis-
tik und aus der Berechnung sichtbar – zu einer aus-
kömmlichen Finanzierung der sozialen Pflegeversiche-
rung bis zum Frühjahr des Jahres 2014 kommen. Die
Mittel inklusive der Mindestrücklage werden also bis
Anfang 2014 ausreichend sein.
Hinsichtlich der Fragen, welche Leistungen wir an-
bieten und zu welchem Zeitpunkt wir für Verbesserun-
gen sowohl bei der Einstufung als auch bezüglich der
sonstigen Leistungen und der Strukturen sorgen, berät
sich die Bundesregierung seit dem 7. Dezember 2010
mit Fachleuten. Auf dieser Grundlage werden wir dann
die entsprechenden Entscheidungen treffen. Dem kann
aber nicht vorgegriffen werden.
Eine weitere Nachfrage von Kollegin Rawert.
Frau Widmann-Mauz, Sie haben gerade ausgeführt,
dass Sie zu den Strukturen und zu den weiteren Leistun-
gen noch nichts sagen können oder wollen, weil Sie sich
im Dialog mit Fachleuten befinden. Nichtsdestotrotz ge-
hört zu dieser Diskussion auch, dass über die Verbesse-
rung des Personalschlüssels und die Verbesserung der
Situation der Fachkräfte gesprochen wird. Wie soll die
entsprechende Ausgestaltung in der Pflegeversicherung
aussehen, wie die Finanzierung dieser Verbesserungen
sichergestellt werden?
A
Frau Kollegin Rawert, genau dieses Thema treibt
auch die Bundesregierung und den Bundesgesundheits-
minister um. Deshalb hat er den künftigen Fachkräftebe-
darf auch zum ersten Thema beim Pflegedialog am
7. Dezember 2010 gemacht. Hier hat eine intensive Dis-
kussion stattgefunden. Diese Diskussion ist auch noch
nicht beendet.
Es ist vereinbart worden, das Gespräch zu genau die-
sem Themenkomplex fortzusetzen, da es unterschiedli-
che Annahmen hinsichtlich des Bedarfs an Pflegekräf-
ten, hinsichtlich des zusätzlichen Pflegefachpersonals
und hinsichtlich der Frage gibt, wie die Strukturen ver-
bessert werden können, um den Fachkräftebedarf unter
Umständen auch etwas stärker stabilisieren zu können.
Der entsprechende Finanzierungsbedarf lässt sich nicht
seriös feststellen, bevor auch hier die Beratungen nicht
abgeschlossen sind.
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Verehrter Kollege Lemme, auch hier gibt es noch
keine Festlegungen. Im Rahmen von Versicherungslö-
sungen werden die angesammelten Altersrückstellungen
üblicherweise nur für Leistungen verwendet und nicht an
die Versicherten oder gegebenenfalls an die jeweiligen
Hinterbliebenen ausgezahlt. Bei individuellen Sparver-
trägen kann dagegen das Kapital auch vererbt werden.
Nachfrage? – Bitte.
Vielen Dank. – An welche Anlageform im Bereich
dieser kapitalgedeckten Absicherung denken Sie denn?
Welche Kapitalstöcke haben Sie hier im Blick? Soll es
bei einer Nichtauslastung dieser kapitalgedeckten Versi-
cherung auch zu Ausschüttungen kommen?
A
Die interministerielle Arbeitsgruppe wird sich sicher-
lich zum gegebenen Zeitpunkt auch mit dieser Fragestel-
lung ausführlich befassen. Ich bin gerne bereit, Ihnen
dann, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, nämlich wenn
wir uns damit befasst haben, die entsprechenden Aus-
künfte zu liefern.
Eine Nachfrage der Kollegin Mattheis. Bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie sprachen gerade davon,
dass es zwei Möglichkeiten gibt. Sie erwähnten bei der
zweiten Möglichkeit, nämlich der der individuellen An-
sparung, dass ein Vererben möglich sei. Habe ich es so
richtig verstanden – da wollte ich gerne nachfragen –,
dass bei Nichtvorliegen einer Pflegebedürftigkeit eine
Ansparung dann an die Angehörigen gehen würde?
A
Frau Kollegin Mattheis, ich habe referiert, wie bei be-
stehenden Versicherungsverträgen mit dem Kapital um-
gegangen wird. Der Gesetzgeber ist immer frei, weitere
Lösungen zu finden. Das werden die Beratungen in den
entsprechenden Gremien sicherlich mit beinhalten. Vor
diesem Hintergrund kann ich keine Aussagen zu geplan-
ten Regelungen und damit auch nicht zu zwei oder meh-
reren Modellen machen; denn wir haben noch nicht über
Modelle gesprochen und deshalb auch noch keine Vor-
festlegungen getroffen.
Weitere Nachfragen dazu gibt es nicht.
Damit kommen wir zur Frage 5 des Kollegen Karl
Lauterbach:
In welcher Höhe werden nach den Berechnungen der Bun-
desregierung die Beiträge für die kapitalgedeckte Zusatzversi-
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gen, welches Modell zu welchem Ergebnis führen
würde. Daher ist Ihre Unterweisung in der Logik der Ab-
folge nicht ganz korrekt. Normalerweise hat man ein
Portfolio von Berechnungen und wählt auf dieser Grund-
lage dann das Modell, das den Zielen am nächsten
kommt. Wenn wir Ihre Berechnungen hätten, so Sie
diese angefertigt hätten, könnten wir uns in der gewohnt
konstruktiven Art und Weise an dieser Diskussion betei-
ligen.
Von daher noch einmal meine Nachfrage: Weshalb
wird nicht vorgelegt, was an Möglichkeiten besteht? Ich
mache es ganz einfach: Wie viel würde es beispielsweise
bringen, wenn sichergestellt werden soll, dass die Belas-
tung des Einzelnen nicht mehr als 10 Euro pro Monat
betragen soll? Was würde es umgekehrt kosten, wenn er-
reicht werden soll, dass beispielsweise 25 Prozent der
späteren Aufwendungen für die Pflege aus dem Kapital-
stock kommen? Wenn Berechnungen vorliegen, kann
man, auch gemeinsam, diverse Szenarien durchgehen.
Es leuchtet mir schlicht nicht ein, warum es keine Be-
rechnungen für solche Szenarien gibt und Sie uns die
Möglichkeit der konstruktiven Begleitung Ihrer Arbeit
nehmen, während die Zeit von hinnen geht.
A
Herr Kollege Lauterbach, Sie haben sich bereits in Ih-
rer Fragestellung persönlich auf mehrere Vorfestlegun-
gen festgelegt, was die Bewertung unterschiedlicher
Modelle angeht. Da es aber in der Bundesregierung noch
keine Vorfestlegungen gibt, kann diese Befassung, so
gerne wir konstruktiv mit den Oppositionsfraktionen
bzw. mit Ihrer Fraktion zusammenarbeiten, zum jetzigen
Zeitpunkt nicht erfolgen. Aber sobald wir wissen, was
wir berechnen wollen, werden wir sehr zügig die Grund-
sätze, die im Koalitionsvertrag festgelegt sind, in der in-
terministeriellen Arbeitsgruppe erörtern und gerne dann
auch mit dem Parlament, im Ausschuss und in der Öf-
fentlichkeit diskutieren.
Keine weitere Frage dazu.
Dann rufe ich die Frage 6 des Kollegen Lauterbach
auf:
Welche monatliche Prämienhöhe zur ergänzenden Ka-
pitaldeckung ist nach Auffassung der Bundesregierung auch
für Rentnerinnen und Rentner und andere Bezieherinnen und
Bezieher vergleichsweise niedriger Einkommen tragbar, ohne
dass ein sozialer Ausgleich eingeführt wird?
A
Auch diese Frage des Kollegen Lauterbach kann ich
nicht anders beantworten als die vorige. Diese Frage
kann erst im Zusammenhang mit der Festlegung der ge-
nauen Ausgestaltung einer ergänzenden Kapitaldeckung
beantwortet werden. Ich glaube, die Diskussion und die
Antworten zu den letzten Fragen haben dies auch deut-
lich gemacht.
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Nachfrage? – Bitte.
Frau Staatssekretärin, ich habe eine Nachfrage. Wenn
ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie bislang keine
konkreten Reformkonzepte und auch keine Vorfestle-
gungen erstellt, sodass Sie keinen konkreten Termin für
die Vorlage von solchen Konzepten nennen können.
Können Sie denn sagen, wann dieser Dialog, der am
7. Dezember dieses Jahres begonnen hat, fortgesetzt
wird?
A
Die Bundesregierung ist an einer langfristigen und
nachhaltigen Lösung interessiert. Beispielsweise die
Komplexität des Pflegebedarfs der Betroffenen, aber
auch die Verbindungen zu anderen Leistungsbereichen
und anderen Sozialleistungen macht es erforderlich, dass
wir eine gründliche Prüfung voranstellen. Das Ziel ist es,
im Laufe des Jahres 2011 ein umfassendes Reformkon-
zept vorzulegen. Die Dialoggespräche wollen wir im
ersten Halbjahr des kommenden Jahres zu Ende führen.
Weitere Nachfrage?
Ich habe noch eine Nachfrage. Wir konnten hören und
lesen, dass bei dem ersten Gespräch vor allen Dingen der
Fachkräftemangel ein Thema war. Nun ist ein Faktor für
den Fachkräftemangel sicherlich die mangelnde Bezah-
lung. Deswegen möchte ich fragen: Ist der Bundesregie-
rung bekannt, auf welchen Umwegen Unternehmen ver-
suchen, den Mindestlohn, der im Pflegebereich seit
kurzem etabliert ist, zu umgehen, und was gedenkt die
Bundesregierung dagegen zu tun?
A
Frau Kollegin Reimann, wir haben im Rahmen der
ersten Diskussion sehr intensiv über die Fragen der Ent-
lohnung, der Arbeitsbedingungen und der Motivation für
Pflegekräfte und Menschen, die diesen Beruf anstreben
und erlernen wollen, gesprochen. Sie dürfen versichert
sein, dass wir ein Auge auf die Einhaltung der Rechts-
vorschriften haben werden und im Zusammenhang da-
mit den Dialog mit den Experten führen werden.
Kollegin Rawert und danach Kollegin Senger-
Schäfer.
Ich habe eine Frage zum Thema Fachkräftemangel.
Wodurch wollen Sie die Ausbildungsbereitschaft der
Pflegeeinrichtungen erhöhen? Wir haben bis dato über
die Ausbildungsbereitschaft junger Menschen gespro-
chen. Hier liegt ein Problem. Derzeit sind nur 3 bis
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Frau Kollegin Senger-Schäfer, bereits der Koalitions-
vertrag drückt aus, dass uns sehr daran gelegen ist, auf
der Grundlage der Arbeiten des Beirats zur Erarbeitung
eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs von der Minu-
tenpflege wegzukommen und den Bedarf, der sich durch
bestimmte Veränderungen, insbesondere durch das ver-
stärkte Auftreten von Demenzerkrankungen, abzeichnet,
sachgerecht abzubilden. Menschenwürdige Pflege im
Alter heißt, den entsprechenden Bedürfnissen nachzu-
kommen und ihnen Rechnung zu tragen, von der Einstu-
fung bis hin zu den Fragen, in welchen Strukturen und
Wohnformen Leistungen in Anspruch genommen wer-
den können. Wenn sich während der Beratungen konkre-
ter Handlungsbedarf – auch bei den Leistungen – ergibt,
dann werden wir diesen bei einer Pflegereform zu be-
rücksichtigen haben.
Keine weiteren Nachfragen dazu.
Dann kommen wir zu Frage 8 des Kollegen Martin
Dörmann:
Wie bewertet die Bundesregierung – vor dem Hintergrund,
dass insbesondere Journalisten, aber auch Film- und Fernseh-
schauspieler seit dem 1. Januar 2009 kein Krankengeld mehr
ab dem ersten Tag ausgezahlt bekommen – die Notwendig-
keit, zur alten Regelung und der Auszahlung des Krankengel-
des ab dem ersten Tag auch für diese Berufsgruppe zurückzu-
kehren, und inwieweit wird sie entsprechende Forderungen
seitens der Fraktion der SPD, aber auch von Bundesrat, Ge-
werkschaften und der Bundesvereinigung der Deutschen Ar-
beitgeberverbände, BDA, im Rahmen der Gesetzesnovellie-
rung zur Änderung arzneimittelrechtlicher Vorschriften und
anderer Vorschriften im Jahr 2009 aufgreifen?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
A
Herr Kollege Dörmann, das GKV-Wettbewerbsstär-
kungsgesetz hatte für bestimmte Versichertengruppen
mit Wirkung ab dem Jahr 2009 Wahltarife zur Absiche-
rung des Krankengeldanspruchs eingeführt. Damit wur-
den flexible Angebote für die Versicherten ermöglicht.
Bei der Umsetzung der Vorgaben durch die Krankenkas-
sen hat sich allerdings gezeigt, dass die gesetzlichen
Vorgaben zur Vermeidung von ungerechtfertigten Belas-
tungen insbesondere älterer Versicherter und zur Verwal-
tungsvereinfachung angepasst werden mussten. Versi-
cherte – auch der hier genannten Berufsgruppen –, die
einen Krankengeldanspruch nach den Regelungen des
GKV-WSG seit dem 1. Januar 2009 allein über einen
Wahltarif absichern konnten, haben deshalb mit dem Ge-
setz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer
Vorschriften mit Wirkung zum 1. August 2009 wieder
die zusätzliche Option erhalten, wie Arbeitnehmer gegen
Zahlung des allgemeinen Beitragssatzes einen sogenann-
ten gesetzlichen Krankengeldanspruch ab der siebten
Woche der Arbeitsunfähigkeit abzusichern. Daneben ist
auch weiterhin der Abschluss von Wahltarifen möglich.
Auch über den sogenannten gesetzlichen Anspruch hi-
nausgehende Absicherungswünsche nach Krankengeld,
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Damit kommen wir zur Frage 11 des Abgeordneten
Michael Groß:
Wie hoch schätzt die Bundesregierung finanziell den In-
vestitionsbedarf für die Sanierung der Infrastruktur im Be-
reich der Straße nach dem Winter 2010/2011 ein, nachdem be-
reits aktuell ein Sanierungsstau festgestellt wird und von einer
sich potenzierenden baulichen Zustandsverschlechterung der
Bauwerke und Straßen auszugehen ist?
J
Das ist natürlich eine etwas hypothetische Frage, weil
wir ja noch nicht wissen, wie dieser Winter weitergeht.
Ich möchte Ihre Frage trotzdem beantworten.
Auf der Grundlage der Erhaltungsbedarfsprognose
des Bundesverkehrswegeplans 2003 sollen nach dem
Bundesfernstraßenhaushalt 2011 rund 2,6 Milliarden
Euro in die Erhaltung des Bundesfernstraßennetzes in-
vestiert werden. Eventuell auftretende Winter- und
Frostschäden werden diesen Bedarf nur unwesentlich er-
höhen. Dem zunehmenden Erhaltungsbedarf in den
kommenden Jahren wird durch verstärkten Mitteleinsatz
Rechnung getragen. Von einer sich potenzierenden bau-
lichen Zustandsverschlechterung kann deshalb keine
Rede sein.
Dazu hat der Kollege Koch eine Nachfrage.
Dazu eine kurze Nachfrage: Ist Ihnen im Ministerium
bekannt, dass es auf der Strecke A 38 Richtung Göttin-
gen zwischen den Abfahrten Sangerhausen-Süd und
Goslar erhebliche Schlaglöcher gibt? Dort muss man das
Tempo auf 80 km/h reduzieren.
J
Das ist mir im Einzelnen persönlich nicht bekannt,
aber ich weiß, dass wir an ganz vielen Autobahnab-
schnitten in fast allen Bundesländern im Moment diese
Frostschäden haben. Sie werden durch die Auftragsver-
waltungen in den einzelnen Bundesländern bei entspre-
chenden Witterungsvoraussetzungen natürlich beseitigt.
Die entsprechenden Mittel stehen im Ansatz für Erhal-
tungsmaßnahmen zur Verfügung.
Der Kollege Groß hat eine weitere Nachfrage.
Herr Mücke, generell wird festgestellt, dass es einen
Sanierungsstau gibt. Deswegen die Frage: Es gibt also
kein Finanzierungsdelta, wenn man auf der einen Seite
die Schäden und den Sanierungsbedarf sieht, den wir in
Zukunft haben, und auf der anderen Seite die finanziel-
len Mittel, die Sie zur Verfügung stellen können?
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Herr Staatssekretär, Sie haben sich eben hinsichtlich
des Einsatzes von Erhaltungsmitteln im Bereich des
Straßenbaus sehr pointiert geäußert. Können Sie mir
eine Erklärung zu Ihrer Antwort auf eine entsprechende
Frage zur Ortsumgehung Kallmerode in Thüringen
geben? Darin haben Sie nämlich mitgeteilt, dass die
Baumaßnahme – sie ist sowohl durch den Bundesver-
kehrswegeplan als auch den Investitionsrahmenplan
abgesichert, und für sie besteht Baurecht – wegen feh-
lender Mittel nicht realisiert werden kann und gegebe-
nenfalls Erhaltungsmittel umverteilt werden sollen.
J
Ich kann nur noch einmal unterstreichen, dass mit den
Erhaltungsmitteln die bestehende Infrastruktur unterhal-
ten werden soll. Die Ortsumgehung Kallmerode, die Sie
ansprechen, ist eine Neuinvestition und wird nicht aus
Erhaltungsmitteln finanziert werden können. Das Bun-
desland Thüringen erhält in großem Umfang Mittel, um
vor allen Dingen den Weiterbau wichtiger Bundesauto-
bahnen auf seinem Gebiet zu finanzieren. Das ist unsere
vorrangige Priorität. Ich bin sicher, dass wir in den
nächsten Jahren auch für die Ortsumfahrung Kallmerode
eine Finanzierung finden werden, wenn die Maßnahmen
im Bundesautobahnnetz abgeschlossen werden können.
Nun noch Kollege Burkert.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, die schlimmsten
Straßenverhältnisse sind, glaube ich, in den Kommunen.
In meiner Heimatstadt Nürnberg beträgt der Sanierungs-
bedarf zurzeit 50 Millionen Euro beim Straßenbelag,
noch einmal 75 bis 80 Millionen Euro bei Brücken.
Meine Frage an die Bundesregierung ist: Denkt die
Bundesregierung daran, aufgrund der Winterverhält-
nisse, die wir auch in diesem Jahr zur Stunde wieder
feststellen können, einen Sondertopf, ein Sonderpro-
gramm für Kommunen aufzulegen?
J
Nein, daran denkt die Bundesregierung im Moment
nicht. Der Bundeshaushalt, der durch Sie, also den Haus-
haltsgesetzgeber, beschlossen wurde, sieht ein solches
Programm nicht vor.
Wir kommen damit zur Frage 12 der Kollegin
Cornelia Behm:
Inwieweit hat sich die Zahl der Flugbewegungen im Luft-
raum über Berlin in den letzten fünf Jahren entwickelt, insbe-
sondere hinsichtlich der Starts und Landungen an den Flughä-
fen Berlin-Tegel und Berlin-Schönefeld bitte mit Angabe der
Zahlen nach Jahren und Flughafenstandort getrennt?
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ollegin Behm, Sie sollen trotzdem das Recht auf Nach-
age haben.
Da will ich mich auch gar nicht beschweren, vielen
ank. – Wenn ich die Zahlen Revue passieren lasse,
ann stelle ich fest, dass durchaus ein leichter Anstieg
ei den Flugbewegungen zu verzeichnen ist. Ich habe
or einer Weile vom Fluglärmbeauftragten des Landes
randenburg die Aussage gehört, dass von den Flugrou-
n – das aktuell beliebte Thema – abgewichen und der
anze Flugraum genutzt werden könnte, wenn die Kapa-
itätsauslastung des Luftraumes sehr stark ist. Das be-
ifft insbesondere die Starts; denn die Route bei den
andungen ist ja fast immer dieselbe; sie ist immer ge-
de.
Ich frage Sie: Kann es mit Blick auf die Zahlen, die
ie eben genannt haben, sein, dass die Kapazitätsauslas-
ng des Luftraumes doch sehr stark ist, sodass von den
ormalen Flugrouten abgewichen und eine breitere Re-
ion überflogen und damit auch verlärmt wird?
J
Nein, eine Kapazitätsauslastung kann ich für den Ber-
ner Luftraum noch nicht konstatieren. Die Kapazität
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8855
Parl. Staatssekretär Jan Mücke
)
)
wird mit dem Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld
noch weiter steigen. Das ist ja auch das gemeinsam er-
klärte Ziel der Landesregierung von Brandenburg und
der Regierung von Berlin. Denn sie sind Flughafenbe-
treiber und möchten, dass der neue Flughafen Berlin-
Schönefeld ein Erfolg wird.
Flugrouten bemessen sich nach den Festlegungen der
Deutschen Flugsicherung. Die Flugsicherung legt eine
Ideallinie fest, in der Anflüge und Abflüge zu erfolgen
haben. Diese Ideallinie wird in der Regel eingehalten, es
sei denn, es liegen meteorologische oder andere Beson-
derheiten vor, die ein Abweichen erforderlich machen.
Das sind aber sehr wenige. Deshalb kann von einer Aus-
bzw. Überlastung des Berliner Luftraumes aus meiner
Sicht nicht die Rede sein.
Eine weitere Nachfrage?
Da könnte man sich ja fast getröstet fühlen.
J
Ich tröste Sie gerne!
Nun hat meine Frage zum Hintergrund, dass ich wie-
derholt von Bürgern aus meinem Heimatort Kleinmach-
now gefragt wurde, wie es denn zu erklären ist, dass die
Lärmbelastung, verursacht durch Überflüge, in der Re-
gel im Anflug auf Tegel, sowohl im Jahr 2009 und dann
noch einmal ab August 2010, wirklich merkbar und gra-
vierend angestiegen ist. Kann das denn, nachdem Sie
jetzt dargestellt haben, dass die Kapazitäten nicht ausge-
lastet sind und die Flugrouten eher selten verlassen wer-
den, Ihrer Meinung nach damit zusammenhängen, dass
aktuell andere, leistungsstärkere Maschinen fliegen, die
mehr Lärm emittieren? Auf welche Ursachen führen Sie
diese Beobachtungen zurück?
J
Ich kann die Beobachtungen, dass der Verkehr zuge-
nommen hat, schwer verifizieren. Es handelt sich ja um
subjektive Eindrücke. Wir können Ihnen die objektiven
Zahlen liefern. Diese habe ich Ihnen vorhin zur Kenntnis
gegeben. Wenn Sie von Kleinmachnow reden, gehe ich
davon aus, dass es sich um Anflüge auf Tegel handelt.
Ich kann nur darauf verweisen, dass wir ein Absinken
der Zahl der Flugbewegungen nach Tegel zu verzeich-
nen hatten. Ich wiederhole die Zahlen: Im Jahr 2008 wa-
ren es noch rund 161 000, im Jahr 2009 nur
156 000 Flugbewegungen. Das ist aus meiner Sicht ein
Hinweis darauf, dass es jedenfalls keinen Anstieg gege-
ben hat.
Ich will Sie gern darüber informieren, dass die Deut-
sche Flugsicherung, die Flughafenbetreiber und natür-
lich auch die Airlines alles unternehmen, um den Flug-
lärm zu reduzieren. Deshalb arbeiten wir auch an neuen
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Was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu unterneh-
men? Ist zum Beispiel an einen Abschluss des Buhnen-
ausbaus gedacht?
J
Die Bundesregierung bedient sich dafür ja der Was-
ser- und Schifffahrtsverwaltung, die an dieser Stelle kon-
tinuierlich ausbaggern lässt, um ein Versanden und Ver-
landen dieses Abschnitts der Elbe zu vermeiden. Somit
findet dort ein kontinuierlicher Erhalt der Fahrrinne statt.
Es ist aber sicher darüber nachzudenken, ob man im
Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens Erhaltungs-
und Ausbaumaßnahmen vornimmt, bei denen ökologi-
sche Belange genauso berücksichtigt werden wie die Be-
lange der Schifffahrt, die einen verlässlichen und siche-
ren Zugang zur Elbe benötigt.
Danke. – Die beiden Fragen 14 und 15 des Kollegen
Paula werden schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zu Frage 16:
Wie und wo hat die Bundesregierung die in der Änderung
der Straßenverkehrs-Ordnung – die am 4. Dezember 2010 of-
fiziell in Kraft getreten ist – aufgeführten Witterungsverhält-
nisse – wie Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis oder
Reifglätte auf der Fahrbahn –, bei denen ein Auto nur mit
Winterreifen gefahren werden darf, gerichtsfest definiert, um
den einschreitenden Ordnungskräften eine eindeutige Fest-
stellung des Tatbestandes sowie den Verkehrsteilnehmenden
ein regelkonformes Verhalten zu ermöglichen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
J
Herr Präsident! Verehrte Frau Kollegin Lühmann,
diese Frage möchte ich gerne beantworten. Die in § 2
Abs. 3 a Satz 1 der Straßenverkehrs-Ordnung genannten
winterlichen Wetterverhältnisse, bei denen ein Kraftfahr-
zeug nur mit M+S-Reifen gefahren werden darf, wurden
unter Mithilfe des Deutschen Wetterdienstes ermittelt.
Diesbezüglich wird auf die amtliche Begründung ver-
wiesen, und zwar auf die Bundesratsdrucksache 699/10.
Nachfrage? – Bitte schön.
Hat bei dieser Antwort die Problematik mit dem Zu-
satzschild „Nur bei Nässe“, das üblicherweise bei Ge-
schwindigkeitsbeschränkungen angewendet wird, Be-
rücksichtigung gefunden? Der Grund der Frage ist
folgender: Nässe ist eine ähnliche Definition wie Schnee
oder Eisglätte. Bei dieser Definition gibt es erhebliche
Probleme und immer wieder rechtliche Auseinanderset-
zungen, ob Nässe vorliegt oder nicht. Sind die Erfahrun-
gen mit diesem Zusatzschild und die rechtlichen Folgen
in die eben von Ihnen genannte Bewertung eingeflossen?
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gen , gefrierender
Diese Wettererscheinungen und -verhältnisse kön-
nen bereits bei Lufttemperaturen einige Grad über
dem Gefrierpunkt auftreten. So kann sich bereits
bei starkem Schneefall bei 4 °C eine geschlossene
Schneedecke ausbilden. Das bedeutet für die Ver-
kehrsteilnehmer, dass sie bei diesen Wetterverhält-
nissen mit Sommerreifen nicht mehr sicher am
Straßenverkehr teilnehmen können.
Weitere Nachfrage, oder kommen wir zur nächsten
rage? – Noch eine Nachfrage.
Da wir bei der Definition, was „glatt“ ist, allein in
iesem Haus eventuell zu 10 bis 20 verschiedenen Defi-
itionen kämen, ist meine Frage: Wenn Sie solch eine
eue Regelung einführen, dann möchte die Bundesregie-
ng sicherlich, dass sie durchgesetzt wird. Wie bewertet
ie Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Aus-
age der Polizeigewerkschaft, dass insbesondere auf-
rund der jetzigen Sicherheitslage überhaupt kein Perso-
al zur Verfügung steht, um diese neue Regelung
ächendeckend überprüfen zu können?
J
Diese Stellungnahme der Polizeigewerkschaft ist mir
icht bekannt.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8857
Parl. Staatssekretär Jan Mücke
)
)
– Vielen Dank für den Quellenhinweis. Ich werde das
gerne nachlesen. – Wir gehen davon aus, dass die Län-
derpolizeien das Recht durchsetzen, das wir hier ma-
chen. Dazu gehört insbesondere die Anwendung der
Straßenverkehrs-Ordnung. Ich glaube, dass eine weiter-
gehende Definition von „Glätte“ den Gesetzgeber über-
fordern würde. Denn wie würden Sie persönlich Glätte
anders definieren als der Deutsche Wetterdienst? Ich
glaube schon, dass das eine für jeden einsichtige Formu-
lierung ist. Es gibt einen Unterschied zwischen Schnee-
matsch und Reifglätte, und es gibt einen Unterschied
zwischen Eisglätte und Schneeglätte. Ich glaube, das
kann jeder unterscheiden, auch die Beamten der Polizei.
Wir kommen damit zur Frage 17, ebenfalls der Kolle-
gin Lühmann:
Wie will die Bundesregierung der Verkehrssicherheit
Rechnung tragen, wenn ein Kraftfahrer die neu gefasste Vor-
schrift erfüllt, indem er zwar Reifen mit dem Schneeflocken-
symbol verwendet, diese aber tatsächlich nicht auf die in der
Verordnung genannten winterlichen Wetterverhältnisse ausge-
legt sind, weil sie ein Profil haben, das nachweislich nicht für
Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch oder Eis geeignet ist,
unter anderem, weil sie keine Mindestprofiltiefe von 4 Milli-
meter haben?
J
Nach § 2 Abs. 3 a der Straßenverkehrs-Ordnung darf
bei den genannten winterlichen Wetterverhältnissen nur
mit M+S-Reifen gefahren werden. M+S-Reifen sind
„Reifen, bei denen das Profil der Lauffläche und die
Struktur so konzipiert sind, dass sie vor allem in Matsch
und frischem oder schmelzendem Schnee bessere Fahr-
eigenschaften gewährleisten als normale Reifen. Das
Profil der Lauffläche der M+S-Reifen ist im Allgemei-
nen durch größere Profilrillen und/oder Stollen gekenn-
zeichnet, die voneinander durch größere Zwischenräume
getrennt sind, als dies bei normalen Reifen der Fall ist“.
Ich verweise dazu auch auf den Anhang II Nr. 2.2 der
Richtlinie 92/23/EWG. Reifen, die diesen Eigenschaften
entsprechen, sind in der Regel mit einem M+S-Symbol
gekennzeichnet. Dieses Symbol ist sowohl für den Ver-
braucher als auch für das Kontrollpersonal ein Indiz da-
für, dass die Reifen den Vorgaben des § 2 Abs. 3 a Satz 1
der Straßenverkehrs-Ordnung genügen. Entspricht der
Reifen trotz M+S-Symbol nicht den Anforderungen der
Richtlinie 92/23/EWG, liegt ein Verstoß gegen § 2
Abs. 3 a Satz 1 Straßenverkehrs-Ordnung vor, der min-
destens mit einer Geldbuße von 40 Euro geahndet wer-
den kann.
Bitte schön, eine Nachfrage? – Keine Nachfrage.
Aber Kollege Pronold hat eine Nachfrage.
Bei der Winterreifenpflicht, die jetzt eingeführt wor-
den ist, geht es ja um die Verkehrssicherheit insgesamt.
Die Bundesregierung hat nun für den Pkw-Verkehr und
damit für den Verbraucher sehr klare – und kosteninten-
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Dann kommen wir zur Frage 18 der Abgeordneten
ottschalck:
Welche Kosten für den Streudienst haben die Bundeslän-
der zum 15. Juni 2010 gemeldet, die sie für den Streudienst
auf Bundesstraßen im Winter 2009/2010 zu tragen hatten, und
kann die Bundesregierung im Vergleich der Winterperioden
2007/2008 und 2008/2009 einen Anstieg verzeichnen?
J
Liebe Frau Kollegin Gottschalck, aufgrund der Län-
ermeldungen kann die Bundesregierung eine Änderung
er Winterdienstkosten einschließlich des Salzver-
rauchs vom Jahr 2007 bis zum Jahr 2010 bestätigen.
h nenne Ihnen die Zahlen gerne: Für die Winterperiode
007/2008 betrugen die Winterdiensteinsatzkosten ein-
chließlich des Salzverbrauchs 133 Millionen Euro; ins-
esamt wurden 555 000 Tonnen Salz verbraucht. Für die
interperiode 2008/2009 betrugen die Winterdienstein-
atzkosten 182 Millionen Euro, und 863 000 Tonnen
alz wurden verbraucht. Die Winterperiode 2009/2010
at den Winterdienst 258 Millionen Euro gekostet; dabei
ind 1,387 Millionen Tonnen Salz verbraucht worden.
Eine Nachfrage, Frau Gottschalck?
Herr Mücke, vielen Dank für die Beantwortung. –
önnen Sie mir noch sagen, wie die Empfehlung des
undes und der Länder an die Autobahnmeistereien aus-
8858 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Ulrike Gottschalck
)
)
sieht, um sicherzustellen, zukünftig noch effektiver Win-
terdienst leisten zu können?
J
Der Bundesverkehrsminister hat auf der Verkehrsmi-
nisterkonferenz seine Länderkollegen gebeten, besondere
Obacht auf dieses Problem zu legen und sich frühzeitig
insbesondere mit Streusalz zu bevorraten. Die Bundes-
länder haben uns zugesichert, dass eine ausreichende Be-
vorratung gegeben ist bzw. dass solche Lieferverträge
abgeschlossen worden sind, die eine kontinuierliche Be-
lieferung der Straßenmeistereien und Autobahnmeiste-
reien auch bei länger andauerndem Winter garantieren.
Deshalb gehen wir davon aus, dass die getroffenen Vor-
kehrungen ausreichend Gewähr dafür bieten, den Win-
terdienst effektiv durchführen zu können.
Sie haben keine weitere Nachfrage.
Dann kommen wir zur Frage 19 der Kollegin
Gottschalck:
Ist der Bundesregierung bekannt, in wie vielen Fällen es
seit dem Wintereinbruch im Dezember 2010 zu Behinderun-
gen des Bahnverkehrs an Bahnübergängen kam, weil auf-
grund der Verwendung von Streusalz an Bahnübergängen sich
das Verhalten der elektrischen Kontakte, über die die Bahn-
schranken ihr Signal erhalten, veränderte und ein Kurzschluss
ausgelöst wurde?
J
Auf Ihre Frage kann ich Ihnen antworten: Der Bun-
desregierung sind keine Fälle bekannt, in denen auf-
grund der Verwendung von Streusalz Kurzschlüsse in
den elektrischen Bahnübergangsanlagen vorgekommen
sind.
Es gibt keine Nachfrage dazu.
Die Fragen 20 und 21 der Kollegin Ute Kumpf wer-
den schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 22:
Wie will die Bundesregierung als Eigentümer der Deut-
schen Bahn AG, DB AG, angesichts der erneuten winterbe-
dingten Probleme im Zugverkehr sicherstellen, dass künftig
nur noch witterungsresistente Materialien in der Fahrzeug-
flotte sowie beim Neubau bzw. der Instandhaltung des Netzes
zum Einsatz kommen?
Herr Staatssekretär, bitte.
J
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Kollege
Burkert, die Festlegung der Einzelheiten bei der Be-
schaffung von Fahrzeugen sowie beim Bau bzw. bei der
Instandhaltung der Schieneninfrastruktur liegt aus-
schließlich in der Verantwortung des Unternehmensvor-
stands. Der Bund nimmt hierauf keinen Einfluss. Im
Übrigen wird auf die Entscheidung des Ausschusses für
Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zur
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Nein, die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung,
mit der der Deutschen Bahn AG Mittel für Investitionen
im Bestandsnetz zur Verfügung gestellt werden, enthält
keine Vorgaben hinsichtlich der Witterungsresistenz.
Haben Sie eine Nachfrage dazu? – Bitte schön.
Herr Staatssekretär, meine Nachfrage bezieht sich auf
den Schwarzkopftunnel, der Ihnen vielleicht als wichti-
ges Nadelöhr im Schienenverkehr zwischen den Bundes-
ländern Bayern und Hessen bekannt ist. Kennt die Bun-
desregierung die schwierige bauliche Situation im
Schwarzkopftunnel? Ist Ihnen bekannt, dass hier zurzeit
täglich Eis von der Tunneldecke abgeschlagen werden
muss, um vor allem bei Güterzügen die Sicherheit zu ge-
währleisten?
J
Es ist uns bekannt, dass diese Phänomene im Winter
in einzelnen Tunneln wegen Haarrissen und anderer
baulicher Unzulänglichkeiten auftreten können. Der
Deutschen Bahn AG sind mit der Leistungs- und Finan-
zierungsvereinbarung Mittel zur Verfügung gestellt wor-
den, um diese baulichen Mängel zu beseitigen. Die
Deutsche Bahn AG ist verpflichtet, das umzusetzen.
Eine direkte Verantwortung der Bundesregierung dafür
gibt es nicht. Ich habe schon vorhin auf die unternehme-
rische Verantwortung der Deutschen Bahn AG verwie-
sen.
Haben Sie eine weitere Nachfrage?
Ja.
Bitte schön.
Angesichts der Tatsache, dass Ihnen die Situation be-
kannt zu sein scheint, stellt sich die Frage, warum Sie
die Zustimmung zur vorliegenden Finanzierungsverein-
barung zum Bau neuer Tunnelröhren, insbesondere des
Schwarzkopftunnels, in letzter Sekunde zurückgezogen
und die Unterschrift verweigert haben, obwohl der Ver-
trag schon auf dem Schreibtisch des Ministers lag.
J
Das kann ich jetzt nicht bestätigen; ich müsste nach-
prüfen, ob es tatsächlich so war. Ich werde Ihnen die ent-
sprechenden Informationen gerne schriftlich zukommen
lassen.
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zweite mündliche, mehrtätige Verhandlung zu beiden
Mautschiedsverfahren statt. In ihrem Rahmen werden
wesentliche Rechts- und Beweisfragen behandelt. In bei-
den Verfahren hat im Juni 2008 bereits eine erste münd-
liche Verhandlung stattgefunden. Nach der zweiten
mündlichen Verhandlung werden die Parteien Gelegen-
heit erhalten, zu deren Ergebnis Stellung zu nehmen.
Weitere Aussagen zum Fortgang des Verfahrens sind
derzeit nicht möglich, weil wir mitten in diesem Verfah-
ren stecken.
Herr Hofreiter, Sie haben jetzt die Möglichkeit, bis zu
vier Nachfragen zu stellen. Das müssen Sie aber nicht
ausnutzen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Herr
Staatssekretär. Sie haben zwar die Frage 29 wunderbar
beantwortet, die Frage 28 aber überhaupt nicht. Da frage
ich, wer nach Auslaufen des Vertrages Eigentümer der
für die Mauterhebung erforderlichen Einrichtungen ist.
In dem Vertrag muss es eine Endschaftsregelung geben.
An wen gehen die Einrichtungen über? Fallen sie zurück
an den Betreiber, oder gehen sie in das Eigentum der
Bundesrepublik über?
J
Diese Anlagen gehören der Toll Collect GmbH. Der
Bund hat allerdings einen Anspruch auf kostenlose
Übertragung, weil diese Anlagen nach Auslaufen des
Betreibervertrages abgeschrieben sind. Das heißt, wir
haben einen Anspruch darauf, dass diese Anlagen der
Bundesrepublik Deutschland kostenfrei übereignet wer-
den.
Sie haben eine weitere Nachfrage? – Bitte schön.
Es ging auch um die sogenannten Mehrwertdienst-
leistungen. Deswegen haben wir ein relativ aufwendiges
Verfahren gewählt. Gibt es denn Hinweise, dass ir-
gendeiner dieser sogenannten Mehrwertdienste von Toll
Collect geleistet wurde?
J
Dafür habe ich keine Hinweise.
Haben Sie eine weitere Nachfrage, Herr Hofreiter? –
Bitte.
Wie sieht der ungefähre Zeitrahmen aus, den die Bun-
desregierung sich für die beiden Schiedsverfahren setzt?
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Jetzt eine Nachfrage des Kollegen Burkert dazu.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8861
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Herr Staatssekretär, können Sie schon heute sagen,
wie die Mittel, die nach Abschluss des Schiedsverfah-
rens zur Verfügung stehen, auf die einzelnen Verkehrs-
träger – Stichwort: Modal Split – verteilt werden? Die
Einnahmen aus der Maut sollen zukünftig allein der
Straße zugutekommen, während gegenwärtig auch die
Verkehrsträger Wasserstraße und Schiene davon profitie-
ren. Werden die Altmittel zukünftig auch nur in den Ver-
kehrsträger Straße fließen, oder denkt man daran, we-
nigstens diese Mittel den anderen Verkehrsträgern zu
geben?
J
Dazu kann ich heute noch keine Aussage treffen, weil
wir nicht wissen, was das Ergebnis dieses Schiedsver-
fahrens sein wird.
Nein, Sie dürfen keine Nachfrage stellen, weil dies
nicht Ihre eigene Frage ist.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische
Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser zur Verfügung.
Die Frage 30 des Kollegen Gerd Bollmann wird
schriftlich beantwortet.
Ich rufe Frage 31 des Kollegen Miersch auf:
Welche neuen Erkenntnisse in Bezug auf die Notwendig-
keit der Atommülltransporte von Ahaus nach Majak hatte die
Bundesregierung zwischen dem 1. Dezember 2010, an dem
die Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche noch
von der Prüfung der Transporte sprach, und dem 6. Dezember
2010, an dem der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit, Dr. Norbert Röttgen, den Transport ab-
gesagt hatte?
Frau Staatssekretärin.
Ur
Lieber Kollege Miersch, zum Tagesordnungspunkt 14
der Sitzung des Umweltausschusses des Deutschen Bun-
destages am 1. Dezember 2010 hatte meine Kollegin, die
Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche,
vorgetragen – das geht auch aus Ihrer Frage hervor –,
dass das Bundesumweltministerium im Rahmen seiner
Zuständigkeit den Sachverhalt umfassend prüfen und
mit Blick auf die uns allen gemeinsamen umweltpoli-
tischen Ziele bewerten wird. Diese Prüfungen und Be-
wertungen, Herr Miersch, wurden durchgeführt. Am
6. Dezember 2010 hat Herr Bundesumweltminister
Dr. Norbert Röttgen der Presse das Ihnen allen bekannte
Ergebnis vorgestellt.
Sie haben eine Nachfrage, Herr Miersch? – Bitte.
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gedachten Nachrüstungen von Atomkraftwerken zur Verfü-
gung zu stellen, sobald diese der Bundesregierung vorliegen?
Ur
Meine Antwort, Kollege Miersch, lautet: Die Bundes-
regierung wird den Deutschen Bundestag in geeigneter
Weise über die im Zuge der Laufzeitverlängerung vorge-
sehenen Nachrüstungen informieren.
Sie haben eine Nachfrage, Herr Miersch? – Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, es ging um die Frage, ob die
Bundesregierung bereit ist, uns über die Faktenlage und
über die Erkenntnisse, die sie in diesem Zusammenhang
hat, vollständig zu informieren und uns dementspre-
chend auch Gutachten bzw. Unterlagen, die sie hat, vor-
zulegen.
Ur
Herr Miersch, Sie können mir glauben, dass das BMU
daran interessiert ist, das Verfahren transparent zu ge-
stalten. Ich darf darauf hinweisen, dass die Entwicklung
sicherheitstechnischer Nachrüstmaßnahmen für Kern-
kraftwerke ein sehr dynamischer Prozess ist. Die Anfor-
derungen, die auf der Homepage des BMU veröffentlicht
sind, werden anlagenspezifisch konkretisiert werden
müssen. Allerdings ist es auch die Aufgabe der Betrei-
ber, die sicherheitstechnischen Verbesserungen ihrer An-
lagen zu planen. Das werden Behörden und Sachverstän-
dige prüfen.
Bisher ist nicht abzusehen, welche Zwischenschritte
erfolgen und inwieweit mehr oder weniger umfassende
Dokumentationen in Form von Listen vorgenommen
werden. Deshalb können wir zum jetzigen Zeitpunkt
noch nicht so verfahren, wie Sie es gerne hätten. Aber
ich sage Ihnen zu, Sie umfassend über alles zu informie-
ren.
Haben Sie noch eine Frage, Herr Miersch?
Ja. – Diese umfassende Information hätte ich mir – Sie
werden das vielleicht anders beurteilen – am 1. Dezember
dieses Jahres erhofft, als es um den Atomtransport nach
Majak ging; das ist ein kleines Beispiel. Fünf Tage später
lesen wir Parlamentarier dann etwas anderes. Insofern
will ich diese Gelegenheit nutzen, um diese Informations-
flut gewissermaßen bei Ihnen abzugreifen. Ich frage Sie:
Schließen Sie aus, dass dann, wenn die erforderlichen
Nachbesserungen an der Anlage in Majak vorgenommen
werden, eventuell doch noch ein Transport dorthin statt-
findet?
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Nein, um Atomkraftwerke, wenn ich aus Ihrer Frage
itieren darf. – Ich habe Ihnen zugesagt, dass ich Ihnen
mfangreiche Informationen zur Verfügung stelle. Das
önnen Sie mir glauben. Dieses Thema können wir in ei-
er der kommenden Sitzungen des Umweltausschusses
uch gerne besonders behandeln.
Was Majak angeht, habe ich Ihnen schon erläutert,
ass die Prüfung am 1. Dezember dieses Jahres noch
icht abgeschlossen war. Das ist mehrfach betont wor-
en, von meiner Kollegin und vom Minister. Sie müssen
ns zugestehen, dass wir die Prüfung erst einmal ab-
chließen müssen, bevor wir zu einem Ergebnis kom-
en. Ich kann verstehen, dass Sie sich gewünscht hätten,
ass die Prüfung schon am 1. Dezember dieses Jahres
bgeschlossen gewesen wäre. Aber sie war es zu diesem
eitpunkt noch nicht, sondern erst sechs Tage später.
Jetzt gibt es noch eine Nachfrage der Kollegin
teiner.
Danke schön für diese Möglichkeit. – Das, was Sie
erade sagten, ist genau das Problem. Eigentlich hieß es
chon, der Transport geht auf die Reise, um es einmal le-
er auszudrücken, aber es gelingt uns nicht, im Umwelt-
usschuss nicht und auch heute nicht, nähere Informatio-
en darüber zu bekommen. Deswegen möchte ich in
ezug auf die sicherheitstechnischen Maßnahmen, über
ie Sie mit Abteilungsleitern in einer Telefonkonferenz
esprochen haben, fragen: Was haben Sie in diesem
ahmen hinsichtlich des konkreten Vorgehens bezüglich
er Nachrüstung von Atomkraftwerken vereinbart?
Ur
Ich finde es nett, dass Sie jetzt eine Frage Ihrer Kolle-
in Kotting-Uhl, die konkret nach dieser Telefonkonfe-
nz gefragt hat, jetzt aber nicht hier ist, aufgreifen. Ich
ann Ihnen dazu nur sagen, dass in dieser Telefonkonfe-
nz, die im Übrigen am 8. September dieses Jahres
tattgefunden hat, keine Vereinbarungen zum weiteren
orgehen getroffen wurden. Der Bund hat kein Protokoll
ieser Telefonkonferenz angefertigt. Deshalb kann ich
nen dazu nicht mehr sagen.
Jetzt gibt es eine weitere Nachfrage des Kollegen
chwabe.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8863
)
)
Frau Staatssekretärin, Sie haben jetzt versucht, zu-
mindest den Zeitraum vom 1. Dezember bis zum
6. Dezember dieses Jahres zu beleuchten. Was für die
Zeit danach dauerhaft folgt, habe ich immer noch nicht
verstanden. Deswegen will ich nachfragen: Können Sie
zusagen, dass der Transport nach Majak dauerhaft nicht
stattfindet: ja oder nein?
Ur
Ich darf darauf hinweisen, dass wir uns vorhin bereits
mit dieser Frage beschäftigt haben. Da jetzt verschie-
dene Fragen durcheinandergeworfen werden, halte ich
fest: Ich habe vorhin gesagt, dass der Nachweis der
schadlosen Verwertung in der Anlage in Majak nicht
vorliegt. Es kann natürlich sein, dass dieser Nachweis ir-
gendwann in ferner Zukunft vorliegt. Das kann ich zum
jetzigen Zeitpunkt aber nicht beurteilen.
Wir haben heute zu entscheiden, ob eine Genehmi-
gung zur Ausfuhr erteilt wird. Diese ist nicht erteilt wor-
den, und deshalb erfolgt kein Transport nach Majak.
Die Fragen 33 und 34 der Kollegin Sylvia Kotting-
Uhl werden schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 35
des Kollegen Oliver Krischer.
Ich rufe die Frage 36 der Kollegin Dorothea Steiner
auf:
Besteht die Bundesregierung weiterhin auf ihren Ausfüh-
rungen, dass mögliche Zusammenhänge zwischen den ge-
häuften Krebsfällen in der Samtgemeinde Asse und dem dor-
tigen atomaren Lager gänzlich ausgeschlossen werden
können?
Ur
Ich bin der Kollegin Steiner dankbar dafür, dass sie
die Frage gestellt hat, sodass wir jetzt im Rahmen der
Fragestunde vielleicht noch einmal den einen oder ande-
ren Sachverhalt im Zusammenhang mit den Krebsfällen
in der Samtgemeinde Asse besprechen können.
Frau Steiner, vorweg möchte ich zunächst sagen: Eine
Aussage dazu – ich zitiere jetzt aus Ihrer Frage –, „dass
mögliche Zusammenhänge zwischen den … Krebsfällen
in der Samtgemeinde Asse und dem dortigen atomaren
Lager gänzlich ausgeschlossen werden können“, wurde
seitens der Bundesregierung nicht getroffen. Eine derar-
tige Aussage kann aufgrund genereller erkenntnistheore-
tischer Grenzen wissenschaftlicher Aussagen seriös auch
nicht getroffen werden.
Allerdings kann nach den vorliegenden Untersu-
chungsergebnissen der Umgebungsüberwachung der be-
obachtete Anstieg der Anzahl der Krebsfälle in der Samt-
gemeinde Asse nicht durch die Strahlenbelastung der
Asse erklärt werden; denn die Strahlenbelastung – das
wissen Sie – wird seit 1966 erfasst, und die bisherige Um-
gebungsüberwachung nach der Richtlinie zur Emissions-
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Strahlung erfasst hat, dass man aber bis heute nicht weiß,
ob und wie die radioaktiv belasteten Laugenabflüsse in
die Biosphäre gelangen. Deswegen kann man nicht von
einer lückenlosen Erfassung ausgehen.
Das war der Hintergrund unserer Frage, und ich muss
hier schon noch einmal nachhaken: Haben Sie tatsächli-
che Belege dafür, dass Sie ausschließen können, dass
diese Krebsfälle durch Strahlenbelastung verursacht
sind? Es ist doch ein nennenswertes Krebsrisiko: Das Ri-
siko, an Leukämie zu erkranken, ist zweimal so hoch wie
sonst üblich, und das Risiko, an Schilddrüsenkrebs zu er-
kranken, ist dreimal so hoch.
Ur
Da stimme ich Ihnen zu. Ich habe gesagt, dass es bei
den beiden Erkrankungen in der Tat eine auffällige Häu-
fung ist. Schilddrüsenkrebs beispielsweise kann ganz
klar durch radioaktives Jod ausgelöst werden.
Unsere Experten sagen – darauf muss ich mich jetzt
beziehen –, dass so etwas in der Asse nicht vorgefunden
wurde. Ich werde aber Ihrer Frage nach den Laugen
noch einmal gesondert nachgehen und Ihnen dazu in
Kürze eine Antwort zukommen lassen.
Sie haben eine weitere Nachfrage, Frau Steiner?
Ja, zu dem angesprochenen, heute vorzustellenden
Ergebnis. Selbst wenn Sie die Ergebnisse noch nicht
kennen und vermitteln können, wollen wir natürlich wis-
sen, ob es gelungen ist, die Faktoren Alter, Familienge-
schichte, Art der Erkrankung, Beruf und Wohnort mit
einzubeziehen, ob man es also auf diese Art und Weise
individualisieren konnte, und ob man die Daten – das ist
gerade vor dem Hintergrund des nicht geklärten Austritts
in die Biosphäre wichtig – in den angrenzenden Gemein-
den ebenfalls erfasst hat. Ich nenne einmal die Gemein-
den – Sie kennen sie vielleicht auch –: Sickte, Schöppen-
stedt, Baddeckenstedt, Schladen und Cremlingen.
Ur
Letzteres kann ich Ihnen nicht beantworten. Das muss
ich nachholen; das werde ich zügig tun.
Was den ersten Teil der Frage angeht, so waren es in
der Tat Bemerkungen, die wir auch gegenüber Nieder-
sachsen gemacht haben, Fragestellungen, die uns inte-
ressieren, zumal sich unsere Strahlenschutzkommission
ebenfalls mit den Fällen befassen wird. Inwieweit das
tatsächlich eingegangen ist, kann ich Ihnen jetzt nicht sa-
gen.
Eine Nachfrage des Kollegen Miersch.
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Sie haben schon zwei gestellt, Frau Steiner. Deswegen
önnen Sie keine weitere Frage stellen.
Frau Staatssekretärin, wir haben Agenturmeldungen
on heute entnehmen können, dass die Strahlenbelas-
ng in der Asse weit höher sein soll, als bislang ange-
ommen. Welche Erkenntnisse liegen dem Ministerium
erzeit vor?
Ur
Mir persönlich liegen jetzt noch keine genauen Er-
enntnisse darüber vor, außer den Meldungen, die, glaube
h, gestern gekommen sind und heute in den Zeitungen
itiert worden sind. Wir werden dem sehr ernsthaft nach-
ehen. Sie wissen, dass das auch Auswirkungen auf un-
eren Plan hat, die Fässer aus der Asse herauszuholen. Ich
arte dazu eine Stellungnahme des Bundesamtes für
trahlenschutz ab. Dessen Sprecher hat gestern mitge-
ilt, dass die Belastungen dort entsprechend höher sind.
Eine Nachfrage des Kollegen Ott.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Müssten Sie Ihre
ben gemachten Äußerungen nicht im Hinblick auf die
atsache hinterfragen, dass die Organisation IPPNW be-
chtet hat, dass eine statistische Auswertung der lebend-
eborenen Kinder im Umfeld der Asse für die Jahre
971 bis 2009 ein Zahlenverhältnis von 142 Jungen zu
50 Mädchen ergeben hat?
Ur
Auch diese Meldung ist mir bekannt. Wir werden
em natürlich unter Berücksichtigung der entsprechen-
en Fragestellungen nachgehen.
Vielen Dank. – Ich rufe jetzt die Frage 37 des Abge-
rdneten Kaczmarek auf:
Mit welchen konkreten Maßnahmen will die Bundesregie-
rung das in der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt
formulierte Ziel – bis 2020 sind Fließgewässer und ihre Auen
in ihrer Funktion als Lebensraum so weit gesichert, dass eine
für Deutschland naturraumtypische Vielfalt gewährleistet ist –
erreichen?
Ur
Kollege Kaczmarek, mit der Umsetzung der EG-Was-
errahmenrichtlinie soll der Zustand auch der Fließge-
ässer in Deutschland verbessert werden. Die ersten Be-
irtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme nach
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8865
Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser
)
)
dieser Richtlinie wurden für die zehn für Deutschland re-
levanten Flussgebiete fristgemäß Ende 2009 aufgestellt.
Sie befinden sich zurzeit in der Umsetzung. Mit der Ver-
besserung des Gewässerzustands wird auch zum Ziel der
Erhaltung und Verbesserung der biologischen Vielfalt
beigetragen.
Mit dem im Herbst 2009 vorgelegten Auenzustands-
bericht hat die Bundesregierung die Datengrundlage für
eine wirksame Auenentwicklung vorgelegt, für die alle
Gebietskörperschaften, vor allem Länder und Gemein-
den, verantwortlich sind. Die Bundesregierung wird im
Rahmen des Bundesprogramms „Biologische Vielfalt“
Modellprojekte zur Umsetzung der nationalen Strategie
zur biologischen Vielfalt fördern.
Mit „chance.natur“, der Bundesförderung zur Errich-
tung und Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und
Landschaft mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeu-
tung und mit einem jährlichen Fördervolumen von
14 Millionen Euro, leistet das Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit einen wich-
tigen Beitrag zur Sicherung und Aufwertung auch von
Fließgewässern und Auen in ihrer Funktion als zentrale
Lebensräume für zahlreiche Arten.
Sie haben eine Nachfrage. Bitte sehr.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwor-
tung meiner Frage. – Ich möchte auf den Indikatorenbe-
richt zur nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt
zurückkommen. Sie weisen darin aus, dass Sie den Indi-
katorenwert für die größeren Flussauen von 19 auf
29 Prozent anheben wollen. Das ist ein ehrgeiziges Ziel.
Angesichts der Ergebnisse des Gipfels von Nagoya, die
erfreulicher ausgefallen sind als erwartet, möchte ich Sie
aber fragen, ob es innerhalb des Bundesumweltministe-
riums Überlegungen gibt, bei den Indikatorenzielen
noch einen Schritt voranzugehen.
Ur
Es hat uns in der Tat sehr gefreut, dass wir in Nagoya
zu einem wirklich guten Abschluss gekommen sind. Wir
werden innerhalb des Hauses sicherlich weiter beraten,
wie wir mit vielen einzelnen Punkten des Gipfels in Na-
goya umgehen. Wir sind zurzeit damit befasst, zumal wir
bereits in der Umsetzungsphase sind. Inwiefern der Indi-
katorenbericht dabei eine Rolle spielen wird, kann ich
Ihnen jetzt noch nicht sagen.
Haben Sie eine weitere Nachfrage?
Nein.
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Wie erklärt der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit, Dr. Norbert Röttgen, die Diskrepanz
zwischen ihm, der in seiner Rede auf der Klimaschutzkonfe-
renz in Cancún davon sprach, dass der Klimaschutz in
Deutschland in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft angekom-
men sei und nicht als Bedrohung, sondern als Chance begrif-
fen werde, und seinem Kabinettskollegen Rainer Brüderle,
der noch kürzlich in Einklang auch mit dem Bundesverband
der Deutschen Industrie e. V. eine Pause beim Klimaschutz
gefordert hat und die vermeintlichen Risiken und nicht die
Chancen von Klimaschutz betont, und hat sich die Meinung
des Kabinettskollegen Rainer Brüderle diesbezüglich mittler-
weile geändert?
Ur
Ich bitte darum, die Fragen 39 und 40 gemeinsam be-
antworten zu dürfen, da sie in einem thematischen Zu-
sammenhang stehen.
Dann rufe ich auch die Frage 40 auf:
Hat sich in diesem Zusammenhang die Position der Bun-
desregierung bezüglich einer unkonditionierten Erhöhung des
EU-Reduktionszieles auf 30 Prozent geändert?
Ur
Auf der Grundlage der Veröffentlichung der Mittei-
lungen der EU-Kommission vom 26. Mai 2010 mit dem
Titel „Analysis of options to move beyond 20 % green-
house gas emission reductions and assessing the risk of
carbon leakage“ befasst sich die Bundesregierung mit
der von der EU-Kommission vorgelegten Analyse. Darin
geht es um die Sie bewegende Frage des unkonditionier-
ten 30-Prozent-Ziels.
Die Bundesregierung hält es für nötig, dass sich der
Rat und erforderlichenfalls auch der Europäische Rat
Anfang 2011 wieder mit dieser Frage befassen werden.
Diese Debatte sollte auch in den Kontext der gegebenen-
falls bis dahin veröffentlichten Roadmap 2050 der EU-
Kommission zur Umsteuerung in eine kohlenstoffarme
Wirtschaft innerhalb der Europäischen Union gestellt
werden. Deutschland steht hinter dem international ver-
einbarten Ziel, dass die Industriestaaten ihre Treibhaus-
gasemissionen bis 2050 um mindestens 80 Prozent redu-
zieren, und bekräftigt sein Ziel, in Deutschland die
Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegen-
über 1990 zu senken. Auf dieser Basis wird sich
Deutschland an der weiteren Diskussion zum EU-Klima-
schutzziel beteiligen.
Entsprechend der Koalitionsvereinbarung sollen – je-
weils gegenüber 1990 – bis 2020 die Treibhausgasemis-
sionen um 40 Prozent und entsprechend der Zielformu-
lierung der Industriestaaten bis 2050 um mindestens
80 Prozent reduziert werden. Das entspricht nach der im
Energiekonzept der Bundesregierung beschlossenen kli-
maschutzpolitischen Zielsetzung folgendem Entwick-
lungspfad bei der Minderung der Treibhausgasemissio-
nen bis 2050 – das ist einmalig –: minus 55 Prozent bis
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dieses Thema müssen wir in entsprechende Berechnun-
gen, Vorstellungen und Debatten einbeziehen.
Herr Ott, haben Sie noch eine weitere Nachfrage?
Ja. – Vielleicht können Sie im Hause anregen, dass
eine solche Untersuchung von Ihnen durchgeführt wird.
Das könnte sehr überzeugend wirken.
Nicht ganz zufälligerweise ist das Wirtschaftsministe-
rium ähnlicher Auffassung wie der BDI, der gerade noch
einmal davor gewarnt hat, dass Deutschland zu schnell
vorprescht. Das widerspricht ganz direkt den Vorstellun-
gen des Ministers, der in Cancún noch einmal deutlich
herausgestellt hat, wie wichtig die grüne neue indus-
trielle Revolution für die Wirtschaft Deutschlands ist.
Sind Sie mit dem BDI im Gespräch, um ihn von dem zu
überzeugen, was Ihrer Ansicht nach die Meinung der
Bundesregierung gemäß Koalitionsvertrag sein soll?
Ur
In Vorbereitung auf Ihre heutige Frage habe ich mich
natürlich im Wirtschaftsministerium vergewissert, dass
wir alle gemeinsam daran interessiert sind, eine gute Lö-
sung für den Klimaschutz zu finden. Ich bitte jetzt aber
um Nachsicht, dass ich nicht für das Bundeswirtschafts-
ministerium antworten kann, und danke Ihnen ganz
herzlich für die gute Darstellung der Positionen des Bun-
desumweltministers.
Sie haben keine weitere Frage? – Dann rufe ich den
Kollegen Miersch auf.
Frau Staatssekretärin, der Kollege Ott hat eben auf die
Widersprüche innerhalb der Regierung hingewiesen. Wir
wissen auch, dass hier im Parlament bei CDU/CSU und
FDP sogenannte Klimaskeptiker sitzen sollen. Meine
Frage zum 30-Prozent-Ziel der Europäischen Union lau-
tet daher: Strebt das Bundesumweltministerium an, dass
das Kabinett die Kanzlerin mandatiert, unkonditioniert
für das 30-Prozent-Minderungsziel auf der europäischen
Ebene einzutreten?
Ur
Wir befinden uns, Kollege Miersch, zurzeit in intensi-
ven Gesprächen mit anderen Ressorts in Vorbereitung
auf die europäische Debatte. Die Position des Umwelt-
ministers ist Ihnen bekannt.
Herr Kollege Schwabe.
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Spanne von 25 bis 40 Prozent zu bewegen. 30 Prozent
finde ich in diesem Zusammenhang nicht besonders am-
bitioniert. Meine Frage lautet: Sind auch Sie vor dem
Hintergrund der Beschlüsse von Cancún der Meinung,
dass die Europäische Union und damit auch die Bundes-
regierung keine andere Chance haben, als sich mindes-
tens in der genannten Spanne zu bewegen? Man könnte
sich natürlich auf 25,1 Prozent anstatt auf 30 Prozent
festlegen. Das würde ich für falsch halten. Aber interpre-
tieren Sie genauso wie ich diese Beschlüsse so, dass es
nun einen Automatismus geben muss und dass sich die
Bundesregierung und die Europäische Union auf ein Ziel
jenseits der 25 Prozent festlegen müssen?
Ur
Zum Ersten wollen wir in Deutschland ganz klar das
40-Prozent-Ziel erreichen; darin stimmen Sie mir sicher-
lich zu.
Zum Zweiten liegt uns eine Mitteilung der Kommis-
sion als Debattengrundlage für die nächsten Räte zum
Thema – um es verkürzt auszudrücken – „unkonditio-
niertes 30-Prozent-Ziel innerhalb der Europäischen
Union“ vor.
Zum Dritten haben wir in der Tat in Cancún klare Be-
schlüsse mitbekommen, die uns vorgeben, unsere Ver-
pflichtungen zu überprüfen.
All dies wird in den nächsten Wochen und Monaten,
wie ich es schon mehrfach ausgeführt habe, erfolgen.
Wir befinden uns in intensiven Ressortgesprächen. Ich
persönlich bin zuversichtlich, dass diese Gespräche zu
einem guten Ende führen werden.
Sie haben noch eine Nachfrage. Bitte.
Ich habe verstanden, dass Sie jetzt noch nichts zur
Position der Bundesregierung sagen können. Mich
würde in der Tat interessieren, ob wir Kenntnis über die
Strategie der Bundesregierung bekommen werden. Wird
die Bundesregierung vor den Beschlüssen, die auf euro-
päischer Ebene zu fassen sind, im Rat eine Position ein-
nehmen, oder strebt die Bundesregierung an, erst im
Rahmen der Verhandlungen, also möglicherweise erst
auf dem Gipfel, zu einer solchen Positionierung kom-
men? Der Zeitplan würde mich schon interessieren.
Wann erfahren Sie den Zeitplan? Wann reden Sie mit
uns darüber?
Ur
Ich rede sehr gerne mit Ihnen darüber. Wir können uns
beispielsweise mit den Berichterstattern aus dem Um-
weltausschuss und mit weiteren Interessierten treffen, um
über die Umsetzung der Ergebnisse von Cancún und die
Vorbereitung der europäischen Debatte, die Anfang des
kommenden Jahres stattfinden wird, zu sprechen. Wie ich
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Lassen Sie mich doch einmal ausreden. Das ist ge-
auso wie eben bei Ihrer Frage nach dem 1. Dezember
nd dem 6. Dezember.
Sie müssen uns Zeit geben, um innerhalb der Bundes-
gierung zu guten Ergebnissen zu kommen. Entscheidun-
en innerhalb der Europäischen Union, beispielsweise
on 20 auf 30 Prozent Treibhausgasemissionseinsparung
u kommen, kann man nicht übers Knie brechen; schließ-
ch muss man sie auch mit verschiedenen Teilen der Wirt-
chaft besprechen. Kollege Ott hat vorhin angeregt, noch
estimmte Berechnungen durchzuführen. Auch das braucht
eit. Deshalb bitte ich Sie, uns diese Zeit zu lassen. Ich
abe zu Herrn Schwabe gesagt: Ich biete eine zeitnahe
iskussion darüber an; sie soll noch im Januar einsetzen.
Herr Ott möchte noch eine Frage dazu stellen. Bitte
chön.
Frau Staatssekretärin, ich glaube Ihnen persönlich
nd auch Ihrem Hause insgesamt, dass Sie sich in Eu-
pa für das 30-Prozent-Ziel einsetzen. Sie haben hier
ben den Eindruck vermittelt, auch die Bundesregierung
e das. Nun sagen uns aber unsere Freunde in Europa:
as stimmt nicht; Deutschland agiert innerhalb der EU,
Brüssel gegen das 30-Prozent-Ziel. Deshalb meine
achfrage: Setzt sich die gesamte Bundesregierung in
rüssel für eine Erhöhung des europäischen Minde-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8869
Dr. Hermann Ott
)
)
rungsziels auf 30 Prozent ein, oder trifft das nur für Ihr
Haus zu?
Ur
Noch einmal: Uns liegt eine Mitteilung der Kommis-
sion vor, die es zu beraten gilt. Die Bundesregierung be-
reitet zurzeit vor dem Hintergrund ihres eigenen 40-Pro-
zent-Ziels ihre Stellungnahme und ihren Debattenbeitrag
dazu vor.
Dann sind wir jetzt bei der Frage 42 des Abgeordne-
ten Frank Schwabe:
Mit welchen konkreten Handlungen hat sich die Bundes-
regierung in Cancún für eine zweite Verpflichtungsperiode
des Kioto-Protokolls eingesetzt?
Ur
Die Europäische Union hat mit Beschluss des Um-
weltrats vom 14. Oktober 2010 bekräftigt, dass sie zwar
ein einheitliches umfassendes Klimaschutzabkommen
bevorzugt, unter bestimmten Bedingungen aber auch be-
reit sein wird, Verpflichtungen im Rahmen einer zweiten
Verpflichtungsperiode des Kioto-Protokolls zu prüfen.
Zu den von der Europäischen Union hervorgehobenen
Bedingungen zählt zum einen die Bereitschaft anderer
Länder – das gilt vor allem für große Emittenten wie die
USA, aber auch für die Schwellenländer –, ebenfalls Kli-
maschutzverpflichtungen einzugehen. Zum anderen
muss das existierende Regelwerk des Kioto-Protokolls
verbessert werden, um seine Umweltintegrität sicherzu-
stellen.
Zu diesem Zweck ist es erstens erforderlich, mögliche
Schlupflöcher bei der Anrechnung von Kohlenstoffsen-
ken, insbesondere aus der Forstwirtschaft, zu schließen.
Zweitens muss eine Lösung für das Problem der über-
schüssigen Emissionsrechte gefunden werden.
Ich lasse jetzt noch eine Nachfrage des Kollegen
Schwabe zu. Nach ihrer Beantwortung sind wir am Ende
der Fragestunde angekommen.
Ich muss da insistieren, Frau Staatssekretärin. Es ist
interessant, was Sie ausführen; aber gefragt habe ich
nach den konkreten Schritten. Wir haben in Cancún ge-
lernt, dass der Bundesumweltminister seine Rolle relati-
viert hat, indem er deutlich gemacht hat: Deutschland
verhandelt an vielen Stellen gar nicht; das macht viel-
mehr die Europäische Union. Wie hat sich Deutschland
eingesetzt? Welche konkreten Verhandlungen gab es?
Wie muss man sich das vorstellen? Wo hat sich Deutsch-
land für eine zweite Verpflichtungsperiode des Kioto-
Protokolls eingesetzt?
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Das ist aber auch ein Stück weit ein Erfolg von Poli-
k, von politischen Rahmenbedingungen. Zwar sind un-
ere Kolleginnen und Kollegen auf der Länderebene in
rster Linie verantwortlich, aber auch die Bundespolitik
pielt eine Rolle. Wenn man über die Frage nachdenkt:
Welche Beiträge zu einer besseren Bildung gab es von
er Bundespolitik?“, fällt einem als Allererstes das
anztagsschulprogramm der rot-grünen Regierung unter
erhard Schröder ein. Das war ein richtiger Erfolg. Wir
issen, dass Ganztagsschulen helfen. Das zeigt sich
uch bei der PISA-Studie. Das muss einmal mit Selbst-
ewusstsein gesagt werden,
uch wenn die Kolleginnen und Kollegen von der CDU/
SU und der FDP verständlicherweise nicht klatschen,
8870 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Swen Schulz
)
)
weil sie das Ganztagsschulprogramm damals bekämpft
haben.
Wenn man sich die Ergebnisse genauer anschaut, fällt
auf, dass wir unsere Fortschritte insbesondere den Mi-
granten zu verdanken haben. Sie sind durchaus besser
geworden. Das war sehr nötig. Darüber hinaus freut es
mich im Zusammenhang mit der Integrationsdebatte, die
wir seit einiger Zeit besonders intensiv führen. Die
PISA-Ergebnisse zeigen nämlich, dass Bildung hilft,
dass Bildung oft den Unterschied ausmacht, dass dieje-
nigen nicht recht haben, die etwa sagen: Es hat doch al-
les gar keinen Zweck; das ist alles genetisch bedingt. –
Wir geben niemanden verloren. Einsatz lohnt sich. Alle
haben eine optimale Chance verdient.
Wir, genauer gesagt: die Schülerinnen und Schüler,
sind bei PISA besser geworden, aber nicht gut genug. Es
gibt keinen Anlass, sich selbstzufrieden zurückzulehnen.
Das betrifft die besonders Schwachen in den Schulen,
aber auch diejenigen, die eigentlich zu den Leistungs-
stärkeren gehören.
Die entscheidende Frage für uns im Deutschen Bun-
destag ist: Trägt diese Regierungskoalition zu künftigen
Verbesserungen bei? Die klare Antwort lautet leider:
Nein. Die Regierungskoalition macht sogar kontrapro-
duktive Politik. Sie ist nachgerade eine PISA-Gefahr.
– Sie lachen, liebe Kollegen. Es gibt eine ganze Menge
Beispiele dafür, dass sich CDU/CSU und FDP geradezu
bildungsfeindlich verhalten. Ich denke dabei etwa an das
Betreuungsgeld. Sie wollen Eltern Geld dafür geben,
dass Kinder nicht in Bildungseinrichtungen geschickt
werden. Das ist Irrsinn. Das geht so nicht.
– Herr Kollege Meinhardt, schauen Sie doch einfach ein-
mal, was die PISA-Siegerländer haben, was wir in
Deutschland nicht haben:
Erstens: längeres gemeinsames Lernen.
Ich weiß, das ist völlig jenseits Ihres Denkhorizonts.
Dem wollen Sie sich überhaupt nicht nähern. Aber viel-
leicht lernen Sie dazu, genauso wie beim Thema Ganz-
tagsschulprogramm. Schauen wir einmal.
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Zweitens. In den PISA-Siegerländern gibt es eine bes-
ere personelle Ausstattung. Das ist ohne Frage Aufgabe
er Länder.
ber, Herr Kollege Meinhardt, die Bundespolitik leistet
inen Beitrag, indem sie für mehr oder weniger finan-
ielle Spielräume der Länder sorgt. Ihre unseriöse Fi-
anzpolitik trägt dazu bei, dass den Ländern die Beine
eggehauen werden und sie in die Schulen und Kitas gar
icht mehr investieren können. Das ist doch das Pro-
lem.
Drittens. Die PISA-Siegerländer haben Ganztags-
chulen. In diesem Bereich sehe ich bei der Regierungs-
oalition eine Totalverweigerung: Sie wollen dieses
hema überhaupt nicht anpacken; Sie wollen zusätzliche
anztagsschulen überhaupt nicht fördern und unterstüt-
en. Das war zuletzt bei der Diskussion um das soge-
annte Bildungspaket festzustellen. Ich habe im Aus-
chuss Ministerin Schavan noch einmal nach direkten
vestitionen in die Schulen gefragt. Frau Schavan hat
as klipp und klar kategorisch abgelehnt und gesagt:
ein, in Schulen investieren wir nicht.
Die Politik, in Gutscheine für Nachhilfe statt direkt in
ie Bildungseinrichtungen zu investieren, ist der Holz-
eg der Koalition. So kommen wir nicht weiter.
Wir glauben, es ist notwendig, dass der Bund jährlich
0 Milliarden Euro mehr in Bildung investiert. Das ist
rreichbar, wenn wir zum Beispiel auf so einen Quatsch
ie das von Ihnen geplante Betreuungsgeld verzichten,
enn wir Steuergeschenke an Hoteliers und Erben wie-
er einkassieren und wenn wir die Vermögenden und
ochverdiener am Steueraufkommen ordentlich beteili-
en.
ir wollen Ganztagsschulen. Wir wollen eine bessere
ersonelle Ausstattung. Wir wollen Sozialarbeiterinnen
nd Sozialarbeiter an den Schulen. Das wäre ein wirkli-
her Fortschritt. Dann werden die nächsten PISA-Ergeb-
isse noch besser.
Herzlichen Dank.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8871
)
)
Marcus Weinberg hat das Wort für die CDU/CSU-
Fraktion.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Lieber Herr Schulz, bei Ihnen bin ich immer ge-
spannt, in welche Richtung Ihre Rede geht.
Sie sagten zunächst, dass es ein Einvernehmen gibt, dass
auch Sie gewisse Dinge ganz gut finden und begrüßen.
Irgendwann kamen dann die beiden entscheidenden Be-
griffe: Betreuungsgeld und Ganztagsschulprogramm.
Das, was Sie hier abgeliefert haben, war für eine bil-
dungspolitische Debatte aber zu wenig. Darauf sollten
Sie dieses Thema nicht reduzieren.
Ich stimme Ihnen vollkommen zu: Man kann sich
über die Ergebnisse der aktuellen PISA-Studie durchaus
freuen. Es gab Reformen im pädagogischen Bereich. Sie
haben richtigerweise die Schulen und diejenigen, die im
pädagogischen Bereich arbeiten, angesprochen. Es dau-
ert sehr lange, bis die eingeleiteten Reformen Wirkung
zeigen.
Was sind also die Botschaften von PISA? Wir haben
nach dem PISA-Schock 2000, der uns alle in eine ge-
wisse Starre versetzt hatte, tatsächlich gelernt, dass wir
am Bildungsbereich arbeiten müssen. Das haben wir
auch getan. Es gab in der Tat eine „Pisaritis“ – im negati-
ven Sinne. Wenn man sich mit finnischen Lehrern unter-
hält, dann sagen sie: Mit Blick auf die Bildungsimplika-
tionen ist in Finnland die vorschulische Bildung das
Entscheidende.
Aber die Lehrer in Finnland sagen auch ganz klar: Bei
uns gibt es auch Defizite. Fragen Sie die Jugendlichen in
Finnland beispielsweise einmal nach den Übergängen in
die Berufsausbildung. Dieser Bereich ist dort relativ
schwach entwickelt. Auch das koreanische System ist
mit dem deutschen System nicht vergleichbar. Ich
möchte die Sozialisation der deutschen Kinder nicht mit
der Sozialisation koreanischer Kinder vergleichen.
Richtig ist: Die PISA-Ergebnisse sind besser gewor-
den, und zwar in allen drei PISA-relevanten Bereichen.
Die Lesekompetenz hat sich signifikant verbessert. Für
den mathematischen Bereich ist das ähnlich: Seit 2003
haben sich die Ergebnisse signifikant verbessert. Auch
in den Naturwissenschaften hat sich die ansteigende
Tendenz letztendlich bestätigt; dort liegen die Ergeb-
nisse stabil im oberen Bereich. Das ist gut so. Das soll-
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ir treten für Chancengerechtigkeit und Leistungs-
nreize ein.
as spiegelt sich dann auch in der politischen Ausrich-
ng wider.
Eine kleine Bemerkung sei noch zu Ihren Ausführun-
en, Herr Schulz, erlaubt: Das Ganztagsschulprogramm
egt in der Verantwortung der Länder. Ich erinnere mich,
ass die CDU, als sie 2001/2002 die Regierung in Ham-
urg übernommen hat, die Mittel für den Ganztagsschul-
usbau dort verdreifacht hat. Hier ist es jedem Land un-
enommen, eigene Schwerpunkte zu setzen.
ir im Land hätten es uns allerdings gewünscht, Frau
ager, dass man uns überlässt, wo wir die Schwerpunkte
8872 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Marcus Weinberg
)
)
setzen, und uns nicht vonseiten des Bundes eindeutige
Vorgaben macht.
Was wollen wir machen? Folgende Punkte wollen wir
umsetzen: erstens früher fördern, zweitens zielgenauer
fördern und drittens bedarfsorientiert fördern. Ich will
gerne aus der Vielzahl der Programme der Bundesregie-
rung einige nennen. Sie gibt es nämlich. Man muss nur
das Ganze ein wenig durchstöbern und schauen, wie viel
Geld dafür ausgegeben wird.
Als erstes Beispiel nenne ich das Programm „Lese-
start – Drei Meilensteine für das Lesen“. Es handelt sich
also um ein Leseförderprogramm, das speziell die Moti-
vation fürs Lesen steigern soll,
und zwar beginnend bei den Eltern. Nur durch die Mit-
nahme der Eltern – das kann ich als Hamburger sagen –
können gewisse Veränderungen und Reformen auch er-
folgreich sein. Hier fördern wir also mit einem deutli-
chen Schwerpunkt das Lesen.
Bezüglich des zielgenauen Förderns erinnere ich an
die Initiative „Haus der kleinen Forscher“. Man kann sa-
gen, dabei handle es sich nur um ein kleines Programm,
für das gerade einmal ein zweistelliger Millionenbetrag
zur Verfügung steht. Gerade solche kleinen Programme
sind aber gute Programme. Über 30 000 Erzieher haben
sich bereits im Rahmen dieses Programmes weiterbilden
lassen. Es ist damit zu einem Bestandteil der frühkindli-
chen Bildung geworden.
Bedarfsorientiert fördern heißt schließlich, das Geld
da einzusetzen, wo es nötig ist. Ich erinnere daran, dass
das Paket von 820 Millionen Euro für die Kinder von
Hartz-IV-Empfängern, über das gerade verhandelt wird,
eine bedarfsorientierte Förderung darstellt.
Für frühes, bedarfsorientiertes und zielgenaues För-
dern haben wir also viele Programme entwickelt.
Sie sagen nun, dass die Kooperation zwischen Bund
und Ländern nicht funktioniert. Ich habe den Eindruck,
dass wir im Ausschuss für Bildung und Forschung des
Deutschen Bundestages mittlerweile fast ausschließlich
darüber debattieren, wie wir als Bund den Ländern Mit-
tel zur Verfügung stellen können. Das kann so nicht rich-
tig sein.
Ich rufe einige Beispiele in Erinnerung. Da gibt es die
ganzen Pakete, die wir auf den Weg gebracht haben: den
Hochschulpakt mit 5 Milliarden Euro und dessen Er-
weiterung um eine dritte Säule mit dem Qualitätspakt
Lehre, das Programm zum Ausbau der Krippen – das ge-
hört zur frühkindlichen Förderung – mit 4 Milliarden
plus 770 Millionen Euro ab 2013 jährlich, den Aktions-
plan Kindertagespflege, die Qualifizierungsinitiative des
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oder waren kurz vor ihrer Einschulung. Hätte man sei-
nerzeit zügig Lehren aus diesem Desaster gezogen, dann
wäre es heute zu einem besseren Ergebnis gekommen.
Dem ist aber nicht so.
Damals konnten 22,6 Prozent nur schlecht lesen.
Heute sind es noch immer 18,5 Prozent. Damals war es
ein gutes Fünftel, heute ist es ein knappes Fünftel. Wer
das ein Jahrzehnt später als Erfolg verkaufen möchte,
der hat sehr bescheidene Vorstellungen von Erfolg.
Wir geben uns damit nicht zufrieden. Das heißt doch
nichts anderes, als dass 18,5 Prozent der Schülerinnen
und Schüler vermutlich auf der Strecke bleiben. Das
kann man doch nicht einfach so hinnehmen. In den
Hauptschulen ist es jede zweite Schülerin bzw. jeder
zweite Schüler, in den Förderschulen sind es sogar drei
Viertel. All das ist in der Studie nachzulesen. Damit
kann man sich doch nicht zufriedengeben.
Wieder wird festgestellt, dass der Bildungserfolg
stark von der sozialen Lage der Familien abhängt. Kin-
der aus Elternhäusern, in denen die Eltern keinen Be-
rufsabschluss haben, sind deutlich benachteiligt. Zwar
wurde ihr Anteil am Gymnasialbesuch um 4 Prozent er-
höht, aber nur von 11 auf 15 Prozent, während Kinder
aus Elternhäusern von Beamten, Ärzten und Ingenieuren
zu über 50 Prozent das Gymnasium besuchen. Das muss
man einmal zur Kenntnis nehmen. Damit kann man doch
nicht zufrieden sein.
Dabei ist auch noch die Zuweisung zu den unterschiedli-
chen Bildungsgängen sehr fragwürdig. Ein Viertel der
Hauptschülerinnen und Hauptschüler könnte genauso
gut an einer Realschule lernen. Dort sind sie aber nicht
angekommen. Ein Viertel der Realschülerinnen und
Realschüler könnte genauso gut an Gymnasien lernen.
Aber dort sind sie nicht angekommen.
Aber es wird noch schlimmer: Nicht nur, dass die
Verbesserungen beim Lesen für die bisher Bildungsbe-
nachteiligten sehr mager ausfallen; die Leistungsspitze
vergrößert sich überhaupt nicht. Der Anteil der besten
Leserinnen und Leser geht sogar leicht zurück, und das,
obwohl sich der Ansturm auf das Gymnasium von 28 auf
33 Prozent erhöht hat. Genau genommen sind diese Be-
funde eine schallende Ohrfeige für die Verfechter des ge-
gliederten Schulsystems.
Es ist weder für die Schwächeren noch für die Starken
gut.
– Sie müssen bis zum Schluss lesen.
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as ist an drei Tatsachen abzulesen: Die frühe Trennung
unterschiedliche Schulformen verstärkt die Ungleich-
eit in der Bildung. Lehrkräfte empfehlen eher Kinder
us sozial begünstigten Elternhäusern ans Gymnasium.
ußerdem kann man an der Hauptschule nicht das Glei-
he lernen wie am Gymnasium. Auch das grenzt aus.
er das nicht glaubt, muss bis Seite 250 lesen.
Was lernen wir nun daraus? Oder besser: Was sollten
ir lernen? Erstens. Es muss endlich Schluss sein mit
er Zuweisung zu unterschiedlichen Bildungsgängen.
as hilft den Schwachen und auch den Starken nicht.
nser Land kann aber auf kein Talent verzichten.
Zweitens. Die Schule kann so, wie sie ist, nicht die
ötige Förderung für jeden Heranwachsenden gewähr-
isten. Deshalb muss mit der Mär von angeblich leis-
ngsgerechten Bildungsgängen endlich Schluss sein.
ir müssen Anstrengungen unternehmen, um echte Ge-
einschaftsschulen zu errichten – dabei meine ich nicht
ie Zusammenlegung von Haupt- und Realschule –, an
enen alle Bildungsabschlüsse bis zum höchsten Bil-
ungsabschluss möglich sind. Solche Projekte müssen
efördert werden. Wir müssen ideologische Bildungs-
chranken endlich einreißen.
ie Schule muss in die Lage versetzt werden, ihren Bil-
ungsauftrag zu erfüllen, und darum muss das Koopera-
onsverbot endlich fallen. Wann, wenn nicht jetzt?
Danke schön.
Sylvia Canel spricht für die FDP-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
nd Herren! Der PISA-Schock 2000 zeigt Wirkung. Die
ildungsleistung hat sich seit 2000 spürbar verbessert.
8874 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Sylvia Canel
)
)
Deutsche Schüler können im Vergleich mit Schülern aus
anderen OECD-Staaten besser rechnen und haben mehr
naturwissenschaftliches Verständnis. Sie können nur
mittelmäßig lesen, aber immerhin schon besser als 2000.
Jugendliche mit Migrationshintergrund haben sich im
Bereich Lesen spürbar verbessert, und der Zusammen-
hang von Lesekompetenz und sozialer Herkunft hat
deutlich abgenommen. Zudem bleibt festzuhalten, dass
Schüler aus Familien mit einem geringeren Sozialstatus
häufiger als früher ein Gymnasium besuchen. Wenn das
keine Erfolge sind, dann weiß ich es auch nicht. Deshalb
weiß ich nicht, wovon Sie gesprochen haben, Frau Hein.
Als Liberale sage ich dazu: Gut, dass wir endlich ver-
gleichen können und dass wir durch den Vergleich end-
lich mehr Wettbewerb haben. Dieser Wettbewerb treibt
die Schulentwicklung voran. Transparenz, Vergleiche
und Wettbewerb sind grundlegende Prinzipien liberaler
Bildungspolitik, und dadurch werden nachweislich Fort-
schritte erzielt.
Die Mühe lohnt sich, denn die Richtung stimmt. Un-
sere Anstrengungen dürfen daher auf gar keinen Fall
nachlassen. PISA 2009 muss uns allen ein Ansporn sein,
die Bremsen im Bildungssystem aufzuheben. Jedes Kind
muss unabhängig vom Elternhaus endlich eine Chance
auf gute Bildung bekommen, und jedes Talent muss in-
dividuell gefördert werden.
Dazu gehören auch die Guten, damit sie Spitze werden.
Erforderlich sind eine deutliche Qualitätssteigerung
bei der frühkindlichen Bildung sowie die Ausweitung
der Selbstständigkeit einer jeden Bildungseinrichtung.
Frühkindliche Bildung ist der entscheidende Schlüssel
zu sozialer Teilhabe und Chancengerechtigkeit.
Die Förderung von Bildung in den ersten Jahren ist effi-
zient und sozial gerecht. Jeder am Anfang der Bildungs-
laufbahn investierte Euro macht ein Menschenleben
freier, unabhängiger und aufgeklärter.
Im Rahmen von PISA 2009 hat die OECD bestätigt
– da kann man einmal sehen, wie selektiv man diese Stu-
die lesen kann –: Schülerinnen und Schüler, die am Vor-
schulunterricht teilgenommen haben, erzielen bessere
Ergebnisse. Schulsysteme mit einer längeren Vorschul-
bildung sind deutlich erfolgreicher. Doch wie gehen wir
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as unablässige Hin und Her und die ständigen Expe-
mente halten unsere Schulen in einem Zustand der Hy-
eraktivität, und das bringt nur eines: Unsicherheit und
rust an der Basis.
Ich sage Ihnen deshalb: Jede einzelne Schule weiß es
esser, weil sie nämlich die Fachleute vor Ort hat. Jeder
achmann und jede Fachfrau vor Ort weiß es besser als
der Theoretiker und jeder Politiker.
as heißt: Schulen brauchen die Freiheit, die es ihnen
rmöglicht, selbstständig zu entscheiden und eigenver-
ntwortlich zu handeln. Wir brauchen mehr eigenstän-
ige Schulen und weniger bevormundende Politik.
PISA bestätigt uns in dieser liberalen Forderung, und
ie OECD stellt fest, dass Schüler in Ländern mit einer
ohen schulischen Eigenständigkeit bessere Ergebnisse
rzielen. Die erfolgreichsten Schulsysteme erteilen den
chulen mehr Autonomie. Das ist der Schlüssel zur Zu-
unft.
Den Entscheidungsspielraum an deutschen Schulen
insichtlich der Verwendung der Ressourcen und der
estaltung des Unterrichts bewertet die OECD als unter-
urchschnittlich im Vergleich zu anderen OECD-Staa-
n.
ir benötigen deshalb mehr Freiheit und Stärke vor Ort.
ehr Bildungsqualität braucht ein klares Bekenntnis zur
igenständigkeit der Schulen mit Möglichkeiten der
eistungsdifferenzierung. Ein Bildungssystem, das auf
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8875
Sylvia Canel
)
)
eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung auf-
bauen kann, und eigenständige Schulen, in deren Eigen-
verantwortung es liegt, wie erfolgreich sie gemessen an
guten Qualitätsmaßstäben sind, sind ein Garant für Bil-
dungsgerechtigkeit und für Bildungserfolg.
Ich bin sehr zuversichtlich, dass die nächste PISA-
Studie für uns noch erfolgreicher ausfallen wird.
Danke sehr.
Jetzt spricht Priska Hinz für Bündnis 90/Die Grünen.
Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch
ich freue mich durchaus, dass man nach zehn Jahren
konstatieren kann, dass es für die Schülerinnen und
Schüler Verbesserungen im Schulsystem gibt und dass
wir nicht wieder in einen Schock versetzt werden, wie es
bei der ersten PISA-Studie der Fall war. Ich freue mich
vor allen Dingen, dass sich im unteren Bereich, also bei
den Schülerinnen und Schülern, die sehr schwach sind,
tatsächlich sehr viel verbessert hat und dass bei Migran-
tenkindern ein deutlicher Kompetenzzuwachs zu ver-
zeichnen ist.
Allerdings besteht kein Grund, zu glauben, man habe
alles gemacht und müsse nur die Programme herunterbe-
ten, die schon begonnen wurden, Herr Weinberg.
Ich glaube vielmehr, dass man auf Grundlage der PISA-
Studie, ihrer Ergebnisse und der sich daraus abzuleiten-
den Empfehlungen überlegen muss, wo noch Defizite im
politischen Handeln sind und welche Schlüsse wir da-
raus ziehen müssen. Dazu habe ich von Ihnen leider nur
wenig gehört.
Wenn es nach wie vor zutrifft, dass der Bildungserfolg
in Deutschland von der sozialen Herkunft abhängt, dass
Migrantenkinder immer noch große Kompetenznachteile
haben und dass es Überlappungen bei den Kompetenzen
von Hauptschülern und Gymnasiasten gibt, dann kann
man aufgrund dieser auffälligen Befunde nicht sagen:
Das viergliedrige Schulsystem hat sich bewährt. Außer-
dem sollen sich die Migrantenkinder ein bisschen mehr
anstrengen. Dann bekommen wir das Ganze schon gere-
gelt.
Ein Fünftel der Jugendlichen im Alter von 15 Jahren
steht auf der untersten Kompetenzstufe, die dem Grund-
schulniveau entspricht. Das heißt schlicht und einfach,
dass sie nicht ausbildungsreif sind. Auf der anderen
Seite droht uns ein Fachkräftemangel. Wir wollen, dass
Jugendliche an der Gesellschaft teilhaben können, dass
sie eine Ausbildung machen und sich eine Existenz auf-
bauen können. Wir wollen nicht, dass sie sofort in der
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rau Canel, das müsste doch in unser aller Interesse sein;
a brauchen wir hier doch nicht mehr den alten Schul-
ampf zu führen, der überhaupt keinen mehr hinter dem
fen hervorlockt.
Ich bin der Meinung, dass wir wieder Bund-Länder-
rogramme brauchen, wie zum Beispiel das Sinus-Pro-
ramm, das dazu geführt hat, dass die Lehrer den Unter-
cht in Mathematik und Naturwissenschaften besser
estalten können; unter anderem deswegen sind wir in
aturwissenschaften und Mathematik besser als der
ECD-Durchschnitt. Das hat mit solchen Programmen
u tun, die wir zurzeit nicht durchführen können, weil es
as Kooperationsverbot gibt.
Wir brauchen eine bessere Sprachförderung, die auch
valuiert wird. Da ist der Bund gefragt, entsprechende
8876 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Priska Hinz
)
)
Forschungsprogramme aufzusetzen. Man muss dann
aber die Forschungsergebnisse in der Lehrerfortbildung
umsetzen. Das funktioniert nur, wenn Bund und Länder
gemeinsam solche Programme vereinbaren können.
Mein Fazit: Wir müssen gemeinsam die richtigen
Konsequenzen aus der PISA-Studie ziehen. Eine Konse-
quenz müsste tatsächlich sein: Das Kooperationsverbot
muss fallen, damit wir, Herr Weinberg, nicht nur Geld an
die Länder geben, sondern gemeinsam qualitativ gute
neue Standards vereinbaren können.
Danke schön.
Für die CDU/CSU hat Eckhardt Rehberg jetzt das
Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Frau Hein und Herr Schulz, man kann natürlich
immer Haare in der Suppe finden. Wenn man aber zehn
Jahre zurückschaut und die Situation im Jahr 2000 mit
der Situation im Jahr 2010 vergleicht, dann erkennt man,
dass Deutschland einen internationalen Erfolg erreicht
hat: Wir sind eines der wenigen Länder, die in diesem
Jahrzehnt eine positive Entwicklung in den Bereichen
Mathematik, Naturwissenschaften und Lesekompetenz
erreicht haben. Ich fände es gut, wenn bei der Opposition
– darunter sind auch diejenigen, die in den vergangenen
Jahren mitregiert haben – zumindest die Freude überwie-
gen würde und sie nicht nur Haare in der Suppe suchen
würden.
Herr Kollege Schulz, dieses Verhalten führt dazu,
dass diejenigen, bei denen Sie sich bedankt haben, eher
frustriert sind: Sie fragen sich, ob ihre Arbeit wirklich
wertgeschätzt und gewürdigt wird, wenn in der Politik
nur negativ darüber geredet wird.
Das, was Sie hier aufgeführt haben, führt nicht dazu,
dass die Bildungspolitik in Deutschland vorankommt.
Die SPD spricht davon, dass für die Bildung 10 Mil-
liarden Euro obendrauf gepackt werden sollen. Dazu
muss ich sagen: Solange Sie hier die Bildungspolitik be-
stimmt haben – zwischen 1998 und 2005 –, konnte ich
keinen wesentlichen Aufwuchs bei den Bildungsausga-
ben erkennen.
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Es ist immer ganz spannend, sich über eine lange Dis-
nz anzuschauen, wie Länder in Deutschland bei ver-
chiedenen Vergleichen im Bildungsbereich abschnei-
en. Wenn man sich PISA 2006 – auf die Bundesländer
eruntergebrochen –, die Studie des Instituts zur Quali-
tsentwicklung im Bildungswesen aus 2008 und 2009
nd den Bildungsmonitor der Initiative Neue Soziale
arktwirtschaft anschaut, dann erkennt man – das ist
anz interessant –, dass vier Länder, davon zwei im
sten – Sachsen und Thüringen – und zwei in den alten
ändern – Bayern und Baden-Württemberg –, immer
orne liegen. Diese Länder haben ganz unterschiedliche
ildungspolitische Ansätze verfolgt. Während in Bayern
nd Baden-Württemberg die klassische Dreigliedrigkeit
eute nach wie vor vorhanden ist, haben Sachsen und
hüringen gleich 1990 die Mittelschule bzw. die Regel-
chule und damit die Zweigliedrigkeit eingeführt. Eines
t diesen Ländern über zwei Jahrzehnten hinweg aber
emeinsam: Weil es stabile politische Verhältnisse gab,
urde Schule nicht zum Experimentierfeld. Das ist der
esentliche Punkt.
chauen Sie sich die Situation einmal ganz genau an – ich
sse die Namen der Länder auf den Plätzen 13, 14, 15
nd 16 weg –: Wo schulpolitische Kontinuität herrscht, ist
an bei den Ländervergleichen erfolgreich, und in den
ändern, in denen Schule ein Experimentierfeld ist, pro-
tieren die Schülerinnen und Schüler überhaupt nicht.
Wenn wir über Bildungsstandards reden, dann ist
uch die Frage zu stellen, warum sich fünf Länder, in de-
en das Kultusministerium CDU- bzw. CSU-geführt ist,
ämlich Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-
nhalt, Baden-Württemberg und Bayern, entschlossen
aben, auf ein Zentralabitur hinzuarbeiten. Da ist kein
PD-geführtes Land dabei. Scheut man dort den Ver-
leich?
er Weg zu mehr Kontinuität und mehr Vergleichbarkeit
Deutschland führt doch über einheitliche Bildungs-
tandards. Das Zentralabitur ist mit der wichtigste
chritt auf dem Weg, mehr Qualität zu erreichen und die
ergleichbarkeit in Deutschland herzustellen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8877
Eckhardt Rehberg
)
)
Auch wenn Ihnen von der Opposition das nicht passt,
insbesondere Ihnen von der SPD, waren die letzten Jahre
in bildungspolitischer Hinsicht mehr als erfolgreich: Ers-
tens. Wir haben noch nie so viele Studienanfänger
gehabt wie im Jahr 2010 – ein deutlicher Aufwuchs.
Zweitens. Wir haben mittlerweile eine geschlossene Bil-
dungskette. Das gilt für die frühkindliche Bildung, wo
sich der Bund engagieren kann. Das gilt aber insbeson-
dere für den Übergang von Schule zu Berufsausbildung.
Davon profitieren insbesondere die Schwachen und Be-
nachteiligten. Ich denke an die Bildungsketten. Ich
denke an Berufseinstiegsmaßnahmen und an berufsbe-
gleitende Maßnahmen. Auf diesem Gebiet ist der Bund
aktiv und sehr erfolgreich.
Ich denke, daran, wie wir aufgestellt sind, und daran,
wie wir unser Geld einsetzen, wird deutlich, dass unser
Motto lautet – das sage ich auch mit Blick auf die demo-
grafische Entwicklung und die Fachkräftesituation –:
Wir lassen keinen zurück!
Danke schön.
Für den Bundesrat hat jetzt das Wort Senator Jürgen
Zöllner.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir kämpfen beide immer nur um die Spitze, Herr
Lindner. – Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Das große Interesse der
Öffentlichkeit an PISA ist geblieben, die Aufgeregtheit
hat sich möglicherweise etwas gelegt, und eine sachli-
chere Betrachtungsweise hat Einzug gehalten.
Wo stehen wir zehn Jahre nach PISA? Übrigens, Herr
Weinberg, es ist die angeblich so leistungsfeindliche
SPD, der die Bundesrepublik die Teilnahme an der
PISA-Studie zu verdanken hat. Es war der damalige
Schulminister aus Rheinland-Pfalz, Jürgen Zöllner, der
den Antrag, uns dem Vergleich zu stellen, in Konstanz
gestellt hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich meine,
die unbefriedigenden PISA-Ergebnisse aus dem Jahr
2000 waren ein heilsamer Schock für viele. Ich kenne
kein Land in dieser Bundesrepublik Deutschland, egal
welcher politischen Couleur, in dem es nicht massive
Anstrengungen gegeben hat, die Schulqualität zu verbes-
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Deshalb muss, wer das Ziel gleicher Chancen unab-
ängig vom Geldbeutel und der Bildung der Eltern wirk-
ch will, gezielt die Rahmenbedingungen speziell für
iese Schülergruppe verbessern.
Die Ergebnisse von PISA 2009 zeigen, dass wir Er-
lge zu verzeichnen haben. Besonders erfreulich ist
das ist erwähnt worden –, dass die Leistungen der
chülerinnen und Schüler mit einem Migrationshinter-
rund erheblich besser geworden sind. Sie sind ein wich-
ger, wenn nicht sogar der entscheidende Grund für die
eistungssteigerung in Deutschland insgesamt. Es sind
nsere Kinder.
Zwei bildungspolitische Maßnahmen sind für mich
abei zentral. Sie sind heute, wie ich in dieser Debatte
rfreut festgestellt habe, unbestritten. Damals, als wir in
er KMK die acht Eckpunkte festgezurrt haben, waren
ie heiß umstritten. Es hat lange gedauert, die konserva-
ven Kolleginnen und Kollegen davon zu überzeugen.
Erstens: die frühkindliche Förderung, insbesondere
ie Sprachförderung in den Kindertagesstätten. Bei die-
en Bildungseinrichtungen ist entscheidend, dass der Be-
uch kostenfrei ist; denn Bildung darf nicht vom Geld-
eutel der Eltern abhängen.
Lande Berlin beispielsweise sind ab dem 1. Januar
011 alle drei Kindergartenjahre vor Schulbeginn gebüh-
nfrei.
Lande Berlin setzen wir das um, wovon andere nur
den. Wir werden für Kinder, die einen festgestellten
prachförderbedarf haben, faktisch eine Kitapflicht für
as letzte Jahr vor Schuleintritt einführen.
8878 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Senator Dr. Jürgen Zöllner
)
)
Zweitens. Eine zentrale Rolle bei der Verbesserung
spielt auch das Ganztagsschulprogramm der früheren
rot-grünen Bundesregierung. Dadurch konnten viele
Schulen in Deutschland zu Ganztagsschulen ausgebaut
werden. Ich freue mich auch hier darüber, dass die eins-
tigen Gegnerinnen und Gegner dieses Programms – viele
von ihnen sind noch heute in der Bildungspolitik tätig –
den Wert und die Möglichkeiten der pädagogischen An-
sätze des Ganztagsangebotes erkannt haben.
Nur so wird es uns letzten Endes gelingen, an die leis-
tungsschwächeren Schülerinnen und Schüler heranzu-
kommen.
Was mir im Zusammenhang mit den neuesten PISA-
Ergebnissen die meisten Sorgen bereitet – es gibt Er-
folge zu verzeichnen, auf die wir insgesamt stolz sein
sollten –, sind die Schülerinnen und Schüler aus den so-
genannten bildungsfernen sozial benachteiligten Eltern-
häusern. Wenn der schöne Ausdruck „Bildungsrepublik
Deutschland“ nicht nur Worthülse sein soll, brauchen
wir eine gemeinsame weitere Kraftanstrengung zwi-
schen Bund und Ländern – sie ist auch in der derzeit ver-
fassungsmäßig festgelegten Lage möglich –, um diese
Schülergruppe gezielt ins Auge zu fassen. Wir brauchen
so etwas wie ein gemeinsames Ganztagsschulprogramm.
Ziel muss es sein, alle Schulen in Deutschland zu
Ganztagsschulen weiterzuentwickeln. In Berlin haben
wir damit begonnen. Es gibt die Verantwortung der Län-
der, zu der wir gerne stehen. Neben den Grundschulen,
die in Berlin alle Ganztagsschulen sind, haben wir in der
Sekundarstufe I eine neue Schulstruktur geschaffen: ein
zukunftsfähiges zweigliedriges Schulsystem aus Gym-
nasien und Integrierten Sekundarschulen. Letztere wer-
den sämtlich zu Ganztagsschulen ausgebaut. Die ersten
Schritte im Bereich der Gymnasien haben wir schon un-
ternommen.
Wir brauchen in den Ganztagsschulen zum Beispiel
auch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Dies wäre
eine Chance für den Bund. Ein Bundesprogramm in die-
sem Bereich wäre sehr hilfreich.
Was wir – auch das muss an einem solchen Tag gesagt
werden – in diesem Zusammenhang nicht brauchen – da-
mit möchte ich schließen –, ist ein nur gut gemeintes Bil-
dungspaket der Bundesregierung. Dieses droht nach
meiner festen Überzeugung – ich muss mich um die Um-
setzung kümmern – ein riesiges Bürokratiemonster zu
werden.
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önnten wir mit den gleichen Mitteln allen – ich betone:
llen – bedürftigen Kindern und Jugendlichen, nicht nur
enen in der Grundschule, ein kostenloses Schulmittag-
ssen anbieten,
brigens ganz ohne Verwaltungsaufwand, ganz ohne Be-
iligung der Eltern an den Kosten.
Ich will doch gar nicht mehr Geld.
as wäre mit dem gleichen Betrag möglich, den Sie für
ie Verwaltungskosten, die ich beschrieben habe, ausge-
en.
Ich appelliere an Sie: Investieren Sie effektiv in die
orhandenen Bildungseinrichtungen, in die Kitas und
ie Schulen, damit dort optimal gefördert werden kann
nd wir unsere Leistungsfähigkeit auch im Rahmen von
ISA weiter verbessern können.
Ich bedanke mich.
Heiner Kamp hat jetzt für die FDP-Fraktion das Wort.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8879
)
)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Wir sind wirklich glücklich
und froh, am heutigen Tag über die durchaus ansehnli-
chen Erfolge im Bildungsbereich sprechen zu dürfen.
Das PISA-Konsortium hat Deutschland attestiert, sich
seit dem Jahr 2000 spürbar verbessert zu haben. Dies
liegt nicht zuletzt daran, dass wir es geschafft haben, die
Zahl der Bildungsverlierer maßgeblich zu verringern.
Mittlerweile liegt Deutschland beim Lesen im OECD-
Mittelfeld. In Mathematik und in den Naturwissenschaf-
ten spielen wir, um es mit den Worten des Bildungsfor-
schers Professor Klieme zu sagen, in der ersten Liga mit.
Gerade Jugendliche mit ausländischen Wurzeln konn-
ten sich beim Lesen spürbar verbessern. Der Leistungs-
unterschied zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund
konnte deutlich verringert werden. Dabei verbuchten Ju-
gendliche türkischer Herkunft eine leichte Verbesserung
und Jugendliche, deren Eltern aus der ehemaligen UdSSR
eingewandert waren, sehr deutliche Leistungszugewinne.
Positiv festzuhalten ist auch, dass der Zusammenhang
zwischen Lesekompetenz und sozialer Herkunft seit
PISA 2000 deutlich abgenommen hat und Schülerinnen
und Schüler aus Familien mit geringerem Sozialstatus
häufiger als früher ein Gymnasium besuchen. Bemer-
kenswert ist auch, dass die OECD die personelle Aus-
stattung an Deutschlands Schulen im Vergleich zu dem
Durchschnitt der OECD-Staaten positiv beurteilt.
Allerdings wird der fehlende Entscheidungsspielraum
der Schulen, zum Beispiel bei der Verwendung der Res-
sourcen und der Gestaltung des Unterrichts, von der
OECD weiterhin als unterdurchschnittlich beklagt. Es ist
eben nicht nur eine Frage des Geldes, ob und inwieweit
eine Schule gut funktioniert. Es sind häufig weiche Fak-
toren, die ausschlaggebend sind. Fehlende Freiheits-
grade lassen sich nicht einfach durch den Ruf nach der
Geldschatulle kompensieren.
Dies zeigt sich ganz deutlich beim Blick in die einzel-
nen Länder – ich lade Sie ein, auf diese Reise mitzukom-
men –: Alle Bundesländer haben sich verbessert, man-
che mehr als andere. Während sich bei den letzten
innerdeutschen Vergleichen zeigte, dass Bayern, Baden-
Württemberg und Sachsen sogar in der internationalen
Spitzengruppe mithalten können, streiten sich die Bun-
desländer Berlin, Brandenburg und Bremen traditionell
um die rote Laterne. Auch der Ländervergleich des letz-
ten Sommers zeigte eindrucksvoll: Wer auf einen Ab-
stiegsplatz in der Bildungsliga wetten will, der braucht
nur nach einem SPD-geführten Kultusministerium Aus-
schau zu halten.
Wer wundert sich angesichts einer solchen Negativbi-
lanz, dass die Sozialdemokraten ihren Berliner Bil-
dungssenator in den Bundestag schicken, damit er sich
in der Runde ein wenig Orientierung verschaffen möge!
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öglicherweise könnte er seinen Senatskollegen berich-
n, dass es nicht sonderlich sinnvoll ist, die Schulen in
inem ständigen Experimentierfeld zu halten. Das Bil-
ungssystem ist kein Chemielabor, meine Damen und
erren.
Jahrgangsübergreifendes Lernen, Lehrerbedarfspla-
ung und der Aufbau der Einheitsschule: Egal was, es
eht in die Grütze, um es mit klaren Worten zu sagen.
Es ist kein Wunder, dass Berlin beim Boom der Pri-
atschulen ganz weit vorne ist. Ich kann das verstehen;
rundsätzlich stehe ich den Schulen in freier Träger-
chaft sehr positiv gegenüber. Doch wenn sich das staat-
che Schulwesen derart marode darstellt wie in der
auptstadt, dann wundert es mich kaum, dass die Privat-
chulen für viele Eltern die Rettungsanker sind.
Der Fahrstuhleffekt, wonach alle Länder besser ge-
orden sind, ist grundsätzlich positiv. Ich kann jedoch
ie Eltern in Berlin, Brandenburg und Bremen verste-
en, die sich damit aber nicht zufriedengeben wollen,
eil sie ähnliche Chancen für ihre Kinder wie in Baden-
ürttemberg, in Bayern, in Sachsen und in Thüringen
aben möchten.
ir müssen deswegen daran arbeiten, dass dies möglich
ird.
Herzlichen Dank.
Marianne Schieder hat das Wort für die SPD-Frak-
on.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Die Ergebnisse von international vergleichen-
en Studien wie der PISA-Studie dürfen und müssen
elbstverständlich kritisch hinterfragt werden; Herr Kol-
ge Weinberg, damit hatten Sie ganz recht. Selbstver-
tändlich freuen wir Sozialdemokratinnen und Sozialde-
8880 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Marianne Schieder
)
)
mokraten uns mit unseren Schülerinnen und Schülern
und mit den Lehrerinnen und Lehrern über die verbes-
serten Ergebnisse der neuesten Studie.
Diese Ergebnisse eignen sich aber absolut nicht für
die Lobhudelei à la Schwarz-Gelb, die wir heute gehört
haben,
und sie eignen sich auch wirklich nicht für plattes partei-
politisches Gezänk, wie wir es gerade von meinem Vor-
redner erlebt haben.
Hören Sie auf, nach der Methode „Man nehme das,
was einem gerade passt und was gut gelaufen ist, und
lässt sich dafür groß feiern“ zu verfahren, während Sie
das, was weniger gut ist, konsequent ignorieren.
So kommen mir nämlich die ganzen Reaktionen vor,
die ich seitens der Bundesregierung und seitens der sie
tragenden Fraktionen gehört habe. Was konnte ich da al-
les lesen? Von Sprachtests vor dem dritten Lebensjahr,
von mehr Geld für die Stiftung Lesen, von der Förde-
rung von benachteiligten Jungen, von Fortbildungspro-
grammen für Erzieherinnen usw. war die Rede. Alles
Mögliche wurde lautstark gefordert. Jede und jeder hat
irgendetwas vorgeschlagen. Alles schön und gut, aber
tragfähige Konzepte sehen anders aus.
Das, was wir wirklich brauchen, sind schlüssige, ab-
gestimmte Konzepte, die nachhaltig Wirkung entfalten
können. Das, was durch den PISA-Vergleich in den letz-
ten Jahren wirklich in Gang gebracht wurde, nämlich
eine intensive gesellschaftliche Diskussion über die Rah-
menbedingungen von guter Bildung, muss genutzt und
in konkrete Aktivitäten umgesetzt werden. Wir brauchen
einen Masterplan Bildung, durch den deutlich gemacht
wird, dass gute Bildung für unsere Kinder und jungen
Menschen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und
nicht das Problem derer bleiben kann, die gerade Kinder
im schulpflichtigen Alter haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss dabei die
Devise gelten: Es werden Kinder und nicht Fächer an
unseren Schulen unterrichtet. – Es kommen morgens
Kinder in unsere Schulen, die ihre Sorgen, Nöte und Pro-
bleme nicht an der Schulhaustüre abgeben können, um
sie nach der Schule auf dem Nachhauseweg wieder mit-
zunehmen. Sie und ihre Eltern, aber auch ihre Lehrerin-
nen und Lehrer brauchen konkrete Hilfen.
Wir wissen längst, dass die Schulsozialarbeit hier die
richtige Antwort ist. Überall, wo sie angeboten wird, ist
sie sehr, sehr erfolgreich. Leider sind wir aber noch sehr
weit von einer flächendeckenden Versorgung entfernt.
Für den weiteren Ausbau fehlen die Finanzmittel. Dabei
wissen wir alle auch, dass hierfür zwar zunächst einmal
erhebliche Kosten entstehen, die später aber, beispiels-
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Es kommen morgens Kinder in unsere Schulen, die
örderung und Zeit brauchen, um das, was zu lernen ist,
uch verstehen und verarbeiten zu können. Sie brauchen
portliche, musische und künstlerische Angebote, wie
ie in einer guten Ganztagsschule vorzufinden sind.
Wer sich die Ergebnisse der PISA-Studie wirklich ge-
au ansieht, der kann feststellen, dass die erzielten Ver-
esserungen gerade im Bereich der leistungsschwächeren
chülerinnen und Schüler in einem ganz entscheidenden
usammenhang mit der Schulsozialarbeit und der Ganz-
gsschule stehen. Durch die unter Rot-Grün gestellten
eichen konnte also für eine erhebliche Verbesserung
er Situation gesorgt werden.
Wir sind aber noch sehr weit von einer wirklich flä-
hendeckenden Versorgung mit Ganztagsschulen ent-
rnt, weil sich der Anteil der Schülerinnen und Schüler,
ie eine Ganztagsschule – sei es in offener oder in ge-
undener Form – besuchen können, seit 2002 zwar ver-
oppelt hat, es aber eben doch nicht überall vor allem
ebundene Ganztagsschulen gibt.
Ganztagsschulen sind aber unverzichtbar, zum einen
us pädagogischen Gründen, weil Schule mehr Zeit für
ildung und mehr individuelle Förderung braucht. Sie
ind unverzichtbar aus integrationspolitischen Gründen,
eil Ganztagsschule besser als jede andere Schulform
ie sprachliche, kulturelle und soziale Integration von
indern und jungen Menschen aus Familien mit Migra-
onshintergrund leisten kann. Und sie sind unverzicht-
ar aus sozialpolitischen Gründen, weil sich in Ganz-
gsschulen Bildungschancen für alle am besten
rganisieren lassen. Also muss es unser Ziel sein, Ganz-
gsschulen für alle zu schaffen. Das werden wir nur ge-
einsam erreichen, gemeinsam in einer Aktion mit ei-
em Masterplan, getragen von Bund, Ländern und
ommunen.
Wir brauchen dazu natürlich auch eine Diskussion
ber eine Aufhebung des Kooperationsverbots, um eine
essere Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Be-
ich der Bildung zu ermöglichen. Aber auch ich möchte
etonen: Die PISA-Ergebnisse haben wiederum gezeigt,
ass immer noch die soziale Herkunft über den Bil-
ungserfolg junger Menschen entscheidet. Kinder blei-
en auf der Strecke, weil die individuellen Fähigkeiten
icht ausreichend gefördert werden, die frühkindliche
ildung zu spät einsetzt oder der Geldbeutel der Eltern
ider zu klein war, um mithalten zu können. Ich fordere
ie auf, liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-
elb: Nehmen Sie Ihren viel bemühten christlichen An-
pruch endlich ernst, und sorgen Sie mit uns für mehr
ildungsgerechtigkeit in diesem Land! Geben Sie allen
indern eine Chance von Anfang an, und bringen Sie
it uns ein Ganztagsschulprogramm und einen flächen-
eckenden Ausbau der Schulsozialarbeit auf den Weg!
In diesem Sinne: Herzlichen Dank für die Aufmerk-
amkeit.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8881
Marianne Schieder
)
)
Für die Bundesregierung hat der Parlamentarische
Staatssekretär Thomas Rachel das Wort.
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! PISA wird
dieses Jahr zehn Jahre alt. In diesen zehn Jahren ist die
Bildung ins Zentrum der deutschen Politik gerückt. Ich
denke, das ist auch gut so.
Die PISA-Studien haben uns alle alarmiert. Sie haben
dem Bildungssystem letztlich gutgetan; denn es hat sich
gezeigt, dass unser Bildungssystem sehr wohl wand-
lungsfähig ist. Deutschland hat sich seit 2000 kontinuier-
lich in allen drei Bereichen – im Lesen, in der Mathema-
tik und in den Naturwissenschaften – verbessert. Dies ist
nur wenigen anderen OECD-Ländern gelungen.
Bei PISA 2000 lagen die 15-Jährigen in Deutschland
im Lesen unter dem OECD-Durchschnitt. 2009 liegen
sie am oberen Rand des Durchschnitts. In Mathe und
Naturwissenschaften lagen die deutschen Schülerinnen
und Schüler im Durchschnitt, jetzt liegen sie über dem
Durchschnitt der OECD-Länder.
Diese Verbesserungen gehen auch mit größerer Ge-
rechtigkeit einher. Im Bereich des Lesens hat sich die
Leistungsvarianz zwischen 2000 und 2009 so stark ver-
ringert wie in keinem anderen OECD-Land. Anders ge-
sagt: Der Abstand zwischen den schwachen und den
starken Lesern ist geringer geworden, ohne dass sich die
Starken deshalb verschlechtert hätten.
Das ist in meinen Augen auch ein Stück Bildungsge-
rechtigkeit. Gleichzeitig konnte das Gymnasium seinen
hohen Stand halten, obwohl es gleichzeitig G 8 einge-
führt hat und obwohl heute 20 Prozent mehr Schülerin-
nen und Schüler auf den Gymnasien sind als 2000.
Meine Damen und Herren – Kollege Zöllner hat es
bereits angesprochen –, zum besseren Gesamtergebnis
haben vor allem die Schülerinnen und Schüler mit Mi-
grationshintergrund beigetragen. Vielleicht ist das die
beste Nachricht von PISA 2009.
Wenn wir die Differenz zwischen den Schülerinnen
und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund be-
trachten, so sehen wir: Diese Differenz hat sich seit
PISA 2000 um 28 Punkte verringert. Dies ist mehr als
ein halbes Schuljahr.
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Ich nenne als Zweites die Bildungspolitik der Länder.
ieben Handlungsfelder hat die KMK 2001 als Reaktion
uf PISA formuliert und die gemeinsamen Bildungsstan-
ards entwickelt. Das war eine richtige und notwendige
aßnahme. Im Übrigen sind schließlich die Länder für
ie Schulpolitik zuständig. Sie werden weitere Schritte
nternehmen.
Eine Initiative ist bereits angekündigt: Fünf Bundes-
nder werden ein gemeinsames Abitur entwickeln.
ichael Kretschmer kommt aus Sachsen. Sachsen ist ei-
es dieser fünf Länder. Ich halte es für richtig, diesen
eg zu gehen. Denn er dient der Vergleichbarkeit und
er Mobilität innerhalb Deutschlands und verpflichtet
ie Länder, die mitmachen, auf ein gemeinsames hohes
eistungsniveau. Ich würde mir wünschen, dass sich
och mehr Länder in der Bundesrepublik Deutschland
iesem gemeinsamen Ziel eines deutschen Abiturs, wie
h es einmal formulieren will, anschließen.
An dritter Stelle möchte ich die Bundesebene nennen.
as BMBF, das Bildungs- und Forschungsministerium,
at die Schulen begleitet, und zwar auch die Schulen, die
ich zu Ganztagsschulen weiterentwickelt haben. Das
etzen wir fort. Wir haben die dafür notwendige und für
eutschland weitgehend neue Forschung finanziert.
ir haben mit dem Sinus-Programm unmittelbar zur
erbesserung des mathematisch-naturwissenschaftlichen
nterrichts beigetragen. Wir haben mit dem FörMig-Pro-
ramm neue Wege zur Förderung von Kindern und Ju-
endlichen mit Migrationshintergrund erprobt, und wir
8882 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Parl. Staatssekretär Thomas Rachel
)
)
haben – ich denke, das ist ein wichtiger Beitrag zur
Transparenz – den nationalen Bildungsbericht etabliert.
Last, but not least nenne ich die empirische Bildungs-
forschung. Denn seien wir ehrlich, meine Damen und
Herren: Ein Stück weit krankt die politische Bildungs-
debatte im Bundestag, aber auch in den 16 Landtagen
daran, dass sie zwar stark von politischen und ideologi-
schen Bildern geprägt ist, aber dass die wissenschaftli-
che Datenbasis zumindest in der Vergangenheit keines-
wegs für eine fundierte Debatte ausreichend war.
Dies ändert sich jetzt, weil wir die Förderung der em-
pirischen Forschung im Bereich der Bildungsforschung
betreiben. Das ist ein Beitrag des Bundes. Ich denke, das
ist zum Besten der Bildung.
Daraus wird deutlich: Lehrerinnen und Lehrer, aber
auch die Bildungspolitik und die Forschung – sie alle
tragen mit dazu bei, dass wir dem Ziel der Bildungsrepu-
blik, dem wir uns gemeinsam verpflichtet fühlen, näher
kommen. Aber wir sind nicht am Ziel. Es gibt keinen
Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Die guten
Nachrichten dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass
es noch sehr viel zu tun gibt.
Deutschland hat sich zwar verbessert, aber unsere
Schülerinnen und Schüler sind im Lesen nur durch-
schnittlich. Das kann nicht reichen. Nach wie vor gehört
fast ein Fünftel der Schülerinnen und Schüler im Alter
von 15 Jahren zu den schwachen Lesern. Auch die Ab-
hängigkeit der Leistungen vom sozialökonomischen
Hintergrund – das zeigt der Bericht – oder auch vom Mi-
grationshintergrund der Schülerinnen und Schüler ist
weiterhin groß. Dies ist nicht hinnehmbar. Daran müssen
wir gemeinsam arbeiten.
Das BMBF geht hier voran. PISA zeigt, dass sich in
den Schulen viel verbessert. Aber wir müssen noch stär-
ker als bisher das Umfeld der Schulen mit einbeziehen
und dabei ganz besonders die Eltern in den Blick neh-
men. Denn seien wir ehrlich – auch ich weiß das als Fa-
milienvater –: Ob ein Kind gut lesen kann, hängt auch,
aber wahrlich nicht nur von der Schule ab. Hier sind
selbstverständlich die Geschwister, die Eltern und die
Großeltern gefragt.
Deshalb werden wir an drei Punkten ansetzen. Wir
beginnen mit den Kleinsten und verbessern mit dem
neuen Programm „Lesestart – Drei Meilensteine für das
Lesen“ die Bildungschancen von Anfang an.
Wir ermutigen die Eltern zum Vorlesen und Kinder zum
Lesen. Wir werden in der ersten Stufe 50 Prozent der
Schülerinnen und Schüler erreichen, und in der dritten
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Mit dem Programm „Lernen vor Ort“ werden wir da-
ber hinaus Kommunen helfen, ihr Bildungsangebot
trukturell zu verbessern. Dutzende Kommunen werden
den nächsten drei Jahren gefördert, um ein übergrei-
ndes Bildungsmanagement sowie Bildungsbündnisse
u etablieren. Denn eins ist klar: Bildung ist letztlich ein
esamtgesellschaftlicher Auftrag. Wir müssen die ge-
amte Gesellschaft in diese Aufgabe einbeziehen.
Noch nie wurde in Deutschland so viel in Bildung in-
estiert wie heute. Wenn ich das sage, meine ich selbst-
erständlich die Kommunen, die vielen freien Träger,
ie Bundesländer und letztlich auch den Bund. Noch nie
tand die Bildung von der frühen Kindheit bis zum Be-
fsabschluss derart im Zentrum der Politik, wie das
eute im Deutschen Bundestag und auch in den Landta-
en der Fall ist. Das zeigt: PISA hat eine Menge auf den
eg gebracht. Wir sind auf einem guten Weg. PISA hat
azu beigetragen.
Ich sage aber auch: Wir dürfen PISA nicht überbe-
erten. Vergessen wir nicht, dass es vieles gibt, was
ISA nicht testet, beispielsweise wie gut 15-jährige
chülerinnen und Schüler in Fremdsprachen sind oder
re musikalischen Fähigkeiten. All dies ist nicht Be-
tandteil von PISA. Trotzdem hat PISA in der deutschen
chullandschaft eine enorme Dynamik ausgelöst. Wir
öchten die Vielfalt der individuellen Entwicklungen
rmöglichen. Wir wollen die Leistungen im Schul- und
ildungssystem verbessern und das System gerechter
achen. Das meinen wir, wenn wir von Bildungsrepub-
k sprechen.
assen Sie uns gemeinsam für diese Bildungsrepublik
rbeiten!
Herzlichen Dank.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8883
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Caren Marks hat das Wort für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr
Staatssekretär Rachel, es gibt durchaus erfreuliche Fort-
schritte, die wir aus den Ergebnissen der neuen PISA-
Studie ablesen können. Bezogen auf die Bundesebene
sind das Erfolge der Vorgängerregierung und vor allem
Erfolge von Rot-Grün.
Ob die Richtung stimmt, die die jetzige Bundesregierung
hier einschlägt, muss sich erst noch zeigen.
Die aktuelle Studie zeigt erneut – das muss uns alle
miteinander umtreiben –, dass in keinem anderen
OECD-Land der Bildungserfolg so stark von der sozia-
len Herkunft der Kinder abhängt. Herr Staatssekretär,
hier sehe ich dringenden Handlungsbedarf, und zwar
nicht nur seitens der Bundesländer, sondern auch vonsei-
ten der Bundesregierung und von Schwarz-Gelb.
Der Handlungsbedarf beginnt – das haben Sie ausge-
blendet – bei der frühkindlichen Bildung. Auf den An-
fang kommt es an. Das kann man gar nicht oft genug sa-
gen. Man muss dann aber auch entsprechend handeln.
Frühkindliche Bildung verbessert die Chancen von Kin-
dern, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Sie kann
Benachteiligungen von Kindern wirkungsvoll entgegen-
wirken. Ganz wichtig ist dabei die individuelle Förde-
rung von Kindern. In Krippen und Kitas wird der Grund-
stein für den späteren Bildungsweg gelegt. Deshalb
brauchen wir dort eine gute Personalausstattung.
Es bedarf einer Verbesserung des Betreuungsschlüs-
sels in Kindertagesstätten. Ebenso bedarf es einer engen
Kooperation zwischen Kitas und Grundschulen, damit
der Übergang zwischen diesen beiden ersten wichtigen
Bildungseinrichtungen für Kinder gut gelingen kann.
Im Familienausschuss haben wir heute Morgen über
das Fachkräfteproblem in Kitas diskutiert. Die Regie-
rungskoalition zog sich auf den Standpunkt zurück: Die
Länder sind zuständig.
Ich würde gern den Ministerinnen Frau Schröder und
Frau Schavan, die leider nicht anwesend sind, die Frage
stellen: Warum führen sie nicht dennoch mit den Län-
dern Gespräche über eine notwendige gemeinsame
Fachkräfteoffensive für Erzieherinnen und Erzieher?
Augenscheinlich fehlt ihnen der Mut für diese notwen-
dige Kraftanstrengung.
Sozialdemokratische Länder machen doch vor, wie es
anders geht. Rheinland-Pfalz beispielsweise hat eine Er-
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er Ausbau der frühkindlichen Bildung und Betreuung,
ber vor allem auch das Angebot an Ganztagsbetreuung
Kitas und Schulen sind die wichtigsten gesellschaftli-
hen Aufgaben unserer Zeit. Das gilt ganz besonders für
en Ausbau der Betreuungsplätze für die unter Dreijähri-
en. Eine Quote von bisher 23 Prozent ist alles andere
ls ausreichend.
Wir alle wissen um die schlechte Finanzsituation der
änder und vor allem der Kommunen. Es ist fatal, dass
iese Bundesregierung mit ihrer Haushalts-, Finanz- und
teuerpolitik systematisch dazu beiträgt, dass Strukturen
or Ort kaputtgespart werden. So hat allein das Wachs-
msbeschleunigungsgesetz dieser Bundesregierung
da können Sie weiter zetern; es bleibt wahr – bei den
ommunen zu Einnahmeausfällen in Höhe von 1,6 Mil-
arden Euro geführt, und zwar jährlich. Wir, die SPD,
rdern deshalb einen Rettungsschirm für Kommunen
nd einen Bildungssoli, damit in eine vernünftige und
edarfsgerechte Bildungsinfrastruktur investiert werden
ann. Sie machen mit Ihrer Haushaltspolitik die Finanz-
ituation der Kommunen und damit auch die Gestal-
ngsfähigkeit der Kommunen im Hinblick auf eine bes-
ere Bildung kaputt.
Die schwarz-gelbe Koalition lehnt unsere Forderun-
en ab. Das ist unverständlich. Noch viel schlimmer:
as von der Bundesregierung gegebene Versprechen, bis
015 gesamtstaatlich mindestens 10 Prozent für Bildung
nd Forschung aufzuwenden, wartet weiter auf seine
inlösung. Die Geduld – nicht so sehr die der Opposi-
on, sondern vor allem die der Eltern und der älteren
inder, die das immer mehr begreifen – ist überstrapa-
iert, und zwar zu Recht.
Fassungslos machen mich die Äußerungen der für
en Betreuungsausbau zuständigen Ministerin Schröder.
ie Bundestagsfraktion der SPD fordert seit langem ei-
en erneuten Krippengipfel für Bund, Länder und Kom-
unen, um voranzukommen. Die Ministerin sagt dazu:
as ist totaler Quatsch. – Die Jugend- und Familien-
inisterkonferenz sowie die kommunalen Spitzenver-
ände fordern merkwürdigerweise denselben Quatsch.
ielleicht sollte Ministerin Schröder einmal innehalten
nd ihre Arbeit endlich aufnehmen.
Studien beweisen längst, dass ein Betreuungsgeld ge-
dezu bildungsfeindlich wäre. Ministerin Schröder sagt,
8884 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Caren Marks
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frühkindliche Bildung habe sie mittlerweile als Thema
für sich entdeckt. Aber ich frage mich, warum sie dann
kein klares Nein zum Betreuungsgeld sagt; denn es
würde falsche Anreize schaffen, indem es gerade den
Verzicht auf die so wichtige frühkindliche Bildung för-
dert. Chancengleichheit würde dadurch verhindert und
der Ausbau der frühkindlichen Infrastruktur konterka-
riert.
Frau Kollegin!
Ich bin sofort am Ende. – Aktuelle Studien zeigen zu-
dem, dass ein Betreuungsgeld sogar verfassungsrecht-
lich bedenklich wäre.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, –
Frau Kollegin!
– geben Sie sich einen Ruck! Verabschieden Sie sich
vom Betreuungsgeld! Investieren Sie in den Ausbau des
Angebotes für die unter Dreijährigen und der Ganztags-
schulen!
Frau Kollegin!
Die Kleinsten in unserem Land haben mehr Anstren-
gung verdient.
Ich bedanke mich bei Ihnen.
Florian Hahn hat das Wort für die CDU/CSU-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-
legen! Frau Dr. Hein, wenn wir einmal nüchtern die
Fakten zur diesjährigen PISA-Studie betrachten, dann
stellen wir fest, dass das von Ihnen gezeichnete pessi-
mistische Zerrbild ganz schnell in sich zusammenfällt.
Gott sei Dank ist die Zeit, als Sie für Bildung und Kultur
in der SED-Bezirksleitung mitverantwortlich waren,
vorbei.
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Fakt 3. In den naturwissenschaftlichen Fächern ran-
ieren die Leistungen unserer Schülerinnen und Schüler
eutlich über dem Durchschnitt.
Fakt 4. Die PISA-Studie belegt zudem, dass sich die
hancen für junge Menschen aus bildungsfernen Fami-
en in Deutschland weiter verbessert haben.
Auch ein Blick auf die Jugendarbeitslosigkeit bestä-
gt die Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems.
eim PISA-Spitzenreiter Finnland lag diese im Oktober
ieses Jahres bei den unter 25-Jährigen bei 20,9 Prozent,
Deutschland hingegen bei 8,5 Prozent. Damit sind wir
inmal mehr ganz vorne in Europa. Es geht doch darum,
ass wir junge Leute so gut ausbilden, dass sie später
uch einen entsprechend guten Job finden. Das muss un-
er Ziel sein, nicht allein das Interpretieren von Statisti-
en. Diese geben uns nur einen Hinweis darauf, ob wir
uf dem richtigen Weg sind.
ie Fakten zeigen, dass der Kurs stimmt, und sie sind
leichzeitig Motivation für die zukünftigen Aufgaben im
ildungssektor.
Bundesministerin Professor Annette Schavan und der
räsident der Kultusministerkonferenz, Bayerns Staats-
inister Dr. Ludwig Spaenle, haben deutlich gemacht,
ass die vor uns liegenden Herausforderungen im Bil-
ungssystem entschieden angegangen werden. Wir ru-
en uns nicht aus; wir sind nicht selbstzufrieden, son-
ern wir wissen: Es gibt noch viel zu tun.
Wir wollen daher die „Kulturtechnik Lesen“ weiter
tärken, um aus dem Mittelfeld der PISA-Studie weiter
n die Spitze vorzudringen. Lesen eröffnet in einer glo-
alisierten und vernetzten Welt das Tor zur Gestaltung
on Gesellschaft und Wirtschaft. Hier werden wir weiter
it bundesweit einheitlichen Bildungsstandards und ei-
er begleitenden Evaluation am Ball bleiben. Mit dem
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8885
Florian Hahn
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Konzept „Lesestart – Drei Meilensteine für das Lesen“
sind wir da auf dem richtigen Weg.
Ferner müssen wir daran arbeiten, dass Jugendliche
aus Zuwandererfamilien ihre Fähigkeiten voll einbrin-
gen und Sprachbarrieren abbauen können. Hier beschei-
nigt uns die vorliegende PISA-Studie im Übrigen wich-
tige Erfolge, auf denen wir konsequent aufbauen
werden, um diesen Kindern mehr Chancen und Möglich-
keiten zu eröffnen. Wir machen deutlich: Für uns ist die
Förderung aller, sowohl der Leistungsstarken als auch
der Leistungsschwachen, gleich bedeutsam.
Entgegen den Vorschlägen von SPD, Linken und Grü-
nen greifen wir nicht zu Vorschlägen aus der alten politi-
schen Mottenkiste und rufen nach der Einheitsschule,
sondern wir bekennen uns klar zu einer zielorientierten
Weiterentwicklung des differenzierten Bildungssystems.
So wollen wir das differenzierte Schulsystem weiter ver-
bessern und individuelle Förderung ausbauen.
Damit werden wir die Talente jedes jungen Menschen
noch besser erkennen, um ihm eine gute Ausgangsposi-
tion für einen erfolgreichen Start in das private und be-
rufliche Leben zu ermöglichen.
Dass dieser Weg richtig ist, zeigen nicht zuletzt auch
die Ergebnisse des Bildungsvergleichs der deutschen
Länder vom Sommer 2010. Während die ersten vier
Plätze unionsregierte Länder belegen, bilden das dunkel-
rote Berlin und das rot-grün regierte Bremen die
Schlusslichter. Dieses Ergebnis, meine Damen und Her-
ren von der Opposition, sollte Ihnen daher zuallererst zu
denken geben. Entwickeln Sie erst einmal mit Ihren Kol-
legen in den Ländern tragfähige und chancenreiche Kon-
zepte.
Sorgen Sie endlich dafür, dass es den Kindern dort bes-
ser geht, wo Sie heute Verantwortung tragen. Das ist
mehr als überfällig.
Herzlichen Dank.
Ernst Dieter Rossmann hat jetzt das Wort für die
SPD-Fraktion.
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Er hat es absolut nicht getan, sondern Kollege Schulz
at rückgefragt, ob bei den guten Fortschritten, die uns
escheinigt werden, wir nicht gemeinsam sensibel auf
ie noch vorhandenen Bedarfe schauen sollten, was uns
urch die PISA-Studie nahegelegt wird.
Ich definiere diese Bedarfe noch einmal: Zum Ersten
ibt es für Kinder aus sozial schwierigeren Verhältnissen
ach wie vor eine soziale Diskriminierung durch einen
rschwerten Zugang in Bildungslaufbahnen. Das darf
ns nicht ruhen lassen, und das wird Sie genauso wenig
hen lassen. Zum Zweiten haben wir ein Problem in
ezug auf eingewanderte oder zugewanderte Kinder und
ugendliche, bei denen wir Fortschritte erzielt haben,
ber noch nicht so stark wie erwünscht und durchaus
och differenziert nach Herkunftsgruppen. Zum Dritten
aben wir, wie es mancher gesagt hat, ein Jungen-Mäd-
hen-Problem in Bezug auf spezielle Lesekompetenz
nd Zugänglichkeit, was für uns eine pädagogische He-
usforderung sein muss. Wenn man das benennen kann,
ann sollten wir daran auch gemeinsam arbeiten.
Ich will das aufgreifen, was Kollege Rachel für die
undesregierung an Alternativen vorgetragen hat; ich
nd das übrigens sehr mager. Vielleicht ist es an uns, die
cht Punkte, die 2001 von der Kultusministerkonferenz
it Unterstützung der Bundesregierung erarbeitet wor-
en sind, auf vier Punkte zu komprimieren.
Ich fange bei der Sprache an. In Klammern sei gesagt:
ehn Jahre sind eine Bildungsbiografie. Die jetzt getes-
ten 15-Jährigen waren damals 5 Jahre alt. Insoweit ist
as eine Dekade, die genau den PISA-Zeitraum umfasst.
ir wissen noch nicht, wie die später gestarteten früh-
indlichen Fördermaßnahmen greifen. Wir haben die
offnung, dass sie zu Verbesserungen führen. – Die Stu-
ie zeigt auf, dass es besondere Schwierigkeiten in der
ontinuierlichen Sprachförderung gibt.
anderen Ländern wird kontinuierliche Sprachförde-
ng auch noch in der Sekundarstufe I betrieben, und das
chbezogen. Das ist etwas, Herr Rachel, liebe Kultus-
8886 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Dr. Ernst Dieter Rossmann
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ministerkonferenz, was wir gemeinsam verstärken soll-
ten.
Es geht nicht um ein Sprachförderanfangsprogramm,
sondern um eine kontinuierliche Sprachförderung. Das
ist ein Analysepunkt und damit ein Handlungspunkt.
Der zweite Punkt. Es ist schon angesprochen worden,
dass es in anderen Ländern differenziertere Schulteams
gibt – das ist nicht aus der Mottenkiste; das ist PISA-Er-
kenntnis –, in denen Psychologen, Schulsozialarbeiter,
Lehrer und andere Engagierte arbeiten. Das wird jetzt in
die Debatte gebracht, auch als Möglichkeit, Schulsozial-
arbeit aufzubauen. Das wird auch in allen Ländern ver-
sucht; aber die sind bei 10 bis 15 Prozent. Da ist die
Frage, ob man einen großen Aufbruch erreicht, weil
nicht nur das Angebot, sondern auch die Vermittlung des
Angebots wichtig ist. Schulsozialarbeit ist also der
zweite Punkt, der in ein Vier-Punkte-PISA-Folgepro-
gramm gehört.
Der dritte Punkt ist die Ganztagsschule. Es geht nicht
an, Herr Rachel, dass wir uns zusammen darüber freuen,
dass wir beim Thema Ganztagsschule zu guten Einsich-
ten gefunden haben – es gibt wissenschaftliche Untersu-
chungen, die zeigen, wie wichtig eine gute Ganztags-
schule für alle in der Schule ist –, daraus aber keine
Handlungen folgen lassen. Es ist doch förmlich die Auf-
forderung aus den wissenschaftlichen Untersuchungen,
aus dem Konsens, zu einem guten gemeinsamen Ganz-
tagsschulprogramm zu kommen.
Als Viertes bleibt die offene Stelle aus den acht Punk-
ten der Kultusministerkonferenz von 2001, nämlich die
gute Lehrerausbildung. Bei der guten Lehrerausbildung
geht es um die Primärausbildung, aber auch um die Wei-
terbildung. Wieso haben wir länderübergreifende Quali-
tätsstandards, aber keine länderübergreifende Lehrerwei-
terbildung? Sie würde viel helfen, auch in Bezug auf die
Mobilität und die praktische Standardisierung.
So könnten wir auch in einem anderen Bereich noch
etwas tun. Die PISA-Studien haben uns im internationa-
len Vergleich gezeigt, dass bei uns interkulturelle Kom-
petenz an Schulen und Bildungseinrichtungen noch nicht
hinreichend ausgereift ist. Da ist es natürlich bitter, dass
etwas, auf das wir viel Hoffnung gesetzt haben, nämlich
das Anerkennungsgesetz, um die Lehrerin aus Kasach-
stan oder den Lehrer aus der Türkei oder den Erzieher
aus Jordanien in unserem Bildungssystem fruchtbrin-
gend einsetzen zu können, nicht zustande kommt.
Der vierte Punkt müsste also sein, diesen Aspekt der
interkulturellen Kompetenz aufzunehmen und gemein-
sam zu versuchen, das mithilfe eines vom Bund gestütz-
ten Programms schnell in die Schulen hineinzubringen.
Wir möchten von der Sozialdemokratie aus für eine
solche komprimierte Vier-Punkte-Lösung werben. Eine
Schlussbeobachtung dazu. Kollege Rachel, Sie haben
die Bildungsrepublik so herausgestellt. Fällt uns da ei-
gentlich noch etwas auf? Im letzten Jahr und vor zwei
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Michael Kretschmer hat jetzt das Wort für die CDU/
SU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Leider
t auch diese Debatte wieder ein Beleg dafür, dass es in
er Politik keinen Bereich gibt, der so mit Ideologie auf-
eladen ist wie die Bildung.
as ist deswegen besonders schade, Herr Kollege
ossmann, weil wir am heutigen Tag mit Blick auf diese
tudie sagen können: Wir sind erfolgreich. – Wenn es et-
as gibt, das in der Pädagogik wichtig ist, dann ist es
unächst einmal, Erfolge anzuerkennen.
an sollte nicht mit den alten Kamellen kommen und
ieder die alten Forderungen zum gegliederten Schul-
ystem aufstellen, sondern zur Kenntnis nehmen, dass
änder, Schüler, Lehrer und Eltern gemeinsam etwas er-
icht haben. Darauf können wir stolz sein, meine Da-
en und Herren.
)
Beitrag passt nicht zu der Debatte! – Swen
Schulz [Spandau] [SPD]: Wer hat dir das denn
aufgeschrieben? Hast du nicht zugehört?)
Es ist heute schon angesprochen worden: Zentrale
Verbesserungen gibt es bei den Migranten und auch bei
den Kindern, die zu Hause nicht mit ihren Eltern deutsch
sprechen können; aber diese Kinder bleiben immer noch
deutlich zurück. Jedes Mal, wenn ich nach Dresden oder
nach Hause, nach Görlitz, fahre, dann fahre ich entweder
durch Kreuzberg oder durch Neukölln. Ich denke dann
immer: Was hat diese linke Multikultipolitik für einen
Schaden in diesem Land angerichtet? Welche Lebens-
chancen junger Leute hat sie zerstört?
Es war die Regierung von Angela Merkel, die mit einem
Integrationsgipfel begonnen hat, das Thema Integration
ernst zu nehmen, und mit diesem Multikulti Schluss ge-
macht hat.
Sie hat gesagt: Natürlich muss man in diesem Land
deutsch sprechen, die deutsche Sprache beherrschen,
wenn man bei der Bildung erfolgreich sein will. Auch
das kann man an der PISA-Studie ablesen.
Eines kristallisiert sich ganz deutlich heraus: Die
PISA-Ergebnisse sind die Folgen einer verfehlten Ge-
sellschaftspolitik; es sind die Fehler von linker Politik
und Folgen eines linken Zeitgeists.
In den Ländern im Westen, in denen die Union lange re-
giert hat und diese Fehler nicht möglich gewesen sind,
sind die PISA-Ergebnisse um Vieles besser, auch bei den
Kindern mit Migrationshintergrund.
Das Schlimme ist doch: Die neuen Bundesländer sind
vor 20 Jahren auf dem gleichen Niveau gestartet; und
heute liegen die Ergebnisse von Sachsen und Branden-
burg gewaltig auseinander, um ein ganzes Jahr. Sachsen
hatte nach der Wiedervereinigung Baden-Württemberg
und Brandenburg Nordrhein-Westfalen als Partner. Das
sind konkrete Ergebnisse, die man zur Kenntnis nehmen
muss.
Schlimm ist auch, dass der zentrale Rat von Bildungs-
forschern heute nicht lautet: „Macht das so, oder macht
das so!“, sondern: Bitte macht Politik für einen Schul-
frieden.
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ls ich das zum ersten Mal gehört habe, habe ich mich
efragt: Was ist denn los in diesen Ländern? Was sind
enn das für Zustände?
enn man sich das anschaut, stellt man fest: Sobald
ot-Grün in Regierungsverantwortung kommt, wird in
er Bildung erst einmal alles umgestellt, alles neu ge-
acht – koste es, was es wolle. Ergebnisse werden igno-
ert.
as sehen wir gerade wieder in Nordrhein-Westfalen.
ir waren auf einem guten Weg. Jetzt wird alles umge-
tellt.
Das Schlimmste, was man im Bildungsbereich, in
em es um Vertrauen und Kontinuität geht, tun kann, ist,
ndauernd etwas anderes zu machen. Deswegen ist die
ussage: „Macht doch bitte einen Schulfrieden!“ schon
ezeichnend. Die Strukturen sind nicht das Entschei-
ende, sondern es geht um Leistungsorientierung, da-
m, dass die Lehrer arbeiten können, dass man Eltern,
ehrer und Schüler in Ruhe lässt und die Politik nicht
ndauernd reinredet.
achsen-Anhalt hat unter dieser Politik am meisten gelit-
n, weil dort am meisten rumgerührt worden ist. Seit-
em es Kontinuität gibt, geht es aufwärts.
as ist ein wunderbarer Beleg für diese These.
Wir haben in den vergangenen Jahren unter Angela
erkel – jetzt machen wir es zusammen mit der FDP –
inen deutlichen Schwerpunkt auf Bildung gelegt. Wir
aben die Länder auf diesem Weg mitgenommen.
as muss man zur Kenntnis nehmen.
Ich finde in diesem Zusammenhang die Aussage des
ochgeschätzten Bildungssenators Zöllner interessant,
uf den Sie mehr hören sollten,
8888 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 80. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010
Michael Kretschmer
(C)
(B)
und zwar sollten Sie auch auf das hören, was Ihnen nicht
gefällt. Man muss auf alles hören und alles zur Kenntnis
nehmen und darf nicht immer nur selektiv wahrnehmen.
Er hat heute nicht gefordert, das Kooperationsverbot
aufzuheben, sondern er hat dezidiert gesagt: Auch in
diesem System ist es möglich, zu kooperieren. – Wir tun
das. Wir tun dies jedes Jahr mit mehreren Milliarden
Euro, die der Bund den Ländern zur Verfügung stellt.
Diesen Weg wollen wir weitergehen, gern gemeinsam
– dazu sind Sie eingeladen –, aber nach Möglichkeit
ideologiefrei.
Um an diesem Punkt anzukommen, haben Sie aber noch
ein ganzes Stück Weg zurückzulegen.
Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Die nächste Sitzung berufe ich auf morgen, Donners-
tag, den 16. Dezember 2010, 9 Uhr, ein.
Genießen Sie den restlichen Abend und die gewonne-
nen Einsichten.
Die Sitzung ist geschlossen.