Gesamtes Protokol
Einen schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kol-legen! Die Sitzung ist eröffnet.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:Befragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettssitzung mitgeteilt: Abschluss und Anschluss –Bildungsketten bis zum Ausbildungsabschluss.Das Wort für die einleitende fünfminütige Berichter-stattung hat die Bundesministerin für Bildung und For-schung Frau Dr. Annette Schavan.Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-dung und Forschung:Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnenund Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Kabinetthat sich heute mit den Schritten der Umsetzung einesSonderprogramms beschäftigt, das einem bildungspoliti-schen Schwerpunkt der Bundesregierung dient, nämlichJugendliche, die in der Gefahr sind, keinen Schulab-schluss zu machen, besser zu fördern und zu begleiten.Damit wollen wir, wie wir es uns zwischen Bund undudnsSPSFMcseddzg7feetäuashRedetLändern vorgenommen haben, Sorge dafür tragen, dassjeder Jugendliche einen Schulabschluss macht.Das Programm basiert auf gemeinsamer Arbeit, aufeinem Konzept, das von Bund und Ländern verabschie-det worden ist. Bereits beim Dresdner Bildungsgipfelgab es den Auftrag, ein solches Konzept zu erarbeiten.Dem Konzept liegt die Analyse zugrunde, dass die größ-ten Probleme im Bildungssystem in den Übergängen ste-cken, in diesem Fall in dem Übergang von der Schule indie Ausbildung. Deshalb auch der Begriff „Abschlussund Anschluss“: Es geht darum, Sorge dafür zu tragen,dass Jugendliche, die sich mit dem Schulabschlussschwertun, die für eine Ausbildung keine ausreichendenLeistungen nachweisen können, nicht einfachSchule geschickt werden; darüber ist in diesHause mehrfach diskutiert worden. Diese Jubekommen künftig eine individuelle Unterstüt
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dungsministerium als auch andere beteiligte Ministerienwie das Familienministerium werden sich auf dieserGrundlage an die Arbeit machen, die bestehenden Maß-nahmen zu analysieren, um darauf basierend das Über-gangssystem in der nächsten Zeit deutlich wirksamer zugestalten, im Sinne der Jugendlichen und im Sinne einerfrüher beginnenden Ausbildung. Das ist besonders be-deutsam, weil wir aufgrund der demografischen Ent-wicklung in den nächsten Jahren dafür Sorge tragenmüssen, dass jeder Jugendliche für eine Ausbildung zurVerfügung steht.Letzter Satz: Diese Maßnahme wird uns helfen, demZiel, die Zahl der Jugendlichen ohne Abschluss deutlichzu senken, bis es am Ende keinen Jugendlichen mehrohne Abschluss gibt, und für jeden Jugendlichen dieMöglichkeit zu schaffen, in Ausbildung zu kommen,Rechnung zu tragen.Vielen Dank.
Herzlichen Dank, Frau Ministerin. – Die erste Frage
stellt der Kollege Rupprecht.
Frau Ministerin, wir finden den Ansatz hervorragend,
weil wir der festen Überzeugung sind, dass das Über-
gangssystem verbessert werden muss. Diesen Ansatz
systematisch und flächendeckend zu gestalten, ist der
richtige Weg. Hierzu gibt es einzelne Initiativen vor Ort.
Manche Länder werden aktiv, manchmal sind es auch
kleinere Regionen. Meine Frage ist: Wie wollen Sie die
Subsidiarität gewährleisten? Wie wollen Sie die regiona-
len Initiativen ergänzen und in das Gesamtkonzept inte-
grieren?
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
dung und Forschung:
Die Verzahnung wird auf unterschiedliche Weise ge-
schehen. Der erste wichtige Schritt war, das Konzept ge-
meinsam mit den einzelnen Ländern zu erarbeiten. Zwei-
tens ist bei der Auswahl der Schulen, die in das Programm
aufgenommen werden, darauf zu achten, dass dort, wo
bereits gut funktionierende Maßnahmen existieren, keine
weiteren eingeführt werden, um Doppelmaßnahmen zu
vermeiden. Vielmehr soll man sich auf die Schulen kon-
zentrieren, die bislang an keinem vergleichbaren Pro-
gramm teilnehmen. Drittens bleibt es nicht bei der ange-
kündigten Maßnahme. Sie ist prototypisch für die neue
Art, wie wir mit dem Übergangssystem umgehen wollen,
mit dem Ziel, dass an anderer Stelle auch andere Maßnah-
men gebündelt werden. Das soll gemeinsam mit den Län-
dern, gemeinsam mit den Kammern entstehen, sodass ein
konsistentes und über die 16 Länder hinweg vergleichba-
res System der Förderung zustande kommt.
Die nächste Frage stellt der Kollege Brase.
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Programm, sondern vor allen Dingen auf Angebote, dieim Kontext der Weiterqualifizierung und der überbe-trieblichen Werkstätten eine Rolle spielen. Ich bin davonüberzeugt, dass wir auch da in den nächsten Jahren deut-liche Fortschritte erzielen können. Auch diese Gruppebedarf nicht nur dringend der Qualifizierung, sondern esmuss auch dafür gesorgt werden, dass sie dem Arbeits-markt zur Verfügung steht.
Die Kollegin Alpers ist die nächste Fragestellerin.
Frau Ministerin, ich möchte daran gleich anschließen.
Wir haben nicht nur die 1,5 Millionen jungen Menschen
ohne Berufsabschluss aus dem letzten Jahr und aus 2008,
sondern inzwischen schon mehr. Laut einer dpa-Presse-
mitteilung von gestern wird davon ausgegangen, dass in
den nächsten 15 Jahren mindestens 1,3 Millionen junge
Menschen zwischen 20 und 30 Jahren keinen Ausbil-
dungsplatz haben werden. Mit Ihrem Programm wollen
Sie zwar früher ansetzen. Aber wenn davon ausgegangen
wird, dass die Zahl von 1,3 Millionen Jugendlichen nicht
unterschritten wird, frage ich mich: Welche Maßnahmen
wollen Sie ergreifen, um Bildung wirklich von sozialer
Herkunft zu entkoppeln? Wie wollen Sie gewährleisten,
dass all diejenigen, die sich schon jetzt im Übergangssys-
tem befinden, sehr schnell in Ausbildung kommen? Bei
Hauptschülern dauert das normalerweise mindestens
zwei Jahre; jeder vierte Hauptschüler hat nach vier Jahren
immer noch keinen Ausbildungsplatz. Wie wollen Sie
perspektivisch all diese jungen Menschen eingliedern?
Ihr Programm ist vielleicht ein kleiner Anfang. Ich denke
aber nicht, dass es ausreicht, um das Problem grundsätz-
lich in den Griff zu bekommen.
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
dung und Forschung:
Das Programm, das ich Ihnen vorgestellt habe, kon-
zentriert sich in der Tat auf eine Gruppe von Schülern,
bei denen sich in den vergangenen Jahren gezeigt hat,
dass sie am meisten gefährdet sind, ohne Schulabschluss
zu bleiben. Vor einigen Jahren waren dies noch um die
80 000 Schüler pro Jahr. Die Zahl derer, die keinen
Schulabschluss machen, ist gesunken. Sie liegt jetzt
– wenn ich das letzte Jahr zur Grundlage nehme – bei
ungefähr 60 000. Auf diese Gruppe bezogen ist dieses
Programm angelegt.
Die Fragen, die Sie aufwerfen, beziehen sich auf den
Ausbildungspakt. In der letzten Legislaturperiode wurde
bereits eine Reihe von Maßnahmen begonnen. Ein Bei-
spiel ist die Einstiegsqualifikation. Sie bietet denen, die
noch Schwächen haben, die Möglichkeit, nicht sofort in
eine Ausbildung im Sinne eines klassischen Ausbil-
dungsvertrages einzusteigen, sondern zunächst eine Ver-
einbarung über eine Einstiegsqualifikation abzuschlie-
ßen, mit der besondere Förderung und Entwicklung
verbunden sind, um auf dieser Grundlage in Ausbildung
zu kommen.
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kennen und von denen die Experten sagen, dass sie unsviel Aufschluss über das geben, was möglich ist. Ichglaube, dass diese Verzahnung von unterschiedlichenElementen und diese starke personale Komponente einehohe Wirksamkeit ermöglichen. So war es jedenfalls beiden Modellversuchen, in denen die Erfolgsquoten deut-lich höher lagen als in den – so haben wir es bislang hinund wieder bezeichnet – Warteschleifen.
Frau Hinz, bitte.
Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Frau Ministerin, wenn ich Sie recht verstanden habe,
dann legen Sie kein neues Programm auf, sondern wei-
ten das alte Programm „Berufseinstiegsbegleitung“ aus.
Jetzt sprechen Sie allerdings von Bildungsketten. Um
Bildungsketten tatsächlich sicherzustellen, braucht man
einen Anschluss. Meine Frage ist, ob Sie auch mit den
Kammern Kooperationsvereinbarungen geschlossen ha-
ben. Sie hatten im Frühjahr angekündigt, dass Sie mit
den Unternehmen und den Kammern reden und Koope-
rationsvereinbarungen schließen, weil es notwendig ist,
dass die jungen Menschen, die eine Berufsorientierung
bekommen haben, hinterher auch eine Ausbildungsstelle
finden. Sonst landen wir wieder bei 1,9 Millionen jun-
gen Menschen, die ohne Ausbildung irgendwo in Jobs
sind und oft keine Möglichkeit haben, jemals eine Be-
rufsausbildung nachzuholen.
Ganz konkret: Sehen solche Kooperationsvereinba-
rungen vor, dass auch ein Übergang in die Ausbildung
stattfindet, und wollen Sie, ähnlich wie beim Hamburger
Modell, die Kooperationsvereinbarungen mit der Wirt-
schaft so absichern, dass ein Qualifizierungsjahr nach
der Schule dazu führt, dass das erste Jahr nach dem Cur-
riculum des Berufsbildungsgesetzes stattfindet und auch
auf die Ausbildung anrechenbar ist?
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
dung und Forschung:
Die Frage ist: Was ist jetzt neu? Neu ist: Erstens. Wir
gehen vom Modell in die Fläche.
Zweitens. Wir haben ausgewertet, welche Erfahrun-
gen im Modell gesammelt wurden, und daraufhin das
endgültige Konzept erarbeitet.
Drittens. Kooperationsvereinbarungen mit den Kam-
mern, mit der Wirtschaft sind Teil der Verhandlungen im
Ausbildungspakt und, so wie angekündigt, geplant. Die
Kammern werden sich voraussichtlich an genau diesem
Programm stark beteiligen. Das ist vergleichbar mit
dem, was wir bei den Einstiegsqualifikationen schon
praktiziert haben.
Ich bin auch deshalb zuversichtlich – Sie haben auf
das Beispiel Hamburg hingewiesen –, weil die Unter-
nehmen bei diesem Thema die gleiche Perspektive ha-
ben wie der schulische Bereich. Sie stellen fest: Jetzt ist
für uns in allen Regionen in Deutschland zentral und be-
deutsam, dass wir Qualifizierungsmaßnahmen mit dem
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das Bundesarbeitsministerium und die BA zugegangensind. Insoweit ist das Programm die Verlängerung des-sen, was die zuständigen Minister in der Großen Koali-tion mit vorbereitet haben. Damit können SPD undCDU/CSU jetzt entlang der gleichen Linie weiterarbei-ten – auch über Sie.Meine zwei Fragen: Erstens. Ist beabsichtigt, die Be-rufseinstiegsbegleiter entsprechend einer Quotierung aufdie Bundesländer zu verteilen, oder soll das unabhängigvon einer Zuteilung auf die jeweiligen Bundesländer er-folgen?Zweitens. Wir verstehen es so, dass es eine Profilana-lyse geben soll. Ist vorgesehen, dass diese Profilanalysebei allen Schülern der jeweiligen ins Auge gefasstensiebten Klassen vorgenommen werden soll, oder ge-schieht das individuell?Ich stelle diese Fragen, damit wir dieses Programmauch in der Fläche gut erklären können.Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-dung und Forschung:Zu Ihrer ersten Frage. Es gibt keine Länderquote, son-dern die Verteilung ergibt sich letztlich aus dem Anteiljunger Leute ohne Hauptschulabschluss in einem Bun-desland. Eine entsprechende Liste und die Prozentzahlenliegen vor. Der Anteil der Hauptschüler ohne Abschlussliegt in den 16 Bundesländern zwischen 0,8 Prozent undum die 22 Prozent. Aufgrund der Logik, die ich eben be-schrieben habe, ist klar: Das muss der Schlüssel sein.Zur zweiten Frage. Hinsichtlich der Potenzialanalysebeziehen wir uns in diesem Programm natürlich auf dieSchüler, die in diesem Kontext seitens der Schule alsdiejenigen ausgewählt werden, von denen man sagt: Daist es besonders wichtig. – Die Potenzialanalyse spielt inden Plänen der Länder aber generell eine sehr viel grö-ßere Rolle. Wenn ich es richtig sehe, dann gehört zueiner anderen Vereinbarung auf dem Dresdener Gipfel– und zwar in dem Kontext der Verringerung der Schul-abbrecherquote – genau dieses Instrument als ein gene-relles Instrument in Klasse 7.
Herr Schummer.
Frau Ministerin, Sie haben noch einmal ein gemeinsa-
mes Ziel von Bund und Ländern benannt, nämlich die
Halbierung der Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss.
Ist erkennbar, dass durch die frühzeitige Berufsorientie-
rung, die von der Bundesregierung jetzt seit einigen Jah-
ren vollzogen wird, diese Abbrecherquote der Schüler
zurückgegangen ist?
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
dung und Forschung:
Die Zahl der Schüler und Schülerinnen ohne Schulab-
schluss ist zurückgegangen. Die Zahl, die mir noch vor
einigen Jahren vorlag und über die wir auch in diesem
Hause gesprochen haben, lag bei 80 000. Sie war schon
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4894 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010
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Altersgruppe bei 19 Prozent. In Deutschland gab es indem genannten Zeitraum einen Rückgang, und die Ju-gendarbeitslosigkeit liegt bei 10 Prozent.Das zeigt, dass unser Zusammenspiel von allgemeinerund beruflicher Bildung eine sehr starke Vorbeugung ge-gen Jugendarbeitslosigkeit darstellt, und zwar auch inwirtschaftlich schwierigen Zeiten. In Deutschlandkommt wie in manch anderem europäischen Land einedemografische Entwicklung hinzu, die das Interesse derUnternehmen steigen lässt, ihre Ausbildungsplätze zubesetzen.Es ist richtig, dass die Zahl der Ausbildungsverträgezurückgegangen ist, und zwar der letzten Statistik imBerufsbildungsbericht zufolge um 8,2 Prozent. Die Zahlder ausbildungsinteressierten Jugendlichen ist noch stär-ker zurückgegangen. Insofern hat sich die Situation, zu-mindest was die Chancen der Jugendlichen angeht, ver-bessert, und das wird sich in den nächsten Jahren massivfortsetzen.Welche Elemente sind zusammengeführt worden?Zusammengeführt wurden, wie gesagt, die Potenzialana-lyse, also die Analyse von Stärken, und das darauffol-gende Erstellen eines individuellen Förderplans für dieletzten Schuljahre, verbunden mit einer Berufsorientie-rung. Die Berufsorientierung wird zu unterschiedlichenZeiten angeboten. Berufsorientierung klingt lapidar, aberdie Erfahrung hat gezeigt, dass genau dadurch die Ju-gendlichen neu motiviert wurden, zu klären, welcheRichtung sie einschlagen wollen und welche Kompeten-zen, bis hin zu zusätzlichen Qualifizierungsmaßnahmen,dafür notwendig sind. Bei Qualifizierungsmaßnahmen inder Ausbildung denke ich etwa an die sozialpädagogi-schen Ausbildungshilfen, die gerade in schwierigen Fäl-len in der ersten Ausbildungsphase eine wichtige Rollespielen und die Arbeit der Ausbilder unterstützen.
Herr Kamp, bitte.
Sehr geehrte Frau Ministerin, ich hätte gerne gewusst,
ob die Potenzialanalyse bundesweit und zeitlich einheit-
lich verläuft, und wenn nicht, wer die Kriterien festlegt.
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
dung und Forschung:
Seitens des Bundes sind von einer Expertengruppe
Mindeststandards für diese Potenzialanalysen erarbeitet
worden, die jetzt allen 16 Ländern zur Verfügung stehen.
Auf dieser Grundlage werden die Analysen erstellt wer-
den.
Frau Deligöz.
Frau Ministerin, man kann heute der Zeitung entneh-
men, dass der Anteil der Migranten, die die Schule ohne
Abschluss verlassen, von Tag zu Tag zunimmt und in-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4895
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Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-dung und Forschung:Neben den hauptamtlichen Begleitern wird es ehren-amtliche Begleiter geben, nicht so sehr für die Phase derSchulzeit, sondern für die Begleitung insbesondere nachdem ersten Ausbildungsjahr, also gleichsam eine Beglei-tung mit Blick auf die Kontinuität des Ausbildungsver-hältnisses. Diese ehrenamtlichen Begleiter können sichbeim Senior-Experten-Service bewerben, der ja bereitsexistiert. Das Arbeitsministerium ist mit einbezogen. Esist in der Tat interessant, dass sich schon am Tag derPressekonferenz eine Menge älterer Menschen oder Se-nioren gemeldet haben, die zum Teil eine pädagogischeQualifikation besitzen oder auf eine pädagogische Lauf-bahn oder eine Ausbilderlaufbahn zurückblicken undnun sagen: Hier würde ich mich gerne engagieren. – Ichfinde, das ist eine gute Ergänzung und ermöglicht uns,nicht am Tag des Beginns der Ausbildung aufzuhören,sondern sehr individuell etwas für die Kontinuität derAusbildung zu tun, weil sich ein Begleiter um einen Ju-gendlichen kümmert.
Die letzte Frage kommt von Frau Sager.
Frau Ministerin, die Risikogruppe, über die wir spre-
chen, wird zum Teil mit Mitteln der Bundesagentur für
Arbeit – ich nenne als Stichworte das Nachholen eines
Hauptschulabschlusses oder die Berufsausbildungsbei-
hilfe – gefördert. Nun haben wir aber erfahren, dass es
im Rahmen des Sparpakets der Bundesregierung erhebli-
che Einsparungen im Bereich der aktiven Arbeitsmarkt-
politik geben soll. Die Rede ist von 16 Milliarden Euro
bis 2014. Jetzt stellt sich die Frage: Werden die Maßnah-
men für die Risikogruppe, über die wir reden, von diesen
Einsparungen betroffen sein? Kann das Bundesbildungs-
ministerium etwas dafür tun, dass sich die Chancen die-
ser Risikogruppe, einen Hauptschulabschluss nachzuho-
len, nicht verschlechtern?
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
dung und Forschung:
Ja, das kann es. Das Programm sieht vor, dass der
Wechsel vom Modell in die Fläche ergänzend aus dem
Bildungshaushalt bezahlt wird und dass die Bundesagen-
tur für Arbeit in diesem Kontext die Rolle des Projektträ-
gers wahrnimmt, und zwar mit Investitionsmöglichkei-
ten im Rahmen des Bildungsetats. Das ist die Chance,
damit in die Fläche zu gehen. Die gemeinsame Finanzie-
rung aus BA-Mitteln wie bisher und den Mitteln des
BMBF ist gesichert und wird nicht von den Sparmaß-
nahmen betroffen sein.
Damit beende ich die Befragung der Bundesregie-
rung.
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krankenkassen durch die Haftung für die Insolvenz nicht
selbst in Bedrängnis zu bringen und einen Dominoeffekt in-
nerhalb der gesetzlichen Krankenkassen zu verhindern?
Es geht um den Geschäftsbereich des Bundesministe-
ums für Gesundheit. Der Parlamentarische Staatssekre-
r Daniel Bahr steht zur Beantwortung bereit.
Bitte, Herr Staatssekretär.
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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin
lein-Schmeink, die Bundesregierung sieht derzeit kei-
en gesetzlichen Handlungsbedarf. Akut von einer
chließung bedroht ist nach unseren Erkenntnissen nur
ie City BKK, da Bemühungen, eine Vereinigung dieser
rankenkasse mit anderen Krankenkassen herbeizufüh-
n, keinen Erfolg gehabt haben. Bei anderen Betriebs-
rankenkassen ist die Finanzlage als nicht so vergleich-
ar kritisch anzusehen wie bei der City BKK. Außerdem
t es nicht ausgeschlossen, dass bei diesen Krankenkas-
en eine Vereinigung mit einer anderen Betriebskranken-
asse zustande kommt. Das im Fall einer Schließung der
ity BKK von den übrigen Betriebskrankenkassen zu
agende Haftungsvolumen dürfte nicht zu einer Über-
rderung des Systems der Betriebskrankenkassen füh-
n. Der BKK-Bundesverband prüft derzeit zusammen
it den Landesverbänden der Betriebskrankenkassen
ine tragfähige Umsetzung.
Frau Klein-Schmeink, eine Nachfrage?
Ihrer Antwort entnehme ich, dass es aus Ihrer Sicht
einen ausdrücklichen Handlungsbedarf gibt. Können
ie für dieses Jahr ausschließen, dass eine größere Er-
atzkrankenkasse in Zahlungsschwierigkeiten gerät, und,
lls ja, welche Auswirkungen hätte dieser hypothetische
all für das System der Ersatzkrankenkassen?
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Die mir in der Frage unterstellte Äußerung, es gebeeinen Handlungsbedarf, weise ich zurück; das habe ichicht gesagt. Ich habe nur gesagt, dass es keinen gesetz-eberischen Handlungsbedarf gibt; denn es gibt klareegeln, die der letzte Bundestag in Gesetzesform gegos-
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4896 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010
Parl. Staatssekretär Daniel Bahr
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sen hat, die den Umgang mit der Zahlungsunfähigkeitvon Krankenkassen betreffen, wozu deren möglicheSchließung, aber auch andere Wege gehören. Insoferngibt es einen Rahmen für genau solche Fälle. Es bestehtHandlungsbedarf. Ich habe lediglich gesagt, dass es imFalle der City BKK keinen gesetzgeberischen Hand-lungsbedarf gibt.Zu Ihrer zweiten Frage: Das Bundesministerium fürGesundheit beschäftigt sich nicht mit hypothetischenFällen. Es gibt einen klaren gesetzlichen Rahmen. Wirsind in Gesprächen mit dem Bundesversicherungsamt,der Aufsicht für die bundesunmittelbaren Kassen, undauch mit den Landesaufsichten, die für die Krankenkas-sen zuständig sind, die ihnen unterstellt sind. Wir wissenum die finanzielle Lage einiger Krankenkassen, die alsschwierig bzw. ernst zu bezeichnen ist. Die Krankenkas-sen haben Möglichkeiten, im heutigen System mit demGesundheitsfonds und den Zusatzbeiträgen auf schwie-rige Finanzlagen zu reagieren. Es gibt auch Gespräche inden Verbänden der Kassenarten über die Lösung finan-ziell schwieriger Lagen in einzelnen Krankenkassen. Esgibt mehrere Möglichkeiten, diese Probleme zu lösen,unter anderem kann man über Fusionen Krankenkassenmit einer schwierigen Finanzlage helfen. Wir sehen imMoment neben der City BKK keinen zweiten Fall. Siehaben auf die Finanzlage einer großen Ersatzkranken-kasse angespielt. Deren Lage bessert sich durch dieMöglichkeiten, die der Gesundheitsfonds und Zusatzbei-träge schon heute bieten.
Eine weitere Nachfrage, bitte sehr.
Die Zusatzbeiträge haben zu der Schieflage der in der
Presse genannten Betriebskrankenkassen erheblich bei-
getragen, weil sie dazu geführt haben, dass es einen zu-
sätzlichen Mitgliederschwund gegeben hat. Jetzt wird in
der Diskussion auch erwogen, die Beschränkung der
Einkommensgrenze bei den Zusatzbeiträgen aufzuheben
oder auf 2 Prozent zu erhöhen. Wie schätzen Sie das ein?
Kann ein solches Instrument überhaupt dazu führen, den
Mitgliederschwund bei den kleineren Krankenkassen zu
stoppen?
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Dass es zu Mitgliederbewegungen zwischen gesetzli-
chen Krankenkassen kommt, ist ein Wunsch aller Frak-
tionen hier im Deutschen Bundestag in den vergangenen
Jahren gewesen, weil wir den Wettbewerb zwischen den
Krankenkassen wollten. Die Mehrheit des Deutschen
Bundestages in der letzten Legislaturperiode hat mit dem
Aufbau des Gesundheitsfonds und der Schaffung der
Möglichkeit, Zusatzbeiträge zu erheben, den Wettbe-
werb intensivieren wollen. Man wollte über die Zusatz-
beiträge einen zusätzlichen Wettbewerbsparameter set-
zen, damit für die Versicherten klarer wird, wie die
Leistungsfähigkeit einer Krankenkasse ist. Insofern ist
es nicht Ziel der aktuellen Bundesregierung, Maßnah-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4897
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Finanzsystem eine stärkere Regionalisierung erreichen.Die Beiträge an die regionalen Krankenkassen sollenalso weiterhin für die Versorgung in der Region zur Ver-fügung stehen. Die Koalition hat sich das Ziel einer Bei-tragsautonomie – die Krankenkassen sollen selbst überdie Höhe ihrer Beiträge entscheiden können – gesetzt;das können Sie dem Koalitionsvertrag entnehmen. Ihmfühlen sich alle drei die Koalition tragenden Parteienverpflichtet.
Herzlichen Dank. – Nach der dringlichen Frage auf
Drucksache 17/2111 kämen wir jetzt zur Frage 42 des
Kollegen Harald Weinberg auf, ebenfalls zum Ge-
schäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Diese Frage wird gemäß Nr. 10 Abs. 2 der Richtlinien
für die Fragestunde vorgezogen. Diese Frage wird je-
doch schriftlich beantwortet.
Wir kommen zu den übrigen Fragen auf Druck-
sache 17/2059 in der üblichen Reihenfolge.
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Arbeit und Soziales. Zur Beantwortung
steht der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim
Fuchtel bereit.
Zunächst kommen wir zur Frage 1 der Abgeordneten
Martina Bunge. Dabei geht es um die Ungleichbehand-
lung unverheirateter gegenüber verheirateten Paaren bei
der Arbeitslosigkeit eines Partners in Bezug auf Arbeits-
losengeld II und Krankenversicherung. Diese Frage wird
schriftlich beantwortet.
Bei den Fragen 2 bis 8 geht es um den missbräuchli-
chen Einsatz von Zeitarbeit.
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Matthias
Birkwald auf:
Bei wie viel Prozent der Verleihunternehmen nehmen die
Regionaldirektionen der Bundesagentur für Arbeit jährlich
örtliche Prüfungen vor, und was sind die häufigsten festge-
stellten Mängel?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bitte.
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Herr Kollege Birkwald, zunächst einmal möchte ich
darauf hinweisen, dass die Prüfung durch die Regionaldi-
rektionen der Bundesagentur für Arbeit durchgeführt
wird; das ist Ihnen bekannt. Sie haben im Jahr 2008 ins-
gesamt 1 440 und im Jahr 2009 1 429 örtliche Prüfungen
vorgenommen. Ins Verhältnis zur Anzahl der Erlaubnis-
inhaber gesetzt, sind dies im Jahr 2008 9,02 Prozent und
2009 8,58 Prozent. Bis zum 4. Juni dieses Jahres wurden
insgesamt 686 örtliche Prüfungen durchgeführt. Ich möchte
darauf hinweisen, dass neben den örtlichen Prüfungen
weitere Prüftätigkeiten durch die Agenturen erfolgen. Die
Regionaldirektionen prüfen darüber hinaus Geschäftsun-
terlagen sowie Arbeits- und Überlassungsverträge, die sie
sich vorlegen lassen, auf Verletzung arbeitsrechtlicher
und arbeitnehmerüberlassungsrechtlicher Regelungen.
Was sind nun die am häufigsten festgestellten Män-
gel? Ich nehme zum einen Bezug auf den Elften Bericht
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4898 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010
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sondern es wird auch gebissen. Es können Sanktionenvon bis zu 500 000 Euro verhängt werden.Ich darf noch ein paar Zahlen anfügen, damit man dieEntwicklung sieht. Wir hatten im Jahr 2005 514 Buß-geldverfahren und im Jahr 2008 – das ist die jüngsteZahl, die mir vorliegt – 2 139. Die gröbsten Verstöße lie-gen dann vor, wenn die Verleihung praktisch ohne gül-tige Erlaubnis stattfindet. Wie ich schon gesagt habe,sind in diesen Fällen Bußgelder bis zur Höhe von500 000 Euro möglich. Dieser Rahmen als solcher istaus unserer Sicht wirksam und ausreichend.Sie haben darauf hingewiesen, dass es Bemühungengibt, durch weitere gesetzliche Maßnahmen Löcher, diesich immer wieder auftun, künftig zu vermeiden bzw. zuschließen. Dem gelten unsere künftigen Bemühungen.Wir möchten erreichen, dass die Verleiharbeitsverhält-nisse sehr sauber und auch fair gehandhabt werden.
Sie haben noch eine zweite Nachfrage. Bitte sehr.
Ich möchte an das Stichwort „Bemühungen“ anknüp-
fen und Sie fragen, wie Sie denn sicherstellen, dass die
vor Ort bemängelten Probleme tatsächlich behoben wer-
den. Inwiefern erfolgen Nachkontrollen vor Ort, und
welche Ergebnisse gibt es?
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Das werden wir sehen, wenn die Ergebnisse vorlie-
gen. Zunächst einmal müssen wir die Vorbereitungen
treffen, um das entsprechend zu gestalten. Wir werden
uns darum bemühen, die Punkte besonders aufmerksam
zu verfolgen, die ich vorher genannt habe.
Sie dürfen nicht mehr fragen, weil Sie nur zwei Nach-
fragen stellen dürfen.
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Ich kann das gern noch vervollständigen. Natürlich
wird es verstärkt Nachkontrollen geben.
Frau Krellmann, bitte.
Sehr geehrter Herr Fuchtel, meine erste Frage lautet:
War die Strafe von 500 000 Euro, von der Sie gerade ge-
sprochen haben, das Ergebnis eines Verstoßes oder das
Ergebnis einer Summe von Verstößen? Wenn es ein ein-
zelner Verstoß war, würde mich interessieren, aus wel-
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der Krankenhäuser und Zeitungsverlage liegt, und auf welche
gesetzliche Regelung stützt sich die Bundesregierung bei ihrer
Definition?
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Zur Interpretation von „unsachgerechtem Einsatz“
on Leiharbeit darf ich Ihnen sagen: Die Entscheidung
arüber, wann der Einsatz von Zeitarbeit in einem Unter-
ehmen nicht mehr sachgerecht ist, hängt von sehr vie-
n Faktoren ab. Dabei spielt neben der Beachtung des
chtlichen Rahmens des Einsatzes insbesondere die un-
rnehmerische Entscheidung eine Rolle, mit welchem
ersonaleinsatz die unternehmerischen Ziele verfolgt
erden sollen. Sofern der Einsatz von Zeitarbeit aller-
ings dazu genutzt wird, um Stammbelegschaften syste-
atisch zu ersetzen – um damit ganz konkret auf Ihre
rage zu antworten –, entspricht das nicht den Intentio-
en des Gesetzgebers. Ein solcher Personaleinsatz kann
icht als sachgerecht angesehen werden.
Sie haben eine Nachfrage. Bitte sehr.
Vielen Dank zunächst für die Beantwortung derrage. – Meine Nachfrage lautet: Welche Handlungs-öglichkeiten bestehen unter den derzeitigen Bedingun-en für die Beschäftigten – das sind Leiharbeitskräftend Beschäftigte im Entleihbetrieb –, weiterhin für Be-iebsräte, Gewerkschaften oder auch für die Bundes-gentur für Arbeit, um gegen einen unsachgerechteninsatz von Leiharbeit, nämlich die systematische Erset-ung der Stammbelegschaft, vorzugehen? Erachtet dieundesregierung diese als ausreichend?
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4899
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Das ist ein ganzes Bündel von Einzelpunkten.
Erstens zu den Möglichkeiten des Arbeitnehmers: Er
kann sich an die Agentur wenden und auf entsprechende
Situationen hinweisen.
Zweitens. Was vonseiten der Agenturen getan werden
kann, habe ich vorhin schon aufgezeigt.
Das sind im Wesentlichen die Möglichkeiten, wie hier
agiert werden kann und auch in der Praxis agiert wird.
Sie haben eine zweite Nachfrage.
Welche konkreten gesetzgeberischen Änderungen plant
denn die Bundesregierung, um den unsachgemäßen Ein-
satz von Leiharbeit zu verhindern? Können Sie bitte dar-
stellen, wieso der Presse, zum Beispiel einem Artikel im
Tagesspiegel, bereits am 12. Juni zu entnehmen war,
dass es Diskussionsvorschläge zur Änderung des Arbeit-
nehmerüberlassungsgesetzes gibt, diese Information
aber nicht den Abgeordneten zur Verfügung gestellt
wurde.
H
In Ihrer Frage schwingt ein wenig ein Vorwurf mit;
diesen möchte ich als Erstes einmal ausräumen. Das
Ministerium sieht sich veranlasst, in Überlegungen ein-
zutreten, wie man auch im gesetzlichen Bereich weiter-
gehende Regelungen treffen könnte. Dazu besteht auch
aus anderen Gründen Anlass, weil eine europäische
Richtlinie kommen und dadurch im nächsten Jahr in Eu-
ropa noch mehr Freizügigkeit gelten wird.
Nun zum Ablauf: Dieser erste Diskussionsentwurf,
der zunächst einmal keinerlei weitergehende Verbind-
lichkeit besitzt, als dass entsprechende Überlegungen im
Ministerium angestellt wurden, soll nun in einem weite-
ren Bereich besprochen werden. In einer zweiten Phase
wird dies sicherlich in einen Referentenentwurf münden,
der dann, wie üblich, in das Gesetzgebungsverfahren
eingebracht wird. So weit sind wir allerdings im Augen-
blick noch nicht. Wir stehen ganz am Anfang der Über-
legungen. Diese Überlegungen haben zum Ziel, dort, wo
der Tarifvertrag notwendige Regelungen nicht enthält,
weitergehende rechtliche Regelungen zu treffen, die in
mehreren Bereichen angesiedelt sein werden. Damit tra-
gen wir der Bedeutung der Gesamtmaterie Rechnung. Es
geht dabei auch um den sogenannten Drehtüreffekt, den
wir im Fall von Schlecker kennengelernt haben. Dieser
Effekt muss unbedingt vermieden werden. Wir müssen
zum Beispiel Maßnahmen ergreifen, um die Verleihar-
beit auf eine noch sicherere Grundlage zu stellen und
entsprechend abzugrenzen.
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größten Wert darauf, dass der Diskussionsprozess mitdiesem Papier begonnen wird. Dass es einige Zeitbraucht, bis dieser Prozess in den parlamentarischenKreisen Einzug hält, habe ich vorhin erläutert. Denn be-vor eine Grundlage in Form eines Gesetzentwurfes odereines Referentenentwurfes geschaffen wird, muss es eineDiskussion geben, die in der Öffentlichkeit beginnt, dieaber aufgrund des üblichen Ablaufs den parlamentari-schen Bereich zunächst noch nicht umfasst.Ich möchte trotzdem auf die von Ihnen gestellteFrage, wie man einen solchen Drehtüreffekt vermeidenkönnte, noch etwas sagen. Es geht zunächst einmal umdie Frage, welche Konstruktion umfasst werden soll.Hier muss man abklären, ob auch die Auszubildendendavon erfasst werden sollen, weil es sonst in der PraxisHandhabungen dergestalt geben könnte, dass jemandausgebildet wird und es anschließend heißt: Du kannst indiesem Unternehmen nicht arbeiten; aber du kannst na-türlich in unserem Zeitarbeitsunternehmen zu anderenBedingungen arbeiten.Hier muss man einen Zeitfaktor einführen. Ein sol-cher Zeitfaktor müsste im Gesetzentwurf angesetzt wer-den. Es könnte ein halbes Jahr vergehen, bis jemand wie-der als Zeitarbeitnehmer beschäftigt werden kann, ohnedass er als vorherbeschäftigt gilt. Das wollte ich Ihnenganz konkret dazu sagen.
Jetzt kommt die Frage 4 der Abgeordneten
Zimmermann:
Welche Ergebnisse hat das Prüfverfahren des Bundes-
bezogen darauf, ob die Firma Schlecker im letzten Jahr durch
die Kooperation mit der Leiharbeitsfirma Meniar gegen die
bestehenden Vorschriften der Leiharbeit verstoßen hat und ob
die bereits bei Meniar beschäftigten Arbeitnehmer/-innen
weiter an Schlecker ausgeliehen werden?
H
Zur Frage 4 darf ich Ihnen wie folgt antworten: Die
vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch-
geführte Prüfung hat keinen belastbaren Hinweis erge-
ben, dass das Unternehmen Schlecker XL GmbH im
letzten Jahr durch die Kooperation mit dem Zeitarbeits-
unternehmen Meniar gegen Vorschriften des Arbeitneh-
merüberlassungsgesetzes verstoßen hat. Wie bereits in
der Antwort vom 20. Januar 2010 auf eine schriftliche
Frage von Ihnen dargestellt worden ist und zu lesen ist,
hat das Unternehmen Schlecker am 12. Januar 2010 mit-
geteilt, „das 2009 erprobte Personalmodell unter Inan-
spruchnahme von Personaldienstleistern … nicht mehr
weiter fortzusetzen“.
Darüber hinaus hat mir mein Haus mitgeteilt: Gegen
die Mitteilung von einzelnen auf ein bestimmtes Unter-
nehmen bezogenen Daten im Rahmen der öffentlichen
Fragestunde bestehen datenschutzrechtliche Bedenken.
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können oder dass sie ein halbes Jahr lang nicht beschäf-tigt sein dürfen, um dies zu tun? Was heißt das konkret?H
Sie müssen das so sehen: Wenn man solch eine Rege-
lung trifft, gibt es verschiedene Möglichkeiten.
Die eine Möglichkeit ist eine Regelung, bei der man
die Auszubildenden gar nicht mit einbezieht. Es gibt
durchaus Anhänger einer solchen Regelung, die die Auf-
fassung vertreten: Ausbildung ist die eine Sache; wir
sind froh, dass die Leute überhaupt eine Ausbildung ma-
chen können. Die Zeiten, als man um jeden Ausbil-
dungsplatz froh war und durchaus akzeptiert hätte, hier
in einer eigenen Kategorie zu denken – nach Abschluss
der Ausbildung beginnt ein völlig neues Spiel, egal wo
man angestellt wird –, sind noch nicht allzu lang her.
Das ist die eine Möglichkeit, an die man hier denken
könnte.
Die andere Möglichkeit ist eine Regelung im Inte-
resse der Auszubildenden, um zu vermeiden, dass sie
nach ihrer Ausbildung als Leiharbeiter, unter schlechte-
ren Bedingungen, in die Arbeitswelt geführt werden, mit
dem Hinweis: Hier bei uns kannst du auf gar keinen Fall
arbeiten; du kannst vielleicht für ein Leiharbeitsunter-
nehmen arbeiten. Wenn man hier zugunsten der Auszu-
bildenden verfahren möchte, kommt man zu der Überle-
gung, ob man sie in die gesamte Regelung einbezieht.
Ich betone nochmals: Hier geht es im Augenblick um
einen ersten Diskussionsstand; es wird jetzt unter Feder-
führung des BMAS darüber gesprochen. Ich kann noch
lange nicht sagen, wie sich die Diskussion im Weiteren
fortsetzen wird. Ich kann Ihnen nur sagen, was im Au-
genblick der Stand der Überlegungen in unseren Diskus-
sionen ist. Ich habe mir erlaubt, Sie darüber zu informie-
ren.
Nein, das dürfen Sie nicht. Jetzt ist nämlich die Kol-
legin Dittrich dran. Auch Herr Birkwald hat sich gemel-
det. – Bitte, Frau Dittrich.
Herr Fuchtel, Sie haben zugegeben, dass Sie eine Dis-
kussion zur Vorbereitung eines Gesetzentwurfs führen;
es handelt sich nicht nur einfach um eine Diskussion in
der Bundesregierung. Vielleicht trägt es zur Meinungs-
findung bei, wenn wir den Drehtüreffekt besprechen.
Um diesen Effekt zu verhindern, wollten Sie, gerade
auch für Auszubildende, einen Zeitfaktor in die entspre-
chende Regelung einfügen. Jetzt kommt meine Frage:
Kann die Bundesregierung sicherstellen, dass solch eine
Regelung nicht durch den Einsatz von Firmen, in denen
Beschäftigte eine Zeit lang geparkt oder unter Werksver-
tragsbedingungen eingesetzt werden, umgangen wird?
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Ich rufe die Frage 5 der Abgeordneten Sabineimmermann auf:Teilt die Bundesregierung die Stellungnahme der Bundes-agentur für Arbeit zum Fall der Firma Schlecker vom 11. Ja-nuar 2010, die lautete: „Schlecker hat offenbar Stammbeleg-schaft entlassen, um sie dann in einer eigens gegründetenZeitarbeitsfirma zu niedrigeren Löhnen wieder einzustellen“und weiter: „Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verbietetso etwas nicht. Hier sind politische Entscheidungen nötig“,und stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass dieBundesagentur für Arbeit zwar die gewerberechtliche Zuläs-sigkeit von Zeitarbeitsfirmen prüfen darf, aber gegen die vonder Bundesregierung gewählte Definition eines missbräuchli-
nehmerüberlassungsgesetz, AÜG, keine gesetzliche Defini-tion eines derart definierten missbräuchlichen Einsatzes vonZeitarbeit kennt und damit auch kein Verstoß gegen das AÜGfestgestellt werden kann?
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4902 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010
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Es geht nochmals um das Thema Schlecker, das sage
ich auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer auf der
Tribüne. – Ich beantworte die Frage wie folgt: Erstens.
Der Bundesregierung ist eine unmittelbare Beteiligung
der Unternehmen Schlecker e. K. oder Schlecker XL
GmbH an der Gründung des Zeitarbeitsunternehmens
Meniar nicht bekannt. Zweitens. Bekannt ist, dass perso-
nelle Verbindungen bestanden haben und dass eine Ge-
schäftsbeziehung zwischen Schlecker XL GmbH und
Meniar bestanden hat.
Sie fragen nach dem Prüfungsumfang der Bundes-
agentur für Arbeit hinsichtlich der Erlaubnis für die ge-
werbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG.
Ich kann Sie in zweierlei Hinsicht beruhigen. Erstens be-
zieht sich die Prüfung der gewerberechtlichen Zulässig-
keit unter anderem auch auf die ordnungsgemäße Abfüh-
rung von Steuern und Sozialabgaben sowie die
Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften durch den
Verleiher. Zweitens prüft die Bundesregierung zusätzlich
zu der von den Tarifvertragsparteien der Zeitarbeit ver-
einbarten Antimissbrauchsklausel Inhalte einer gesetzli-
chen Regelung. Ich habe das eben ausgeführt. Ich habe
wiederholt dargestellt, dass diese Prüfungen innerhalb
der Bundesregierung bislang noch nicht abgeschlossen
sind.
Sie haben eine Nachfrage? – Bitte schön.
Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Fuchtel, wir
beschäftigen uns schon seit November letzten Jahres mit
der Firma Schlecker, und ich möchte auch nicht nachlas-
sen. Ist der Firma Meniar die Genehmigung entzogen
worden? Es ist wichtig, zu wissen, dass es sittenwidrig
war, die Kolleginnen und Kollegen zu entlassen und
über die Leiharbeitsfirma wieder bei Schlecker einzu-
führen. Falls die Genehmigung nicht entzogen worden
ist, stellt sich die Frage, wie Sie die Wiederholung eines
solchen Vorgangs zukünftig verhindern wollen.
H
Ich kann Ihnen im Augenblick keinen weiteren Sach-
stand darstellen. Ich verweise auf das, was ich eben aus-
geführt habe. Sie können sicher sein, dass das Ministe-
rium gerade diesen Vorgang besonders im Blick hat. Ich
darf darauf hinweisen, dass die Ministerin umgehend ak-
tiv geworden ist, nachdem dem Bundesministerium der
Vorgang in seiner gesamten Breite bekannt wurde.
Haben Sie eine weitere Nachfrage? – Bitte schön.
Sie sprechen davon, dass Drehtüreffekte verhindert
werden sollen, indem ein Leiharbeiter nach dem Equal-
Pay-Prinzip den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit er-
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die Personalservice GmbH, PSG, als hausinterne Leiharbeits-
firma und 100-prozentige Tochter des Universitätsklinikums
Essen rund 300 Beschäftigte, die bei der PSG angestellt sind,
an das Mutterunternehmen verleiht und diese dort bis zu
30 Prozent weniger Lohn als Festangestellte für die gleiche
Arbeit, sechs Tage weniger Urlaub, keine betriebliche Alters-
vorsorge und keine Jahressonderzahlung erhalten und dass
Beschäftigte mit einem zuvor befristeten Vertrag mit dem
Universitätsklinikum nach dessen Auslaufen nur ein Angebot
über die PSG als Leiharbeitskraft bekommen, es sich gemes-
sen an der Definition der Bundesregierung hierbei um einen
missbräuchlichen Einsatz von Zeitarbeit handelt?
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Diese Frage beantworte ich wie folgt: Was die unter-
ehmerische Motivation des geschilderten Einsatzes der
eitarbeit am Universitätsklinikum Essen betrifft, ist der
undesregierung Näheres nicht bekannt. Dass es darum
eht, die Arbeitsbedingungen in Einsatzbranchen zu um-
ehen und sich den Pflichten eines verantwortungsvollen
rbeitgebers zu entziehen, kann daher nicht bestätigt
erden.
Eine Nachfrage? – Bitte sehr.
Vielen Dank. – Wissen Sie, es fällt mir schwer, das sou akzeptieren, weil das ziemlich allgemein ist. Das istgendwie gar keine Antwort. Sie erklären hier, dass sichr Ministerium mit den Themen „Meniar“ und „Schle-ker“ beschäftigt. Über Schlecker hat ganz Deutschlanderedet. Da hätte es für Sie doch interessant sein müssen,u untersuchen – Sie bekommen sicher auch Schreibenon vielen anderen –, wo denn noch Missbrauch und
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4903
Jutta Krellmann
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Verstöße stattfinden. Haken Sie denn als Ministerium danicht nach, um zu schauen, was dort konkret passiert?Stellen Sie nicht die Fragen: Was läuft da möglicher-weise an uns vorbei? Müssen wir das vielleicht im Inte-resse der Menschen, aber auch im Interesse der Sozial-kassen in unseren Gesetzentwurf aufnehmen? An dieserStelle reden wir ja auch über den Niedriglohnbereich,über Aufstocker usw.H
Aus Ihnen spricht eine engagierte Sozialpolitikerin.
Daher verstehe ich, dass Sie diese Themen sehr stark auf
das Ministerium konzentrieren. Allerdings muss man se-
hen, dass es einen großen Mechanismus gibt – ich habe
ihn vorhin in aller Breite dargestellt –, der dazu da ist,
solche Problematiken zu klären.
Ich kann mich hier nur auf die Antwort stützen, die
ich Ihnen vorhin gegeben habe. Ich bin aber durchaus
bereit, diese konkrete Situation etwas stärker prüfen zu
lassen, weil auch ich sehe, dass wir gut daran tun, diese
Fragen bei entsprechenden Hinweisen, vor allem, wenn
sie aus dem Parlament kommen, an die Beteiligten her-
anzutragen.
Eine weitere Nachfrage? – Bitte.
Herr Fuchtel, mir fällt es superschwer, das so hinzu-
nehmen. Im Grunde beschäftigen wir uns mit dem
Thema „Leiharbeit“ schon seit über einem halben Jahr.
Wir bekommen immer wieder neue Beispiele, bei denen
wir sagen: Das ist nicht in Ordnung.
Die Antworten, die wir auf unsere Fragen bekommen,
sind oftmals sehr allgemein. Mit Datum vom 11. Juni
2010 habe ich eine Kleine Anfrage gestellt. Ich wollte
wissen, wie viele Lohnkostenzuschüsse es im Bereich
der Leiharbeit gibt. Ihre Antwort darauf war: Dazu lie-
gen der Bundesregierung keine statistischen Daten vor.
Ich habe aber statistische Daten von der Bundesagentur
für Arbeit. Ich frage mich tatsächlich: Werten Sie diese
Daten nicht aus? Es gibt einen riesigen Verwaltungsaus-
schuss bei der Bundesagentur für Arbeit, die viel erfasst
und untersucht. Es gibt interessante Untersuchungen
ohne Ende, und Sie geben mir die Mitteilung, dass keine
statistischen Erkenntnisse vorliegen. Wie passt das zu-
sammen?
H
Zeigen Sie mir die Unterlagen, die Sie haben. Sollten
solche vorliegen und diese uns von der Bundesagentur
für Arbeit nicht vorgelegt worden sein, dann werden wir
das klären. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das
so gewesen ist.
Im Übrigen kann ich nur mitteilen, dass die Unterla-
gen, die vorhanden sind, in meinem Haus sorgfältig aus-
gewertet werden und wir die notwendigen Schlüsse da-
raus ziehen, wenn es Anlass dazu gibt.
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)
Wir kommen zur Frage 7 der Abgeordneten
Krellmann:
Welcher Unterschied besteht nach Ansicht der Bundesre-
gierung zwischen dem Einsatz von Zeitarbeit beim Universi-
tätsklinkum Essen und deren hausinterner Leiharbeitsfirma,
PSG, wo Neueinstellungen und die Beschäftigung von Perso-
nen mit einem befristeten Vertrag mit dem Universitätsklini-
kum nach dessen Auslaufen häufig nur noch zu deutlich
schlechteren Bedingungen über die Leiharbeitsfirma PSG er-
folgen, und den von der Bundesministerin für Arbeit und So-
ziales, Dr. Ursula von der Leyen, auf dem Bundeskongress
des Deutschen Gewerkschaftsbundes, DGB, am 19. Mai 2010
geschilderten Fällen, wonach „Stammbelegschaften rausge-
schmissen“ werden und folgende Situation besteht: „Über die
Leiharbeit wird die Stammbelegschaft ersetzt, wie das bei
Schlecker der Fall gewesen ist, und zwar zu kleineren Löh-
nen, zu schlechteren Arbeitsbedingungen. Wir sehen jetzt in
einem großen Gesundheitsunternehmen, dass junge Menschen
ausgebildet werden, ihnen anschließend aber gesagt wird: Wir
haben für euch in diesem Unternehmen keine Anstellung.
Aber wenn ihr zu der Zeitarbeitsfirma geht, dann könnt ihr
über die Zeitarbeit zu schlechteren Löhnen und schlechteren
Bedingungen hier wieder eingestellt werden“?
H
Ich darf Ihnen wie folgt antworten: Erstens. Die Bun-
desministerin hat auf dem DGB-Bundeskongress deut-
lich gemacht, dass sie eine gesetzliche Regelung zur
Verhinderung des Missbrauchs des arbeitsmarktpoliti-
schen Instruments Zeitarbeit für erforderlich hält. Zwei-
tens. Die Bundesarbeitsministerin setzt sich dafür ein,
bei einer solchen Regelung die Belange von Auszubil-
denden nach bestandener Ausbildung zu berücksichti-
gen.
Eine Nachfrage? – Bitte schön.
Vielen Dank. – Ich frage ganz konkret: Ist es Miss-
brauch, was im Universitätsklinikum Essen und in vielen
anderen ähnlichen Fällen stattgefunden hat, oder nicht?
H
Ich kann Ihnen aufgrund der Beratungslage im Au-
genblick keine weitergehenden Ausführungen dazu ma-
chen als die, die ich gerade zu dem Thema gemacht
habe.
Eine weitere Nachfrage von Frau Dittrich.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr
Fuchtel, wir haben jetzt gehört, dass die Bundesministe-
rin Frau von der Leyen gesagt hat: Wir werden die Aus-
wüchse von Missbrauch bekämpfen. – Wir haben auch
von Ihnen gehört, dass Sie einen Gesetzentwurf vorbe-
reiten, den wir natürlich noch nicht kennen, aber die
Presse schon. Wir haben ferner gehört, dass Sie dem
Missbrauch im Moment noch nicht von sich aus nachge-
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Frau Kollegin Mast, ich darf die Frage wie folgt be-ntworten:1)Erstens. Welche Pflichtleistungen der aktiven Ar-eitsförderung in Ermessensleistungen umgewandelterden, wird im Zusammenhang mit der für das Jahr011 vorgesehenen Neuausrichtung der arbeitsmarkt-olitischen Instrumente geprüft werden; ich denke, dasar schon heute Vormittag Gegenstand unserer Beratun-en im Ausschuss und ist von meiner Ministerin auchort so dargestellt worden. Aussagen zu einzelnen In-trumenten sind daher noch nicht möglich.Wir haben auch noch Evaluierungen vorzunehmen.h möchte hier darauf hinweisen: Man kann nicht um-ngreiche Evaluierungsmaßnahmen auf den Weg brin-en und sie dann nicht umgesetzt sehen wollen. Viel-ehr geht man dann schon einen Schritt weiter undsiehe hierzu Antwort auf Frage 11
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4905
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Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel
wechselt auf die Überholspur. Wenn wir so verfahren
würden, wären die Steuer- und Beitragseinnahmen
schlecht ausgegeben. Wir müssen schauen, dass wir
gründliche Arbeit leisten. Hier geht es ja um recht viel
Geld. Es ist angemessen, dass wir gründlich arbeiten.
Von daher müssen wir die Evaluierung vornehmen und
daraus unsere Schlüsse ziehen.
Zum Zweiten. Die Bundesregierung hat sich mit den
Beschlüssen vom 6./7. Juni 2010 ausdrücklich dazu be-
kannt, die Zukunftschancen für die Menschen durch In-
vestitionen in Bildung und Forschung, in Wachstums-
kräfte und Arbeitsplätze zu verbessern. Diese Prämisse
wird auch bei der Reform der arbeitsmarktpolitischen In-
strumente entsprechend berücksichtigt werden.
Frau Mast, haben Sie eine Nachfrage? – Bitte.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwor-
tung der Frage. Ich habe nichtsdestotrotz noch eine
Nachfrage.
Ich habe sehr wohl verstanden, dass die Bundesregie-
rung, bevor sie die Frage beantwortet, welche Pflicht-
leistungen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik, wo es um
Fördern und Fordern geht, in Ermessensleistungen um-
gewandelt werden, die Evaluierungs-, also die Überprü-
fungsergebnisse 2011 abwarten möchte.
Was sich mir als einfache Bundestagsabgeordnete an
dieser Stelle nicht erschließt, ist, wie man sich einerseits
auf verbindliche Einsparziele festlegen und diese über
vier Jahre in Tranchen verteilen kann – 2011 in Höhe von
2 Milliarden Euro, 2012 von 4 Milliarden Euro, 2013 von
5 Milliarden Euro und 2014 von weiteren 5 Milliarden
Euro, also von insgesamt 16 Milliarden Euro –, ohne an-
dererseits zu wissen, wo genau man sparen möchte. Die-
ser Zusammenhang erschließt sich mir nicht ganz.
H
Frau Kollegin, Sie sollten Ihr Licht nicht unter den
Scheffel stellen. Sie gelten ja hier als profilierte Sozial-
politikerin.
Zunächst einmal ist Ihnen noch aus unserer gemeinsa-
men Regierungszeit bekannt, dass wir die Evaluierung
auch deswegen auf den Weg gebracht haben, weil wir
uns schon damals im Klaren waren, dass nicht jeder
Stein auf dem anderen bleiben wird, wenn wir das unter-
sucht haben. Sonst hätten wir das damals nicht machen
müssen.
Vor diesem Hintergrund war auch Ihrer Fraktion klar,
dass es Veränderungen geben wird, wenn die Evaluie-
rung durchgeführt ist. Das Ziel ist, die Maßnahmen noch
zielgenauer auszurichten. Wir gehen davon aus, dass
sich auch eine Verbesserung der Situation auf dem Ar-
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4906 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010
)
und sicherstellen, dass einerseits eine seriöse Arbeits-marktpolitik für die betreffenden Zielgruppen betriebenwerden kann und andererseits Sie mit Ihrer beabsichtig-ten Kürzung zum Erfolg kommen?H
Ich habe es in den letzten Jahren noch nie anders er-
lebt, als dass jede auch noch so kleine Veränderung von
Zahlen in der Szene sofort sehr stark beachtet wird und
dass dabei auch eine sehr starke Verunsicherung zu spü-
ren ist. Wenn man all dem Rechnung tragen und als
Grundlage der Beurteilung von Handlungsmöglichkeiten
der Regierung ansehen würde, dass nicht gehandelt wer-
den darf, sobald jemand sagt, dass er befürchtet, dass er
weniger Geld hat, dann könnte man im Bereich der ar-
beitsmarktpolitischen Instrumente operativ überhaupt
keine Politik mehr machen. Das wollte ich hier einfach
einmal deutlich sagen.
Die Veränderungen sind ja nicht so gravierend, als
dass man sagen müsste: Es ist hier ein so großer Verän-
derungsprozess zu erwarten, dass man als einzelner Trä-
ger überhaupt keine weitergehenden Überlegungen für
die Zukunft mehr anstellen kann. – Man muss sicher se-
hen: In einer Reihe von Bereichen sind die Mittel bei
weitem nicht ausgeschöpft. 2009 lagen die Ergebnisse
unter dem, was wir jetzt zum Beispiel für 2010 etatisiert
haben, und wir sehen, dass auch im Jahre 2010 noch
Spielräume sind. Insoweit wissen die Träger selbst, wo
ihre Möglichkeiten liegen und wie weit sie gehen kön-
nen.
Ich gestehe zu, dass auch durch die Reform bei den
Jobcentern ein gewisser verstärkter Klärungsbedarf ge-
geben ist.
Wir sind sicher, dass man, sobald die Jobcenter-Re-
form auf den Weg gebracht worden ist, klare Konturen
aufzeigen kann, was die Größenordnung und Potenziale
der einzelnen Förderinstrumente betrifft, und dass die
Träger damit zurechtkommen. Wir haben seit den Jahren
2006 und 2007 einen Aufwuchs auf die derzeitige Grö-
ßenordnung zu verzeichnen. Wir alle – darunter auch
Ihre Fraktion – gehen aus vielerlei Gründen von einem
gewissen Rückgang der Mittel aus. Ich denke, dass sich
der Sparprozess in diesem Rahmen gut gestalten lässt.
Der nächste Fragenkomplex beschäftigt sich mit der
Umwandlung von Pflicht- in Ermessensleistungen im
Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik.
Wir kommen zur Frage 11 der Abgeordneten Katja
Mast:
Welche konkreten Folgen ergeben sich nach Auffassung
der Bundesregierung durch die Umwandlung von sogenann-
ten Pflicht- in Ermessensleistungen im Bereich der aktiven
Arbeitsmarktpolitik, beispielsweise für das Recht auf Nach-
holen des Hauptschulabschlusses, das Recht auf Ausbildung
für Altbewerber – Ausbildungsbonus – sowie das Recht auf
Spracherwerb, und inwiefern sieht die Bundesregierung in
diesem Zusammenhang ihr Ziel noch als gegeben an, keine
Mittelkürzungen im Bereich der Bildungspolitik vorzuneh-
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Hierbei geht es um Bindungen für Eingliederungs-
aßnahmen, die sich auf das Folgejahr erstrecken. Sie
önnen höchstens im Umfang der im Bundeshaushalt so-
ie im Haushalt der BA ausgebrachten Verpflichtungs-
rmächtigungen mit Fälligkeit im Jahr 2011 eingegan-
en werden. Das gebietet das geltende Haushaltsrecht.1)
Erst wenn der Regierung im Wege der Rechnungsle-
ung für das Jahr 2010 bekannt ist, auf welche Summen
ich die eingegangenen Verpflichtungen aus Vorjahren
elaufen, kann eine Aussage dazu getroffen werden, in
elcher Höhe Ausgabemittel für neue Bewilligungen im
aushaltsjahr 2011 möglich sind.
In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinge-
iesen, dass sich unterjährig immer wieder Ausgabemit-
l freirechnen – ich habe das bereits ansatzweise darge-
tellt –, zum Beispiel aus vorzeitig beendeten oder, was
icht allzu selten vorkommt, nicht durchgeführten Maß-
ahmen, wenn etwa mithilfe der Agentur für Arbeit der
rwerb des Führerscheins möglich wäre, sich aber nicht
enügend Teilnehmer finden. In einem solchen Fall kön-
en die Mittel nicht abfließen und stehen für Neubewilli-
ungen zur Verfügung.
Wenn es Sie interessiert, kann ich noch auf die für
011 eingegangenen Verpflichtungen eingehen; denn
uch das gehört zur Haushaltspolitik. Für den Rechts-
reis Sozialgesetzbuch II belaufen sich die eingegange-
en Verpflichtungen für das Haushaltsjahr 2011 mit
tand vom 31. Mai 2010 auf etwa 1,2 Milliarden Euro.
ür den Rechtskreis SGB III belaufen sich die eingegan-
enen Verpflichtungen für 2011 auf circa 1,03 Milliar-
en Euro, und zwar ebenfalls mit Stand vom 31. Mai
010.
Eine Nachfrage, bitte schön.
Vielen Dank für die Antworten, Herr Staatssekretär. –h beziehe mich jetzt noch einmal auf die Frage 11, iner es insbesondere darum geht, ob es durch die Spar-orschläge der Bundesregierung zu Bildungskürzungen Bereich der Arbeitsmarktpolitik kommt. Die Bundes-gierung sagt immer, dass es im Bereich der Bildungs-olitik keine Kürzungen gibt. Meine sehr konkrete Frageutet deshalb: Bedeutet das auch, dass es im Bereich derrbeitsmarktpolitik überall dort, wo es um Bildung geht,eine Kürzungen gibt? Das betrifft beispielsweise dasecht auf Nachholen eines Hauptschulabschlusses, denusbildungsbonus und das Recht auf Spracherwerb füriejenigen, die die deutsche Sprache noch nicht spre-hen.Wie Sie wissen, haben wir in unserer gemeinsamenegierungsverantwortung in der Großen Koalition mitiel Mut viele Rechtsansprüche geschaffen. Denn wirollten gerade nicht, dass Bildungsansprüche Haus-siehe hierzu Antwort auf Frage 10
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4907
Katja Mast
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haltskürzungen zum Opfer fallen. Deshalb frage ich Sie:Bleiben Sie bei der Strategie unserer Politik, oder müs-sen wir im Bereich Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik mitBildungskürzungen rechnen?H
Ich fürchte, dass ich hierzu an der Stelle noch keine
bindende Aussage machen kann, und weise darauf hin,
dass das vorgegebene Sparziel zunächst in den Koali-
tionsfraktionen debattiert wird. Dann sind die Festlegun-
gen im Einzelnen zu treffen. Es ist nicht meine Aufgabe,
dem vorzugreifen.
Die Fragen 12 und 13 der Abgeordneten Anette
Kramme werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 14 der Kollegin Dagmar
Enkelmann auf:
Wie bewertet die Bundesregierung aktuelle Anweisungen
der Bundesagentur für Arbeit an Jobcenter, nach denen die
Eingliederungsleistungen für Bezieherinnen und Bezieher von
ALG II allein auf die Eingliederung in den ersten Arbeits-
markt auszurichten sind, und stehen diese Weisungen im Zu-
sammenhang mit der von der Bundesregierung geplanten Um-
wandlung der Eingliederungshilfen von einer Pflicht- in eine
Ermessensleistung?
H
Frau Kollegin Enkelmann, ich darf Ihre Frage wie
folgt beantworten: Eine Weisung der Bundesagentur,
wonach Eingliederungsleistungen für Bezieherinnen und
Bezieher von Arbeitslosengeld II allein auf die Einglie-
derung in den ersten Arbeitsmarkt ausgerichtet sind,
existiert nach meiner Kenntnis nicht.
Eine Nachfrage.
Ich verweise zunächst auf einen Bericht in der Frank-
furter Allgemeinen Zeitung vom 7. Juni über ein Ge-
spräch mit dem Vorstand der Bundesagentur, Heinrich
Alt, in dem sich so etwas unter anderem findet. Aber
auch wenn Sie sagen, Sie kennen eine solche Anweisung
nicht, würde ich gerne nachfragen.
Die Umwandlung von Pflicht- in Ermessensleistun-
gen ist ja Teil des Kürzungsprogramms, das die Bundes-
regierung vor zwei Wochen angekündigt hat. Inwieweit
gibt es eigentlich ernsthafte Gespräche mit der Bundes-
agentur über wirkliche Einsparmöglichkeiten, zum
Beispiel beim bürokratischen Aufwand, der der Bundes-
agentur abverlangt wird – hier gibt es durchaus Vor-
schläge –, sodass Kürzungen nicht zulasten der Lang-
zeitarbeitslosen gehen, sondern im Gegenteil
Einsparungen sogar zu einer Entlastung führen können?
Gibt es ernsthafte Gespräche mit der Bundesagentur
auch über Alternativen, statt bei Maßnahmen zu kürzen?
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4908 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010
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nicht nur um nüchterne Zahlen gehen; denn hinter jederZahl stehen Menschen, stehen Schicksale. Wir müssenuns mit den Schicksalen auseinandersetzen, den Men-schen gerecht werden und die passenden Maßnahmenfür die Menschen finden. Dem dient unsere Arbeit.
Frau Dittrich, bitte.
Sehr geehrter Herr Fuchtel, bekommen Sie keinen
Schreck! Es wird jetzt keine Unterstellung geben. Ich
werde Ihnen auch nicht sagen, dass Sie den Vorwurf
nicht ausgeräumt haben.
Sie haben angesprochen, dass Sie bei den Jobcentern
einen Bürokratieabbau planen; das gehört zum Kahl-
schlag im Sozialstaat. Wenn Sie die Zahl der Beschäftig-
ten im öffentlichen Dienst verringern und für Arbeits-
lose, die eingegliedert werden sollen, Pflichtleistungen
in Ermessensleistungen umwandeln, dann müssen wir
doch Angst haben, dass viele Leistungen, die zuvor
Pflichtleistungen waren, als Ermessensleistungen nicht
mehr erbracht werden können. Das bedeutet einen gerin-
geren Anspruch an die Qualifikation der Beschäftigten
im öffentlichen Dienst – hier wollen Sie abbauen – und
geringere Betreuungsmöglichkeiten für die Arbeitslosen,
die eingegliedert werden sollen.
Die Menschen werden so viel Willkür erleben und
feststellen, dass eine Ermessensleistung in einem Job-
center gewährt wird und in einem anderen nicht. Ich
frage Sie daher: Wie wollen Sie angesichts dieses Um-
gangs mit Arbeitslosen und Beschäftigten Arbeitsplätze
schaffen, wohl wissend, dass es bundesweit nur 485 000
offene Stellen gibt?
H
Wenn ich das bewerten dürfte, was ich nicht machen
möchte, würde ich sagen: Ihre Frage ist eine regelrechte
Breitseite. Ich beantworte Ihre Frage aber gerne im Ein-
zelnen. Ich möchte zuerst auf den Bereich von ALG II
bzw. SGB II zu sprechen kommen. Je nachdem, wie viel
Zeit mir gegeben wird, kann ich auch auf den Bereich
des SGB III eingehen.
Zuerst zum SGB II. Ich weise mit dem Ausdruck
höchster Empörung zurück, dass hier willkürlich gehan-
delt werden soll. Ich verweise darauf, dass wir mit den
Festlegungen, die das Gesetz nun vorsieht, einen Betreu-
ungsschlüssel bekommen, der noch nie so gut war. Ich
kann hierin nur einen Vorteil für den Einzelnen sehen
und nicht, dass weniger getan wird. Hier wird mit sehr
viel Geld sehr viel getan, damit die Menschen sehr indi-
viduell betreut werden können. Ich wäre Ihnen sehr
dankbar, wenn Sie das wenigstens zur Kenntnis nähmen
und das in Ihren Ausführungen zum Ausdruck käme.
Zweitens. Wenn Pflichtleistungen in Ermessensleis-
tungen überführt werden, muss das nicht heißen, dass
weniger Leistung erbracht wird. Aber es liegt im Ermes-
sen derjenigen, die die Aufgabe durchführen. Wir wan-
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die in der aktuellen Bedürfnislage Hilfe gibt. Sie hat we-niger das Ziel, dass gleichzeitig auch noch für das Altervorgesorgt werden soll. Vor diesem Hintergrund mussman das Ganze sehen.Das, was jetzt noch an die Deutsche Rentenversiche-rung überwiesen wird, hat – das muss man hier deutlichsagen – für den Einzelnen im Alter einen Wert von der-zeit 2,09 Euro monatlich. Ich wage zu behaupten, dasseine Rente von 2,09 Euro im Alter für jemanden, dereine normale Erwerbsbiografie hat, nicht ausschlagge-bend für seine Situation im Alter ist. Wenn allerdings je-mand langzeitarbeitslos ist, dann kommt er auch dann,wenn wir es bei dem jetzigen Betrag belassen, nicht zueiner Absicherung im Alter, die über die Grundsicherunghinausführt. Vor diesem Hintergrund ist diese Maß-nahme akzeptabel; denn man muss bei den Sparmaßnah-men, deren Notwendigkeit jeder hier im Haus bestätigtund die auch jede andere Regierung ergreifen müsste,eine Lösung suchen, die ordnungspolitisch begründbarist. Das wurde zum damaligen Zeitpunkt nicht andersdiskutiert als heute.
Kollege Schreiner, Nachfrage? – Bitte.
Das kann man nicht so stehenlassen; denn die Argu-
mentation, 2,09 Euro seien etwas wenig und deswegen
könne man sie ganz streichen, entspricht einer Logik, die
besagt, dass man demjenigen, der so wenig zu Essen hat,
dass er hungert, gleich gar nichts zu geben braucht. Was
ist denn das für eine Argumentation? Ich kenne eine
ganze Reihe von Szenarien über drohende Altersarmut,
Herr Kollege Fuchtel. In all diesen Szenarien wird die
mehrfache Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge
für Langzeitarbeitslose massiv kritisiert, weil das ein ei-
genständiger Zugang zu zusätzlicher Altersarmut sei.
Wenn man schon kritisiert, 2,09 Euro seien reichlich we-
nig, dann wäre die zwingende Konsequenz gewesen, die
Beitragssätze anzuheben, um die Leute vor drohender
Altersarmut besser zu schützen. Das wäre einigermaßen
logisch gewesen. Sie haben eben in einem anderen Zu-
sammenhang gesagt: Die Bundesregierung bellt nicht
nur, sie beißt auch. – Können Sie nachvollziehen, dass
die Bundesregierung nicht nur in diesem Fall, aber in
diesem Fall ganz besonders, die völlig falsche Gruppe
gebissen hat?
H
Ich danke zunächst einmal dafür, dass Sie meinen
Worten so genau Ihr Ohr geliehen haben, und darf jetzt
Adam Riese bemühen. Das Doppelte von 2,09 Euro, die
die Große Koalition beschlossen hat, sind 4,18 Euro.
Das würde unter anderem Zusatzkosten für Beitragszah-
lungen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro bedeuten. Ich
kann mir nicht vorstellen, dass die Haushalts- und Fi-
nanzpolitiker Ihrer Bundestagsfraktion das als auch nur
annähernd realistisch ansehen.
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4910 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010
)
Ich möchte Bezug nehmen auf meine schon reichli-chen Ausführungen zu ordnungspolitischen Fragen. Da-rüber hinaus stelle ich fest: Wir müssen auf jeden Falleine Konsolidierung des Bundeshaushalts erreichen – ichverweise auf die im Grundgesetz verankerte Schulden-bremse, an deren Gestaltung ein größerer Teil dieses Hau-ses mitgewirkt hat –, damit die Staatsfinanzen stabil sind.Wir müssen auch einen höheren Investitionsanteil am ge-samten Haushalt erreichen; denn es ist bekannt: Wenn In-vestitionen erfolgen, dann können neue Arbeitsplätze ent-stehen und mehr Leute eingestellt werden. Das kann unterdiesem sektoralen Gesichtspunkt zu einer Verbesserungder Gesamtsituation führen. Vor diesem Hintergrund istdas, was da geschrieben wurde, zu verstehen. Die Umset-zung dieses Beschlusses wird dazu führen, dass wir wie-der Spielräume bekommen, die es uns ermöglichen, imBereich der Investitionen tätig zu werden und damit dieSchaffung von Arbeitsplätzen zu begünstigen und mehrLeute in Arbeit zu bringen. In Verbindung mit der demo-grafischen Entwicklung, wie wir sie derzeit haben, gibtuns das durchaus die Hoffnung, dass wir mit diesem Wegmehr Leute in Arbeit bekommen und damit die Kostender Arbeitslosigkeit reduzieren können.
Vielen Dank. – Jetzt hat der Kollege Birkwald noch
eine Frage.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
Sie haben eben noch einmal darauf abgehoben, dass es
um die Vermittlung in Arbeit geht. Können Sie mir denn
bestätigen, dass wir derzeit eine Situation haben, in der
auf eine ungeförderte offene Stelle neun Erwerbslose
kommen, wenn man die offiziellen Erwerbslosenzahlen
zugrunde legt – wenn man alle die mitrechnet, die in den
vergangenen Jahren aus der Statistik herausdefiniert
wurden, haben wir die Situation, dass auf eine ungeför-
derte offene Stelle zwölf Erwerbslose kommen; ich
nenne einmal die Zahl: Es sind derzeit 355 000 offene
ungeförderte Stellen –, dass es unter dieser Vorausset-
zung eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür gibt, dass
Langzeiterwerbslose auch bei bestem Willen und größter
Anstrengung gar nicht in Arbeit vermittelt werden kön-
nen, und das vor dem Hintergrund der Entwicklung der
vergangenen Jahre: Der eingezahlte Beitrag für Langzei-
terwerbslose, der in den 90er-Jahren noch 200 Euro be-
trug, wurde nach Art einer Salamitaktik über 100 Euro
auf 78 Euro und schließlich auf 40 Euro gesenkt; dieser
Minibeitrag führt zu der Minileistung von 2,09 Euro.
Dies war falsch, und wäre es der richtige Weg, den Bei-
trag deutlich anzuheben, so wie es der DGB, der VdK,
der SoVD, die IG Metall und alle, die sich damit be-
schäftigen, fordern, also zum Beispiel auf die Höhe eines
halben Entgeltpunktes, was dann 13,60 Euro im Monat
brächte?
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Herr Kollege Birkwald, würden Sie, wenn Sie das
hier so locker sagen, bitte auch noch darstellen, welche
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ie die Kriterien, die ansonsten für die Gestaltung des
undeshaushalts gelten, berücksichtigt. Es würde zu er-
eblichen Zusatzbelastungen kommen. Sie bestätigen
as ausdrücklich. Damit zeigt sich, dass hier ein Pfad be-
chritten werden soll, dem außer Ihrer Fraktion zum ge-
enwärtigen Zeitpunkt wahrscheinlich niemand in die-
em Hause zustimmen würde. Deswegen darf das hier
uch als nicht ganz so realistisch bezeichnet werden. –
o viel dazu.
Wenn Sie solche negativen Prognosen an die Wand
alen, möchte ich Sie fragen oder, besser – ich soll ja
icht fragen; ich bin derjenige, der gefragt wird –, darf
h Ihnen sagen, dass allein im Bereich des Ingenieurwe-
ens nach jüngsten Mitteilungen 31 000 Stellen besetzt
erden müssen. Ähnliches ist in anderen Bereichen der
all. Eine Anhörung über die Öffnung der Grenzen nach
steuropa, was Beschäftigung angeht, die die CDU/
SU-Fraktion jüngst durchgeführt hat, hat ergeben, dass
as IAB, das Institut der Bundesagentur, keine gravie-
nden Auswirkungen negativer Natur erwartet, wenn
ie Grenzen geöffnet werden, weil so viel Nachfragepo-
nzial vorhanden ist, dass das, was an zusätzlichem Ar-
eitskräftepotenzial zur Verfügung stehen würde, aufge-
ngen werden könnte.
Dann möchte ich noch darauf hinweisen, dass wir von
inem Lehrstellenmangel jetzt in eine Situation kom-
en, in der Auszubildende gesucht werden, wie wir das
einigen Teilen Deutschlands schon feststellen; wahr-
cheinlich wird das in nächster Zeit auch noch in weite-
n Landesteilen der Fall sein. Auch der demografische
aktor wird eine große Wirkung auf den Arbeitsmarkt
sgesamt haben. Vor diesem Hintergrund trifft die Ana-
se, die Sie hier vorgenommen haben, für die Zukunft
o mit Sicherheit nicht zu.
Vielen Dank, aber in der Fragestunde fragen die Ab-eordneten die Bundesregierung, und diese antwortetnd stellt keine Gegenfragen. Falls doch, werden dieseicht beantwortet. Nur, damit das klar ist. Der Kollegeuchtel weiß das als alterfahrener Kämpfer hier imause.Wir kommen jetzt zur Frage 17 des Kollegenchreiner:
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4911
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
)
)
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Än-derung des § 10 a des Einkommensteuergesetzes notwendigist, damit nach dem geplanten Wegfall der Beitragszeiten inder Rentenversicherung von Bezieherinnen und Beziehern derGrundsicherung für Arbeitsuchende diese weiterhin einen An-spruch auf die geförderte Altersvorsorge besitzen?H
Entschuldigung, aufgrund der Vielzahl der Fragen
sind meine Unterlagen etwas durcheinandergeraten.
Ich müsste sie jetzt erst einmal insgesamt sortieren, um
die Antwort auf Frage 17 zu finden.
Sie können die Frage ja schriftlich beantworten. Sie
haben jetzt wirklich eine schöpferische Pause verdient.
H
Das ist ein humaner Akt, Herr Kollege, für den ich
mich außerordentlich bedanke. Ich werde deswegen Ihre
Frage besonders ausführlich schriftlich beantworten.
Wenn Sie mir noch ein bisschen Zeit für die Suche ge-
geben hätten, hätte ich die Antwort sicherlich auch noch
gefunden. Ich möchte auf keinen Fall, dass Sie denken,
ich wollte der Sache ausweichen.
Dann können wir in der Fragestunde fortfahren. Vie-
len Dank, Herr Kollege Schreiner, für das Entgegenkom-
men. Vielen Dank, Herr Fuchtel, für Ihre Antworten.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz. Die Frage 18 des Kollegen Hans-Josef
Fell soll schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Verteidigung. Der Kollege Arnold ist
nicht anwesend. Deswegen wird bei den Fragen 19 und 20
so verfahren, wie in unserer Geschäftsordnung vorgese-
hen. Die Fragen 21 und 22 des Kollegen Fritz Rudolf
Körper, die Fragen 23 und 24 des Kollegen Jan van
Aken, die Frage 25 des Kollegen Hans-Christian
Ströbele sowie die Fragen 26 und 27 des Kollegen Tom
Koenigs sollen schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Die Fragen 28 und 29 des Kollegen Kai Gehring sowie
die Fragen 30 und 31 des Kollegen Sönke Rix sollen
schriftlich beantwortet werden. Die Abgeordnete Petra
Crone ist auch nicht anwesend. Bei den Fragen 32 und 33
wird deshalb so verfahren, wie in der Geschäftsordnung
vorgesehen. Die Fragen 34 und 35 der Kollegin Caren
Marks sowie die Fragen 36 und 37 der Kollegin Christel
Humme sollen schriftlich beantwortet werden.
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1)
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
inisteriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
ur Beantwortung steht der Parlamentarische Staats-
ekretär Jan Mücke zur Verfügung.
Der Kollege Dr. Hofreiter von den Grünen ist auch
icht anwesend. Deswegen wird bei den Fragen 43 und
4 ebenfalls so verfahren, wie in unserer Geschäftsord-
ung vorgesehen. Die Fragen 45 und 46 der Kollegin
ilvia Schmidt sollen schriftlich beantwortet
erden.
Ich rufe Frage 47 des Kollegen Ostendorff auf:
Wie passt es zusammen, dass der Bundesminister für Ver-
kehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Raumsauer, sich
besonders dafür einsetzt, „die ländlichen Räume gut und best-
möglich zu entwickeln“ ,
und dann die Mittel für das dafür neu aufgelegte Programm
zur Förderung von kleineren Städten und Gemeinden gleich
wieder gekürzt werden, und wie sieht dann die Strategie der
Bundesregierung für kleinere Städte und Gemeinden vor dem
Hintergrund des demografischen Wandels im ländlichen
Raum aus?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
J
Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege
stendorff, diese Frage möchte ich namens der Bundes-
gierung wie folgt beantworten: Gemäß § 6 Abs. 9 des
aushaltsgesetzes für das Jahr 2010 wurden die Ver-
flichtungsermächtigungen aller Investitionstitel um
0 Prozent gekürzt, so auch die Mittel für das neue Städ-
bauförderungsprogramm „Kleinere Städte und Ge-
einden – überörtliche Zusammenarbeit und Netz-
erke“. Dementsprechend stehen im Jahr 2010 statt
0 Millionen Euro nun 18,083 Millionen Euro für Inves-
tionszuschüsse bereit.
An der Strategie der Bundesregierung hat sich durch
iese pauschale Kürzung nichts geändert. Ziel ist es,
lein- und Mittelstädte in ländlichen Räumen in ihrer
entralörtlichen Funktion als Ankerpunkte der Daseins-
orsorge zu sichern und zu stärken. Die Kommunen sol-
n insbesondere bei der Bündelung ihrer Kräfte und
essourcen, weitgehender Kooperation bei Infrastruktur-
ngeboten und in der Zusammenarbeit in Netzwerken
urch dieses Programm unterstützt werden.
Herr Kollege Ostendorff, Ihre erste Nachfrage, bitte.Die vorgezogene Frage 42 des Kollegen Dr. Harald Terpe wirdauch schriftlich beantwortet.
Metadaten/Kopzeile:
4912 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010
)
)
Herr Staatssekretär Mücke, schönen Dank für die Be-
antwortung der Frage. – Zur Präzisierung: Wie wollen
Sie angesichts der 10-prozentigen Kürzung, die Sie an-
gesprochen haben, den Herausforderungen des demogra-
fischen Wandels im ländlichen Raum begegnen? Welche
Schwerpunkte des Förderprogramms wollen Sie in klei-
nen Städten und Gemeinden angesichts knapper werden-
der Mittel und des demografischen Wandels setzen?
J
Geschätzter Herr Kollege Ostendorff, dieses Pro-
gramm ist neu. Wir haben es in diesem Haushaltsjahr das
erste Mal aufgelegt. Das heißt, in allen Jahren zuvor hat
dieses Thema bei den Städtebauförderprogrammen nie
eine Rolle gespielt. Wir haben es ganz bewusst neu auf-
genommen, weil wir Handlungsbedarf gerade im länd-
lichen Raum, in den kleineren Städten und Kommunen
erkannt haben. Wir sehen dieses Programm als einen
Einstieg in eine größere Förderkulisse an.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich die
Haushaltssituation erheblich verschlechtert hat und dass
natürlich auch unser Haus davon nicht verschont bleibt.
Wir wollen den Kommunen trotz allem signalisieren,
dass uns die Schwierigkeiten, alle örtlichen Funktionen
in einer Kommune vorzuhalten, durchaus bekannt sind.
Wir wollen insbesondere Kooperationen zwischen ver-
schiedenen Gemeinden in Gemeindeverbünden anre-
gen, um diese zentralörtlichen Funktionen in Koopera-
tion durch mehrere wahrnehmen zu lassen. Es kommt
darauf an, dass wir gerade den ländlichen Raum sowie
kleinere Städte und kleinere Gemeinden als einen le-
benswerten Lebensraum für ganz viele Menschen erhal-
ten. Die Bundesregierung legt ein besonderes Augen-
merk auf dieses Handlungsfeld. Es kommt uns darauf an,
dass wir eine Kommunikationsplattform und damit
Möglichkeiten schaffen, sich auszutauschen und Best-
Practice-Beispiele zu finden, um einer verstärkten Ab-
wanderung aus dem ländlichen Raum entgegenzuwir-
ken.
Dieses Programm ist als ein Anfang zu sehen. Ich ver-
weise noch einmal darauf, dass wir erst in diesem Jahr
mit diesem Programm begonnen und dazu kürzlich ein
Konzept vorgelegt haben. Wir wollen es gemeinsam mit
unserem Fachausschuss, dem Ausschuss für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung, in den nächsten Jahren fort-
entwickeln. Wir denken, dass uns die Beteiligung der
Kommunen in unserer Einschätzung recht geben wird,
dass wir versuchen sollten, dieses große Problem ge-
meinsam zu lösen.
Zweite Nachfrage, Kollege Ostendorff.
Herr Staatssekretär, bei vielen Punkten, die Sie über
den ländlichen Raum ausgeführt haben, liegen wir nahe
beieinander. Wie Sie wissen, bin ich der agrarpolitische
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4913
)
J
Nein.
Oder nur die Mittel für Programme im ländlichen
Raum?
J
Das habe ich nicht gesagt.
Dann erklären Sie es doch einmal bitte; ich habe Sie
so verstanden. Falls es so wäre, habe ich die Frage:
Wieso kürzen Sie beim Städtebau? Dieser Bereich
nimmt den geringsten Teil des Volumens des Etats des
Bau- und Verkehrsministeriums ein. Das sind etwas über
600 bzw. knapp 700 Millionen Euro, während fast
10 Milliarden Euro im Verkehrsbereich zur Verfügung
stehen. Es wäre also wesentlich einfacher, mit kleinen
Maßnahmen Geld im Verkehrsbereich einzusparen; denn
die Städtebauförderung ist natürlich wesentlich wichti-
ger und betrifft nur eine ganz kleine Summe.
J
Frau Kollegin, ich habe den Eindruck, dass Sie Ihre
Frage im Zusammenhang mit der Spardiskussion, betref-
fend das nächste Haushaltsjahr, stellen. Wir reden hier
aber über das Haushaltsjahr 2010, über den laufenden
Haushalt. Dort stehen noch relativ große Summen für
Städtebauförderprogramme zur Verfügung. Die aktuelle
Diskussion, die wir heute im Ausschuss angerissen ha-
ben, bezieht sich vor allem auf die Haushaltsplanung für
das nächste Jahr. Aber für dieses Jahr gilt nach § 6
Abs. 9 des Haushaltgesetzes, dass alle investiven Ver-
pflichtungsermächtigungen im Haushalt diese Kürzung
um 10 Prozent haben hinnehmen müssen. Es ist also kei-
neswegs so, dass wir diese Kürzungen für das Jahr 2010
nur bei diesem Programm, nur bei den Städtebauför-
dermitteln oder möglicherweise nur zugunsten von In-
frastrukturmaßnahmen im Straßenbereich vornehmen
mussten. Diese Kürzung betrifft vielmehr alle Verpflich-
tungsermächtigungen im investiven Teil quer über den
gesamten Haushalt.
Wir kommen zur Frage 48 des Kollegen Ostendorff:
Wie will die Bundesregierung den städtebaulichen He-
rausforderungen durch Klima- und demografischen Wandel
begegnen, wenn die finanzielle Ausstattung der Städtebauför-
derprogramme gekürzt wird?
J
Die Bundesregierung nimmt die städtebaulichen He-
rausforderungen durch den Klima- und demografischen
Wandel sehr ernst. Auch zukünftig wird der Bund über
die Städtebauförderungsprogramme die Kommunen da-
bei unterstützen, Investitionen in die nachhaltige Stadt-
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4914 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010
)
)
Keine weitere Nachfrage? – Dann kommen wir zur
Frage 49 der Kollegin Bettina Herlitzius:
In welcher Gesamthöhe soll es bei den Städtebauförder-
programmen die vom Bundesminister für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, in der Sitzung des
Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom
9. Juni 2010 angekündigten Einsparungen geben, und wie se-
hen diese Einsparungen konkret für die einzelnen Städte-
bauförderprogramme in den Haushaltsjahren 2011 bis 2014
aus?
Herr Staatssekretär, bitte schön.
J
Frau Kollegin Herlitzius, die vorgesehene Einsparung
bei den Programmmitteln im Rahmen der Städtebauför-
derung 2011 liegt bei 305 Millionen Euro. Aufgrund des
fünfjährigen Zeitraumes der Ausfinanzierung der ent-
sprechenden Mittel wird sich das vorgenannte Einspar-
volumen nicht in voller Höhe unmittelbar im nächsten
Haushaltsjahr bemerkbar machen. Vielmehr wirken sich
die jeweils anteiligen Einsparungen bis 2015 in geringe-
ren Jahresbeträgen aus, die in der Gesamtsumme dem
oben genannten Einsparvolumen entsprechen. Die Kon-
kretisierung der Einsparungen bei den einzelnen Pro-
grammen erfolgt im Rahmen der Aufstellung des Regie-
rungsentwurfs zum Bundeshaushaltsplan 2011, welche
noch nicht abgeschlossen ist.
Ihre Nachfrage, Frau Kollegin.
Verstehe ich Sie richtig, dass die Mittel um
305 Millionen Euro gekürzt werden, aber schon in 2011? –
Also: ja. Das ist eine Halbierung des Ansatzes. Ihnen ist
klar, welche Auswirkungen das hat: Bei den Förderpro-
grammen, die in der Regel über mehrere Jahre laufen,
werden im Hinblick auf zu erwartende Mittel die An-
träge gestellt. Wie groß ist das Fördervolumen, das die
Bezirksregierungen für die Folgejahre bereits beantragt
haben? Die Kürzung bedeutet, dass sich ganz viele Pro-
jekte weiter verschieben. Können Sie eine Größenord-
nung der Projekte nennen, die hier verschoben werden?
J
Das kann ich jetzt nicht konkret beantworten; zum
jetzigen Zeitpunkt könnte das auch niemand sonst tun.
Zunächst einmal gestaltet sich das Verfahren so: Es gibt
einen Kabinettsbeschluss über den Haushaltsentwurf,
dann tagt der Haushaltsgesetzgeber – also Sie – von Sep-
tember bis wahrscheinlich November und beschließt
über den Bundeshaushalt; erst im Nachgang zum Be-
schluss über den Bundeshaushalt verhandelt die Bundes-
regierung mit den Ländern über den Abschluss einer
Verwaltungsvereinbarung. In dieser Verwaltungsverein-
barung sind quasi die Durchführungsbestimmungen für
jedes einzelne Städtebauförderprogramm enthalten, auf
dessen Grundlage Anträge gestellt werden. Die Anträge,
die für dieses Jahr eingehen, werden mit der Haushaltsli-
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enn wir bei den Städtebauförderprogrammen kürzen,
ann gibt es zumindest noch die Länder, die Kommunen
nd natürlich auch Private, die etwas zum Stadtumbau
nd zur Städtebauförderung beitragen können. Insofern
ind diese Kürzungen für uns alle schmerzlich, aber sie
ind verantwortbar.
Weitere Nachfrage?
Ja. – Wie will die Bundesregierung den Kommunen
lanungssicherheit für bereits bestehende Projekte ge-
en, bei denen die Finanzvolumen einfach benötigt wer-
en?
J
Wir werden gemeinsam mit den Ländern, die für unsie Städtebauförderprogramme administrieren, daraufchten, dass wir durch die Kürzung der Programme nichtr einen Abbruch von langfristigen Entscheidungen sor-en. Das ist ganz verständlich. Es wird möglicherweiseicht möglich sein, neue Projekte zu beginnen, wennan laufende Projekte noch ausfinanzieren muss. Ichann Ihnen das heute konkret auf einzelne Länder oderonkrete Vorhaben bezogen nicht benennen, weil dietädtebauförderprogramme durch die Länder verwalteterden. Die Länder stehen für uns in der Verantwortung,iese Entscheidung sinnvoll zu treffen. Ich gehe aber da-on aus, dass auch in den Ländern verantwortliche Ent-cheidungen getroffen werden. Wir wollen alles versu-hen, die Auswirkungen der schmerzhaften Kürzungeno gering wie möglich zu halten. Aber selbstverständlicht es so, dass es Auswirkungen haben wird.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4915
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Wir können gerade noch die Frage 50 der Kollegin
Herlitzius abhandeln. Eigentlich sind wir schon am Ende
der Tagesordnung, aber das machen wir jetzt noch. Da-
nach kommen wir zur Aktuellen Stunde.
Ich rufe die Frage 50 der Kollegin Herlitzius auf:
Wie passt es zusammen, dass in dem von der Bundesregie-
rung in der letzten Wahlperiode vorgelegten Stadtentwick-
lungsbericht 2008 für die Jahre 2007 bis 2013 ein Jahreswert
von 700 Millionen Euro an direkten Städtebaufördermitteln
des Bundes empfohlen wird, die tatsächliche Höhe der Bun-
desmittel in den letzten Jahren aber nur 500 bis 550 Millionen
Euro jährlich betrug und die Städtebaufördermittel jetzt noch
weiter gekürzt werden sollen, und wie beurteilt die Bundes-
regierung den angesprochenen Stadtentwicklungsbericht 2008
in diesem Zusammenhang?
J
Frau Kollegin, die Mittelbereitstellung richtete sich
nach den haushaltsmäßigen Spielräumen der entspre-
chenden Bezugsjahre unter Maßgabe fachpolitischer Prio-
ritätensetzungen aus. Unabhängig davon darf nicht uner-
wähnt bleiben, dass die Städtebauförderung in diesem
Zeitraum überdurchschnittlich von Programmmittelver-
stärkungen profitiert hat. So markiert zum Beispiel der
für 2009 zur Verfügung gestellte Mittelumfang von rund
870 Millionen Euro einschließlich des Investitionspakts
zur energetischen Sanierung von Schulen, Kindergärten,
Sportstätten und sonstiger sozialer Infrastruktur in den
Kommunen einen in der Vorzeit nie erreichten Höchst-
stand. Darüber hinaus flossen der Städtebauförderung
zusätzliche Programmmittel aus dem Konjunkturpaket I
zu.
Die aktuell vorgesehene Kürzung ist notwendig, da
sie einen nicht unerheblichen Beitrag zur zwingend not-
wendigen Konsolidierung des Bundeshaushalts ermög-
licht, ohne dabei die Förderung der Stadtentwicklung
einzustellen. Die vorgesehene Kürzung geht einher mit
einer künftig noch weiter verstärkten Bündelung und Ef-
fektivierung der Förderprogramme.
Nachfrage?
Herr Staatssekretär, es erklärt sich mir trotzdem nicht,
warum Sie einen Etat kürzen, der 20-mal niedriger ist als
der Verkehrsetat mit seinen 10 Milliarden Euro, wo Sie
wesentlich schneller einsparen können. Warum kürzen
Sie beim Städtebau, obwohl Sie wissen, dass 1 Euro in
der Stadtentwicklung 9 Euro private Gelder akquiriert?
Warum machen Sie das?
J
Weil schlicht und einfach jedes Ressort die Verant-
wortung für den Gesamthaushalt trägt. Wir müssen ge-
nauso wie jedes andere Haus zur Konsolidierung beitra-
gen. Es ist keineswegs so, dass der Rotstift an den
Verkehrsinvestitionen ganz vorbeigegangen ist. Wir ver-
suchen, eine hohe Investitionslinie fortzuschreiben. Ich
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4916 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010
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fen in Deutschland keine rechtsfreien Räume, auch keinestrafverfolgungsfreien Räume dulden. Wir müssen nachbeiden Seiten die Augen offenhalten. Machen wir unsselbst bitte nichts vor – selbst wenn der eine oder anderedas nachher bestreiten sollte; genau so ist es –: HättenRechtsradikale die Hamburger Hafenstraße besetzt, hätteder Rechtsstaat nicht die Geduld gehabt, die er jahrelangaufgebracht hat.Zweitens. Es geht hier nicht um das Demonstrations-recht. Diejenigen, die am vergangenen Wochenendeschwere Straftaten begangen haben, können sich nichtauf das Recht auf Demonstrationsfreiheit – „friedlichund ohne Waffen“ – berufen. Hooligans sind keine Fuß-ballfans. Hooligans sind Kriminelle. Sie nehmen einFußballspiel zum Anlass, schwere Straftaten zu begehen.Der echte Fußballfan hat mit einem Hooligan nichts zutun. Der Demonstrant, der friedlich und ohne Waffen de-monstrieren will, für was auch immer, hat dazu ein gutesRecht, aber er sollte auch Obacht geben, dass er bei denDemonstrationen nicht jenen unfreiwillig Deckung bie-tet, die diese Demonstration zum Anlass nehmen, umschwere Straftaten zu begehen.Wenn unsere Polizistinnen und Polizisten – zum Teilnoch blutjung – in dieser Art und Weise angegriffen wer-den, dann werden sie nicht „nur“ in ihrer Eigenschaft alsPolizeieinsatzkräfte angegriffen, sondern auch als Re-präsentanten, als Verteidiger dieses Rechtsstaates. Des-halb gebührt all jenen ein ausdrückliches Dankeschön,die sich zum Teil Woche für Woche und Tag für Tag inden Dienst des Staates stellen, die sich bei Demonstra-tionen zum Teil Unsägliches anhören müssen, die ihr Le-ben riskieren, um diesen Staat zu verteidigen.
Zu den rechtlichen Konsequenzen möchte ich nurzwei Punkte kurz ansprechen. Ein Thema ist sicherlichder bessere strafrechtliche Schutz von Polizeieinsatz-kräften und anderen Kräften, die den Rechtsstaat schüt-zen sollen. Darüber sind wir uns in der Koalition nochnicht ganz einig,
aber vielleicht gelingt es uns in den nächsten Wochen,uns hier einig zu werden.Der zweite Punkt, der mir am Herzen liegt, ist § 125des Strafgesetzbuches, Landfriedensbruch, der in seinerjetzigen Ausgestaltung die Polizeieinsatzkräfte vor er-hebliche Probleme stellt. Ich möchte einmal aus demAbschlussbericht einer Polizeibehörde im Ruhrgebietvorlesen. Dieser Abschlussbericht, der erstellt wurde,bevor die Staatsanwaltschaft zu entscheiden hatte, ob sieAnklage erhebt oder nicht, sagt viel darüber aus, wie esim Alltag von Polizeieinsatzkräften, die massiv ange-griffen werden, aussieht, wenn es um die strafrechtlicheVerfolgung geht. Ich zitiere:Als sich die Gruppe der Businsassen auf der mittle-ren Fußgängerinsel des Königswalls befand,––dGgWwtäte–bdgstedAs§dskmlinv
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4917
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muss deutlich machen, dass sie in der Gemeinschaft derDemokraten nichts zu suchen haben.Danke.
Das Wort hat die Kollegin Gabriele Fograscher von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Sie haben heute eine Aktuelle Stunde zum Thema „Be-drohliches Anwachsen linksextremer Straftaten inDeutschland“ beantragt. Ich habe hier jetzt aber nichtsgehört, das dieses bedrohliche Anwachsen belegt. Ichbin sehr dafür, dass wir differenziert diskutieren und bei-des, linksextrem und rechtsextrem, in den Blick nehmen,aber nicht jedes brennende Auto ist automatisch demlinksextremen Spektrum zuzurechnen.Gestern hat Innensenator Körting den Verfassungs-schutzbericht für Berlin vorgestellt und erklärt, dass vonden 320 brennenden Autos im vergangenen Jahr145 Brandanschläge den Extremisten, zumeist linken,zuzuordnen seien. Gott sei Dank geht diese Zahl in die-sem Jahr zurück. Bis zum 14. Juni 2010 gab es97 Brandstiftungen, von denen 16 politisch motiviertwaren. Bei den anderen Anschlägen handele es sich umVandalismus, so Körting. Das ist schlimm genug, aberum das zu belegen, was Sie sagen, muss man die Zahlendifferenziert betrachten. Es sind Straftaten, hier muss er-mittelt werden – auch das ist schwierig genug –, und dieTäter müssen bestraft werden.Der Anschlag auf die Polizeibeamten bei einer De-monstration am vergangenen Samstag in Berlin war ge-zielt und mit hoher krimineller Energie durchgeführt.Bei diesem Anschlag gab es 14 verletzte Polizisten, zweidavon schwer. Wer hinter diesem Anschlag steckt, ist bisjetzt unklar.Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ver-urteilen diese Angriffe aufs Schärfste. Sie sind durchnichts zu entschuldigen oder zu rechtfertigen. Gewaltgegen Menschen oder Sachen ist kein Mittel der politi-schen Auseinandersetzung.
Wir müssen uns mit diesen Phänomenen auseinander-setzen. Wir begrüßen es daher, dass die Innenministervon Bund und Ländern auf der letzten Innenministerkon-ferenz im Mai die Gremien beauftragt haben, bis zurHerbstkonferenz einen abgestimmten Vorschlag zurBekämpfung der politisch links motivierten Gewalt zuunterbreiten. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unterFührung des BKA will einen umfassenden Maßnahmen-katalog und Handlungsempfehlungen erstellen.Wir müssen mehr über das Phänomen Linksextremis-mus wissen. Wir müssen wissen, ob es sich um vernetzteSHsmDnndsaisDsWctäsLckSsDkLSgtegavmgsmkmrusNsm
Die Programme des Bundesministeriums für Familie,enioren, Frauen und Jugend richten sich an die Zivilge-ellschaft, sich gegen Ausländerhass, Antisemitismus,emokratiefeindlichkeit und Intoleranz zu wehren. Sieönnen nicht eins zu eins auf die Bekämpfung voninksextremismus und Islamismus übertragen werden.ie glauben doch nicht ernsthaft, dass durch pädago-isch-präventive Konzepte ein Extremist davon abgehal-n werden kann, eine Bombe zu basteln – die Anleitun-en werden ja in der Szene verbreitet – und diese dannuch einzusetzen. Deshalb täuschen die Ankündigungenon Ministerin Schröder, Programme gegen Linksextre-ismus und Islamismus aufzulegen oder die Programmeegen Rechtsextremismus auszuweiten, ohne dass sieagt, was sie eigentlich tun will, einfach nur Aktionis-us vor.
Der Staatssekretär im Bundesfamilienministerium er-lärt immer wieder, man sei in der Sondierungsphase,an sei in einem Planungsprozess, man mache Anhö-ngen und führe Gespräche. Doch was genau passierenoll, ist bis heute unklar.Auf der Internetseite des BMI heißt es:Höchsten Stellenwert misst die Bundesregierungder Bekämpfung des Extremismus zu. Sie setzt hiereinen wesentlichen innenpolitischen Schwerpunkt,weil Intoleranz, Rassismus und Fremdenfeindlich-keit das innere Gleichgewicht einer demokratischenGesellschaft stören.ehmen Sie diese Aufgabe endlich ernst!Wenn Sie von den Regierungsfraktionen heute fest-tellen, es gebe ein bedrohliches Anwachsen linksextre-istischer Straftaten, ist es wirklich an der Zeit, dass
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4918 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010
Gabriele Fograscher
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Sie, Herr Bundesinnenminister, sich dazu äußern und er-klären, mit welchen Maßnahmen Sie diesem Problembegegnen wollen. Extremismusbekämpfung und innereSicherheit sind originäre Aufgabe des Bundesinnen-ministers und nicht der Familienministerin.Danke sehr.
Das Wort hat der Kollege Dr. Stefan Ruppert von der
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Frau Fograscher, lassen Sie es mich am Anfang sa-gen: Die Bekämpfung von Extremismus ist Aufgabe vonuns allen, indem wir zeigen, dass sich die Mitte dieserGesellschaft vor extremistischer Gewalt nicht verstecktund dass sie sie bekämpft, und zwar solidarisch.
Die Aktuelle Stunde, die wir heute durchführen, hateinen sehr traurigen Anlass. Deswegen will ich sagen:Wenn wieder einmal linke Extremisten schwere Gewalt-taten begangen haben, ist es unsere Aufgabe – das tueich hiermit –, den verletzten Beamten unser Mitgefühlund beste Genesungswünsche auszusprechen.
Gerade wenn es manchen an Klarheit fehlt, muss hiereinmal gesagt werden: Wir verurteilen das aufsSchärfste.
Wir wissen, dass die linksextreme Gewalt keine neueErscheinung ist. Bereits seit Jahren verzeichnet die bun-desweite Kriminalstatistik kontinuierlich Anstiege indiesem Bereich. Langsam wird das linksextreme Milieustärker, und die bedrohte Mitte der Gesellschaftschrumpft. Mit einem Zuwachs von 39,4 Prozent ver-zeichnete die linksextremistisch motivierte Kriminalitätden höchsten Anstieg seit vielen Jahren, und auch Ge-walttaten aus diesem Spektrum nahmen um 53,4 Prozentzu.
Die Ereignisse vom Wochenende sind also keinesfallsEinzelfälle, sondern symptomatisch für eine breite Ent-wicklung in den letzten Jahren, und davor verschließtdiese Koalition ihre Augen nicht.
Was ist zu tun? Es ist unsere Pflicht als Demokraten,dem Phänomen ernst gegenüberzutreten und es zu be-kämpfen.WamUabsmGEdsKweadmmdCms–IcdgaIcLFdmnreHeg
ir müssen analysieren, welche Milieus dort genaugieren. Was eint die Menschen, die Autos anzünden,it altkommunistischen Gruppen, mit Menschen, die anniversitäten zunehmend gewaltbereit werden, mit derutonomen Szene und mit der Jugend, die soziale Pro-lem hat? Wodurch werden diejenigen geeint, die die-em Phänomen des Linksextremismus anhängen? Hierüssen wir genauer hinschauen, um dann entsprechendeegenstrategien zu entwickeln.
in besonders besorgniserregender Indikator ist dabeiie schrumpfende Mitte unserer Gesellschaft. Sie zutärken, ist deshalb oberstes Prinzip liberaler Politik.
Nach der Analyse – ich komme gleich zu Ihnen, liebeolleginnen und Kollegen von der Linken – ist es aberichtig, zu sagen – da hat Frau Fograscher recht –, dassine einfache Übertragung der Programme von Rechtsuf Links natürlich nicht sachgerecht ist. Gerade weiler Rechtsextremismus ein sehr ernstes Problem bleibt,üssen wir ihm unsere ungeteilte Aufmerksamkeit wid-en, aber wir müssen eben auch gegen Links vorgehen.
Ich glaube übrigens, ein Mittel wäre, wenn wir uns,ie wir hier agieren – aus SPD, Grünen, FDP und CDU/SU –, mitunter etwas einiger zeigen und unsere ge-einsamen Werte, die wir haben, stärker nach vornetellen würden.
Sie schimpfen an dieser Stelle. Ich sage ganz bewusst:h nehme mir vor, Sie auch dann zu loben, wenn ichen Eindruck habe, Sie treten für gemeinsame Überzeu-ungen der Demokratie ein, und ich werde dann nichtus parteipolitischem Reflex schlicht dagegenhalten.
Lassen Sie mich das einmal ganz persönlich sagen:h spreche mitunter auch mit einzelnen Vertretern derinken, etwa über die Bekämpfung des Antisemitismus.rau Pau ist zum Beispiel hier. Dabei habe ich mitunterurchaus den Eindruck: Auch Sie bekämpfen den Extre-ismus und machen sich die Auseinandersetzung damiticht leicht. – Das sind die einen Momente. In den ande-n Momenten sehe ich dann wieder Frau Jelpke, Frauöger, Frau Dağdelen und andere, die sich öffentlich mitxtremistischen Gruppierungen, wie der „militantenruppe“, solidarisieren,
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4919
Dr. Stefan Ruppert
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die Anschläge mit Gefährdungen von Menschen als legi-times Mittel erachten – diese Gruppen tun das und nichtdie Abgeordneten – und vor Gericht schon verurteiltworden sind.Was passiert dann? Nichts. Das ist doch das Erschre-ckende. Sie lassen diese Abgeordneten von der Linkenschlicht gewähren. Auch jüngst in Sitzungen, an denenwir gemeinsam teilgenommen haben, sagten Sie nichtsdagegen, kein Moment der Distanzierung. Das sind dieMomente, in denen man es mit der Angst zu tun be-kommt, wenn man daran denkt, was wäre, wenn Sie al-leine politischen Einfluss in dieser Republik hätten.
Trotz der vielen guten Gespräche im Einzelfall ist esalso an uns allen, die Werte von Weltoffenheit, Toleranz,aber auch sozialer Marktwirtschaft in diesem Land zuverteidigen. Ich hoffe, wir finden dort eine größere Alli-anz.Herr Körting hat mit Recht gesagt, dass es sich einedemokratische Partei schlicht nicht leisten kann, ein ge-brochenes Verhältnis zur Gewalt zu haben. Dem ist we-nig hinzuzufügen.
– Es gibt einen präventiven Ansatz. Darauf wird gleichder zweite Redner meiner Fraktion eingehen.Ich glaube, dass sich diese Koalition darauf verständi-gen wird, wie die Probleme zu lösen sein werden. Dasgilt auch in Fragen des Strafrechts; da können Sie sichsicher sein. Wir werden die Dinge angehen, und wir wer-den dies einig und gemeinsam mit der CDU/CSU tun.
Ich würde mir wünschen, dass wir im Kampf gegenden Linksextremismus nicht nur Grüne und SPD, son-dern auch Sie, Kolleginnen und Kollegen von den Lin-ken, auf unserer Seite hätten. Dann kämen wir der Sachedeutlich näher. Leider ist von Ihnen wenig zu hören. Be-sinnen Sie sich: Kehren Sie um und machen Sie es an-ders!Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Halina Wawzyniak von der
Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Wer Sprengsätze auf Polizisten wirft, ist nicht links,ist kein Fußballfan; er ist kriminell.
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Es geht darum, Gewalt – egal, von wem sie ausgeübtird – zu verhindern. Dafür tragen wir alle hier eine ge-einsame Verantwortung. Ich wiederhole: Gewalt istein Mittel der politischen Auseinandersetzung. Aberie Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt sollteuch nicht als Mittel benutzt werden, um legitimen poli-schen Protest insgesamt zu delegitimieren.
Auch dafür tragen wir eine gemeinsame Verantwor-ng. Ich bitte all diejenigen, die sich an dieser Debatteeteiligen, sich dieser Verantwortung bewusst zu sein.eshalb werden wir es nicht zulassen, dass nun versuchtird, das berechtigte Anliegen mehrerer Zehntausendürgerinnen und Bürger, die in Berlin und Stuttgart pro-stiert haben, zu diskreditieren.
Es ist richtig und wichtig, dass sich Bürgerinnen undürger engagieren: in Vereinen, bei Volksentscheiden,olksbegehren und auch bei Demonstrationen und Sitz-lockaden. All dies ist Bestandteil einer lebendigen De-okratie, und all dies soll und muss weiter durchgeführterden.Wir als Linke werden auch weiterhin zu gewaltfreienemonstrationen und Sitzblockaden aufrufen. Es isteit, sich zu wehren: gegen unsoziale Politik, Abbau vonürger- und Menschenrechten und Auslandseinsätzener Bundeswehr.
Wir glauben an die Überzeugungskraft unserer Argu-ente und setzen deshalb auf zivilen friedlichen Unge-orsam. Diese Mittel halten wir für legitim.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her-n, ich wohne und lebe im Berliner Bezirk Friedrichs-ain-Kreuzberg. Jährlich gibt es in Berlin eine Auseinan-
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Halina Wawzyniak
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dersetzung um den 1. Mai, insbesondere in diesemStadtteil. Gebetsmühlenartig wiederholt die Hauptstadtu-nion den Vorwurf, dass es dabei zu linksextremistischenStraftaten kommt. Herr Ruppert hat offensichtlich ordent-lich zugehört und es wiederholt. Studien belegen abermittlerweile, dass es sich hier im Großen und Ganzennicht um politische Gewalt, sondern mehrheitlich um „er-lebnisorientierte Jugendliche“ handelt.
Auch Gewaltausbrüche erlebnisorientierter Jugendli-cher sind nicht akzeptabel. Aber es hilft in der Auseinan-dersetzung nicht weiter, hier ausschließlich einen links-extremistischen Zusammenhang zu konstruieren.
Es ist gut, dass der rot-rote Senat an seiner Deeskalati-onsstrategie festhält. Die Deeskalationsstrategie beimMyfest in Kreuzberg trägt langsam Früchte, und wir allewären gut beraten, die damit erreichten Erfolge nichtkleinzureden, sondern für eine Fortsetzung derartigerStrategien einzutreten.
Die Antwort auf Gewalt – im Stadion, in der Woh-nung, auf Demonstrationen und nicht zu vergessen dierassistisch motivierte Gewalt von Neonazis und Faschis-ten – kann nicht sein, Strafverschärfungen vorzunehmen,Eingriffsbefugnisse zu erhöhen und politisches Kapitaldaraus zu schlagen. Die Antwort darauf muss sein, ge-meinsam deutlich zu machen, dass Gewalt nicht ein ein-ziges politisches Problem löst, weder im Inneren nochim Äußeren.
Diese Delikte zum Anlass zu nehmen, über eine Straf-verschärfung nachzudenken, halte ich für reine Symbol-politik, die keinerlei Effekt hat. Es gibt einen Strafrah-men für Körperverletzungsdelikte. Diesen auszunutzenist Sache der Gerichte.Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her-ren, ein wenig erinnert mich vor allem der Beitrag vonHerrn Ruppert an die Debatte, die jedes Jahr in Berlinvor dem 1. Mai stattfindet. Hier werden im Vorfeld Aus-schreitungen und Gewalttaten in ungeheurem Ausmaßan die Wand gemalt – eine Voraussage und eine Panik-mache, welche die Emotionen hochpeitschen und amEnde wenig mit dem realen Leben zu tun haben.
Am Ende stehen Bilder, die uns allen nicht gefallen kön-nen, beispielsweise Bilder eines Polizeibeamten, der ei-nen Demonstranten über den Haufen rennt und ihm ge-gen den Kopf tritt. Auch wenn der Beamte sich indiesem Fall selbst gestellt hat, ist es schlicht aus rechts-staatlichen Gründen wichtig, dass wir eine individuelleKennzeichnungspflicht für Polizeibeamte einführen.
as kann und sollte eine anonymisierte Kennzeich-ungspflicht sein. Aber es muss auch klar sein: Polizis-n sind Staatsbürger in Uniform, Staatsbürger, die unse-n Schutz verdienen, aber nicht im rechtsfreien Raumgieren.
Meine Damen und Herren, für die Linke sind Protestnd ziviler Ungehorsam legitime und nötige Mittel
er politischen Auseinandersetzung. Gewalt ist es nicht.o einfach ist das.
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Wieland von
ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! All denje-igen, die wie heute die Berliner Zeitung sich darüberokieren, dass nicht der Protest der 20 000 gegen So-ialabbau hier die Debatte bestimmt, sondern die Zün-ung dieses Explosivkörpers, halten wir ganz deutlichntgegen: Wir haben hier über das Sparpaket debattiert,ir werden auch weiter heftig über dieses Sparpaket de-attieren, aber es ist genauso richtig und notwendig, an-esichts dieses – das kann man in der Tat so sagen – An-chlages von neuer Qualität über ebendiesen Anschlagu debattieren. Wir jedenfalls gehen nicht zur Tagesord-ung über.
h schließe mich deswegen ausdrücklich den Gene-ungswünschen an, die hier geäußert wurden, insbeson-ere gegenüber den beiden inzwischen glücklicherweiseus dem Krankenhaus entlassenen Polizeibeamten.
Wenn hier nach der Gemeinsamkeit der Demokratenefragt wird, dann wiederhole ich ganz deutlich, was alleraktionen des Berliner Abgeordnetenhauses – ich be-ne: alle – zu diesem Anschlag gesagt haben, nämlichass dieser Anschlag eine neue Eskalationsstufe der Ge-alt ist, der durch nichts zu rechtfertigen und insgesamtu verurteilen ist.
ie erste Antwort muss deshalb sein, die Täter zu ermit-ln und vor Gericht zu stellen. Für diese Antwort – dasage ich an den Innenminister de Maizière gewandt –icht unser Strafgesetzbuch vollständig aus. Wir habeneinerlei Verständnis dafür, dass Sie geradezu reflexartig
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Wolfgang Wieland
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in der FAZ nach diesem Anschlag wieder eine Verschär-fung der Straftatbestände gefordert haben.
– So ist er zitiert, so sind auch andere von Ihnen zitiert.
– Sie werden ja noch reden; dann sagen Sie etwas da-zu. – So kam die Forderung reflexartig auf diesen An-schlag.Die Staatsanwaltschaft in Berlin hat in vergleichbarenFällen – Molotowcocktail auf Polizeibeamte – wegenversuchten Mordes angeklagt. Ich brauche Ihnen nichtzu sagen, Herr Kollege Krings, dass der Strafrahmen insolchen Fällen von 3 bis 15 Jahren reicht. Selbst wennich hier von einer gefährlichen Körperverletzung aus-gehe, beträgt der Strafrahmen 6 Monate bis zu 10 Jah-ren.Wer hier eine Debatte über Strafverschärfung führt,der will in Wirklichkeit etwas ganz anderes. Der will sei-nen Nachbarn weichkochen für Strafverschärfungen beiWiderstand gegen Vollstreckungsbeamte; und das haltenwir angesichts dessen, was vorgefallen ist, für nicht an-gängig. Das halten wir für schäbig; das muss so deutlichgesagt werden.
Es ist auch nicht hinnehmbar, Herr Kollege Uhl, dassSie in der Bild-Zeitung ankündigen, Sie würden hier einWort zum Versagen des Berliner Innensenators an unsrichten. Dazu sage ich Ihnen ganz deutlich: Wenn derBerliner Innensenator versagt hätte, dann hat lange zuvorsein Hamburger Amtskollege, Innensenator Ahlhaus,versagt. In diesem Jahr war am 1. Mai in Hamburg eineschärfere Randale als in Berlin, und das will schon etwasbedeuten. Insbesondere der Angriff mit Molotowcock-tails auf die Polizeiwache in Hamburg hatte eine Quali-tät, wie wir sie in Berlin jedenfalls noch nicht gesehenhaben. Deswegen sage ich an dieser Stelle: Hören Sieendlich mit der Aufrechnerei auf! Dieser Anschlag eig-net sich nicht dafür, parteipolitische Süppchen zu ko-chen.
Das bringt an Erkenntnis gar nichts.Sie wollen zuallererst eine Strafverschärfung. DerKollege Bosbach will offenbar – das war mir neu – zumLandfriedensbruchparagrafen aus Kaisers Zeiten zurück-kehren und fordert, dass alle haften, wenn auch nur einereinen Stein wirft. Hören Sie mit dem Ruf nach Strafver-schärfungen auf! Wenn Sie eine gesellschaftliche Offen-sive gegen Linksextremismus wollen, dann kann mandarüber reden. Auch wir wollen das zivilgesellschaftli-che Engagement stärken. Die Kollegin Wawzyniak hatauf das Myfest hingewiesen, das jedes Jahr am 1. Mai inBerlin stattfindet. Dieses Fest stellt seit langem einezivilgesellschaftliche Antwort dar. Sie müssten irgend-wSsedtoIcvuddafommpswmbzbvMnHmTssRAetengsteliklugIn
Ich sage nicht: Ändern Sie Ihre Politik, weil Molo-wcocktails fliegen und Brandsätze gezündet werden!h will den Tätern nicht Erfolg auf diese Art und Weiseerschaffen. Ändern Sie Ihre Politik, weil sie ungerechtnd unsozial ist! Selbst Ihre Wirtschaftsverbände for-ern eine Änderung. Wenn Sie dazu nicht bereit sind,ann machen Sie wenigstens nicht den Fehler, verbalufzumuskeln. Kollege Krings, es geht nicht, wie Sie esrmuliert haben, um kriegstaugliche Waffen. Anderealen unentwegt das Entstehen einer neuen Rote-Ar-ee-Fraktion an die Wand. Es gibt auch in der Innen-olitik so etwas wie eine Selffulfilling Prophecy. Davorollten wir uns alle hüten; denn das ist das Letzte, wasir gebrauchen können.
Was nottut, ist eine nüchterne Analyse ohne jede Dra-atisierung. Das Vorgefallene ist schlimm genug; dasraucht man nicht zu dramatisieren. Wir brauchen eineielgerichtete und erfolgreiche Polizeiarbeit sowie – last,ut not least – eine gesellschaftliche Ächtung jeder Formon Gewalt.
Das Wort hat der Bundesinnenminister Dr. Thomas deaizière.Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-ern:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedankeich dafür, dass jetzt eine Aktuelle Stunde zu diesemhema stattfindet. Ich glaube, das sind wir den beidenchwerverletzten Polizisten, aber auch den anderenchuldig. Es handelt sich hier, wie Herr Wieland zuecht gesagt hat, um eine neue Qualität. Das ist allemalnlass genug, um darüber zu diskutieren. Auch von mirin herzlicher Genesungswunsch an die beiden Polizis-n!Leider handelt es sich nicht um Einzelfälle. Sie habenach Zahlen gefragt. Herr Ruppert hat bereits einige vor-etragen. Von 7 politisch links motivierten Tötungsver-uchen im letzten Jahr haben sich allein 4 gegen Polizis-n gerichtet. Von 849 Körperverletzungsdelikten aus dernken militanten Szene richteten sich 440 gegen Polizei-räfte. Welche Zahlen wollen Sie noch? Dieser Entwick-ng müssen wir mit einer Reihe von Maßnahmen ent-egentreten. Sie haben darauf hingewiesen, was dienenministerkonferenz macht. Dazu gehören eine sinn-
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4922 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern
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Bundesminister Dr. Thomas de Maizièrevolle Vorbereitung auf Demonstrationen, eine vernünf-tige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, einekluge Einsatztaktik, Schutzkleidung, gezielte und be-weissichernde Festnahmen sowie harte und schnelle Ver-urteilungen; all das ist wahr. Zum Gesamtumfeld gehörtaber auch – sicherlich nicht zur Aufarbeitung dieser bei-den Fälle; damit haben Sie recht, Herr Wieland –, dasswir, die Bundesregierung, auf dem richtigen Weg sind,wenn wir den strafrechtlichen Schutz von Polizisten undEinsatzkräften stärken. Wir werden uns vermutlich sehrbald über alle diese Fragen im Einzelnen einigen.Ich will aber heute über all diese Fragen nicht im Ein-zelnen reden, sondern den angesprochenen Fall zum An-lass nehmen, um mit Ihnen Gedanken über den geistig-politischen Hintergrund dessen, was dort passiert, auszu-tauschen.Vor nunmehr einem Jahrhundert hat die bekennendeKommunistin Rosa Luxemburg den berühmten Satz ge-sagt – ich zitiere –:Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, Frei-heit nur für die Anhänger einer Partei – mögen sienoch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheitist immer nur die Freiheit des Andersdenkenden.
Heute erlauben sich links- und rechtsextreme Auto-nome ein anderes Freiheitsverständnis. In einer frühenAusgabe der autonomen Szenezeitschrift Radikal wurdefolgender Satz geprägt, um ein sogenanntes autonomesLebensgefühl zu beschreiben – ich zitiere –:Freiheit ist … der kurze Moment, in dem der Pflas-terstein die Hand verlässt, bis zum Moment, wo erauftrifft.Während also Rosa Luxemburg den Freiheitsbegriffintellektuell zutreffend und pointiert definiert, ist daszweite Zitat ein erschreckendes Zeugnis geistiger Verir-rung, einer Pervertierung des Freiheitsbegriffs. Das istalles andere als erlebnisorientiert, Frau Kollegin von derlinken Seite.
Diesen Missbrauch des Freiheitsbegriffes dürfen wirin unserem Land nicht dulden. Autonome bestimmen indiesem Land nicht, was Freiheit ist, und Autonome be-stimmen in diesem Land auch nicht, welche Gesetze gel-ten. Freiheit ist ein kostbares Gut, das es zu verteidigengilt.Sie haben gesagt: Gewalt, nein. – Ich war erfreut, dasin dieser Klarheit von Ihnen zu hören. Ich komme gleichnoch einmal auf diesen Punkt zurück. Sie haben aberauch gesagt: ziviler Ungehorsam, ja. – Der Meinung binich nicht. Es steht keinem Demonstranten und keinemBürger zu, selbst zu bestimmen, dass er gegenüber Ge-setzen zivilen Ungehorsam übt. Darin unterscheiden wiruns fundamental; das will ich einmal sagen.
sbSmwreAictiudStevsWlaoBwsDsTicsIcSsWwvdnDteddktiLAdsnk
ber diese Kritik muss ich ertragen, diese Kritik kannh ertragen, und ich bin stolz darauf, dass ich diese Kri-k ertragen darf. Das ist Teil unserer politischen Kulturnd unseres demokratischen Verständnisses. Nur, wirürfen diese Freiheit, für unsere Überzeugung auf dietraße gehen zu können, nicht durch gewalttätige Chao-n verhunzen oder kaputtmachen lassen. Die Ausübungon Demonstrationsfreiheit darf für niemanden in die-em Lande gefährlich werden.
ir wollen das auch nicht von Menschen kaputtmachenssen, die angeblich dadurch ihre Freiheit verwirklichender ihren Frust auslassen, dass sie Pflastersteine oderrandgeschosse auf andere Menschen oder Polizistenerfen. Dies ist nicht nur ein unerhörter Angriff auf un-ere Polizisten, dies ist ein Angriff auf den Kern unsereremokratie selbst. Insbesondere deswegen sind wir sotark dagegen.Wir haben gelernt, dass bei Demonstrationen dierennung von Extremisten wichtig ist. Deswegen sageh für den Samstag und auch für die Zukunft: Man mussich auch während einer Demonstration trennen.
h sage allen Demonstranten: Trennt euch auf dertraße von dem schwarzen Block! Erlaubt nicht, dassich Autonome als Kleingruppen unter euch mischen! –enn Gewalt aus Demonstrationen heraus ausgeübtird, erwarte ich, dass sich friedliche Demonstrantenon dieser Gewaltanwendung auch räumlich trennen,amit die Polizei Festnahmen durchführen kann, undicht geradezu Schutz bieten.
emokraten dürfen Antidemokraten keinen Schutz bie-n, erst recht keinen räumlichen Schutz. Wenn Sie sichie entsprechenden Szenen auf YouTube anschauen,ann sehen Sie, dass davon am vergangenen Samstageine Rede sein konnte.Zur räumlichen Trennung gehört aber auch eine geis-ge Trennung, eine glasklare politische Abgrenzung.inks motivierte Gewalt ist deutlich und mit gleichembscheu durch alle Teile der Gesellschaft zu ächten, wieies unter allen Demokraten bei rechtsextremer Gewalteit langem selbstverständlich ist. Dies kann die Polizeiicht. Das ist auch nicht die Aufgabe der Polizei. Dasann und muss die Zivilgesellschaft leisten.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4923
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern
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Bundesminister Dr. Thomas de MaizièreWir sollten uns überlegen, ob es ausreichend ist, dasswir hier von politisch motivierter Gewalt sprechen. Wirzählen in der Polizeilichen Kriminalstatistik rechts-extrem oder linksextrem politisch motivierte Gewalt, dasist wahr. Aber was ist eigentlich politisch an dem Ver-such, einen anderen Menschen zu verletzen oder seineTötung billigend in Kauf zu nehmen?
Nichts. Diese Täter sind Straftäter, Trittbrettfahrer, diedas politische Engagement der anderen als Feigenblattfür ihre eigenen Gewaltexzesse nutzen.
Deswegen appelliere ich an alle zukünftigen Veranstalterund Teilnehmer – der vergangene Samstag war einschlechtes Beispiel –: Lassen Sie sich nicht zu Feigen-blättern solcher feiger vermummter Gewalttäter machen!Unterstützen wir die Polizei; aber lassen wir sie in dieserAuseinandersetzung nicht allein!Jeder Demonstrant und jeder Veranstalter von De-monstrationen hat auch seine Verantwortung zu tragen,dass Demonstrationen friedlich bleiben. Das ist, geradewenn es schwierig wird, eine demokratische Pflichtfreier Bürger, und auch das zeichnet eine stolze und freieDemokratie aus.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Daniela Kolbe von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DieMeldungen von den Zwischenfällen am Wochenende ha-ben uns erschüttert. Wir hoffen auf eine rasche Genesungder verletzten Polizisten und auf schnelle Fahndungser-folge, damit die Täter belangt und einer gerechten Strafezugeführt werden und damit die Hintergründe dieser Tatklarer werden. Egal ob es sich um eine politisch moti-vierte Tat oder Krawalltourismus handelt, das Unver-ständnis über diese sinnlose Tat wird bleiben.Die Koalitionsfraktionen nehmen die Geschehnissezum Anlass, um über – Zitat – „Bedrohliches Anwachsenlinksextremer Straftaten in Deutschland“ zu diskutieren.Das könnte ein guter Anlass sein, um über konkrete Pro-blemanalysen, über Zielstellungen und angemessene Me-thoden zu sprechen. Davon sehe ich hier im Moment al-lerdings noch relativ wenig. Stattdessen erlebe ich purenAktionismus, Polemik und leider viel zu viel Gleichma-cherei.
Sie sprechen von linksextremen Straftaten. Ich per-sönlich finde, der Terminus „politisch motivierte GewaltliDeDseliwdwkBtiteMnPreDfedturedwsIngdshgzSksgmlekkdgafekzssvpk
Die SPD setzt sich für einen differenzierten, besonne-en Umgang mit diesem Thema ein. Es geht darum, dasroblem zu analysieren, die Tätergruppe zu identifizie-n und das Phänomen gesellschaftlich einzuordnen.ann kann man auch die geeigneten Maßnahmen ergrei-n. Wir haben es mit einem Großstadtphänomen zu tun,as nicht neu ist. Wir haben es mit Straßenmilitanz zun, und in der Tat haben wir in den letzten beiden Jah-n in diesem Bereich Zuwächse. Zeitgleich gab es beien Anschlägen auf Autos und andere Objekte ein An-achsen. Hier sind die Zahlen in Berlin laut Verfas-ungsschutz 2010 glücklicherweise wieder rückläufig.nensenator Körting, der in diesem Bereich einen sehruten Job macht, hat darauf gestern hingewiesen. Eineifferenzierte Betrachtungsweise ist notwendig, und esind weiterhin Verfassungsschutz und Polizei gefragt,ier differenziert tätig zu werden.Genaues Hinschauen und abgestimmtes Handeln sindeboten. Eine weitere Radikalisierung gilt es unbedingtu vermeiden. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass amamstag 20 000 Menschen, zum Teil auch schwarzge-leidete, friedlich und legitim auf die Straßen gegangenind, um gegen ein sozial schlicht ungerechtes Sparpro-ramm zu demonstrieren. Es muss darum gehen, De-onstrationsanmelder darin zu unterstützen, dass sie al-s tun, damit es aus ihrer Mitte nicht zu Gewalttatenommt. Veranstalter sollten die Gelegenheit nutzen, sichlar von Gewalt zu distanzieren.Aktionismus und Law-and-Order-Gebrüll werden je-och nicht zum gewünschten Ziel führen, eher im Ge-enteil. Dass die Androhung höherer Strafen wirklichbschreckend wirkt, daran habe ich meine großen Zwei-l. Gleichwohl ist es natürlich sinnvoll, darüber zu dis-utieren, wie man Polizei und Rettungskräfte gegen dieunehmende Gewalt, mit der sie aus Teilen der Gesell-chaft – nicht nur bei Demonstrationen – konfrontiertind, schützen kann. Die SPD wird hierzu Vorschlägeorlegen.Das von Frau Dr. Schröder angekündigte Bildungs-rogramm gegen Linksextremismus und Islamismusann ich wirklich nur als Aktionismus bezeichnen. Da
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4924 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010
Daniela Kolbe
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werden 2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Fürwas eigentlich?
Die beteiligten Bildungsträger haben von ihrem Glückaus der Zeitung erfahren. Wen sie mit welchem Bil-dungsziel bilden sollen, ist immer noch unklar. SpiegelOnline titelt passend „Bildung gegen Bambule“ und istebenso ratlos wie ich und viele Bildungsträger. Wie solldenn mit politischer Bildung politisch motivierte Gewaltvermieden werden, etwa mit Aufklärung zur DDR-Ge-schichte, wie es in Weimar geplant ist? Das ist doch ab-surd!Mich würde da, ehrlich gesagt, die Problemanalyseder Ministerin interessieren und vor allen Dingen, aufwelchen Daten, Zahlen und Fakten sie beruht. Da sind– das wollte ich der Frau Ministerin sagen; leider ist sieheute nicht hier, obwohl das ein Thema ist, glaube ich,das sie sehr interessiert – viel zu viele Fragen offen.In Zeiten klammer Kassen kann ich nur empfehlen:Das Geld wäre in den bewährten Programmen für einelebendige Demokratie deutlich besser aufgehoben.
Ich kann die Koalition nur deutlich davor warnen, deroffenbar vorhandenen Versuchung nachzugeben, die ak-tuelle Debatte zu instrumentalisieren. In diesem The-menbereich sind kühler Kopf und angemessenes Vorge-hen gefragt.
Es geht um eine ernsthafte, sachliche und reflektierteDebatte zum Umgang mit politisch motivierter Gewaltlinks, die wirklich weiterhilft. Das Thema ist viel zuernst, um für Polemik und Stimmungsmache herzuhal-ten, auch wenn man damit – bei der Themensetzunghatte ich den Eindruck – gut von anderen Themen ablen-ken kann.
Das Wort hat der Kollege Florian Bernschneider von
der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Diese Aktuelle Stunde hat einen sehr konkreten,sehr aktuellen und erschreckenden Hintergrund. Ichglaube, wir tun uns, aber auch der Sache trotzdem einenGefallen, wenn wir den Kern dieser Debatte nicht ausden Augen verlieren. Im Kern geht es eben nicht umHöchststrafen und die Ausstattung von Gefängnissen,sondern im Kern geht es um die richtigen präventivenAnsätze und die Ausstattung von Schulen.juPMretigugdWredimPNTMezgsruMhgbndudghzAkhueingnmscnnBm
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Florian Bernschneider
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völlig egal, woran Sie es festmachen: Sie müssen fest-stellen, dass wir in der Gestaltung unserer Programmedem Linksextremismus nicht gerecht werden. Deshalbmüssen wir zukünftig darauf einen stärkeren Fokus le-gen.
Ich finde es schon bedenklich, wenn der KollegeBockhahn von der Linken auf die Frage nach Ausstei-gerprogrammen für Linksextreme hier im Plenum ant-wortet: Die werden nicht gebraucht. –
Dass Sie von der Linkspartei ohnehin Schwierigkeitenhaben, Einsparungen zu leisten, wissen wir und erlebenwir gerade in diesen Tagen.
Dass Sie bei Programmen gegen Rechtsextremismusnicht sparen wollen, nehme ich Ihnen noch nicht einmalübel, obwohl ich glaube, dass man auch hier intelligentsparen kann, ohne der Sache zu schaden. Was ich Ihnenaber übel nehme, ist, dass Sie Ihrer üblichen Argumenta-tionslinie – so falsch ich sie auch finde – nicht folgen.Warum fordert hier kein Vertreter der Linkspartei Ban-ker und Besserverdiener zur Kasse, um in Programmegegen Linksextremismus zu investieren?
Warum tut das gerade hier keiner?Meine Damen und Herren, genau das und auch IhrVerhalten in der Diskussion hinterlässt bei mir einen fa-den Nachgeschmack.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl
von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen undKollegen! Dass das, was am Samstag in Berlin passiertist, eine neue Qualität hat, ist von einigen Rednern– auch von Ihnen, Herr Wieland – bereits gesagt worden.Ich möchte noch einmal herausstellen, warum es richtigist, was sie gesagt haben.Die Verletzungen der Polizeibeamten rühren daher,dass Splitterbomben zum Einsatz kamen, die mit Eisen-teilen gespickt und perfiderweise auch noch in eine Plas-tikhülle gesteckt waren, damit die Eisenteile, durch dieExplosion erhitzt, mit dem Plastik verschmelzen und aufden Uniformen festkleben bzw. sie durchdringen. Deswe-gen sind die Polizisten auch so schwer verletzt worden.Das heißt, wir haben es mit einer Gewalt zu tun, wie es siein Deutschland in den letzten Jahren nicht gegeben hat.Dennoch kam das nicht überraschend, wenn man sichdie Gewalttaten der letzten Monate vergegenwärtigt: VoreletumEEzBsgmdnEgdlesEksDwSsdddddewvdDnN
s sind linke Gewalttäter, linksorientierte und nicht ir-endwelche Kriminelle,
ie genau wissen, was sie tun. Das können Sie feststel-n, wenn Sie sich einmal intensiv das Vorwort durchle-en.Das ist der eigentliche Gegenstand unserer Debatte.s gibt in der deutschen Linken derzeit eine Gewaltdis-ussion über die Frage: Ist Gewalt klug bei der Durch-etzung der linken Ziele oder nicht?
iejenigen, die solche Bomben legen, wissen genau,as sie tun.
ie sprechen sich für Gewalt aus. Da heißt es zum Bei-piel – ich lese nur einen Satz vor –: Schaut euch dochie Grünen oder die Linkspartei an, die heute selbst aufer Seite der Mächtigen stehen und Schweinereienurchsetzen. – So begründen sie dann, dass man es an-ers machen muss,
ass man sich nur mit Gewalt zu Wort melden kann, umtwas durchzusetzen und die Gesellschaft zu verändern.Thema des Tages ist das Anwachsen der Zahl der ge-alttätigen Linken in Deutschland, ein Thema, das wiror vielen Jahren auch einmal im Zusammenhang mitem rechten Lager in Deutschland hatten.
amals haben wir von der Union ganz klar einen Tren-ungsstrich gezogen und gesagt: Mit Republikanern,PD, DVU werden wir niemals etwas zu tun haben.
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Dr. Hans-Peter Uhl
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An diesem Punkt sind Sie von den Linken noch nicht,dass Sie sich von dieser Gewalt ganz klar absetzen.
Wer war Veranstalter? Veranstalter am Samstag warendie Linke, Verdi, die Sozialistische Jugend und die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Es gab noch weitere Unterstützerdieser Veranstaltung.
Auch zwei Bundestagsabgeordnete von der Linken, FrauLötzsch und Frau Pau, waren anwesend. Wenn Sie sichjetzt distanzieren, muss man wissen, ob das ehrlich ge-meint ist, und muss man sich diejenigen genau an-schauen.Es gab interessanterweise unter den VeranstalternZank darüber, wer im Demonstrationszug vorne mar-schieren darf und wer nicht. Die etwa 450 Mitglieder desantikapitalistischen Blocks, darunter 130 Gewaltbereite,
haben sich gefügt und sind nicht, wie sie ursprünglichwollten, an die Spitze, sondern weiter nach hinten ge-gangen. Das heißt, der Veranstalter hatte Einfluss aufden antikapitalistischen Block. Wenn jetzt hinterher ge-sagt wird: „Wir konnten uns doch nicht durchsetzen unddie Gewalttat, die Explosion, verhindern“, dann ist dasheuchlerisch und unwahr.
Es ist unredlich, diesen Eindruck hier zu erwecken; dennSie hatten Einfluss auf den antikapitalistischen Block.
Nehmen Sie sich bitte einmal die Zeit und geben beiYouTube die Suchwörter „Splitterbombe“ und „12. Juni“ein. Dann können Sie ganz genau sehen, was passiert ist:Nach der Explosion der Bomben gab es Jauchzen undFreude bei den Demonstrationsteilnehmern. Die Fahnender Linken wurden geschwenkt, die Fahne von Verdiwurde geschwenkt. Nach der Explosion gab es keinerleiDistanzierung, sondern Freude über das Geschehene undeine weitere Teilnahme am Demonstrationszug. Das istverwerflich.
Das Recht zu demonstrieren – damit komme ich zumSchluss –, ist für uns und für alle Parteien, egal welcherCouleur, ein hohes Gut. Aber wer eine Demonstrationorganisiert und anmeldet, hat auch eine besondere Ver-antwortung für das Geschehen auf der Straße. Er, derAGsdSsSKAdhtiwisVwnwBndDhOpDtegsSmli
ielleicht sollte man die nächste Debatte über ein solchichtiges Thema erst dann beantragen, liebe Kollegin-en und Kollegen von Union und FDP, wenn man selbereiß, was man will.
Will man ein grundsätzliches Grußwort halten wie derundesinnenminister, ohne irgendetwas konkret zu be-ennen? Oder will man, wenn auch eher abstrakt, wieer Kollege Bosbach Gesetzesverschärfungen fordern?as ist zwar legitim. Aber man braucht dafür eine Mehr-eit, die mir gegenwärtig nicht gegeben zu sein scheint.der instrumentalisiert man ein Thema, bei dem sicharteipolitisch motivierter Streit eigentlich verbietet?as hat der Kollege Uhl gerade gemacht.
Um es deutlich zu sagen, Herr Kollege Uhl: Sie soll-n sich vor dem Deutschen Bundestag dafür entschuldi-en, dass Sie einer Mitgliedsgewerkschaft des Deut-chen Gewerkschaftsbundes unterstellt haben, sie würdetraftaten begrüßen und bejubeln.
Fakt ist – das zeigt ein Blick in die Polizeiliche Kri-inalstatistik –: Es gibt ein Anwachsen der Gewaltde-kte im Bereich des Linksextremismus. Das muss man
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4927
Sebastian Edathy
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ernst nehmen. Es ist zwar gut, dass von verschiedenenRednern gesagt worden ist, dass Gewalt, gleich welcherArt, zu verurteilen ist. Wenn man eine konkrete Analysevornehmen will, reicht das allein aber nicht aus.Herr Kollege Uhl, warten Sie einmal ab, was die Er-mittlungen ergeben. Vielleicht rufen Sie einmal im Bun-desamt für Verfassungsschutz an. Ich habe das heuteNachmittag gemacht, um mich zu informieren, wie derkonkrete Stand im Berliner Fall ist. Sie würden mögli-cherweise nicht das bestätigt bekommen, was Sie geradebehauptet haben. Wir als Politiker sollten so viel Verant-wortung haben, nicht abschließende Urteile zu fällen,während die Ermittlungen noch laufen. Ich halte das,was Sie hier machen, für nicht seriös.
Schon seit Wochen wird eine Debatte grundsätzlicherArt über die Frage geführt: Brauchen wir verschärfterechtliche Regelungen? Ich empfehle sehr, sich den ers-ten Bericht von Christian Pfeiffer, dem Leiter des Krimi-nologischen Forschungsinstituts in Niedersachsen, fürdie Landesinnenministerkonferenz, bei der der Bundes-innenminister Gast ist, anzuschauen. Diese Untersu-chung wird noch ergänzt werden. Herr Pfeiffer ist eherskeptisch, ob es wirklich eine abschreckende Wirkunghätte, Strafvorschriften zu verschärfen. Auch ich glaubeübrigens nicht, dass es einen überzeugten gewaltbereitenExtremisten davon abhalten würde, ein Delikt zu ver-üben, wenn das Strafmaß ein anderes wäre als heute, zu-mal es, so wie es sich bereits heute darstellt, sehr um-fangreich ist.Wichtig sind aber zwei Dinge; das eine können wir,die Politik, nicht leisten, das andere sehr wohl. In demersten Fall können wir nur appellieren: Wer eine Demon-stration veranstaltet, der muss sich sehr genau an-schauen, wer seine möglichen Bündnispartner sind. MitExtremisten ein Bündnis zu schließen, weil man ver-meintlich das gleiche Ziel hat, ist nach meinem Dafür-halten unredlich und eines Demokraten nicht würdig,weil das Ziel von Extremisten am Ende ein anderes ist,als sich nur der Auseinandersetzung mit dem vermeintli-chen Gegner zu stellen: Es ist die Überwindung unsererdemokratischen Gesellschaftsordnung. Deswegen kannich keiner demokratischen Partei – jedenfalls keiner Par-tei, die sich selber als demokratisch bezeichnen möchte –den Rat geben, mit Extremisten aktive Bündnisarbeit zupraktizieren.
Zum Zweiten muss klar sein: Wer das staatliche Ge-waltmonopol schützt – Polizeibeamtinnen und -beamtetun das –, hat seinerseits Anspruch auf Schutz und Für-sorge durch den Staat.
Es muss klar sein, dass wir durch die Ausbildung gutvorbereitete Beamtinnen und Beamte brauchen. Siemüssen auch gut ausgerüstet sein.SsWzNbtegseDusmfibBWsnddeJwdgtessCHSüWgaVezs
Das Wort hat der Kollege Reinhard Grindel von der
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Edathy, ich habe mich bei Ihrer Rede gefragt, obie sich hier auch so geäußert hätten, wenn wir heuteber Gewaltakte von Neonazis diskutieren würden.
ir dürfen auf keinem Auge blind sein. Wir müssenleichermaßen mit aller Entschiedenheit gegen Rechts-,ber auch gegen Linksextremisten vorgehen.
Sie haben den Kollegen Uhl angegriffen, weil ererdi erwähnt hat. Sie selber haben eben gesagt: Werine Demonstration veranstaltet, muss sich ansehen, weru dieser Demonstration aufruft. – Lassen Sie uns an-chauen, wer zu der Demonstration vom Sonnabend auf-
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4928 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010
Reinhard Grindel
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gerufen hat. Es war eine bemerkenswerte Allianz. Zuden Gruppen gehörten die Antifaschistische Linke Ber-lin, die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands,die DKP und die Partei Die Linke sowie der Verdi-Be-zirk Berlin.
Ich halte es für einen Skandal, dass nicht zuletzt Ge-werkschaftsgelder in dieser Art und Weise eingesetztwerden.
Es war nicht so, dass der Sprengstoffanschlag auf diePolizeibeamten aus einem gesonderten Block erfolgte.Die Videos im Internet zeigen deutlich, dass sich in derGruppe, aus der heraus der Sprengsatz geworfen wurde,eine Reihe von Personen befanden, die Fahnen der ParteiDie Linke mit sich führten.
Die Linke hat sich schon in der Vergangenheit geradenicht von Gewalt distanziert. Ich erinnere an die Kritikder Bundestagsabgeordneten Höger an der Verurteilungvon Gewalttätern, die Autos in Berlin abgefackelt haben.Die Linke ist eine durch und durch extremistische Parteimit einem ungeklärten Verhältnis zur Gewalt.
Deswegen ist es richtig, dass sie vom Verfassungsschutzbeobachtet wird.
– Frau Wawzyniak, wer Gewalttäter als „erlebnisorien-tierte Jugendliche“ verharmlost,
der hat ein gebrochenes Verhältnis zu rechtsstaatlichenGrundsätzen. Das möchte ich am Ende der Debatte fest-halten.
Die Besonderheit in Berlin ist, dass die Partei DieLinke auf beiden Seiten der Barrikaden anzutreffen ist:Sie ist auch Regierungspartei im Senat, gemeinsam mitder SPD.
Deshalb ist das ungeklärte Verhältnis der Linken zur Ge-walt auch für die SPD ein Thema. Es geht nicht an, dassdie SPD den Brandanschlag auf Polizisten verurteilt,dtiWnshsgPLHReosgsicGdDPddwdsregnv
ir fordern die SPD auf: Wenn Ihr Koalitionspartnericht eine klare Trennlinie zur Gewalt zieht, dann müs-en Sie eine klare Trennlinie zu Ihrem Koalitionspartnerier in Berlin ziehen.
Man kann es auf Dauer nicht durchgehen lassen, dassich ein Herr Thierse, wenn es um Rechtsextremismuseht, zur Straßenblockade einfindet und die Arbeit derolizei behindert, aber Schweigen herrscht, wenn es uminksextremismus geht.
err Thierse hat sich selbst Mut bescheinigt, weil er sichechtsextremisten in den Weg gestellt hat. Mutig wäres, am nächsten 1. Mai im Hamburger Schanzenviertelder in Berlin-Friedrichshain an der Spitze eines Auf-tandes der Anständigen zu marschieren. Wir müssenleichermaßen gegen Links und gegen Rechts Zeichenetzen!
Auch eine Reaktion der Grünen hier in Berlin halteh für erwähnenswert: Der innenpolitische Sprecher derrünen im Abgeordnetenhaus, Benedikt Lux, bedauert,ass durch den Sprengstoffanschlag das „Anliegen deremonstranten“ und das „fragwürdige Verhalten vonolizisten“ untergeht. Zitat:Jetzt sind automatisch die Polizisten die Opfer undder schwarze Block die Bösen.Der Sprengstoffanschlag wird nicht bedauert, weilort Menschen verletzt worden sind, sondern es wird be-auert, dass politische Vorurteile der Grünen demaskierturden. Das ist blanker politischer Zynismus.
Es ist ein Skandal, dass sich die Veranstalter nicht vonem Sprengstoffanschlag distanziert haben, sonderncharf das „martialische Auftreten der Polizei“ kritisie-n. Eine Distanzierung von der Gewalt gegen Sachenibt es bei den Linksextremisten in Berlin schon langeicht mehr; jetzt fehlt es sogar an einer Distanzierungon der Gewalt gegen Personen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4929
Reinhard Grindel
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Bei bestimmten Formen von Gewalt helfen übrigensauch keine Aufklärungskampagnen und Sozialpro-gramme mehr. Wir müssen mit der ganzen Härte des Ge-setzes gegen diese Form von Linksextremismus vorge-hen.
Das ist die Lehre aus den Vorgängen des Wochenendes.Herzlichen Dank fürs Zuhören.
Als letzter Redner dieser Aktuellen Stunde hat der
Kollege Kai Wegner von der CDU/CSU-Fraktion das
Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Edathy,ich bedaure es, wenn Sie nicht verstanden haben, waswir eigentlich mit der Aktuellen Stunde bezwecken.
Ich versuche, es Ihnen in ganz einfachen Sätzen nahezu-bringen. Zum einen wollen wir eine klare Ächtung vonExtremismus, auch von Linksextremismus, erreichen,Herr Edathy.
Wir wollen diese Ächtung sowohl durch präventive alsauch durch repressive Maßnahmen erreichen. HerrEdathy, wenn Sie der Bundesregierung und dem Bun-desinnenminister Vorwürfe machen, auch was die Beam-ten auf Bundesebene und das Sparpaket betrifft,
empfehle ich Ihnen einfach einmal, mit Beamtinnen undBeamten aus der Stadt Berlin zu sprechen. Unsere Berli-ner Polizisten haben die meisten Überstunden, aber dasschlechteste Gehalt. Verantwortlich dafür ist die rot-roteLandesregierung in Berlin, Herr Edathy.
Wir wollen eine klare Verurteilung von Gewalt undStraftaten. Wir wollen, dass Straftaten konsequent be-ktiuhaBisFZGmInaBdtagBaImtähsVsSumptigbshwsmCs
Die neue Qualität von Straftaten aus dem schwarzenlock, der zweifelsohne dem linken Lager zuzuordnent, wurde bereits mehrfach angesprochen. Es kam dierage auf, warum wir das eigentlich thematisieren. Vieleahlen wurden genannt. Der Vorfall fand in Berlin statt.erade in Berlin spüren wir die neue Qualität linksextre-er Gewalt. Es werden regelmäßig Brandanschläge aufstitutionen, öffentliche Gebäude und Unternehmenusgeübt. Übrigens wurden auch auf Gebäude von Verdirandanschläge ausgeübt,
enen ein linkes Bekennerschreiben folgte. Wir erlebengtäglich Übergriffe auf Polizeibeamte. Wir erleben An-riffe auf Menschen mit Dienstkleidung, zum BeispielVG-Fahrer, und wir erleben weiterhin Brandanschlägeuf Autos.
Jahr 2009 wurden 320 Brandanschläge verübt. Fastglich wird in dieser Stadt ein Auto angezündet. Daraufaben viele hingewiesen. Es hat aber noch keiner ange-prochen, wie die Antwort des Innensenators auf dieseorfälle lautete. Der Innensenator hat darauf hingewie-en, dass man darauf achten muss, wo man in diesertadt mit welchem Auto parkt,
nd dass es durchaus eine Provokation sein kann, wennan mit seinem Fahrzeug in bestimmten Stadtteilenarkt. Das ist keine Provokation, das ist eine Kapitula-on des Rechtsstaats. Nichts anderes sind diese Aussa-en.
Dabei müsste es der Berliner Innensenator eigentlichesser wissen. Kurz vor dem 1. Mai letzten Jahres hatteich Herr Körting in Friedrichshain in einem Café aufge-alten,
ohlgemerkt – im Gegensatz zu vielen anderen Men-chen, die bedroht bzw. Opfer von Straftaten werden –it Personenschutz. Als sich junge Menschen vor demafé versammelten, stellte Herr Körting fest: Es könnteich um Autonome handeln.
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4930 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010
Kai Wegner
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Er musste fluchtartig das Café in Berlin-Friedrichshainverlassen.
Ich frage mich, ob Herr Körting in diesem Fall sagenwürde: provozierend Kaffee getrunken.
– Das ist die Situation in Berlin.
– Herr Wieland, wir sind hier in Berlin. Wir sind in derHauptstadt unseres Landes. Bei der Innenpolitik des rot-roten Senats mache ich mir schon Sorgen, ob die Sicher-heit der Hauptstadt unseres Landes gewährleistet ist.
Damit tragen Sie, ob Sie das wollen oder nicht, eine Mit-schuld, wenn Sie das Mitglied weiterhin in Ihren Reihenhalten.
Ich komme zum Schluss. Wir haben in Berlin großeErfolge mit einem runden Tisch gegen Rechts erzielt.Die Zahl der Straftaten rechtsextremistischer Gewaltgeht zurück.
Wir fordern seit Jahren auch einen runden Tisch gegenLinksextremismus in Berlin. Ich fordere Sie auf: RedenSie mit Ihren Parteikollegen von der Linken und derSPD! Ändern Sie Ihre Verweigerungshaltung, die links-extreme Gefahr in dieser Stadt anzuerkennen! MachenSie den Weg frei für die gesellschaftliche Ächtung vonLinksextremismus!Lassen Sie uns gemeinsam diesen Weg gehen, damitwir solche Bilder, wie wir sie am vergangenen Samstagsehen mussten, nie wieder sehen müssen!Ein weiterer Punkt. Wir erleben tagtäglich die Dis-kussion, ob am 1. Mai richtig gehandelt wurde. Bezüg-lich der Demonstration am 1. Mai letzten Jahres wurdedas tolle Deeskalationskonzept des Berliner Senats ge-lobt. Die Erfolge in diesem Jahr hingen übrigens damitzusammen, dass die Polizei konsequent eingeschrittenist und wieder Wasserwerfer eingesetzt hat, was sie imletzten Jahr aufgrund von Anweisungen vonseiten derPolitik nicht durfte. Diese Demonstration mit 479 ver-letzten Polizeibeamten wurde von einem Mitglied IhrerPartei, der Linkspartei, angemeldet.
od1(DHerzlichen Dank.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Donnerstag, den 17. Juni 2010,
0 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.