Protokoll:
17018

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 18

  • date_rangeDatum: 27. Januar 2010

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:21 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/18 Zusatzfragen Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dringliche Frage 2 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Erkenntnisse der Bundesregierung über die Ursache des Unfalls in der Urananrei- cherungsanlage in Gronau Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Ingrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dringliche Frage 4 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Von nicht korrekt berücksichtigter Kinder- gelderhöhung betroffene Hartz-IV-Emp- fänger Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1511 D 1512 C 1513 A 1515 B 1515 C 1516 A 1516 B 1516 D Deutscher B Stenografisc 18. Sit Berlin, Mittwoch, de I n h a Tagesordnungspunkt 1: Fragestunde (Drucksachen 17/493, 17/517) . . . . . . . . . . . . Dringliche Frage 1 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kenntnisse der Bundesregierung von den Ergebnissen der Auswertung des techni- schen Berichts betreffend den Unfall- hergang in der Urananreicherungsanlage Gronau Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1511 A 1511 B Zusatzfragen Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1513 A 1513 D undestag her Bericht zung n 27. Januar 2010 l t : Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dringliche Frage 3 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Gefahren für die Beschäftigten und die Bevölkerung des Münsterlandes durch den Betrieb der Urananreicherungsanlage in Gronau und durch Atomtransporte durch die Region Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin 1514 A 1514 C 1515 A Zusatzfragen Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1517 A 1517 C II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . . Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dringliche Frage 5 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Korrektur fehlerhafter Bescheide auf- grund nicht korrekt berücksichtigter Kin- dergelderhöhung und Vermeidung von Rückzahlungen unter Berufung auf § 818 Abs. 3 BGB Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Hendricks (SPD) . . . . . . . . . . . . . Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: zur internationalen Afghanistan-Konferenz am 28. Januar 2010 in London . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . Sigmar Gabriel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . Sigmar Gabriel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 1517 D 1518 A 1518 B 1518 B 1518 C 1518 D 1519 B 1519 B 1519 C 1520 B 1520 C 1520 D 1521 B 1521 D 1521 D 1525 A 1529 D 1530 A 1530 B 1531 C 1533 B 1535 B 1537 B 1538 D 1540 B 1541 B 1543 A Tagesordnungspunkt 3: Fragestunde (Drucksachen 17/493, 17/517) . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 1 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausrichtung der Anpassungsformel des Bundesanteils für die Unterkunftskosten für ALG-II-Beziehende an der Entwick- lung der tatsächlichen Unterkunftskosten Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 2 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Länderöffnungsklausel bei den Kosten für Unterkunft für ALG-II-Beziehende Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 3 Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) Konsequenzen aus den Ergebnissen der Umfrage des Umfrageinstituts Forsa zur Beschäftigung junger Leute mit dem Thema private Altersvorsorge Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 4 Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) Auswirkungen einer Einbeziehung der Beamten und Selbstständigen in die gesetz- liche Rentenversicherung Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1544 C 1544 D 1545 A 1545 D 1545 D 1546 C 1547 A 1547 D 1548 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 III Zusatzfragen Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 10 Dagmar Ziegler (SPD) Errichtung der Außenstelle des Bundes- instituts für Risikobewertung in Neurup- pin Antwort Julia Klöckner, Parl. Staatssekretärin BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Dagmar Ziegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 11 Dagmar Ziegler (SPD) Abschluss der Prüfung zur weiteren Ver- wendung des Truppenübungsplatzes Witt- stock (Kyritz-Ruppiner Heide) Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Dagmar Ziegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 14 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vernichtung von Menschen in Afghanistan durch Operationen mit Beteiligung von Soldaten der Bundeswehr im Jahr 2009 Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 15 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beteiligung des Generals Volker Wieker als Chef des ISAF-Stabs an der Bewertung des Luftangriffs bei Kunduz in Afghanistan vom 4. September 2009 Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1548 B 1548 D 1549 B 1549 C 1549 D 1549 D 1550 A 1550 B 1551 A 1551 B Mündliche Frage 17 Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE) Notwendigkeit weiterer Ermittlungen durch das Kommando Führung Operatio- nen von Spezialkräften zur Aufklärung des Luftangriffs im Raum Kunduz im Septem- ber 2009 Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE) . . . . Mündliche Frage 18 Inge Höger (DIE LINKE) Druck des „Persisch-Sprachführers für die Bundeswehr“ durch das Bundessprachen- amt Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 19 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Verhinderung der Weitergabe von Aufklä- rungsdaten an die USA und deren Verbün- dete für die Operation Enduring Freedom durch das geänderte Mandat der Mission Atalanta Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Mündliche Frage 5 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Begünstigung von Empfängern der Ein- gliederungshilfe für Behinderte gegenüber Beziehern anderer Sozialhilfeleistungen Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1552 A 1552 A 1552 D 1553 A 1554 A 1554 B 1555 C 1557 A 1557 C IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 Anlage 3 Mündliche Frage 6 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Umsetzung des inklusiven Schulsystems in Baden-Württemberg Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Mündliche Frage 7 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Anerkennung des Repetitive-Strain-Injury- Syndrom (RSI) als Berufskrankheit Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Mündliche Frage 8 Veronika Bellmann (CDU/CSU) Mögliche Konflikte bei der Entfristung und Dekontingentierung der Optionskom- munen Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Mündliche Frage 9 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erforderliche Änderungen im Arbeitsrecht und im Allgemeinen Gleichbehandlungs- gesetz infolge des EuGH-Urteils vom 19. Januar 2010 Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Mündliche Frage 12 Ingrid Arndt-Brauer (SPD) Einführung des Optimierten Eigenmodells (OEM) in den Depots der Bundeswehr Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1557 C 1557 D 1558 B 1558 C 1559 A Anlage 8 Mündliche Frage 13 Ingrid Arndt-Brauer (SPD) Bewertung des vom Logistikregiment 17 erarbeiteten Einsparvorschlags für die Dis- tributionszentren Ochtrup, Müritz und Wilhelmshaven Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Mündliche Frage 16 Fritz Rudolf Körper (SPD) Zeitpunkt der erstmaligen Kenntnis des Bundesministers Dr. Karl-Theodor Frei- herr zu Guttenberg von der Analyse des Einsatzführungsstabes zum geheimen Untersuchungsbericht der NATO zu den Luftschlägen bei Kunduz Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Mündliche Frage 20 Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zahlung des Betreuungsgeldes in Form von Gutscheinen bei ALG II-Bezug Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Mündliche Frage 21 Ute Kumpf (SPD) Vorlage der Ergebnisse des Freiwilligen- surveys 2009 Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Mündliche Frage 22 Ute Kumpf (SPD) Auflösung des Forschungsbeirats des Frei- willigensurveys durch das Bundesminis- terium für Familie, Senioren, Frauen und Ju- gend und Berufung eines neuen Fachbeirates Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1559 B 1559 D 1560 A 1560 B 1560 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 V Anlage 13 Mündliche Fragen 23 und 24 Stefan Schwartze (SPD) Förderung der politischen Jugendbildung Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Mündliche Frage 25 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kriterien für die Auswahl bei der Beset- zung der Leitung der Antidiskriminie- rungsstelle des Bundes Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 15 Mündliche Fragen 26 und 27 Harald Weinberg (DIE LINKE) Schließung der Deckungslücke für Bezie- her von Sozialhilfe bzw. Arbeitslosengeld II im Basistarif der privaten Kranken- und Pflegeversicherung Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 16 Mündliche Fragen 28 und 29 Maria Anna Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einschränkung des Zugangs von Patienten zu psychiatrischen Institutsambulanzen bei fehlender Vereinbarung mit den Ländern gemäß § 118 Abs. 2 SGB V Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 17 Mündliche Fragen 30 und 31 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verlagerung des Verkehrszuwachses auf die Schiene Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1560 D 1561 C 1562 C 1562 D 1563 A Anlage 18 Mündliche Fragen 32 und 33 Florian Pronold (SPD) Vorlage einer Prioritätenliste für die Ver- wirklichung von Schienenprojekten Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 19 Mündliche Frage 34 Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Pläne der Deutschen Bahn zur Streichung des Ausbaus der Südbahn Ulm–Friedrichs- hafen–Lindau; Beteiligung des Bundes an der Hälfte der Ausbaukosten Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 20 Mündliche Fragen 35 und 36 Heinz Paula (SPD) Beibehaltung der Elektrifizierung der Strecke München–Lindau auch bei Über- arbeitung des Bedarfsplans für die Bundes- schienenwege sowie Bedingungen der Finanzierungszusagen der Schweiz Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 21 Mündliche Fragen 37 und 38 Martin Burkert (SPD) Garantie des Ausbaus der Bahnstrecke Nürnberg–Erfurt sowie der Elektrifizie- rung der Strecke Nürnberg–Marktred- witz–Reichenbach–Grenze Deutschland/ Tschechien auch bei Überarbeitung des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 22 Mündliche Frage 39 Michael Groß (SPD) Realisierung des Rhein-Ruhr-Express Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1563 C 1563 D 1564 A 1564 C 1564 D VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 Anlage 23 Mündliche Fragen 40 und 41 Sabine Stüber (DIE LINKE) Rechtliche Grundlage sowie Zweckbin- dung der Zahlungen zwischen der Deut- schen Gesellschaft für Wiederaufarbei- tung von Kernbrennstoffen, dem Bund, dem Land Niedersachen und niedersächsi- schen Kommunen für die Atomanlage in Gorleben Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 24 Mündliche Fragen 42 und 43 Dorothée Menzner (DIE LINKE) Übereinkünfte und entsprechende Zahlun- gen für die Atomanlagen in Gorleben zwi- schen der Deutschen Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstof- fen, dem Bund, dem Land Niedersachsen und den betroffenen Kommunen seit 1979 Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 25 Mündliche Frage 44 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Inhalte der Unterredung mit den Atom- kraftwerksbetreibern im Bundeskanzler- amt am 21. Januar 2010 Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 26 Mündliche Frage 45 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verlängerung der Laufzeit des Kernkraft- werks Neckarwestheim 1 Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1565 A 1565 C 1566 B 1566 D Anlage 27 Mündliche Fragen 46 und 47 Dirk Becker (SPD) Durch das Klimaschutz-Impulsprogramm zur Förderung von Mini-KWK-Anlagen angeschobene Investitionen im Bereich der kleinen Blockheizanlagen sowie Auswir- kungen einer etwaigen Beendigung des Programms Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 28 Mündliche Fragen 48 und 49 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Absenkung der Vergütung für Solarstrom und Folgen für die Solarunternehmen; Einfluss der geplanten Änderungen bei der Förderung von Fotovoltaikanlagen auf Umfang und Leistung der Anlagen Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 29 Mündliche Fragen 50 und 51 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beibehaltung des unkonditionierten Ziels einer Senkung von Treibhausgasemissio- nen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 und Position der Bundesregierung auf EU-Ebene Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 30 Mündliche Frage 52 René Röspel (SPD) Vorlage des Konzeptentwurfs für den Titel „Instrumente zur Stärkung der Wissen- schaft in der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft“ aus dem Einzelplan 30 des Bundeshaushaltsplans 2010 sowie für die Maßnahme zur Validierungsforschung Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1567 A 1567 C 1568 A 1568 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 VII Anlage 31 Mündliche Frage 53 René Röspel (SPD) Finanzieller Mehrbedarf bei den Titeln „Stilllegung und Rückbau kerntechnischer Versuchs- und Demonstrationsanlagen“ sowie „Gesetzliche Endlageraufwendung“ im Einzelplan 30 des Bundeshaushalts 2010 sowie Entwicklung bis 2013 Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 32 Mündliche Fragen 54 und 55 Michael Gerdes (SPD) Eingeplante Mittel im Haushaltsjahr 2010 für den Bereich CO2-Speicherung; Infor- mation des Deutschen Bundestages über Beauftragung der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina als Natio- nale Akademie der Wissenschaften und Sicherstellung einer zeitnahen Beratung der dort erstellten Expertisen Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 33 Mündliche Fragen 56 und 57 Willi Brase (SPD) Ausbildungsstand sowie Erfolgsquote von Auszubildenden Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 34 Mündliche Frage 58 Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Maßnahmen zur Unterstützung von Unter- nehmen und Auszubildenden im Rahmen der geplanten Initiative zur Sicherung von Ausbildungsplätzen Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 35 Mündliche Frage 59 Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Haushaltsansatz für die Berufsorientie- rung in Berufsbildungsstätten 1568 C 1568 D 1569 C 1570 A Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 36 Mündliche Frage 60 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Konzepte und Kriterien der geplanten Sprachstandstests für Vierjährige Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 37 Mündliche Frage 61 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Teilnahme frühkindlicher Fachkräfte an Weiterbildungsmaßnahmen; Beitrag des Projekts „Weiterbildungsinitiative für Frühkindliche Fachkräfte“ zur Sicherung des zukünftigen Fachkräftebedarfs Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 38 Mündliche Frage 62 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Teilnahme von Erzieherinnen und Erzie- hern an dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Pro- jekt zur Förderung mediengestützter Qua- lifizierung Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 39 Mündliche Frage 63 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Mittelabfluss beim Programm „Geistes- und Sozialwissenschaften“ Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 40 Mündliche Frage 64 Ulla Burchardt (SPD) Sicherstellung der zielgerichteten Verwen- dung der geplanten Bildungsgutscheine für Bildungszwecke 1570 B 1570 C 1570 D 1571 A 1571 C VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 41 Mündliche Frage 65 Ulla Burchardt (SPD) Entscheidungsgrundlagen für die Einrich- tung bilateraler Wissenschafts- und For- schungseinrichtungen mit Drittstaaten Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 42 Mündliche Frage 66 Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Projekte des Bundesministeriums für Bil- dung und Forschung zur Förderung von begabten und benachteiligten Jugendlichen Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 43 Mündliche Frage 67 Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Umsetzung der Hightech-Strategie II sowie Evaluierung der Hightech-Strategie I Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 44 Mündliche Frage 68 Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kopplung finanzieller Zusagen des Bun- desministers für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung für Hilfs- organisationen in Afghanistan an eine Kooperation mit der Bundeswehr und Aus- wirkungen auf die Sicherheit der dort täti- gen Mitarbeiter Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1571 D 1572 A 1572 B 1572 C 1572 D Anlage 45 Mündliche Fragen 69 und 70 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusammenarbeit von Bundeswehr und zivilen Kräften der Entwicklungszusam- menarbeit in Afghanistan sowie Kriterien der zukünftigen Mittelvergabe an Nicht- regierungsorganisationen in diesem Zu- sammenhang Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 46 Mündliche Fragen 71 und 72 Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen einer stärkeren Vermi- schung von ziviler und militärischer Hilfe für die Sicherheit und Unabhängigkeit der Nichtregierungsorganisationen und ihrer Mitarbeiter Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 47 Mündliche Frage 73 Inge Höger (DIE LINKE) Stärkere Kopplung der deutschen Ent- wicklungshilfe insbesondere in Afghanis- tan an das Militär sowie Auswirkungen auf die Sicherheit von Entwicklungshilfeorga- nisationen und deren Mitarbeiter Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 48 Mündliche Frage 74 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Im aktuellen Haushaltsentwurf für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Malaria und Tuberkulose einge- plante Mittel Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1573 B 1573 D 1574 B 1574 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 IX Anlage 49 Mündliche Frage 75 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Einigkeit der EU-Mitgliedstaaten über eine Teilnahme von Delegationen an der Regie- rungsübernahme durch Porfirio Lobo Sosa in Honduras Antwort Dr. Wolf-Ruthart Born, Staatssekretär AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 50 Mündliche Frage 76 Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE) Auswirkungen des irischen Referendums über das Icesave-Gesetz auf den EU-Bei- tritt Islands Antwort Dr. Wolf-Ruthart Born, Staatssekretär AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 51 Mündliche Frage 77 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Einstellung von Lobbyisten in Bundes- ministerien Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 52 Mündliche Fragen 78 und 79 Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einstellung von Interessenvertretern in Bundesministerien; Voraussetzungen der Einrichtung einer Lobbyistendatenbank Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 53 Mündliche Fragen 80 und 81 Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) Nachmeldungen des Bundesministeriums des Innern zum Einsatz externer Personen in der Bundesverwaltung von Oktober 2009; Vorlage der Evaluierung der entspre- chenden allgemeinen Verwaltungsvor- schrift 1575 A 1575 A 1575 B 1575 D Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 54 Mündliche Frage 82 Iris Gleicke (SPD) Maßnahmen des Pilotprojekts zur Verrin- gerung von Abwanderung aus Ostdeutsch- land Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 55 Mündliche Frage 83 Iris Gleicke (SPD) Ausgestaltung des Zukunftskonzepts für notleidende industrielle Kerne infolge der Wirtschaftskrise, insbesondere Hilfe für ostdeutsche Unternehmen Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 56 Mündliche Frage 84 Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gewährung der doppelten Staatsbürger- schaft und Abschaffung des Options- zwangs im Staatsangehörigkeitsrecht Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 57 Mündliche Frage 85 Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einführung einer gerichtlichen Einzelfall- entscheidung zur Schließung der Gerech- tigkeitslücke für nicht verheiratete Väter beim gemeinsamen Sorgerecht Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1576 B 1576 D 1577 A 1577 C 1577 D X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 Anlage 58 Mündliche Frage 86 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beteiligung der EU an nationalen Steuern Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 59 Mündliche Frage 87 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Anweisung des Bundesfinanzministers zur Nichtanwendung des Steuerhinterzie- hungsbekämpfungsgesetzes Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 60 Mündliche Fragen 88 und 89 Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kontrolle des Zusätzlichkeitskriteriums im Wachstumsbeschleunigungsgesetz sowie Auswirkungen einer Abschaffung auf In- vestitionen der Länder und Kommunen im Rahmen des Zukunftsinvestitionsgesetzes Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1578 A 1578 B 1578 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 1511 (A) (C) (B) (D) 18. Sit Berlin, Mittwoch, de Beginn: 1
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 1557 (A) (C) (B) (D) Deutschland nicht als Berufskrankheit anerkannt, und gibt es * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates seitens der Bundesregierung Überlegungen, das RSI in die Liste der anerkannten Berufskrankheiten aufzunehmen? Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich van Aken, Jan DIE LINKE 27.01.2010 Bahr (Münster), Daniel FDP 27.01.2010 Barnett, Doris SPD 27.01.2010* Ernstberger, Petra SPD 27.01.2010 Fritz, Erich G. CDU/CSU 27.01.2010* Dr. Fuchs, Michael CDU/CSU 27.01.2010 Gerster, Martin SPD 27.01.2010 Hörster, Joachim CDU/CSU 27.01.2010* Hübinger, Anette CDU/CSU 27.01.2010* Kühn, Stephan BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.01.2010 Lafontaine, Oskar DIE LINKE 27.01.2010 Lazar, Monika BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.01.2010 Nešković, Wolfgang DIE LINKE 27.01.2010 Nestle, Ingrid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.01.2010 Noll, Michaela CDU/CSU 27.01.2010 Ortel, Holger SPD 27.01.2010* Pau, Petra DIE LINKE 27.01.2010 Pflug, Johannes SPD 27.01.2010 Pieper, Cornelia FDP 27.01.2010 Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 27.01.2010 Dr. Schui, Herbert DIE LINKE 27.01.2010 Tressel, Markus BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.01.2010 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.01.2010 Werner, Katrin DIE LINKE 27.01.2010 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 27.01.2010 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/493, Frage 5): Inwiefern sind Empfängerinnen und Empfänger von Leis- tungen der Eingliederungshilfe nach geltendem Recht gegen- über Empfängerinnen und Empfängern anderer Sozialhilfe- leistungen begünstigt (siehe Antwort der Bundesregierung auf die schriftliche Frage 75 der Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben) vom 22. Dezember 2009 auf Bundestagsdrucksa- che 17/382)? Eine Reihe von Leistungen der Eingliederungshilfe wird einkommens- und vermögensunabhängig gewährt. § 92 Abs. 2 SGB XII enthält einen Ausnahmekatalog, der eine Abhängigkeit von Einkommen und Vermögen auf die Leistungen zum Lebensunterhalt begrenzt. Die anderen Leistungen der Sozialhilfe werden dagegen ge- nerell bedürftigkeitsabhängig gewährt. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/493, Frage 6): Teilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass sie derzeit einen nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN- Behindertenrechtskonvention entwickelt, die Auffassung des Kultusministers Baden-Württembergs, Helmut Rau, CDU, wonach in Baden-Württemberg ein inklusives Schulsystem bereits realisiert ist, obwohl 71 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit Behinderung in Sonderschulen unterrichtet wer- den (vergleiche Interview in der taz, 30. Dezember 2009, Seite 11)? Artikel 24 des VN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verlangt von den Ver- tragsstaaten ein Bildungssystem, in dem Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen eine qualitativ hochwer- tige Bildung erhalten und gemeinsam mit nichtbehinder- ten Schülerinnen und Schülern lernen. Für schulische Angelegenheiten sind entsprechend unserer föderalen Grundordnung die Länder zuständig. Der seitens der Kultusministerkonferenz bereits vor Ratifizierung der Konvention in Deutschland begonnene Prozess zur Ak- tualisierung der Empfehlungen zur sonderpädagogischen Förderung erscheint aus Sicht der Bundesregierung ziel- führend, die schrittweise Umsetzung des Übereinkom- mens zu befördern. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) (Drucksache 17/493, Frage 7): Warum ist das Repetitive-Strain-Injury-Syndrom, RSI, in 1558 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 (A) (C) (B) (D) Unter dem Begriff Repetitive-Strain-Injury-Syndrom, RSI, wird allgemein ein Krankheitsbild zusammenge- fasst, bei dem unspezifische Beschwerden wie Nacken-, Schulter-, Arm- und Handbeschwerden nach sich häufig wiederholenden Tätigkeiten auftreten. Die Beschwer- den können sich in Erkrankungen des Sehnengleitgewe- bes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze – häufig ver- bunden mit Muskelverspannungen im Unterarm- und Handwurzelbereich – darstellen. Eine besondere Berufskrankheit RSI ist im deutschen Berufskrankheitenrecht nicht erforderlich. In Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung, die die Liste der aner- kannten Berufskrankheiten enthält, ist unter der Nr. 2101 aufgeführt: „Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Seh- nengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können“. Die wesentlichen Erkrankungen des Beschwerdebil- des RSI können, bei Vorliegen der individuellen Voraus- setzungen, damit grundsätzlich als Berufskrankheit aner- kannt werden. Zu einer besonderen Form des RSI, dem sogenannten Carpaltunnelsyndrom, hat das Bundesmi- nisterium für Arbeit und Soziales im letzten Jahr eine wissenschaftliche Empfehlung veröffentlicht, die auch für diese Krankheit jetzt eine Anerkennung als Berufs- krankheit ermöglicht. Um der Entwicklung solcher Beschwerden vorzubeu- gen, haben die gesetzlichen Unfallversicherungsträger in den letzten Jahren durch eigene Forschung sowie durch Auswertung des internationalen Erkenntnisstands detail- lierte Empfehlungen für die ergonomische Ausstattung und Nutzung insbesondere von Bildschirmarbeitsplätzen erstellt. Diese richten sich gezielt an Betriebsärzte, Ar- beitgeber und Beschäftigte. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/ CSU) (Drucksache 17/493, Frage 8): Wie beurteilt die Bundesregierung bei der Entfristung und Dekontingentierung der nach den §§ 6 a und 6 b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch eingerichteten Optionskommunen einen möglichen Konflikt mit dem Aufgabenübertragungsver- bot nach Art. 84 Abs. 1 Satz 7 des Grundgesetzes, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den dazu unterschiedlichen Aussagen entsprechender Gutachter bzw. der bisherigen Rechtsprechung, unter anderem des Bundes- verfassungsgerichts vom 20. Dezember 2007, auch im Hin- blick auf die mit der Aufgabenübertragung im Zusammen- hang stehenden Sonderbedarfszuweisungen? Im Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode ist vereinbart, den derzeit tätigen zugelassenen kommuna- len Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Optionskommunen) zu ermöglichen, diese Aufgabe dauerhaft wahrzunehmen. Die Bundesregierung hat diese Vereinbarung mit einem entsprechenden Beschluss auf ihrer Klausurtagung am 17. und 18. November 2009 bekräftigt. Aus dem Urteil des Bundesverfassungsge- richts vom 20. Dezember 2007 ergeben sich keine ge- setzlichen Handlungsaufträge hinsichtlich der Options- kommunen. Auf der Grundlage des Auftrags aus der Koalitionsvereinbarung ist in meinem Hause ein Gesetz- entwurf erarbeitet worden. Dieser Gesetzentwurf liegt gegenwärtig den Verfassungsressorts zur Prüfung vor. Die Prüfung bezieht insbesondere die von Ihnen ange- sprochenen Fragen mit ein. Dem Ergebnis der verfas- sungsrechtlichen Prüfung kann ich nicht vorgreifen. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/493, Frage 9): Wie müssen das deutsche Arbeitsrecht und das Allge- meine Gleichbehandlungsgesetz, AGG, aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofes, EuGH, vom 19. Januar 2010 (C-555/07), in dem der EuGH einen Teil des deutschen Ar- beitsrechts als diskriminierend bewertet und deutsche Ge- richte anweist, die Regelung des § 622 Abs. 2 Satz 2 des Bür- gerlichen Gesetzbuchs nicht weiter anzuwenden, und aufgrund der Mahnungen der Europäischen Kommission zu konkreten Maßnahmen im Rahmen des Vertragsverletzungs- verfahrens gegen Deutschland nach Ansicht der Bundesregie- rung geändert werden, und zu welchen neuen Erkenntnissen und Sachständen ist die Bundesregierung bezüglich der in der Kleinen Anfrage (Bundestagsdrucksache 17/377) angespro- chenen Sachverhalte inzwischen gekommen? Der EuGH hat in seinem Urteil vom 19. Januar 2010 (C-555/07) entschieden, dass die Regelung des § 622 Abs. 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ge- gen das unionsrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78/EG zur Gleichbehandlung in Be- schäftigung und Beruf verstößt. Nach § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB sind bei der Berechnung der verlängerten Kündi- gungsfristen im Falle einer Arbeitgeberkündigung die Zeiten der Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nicht zu berücksichtigen. Die Bundes- regierung wird die Entscheidung des EuGH zum An-lass nehmen, eine Änderung des § 622 Abs. 2 BGB vorzube- reiten, um die Regelung europarechtsrechtskonform zu gestalten. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksachen 17/421 und 17/377) ausgeführt, warum der Schriftverkehr zwischen der Bundesregierung und der Europäischen Kommission im Rahmen der Vertragsverletzungsverfahren zum All- gemeinen Gleichbehandlungsgesetz vertraulich ist. Die Bundesregierung ist von den Gründen, die für die Beibe- haltung der Vertraulichkeit sprechen, überzeugt und möchte an dieser Vorgehensweise festhalten. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 1559 (A) (C) (B) (D) Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Ingrid Arndt-Brauer (SPD) (Druck- sache 17/493, Frage 12): Warum wurde im Rahmen der Optimierung der Depot- landschaft der Bundeswehr das Optimierte Eigenmodell, OEM, noch nicht in allen sechs Distributionszentren, Depots, übergenommen? Vorbemerkung: Entsprechend der Beschlussauflage des Haushaltsaus- schusses des Deutschen Bundestages vom 5. November 2008 hat das Bundesministerium der Verteidigung einen ergänzenden Bericht über das Konzept einer flächen- deckenden Einführung eines Optimierten Eigenmodells, OEM, für die Logistik der Bundeswehr dem Haushalts- ausschuss vorgelegt. Der Bericht stellt dar, wie die ope- rativen Vorgaben und Ziele der Modernisierung der Lo- gistik in den einzelnen Teilprojekten der sogenannten Projektskizze Logistik umgesetzt wurden. Antwort: Mit dem Optimierten Eigenmodell „Lagerhaltung & Distribution“ wurden zwei Ziele verfolgt. Zum einen sollten durch schnelle operative Verbesserungen die Ausgaben gesenkt und gleichzeitig die Leistungsfähig- keit verbessert werden. Zum anderen sollte im Rahmen der Eigenoptimierung eine konzeptionelle Neuausrich- tung erfolgen. Die Differenzierung in Distributionszentren und Materiallager, der Verzicht auf logistische Zwischen- ebenen sowie die Anpassung der Bevorratungshöhen ha- ben die Grundlagen für weitergehende logistische Opti- mierungsmaßnahmen geschaffen und somit ihre Zielsetzungen erreicht. Die Realisierung des OEM „La- gerhaltung & Distribution“ erfolgte schrittweise seit 2005 und ist im Kern umgesetzt. Am Standort Erding hindern bisher infrastrukturelle Defizite eine vollständige Realisierung der konzipierten Optimierungsmaßnahmen beim dort dislozierten Distri- butionszentrum. Zur Beseitigung erster Defizite wurde bis April 2009 eine Leichtbauhalle (1 500 m2) errichtet und übergeben. Von der Projektierung bis zur Übergabe benötigte diese Maßnahme etwa drei Jahre. Somit konnte bis Ende 2009 die Grundbefähigung für das Dis- tributionszentrum Erding erreicht und die Versorgung im Regionalbereich weitgehend sichergestellt werden. Bis 2013 sind weitere Baumaßnahmen geplant, die dann die notwendigen infrastrukturellen Voraussetzungen für den vollumfänglichen funktionalen Bedarf des Distributions- zentrums Erding schaffen werden. Die Maßnahmen wer- den mit den laufenden Aktivitäten im Zuge des Aus- schreibungsverfahrens für ausgewählte Aspekte der „Lagerhaltung & Distribution“ synchronisiert. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Ingrid Arndt-Brauer (SPD) (Druck- sache 17/493, Frage 13): Wie wird der vom Logistikregiment 17 mit seinen drei un- terstellten Distributionszentren erarbeitete Einsparvorschlag – Kostenreduzierung um circa 2,5 Millionen Euro jährlich in drei (Ochtrup, Müritz und Wilhelmshaven) von sechs Distri- butionscentern der Bundeswehr –, der seit dem 9. September 2009 beim Streitkräfteunterstützungskommando, SKUKdo, liegt, im Vergleich zum Angebot der denkbaren Kooperations- partner bewertet? Der Vorschlag des Logistikregiments 17 referenziert auf den Wegfall von 78 zivilen Dienstposten in den Materialdepots Wilhelmshaven, Müritz und Ochtrup. Derzeit läuft das Vergabeverfahren für das Koopera- tionsvorhaben „Lagerhaltung & Distribution“. Die Dis- tributionszentren Wilhelmshaven, Müritz, Ochtrup ge- hören zum Leistungsgegenstand dieses Vorhabens. Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit der Lagereinrich- tungen bis zum Beginn einer möglichen Öffentlich-Pri- vaten Partnerschaft (ÖPP) am 1. Juli 2010 sicherzustellen und gleichzeitig vorzeitige Festlegungen zu vermeiden, welche die notwendige personalstrukturelle Flexibilität für den Übergang in eine Kooperation beeinträchtigen würden. Die Struktur der Lagereinrichtungen im OEM steht aus oben aufgeführten Gründen weiterhin unter Vorbe- halt. Die abschließende Realisierung des OEM und der Übergang in einen stabilen Wirkbetrieb steht dabei im Vordergrund. Für die Personalführung bedeutet dies, dass die Aufgabenerfüllung in diesen Einrichtungen bis dahin unter den vorgegebenen organisatorischen Rah- menbedingungen sichergestellt werden muss. Des Wei- teren ist aus vergaberechtlichen Gründen sicherzustellen, dass ein potenzieller Dienstleister bei Vertragsbeginn auf jenes Personal zurückgreifen kann, das ihm in den Ver- dingungsunterlagen angezeigt wurde. Weiterführende Betrachtungen der Dienstpostenum- fänge sind somit erst nach einer Entscheidung im anhän- gigen Vergabeverfahren „Lagerhaltung & Distribution“ geboten. In Abhängigkeit der jeweiligen Handlungsal- ternative wird dann das weitere Vorgehen festgelegt. Der Vertragsschluss für eine ÖPP „Lagerhaltung & Distribution“ ist für den 1. Juli 2010 vorgesehen. Die Zuschlagserteilung steht unter dem Vorbehalt, dass ein Vertragsschluss mit einem privaten Anbieter nur dann erfolgt, wenn das wirtschaftlichste Angebot weniger Ausgaben verursacht als eine Eigenoptimierung. Dabei werden auch weitergehende Maßnahmen der Eigenopti- mierung wie Schließungen von Materiallagereinrichtun- gen und damit verbundene Personalreduzierungen be- rücksichtigt. Sie steht ferner unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages. Bis dahin werden die Leistungen für die „Lagerhaltung & Distribution“ in den Strukturen des OEM erbracht. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Fritz Rudolf Körper (SPD) (Druck- sache 17/493, Frage 16): Trifft die Meldung der Süddeutschen Zeitung zu, dass dem Bundesminister der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor Freiherr 1560 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 (A) (C) (B) (D) zu Guttenberg, bereits vor seiner Pressekonferenz am 6. No- vember 2009 die Analyse des Einsatzführungsstabes zum ge- heimen Untersuchungsbericht der NATO zu den Luftschlägen in Kunduz vorlag, und, wenn nein, wann wurde dem Bundes- minister der Verteidigung dieses Analysepapier des Einsatz- führungsstabes vorgelegt? Die Auswertung des NATO-Untersuchungsberichts durch den Einsatzführungsstab im Bundesministerium der Verteidigung vom 3. November 2009 hat Herrn Bun- desminister zu Guttenberg vor der Pressekonferenz vom 6. November 2009 vorgelegen. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/493, Frage 20): Wie schätzt die Bundesregierung die rechtlichen Möglich- keiten eines Betreuungsgeldmodells ein, das zwischen Eltern differenziert, die ALG II beziehen, und für diese die Auszah- lung in Form eines Gutscheins vorsieht, und jenen Eltern, die kein ALG II bekommen, und für diese eine Barauszahlung des Betreuungsgeldes vorsieht? Die Absichtserklärung im Koalitionsvertrag lässt die Art der Leistungsbeziehung – Geld oder Gutschein – of- fen. Die Bundesregierung nimmt sich Zeit für die Aus- gestaltung eines erfolgreichen Modells bis zum Jahr 2013. Wir haben dabei das erklärte Ziel vor Augen, die Erziehungsleistung der Eltern stärker anzuerkennen und zugleich die Entwicklung des Kindes zu fördern. Sie können sich sicher sein, dass wir dabei keine Familien diskriminieren oder gegeneinander ausspielen werden. Daher stellt sich für uns die Frage nach den rechtlichen Möglichkeiten, Transferleistungen als Anknüpfungs- punkt für die Art der Leistungsausgabe heranzuziehen, von vornherein nicht. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Ute Kumpf (SPD) (Drucksache 17/493, Frage 21): Warum macht die Bundesregierung die Daten und Ergeb- nisse des Freiwilligensurveys 2009, die in einer Pressekonfe- renz der ehemaligen Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dr. Ursula von der Leyen bereits Anfang Dezember 2009 hätten vorgestellt werden sollen, der Öffent- lichkeit nicht zugänglich, und bis wann plant das Bundesmi- nisterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Daten vorzustellen? Die für den 2. Dezember 2009 mit Frau Bundesminis- terin von der Leyen geplante Pressekonferenz zur Vor- stellung erster Ergebnisse des Freiwilligensurvey musste aufgrund des Leitungswechsels im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) kurzfristig abgesagt werden. Erste Ergebnisse sollen nun zeitnah in Form einer Pressemitteilung und eines Kurzpapiers an die Öffent- lichkeit gegeben werden und werden online verfügbar sein. Dafür werden derzeit hausintern alle notwendigen Vorbereitungen getroffen. Darüber hinaus soll im April 2010 die Veröffentlichung eines Kurzberichts sowie im Juni 2010 die Veröffentlichung des Gesamtberichts er- folgen. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Ute Kumpf (SPD) (Drucksache 17/493, Frage 22): Warum wurde der Forschungsbeirat des Freiwilligensur- veys, der die Entwicklung des Freiwilligensurveys seit 1999 durch seine Arbeit erfolgreich begleitet hat, vom zuständigen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aufgelöst, und mit welcher Zusammensetzung wird ein neuer Fachbeirat für den Freiwilligensurvey berufen? Jede Erhebungswelle des Freiwilligensurveys wird von einem eigenen Projektbeirat begleitet (1999/2004/ 2009), welcher das Bundesfamilienministerium zur Da- tenerhebung und Auswertung des Freiwilligensurveys berät. Mit Abschluss des jeweiligen Projektes beendet der Beirat seine Arbeit und es erfolgt eine offizielle Neu- berufung für die nächste Untersuchungswelle. So hat seit 1999 nunmehr der dritte Projektbeirat seine Arbeit auf- genommen. Die Zusammensetzung des Projektbeirats zur 3. Welle des Freiwilligensurveys ist darauf bedacht, dass die Wahrnehmung seiner begleitenden Aufgaben auch wei- terhin gewährleistet wird. Der Projektbeirat zum 3. Frei- willigensurvey setzt sich wie bisher aus Vertretern von Wissenschaft, Verbänden, Wirtschaft, Politik und Dritt- Sektor-Organisationen zusammen. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Fra- gen des Abgeordneten Stefan Schwartze (SPD) (Druck- sache 17/493, Fragen 23 und 24): In welcher Höhe und mit welchen Maßnahmen beabsich- tigt die Bundesregierung, die politische Jugendbildung in die- ser Legislaturperiode zu fördern? Welche vom Bund mitfinanzierten Projekte im Bereich der politischen Jugendbildung gibt es, und wie hoch ist der Etat des Bundes für die Förderung von Projekten der politischen Jugendbildung für und mit Jugendlichen für das Jahr 2010? Erstens. Politische Jugendbildung im KJP Nach dem Haushaltsentwurf 2010 für den Titel 1702 68411 sieht die Bundesregierung im Kinder- und Jugendplan des Bundes einen Haushaltsansatz für die politische Jugendbildung, Prog. 01., in Höhe von 9 900 000 Euro vor. Hierdurch werden zur nachhaltigen Sicherung und Stärkung der bundesweiten Infrastruktur im Rahmen von Projektfördermaßnahmen Personalkosten, Kurse, Ar- beitstagungen und Einzelmaßnahmen von Trägern der Freien Jugendhilfe, von Jugendbildungs- und Begeg- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 1561 (A) (C) (B) (D) nungsstätten finanziert. Die bundeszentralen Verbände in der politischen Jugendbildung übernehmen als Zu- wendungsempfänger regelmäßig die Aufgaben einer Zentralstelle und sichern hierdurch die bedarfs- und ziel- gerechte Verwendung der Fördermittel bei ihren Mitglie- dern. Die Träger der politischen Jugendbildung leisten ei- nen erheblichen Beitrag zur Vermittlung von Schlüssel- kompetenzen, wie Toleranzförderung, Partizipation und soziales Engagement, Selbstbewusstsein und Verantwor- tungsbereitschaft, gewaltfreie Konfliktbewältigung jun- ger Menschen. Zweitens. Bundesprogramm „Vielfalt tut gut. Jugend für Vielfalt. Toleranz und Demokratie“ Die Maßnahmen des Bundesprogramms „Vielfalt tut gut. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ stel- len mittelbar auch Maßnahmen der politischen Jugend- bildung dar. Die 90 lokalen Aktionspläne und die 90 Modellprojekte dienen der Demokratieerziehung und richten sich an Jugendliche als eine der wichtigsten Ziel- gruppe. Im Jahr 2010 sind für das Bundesprogramm „Vielfalt tut gut“ – wie in den Vorjahren – Finanzmittel in Höhe 19 Millionen Euro vorgesehen. Zusätzlich ste- hen aus nicht verwendeten Mitteln des Haushalts 2009 in 2010 2 Millionen Euro für Projekte zum Kampf gegen Linksextremismus und islamistischen Extremismus zur Verfügung. Drittens. Politische Jugendbildung bei der Bundes- zentrale für politische Bildung Die Bundeszentrale für politische Bildung, bpb, wen- det sich mit ihren Angeboten an alle interessierten Bürge- rinnen und Bürgern, unter anderem auch an Jugendliche. Eine Aufsplittung der verausgabten Haushaltsmittel auf Jugendliche und Erwachsene ist nicht möglich. Die bpb verfügt im Jahr 2010 über Haushaltsmittel in Höhe von 38 628 000 Euro. Davon entfallen 19 723 000 Euro auf die eigene politische Bildungsarbeit und 6 806 000 Euro auf die Trägerförderung. Förderung: Die bpb fördert politische Bildungsveranstaltungen der anerkannten Träger der politischen Bildung. Laut Richtlinien können Teilnehmer ab 16 Jahren gefördert werden. In ihrer Statistik führt die bpb die Alterskohorte 16 bis 27 Jahren. In den vergangenen Jahren gehörten circa 35 Prozent der Teilnehmenden eines Jahres dieser Altersgruppe an. Die politische Jugendbildung wird da- bei als Teil der Erwachsenenbildung behandelt. Eigene politische Bildungsarbeit: Mit den Finanzmitteln für eigene politische Bildungs- arbeit entwickelt die bpb Printpublikationen (Bücher, Zeitschriften, Broschüren), Multimediaprodukte, Veran- staltungen und Projekte. Es gibt zielgruppenspezifische Formate, die speziell für Kinder und Jugendliche entwickelt werden, sowie andere Formate, insbesondere die Website www.bpb.de sowie verschiedene externe Websites und viele Print- publikationen, die von Jugendlichen genutzt werden, auch wenn sie nicht speziell für diese entwickelt wurden. Eine Onlinebefragung aus dem Jahr 2004 kam zu dem Ergebnis, dass 10 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer von www.bpb.de bis 18 Jahre alt sind und 48 Prozent der Altersgruppe 19 bis 27 angehören. Zu den Produkten, die speziell für Jugendliche entwi- ckelt werden, gehören niedrigschwellige Printprodukte (zum Beispiel Pocket, Das junge Politik-Lexikon und an- dere), die Jugendzeitschrift fluter, Auflage 250 000, und die Website www.fluter.de. Darüber hinaus führt die bpb verschiedene Partizipationsprojekte – zum Beispiel im Jahr 2009 das Projekt „Aktion 09. Gib Deiner Meinung eine Stimme“ – durch und baut seit mehreren Jahren ihre Peer-Education-Programme, wie Team-Global und Young European Professionals aus, bei denen Netzwerke von jungen Teamerinnen und Teamern ausgebildet wer- den, damit sie politische Themen an Gleichaltrige zu vermitteln lernen. Zusätzlich werden Jugendliche auch über die diversen didaktischen Materialien für die Schule erreicht. Die Haushaltsansätze über die Förderung der politi- schen Jugendbildung des Bundes in dieser Legislatur- periode sind zurzeit noch in der Beratung. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/493, Frage 25): Welche anderen Kriterien angesichts der Tatsache, dass die bisherige Leiterin und die von der Bundesregierung be- stimmte Nachfolgerin über keinerlei rechtliche und tatsächli- che Erfahrungen im Bereich der Antidiskriminierungsarbeit verfügen – die neu ausgewählte, aber aufgrund des Beschlus- ses des OVG Berlin-Brandenburg nicht eingestellte Leiterin hat keinerlei Erfahrungen (www.bmfsfj.de, www.broken-rain bow.de); die bisherige Leiterin, Martina Köppen, hatte diese bei ihrer Einstellung ebenfalls nicht und hat dies in einer An- hörung vor dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 13. Mai 2009 eingestanden (siehe Sitzungsproto- koll des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Ju- gend, Kurzprotokoll 88. Sitzung, Protokoll Nr. 16/88, Seite 34, erster Absatz ff); in einem Artikel des Wirtschaftsmagazins brand eins wird sie zitiert: „Mit dem deutschen Diskriminie- rungsgesetz hatte ich mich bis dahin gar nicht befasst“ (www.brandeins.de); Gleiches geht auch aus zahlreichen Presseberichten hervor: www.handelsblatt.com; www.fr- online.de; www.taz.de –, spielen bzw. spielten bei der Aus- wahl für die Besetzung der Leitung der Antidiskriminierungs- stelle des Bundes, ADS, eine Rolle, und warum hat die Bun- desregierung die rechtlichen Mindestanforderungen des Arbeits- und Verwaltungsrechtes (OVG Berlin-Brandenburg am 15. Dezember 2009, Az. 6 S 47.09) bei der Bestellung von Christine Lüders zur neuen Leiterin der Antidiskriminierungs- stelle des Bundes übergangen, sodass die Stelle seit Oktober 2009 ohne Leitung ist? Die Aufgaben der Antidiskriminierungsstelle des Bun- des (ADS) und damit das der Auswahlentscheidung zu- grunde zu legende Anforderungsprofil an deren Leitung ergeben sich unmittelbar aus dem Allgemeinen Gleichbe- handlungsgesetz (AGG). Nach § 27 Abs. 2 Nr. 1 AGG unterstützt die ADS Personen bei der Durchsetzung ihrer Rechte zum Schutz vor Benachteiligungen. Weitere Auf- 1562 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 (A) (C) (B) (D) gaben der ADS sind die Vermittlung der Beratung durch andere Stellen (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 AGG), die gütliche Bei- legung von Konflikten bei Benachteiligungen (§ 27 Abs. 2 Nr. 3 AGG), Öffentlichkeitsarbeit (§ 27 Abs. 3 Nr. 1 AGG), Maßnahmen zur Verhinderung von Benach- teiligungen nach § 1 AGG und die Durchführung wissen- schaftlicher Untersuchungen hierzu (§ 27 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AGG) sowie die Berichterstattung gegenüber dem Deut- schen Bundestag und die Abgabe von Empfehlungen (§ 27 Abs. 4 Satz 1 AGG). Außerdem kann die ADS nach § 27 Abs. 4 Satz 2 AGG wissenschaftliche Untersuchun- gen zu Benachteiligungen durchführen. § 27 Abs. 5 AGG sieht für bestimmte Konstellationen noch die Koopera- tion der ADS mit Beauftragten der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages vor. Die Leitung der ADS vertritt und repräsentiert die ADS nach außen und gibt ihre fachliche Ausrichtung nach innen vor. Ein Schwerpunkt des Amtes liegt darauf, die Themen der ADS öffentlichkeitswirksam zu trans- portieren, für Benachteiligungsfragen wichtige Schalt- stellen in Politik und Wirtschaft zu sensibilisieren und durch eine effiziente Kommunikation und Kooperation für entsprechende Maßnahmen zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund benötigt die künftige Leitung der ADS neben fachlichen Kenntnissen auf dem Gebiet der Benachteiligungen ausgeprägte Kommunikationsfä- higkeit und Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Um die Arbeit der ADS den fach- lichen Zielen entsprechend ausrichten zu können, ist au- ßerdem eine langjährige Führungs- und Verwaltungser- fahrung erforderlich. In einem gegen die vom Bundeskabinett beschlossene Besetzung der Leitung der ADS angestrengten Konkur- rentenstreitverfahren ist am 15. Dezember 2009 eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Bran- denburg ergangen. Nach Auffassung des Oberverwal- tungsgerichts ist auch bei der Besetzung der Leitung der ADS eine Auseinandersetzung mit etwaigen Bewerbun- gen erforderlich. Diese Pflicht entfalle lediglich bei demokratischen Wählämtern und Regierungsmitgliedern. In der Recht- sprechung wurde damit erstmalig eine entsprechende Aussage zur politischen Besetzung öffentlich-rechtlicher Ämter getroffen. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts war auch wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung zunächst zu bewerten. Die Besetzung der Leitung der ADS hat sich deshalb über den vorgesehenen Zeitpunkt hinaus verzögert. Das Verwaltungsgericht Berlin hatte Ende November noch bestätigt, dass die Auswahl der Leitung der ADS im weiten politischen Ermessen der Bundesregierung steht und nicht nach engen beamtenrechtlichen Regeln erfol- gen soll. Unter Hinweis auf die herausgehobene politi- sche Bedeutung der Leitung der Antidiskriminierungs- stelle des Bundes hatte das Verwaltungsgericht Berlin eine Bindung an Art. 33 Abs. 2 GG verneint. Anlage 15 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Fragen des Abgeordneten Harald Weinberg (DIE LINKE) (Drucksache 17/493, Fragen 26 und 27): Wann will das Bundesministerium für Gesundheit die An- kündigung des Bundesministers Dr. Philipp Rösler umsetzen, die Deckungslücke für Sozialhilfe-/ALG-II-Bezieher im Ba- sistarif der privaten Kranken- und Pflegeversicherung zu schließen (vergleiche zum Beispiel Berliner Zeitung vom 20. Januar 2010, Seite 5), und soll dies in Form eines eigenen Gesetzes geschehen? Beinhaltet diese Regelung nicht nur die angekündigte He- raufsetzung des durch die Sozialämter/Argen gezahlten Zu- schusses für die private, sondern auch die Zahlungen für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung, und wird diese Regelung für die betroffenen Hilfebedürftigen auch rückwir- kend gelten? Zu Frage 26: Die genaue Ausgestaltung der gesetzlichen Änderung zur Lösung des in der Frage genannten Problems wird derzeit noch innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Gleiches gilt für die Frage nach dem hierfür erforderli- chen Gesetzgebungsverfahren. Zu Frage 27: Eine Änderung des Beitragsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. der sozialen Pflegeversiche- rung ist im Rahmen der oben genannten gesetzlichen Änderung nicht beabsichtigt. Bei den Zahlungen für Hilfebedürftige in der gesetzlichen Kranken-/Pflegever- sicherung stellt sich der Sachverhalt anders dar, weil diese unabhängig von der Höhe des für sie vom zustän- digen Grundsicherungsträger gezahlten Beitrags immer Anspruch auf den vollen Leistungsumfang haben und auch keine Beitragsrückstände auflaufen. Insofern ist dieser Personenkreis von einer „Beitrags- oder De- ckungslücke“ nicht betroffen. Die Frage angemessener Beitragszahlungen an die GKV wird aber im Zusam- menhang mit der anstehenden Finanzierungsreform zu diskutieren sein. Wie mit den Beitragsrückständen umzugehen ist, die bei den von der „Beitragslücke“ betroffenen Personen seit 1. Januar 2009 aufgelaufen sind, wird geprüft. Anlage 16 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Fragen der Abgeordneten Maria Anna Klein- Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/493, Fragen 28 und 29): Welche Schlussfolgerungen zieht das Bundesministerium für Gesundheit aus der von der Gesundheitsministerkonfe- renz, GMK, in einem Schreiben vom Dezember 2009 an den Bundesminister geäußerten Sorge, dass die Verhandlungen zu der Vereinbarung gemäß § 118 Abs. 2 des Fünften Buches So- zialgesetzbuch zu keiner Einigung führen und es deshalb zu einer erheblichen Einschränkung des Zugangs von Patienten zu psychiatrischen Institutsambulanzen kommt? Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 1563 (A) (C) (B) (D) Was plant die Bundesregierung zu tun, damit die Befürch- tung der GMK, es komme infolge der geplanten Neuregelung zu einer existenziellen Einschränkung der ambulanten Versor- gung von schwer und mehrfach psychisch kranken Patienten, nicht Wirklichkeit wird und dies in der Folge nicht zu einem Anstieg der stationären Aufnahmen führt? In Anbetracht der derzeit noch laufenden Verhandlun- gen der Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene (GKV-Spitzenverband, Deutsche Krankenhausgesell- schaft und Kassenärztliche Bundesvereinigung) über ei- nen neuen Vertrag gemäß § 118 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch beteiligt sich das Bundesmi- nisterium für Gesundheit nicht an Spekulationen über mögliche Ergebnisse der Verhandlungen. Im Übrigen geht das Bundesministerium für Gesundheit davon aus, dass die Vertragspartner bei den Verhandlungen den ih- nen nach dem Gesetz obliegenden Gestaltungsspielraum unter Beachtung der spezifischen Versorgungsanforde- rungen bei psychisch kranken Menschen verantwor- tungsbewusst nutzen. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/493, Fragen 30 und 31): Wie gedenkt die Bundesregierung den Verkehrszuwachs möglichst vollständig auf die Schiene zu bringen, wie das der Bundesminister Dr. Peter Ramsauer gegenüber der Süddeut- schen Zeitung in einem Interview angekündigt hat, und wel- che Bahnstrecken müssen hierfür erweitert bzw. neu gebaut werden? Welche zusätzlichen Haushaltsmittel werden für den vom Bundesminister Dr. Peter Ramsauer angekündigten massiven Ausbau des deutschen Schienennetzes bereitgestellt, und wie passt diese Ankündigung des Ausbaus zu den Ausführungen im Koalitionsvertrag zur Verwendung der Lkw-Mauteinnah- men in einem Finanzierungskreislauf Straße? Zu Frage 30: Die Verlagerung von Transporten von der Straße auf die Schiene und die Wasserstraße ist seit Jahrzehnten Ziel der Verkehrspolitik. Neu ist der Ansatz, durch eine Priorisierung einzelner Maßnahmen möglichst Engpässe zu vermeiden bzw. abzubauen. Gegenwärtig findet die Überprüfung des Bedarfsplans für die Bundesschienen- wege statt. Die Ergebnisse hierzu werden im 1. Halbjahr dieses Jahres erwartet. Auf dieser Grundlage wird fest- zulegen sein, welche Vorhaben prioritär umgesetzt wer- den. Es gilt, für die prognostizierten Verkehrszuwächse des Verkehrsträgers Schiene, welche die schienenaffinen Transporte umfassen, durch den gezielten Aus- und Neu- bau sowie die Erhaltung der Schieneninfrastruktur eine Basis für die effiziente Abwicklung bereitzustellen. Zu Frage 31: Im Entwurf für den Bundeshaushalt 2010 sind fast 4,3 Milliarden Euro für Investitionen in das Schienen- netz veranschlagt. Darüber hinaus werden zusätzlich aus dem Investitions- und Tilgungsfonds, KP II, in 2010 und 2011 Investitionsmittel in Höhe von rund 726 Millionen Euro bereitgestellt. In der Finanzplanung 2011 bis 2013 sind jährlich mehr als 3,9 Milliarden Euro vorgesehen. Bei der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Prüfung eines Finanzkreislaufs Straße mit direkter Zuweisung der Einnahmen aus der Lkw-Maut sind auch die Auswir- kungen auf die anderen Verkehrsträger zu berücksichti- gen. Im Ergebnis muss die Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel auf die Verkehrsträger bedarfsgerecht und ausgewogen sein. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Florian Pronold (SPD) (Drucksache 17/493, Fragen 32 und 33): Ist zwischen dem Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, und dem Vorstands- vorsitzenden der DB AG, Dr. Rüdiger Grube, über eine neue Prioritätensetzung bei der Realisierung von Vorhaben des Be- darfsplans Schiene gesprochen worden, und, wenn ja, welche Projekte wurden dabei benannt? Bis wann wird die Bundesregierung der Öffentlichkeit eine verlässliche Prioritätenliste für die Verwirklichung von Schienenprojekten präsentieren, und welche Maßnahmen be- züglich des Baus von international vereinbarten Schienenpro- jekten wird die Bundesregierung ergreifen, um die Glaubwür- digkeit der deutschen Politik nicht zu beschädigen? Zu Frage 32: Die Bundesregierung äußert sich zum Inhalt vertrauli- cher Gespräche grundsätzlich nicht. Zu Frage 33: Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung entwickelt Kriterien zur Priorisierung von Verkehrsinvestitionen. Die voraussichtlich im 1. Halb- jahr 2010 vorliegenden Ergebnisse der Überprüfung des Bedarfsplans Schiene bilden mit diesen Kriterien die Grundlage für die Entscheidungen über die zu realisie- renden Maßnahmen, die auch in einen neuen Fünfjahres- plan eingebracht werden. Die international vereinbarten Schienenprojekte wer- den dabei entsprechend Berücksichtigung finden. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/493, Frage 34): Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus den Me- dienberichten, laut denen der Ausbau der Südbahn Ulm–Friedrichshafen–Lindau mit Direktverbindung in die Schweiz auf einer Streichliste der Deutschen Bahn AG, DB AG, steht, und gilt die Zusage des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, die Kosten des Aus- baus zur Hälfte zu tragen, sodass die Südbahn bis 2015 elek- trifiziert ist? 1564 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 (A) (C) (B) (D) Eine Streichliste der Deutschen Bahn AG liegt dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung nicht vor. Die Grundlagenermittlung sowie die Vorentwurfspla- nung für den Ausbau der Strecke Ulm–Friedrichshafen– Lindau werden gegenwärtig erstellt; im Anschluss wären die Durchführung und Finanzierung der Entwurfs- und Genehmigungsplanung zwischen dem Land Baden- Württemberg und der Deutsche Bahn AG zu vereinba- ren. Die Realisierung der Infrastrukturmaßnahme wird danach in Abhängigkeit von der dann vorhandenen Fi- nanzausstattung und in Abstimmung mit anderen vor- dringlichen Maßnahmen realisiert werden. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksache 17/493, Fragen 35 und 36): Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die drin- gend notwendige Elektrifizierung der Strecke München–Lin- dau im Rahmen der Überarbeitung des Bedarfsplanes, die meines Wissens bis Mitte dieses Jahres abgeschlossen sein soll, gestrichen wird, und, wenn ja, wird der Baubeginn dieser Strecke wie geplant in diesem Jahr stattfinden? Welche Bedingungen sind an die Finanzierungszusagen der Schweiz gebunden? Zu Frage 35: Ja. Die Bundesregierung geht weiterhin davon aus, dass der Baubeginn 2010 erfolgen kann. Zu Frage 36: Die Deutsche Bahn AG hat mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft, vertreten durch das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, UVEK, am 17. April 2009 einen Vertrag über die Gewährung ei- nes Darlehens in Höhe von 50 Millionen Euro geschlos- sen. Das ausgezahlte Darlehen ist per 31. Dezember 2025 vollständig durch die DB Netz AG zurückzuzahlen. Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen stellen mit der Elektrifizierung Ertüchtigungsmaßnahmen zum Ein- satz von Neigetechnik-Fahrzeugen und ggf. weiteren In- frastrukturausbauten sicher, dass eine zweistündliche di- rekte Verbindung Zürich–München mit einer Zielfahrzeit von 1:50 Stunde zwischen München und der Grenze Deutschland/Österreich erreicht werden kann. Damit kann in Abstimmung mit dem Angebot auf dem Schwei- zer Abschnitt eine Fahrzeit von 3:15 Stunden zwischen München und Zürich (Vereinbarung zur Sicherung der Leistungsfähigkeit des Zulaufs zur neuen Eisenbahn-Al- pentransversale vom 6. September 1996) angeboten wer- den. Aufschiebende Bedingung für das Inkrafttreten dieser Vereinbarung ist die Unterzeichnung der Vereinbarung durch die Vertragspartner und die Genehmigung der zu- ständigen Beschluss- und Aufsichtsorgane der Vertrags- partner. Die Genehmigung der zuständigen Beschluss- und Aufsichtsorgane der Deutsche Bahn AG ist am 13. Januar 2010 erteilt worden. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Martin Burkert (SPD) (Drucksache 17/493, Fragen 37 und 38): Kann die Bundesregierung ausschließen, dass der drin- gend notwendige Ausbau der Bahnstrecke Nürnberg–Erfurt (VDE Nr. 8.1) sowie die Elektrifizierung der Strecke Nürn- berg–Marktredwitz–Reichenbach–Grenze Deutschland/Tsche- chien(–Prag) im Rahmen der angekündigten Überarbeitung des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege gestrichen oder Teile dieser Projekte gestrichen werden? Kann die Bundesregierung garantieren, dass nach der an- gekündigten Überarbeitung des Bedarfsplans für die Bundes- schienenwege der anvisierte Fertigstellungstermin für die ICE- Neu- bzw. -Ausbaustrecke Nürnberg–Erfurt (VDE Nr. 8.1) im Jahr 2017 eingehalten werden kann, bzw. wann ist nach der- zeitigem Stand die endgültige Fertigstellung dieses Projekts vorgesehen? Zu Frage 37: Die Ergebnisse aus der Überprüfung des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege werden voraussichtlich im ersten Halbjahr dieses Jahres vorliegen. Dies bleibt ab- zuwarten. Zu Frage 38: Die Neubaustrecke Ebensfeld–Erfurt im Zuge des VDE Nr. 8.1 Nürnberg–Erfurt soll wie anvisiert im De- zember 2017 fertiggestellt werden. Aus dem aktuellen Bauablauf sind gegenwärtig keine Hindernisse bekannt. Die Fertigstellung des viergleisigen Ausbaus der Strecke Nürnberg–Ebensfeld wird erst nach 2020 möglich sein. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Michael Groß (SPD) (Drucksache 17/493, Frage 39): Kann die Bundesregierung garantieren, dass der Rhein- Ruhr-Express auf keiner Streichliste der Deutschen Bahn AG und des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtent- wicklung steht und dass dieses Infrastrukturprojekt im bisher vorgesehenen Zeitrahmen geplant und gebaut wird, um ins- besondere in der bevölkerungsreichsten Region der Bundesre- publik Deutschland für eine Entlastung im täglichen Pendler- verkehr zu sorgen? Es gibt keine zwischen Bahn und Bund abgestimmte Streichliste von Projekten des Bedarfsplans für die Bun- desschienenwege. Dieser ist Bestandteil des Gesetzes zum Ausbau der Schienenwege des Bundes, BSchAG, und bildet den Bedarf für Neu- und Ausbau der Schie- neninfrastruktur des Bundes ab. Der Bedarfsplan ist kein Finanzierungsplan und be- sitzt insofern auch keinen Etat, welcher einer Kürzung unterzogen werden könnte. Über den Zeitpunkt der Rea- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 1565 (A) (C) (B) (D) lisierung einer im Bedarfsplan enthaltenen Bundesschie- nenwegemaßnahme entscheidet das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im Einverneh- men mit der Deutschen Bahn AG im Rahmen der vom Parlament zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel. Die zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und der Deutsche Bahn AG verabredeten prioritären Projekte werden planerisch vor- angetrieben. Wenn der Planungsfortschritt den Baube- ginn und damit den Abschluss einer Finanzierungsver- einbarung erlaubt, wird das Bundesministerium für Ver- kehr, Bau und Stadtentwicklung im Umfang der dann geltenden Bundeshaushaltslinie entsprechende Finanzie- rungsvereinbarungen abschließen. Der Realisierung des Rhein-Ruhr-Express misst die Bundesregierung große Bedeutung bei. Damit die Deut- sche Bahn AG die Planungen zügig aufnehmen und fort- führen konnte, hat der Bund Planungskosten in Höhe von 20 Millionen Euro vorab übernommen. Anlage 23 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen der Abgeordneten Sabine Stüber (DIE LINKE) (Drucksache 17/493, Fragen 40 und 41): Welche rechtlichen Grundlagen liegen den Direktzahlun- gen der Deutschen Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen mbH, DWK, bzw. deren Nachfolgegesell- schaften an den Bund bzw. das Land Niedersachsen bzw. an niedersächsische Kommunen in Zusammenhang mit der Er- richtung und dem Betrieb der Atomanlage in Gorleben zu- grunde? Warum gab es nach Kenntnis der Bundesregierung keine Zweckbindung der Zahlung von Geldern vom Bund an das Land Niedersachsen aus den Direktzahlungen der DWK, son- dern eine pauschale Auszahlung der Gelder? Zu Frage 40: Am 22./29. Januar 1979 wurde zwischen der Bundes- republik Deutschland, vertreten durch das BMI, und der DWK eine Finanzierungsvereinbarung abgeschlossen. Darin verpflichtete sich die DWK „angesichts der Ein- maligkeit der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des ge- planten NEZ zur Entlastung von infrastrukturellen Kos- ten, die durch die Verwirklichung des NEZ verursacht werden“ an die öffentliche Hand einen pauschalen Be- trag von 200 Millionen DM in zehn gleichen Jahresraten zu zahlen, wovon 24,5 Millionen DM auf den Landkreis Lüchow-Dannenberg, 45,5 Millionen DM auf das Land Niedersachen und 130 Millionen DM auf den Bund ent- fallen sollten. Das NEZ war das damals geplante Nu- kleare Entsorgungszentrum. Für den Fall, dass das NEZ nicht verwirklicht werden könne, wurde vereinbart, die entstandenen Kosten im gegenseitigen Einvernehmen abzurechnen. Die DWK hat die erste Rate am 1. März 1979 gezahlt, sah aber nach Aufkündigung des NEZ durch die Regierungserklärung vom 16. Mai 1979 von weiteren Zahlungen ab. Die DWK verzichtete darauf, die 1. Rate vom Bund zurückzufordern. Zu Frage 41: Der Bund hatte im Jahr 1979 mit dem Land Nieder- sachsen eine „Verwaltungsvereinbarung über die Rege- lung der finanziellen Auswirkungen des Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahrens für das Nukleare Ent- sorgungszentrum (NEZ) bei Gorleben“ geschlossen. Im Rahmen dieser Vereinbarung hatte der Bund „anerkannt, dass die Entlastung des Landkreises Lüchow-Dannen- berg von den einmaligen Infrastrukturkosten in Höhe von 24,5 Millionen DM unverzichtbarer Bestandteil der Gesamtregelung“ sei. Der Bund verpflichtete sich, unter Berücksichtigung des Verursacherprinzips auf eine Zah- lung durch die Verursacher hinzuwirken. Dieser Verpflichtung ist der Bund beim Abschluss der Finanzierungsvereinbarung mit der DWK – siehe Ant- wort zu Frage 7 – nachgekommen. Die DWK hatte sich in dieser Finanzvereinbarung verpflichtet, „zur Entlas- tung von den infrastrukturellen Kosten, die durch die Verwirklichung des NEZ verursacht werden“, an den Landkreis Lüchow-Dannenberg 24,5 Millionen DM zu zahlen. Für die Zahlung der Gelder durch die DWK soll- ten nach der Vereinbarung Verträge der DWK mit den in der Vereinbarung genannten Körperschaften im Beneh- men mit dem Bund geschlossen werden. Eine Zahlung an den Landkreis Lüchow-Dannenberg durch den Bund erfolgte daher nicht. Anlage 24 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula-Heinen Esser auf die Fragen der Abgeordneten Dorothée Menzner (DIE LINKE) (Drucksache 17/493, Fragen 42 und 43): Welche Verträge bzw. Vereinbarungen zu welchen Bedin- gungen gab es in Zusammenhang mit der Erstellung und dem Betrieb der Atomanlagen in Gorleben zwischen der Betreiber- gesellschaft Deutsche Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen mbH, DWK, bzw. deren Nachfolgege- sellschaften und dem Bund bzw. dem Land Niedersachsen und dessen untergeordneten Verwaltungsebenen – Landkrei- sen, Samtgemeinden, Gemeinden – von 1979 bis heute? In welcher Höhe und wann sind Zahlungen aus solchen Verträgen bzw. Vereinbarungen geflossen? Zu Frage 42: Am 22./29. Januar 1979 wurde zwischen der Bundes- republik Deutschland, vertreten durch das BMI, und der DWK eine das Nukleare Entsorgungszentrum NEZ bei Gorleben betreffende Finanzierungsvereinbarung abge- schlossen. Darin verpflichtete sich die DWK „angesichts der Einmaligkeit der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des geplanten NEZ“ an die öffentliche Hand einen pau- schalen Betrag von 200 Millionen DM in zehn gleichen Jahresraten zu zahlen, wovon 24,5 Millionen DM auf den Landkreis Lüchow-Dannenberg, 45,5 Millionen DM auf das Land Niedersachen und 130 Millionen DM auf den Bund entfallen sollten. Für den Fall, dass das NEZ nicht verwirklicht werden kann, wurde vereinbart, die entstandenen Kosten im gegenseitigen Einvernehmen abzuwickeln. Darüber hinaus liegen folgende, zwischen dem Bund und der DWK von 1979 bis heute geschlossenen Ver- träge vor: 1566 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 (A) (C) (B) (D) Grundstücks- und Salznutzungsv. Erkundungsbohrungen 16./17.02.1983 Grundstücks- und Salznutzungsv. Erkundungsbohrungen 11./12.08.1983 Grundstücks- und Salznutzungsv. Erkundungsbohrungen 04./22.09.1980 Grundstücks- und Salznutzungsv. Erkundungsbohrungen 16./22.08.1979 Grundstücks- und Salznutzungsv. geologisch-hydrogeolog. Bohrungen 6.3./6.4.1979 Grundstücks- und Salznutzungsv. geologisch-hydrogeolog. Bohrungen 26.4./4.5.1979 Zu Frage 43: Die DWK hat die erste gemäß Finanzierungsverein- barung vom 22./29. Januar 1979 zu zahlende Rate in Höhe von 20 Millionen DM am 1. März 1979 gezahlt, sah aber nach Aufkündigung des NEZ durch die Regie- rungserklärung vom 16. Mai 1979 von weiteren Zahlun- gen ab. Die DWK verzichtete darauf, die 1. Rate vom Bund zurückzufordern. Bei den darüber hinaus zwischen dem Bund und der DWK von 1979 bis heute geschlossenen Verträgen be- trägt die jährliche Pachtzahlung derzeit 43 041,68 Euro. Dieser Betrag hat sich seit 1994 nicht verändert. Anlage 25 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/493, Frage 44): Was waren die konkreten Ziele und Inhalte des Gesprächs mit den Atomkraftwerksbetreibern am 21. Januar 2010 im Bundeskanzleramt? Die Monitoring-Gruppe hat auch am vergangenen Donnerstag, wie in der Vergangenheit, keine politisch- strategischen Entscheidungen getroffen. Bei der Sitzung der Monitoring-Gruppe hat es sich um eine Routinesitzung eines bestehenden Arbeits- gremiums im Rahmen der Vereinbarung der Bundesre- gierung mit den Energieversorgungsunternehmen gehan- delt. Anlage 26 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/493, Frage 45): Will die Bundesregierung die Laufzeit des Atomkraft- werks Neckarwestheim I verlängern, und auf welcher rechtli- chen Basis könnte dies erfolgen? Über Laufzeitverlängerungen für Kernkraftwerke wird im Rahmen des Energiekonzepts der Bundesregie- rung entschieden. Vertragsart Vertragsgege Grundstückspachtvertrag Grundstücksf Ergänzung des Pachtvertrages Grundstücksf Vertrag Soleleitung Vertrag Salzrechte Nutzungsvertrag Wegerecht Grundstücksnutzungsvertrag Grundwasserm Grundstücksnutzungsvertrag Baugrundunte Grundstücksnutzungsvertrag Bohrschlamm Grundstücks- und Salznutzungsv. Erkundungsb Grundstücks- und Salznutzungsv. Erkundungsb Grundstücks- und Salznutzungsv. Erkundungsb Grundstücks- und Salznutzungsv. Erkundungsb Grundstücks- und Salznutzungsv. Erkundungsb Grundstücks- und Salznutzungsv. Erkundungsb nstand Vertragsdatum läche Erkundungsbergw. 10./17.02.1984 läche Salzhalde 23./30.01.1986 25.07.1990 25.07.1990 15./21.12.1981 essstellen 25./28.11.1986 rsuchung 26.1./1.2.1984 deponie 30.7.17.8.1981 ohrungen 25.09.1980 ohrungen 15./18.09.1980 ohrungen 29.7./13.8.1980 ohrungen 18.2./3.3.1981 ohrungen 08.07.1982 ohrungen 10./14.01.1983 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 1567 (A) (C) (B) (D) Anlage 27 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen des Abgeordneten Dirk Becker (SPD) (Drucksa- che 17/493, Fragen 46 und 47): Welche Gesamtinvestitionen im Bereich der hocheffizien- ten kleinen Blockheizanlagen wurden in der Vergangenheit durch das Klimaschutz-Impulsprogramm für die Installation von Mini-KWK-Anlagen – KWK: Kraft-Wärme-Kopplung – angeschoben, und welcher Anteil – Anzahl der Anlagen sowie Gesamtsumme – entfiel davon auf deutsche Hersteller von kleinen Blockheizkraftwerken? Wie bewertet der Bundesminister für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit die derzeitige Verunsicherung bei Herstellern von Mini-KWK-Anlagen und möglichen In- vestoren aufgrund der Dauer des langwierigen Entscheidungs- prozesses innerhalb der Bundesregierung und des dennoch zu erwartenden Aus für eine Fortführung des Impulsprogramms, und mit welchen Folgen für Hersteller – Insolvenzen, Arbeits- platzverluste, Umsatzrückgänge etc. –, Investoren – Rückstel- lung von Investitionen bzw. Umlenkungen von Investitionen auf weniger klimafreundliche Technologien etc. – und die deutsche Klimaschutzpolitik – Stichwort: 25-Prozent-Ziel KWK bis 2020 – rechnet die Bundesregierung? Zu Frage 46: Für 4 410 Mini-KWK-Anlagen wurden 33,1 Millio- nen Euro Zuschüsse im Jahr 2009 ausgezahlt. Damit wurden Investitionen in einem Umfang von 313,3 Mil- lionen Euro durchgeführt. Das ist nahezu das 10-Fache der eingesetzten Förderung. In Deutschland wurden 93 Prozent der Anlagen produziert. Zu Frage 47: Die hohe Nachfrage nach dem Programm zeigt, dass von ihm eine erhebliche Impulswirkung ausgegangen ist. Die Vorteile der Kraft-Wärme wurden zunehmend erkannt, was auch auf anhaltende positive Auswirkun- gen auf das künftige Investorenverhalten hoffen lässt. Die außerordentlich starke Nachfrage nach den Pro- grammen der Nationalen Klimaschutzinitiative hat dazu geführt, dass das verfügbare Budget für 2010 bereits vollständig mit bewilligten Anträgen aus dem Jahr 2009 festgelegt ist. Das betrifft sowohl das Programm für Mini-KWK als auch Klimaschutz in Kommunen und hocheffiziente Kälteanlagen. Ursache für die jetzige Si- tuation ist der große Erfolg der Nationalen Klimaschutz- initiative bei gleichzeitig sehr begrenzter Mittelausstat- tung. Die Bundesregierung wird nach Abschluss der Haus- haltsberatungen umgehend über die Fortführung des Programms entscheiden und damit belastbare Rahmen- bedingungen für Hersteller und Investoren schaffen. Ei- nen wichtigen Beitrag für das Erreichen eines Kraft- Wärme-Kopplungsanteils an der Stromerzeugung von 25 Prozent bis 2020 leistet die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Novelle des KWK-Gesetzes. Diese sieht auch eine Zwischenüberprüfung im Jahr 2011 im Lichte bereits eingetretener oder sich abzeichnender Entwick- lungen vor. Anlage 28 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/493, Fragen 48 und 49): Welche unabhängigen wissenschaftlichen Studien kom- men zu dem Ergebnis, dass eine einmalige Absenkung der Vergütung für Solarstrom für die deutschen Solarunternehmen gut verkraftbar sei, und wäre die Bundesregierung bereit, die Berechnungen dieser unabhängigen wissenschaftlichen Stu- dien interessierten Abgeordneten zur Verfügung zu stellen? Mit welchen jährlich installierten Leistungen von Fotovol- taikanlagen rechnet die Bundesregierung im Durchschnitt der Jahre 2011 bis 2020 auf Basis des aktuellen Erneuerbare- Energien-Gesetzes, und mit welchen jährlich installierten Leistungen von Fotovoltaikanlagen rechnet die Bundesregie- rung im Durchschnitt der Jahre 2011 bis 2020 auf Basis der vom Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor- sicherheit, Dr. Norbert Röttgen, vorgelegten geplanten Ände- rungen der Fotovoltaikvergütung? Zu Frage 48: Der Bundesregierung liegen eine Reihe von Studien zur Entwicklung der Kosten-, Preis- und Marktsituation der Photovoltaikbranche vor, in denen auch die Position deutscher Solarunternehmen untersucht wird. Diese Stu- dien sind zum Beispiel EuPD Research: „Der deutsche Fotovoltaikmarkt 2009, Nachfrager verstehen – Poten- ziale erschließen“, Marktreport 2009; Photon Consul- ting: „Solar Annual 2009: Total Eclipse“, 2009; Sarasin: „Solarwirtschaft – grüne Erholung ist in Sicht“, Techno- logien, Märkte, Unternehmen im Vergleich, November 2009; LBBW: „Sector Report: Der Kongreß tanzt – PV- Landkarte wird neu gezeichnet“ und weitere. Diese Stu- dien sind frei zugänglich. Die Aussagen dieser Studien werden im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) unter anderem durch ein Forschungsvorhaben zum Erfahrungsbericht des Erneu- erbare-Energien-Gesetz, das am 28. August 2009 in Auf- trag gegeben wurde, bewertet und die Auswirkungen auf die deutsche Industrie abgeschätzt. Dieses Forschungs- vorhaben des BMU ist ein laufendes Vorhaben, Berichte liegen derzeit noch nicht vor. Soweit es um die Frage der Anpassung der Vergütungs- und Degressionssätze für Fotovoltaikanlagen an die aktuelle Marktentwicklung geht, hat die Prognos AG im Auftrag des Bundesminis- teriums für Wirtschaft und Technologie ein Gutachten erstellt, dessen Abschlussbericht zur Verfügung gestellt werden kann. Zu Frage 49: Das Bundesumweltministerium hat im September 2009 das Erneuerbare-Energien-Leitszenario 2009 ver- öffentlicht. Dieses Szenario ging noch von durchschnitt- lich rund 1 500 Megawatt jährlich installierter Leistung zwischen 2011 bis 2020 aus. Die Marktentwicklung im Jahr 2009 ist vor allem infolge der Preisentwicklung der PV-Module und der bestehenden gesetzlichen Regelung mit einem Zubau von circa 3 000 MW außerordentlich dynamisch verlaufen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass auch der weitere Zubau auf Grundlage 1568 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 (A) (C) (B) (D) der geltenden gesetzlichen Regelungen deutlich schnel- ler erfolgen würde als bisher angenommen. Den Eckpunkten des Bundesumweltministeriums zur Ände- rungen der Fotovoltaikregelungen im EEG liegen durch- schnittlich rund 3 000 Megawatt installierter Leistung von 2011 bis 2020 zugrunde. Anlage 29 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/493, Fragen 50 und 51): Hält die Bundeskanzlerin an dem unkonditionierten Ziel einer Senkung der deutschen Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 fest, oder hat sie dieses Ziel mit der Aussage aus ihrer Regierungserklärung vom 20. Januar 2010 „Was ich nicht zulassen werde – ich glaube, darüber sollten wir uns einig sein –, ist, dass wir von 30 auf 40 Prozent gehen, andere ihre Position nicht verändern und wir anschließend etwas versprechen sollen, was wir zum Schluss realistischerweise nicht halten können“ (Plenarproto- koll 17/15, Seite 1255) unter einen Vorbehalt gestellt? Hat sich die Bundesregierung auf dem informellen EU- Umweltrat vom 15. bis 17. Januar 2010 in Sevilla, beim EU- Umweltrat am 22. Dezember 2009 und bei den EU-Beratun- gen am Rande der Klimakonferenz von Kopenhagen jeweils für oder gegen eine unkonditionierte Anhebung des EU-Kli- maschutzziels für das Jahr 2020 auf 30 Prozent ausgespro- chen? Zu Frage 50: Die Bundeskanzlerin hält an dem Ziel fest, die Treib- hausgasemissionen in Deutschland bis 2020 um 40 Pro- zent gegenüber 1990 zu reduzieren. Zu Frage 51: Die Bundesregierung hat sich bei den genannten Gelegenheiten entsprechend der Beschlusslage des Europäischen Rates vom 10./11. Dezember 2009 für ein konditioniertes EU-Emissionsreduktionsziel bis 2020 von 30 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 ausge- sprochen. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/493, Frage 52): Wann wird der Konzeptentwurf für den Haushaltstitel „In- strumente zur Stärkung der Wissenschaft in der Zusammenar- beit mit der Wirtschaft“ (Bundeshaushaltsplan 2010, Einzel- plan 30) sowie für die Maßnahme zur Validierungsforschung vorgelegt? Die Weiterentwicklung der Hightech-Strategie sieht vor, neue Impulse für den Wissens- und Technologie- transfer und die Validierung von Forschungsergebnissen zu geben. Im Jahr 2010 sollen mit einer Maßnahme zur Validierungsforschung sowie zu innovativen Koopera- tionsformen wie Industrie-Forschungs-Campus zwei neue Initiativen vorgelegt werden. Über Termine zur Vorlage der Konzeptentwürfe ist noch nicht entschieden. Ein Gesamtkonzept zum Wissens- und Technologie- transfer wird im Zusammenhang der Weiterentwicklung der Hightech-Strategie vorgelegt. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/493, Frage 53): Wie erklärt sich der finanzielle Mehrbedarf bei den Titeln „Stilllegung und Rückbau kerntechnischer Versuchs- und De- monstrationsanlagen“ sowie „Gesetzliche Endlageraufwen- dung“ (jeweils Bundeshaushaltsplan 2010, Einzelplan 30) für das Haushaltsjahr 2010, und wie hoch ist zum jetzigen Zeit- punkt für diese Titelgruppe der finanzielle Bedarf in den nächsten drei Jahren einzuschätzen? Der finanzielle Mehrbedarf beim Stilllegungstitel re- sultiert aus den Projektfortschritten der einzelnen Rück- bauprojekte. Der Bedarf wird durch die jeweils anste- henden, unterschiedlich kostenintensiven Arbeitsschritte der Projekte bestimmt. Endlagervorausleistungen sind von Gesetzes wegen von jedem zukünftigen Nutzer eines Endlagers zu ent- richten. Die Höhe dieser Endlagervorausleistungspflicht wird vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) für jedes Jahr auf Basis der gesetzlichen Vorschriften berechnet. Das BMBF hat auf die Berechnung und die Höhe der Endlagervorausleistungen keinen Einfluss. Der Mittelbedarf für die Titelgruppe (3004 Tgr. 80) dürfte bis circa 2012 eine wachsende Tendenz aufwei- sen. Nach 2013 geht der Mittelbedarf durch den Ab- schluss einer Reihe von Stilllegungsprojekten tenden- ziell zurück. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen des Abgeordneten Michael Gerdes (SPD) (Drucksache 17/493, Fragen 54 und 55): Wie viel Geld ist für das Haushaltsjahr 2010 für den Be- reich CO2-Speicherung eingeplant, und welche Art von For- schungsanstrengungen soll mit dieser Summe, insbesondere bei der Betrachtung, dass bisher noch kein Standort für eine großangelegte CO2-Speicherung gefunden wurde, gefördert werden? Welches Konzept verfolgt das Bundesministerium für Bil- dung und Forschung hinsichtlich der Information des Deut- schen Bundestages bezüglich sowohl der Beauftragung der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina als Natio- nale Akademie der Wissenschaften als auch der Sicherstel- lung einer zeitnahen Beratung der von der Leopoldina erstell- ten Expertisen? Zu Frage 54: Für das Jahr 2010 hat die Bundesregierung rund 14,6 Millionen Euro für Forschungsvorhaben zur geolo- gischen Speicherung von CO2 eingeplant. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 1569 (A) (C) (B) (D) Mit den Projekten sollen allgemeine Fragestellungen beantwortet sowie sicherheitsrelevante Beobachtungs- technologien und Risikoabschätzungen berücksichtigt werden, die auf unterschiedliche Standorte übertragen werden können. Zudem erfolgt eine Abschätzung des ge- nerellen Speicherpotenzials in Deutschland (Speicherka- taster). Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert im Rahmen des Sonderprogramms GEOTECHNOLOGIEN sowohl standortunabhängige als auch standortgebundene Forschung zur geologischen CO2-Speicherung. Im Rahmen von standortgebundenen Projekten sollen wie zum Beispiel in der Altmark in Sachsen-Anhalt die Eignung eines potenziellen CO2-Speichers untersucht wer- den. Hinzu kommen Untersuchungen am Testspeicher am Standort Ketzin in Brandenburg. Standortunabhängige Projekte befassen sich unter anderem mit labortechni- schen Untersuchungen des Speicher- und Deckgesteins sowie langfristigen Abdichtungen von Bohrungen. Zu Frage 55: Bund und Länder haben im Rahmen der GWK im Fe- bruar 2008 beschlossen, dass die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina Deutschlands Nationale Akademie der Wissenschaften wird. Im Oktober 2008 wurde im BF-Ausschuss über die zukünftigen Aufgaben als Nationale Akademie berichtet. Diese Aufgaben nimmt die Leopoldina autonom und eigenverantwortlich wahr. Auf dem Gebiet der wissenschaftsbasierten Beratung von Politik und Gesellschaft arbeitet die Leopoldina mit Vertretern der Deutschen Akademie der Technikwissen- schaften e. V. (acatech), der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) und den Akade- mien der Länder zusammen und bezieht deren Expertise ein. Ein von den Akademien eingesetztes Koordinierungs- gremium (9er-Gremium mit je drei Vertretern von Leo- poldina und acatech, einem Vertreter der BBAW sowie zwei weiteren Vertretern der Länderakademien unter Fe- derführung der Leopoldina) verständigt sich über die im Rahmen der wissenschaftsbasierten Politikberatung zu bearbeitenden Themen und setzt Arbeitsgruppen ein, die gegebenenfalls unter Einbeziehung der Expertise weite- rer Wissenschaftler Stellungnahmen zu politisch und ge- sellschaftlich relevanten Fragestellungen erarbeiten. Entscheidungen über das Arbeitsprogramm erfolgen also autonom. Die Leopoldina hat bereits vor ihrer Ernennung zur Nationalen Akademie stets den Informationsaustausch mit dem Parlament bzw. den jeweiligen Bundestagsaus- schüssen gesucht. Dazu zählt sowohl die Durchführung von parlamentarischen Abenden als auch die Teilnahme an Sitzungen von Bundestagsausschüssen (zuletzt im BF-Ausschuss am 17. Juni 2009). Dabei werden stets die aktuellsten Stellungnahmen, Expertisen und Empfehlun- gen vorgestellt. Um den Informationsaustausch zu ge- währleisten, hat zudem die Nationalakademie ein Büro in Berlin eröffnet. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Fragen des Abgeordneten Willi Brase (SPD) (Drucksache 17/493, Fragen 56 und 57): Wie viele Auszubildende haben bisher einen oder mehrere Ausbildungsbausteine durchlaufen, und wie viele davon ha- ben danach einen anerkannten Berufsabschluss erworben? Wie viele Auszubildende haben bisher alle Ausbildungs- module eines Berufes durchlaufen und danach einen aner- kannten Berufsabschluss erworben, und wie viele Auszubil- dende konnten nach dem Durchlaufen von einem oder mehreren Ausbildungsbausteinen den Übergang in die duale oder vollschulische Ausbildung erfolgreich bewältigen? Zu Frage 56: Über das Erprobungsprogramm JOBSTARTER CONNECT haben nach Angaben der geförderten regio- nalen Projekte zum Stand 5. Januar 2010 bisher 724 Ju- gendliche eine Qualifizierung über Ausbildungsbau- steine aufgenommen. Der Großteil der 724 gemeldeten Jugendlichen befindet sich aktuell in der Qualifizierung im ersten Ausbildungsbaustein. Seit Herbst 2009 werden Ausbildungsbausteine in umgestellten Maßnahmen im Übergangssystem (unter anderem Berufsvorbereitungsmaßnahmen (BvB), Ein- stiegsqualifizierung (EQ), schulische Maßnahmen) bzw. in der auf Ausbildungsbausteine umgestellten außerbe- trieblichen Ausbildung (BaE integrativ oder kooperativ, Ausbildungsplatzprogramm Ost) eingesetzt. Da sich die Ausbildungsbausteine an den 2- bzw. 3-jährigen Ausbil- dungsberufen ausrichten, haben naturgemäß noch keine Jugendlichen/Auszubildenden über Ausbildungsbau- steine einen Berufsabschluss erreicht. Zu Frage 57: Die regionale Erprobung der Ausbildungsbausteine startete im Jahr 2009. Daher konnten bisher noch keine Jugendlichen/Auszubildenden alle Ausbildungsbau- steine eines Berufs durchlaufen. Die Ausbildungsbausteine des ersten Ausbildungsjah- res haben in der Regel eine Länge von einem viertel bis zu einem Jahr. Der Großteil der 724 gemeldeten Jugend- lichen befindet sich daher aktuell noch in der Qualifizie- rung im ersten Ausbildungsbaustein. Nach Auskunft der JOBSTARTER-CONNECT-Pro- jekte zum Stand 5. Januar 2010 wurden bisher 14 Ju- gendliche im Übergangssystem nach bzw. während des Durchlaufens des ersten Ausbildungsbausteins eines Be- rufsbildes in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis überführt. 1570 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 (A) (C) (B) (D) Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) (Drucksache 17/493, Frage 58): Mit welchem Konzept will das Bundesministerium für Bildung und Forschung bei der geplanten Initiative zur Siche- rung von Ausbildungsplätzen entscheiden, ob eine struktur- schwache oder von der Wirtschaftskrise besonders betroffene Region vorliegt, und mit welchen Maßnahmen sollen betrof- fene Unternehmen und Auszubildende sowohl in der Ausbil- dungsphase als auch nach Abschluss der Ausbildung konkret unterstützt werden? Die Ausbildungsplatzsituation ist trotz der aktuellen Erholung auf dem Ausbildungsstellenmarkt in vielen Regionen noch nicht befriedigend. Es ist davon auszuge- hen, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise 2010 in ver- schiedenen Regionen unterschiedlich auf den Ausbil- dungsstellenmarkt durchschlagen wird. Auf der anderen Seite ist in vielen Branchen schon jetzt oder in absehba- rer Zeit ein Mangel an Facharbeitern zu erwarten. In ei- nigen Ausbildungsbereichen ist es schwierig, Jugendli- che für eine duale betriebliche Ausbildung zu gewinnen. Alles in allem können wir für den Ausbildungsmarkt ein sehr heterogenes Bild festhalten. In Hinblick auf die de- mografische Entwicklung müssen aber alle Potenziale genutzt werden. Deshalb gilt es, das Matching von Aus- zubildenden und den Ausbildungsplätzen mit den ent- sprechenden Anforderungen zu optimieren und auch einen Ost-West-Ausgleich auf dem Ausbildungsmarkt herzustellen. Dies bedeutet auch, gezielt Jugendliche auf eine Ausbildung hin zu begleiten. Einher geht dies mit einer Strukturierung der Maßnahmen des sogenannten Übergangssystems. Auf der anderen Seite müssen Unter- nehmen durch entsprechende Aktionen angeregt werden, Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) (Drucksache 17/493, Frage 59): Welche konzeptionelle Erweiterung der verbesserten Be- rufsorientierung in Berufsbildungsstätten führt zu dem 4,5-fa- chen Ansatz im Haushaltsentwurf für 2010, und nach welchen Prüfkonzepten und -kriterien soll die in den geplanten außer- schulischen Initiativen zur Berufsorientierung vorgesehene Kompetenzfeststellung durchgeführt werden? Das Berufsorientierungsprogramm in überbetriebli- chen und vergleichbaren Berufsbildungsstätten startete im April 2008 und erfreut sich seitdem einer ständig stei- genden Nachfrage. Es wurden bereits Maßnahmen für circa 76 000 Jugendliche bewilligt. Da dieses Pilotpro- jekt auf breiter Basis von den Jugendlichen, den Lehrern und den Ausbildern angenommen wird, streben wir an, dass möglichst allen Schülerinnen und Schülern der 8. Klasse mit Ziel Hauptschulabschluss eine derartige Maßnahme angeboten wird. Um den Jugendlichen Er- fahrung in den Berufen zu ermöglichen, für die sie ein Interesse und gewisse Fähigkeiten mitbringen, ist es sinnvoll, künftig eine Potenzialanalyse vorzuschalten, die über handlungsorientierte Verfahren den Schülerin- nen und Schülern ihre eigenen Stärken und ihre mögli- che berufliche Orientierung aufzeigt. Die Planung, Durchführung und Auswertung orientieren sich an den „Qualitätsstandards für die Kompetenzfeststellung im Übergang Schule – Beruf“. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) (Drucksache 17/493, Frage 60): Nach welchen Konzepten und Kriterien sollen die geplan- ten Sprachstandstests für Vierjährige durchgeführt werden? Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat mit vielfältigen, differenzierten Fragestellungen For- schung zur Diagnose von Sprachentwicklung und Sprachtests gefördert. Als ein zentrales Ergebnis wurde 2008 der „Referenz- rahmen zur altersspezifischen Sprachaneignung“ entwi- ckelt, der in der BMBF-Reihe Bildungsforschung publi- ziert wurde. Mit dem Referenzrahmen wurde nicht nur weitgehend Klarheit über zentrale Forschungsbedarfe er- langt, sondern zugleich wurde der konzeptionelle Rah- men für Sprachstandsentwicklungstests konkretisiert. So wurde zum Beispiel verdeutlicht, dass Sprachstandstests mithilfe von Screening- und Beobachtungsverfahren durchgeführt werden sollten. In ähnlicher Weise wird eine Reihe von psychologischen und sprachwissen- schaftlichen Kriterien beschrieben. Konzeptionelle Entscheidungen müssen in enger Ab- stimmung mit den Ländern getroffen werden. Ähnliches trifft auch auf die Definition der Kriterien zu, die auch eine länderübergreifende Vergleichbarkeit der sprachli- chen Entwicklung von Vorschulkindern unterstützen sol- len. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) (Drucksache 17/493, Frage 61): Wie viele frühkindliche Fachkräfte haben bisher an Wei- terbildungsinitiativen teilgenommen, die im Rahmen der BMBF-Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte, WIFF, – BMBF: Bundesministerium für Bildung und For- schung – konzipiert oder erarbeitet worden sind, und welchen Beitrag leistet das Projekt WIFF zur künftigen Sicherung des Fachkräftebedarfs in der frühkindlichen Bildung? Die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fach- kräfte, WiFF, ist eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Robert-Bosch-Stif- tung in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Jugend- institut e. V. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 1571 (A) (C) (B) (D) Wesentliches Anliegen des Projektes ist die systema- tische Vernetzung der zuständigen Akteure, Entscheider und Anbieter im frühpädagogischen Arbeitsfeld. Eine Vielzahl von Institutionen und Experten der frühpädago- gischen Aus-, Fort- und Weiterbildung wird an der Kon- zeption und Umsetzung des Projektes in Form von Gre- mien und Fachausschüssen beteiligt. Dabei geht es um Unterstützung der Länder, Träger und Weiterbildungs- anbieter bei der Weiterbildung der bereits im Feld täti- gen rund 340 000 Fachkräfte und der Qualifizierung der zusätzlich benötigten Fachkräfte. Zentrale Ergebnisse werden vor allem über das Portal www.weiterbildungsinitiative.de zur Verfügung gestellt. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Drucksache 17/493, Frage 62): Wie viele von den ehemals beabsichtigten 80 000 früh- kindlichen Fachkräften bzw. Erzieherinnen und Erziehern ha- ben an dem vom Bundesministerium für Bildung und For- schung geförderten Projekt zur Förderung mediengestützter Qualifizierung bisher teilgenommen, und inwieweit ist sicher- gestellt, dass die Förderfähigkeit nach dem Aufstiegsfortbil- dungsförderungsgesetz für die Ausbildung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher in allen Ländern gegeben ist? Um die Anstrengungen der Länder, Kommunen und Träger zur Bereitstellung zusätzlichen pädagogischen Personals für Kindertageseinrichtungen qualitativ zu unter- stützen, haben das BMBF und die Robert-Bosch-Stif- tung in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Jugend- institut die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) initiiert, die die zuständigen Akteure, Entscheider und Anbieter im frühpädagogischen Ar- beitsfeld miteinander vernetzt. Über das zentrale Portal www.weiterbildungsinitiative.de werden Fort- und Wei- terbildungsanbietern qualitativ hochwertige Materialien für die Entwicklung von frühpädagogischen Weiterbil- dungsangeboten für unterschiedliche Kompetenzstufen zur Verfügung gestellt. Damit werden die Qualität, Transparenz und Durchlässigkeit des Weiterbildungssys- tems für die bereits im Feld tätigen rund 340 000 Fach- kräfte verbessert. Zusätzlich wurde eine Weiterbildungsaktion für Er- zieherinnen und Erzieher in der berufsbezogenen Nut- zung der neuen Medien gestartet, damit sie den Compu- ter und das Internet zu ihrer eigenen Weiterbildung nutzen und medienpädagogische Aspekte in ihrer päda- gogischen Arbeit berücksichtigen können. Insgesamt werden 20 000 Erzieherinnen und Erzieher, die in den Einrichtungen als Multiplikatoren tätig werden, geschult werden können. Das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) ist ein umfassendes Förderinstrument für die berufliche Weiterbildung in grundsätzlich allen Berufsbereichen und unabhängig davon, in welcher Form die berufliche Weiterbildung durchgeführt wird (Vollzeit/Teilzeit/schu- lisch/außerschulisch/mediengestützt/Fernunterricht). Grund- voraussetzung für eine Förderung nach dem AFBG ist jedoch, dass es sich bei der Weiterbildungsmaßnahme um eine Aufstiegsfortbildung handelt. Entscheidend ist insoweit, ob die Maßnahme zum Erzieher oder zur Er- zieherin vom jeweiligen Land als Erstausbildung oder als Aufstiegsfortbildung ausgestaltet ist. Nur in letzte- rem Fall ist eine Förderung nach dem AFBG möglich. Für diejenigen, die eine Erstausbildung zum Erzieher bzw. zur Erzieherin absolvieren, kommt eine Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in Betracht. Die Einstufung als Erstausbildung bietet auch die Möglichkeit, für eine anschließende Aufstiegs- fortbildung eine Förderung nach dem AFBG oder für ein anschließendes Studium eine weitere Förderung nach dem BAföG zu erhalten. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Drucksache 17/493, Frage 63): Welche Gründe sieht die Bundesregierung für den zu ge- ringen Mittelabfluss im Rahmen des Programms „Geistes- und Sozialwissenschaften“, und wie soll der Mittelabfluss zeitnah verbessert werden? Der Titel hat alle Kennzeichen eines im Wachstum begriffenen Bereiches: Mehr als die Hälfte der Vorhaben wurden im Haushaltsjahr 2009 neu begonnen. Für das kommende Jahr sind durch Verpflichtungsermächtigun- gen bereits in deutlich größerem Umfang Mittel gebun- den, als im Jahr 2009 insgesamt verausgabt wurden. Hinzu kommt, dass die Vorlauf- und Implementie- rungszeiten, die bei Antragstellungen aus den Geistes- und Sozialwissenschaften üblich sind, im Übergang von 2008 zu 2009 (mit einem Mittelzuwachs von 32,8 auf 52,8 Millionen Euro) nicht direkt zu einem entsprechend hohen Abflussvolumen führten. Der Mittelabfluss wird sich 2010 aufgrund erhöhter Auslastung des Titels und besserer Planbarkeit massiv verbessern. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Ulla Burchardt (SPD) (Drucksache 17/493, Frage 64): Wie beabsichtigt die Bundesregierung sicherzustellen, dass die geplanten Bildungsgutscheine zielgerichtet für Bil- dungszwecke verwendet werden, und welches Konzept zur Auswahl förderungswürdiger Bildungsangebote sollen die lo- kalen Bildungsbündnisse berücksichtigen? Die Bekämpfung von Bildungsarmut und die Herstel- lung von mehr Bildungsgerechtigkeit gehören zu den vor- rangigen Zielen der Bundesregierung. Deshalb wurde mit dem Koalitionsvertrag festgelegt, dass lokale Bildungs- bündnisse vor Ort in ihrer Arbeit unterstützt werden sol- len, etwa durch Bildungsschecks, mit denen Kinder und 1572 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 (A) (C) (B) (D) Jugendliche mit ungünstigen Startvoraussetzungen die Teilnahme an Fördermaßnahmen dieser Bündnisse finan- zieren können. Derzeit erarbeitet das Bundesministerium für Bildung und Forschung hierfür ein detailliertes Kon- zept. Zu diesem Zweck werden Gespräche mit Experten aus Wissenschaft, Bildungsverwaltung und Vertretern der Zivilgesellschaft geführt. Zum jetzigen Zeitpunkt sind noch keine detaillierten Aussagen zur konkreten Ausge- staltung möglich. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Ulla Burchardt (SPD) (Drucksache 17/493, Frage 65): Wie beabsichtigt die Bundesregierung sicherzustellen, dass die geplanten Bildungsgutscheine zielgerichtet für Bil- dungszwecke verwendet werden, und welches Konzept zur Auswahl förderungswürdiger Bildungsangebote sollen die lo- kalen Bildungsbündnisse berücksichtigen? Die Bekämpfung von Bildungsarmut und die Herstel- lung von mehr Bildungsgerechtigkeit gehören zu den vorrangigen Zielen der Bundesregierung. Deshalb wurde mit dem Koalitionsvertrag festgelegt, dass lokale Bil- dungsbündnisse vor Ort in ihrer Arbeit unterstützt wer- den sollen, etwa durch Bildungsschecks, mit denen Kinder und Jugendliche mit ungünstigen Startvorausset- zungen die Teilnahme an Fördermaßnahmen dieser Bündnisse finanzieren können. Derzeit erarbeitet das Bundesministerium für Bildung und Forschung hierfür ein detailliertes Konzept. Zu diesem Zweck werden Ge- spräche mit Experten aus Wissenschaft, Bildungsverwal- tung und Vertretern der Zivilgesellschaft geführt. Zum jetzigen Zeitpunkt sind noch keine detaillierten Aussa- gen zur konkreten Ausgestaltung möglich. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) (Drucksache 17/493, Frage 66): Mit welchen Projekten des Bundesministeriums für Bil- dung und Forschung wird bzw. soll mit welchem Mittelansatz 2010 die verbesserte Identifikation, Förderung und Unterstüt- zung von „begabten“ einerseits sowie „benachteiligten“ jun- gen Menschen andererseits gefördert werden? Das BMBF fördert eine Vielzahl von Maßnahmen für besonders begabte wie auch für sogenannte benachtei- ligte Jugendliche. So werden begabte junge Menschen durch Schülerakademien, die Stipendien der Begabten- förderungswerke und die Begabtenförderung berufliche Bildung sowie durch Beratungsangebote und Wettbe- werbe wie zum Beispiel „Jugend forscht“ unterstützt. Hierfür sind im Regierungsentwurf für den Haushalt 2010 insgesamt 254,8 Millionen Euro veranschlagt. Benachteiligte Jugendliche profitieren beispielsweise vom Programm „Perspektive Berufsabschluss“, der Be- rufsorientierung oder dem Ausbildungsstrukturpro- gramm Jobstarter. Für diese Maßnahmen sind im Haus- halt 2010 insgesamt 88,5 Millionen Euro veranschlagt. Hinzu kommen zum Beispiel die Mittel der Bundesagen- tur für Arbeit im Bereich der Benachteiligtenförderung. Zur verbesserten Identifikation und Hebung von Bega- bungsreserven soll das neue Instrument der schulform- übergreifenden Schülerakademien verstärkt werden, um neben Gymnasiasten auch Haupt-, Real- und Gesamt- schüler einzubinden. Durch handlungsorientierte Poten- zialanalysen können benachteiligten Schülerinnen und Schülern ihre eigenen Stärken und eine mögliche beruf- liche Orientierung aufgezeigt werden. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage der Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) (Drucksa- che 17/493, Frage 67): Welche Schwerpunktsetzung und konkreten Vorhaben ver- folgt die Bundesregierung mit der Hightech-Strategie II, und wann wird die Bundesregierung eine Evaluation der High- tech-Strategie I und ihrer Instrumente vorlegen? Die Bundesregierung wird die Hightech-Strategie, HTS, weiterentwickeln und auf die Anwendungsfelder Klima/Energie, Gesundheit, Mobilität, Kommunikation und Sicherheit konzentrieren. Dabei wird sie die Förde- rung der Schlüsseltechnologien noch stärker auf diese gesellschaftlich relevanten Felder ausrichten und die rechtlichen Rahmenbedingungen innovationsfreundlich gestalten. Der Koalitionsvertrag sieht unter anderem vor, erfolgreiche Elemente zur Förderung des Wissens- und Technologietransfers durch neue Initiativen im Bereich der Validierung von Forschungsergebnissen sowie des Aufbaus eines Konzepts „Forschungscampus“ zu ergän- zen. Die bisherigen Ergebnisse der HTS wurden vom Bun- desministerium für Bildung und Forschung regelmäßig ausführlich dargestellt: Die HTS für Deutschland – Ers- ter Fortschrittsbericht, 2007; Bundesbericht Forschung und Innovation, 2008; Forschung und Innovation für Deutschland – Bilanz und Perspektive, 2009. Eine unab- hängige Bewertung des Gesamtkonzepts wird unter an- derem jährlich durch die Expertenkommission For- schung und Innovation vorgelegt. Ein Überblick über den Stand der Evaluationen der einzelnen Instrumente der Hightech-Strategie wird im Bundesbericht For- schung 2010 gegeben. Anlage 44 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der Abgeordneten Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/493, Frage 68): Von welchen konkreten Beiträgen zur Kooperation mit der Bundeswehr will der Bundesminister für wirtschaftliche Zu- sammenarbeit und Entwicklung finanzielle Zusagen für Hilfsorganisationen in Afghanistan abhängig machen, und wie reagiert die Bundesregierung auf die Sorgen der EZ- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 1573 (A) (C) (B) (D) Durchführungsorganisationen – EZ: Entwicklungszusammen- arbeit –, dass eine verstärkt wahrgenommene Verbindung zum Militär die Helfer in Lebensgefahr bringt? Die Bundesregierung verfolgt in Afghanistan einen vernetzten zivil-militärischen Ansatz, der auf der Über- zeugung basiert, dass Sicherheit, Wiederaufbau und Ent- wicklung untrennbar miteinander verbunden sind. Der Bundeswehr kommt im Rahmen dieses Ansatzes die Aufgabe zu, für ein sicheres Umfeld zu sorgen, in dem ziviler Wiederaufbau möglich ist. Zivile und militärische Maßnahmen sind Teil einer Gesamtstrategie zur Schaffung selbsttragender Sicher- heit und funktionstüchtiger staatlicher Strukturen. Jeder Verantwortungsbereich handelt dabei nach seinen Fähig- keiten und Kompetenzen auf ein gemeinsam festgelegtes Ziel hin. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Bundesregierung seit Beginn des deutschen und internationalen Engage- ments zivilen Wiederaufbau und Entwicklung ins Zen- trum ihrer Bemühungen gestellt. Wegen der schlechten Sicherheitslage sind zivile Akteure aber auf die Präsenz internationaler Truppen angewiesen, bis afghanische Si- cherheitskräfte selbstständig für ein sicheres und stabiles Umfeld sorgen können. Dies ist Voraussetzung dafür, dass Entwicklungsprogramme nachhaltig Erfolg haben können. Die Bundesregierung will sicherstellen, dass sich zi- vile und militärische Maßnahmen bei der Erreichung un- seres Gesamtziels bestmöglich ergänzen. Das erfordert eine enge Abstimmung der einzelnen Maßnahmen. Vor diesem Hintergrund beabsichtigt das Bundes- ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, die für Entwicklungsmaßnahmen in Afghanistan zur Verfügung gestellten Mittel stärker als bisher auf die Nordprovinzen und damit auf die Region zu konzentrieren, für die Deutschland auch militärische Verantwortung übernommen hat. Damit soll insbeson- dere hier eine verstärkte Flächenwirkung erreicht wer- den. Es gibt keine belastbaren Hinweise, dass eine Koope- ration mit der Bundeswehr in der oben beschriebenen Form die Sicherheit von zivilen Akteuren gefährdet. Anlage 45 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Fragen der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/493, Fragen 69 und 70): Wie stellt sich die Bundesregierung die vom Bundesminis- ter für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, geforderte Verzahnung der Arbeit der Bundes- wehr und der zivilen Kräfte der Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan vor? Von welchen Kriterien bezüglich der Zusammenarbeit mit der Bundeswehr will die Bundesregierung die zukünftige Mit- telvergabe an Nichtregierungsorganisationen in Afghanistan abhängig machen? Die Bundesregierung verfolgt in Afghanistan einen vernetzten zivil-militärischen Ansatz, der auf der Über- zeugung basiert, dass Sicherheit, Wiederaufbau und Ent- wicklung untrennbar miteinander verbunden sind. Der Bundeswehr kommt im Rahmen dieses Ansatzes die Aufgabe zu, für ein sicheres Umfeld zu sorgen, in dem ziviler Wiederaufbau möglich ist. Zivile und militärische Maßnahmen sind Teil einer Gesamtstrategie zur Schaffung selbsttragender Sicher- heit und funktionstüchtiger staatlicher Strukturen. Jeder Verantwortungsbereich handelt dabei nach seinen Fähig- keiten und Kompetenzen auf ein gemeinsam festgelegtes Ziel hin. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Bundesregierung seit Beginn des deutschen und internationalen En- gagements zivilen Wiederaufbau und Entwicklung ins Zentrum ihrer Bemühungen gestellt. Wegen der schlech- ten Sicherheitslage sind zivile Akteure aber auf die Prä- senz internationaler Truppen angewiesen, bis afghani- sche Sicherheitskräfte selbstständig für ein sicheres und stabiles Umfeld sorgen können. Dies ist Voraussetzung dafür, dass Entwicklungsprogramme nachhaltig Erfolg haben können. Die Bundesregierung will sicherstellen, dass sich zi- vile und militärische Maßnahmen bei der Erreichung un- seres Gesamtziels bestmöglich ergänzen. Das erfordert eine enge Abstimmung der einzelnen Maßnahmen. Kon- kret geschieht diese Verzahnung vor Ort über regelmä- ßige Treffen und Abstimmungsgespräche der Vertreter von Auswärtigem Amt, Bundeswehr, Bundesministe- rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- lung und der deutschen Polizei. Dieser Kreis stimmt die Tätigkeiten der im Auftrag der Bundesregierung in Afghanistan tätigen Organisationen aufeinander ab. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung (BMZ) beabsichtigt, die für Entwicklungsmaßnahmen in Afghanistan zur Verfügung gestellten Mittel stärker als bisher auf die Nordprovinzen und damit auf die Region zu konzentrieren, für die Deutschland auch militärische Verantwortung übernom- men hat. Damit soll insbesondere hier eine verstärkte Flächenwirkung erreicht werden. Anlage 46 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/493, Fragen 71 und 72): Wie bewertet der Bundesminister für wirtschaftliche Zu- sammenarbeit und Enwicklung, Dirk Niebel, die Auswirkun- gen einer stärkeren Vermischung von ziviler und militärischer Hilfe für die Sicherheit und Unabhängigkeit der Nichtregie- rungsorganisationen und ihrer Mitarbeiter, insbesondere vor dem Hintergrund, dass zum Beispiel VENRO, der Verband Ent- wicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen e. V., eine solche Vermischung klar kritisiert? Wie will der Bundesminister für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, in der zukünftigen Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen „eine be- sondere Bundeswehrferne“ definieren und feststellen, und 1574 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 (A) (C) (B) (D) welche Konsequenzen soll dies für die betroffenen Organisa- tionen im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der Bundesre- gierung bzw. dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zu- sammenarbeit und Entwicklung haben? Die Bundesregierung bekennt sich zum Konzept der Vernetzten Sicherheit, das auf der Überzeugung basiert, dass Sicherheit, Wiederaufbau und Entwicklung un- trennbar miteinander verbunden sind. Insbesondere in Afghanistan kommt der Bundeswehr im Rahmen dieses Ansatzes die Aufgabe zu, für ein si- cheres Umfeld zu sorgen, in dem ziviler Wiederaufbau möglich ist. Zivile und militärische Maßnahmen sind dort Teil einer Gesamtstrategie zum Aufbau eines funk- tionsfähigen und legitimen afghanischen Staates und der Entwicklung des Landes. Jeder Verantwortungsbereich handelt dabei nach seinen Fähigkeiten und Kompetenzen auf ein gemeinsam festgelegtes Ziel hin. Die Gefahr ei- ner Vermischung von ziviler und militärischer Hilfe sieht die Bundesregierung nicht. Die Bundesregierung will vielmehr sicherstellen, dass sich zivile und militärische Maßnahmen bei der Erreichung unseres Gesamtziels bestmöglich ergänzen. Das erfordert eine enge Abstim- mung der einzelnen Maßnahmen. Um die genannten Ziele zu erreichen, hat die Bundes- regierung seit Beginn des deutschen und internationalen Engagements zivilen Wiederaufbau und Entwicklung ins Zentrum ihrer Bemühungen gestellt. Bei schlechter Si- cherheitslage sind zivile Akteure aber auf die Präsenz in- ternationaler Truppen angewiesen, bis afghanische Si- cherheitskräfte selbständig für ein sicheres und stabiles Umfeld sorgen können. Dies ist Voraussetzung dafür, dass Entwicklungsprogramme nachhaltig Erfolg haben können. Vor diesem Hintergrund beabsichtigt das Bundesmi- nisterium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- wicklung, BMZ, die für Entwicklungsmaßnahmen in Af- ghanistan zur Verfügung gestellten Mitteln stärker als bisher auf die Nordprovinzen und damit auf die Region zu konzentrieren, für die Deutschland auch militärische Verantwortung übernommen hat. Damit soll insbeson- dere hier eine verstärkte Flächenwirkung erreicht wer- den. Es gibt keine belastbaren Hinweise, dass eine Koope- ration mit der Bundeswehr in der oben beschriebenen Form die Sicherheit von zivilen Akteuren gefährdet. Anlage 47 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (Drucksache 17/493, Frage 73): Inwiefern steht die Bundesregierung hinter den Aussagen des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, die deutsche Entwicklungshilfe insbesondere in Afghanistan stärker an das Militär koppeln zu wollen, gerade vor dem Hintergrund der Aussagen von Ent- wicklungshilfeorganisationen wie medico international oder Ärzte ohne Grenzen, die die NATO-Präsenz als Gefahr für ihre Arbeit betrachten? Die Bundesregierung verfolgt in Afghanistan einen vernetzten zivil-militärischen Ansatz, der auf der Über- zeugung basiert, dass Sicherheit, Wiederaufbau und Ent- wicklung untrennbar miteinander verbunden sind. Der Bundeswehr kommt im Rahmen dieses Ansatzes die Aufgabe zu, für ein sicheres Umfeld zu sorgen, in dem ziviler Wiederaufbau möglich ist. Zivile und militärische Maßnahmen sind Teil einer Gesamtstrategie zur Schaffung selbsttragender Sicher- heit und funktionstüchtiger staatlicher Strukturen. Jeder Verantwortungsbereich handelt dabei nach seinen Fähig- keiten und Kompetenzen auf ein gemeinsam festgelegtes Ziel hin. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Bundesregierung seit Beginn des deutschen und internationalen Engage- ments zivilen Wiederaufbau und Entwicklung ins Zen- trum ihrer Bemühungen gestellt. Bei schlechter Sicher- heitslage sind zivile Akteure aber auf die Präsenz internationaler Truppen angewiesen, bis afghanische Si- cherheitskräfte selbstständig für ein sicheres und stabiles Umfeld sorgen können. Dies ist Voraussetzung dafür, dass Entwicklungsprogramme nachhaltig Erfolg haben können. Die Bundesregierung will sicherstellen, dass sich zi- vile und militärische Maßnahmen bei der Erreichung un- seres Gesamtziels bestmöglich ergänzen. Das erfordert eine enge Abstimmung der einzelnen Maßnahmen. Wer diesem kooperativen Ansatz nicht folgen will, gefährdet den Erfolg. Vor diesem Hintergrund beabsichtigt das Bundes- ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), die für Entwicklungsmaßnahmen in Afghanistan zur Verfügung gestellten Mitteln stärker als bisher auf die Nordprovinzen und damit auf die Region zu konzentrieren, für die Deutschland auch mili- tärische Verantwortung übernommen hat. Damit soll ins- besondere hier eine verstärkte Flächenwirkung erreicht werden. Es gibt keine belastbaren Hinweise, dass eine Koope- ration mit der Bundeswehr in der oben beschriebenen Form die Sicherheit von zivilen Akteuren gefährdet. Anlage 48 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/493, Frage 74): Weshalb sieht der aktuelle Haushaltsentwurf der Bundes- regierung nur 142 Millionen Euro für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria vor, obwohl die Bundesregierung unter deutscher G-8-Präsident- schaft im Jahr 2007 für den Zeitraum von 2008 bis 2010 einen jährlichen Beitrag von 200 Millionen Euro zugesagt hat? Die bei der Wiederauffüllungskonferenz in Berlin 2007 angekündigten 200 Millionen Euro für 2010 wer- den wir – vorbehaltlich der Zustimmung des Deutschen Bundestages zum Haushaltsentwurf – leisten. Einzelhei- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 1575 (A) (C) (B) (D) ten sind im parlamentarischen Verfahren zum Haushalt 2010 zu entscheiden. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Wolf-Ruthart Born auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/493, Frage 75): Inwieweit hat es zwischen den EU-Mitgliedstaaten Einig- keit über eine Teilnahme von Delegationen an der Regie- rungsübernahme durch Porfirio Lobo Sosa in Honduras am 27. Januar 2010 gegeben, und, wenn ja, auf welche Ebene – akkreditierte Botschafter, Geschäftsträger etc. – wurde sich dabei geeinigt? Die Frage der EU-Repräsentanz ist einvernehmlich zwischen den EU-Partnern festgelegt worden. Die Entscheidung, keine Delegationen aus den jeweili- gen Hauptstädten zu entsenden, jedoch auf Geschäftsträ- gerebene an der Amtseinführung des neuen Präsidenten teilzunehmen, wurde in der zuständigen Ratsarbeits- gruppe in Brüssel am 26. Januar 2010 und im schriftli- chen Verfahren abgestimmt. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Wolf Ruthart-Born auf die Frage des Abgeordneten Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/493, Frage 76): Welche Position nimmt die Bundesregierung in der Frage ein, ob die Beitrittsperspektive Islands mit dem Ausgang des irischen Referendums über das sogenannte Icesave-Gesetz verknüpft werden sollte, und wie bewertet sie die Einfluss- nahmen auf das Referendum durch die Forderung nach einer solchen Verknüpfung? Die Bundesregierung unterstützt die Heranführung Is- lands an die EU bis hin zur Vollmitgliedschaft und teilt die Ansicht der EU-Kommission, die eine Verknüpfung zwischen dem Icesave-Gesetz und dem EU-Heranfüh- rungsprozess ablehnt. Die Bundesregierung stellt folglich keine Verknüp- fung zwischen dem Ausgang des isländischen Referen- dums zu Icesave am 6. März 2010 und der Beitrittsper- spektive des Landes her. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) (Drucksache 17/493, Fragen 77): Welche Lobbyisten wurden außer dem ehemaligen PKV- Lobbyisten Christian Weber – PKV: private Krankenversiche- rung –, der jetzt im Bundesministerium für Gesundheit das Grundsatzreferat leitet, noch in Bundesministerien eingestellt, und welche Funktionen üben sie dort aus? Der künftige Leiter der Grundsatzabteilung im Bun- desministerium für Gesundheit ist wie jeder andere An- gehörige des öffentlichen Dienstes dem Gemeinwohl verpflichtet. Eine frühere Tätigkeit in der Privatwirt- schaft oder einem Verband ist nicht geeignet, Zweifel an der uneingeschränkten Erfüllung dieser Verpflichtung zu begründen. Die Einstellung von Personen aus der privaten Wirt- schaft in ein Bundesministerium dient der Gewinnung von Experten auf einem bestimmten Fachgebiet. Dabei entspricht der Austausch zwischen der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Dienst der personalpolitischen Zielsetzung. Eine Statistik hierüber wird nicht geführt. Die Einstellung qualifizierter Personen mit Berufser- fahrung aus der Wirtschaft ist wichtig für einen leis- tungsstarken öffentlichen Dienst. Sie stellt sicher, dass dieser mit Blick auf den zu erwartenden demografischen Wandel im Verhältnis zur Wirtschaft konkurrenzfähig bleibt und Wissen und Erfahrungen aus der Wirtschaft die tägliche Arbeit der Verwaltungen bereichern. Das in der letzten Legislaturperiode verabschiedete Dienstrechtsneuordnungsgesetz hat deshalb ausdrücklich das Ziel verfolgt, die Einstiegsbedingungen für Bewerber aus der Wirtschaft auf allen Funktionsebenen durch fol- gende Maßnahmen zu verbessern: Bewerber mit Berufserfahrung oder besonderen Qua- lifikationen, wie zum Beispiel einer Habilitation oder ei- ner besonderen Zusatzqualifikation, können in einem hö- heren Amt als dem Eingangsamt eingestellt werden. Auch bei den Gehaltsstufen können hauptberufliche Tätigkeiten in der Wirtschaft berücksichtigt werden (frü- her nur möglich für Zeiten im öffentlichen Dienst). Das Verfahren für die Anerkennung neuer Ausbil- dungs- und Hochschulabschlüsse (zum Beispiel Bache- lor/Master) wurde vereinfacht. Möglichkeiten für finanzielle Anreize sind erhalten geblieben (zum Beispiel durch Gewährung von Sonder- zuschlägen für den Fall, dass Dienstposten im Hinblick auf die fachliche Qualifikation und die Bewerberlage nicht anforderungsgerecht besetzt werden können). In Kombination mit der familienfreundlichen Ausrich- tung des öffentlichen Dienstes des Bundes wird sicherge- stellt, dass dem zunehmenden Bedürfnis der Verwaltung nach Fachpersonal mit Spezialwissen in bestimmten Be- reichen (insbesondere Informationstechnik, Finanzwe- sen, Wirtschaft) besser Rechnung getragen werden kann. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fragen der Abgeordneten Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/493, Fragen 78 und 79): Welche anderen Interessenvertreter als Gerald Hennenhöfer – ehemals angestellt bei Eon als Generalbevollmächtigter ge- gen den Atomausstieg – im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und Christian Weber – vormals stellvertretender Direktor des PKV-Verbandes – im Bundesministerium für Gesundheit beabsichtigt die Bundes- regierung mit leitenden Aufgaben in Bundesministerien zu 1576 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 (A) (C) (B) (D) betrauen, und mit welchen Maßnahmen soll die wachsende Einflussnahme von Interessenvertretern auf die Regierungs- politik verhindert werden? Unter welchen Voraussetzungen kann sich die Bundesre- gierung vorstellen, eine Lobbyistendatenbank einzurichten, um hierdurch für mehr Transparenz zu sorgen? Zu Frage 78: Der Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im Bun- desministerium für Umwelt, der bis 1998 in gleicher Funktion bereits im öffentlichen Dienst tätig war, und der Leiter der Grundsatzabteilung im Bundesministe- rium für Gesundheit sind wie jeder andere Angehörige des öffentlichen Dienstes dem Gemeinwohl verpflichtet. Eine frühere Tätigkeit in der Privatwirtschaft oder bei ei- nem Verband ist nicht geeignet, Zweifel an der uneinge- schränkten Erfüllung dieser Verpflichtung zu begründen. Die Einstellung von Personen aus der privaten Wirt- schaft in ein Bundesministerium dient im Einzelfall der Gewinnung von Experten auf einem bestimmten Fach- gebiet. Dabei entspricht der Austausch zwischen der Pri- vatwirtschaft und dem öffentlichen Dienst der personal- politischen Zielsetzung. Eine Statistik hierüber wird nicht geführt. Zu Frage 79: Die Bundesregierung hat viel getan, um die Transpa- renz des Verwaltungshandelns zu erhöhen. So berichtet zum Beispiel das Bundesministerium des Innern gemäß Ziffer 5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Einsatz von außerhalb des öffentlichen Dienstes Be- schäftigten in der Bundesverwaltung zweimal jährlich dem Innen- und Haushaltsausschuss des Deutschen Bun- destages über den Einsatz von Beschäftigten aus Unter- nehmen, Verbänden oder sonstigen Interessensvertretun- gen in der Bundesverwaltung (sogenannte externe Personen). Darüber hinaus ist derzeit die Einrichtung einer Lob- byistendatenbank nicht geplant. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ole Schröder auf die Fragen des Abgeordneten Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) (Drucksache 17/493, Fragen 80 und 81): Warum sind erst im Dritten Bericht über den Einsatz exter- ner Personen in der Bundesverwaltung aus dem Oktober 2009 vier Nachmeldungen benannt, die bereits in den vorherigen Berichten hätten aufgeführt werden müssen, und wer kontrol- liert solche etwaigen Fehlangaben? Warum liegt die im Schreiben des Bundesministeriums des Innern, BMI, an die obersten Bundesbehörden vom 14. Mai 2009 (Az. O4-013 300/3) bis zum Ende des Jahres 2009 angekündigte Evaluierung der allgemeinen Verwal- tungsvorschrift zum Einsatz externer Personen in der Bundes- verwaltung – Kabinettsbeschluss vom 18. Juni 2008 – bis zum heutigen Tag nicht vor, und welche anderen vordringlichen Aufgaben beschäftigen das BMI so sehr, dass die Evaluierung laut Auskunft aus dem eigenen Hause voraussichtlich erst im ersten Quartal 2010 abgeschlossen sein wird und es zu einer Verzögerung von nicht nur wenigen Wochen, sondern von bis zu drei Monaten kommt? Zu Frage 80: Die obersten Bundesbehörden sind für die Meldungen an das für die Berichterstellung federführende Bundes- ministerium des Innern verantwortlich. Dementspre- chend tragen alle Ressorts auch eigenständig dafür Sorge, dass die externen Personen vollständig gemeldet werden. Die ordnungsgemäße Meldung wird durch ge- eignete organisatorische Vorkehrungen kontrolliert und sichergestellt. Hinsichtlich der vier Nachmeldungen stellt sich die Situation wie folgt dar: In den Fällen des Bundesministeriums des Innern und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie wurden die externen Personen in den elektronischen Systemen durch ein Büroversehen zunächst fehlerhaft erfasst. Bei einer nachgeordneten Behörde im Geschäfts- bereich des Bundesministeriums für Gesundheit ist zunächst angenommen worden, dass die sogenannten Altfälle (Fälle, die bereits vor Inkrafttreten der Verwal- tungsvorschrift ihren Einsatz begonnen haben) nicht ge- meldet werden müssten. Die Ministerien haben diese Fälle zum Anlass ge- nommen, die Verfahrensabläufe weiter zu optimieren. Zu Frage 81: Die Bundesverwaltung hat im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Einsatz von außerhalb des öffentlichen Dienstes Beschäf- tigten (externe Personen) in der Bundesverwaltung am 26. Juli 2008 beschlossen, deren Anwendung und Umset- zung zu evaluieren. Da seit dem Inkrafttreten der Verwal- tungsvorschrift aber erst knapp 1,5 Jahre vergangen sind, wurde wegen der Kürze des Erhebungszeitraums die Eva- luierung zurückgestellt. Das Bundesministerium des Innern hat auf der 3. Sit- zung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundes- tages angekündigt, dass die Evaluierungsergebnisse in geeigneter Weise, spätestens mit dem 2. halbjährlichen Bericht 2010 gegenüber dem Haushaltsausschuss darge- stellt werden. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Iris Gleicke (SPD) (Drucksache 17/493, Frage 82): Welche konkreten Maßnahmen verbergen sich hinter dem auf der Kabinettsklausur am 17. November 2009 in Meseberg beschlossenen Pilotprojekt zur Verringerung von Abwande- rung aus Ostdeutschland, und inwieweit werden dabei Er- kenntnisse aus dem Programm „Demografischer Wandel – Zukunftsgestaltung der Daseinsvorsorge in ländlichen Regio- nen“ aufgegriffen? Die Bundesregierung hat auf ihrer Kabinettsklausur am 17./18. November 2009 in Meseberg unter anderem zur Demografiepolitik beschlossen, als Pilotprojekt einer Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 1577 (A) (C) (B) (D) übergreifenden Demografiestrategie ein Handlungskon- zept mit den ostdeutschen Ländern zur Verringerung der Abwanderung und Sicherung der privaten und öffentli- chen Infrastruktur in dem vom demografischen Wandel besonders betroffenen ländlichen Räumen bis zum Jahr 2011 zu entwickeln und abzustimmen, insbesondere zu den Bereichen Gesundheitsversorgung, wohnortnahe Bildungsangebote, Sicherung von Mobilität, leistungsfä- higer Internetzugang und Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit. Das Konzept für das Pilotprojekt wird derzeit erarbei- tet. Dabei werden insbesondere Erfahrungen und Er- kenntnisse aus verschiedenen Programmen und Modell- vorhaben des Bundes, die sich mit dem Umgang der Folgen des demografischen Wandels und der Zukunfts- gestaltung der Daseinsvorsorge im ländlichen Raum aus- einandergesetzt haben, berücksichtigt. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Iris Gleicke (SPD) (Drucksache 17/493, Frage 83): Wie sind die in der Kabinettsklausur am 17. November 2009 in Meseberg beschlossenen Zukunftskonzepte für notleidende industrielle Kerne infolge der Wirtschaftskrise ausgestaltet, und welche konkreten Schritte sind seither unternommen wor- den, um den Unternehmen besonders in Ostdeutschland zu hel- fen? Die Zukunftskonzepte waren nicht Gegenstand auf der Kabinettsklausur in Meseberg. Die Koalitionspar- teien haben sich gemäß Koalitionsvertrag vorgenom- men, gemeinsam mit den ostdeutschen Ländern Zu- kunftskonzepte für Regionen mit industriellen Kernen zu erarbeiten, die von der aktuellen Wirtschaftskrise beson- ders betroffen sind. Die Bundesregierung bietet hierzu ihre Unterstützung bei der Entwicklung von mittel- bis langfristigen regionalen Entwicklungskonzepten und der Sicherung insbesondere der industriellen Zukunft der Regionen im Rahmen ihrer Fördermöglichkeiten an. Hierbei sollte es insbesondere auch darum gehen, die in- dustrielle Basis zu verbreitern. Vor dem Hintergrund der schwierigen Lage im Schiffbau haben bereits erste Ge- spräche auf Arbeitsebene mit dem Ministerium für Wirt- schaft des Landes Mecklenburg-Vorpommern stattge- funden. Kurzfristige einzelbetriebliche Hilfestellungen für betroffene Unternehmen werden wie bisher durch BMWi und die Länder geleistet. Im Rahmen des Konjunkturprogramms wurden die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ um 200 Millionen Euro für alle strukturschwachen Regionen der Bundesrepublik angehoben. Davon erhielten die ostdeutschen Länder 50 Prozent. Die ZIM-Mittel wurden ebenfalls für die ost- deutschen Länder für die Jahre 2009 und 2010 um 200 Millionen Euro erhöht. Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/493, Frage 84): Beabsichtigt die Bundesregierung, den Vorstoß des Hambur- ger Bürgermeisters Ole von Beust aufzugreifen, den Options- zwang im Staatsangehörigkeitsrecht durch die Gewährung der doppelten Staatsbürgerschaft abzuschaffen? Mit der Einführung des Geburtserwerbs der deut- schen Staatsangehörigkeit für hier bei uns in Deutsch- land geborene Kinder ausländischer Mitbürger haben wir in dem bisher vom Abstammungsprinzip beherrsch- ten deutschen Staatsangehörigkeitsrecht ein neues Kapi- tel aufgeschlagen. Seit Einführung der neuen Regelung haben über 380 000 Kinder auf diesem Wege die deut- sche Staatsangehörigkeit erworben. Bisher liegen kaum praktische Erfahrungen zum Voll- zug der Optionspflicht vor. Die Entscheidungsfrist für die ersten Optionspflichtigen endet auch erst im Jahr 2013. Daher ist es sachgerecht, erst einmal die prakti- schen Erfahrungen abzuwarten, bevor wir die Optionsre- gelung wieder ändern. Wir haben uns dem entsprechend in der Koalitionsvereinbarung darauf verständigt, die Er- fahrungen mit den ersten Optionsfällen auszuwerten und auf möglichen Verbesserungsbedarf hin zu überprüfen. Belastbare Ergebnisse einer solchen Evaluierung sind je- doch frühestens für 2011/12 zu erwarten, da erst dann die Entscheidungsfrist für den ersten betroffenen Jahr- gang ausläuft. Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/493, Frage 85): Wie schätzt die Bundesregierung die Möglichkeit ein, durch die Einführung einer gerichtlichen Einzelfallentschei- dung die Gerechtigkeitslücke für nicht verheiratete Väter zu schließen, die der Europäische Gerichtshof für Menschen- rechte 2009 bei der deutschen Regelung zum gemeinsamen Sorgerecht angemahnt hat? Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gibt Anlass, sehr sorgfältig zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen ledige Väter auch ohne zwingende Zustimmung der Mutter eine Möglichkeit be- kommen sollen, ein gemeinsames Sorgerecht zu erhal- ten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat dabei kein bestimmtes Regelungsmodell vorgegeben. Angesichts der Bandbreite der rechtspolitischen Mög- lichkeiten und des Stellenwertes der betroffenen Grund- rechtspositionen sowie im Hinblick auf die gesellschafts- politische Tragweite einer Änderung der einschlägigen Sorgerechtsregelung muss gut überlegt werden, welches Regelungsmodell nun vorgeschlagen werden soll. Die Prüfung dieser Möglichkeiten erfolgt derzeit im feder- führenden Bundesministerium der Justiz. 1578 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 (A) (C) (B) (D) Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/493, Frage 86): Welche Auswirkung hat die Haltung der Bundesregierung, dass laut Koalitionsvertrag und dem Sprecher des Bundesmi- nisteriums der Finanzen (aus Die Welt vom 19. Januar 2010) eine Beteiligung der EU an nationalen Steuern ausgeschlossen wird, darauf, dass bereits seit über 20 Jahren ein Anteil der na- tionalen Mehrwertsteuer zu den Eigenmitteln der EU gehört, und weigert sich Deutschland schon jetzt, den entsprechenden Beitrag an die EU abzuführen? Bei den Mehrwertsteuereigenmitteln der EU handelt es sich um keine Steuer und auch nicht um eine Beteili- gung der EU an einer nationalen Steuer. Die deutschen Umsatzsteuereinnahmen stehen allein Bund, Ländern und Gemeinden zu. Die mehrwertsteuerpflichtigen Um- sätze eines Jahres dienen lediglich als Ausgangsgröße für ein komplexes Berechnungsverfahren, in das auch die unterschiedlichen Umsatzsteuersätze und Umsatz- steuerbefreiungen Eingang finden. Der so errechnete Betrag bildet die Bemessungs- grundlage für die entsprechenden deutschen Abführun- gen an die EU. Deutschland muss gemäß den jüngst in Kraft getretenen neuen Eigenmittelregelungen einen Be- trag an die EU abführen, der 0,15 Prozent dieser Bemes- sungsgrundlage entspricht. Veranschlagt wird dieser Be- trag im Bundeshaushalt als Abzugsposition, da in dieser Höhe die Steuereinnahmen des Bundes gemindert werden. Anders als der Begriff Mehrwertsteuereigenmittel vielleicht vermuten lässt, wird also nicht etwa ein Teil der deutschen Mehrwertsteuereinnahmen an die Europäi- sche Union weitergeleitet. Dass Deutschland der Pflicht zur Abführung der Mehrwertsteuereigenmittel an die EU gemäß den gelten- den Regeln nachkommt, ist selbstverständlich. Anlage 59 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) (Drucksache 17/493, Frage 87): Mit welcher Begründung hat der Bundesminister der Fi- nanzen in einem Schreiben an die Finanzverwaltungen der Länder angewiesen, dass das von der CDU/CSU-SPD-Bun- desregierung beschlossene Steuerhinterziehungsbekämp- fungsgesetz nicht anzuwenden ist? Das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz und die das Gesetz ausführende Steuerhinterziehungsbekämp- fungsverordnung werden planmäßig seit dem 1. Januar 2010 angewendet. Soweit Maßnahmen nach dem Steuer- hinterziehungsbekämpfungsgesetz an Geschäftsbezie- hungen zu unkooperativen Staaten und Gebieten an- knüpfen, sollen diese aus Gründen der Rechtssicherheit in einem mit den obersten Finanzbehörden der Länder abzustimmenden Schreiben aufgeführt werden. So ergibt es sich aus der Begründung zur Steuerhinterziehungsbe- kämpfungsverordnung. Nach dem Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz können Staaten und Gebiete nur dann als „unkooperativ“ bezeichnet werden, wenn sie nicht bereit sind, mit Deutschland die Grundlagen für einen Auskunftsaus- tausch nach dem Standard der OECD zu schaffen, zum Beispiel durch entsprechende bilaterale Vereinbarun- gen. Bisher hat es kein Staat oder Gebiet nach Aufforde- rung abgelehnt, mit Deutschland einen Auskunftsaus- tausch nach dem Standard zu vereinbaren. Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Fra- gen der Abgeordneten Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/493, Fragen 88 und 89): Welche Auswirkungen hätte eine Abschaffung des Zusätz- lichkeitskriteriums, welche im Zusammenhang mit der Zu- stimmung der Bundesländer zum Wachstumsbeschleuni- gungsgesetz von der Bundesregierung nach Zeitungsberichten (Handelsblatt vom 22. Januar 2010) den Ländern zugesagt wurde, auf die tatsächliche Durchführung der derzeit im Rah- men des Zukunftsinvestitionsgesetzes lediglich bewilligten Vorhaben, und erwartet die Bundesregierung, dass die Länder und Kommunen die verbleibenden Investitionsmittel aus dem Zukunftsinvestitionsgesetz für bereits vorher geplante Investi- tionsprojekte verausgaben, sodass sich kein zusätzlicher Kon- junktureffekt mehr ergibt? Wie beabsichtigt die Bundesregierung die Kontrolle über die Einhaltung des Zusätzlichkeitskriteriums sicherzustellen, falls das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der abstrakten Normenkontrollklage von sechs Bundesländern gegen ein Er- hebungsrecht des Bundesrechnungshofes nach § 6 a des Zu- kunftsinvestitionsgesetzes entscheidet? Zu Frage 88: Es ist ein Erfolg, dass bereits mehr als drei Viertel des verfügbaren Gesamtvolumens des Zukunftsinvestitions- gesetzes bewilligt bzw. in Auftrag gegeben sind. Bei den nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz förderfähigen Inves- titionen handelt es sich um Vorhaben, deren Finanzie- rung nicht bereits in den Haushaltsplänen sichergestellt war. Auswirkungen einer Änderung der Regelungen zur Zusätzlichkeit auf die tatsächliche Durchführung der im Rahmen des Zukunftsinvestitionsgesetzes bereits bewil- ligten bzw. in Auftrag gegeben Vorhaben erwartet die Bundesregierung nicht. Die Bundesregierung geht auch davon aus, dass Länder und Kommunen, die die bundes- gesetzlichen Regelungen des Zukunftsinvestitionsgeset- zes in eigener Verantwortung umsetzen, sich ihrer ge- samtwirtschaftlichen Verantwortung auch beim Einsatz noch nicht belegter Bundesmittel bewusst sind. Zu Frage 89: Die Bundesregierung geht nicht davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht dem Normenkontrollantrag gegen das Erhebungsrecht des Bundesrechnungshofes in § 6 a Zukunftsinvestitionsgesetz stattgibt. Insoweit stellt sich die Frage für die Bundesregierung derzeit nicht. Un- abhängig davon erlauben die übrigen Regelungen des Zukunftsinvestitionsgesetzes sowie der zugehörigen Ver- waltungsvereinbarung die Prüfung der Einhaltung der Zusätzlichkeitskriterien. 18. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2010 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16 Anlage 17 Anlage 18 Anlage 19 Anlage 20 Anlage 21 Anlage 22 Anlage 23 Anlage 24 Anlage 25 Anlage 26 Anlage 27 Anlage 28 Anlage 29 Anlage 30 Anlage 31 Anlage 32 Anlage 33 Anlage 34 Anlage 35 Anlage 36 Anlage 37 Anlage 38 Anlage 39 Anlage 40 Anlage 41 Anlage 42 Anlage 43 Anlage 44 Anlage 45 Anlage 46 Anlage 47 Anlage 48 Anlage 49 Anlage 50 Anlage 51 Anlage 52 Anlage 53 Anlage 54 Anlage 55 Anlage 56 Anlage 57 Anlage 58 Anlage 59 Anlage 60
Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701800000

Die Sitzung ist eröffnet.

Die heutige Fragestunde ist geteilt. Nach einer Stunde
werde ich die Fragestunde für die Regierungserklärung
mit anschließender Aussprache zur internationalen Af-
ghanistan-Konferenz unterbrechen. Im Anschluss daran
wird die Fragestunde fortgesetzt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Fragestunde

– Drucksachen 17/493, 17/517 –

Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 10
Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die Dringli-
chen Fragen auf Drucksache 17/517 auf.

Es handelt sich zunächst um Fragen aus dem Ge-
schäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Na-
turschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht
die Parlamentarische Staatssekretärin Ursula Heinen-
Esser zur Verfügung.

Ich rufe zunächst die Dringliche Frage 1 des Kollegen
Oliver Krischer auf:

Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung von den ers-
ten Ergebnissen der Auswertung des technischen Berichts,

Rede
über die unter anderem die ARD-Tagesschau am Sonntag,
dem 24. Januar 2010, berichtet hat, wonach der genaue Un-
fallhergang in der Urananreicherungsanlage, UAA, in Gronau
noch immer nicht abschließend geklärt sei, und welche Kon-
sequenzen zieht sie daraus?

Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1701800100


Danke, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege
Krischer, die zuständige atomrechtliche Aufsichtsbe-
hörde für Gronau ist das Ministerium für Wirtschaft,
Mittelstand und Energie in Nordrhein-We
Ministerium hat das Bundesumweltmini
Freitag, dem 22. Januar 2010, von dem Er
Urananreicherungsanlage in Gronau mü
schriftlich unterrichtet. Den Vermerk, den wir darüber
zung

n 27. Januar 2010

4.00 Uhr

erhalten haben, stellen wir Ihnen selbstverständlich gern
zur Verfügung, Herr Krischer.

Nach bisherigen Erkenntnissen wurde am Donnerstag,
dem 21. Januar 2010, um exakt 14.32 Uhr im Raumbereich
„Behältervorbereitung“ – so nennt sich dieser Raum –
Uranhexafluorid aus einem Behälter freigesetzt. In die-
sem Raum sollte ein als leer und ausgewaschen bezeich-
neter, angelieferter Uranbehälter für eine routinemäßig
erforderliche Druckprüfung vorbereitet werden. Beim
Öffnen des Behälterventils kam es dann – jedenfalls nach
ersten Abschätzungen – zur Freisetzung von wenigen
Gramm Uranhexafluorid.

Eine Anlagenbegehung der Aufsichtsbehörde und des
von ihr beauftragten Sachverständigen – das ist der TÜV
Rheinland – hat am Montag, dem 25. Januar 2010, statt-
gefunden. Allerdings muss man darauf hinweisen, dass
man den Raum aus Sicherheitsgründen zurzeit nur für
wenige Stunden und dann auch nur im Schutzanzug und
mit Atemmaske betreten kann, sodass weitere Untersu-
chungsergebnisse voraussichtlich erst am Ende dieser
Woche zu erwarten sind. Diese werden dann Gegenstand
des von der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde angefor-
derten ausführlichen Berichts der Urananreicherungsan-
lage in Gronau sein. Ich sage Ihnen zu: Sobald uns alle

text
Berichte vorliegen, werden wir Sie selbstverständlich
sofort unterrichten.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701800200

Herr Kollege Krischer, darf ich Sie bitten, aufzuste-

hen, damit die Zuschauer sehen, wer der Fragesteller ist.
Sie haben das Recht auf zwei Zusatzfragen. Bitte schön.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701800300

Herzlichen Dank für den Bericht, Frau Staatssekretä-

rin. Ich möchte nachfragen: Wie viel Radioaktivität war
fenden Behältnis? Wie viel ist ausgetreten?
ntnisse hat man darüber? Ein weiterer ent-
unkt ist: Wo hat das falsche Labeling statt-

ie konnte es möglich sein, dass im Behälter
stfalen. Das
sterium am
eignis in der
ndlich und

in dem betref
Welche Erken
scheidender P
gefunden? W

radioaktives Material enthalten war?






(A) (C)



(B) (D)

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1701800400


Herr Kollege Krischer, die letzte Frage hat auch mich
bei der Vorbereitung für heute sehr interessiert. Wir wis-
sen bis jetzt nicht, ob der Behälter tatsächlich falsch ge-
labelt war. Wir können auch nicht mit hundertprozenti-
ger Sicherheit sagen, dass es tatsächlich der Behälter
war. Deshalb bitte ich Sie, abzuwarten, bis der endgül-
tige Untersuchungsbericht vorliegt, der genau das zum
Gegenstand der Untersuchung hat. Es wird die Frage zu
klären sein, ob der angeblich leere, gewaschene Behälter
schuld war oder ob es vielleicht eine andere Ursache
gab; wobei das wahrscheinlich eher zu vernachlässigen
ist. Der Behälter kam aus Schweden. Das ist, wenn ich
das richtig gesehen habe, einer der Lieferanten für Gro-
nau, was diese Behälter betrifft. Das ist das Erste.

Das Zweite ist: Was die Mengen der Freisetzung an-
geht, kann ich Ihnen keine ganz genauen Mengen nen-
nen. Nach Angaben des Betreibers wurden – nach ersten
Abschätzungen – wahrscheinlich nur sehr wenige
Gramm Uranhexafluorid freigesetzt.

Die Messungen am Kamin des Gebäudes …, in
dem sich die Behältervorbereitung befindet, haben
gezeigt,

– ich zitiere aus dem Bericht, den wir aus Nordrhein-
Westfalen bekommen haben –

dass etwa ein Sechstel des genehmigten Wochenab-
gabegrenzwertes für den Kamin … in die Umge-
bung abgegeben wurde. Eine Dosisbelastung der
Bevölkerung ist daher nicht anzunehmen.

Das ist die Antwort auf die wahrscheinlich folgende
Frage.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701800500

Eine weitere Nachfrage, Herr Kollege Krischer? –

Bitte.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701800600

Es macht wenig Sinn, weiter nach den konkreten Um-

ständen zu fragen, wenn Sie sagen, dass Ihnen die ent-
sprechenden Erkenntnisse noch nicht vorliegen.

Ich möchte folgende Frage nachschieben: Der betrof-
fene Mitarbeiter ist durch mehrere Krankenhäuser ge-
schleust worden, die letztendlich alle nicht die notwen-
dige Kompetenz haben. Das deutet ja darauf hin, dass
man auf einen Notfall nicht vorbereitet war, obwohl ein
Notfallplan eigentlich vorliegen sollte, bzw. mit einem
solchen Störfall offensichtlich nicht gerechnet wurde.
Ich bitte um Beantwortung der Frage: Warum ist dieser
Mitarbeiter zunächst in die falschen Krankenhäuser
überstellt worden und nicht in eine zuständige Fachkli-
nik?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1701800700


Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Der Frage werde
ich aber sehr gerne nachgehen. Das hängt sicherlich da-
mit zusammen, dass bei Kontakt mit Uranhexafluorid
zwei Gefährdungen bestehen: Das ist einmal die Gefähr-
dung durch einen radiologisch gefährlichen Stoff. Das ist
aber auch die Gefährdung durch einen Giftstoff, der zu
Verätzungen führen kann. Der Mitarbeiter ist zurzeit im
Universitätsklinikum Düsseldorf. Wir werden wohl in
der nächsten Woche einen genaueren Bericht von dort
erhalten.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701800800

Es gibt eine weitere Frage der Kollegin Kotting-Uhl.

Bitte schön.


Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701800900

Vielen Dank. – Frau Staatssekretärin, es ist mir völlig

klar, dass wir im Moment die situativen Umstände noch
nicht bewerten können, weil wir sie noch nicht richtig
kennen.

Deswegen habe ich noch eine Frage zu den allgemei-
nen Vorsichtsmaßnahmen: Es muss ja allgemeine Si-
cherheitsmaßnahmen geben, die gewährleisten sollen,
dass es zu solchen Zwischenfällen, zu solchen Unfällen
nicht kommt. Welche sind das im Fall dieser Uranfabrik?
Im Anschluss daran frage ich: Warum trug dieser Arbei-
ter offensichtlich keine Schutzkleidung?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1701801000


Die letzte Frage kann ich Ihnen nicht beantworten.
Das muss ich nachliefern.

Die erste Frage beantworte ich so: Die Urananreiche-
rungsanlage in Gronau wurde nach einem sehr aufwen-
digen Genehmigungsverfahren genehmigt. Es wurde
festgestellt, dass die Anlage dem Stand der Wissenschaft
und der Technik entspricht, was bedeutet, dass sie wirk-
lich so sicher ist, wie sie sein muss.

Ich darf weiter darauf hinweisen, dass wir drei Kate-
gorien von Ereignissen haben: Kategorie N, normaler
Unfall, Kategorie E, Unfall, der eine Eilmeldung erfor-
dert, und die höchste Kategorie von Störfällen, nämlich
die S-Kategorie. Es handelt sich hierbei nach Einschät-
zung aller Experten um ein „normales“ Ereignis der Ka-
tegorie N. Ich denke, dass da alle Notfallszenarien sehr
vernünftig abgelaufen sind, wobei wir den Fragen, die
auch Ihr Kollege Krischer gerade gestellt hat, insbeson-
dere was die Behandlung in den Krankenhäusern angeht,
natürlich noch einmal sehr genau nachgehen werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701801100

Ich rufe die Dringliche Frage 2 der Kollegin Kathrin

Vogler von der Fraktion die Linke auf:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Ur-

sache des Unfalls in der UAA in Gronau, bei dem am Don-
nerstag letzter Woche – 21. Januar 2010 – ein Arbeiter verletzt
und mit giftigem, radioaktivem und hochreaktivem Uranhexa-
fluorid, UF6, kontaminiert wurde, und welche Schlussfolge-
rungen für den weiteren Betrieb der UAA zieht sie aus diesem
ernsten Zwischenfall?






(A) (C)



(B) (D)

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1701801200


Kollegin Vogler, ich kann ein Stück weit auf die Ant-
wort verweisen, die ich dem Kollegen Krischer gerade
gegeben habe. Vielleicht nur noch so viel, um das deutlich
zu machen: Der Unfall hat sich im Bereich der Behälter-
vorbereitung bei einer sehr routinemäßigen Prüfung eines
Behälters ereignet. Bei dieser Behälterprüfung besteht
kein Zusammenhang mit dem eigentlichen Anreiche-
rungsbetrieb der Urananreicherungsanlage in Gronau.

Darüber hinaus muss ich hier auf den endgültigen Be-
richt der Sachverständigen des TÜVs verweisen, der uns
hoffentlich Ende der Woche, spätestens Anfang nächster
Woche zur Verfügung steht und den wir Ihnen, dem Par-
lament, selbstverständlich direkt zuleiten werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701801300

Nachfrage, Frau Vogler?


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701801400

Danke, Frau Staatssekretärin. Es ist ja schon erwähnt

worden, dass der betroffene Mitarbeiter jetzt im insge-
samt vierten Krankenhaus liegt, nachdem die Urenco,
die Betreiberin der Anlage, zunächst einmal hatte ver-
lauten lassen, es gehe ihm gut. Ich war am Sonntag in
Gronau, und es gibt in der Bevölkerung erhebliche Be-
unruhigung und viele Nachfragen, inwieweit man den
Beteuerungen der Urenco über die Harmlosigkeit dieses
Vorfalls Glauben schenken kann und inwieweit die In-
formationspolitik dieses Unternehmens dazu geeignet
ist, den Vorfall schnell und umfassend aufzuklären. Ich
möchte daher an dieser Stelle nachfragen: Wie bewertet
die Bundesregierung die bisherige Kommunikation der
Betreiberfirma in diesem Zusammenhang?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1701801500


Die Betreiberfirma hat direkt nach dem Ereignis eine
Pressemitteilung herausgegeben. Gleichzeitig gab es eine
erste vorläufige Untersuchung des Ministeriums für Wirt-
schaft, Mittelstand und Energie des Landes Nordrhein-
Westfalen, welches die entsprechende Aufsichtsbehörde
ist. Wir sind aus Nordrhein-Westfalen direkt, vernünftig,
ausreichend, umfassend mündlich und schriftlich unter-
richtet worden. Den Vermerk dazu habe ich bereits Kol-
legen Krischer zugesagt; auch Sie werden ihn erhalten.
Dann sehen Sie, dass es eine umfangreiche Information
gegeben hat.

Gestatten Sie mir, Herr Präsident, dass ich bezüglich
des Gesundheitszustandes des Mitarbeiters aus einer
Agenturmeldung von gestern zitiere:

Vorläufige Messungen hätten gezeigt, dass der
45-Jährige nur eine „sehr niedrige Dosis“ der radio-
aktiven Strahlung aufgenommen habe, sagte der be-
handelnde Arzt Hubertus Hautzel der Deutschen
Presse-Agentur am Dienstag. Endgültige Ergeb-
nisse wollen die Ärzte der Nuklearmedizinischen
Klinik des Universitätsklinikums Düsseldorf … in
der nächsten Woche präsentieren.

So viel zum Gesundheitszustand des betroffenen Mit-
arbeiters.

Was die Belastung durch den Stoff durch die Kamine
angeht, habe ich vorhin schon ausgeführt, dass es sich
hierbei um eine nur sehr geringe Belastung handelt,
nämlich ein Sechstel des Wochengrenzwertes, sodass es
wohl zu überhaupt keiner Belastung der Bevölkerung
gekommen ist. Die Messgeräte zeigen ja an, welche Be-
lastungen es tatsächlich gibt. Die Belastungen, denen der
betroffene Mitarbeiter ausgesetzt war, lagen, so wurde
uns mitgeteilt, zwischen 1 und 5 Millisievert. 20 Milli-
sievert dürfen Mitarbeiter laut Strahlenschutzverordnung
aushalten; dieser Wert liegt also am unteren Rand.

Alle Fakten zusammengenommen zeigen, dass es sich
hierbei – ich bleibe in der „Kategorie-Sprache“ – um ein
Ereignis der Kategorie N, einen sogenannten „norma-
len“ Unfall, handelt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701801600

Zweite Nachfrage?


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701801700

Meine weitere Nachfrage bezieht sich auch auf ein

Problem, das mir am Wochenende vorgetragen wurde.
Es gibt sehr große Besorgnis in der lokalen Bevölkerung
hinsichtlich der Beschäftigten in den Krankenhäusern, in
die der Betroffene eingeliefert wurde. Diese sahen sich
wenig informiert darüber, wie sie mit einer solchen Situa-
tion umzugehen haben. Nun ist die UAA nicht erst seit
letzter Woche in Gronau. Das wirft für mich die Frage
auf, inwieweit die Notfallpläne die Beschäftigten in den
Krankenhäusern überhaupt in den Stand setzen, mit so
einem Vorfall umzugehen.

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1701801800


Ich habe bereits auf die Frage des Kollegen Krischer
geantwortet, dass wir diesem Vorgang sehr genau nach-
gehen werden. Der betroffene Mitarbeiter ist jetzt in der
Nuklearmedizinischen Klinik der Universitätsklinik Düs-
seldorf und dort mit Sicherheit in den besten Händen. Was
die Mitarbeiter in den Krankenhäusern ansonsten angeht,
denke ich, dass wir davon ausgehen können, dass sie alle
entsprechenden Schutzmaßnahmen eingehalten haben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701801900

Es gibt eine weitere Frage des Kollegen Krischer.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701802000

Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade ausgeführt,

dass die Menge des Materials, das ausgetreten ist, noch
gar nicht bekannt ist. Auf der anderen Seite haben Sie
dargelegt, dass Sie die Strahlenbelastung, die Dosis, die
der Mitarbeiter abbekommen hat, relativ genau definie-
ren können. Könnten Sie erläutern, wie es sein kann,
dass man einerseits die Dosis sehr genau definieren und






(A) (C)



(B) (D)


Oliver Krischer
sagen kann, dass sie wahrscheinlich ungefährlich und
gering ist – so habe jedenfalls ich Sie verstanden –, an-
dererseits aber die Menge, die aus dem Fass, dem Be-
hältnis ausgetreten ist, und die Menge, die darin enthal-
ten war, gar nicht genau kennt? Das ist ein Widerspruch,
den ich nicht verstehe. Hier bitte ich Sie um eine Erläu-
terung.

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1701802100


Ich habe vorhin ausgeführt, dass Messungen am Ka-
min des betreffenden Gebäudes durchgeführt wurden;
diese Messungen sind sehr genau. Bei diesen Messungen
am Kamin kam man, wie ich dargelegt habe, auf ein
Sechstel der zulässigen Wochenbelastung. Aus diesen
Messungen am Kamin lassen sich auch Rückschlüsse
auf die freigesetzte Menge ziehen. Weil ich Ihnen keinen
genauen Wert angeben kann, habe ich gesagt: Es handelt
sich um eine Bandbreite zwischen 1 und 5 Millisievert.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701802200

Es gibt eine weitere Wortmeldung von Frau Kotting-

Uhl.


Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701802300

Frau Staatssekretärin, an dieser Stelle würde ich gerne

eine Nachfrage stellen. Mir ist klar, dass die Behörden
immer auch bemüht sind, keine unnötige Panik und Un-
ruhe aufkommen zu lassen; dafür habe ich volles Ver-
ständnis. Dennoch haben wir natürlich ein großes Inte-
resse daran, dass nichts verharmlost wird, was im
Hinblick auf diese Uranfabrik leider hin und wieder der
Fall ist.

Der Presse können wir entnehmen, dass die Ärzte
mögliche Spätfolgen nicht ausschließen können. Sie ha-
ben gerade dargelegt, woher Sie wissen, wie viel Radio-
aktivität dort ausgetreten ist. Aber es spielt doch auch
eine Rolle, wie viel dieser Arbeiter zum Beispiel eingeat-
met hat. Man kann nicht allein aus der Tatsache, was im
Kamin gemessen wurde, ableiten, wie stark der Arbeiter
belastet ist. Würden Sie mir zustimmen, dass die Aus-
sage, dass die Strahlenbelastung nur gering ist – diese
Aussage wurde teilweise getroffen –, vielleicht ein biss-
chen verfrüht ist?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1701802400


Ich habe Ihnen gesagt, dass es sich um eine sehr große
Bandbreite handelt und ich Ihnen noch keine exakten
Zahlen nennen kann, bevor nicht die Abschlussprüfung
durch den TÜV erfolgt ist. Weil sich die Zahlen über-
haupt noch nicht exakt beziffern lassen, habe ich nur
sehr grobe Angaben gemacht. Ich habe diese Zahlen nur
deshalb genannt, damit Sie eine Vorstellung davon be-
kommen, um welche Größenordnung es geht.

Es ist in der Tat so – vielleicht muss ich meine Ant-
wort auf die Frage der Kollegin Vogler etwas ergänzen –,
dass es hier zwei Probleme gibt, die zur Folge haben,
dass der Mitarbeiter besonders intensiv untersucht wer-
den muss. Erstens geht es um radiologische Gesichts-
punkte, für die weniger die Direktstrahlung als vielmehr
ein direkter Kontakt mit dem Stoff eine Rolle spielt.
Zweitens ist es so – das ist das besonders Gefährliche –,
dass Uranhexafluorid sich zu einem ätzenden Giftstoff
zersetzen kann. Deshalb ist der Mitarbeiter unter ganz
besonderer Beobachtung. Was die exakten Werte und al-
les Weitere angeht, sollten wir den TÜV-Bericht abwar-
ten. Ich hoffe, auch im Interesse der Aufklärung der Be-
völkerung, dass er möglichst bald vorliegt.

Darüber hinaus muss ich Ihnen sagen: Im Dezember
2009 haben Sie zu diesem Thema eine Anfrage gestellt.
In diesem Rahmen sind wir auf einzelne Fragestellun-
gen, die Sie auch jetzt angesprochen haben, sehr aus-
führlich eingegangen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701802500

Eine weitere Frage stellt die Kollegin Arndt-Brauer.


Ingrid Arndt-Brauer (SPD):
Rede ID: ID1701802600

Vielen Dank. – Frau Staatssekretärin, die Firma

Urenco ist in meinem Wahlkreis tätig; deswegen bin ich
mit diesem Thema ganz gut vertraut. Wir müssen, wie
ich denke, zwei Dinge unterscheiden: die Ursache und
die Frage, wie wir damit umgehen.

Die Ursache hat die CDU-Wirtschaftsministerin Thoben
in Schweden entdeckt; das mag richtig sein. Aber es stellt
sich die Frage: Wie gehen wir damit um, wenn etwas pas-
siert, worauf wir selbst keinen Einfluss haben? Wir ken-
nen nur das Ergebnis. Urenco hat vor Ort keine sauberen
Behälter, sondern in irgendeiner Form verunreinigte Be-
hälter. Das, was passiert ist, war katastrophal. Kranken-
häuser, die nicht darauf vorbereitet waren, wurden kon-
sultiert: zunächst Gronau, dann Ochtrup und Jülich, erst
danach Münster.

Gibt es denn konkret das Bestreben, einen neuen Ka-
tastrophenschutzplan zu entwickeln, der etwa vorsieht,
dass die Freiwillige Feuerwehr Gronau, die mit so etwas
umgehen kann, vielleicht stärker eingebunden wird, dass
die Werksfeuerwehr besser ausgebildet wird und dass
vor allem der Transport Verletzter in eine Fachklinik si-
chergestellt wird, ohne andere Menschen etwaig zu ge-
fährden?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1701802700


Was den Behälter angeht: Der Behälter wurde wohl
aus Schweden nach Gronau geliefert. Wir werden uns
sehr genau anschauen, was der TÜV-Sachverständige
über die tatsächlichen Ursachen sagt. Auch wenn die
Wahrscheinlichkeit, dass es an dem Behälter lag, hoch
ist, bin ich zum jetzigen Zeitpunkt vorsichtig damit, ein-
fach zu sagen: Das ist der Behälter gewesen. – Das muss
der Sachverständige beurteilen.

Ich habe schon darauf hingewiesen, dass der Sachver-
ständige nicht rund um die Uhr arbeiten kann, weil der
Raum zurzeit nur mit Schutzanzug etc. betreten werden






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser
kann. Den Bericht des Sachverständigen bekommen Sie,
wenn er vorliegt, sofort zur Verfügung gestellt. Dann
werden wir uns auch die Notfallpläne sehr genau an-
schauen.

Ich will aber noch einmal darauf verweisen, dass der
Unfall nicht in der Urananreicherungsanlage selbst ge-
schehen ist, sondern in einem sogenannten Vorberei-
tungsraum und dass eine umfangreiche Sicherheitsprü-
fung der gesamten Anlage bei ihrer Genehmigung
vorgenommen worden ist.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701802800

Jetzt haben wir eine weitere Frage des Kollegen

Dr. Ott von den Grünen.


Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701802900

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin,

wir haben Tickermeldungen vorliegen, dass der Boden
in dem Raum mit 170 Becquerel belastet war. Haben Sie
Informationen darüber, ob das richtig ist und ob man da-
von auf die Belastung der Raumluft rückschließen kann?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1701803000


Ich habe noch keine solchen Meldungen vorliegen, je-
denfalls keine bestätigten. Das ist auch nicht Teil des Be-
richts, den wir aus Nordrhein-Westfalen als ersten Be-
richt bekommen haben. Auch hier muss ich noch einmal
darauf verweisen, dass der TÜV-Bericht, aus dem her-
vorgehen wird, wie die Belastung genau aussieht, wohl
zum Ende der Woche vorliegen wird. Dass es noch eine
Belastung gibt, sehen wir auch daran, dass der Sachver-
ständige in dem Raum tatsächlich nur sehr vorsichtig ar-
beiten kann.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701803100

Vielen Dank. – Dann kommen wir zur Dringlichen

Frage 3 der Kollegin Vogler:
Welche Gefahren für die Beschäftigten und die Bevölke-

rung des Münsterlandes bestehen durch den Betrieb der UAA
in Gronau und insbesondere durch die Atomtransporte durch
die Region?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1701803200


Kollegin Vogler, die Frage nach Gefahren für die Be-
schäftigten und die Bevölkerung habe ich zum Teil
schon mit beantwortet. Ich habe schon mehrfach darauf
verwiesen, dass der Endausbau der Urananreicherungs-
anlage in Gronau am 14. Februar 2005 genehmigt wor-
den ist. Sowohl das Bundesumweltministerium als auch
das Land Nordrhein-Westfalen sind zu dem Ergebnis ge-
kommen, dass die Anlage hinsichtlich der sicherheits-
technischen Auslegung und des sicheren Betriebs den
nach Stand von Wissenschaft und Technik zu stellenden
Anforderungen entspricht.

Die Messungen am Kamin des Gebäudes, in dem sich
die Behältervorbereitung befindet, haben gezeigt – da-
rauf habe ich schon mehrfach verwiesen –, dass im Zu-
sammenhang mit dem Ereignis etwa ein Sechstel des ge-
nehmigten Wochenabgabegrenzwertes für diesen Kamin
in die Umgebung abgegeben wurde. Eine Dosisbelas-
tung der Bevölkerung und der Umwelt ist daher nicht an-
zunehmen. Die Messwerte der Umgebungsüberwachung
– das habe ich vorhin noch nicht gesagt – zeigten nach
Angabe der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde erwar-
tungsgemäß keinerlei Auffälligkeiten.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701803300

Nachfrage? – Bitte.


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701803400

Danke. – Frau Staatssekretärin, ich bin nicht der Auf-

fassung, dass die Frage, die ich gestellt habe, damit voll-
ständig beantwortet ist.

Zum Betrieb der Urananreicherungsanlage gehört
nämlich eine erhebliche Zahl von Atomtransporten, die
Monat für Monat durch unsere Region rollen und die für
ebenso viel Beunruhigung – berechtigte Beunruhigung –
und Besorgnis in der Bevölkerung sorgen. Auf diesen
Punkt sind Sie jetzt gar nicht eingegangen. Meine Frage
ist also: Wie bewertet die Bundesregierung eigentlich
die Gefahren, die von diesen regelmäßigen Atomtrans-
porten durch unsere Region ausgehen, und was tun Sie,
um die Bevölkerung zu schützen?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1701803500


Dazu gibt es eine Antwort der Bundesregierung aus
dem Mai 2007 auf eine Kleine Anfrage Ihrer Fraktion.
Ich möchte Sie bitten, sich diese Antwort noch einmal
genau anzuschauen. Da finden Sie auch unsere Stellung-
nahme zum Thema Transport.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: 2007, das war eine andere Bundesregierung!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701803600

Frau Vogler, Sie haben das Recht zu einer weiteren

Nachfrage.


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701803700

2007 war eine andere Bundesregierung im Amt, die

die Antwort auf diese Anfrage zu verantworten hatte. Er-
freut höre ich, dass Sie es genauso sehen.

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1701803800


Wir haben die wenigen Monate nicht genutzt, um die
gesetzlichen Grundlagen zu ändern. Deshalb zitiere ich
gerne aus der Antwort vom Mai 2007.


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701803900

Gut. Dann stelle ich jetzt eine Nachfrage, die sich

spezifisch an die neue Bundesregierung richtet. Ich
möchte gerne wissen, ob die Bundesregierung ange-






(A) (C)



(B) (D)


Kathrin Vogler
sichts des erneuten Zwischenfalls in der Urananreiche-
rungsanlage, dem bereits Zwischenfälle im September
und Dezember letzten Jahres vorausgegangen sind, nicht
bereit ist, ihre Position zu überdenken, die Laufzeiten
der Atomkraftwerke und damit auch die Betriebszeit und
Auslastung der Urananreichungsanlage in Gronau zu
verlängern bzw. auszuweiten. Ich glaube, das wäre auch
für die Menschen in der Region interessant zu wissen.

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1701804000


Wie Sie wissen, ist das Thema Laufzeitverlängerung
Teil des Energiekonzepts, an dem zurzeit das Umweltmi-
nisterium und das Wirtschaftsministerium arbeiten und
das im Herbst dieses Jahres vorliegen wird. Überlegun-
gen zu Laufzeitverlängerungen sowie all das, was Sie
genannt haben, werden in dieses Konzept einfließen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701804100

Es liegt eine Frage der Kollegin Arndt-Brauer vor.


Ingrid Arndt-Brauer (SPD):
Rede ID: ID1701804200

Nach der Erweiterung der Urananreicherungsanlage

ist ein Erdwall aufgeschüttet worden. Hinter dem Erd-
wall – nicht sichtbar, aber ohne Dach – werden befüllte
und unbefüllte Behälter gelagert. Ist es nach diesem Un-
fall nicht sinnvoll, über die Lagerung nachzudenken,
weil das, was in den Behältern ist, vielleicht nicht der
Deklaration entspricht, von dieser Art der Lagerung also
vielleicht eine größere Gefährdung der Bevölkerung aus-
geht, als man vorher erwarten konnte?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1701804300


Wir warten die Fertigstellung des TÜV-Berichts ab.
Ich denke, das ist vernünftiger, als jetzt zusammen mun-
ter Spekulationen zu äußern. Es handelt sich nur noch
um wenige Tage, bis der Bericht fertiggestellt ist. Ich
denke, wir haben dann Gelegenheit, entweder im Aus-
schuss oder hier im Plenum, in der Fragestunde, ausführ-
lich darüber zu beraten. Das Hauptproblem beim Um-
gang mit Uranhexafluorid ist, wie gesagt, nicht die
Direktstrahlung, sondern der Kontakt zum Stoff.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701804400

Es liegt eine Frage des Kollegen Krischer vor.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701804500

Vielen Dank. – Wenn meine Informationen stimmen,

hat das System zur automatischen Meldung von Radio-
aktivität in dem Raum nicht angeschlagen. Vielmehr ist
der Mitarbeiter, der das Behältnis geöffnet hat, in einen
Nachbarraum gegangen und hat dort einen Mitarbeiter
informiert. Erst dann ist der Alarm ausgelöst worden.
Meine Frage ist: Ab welcher Strahlenbelastung müsste
ein solcher Alarm in diesem Raum eigentlich ausgelöst
werden?
Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1701804600


Kollege Krischer, das kann ich Ihnen leider nicht be-
antworten; ich muss es nachliefern. Ich zitiere aus dem
Bericht des Landes Nordrhein-Westfalen. Dort heißt es
in der Tat:

Die Freisetzung wurde von einem in dem betreffen-
den Raum arbeitenden weiteren Mitarbeiter be-
merkt und telefonisch sofort die Werksfeuerwehr
und die Warte informiert.

Außerdem heißt es:

Die Monitore der Raumluftüberwachung haben an-
gesprochen und die Störfalllüftung wurde einge-
schaltet.

Es hat also einen Automatismus gegeben. Alles Wei-
tere werden wir dem TÜV-Bericht entnehmen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701804700

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Wir kommen

dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales. Für die Beantwortung steht der Par-
lamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel zur
Verfügung.

Wir kommen zur Dringlichen Frage 4 der Kollegin
Dr. Barbara Höll:

Wie viele Hartz-IV-Empfänger – in absoluten Zahlen und
prozentual von allen – sind von der laut Presseberichten vom
Wochenende im Januar 2010 nicht korrekt berücksichtigten
Kindergelderhöhung bei der Ermittlung der Leistungshöhe
betroffen?

Bitte, Herr Staatssekretär.

H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701804800


Frau Kollegin Dr. Höll, Ihre Frage nimmt Bezug auf
Presseberichte. In diesen Presseberichten ist die Rede
von einer nicht korrekt berücksichtigten Kindergelder-
höhung. Bezogen auf diese Formulierung beantworte ich
die Frage so: Es hat keine Betroffenen gegeben.

Mit der jetzigen Änderung der Bescheide erfolgt die
im Zehnten Buch Sozialgesetzbuch verankerte Anpas-
sung an die geänderten Verhältnisse. Hierbei handelt es
sich um eine völlig korrekte Berücksichtigung. In sämt-
lichen Leistungsbescheiden ist das Kindergeld in der je-
weils geltenden gesetzlichen Höhe korrekt als Einnahme
berücksichtigt worden.

Eine nachträgliche Änderung der Bescheide ist auf-
grund der späten Verabschiedung des Wachstumsbe-
schleunigungsgesetzes notwendig geworden. Die Verab-
schiedung dieses Gesetzes ist bekanntlich in sehr kurzer
Zeit gelungen, nämlich bereits kurz nachdem diese Ko-
alition die Arbeit aufgenommen hatte.

Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, in dem die
Kindergelderhöhung geregelt ist, wurde am 30. Dezem-
ber 2009 im Bundesgesetzblatt verkündet. Vor diesem
Zeitpunkt war es nicht möglich, eine Korrektur der Be-
scheide für Januar oder eine geänderte Auszahlung der






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch
die Bescheide zu realisieren. Das Bundesministerium für
Arbeit und Soziales hatte auch ausdrücklich davon abge-
sehen, vor Verkündung des Gesetzes Änderungen der
Leistungshöhe zulasten der Leistungsbezieher zuzulas-
sen. Die jetzige Anpassung entspricht damit vollständig
der Rechtslage.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701804900

Eine Nachfrage, Frau Höll.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701805000

Danke, Herr Staatssekretär. – Darf ich Ihre Beantwor-

tung meiner Frage so verstehen, dass die Kindergeld-
erhöhung für alle Kinder und Jugendlichen, deren Eltern
Hartz IV beziehen, ausgezahlt wurde? Es ist also meine
Frage zu beantworten, ob diese Erhöhung zu 100 Pro-
zent ausgezahlt worden ist. Muss dies jetzt zu 100 Pro-
zent korrigiert und das Geld zurückgeholt werden? Ist
das richtig?

H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701805100


Das wird durch einen Änderungsbescheid korrigiert.
Ob im Einzelnen eine Rückholbarkeit gegeben ist, hängt
von der jeweiligen Situation ab.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701805200

Eine weitere Nachfrage, Frau Höll.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701805300

Herr Staatssekretär, ich möchte jetzt noch eine Frage

zu der Ursache und zu Ihren Schlussfolgerungen stellen.
Die Ursache liegt also darin, dass das Ministerium bzw.
die Bundesregierung bewusst entschieden hat, dass die
Bescheide nicht im Voraus korrigiert werden. Es hätte ja
auch sein können, dass Sie dem Vorschlag der Linken
folgen würden, die ja beantragt hatten, gleich die Nicht-
anrechnung der Kindergelderhöhung zu verabschieden.

Die Korrektur der Bescheide, die Sie jetzt beschrie-
ben haben, soll im Januar erfolgen. Gilt im Februar dann
noch die alte Situation, sodass die Kindergelderhöhung
de facto noch zu 100 Prozent ausgezahlt wird, oder
nicht?

H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701805400


Es ist folgendermaßen: Zunächst einmal kann wäh-
rend des laufenden Bezugs keine Rückforderung der
Gelder erfolgen, die durch die ergangenen Bescheide ge-
währt wurden. Das kann nur dann der Fall sein, wenn
sich die entsprechende finanzielle Situation ändert, näm-
lich zum Beispiel durch die Rückkehr in die Erwerbstä-
tigkeit. Es ist auch nicht möglich, dass hier eine Auf-
rechnung erfolgt.

Somit sind die Bescheide zunächst einmal Ausdruck
der Rechtslage, und die Erstattung des überzahlten Be-
trages erfolgt dann, wenn die Vermögens- und Einkom-
mensverhältnisse das zulassen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701805500

Es gibt eine weitere Nachfrage. Kollegin Mast.


Katja Mast (SPD):
Rede ID: ID1701805600

Herr Staatssekretär, können Sie eine Aussage darüber

treffen, wie hoch die Verwaltungskosten dafür sein wer-
den, die Rückforderungsbescheide im Zusammenhang
mit der Anrechnung der Erhöhung des Kindergeldes um
20 Euro auszusenden und die entsprechenden Gespräche
zu führen? Insgesamt geht es ja ungefähr um
2,2 Millionen Kinder und 1,3 Millionen Bedarfsgemein-
schaften.

Da der Normenkontrollrat eine Grenze von 50 Euro
proklamiert, unterhalb welcher es sich nicht lohnt, Rück-
forderungen zu stellen, stellt sich schon die Frage, wieso
Sie an dieser Stelle keinen anderen Weg gegangen sind.

H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701805700


Zur Zahl der betroffenen Bedarfsgemeinschaften darf
ich hier noch einmal Folgendes darstellen: Wir nehmen
an, dass es circa 1,3 Millionen Bedarfsgemeinschaften
gibt, bei denen Kindergeld als Einnahme anzurechnen
ist. Wegen des unterschiedlichen Beginns des Bewilli-
gungszeitraums – die Bewilligungen, um die es geht,
sind in etwa ab August, also über ein halbes Jahr hin-
weg, erteilt worden – ist davon auszugehen, dass circa
1,1 Millionen Bedarfsgemeinschaften betroffen sind.
Die Abwägung der Kosten-Nutzen-Relation und die Be-
rücksichtigung der zu erwartenden Verwaltungskosten
haben zu der Entscheidung geführt, die ich vorgetragen
habe.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701805800

Jetzt folgt eine Frage der Kollegin Haßelmann von

den Grünen.


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701805900

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Staatssekretär,

habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie davon ausge-
hen, dass bei 1,1 Millionen der 1,3 Millionen Bedarfsge-
meinschaften, an die möglicherweise eine zu hohe Zah-
lung erfolgt ist, eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist?

H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701806000


Diese Einzelfallprüfung ist nicht sehr schwierig. Es
geht um eine einzige Position. Dadurch lässt sich die
Korrektur mit einem Verwaltungsaufwand realisieren,
der in der Relation als sinnvoll erachtet wird.

Sie dürfen bei all dem nicht vergessen, dass eine vier-
jährige Rückforderungsfrist besteht. Das ist ein Zeit-
raum, in dem sehr viele Bedarfsgemeinschaften wieder
finanziell stärker werden und in der Lage sind, diese
Zahlungen zu erbringen.


(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Nicht zu fassen!)







(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel
Es ist auch im Interesse der Gemeinschaft der Steuerzah-
ler, dass solche Forderungen realisiert werden müssen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701806100

Jetzt hat die Kollegin Krellmann eine Frage.


Jutta Krellmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701806200

Ich muss nachfragen, damit ich den Menschen in mei-

ner Region, die davon möglicherweise betroffen sind,
keine falschen Informationen weitergebe. Bei mir ist an-
gekommen, dass die Betroffenen die 20 Euro, die sie
formal zu viel erhalten haben, nicht zurückzahlen müs-
sen und einen neuen Bescheid bekommen werden, aus
dem hervorgeht, dass sie zukünftig diese 20 Euro nicht
mehr zahlen müssen. Ist das richtig?

H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701806300


Nein, das ist nicht richtig. Insofern ist es gut, dass Sie
nachgefragt haben. Denn wir wünschen verständlicher-
weise nicht, dass falsche Informationen weitergegeben
werden.

Die Bescheide werden die Korrektur ab Jahresbeginn
beinhalten, die Rückzahlungen werden auf der Basis des
geltenden Rechts umgesetzt, das heißt, wenn die finan-
zielle Möglichkeit dazu besteht.


Jutta Krellmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701806400

Darf ich noch eine Nachfrage stellen?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701806500

Leider nein. Sie müssen sich wieder hinten anstellen.

Jetzt folgt nämlich der Kollege Lehrieder.


Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1701806600

He
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1701806700
Warum sind vor dem Inkrafttreten des Gesetzes
keine Änderungen in den Bescheiden zur Vermeidung
der Überzahlungen möglich gewesen?

H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701806800


Um der Rechtslage Rechnung zu tragen, hat die Bun-
desregierung gegenüber der Bundesagentur für Arbeit
ausdrücklich darauf geachtet, dass keine vorzeitigen Re-
duzierungen in den Bescheiden vorgenommen wurden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701806900

Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Lösekrug-

Möller.


Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1701807000

Herr Staatssekretär, wir sind beide schon eine Weile

Abgeordnete des Deutschen Bundestages, und Sie haben
schon viele Pflichten im Haushaltsausschuss erfüllt. Ich
erinnere mich an einen Jahreswechsel, zu dem die Große
Koalition aus guten Gründen ebenfalls eine Kindergeld-
erhöhung vorgenommen hatte. Auch seinerzeit waren
Bescheide über Grundsicherung respektive Sozialgeld
ergangen, und man hatte in einer klugen Entscheidung
darauf verzichtet, alle neu zu bescheiden, und zwar nicht
nur wegen des damit verbundenen hohen Verwaltungs-
aufwandes, sondern auch deshalb, weil man vermuten
musste, dass die Hilfeempfänger in gutem Glauben das
Sozialgeld bzw. die Grundsicherung zur Bestreitung der
Kosten des Alltags verwendet hatten. Können Sie sich
an diesen Vorgang erinnern? Er liegt circa ein Jahr zu-
rück.

H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701807100


Frau Kollegin, ich kann mich daran erinnern. Sie neh-
men bewusst auf meine frühere Tätigkeit im Haushalts-
ausschuss Bezug. Ich kann bestätigen, dass im Jahre
2009 die Übergangsfragen gemäß einer entsprechenden
Regelung so beantwortet wurden, dass keine Rückzah-
lungen zu erbringen waren. Das hat man diesmal nicht
gemacht.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701807200

Jetzt noch eine Frage von Frau Krellmann, bitte.


Jutta Krellmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701807300

Ich stelle die Frage: Warum kann die Bundesregie-

rung darauf nicht verzichten? Es liegt doch auf der
Hand, dass die Verwaltungskosten der Überprüfung in
den nächsten vier Jahren, ob die Betreffenden wieder in
Arbeit gekommen sind und gegebenenfalls eine Rück-
zahlung leisten müssen, höher sind als die Kosten, die
durch einen kompletten Verzicht entstehen. Da Sie schon
einmal auf Rückzahlungen verzichtet haben, schlage ich
vor: Tun Sie es auch diesmal!

H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701807400


Die entscheidende Frage ist in der Tat, wie man hier
grundsätzlich vorgehen möchte. Es ist richtig, dass ein-
mal darauf verzichtet wurde. Aber die Berechnungen ha-
ben auch ergeben, dass die Summe, die zurückfließen
wird, weitaus höher sein wird als die Verwaltungsausga-
ben, die hier getätigt werden müssen. Ich darf auch da-
rauf hinweisen, dass es viele Menschen gibt, die bereit
sind, die erhaltenen Zahlungen, die höher sind als das,
was sie hätten erhalten sollen, freiwillig, also ohne
Zwang, zurückzuzahlen. Dies muss berücksichtigt wer-
den, wenn man sich diesem Fragenkomplex zuwendet.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701807500

Nun hat Kollegin Keul von den Grünen eine Frage.


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701807600

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,

haben Sie bei der Bemessung der Verwaltungskosten
auch die Ausgaben für die Prozesskostenhilfe und zu-
sätzliche Richterstellen bei den Sozialgerichten berück-
sichtigt? Schließlich haben bereits namhafte Sozialrecht-
ler, unter anderem der ehemalige Präsident des
Deutschen Anwaltvereins, Hartmut Kilger, öffentlich da-
rauf hingewiesen, dass Klagen der Betroffenen, denen






(A) (C)



(B) (D)


Katja Keul
die Gelder aufgedrängt wurden, wegen Entreicherung
zulässig und begründet sein könnten.

H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701807700


Das betrifft die fünfte Dringliche Frage. Herr Präsi-
dent, ich weiß nicht, ob ich dazu bereits Stellung nehmen
soll.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701807800

Nehmen Sie ruhig Stellung.

H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701807900


Es ist ein völliger Rechtsirrtum, wenn gesagt wird,
dass § 818 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches hier
greife. Dies wird zwar immer wieder behauptet, ent-
spricht aber überhaupt nicht dem Stand der herrschenden
Meinung. Zudem beinhaltet das Sozialrecht hierfür ei-
gene Vorschriften. Es wird kein Bezug auf das BGB und
den Entreicherungsparagrafen genommen. Deswegen
gehen Klagen, die damit begründet werden, ins Leere.
Daher wird sicherlich keine Prozesskostenhilfe, die eine
Vorprüfung verlangt, ob ein Prozess erfolgreich geführt
werden kann, gewährt werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701808000

Die letzte Zusatzfrage zur Dringlichen Frage 4 stellt

Frau Kollegin Mast.


Katja Mast (SPD):
Rede ID: ID1701808100

Herr Staatssekretär, ich habe noch einmal eine Frage

zum Verhältnis von Verwaltungskosten zu den Gesamt-
kosten, die durch das zu hoch ausbezahlte Kindergeld
entstanden sind, und möchte von Ihnen ganz konkrete
Zahlen wissen. Wie hoch kalkulieren Sie die Verwal-
tungskosten für diese Rückforderungen, und wie hoch
sind die Gesamtkosten des überzahlten Kindergeldes?

H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701808200


Frau Kollegin, auf diese Frage stellte ich Ihnen gern
schriftlich etwas dar, weil man dazu einige weitere Aus-
führungen machen muss. Dies kann hier im Augenblick
auf die Schnelle nicht geschehen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701808300

Dann kommen wir zur dringlichen Frage 5 der Kolle-

gin Dr. Höll:
Teilt die Bundesregierung die juristische Schlussfolge-

rung, dass eine Rückzahlung der nicht korrekt berücksichtig-
ten Kindergelderhöhung in den Hartz-IV-Bescheiden unter
Berufung auf § 818 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches
vermieden werden kann, und, wenn nein, wie soll eine Kor-

(Rückforderung oder Korrektur in den Folgemonaten)


H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701808400


Diese Frage nimmt ebenfalls auf die angesprochenen
Presseberichte Bezug, und deswegen muss ich auch
diese Frage bezüglich der korrekten Berücksichtigung
der Kindergelderhöhung mit Nein beantworten.

Die rechtliche Behandlung der Überzahlung hat wie
folgt zu erfolgen – ich habe dies vorhin schon einmal re-
feriert –: Die Bescheide sind für den Monat Januar sowie
für die weiteren Monate, für die die Leistungen unter
Berücksichtigung des alten Kindergeldbetrages ermittelt
wurden, teilweise zu ändern. Dies erfolgt durch einen
Aufhebungsbescheid nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des
Sozialgesetzbuches X. Für die im Januar überzahlten
Leistungen ist ein Erstattungsbescheid nach § 50 Abs. 1
des Sozialgesetzbuches X zu erlassen. Die Regelung des
§ 818 Abs. 3 BGB gilt nicht; das habe ich zuvor schon
ausgeführt. Daher kann die Bundesregierung die in der
Frage wiedergegebene Auffassung nicht teilen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701808500

Nachfrage, Frau Höll.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701808600

Herr Staatssekretär, Sie merken ja, dass auch wir Ab-

geordneten das nicht ganz verstehen. Nun muss man ein-
mal in Rechung stellen, dass es für jemanden, der
Hartz IV bezieht, ebenfalls relativ schwierig sein dürfte,
wenn Aufhebungsbescheid, Erstattungsbescheid usw.
mehrmals hin- und hergehen. Deshalb möchte ich wirk-
lich noch einmal nachfragen.

Die Überzahlung erfolgte im Monat Januar; ab die-
sem Monat ist sie teilweise wieder aufgehoben. Ich habe
immer noch nicht verstanden, wann es aufgehoben wird
und wann nicht. Es heißt, ab Februar erfolgt keine Über-
zahlung. Dann bekommen die betroffenen Familien ei-
nen Erstattungsbescheid, der über vier Jahre gilt. Das
heißt, in Bezug auf das Geld, das Sie nicht aus den lau-
fenden Lebenshaltungskosten zurückverlangen, sind die
Familien verpflichtet, diese „Überzahlung“ zurückzu-
zahlen, sobald sich ihre finanzielle Situation verändert
hat.

Angesichts dessen beziffern Sie die Kosten. Wenn
man die Zahlen kennt, wenn man weiß, wie viele Men-
schen leider langzeitarbeitslos sind und über Jahre im
Hartz-IV-Bezug sind, gerade Alleinerziehende mit Kin-
dern, und wenn man weiß, dass Experten von Bearbei-
tungskosten pro Fall von etwa 80 Euro ausgehen, wie
kann man dann annehmen, dass Sie nur über einen Mo-
nat reden? Um die Kosten hereinzuholen, müssten schon
vier Kinder in der Familie betroffen sein. Sie sagen, die-
ser ganze bürokratische Aufwand und die Bestrafung der
Familien – letztendlich kommt es bei ihnen so an – lohne
sich und Sie erhöben damit wesentlich mehr als die da-
mit verbundenen Verwaltungskosten. Dies ist mir immer
noch nicht durchschaubar. Vielleicht könnten Sie mir an
dieser Stelle noch einmal helfen.

H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701808700


Ich versuche noch einmal, hier wirklich zu helfen.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701808800

Gerne.






(A) (C)



(B) (D)

H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701808900


Zunächst gehe ich davon aus, dass der Fall so liegt:
Im Januar kam es zu der Überzahlung, im Februar mög-
licherweise auch noch einmal. Dies ist davon abhängig,
wie schnell die Änderungsbescheide ergehen, also die an
der gesamten Abwicklung beteiligten Personen und In-
stitutionen in der Lage sind, die Änderungen vorzuneh-
men. Dann erfolgt der Änderungsbescheid. In diesem
Bescheid steht, welcher Zahlbetrag ab Januar gilt und
dass für die Zeit ab Januar der überzahlte Betrag zurück-
zuleisten ist. Diese Rückleistung kann aber nicht vom
Laufenden genommen werden, sondern sie kann erst
dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn eine andere
Vermögens- und Einkommenssituation besteht. Inner-
halb der nächsten vier Jahre wäre eine entsprechende
Maßnahme noch möglich.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701809000

Zweite Nachfrage, Frau Höll.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701809100

Herr S
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1701809200
Sind Sie der Meinung, dass
diese kleine Geldleistung im Januar und eventuell Fe-
bruar gerade für die Kinder und Jugendlichen, die finan-
zielle Hilfe nötig haben, zu viel ist und die Bundesregie-
rung deshalb die Mitarbeiter der Bundesagentur für
Arbeit mit der Erstellung von Rückforderungsbeschei-
den und mit Widerspruchsverfahren, die zu erwarten
sind, beschäftigen muss? Sind Sie der Meinung, dass das
sozialpolitisch richtig ist?

H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701809300


Hier geht es darum, dass eine zu viel erhaltene Leis-
tung wieder zurückgezahlt werden soll. Dies wird in al-
len vergleichbaren Fällen, die wir im Sozialrecht und
auch im Rentenrecht kennen, ebenfalls so gehandhabt.
Daher ist es auch in diesem Fall ein Gebot rechtsstaatli-
chen Handelns, dass man an dieser Haltung festhält.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701809400

Kollegin Mast hat eine Frage.


Katja Mast (SPD):
Rede ID: ID1701809500

Herr Staatssekretär, wir hatten gerade eben die Mög-

lichkeit, uns auf die letzte Legislaturperiode zurückzube-
sinnen, als auch eine Kindergelderhöhung anstand. Da-
mals waren wir in einer Großen Koalition, und Sie
waren der verantwortliche Haushälter für den Haushalt
der Bundesagentur für Arbeit. Wir haben seinerzeit eine
Übergangsregelung von Januar bis Mai 2009 als poli-
tisch sinnvolles Instrument eingeführt. Das wäre die eine
politische Möglichkeit gewesen, wenn man das Problem
hätte lösen wollen. Aber es gibt noch ein weiteres Instru-
ment, mit dem man das Problem politisch lösen könnte,
damit es nicht zu überdimensionierten Verwaltungskos-
ten kommt, nämlich das Instrument der Generalstun-
dung. Meine Frage lautet: Ist Ihnen bekannt, dass es die-
ses Instrument gibt, und ziehen Sie in Erwägung, das
Problem mit diesem Instrument zu lösen?

H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701809600


Mir ist natürlich bekannt, dass es Stundungsmöglich-
keiten gibt. Aber ich sage Ihnen nochmals, dass auf-
grund der Tatsache, dass keine Übergangsregelung ge-
troffen wurde, eine eindeutige Festlegung erfolgt ist, wie
der Sachverhalt zu behandeln ist. Nach dieser Festle-
gung ist die Änderung des Bescheids die Grundlage, und
danach wird verfahren.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701809700

Jetzt hat die Kollegin Haßelmann eine Frage.


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701809800

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Staatssekretär,

sicherlich bedauert Ihr Haus, dass Sie keine Übergangs-
regelung getroffen haben, wie es in der letzten Legisla-
turperiode bei der Kindergelderhöhung möglich war,
und Sie sich jetzt zu einer solchen Handhabung veran-
lasst sehen. Meine Frage lautet: Wie hoch schätzen Sie
die monetären Rückflüsse an die BA durch die Einzel-
fallprüfungen der 1,1 Millionen betroffenen Familien?
Liegen Ihnen darüber Zahlen vor? Haben Sie geprüft,
wie hoch der Aufwand der Einzelfallprüfungen bei
1,1 Millionen Betroffenen ist und ob er in einem ange-
messenen Verhältnis zu den zu erwartenden Rückflüssen
an die BA steht?

H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701809900


Sie nehmen die Zahl von 1,1 Millionen betroffenen
Bedarfsgemeinschaften, die ich Ihnen auf Ihre Zusatz-
frage genannt habe – ich habe Ihre Frage übrigens voll-
ständig beantwortet –, zum Anlass, den Aufwand sehr
stark in den Mittelpunkt zu stellen. Wir haben aber auch
ansonsten in diesem Bereich sehr viele Veränderungen
und müssen entsprechende Bescheide erlassen, sodass
die Dimension nicht so groß ist, dass wir diesen Weg aus
praktischen Gründen nicht gehen könnten.

Es ist möglich, dass man diesen Weg auf sehr unkom-
plizierte Weise geht, wie in allen anderen Fällen, in de-
nen solche Bescheide erlassen werden müssen. Insoweit
ist es rechtmäßig, dass man dem Bürger das, was zu
Recht beansprucht wird, gibt, dass man aber die Über-
zahlungen, die erfolgt sind, zurückfordert.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701810000

Es gibt zwei weitere Fragewünsche.

Zunächst fragt Frau Dr. Hendricks.


Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1701810100

Herr Staatssekretär, es ist nicht so, dass Sie das ab-

sichtlich gemacht haben oder dass Sie das haben kom-
men sehen; das will ich Ihnen zugutehalten. Warum






(A) (C)



(B)


Dr. Barbara Hendricks
trauen Sie sich eigentlich nicht, auf dieses Parlament zu-
zugehen und zu sagen: „Wir haben einen Fehler ge-
macht, und wir wollen gern die gesetzliche Grundlage
dafür schaffen, die Rückzahlungsbescheide für die Mo-
nate Januar und Februar nicht erlassen zu müssen, so-
dass darauf verzichtet werden kann, dass 1,1 Millionen
Bedarfsgemeinschaften die Kindergelderhöhung – ich
verweise auf die damit verbundene Behördentätigkeit –
zurückzahlen.“? Wir können sowieso kaum davon aus-
gehen, dass dieses Geld vollständig zurückgezahlt wird.
Es wäre sicherlich auch in Ihrem Interesse, den Mut auf-
zubringen, mit diesem Anliegen an das Parlament heran-
zutreten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701810200


Frau Kollegin, Sie sind lange genug Mitglied in der
Regierung gewesen, um zu wissen, wie so etwas in einer
Regierung zustande kommt. Wenn die Regierung, nach-
dem sie abgewogen hat, welche Kosten entstehen wer-
den und wie hoch der Rückfluss sein wird, sich entschie-
den hat, diesen Weg zu gehen, dann wird sie die
beschlossenen Maßnahmen umsetzen. Das hat nichts mit
der Frage zu tun, ob sich diese Regierung traut, auf das
Parlament zuzugehen.


(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Doch! – Zuruf von der SPD: Diese Regierung kann Einsicht zeigen!)


Diese Regierung arbeitet mit diesem Parlament sehr
gut zusammen. Wir haben eine Entscheidung getroffen,
und das Ganze ist jetzt in der Umsetzung.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701810300

Jetzt fragt die Kollegin Lösekrug-Möller.


Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1701810400


Es ist immer ehrenwert, zu seinen Entscheidungen zu
stehen. Gelegentlich ist es aber ehrenwerter, zu erken-
nen, dass sie vielleicht nicht ganz richtig waren. Mögli-
cherweise handelt es sich bei der Fragestellung, über die
wir hier jetzt schon länger diskutieren, genau um den
zweiten Fall. Deshalb bitte ich Sie herzlich, zu überprü-
fen, ob Sie Ihre Ministerin motivieren können, das zu
tun, was wir im Rechtsstaat vor zwölf Monaten ebenfalls
getan haben. Ich erinnere daran, dass wir damals ge-
meinsam die Regierung gestellt haben. Sie haben in Ih-
ren Antworten zweimal darauf abgehoben, dass Sie sich
jetzt leider nicht anders verhalten können, weil wir in ei-
nem – ich zitiere Sie – „sozialen Rechtsstaat leben“. Ich
frage Sie: In welchem Staat haben wir vor zwölf Mona-
ten gelebt? Könnte diese Debatte dazu führen, dass es
ein Einsehen gibt? Hier geht es nämlich um einen Perso-
nenkreis, für den 20 Euro im Monat wirklich eine Menge
Geld sind.
H
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1701810500


Ich kann hier nur wiederholen, dass die Regierung
eine Entscheidung getroffen hat und dass sie dies nach
intensiven Überlegungen getan hat. In der jetzigen Situa-
tion müssen wir sehen, dass wir dort sparen, wo es mög-
lich ist, und dass wir kein zusätzliches Geld ausgeben. In
diesem Fall ist es eben so, dass es zu Überzahlungen ge-
kommen ist. Diese Überzahlungen müssen im Rahmen
des Möglichen zurückgeführt werden.

Ich betone, dass den Betroffenen von ihren laufenden
Einnahmen zunächst nichts weggenommen wird, dass es
vielmehr nur dann zu einer Rückforderung kommen
kann, wenn wieder eine andere Einkommenssituation
besteht. Tun Sie daher bitte nicht so, als nähme man den
Leuten aktuell Geld weg. Man fordert es dann zurück,
wenn die finanziellen Voraussetzungen des Einzelnen,
also seine Leistungsfähigkeit, dies zulassen.


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701810600

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Wir sind am Ende

der Behandlung der Dringlichen Fragen.

Frau Bundeskanzlerin, ich begrüße Sie. Da der Tages-
ordnungspunkt „Abgabe einer Regierungserklärung
durch die Bundeskanzlerin“ pünktlich um 15 Uhr begin-
nen soll, unterbreche ich die Sitzung für wenige Sekun-
den.


(Unterbrechung von 14.59 bis 15.00 Uhr)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701810700

Ich eröffne die kurz unterbrochene Sitzung wieder

und rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Abgabe einer Regierungserklärung durch die
Bundeskanzlerin

zur internationalen Afghanistan-Konferenz am
28. Januar 2010 in London

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä-
rung anderthalb Stunden vorgesehen. Gibt es Wider-
spruch? – Das ist nicht der Fall.

Das Wort zur Abgabe der Regierungserklärung hat
die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Manfred Zöllmer [SPD])



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1701810800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ende

2001 hat der Deutsche Bundestag beschlossen, deutsche
Soldaten im Rahmen des internationalen NATO-Einsat-
zes auf der Grundlage einer Resolution des UN-Sicher-
heitsrates nach Afghanistan zu entsenden. Das war eine
der schwierigsten Entscheidungen, die die damalige
Bundesregierung und der Deutsche Bundestag im gan-
zen letzten Jahrzehnt zu treffen hatten. Leicht gemacht
hat es sich damals niemand. Mitgetragen haben diese

(D)







(A) (C)



(B) (D)


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Entscheidung am Ende die allermeisten in diesem Hohen
Haus, und zwar bis heute. Dafür danke ich Ihnen im Na-
men der Bundesregierung und unserer Soldaten ganz
herzlich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Nach den Anschlägen des 11. September galt es mit-
zuhelfen, dem internationalen Terrorismus die Rückkehr
an seine wichtigste Heimstatt zu verwehren. Es galt mit-
zuhelfen, Afghanistan den Weg zurück zu Frieden und
Stabilität zu öffnen. Dieser Auftrag hat an seiner Bedeu-
tung und seiner Gültigkeit nichts verloren. Dennoch:
Heute, gut acht Jahre später, ist die Bilanz dieses Einsat-
zes gemischt.


(Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es gab manche Fortschritte und zu viele Rückschläge.

Außer Zweifel steht: Die internationale Staatenge-
meinschaft hat das Ziel ihres Einsatzes noch nicht er-
reicht. Deshalb müssen wir handeln. Frankreich, Groß-
britannien und Deutschland haben dazu im September
letzten Jahres, also noch zu Zeiten der damaligen Bun-
desregierung der Großen Koalition, die Initiative ergrif-
fen und eine internationale Afghanistan-Konferenz an-
gestoßen. Sie findet morgen in London statt. Unser
Bundesaußenminister Guido Westerwelle wird Deutsch-
land dort vertreten. Ich möchte ihm von diesem Ort aus
ausdrücklich für die hervorragende Vorbereitung der
Konferenz danken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Danken möchte ich genauso dem Verteidigungsminister,
dem Innenminister und dem Entwicklungshilfeminister.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


In London wird die internationale Staatengemein-
schaft beraten, wie die Aufgabe, in Afghanistan für Si-
cherheit und Stabilität zu sorgen, in den nächsten Jahren
Schritt für Schritt in die Hände der Afghanen gelegt wer-
den kann.

Meine Damen und Herren, in London geht es also um
nichts weniger als um eine Weichenstellung. Es geht um
eine Weichenstellung, die nach meiner Überzeugung
über Erfolg oder Misserfolg des Einsatzes in Afghanis-
tan entscheiden wird. In einem Satz: Es geht um die Ent-
wicklung einer Strategie zur Übergabe in Verantwor-
tung, und zwar einer gemeinsamen internationalen
Strategie. Übergabe in Verantwortung – daran müssen
wir alles ausrichten: die Zahl der Soldaten und Ausbil-
der, die Grundsätze des Einsatzes, die regionalen Zu-
ständigkeiten.

In diesem Sinne hat die Bundesregierung ein Paket
für eine Weiterentwicklung unseres Afghanistan-Einsat-
zes geschnürt. Gestern habe ich gemeinsam mit den zu-
ständigen Ministern die Partei- und Fraktionsvorsitzen-
den der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien
darüber unterrichtet. Heute nun möchte ich Ihnen in die-
sem Hohen Haus unser Konzept vorstellen. Es umfasst
fünf Punkte:
Erstens. Wir werden die Ausbildung der afghani-
schen Armee stark forcieren. Sie wird nicht nur wie bis-
her in den Camps erfolgen; nein, in Zukunft sollen un-
sere Soldaten gemeinsam mit ihren afghanischen
Kameraden für den Schutz der Bevölkerung in der Nord-
region sorgen. Diese Aufgabe wird künftig im Zentrum
unseres Engagements stehen. Dazu wollen wir – natür-
lich vorbehaltlich der Zustimmung des Deutschen Bun-
destages – 500 Soldatinnen und Soldaten zusätzlich nach
Afghanistan entsenden. Sie sind für Ausbildung, für Be-
gleitung, für den Schutz der Bevölkerung sowie für Füh-
rungsleistungen vorgesehen. Durch Umschichtung der
Aufgaben im bestehenden Kontingent und durch die zu-
sätzlichen Soldaten können statt heute 280 in Zukunft
1 400 Soldaten in die Ausbildung mit einbezogen wer-
den. Das Kommando in der Region Nord soll auch in
Zukunft von Deutschland geführt werden. Weitere
350 Soldaten werden als flexibel eingesetzte Reserve be-
nötigt, insbesondere um auf besondere Situationen, zum
Beispiel bei der Absicherung der Parlamentswahlen im
Herbst, angemessen reagieren zu können. Sie werden
nur – das ist neu – nach Befassung des Verteidigungsaus-
schusses und des Auswärtigen Ausschusses des Deut-
schen Bundestages eingesetzt, und zwar jeweils zeitlich
befristet und auf die Aufgabe ausgerichtet.

Zweitens. Wir werden die Zahl der deutschen Poli-
zeiausbilder in unserem bilateralen Projekt in diesem
Jahr von 123 auf 200 und somit deutlich erhöhen. Damit
können wir bis 2012 etwa ein Drittel der neuen Kräfte
ausbilden, die laut Aufwuchsplan in die afghanische Poli-
zei aufgenommen werden sollen. Wir werden dabei nicht
nur mehr afghanische Polizisten, sondern gezielt auch
afghanische Polizeitrainer ausbilden und zusätzliche Poli-
zeiinfrastruktur aufbauen. Darüber hinaus werden wir
auch unseren Beitrag zur Europäischen Polizeimission,
EUPOL, kurzfristig erhöhen, und zwar von 45 auf
60 Polizeiexperten. Von 2002 bis 2009 haben wir bereits
circa 30 000 afghanische Polizisten aus- und fortgebil-
det. 30 000 von insgesamt 97 000 afghanischen Polizis-
ten – dieser Beitrag Deutschlands kann sich wirklich se-
hen lassen. Er ist in seiner Bedeutung gar nicht hoch
genug einzuschätzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Genau diesen Weg – das haben wir heute Morgen auch
mit dem Präsidenten Karzai besprochen – werden wir
fortsetzen.

Drittens. Die Bundesregierung plant eine Entwick-
lungsoffensive mit einem Schwerpunkt in unserem Ver-
antwortungsbereich, also im Norden Afghanistans. Unser
finanzielles Engagement dazu wird nahezu verdoppelt.
Konkret heißt das: Vorbehaltlich der Zustimmung der
Haushaltsgremien des Deutschen Bundestages werden
wir bis 2013 jährlich statt heute 220 Millionen Euro
430 Millionen Euro in den zivilen Wiederaufbau inves-
tieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Damit wollen wir ganz konkrete Ziele erreichen, zum
Beispiel für 3 Millionen Menschen mehr Einkommen
und Beschäftigung schaffen. Das sind drei Viertel der






(A) (C)



(B) (D)


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Bevölkerung in den Schwerpunktprovinzen unseres Ver-
antwortungsbereichs. Wir werden mit diesen Mitteln
weitere Straßen bauen – insgesamt 700 Kilometer –, die
ganzjährig befahrbar sind. Wir werden neue Lehrer aus-
bilden. Und wir werden zusätzlich 500 000 Schülern ei-
nen Schulbesuch ermöglichen. Das heißt nichts anderes,
als dass statt heute 25 Prozent der Kinder zukünftig
60 Prozent der Kinder Zugang zu Schulen haben wer-
den.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir verpflichten uns als Bundesregierung, dem Parla-
ment über die erreichten Fortschritte regelmäßig Bericht
zu erstatten.

Viertens. Deutschland beabsichtigt, für den neuen in-
ternationalen Reintegrationsfonds jährlich 10 Millio-
nen Euro für die kommenden fünf Jahre, also insgesamt
50 Millionen Euro, zur Verfügung zu stellen. Dafür müs-
sen natürlich die Voraussetzungen stimmen. Die Risiken
eines solchen Fonds liegen ohne jeden Zweifel auf der
Hand, aber ebenso die Chancen. Denn wenn es uns ge-
lingt, mit einem solchen Integrationsfonds mehr Kräfte
in Afghanistan zu erreichen, die die Verfassung als
Grundlage des politischen Handelns akzeptieren, und re-
gierungsfeindliche Kämpfer zu motivieren, die Waffen
niederzulegen und die Gesetze zu respektieren, dann
können wir auf diesem Wege Anreize geben, damit diese
Menschen auch am Aufbau des Landes mitwirken.

Präsident Karzai hat in seiner Inaugurationsrede die
Reintegration zu einem Schwerpunkt der Arbeit der
neuen Regierung gemacht. Er hat dies auch bei seinen
Gesprächen gestern Abend und heute Morgen hier in
Berlin noch einmal ganz deutlich unterstrichen. Wir un-
terstützen diesen Ansatz ausdrücklich.

Fünftens. In London müssen ganz konkrete Ziele ver-
einbart werden, damit wir gemeinsam mit der afghani-
schen Regierung präzise überprüfen können, wie weit
wir auf dem Weg zu Sicherheit und Stabilität vorange-
kommen sind. Dazu gehört vor allem eine klare Verabre-
dung, welchen Umfang die afghanischen Sicherheits-
kräfte in den Jahren 2010 und 2011 erreichen sollen.
Wir gehen von insgesamt gut 300 000 Sicherheitskräften
aus; das ist die Summe aus Soldaten und Polizisten. Die
in London zu vereinbarenden Zielmarken sollten den
endgültigen Umfang der afghanischen Sicherheitskräfte
darstellen. Dann können wir auch den tatsächlichen Be-
darf feststellen und die notwendigen Maßnahmen zur
Ausbildung und Ausrüstung ergreifen.

Zugleich muss uns die afghanische Regierung einen
glaubwürdigen Entwicklungsplan vorlegen und Bereit-
schaft zu strukturellen Reformen erkennen lassen, um
gute Regierungsführung auch auf zentraler und lokaler
Ebene zu stärken. Damit es keine Missverständnisse
gibt: Wir haben keine Illusionen hinsichtlich bestimmter
Demokratievorstellungen nach unseren Kriterien. Solche
Vorstellungen wären angesichts der Geschichte und Tra-
dition des Landes wohl auch vermessen. Dennoch müs-
sen wir Mindestanforderungen an die Effizienz und die
Legitimität der Institutionen stellen. Korruption muss
wirksamer bekämpft werden. Wahlen müssen nach de-
mokratischen Standards ablaufen. Drogenanbau muss in-
tensiver bekämpft werden, und regierungsfeindliche
Kräfte dürfen keinen weiteren Unterschlupf außerhalb
Afghanistans finden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Um das zuletzt Genannte zu erreichen, muss der Dia-
log zwischen Afghanistan und den Partnerländern, ganz
besonders Pakistan, dringend intensiviert werden. Ohne
eine verbesserte regionale Kooperation, insbesondere
zwischen Afghanistan und Pakistan, wird es in Afgha-
nistan keinen Frieden geben.

Meine Damen und Herren, das sind die fünf Punkte,
mit denen Deutschland morgen in die Afghanistan-Kon-
ferenz gehen wird. Sie zeigen das Leitmotiv unseres
Handelns: Ohne Sicherheit kann es nicht gehen; aber
dauerhaft stabilisieren kann Afghanistan nur eine politi-
sche Strategie. Ziviler Aufbau und Entwicklung, militä-
rische Ausbildung und Schutz der Bevölkerung, das geht
für uns Hand in Hand. Unser Konzept ist eng mit unse-
ren wichtigsten Partnern abgestimmt: mit Frankreich,
mit den Vereinigten Staaten von Amerika genauso wie
mit Großbritannien.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gibt es denn auch eine militärische Strategie?)


Die internationale Staatengemeinschaft hat eine klare
Vorstellung von Sinn und Zweck der Londoner Konfe-
renz. London ist weder eine Geber- noch eine Truppen-
stellerkonferenz; London ist eine Strategiekonferenz.
Ihr Ziel ist es, die Voraussetzungen für die Übergabe in
Verantwortung zu schaffen, und zwar gemeinsam mit den
afghanischen Autoritäten. Wenn die Umsetzung dieser
Strategie gelingt, strebt Deutschland unter den jetzt be-
kannten Voraussetzungen an, die Übergabe in Verantwor-
tung in einzelnen Distrikten in Nordafghanistan bereits
im ersten Halbjahr 2011 einzuleiten. Dann beabsichtigt
Deutschland, einzelne Fähigkeiten, die nicht mehr benö-
tigt werden, ab Ende 2011 zu reduzieren. Dann können ab
diesem Zeitpunkt gegebenenfalls auch der Gesamtum-
fang unserer Truppen und die Mandatsobergrenze ge-
senkt werden.

Wir unterstützen das Ziel der afghanischen Regie-
rung, bis 2014 die Verantwortung für die Sicherheit zu
übernehmen. Aber ich sage an dieser Stelle klar und
deutlich: Ein endgültiges Abzugsdatum nenne ich aus-
drücklich nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das hielte ich für kontraproduktiv und für falsch. Mehr
noch: Gerade wer tatsächlich möchte, dass der Einsatz
der internationalen Staatengemeinschaft in Afghanistan
nicht unendlich weitergeht, sondern in absehbarer Zeit
abgeschlossen werden kann, und zwar erfolgreich, der
darf dem manchmal vielleicht emotional ja nachvoll-
ziehbaren Impuls, ein solches Abzugsdatum zu nennen,
nicht nachgeben. Das ist meine tiefe Überzeugung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deshalb wird die Bundesregierung das auch nicht tun.






(A) (C)



(B) (D)


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Dabei kenne ich die kritischen Fragen so gut wie Sie
alle: Engagieren wir uns nicht schon genug in Afghanis-
tan? Lassen wir uns zu sehr von anderen drängen? Kön-
nen wir dort überhaupt erfolgreich sein? Ich weiß sehr
gut, dass gerade die Erhöhung der Zahl der Soldaten von
niemandem mit leichtem Herzen beschlossen werden
kann. Ich weiß sehr gut, dass wir sie in einen belasten-
den, in einen gefährlichen Einsatz schicken. Deshalb
sind wir es ihnen, den Soldaten, den Polizisten, den zivi-
len Aufbauhelfern, die wir in diesen gefährlichen Ein-
satz schicken, ja, wir sind es der gesamten deutschen
Öffentlichkeit schuldig, hier und heute ehrlich Rechen-
schaft abzulegen – Rechenschaft über das, was erreicht
wurde, und über das, was nicht erreicht wurde.

Ja, es ist wahr: Der Einsatz dauert länger, und er ist
schwieriger, als wir zu seinem Beginn vor gut acht Jah-
ren gedacht haben. Ja, es hat schwere Rückschläge gege-
ben, die wir so nicht vorausgesehen haben. Und ja, der
Einsatz fordert Menschenleben bei unseren Soldaten, bei
den Polizisten, bei den zivilen Helfern und in der afgha-
nischen Bevölkerung, Menschenleben, deren Verlust wir
inständig gehofft haben nicht beklagen zu müssen. Es
gibt Menschen, die auch infolge deutschen Handelns ihr
Leben verloren haben oder verletzt wurden, wie dies
beim Luftschlag von Kunduz am 4. September des ver-
gangenen Jahres geschehen ist. Die Bundesregierung be-
dauert dies zutiefst. Die Bundesregierung trauert um je-
des unschuldige Opfer.

Wir sehen nicht darüber hinweg: Es herrscht immer
noch kein Frieden in diesem leidgeprüften Land. Zerstö-
rung und Tod sind tägliche, bittere Erfahrungen. Unsere
Soldaten erleben vor Ort hautnah, was es bedeutet, wenn
wir von kriegsähnlichen Zuständen sprechen. Das soll-
ten wir, die hier im fernen, sicheren Berlin debattieren,
in keiner Sekunde vergessen. Wir müssen uns der Größe
der Aufgabe bewusst sein. Doch sollte uns die Größe
dieser Aufgabe entmutigen? Sollte sie etwas daran än-
dern, dem internationalen Terrorismus entschlossen ent-
gegenzutreten und alles zu tun, um einen neuen
11. September, ein neues Madrid, ein neues London zu
verhindern? Ich sage ganz klar: Nein. Die Aufgabe war
2001 richtig, und sie ist es heute genauso.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Manche meinen, Afghanistan sei ein unverständliches
Land, weit weg, getrennt von uns durch andere Kultur-
kreise. Ja, das mag so sein. Dieses Land mag vielleicht
tatsächlich weit weg sein, aber was auf dem Spiel steht,
das ist ganz und gar nicht weit weg. Wir dürfen nie die
Umstände vergessen, die alle Bundesregierungen seit
Ende 2001 bis heute zum Afghanistan-Einsatz bewogen
haben: dass das von Taliban und al-Qaida beherrschte
Afghanistan die Brutstätte des Terrors vom 11. Septem-
ber 2001 war. Ihm folgten weitere Anschläge. Deshalb
galt damals und gilt heute: Der Einsatz der Bundeswehr
im Rahmen des internationalen NATO-Einsatzes war
und ist in dringendem Interesse der Sicherheit unseres
Landes.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Sigmar Gabriel [SPD])

Ich ergänze ganz ausdrücklich: Eine Haltung nach
dem Motto „Sollen doch die anderen, die Amerikaner,
die Engländer, die Kohlen aus dem Feuer holen“ ist für
mich als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutsch-
land und für die gesamte Bundesregierung unverant-
wortbar.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Sigmar Gabriel [SPD])


Deshalb wird es in meiner Regierungsverantwortung ei-
nen deutschen Alleingang niemals geben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben diesen Einsatz gemeinsam beschlossen
– in den Vereinten Nationen, in der NATO –, und wir
werden ihn mit überarbeiteter Strategie gemeinsam fort-
setzen. Wir wollen alles daransetzen, ihn gemeinsam
zum Erfolg zu führen. Deswegen wäre ein einseitiger
Abzug der Bundeswehr kein Beitrag zur Übergabe in
Verantwortung, sondern ein Beispiel für Aufgabe in Ver-
antwortungslosigkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das gilt umso mehr, als doch trotz aller Rückschläge
auch Fortschritte zu verzeichnen sind: Gingen 2001 nur
1 Million Kinder von insgesamt rund 10 Millionen
afghanischen Kindern zur Schule, davon kein einziges
Mädchen, so waren es 2009 immerhin schon 7 Millionen
Kinder, davon ein gutes Drittel Mädchen. Oder die Ge-
sundheitsversorgung: Sie hat sich deutlich verbessert;
die Kindersterblichkeit ist um 50 Prozent gesunken.
Oder die legale Wirtschaft: Der IWF hat in diesem Be-
reich für das Jahr 2009 ein Wachstum von mehr als
15 Prozent festgestellt. Oder die Infrastruktur: Alle Pro-
vinzen in Nordafghanistan sind inzwischen über gut aus-
gebaute Straßen mit Kabul und den Nachbarstaaten ver-
bunden; 900 000 Menschen im Norden haben oft zum
ersten Mal überhaupt Zugang zu Strom und Wasser.

Noch einmal, meine Damen und Herren: Niemand in
diesem Haus will hier und heute über die Probleme und
Rückschläge den Mantel des Schweigens legen, ich je-
denfalls nicht. Es steht außer Zweifel: Die internationale
Staatengemeinschaft hat eine Bewährungsprobe zu be-
stehen. Es ist auch eine Bewährungsprobe für die drei
Grundprinzipien, die die deutsche Außenpolitik in der
Vergangenheit immer geleitet haben und sie weiter leiten
werden – der Dienst für den Frieden, der wehrhafte
Rechtsstaat, feste Bündnisse und Partnerschaften. Alle
drei Grundsätze galten und gelten immer im Zusammen-
hang. Die Verteidigung der Menschenrechte hat ihren
Preis, und die unserer Sicherheit auch – das ist wahr –,
aber ich bin weder bereit, das eine, noch bin ich bereit,
das andere aufzugeben. Beides zusammen trägt unser
Land.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Genau das ist doch der Grund, warum seit der Konferenz
auf dem Petersberg alle Bundesregierungen zu dieser
Verantwortung Deutschlands in Afghanistan gestan-
den haben. Darum geht es auch heute.






(A) (C)



(B) (D)


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, wenn es
eine Aufgabe gibt, die zu wichtig ist, als dass parteipoli-
tische Interessen den Ausschlag geben dürfen, dann ist
es genau diese Aufgabe.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


In diesem Sinne bitte ich das ganze Hohe Haus um Un-
terstützung, damit wir unserer Verantwortung für
Deutschland und für Afghanistan gerecht werden kön-
nen.

Herzlichen Dank.


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Angela Merkel (CDU):
Rede ID: ID1701810900

Ich eröffne die Aussprache.

Erster Redner ist der Kollege Sigmar Gabriel für die
SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701811000

Herr Präsident! Frau Bundeskanzlerin! Meine Damen

und Herren! Ich finde es nicht ganz einfach, an einem
Tag wie heute sofort wieder in den politischen Alltag zu-
rückzukehren. Ich gebe zu, dass mir selbst die notwen-
dige sachliche Auseinandersetzung zwischen Regierung
und Opposition angesichts der, wie ich jedenfalls finde,
sehr bewegenden Gedenkstunde für die Schoah und die
Befreiung von Auschwitz hier im Parlament schwerfällt.
Im Namen der SPD und der SPD-Fraktion will ich dem
Präsidenten und allen, die daran beteiligt waren, aus-
drücklich für diese Gedenkstunde danken.


(Beifall im ganzen Hause – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das können Sie auch für uns tun!)


Aber vielleicht ist gerade dieser Tag richtig, um
unsere Bereitschaft, auch militärische Mittel bei der Be-
kämpfung von Terror, Diktatur und Bürgerkrieg einzu-
setzen, neu zu begründen; denn das ist dringend notwen-
dig. Nicht zuletzt wegen unserer deutschen Geschichte
gibt es in unserem Land eine große Skepsis und Ableh-
nung gegenüber der Verwicklung Deutschlands in be-
waffnete Auseinandersetzungen. Eigentlich ist das auch
gut so. Trotzdem haben wir uns vor rund neun Jahren
entschlossen, an einer solchen Auseinandersetzung nicht
nur mit zivilem Wiederaufbau, sondern auch mit bewaff-
neten Einsätzen der Bundeswehr teilzunehmen. Wir wis-
sen: Dieser Einsatz war von Anfang an umstritten, und
die Skepsis gegenüber und die Ablehnung dieses Einsat-
zes sind bis zum heutigen Tag gewachsen. Natürlich
führen die Anschläge, die Korruption, die Menschen-
rechtsverletzungen – auch der Regierung Karzai –, die
Wahlfälschungen und nicht zuletzt das Bombardement
von Kunduz zu Verunsicherungen und zur Ablehnung
des Einsatzes.

Was immer wir in einigen Wochen hier im Haus be-
schließen werden, wir Parlamentarier, die Politikerinnen
und Politiker in Deutschland, aber noch mehr unsere
Soldatinnen und Soldaten sind in unserer Demokratie
auf die Unterstützung unserer Bevölkerung angewie-
sen. Deshalb müssen wir vor allen Dingen unsere frühe-
ren Entscheidungen, unsere heutigen Diskussionen und
Beratungen und unsere künftigen Entscheidungen erneut
begründen, erklären und öffentlich zur Diskussion stel-
len. Wir und unsere Soldatinnen und Soldaten dürfen in
unserer Bevölkerung nicht noch mehr Rückhalt für den
Afghanistan-Einsatz verlieren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Dafür gibt es zwei Voraussetzungen. Die erste und für
mich wichtigste Voraussetzung ist: Wir müssen aufhö-
ren, mit dem Begriff „Krieg“ oder „kriegerische Aus-
einandersetzung“ so leichtfertig umzugehen wie in den
letzten Monaten.


(Beifall bei der SPD)


Jeder hier im Saal kann verstehen, dass die Soldatinnen
und Soldaten in Afghanistan und auch unsere Bevölke-
rung fragen: Was, bitte, ist das, was wir dort erleben, an-
deres als ein Krieg? Wer Zustimmung in der Bevölke-
rung erreichen will, muss der Versuchung widerstehen,
leichtfertig mit dem Wort „Krieg“ umzugehen, nur um
den Eindruck zu erwecken, er verstehe die Menschen
und Soldaten. Wer Zustimmung will, der muss erklären,
um was es in Afghanistan wirklich geht und worin der
Unterschied zum tatsächlichen Krieg im Irak besteht.


(Beifall bei der SPD)


Es geht bei der Frage, ob wir das, was in Afghanistan
stattfindet, Krieg nennen oder nicht, nicht nur um eine
juristische Definition, wie der Bundesverteidigungs-
minister gelegentlich meint. Es geht im Kern um unser
Verständnis vom Zusammenleben der Völker, vom Völ-
kerrecht und um die Zivilisierung und strikte Bindung
militärischer Operationen an Entscheidungen der
Vereinten Nationen. Niemand außer den Vereinten Na-
tionen soll nach unserer Auffassung das Recht haben,
militärische Mittel einzufordern, um Menschen vor Dik-
tatoren, Terroristen oder Völkermördern zu schützen.


(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das ist aber neu!)


Wer für diese Zivilisierung militärischer Operationen
eintritt, wer für diese strikte Bindung streitet und sie
Schritt für Schritt fester in der Völkergemeinschaft ver-
ankern will, der darf das, was in Afghanistan stattfindet,
nicht in die Nähe eines Krieges rücken. Denn die Verein-
ten Nationen führen dort keinen Krieg, und unsere Sol-
datinnen und Soldaten sind dort keine Krieger.


(Beifall bei der SPD)


Wer die Zustimmung unserer Bevölkerung zu dieser
militärischen Beteiligung oder zu künftigen militäri-
schen Beteiligungen Deutschlands auf Grundlage von
Entscheidungen der UN gewinnen will, der darf diese
UN-Mission eben nicht in die Nähe des Krieges rücken.

Wenn die Vereinten Nationen militärische Hilfe an-
fordern, tun sie dies gerade in Afghanistan nicht zum
Zwecke des Krieges. Im UN-Einsatz sind Soldatinnen






(A) (C)



(B) (D)


Sigmar Gabriel
und Soldaten, jedenfalls nach unserem Verständnis, eher
so etwas wie Weltpolizisten dort, wo die normalen poli-
zeilichen Mittel versagen und nicht wirken.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Friedensengel, oder was? – Weitere Zurufe von der LINKEN)


– Ich verstehe, dass Sie an dieser Stelle eine andere Hal-
tung haben. Ich habe sie immer respektiert, weil ich ver-
standen habe, dass eine Partei, deren Bekenntnis zu ihren
Vorläuferorganisationen jeden Krieg der Sowjetunion
gerechtfertigt hat, jetzt ausschließlich pazifistisch sein
will. Ich verstehe, dass das der Grund für Ihre pazifisti-
sche Haltung ist.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Keine Ahnung!)


– Ich weiß nicht, warum Sie Zwischenrufe machen. End-
lich äußert mal jemand Verständnis für Sie, und dann
sind Sie damit auch nicht einverstanden.


(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das war doch kein Verständnis!)


Wer generell Nein sagt, wie es zum Beispiel Ihre Par-
tei tut, der hilft letztlich denen, die diese strikte völker-
rechtliche Bindung von militärischer Gewalt an ein
Mandat der Vereinten Nationen noch nie gewollt haben
und diesen Fortschritt im Völkerrecht politisch bekämp-
fen. Sie helfen damit denjenigen, die entweder weiter zur
Privatisierung militärischer Gewalt beitragen wollen
oder nationale Alleingänge beim Einsatz militärischer
Interventionen für richtig halten. Das ist nicht unser
Weg.


(Beifall bei der SPD – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie denken nicht mal über Alternativen nach!)


Wir können nicht die Einhaltung des Völkerrechts ein-
fordern und dann nicht bereit sein, dem Völkerrecht
auch Nachdruck zu verleihen.

Das eine ist so falsch wie das andere: von Krieg zu re-
den oder kriegerische Einsätze zu beschwören, wo es
um den Schutz vor Krieg, Bürgerkrieg und Terrorismus
geht, oder die hehren Grundsätze zur Stärkung des Völ-
kerrechts und der UN zu beschweren, ihr aber die Mittel
zu verweigern, das Völkerrecht auch durchzusetzen. Wer
von Krieg redet, wird an Zustimmung für den Einsatz in
Afghanistan verlieren und missachtet, Herr Bundesver-
teidigungsminister, die Leistungen, die unsere Soldatin-
nen und Soldaten dort erbringen, außerordentlich.


(Elke Hoff [FDP]: Was?)


Es lässt sich leicht im Deutschen Bundestag darlegen,
dass der Schutz der Zivilisten bei jeder militärischen Ak-
tion Vorrang haben muss. Dies umzusetzen, ist aber au-
ßerordentlich schwer. Dennoch hat es die Bundeswehr,
haben es die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr,
bis auf den Einsatz in Kunduz, in Afghanistan in hervor-
ragender Weise getan.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher wissen Sie das?)


Wir brauchen keine Militarisierung der Sprache, um die
Menschen psychologisch an mehr zivile Opfer zu ge-
wöhnen, sondern wir brauchen die deutliche Distanz zu
Forderungen nach robusteren Mandaten und kriegeri-
schen Einsätzen der Bundeswehr in Afghanistan.


(Beifall bei der SPD)


Herr zu Guttenberg, niemand hat in den letzten Wo-
chen so viel über den deutschen Afghanistan-Einsatz ge-
redet wie Sie. Man konnte den Eindruck gewinnen, als
ob der Verteidigungsminister und seine Militärs die deut-
sche Außenpolitik definieren und nicht der nach der Ver-
fassung zuständige Außenminister. Wir haben uns die
ganze Zeit gefragt: Was sind denn nun die Konsequen-
zen aus dieser Form von Kriegssemantik, die den Vertei-
digungsminister von Talkshow zu Talkshow trug? Herr
zu Guttenberg, noch am 9. Januar dieses Jahres haben
Sie erklärt, dass dem Afghanistan-Einsatz die Klarheit
eines nicht internationalen Krieges fehle. Aus Ihrer Sicht
fehlt es der Bundeswehr also an einer sicheren rechtli-
chen Grundlage für diesen Einsatz; damals ging es Ihnen
ja genau darum. Ich frage Sie: Wenn es wirklich Ihre
Ansicht ist, dass für die Soldatinnen und Soldaten in Af-
ghanistan keine sichere Rechtsgrundlage vorhanden ist,
warum haben Sie dem Deutschen Bundestag dann einen
Monat zuvor ein Mandat vorgelegt, das genau diese For-
derungen von Ihnen nicht enthalten hat? Warum?


(Beifall bei der SPD)


Herr zu Guttenberg, wenn Sie dem Bundestag schon im
Dezember 2009 ein aus Ihrer Sicht falsches Mandat vor-
gelegt haben, warum bringen Sie nicht jetzt eine Vor-
lage, die eine andere rechtliche Grundlage für den Af-
ghanistan-Einsatz vorsieht, in den Bundestag ein? Kein
Wort davon in der Regierungserklärung der Kanzlerin.

Herr zu Guttenberg, Sie haben sich in den letzten Mo-
naten, je nach öffentlicher Stimmung, mal vor die Solda-
ten gestellt und sich mal hinter ihnen versteckt. Mal
Kampftruppen, mal keine, mal waren die Bomben auf
Kunduz gerechtfertigt, dann wieder nicht, mal sollten
wir Krieg führen, jetzt wohl eher doch nicht – immer
schön hart am Wind der jeweiligen Medienlage und im-
mer im Konjunktiv; denn festlegen wollten Sie sich nie.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir verstehen jetzt besser, was der ehemalige General-
inspekteur der Bundeswehr, General Schneiderhan, Ih-
nen vorgehalten hat, als er sagte, Sie seien jemand, der
„vorschnell formuliert“.

Von all den Forderungen nach robusteren Mandaten,
von dem Bekenntnis zum Krieg und zu mehr Kampf-
truppen bleibt nun nichts übrig. Wir begrüßen diesen
Wechsel. Wir haben den Eindruck, es handelt sich nicht
so sehr um einen Strategiewechsel in Afghanistan als
vielmehr um einen Strategiewechsel in Ihrer eigenen
Bundesregierung. Wir begrüßen das ausdrücklich, Frau
Dr. Merkel.






(A) (C)



(B) (D)


Sigmar Gabriel

(Beifall bei der SPD)


Wir begrüßen in diesem Zusammenhang auch, dass
sich die USA endlich der schon länger existierenden
deutschen Strategie angeschlossen haben: Endlich steht
auch bei den US-Truppen der Schutz der Zivilbevölke-
rung im Mittelpunkt aller Einsätze. Das ist ein Erfolg des
Wechsels von Bush zu Barack Obama, und es ist ein
Wechsel zu einer Strategie, die den Auftrag der Bundes-
wehr schon immer bestimmt hat.

Was wir nicht begrüßen, Frau Bundeskanzlerin, ist,
dass Sie uns Ihre Überlegungen nach wochenlangem
Schweigen erst gestern, kurz vor der Londoner Afgha-
nistan-Konferenz, vorgelegt haben.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir mussten heute lesen, dass Ihr Außenminister die
Verbündeten, beispielsweise die amerikanische Außen-
ministerin, erst gestern, kurz vor Beginn der Londoner
Afghanistan-Konferenz, sozusagen mit einem Last-Mi-
nute-Ticket, über die neue Afghanistan-Strategie infor-
miert hat.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er wollte ja nur sagen, dass er mit ihr telefoniert hat!)


So gewinnt man keine Verbündeten für die eigene Strate-
gie. Da muss man sich nicht wundern, wenn man am
Ende am Katzentisch sitzt.


(Beifall bei der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur weil die Kanzlerin mit Obama telefoniert hat, wollte er das sagen!)


Die zweite wichtige Voraussetzung dafür, dass die
Zustimmung für eine deutsche Beteiligung am Afghanis-
tan-Einsatz wieder wächst, ist, dass wir bei der Stabili-
sierung in Afghanistan realistische Ziele haben und sie
mit einer Abzugsperspektive auch für die deutschen
Soldatinnen und Soldaten verbinden. Das steht im Mit-
telpunkt der Forderungen und der Haltung der SPD. Wir
wollen einen realistischen Fahrplan für den Abzug unse-
rer Soldatinnen und Soldaten aus Afghanistan. Wir wol-
len die Schritte dieses Abzugsfahrplans verbinden mit
einer ebenso realistischen Perspektive für die Gewähr-
leistung der Sicherheit in Afghanistan durch afghanische
Sicherheitskräfte und wachsende Investitionen in den zi-
vilen Aufbau des Landes. Das steht im Zentrum unserer
Überlegungen. Man findet in Ihrer Regierungserklärung
eine Menge, bei der man den Eindruck haben kann, dass
das auch bei Ihren Überlegungen im Mittelpunkt steht.

Für die SPD ist diese Haltung nicht neu. Es gab be-
reits früher Vorstöße, aus der Erstarrung der Auseinan-
dersetzung in Afghanistan herauszukommen und die Lo-
gik der bewaffneten Konfrontation nach und nach
aufzubrechen. Als der damalige Vorsitzende der SPD,
Kurt Beck, die innerafghanische Versöhnung unter Ein-
beziehung moderater Taliban gefordert hat, nannte der
damalige außenpolitische Sprecher der Union, Herr von
Klaeden, diesen Ansatz erbärmlich.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


Der damals ebenfalls für Außenpolitik zuständige Herr
zu Guttenberg sagte zu diesem Vorschlag, dass niemand
je einen vernünftigen Taliban getroffen habe. Inzwischen
vermittelt er den Eindruck, er sei der Erfinder der Idee,
Gesprächsbereitschaft gegenüber allen Konfliktparteien
in Afghanistan zu zeigen.


(Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir haben Kurt Beck nicht gestürzt!)


Überhaupt ist es so, dass die konservative Regierung
bis zu der heutigen Regierungserklärung der Kanzlerin
einen langen Weg hinter sich hat. Im Dezember erklärte
der deutsche Außenminister Westerwelle, er wolle nicht
zu einer reinen Truppenstellerkonferenz fahren. Ich habe
das nicht als Angriff auf die USA oder andere Verbün-
dete verstanden, Herr Westerwelle. Mein Eindruck war,
Sie wollten damit dafür sorgen, dass in Ihrer eigenen
Bundesregierung die Stimmen, die nach einer Aufsto-
ckung der Kampftruppen rufen, endlich ein Ende haben.
In dieser Hinsicht hat der Sicherheitsexperte der CSU,
der Kollege Uhl, vorgedacht, als er im Dezember ein
deutlich robusteres Afghanistan-Mandat gefordert hat.
Genauso hat sich der Stellvertreter von Frau Merkel,
Herr Wulff, geäußert. Und heute? Heute erklärt die Bun-
deskanzlerin im Namen der Bundesregierung: Es werden
keine zusätzlichen Kampftruppen nach Afghanistan ge-
schickt;


(Stefan Liebich [DIE LINKE]: 850!)


stattdessen werden innerhalb des Kontingentes Kampf-
einheiten zugunsten von mehr Ausbildung umgeschich-
tet. Zum guten Schluss erklären Sie, dass Sie selbstver-
ständlich alles dafür tun wollen, dass die afghanische Re-
gierung dabei unterstützt wird, spätestens ab 2015 keine
internationalen Streitkräfte mehr an bewaffneten Einsät-
zen zu beteiligen, also auch nicht die Bundeswehr.

Frau Bundeskanzlerin, wir halten die Strategie, die Sie
damit betreiben, für die richtige Strategie, wenn es darum
geht, realistische Abzugsperspektiven bis 2015 voranzu-
treiben. Wir wollen Sie dabei unterstützen, aber wir sind
nicht sicher, ob die Strategie tatsächlich in der gesamten
Bundesregierung angekommen ist. Gestern gab es fünf
Pressekonferenzen, die Sie und Ihre Minister abgehalten
haben. Ich bin nicht sicher, ob Ihre Strategie nachhaltig
bei den vier Ministern, die auch eine Pressekonferenz ab-
gehalten haben, angekommen ist; denn trotz all der Äu-
ßerungen vom gestrigen Tage rumpelt es erheblich. Auf
der einen Seite erklärte der Außenminister auf seiner ges-
trigen Pressekonferenz:

Wir wollen im Jahr 2011 auch den Abbau unseres
eigenen Kontingents beginnen, und wir wollen im
Jahr 2014 die Übergabe der Sicherheitsverantwor-
tung an Afghanistan schaffen.

Auf der anderen Seite äußerte sich der Bundesverteidi-
gungsminister auf seiner Pressekonferenz wie folgt:

Also, zunächst, was die Abzugsperspektive anbe-
langt, so ist das Jahr 2011 mit Sicherheit eines, das






(A) (C)



(B)


Sigmar Gabriel
in gewissen Teilbereichen Möglichkeiten zulassen
kann.


(Heiterkeit bei der SPD)


Herr zu Guttenberg, à la bonne heure! Sie sind wahrlich
ein Meister des Konjunktivs.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Es reicht aber nicht aus, entschlossen dreinzuschauen;
man muss auch wollen, was die Kanzlerin sagt, und darf
nicht das Gegenteil beschreiben.


(Beifall bei der SPD)


Frau Bundeskanzlerin, Ihr Auftrag ist es, solche realis-
tischen Ziele für den deutschen Einsatz zu definieren und
Ihrem Bundesverteidigungsminister beizubringen, was das
bedeutet. Wir brauchen dringend qualitative und quanti-
tative Kriterien für den Erfolg oder Misserfolg unseres
Engagements in Afghanistan. Diese Kriterien sollten
nicht von Regierungen festgelegt, vorgestellt und über-
prüft werden, sondern am besten von Nichtregierungsor-
ganisationen und Wissenschaftlern.


(Beifall der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD])


Hier geht es zum Beispiel um folgende Fragen: Wie
viele Polizisten und Soldaten wollen wir bis zu einem
bestimmten Zeitpunkt ausgebildet haben? Wie soll die
Armutsbekämpfung aussehen? Welche Fortschritte wol-
len wir beim zivilen Wiederaufbau machen? – Erst die
kontinuierliche Überprüfung solcher Ziele macht für das
Parlament, aber auch für die deutsche Öffentlichkeit
nachvollziehbar, ob unser Afghanistan-Einsatz gerecht-
fertigt ist und ob wir die richtigen Mittel einsetzen oder
nicht.


(Beifall bei der SPD)



Sigmar Gabriel (SPD):
Rede ID: ID1701811100
Das Ganze muss
dazu dienen, dass die Bundeswehr und alle internationa-
len Streitkräfte Afghanistan wieder verlassen, ohne die
Sicherheit und Stabilität des Landes zu gefährden.

Unser Ziel ist es, 2011 – parallel zum schrittweisen
Rückzug der US-Streitkräfte – mit dem Rückzug zu be-
ginnen. Wir wollen alles tun, um die afghanische Regie-
rung zu unterstützen, die selbst erklärt hat, dass sie 2014/
2015 keine internationalen Streitkräfte mehr für bewaff-
nete Konflikte im Land haben will. Das ist der Grund für
uns, zu sagen: Lasst uns ein Abzugsdatum im Korridor
zwischen 2013 und 2015 wählen, damit die afghanische
Regierung weiß, dass wir es mit einer Begrenzung unse-
res Militäreinsatzes in Afghanistan ernst meinen.


(Beifall bei der SPD)


Frau Bundeskanzlerin, wir sind nicht überzeugt da-
von, dass wir für diese Strategie 850 zusätzliche Solda-
tinnen und Soldaten brauchen. Darüber werden wir hier
im Deutschen Bundestag sicherlich noch heftig diskutie-
ren. Aber unabhängig von der Frage, wie viele Soldatin-
nen und Soldaten am Ende benötigt werden: Eine Zu-
stimmung der SPD zu einem veränderten Afghanistan-
Mandat hängt entscheidend davon ab, ob ein klares Da-
tum 2011 für den Beginn des schrittweisen Abzugs der
Bundeswehr festgelegt wird, ob Sie qualitative und
quantitative Ziele für den Afghanistan-Einsatz entwi-
ckeln und überprüfen lassen, ob die geplanten Truppen-
aufstockungen zwingend und zeitlich klar begrenzt sind,
und ob Sie eine Beendigung der Beteiligung der Bundes-
wehr an bewaffneten Einsätzen im Zeitraum 2013 bis
2015 nachvollziehbar herbeiführen können.


(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Nein! Haben sie gerade gesagt! Das ist gerade abgelehnt worden!)


Die SPD hat im letzten Herbst mit dem Zehnpunkte-
plan von Frank-Walter Steinmeier die Debatte um den
Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan begonnen.
Wenn die Bundesregierung diesen zehn Punkten folgt,
wird sie unsere Zustimmung bekommen. Damit geben
wir den Soldatinnen und Soldaten, den Polizistinnen und
Polizisten und allen zivilen Aufbauhelfern eine klare
Perspektive für die Grundlage ihrer Arbeit; wir geben
den Soldatinnen und Soldaten eine klare Perspektive für
die Beendigung ihres Aufenthalts in Afghanistan.

Wir wissen, dass es notwendig sein kann, in einer
Welt, in der Diktatoren, Fanatiker, Kriegsherren und Ter-
roristen uns und andere bedrohen, auch militärische Mit-
tel einzusetzen. Trotzdem ist es am Ende nicht unser ei-
genes Leben, das wir gefährden, wenn wir Politiker über
solche Einsätze entscheiden. Es könnte aber immer auch
das Leben unserer eigenen Söhne und Töchter gefähr-
den. Deshalb ist es gut, wenn wir es uns schwer machen,
solche Einsätze oder ihre Fortsetzung zu beschließen.

Deshalb ist es wichtig, den Männern und Frauen in
solchen Einsätzen, die auf unseren Befehl oder, wenn es
sich um zivile Hilfskräfte für den Wiederaufbau handelt,
auf unsere Bitte dort hingehen, auch für ihren Mut und
ihre Tapferkeit zu danken und ihnen immer wieder unter
Beweis zu stellen, dass wir einerseits die Grundlagen des
Einsatzes gewissenhaft prüfen und andererseits, wenn
wir entscheiden, den Einsatz fortzusetzen, auch fest hin-
ter ihrer Arbeit stehen.


(Beifall bei der SPD)


Ich danke natürlich all denen, die sich an dem Einsatz
beteiligen, aber ich danke auch denen, die sich kritisch
zum deutschen Militärengagement äußern. Was wären
wir für ein armseliges Land, wenn wir nicht auch die kri-
tische Einmischung und das Hinterfragen unserer Ent-
scheidungen begrüßen würden!


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist wahr!)


Schon deshalb danke ich der Vorsitzenden des Rates der
Evangelischen Kirche, Margot Käßmann, die jüngst eine
kluge und differenzierte Predigt gehalten hat; sie war je-
denfalls klüger und differenzierter als die Äußerungen
mancher ihrer Kritiker.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wer, wenn nicht die Kirchen und die Religionsgemein-
schaften dieser Welt, hat das Recht, wenn nicht sogar die
Pflicht, mehr Fantasie für den Frieden einzufordern?

(D)







(A) (C)



(B) (D)


Sigmar Gabriel
Die SPD steht zum deutschen Engagement in Afgha-
nistan und auch zum Einsatz der Bundeswehr im Auftrag
der UN. Das sage ich auch im Bewusstsein, dass in mei-
ner Partei über nichts so engagiert und mit so heißem
Herzen gestritten wird wie über Militäreinsätze. Auf
nichts ist die SPD mehr stolz als darauf, dass wir spätes-
tens seit dem Ersten Weltkrieg militärische Mittel in die
Hände der internationalen Staatengemeinschaft legen
wollen, damit kein einzelner Staat darüber entscheidet
und damit militärische Mittel die Ultima Ratio bleiben,
um die Freiheit und die Sicherheit von Menschen zu
schützen.

Für mich ist klar: Ohne die Bereitschaft der Vereinig-
ten Staaten, in den Krieg gegen Hitler-Deutschland ein-
zutreten, wäre der Krieg am Ende nicht so schnell vorbei
und wären noch Millionen Tote mehr zu beklagen gewe-
sen. Ich sage das auch im Bewusstsein des heutigen Ge-
denktages, der an die Befreiung des Konzentrationsla-
gers Auschwitz erinnert. Manchmal sind Militäreinsätze
zwingend.

Für die SPD waren und sind seit nun fast 150 Jahren
die Fragen hinsichtlich Krieg und Frieden niemals takti-
sche Fragen. Wir haben uns bei der Beantwortung dieser
Fragen nie daran orientiert, ob unsere Antworten gerade
in die aktuelle politische Landschaft passten oder ob wir
uns einen politischen Vorteil erhofften.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


– Ich darf einmal daran erinnern: Sie waren es, die im
Jahre 2001 gegen den Afghanistan-Einsatz der Bundes-
wehr gestimmt haben. Sie haben damals gesagt: Wir
können das nicht machen, weil wir sonst Bundeskanzler
Gerhard Schröder unterstützen. – Sie waren es, die aus
innenpolitischen Gründen der Notwendigkeit dieses Ein-
satzes widersprochen haben. Lachen Sie also mal nicht
so laut!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Und Sie sind stolz auf diese Entscheidung! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das stimmt gar nicht! – Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Wer schreibt denn Ihre Reden?)


– Es gibt ein altes Sprichwort: Ein getretener Hund bellt.
Ich scheine offensichtlich Ihre Erinnerung geweckt zu
haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben das nicht an taktische Erwägungen ge-
knüpft.


(Zuruf von der CDU/CSU: Nein, natürlich nicht!)


– Wenn wir das getan hätten, dann hätten wir dem Af-
ghanistan-Einsatz nach dem Regierungswechsel nicht
zugestimmt. Sie können von uns doch nicht erwarten,
dass wir jedem Unsinn, der in der Zeit zwischen dem
Regierungswechsel und der heutigen Regierungserklä-
rung gemacht wurde, öffentlich Beifall zollen.
Wir sind gegen zusätzliche Kampftruppen, wir sind
für einen Beginn des Abzugs im Jahre 2011, wir sind für
eine Beendigung.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Auf einmal! – Stefan Liebich [DIE LINKE]: Dann müssen Sie das ablehnen!)


Wir sagen das klar, weil wir glauben, dass wir den Ein-
satz damit legitimieren. Das ist der Grund, warum wir
darüber reden.


(Beifall bei der SPD – Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Sie brauchen eine Rückzugsstrategie für Ihre Rede!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1701811200

Herr Kollege Gabriel!


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701811300

Die Prinzipien, an die wir uns auch jetzt halten, lau-

ten: Der Einsatz militärischer Mittel bleibt die Ultima
Ratio. Natürlich will die SPD zu ihrer internationalen
und auch zu ihrer deutschen Verantwortung stehen. Eine
Verlässlichkeit in der Außen- und Sicherheitspolitik ist
für Deutschland unverzichtbar. Niemand würde auf uns
hören, wenn wir uns erratisch und nach aktueller Stim-
mungslage verhalten würden. – All das muss dazu bei-
tragen, das Versprechen gegenüber der deutschen Bevöl-
kerung und den Angehörigen der Bundeswehr
einzulösen, dass wir in Afghanistan nicht auf Dauer mi-
litärisch engagiert sein wollen und dass wir all unsere
Mittel und Instrumente, die wir einsetzen, dem Ziel un-
terzuordnen haben, die Sicherheit in Afghanistan durch
afghanische Soldaten und Polizeikräfte zu gewährleisten
und die Soldatinnen und Soldaten aus bewaffneten
Kampfeinsätzen nach Deutschland zurückzuholen. Das
ist das Ziel sozialdemokratischer Politik. Wenn auch Sie
dieses Ziel verfolgen, finden Sie unsere Zustimmung.
Wenn Sie es infrage stellen, dann haben Sie unsere Zu-
stimmung nicht zu erwarten.


(Anhaltender Beifall bei der SPD – Stefan Liebich [DIE LINKE]: Sie verfolgen das nicht! Das haben sie gerade gesagt!)



Sigmar Gabriel (SPD):
Rede ID: ID1701811400

Das Wort zu einer Kurzintervention erhält der Kol-

lege Andreas Schockenhoff.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701811500

Herr Kollege Gabriel, Sie haben gerade behauptet, die

CDU/CSU habe 2001 gegen eines der ISAF-Mandate
gestimmt. Diese Behauptung ist falsch. Richtig ist viel-
mehr, dass die CDU/CSU von Beginn des Einsatzes an
jedem ISAF-Mandat zugestimmt hat.


(Beifall bei der LINKEN: Umso schlimmer!)


Es gab eine Vertrauensfrage des Bundeskanzlers
Gerhard Schröder im Zusammenhang mit dem Mandat
für die Operation Enduring Freedom. Auch hier hat
die CDU/CSU nicht gegen das Mandat gestimmt. Wir
haben uns aber damals der Stimme enthalten, weil Sie






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Andreas Schockenhoff
die Abstimmung mit der Vertrauensfrage verknüpft ha-
ben. Ich will Ihnen Gelegenheit geben, Ihre falsche Be-
hauptung zurückzunehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1701811600

Herr Kollege, ich habe auf Zwischenrufe hinsichtlich

taktischen Verhaltens in der Innenpolitik mit der Bemer-
kung reagiert, dass man Einsätze der Bundeswehr nicht
mitgetragen hat. Das haben Sie nach Ihrer eigenen Aus-
sage damals aus innenpolitischer Taktik nicht getan.


(Lachen bei der CDU/CSU)


– Nichts anderes haben Sie gemacht.

Abgesehen davon unterscheidet uns im Wesentlichen,
dass wir wissen, was völkerrechtlich in Ordnung ist und
was nicht.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


Wir erinnern uns gut daran, dass Sie und auch Ihre da-
malige Fraktionsvorsitzende damals nicht genug dafür
werben konnten, den völkerrechtswidrigen Krieg im Irak
zu legitimieren. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen
und uns: Wir wissen, was völkerrechtlich richtig ist, und
wir verstoßen nicht gegen das Völkerrecht, wie Sie es
damals getan haben.


(Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Peinlich! Peinlich!)



Sigmar Gabriel (SPD):
Rede ID: ID1701811700

Das Wort hat nun der Kollege Rainer Stinner für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701811800

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

gen! Als das Afghanistan-Engagement im Jahr 2001 von
SPD und Grünen begonnen wurde, wusste jeder von uns
und vor allen Dingen von den beiden damals tragenden
Parteien, dass es sich um ein langfristiges Engagement
handeln würde.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht! Halbes Jahr, wurde gesagt!)


– Ihr damaliger Parteikönig, Herr Ströbele, Außenminis-
ter Fischer, hat damals in der Debatte über das Mandat
am 20. Dezember 2002 gesagt:

Man muss aber ehrlich hinzufügen: Es wird lange
dauern.

Man müsse wissen, dass es ein sehr langfristiges Enga-
gement wird. Das hat Ihr Herr Fischer hier gesagt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Herr Gabriel, Sie haben sich heute in einem großen
Teil Ihrer Rede am Kriegsbegriff abgearbeitet. Ich darf
Sie daran erinnern, was Ihr damaliger Parteivorsitzender
und Bundeskanzler Schröder am 22. Dezember 2001 in
einer Afghanistan-Debatte im Deutschen Bundestag ge-
sagt hat. Ich zitiere wörtlich:

Im Deutschen Bundestag ist über die Frage, ob es
verantwortbar sei, sich an Kriegshandlungen zu be-
teiligen – in welcher Form auch immer –, wie nicht
anders zu erwarten, sehr heftig gestritten worden.
Es sind viele Argumente ausgetauscht worden. Zum
Beispiel wurde gesagt, dass Krieg immer auch Un-
schuldige trifft. Das ist wahr. Aber das Problem,
dem wir uns heute stellen müssen, ist: Die Abwe-
senheit von demokratisch legitimierter Gewalt hat
viel, viel mehr Unschuldige getroffen, hat sie recht-
los gemacht, zumal Frauen und Kinder.

Er fährt fort:

Krieg trifft Unschuldige. Das ist keine Frage. Aber
das Beispiel Afghanistan zeigt: Nur mithilfe militä-
rischer Gewalt konnte verhindert werden, dass auch
in Zukunft Unschuldige unendlich leiden müssen.

Es sind also nicht die jetzige Bundesregierung und der
jetzige Verteidigungsminister, die den Kriegsbegriff in
die Debatte eingeführt haben, sondern es war Ihr Partei-
vorsitzender, dem Sie damals auf breiter Ebene zuge-
jubelt haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Herr Gabriel, Ihr Gedächtnis ist sehr kurz. Erwarten
Sie aber nicht, dass unseres ähnlich kurz ist. Herr
Schockenhoff hat darauf hingewiesen, dass Sie die Af-
ghanistan-Debatte falsch memoriert haben. Auch wir ha-
ben dem ISAF-Einsatz zugestimmt. Wegen der Verknüp-
fung mit der Vertrauensfrage haben wir damals in der Tat
nicht sofort zugestimmt, wohl aber einige Jahre später.
Bitte gehen Sie in die Archive und vor allen Dingen in
sich!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Thomas Oppermann [SPD]: Aber das war ein bisschen undurchsichtig bei Ihnen!)


Der Parteivorsitzende der SPD verbreitet nun wohl-
feile Vorschläge an die politische Klasse bzw. die Bun-
desregierung. Ich darf Sie daran erinnern, sehr geehrter
Herr Gabriel, dass Ihre Regierungszeit von 1998 bis
2009 gedauert hat und dass Sie zuerst den Bundeskanz-
ler und dann vier Jahre den Außenminister gestellt haben.
Nun stellen Sie sich hierhin und werfen der Bundesre-
gierung vor, dass in Afghanistan nicht die notwendigen
Fortschritte gemacht worden seien.


(Sigmar Gabriel [SPD]: Habe ich gar nicht gemacht!)


Herr Gabriel, Ihnen kann ich nur das alte Sprichwort zu-
rufen: Der beste Beweis für das Können ist das Tun. –
Sie haben es jahrelang nicht getan. Diese Bundesregie-
rung packt es endlich an und tut das Richtige.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir haben von der Bundesregierung erwartet, dass sie
mit eigenen, konsistenten und alle Bereiche umfassen-
den Vorschlägen nach London geht. Diese Erwartung ist






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Rainer Stinner
erstmals erfüllt worden. Auch das ist neu, Herr Gabriel.
Sie haben immer von vernetzter Sicherheit gesprochen.
Die jetzige Bundesregierung tut diesbezüglich erstmalig
etwas. Wir können deutlich erkennen, dass alle vier be-
teiligten Ressorts gemeinsam mitgearbeitet haben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Bundesregierung hat sich auch nicht von dem lo-
gisch richtigen Weg abbringen lassen: zuerst Ziele defi-
nieren, dann Strategien als Wege zu den Zielen festlegen
und schließlich über die Mittel reden. Sie, Herr Gabriel,
haben primär über die Zahl der Soldaten und Abzugsda-
ten gesprochen. Das sind Resultanten, Ergebnisse einer
vorherigen Zieldefinition und einer Strategiefestlegung.
Das kommt am Ende und nicht am Anfang. Deshalb hat
die Bundesregierung in ihrem Vorgehen recht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Alle vier Ressorts haben unter Federführung des Aus-
wärtigen Amtes eindeutig und stark mitgewirkt. Frau
Bundeskanzlerin, Sie haben dafür dem Außenminister
– zu Recht – herzlich gedankt. Ich möchte Ihnen, Frau
Bundeskanzlerin, für Ihre Regierungserklärung danken,
die vollumfänglich unsere Zustimmung gefunden hat.
Das haben Sie sicherlich am Beifall gemerkt.

Lassen Sie mich auf ein Element ausführlich einge-
hen: den Integrationsfonds. Herr Karzai hat heute ge-
nauso wie die internationale Gemeinschaft und alle an-
deren Vernünftigen auf der Welt gesagt: Ohne den
Versuch, die Hardcore-Taliban von den Mitläufern zu
trennen, und ohne den Versuch, Tausende, Zehntausende
bzw. Hunderttausende wieder in die Gesellschaft eines
„normalen“ Afghanistans zu integrieren, wird es nie und
nimmer Frieden in diesem Land geben können. Deshalb
ist die jetzige Initiative richtig. Sehr geehrter Herr
Gabriel, jeder weiß, dass das schwierig werden wird.
Keiner glaubt, dass wir jetzt mit Geldscheinen Taliban
fangen können. Jeder weiß, dass dadurch Nichtmitläufer
nicht benachteiligt werden dürfen. Keiner glaubt, dass es
sinnvoll ist, der afghanischen Regierung einfach
350 Millionen Euro zu geben und ihr zu sagen: Nun
macht mal schön! – Nein, wir alle wissen, dass es sehr
schwierig wird. Aber wir wissen genauso wie Herr
Karzai und Vertreter vieler anderer Länder, dass das un-
mittelbar notwendig ist.

Die zivile Unterstützung wird sehr deutlich ausge-
weitet, genauso wie die Polizei. Ich habe keine Zeit
mehr, darauf im Einzelnen einzugehen, weil Sie, Herr
Gabriel, mich gezwungen haben, auf Sie einzugehen.
Nur so viel: Wir von der FDP-Fraktion haben seit Jahren
ein solches Konzept gefordert. Wir haben es jetzt. Auf
die Frage „Wird jetzt alles gut in Afghanistan?“ kann ich
aber nur antworten: Natürlich wird jetzt nicht alles gut.
Das weiß jeder von uns. Aber wir haben mit diesem
Konzept die Chance, zu Frieden und Entwicklung in die-
sem Land beizutragen. Wir haben die Chance, unser Ge-
sicht international zu wahren. Wir haben die Chance, un-
sere Interessen zu vertreten. Deshalb unterstützen wir
das Konzept der Bundesregierung.
Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1701811900

Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Gregor Gysi für

die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701812000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bun-

deskanzlerin, welche Gründe gibt es eigentlich für den
Krieg in Afghanistan? Diese Frage steht, auch wenn Sie,
Herr Gabriel, den Krieg nicht Krieg nennen wollen, ob-
wohl Bomben geworfen werden und millionenfach ge-
schossen wird. Das ist nichts anderes als Krieg, Herr
Gabriel.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie, Frau Bundeskanzlerin, erklären erstens den
Kampf gegen den Terrorismus zum Ziel. Die Terroris-
ten waren und sind in der al-Qaida organisiert. Deren
Lager in Afghanistan sind zerstört, die Finanzströme
stillgelegt. Al-Qaida operiert jetzt von Pakistan und an-
deren Ländern aus. Wenn Sie ernsthaft glauben, Terro-
rismus mit Krieg bekämpfen zu können, müssten Sie
Afghanistan unverzüglich verlassen und in anderen Län-
dern Krieg führen, aber das ohne Ende, weil es dann im-
mer irgendwelche Wechsel der Terroristinnen und Terro-
risten gäbe.

Nur, mit Krieg kann man niemals wirksam Terroris-
mus bekämpfen;


(Beifall bei der LINKEN)


im Gegenteil, man erzeugt neuen Terrorismus. Im Krieg
sterben immer Unbeteiligte, Unschuldige, am Kunduz
nun eindeutig auch durch die Bundeswehr. Diese haben
Angehörige, haben Freundinnen und Freunde, bei denen
Hass entsteht. So gelingt es den Bin Ladens dieser Erde,
immer wieder neue Terroristinnen und Terroristen zu re-
krutieren. Einen Bin Laden kann niemand von uns ver-
hindern; aber dass er so viele für Gewaltakte gewinnen
kann, das könnte man verhindern, aber niemals mit
Krieg.


(Beifall bei der LINKEN)


Hauptursache des globalen Terrorismus ist die Unge-
rechtigkeit des Westens gegenüber der Dritten und der
muslimischen Welt. Statt Ausweitung des Krieges auf
den Jemen und auf Somalia wären Friedenslösungen
wichtig: für Afghanistan, für den Irak, für Somalia, für
den Jemen und für den Nahostkonflikt zwischen Israel
und Palästina. Nur mit einem gerechten Welthandel, mit
größerer, nicht selbstnütziger Entwicklungshilfe, mit ei-
ner anderen Toleranz zwischen unterschiedlichen Kultu-
ren und Religionen lässt sich dem Terrorismus der Bo-
den entziehen, aber eben nicht mit Krieg.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. Gregor Gysi
Ihr Ziel soll zweitens darin bestehen, die Taliban zu
bekämpfen. Die Taliban sind aber keine internationalen
Terroristen, wenngleich sie den Terroristen von al-Qaida
erlaubt haben, sich in Afghanistan auszubilden. Die
Taliban haben keine internationalen Ziele, schon gar
keine terroristischen, sondern sie wollen ein bestimmtes
Regime in Afghanistan wieder errichten, das uns allen
nicht gefällt.

Präsident Karzai versucht, mit bestimmten Taliban
einen politischen Ausgleich zu finden; anders geht es
auch nicht. Wenn Sie im Unterschied zu Minister zu
Guttenberg ernsthaft glauben, eine demokratische Kultur
europäischer Prägung in Afghanistan installieren zu kön-
nen, werden Sie mit Ihrem Krieg genauso scheitern. Alle
Versuche, die Kultur und Struktur des Landes militärisch
zu verändern, sind gescheitert. Das gilt für den britischen
Versuch, für den sowjetischen Versuch und für den jetzi-
gen Versuch der NATO.


(Beifall bei der LINKEN)


Indirekt und wahrscheinlich eher unbewusst bestätigt
dies Hans-Ulrich Klose von der SPD, indem er sagt, dass
neun Wochen nach dem Abzug der NATO-Truppen ge-
genwärtig die alte Taliban-Herrschaft wieder installiert
wäre. Mit anderen Worten: Er sagt, dass der neunjährige
Krieg diesbezüglich völlig sinnlos war, weil er demnach
nichts an Strukturen geändert hat.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie sagen drittens, dass es Ihnen um den zivilen
Aufbau gehe, der nur militärisch abgesichert werden
müsse, solange keine ausreichende eigene afghanische
Sicherheitsstruktur vorhanden sei. Die Organisation der
UNO, die UNDP, hat über den zivilen Aufbau in Afgha-
nistan folgenden Bericht vorgelegt, den Sie, Frau Bun-
deskanzlerin, leider nur einseitig wiedergegeben haben.
Zunächst werden Verbesserungen festgestellt. Beim Zu-
gang zur Grundschule gibt es einen Anstieg von 54 auf
60 Prozent der Kinder. Nach neun Jahren Krieg von
54 auf 60 Prozent der Kinder! Bei der Alphabetisierung
gibt es einen Anstieg von 34 auf 36,5 Prozent der Bevöl-
kerung. Die Kindersterblichkeit ist von 257 auf 191 bei
1 000 geborenen Kindern reduziert worden. Der Anteil
der Bewohnerinnen und Bewohner mit Zugang zu Was-
ser ist von 23 auf 41,4 Prozent angestiegen.

Dann beschäftigt sich der UN-Bericht mit Ver-
schlechterungen und stellt fest: Der Prozentsatz der
Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, ist
von 33 auf 42 Prozent angestiegen. Die Unterernährung
betrifft nicht mehr 30, sondern 39 Prozent der Bürgerin-
nen und Bürger. Der Anteil der Bevölkerung mit Zugang
zu sanitären Einrichtungen erlebte einen Rückgang von
12 auf nur noch 5,2 Prozent. Die Zahl der Menschen, die
in Slums leben, beträgt nicht mehr 2,4 Millionen, son-
dern 4,5 Millionen. Die Arbeitslosigkeit von Jugendli-
chen stieg von 26 auf 47 Prozent an. Mohnfelder zur
Gewinnung von Rauschgift umfassen nicht mehr
131 000, sondern 193 000 Hektar.

Zusammengefasst heißt das, dass sich die Situation
trotz einiger Fortschritte letztlich nicht verbessert, son-
dern deutlich verschlechtert hat. Die Hauptrichtung war
nie der zivile Aufbau; denn die USA setzen zehnmal so
viel Geld für die Finanzierung des Krieges wie für die
Entwicklungshilfe ein. Deutschland setzt viermal so viel
Geld für den Krieg wie für die Entwicklungshilfe ein.

Es gibt sechs afghanische Organisationen der Zivilge-
sellschaft, die von der Afghanistan-Konferenz in Lon-
don wörtlich Folgendes fordern – ich darf zitieren, Herr
Präsident –:

Die Entwicklung Afghanistans muss durch Afgha-
nen erfolgen und rechenschaftspflichtig gegenüber
den afghanischen Bürgerinnen und Bürgern sein.
Die Entwicklungshilfe sollte nicht mit militärischen
Zielen verbunden werden. Hilfe ist keine Waffe.


(Beifall bei der LINKEN)


Dieser Forderung schließt sich die Fraktion Die Linke in
vollem Umfang an.

Sie, Frau Bundeskanzlerin, sagen es nicht, aber viele
vermuten, dass es Ihnen, viertens, auch um ökonomi-
sche Ziele geht. Es gab langjährige Verhandlungen der
USA mit den Taliban über den Bau einer Erdgasleitung
von Turkmenistan über Afghanistan nach Pakistan.
Mehr Unabhängigkeit von Russland war und ist ebenso
das Ziel wie gigantische Profite. Während eines Krieges
kann man keine Erdgasleitung bauen. Selbst solche Stra-
tegen brauchten irgendwann ein Ende des Krieges. Im
Übrigen darf doch aber noch darauf hingewiesen wer-
den, dass solche Motive für Kriege nicht nur höchst un-
moralisch, sondern auch eindeutig völkerrechtswidrig
sind.


(Beifall bei der LINKEN)


Zusammenfassend gibt es also keinen anderen verant-
wortbaren Weg für Afghanistan und für Deutschland als
den Weg des Abzugs der Bundeswehr, und zwar ohne
Bedingungen, vollständig und sofort, das heißt noch in
diesem Jahr, verbunden mit einer deutlichen Auf-
stockung der Mittel für den zivilen Aufbau.


(Beifall bei der LINKEN)


Nur wenn ein solcher ziviler Aufbau stattfindet, nur
wenn die Menschen eine neue und höhere Lebensquali-
tät erfahren, kann man sie so stark motivieren, dass sie
diskriminierende, kulturell unerträgliche Herrschafts-
strukturen wie die der Taliban so sehr ablehnen, dass sie
nicht, schon gar nicht dauerhaft, wieder installiert wer-
den können.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt er wieder mit der Selbstbefreiung der unterdrückten Völker!)


Die Afghaninnen und Afghanen können sich nur selbst
befreien. Dabei können wir helfen, aber wir können dies
niemals militärisch erzwingen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Bundesregierung geht weiterhin einen völlig fal-
schen Weg. Die Aufstockung der Zahl der Soldaten, egal
welche Motive Sie angeben, führt zu einer Verschärfung
und nicht zu einer Verbesserung der Situation. Die SPD
unterstützt das wie gewohnt und verkündet zusammen






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Gregor Gysi
mit einigen aus der Regierung – andere in der Regierung
sehen das offenbar anders – als neue Entscheidung, dass
sie dann, wenn die USA mit einem Truppenabzug 2011
beginnen, ebenfalls damit beginnen wollen, wobei kein
Termin für das Ende des Abzugs genannt wird. Die Lo-
gik, erst aufzustocken, um dann mit dem Abzug zu be-
ginnen, ist zwar nicht nachvollziehbar; aber wenn das
neu ist, dann heißt das, dass diese Vertreter der Regie-
rung und der SPD bisher der Meinung waren, länger als
die USA in Afghanistan zu bleiben. Das erscheint mir
doch mehr als erstaunlich.

Im Übrigen bleibt Folgendes unerklärbar: Wenn in
neun Jahren die Ausbildung von Armee und Polizei
nicht gelungen ist, sodass laut Hans-Ulrich Klose die
alte Taliban-Herrschaft neun Wochen nach Abzug der
Truppen der NATO wieder etabliert wäre, wie wollen
Sie dann innerhalb eines Jahres das zustande bringen,
was Ihnen in neun Jahren nicht gelungen ist?


(Beifall bei der LINKEN)


Daran können nicht einmal Sie selbst glauben.

Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben kein Konzept. Sie
stocken die Zahl der Soldaten auf und wissen nicht, wie
Sie die Situation endlich beherrschen können, wie die
Soldaten aus Afghanistan herauskommen können. Ihnen
fehlt der Mut, wie ihn Länder wie Kanada und die Nie-
derlande gezeigt haben bzw. beginnen zu zeigen, den
USA und anderen NATO-Partnern einfach und deutlich
zu sagen: Wir ziehen die Bundeswehr ab; wir halten den
Krieg für das falsche Mittel; wir wollen den Afghanin-
nen und Afghanen wirksam, das heißt zivil helfen. Wenn
Sie diesen Mumm bewiesen, Frau Bundeskanzlerin
Merkel, dann könnten Sie diesbezüglich positiv in die
Geschichte eingehen. Wenn Sie den USA aber nur hin-
terherrennen, schaden Sie nicht nur Afghanistan, son-
dern auch unserem Land.

Die einzige Fraktion im Bundestag, die schon immer
klar gegen diesen Krieg gesprochen hat und dabei blei-
ben wird, das ist die Fraktion Die Linke.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ceterum censeo!)


Darauf, Herr Gabriel, bin ich stolz.


(Anhaltender Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701812100

Nächster Redner ist der Kollege Philipp Mißfelder für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701812200

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen

und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich ein paar ein-
leitende Worte zu dem Verfahren sagen, mit dem dieses
Konzept dem Parlament und der Öffentlichkeit vorge-
stellt worden ist; ich glaube nämlich, dass es bemerkens-
wert ist. Oft klagen Parlamentarier, dass sie sich zu
wenig eingebunden fühlen. Frau Bundeskanzlerin, Herr
Bundesaußenminister, Herr Verteidigungsminister, man
schaue sich die vergangenen Tage und Wochen an. Ich
fand es gut, dass über dieses Konzept nicht öffentlich, in
großen Talkshows oder Interviews, Auskunft gegeben
worden ist, sondern genau an den Orten, an die der Fach-
diskurs gehört, etwa in das Vorfeld der parlamentari-
schen Beratungen, zum Beispiel auf die Tagung der re-
nommierten Körber-Stiftung vergangene Woche, Herr
Bundesaußenminister. Richtig war auch, die Obleute, die
Fraktionsvorsitzenden und die Ausschüsse zeitnah und
nicht öffentlich zu informieren, sodass zuerst an diesen
Orten darüber diskutiert wurde, wie wir mit Afghanistan
weiter verfahren. Man muss wirklich sagen: An dieser
Stelle ist das Parlament so eng wie selten eingebunden
worden. Vor diesem Hintergrund danke ich der Regie-
rung für diesen klaren und vernünftigen Kurs.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der LINKEN)


Im Übrigen möchte ich auf Folgendes verweisen:
Vorschläge, die von allen Fraktionen, insbesondere von
unseren Kollegen der SPD, von Herrn Erler und Herrn
Mützenich, frühzeitig in den vergangenen Debatten hier
geäußert worden sind, sind aufgenommen worden, zum
Beispiel, dass wir vor der Afghanistan-Konferenz im
Parlament über die Frage der Zukunft Afghanistans dis-
kutieren. Allein das ist richtig. Wir werden in zwei Wo-
chen, wenn die Afghanistan-Konferenz vorbei ist, im
Parlament über die Ergebnisse dieser Konferenz in Lon-
don diskutieren. Auch das ist ein Zeichen dafür, dass die
Vorschläge der Opposition und des Parlaments insge-
samt sehr ernst genommen werden.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das ist eine Selbstverständlichkeit!)


Dieser Hinweis ist erlaubt: Wir wünschen uns, dass die
Regierung mit dem Parlament auch bei anderen Themen
so umgeht. Dieses Musterbeispiel sollte zu einer Selbst-
verständlichkeit für den Umgang zwischen Parlament
und Regierung werden.

Es ist vorhin die Frage gestellt worden, warum wir in
Afghanistan sind. Ich habe, Herr Kollege Gysi, aller-
dings nicht ganz verstanden, warum Sie uns hierfür öko-
nomische Motive unterstellen wollen. Ich habe es wirk-
lich nicht verstanden.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das glaube ich gerne, dass Sie das nicht verstanden haben!)


Es ist aber festzuhalten, dass die Bundeskanzlerin und
auch wir bei jeder sich bietenden Gelegenheit immer
deutlich gemacht haben, warum wir da sind. Es ist kein
Selbstzweck, in Afghanistan zu sein, sondern es liegt in
unserem ureigensten Interesse, unsere Interessen, die
Interessen Deutschlands und die Interessen der Men-
schen in Deutschland, auch in Afghanistan zu verteidi-
gen. Wir machen es uns nicht einfach und kommen nicht
mit starken Sprüchen daher.

An die Adresse der SPD gerichtet möchte ich dage-
gen sagen: Die von Ihnen für Ihre Afghanistan-Strategie
in den letzten Jahren gelieferten Begründungen beruhten






(A) (C)



(B) (D)


Philipp Mißfelder
immer auf sehr starken Worten. Zunächst einmal spra-
chen Sie von der „uneingeschränkten Solidarität“, was
auch immer das bedeuten sollte,


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dem haben Sie doch zugestimmt!)


und brachten es dann auf die einfache Formel: Deutsch-
land werde am Hindukusch verteidigt. Davon wollen Sie
heute offenbar nichts mehr hören. Vor diesem Hinter-
grund haben wir ganz bewusst einen anderen Weg ge-
wählt und gemeinsam mit der Regierung ein geschlosse-
nes Konzept entwickelt und eine große Konzeption auf
den Weg gebracht, mit der wir einerseits deutlich ma-
chen, dass unsere Interessen gewahrt werden sollen, aber
andererseits auch die Zukunft Afghanistans in den Mit-
telpunkt stellen.

Warum sind wir in Afghanistan? Wir sind da, um zu
verhindern, dass Afghanistan dauerhaft zu einem der
großen Umschlagplätze für den internationalen Terro-
rismus wird. Alle Gesprächspartner, die wir in den ver-
gangenen Tagen aus Afghanistan hier hatten, haben uns
bestätigt, dass die Fäden nahezu aller relevanten interna-
tionalen fundamentalistischen Terrororganisationen teil-
weise in Afghanistan selbst oder in unmittelbarer Nach-
barschaft in Pakistan zusammenlaufen. Allein schon,
dass wir verhindern wollen, dass Afghanistan dauerhaft
als Terrorbasis bzw. Umschlagplatz des Terrors etabliert
wird, rechtfertigt unser Engagement.

Ich glaube aber, dass es viel wichtiger ist, dass wir
den Beitrag zur Stabilisierung Afghanistans, den wir in
den vergangenen Jahren schon geleistet haben, weiterhin
leisten.


(Zuruf von der LINKEN)


Seit 2002 ist unser Engagement immer mit Schwierig-
keiten verbunden gewesen, aber trotzdem sehr ausgewo-
gen gewesen. Eine unserer Befürchtungen ist zwar, dass
die Lücke zwischen militärischem und zivilem Engage-
ment an manchen Stellen zu groß geworden ist, aber
diese Lücke wird – das vollziehen wir mit dem vorlie-
genden Konzept – jetzt geschlossen. Indem wir das zi-
vile Engagement massiv erhöhen, machen wir deutlich,
welche strategische Ausrichtung wir in den nächsten
Jahren verfolgen wollen.

Wenn gesagt wird, in Afghanistan laufe alles schlecht,
halte ich dagegen und sage: Das stimmt nicht. Wir haben
heute, wie gesagt, im Auswärtigen Ausschuss des Deut-
schen Bundestages die Gelegenheit gehabt, mit Präsi-
dent Karzai darüber zu diskutieren. Die SPD hat auf ih-
rer Fachtagung am vergangenen Freitag die Gelegenheit
genutzt, mit dem früheren Außenminister und jetzigen
Sicherheitsberater Spanta intensiver darüber zu diskutie-
ren. Dabei wurde uns doch gerade bestätigt, dass das En-
gagement erfolgreich war.

Schauen Sie sich allein einmal an, wie massiv sich
das Rollenverständnis der Frauen innerhalb Afghanis-
tans trotz der schwierigen gesellschaftlichen Situation
verbessert hat. Das ist aus meiner Sicht beachtlich und
sollte nicht unerwähnt bleiben. Vor dem Hintergrund,
dass zu Zeiten der Taliban-Herrschaft keine Frau eine
Universität und kein Mädchen eine Schule betreten
durfte, halte ich es nach wie vor für erwähnens- und lo-
benswert, festzustellen, dass die Situation heute ganz an-
ders ist.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Dazu braucht man Militär?)


Ein großer Erfolg ist auch, dass im Auswärtigen Dienst
der afghanischen Regierung der Frauenanteil heute 18 Pro-
zent beträgt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Und wenn Sie in Berlin einen Ansprechpartner der
afghanischen Regierung telefonisch sprechen wollen,
dann rufen Sie nicht irgendjemanden an, sondern Sie ru-
fen eine Frau an, nämlich die Geschäftsträgerin. Auch
das halte ich für bemerkenswert. Was, glauben Sie
– Herr Kollege Klose hat das an anderer Stelle ja schon
oft gesagt –, würde als Allererstes zurückgedrängt, wenn
sich die internationale Staatengemeinschaft dort nicht
mehr engagieren würde? Das Hauptziel der Taliban wäre
doch – da bin ich mir sicher – in erster Linie, die Rolle
der Frauen wieder zurückzudrängen und die Erfolge, die
auf diesem Gebiet erreicht worden sind, zunichte zu ma-
chen.

Wir haben die Situation – die Bundesregierung weist in
ihrer Stellungnahme deutlich darauf hin –, dass 11 000 Un-
terrichtsräume für 500 000 Schülerinnen und 25 000 Leh-
rer unter deutscher Führung entstanden. Heute gehen
rund 7 Millionen Kinder zur Schule; davon sind 35 Pro-
zent Mädchen. Das ist ein großer Erfolg; auch solche Er-
folge sind in Afghanistan zu verzeichnen. 600 Kilometer
Straße sind gebaut worden. 250 000 Haushalte in Nord-
afghanistan sind an Bewässerungsanlagen angeschlos-
sen. Auch der Optimismus, den die Afghanen in ihrer
Gesellschaft selber spüren, sollte erwähnt werden. Eine
Umfrage von ARD, BBC und dem amerikanischen Sen-
der ABC macht deutlich, dass 70 Prozent der Afghanen
optimistisch in die Zukunft blicken.


(Widerspruch bei der LINKEN)


Allein deshalb sollten wir diese Debatte mit einer gro-
ßen Ernsthaftigkeit führen. Denn ich bin mir sicher, dass
viele Menschen in Afghanistan diese Debatte und die
strategische Diskussion in Deutschland genau verfolgen.
Die Hoffnung, die viele Menschen in Afghanistan in uns
setzen, sollten wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Unsere Ziele sind klar umrissen: Wir wollen den Ter-
ror vor Ort bekämpfen, eine Stabilisierung der Region
insgesamt erreichen, einen Beitrag zur Stabilisierung Pa-
kistans, einer schwierigen Atommacht, leisten, die Men-
schen- und Frauenrechte dauerhaft durchsetzen, ein
funktionierendes Rechtssystem etablieren und die wirt-
schaftliche Prosperität unterstützen, sodass Afghanistan
auf Dauer auf eigenen Beinen stehen kann.

Ich glaube, dass wir einen ausgewogenen Beitrag leis-
ten. Deshalb will meine Fraktion den Vorschlägen der
Regierung zustimmen. Ich halte diesen Beitrag deshalb






(A) (C)



(B) (D)


Philipp Mißfelder
für ausgewogen, weil er alle Ansätze – das zivile Enga-
gement, das militärische Engagement, das polizeiliche
Engagement – umfasst und damit eine dauerhafte Pers-
pektive unseres Engagements gewährleistet.

Wir haben eine Abzugsperspektive genannt. Insofern
möchte ich meinen Vorredner ein Stück weit korrigieren:
Niemand von uns hat jemals gesagt, dass es in unserem
Interesse liegt, ewig in Afghanistan zu bleiben. Aber Sie
haben auch in früheren Zeiten gesagt, dass es absolut
falsch wäre, Afghanistan kopflos zu verlassen. Ange-
sichts der Chuzpe, mit der die Taliban selber über unsere
Debatte urteilen, erinnere ich Sie gerne an Ihre eigenen
früheren Äußerungen. In vielen Medien und in vielen
Gesprächen wird der Ausspruch eines Taliban-Führers
zitiert, der zu US-Diplomaten lächelnd gesagt haben
soll: Ihr habt alle Uhren, wir haben alle Zeit.

Wenn Sie jetzt ein konkretes Datum für den endgülti-
gen Abzug nennen, dann wiegen Sie die Taliban noch
mehr in Sicherheit. Sie werden sich kurzfristig zurück-
ziehen; aber die Gefahr ist sehr groß, dass sie nach kur-
zem Abwarten gestärkt wieder hervorkommen und
damit unser entwicklungspolitisches Engagement zu-
nichtemachen werden.

Deshalb gibt es mit uns keinen kopflosen Abzug aus
Afghanistan. Vielmehr wollen wir unser Engagement
mit einer realistischen Abzugsperspektive verbinden.
Dafür haben wir klare Konditionen genannt.


(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das ändert an den Problemen gar nichts!)


Meine Damen und Herren, mein Dank in dieser De-
batte – das möchte ich deutlich erwähnen – gilt nicht nur
unseren Soldatinnen und Soldaten und deren Angehöri-
gen, sondern auch den Diplomatinnen und Diplomaten,
die vor Ort für die Bundesrepublik und in unserem Inte-
resse im Einsatz sind, den Entwicklungshelfern, den Po-
lizisten und letztendlich auch – ich glaube, dass ein gro-
ßer Teil von Ihnen diese Debatte gespannt verfolgt – den
Angehörigen der Personen, die sich in Afghanistan
engagieren und die zu Recht einfordern, dass wir uns
ernsthaft mit der Perspektive des Abzugs und eines er-
folgreichen Einsatzes, für den unsere Menschen dort vor
Ort einstehen, beschäftigen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Philipp Mißfelder (CDU):
Rede ID: ID1701812300

Das Wort hat nun die Kollegin Renate Künast für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701812400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich

möchte mich ganz fokussiert auf das Thema, um das es
eigentlich geht, nämlich die Londoner Konferenz und
eine neue Strategie für Afghanistan, konzentrieren.

Die Situation ist schwierig. Wir haben darüber ges-
tern eine erste lange und sehr ruhige und sachliche Dis-
kussion in unserer Fraktion geführt. Ich glaube, man
kann unser mehrheitliches Gefühl angesichts der interna-
tionalen, auch deutschen Diskussion durchaus mit den
Worten beschreiben: Jetzt ist Licht, allerdings in viel
Schatten.

Ich will nicht negieren, Frau Bundeskanzlerin, dass es
hier positive Elemente gibt. Trotzdem muss ich sagen,
dass Ihre Rede eben hinreichend unbestimmt war.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben viele Fakten und Zahlen genannt, haben aber
nicht die Frage beantwortet, wie Sie die Vergangenheit
beurteilen. Auch dazu haben Sie zwar Zahlen – hier
Prozentzahlen, da Prozentzahlen – genannt. Von Herrn
Gysi bin ich das gewöhnt; er liest hier halbjährlich den
gleichen Text vor. Immer wieder Zahlen! Es geht aber
um folgende Fragen: Haben wir das Gefühl, grundsätz-
lich die richtige Strategie gewählt zu haben? Auf wel-
cher Basis und mit welcher Philosophie soll es in Zu-
kunft weitergehen? Eine Antwort darauf hat gefehlt. Ich
habe von Ihnen bezüglich des bisherigen Einsatzes posi-
tive Worte gehört. Im Ticker wurde Herr Westerwelle
dahin gehend zitiert, dass alles gescheitert sei.


(Zuruf des Bundesministers Dr. Guido Westerwelle)


– Dann machen Sie eine Gegendarstellung. – Ich sage
Ihnen: An dieser Stelle gibt es unterschiedliche öffentli-
che Positionierungen.

Im Vorfeld der Londoner Konferenz wollen wir nicht
einfach trockene Zahlen hören, sondern wissen: Wie
sind die Zielmarken, in Neudeutsch: die Benchmarks?
Bis wann soll wer was erfüllt haben? Egal ob es uns, an-
dere Staaten oder die Regierung des Präsidenten Karzai
betrifft. Eine Lehre aus der Vergangenheit ist für uns,
dass darauf eine Antwort gefunden werden muss. Nur
wenn diese Fragen beantwortet werden, wird das Ziel
von Karzai, 2014 selbstständig für Sicherheit zu sorgen,
überhaupt erreicht werden können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir hätten eigentlich auch erwartet, Frau Bundes-
kanzlerin, dass Sie etwas zur Evaluierung der bisheri-
gen Einsätze sagen. Sie sagen so schön: 30 Polizisten ha-
ben wir ausgebildet.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: 30 000!)


– Was habe ich gesagt?


(Zurufe von der CDU/CSU: 30!)


– Entschuldigung. 30 000 stimmt. – Aber die Frage ist
doch: Sind diese Polizisten jetzt effizient eingesetzt? Ist
die Struktur zum Beispiel gegen Korruption ausgerichtet
und verhindert sie, dass ein Großteil dieser Leute zu den
Taliban überläuft, nachdem die westliche Staatenge-
meinschaft sie ausgebildet hat? Eine Evaluierung im
Hinblick auf diese Fragen würde mich interessieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich hätte in all diesen Debatten über die Zukunft
gerne auch gehört, ob es nicht nur heute, sondern grund-






(A) (C)



(B) (D)


Renate Künast
sätzlich eine andere Vorgehensweise im Umgang mit
dem Bundestag gibt, was die Zielstellung der Afghanis-
tan-Politik und die Vorlage regelmäßiger Zwischenbe-
richte angeht.

Meine Damen und Herren, wir diskutieren heute über
eine neue Strategie und deren Umsetzung, die der afgha-
nische Präsident Karzai in seiner Antrittsrede im No-
vember mit der Zielstellung 2014 angekündigt hat. Das
ist eine Strategie der nationalen Versöhnung. Jetzt
geht es darum, dass die internationale Staatengemein-
schaft sagt: Wir unterstützen dies und leisten unseren
Beitrag dazu.

Es gibt aber Grundsatzfragen, die Sie nicht einmal an-
getippt haben, Frau Merkel. Sie sprachen über das Re-
integrationsprogramm, das ein Kern des Programms der
nationalen Versöhnung von Karzai ist. An dieser Stelle
muss man aber die Frage stellen – eine Antwort darauf
muss gefunden werden –: Wo sind die roten Linien, die
Karzai hier und da andeutet und die da heißen: Verhinde-
rung von Gewaltbereitschaft, Entwaffnung und das Ziel,
dass man sich auf dem Boden der afghanischen Verfas-
sung befinden und sich an die universellen Menschen-
rechte halten muss? Das allein sind aber nur warme
Worte. Wir müssen auch sicherstellen, dass dies umge-
setzt wird, und von Karzai die Formulierung von Krite-
rien verlangen.

Mir reicht nicht aus, dass einfach gesagt wird, wir
könnten Hunderttausende unideologische junge afghani-
sche Männer mit dem Angebot von Geld und Land, also
mit wirtschaftlichen Perspektiven, aus Pakistan zurück-
holen. Man muss klar hinzufügen, was mit den anderen
geschieht. Denn für die einen ist dies ein Finanzierungs-
programm. Zur nationalen Versöhnung gehört aber auch,
mit den ehemals Gewaltbereiten zu reden, sie zurück-
zuholen und ihnen Asyl zu gewähren. Wo genau ist ei-
gentlich die rote Linie, um zu verhindern, dass aus den
investierten 500 Millionen Euro nur ein Rückführungs-
programm oder sogar ein Rückkaufprogramm wird, des-
sen negative Wirkungen man überhaupt nicht absehen
kann? Dazu haben Sie geschwiegen, Frau Merkel.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wie soll das denn gehen und wie wäre das Verfahren,
wenn es solche Rückkehrprogramme gäbe und man ein-
zelnen Provinzen mehr Selbstständigkeit zugestehen
würde? Wie soll denn dann das Spannungsverhältnis,
das zwischen der Geltung der universellen Menschen-
rechte und der in der afghanischen Verfassung postulier-
ten Scharia herrscht, in der Realität umgesetzt werden?
Das alles sind Fragen, die sich an dieser Stelle ergeben.

Ich hatte die Freude, gestern Herrn Karzai zu treffen
und von Ihnen gestern früh informiert zu werden. Weil
das alles hinreichend unbestimmt ist, stelle ich mir die
Frage: Wie soll Korruption in Zukunft bekämpft wer-
den? Die Aussage, Afghanistan brauche ein Backing der
Staatengemeinschaft und davon ziemlich viel, reicht mir
auch nicht aus. Wir wollen von der afghanischen Regie-
rung wissen, wie sie das Geld tatsächlich in den Aufbau
des Landes investiert, wie das strukturell funktionieren
soll.
Es macht Sinn, Karzai mit seiner Regierungserklä-
rung und der Art seines Versprechens an sein Volk zu un-
terstützen. Er will fünf Bereiche weiterentwickeln und
verspricht, die Bemühungen so zu organisieren, dass man
Ende 2014 fertig sei. Wir können das unterstützen. Aber
mir ist es egal, ob die einen sagen, wir unterstützen das,
und die anderen sagen, wir brauchen ein Abzugsdatum.
Zwischen dem 31. Dezember 2014 und dem 1. Januar
2015 liegt nur eine juristische Sekunde. Insofern: Regen
Sie sich untereinander doch nicht darüber auf! Machen
wir uns lieber Gedanken darüber, wie wir Afghanistan
konkret unterstützen können.

Ich will zu drei Punkten etwas sagen, zu dem, was die
neue Strategie ausmachen soll:

Für den zivilen Wiederaufbau sind Mittel von
210 Millionen Euro vorgesehen. Das macht Hoffnung.
Das ist ein Wort, aber mehr auch nicht. Noch bin ich zu-
rückhaltend, weil schon oft versprochen wurde, man
wolle Gelder anders implementieren, aber es nie ge-
macht wurde. Ich sage Ihnen – auch nach der letzten Le-
gislaturperiode – ehrlich: Wir wollen sehen, dass gezielt
in die Entwicklung der ländlichen Räume Geld investiert
wird, dass es aufgelegt wird und dort auch ankommt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD])


Ich hoffe, dass wir nach dem Rückzug vieler Organisa-
tionen nicht zu spät sind.

Wir begrüßen es, dass die Kanzlerin in der Art von
Abkehr und Distanzierung zum Angriff im Kunduz sagt:
weg vom offensiven Vorgehen, hin zu einer Ausrichtung
auf Ausbildung und Schutz. Dieser Satz war längst
überfällig. Das falsche Verhalten in der Vergangenheit
hat uns einen Untersuchungsausschuss beschert, der
nicht überflüssig ist. Ich hoffe, Frau Merkel, Sie machen
gegenüber dem Kommandeur McChrystal endlich deut-
lich, dass Sie das verstanden haben; intern sagen Sie das
ja auch. Wenn Sie verstanden haben, dass es um Ausbil-
dung und Schutz gehen soll, dann muss es jetzt an der
Zeit sein, sich ehrlich zu machen. Man muss sich sehr
genau überlegen: Wofür haben wir bisher Geld ausgege-
ben? War es effizient? Haben wir unsere Versprechun-
gen eingehalten?

Zum Thema Polizei. Sie haben immer versprochen,
einen Schwerpunkt bei der zivilen Aufbauoffensive,
auch beim Polizeiaufbau, zu setzen. Wo ist der? Sie ha-
ben schon einmal 120 Polizeikräfte für EUPOL und
60 Polizeikräfte für bilaterale Polizeiarbeit versprochen.
Derzeit sind allerdings gerade mal 123 Polizeikräfte im
Einsatz. Die Ankündigung, auf 200 Polizeikräfte aufzu-
stocken, gab es längst. Sie kündigen als Schwerpunkt der
Aufbauoffensive etwas an, wo wir doch in der Vergan-
genheit schon immer darauf gewartet haben, dass die
alte Ankündigung realisiert wird. Das ist keine Polizei-
aufbauoffensive.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)







(A) (C)



(B) (D)


Renate Künast
Wir werden sehr genau beobachten, wie Sie diese Offen-
sive angehen wollen, wie Sie das, bis hin zum Partne-
ring, beim Aufbau in den Distrikten gewährleisten wol-
len. Unsere Forderung war bisher, 500 Ausbilder bei der
Polizei einzusetzen.

Zum Thema Bundeswehr. Ich glaube, das ist eine
Mogelpackung. Es gab eine Art Stammeskonflikt zwi-
schen den Regierungsministern. Es ging um die Frage,
wie stark die Bundeswehrkapazität ausgebaut werden
soll. Nun passiert Folgendes: Zusätzlich zu den 280 Aus-
bildern, die es schon gab, hat man nach effizienten Kon-
trollen und langem Suchen intern 620 gefunden. Nun
will man noch 500 Soldaten zusätzlich. Ich sage Ihnen
ganz klar: Wir werden auch in der Ausschussarbeit sehr
genau beobachten, wo überflüssige und falsche Einsätze
stattfinden. Der Tornadoeinsatz mit bis zu 100 Soldaten
macht militärisch keinen Sinn. Auch hier gäbe es Um-
baumöglichkeiten, Frau Merkel.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine letzte Anmerkung zur Bundeswehr: Ein Plus
von 350 „flexiblen“ Soldaten kann ich nicht akzeptieren.
Wir haben in unserem bisherigen Kontingent von
4 500 Soldaten längst Flexibilität drin. Frau Merkel, wir
können nicht akzeptieren – ich habe eine, zwei Nächte da-
rüber geschlafen und mit vielen geredet –, dass wir hier
einfach für diese oder jene Aufgabe, für die Wahlen, für
Übergänge und das Auswechseln von Truppen, sicher-
heitshalber die Zahl 350 verabschieden. Wenn davon, wie
Sie hier gerade sagten, zum Beispiel bei den Wahlen ei-
nige eingesetzt werden sollen, soll sich der Verteidi-
gungsausschuss zuvor damit befassen. Ich sage Ihnen
ganz klar: Wir wollen keine Zum-Beispiel-Einsätze der
Bundeswehr. Die Entscheidung ist immer konkret im Ple-
num zu treffen. Deshalb werden wir uns jeden einzelnen
Antrag von Ihnen sehr kritisch und genau ansehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Fazit: Es gibt zwar Licht bei viel Schatten, aber jetzt
gilt es, die Londoner Ergebnisse abzuwarten. Wir wol-
len konkrete Schritte und Transparenz für die Zukunft.
Wir wollen wissen, wie eine Politik der Versöhnung in
etwa funktionieren kann, ohne dass es zum Beispiel bei
der Umsetzung der Menschenrechte zu massiven Brü-
chen und Rissen kommt. Jetzt muss es um einen wirkli-
chen Vorrang des Zivilen gehen, um einen wirklichen
Vorrang von Ausbildung und Schutz unter Wahrung der
Menschenrechte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701812500

Nächste Rednerin ist die Kollegin Elke Hoff für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701812600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Frau Bundeskanzlerin, ich möchte Ih-
nen an dieser Stelle ausdrücklich meinen persönlichen
Respekt für Ihre Regierungserklärung zollen, weil Sie
sehr deutlich gemacht haben, wie die Eckpunkte der
neuen Strategie dieser Bundesregierung im Vorfeld der
Londoner Konferenz aussehen. Ich glaube, dass jeder,
der richtig zugehört hat, genau erkennen konnte, mit
welchen neuen Ausrichtungen diese Bundesregierung
nach London fährt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich habe auch mit sehr großer Aufmerksamkeit den
Worten der Kollegen Gabriel und Gysi zugehört. Ich
möchte Ihnen an dieser Stelle empfehlen: Fahren Sie
doch gemeinsam mit Frau Käßmann nach Afghanistan.
Schauen Sie sich die Situation vor Ort an.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Und wenn die Reise abgelehnt wird?)


– Fahren Sie noch einmal hin und schauen Sie sich die
Situation noch einmal an. Dann würden Sie, glaube ich,
über die Problematik, die dort vor Ort herrscht, wesent-
lich konkreter und wesentlich realistischer reden kön-
nen, als Sie das heute hier getan haben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Realismus im Bundeswehrcamp? Na super!)


Ich hatte heute den Eindruck, dass, mit Ausnahme ei-
ner Fraktion, in diesem Haus bezüglich der strategischen
Ausrichtung der Bundesregierung für die Londoner Af-
ghanistan-Konferenz an vielen Stellen eine Übereinstim-
mung zum Vorschein kommt, wenn sich der parteipoliti-
sche Pulverdampf verzieht. Wir haben zum ersten Mal
deutlich gemacht, dass der Primat der Politik in diesem
Einsatz wieder die Oberhand gewinnt. Ich halte das für
sehr wichtig. Wir haben viele Forderungen, die in den
vergangenen Jahren im Parlament stets wiederholt wor-
den sind – mehr Aufbau von Polizei, mehr zivile Unter-
stützung, mehr Übergabe von Verantwortung an die af-
ghanische Regierung, mehr Schutz der Bevölkerung –,
in diese Strategie implementiert.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich hatte heute an vielen Stellen der Diskussion den
Eindruck, dass wir mit rückwärtsgerichteten Termini ar-
beiten. Der Punkt, an dem wir heute sind, bedeutet für
mich einen Aufbruch. Wir zeigen eine Perspektive für
Afghanistan, aber auch eine Perspektive für die interna-
tionale Gemeinschaft auf. Man sollte hier nicht den Ein-
druck erwecken, dass die Bundesregierung die Probleme
in Afghanistan alleine lösen kann. Es war eine interna-
tionale Kraftanstrengung. Es ist eine internationale
Kraftanstrengung. Ich glaube, wir sind gut beraten, wenn
wir in London noch einmal allen Bürgerinnen und Bür-
gern der Mitgliedstaaten deutlich machen, dass das auch
weiterhin eine internationale Kraftanstrengung ist.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) (C)



(B) (D)


Elke Hoff
Herr Gysi, Sie haben heute hier Zahlen vorgetragen,
um zu unterlegen, dass sich die Situation in Afghanistan
nicht signifikant verbessert hat.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aus dem UN-Bericht!)


Sie haben dabei aber eines außer Acht gelassen: Die
Rückführung von Millionen von Flüchtlingen aus den
benachbarten Ländern Pakistan und Iran ist eine große
Belastung, die dieses Land zusätzlich zu den Folgen des
Bürgerkrieges zu tragen hat, bzw. es ist eine unmittel-
bare Folge aus dem Bürgerkrieg. Das wirkt sich selbst-
verständlich auch auf diese Strukturen aus. Man sollte
nicht so tun, als sei die Präsenz der internationalen Ge-
meinschaft in den letzten Jahren vollkommen umsonst
gewesen.

Dies ist eine komplexe und komplizierte Region. Ich
bin dankbar, dass heute auch das Thema Pakistan ange-
sprochen worden ist. Es wird viel zu wenig zur Kenntnis
genommen, dass Pakistans Regierung unter anderem mit
militärischen Anstrengungen ebenfalls versucht, Stabili-
tät in der Region herbeizuführen. An dieser Stelle sind
sehr viele Todesopfer zu beklagen, auch unter den Sol-
daten und den Polizisten. Ich möchte die Gelegenheit
nutzen, ein sehr herzliches Dankeschön an die pakistani-
schen Entscheidungsträger zu richten; denn letztendlich
profitieren auch wir bei unserem Einsatz und Engage-
ment in Afghanistan davon.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben heute die Frage gehört: Warum ist erst eine
Truppenaufstockung notwendig, um die Zahl dann zu-
rückzuführen? Wenn ich dieser neuen Strategie den
Schutz der Zivilbevölkerung und die Übergabe in Verant-
wortung als wesentliche Punkte zugrunde lege, bedeutet
das, dass ich in den bevölkerungsstarken Regionen Si-
cherheit herstellen und gleichzeitig die afghanische Ar-
mee ausbilden muss, um diese in die Lage zu versetzen,
die Aufgaben der Sicherheitskräfte eines souveränen
Landes zu erfüllen. Insofern ist das vollkommen logisch;
das ist überhaupt nicht unlogisch. Das sieht man, wenn
man sich einmal etwas intensiver mit den Einzelheiten
dieser strategischen Überlegungen befasst.

Ich möchte hier weiterhin zum Ausdruck bringen,
dass ich das notwendige Vertrauen in die Fähigkeiten un-
serer Bundeswehr in dem Bereich habe. Wir werden in
Zukunft eine große Verantwortung bei der Führung des
Regionalkommandos Nord haben. Ich wünsche mir,
liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, dass Sie, um die
Ziele zu erreichen – Stärkung des zivilen Wiederauf-
baus, mehr Übergabe in Eigenverantwortung, Schutz der
Zivilbevölkerung –, den Einsatz unserer Bundeswehrsol-
daten auf der Basis dieses neuen Mandates mittragen.
Ich wiederhole das an dieser Stelle und danke all den be-
sonnenen Kolleginnen und Kollegen in den anderen
Fraktionen dafür, dass sie diesen Weg mitgehen wollen.

Ich bin der Meinung, dass die zeitlichen Ziele, über
die wir heute gesprochen haben, durchaus zu erreichen
sind. Aber wenn wir unsere eigene Strategie nicht unter-
stützen, wenn wir nicht an sie glauben und wenn wir
schon von vornherein unseren zivilen Aufbauhelfern,
den Diplomaten und den Soldaten dem Grunde nach sa-
gen, dass wir nicht so ganz dahinterstehen oder nicht so
ganz davon überzeugt sind, dann frage ich mich, wo die
Menschen, die das vor Ort umsetzen sollen, die Motiva-
tion hernehmen sollen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich glaube, dass in Zukunft ein wesentlicher Punkt
der diplomatischen und politischen Bemühungen der in-
ternationalen Gemeinschaft sein wird, die afghanische
Regierung dabei zu unterstützen, als souveräner Staat
die Versöhnung, die ihre Aufgabe in ihrem Land ist, zu
erreichen. Das wird schwierig werden. Das wird viel Ge-
duld bedürfen. Wir werden hier sicherlich viele – ich
sage es einmal salopp – Kröten zu schlucken haben.
Aber am Ende jeder militärischen Mission muss es eine
politische Lösung geben. Wir sind zum ersten Mal ge-
meinsam in einer so realistischen Bewertung der Lage
angekommen, dass ich der Überzeugung bin, dass wir
hier mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung in den
nächsten vier bis fünf Jahren zu wesentlich besseren Er-
gebnissen kommen werden als in den vergangenen acht
Jahren.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Elke Hoff (FDP):
Rede ID: ID1701812700

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege

Ernst-Reinhard Beck.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701812800

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber
Kollege Gabriel, vorneweg möchte ich sagen: Ich
glaube, es ist nicht ganz seriös, das, was man selbst acht
Jahre lang nicht geschafft hat, was einem acht Jahre lang
nicht gelungen ist, den Nachfolgern in dieser Form anzu-
hängen.


(Sigmar Gabriel [SPD]: Das machen wir gar nicht!)


Schlicht und ergreifend bis vor vier Monaten hat Ihr Au-
ßenminister hier Verantwortung getragen. Diese rück-
wärtsgewandte Geschichte ist schwer erträglich.


(Sigmar Gabriel [SPD]: Ich habe Ihnen keinen Vorwurf gemacht!)


Wenn Sie etwas zum Konzept gesagt hätten, wäre das et-
was anderes. Aber Sie haben damit im Grunde Ihre ei-
gene Regierungszeit mit schlechten Noten versehen.


(Sigmar Gabriel [SPD]: Was habe ich Ihnen vorgeworfen?)


Das will ich am Anfang sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)







(A) (C)



(B) (D)


Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)

Natürlich, der Afghanistan-Einsatz dauert länger, ist
schwieriger und auch teurer, als wir es uns am Anfang
vorgestellt haben; das ist richtig. Aber, Frau Kollegin
Künast, die Frau Bundeskanzlerin hat sich hier sehr klar
geäußert und über ein Fünfpunkteprogramm unter der
Überschrift „Übergabe in Verantwortung“ gesprochen.
Ich glaube, das ist in der Tat ein Programm, das dem
Konzept der vernetzten Sicherheit wirklich Rechnung
trägt, eine Strategie, die auch nach vorne gerichtet ist.

Sie sprachen den Dreiklang von Ausbildung, Schutz
und Präsenz in der Fläche an. Dieser Dreiklang wird den
Herausforderungen in einer angepassten Sicherheitslage
gerecht. Die Erhöhung der Zahl der Militärausbilder
von derzeit 280 auf circa 1 400 wird dazu führen, dass
wir die Zielgröße der afghanischen Armee schneller er-
reichen. Frau Künast, das ist keine Mogelpackung. Im
Rahmen der Verstärkung der Ausbildung stocken wir die
Zahl von derzeit 500 auf. Das spielt auch mit Blick auf
die Führungsfähigkeit eine Rolle, nämlich dann, wenn
2 500 amerikanische Soldaten in den Norden entsandt
werden. Sie stoßen sich oft an der Zahl 350.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nur an den 350!)


Ich gehe davon aus, dass die Zahl 350 an die Obergrenze
angepasst wird. Das würde dann einem Plus von 850
entsprechen.


(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sagen Sie es doch!)


– Herr Kollege Nouripour, das ist auch im Verteidi-
gungsausschuss zu klären. Bisher war ein solcher Schritt
angesichts der Obergrenze überhaupt nicht notwendig.
Ich kann nicht verstehen, warum das ein Weniger sein
soll. Ich glaube, das, was die Bundesregierung an dieser
Stelle vorschlägt, ist ein Mehr an parlamentarischer Mit-
bestimmung. Das muss ich in aller Klarheit sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Verbesserung des Schutzes der afghanischen Be-
völkerung wird die Rahmenbedingungen des zivilen
Aufbaus optimieren. Schließlich soll die Präsenz in der
Fläche den Kontakt zur Bevölkerung verbessern. Ich
sage ganz klar: Präsenz in der Fläche kann im Grunde
nur heißen, in ausgewählten kritischen Distrikten ge-
meinsam mit den afghanischen Soldaten, die wir selber
ausbilden, den Schutz der Bevölkerung mit der Ausbil-
dung der Soldaten zu verbinden. Das ist das neue und
richtige Konzept. Ich glaube, diese Dreisäulenlösung
wird für die Zukunft tragfähig sein. Jedes Element für
sich genommen hatte bereits in der Vergangenheit seinen
Platz, wenn es um Aufbau und Sicherheit ging.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich be-
tonen: Dass der neue Minister für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung keinerlei Berüh-
rungsängste mit der Bundeswehr hat, lässt mich auch
hoffen,


(Beifall bei der FDP – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

dass wir unsere Anstrengungen beim zivilen Aufbau ver-
stärken und den Menschen dort, wo wir Verantwortung
tragen, wo auch unsere Soldaten sind, nicht nur das Ge-
fühl vermitteln, dass es besser wird, dass sie jetzt besser
leben, dass das, was wir wollen, auch bei den Menschen
ankommt, sondern dass wir auch Tatsachen schaffen. Ich
meine, dass es durchaus richtig ist, den Schwerpunkt in
der Region des Nordens zu setzen.

Die afghanische Armee auszubilden, ist richtig. Dabei
helfen in unserem Verantwortungsbereich auch
2 000 amerikanische Soldaten, die schwerpunktmäßig
ausbilden und dem deutschen Kommando unterstellt
sind. Zeitgleich wird die Anwesenheit der Amerikaner
dazu beitragen, eine Fähigkeitslücke im Norden zu
schließen, nämlich bei der Luftbeweglichkeit im deut-
schen Verantwortungsbereich. Dadurch, dass die Ameri-
kaner jetzt 50 Hubschrauber bei uns stationieren, wird
auch die Fähigkeit verbessert, im Bereich der medizini-
schen Versorgung, etwa bei MEDEVAC, eine Lücke zu
schließen. Transport und Beweglichkeit werden wesent-
lich verbessert.

Eine Bemerkung zur Polizeiausbildung. Frau
Künast, Sie haben völlig recht, wenn Sie monieren, dass
manches, was wir uns vorgenommen haben, noch nicht
erreicht ist. Es ist auch richtig, dass wir Zwischenziele
formulieren. Wir müssen uns immer wieder fragen: Wie
weit sind wir noch von ihnen entfernt? Dennoch ist klar,
dass die Polizeiausbildung jetzt mit verstärkten Anstren-
gungen angegangen wird; das liegt in deutscher Verant-
wortung. Ich glaube, dass durch eine solidarische An-
strengung der 16 Bundesländer, die dafür verantwortlich
sind – das geschieht ja nicht par ordre de mufti vonseiten
der Bundesregierung –, eine entscheidende Verbesse-
rung erzielt wird.

Im Übrigen rege ich an, auch die Konzeption von
EUPOL zu überdenken. EUPOL berät nur afghanische
Ministerien und afghanische Behörden. Wäre nicht ein
Teil dieser 200 Polizisten, die von europäischen Ländern
gestellt werden, besser aufgehoben, indem sie zur Ver-
stärkung der Ausbildung vor Ort eingesetzt werden?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Dass für die Reintegration von Taliban viel Geld
fließt, hat viele Vorwürfe nach sich gezogen. Ich rege an,
zu überlegen, die afghanischen Soldaten und Polizisten,
die von uns ausgebildet werden, zumindest für eine be-
stimmte Zeit besser zu bezahlen. Sozial abgesicherte
Sicherheitskräfte sind weniger anfällig für Geldzuwen-
dungen von anderer Seite. Auch hier wäre das Geld gut
investiert, wenn man wirklich Versöhnung herbeiführen
will.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Die massive Aufstockung der Zahl der Ausbildungs-
kräfte, die Verdopplung der Mittel für den zivilen Auf-
bau, die Umkehr in Richtung einer etwas defensiveren
Strategie, das sollte der Opposition erlauben, dem verän-
derten Mandat für den Afghanistan-Einsatz auch in Zu-
kunft zuzustimmen.






(A) (C)



(B) (D)


Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)

Ich habe Signale erkannt, dass sich die Grünen ihrer
Verantwortung für diesen Einsatz, den sie einmal mitge-
tragen haben, weiter bewusst sind. Auch wenn mir Frau
Künast jetzt nicht zuhört, werbe ich bei der Opposition
um Zustimmung; ich sehe nämlich, dass durchaus
Bereitschaft da ist. Man sollte diesem Konzept die Zu-
stimmung nicht versagen, und zwar aus einem ganz ein-
fachen Grund: Unsere Soldatinnen und Soldaten und die
zivilen Mitarbeiter der Bundeswehr benötigen die
Rückendeckung des gesamten Parlaments. Im Namen
des Parlaments sind sie in den Einsatz geschickt worden.
Je größer die Unterstützung in diesem Parlament ist,
desto besser. Das ist wichtig.

Ich komme zu einem weiteren Punkt. Ich glaube, dass
wir auch bei dem neuen Mandat die rechtlichen Grund-
lagen für den Einsatz der Bundeswehr neu definieren
müssen. Herr Gabriel, ich möchte jetzt nicht darüber dis-
kutieren, ob der Begriff „Krieg“ angemessen ist; es wäre
natürlich interessant, einmal seriös darüber zu diskutie-
ren. Aber wenn wir uns einig sind, dass wir in Afghanis-
tan einen nicht internationalen militärischen Konflikt ha-
ben, dann muss, meine ich, das humanitäre Völkerrecht
und nicht die deutsche Strafprozessordnung zur rechtli-
chen Grundlage für den Einsatz unserer Soldaten wer-
den. Diese Rechtssicherheit sind wir unseren Soldaten
schuldig.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich erinnere daran, und ich bitte darum, dass wir die
im Koalitionsvertrag festgelegte Forderung nach der
Einrichtung einer zentralen Staatsanwaltschaft zügig
in Angriff nehmen. Wir dürfen die Angehörigen der
Bundeswehr, die im Einsatz ohnehin erheblichen psychi-
schen und physischen Belastungen ausgesetzt sind, nicht
mit zusätzlichen Bürden belasten.

Mit der neuen Strategie gewinnen wir Initiative und
Gestaltungskraft zurück. Sie ist ein wichtiger Schritt auf
dem Weg zum Erfolg. Als souveräner Staat in einem si-
cheren Umfeld leben zu können, ist nicht selbstverständ-
lich; gerade wir Deutschen haben dies erfahren. Heute
ist es an uns, Afghanistan diese Möglichkeit zu eröffnen.
Dem dient dieser Vorschlag, dem dient dieses Konzept.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Ernst-Reinhard Beck (CDU):
Rede ID: ID1701812900

Nächster Redner ist der Kollege Omid Nouripour für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701813000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erlau-

ben Sie mir, weil er heute das erste Mal in seiner neuen
Funktion der Diskussion in diesem Hohen Hause bei-
wohnt, den neuen Generalinspekteur der Bundeswehr,
General Wieker, herzlich willkommen zu heißen und
ihm für die schwierigen Aufgaben, die er vor sich hat,
viel Erfolg und viel Glück zu wünschen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Ich hatte in der Vergangenheit, vor allem in den letz-
ten Wochen, die Möglichkeit, mit vielen Soldatinnen
und Soldaten zu sprechen, nicht nur in Deutschland, son-
dern auch in Afghanistan, auch in Kunduz. Wenn man
sie fragt: „Was wünscht ihr euch von der Politik?“, ist
die Antwort: Wir wünschen uns von der Politik mehr
Ehrlichkeit.

Jetzt schaue ich mir an, was uns vorliegt, und frage
mich: Gibt es diese Ehrlichkeit? Allein bei der Frage
nach mehr Soldaten sehe ich sie an drei Stellen nicht.
Die erste: Natürlich gibt es in bestimmten Bereichen Be-
darf. Ich will das in der knappen Zeit nicht ausführen;
aber natürlich brauchen wir mehr Stabsoffiziere in
Masar-i-Scharif, und wir brauchen mehr Sicherheit in
Kunduz.

Aber bevor man aufstockt, muss man eine Evalua-
tion vornehmen. Das hat meine Fraktionsvorsitzende be-
reits gesagt, das hat aber auch Herr Guttenberg schon
gesagt: Als er noch nicht Minister war, hat er die Einset-
zung einer Evaluationskommission gefordert. Es wäre
höchste Zeit für eine Evaluation, nicht nur darüber, was
in Afghanistan schiefläuft, sondern auch darüber, was in
Afghanistan richtig gelaufen ist, damit man auch das der
Öffentlichkeit präsentieren kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich glaube im Übrigen, dass das ein deutlich besserer
Weg ist, die deutsche Öffentlichkeit von bestimmten
Notwendigkeiten zu überzeugen, Kollege Gabriel, als zu
sagen: Der Kriegsbegriff ist nicht realitätstauglich; es ist
also egal, ob da Krieg herrscht oder nicht, wir sparen das
aus. Ich glaube, man kann unserer Öffentlichkeit mehr
zumuten; die Deutschen vertragen mehr, wenn sie wis-
sen, dass man ihnen die Wahrheit sagt, und man sagt,
warum man bestimmte Dinge tut.

Ein zweiter Punkt, bei dem ich mir nicht sicher bin,
ob wir es hier mit Ehrlichkeit zu tun haben, ist die Frage
der Alternativen. Wir haben Alternativen, die aber nicht
geprüft werden, etwa den von uns so genannten
Vollmer-Plan, den General Vollmer, der Commander im
Regional Command North, bereits im letzten Jahr vorge-
stellt hat. Der Plan sieht die Ausbildung von 2 500 af-
ghanischen Polizisten im Raum Kunduz vor, die wir be-
zahlen. Die Kosten dafür belaufen sich auf 9 Millionen
Dollar; das ist verhältnismäßig wenig. Die Ausbildung
könnte schnell vollzogen werden. Der Plan ist von der
neuen Regierung abgelehnt worden, wäre aber eine wun-
derbare Alternative, der man sich annehmen könnte.

Ich erinnere mich auch an die Beschlussfassung zum
Einsatz von Tornados im Jahr 2007. Deren Nutzen bei-
spielsweise für die Soldaten in Kunduz ist gleich null.
Im Mandatstext stand, dass dafür 500 Soldaten ge-
braucht werden. Das entspricht der Zahl von 500 zusätz-
lichen Soldaten, die Sie jetzt beschließen wollen.

In diesem Zusammenhang komme ich zur dritten
Stelle, an der mir die Ehrlichkeit fehlt – Kollege Beck






(A) (C)



(B) (D)


Omid Nouripour
hat es gesagt; ich bin froh, wenn wir darüber reden kön-
nen, ob man das nicht hineinschreiben kann –: Es ist
nicht wirklich redlich, 350 Soldaten als Reserve für
Wahlen und für Kontingentwechsel aufzuführen. Wir ha-
ben schon bei den letzten beiden Aufstockungen über die
Argumente dafür gesprochen. Da hat man uns immer ge-
sagt: Wir brauchen einen Puffer für Kontingentwechsel.
Minister Jung selbst hat gesagt – ich habe die Zitate hier
vorliegen –, dass man den Puffer sowieso nicht aus-
schöpfen werde. Drei Monate später waren wir an der
Mandatsobergrenze angelangt. Das wird auch hier der
Fall sein. Herr Minister, ich wette mit Ihnen, dass Sie
spätestens im Herbst herkommen und sagen werden: Wir
haben den Puffer von 350 Soldaten ausgeschöpft.

Wenn wir ehrlich sind, sprechen wir also über
850 Soldaten. Zur Ehrlichkeit würde auch gehören, zu
sagen: Vielleicht müssen wir hier in wenigen Wochen
oder Monaten die AWACS beschließen. Wir werden
dann auch wie beim letzten Mal den Einsatz von
300 Soldaten beschließen sollen. Wir alle wissen, dass
300 Soldaten zu viel sind; 150 würden reichen. 150 plus
350 plus 500 macht 1 000 Soldaten; das ist die Zahl, die
Guttenberg ursprünglich wollte, nicht die Zahl, die Herr
Westerwelle wollte. Sie tricksen mit den Zahlen herum.
Das ist Parteienspiel und wird der Ernsthaftigkeit, die
die Kanzlerin vorhin gefordert hat, nicht gerecht, auch
nicht der Ehrlichkeit, die die Soldatinnen und Soldaten
brauchen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701813100

Nächster Redner ist der Kollege Thomas Silberhorn

für die CDU/CSU-Fraktion.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701813200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Selten zuvor haben wir so ausführlich, in so
breiter Öffentlichkeit und so engagiert über Afghanistan
debattiert wie in den letzten Wochen. Ich finde, das war
dringend notwendig. Wir brauchen einen Strategiewech-
sel, nicht nur für Afghanistan, sondern auch für die
Weise unserer Diskussion über Afghanistan.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Sie auch! Da haben Sie recht!)


Die Zeit der Parolen ist vorbei. Viel zu lange haben
wir uns mit Parolen beschäftigt – „unverbrüchliche Soli-
darität“ mit den USA; „Deutschland wird auch am
Hindukusch verteidigt“ –, anstatt über die Strategie zu
diskutieren. Ich freue mich, dass wir nun endlich zu ei-
ner schonungslosen Analyse der Lage vor Ort kommen,


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Schonungslos war das?)


dass man zu einer klaren Sprache findet und die Dinge
so benennt, wie man sie vor Ort vorfindet.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deswegen begrüße ich es, dass Bundesminister zu
Guttenberg ausdrücklich von „kriegsähnlichen Zustän-
den“ spricht, weil er damit deutlich macht,


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Welch klare Analyse! – Stefan Liebich [DIE LINKE]: Strategie!)


dass wir klären müssen, auf welcher Rechtsgrundlage
unsere Soldaten vor Ort im Einsatz sind.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist nicht geklärt!)


Damit wird auch deutlich, dass wir unseren Soldaten
Rückendeckung für ihren Einsatz in Afghanistan geben
müssen, den wir beauftragen; denn sie erwarten zu Recht
Verständnis für ihren Einsatz bei ihrem Auftraggeber,
dem Bundestag.

Wir müssen uns auch selbst darüber klar werden: Wer
Fakten verklärt oder nicht klärt, stellt auch nicht die rich-
tigen Fragen und kann nicht zu den richtigen Antworten
kommen. Herr Gabriel, die Elaborate, die Sie vorhin
zum Thema Vereinte Nationen vorgetragen haben, waren
völlig neben der Sache. Wir streiten uns nicht über die
Rechtsgrundlage dieses Einsatzes. Auch uns sind die Re-
solutionen der Vereinten Nationen bekannt; aber diese
Resolutionen klären nicht die Frage, ob das konkrete
Handeln eines Bundeswehrsoldaten vor Ort nach deut-
schem Strafrecht oder nach Völkerrecht zu beurteilen ist.

Ich finde, diese Frage kann man nicht den Staats-
anwälten überlassen, die ja nur am grünen Tisch ent-
scheiden können. Das ist auch für die Staatsanwälte eine
Zumutung.


(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das tun Sie doch! Sie haben es doch nicht entschieden!)


Wir, der Deutsche Bundestag, müssen dazu Stellung
nehmen, weil wir bei diesem Einsatz die Auftraggeber
sind.


(Beifall bei der CDU/CSU – Stefan Liebich [DIE LINKE]: Aber das tun Sie nicht!)


Deswegen finde ich es richtig, wenn wir beim nächsten
Mandat dahin kommen könnten, dass wir eine Aussage
dazu treffen,


(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Da bin ich ja einmal gespannt!)


dass wir diese Auseinandersetzung in Afghanistan als ei-
nen nicht internationalen bewaffneten Konflikt verste-
hen und deswegen nicht deutsches Strafrecht, sondern
Völkerrecht Grundlage der Beurteilung des Handelns
unserer Soldaten vor Ort ist.

Genau das ist die Rechtssicherheit, die unsere Solda-
ten brauchen, und es ist schlicht inakzeptabel, dass diese
Fragen bis heute, also auch im neunten Jahr des Einsat-
zes, noch offen und nicht beantwortet sind. Wir müssen
sie bei nächster Gelegenheit beantworten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die ursprüngliche Zielvorstellung, die mit diesem
Einsatz in Afghanistan verbunden war, eine Demokratie






(A) (C)



(B) (D)


Thomas Silberhorn
nach westlichem Vorbild zu schaffen, hat sich als reich-
lich naiv erwiesen. Es kann nur um eines gehen, nämlich
darum, dieses Land so zu stabilisieren, dass wir die Ver-
antwortung für die Sicherheit in afghanische Hände ge-
ben können.

Dazu brauchen wir einen vernetzten Ansatz; das war
bisher schon Konsens. Ich glaube, ich verrate kein Ge-
heimnis, wenn ich sage, dass auch die Bundesregierung
in den eigenen Reihen bisher ihre liebe Not mit dem ver-
netzten Ansatz hatte. Deswegen finde ich es wichtig,
dass wir im Koalitionsvertrag ausdrücklich vereinbart
haben, die ressortübergreifenden Anstrengungen inner-
halb der Bundesregierung stärker zu bündeln. Dieses
Versprechen wird jetzt eingelöst.

Erstmals liegt uns eine Strategie vor, die von allen be-
teiligten Ressorts gemeinsam erarbeitet worden ist, mit
der klare Zielvorstellungen dafür gegeben werden, was
wir in Afghanistan erreichen wollen, mit der genau be-
schrieben wird, welche Beiträge wir dazu leisten wollen,
und durch die auch ein Zeitrahmen genannt wird, in dem
wir diese Erfolge erreichen wollen. Genau so und in die-
ser Reihenfolge muss es gehen. Deswegen ist dies der
richtige Ansatz.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu der De-
batte über ein mögliches Ende des Abzugs will ich nur
Folgendes sagen: Bisher waren wir uns darüber einig,
dass mit einem Enddatum den Falschen in die Hände
gespielt wird. Herr Steinmeier, auch wenn Sie heute
nicht reden durften, darf ich daran erinnern, dass Sie in
Ihrem Zehnpunkteplan vom September letzten Jahres
gesagt haben: Wir müssen die Grundlagen für den Ab-
zug aus Afghanistan bis 2013 schaffen. – Darin stimme
ich Ihnen zu. Gleichzeitig haben Sie aber gesagt:

Eine konkrete Jahreszahl könnte in Afghanistan
von den Falschen als Ermutigung verstanden wer-
den.

Genau so ist es, und weil sich das seit September 2009
nicht geändert hat, ist es richtig, kein Enddatum zu nen-
nen.

Ich habe aber Sympathie dafür, ins Auge zu fassen,
dass wir dann mit dem Abzug beginnen, wenn auch die
Amerikaner 2011 damit beginnen wollen. Zumindest
dieses Ziel sollten wir uns setzen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei unse-
rem Engagement in Afghanistan und bei dem gesamten
Einsatz der internationalen Gemeinschaft fehlt mir bis-
lang, dass wir uns mit der afghanischen Regierung auf
klare Ziele verständigen; denn es hilft doch nichts, wenn
sich die internationale Gemeinschaft anstrengt, man aber
den Eindruck gewinnen muss, dass auf afghanischer
Seite eher passiv zugesehen wird.

Ich begrüße es, dass sich Präsident Karzai in seiner
Antrittsrede kürzlich sehr klar geäußert hat. Ich darf
diese zwei Sätze zitieren:
Innerhalb der nächsten drei Jahre möchte Afghanis-
tan militärische Operationen in vielen unsicheren
Gebieten des Landes selbst führen und durchfüh-
ren. Entschlossen wollen wir uns dafür einsetzen,
dass die afghanischen Sicherheitskräfte in den
nächsten fünf Jahren fähig sind, überall im Land die
Führung zu übernehmen und Sicherheit und Stabili-
tät zu garantieren.

Ich finde, wir sollten die afghanische Regierung hier
beim Wort nehmen. Deswegen ist es richtig, dass wir für
die Ausbildung und die Ausstattung der afghanischen
Armee und Polizei deutlich höhere Beiträge erbringen,
als das bisher der Fall war.

Ferner begrüße ich es, dass wir in militärischer Hin-
sicht in vielen Details einen Strategiewechsel vorneh-
men – Bundesminister zu Guttenberg hat dies bereits im
Einzelnen erläutert –: Die Ausbildung der afghanischen
Soldaten wird künftig im Feld stattfinden, die Schnelle
Eingreiftruppe wird zu einer Ausbildungs- und Schutz-
truppe umgewandelt, und die Wiederaufbauteams in den
Provinzen werden mit einem neuen Fokus auf den Wie-
deraufbau umstrukturiert. Auch das ist ein klares Signal
dafür, dass wir uns stärker an den tatsächlichen Bedürf-
nissen der afghanischen Bevölkerung ausrichten.

Ich vermisse in Afghanistan greifbare Erfolge bei der
Bekämpfung des Drogenanbaus, beim Aufbau von Ver-
waltung und Justiz und bei der Bekämpfung von Korrup-
tion und Kriminalität. Ich finde, wir müssen darüber mit
der afghanischen Regierung sehr deutliche Worte spre-
chen. Wir müssen zumindest versuchen, dafür Sorge zu
tragen, dass unsere Hilfe nicht als ein Beitrag zur Stabili-
sierung der derzeitigen Amtsinhaber missverstanden
wird oder gar zur Aufrechterhaltung korrupter Struktu-
ren missbraucht werden kann.

Deswegen ist es notwendig, dass die afghanische Re-
gierung sich selbst die vereinbarten Ziele zur Aufgabe
macht und sich auch dafür einsetzt, dass die afghanische
Bevölkerung selber ein Interesse an der Stabilisierung
des Landes und am Gelingen des politischen Prozesses
entwickelt. Ohne den eigenen Willen der Afghanen
werden alle Bemühungen von außen nicht erfolgreich
sein können. Ich will nicht den Teufel an die Wand ma-
len, aber eine Schule, die wir aufbauen, kann auch sehr
schnell wieder vergammeln, wenn sie nicht vom eigenen
Willen der Bevölkerung getragen wird, diese Schule auf-
rechtzuerhalten.

Wir können nur die Voraussetzungen dafür schaffen,
dass die Afghanen eine Chance zur politischen und wirt-
schaftlichen Entwicklung bekommen. Letztlich müssen
die Afghanen diese Chance selbst ergreifen. Ich finde,
wir sollten mit einer klaren Strategie und klaren Vorga-
ben für die afghanische Regierung dabei ein bisschen
nachhelfen.

Ich wünsche der Bundesregierung viel Erfolg bei der
Afghanistan-Konferenz morgen in London.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) (C)



(B) (D)


Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1701813300

Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege

Holger Haibach für die CDU/CSU-Fraktion.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701813400

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selten war in
einer Debatte im Deutschen Bundestag so oft wie heute
die Rede von Ehrlichkeit und Offenheit, die immer wie-
der eingefordert werden. Dazu will ich drei Vorbemer-
kungen machen, die mir wichtig erscheinen.

Erstens. Es wird sehr häufig gesagt – das ist auch
heute in der einen oder anderen Intervention angeklun-
gen –, es sei in Afghanistan nichts passiert, es sei dort
nichts gut. Abgesehen davon, dass es schlichtweg falsch
ist – das beweisen die Zahlen –, ist diese Aussage,
glaube ich, auch nicht fair und anständig; denn diejeni-
gen, die das sagen, meinen zwar die Politik, aber letzten
Endes ist es ein Schlag ins Gesicht aller Soldatinnen und
Soldaten, aller Diplomatinnen und Diplomaten und aller
Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfer, die in
Afghanistan seit Jahren einen sehr gefährlichen Job sehr
gut erledigen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Nein, das ist nicht wahr! Ihre Entscheidung ist ein Schlag ins Gesicht der Soldatinnen und Soldaten!)


Deswegen kämpfe ich immer gegen solche Äußerungen.

Zweitens ist von Herrn Gabriel kritisiert worden, dass
sich die Information des Parlaments gestern auf die
Fraktions- und Parteivorsitzenden beschränkt habe. Ich
glaube – darauf hat der Kollege Mißfelder schon hinge-
wiesen –, es hat in der Frage von Auslandseinsätzen der
Bundeswehr selten so ein offenes Verfahren gegeben wie
in diesem Fall. – Das ist das eine.

Das andere ist: Dass ausgerechnet Herr Gabriel dies
gesagt hat, finde ich sehr bemerkenswert. Wenn ich mich
recht entsinne, war Herr Schröder früher SPD-Parteivor-
sitzender und damit der Amtsvorgänger von Herrn
Gabriel. Herr Schröder ist doch dafür bekannt, dass er
die Leitlinien deutscher Außenpolitik zwar über die
Marktplätze der Republik gerufen, aber nicht im Parla-
ment verkündet und diskutiert hat.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Er hat im Gegensatz zu Ihnen Nein zum Einsatz im Irak gesagt! Wo waren Sie denn damals?)


Insofern glaube ich, dass auch an dieser Stelle ein biss-
chen Zurückhaltung von Ihrer Seite angebracht ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Als dritter Punkt ist mir in der Debatte, wenn wir über
Offenheit und Ehrlichkeit sprechen, Folgendes aufgefal-
len: Es wird immer wieder gesagt, wir müssten viel mehr
über das zivile Engagement reden, wir müssten viel
mehr im zivilen Bereich machen und wir bräuchten viel
mehr Geld. Die Medienberichterstattung der letzten
Tage zeigt, dass es um eine einzige Frage geht: Um wie
viele zusätzliche deutsche Soldaten in Afghanistan geht
es auf der Londoner Konferenz? Ich finde, das muss man
bei dieser Gelegenheit sagen, weil es eigentlich um et-
was anderes geht. Wir alle haben immer betont, dass
London keine reine Truppenstellerkonferenz sein darf.
Das Konzept, das die Bundesregierung heute vorgelegt
hat, zeigt auch deutlich, dass zumindest wir einen ande-
ren Ansatz verfolgen.

Ich denke, dass wir gerade über die entwicklungspoli-
tischen Aspekte noch einmal sprechen müssen. Zunächst
einmal ist es wichtig, zu betonen, dass es diese Bundes-
regierung war, die schon in diesem Jahr die Mittel für
den zivilen Aufbau in Afghanistan auf über 140 Mil-
lionen Euro erhöht hat, und dass wir uns vorgenommen
haben, die Mittel insgesamt auf über 400 Mil-lionen
Euro aufzustocken. Das hat keine andere Bundesregie-
rung vor uns gemacht. Ich halte das in dieser Zeit für ein
goldrichtiges Zeichen. Wir müssen hier einen klaren
Schritt tun. Neben der finanziellen Frage bedeutet das
aber auch, dass wir die richtigen Strukturen schaffen und
sagen müssen, was wir mit dem Geld eigentlich errei-
chen wollen. Aus meiner Sicht gibt es hier drei entschei-
dende Bereiche. Der erste ist das Thema Sicherheit, der
zweite das Thema Entwicklung und der dritte das Thema
Regierungsfähigkeit.

Sicherheit bedeutet nicht nur Sicherheit für unsere
Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfer, son-
dern zuerst und vor allem auch Sicherheit für die Men-
schen in Afghanistan. Denn wir wissen – das ist ein alt-
bekannter Satz –: Ohne Sicherheit gibt es keine
Entwicklung, genauso wenig wie es ohne Entwicklung
Sicherheit geben kann. All diejenigen, die sagen, die
Bundeswehr müsse, wenn es geht, sofort raus aus Afgha-
nistan, müssen erklären, wie sie die Sicherheitsfrage be-
antworten wollen. Ich glaube, sie haben dafür keine Lö-
sung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Dann lesen Sie doch unseren Antrag!)


Wenn ein Entwicklungshilfeminister sagt, er habe keine
Scheu vor einer Zusammenarbeit mit der Bundeswehr,
dann finde ich das prinzipiell nicht verwerflich. Um es
ganz deutlich zu sagen: Ich finde es richtig, weil es eine
Zusammenarbeit geben muss. Es geht nicht darum – so
wird es manchmal dargestellt –, die Unterschiede zu ver-
wischen; das darf nicht sein. Aber es muss klar sein, dass
es eine solche Zusammenarbeit geben muss.

Der zweite Punkt ist das Thema Entwicklung. Bis
heute gibt es eine ungelöste Frage, nämlich die nach dem
Drogenanbau. Der Drogenanbau stellt eines der größten
Probleme nicht nur für Afghanistan, sondern auch für
uns dar. Es geht hier auch um unsere eigenen Interessen.
Welche Interessen haben wir in dieser Angelegenheit?
Ich gebe zu, dass es bislang niemandem gelungen ist,
hier eine vollständig befriedigende Lösung zu finden;
denn der Drogenanbau ist offensichtlich noch immer lu-
krativer als beispielsweise die Erzeugung von Lebens-
mitteln. Wir müssen noch sehr viel darüber nachdenken,
wie wir an dieser Stelle vernünftig weiterkommen.






(A) (C)



(B) (D)


Holger Haibach
Das Dritte ist – das halte ich ehrlich gesagt für das
Wichtigste, was wir noch schaffen müssen – die Frage
nach der Regierungsfähigkeit. Über 400 Millionen
Euro in die Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanis-
tan zu investieren, ist keine ganz einfache Aufgabe, vor
allen Dingen dann nicht, wenn keine Strukturen vorhan-
den sind, die das absorbieren können. Die Frage nach der
Absorptionsfähigkeit ist ganz wichtig. Deshalb ist es
richtig, dass die neue Strategie der Bundesregierung da-
rauf setzt, noch mehr in die ländlichen Räume zu gehen
und noch mehr in den Aufbau von Strukturen zu inves-
tieren, die in der Lage sind, ein Gebiet zu verwalten so-
wie mit zu gestalten und zu entscheiden, was unter ande-
rem mit deutschem Geld passieren soll. Das halte ich für
ganz entscheidend. Wir reden immer darüber, dass die
Afghanen ihre Sicherheit selbst in die Hand nehmen sol-
len. Wir reden immer darüber, dass sie über ihr Land
selbst bestimmen sollen. Aber dazu gehört, dass wir sie
bei der Entscheidung, was vor Ort in welchen Projekten
gemacht wird, tatsächlich unterstützen und dass wir sie
beteiligen. Der Provincial Development Fund zum Bei-
spiel bietet dazu sehr gute Möglichkeiten. Die Erkennt-
nis, dass Afghanistan ein Land ist, das nie eine sehr
starke Zentralgewalt gekannt hat und immer sehr provin-
ziell und nach Stämmen aufgestellt war, lässt sich in der
nun vorgelegten Strategie sehr gut wiederfinden. Das be-
deutet nicht die Delegitimation der Zentralregierung.
Vielmehr wird auf die historischen Gegebenheiten dieses
Landes Rücksicht genommen. Wir wollen keinen Kolo-
nialstaat aufbauen; Afghanistan soll sich vielmehr nach
eigenen Regeln entwickeln. Das ermöglichen wir mit
dem Plan der Bundesregierung.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn wir über Abzugsdaten reden, dürfen wir nie
vergessen, dass es wichtig ist, nicht die falschen Signale
zu setzen. Es ist richtig, dass wir uns Gedanken darüber
machen, wann deutsche Soldatinnen und Soldaten aus
Afghanistan zurückkommen können. Aber wir müssen
die Dinge vom Ende her betrachten; das wurde schon
deutlich. Ein Abzug kann nur dann wirklich sinnvoll
sein, wenn eine selbsttragende Sicherheit und vernünf-
tige Strukturen vorhanden sind. Das gilt nicht nur im
Hinblick auf die Sicherheit, sondern auch im Hinblick
auf die Sicherung des Lebensunterhalts, die Bildung und
die Infrastruktur. Ich wehre mich gegen ein konkretes
Abzugsdatum; denn wenn ein konkretes Abzugsdatum
genannt wird, dann ist es für diejenigen, die andere Inte-
ressen in diesem Land haben, relativ einfach, abzuwar-
ten und zu sagen: Wir warten, bis die Bundeswehr bzw.
die internationalen Truppen weg sind. Dann übernehmen
wir wieder das Kommando im Land. – Das halte ich auf
jeden Fall für falsch, auch deshalb, weil wir es denjeni-
gen, die mit uns zusammenarbeiten wollen, ein gutes
Stück schwieriger machen; denn wenn sie wissen, dass
der Schutz durch die internationalen Truppen begrenzt
ist, aber nicht dadurch, dass selbsttragende Sicherheit
vorhanden ist, sondern dadurch, dass es innenpolitische
Debatten in den Ländern der Truppensteller gibt, dann
tun wir ihnen keinen Gefallen, sondern lassen sie am
Ende des Tages allein. Das sollten wir nicht tun. Genau
deshalb meine ich, dass die Regierung hier ein sehr trag-
fähiges Konzept vorgelegt hat.

Danke sehr.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Holger Haibach (CDU):
Rede ID: ID1701813500

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Druck-
sache 17/519. Wer stimmt für diesen Entschließungsan-
trag? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? Der Entschlie-
ßungsantrag ist damit mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der
SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die
Linke abgelehnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun können wir die
Fragestunde fortsetzen. Ich rufe dazu den Tagesord-
nungspunkt 3 auf:

Fragestunde

– Drucksachen 17/493, 17/517 –

Bevor wir damit beginnen, gebe ich den Kolleginnen
und Kollegen, die daran nicht teilnehmen können, Gele-
genheit, anderen Verpflichtungen nachzugehen.

Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Arbeit und Soziales. Für die Beantwor-
tung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekre-
tär Hans-Joachim Fuchtel zur Verfügung.

Ich rufe zunächst die Frage 1 der Kollegin Britta
Haßelmann auf:

Wann wird die Bundesregierung die Anpassungsformel
des Bundesanteils für die Unterkunftskosten für ALG-II-Be-
ziehende entsprechend der Forderung der Bundesländer an
der Entwicklung der tatsächlichen Unterkunftskosten ausrich-
ten?

Herr Staatssekretär, bitte.

H
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701813600


Ich darf die Antwort wie folgt geben: Die Bundesre-
gierung sieht von sich aus aktuell keinen Anlass, die
festgelegte Anpassungsformel zu verändern. Sie ist be-
kanntlich in § 46 Abs. 7 Sozialgesetzbuch II fixiert. Der
Regierungsentwurf des Sechsten Gesetzes zur Änderung
des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, mit dem die nach
§ 46 Abs. 8 Sozialgesetzbuch II notwendige jährliche
Anpassung der Bundesbeteiligung an den Kosten der
Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Ar-
beitssuchende erfolgt, wurde vom Deutschen Bundestag
in seiner 10. Sitzung am 4. Dezember 2009 unverändert
angenommen.

Der Bundesrat hat am 18. Dezember 2009 den Ver-
mittlungsausschuss mit dem Ziel der grundlegenden
Überarbeitung des Gesetzes angerufen; es handelt sich
bekanntlich um ein Einspruchsgesetz. Der Vermittlungs-
ausschuss wird dazu in einer ersten Sitzung am heutigen
Tage in anderthalb Stunden beraten. Ob und in welcher
Form die Anpassung der Beteiligung an den Kosten für






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel
Unterkunft seitens des Bundes künftig erfolgt, hängt von
den Ergebnissen der Ausschussverhandlungen ab.


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701813700

Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin? – Bitte

sehr.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701813800

Vielen Dank, Frau Präsidentin; vielen Dank auch Ih-

nen, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der
Frage.

Ich habe Sie also richtig verstanden, dass Sie keinerlei
Änderungsbedarf in Bezug auf die Anpassungsformel
sehen und mit dieser Haltung auch in das Bundesratsver-
fahren gehen, obwohl klar ist, dass auch aus dem CDU-
Präsidium und dem CDU-Vorstand ganz klare öffentli-
che Äußerungen dahin gehend erfolgt sind, dass Verän-
derungen der Anpassungsformel im Zusammenhang mit
den Änderungen hinsichtlich der Jobcenter und der
Hartz-IV-Reform im März getroffen werden?

H
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701813900


Ich gehe nochmals auf die Historie der gesamten Ge-
setzesentwicklung ein. Man hatte sich in den letzten Jah-
ren darauf verständigt, von den ursprünglichen Berech-
nungen abzugehen und nun eine mehr technische
Berechnung stattfinden zu lassen. Dieses Ergebnis wurde
erzielt, indem man den Ländern bei verschiedenen Posi-
tionen finanziell entgegengekommen ist. Man hat dann
2008 festgelegt, dass eine Regelung auf der Grundlage,
die ich vorhin skizziert habe, erfolgt, und zwar unbefris-
tet. Das war eine Übereinkunft von Bund und Ländern.
Das ist die Grundlage, von der die Bundesregierung aus-
geht.


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701814000

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701814100

Herr Staatssekretär, ich fände es gut, wenn wir jetzt

nicht in die Historie gingen; es ist den Abgeordneten hier
im Haus sicherlich bekannt, wie die Anpassungsformel
zustande gekommen ist. Wir sollten uns vielmehr mit der
tatsächlichen Situation auseinandersetzen. Diese ist ganz
eindeutig so, dass es einen massiven Anstieg der Kosten
für die Unterkunft für die Städte und Gemeinden gibt.
Gleichzeitig wird durch die bestehende Anpassungsfor-
mel der Bundesanteil ständig reduziert. Das wurde mit
der Bundesratsinitiative des schwarz-gelb regierten Lan-
des Nordrhein-Westfalen aufgegriffen, und die Bundes-
regierung wurde aufgefordert, diese Anpassungsformel
zu verändern. Deshalb frage ich nicht nach der bestehen-
den Formel und nach der Historie, sondern ich frage, ob
Sie sich aufgrund der tatsächlichen Kostenentwicklung
der Kommunen und der Bundesratsinitiative von Nord-
rhein-Westfalen bemüßigt sehen, diese Anpassungsfor-
mel zu verändern.
H
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701814200


Die Bundesregierung hat natürlich Verständnis für die
schwierige Situation der Kommunen. Wir alle wissen,
dass die finanziellen Verhältnisse der Kommunen auf-
grund der Gesamtentwicklung sehr angespannt sind. Ich
muss aber daran erinnern, dass man sich auch mit dem
Wissen all der möglichen Entwicklungen, die die gefun-
dene Formel auslösen könnte, im Jahr 2008 eindeutig
auf diese Formel verständigt hat. Der Bund hat schon
einmal zusätzliche Kosten übernommen, die ich jetzt
nicht beziffern möchte, die ich Ihnen aber auflisten
könnte.

Die Gesamtausgaben für die Kosten der Unterkunft
und Heizung im Bereich der Grundsicherung für Arbeit-
suchende betragen zwischen 14 Milliarden und 15 Mil-
liarden Euro im Jahr 2010. Wir wissen auch, dass sich
die Summe in diesen Zeiten nicht reduzieren wird. Ich
möchte als Sachwalter von Steuergeldern des Bundes
doch darauf hinweisen, dass die Erhöhung der Bundes-
beteiligung um 1 Prozent Mehrkosten des Bundes in
Höhe von rund 150 Millionen Euro auslösen würde. Je-
des weitere Prozent würde natürlich weitere Mehrkosten
bedeuten. Ich darf darauf hinweisen, dass wir in Kürze
den Bundeshaushalt in zweiter und dritter Lesung bera-
ten werden und wir gegebenenfalls höhere Summen ein-
stellen müssten – und dies bei dem derzeitigen Defizit
des Bundes. Ich bitte um Verständnis, dass die Bundesre-
gierung im Augenblick keine weitergehenden Vor-
schläge zu diesem Thema zu machen hat.


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701814300

Wir kommen zur Frage 2 der Kollegin Haßelmann:

Welche Art von Länderöffnungsklauseln plant die Bun-
desregierung, bei den Kosten für Unterkunft für ALG-II-Be-
ziehende umzusetzen?

H
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701814400


Auf diese Frage gebe ich Ihnen eine kurze Antwort:
Die Bundesregierung plant von sich aus derzeit keine
weiteren länderspezifischen Beteiligungsquoten bei der
Beteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung.


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701814500

Haben Sie eine Nachfrage dazu? – Bitte sehr.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701814600

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,

vielen Dank für Ihre Antwort. – Schließen Sie mit Ihrer
Antwort Länderöffnungsklauseln aus, oder sollte das
heißen, dass Sie von sich aus nichts planen?

H
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701814700


Anderthalb Stunden vor Beginn eines Vermittlungs-
verfahrens wäre ich schlecht beraten, weiter gehende
Äußerungen als die zu machen, die ich gerade zu den
Themen hier gemacht habe. Wir haben auch hier die His-
torie zu beachten. Sie haben vorhin gesagt, die sei im
ganzen Haus bekannt. Nun möchte ich sie zu diesem






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel
Punkt nicht wiederholen. Mehrheitsfähig war im
Jahre 2007 nur eine besondere Formel für die Länder
Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz; für diese bei-
den Länder hat man bekanntlich besondere Quoten ein-
geführt.

Mir sind natürlich Modelle bekannt, die darauf abzie-
len, dass man das alles differenzierter gestaltet. Die
Kunst des Vermittlungsverfahrens wird darin bestehen,
die Gesamtinteressen abzuwägen und dann zu einem Er-
gebnis zu kommen.


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701814800

Frau Haßelmann, wie ich sehe, haben Sie noch eine

Zusatzfrage.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701814900

Herr Staatssekretär, Sie haben von sich aus gerade die

Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ange-
sprochen. Die Kommunen in diesen Ländern und auch
diese Länder selbst haben andere prozentuale Beteili-
gungen als die anderen 14 Bundesländer. Um es einmal
einfach zu sagen: Diese beiden Ländern stellte man bes-
ser. Welche sachlichen Gründe waren eigentlich aus-
schlaggebend dafür – da gehe ich jetzt in die Historie –,
dass man unabhängig von der Einnahmesituation und
der Verfasstheit der Länder ausgerechnet Rheinland-
Pfalz und Baden-Württemberg gegenüber den anderen
14 Bundesländern bei der Zuweisung bevorteilt?

H
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701815000


Wir alle in diesem Hohen Hause sind Politikerinnen
und Politiker; daher wissen wir, dass so etwas nicht ohne
Grundlagen, die so etwas rechtfertigen, zustande kommt.
Es ist interessant, dass zwei Bundesländer bessergestellt
wurden. Das hat seine Ursache darin, dass man ganz zu
Beginn, als man das System umgestellt hat, gerechnet
und festgestellt hat, dass in diesen beiden Bundesländern
einige für die Gesamtformel signifikante Fakten erheb-
lich anders sind als in den restlichen Bundesländern. Da-
bei ging es um Anteile an der Arbeitslosenhilfe und an
der Sozialhilfe. Bekanntlich sind diese beiden Transfer-
leistungen im Rahmen des ALG II zusammengeführt
worden. In diesem Umfeld gab es Abwägungen, die
dazu führten, dass man diese Formel gefunden hat; da-
mals verstand man dies als gerechten Interessenaus-
gleich.

Je mehr Zeit vergeht, desto weniger wird es möglich
sein, die Historie neu aufzurollen; daher hat man in dem
letzten Gesetz keine Änderungen vorgenommen, son-
dern man hat die zuvor entwickelte Formel beibehalten.


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701815100

Wir kommen damit zur Frage 3 des Kollegen

Matthias Birkwald:
Wie erklärt sich die Bundesregierung die vom Umfrage-


(Pressemitteilung Union Investment vom 7. Januar 2010)

Diskrepanz bei jungen Leuten – Altersgruppe 20 bis 29 Jahre –,
einerseits überdurchschnittlich häufig die Notwendigkeit zu
sehen, sich mit dem Thema der privaten Vorsorge zu beschäf-
tigen, andererseits sich aber unterdurchschnittlich häufig tat-
sächlich intensiv mit diesem Thema zu befassen, und welche
Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesen Umfra-
geergebnissen?

Herr Staatssekretär, bitte.

H
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701815200


Ich möchte mich zunächst für diese Frage bedanken.
In ihr wird ein sehr wichtiges Thema angesprochen. Es
geht um den immer wichtiger werdenden Bereich der
privaten Altersvorsorge.

Herr Birkwald, Sie beziehen sich auf eine Aussage in
der Pressemitteilung der Union Investment vom 7. Ja-
nuar 2010. Dort wird auf die große Diskrepanz bei jun-
gen Menschen im Hinblick auf die Wahrnehmung der
Bedeutung des Themas „private Altersvorsorge“ einer-
seits und der tatsächlichen Beschäftigung mit diesem
Thema andererseits hingewiesen. Schaut man sich nicht
nur die von Ihnen angeführte Stelle, sondern die gesamte
Pressemitteilung an, so erkennt man, dass etwas außer
Acht gelassen wird: Dort wird ausgeführt, dass sich
63 Prozent der 20- bis 29-Jährigen bereits stark oder sehr
stark mit dem Thema „private Altersvorsorge“ beschäf-
tigt haben.

Ein Anteil von 63 Prozent ist nach unserer Auffas-
sung ein beachtlicher Wert, auch wenn er unter dem auf
sämtliche Altersgruppen bezogenen Durchschnittswert
von 71 Prozent liegt. Dieser Umfrage zufolge kann fest-
gestellt werden, dass die Notwendigkeit zusätzlicher pri-
vater Altersvorsorge knapp 80 Prozent der jungen Men-
schen bewusst ist und dass diese Notwendigkeit bereits
bei fast zwei Dritteln dieser Altersgruppe zu einer inten-
siven Befassung mit diesem Thema geführt hat.

Dies ist angesichts des Beginns der gesamten Ent-
wicklung eine erfreuliche und ermutigende Zahl, gerade
wenn man bedenkt, dass junge Leute naturgemäß andere
Sachen im Kopf haben als ihre Altersversorgung.

Ich halte deshalb noch einmal fest: Die Bundesregie-
rung sieht durch diese Zahlen ihre Informationspolitik in
Sachen Zusatzrente bestätigt und wird sie unvermindert
fortsetzen. Beispielhaft sei hier auch auf die erfolgreiche
Kampagne „Altersvorsorge macht Schule“ hingewiesen,
die auch ein spezifisches Angebot für jüngere Menschen
bereithält.

Außerdem ist in diesem Zusammenhang noch darauf
hinzuweisen, dass es seit 2008 einen Berufseinsteigerbo-
nus gibt. Unmittelbar Zulageberechtigte, die das 25. Le-
bensjahr noch nicht vollendet haben, erhalten einmalig
– ich nehme das Forum hier gerne wahr, um das noch-
mals deutlich zu sagen – eine um bis zu 200 Euro er-
höhte Grundzulage bei Zahlung eines entsprechenden
Beitrags auf ihren Altersvorsorgevertrag. Durch diesen
Bonus wird ein zusätzlicher Anreiz geschaffen, frühzei-
tig mit dem Altersvorsorgesparen zu beginnen. Dies ist
auch deswegen sinnvoll, weil gerade junge Versicherte
durch die erwartungsgemäß lange Laufzeit der Verträge
besonders stark von den Zinseffekten profitieren können.






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel
Dass dieses noch junge Förderinstrument bereits zu-
nehmend zielgerichtet wirkt, zeigen aktuelle Erhebun-
gen. Danach haben bis Mitte 2009 immerhin 920 000
Personen eine entsprechende Bonuszahlung erhalten. Im
Jahr 2005 belief sich die Zahl der unter 25-Jährigen bei
den Riester-Sparern noch auf knapp 260 000. Daran
sieht man, dass die ganze Entwicklung in die richtige
Richtung geht und nun mit positiven Informationen, die
weit gestreut werden müssen, begleitet werden muss.
Möglichkeiten dazu haben wir ja dann, wenn wir auf
entsprechende Fragen von Ihnen oder anderen antwor-
ten.


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701815300

Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege?


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701815400

Ja, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Staatssekre-

tär, für die Antwort. Es wird Sie nicht wundern, dass die
Linke das, was Sie eben dargestellt haben, anders ein-
schätzt und die Richtung Ihrer Politik anders bewertet.
Die junge Generation wird von einer aus unserer Sicht
falschen Politik nämlich dazu gezwungen, privat für ihr
Alter vorzusorgen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe,
hätten derzeit 37 Prozent der Personen in der Alters-
gruppe zwischen 20 und 29, da sie keine private Alters-
vorsorge betreiben, salopp formuliert, im Alter ein deut-
liches Problem, da sie dann nur auf die Zahlungen der
gesetzlichen Rentenversicherung zurückgreifen könnten.

Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie fragen, ob
nach Meinung der Bundesregierung die Diskrepanz zwi-
schen der Erkenntnis, sich mit dem Thema beschäftigen
zu müssen, und der Folgerung daraus, das tatsächlich zu
tun – dass diese besteht, haben Sie ja vorhin auch noch
einmal bestätigt –, eher auf dem Mangel an Informatio-
nen oder eher auf dem Mangel an eigenen finanziellen
Mitteln für private Vorsorge beruht. Die Frage ist ja, ob
die finanzielle Situation der 20- bis 29-Jährigen über-
haupt so ist, dass sie entsprechende Beiträge leisten kön-
nen. Gibt es dazu Erkenntnisse?

H
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701815500


Kürzlich wurde eine große Untersuchung durchge-
führt, die von den Verbänden des Verbraucherschutzes
mitgetragen wurde. Dabei hat man sich erstmals sehr
gründlich mit der Sache beschäftigt. Diese Untersu-
chung wird jetzt gerade von der Bundesregierung ausge-
wertet, damit daraus weitere Schlüsse gezogen werden
können.

Ich möchte aber doch aufzeigen, dass die Gesamtent-
wicklung in der Tendenz ganz klar positiv verläuft. Bis
Ende September 2009 wurden nämlich bereits knapp
13 Millionen Riester-Verträge abgeschlossen. Dabei wur-
den natürlich auch die Wechsel von einem Vertrag zum an-
deren erfasst, sodass es sich nicht unbedingt um 13 Millio-
nen Menschen handeln muss, die einen Riester-Vertrag
haben; das möchte ich der Vollständigkeit halber hinzu-
fügen. Sehr interessant ist aber, dass in den vergangenen
zwölf Monaten trotz der Wirtschafts- und Finanzkrise
1 Million Neuverträge hinzugekommen sind. Das zeigt,
dass das Bewusstsein generell wächst und dass die Maß-
nahmen vorankommen.

Ich möchte ebenfalls hinzufügen, dass man auch Fol-
gendes berücksichtigen muss: Inzwischen haben – die
Zahl stammt von Ende 2007 – circa 17,5 Millionen Be-
schäftigte einen Anspruch auf eine Betriebsrente erwor-
ben, und über 1 Million Bürgerinnen und Bürger haben
mittlerweile eine Basisrente abgeschlossen. Daran zeigt
sich, dass das System der zusätzlichen Altersvorsorge im
privaten und im betrieblichen Bereich Früchte trägt und
zunehmend größere Teile der Bevölkerung erfasst.


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701815600

Ihre zweite Nachfrage, bitte.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701815700

Mich würde noch Folgendes interessieren: Wie viele

von den von Ihnen erwähnten 1 Million neuen Verträgen
wurden in der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen ab-
geschlossen, und wie hoch war der finanzielle Aufwand
für die Öffentlichkeitsarbeit, um diese Zielgruppe zu in-
formieren?

H
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701815800


Die positive Entwicklung folgt zunächst einmal da-
raus, dass man ein Zusatzbonussystem auf den Markt ge-
bracht, also die Möglichkeiten ausgebaut hat. Zu den
Zahlen im Einzelnen kann man Näheres sagen, wenn die
Studie ausgewertet ist. Dann können Sie gerne noch ein-
mal auf mich zukommen, und wir können das im Einzel-
nen klären.


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701815900

Eine weitere Frage hat der Kollege Lehrieder.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701816000

Herr Staatssekretär, den ersten Teil meiner Frage ha-

ben Sie bereits bei der Vorfrage beantwortet, nämlich
wie viele Riester-Verträge bisher abgeschlossen worden
sind. Sie haben von 13 Millionen Verträgen gesprochen.
Ich beschränke mich deshalb auf den zweiten Teil mei-
ner Frage: Wie bewertet die Bundesregierung diese Ent-
wicklung, und welcher Personenkreis profitiert insbe-
sondere von dieser staatlichen Förderung?

H
Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1701816100


Von dieser staatlichen Förderung profitiert zuneh-
mend auch der Teil der Bevölkerung, der kein über-
durchschnittliches Einkommen hat. Das können wir auf-
grund dieser Untersuchungen ganz deutlich feststellen.
Da sind natürlich weitere Entwicklungsmöglichkeiten
gegeben.

Ich weise darauf hin, dass der Anteil der jüngeren Zu-
lageempfänger weiter steigt, insbesondere bei den Jahr-
gängen 1981 und jünger. Das lässt auf eine Gesamtdyna-
mik schließen. Das gilt auf jeden Fall für den Kreis der
25-Jährigen und Jüngeren. Die Zwischenergebnisse für






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel
die Beitragsjahre 2007 und 2008 bestätigen diesen Trend
eindeutig. Zu dem Ergebnis kommt auch ein Wochenbe-
richt des DIW vom 5. August 2009. Danach ist der An-
teil der Riester-Sparer in der Altersgruppe 17 bis 24 Jah-
re von 3,9 Prozent im Jahre 2004 auf 11,1 Prozent im
Jahre 2007 gestiegen. Auch dadurch wird das bestätigt,
was ich eingangs ausgeführt habe.


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701816200

Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Birkwald auf:

Welche Effekte hätte die von den Autoren der DIW-Studie

(Wochenbericht des DIW 3/2010)

ten in den Adressatenkreis der gesetzlichen Rentenversiche-
rung, GRV, auf die Einnahme- und Ausgabenseite der GRV,
und welche zusätzlichen Effekte hätte die Einbeziehung der
Selbstständigen in den Adressatenkreis der GRV auf die Ein-
nahme- und Ausgabenseite der GRV?

H
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701816300


Grundsätzlich ist eine Ausweitung des versicherten
Personenkreises für die Rentenversicherung im Umlage-
verfahren mit Einführungsgewinnen verbunden, weil die
zusätzlichen Versicherten zunächst nur Beiträge zahlen.
Da sie jedoch später eine Gegenleistung in Form von
Renten erhalten und deshalb den höheren Beitragsein-
nahmen längerfristig auch höhere Rentenausgaben ge-
genüberstehen, ergibt sich für die Rentenversicherung
nur in der Übergangsphase eine finanzielle Entlastung.
Das Ausmaß der finanziellen Auswirkungen und die
Dauer der Übergangsphase hängen dabei maßgeblich
vom Potenzial der zusätzlichen Versicherten und von de-
ren Beitragsleistungen ab und können daher pauschal
nicht bestimmt werden.

Bei Einbeziehung von Beamten in den versicherten
Personenkreis ist zudem zu berücksichtigen, dass für den
öffentlichen Haushalt eine Doppelbelastung entstünde,
da die Gebietskörperschaften sowohl die bereits erwor-
benen Pensionsansprüche zu bedienen hätten als auch
die Arbeitgeberanteile im Rahmen der Rentenversiche-
rungsbeiträge und die Umlage zu den Zusatzversorgun-
gen des öffentlichen Dienstes zu leisten hätten. Auf die-
ses Dilemma möchte ich aufmerksam machen.


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701816400

Ihre Nachfrage, bitte.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701816500

Vielen Dank für die Antwort, Herr Staatssekretär. –

Wie ist dann die von Markus Grabka, einem der Autoren
der DIW-Studie, als doppelte Privilegierung kritisierte
Altersvorsorge der Beamtinnen und Beamten – einer-
seits zahlen sie keine Beiträge, und andererseits erlangen
sie ein höheres Versorgungsniveau – aus Sicht der Bun-
desregierung heute noch zu rechtfertigen?

H
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701816600


Ich möchte darauf hinweisen, dass die in der Studie
ermittelte, im Vergleich zu den übrigen Personengruppen
günstige Position der Beamten und Pensionäre, die Sie
gerade beschrieben haben, unter anderem darauf zurück-
zuführen ist, dass in der Studie Anwartschaften in der
privaten und betrieblichen Altersvorsorge, in den berufs-
ständischen Versorgungswerken und in der Zusatzver-
sorgung des öffentlichen Dienstes nicht berücksichtigt
wurden. Da die Berücksichtigung dieser Anwartschaften
fehlt, kommt es zu Verzerrungen der Ergebnisse zuguns-
ten der Beamten und Pensionäre, bei denen wegen der
Bifunktionalität der Pensionen die zweite Säule in die
Altersvorsorge integriert ist. – Das ist das eine.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass Beamte von ihrem
Wesen her in der Regel ununterbrochene Erwerbsver-
läufe und ein vergleichsweise hohes Qualifikations-
niveau aufweisen. Das ist ein wichtiger Grund dafür,
dass es in dieser Studie zu der Bewertung kam, auf die
Sie gerade hingewiesen haben.


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701816700

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701816800

Ja. Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine weitere

Frage schließt sich an Ihre Antwort an. Herr Staatssekre-
tär, ich möchte Sie fragen, ob Ihnen Zahlen bekannt sind,
wie viele Beschäftigte bei Eintritt in das Rentenalter
über eine betriebliche oder eine private Altersvorsorge
verfügen und wie viele nicht, sodass klar gesagt werden
könnte, wie stark die Verzerrung, wie Sie es genannt ha-
ben, ist.

H
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701816900


Ich habe bei der Beantwortung einer vorherigen Frage
schon ausgeführt, dass 17,5 Millionen Personen Anwart-
schaften auf eine Betriebsrente haben – mit steigender
Tendenz. Daraus ergibt sich das Volumen.


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701817000

Herr Kollege Lehrieder.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701817100

He
Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1701817200
Welche Möglichkeiten haben eigentlich Selbststän-
dige, die nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
sind, Alterssicherungsvermögen aufzubauen, und wie wird
dieses Alterssicherungsvermögen gesetzlich geschützt?

H
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1701817300


Selbstständigen wird über die sogenannte Rürup- oder
Basisrente der Aufbau einer staatlich geförderten Alters-
sicherung ermöglicht. Die Förderung besteht darin, dass
die Beiträge zu einer solchen Rürup-Rente zusammen mit
den Beiträgen zu gesetzlichen Alterssicherungssystemen,
zum Beispiel zur gesetzlichen Rentenversicherung, stu-
fenweise ansteigend bis zum Jahre 2025 völlig steuerfrei
gestellt werden. Das heißt, schließt man eine Rürup-
Rente ab, so hat dies eine interessante und günstige steu-
erliche Auswirkung. Dem Prinzip der nachgelagerten Be-
steuerung entsprechend werden die Renten später eben-






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel
falls stufenweise ansteigend bis zum Jahre 2040 voll
besteuert. Rürup-Produkte – ich habe mir extra ein paar
Fakten zusammengestellt, weil ich dachte, dass dies zum
Gesamtthemenkomplex gehört – müssen weitgehend den
Kriterien der gesetzlichen Rentenversicherung entspre-
chen. Das heißt, solche Verträge sind zum Beispiel nicht
veräußerbar und auch nicht vererbbar.

Der überwiegende Teil der circa 1 Million abge-
schlossenen Verträge sind Rentenversicherungen. Hier
besteht für den Fall der Insolvenz – das ist sehr wichtig,
um den Gesamtzusammenhang zu beurteilen – das glei-
che Schutzsystem wie bei Lebensversicherungsverträ-
gen.

Seit 2009 müssen solche Verträge, mit der Riester-
Rente vergleichbar, von der Bundesanstalt für Finanz-
dienstleistungsaufsicht zertifiziert werden. Daran sieht
man, dass die Qualität dieses Instruments angehoben
wurde. Daher wird dieses Instrument künftig auf dem
Markt eine noch größere Rolle spielen und insbesondere
– das war Ihre Frage – den Selbstständigen helfen.


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1701817400

Die Fragen 5 bis 9 der Kollegen Dr. Ilja Seifert,

Dr. Martina Bunge, Veronika Bellmann und Volker Beck
werden schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende
dieses Geschäftsbereichs. Herr Staatssekretär Fuchtel,
herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen.

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz. Hier steht für die Beantwortung der
Fragen Frau Parlamentarische Staatssekretärin Julia
Klöckner zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 10 der Kollegin Dagmar Ziegler
auf:

Wann wird die Bundesregierung darüber entscheiden, wo
in Neuruppin der neue Standort der Außenstelle des Bundes-
instituts für Risikobewertung errichtet wird?

Frau Staatssekretärin.

Ju
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701817500


Frau Kollegin Ziegler, Sie möchten erfahren, wann
die Entscheidung getroffen wird, wo in Neuruppin die
Außenstelle des BfR errichtet wird. Die Bundesanstalt
für Immobilienaufgaben führt derzeit eine Wirtschaft-
lichkeitsuntersuchung in Bezug auf den Standort in Neu-
ruppin durch. Es geht bei den Unterbringungsalternati-
ven darum, ob sich die alte Panzerkaserne oder der
Neubau anbietet. Nach dem Vorliegen des Ergebnisses
dieser Wirtschaftlichkeitsuntersuchung wird über den
endgültigen Standort dieser Außenstelle des Bundes-
instituts entschieden werden.


Julia Klöckner (CDU):
Rede ID: ID1701817600

Frau Kollegin Ziegler, bitte.

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701817700

Meine Nachfrage bezieht sich darauf, ob der Standort

Neuruppin damit nicht infrage steht.

Ju
Dagmar Ziegler (SPD):
Rede ID: ID1701817800


Ich kann Ihnen versichern – ich weiß auch, dass das
Ihr Anliegen ist, weil es Ihre Region ist –: Wir stellen
diesen Standort nicht infrage. Das ist im Haushalt klar
vorgesehen. Ich weiß, dass es vonseiten des Personalrats
Einwände gab, weil die Mitarbeiter umziehen müssen,
aber von unserer Seite aus ist das klare Bekenntnis zu
Neuruppin weiterhin gegeben.


(Dagmar Ziegler [SPD]: Vielen Dank!)



Julia Klöckner (CDU):
Rede ID: ID1701817900

Es gibt keine weitere Zusatzfrage. Vielen Dank, Frau

Staatssekretärin.

Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums der Verteidigung auf. Hier steht für die Beant-
wortung der Fragen der Parlamentarische Staatssekretär
Christian Schmidt zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 11 der Kollegin Ziegler auf:
Wann schließt die Bundesregierung die Prüfung zur

weiteren Verwendung des Truppenübungsplatzes Wittstock
– Kyritz-Ruppiner Heide – ab?

Herr Staatssekretär, bitte sehr.

C
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701818000


Frau Kollegin, auf Ihre Frage, wann die Prüfung einer
zukünftigen Nutzung des Truppenübungsplatzes abge-
schlossen sein wird, muss ich Ihnen antworten, dass über
die weitere Verwendung noch nicht entschieden wurde.
Wir haben derzeit Prüfungen möglicher Handlungs-
optionen, die umfangreiche und komplexe Analysen um-
fassen, in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse werden im
Ministerium erwartet. Es ist gegenwärtig noch nicht ab-
zusehen, wann mit einer abschließenden Entscheidung
zu rechnen ist. Ich kann allerdings zusagen, dass wir ein
Interesse daran haben, dass nach dem Vorliegen der Er-
gebnisse sehr bald über die Vorschläge entschieden wird.
Ein Zeitrahmen ist gegenwärtig leider noch nicht abseh-
bar.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1701818100

Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701818200

Herr Staatssekretär, befindet sich unter den Optionen,

die geprüft werden, auch die militärische Nutzung, oder
ist die von vornherein ausgeschlossen?

C
Dagmar Ziegler (SPD):
Rede ID: ID1701818300


Der Verzicht, den Truppenübungsplatz Wittstock als
Luft-Boden-Schießplatz zu nutzen, gilt weiterhin.






(A) (C)



(B) (D)


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1701818400

Danke.


Dagmar Ziegler (SPD):
Rede ID: ID1701818500

Die Fragen 12 und 13 der Kollegin Ingrid Arndt-

Brauer werden schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Hans-Christian
Ströbele auf:

Wie oft waren Soldaten der Bundeswehr im Jahr 2009 in
Afghanistan an kinetischen oder anderen Operationen in ir-
gendeiner Form beteiligt, bei denen Menschen – Taliban, an-
dere Aufständische oder Zivilpersonen – durch Bomben oder
Raketen von US-Flugzeugen oder Drohnen vernichtet werden
sollten oder vernichtet wurden, etwa indem sie die US-Luft-
schläge angefordert, freigegeben, geleitet oder angewiesen
haben, und wie oft waren die Soldaten der Bundeswehr, die in
der Nacht vom 3. zum 4. September 2009 mit dem Einsatz
von US-Flugzeugen gegen entwendete Tanklastkraftwagen
befasst waren, vorher schon einmal an Einsätzen und Opera-
tionen in Afghanistan beteiligt, bei denen Menschen durch
Raketen oder Bomben vernichtet werden sollten oder vernich-
tet wurden, die von US-Flugzeugen oder Drohnen abgefeuert
wurden?

C
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701818600


Vielen Dank, Herr Kollege. Sie hatten diese Frage ja
schon einmal gestellt. Ich hatte zu dem damaligen Zeit-
punkt auf die umfangreichen Recherchen hingewiesen,
die notwendig waren. Diese sind zwischenzeitlich er-
folgt.

Insofern kann ich Ihre Frage wie folgt beantworten:
Im Jahr 2009 wurden in insgesamt 37 Fällen Einsätze im
Rahmen der Luftnahunterstützung unter Beteiligung
deutscher Soldaten am Boden durchgeführt. 28 dieser
37 Einsätze erfolgten in der Form „Show of Force“, wa-
ren also Fähigkeitsdarstellungen: Überfliegen. 9 Ein-
sätze erfolgten mit Waffeneinsatz. Bei diesen 9 Einsät-
zen ging es im Regelfall aber nicht, wie das dem Duktus
Ihrer Frage vielleicht entnommen werden könnte, um
das Töten von Menschen, sondern um eine Warnung im
Rahmen einer Eskalation zum Schutz von ISAF-Solda-
ten.

Soll ich die Frage 15 gleich mitbeantworten?


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1701818700

Nein, das geht extra. – Herr Ströbele.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist ja ein Fortschritt, dass Sie sich immerhin bemü-
hen, auf Fragen zu antworten. Beim letzten Mal wurde
die Frage ja nicht beantwortet.

Mich interessiert natürlich in erster Linie der zweite
Teil dieser Frage: Inwiefern waren Soldaten der Bundes-
wehr, die an dem Einsatz vom 4. September 2009 betei-
ligt waren, vorher an solchen kinetischen Operationen
beteiligt? Da Sie diese Frage ja eigentlich gerade schon
hätten beantworten sollen, schließe ich gleich die eigent-
liche Nachfrage an: Wie viele Menschen sind denn bei
den Waffeneinsätzen, die Sie eingeräumt haben, „ver-
nichtet“ worden? Ich benutze dieses Wort nicht, weil ich
es so gerne ausspreche, sondern weil das offenbar der
Sprachgebrauch der Bundeswehr ist. Das entnehme ich
der Didaktik des Oberst Klein.

C
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701818800


Sehr verehrter Herr Kollege, zum Ersten darf ich
mich bedanken, dass das beiderseitige Bemühen um die
Findung von Informationen, von Auskünften und die
Weiterreichung derselben uns nahezu in eine Harmonie
bringt.


(Ute Kumpf [SPD]: So viel Schmalz muss nicht sein! Das glaubt man sowieso nicht!)


Die erste Frage hatte ich in der Tat – ich bitte um Nach-
sicht – der Frage 15 zugerechnet. Das war ein Missver-
ständnis meinerseits.

Zur Frage zum 4. September: Der JTAC – das ist eine
NATO-Bezeichnung für den Fliegerleitfeldwebel –, der
am 4. September 2009 in Kunduz die Luftnahunterstüt-
zung eingesetzt hatte – wir wissen, dass über die Um-
stände noch zu sprechen sein wird –, hatte vor diesem
Einsatz viermal Luftnahunterstützung in Form von
„Show of Force“ ohne Waffeneinsatz und einmal Luft-
nahunterstützung mit Waffeneinsatz angefordert.

Bezüglich der Ergänzungsfrage, die Sie zum
4. September gestellt haben, kann ich Sie auf die be-
kannten Daten hinweisen. Es ist umfangreich vorgetra-
gen worden, wie viele Getötete es gegeben hat. Bei den
anderen ist mir eine Zahl nicht ersichtlich. Ich bitte da-
rum, dass ich die nachreichen kann. Bisher hat es da, so-
weit ich das sehe, keine Tötungen gegeben. Aber ich
sage das unter dem Vorbehalt der nochmaligen detaillier-
ten Prüfung, über die ich Sie zeitnah informieren werde,
Herr Kollege Ströbele.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1701818900

Herr Ströbele, bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da wir gerade bei den Höflichkeiten sind: Ich danke
natürlich für das Angebot, dass Sie nachliefern, und
hoffe, dass die Nachlieferung bald kommt.

Meine zweite Nachfrage lautet: Können Sie jetzt
schon sagen, wann die Einsätze mit Waffengewalt, über
die Sie sich noch einmal kundig machen wollen, stattge-
funden haben? Vielleicht können Sie nicht Tag und
Stunde nennen, aber in welchen Monaten im Jahr 2009
haben sie stattgefunden? Hat zum Beispiel eine im
Mai 2009 stattgefunden? Können Sie dazu etwas sagen?

C
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701819000


Zu den neuen Einsätzen kann ich keine tageweise
Einzelaufschlüsselung geben. Es lässt sich allerdings
keine besondere Zusammenballung erkennen mit der
Ausnahme, dass in der Winterzeit die Anzahl der Ein-
sätze geringer war. Soweit das recherchierbar ist – das






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Christian Schmidt
dürfte es ja nun sein –, will ich zusagen, Ihnen auch dies
mit Monatsbenennung und Zahl zu geben.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1701819100

Nun rufe ich Frage 15 des Kollegen Hans-Christian

Ströbele auf:
In welcher Weise war der neue Generalinspekteur der

Bundeswehr, General Volker Wieker, in seiner vorherigen
Funktion als Chef des ISAF-Stabes im ISAF-Hauptquartier in
Kabul an der Sachverhaltsfeststellung sowie Bewertung der
Bombardierung einer Menschenmenge in Kunduz/Afghanis-
tan am 4. September 2009 beteiligt, so wie dies etwa Aus-
druck fand in den kritischen Äußerungen seines damaligen
Vorgesetzten Stanley McChrystal oder dem erstellten ISAF-
Untersuchungsbericht, und wann teilte General Volker Wieker
möglicherweise seine diesbezüglichen Feststellungen und
Wertungen erstmals Vertretern der Bundesregierung mit?

C
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701819200


Sie fragen nach der Tätigkeit von General Wieker in
Kabul als Chef des Stabes ISAF, also als der Stabschef
des Kommandeurs General McChrystal. Er hat diesen
Dienst am 6. Oktober 2009 angetreten. Herr Kollege, Sie
mögen schon daraus schließen, dass eine Befassung mit
den Vorfällen vom 4. September 2009 zeitlich unmittel-
bar nicht stattgefunden hat. General McChrystal hatte
zwei Untersuchungsgruppen eingesetzt, deren Selbst-
ständigkeit in der Ermittlung er sehr strikt bedacht und
betrachtet hat, nämlich das Initial Action Team, das den
ursprünglichen Bericht geschrieben hat, und das Joint
Investigation Board, die beide ausschließlich mit der Er-
mittlung des Sachverhaltes beschäftigt waren. Daher
kann ich Ihre Frage, ob General Wieker in seiner Funk-
tion bei ISAF an Sachverhaltsdarstellungen oder Wer-
tungen beteiligt war, mit Nein beantworten.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1701819300

Haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Staatssekretär, Sie weisen darauf hin, dass er im
Hauptquartier von General McChrystal war. General
McChrystal hat sich in einem sehr frühen Stadium, wenn
ich mich richtig erinnere, schon am 5. September 2009,
also sehr zeitnah zum 4. September, auch in der Öffent-
lichkeit sehr kritisch geäußert, unter anderem anlässlich
seines Besuchs eines Krankenhauses in Kunduz, wo er
einige Verletzte besucht hat. Nun kam Herr General
Wieker im Oktober 2009 dazu. Ich vermute, dass dann
auch über die kritische Haltung seines Vorgesetzten zu
diesem deutschen Einsatz gesprochen wurde. Können
Sie das bestätigen? In welcher Weise hat der deutsche
General das dann an die deutsche Bundesregierung wei-
tergegeben?

C
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701819400


Herr Kollege Ströbele, Sie gestatten, dass ich das jetzt
etwas bildhaft mache.

(Ute Kumpf [SPD]: Und wenn wir es nicht gestatten?)


Die militärischen Verhaltensweisen gerade in internatio-
nalen Stäben zeichnen sich nicht dadurch aus, dass da
einer kommt und sagt: „Hallo, ich bin der Neue. Sag ein-
mal, was hast du eigentlich vor drei Wochen hier ge-
sagt?“ – Das ist nicht üblich. Deswegen kann ich nur un-
terstreichen, dass das kein Thema war.

Ich möchte das mit einem anderen Hinweis ergänzen.
Der damalige Generalinspekteur, General Schneiderhan,
hatte in dieser Funktion einige Tage nach dem
4. September 2009, nach dem Vorfall, eine Reise nach
Afghanistan unternommen. Da war bereits das Joint
Investigation Board unter der Leitung eines kanadischen
Generals von General McChrystal eingesetzt. General
Schneiderhan berichtete von einem zufälligen Zusam-
mentreffen mit ihm auf dem Gang – offensichtlich haben
sich da zwei Raucher getroffen – und einem deutlichen
Hinweis von General McChrystal, man möge jede Kon-
taktaufnahme und jegliche Gespräche bitte unterlassen.
Das war also sehr strikt.

Ich denke – das ist eine Vermutung; das ist keine
Kenntnis, die ich durch Befragung gewonnen habe –,
dass sich auch General Wieker seinem Chef gegenüber
entsprechend verhalten hat. An einer Stelle habe ich al-
lerdings nicht vermutet, sondern befragt: Herr General
Wieker hat zu diesem Thema keine Beiträge geliefert.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Eine zweite Zusatzfrage, Frau Präsidentin, wenn Sie
gestatten. – Mir leuchtet Ihre Argumentation nicht ganz
ein. Es handelte sich ja nicht um irgendeinen Stabswech-
sel, dass jemand dorthin kommt und Hallo sagt, wie Sie
es gerade zu bagatellisieren versuchten, sondern es
kommt ein deutscher General in einen Kommandostab.
Der Chef dieses Kommandostabs hat vor ein paar Wo-
chen einen deutschen Einsatz getadelt – das hat er vorher
noch nie getan; jedenfalls ist das mir und der Öffentlich-
keit nicht bekannt –, dass dieser nicht seinen Befehlen
entsprochen habe, dass seine Befehle also missachtet
worden seien. In dieser Situation kommt der neue deut-
sche General dorthin. Dass darüber nicht gesprochen
worden ist, ist für mich schwer nachvollziehbar. Haben
Sie das mit dem deutschen General erörtert?

C
Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1701819500


Ich habe nicht mit ihm erörtert, ob das für Sie schwer
nachvollziehbar ist oder nicht. Ich habe mit ihm erörtert,
dass es so ist.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1701819600

Die Frage 16 des Kollegen Fritz Rudolf Körper wird

schriftlich beantwortet.

Ich rufe damit die Frage 17 des Kollegen Andrej
Hunko auf:

Warum ist die Bundesregierung der Auffassung, dass für
die von der Bundeskanzlerin zugesicherte „lückenlose Auf-
klärung“ des tragischen Luftangriffs zur Vernichtung soge-






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
nannter Aufständischer in der Nacht vom 3. zum 4. September
2009 in Kunduz weitere Ermittlungen durch das Kommando
Führung Operationen von Spezialkräften notwendig sind,
und, wenn nein, warum nicht?

C
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701819700


Herr Hunko, Ihre Frage erschließt sich mir nicht ganz,
weder von der Syntax noch von der Intention her. Darf
ich fragen, auf welche wo geäußerte Auffassung der
Bundesregierung Sie sich beziehen, damit ich weiß, was
der Hintergrund ist?


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1701819800

Herr Kollege.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701819900

Es geht darum, ob Sie, was das Kommando Führung

Operationen von Spezialkräften angeht, weitere Aufklä-
rung für notwendig erachten oder nicht.

C
Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701820000


Vielen Dank, Herr Kollege. – Dann verstehe ich Sie
so, dass Sie an mich die Frage richten, ob ich als Vertre-
ter der Bundesregierung dieser Auffassung bin und ob
die Bundesregierung insgesamt dieser Auffassung ist.
Ich kann diese Frage klar beantworten. Der Luftangriff
gegen die beiden entführten Tanklastzüge war keine
Operation der Spezialkräfte, stand auch in keinerlei Zu-
sammenhang mit der zum damaligen Zeitpunkt laufen-
den Operationsführung der bekannten Task Force 47.
Nach den uns zwischenzeitlich vorliegenden Ergebnis-
sen, Informationen und Bewertungen sind zum derzeiti-
gen Stand der Untersuchung des Vorfalls keine weiteren
Ermittlungen des Kommandos FOSK, der Führung von
Operationen von Spezialkräften, erforderlich.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1701820100

Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Kollege?


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701820200

Ja. – Es ist bekannt, dass mindestens ein KSK-Soldat

in der Task Force 47 war. Unter welcher Führung stand
dieser Soldat? Unterstand er der Führung des Komman-
dos FOSK, oder war er in die Task Force 47 eingebun-
den?

C
Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701820300


Das Kommando Führung von Operationen von Spe-
zialkräften war weder an der Vorbereitung noch an der
Durchführung des Luftangriffs beteiligt und erhielt auch
erst nach erfolgtem Luftangriff von dem Vorkommnis
Kenntnis. Die Tatsache, dass ein Soldat aus dem Bereich
der Task Force 47 stammt und dort angesiedelt ist, ist
richtig. Das heißt aber nicht, dass die Task Force 47 ge-
staltenden Einfluss auf die Operation hatte. Die Opera-
tionsführung lag nicht bei der Task Force 47.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1701820400

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701820500

Können Sie dann sagen, wie viele KSK-Soldaten ins-

gesamt in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009
in Kunduz im Einsatz waren?

C
Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701820600


Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich weiß nicht ad
hoc, welche Einsätze insgesamt im Bereich Kunduz
stattgefunden haben. Wenn Sie auf die speziellen Fragen
hinsichtlich des Angriffes auf die Tanklastfahrzeuge und
die Bombardierung Bezug nehmen, dann gilt das, was
ich gesagt habe: Die Task Force 47 ist nicht betroffen ge-
wesen.

Nach meiner Kenntnis war mindestens ein Soldat, der
im Bereich der Task Force 47 tätig ist, mit vor Ort. Sollte
ein weiterer da gewesen sein – was ebenfalls nicht dazu
führt, dass die Task Force 47 operativ beteiligt war –,
würde ich das noch sagen. Nach meiner gegenwärtigen
Erinnerung war es aber nur ein Einziger. Die Operations-
führung lag definitiv bei dem Kommandeur des PRT
Kunduz, Oberst Klein.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1701820700

Ich rufe die Frage 18 der Kollegin Inge Höger auf:

Warum druckt das Bundessprachenamt, das zum Ge-
schäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung ge-
hört, den 61-seitigen „Persisch-Sprachführer für die Bundes-
wehr“ – Nachdruck: Mai 2008 –, dessen Vokabular sich
insbesondere auf den Iran bezieht und militärische Befehle
beinhaltet?

C
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701820800


Es geht – damit das jeder nachvollziehen kann – um
die Übersetzung von militärischen Befehlen. Die persi-
sche Sprache ist eine Sprache, die auch in Afghanistan
gesprochen wird. Daraus ergibt sich, dass es im Hinblick
auf die Kommunikationsfähigkeit unserer Soldaten Sinn
macht, ihnen eine Handreichung zu geben.

In Ihrer Frage wird möglicherweise insinuiert – dieser
Eindruck entsteht, da ja ein Artikel aus der Jungen Welt
die Grundlage für Ihre Frage ist –, dieser Sprachführer
sei eine Vorbereitung für was wann wie auch immer.

In diesem Sprachführer ist eine Stadt erwähnt, das ist
die Stadt Köln. Der Satz „Ich stamme aus Köln“ wird in
die Sprache Dari übersetzt; ich kann das leider nicht vor-
tragen.

Wenn die Frau Präsidentin mir das gestattet, möchte
ich mir erlauben, darauf hinzuweisen, dass in diesem
Hohen Hause vor wenigen Stunden der Bundestagspräsi-
dent den israelischen Staatspräsidenten begrüßt hat und
dabei auf die Bedrohungslage Israels hingewiesen und
das Existenzrecht Israels bekräftigt hat. Der israelische
Staatspräsident hat aus der Rede, die die Bundeskanz-
lerin vor dem amerikanischen Kongress gehalten hat, zi-
tiert:

Ein Angriff auf Israel kommt einem Angriff auf
Deutschland gleich.






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Christian Schmidt
Der missverständliche Eindruck, der aus Ihrer Frage
heraus möglicherweise entsteht, ist in diesem Hause
heute – Sie gestatten mir diese Bewertung – völlig fehl
am Platze.

Zum Inhalt habe ich weiter nichts zu sagen, weil die
Frage jeglicher Substanz entbehrt.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1701820900

Frau Kollegin Höger.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701821000

Ich finde, dass ich als Parlamentarierin durchaus das

Recht habe, zu fragen, warum die Bundesregierung ei-
nen Sprachführer mit militärischem Vokabular in irani-
scher Sprache druckt.


(Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär: Ich habe doch geantwortet! Ist doch beantwortet! Haben Sie ein Problem? – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das denn?)


Ich habe jetzt eine Zusatzfrage. Das ist auch mein gu-
tes Recht. Meine Zusatzfrage ist – –


(Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär: Doch, doch! Schon beantwortet!)



Inge Höger-Neuling (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701821100

Das Wort hat die Kollegin Höger.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701821200

In diesem Sprachführer kommt zum Beispiel der Satz

vor: „Der Iran ist ein sehr schönes Land.“ Daher kann
man schon den Eindruck haben, dass sich die Bundes-
wehr auf weitere Auslandseinsätze, zum Beispiel auch
im Iran, vorbereitet. Ich hätte gern eine Antwort darauf,
ob das so ist.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bleiben Sie gelassen! Das ist nicht einfach! Ich weiß, dass es schwer ist, dabei gelassen zu sein!)


C
Inge Höger-Neuling (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701821300


Frau Kollegin Künast, ich bleibe gelassen. Bleiben
Sie auch gelassen! Sie sind gar nicht gefragt; aber auch
Sie waren heute dabei: Wir haben in diesem Hause über
andere Dinge, über unsere Geschichte und über die Be-
drohung, die durch den Iran entsteht, diskutiert. – Frau
Höger, hier bleibe ich nicht gelassen und sage: Wenn der
Satz „Der Iran ist ein sehr schönes Land“ im Sprachfüh-
rer steht, dann soll das so sein. Was Sie darin lesen kön-
nen oder nicht, bleibt Ihnen überlassen. Jedenfalls wird
die Bundesregierung hierzu keine Stellung nehmen.


(Markus Grübel [CDU/CSU]: Die Schweiz ist auch ein schönes Land, und kein Mensch will da einmarschieren!)



Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1701821400

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701821500

Ich möchte gerade nichts hineininterpretieren.


(Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär: Na gut! Dann fragen Sie nicht!)


Deshalb möchte ich diese Frage stellen.


Inge Höger-Neuling (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701821600

Die Frau Kollegin hat noch die Möglichkeit zur zwei-

ten Zusatzfrage.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701821700

Es waren weitere Formulierungen in diesem Sprach-

führer enthalten, zum Beispiel „Wir gehören zu den
UNO-Peacekeeping-Kräften“, „Halt oder ich schieße!“,
„Die Hände hoch!“ oder „Widerstand ist zwecklos!“ Wa-
rum will das Verteidigungsministerium Bundeswehrsol-
daten diese Sätze auf Persisch beibringen?

C
Inge Höger-Neuling (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701821800


Weil es in Afghanistan Leute gibt, die als erste Spra-
che Persisch sprechen. Das ist zwar nicht im Norden der
Fall, aber Afghanistan ist ein großes Land. Wer einmal
in Herat gewesen ist, der weiß durchaus, dass es dort
eine große iranische Minderheit gibt. Das geht übrigens
sogar so weit – das will ich bei dieser Gelegenheit
sagen –, dass es dort ein durchaus positives iranisches
Engagement in der praktischen Entwicklungszusammen-
arbeit gibt. Ich weiß von einem Projekt im Norden der
Provinz Herat, das die deutsche Nichtregierungsorgani-
sation Help betreut, bei dem es ein Investment vonseiten
der iranischen Behörden gibt, in Form von Schulbauten.
Allerdings muss die Kommunikation in diesen Schulen
in persischer Sprache stattfinden.

Ich möchte Sie – wenn ich das noch sagen darf – bei
aller Gelassenheit und mit Respekt vor Ihrem Recht,
Fragen zu stellen, bitten, zu reflektieren, ob man es nicht
beim Komplex der Fragestellung und bei meinen Ant-
worten bewenden lassen sollte. Man sollte tatsächlich
nicht Dinge „hineingeheimnissen“, die nicht da sind.
Wir können uns gemeinsam bei anderer Gelegenheit mit
dem Autor der Jungen Welt und seinen kruden Vorstel-
lungen auseinandersetzen.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1701821900

Wir kommen zur Frage 19 der Kollegin Sevim

Dağdelen:
Wie will die Bundesregierung verhindern, dass mit dem

neuen Beschluss des Rates zur Änderung des Mandats der

(Beschluss 2009/ 907/GASP des Rates)

sammenarbeit mit der im Rahmen der Operation „Dauerhafte
Freiheit“ agierenden Seestreitkraft Combined Task Force 150
vorsieht, über die Zusammenarbeit auch etwa Aufklärungsda-
ten an die USA und deren Verbündete, einschließlich der je-
menitischen Streitkräfte, weitergegeben werden, die im Jemen
mehrfach und in Zukunft absehbar verstärkt gezielte Tötun-
gen durch bemannte und unbemannte Luftangriffe vorneh-
men?






(A) (C)



(B) (D)

C
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701822000


Frau Kollegin, der neue Ratsbeschluss zur EU-
NAVFOR-Operation Atalanta sieht vor, die Koordina-
tion der vor der Küste Somalias in unterschiedlichen
Operationen bezüglich der Pirateriebekämpfung auf See
eingesetzten Einheiten weiter zu verbessern; er ist wich-
tig und gut. Weder im Rahmen der Operation „Dauer-
hafte Freiheit“ – häufig wird der englische Begriff
„Enduring Freedom“ verwendet – noch bei der EU-Mis-
sion Atalanta haben die dort eingesetzten deutschen Ein-
heiten die Aufgabe, Informationen über terroristische
Netzwerke innerhalb des Jemen zu erfassen. Das Opera-
tionsgebiet ist auf die Seegebiete am Horn von Afrika
begrenzt und schließt damit den Jemen nicht ein.

Die Weitergabe von Informationen durch die Bundes-
wehr an Freunde und Partner ist durch Weisungen ein-
deutig geregelt. Die Weitergabe von Verschlusssachen
durch die Bundeswehr an den Jemen kann grundsätzlich
– ungeachtet der Tatsache, dass es in diesem Zusammen-
hang gar nicht geschieht – nicht erfolgen, weil es die
dafür notwendige Vereinbarung, ein sogenanntes Ge-
heimschutzabkommen zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Republik Jemen, nicht gibt.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1701822100

Frau Kollegin, haben Sie eine Nachfrage? – Bitte.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701822200

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,

die Frage war ja eigentlich, wie sie das verhindern will.
Dass das in dem Mandat normalerweise nicht enthalten
ist, ist mir klar.

Ich möchte gerne zu meiner Nachfrage kommen:
Trifft es zu, dass der deutsche Beitrag zur Operation
Enduring Freedom – „Dauerhafte Freiheit“ – und zu
Atalanta unter anderem in der Bereitstellung eines See-
fernaufklärers P3-C Orion liegt, der mit modernster
Technologie für die weiträumige Aufklärung auch über
Land ausgerüstet ist, und dass dabei, wie es durch ver-
schiedene Berichte auf der Homepage der Bundeswehr
nahegelegt wird, ein und dasselbe Flugzeug im selben
Einsatzraum unter beiden Mandaten im Einsatz ist?

C
Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701822300


Die Bundeswehr beteiligt sich in der Tat im Rahmen
der Operation „Dauerhafte Freiheit“, und sie hat für die
entsprechenden Zeiträume – nach meiner Kenntnis be-
ginnt das in diesem Jahr im März – ein Seefernaufklä-
rungsflugzeug P3-C Orion in Dschibuti stationiert. Die-
ses Aufklärungsflugzeug wird für die Erfüllung der
Aufgaben der Task Force 150 innerhalb der Operation
Enduring Freedom – „Dauerhafte Freiheit“ – genutzt.
Das bezieht sich ausschließlich auf das Seegebiet, ein
Gebiet, in dem auch die Pirateriebekämpfung stattfindet.

Man muss dazu wissen, dass die P3-C Orion ein Flug-
zeug ist, das im Gegensatz zu den AWACS keinen Ra-
dius von Hunderten von Kilometern abdecken kann, um
irgendwo hineinzuschauen, sondern sehr präzise Bilder
von einem relativ begrenzten Bereich des Seegebiets lie-
fert. Das ist sinnvoll und notwendig, insbesondere, um
festzustellen, ob beispielsweise Waffenschmuggel über
See stattfindet, und um im Rahmen der Pirateriebekämp-
fung zu ermitteln, wie die Skiffs besetzt sind und ob die
Piraten bewaffnet sind.

Aus meiner farbigen Darstellung erkennen Sie, dass
ich selbst in der P3-C Orion solches schon betrachtet
und beobachtet habe. Ich kann ausschließen, dass die
P3-C Orion über jemenitischem Staatsgebiet – –


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Das war nicht meine Frage!)


– Das war nicht die Frage?


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1701822400

Frau Kollegin, der Herr Staatssekretär antwortet noch.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701822500

Okay. – Es ging darum, ob es unter beiden Mandaten

eingesetzt wird.

C
Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701822600


Ich kann ausschließen, dass der Seefernaufklärer im
Rahmen der Operation „Dauerhafte Freiheit“ Nachrich-
ten übermittelt und dass eine solche Nachrichtenüber-
mittlung an jemenitische Behörden stattfindet. Entspre-
chende Informationen fallen auch nicht an, weil es
aufgrund der Technik keine großflächigen Zufallsbeob-
achtungen gibt. Das ist also sichergestellt.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1701822700

Sie haben die Möglichkeit, noch eine weitere Zusatz-

frage zu stellen. – Bitte.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701822800

Frau Präsidentin, ich darf feststellen, dass die Frage

nicht klar und deutlich beantwortet worden ist.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist der Meister des Unbestimmten! – Ute Kumpf [SPD]: Genau: Der Meister des Schwammigen!)


Ich möchte meine zweite Nachfrage dazu nutzen, die
Bundesregierung zu fragen: Sieht sich die Bundesregie-
rung aufgrund dieser Zusammenarbeit und vor dem Hin-
tergrund, dass General David Petraeus in einem Inter-
view mit al-Arabiya angab, dass zumindest die US-
Marine im Golf von Aden auch damit beauftragt sei,
Waffenlieferungen an die Huthi-Bewegung zu unterbin-
den, als Konfliktpartei in der innerjemenitischen Ausei-
nandersetzung?

C
Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701822900


Frau Kollegin Dağdelen, ich bin gerne bereit, Ihre
Frage zu beantworten und auch Ihre Rüge hinzunehmen,
dass Ihnen meine Antwort nicht ausreichend erscheint.






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Christian Schmidt

Sie gehen davon aus, dass die Task Force 150, die Sie
in Ihrer Frage genannt haben, Informationen sammelt,
die dem entsprechen, was Sie nach Ihren Schilderungen
erwarten. Das ist im Auftrag der Operation „Dauerhafte
Freiheit“ für die Task Force 150 nicht der Fall.

Über die Fähigkeiten von Schiffen und Überwa-
chungsgeräten, die von anderen Ländern beigestellt wer-
den, kann ich nichts im Detail sagen. Das Einzige, was
ich konkret angeben kann, ist das, was die P3-C Orion
kann. Das kann ich für uns und für unsere Vereinbarun-
gen sagen, die wir im Rahmen von OEF getroffen haben
und an die wir uns halten.

Was andere Länder gegebenenfalls bilateral machen,
ist eine Angelegenheit dieser Länder, über die ich weder
seriös berichten kann noch will, weil das über meinen
Informationsstand hinausgeht. Allein bei der Pirateriebe-
kämpfung befinden sich nach meiner Information gegen-
wärtig über 20 Länder zum Teil in nationalen Operatio-
nen in dem Gebiet, in dem sowohl die Task Force 150

als auch Atalanta tätig sind. Deswegen kann ich das
nicht ausschließen. Aber ich meine, es gehört nicht zur
Berichtspflicht der Bundesregierung, weil es uns auch an
eigenen Informationen mangelt.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1701823000

Herr Staatssekretär, vielen Dank.

Damit haben wir den zeitlichen Rahmen der Frage-
stunde mehr als ausgeschöpft. Die restlichen noch offe-
nen Fragen werden schriftlich beantwortet.

Wir sind damit am Ende unserer heutigen Tagesord-
nung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 28. Januar 2010,
9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch
einen schönen Abend.

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1701823100