Gesamtes Protokol
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-
zung ist eröffnet.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines 8. Gesetzes zur
Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,
Frau Ursula Heinen-Esser. – Bitte schön, Sie haben das
Wort.
Ur
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-
nen und Kollegen! Das Bundeskabinett hat in seiner heu-
tigen Sitzung sowohl den Entwurf eines 8. Gesetzes zur
Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes wie auch
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Redet
den Entwurf der Neununddreißigsten Verordnung zur
Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes be-
schlossen. Sowohl der Gesetzentwurf als auch der dazu-
gehörige Verordnungsentwurf dienen der Umsetzung der
EG-Luftqualitätsrichtlinie. Diese Luftqualitätsrichtlinie
modifiziert entsprechende europäische Regelungen, die
zwischen den Jahren 1996 und 2004 durch EG-Richtli-
nien begründet wurden. In der Öffentlichkeit sind diese
Richtlinien eher unter Stichworten wie Umweltzonen,
Plaketten auf den Autos etc. bekannt.
Die Frist zur Umsetzung der Luftqualitätsrichtlinie
läuft am 10. Juni 2010 aus. Das erklärt auch, warum wir
heute den Gesetzentwurf beschließen mussten. Die neue
Richtlinie löst die sogenannte Luftqualitätsra
linie und drei dazugehörige Tochterrichtlini
übernimmt insbesondere bereits bestehende
tätsgrenzwerte, beispielsweise für Feinstau
)
)
Ich bitte zunächst, Fragen zu dem Themenbereich zu
stellen, über den eben berichtet wurde. – Ingbert Liebing
von der CDU/CSU-Fraktion. Bitte schön.
Dann können wir ja die Fragestunde abschaffen, und
das wollen wir doch nicht.
Frau Staatssekretärin, Sie haben schon erwähnt, dass
es passieren kann, dass die zunächst vorgesehenen Zeit-
rahmen nicht eingehalten werden können. Es interessiert
mich, was passiert, wenn die ursprünglich von der EU
vorgegebenen Daten definitiv nicht eingehalten werden
können. Kommt es dann zu einem Vertragsverletzungs-
verfahren? Wie sieht es mit der Anlastung aus, wenn in
Innenstadtbereichen einzelner Kommunen die vorge-
schriebenen Werte nicht erreicht werden?
Ur
Es ist so, dass die Kommunen zum Teil bereits Frist-
verlängerungen in Anspruch nehmen. Das ist explizit das
neue Element dieser Richtlinie. Es geht darum, mit wel-
chen Maßnahmen wir es schaffen, die Feinstaubbelastung
zu reduzieren. Euro-6-Norm und Rußpartikelfilter für
Diesel-Pkw wären Stichwörter. Damit die Kommunen et-
was mehr Zeit bekommen, bis diese Maßnahmen wirken
müssen, können sie diese Fristverlängerung in Anspruch
nehmen.
Es gibt bereits eine positive Entscheidung der Kom-
mission für einige Gebiete. Das betrifft beispielsweise
die Ballungsräume Augsburg und München, aber auch
Städte wie Dortmund, Düsseldorf, Hagen und Wupper-
tal. Wenn allerdings nach dem Jahr 2011 bei PM10 oder
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Von daher bringen wir die richtigen Maßnahmen auf den
Weg. Lassen Sie mich ergänzend am Beispiel von PM10
deutlich machen: Die etwas größeren Feinstäube können
zwar die Bronchien belasten, aber sie greifen nicht wie
kleinere Feinstäube – deshalb ist es wichtig, dass wir die
Messgröße PM2,5 mit in das Gesetz aufgenommen ha-
ben – direkt die Lunge an und sind daher nicht extrem
gesundheitsschädlich. Deshalb ist es wichtig, dass wir
die Umweltzonen, beispielsweise in den Kommunen in
den Ballungsräumen, eingerichtet haben, um zu verhin-
dern, dass Grenzwerte überschritten werden.
Um eine Verbesserung zu erreichen, sind aber nicht nur
die Umweltzonen in den Kommunen notwendig. Viel-
mehr ist all das notwendig, was wir für Pkws oder – ich
darf auf den Koalitionsvertrag verweisen – für kleinere
Nutzfahrzeuge planen. Auch dort soll die Einführung von
Rußpartikelfiltern schneller geschehen. Mit diesen Maß-
nahmen, Umweltzonen, Partikelfilter und Euro-6-Norm
für Diesel-Pkw, sorgen wir dafür, dass die Grenzwerte
eingehalten werden, um so die Gefahr für die Gesundheit
der Menschen abzuwenden.
Nun Kollege Jens Koeppen mit der nächsten Frage.
Frau Staatsekretärin, es geht nicht nur um Feinstaub,
sondern auch um Stickstoffdioxid. Ab 2010 gelten schär-
fere Grenzwerte. Was gedenkt die Bundesregierung zu
tun, um diese strengen Grenzwerte einzuhalten? Welche
Anstrengungen müssen zur Durchführung gemacht wer-
den?
Ur
Auch bei den Stickoxiden ist entscheidend, wie sich
der Ausstoß bei Kraftfahrzeugen verändern und entwi-
ckeln wird. Es ist so, dass die Euro-6-Norm für Diesel-
Pkw erst ab dem Jahr 2014/2015 verbindlich gilt. Dann
müssen wir gegebenenfalls Fristverlängerungen in An-
spruch nehmen. Aber wir sind zurzeit dabei, mit der Au-
tomobilindustrie darüber zu verhandeln, ob sie in der
Lage ist, die Einführung solcher Fahrzeuge vorzuziehen,
sodass wir die Grenzwerte auch in diesen Bereichen sehr
zügig werden einhalten können.
Kollege Ulrich Petzold ist der Nächste.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe
eine Frage aus einem anderen Themenbereich an die
Bundesregierung.
Herr Kollege, noch sind wir bei den Fragen an die
Parlamentarische Staatssekretärin Heinen-Esser. Wann
wir das Thema wechseln, müssen Sie mir überlassen. Ich
habe Sie vorgemerkt.
Okay.
Als offensichtlich Letzter zu diesem Thema ist jetzt
Kollege Ingbert Liebing dran.
Frau Staatssekretärin, ich möchte noch einmal auf die
bereits angesprochenen Aerosole zurückkommen. Ich
kenne sie aus meinem Wahlkreis. Die Inseln und Halli-
gen in meinem Wahlkreis befinden sich in einer extrem
aerosolhaltigen Luft. Mich würde konkret interessieren,
mit welchem Verfahren sichergestellt werden soll, dass
diese Aerosole, die alles andere als Schadstoffe sind,
sondern im Gegenteil von uns als gesundheitsfördernd
angepriesen werden – die Leute kommen schließlich
dorthin, um die aerosolhaltige Luft zu genießen –, nicht
komplett als Schadstoffe bewertet werden. Mit welchem
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Eine Nachfrage? – Bitte.
Das verwundert mich. Der Parlamentarische Ge-
chäftsführer der CDU, Herr Altmaier, hat gestern eine
rklärung abgegeben, dass die Regierungskoalition ge-
chlossen hinter dem Bundesminister steht. Hält das
abinett es nicht für notwendig, wenn in der gesamten
ffentlichkeit davon gesprochen wird, dass der Bundes-
inister der Verteidigung gelogen hat,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 813
)
)
Wolfgang Gehrcke
sich damit auseinanderzusetzen, sich entweder vor den
Bundesminister zu stellen oder zu akzeptieren, dass
diese Behauptungen zu Recht erhoben worden sind?
B
Die Tatsache, dass das Kabinett sich heute nicht mit
diesem Thema befasst hat, ist kein Widerspruch zu der
Feststellung des Parlamentarischen Geschäftsführers
Altmaier. Darüber hinaus hat das Bundeskabinett durch-
aus gesehen, dass heute Nachmittag zu dieser Thematik
eine ausführliche Debatte stattfinden wird und dass die
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erfolgt. Ich
meine, deshalb war das Vorgehen des Kabinetts ange-
messen und richtig.
Bitte schön, Kollege Johannes Röring, nun zu Ihrer
angemeldeten Frage.
Ich habe eine Frage an Staatssekretär Müller. Das
Kabinett hat sich heute Morgen mit dem Milchsonder-
programm beschäftigt, das im Rahmen des Wachstums-
beschleunigungsgesetzes dankenswerterweise mit be-
schlossen wurde, um diese Branche, die in erheblichen
Schwierigkeiten steckt, zu unterstützen. Ich stelle auf-
grund meiner Informationen aus den Regionen und den
Mitteilungen der Betroffenen fest, dass die Hilfe drin-
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Warum werden die Mittel aus diesen einzelnen
Maßnahmen nicht früher ausgezahlt?
Herr Müller, bitte.
Dr
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Das Kabinett hat sich heute mit diesem Milch-
sonderprogramm zur Hilfe für die deutschen Landwirte
beschäftigt und dieses verabschiedet. Die Bundesregie-
rung hat sehr schnell und umfassend mit einem 750-Mil-
lionen-Euro-Programm reagiert, das durch unser Haus
und heute durch das Kabinett auf den Weg gebracht
wurde.
Bei der Schaffung dieses Programms war es sehr
wichtig, Maßnahmen zu wählen, die von der Europäi-
schen Kommission akzeptiert werden können und bei
denen es sich nicht um Staatsbeihilfen der Mitgliedstaa-
ten handelt, die den strengen Regelungen des europäi-
schen Beihilferechts unterliegen. Deshalb war es wich-
tig, dass das Sonderprogramm in den einzelnen Details
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Herr Staatsminister von Klaeden.
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Herr Kollege Beck, das Kabinett hat sich im Rahmen
er Verlängerung der Mandate mit dem Thema Afgha-
istan beschäftigt, unter anderem auch auf der Klausur-
agung des Kabinetts am 17./18. November dieses Jahres
n Meseberg. Ich kann Ihnen gerne auch schriftlich mit-
eilen, in welchen Kabinettssitzungen darüber hinaus
ber Afghanistan gesprochen worden ist.
Die in Ihren Fragen enthaltenen Unterstellungen hin-
ichtlich der Strategie werden auch im Laufe der Frage-
tunde zurückgewiesen werden können.
Eine Nachfrage? – Bitte schön.
Hat die Frage der Einsatzregeln im Rahmen des
SAF-Einsatzes wie im Rahmen des OEF-Einsatzes bei
ieser Erörterung im Kabinett eine Rolle gespielt, und
elcher Sachstand wurde dabei erörtert bzw. gab es eine
ivergenz zwischen den verschiedenen Ressorts?
E
Herr Kollege Beck, in der Befragung der Bundesre-
ierung geht es um die letzte Kabinettssitzung.
)
)
– Darf ich die Frage beantworten? –
Diese Frage hat der Kollege Neumann gerade beantwor-
tet. Darüber hinaus ist es selbstverständlich, dass die
Bundesregierung auf der Grundlage des Mandats der
Vereinten Nationen, der allgemeinen Grundsätze des
Völkerrechts und der Mandate des Bundestages agiert.
Eine andere Insinuierung entbehrt jeder Grundlage.
Ich möchte nur noch eines festhalten, damit klar ist,
auf welcher Grundlage wir uns hier bewegen.
Herr Kollege Beck, ist das noch eine Nachfrage, oder
worum handelt es sich?
Es handelt sich um eine Nachfrage und eine Klarstel-
lung.
– Nein.
– Ich belehre die Bundesregierung.
Ich würde niemals den Präsidenten belehren, weil er im
Unterschied zur Bundesregierung weiß, dass wir nicht
nur zur vorangegangenen Kabinettssitzung, sondern al-
lenfalls vorrangig zur vorangegangenen Kabinettssit-
zung fragen dürfen
und dass Sie uns Auskunft darüber geben müssen, in
welcher Art und Weise dieses Thema von der Bundesre-
gierung erörtert wird.
Mich würde interessieren, ob angesichts der aktuellen
Presseberichte innerhalb der Bundesregierung eine Dis-
kussion darüber geführt wird, ob das Ziel von Einsätzen
wie dem Bombardement in Kunduz das gezielte Töten
von Zivilpersonen oder Talibankämpfern ist, und zwar
auch dann, wenn es dabei nicht unmittelbar um eine Ge-
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Wir sind in einer Situation, in der sich die gesamte
ffentlichkeit tagtäglich mit den Vorfällen in Afghanis-
an und Kunduz beschäftigt. Hinzu kommt, dass sowohl
as parlamentarische als auch das öffentliche Interesse
n einer Aufklärung der Geschehnisse in Kunduz groß
ind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das Kabi-
ett in Anbetracht dieser Situation das letzte Mal in Me-
eberg ausführlich mit diesem Thema beschäftigt hat.
on daher bitte ich Sie, uns klar zu sagen: In welchen
abinettssitzungen hat sich die Bundesregierung mit
ieser Frage befasst?
Herr von Klaeden, bitte.
E
Frau Kollegin Haßelmann, ich wiederhole meine Ant-
ort: Die Bundesregierung hat sich auf mehreren Kabi-
ettssitzungen im Zusammenhang mit den Mandaten mit
fghanistan befasst, unter anderem auch in Meseberg.
ch habe daraufhin dem Kollegen Beck angeboten, ihm
chriftlich mitzuteilen, auf welchen Kabinettssitzungen
as der Fall gewesen ist.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 815
)
)
Staatsminister Eckart von Klaeden
Eine Nachfrage. Bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Dann frage ich noch
mal, Herr von Klaeden: Sie haben sich in dieser Woche
nicht mit der Situation in Kunduz beschäftigt, und Sie
haben sich in der letzten Woche nicht mit der Situation
in Kunduz beschäftigt? Kann ich das daraus schließen?
Sonst würden Sie uns sicher präzise sagen können, dass
sich das Kabinett zumindest in der letzten Woche inten-
siv mit der Situation befasst hat.
Herr Staatsminister.
E
Frau Kollegin Haßelmann, ich würde vorschlagen,
dass wir bei meiner Antwort bleiben. Wenn Sie möchten,
sende ich auch Ihnen gerne eine Abschrift meiner Ant-
wort an den Kollegen Beck zu.
Danke schön.
Jetzt hat sich noch Kollege Gehrcke gemeldet.
Sie
möchten das Thema nicht in der Öffentlichkeit haben.
Sie haben dem Hohen Hause mitgeteilt, dass sich die
Bundesregierung strikt an alle Vorschriften des Völker-
rechtes hält. Ich will noch mal präzise nachfragen: Kön-
nen Sie mir erklären, wo die gezielte Tötung von Zivilis-
ten – darum handelt es sich hier: Mord an Menschen,
denen nichts nachgewiesen ist, ohne Gerichtsprozess –
im Völkerrecht verankert sein soll und wieso gezielte
Tötung von Zivilisten Teil des Völkerrechts ist?
Herr Staatsminister, bitte.
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Herr Kollege Gehrcke, das, was Sie gerade behaup-
ten, habe ich nicht gesagt, und ich weise es mit aller Ent-
schiedenheit zurück.
Noch eine Nachfrage.
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ass es ein großes Verdienst des Bundesverteidigungs-
inisters ist und Respekt verdient, dass er den Primat
er Politik über die Sicherheits- und Verteidigungspoli-
ik wiederhergestellt hat.
Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es in
er Afghanistan-Frage vor der Einsetzung des Kollegen
u Guttenberg zum Verteidigungsminister einen Primat
es Militärs und nicht der Politik gegeben hat?
Herr Staatsminister.
E
Nein.
Weitere Fragen zu diesem Stichwort liegen nicht vor.
Gibt es darüber hinaus sonstige Fragen an die Bun-
esregierung? – Wenn das nicht der Fall ist, dann been-
en wir die Regierungsbefragung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksachen 17/191, 17/205 –
Es liegt eine ganze Reihe von dringlichen Fragen vor,
ie ich nacheinander aufrufe. All diese Fragen drehen
ich um den Luftangriff auf zwei Tanklastzüge bei Kun-
uz in Afghanistan.
Zunächst zur dringlichen Frage 1 der Abgeordneten
eike Hänsel. – Ich sehe die Abgeordnete Hänsel nicht.
ann wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vor-
esehen.
Ich komme zur dringlichen Frage 2 des Abgeordneten
ürgen Trittin:
Seit wann hat das Bundesministerium der Verteidigung
und ab wann das Bundeskanzleramt gewusst, dass es bei dem
)
)
Oberst Georg Klein an den Generalinspekteur bereits am
5. September 2009 berichtete, und warum hat dieses nicht
Eingang in die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin am
8. September 2009 gefunden?
Zur Antwort steht der Parlamentarische Staatssekretär
beim Bundesminister der Verteidigung Christian
Schmidt bereit.
C
Herr Kollege Trittin, ich beantworte Ihre dringliche
Frage wie folgt: Oberst Klein hat den Generalinspekteur
der Bundeswehr am 5. September 2009 – das war der
Samstag – schriftlich über den Luftangriff vom 4. Sep-
tember 2009 informiert. Das Kanzleramt hat diesen Be-
richt zwei Tage nach der Regierungserklärung vom
8. September 2009, also am 10. September 2009, erhal-
ten. Das Bundesministerium der Verteidigung hat keine
Kenntnis über eine Absprache zu einer Strategieände-
rung zwischen Kanzleramt und Bundesnachrichten-
dienst.
Kollege Trittin.
Herr Kollege Schmidt, ich darf noch einmal nachfra-
gen: Ist es also zutreffend, dass das Bundesverteidi-
gungsministerium die Kenntnis über den Bericht des
Obersts Klein, wonach er sich entschlossen habe, die Ta-
liban zu vernichten, nicht an das Bundeskanzleramt wei-
tergeleitet hat, obwohl eine Regierungserklärung ange-
kündigt worden war, und dass dies der Grund dafür ist,
dass dieser Umstand keinen Einfluss auf die Regierungs-
erklärung der Bundeskanzlerin hier vor dem Deutschen
Bundestag gehabt hat?
C
Ich kann Ihnen bestätigen, dass die Weiterleitung die-
ses Berichts, der dem Generalinspekteur, wie gesagt, am
5. September 2009 vorgelegen hat, am 10. September
2009 an das Bundeskanzleramt erfolgt ist.
Kollege Trittin noch einmal.
Herr Kollege Schmidt, in dieser Regierungserklärung
hat sich die Bundeskanzlerin gegen eine Kritik an die-
sem Luftschlag durch verbündete Staaten wie Frankreich
ausdrücklich verwahrt. Hat es, nachdem dieser Bericht
im Kanzleramt eingetroffen war und man ihn dort zur
Kenntnis genommen hatte, irgendwelche Überlegungen
gegeben, sich wegen dieser Äußerungen zumindest da-
hin gehend zu korrigieren, dass die Kritik unserer Ver-
bündeten an diesem Luftschlag offensichtlich nicht völ-
lig unbegründet war?
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Es gibt jetzt eine ganze Reihe von Meldungen, um
ine Nachfrage zu dieser dringlichen Frage zu stellen.
unächst hat Kollegin Hänsel das Wort, die inzwischen
ingetroffen ist. Ich bitte Sie aber, jetzt nicht Ihre Frage,
ondern eine Nachfrage zu stellen.
Danke schön, Herr Präsident. – Ich möchte gerne
achfragen, ob die Bundesregierung nur die konkreten
nformationen, also das Wissen, hinsichtlich des Verhal-
ens von Oberst Klein und der Bombardierung hatte und
b dies die Folge eines Strategiewechsels gewesen ist,
er unter Billigung des Bundeskanzleramtes entschieden
urde. Gab es einen Strategiewechsel in Afghanistan
ezüglich der dort stationierten Truppen?
C
Nein.
Der nächste Fragesteller ist jetzt der Kollege Beck.
Sie haben geschildert, dass Sie dem Bundeskanzler-
mt längere Zeit Informationen vorenthalten haben.
leichwohl hat die Bundesregierung in ihrer Regie-
ungserklärung Stellung zu Afghanistan genommen und
abei die Kritik der Verbündeten und in der Öffentlich-
eit an diesem Luftschlag zurückgewiesen.
Nach meiner Kenntnis des Geschäftsverlaufs im Be-
eich der Bundesregierung sind Regierungserklärungen
eine frei gehaltenen Reden, sondern sie werden pas-
agenweise mit den jeweils federführenden Ressorts
bgestimmt. Wie sah die Meinungsbildung im Bundes-
erteidigungsministerium bezogen auf die falschen Pas-
agen in der Regierungserklärung aus? Warum wurde
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 817
)
)
Volker Beck
nicht informativ oder korrigierend eingegriffen, um der
Bundeskanzlerin die Blamage zu ersparen, die Öffent-
lichkeit unwahr und fehlerhaft zu unterrichten, was bei
unseren Verbündeten sogar zu Missstimmungen führte?
Wir haben diese Erklärung der Bundeskanzlerin auf-
grund einer falschen Tatsachenbasis gehört.
C
Herr Kollege Beck, Ihre Nachfrage beinhaltet Ihre
persönliche Bewertung der Vorgänge, wenn Sie mir
diese Bemerkung gestatten, und darauf brauche ich nicht
zu antworten.
Sie meinen, dass es eine persönliche Bewertung ist,
die nicht der Auffassung der Bundeskanzlerin entspricht,
wenn man die Bewertung der Bundeskanzlerin in der
Regierungserklärung für eine Fehleinschätzung hält?
C
Ich mache mir Ihre Bewertung nicht zu eigen.
Das war nicht die Frage. Könnten Sie bitte die Regie-
rung ermahnen, Herr Präsident, auf unsere Fragen zu
antworten?
Wir sind hier nicht im Kabarett.
Herr Kollege Beck, auch ich habe als amtierender
Präsident nicht das Recht, Antworten der Bundesregie-
rung zu bewerten.
Das können Sie jeweils vornehmen. Die Verweigerung
einer Antwort oder eine Antwort wie diese ist auch eine
Form der Antwort. Das können Sie bewerten und dann
in der noch folgenden Debatte weiter vertiefen und dis-
kutieren.
Der Nächste ist Kollege Erler.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben eingeräumt, dass
es eine verspätete Anlieferung des Berichts an das Bun-
deskanzleramt gab. Können Sie uns sagen, wie das Bun-
deskanzleramt auf diese Verspätung reagiert hat? Denn
wahrscheinlich ist die Abweichung zwischen dem Da-
tum des Berichts und seiner Übergabe an das Kanzler-
amt bemerkt worden. Ist dazu irgendeine Rückfrage des
Bundeskanzleramts in Ihrem Haus eingetroffen?
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Die nächste Frage geht an Kollegen Ströbele.
Herr Staatssekretär, vielleicht müssen Sie die Frage
n den Herrn Staatsminister weitergeben. Ich frage Sie:
ar am Morgen des 4. September 2009 in Kunduz bei
er Erteilung der Weisung an die US-Kampfbomber,
omben abzuwerfen und Menschen zu vernichten, ein
ngehöriger des Bundesnachrichtendienstes anwesend,
nd wurde aus diesem Gespräch oder aus diesem Vor-
ang eine Information über das, was am 4. September im
auptquartier in Kunduz geschah, direkt an die Zentrale
es Bundesnachrichtendienstes und an das Aufsicht füh-
ende Kanzleramt weitergegeben?
818 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009
)
)
C
Herr Kollege Ströbele, ich verlasse mich und vertraue
auf Ihre unvergleichliche Expertise als Angehöriger von
Gremien dieses Hauses, die sich mit der Vertraulichkeit
oder der Geheimhaltung unterliegenden Strukturen be-
fassen, und gehe deswegen von Ihrem Verständnis dafür
aus, dass nachrichtendienstliche Dinge in den entspre-
chenden Gremien berichtet und behandelt werden.
Kollege Ströbele.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass das Bun-
desverfassungsgericht in dieser Frage anderer Auffas-
sung ist als Sie und im Jahr 2009 in einer Entscheidung
festgestellt hat, dass die Existenz des Parlamentarischen
Kontrollgremiums oder eines Untersuchungssausschus-
ses die Bundesregierung nicht von der Verpflichtung be-
freit, Abgeordneten des Deutschen Bundestages öffent-
lich – auch in einer Fragestunde – Auskunft zu erteilen,
es sei denn, dass zwingende Gründe für eine Geheimhal-
tung vorliegen? Sie haben aber solche Gründe nicht ein-
mal andeutungsweise geltend gemacht.
C
Herr Präsident, der Kollege Ströbele hat auch eine
dringliche Frage gestellt. Wenn es mir gestattet ist,
möchte ich fragen, da nun die eine Frage mit der anderen
– –
– Es ist mir nicht gestattet, zu fragen? Entschuldigung,
Frau Enkelmann, aber dieses Verständnis von Parlamen-
tarismus muss ich erst noch erlernen.
– Das mache ich alles. – Wenn wir aber über den Um-
gang miteinander reden – das Wort „Kabarett“ ist gefal-
len; der Kollege Beck wird das sicherlich in einem per-
sönlichen Gespräch mit mir zurücknehmen –, dann
bestehe ich darauf, dass ich, der sich nach bestem Wis-
sen und Gewissen gegenüber diesem Parlament äußert,
auch so wahrgenommen werde. Herr Ströbele, das gilt
auch für Sie.
Ich verstehe die Entscheidung des Bundesverfas-
sungsgerichts nicht allgemein als Freifahrtschein für die
Nichtbeantwortung bestimmter Fragen. Hier nehme ich
aber tatsächlich Bezug auf bestehende Geheimhaltungs-
pflichten. Wie Sie wissen – darauf hatte ich eingangs
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Zum Beispiel liegt zu der Operation, nach der Sie ge-
ragt haben, ein nach wie vor NATO-klassifizierter Be-
icht vor, der die Grundlage unserer Beratungen ist und
m 3. November allen Fraktionen auf entsprechende Art
nd Weise über die Geheimschutzstelle des Deutschen
undestages zur Kenntnis gegeben worden ist. Auf der
asis dieser Informationen muss dann in entsprechendem
ahmen darüber gesprochen werden. Selbstverständlich
st die Bundesregierung dann zu allen sachdienlichen und
otwendigen Äußerungen und Informationen bereit.
Die nächste Frage stellt nun der Kollege Bartels.
Herr Staatssekretär, auch wenn wir jetzt einen Unter-
uchungsausschuss eingesetzt haben, gelten die Rechte
es Parlaments fort, genauso wie die Pflichten der Re-
ierung zur Beantwortung der Fragen in der Fragestunde
ach bestem Wissen und Gewissen. Ich frage Sie betref-
end die fragliche Nacht, über die wir noch immer Infor-
ationen haben wollen – manches ist sicherlich „Ge-
eim“ eingestuft –: Wussten Sie damals oder wissen Sie
eute, ob es in dieser Nacht einen Kontakt von Berlin
der Potsdam zum Gefechtsstand in Kunduz gab?
C
Auch diese Frage kann ich, soweit sie offen zu beant-
orten wäre, nicht beantworten. Ich verweise darauf,
ass auch darüber im Untersuchungsausschuss berichtet
ird. Sobald es eine offene Antwort geben kann und
ibt, werde ich Ihnen diese Antwort schriftlich nachlie-
ern.
Nächster Fragesteller ist Kollege Fritz Rudolf Körper.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, dass der damalige
eamtete Staatssekretär Herr Dr. Wichert an diesem be-
agten Dienstag, dem 8. September, an dem auch die Re-
ierungserklärung abgegeben worden ist, im Kanzleramt
inen Bericht zu den Vorgängen um Kunduz abgegeben
at? Mich würde interessieren, auf welcher Grundlage
ieser Bericht abgegeben worden ist, und mich würde
uch interessieren, wie dieser Bericht mit seinen Inhal-
en dann im Bundeskanzleramt weiter bearbeitet worden
st.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 819
)
)
C
Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich
denke, dass sie auch Gegenstand des Untersuchungsaus-
schusses ist.
– Ich kann sie Ihnen deswegen nicht beantworten, weil
ich es heute nicht sagen kann. Soweit sie offen ist, werde
ich Ihnen die Antwort schriftlich nachliefern. Meine ein-
zige persönliche Kenntnis ist, dass ich am 7. September
in der Tat Herrn Wichert persönlich gesehen habe, aber
nicht im Kanzleramt. Sie wollen doch eine präzise Ant-
wort in den zuständigen Gremien bekommen. Die Bun-
desregierung ist selbstverständlich bereit, diese zu ge-
ben.
Ich will, damit hier kein falscher Streit entsteht, sa-
gen: Sofern der Parlamentarische Staatssekretär sagt, er
könne die Frage nicht beantworten, weil er es nicht
wisse und erst das Wissen einholen müsse, ist das kor-
rekt; wenn er sagt, er könne nicht antworten, weil das
Geheimhaltungsvorschriften unterliege, ist es sinnvoll,
das anzugeben, weil das zwei unterschiedliche Antwor-
ten sind. Nur, damit nicht an der falschen Stelle Ärger
entsteht. Ich bitte um diese feine Unterscheidung in bei-
derseitigem Interesse.
Der nächste Fragesteller ist Kollege Gehrcke.
Her
Nein. – Da-
ran ist nun nicht zu deuteln. Heißt das, dass gezielte
Tötungen von Menschen – um eine solche hat es sich
zweifelsfrei in Kunduz gehandelt – zur Strategie der Bun-
desregierung gehören, wenn es keinen Strategiewechsel
gegeben hat?
Herr Staatssekretär.
C
Herr Kollege Gehrcke, ohne dass ich einer mir vorlie-
genden Frage des Kollegen Ströbele und deren Beant-
wortung vorgreife, will ich darauf hinweisen, dass sich
die Tätigkeit der Bundeswehr im Rahmen der völker-
rechtlichen Mandate, des humanitären Völkerrechts und
des Mandates des Deutschen Bundestages bewegt.
Kollegin Kerstin Müller.
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Ich möchte noch einmal zu Ihrer Aussage, es habe
einen Strategiewechsel gegeben, fragen, weil mich die-
er apodiktische Ausdruck etwas erstaunt hat. Heißt das,
ie verneinen auch, dass es im Juli dieses Jahres eine
erschärfung oder eine Veränderung der Einsatzregeln
egeben hat?
C
Frau Kollegin, wenn Sie auf die Diskussion über die
nderung der Taschenkarte Bezug nehmen, die in der
at im Juni/Juli dieses Jahres stattgefunden hat, dann
uss ich sagen, dass es keine Änderungen der Regeln
nsgesamt, sondern dass es entsprechende Klarstellun-
en in dieser Taschenkarte gegeben hat. Über die ROEs,
ber die Einsatzregeln, die nun wiederum NATO-klassi-
iziert sind, kann ich Ihnen – Herr Präsident, aus diesem
rund – auch ansatzweise keine Auskunft erteilen.
Frau Kollegin Müller, noch eine Nachfrage? Bitte.
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Diese Diskussion wird uns begleiten. – Sie behaupten
lso, die sogenannte Taschenkarte sei kein Hinweis auf
in möglicherweise verändertes Vorgehen der Soldaten
or Ort. Da muss ich schon nachfragen; denn es hat in die-
em Zusammenhang entsprechende Diskussionen gege-
en. Der Auftrag ist klar formuliert. Es wird gesagt: Die
ilitärische Gewalt muss verhältnismäßig sein. In diesem
usammenhang ist von Verteidigungsminister Jung und
on Generalinspekteur Schneiderhan zur Lage in Kunduz
ehr deutlich gesagt worden, es sei – ich möchte zitieren –
an der Zeit, diese Eskalation vorzunehmen“. Man sei in
unduz nun besonders herausgefordert. Das heißt, es hat
ine Änderung hin zu einer Eskalationsstrategie gegeben.
as wurde vom GI Schneiderhan nicht bestritten und von
inister Jung entsprechend untermauert. Bleiben Sie bei
hrer Aussage, dass die Taschenkarte keine Veränderung
er Verhaltensregeln der Soldaten vor Ort und damit kei-
en Strategiewechsel bedeutet?
C
Frau Kollegin, wir sind bei dem klassischen intellektu-
llen Problem, dass wir vorher klären müssten, was Eska-
ationsstrategie in Ihrem Sinne heißt. Ich habe die Frage
lar beantwortet. Ich bleibe dabei: Es gab keine Eskala-
ionsstrategie in dem Sinne, dass die rechtlichen Rahmen-
edingungen, also das Mandat der Vereinten Nationen,
eändert worden sind. Was die Taschenkarte angeht: Bei-
pielsweise wurde die Frage präzisiert, was hinsichtlich
er Nacheile – das ist ein polizeilicher Begriff; die Ver-
ältnismäßigkeit bleibt davon unangetastet – in Bezug
uf einen sich auf der Flucht befindlichen Gegner getan
erden kann und darf.
Sie erinnern sich vielleicht an den Begriff „kawum“;
amit wurde die Taschenkarte karikiert. Durch den Ein-
820 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009
)
)
Parl. Staatssekretär Christian Schmidt
satz dieser Taschenkarte ist dem Soldaten auferlegt wor-
den, in Dari, Paschtu oder Englisch „Stehen bleiben!“
und weitere Dinge zu rufen, was sich in der Praxis als
recht schwierig umsetzbar dargestellt hat.
Die Änderung der Taschenkarte hat übrigens auch im
Deutschen Bundestag große Unterstützung erfahren, und
zwar über die Koalitionsfraktionen hinaus. Ich habe
durchaus in Erinnerung, dass einige Kollegen – Kollege
Rainer Arnold, Kollegen der FDP, aber auch Kollegen
der Grünen – diese Änderung der Taschenkarte durchaus
als notwendig betrachtet haben. Das Ganze ist keine Es-
kalationsstrategie, sondern eine Klarstellung für den Sol-
daten, was er in einer konkreten Situation auf der Basis
dessen, was rechtlich vorgegeben war, tun kann und
darf.
Ich betone, dass das keine theoretischen Fragen sind.
Lassen Sie mich meine Ausführungen einfach mit der
Information verbinden, dass ich gerade die Meldung be-
komme, dass gegen 12.45 Uhr Ortszeit Kräfte der afgha-
nischen Polizei von OMF, also von gegnerischen Kräf-
ten, mit Panzerabwehrhandwaffen beschossen wurden,
dass deutsche Soldaten Unterstützung geleistet haben
und dass sich einer dieser Soldaten gerade einer Opera-
tion unterziehen muss. Damit will ich nur sagen, dass die
Bundesregierung hier im Deutschen Bundestag über
diese Fragen mit einem sehr konkreten Bezug zur Reali-
tät im Einsatz berichtet.
Wir wünschen diesem Soldaten alles Gute.
Die nächste Frage stellt Kollege Mützenich.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Unsere Fraktion
schließt sich den Genesungswünschen an. Wir wissen,
was die Realität ist. Ich glaube, die Realität ist nicht teil-
bar. Vieles hat stattgefunden, und deswegen ist der Auf-
klärungsbedarf hier im Deutschen Bundestag groß.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Ansicht, dass der
Generalinspekteur ein Berater der gesamten Bundesre-
gierung ist, wahrscheinlich vorzugsweise der derzeitigen
Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes sowie des
Verteidigungsministers?
Könnten Sie vielleicht bestätigen, ob nach dem An-
griff bzw. dem Vorfall in Kunduz eine Unterrichtung
stattgefunden hat, entweder, indem Generalinspekteur
Schneiderhan diese von sich aus vorgenommen hat,
oder, indem diese auf Bitten des Kanzleramtes oder der
Kanzlerin direkt erfolgt ist, und, wenn ja, sagen, wann
davon Gebrauch gemacht worden ist?
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Bitte, Kollege Mützenich.
Herr Staatssekretär, darf ich in diesem Zusammen-
ang nachfragen, was denn der Inhalt der Unterrichtung
egenüber der Bundesregierung und insbesondere ge-
enüber der Bundeskanzlerin gewesen ist?
C
Das kann ich nicht sagen. Ich will Ihnen aber den In-
alt der Unterrichtung, die ich vom Generalinspekteur
rhalten habe – nehmen Sie diese bitte als eine auf mich
ezogene –, nicht vorenthalten. Ich erhielt den Hinweis,
ass die Situation zu dieser Zeit von einem sehr strikten
eglement des COMISAF, des Generals McChrystal,
eprägt war, was dazu geführt hatte, dass über den Vor-
ang selbst Gespräche seitens der NATO, seitens ISAF
icht gewünscht waren. Der Generalinspekteur hat das
ehr detailliert beschrieben und darauf hingewiesen, dass
er NATO-Kommandeur die Unabhängigkeit der einge-
etzten Untersuchungskommission, geführt vom kanadi-
chen General Sullivan, dann gefährdet sehen würde,
enn von seiner Seite aus Informationen zu diesem
hema gegeben oder Gespräche darüber mit dem Gene-
alinspekteur geführt würden. So habe ich es in Erinne-
ung. Ich denke, das entspricht im Kern den Aussagen,
ie damals gemacht wurden. Der Bericht, den General
cChrystal von der Gruppe um General Sullivan Ende
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 821
)
)
Parl. Staatssekretär Christian Schmidt
Oktober/Anfang November erhalten hat, hat dann ja
auch in den uns bekannten Zeiträumen zu Ergebnissen
geführt, die Ihnen bzw. den Fraktionsvorsitzenden und
den anderen Bundestagskollegen über die Geheim-
schutzstelle vorliegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir
eine geschäftsleitende Zwischenbemerkung: Mir liegen
jetzt noch neun Wortmeldungen zu Nachfragen zu der
ersten beantworteten Frage vor.
Es gibt noch elf weitere Fragen, auf die die Bundesregie-
rung antworten soll. Ich denke, es entspricht dem Infor-
mationsbedürfnis, dass die Bundesregierung auch diese
anderen Fragen beantworten soll, die alle die gleiche
Thematik betreffen, aber jeweils einen anderen Aspekt
behandeln.
Ich würde also gerne erst einmal einen Schlussstrich un-
ter diese neun Wortmeldungen ziehen, damit wir dann
zur nächsten Frage, nämlich der Frage 3 wiederum des
Kollegen Trittin, kommen können. Einverstanden? – Ich
sehe, Sie sind einverstanden.
Ich gebe nun Kollegin Künast das Wort.
Wir haben gehört, dass die Kanzlerin der Bundesre-
publik Deutschland den 8. September mit ihrer Regie-
rungserklärung zum Tag der klaren Worte gemacht hat.
Sie hat ganz klar gesagt, sie verbitte sich sowohl vom In-
land als auch vom Ausland Bewertungen, und genau
darüber habe sie auch mit dem NATO-Generalsekretär
Rasmussen gesprochen, „und zwar sehr unmissverständ-
lich“, wie sie wörtlich sagt. Jetzt wissen wir, dass die
Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Frau
Merkel, an diesem 8. September sozusagen im Zustand
der Unwissenheit war. Ich frage Sie deshalb: Hat sie,
nachdem sie am 10. September Kenntnis davon erlangte,
dass es eine gezielte Tötung sein sollte und war, gegen-
über Stellen im Ausland, die sie vorher unmissverständ-
lich zurückgewiesen hat, oder gegenüber dem NATO-
Generalsekretär Rasmussen das Gespräch gesucht und
sich insoweit entschuldigt, nach dem Motto: „Ich bin seit
dem 10. klüger als am 8. September; es ist doch so, wie
NATO-Leute behauptet haben; es handelte sich um eine
gezielte Tötung“?
C
Jetzt muss ich Ihre Frage erst einmal von den Unter-
stellungen befreien. Sie sagten, NATO-Leute hätten be-
hauptet, es wäre eine gezielte Tötung gewesen, mit all
den Konsequenzen und Begrifflichkeiten, die wir heute
schon gehört haben. Erstens bin ich froh, dass die Bun-
desregierung an der Spitze eine Bundeskanzlerin hat, die
sich unmissverständlich äußert.
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weitens finde ich, Frau Kollegin, einer deutschen Bun-
eskanzlerin vorzuwerfen, dass sie sich in einer unklaren
nformationslage – wir reden hier nur von einem einzi-
en Bericht; aber es gibt ja sehr viele Berichte –, aber
och mit einigen bestehenden Informationen und Ein-
chätzungen vor die Vertreter ihres Landes – dazu gehö-
en auch die Soldaten der Bundeswehr – stellt, halte ich
ür eine hochinteressante Position, über die man disku-
ieren sollte.
Eine Nachfrage, Kollegin?
Herr Schmidt, wenn Sie meinen, das sei ein Sich-vor-
ie-Soldaten-Stellen, dann muss ich Sie einmal fragen:
lauben Sie, dass es in dem Fall richtig ist, dass die
undeskanzlerin Nachfragen und Kritik von außen ein-
ach zurückweist, und zwar unmissverständlich und
charf, oder wäre es nicht eigentlich richtiger und besser
ewesen, für alle Soldaten vor Ort und alle zukünftigen
insätze zu sagen: „Ich bin als Bundeskanzlerin für die
ückenlose Aufklärung“? Und wenn lückenlose Aufklä-
ung im Sinne Deutschlands, im Sinne einer Parlaments-
rmee und im Sinne der Soldaten ist, frage ich noch ein-
al: Hat die Bundeskanzlerin nachher das Gespräch mit
em NATO-Generalsekretär gesucht oder ihm gegen-
ber schriftlich zum Ausdruck gebracht: „Ja, ich weiß
ittlerweile mehr als am 8. September; es handelte sich
m eine gezielte Tötung“? So viel weiß die Kanzlerin
etzt ja.
C
Ich kann Ihnen mit Freuden berichten, dass die Bun-
eskanzlerin am 8. September in ihrer Regierungserklä-
ung eine lückenlose Aufklärung des Vorfalls gefordert
at.
s entzieht sich meiner Kenntnis, auf welcher Informa-
ionsgrundlage der NATO-Generalsekretär, der französi-
che Außenminister und der luxemburgische Außenmi-
ister sich geäußert haben. Frau Kollegin Künast, wenn
an korrekt sein will – das wollen wir alle –, muss man
agen: Die beiden Letzteren konnten den Bericht noch
ar nicht kennen; denn er wurde an diesem Tag erst ge-
822 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009
)
)
Parl. Staatssekretär Christian Schmidt
schrieben. Also liegt die Vermutung nahe, dass sich aus-
ländische Politiker, Verantwortliche auf einer offensicht-
lich dürftigen Datengrundlage über einen Vorgang
geäußert haben.
Es wäre in keiner Weise zu beanstanden gewesen, wenn
von ausländischer Seite eine vollständige Aufklärung
des Vorfalls gefordert worden wäre, wie es, soweit ich
mich richtig entsinne, diplomatischen Gepflogenheiten
entsprechen würde.
Ich bleibe dabei – das ist meine Interpretation –, dass
die Bundeskanzlerin eine Verpflichtung hat und diese
Verpflichtung auch gesehen hat, sich vor ihr Land zu
stellen.
Kollege Schmidt, bitte.
Herr Staatssekretär, ich habe jetzt zur Kenntnis genom-
men, dass die Kanzlerin den COMISAF-Bericht erst nach
der Regierungserklärung vom 8. September erhalten ha-
ben soll. Gab es denn vorher eine irgendwie geartete an-
dere Berichterstattung des Verteidigungsministeriums zu
den zentralen Sachverhalten dieses Berichtes an das
Kanzleramt, die in die Regierungserklärung eingeflossen
sein kann? Oder schließen Sie jeden Informationsfluss
zwischen Verteidigungsministerium und Bundeskanzler-
amt in diesem Zusammenhang bei der Vorbereitung der
Regierungserklärung aus?
C
Herr Kollege Schmidt, ich will darauf hinweisen, dass
Sie gerade vom COMISAF-Bericht gesprochen haben.
Ich war aber gefragt worden, wann der Bericht, den
Oberst Klein verfasst hatte, über den Generalinspekteur
im Bundeskanzleramt eingegangen ist. Ich bitte um Ver-
ständnis dafür, dass ich sehr Wert darauf lege, dieses fein
säuberlich zu trennen. Der COMISAF-Bericht hat die
Bundesregierung am 26. Oktober dieses Jahres erreicht
und wurde vom Bundesminister der Verteidigung zu
Guttenberg in sehr zügiger und umfassender Weise so-
fort in englischer Version und dann – es musste erst eine
Übersetzung angefertigt werden – in einer deutschen
Version dem Deutschen Bundestag über die Geheim-
schutzstelle zur Verfügung gestellt. Sie konnte sich des-
wegen zu diesem Zeitpunkt auf diesen Bericht natürlich
nicht stützen.
Kollege Lenkert.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
)
)
Herr Staatsminister von Klaeden.
E
Herr Kollege Beck, mir ist ein solcher Vorgang nicht
bekannt. Ich sichere Ihnen aber zu, dass die Bundes-
regierung im Rahmen des Untersuchungsausschusses
alle ihr zur Verfügung stehenden Informationen zusen-
den wird.
– Ich sage Ihnen doch gerade: Mir ist das nicht bekannt.
Bitte hören Sie doch mal zu! – Ich sichere Ihnen zu, dass
die Bundesregierung dem Untersuchungsausschuss alle
Unterlagen, die ihr in diesem Zusammenhang zur Verfü-
gung stehen, überstellen wird.
Sollte es einen solchen Bericht geben – ohne dass ich
seine Existenz bestätigen kann –, wäre schon die Bestäti-
gung der Existenz des Berichtes, falls er klassifiziert ist,
ein Bruch der Geheimhaltungsvorschriften.
– Doch, so ist es. – Deswegen, Herr Kollege, sage ich
noch einmal: Mir ist das nicht bekannt. Die Bundesre-
gierung wird dem Parlament über den Untersuchungs-
ausschuss alle erforderlichen Informationen zur Verfü-
gung stellen.
Eine Nachfrage?
Ja. – Herr von Klaeden, ich möchte Sie bitten, aus-
drücklich zu prüfen, ob Sie diese Frage, die wir, der Kol-
lege Ströbele und ich, hier gestellt haben, dem Parlament
im Nachgang hierzu – wenn Sie es nicht wissen, können
Sie es hier nicht beantworten – schriftlich beantworten
können;
denn Sie sind außerhalb des Untersuchungsausschusses
rechenschaftspflichtig, soweit Sie sich nicht auf Ge-
heimhaltungsbedürfnisse berufen können. Die Klassifi-
zierung eines Berichtes reicht nicht aus, um zu sagen,
dass Sie über diesen Vorgang hier nicht berichten. Ich
bitte Sie, das Urteil noch einmal nachzulesen. Ich habe
Sie schon vor zwei Wochen im Ältestenrat darauf hinge-
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Ich denke, es wäre vernünftig, wenn an dieser Stelle
uch die Bundestagsverwaltung eine Prüfung dahin ge-
end vornimmt, ob und in welchem Umfang diese Art
on Fragen auf der Basis dieses Urteils zu beantworten
ind oder nicht.
ch glaube, es dient dem parlamentarischen Frieden,
enn das geklärt ist.
Die nächste Frage stellt Kollege Arnold.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen von der fragilen
nformationslage am 7./8./9. September. Stimmen Sie
ir zu, dass es innerhalb der NATO und innerhalb der
undesregierung einen gleichen Informationsstand gab
denn am Abend des 7. September, also am Montag-
bend, ist der ISAF-Vorabbericht eingegangen, der auch
rundlage für die Obleuteunterrichtung am 8. Septem-
er morgens war –, und stimmen Sie mir ebenso zu, dass
ieser ISAF-Vorabbericht mehr ist als ein – wie er vom
ressesprecher des damaligen Verteidigungsministers
ezeichnet wurde – Reisebericht, und dass darin viel-
ehr schon sehr dezidiert von zivilen Opfern gespro-
hen worden ist, eindeutige Regelverstöße benannt und
eitere Untersuchungen für dringend erforderlich erklärt
orden sind?
C
Ich beantworte die Frage mit Ja. Dieser Bericht ist
ingegangen und war auch im Bundesministerium der
erteidigung verfügbar.
Herr Präsident, da war eine Nachfrage. Ich weiß nicht,
b ich die aufnehmen soll.
Kollege Arnold hat keine Nachfrage angemeldet.
der doch?
C
Es war, glaube ich, eine Kollegin.
Nein. – Kollegin Haßelmann hat jetzt das Wort.
824 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009
)
)
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
Sie haben im Laufe der Fragestunde den Parlamenta-
rierinnen und Parlamentariern bei sehr vielen Fragen
eine Antwort verweigert, und zwar mit Hinweis auf die
Geheimhaltungspflichten. Vor dem Hintergrund dessen,
was mein Kollege Beck gerade zitiert hat, wird eine sol-
che Verweigerung nicht haltbar sein; davon gehe ich aus.
Im Übrigen bitte ich Sie, mir folgende Diskrepanz zu
erklären: Sie verweigern es, uns Parlamentariern die In-
formationen zu geben, die der zuständige Minister zum
Teil gerne in Talkshows und in sämtlichen Medien der
Öffentlichkeit preisgibt.
Was glauben Sie eigentlich, welchen Eindruck es er-
weckt, dass zunächst Mitglieder unserer Fraktion in ei-
nem vertraulichen, streng geheimen Gespräch vom zu-
ständigen Verteidigungsminister aufgeklärt und infor-
miert werden – mit Hinweis darauf, dass sie nicht einmal
in der Fraktion darüber berichten dürfen –, der Minister
aber gleich nach diesem Termin vor die Kameras tritt
und dort darüber berichtet, wie er den Stand der Dinge
sieht?
Ich sehe, dass Sie heute auf gleiche Art und Weise
fortfahren. Wir bekommen keinerlei Informationen. Sie
sind nicht in der Lage, uns die entsprechenden Aktenzei-
chen der Dokumente zu nennen, die sozusagen die Ge-
heimhaltungspflicht begründen, und verweigern hier
dem Parlament Auskünfte.
C
Kollegin Haßelmann, ich möchte Ihre Bemerkungen
aufteilen in Anwürfe, auf die ich nicht eingehe, und Fra-
gen, die ich beantworte. Ich weise darauf hin, dass der
Bundesminister der Verteidigung nicht nur zugesagt,
sondern auch umgesetzt hat, dass die in seiner Zustän-
digkeit der Klassifizierung liegenden Vorgänge, soweit
nicht Sicherheitsinteressen – ich habe gerade von einem
aktuellen Fall berichtet – berührt werden, entsprechend
herabgestuft werden. Ich hoffe, Sie entwickeln hierfür
insofern Verständnis, dass Sie der Bundesregierung nicht
unterstellen, sie wolle hier aus einem anderen Impetus
als Sicherheitsgründen Klassifizierungen aufrechterhal-
ten. Die meisten Klassifizierungen, die geprüft worden
sind, wurden auf die niedrigste Stufe, VS-NfD, herabge-
stuft. Somit sind die Unterlagen offen zugänglich.
Leider liegen mir keine Aktenzeichen vor. Der we-
sentliche Bericht der NATO wurde aber von der NATO
als geheim klassifiziert. Sie wissen, dass die Regeln so
sind: Derjenige, der einstuft, stuft hinauf oder herab,
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eswegen bitte ich um Verständnis dafür, dass aus die-
en Berichten, die Ihnen vorliegen, nicht zitiert wird. Ich
arf darauf hinweisen, dass Sie das Ende der Frage-
tunde abwarten sollten. Mir liegt eine ganze Reihe von
ringlichen und sonstigen Fragen vor, bei denen ich
urchaus bereit und in der Lage bin, Antworten zu ge-
en.
Die Frage der Bewertung ist davon zu trennen. Vor
wei Wochen hat der Bundesminister in seiner Rede vor
em Deutschen Bundestag dem Parlament die Änderung
einer Einschätzung und Bewertung der Vorgänge mit-
eteilt, hin zu einer Bewertung als militärisch nicht an-
emessener Vorgang. Er beabsichtigt auch, diese Politik
er Offenheit nicht nur dem Untersuchungsausschuss
nd den zuständigen Ausschüssen, sondern auch dem
arlament gegenüber fortzuführen und, sobald die Frei-
abe der Klassifizierung erfolgt, das Thema offen zu dis-
utieren. Ich werde in der Folge bereit sein, Ihren An-
pruch auf Information zu erfüllen, und aus offenen
okumenten berichten.
Herr Kollege van Aken.
Ich bin neu im Parlament. Ich war relativ naiv davon
usgegangen, dass eine Fragestunde dazu dient, dass die
arlamentarier fragen und die Regierung antwortet. Ich
in erschüttert über das, was ich hier erleben muss. Das
eht gar nicht.
142 Menschen sind gestorben. Es steht der Vorwurf
m Raum, dass gelogen wurde und Recht verletzt wor-
en ist. Frau Merkel hat lückenlose Aufklärung zuge-
agt. Jetzt schickt sie zwei Männer ins Rennen, deren
inziges Briefing offensichtlich darin bestand, nichts zu
agen. Das geht so nicht!
Deswegen stelle ich meine Frage nicht. Ich werde
eine Frage dann stellen, wenn Frau Merkel persönlich
ier sitzt und endlich bereit ist, Antworten zu geben. Ich
inde, so geht es nicht weiter.
Die letzte Nachfrage zu dieser Frage stellt Herr Kol-
ege Groschek.
Ich frage den Vertreter der Bundesregierung nicht
ach seiner persönlichen, sondern nach seiner offiziellen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 825
)
)
Michael Groschek
regierungsamtlichen Meinung bzw., ob er Kenntnis da-
von hat, dass Oberst Klein in der fraglichen Nacht in
Kunduz aufgrund von Weisungen, Befehlen oder dringli-
chen Anregungen zu seiner Entscheidung gekommen ist.
C
Herr Kollege, wenn Sie den kryptischen Teil Ihrer
Frage weglassen und mir sagen würden, ob Sie meinen,
dass er Befehle gegeben hat, dann kann ich sagen: Ja.
Wenn Sie meinen, dass da irgendjemand anderes war,
der ihm Befehle gegeben hat, dann bitte ich Sie, das
noch etwas auszuführen.
Das Letztere ist der Fall. Mich interessiert, ob die
Bundesregierung Kenntnis davon hat, dass Oberst Klein
in der fraglichen Nacht bei dem fraglichen Befehl wei-
sungsgebunden gehandelt hat oder auf dringliche Anre-
gung aus anderen militärischen Zusammenhängen.
C
Jeder Soldat ist zwar weisungsgebunden, aber jeder
Soldat hat einen eigenen Ermessens- und Entscheidungs-
spielraum. Der Kommandeur des PRT Kunduz, Oberst
Klein, hat an diesem Tag von seiner Befehlsgewalt Ge-
brauch gemacht.
Danke. – Wir kommen zur dringlichen Frage 3 des
Kollegen Jürgen Trittin.
Beinhaltete die Absprache zwischen Bundeskanzleramt,
Bundesministerium der Verteidigung und Bundesnachrichten-
dienst vom 22. Juli 2009 zu einer veränderten Strategie in
Afghanistan auch die Möglichkeit des gezielten Tötens Ver-
dächtiger, wie es verschiedene Zeitungen am Wochenende
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
C
Herr Kollege Trittin, ich bin auf der Suche nach Ihrer
Frage. Entschuldigung, Herr Präsident, mir liegt eine an-
dere Frage vor.
Es ist die dringliche Frage 3.
C
Die dringliche Frage 3? – Nein.
Die Antwort heißt Nein?
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as ist das wesentliche Wort in der deutschen Sprache,
it dem man auf Fragen antwortet.
Manchmal mit Ja.
Herr Präsident, könnten wir die Erregung in den Frak-
ionen über die deutsche Sprache etwas mäßigen?
Herr Kollege Trittin, bitte.
Herr Kollege Schmidt, nachdem Sie diese Frage mit
ein beantwortet haben: Wie würden Sie dann einen
organg bezeichnen, bei dem zwei Kampfpiloten fünf-
al nachfragen, ob es eine Rechtsgrundlage für den Be-
ehl gibt, diese Bomben abzuwerfen, was voraussetzen
ürde, Troops in Contact am Boden zu haben, bei dem
iese Piloten fünfmal nachfragen, ob sie nicht die anwe-
enden Menschen vor Ort vor dem Abwurf von Bomben
urch Tiefflug warnen sollen, bei dem diese Piloten
weimal bei dem zuständigen Offizier nachfragen, ob sie
uf die Tanklastzüge oder zwischen die Tanklastzüge,
lso da, wo die Menschen stehen, zielen sollen, und bei
em von der Einsatzleitung, dem zuständigen Offizier,
arauf gedrungen wird, diesen Angriff durchzuführen,
a die Menschenmenge dabei sei, sich davonzubewe-
en? Ist dies nicht ein Vorgang, den man in der deut-
chen Sprache landläufig als „gezieltes Töten“ bezeich-
et?
C
Bei Ihrer Frage zitieren Sie Erkenntnisse, die Ihnen in
hrer Funktion zugegangen sind, die ich hier nicht kom-
entieren will.
Vor allem hat der Herr Staatssekretär das Wort zu ei-
er Antwort.
826 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009
)
)
C
Herr Präsident, ich bitte darum, darauf hinweisen zu
dürfen, dass die Tatsache, dass in Medien oder anderswo
aus klassifizierten Berichten zitiert wird, die Verantwor-
tungsträger nicht davon befreit, diese Klassifizierungs-
pflichten ernst zu nehmen.
Ich darf bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, dass
über die Vorgänge, die Sie ansprechen und die zur Dis-
kussion stehen, Kollege Trittin – ich habe Sie wegen Ihrer
Aussagen nicht kritisiert, aber belassen wir es dabei –, ge-
genwärtig bei der Bundesanwaltschaft – dieser Vorgang
wurde ihr von der Generalstaatsanwaltschaft Dresden
übergeben – eine Vorklärung, ob es hier zu Rechtsverlet-
zungen gekommen ist, stattfindet, um diesen Sachverhalt
nach den Kriterien des Kriegsvölkerrechts, des humanitä-
ren Völkerrechts und anderen Fragen des Völkerstrafge-
setzbuches, das wir in diesem Parlament verabschiedet
haben, zu klären.
Auch wenn ich mich der Gefahr aussetze, dass Sie
mich einer Nichtantwort bezichtigen, bitte ich Sie, in
diesem Punkt den Blick in der Tatsachenermittlung da-
rauf zu verwenden, dass jeder, der von diesem Parlament
und von der Bundesregierung in Einsätze geschickt
wird, im Sinne der Fürsorgepflicht – davon mache ich
jetzt tatsächlich Gebrauch – das Recht hat, dass mit aller
Behutsamkeit die Dinge, die gegen und für ihn sprechen,
in einer gerichtlichen oder, wie in diesem Fall, staatsan-
waltschaftlichen Prüfung erst einmal gesichtet werden.
Ich will darauf hinweisen, dass nach dem humanitären
Völkerrecht der Vorgang der Tötung von Gegnern nicht
per se als rechtswidrig betrachtet wird.
Ich will dies aber ausdrücklich nicht auf diesen Vor-
gang herunterbrechen; ich will das nur anführen. Ich
finde, wir sollten ein Stück Selbstzurückhaltung üben.
Das hat nichts damit zu tun, die Rechte der Opposition
zu beschneiden. Ich will auch nicht allein auf den Unter-
suchungsausschuss verweisen. Aber dieser wird sich mit
diesen Fragen intensiv beschäftigen.
Sie können davon ausgehen, Herr Kollege Trittin,
dass die Bundesregierung und ich in aller Ernsthaftigkeit
und Verantwortung die Fragen beantworten werden. Wir
haben selbst ein Interesse daran; denn es muss klar sein,
dass das, was vom Bundesminister zu Guttenberg als
eine Regelverletzung, als ein nicht angemessenes militä-
risches Verhalten bezeichnet worden ist, aufgeklärt wird,
und es muss klargemacht werden, dass Einsätze der
Bundeswehr im Rahmen der vorgegebenen Regeln statt-
finden müssen.
Zweite Nachfrage, Herr Kollege Trittin.
Lieber Herr Kollege Schmidt, da ich Sie schätze,
hatte ich gedacht, Sie hätten verstanden, dass ich nicht
auf ein reales Geschehen abgehoben habe, sondern Sie
lediglich nach der Bewertung gefragt habe, dass ich le-
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Da Sie der Antwort auf diese Frage aber, obwohl ich
ie schätze, ausgewichen sind, will ich ausdrücklich
achfragen: Wenn das alles so ist, wie es in den Zeitungen
teht, können Sie mir dann eigentlich erklären, auf wel-
her Grundlage ein Minister – in diesem Fall der amtierende
erteidigungsminister, Karl-Theodor zu Guttenberg – zu ir-
endeinem Zeitpunkt – in seinem Fall am 6. November –
u dem Ergebnis kommen kann, dass ein solches Vorge-
en militärisch angemessen, ja unausweichlich gewesen
st?
C
Herr Kollege Trittin, da ich die Wertschätzung durch-
us erwidere,
berrascht es mich, dass Sie dem Deutschen Bundestag
inen Dialog zwischen Ihnen und mir zumuten wollen,
n dem wir uns mit hypothetischen Fragen auseinander-
etzen. Das können wir in bilateralen Gesprächen ma-
hen. Die Bundesregierung macht sich grundsätzlich
eine Gedanken über hypothetische Fragen, also über
ragen, die keinen Realitätsbezug haben.
Der weitere Punkt führt uns dazu, dass man, wenn
an eine Operation bewertet, die Gesamtschau des Vor-
angs sehen muss. Dazu gehört auch, welche Notwen-
igkeiten in der bewaffneten Auseinandersetzung gege-
en sind, zum Beispiel, ob die Frage der Verhinderung
eiterer Kämpfe betroffen ist. Dann muss gezielt, ohne
orwarnung gekämpft werden.
Soweit Bewertungen des Bundesministers der Vertei-
igung in Anspruch genommen werden, weise ich da-
auf hin, dass ihn die Gesamtschau der ihm in der Zwi-
chenzeit vorliegenden Unterlagen – nicht nur derer,
ondern auch deren Bewertungen – dazu veranlasst hat,
or dem Deutschen Bundestag das nicht alltägliche Vor-
ehen zu wählen, zuzugestehen, dass er eine Bewertung
eändert hat. Ich finde, das ist ein Stück hoher demokra-
ischer Tugend.
Nun hat Kollege Liebich das Wort zu einer Frage.
Herr Staatssekretär Schmidt, als Begründung für die
ötung in Afghanistan wird die Entwendung von Tank-
astern herangezogen. Mich würde interessieren: Ist zwi-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 827
)
)
Stefan Liebich
schen der ISAF und den afghanischen Sicherheitsbehör-
den eigentlich ein Verfahren verabredet worden, wer in
solchen Fällen wie zu handeln hat? Und noch einmal
nachgefragt: Hat die Bundeswehr, ehe sie die Bombar-
dierung befohlen hat, Kontakt zu afghanischen Sicher-
heitsbehörden aufgenommen?
C
Herr Kollege, es hat in der Tat einige Wochen vorher
einen Anschlag auf eine ISAF-Einrichtung in Kandahar
gegeben, bei dem ein Tanklastwagen entführt worden
war, der zu einer Selbstmordsprengbombe umgebaut
worden ist, und der – ich bin bereit, die Zahlen zu über-
prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren – zwischen 40
und 60 Todesopfer gefordert hat.
Es ist in der Tat richtig, dass im Juli/August in gewis-
sen Bereichen Afghanistans ein Gefühl erhöhter An-
spannung vorhanden war und man zu der Erkenntnis
kam, dass zu den Instrumenten, die für Selbstmordatten-
tate verwendet werden, auch Tanklastfahrzeuge gehören.
Es gab übrigens auch im Zuständigkeitsbereich des
PRT Kunduz – ich meine, es war in diesem Zuständig-
keitsbereich – einige Zeit vorher einen entführten, noch
zeitweise gesichteten, dann aber wohl nicht mehr zu er-
mittelnden Tankwagen. Welche Wirkung Tanklastwagen
– seien sie voll oder halb gefüllt, seien sie auch noch mit
Sprengsätzen ausgestattet – haben können, brauchen wir
beide uns und das Parlament sich insgesamt wohl nicht
auszumalen. Es ist ein Gebot aller daran beteiligten Stel-
len, in solchen Situationen Vorkehrungen und Vorsorge
zu treffen, damit weder die afghanische Zivilbevölke-
rung noch eigene Leute Opfer von Terrorangriffen wer-
den. Das ist eine Selbstverständlichkeit, die ich hier nur
der Vollständigkeit halber wiederhole.
– Das Verfahren ist jeweils individuell. Die Absprachen
und Kontakte, die mit den afghanischen Kräften, die sich
zunehmend dahin entwickeln, dass sie sowohl in der In-
formationsgewinnung als auch in der Gefahrenabwehr
tätig sein können, stattfinden, wären im Einzelfall zu be-
leuchten.
Ich kann Ihnen zu den konkreten Fragen bezüglich
des 4. Septembers 2009 nur den Hinweis geben, dass
diese im Untersuchungsausschuss geklärt werden müs-
sen, weil die entsprechenden Berichte auch andere be-
treffen. Wenn sie offen sein sollten, sage ich zu, dass ich
Sie schriftlich informieren werde.
Ich möchte eine geschäftsleitende Zwischenbemer-
kung machen. Mir liegen noch eine ganze Reihe von
Nachfragen vor. Ich würde diese Liste jetzt gern schlie-
ßen, um dann zur vierten dringlichen Frage zu kommen.
Einverstanden? – Gut.
Jetzt hat Kollege Nouripour das Wort.
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)
Die konkreten Meldungen, von denen Sie sprachen,
kann ich nicht bestätigen. Auch das, was zu den Gefähr-
dungen im Zusammenhang mit dem ersten, zweiten und
dritten Ring verbreitet wird, kann ich nicht bestätigen.
Ich kann aber sagen, dass zu dieser Zeit die allgemeine
Sorge um einen organisierten Angriff der Taliban auf
Feldlager einschließlich des Feldlagers Kunduz zuge-
nommen hat und dass die Nutzung eines Tankfahrzeuges
als rollende Bombe tatsächlich Bestandteil der Sicher-
heitsanalyse war. Inwieweit die einzelnen Sicherheitsin-
stitutionen, auch die deutschen, der BND und andere,
diese Gefahr aufgeklärt oder bewertet haben, entzieht
sich meiner Kenntnis. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen
dazu schriftlich Auskunft zu geben, sofern so etwas vor-
handen ist.
Eine Nachfrage? – Bitte.
Es ist ein
großer qualitativer Unterschied, ob ein irgendwie gearte-
ter Missbrauch eines Tanklastwagens geplant war oder
ob es einen Dreistufenplan der Taliban hinsichtlich eines
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C
Herr Kollege Erler, für die Dreiringtheorie der dpa
abe ich keine Bestätigung gefunden. Ich kann Ihnen
och nicht sagen: Wenn das in der Zeitung steht, wird es
chon so sein. – Jetzt bitte ich, auch mir einmal Emotio-
en zuzubilligen. Ich werde hier ständig auf irgendwel-
he Zeitungsartikel angesprochen.
er ist denn hier im Saal, der sagen kann, er habe noch
ie einen Zeitungsartikel gelesen, der nicht so ganz rich-
ig gewesen ist?
Sie haben einen Anspruch darauf, dass ich Sie korrekt
nformiere. Korrekt informieren heißt für mich, dass ich
läre: Ist etwas dran oder nicht? Ich habe bisher keinen
eleg dafür gefunden, dass an diesem Artikel etwas dran
st.
Ich darf darum bitten, dass alle Kolleginnen, die Zwi-
chenrufe machen, vorher zuhören, was ich sage.
ch habe dem Kollegen zugesagt, dass ich ihm Informa-
ionen gebe, dass ich bisher aber noch keine Evidenz
abe. Sie werden mich nicht dazu bringen, Frau Künast,
ass ich hier im Parlament Unwahrheiten sage.
Nun hat Kollege Gehrcke das Wort.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 829
)
)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, niemand will Sie dazu bringen,
die Unwahrheit zu sagen. Ganz im Gegenteil: Wir möch-
ten, dass in dieser Sache endlich die Wahrheit gesagt
wird. Deswegen stellen wir bohrende Nachfragen.
Können Sie verstehen, dass wir Abgeordneten es leid
sind, alles der Zeitung entnehmen zu müssen und immer
zu hören: „Ich weiß es nicht“? In der Presse gibt es mehr
Informationen und stimmige Informationen; Sie haben ja
gebunden alles bestätigt, was hier unter „Geheim“ ver-
handelt wird.
Ich frage die Bundesregierung, ob Sie sich klar darü-
ber ist, wie tief dieser historische Einschnitt ist. Zum ers-
ten Mal seit 1945 ist von einem deutschen Oberst, von
einem Oberst der Bundeswehr, ein Befehl gegeben wor-
den, durch den mindestens 140 Menschen ums Leben
gebracht worden sind. Das ist moralisch und politisch
ein tiefer Einschnitt. Wenn ich Ihre Antworten höre,
habe ich nicht die Empfindung, dass sich die Bundesre-
gierung darüber klar ist.
C
Herr Kollege Gehrcke, meine Antwort lautet wie
folgt: Man muss unterscheiden zwischen dem, was im
konkreten Fall an Ermittlungen erfolgt ist, welche Fehler
passiert sind, und welche Konsequenzen aus den Fehlern
gezogen werden.
Soweit es den konkreten Vorfall und die handelnden
Personen betrifft, habe ich darauf hingewiesen, dass wir
aus guten Gründen der Bewertung und der Betrachtung
durch Generalstaatsanwaltschaft bzw. Bundesanwalt-
schaft Raum lassen sollten.
Die Bewertung der Bundesregierung, die Bundesmi-
nister zu Guttenberg hier im Parlament abgegeben hat,
dass Fehler gemacht worden sind, und zwar schwere
Fehler – schwer im Sinne der Auswirkungen –, ist uns
selbstverständlich Ansporn und Aufgabe, alle die, die im
Einsatz sind, auf den vorgegebenen Rahmen hinzuwei-
sen. Wir müssen aber auch ein Verständnis dessen ge-
ben, dass wir hier nicht zu Gericht sitzen, sondern dass
wir daran arbeiten müssen, dass diejenigen, die von die-
sem Parlament einen Auftrag bekommen haben, diesen
Auftrag korrekt erfüllen.
Man hört von Dienstgraden, die jetzt im Einsatz sind,
Sätze wie: Sollen wir uns zuerst erschießen lassen, bevor
wir reagieren? – Ich weise das zurück, solche Sätze sind
falsch; aber sie geben eine Befindlichkeit wieder, und
hier wurde schon einiges an Befindlichkeiten ausge-
tauscht. Dieser Satz ist keine regierungsamtliche Stel-
lungnahme, sondern die Meinung eines Unteroffiziers.
Auf diese Fragen müssen wir in Ruhe, vernünftig, moti-
vierend, aber auch verantwortungsbewusst reagieren und
sagen: Nein, aber du musst dich an den Rahmen der
rechtlichen Vorgaben halten. Wir legen großen Wert da-
rauf, dass du, was Ausbildung, Information und Ausrüs-
tung angeht, gut ausgestattet bist. – Das ist das Span-
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nd, wie ich vermute, auch auf einer Folgekonferenz in
abul zu sondieren, wie der vernetzte Ansatz realisiert
erden kann, durch den Ziviles und Militärisches mit-
inander verknüpft wird und in dessen Rahmen auch die
bergabe in Verantwortung eine dringende Notwendig-
eit ist. Das heißt, auch die afghanische Seite muss Ver-
flichtungen eingehen und Zusagen machen, und wir
üssen sie dabei unterstützen. In dieser Hinsicht wollen
ir die Gesamtstrategie anpassen.
Die letzte Nachfrage zu dieser Frage hat Kollegin
änsel.
Danke schön. – Herr Staatssekretär, zu der Antwort,
ie Sie meinem Kollegen Gehrcke gegeben haben,
öchte ich bemerken: Wir gehen nach wie vor davon
us, dass wir in der Bundesrepublik ein Parlamentsheer
aben. Wenn das Parlament bei entscheidenden Fragen
berhaupt nicht mehr informiert wird, dann ist das eine
ushöhlung der Rechte des Parlaments. Das macht uns
uch in der Bevölkerung unglaubwürdig. Dort schwindet
er Glaube an diese demokratische Verfasstheit, wenn
as Parlament bei solch zentralen Fragen nicht umfas-
end informiert wird. Deswegen insistieren wir hier auch
nd haken wir so nach.
Wir machen uns in unseren Wahlkreisen lächerlich,
830 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009
)
)
Heike Hänsel
wenn wir gefragt werden, ob wir von diesem oder jenem
etwas wussten, und wir immer nur sagen können: Nein,
wir haben überhaupt keine Ahnung. – So sieht es aus.
Kollegin Hänsel, haben Sie noch eine Frage?
Ja, ich habe eine ganz konkrete Frage.
– Sie müssten auch ein Interesse daran haben, dass Ihre
Rechte nicht ausgehöhlt werden. Wenn Sie sich hier ent-
mündigen lassen, dann ist das Ihr Problem.
Frau Kollegin Hänsel, haben Sie eine Nachfrage?
Ja, ich möchte gerne nachfragen. – Sie haben mehrere
Vorfälle mit Tanklastwagen geschildert, die entführt
worden seien und umgebaut würden.
C
Entschuldigung: sind.
Sie sind umgebaut worden. – Meine Frage lautet: Wie
sah der konkrete Schutz dieser Tanklastwagen aus? War
er angemessen, ausreichend? Ich habe unterschiedliche
Informationen darüber erhalten. Gab es einen ausrei-
chenden militärischen Schutz für diese Tanklastwagen,
und wie sah er konkret aus? Wenn nein, warum nicht?
C
Frau Kollegin Hänsel, gestatten Sie mir, zum Ersten
zu sagen: Die Bundeswehr ist selbstverständlich ein Par-
lamentsheer. Das heißt aber nicht, dass jeder Oberst vom
Deutschen Bundestag einen Befehl erhalten kann – um
das einfach einmal auseinanderzuhalten –;
Sie sitzen auch nicht über jeden Oberst Gericht.
Wenn Sie sich die politischen Grundlagen und die
konstitutive Verantwortung gemäß dem Urteil des Bun-
desverfassungsgerichts vom 20. Juni 1994 und anderen
Urteilen sowie dem Parlamentsbeteiligungsgesetz an-
schauen, dann werden Sie erkennen, dass die Bundesre-
gierung jedem dieser Ansprüche zu 100 Prozent Folge
leistet. Durch die Koalitionsvereinbarung haben wir
auch noch den Auftrag erhalten, uns mit einer schnelle-
ren und präziseren Information des Bundestages mittels
eines eigenen Gremiums auseinanderzusetzen. Ich emp-
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Brief des früheren Staatssekretärs im Bundesministerium der
Verteidigung, Dr. Peter Wichert, vorliegt, in dem dieser eine
Richtigstellung der Presseberichte über die Umstände seiner
Entlassung fordert, und wie bewertet die Bundesregierung
diese Forderung?
Herr Staatssekretär, es ist die Bitte geäußert worden,
ass Sie die dringlichen Fragen 4 und 5 des Kollegen
we Kekeritz gemeinsam beantworten.
C
Das mache ich besonders gerne, weil der Kollege
enselben Wahlkreis hat wie ich.
Dann rufe ich auch die dringliche Frage 5 des Kolle-
en Uwe Kekeritz auf:
Wurde der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Karl-
Theodor Freiherr zu Guttenberg, am 25. November 2009 vom
Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und vom Staatsse-
kretär im Bundesministerium der Verteidigung, Dr. Peter
Wichert, über das Vorliegen weiterer Berichte zu dem Vorfall
C
Zur ersten Frage. Herr Kollege Kekeritz, ich glaube,
ie können nachvollziehen, dass die Bundesregierung zu
er Frage, ob ein Brief zu einer persönlichen Angelegen-
eit einer bestimmten Person im Bundesministerium der
erteidigung eingegangen ist und welchen Inhalt ein
erartiger Brief gegebenenfalls hat, grundsätzlich keine
tellungnahme abgibt.
Bitte noch die Antwort auf die dringliche Frage 5.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 831
)
)
C
Der Kollege Oppermann meldet sich zur Geschäfts-
ordnung. Ich entnehme dem, dass er dringend von mir
wissen muss, ob ein Brief von Staatssekretär Wichert
vorliegt, auch wenn ich – darüber sind wir uns sicherlich
einig – über den Inhalt nichts sagen darf. Denn es gilt
immer noch das Briefgeheimnis.
Wenn die Notwendigkeit besteht, dann werde ich zu-
sagen, dass ich dem Kollegen Kekeritz die Frage schrift-
lich beantworte, aber nur bezogen auf die Tatsache und
in keiner Weise – ich erlaube mir, das sehr deutlich zu
sagen – auf den Brief, der von einem Adressaten an den
anderen geht. Das ist nicht ein Gegenstand der Beratun-
gen des Deutschen Bundestages.
Zur Geschäftsordnung erteile ich das Wort dem Kol-
legen Oppermann.
Frau Präsidentin, der Brief, nach dem eben gefragt
worden ist, betrifft die Umstände der Entlassung von
Staatssekretär Wichert. Der Brief ist offenkundig an den
Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg geschrie-
ben. Wir wollen Auskunft über den Inhalt dieses Briefes.
Ganz offenkundig kann das nur der Bundesverteidi-
gungsminister selbst. Deshalb verlange ich, dass er jetzt
herbeigerufen wird.
Herr Kollege Altmaier, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir diskutieren seit über anderthalb Stunden
sehr ernste und wichtige Fragen. Ich habe mir diese De-
batte angehört und muss feststellen, dass Ihre Fragen
von den Vertretern der Bundesregierung mit großem
Ernst und auch nach bestem Wissen und Gewissen be-
antwortet worden sind. Ich hätte mir gewünscht, dass
dies zu Zeiten der rot-grünen Koalition auch nur an-
nähernd in dieser Art und Weise geschehen wäre.
Sehr geehrter Herr Kollege Oppermann, Sie verken-
nen den Charakter der Fragestunde. Die Fragestunde ist
dafür da, Fragen an die Regierung zu stellen, aber nicht
an einzelne Personen.
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Dann lasse ich über den Antrag abstimmen. Wer für
en Antrag des Kollegen Oppermann ist, den bitte ich
m das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wir sind uns
ier im Präsidium über die Mehrheitsverhältnisse nicht
inig. Es wird ausgezählt. Ich bitte Sie alle, den Saal zu
erlassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, darf ich Sie bitten,
en Saal zu verlassen? – Wir werden dann auszählen.
Sind alle Kolleginnen und Kollegen, die abstimmen
ürfen, aus dem Saal? – Das ist der Fall. Sind die Ein-
angstüren mit den Schriftführern besetzt? – Auch das
st der Fall. Dann ist die Abstimmung eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, darf ich Sie bitten,
latz zu nehmen?
Ich schließe die Abstimmung und bitte, die Türen zu
chließen. Würde mir bitte ein Schriftführer das Ergeb-
is mitteilen? – Ich gebe Ihnen das Ergebnis der Ab-
timmung über den Geschäftsordnungsantrag des
832 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009
)
)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Kollegen Oppermann bekannt: Mit Ja haben gestimmt
226, mit Nein haben gestimmt 295.
Damit ist der Antrag abgelehnt.
Wir können die restliche Zeit der Fragestunde bis
15.35 Uhr für die Nachfragen zu den dringlichen Fragen 4
und 5 des Kollegen Uwe Kekeritz nutzen. – Herr Kol-
lege, bitte sehr.
– Darf ich Sie um Aufmerksamkeit bitten?
Auch ich bitte um Aufmerksamkeit. – Es ist so, wie
Wir kennen uns seit 20 Jah-
ren, und es hat, glaube ich, noch kein Treffen gegeben,
bei dem es nicht ein bisschen gefunkt hat. Aber jetzt
habe ich noch gar nichts gesagt, Herr Staatssekretär, und
es wundert mich schon, dass Sie eine solche Reaktion
auslösen. Sie sind bekannt als Weltmeister der Antwort-
vermeidungsstrategie, und Sie zeigen, dass Sie diesen
Titel zu Recht besitzen. Aber Sie sollten nicht vergessen:
Sie verärgern nicht nur das Parlament, sondern auch die
Öffentlichkeit.
Ich habe mit vielen Antworten gerechnet, aber nicht mit
der, dass Sie sagen, das seien zwei Privatschreiben, eines
von Herrn zu Guttenberg und eines von Herrn
Dr. Wichert, und das sei eine Privatsache. Nein, das sind
offizielle Dokumente, die von großem Interesse sind.
Herr Kollege, Sie wollten eine Frage stellen.
Ja. Jetzt kommt die Frage: Sind Sie sich sicher, Herr
Staatssekretär, dass Ihre juristische Interpretation des
Vorgangs, dass das eine reine Privatsache sei, tatsächlich
so zutrifft? Ich gehe davon aus, dass das nicht der Fall
ist, sondern dass beide Dokumente früher oder später öf-
fentlich werden und Sie dazu Stellung nehmen müssen.
C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Ich bedanke mich bei dem Kollegen
für die Bewertungen und das Ausloben von Weltmeister-
titeln. Das ist aber nicht Gegenstand der Beratungen hier.
Die Antwort, Herr Kollege, basiert schlicht und einfach
auf der Kenntnis des Grundgesetzes, des Briefgeheim-
nisses und des Post- und Fernmeldegeheimnisses und
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Auch wenn es in der Welt steht, muss ich sagen: Es ist
ohl nicht das erste Gespräch, bei dem es unterschied-
iche Versionen gibt. Der Bundesminister zu Guttenberg
at über dieses Gespräch, die Gespräche berichtet. Dem
abe ich nichts hinzuzufügen.
Auch wenn Sie mich möglicherweise auf meine
echthaberei – mit Betonung auf „Recht“ – ansprechen,
öchte ich Sie höchst vorsorglich an Folgendes erin-
ern: Nach § 50 Soldatengesetz und § 54 Bundesbeam-
engesetz können Berufsoffiziere ab Brigadegeneral auf-
ärts und sogenannte politische Beamte jederzeit vom
undespräsidenten entlassen werden. Es bedarf dazu
icht der Angabe eines Grundes.
as ist nicht konstitutiv.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 833
)
)
Parl. Staatssekretär Christian Schmidt
Herr Kollege Heil, Ihre Nachfrage bitte.
C
Entschuldigung, Frau Präsidentin. Herr Trittin hat er-
regt dazwischengerufen. Ich habe nur gesagt, dass ich
auf die Stellungnahme des Bundesministers der Verteidi-
gung hinweise. Sie wollen jetzt wissen, welche Version
zutrifft. Ich habe ganz klar geantwortet. Ich bitte darum,
dass das angenommen wird und keine sinnlosen Nach-
fragen gestellt werden. Diese Bewertung mache ich mir
zu eigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um etwas
Ruhe. Wir sind bei der Beantwortung der dringlichen
Fragen 4 und 5. Deshalb hat Herr Kollege Heil die Mög-
lichkeit, eine zusätzliche Frage zu stellen. Mir liegen
noch einige weitere Wünsche nach Fragen vor. Ich weise
allerdings darauf hin, dass ich um 15.40 Uhr den Bereich
der Fragestunde schließe und wir mit der Aktuellen
Stunde beginnen.
Herr Kollege Heil, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, als Parlamentarischer Staats-
sekretär sind Sie ein Abgeordnetenkollege. Deshalb
weise ich mit Entschiedenheit die Qualifizierung meiner
Frage als unsinnig zurück. Es ist eine Frage, die die
deutsche Öffentlichkeit bewegt.
Ich frage Sie in diesem Zusammenhang nochmals. Sie
haben eben gesagt, man müsse nach Bundesbeamtenge-
setz und Soldatengesetz bei diesen Diensträngen keine
Gründe für eine Entlassung nennen. Das ist richtig. Nun
hat aber der Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg
Gründe für die Entlassung des beamteten Staatssekretärs
und des sehr geachteten Generalinspekteurs genannt.
Weil sich heute der Generalinspekteur auf bestimmte
Äußerungen des Verteidigungsministers bezieht und sie
als ehrenrührig bezeichnet, frage ich Sie: Was sind aus
Ihrer Sicht die politischen Gründe für die Entlassung des
Generalinspekteurs der Bundeswehr, und was ist an je-
nem Tag in welcher Reihenfolge in den Gesprächen ab-
gelaufen? Dafür sind Sie Rechenschaft schuldig. Bitte
schieben Sie es nicht auf den Geheimdienst oder auf den
Untersuchungsausschuss. Die deutsche Öffentlichkeit
hat ein Recht darauf, zu erfahren, wie mit einem verdien-
ten Generalinspekteur umgegangen wurde.
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Herr Kollege, ich möchte zunächst deutlich sagen:
eine bewertende Bemerkung bezog sich auf den Zwi-
chenruf des Kollegen Trittin. Ich wollte ihm damit sa-
en, dass ich die Frage schon beantwortet habe.
Jetzt beruhigen Sie sich mal. – Herr Kollege Heil, ich
abe Ihre Frage im Hinblick auf die zwei Versionen und
ie Stellungnahme des Bundesministers der Verteidi-
ung beantwortet. Soweit ich weiß, hat der von mir ge-
auso geschätzte Generalinspekteur von sich aus einen
rief geschrieben, in dem er um die dann eingetretene
olge, um die Verabschiedung, gebeten hat.
Das ist bei Staatssekretär Wichert nicht der Fall gewe-
en. Ich will übrigens auf Folgendes hinweisen: Dies ist
ie zweite Versetzung von Staatssekretär Wichert in den
instweiligen Ruhestand. Die erste war unter Bundesmi-
ister Scharping gewesen.
Da ich bei diesem Gespräch nicht dabei gewesen
in – –
Besteht weiteres Interesse? Ich bitte um Entschuldi-
ung; ich bin etwas gestört worden, Herr Kollege Heil.
Ich denke, dass sich das in die Formulierung eines
icht mehr vorhandenen Vertrauens kleidet. Vertrauen ist
twas, was wächst, was besteht und durch die eine oder
ndere Ungereimtheit schwinden kann. Es wurde ja da-
auf hingewiesen, dass sich der Bundesminister nicht
usreichend beraten gefühlt hat und feststellen musste,
ass die eine oder andere Information nicht an ihn gege-
en worden war. Er muss natürlich Vertrauen in seine
ührungskräfte haben. Er hat dies nicht mehr als gege-
en gesehen und hat daher die Folgen des Bundesbeam-
engesetzes gezogen und um die entsprechende Entlas-
ung durch den Bundespräsidenten gebeten.
Frau Kollegin Kerstin Müller, bitte.
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Minister Guttenberg hat nach meiner Wahrnehmung
esagt, er habe die Entlassung vorgenommen, weil ihm
estimmte Berichte nicht vorgelegen hätten. Herr
chneiderhan sagt dazu – da Ihnen dies nicht vorliegt,
erde ich Zeit Online zitieren –:
834 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009
)
)
Kerstin Müller
Schneiderhan beklagte sich außerdem über Aussa-
gen des Verteidigungsministers in Interviews, wo-
nach ihm, Guttenberg, wichtige Akten vorenthalten
und Berichte unterschlagen worden seien.
– Zitat –
„Das finde ich inzwischen ehrenrührig“, sagte
Schneiderhan. „Unterschlagen hat für mich den Ge-
schmack des Vorsatzes, und es gab hier keinen Vor-
satz“ …
Der Minister formuliere vorschnell.
Meine Frage lautet: Wie erklären Sie es sich, dass klar
gesagt wurde, ihm hätten bestimmte Berichte nicht vor-
gelegen und dies sei der Grund für die Entlassung gewe-
sen, während Herr Schneiderhan, dem wir alle – Sie und
auch wir – jahrelang vertraut haben, behauptet, diese Be-
gründung entspreche nicht der Wahrheit? Wie erklären
Sie sich diesen Widerspruch? Ich finde, dass Personen
wie Generalinspekteur Schneiderhan und Herr Wichert
ein Recht darauf haben, dass die Umstände ihrer Entlas-
sung, wenn sie denn nun einmal öffentlich begründet
werden, aufgeklärt werden und der Wahrheit entspre-
chen.
C
Wenn wir von dem Zitat bei Zeit Online ausgehen,
dann hören wir, soweit ich dies kenne, zum ersten Mal,
dass der Generalinspekteur unterschiedlicher Meinung
mit dem Bundesminister hinsichtlich der Frage – es ist
mir unangenehm, dies mit Bezug auf seine Person zu sa-
gen – von Vorsatz und Fahrlässigkeit, aber nicht hin-
sichtlich des Tatbestandes ist.
Wenn Sie dem Plenum im Rahmen der Amtshilfe
noch den nächsten Satz, wenn ich darum bitten dürfte,
zur Kenntnis geben könnten. Ich habe ihn nicht vorlie-
gen.
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Den nächsten Satz? Welches ist jetzt der nächste
Satz? Also, Zitat:
„Unterschlagen hat für mich den Geschmack des
Vorsatzes, und es gab hier keinen Vorsatz“, sagte
der entlassene General. „Dass er vorschnell formu-
liert, ist bekannt“, sagte Schneiderhan über den Mi-
nister.
– Wieder Zitat –
„Aber das hier ist schon eine Steigerungsstufe.“ Der
Begriff Vorsatz sei „nicht nur unschön, das ist un-
wahr“.
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Das war der letzte Satz. Das Zitat geht nicht weiter.
C
Es geht darum, dass der Bundesminister sich dahin
ehend geäußert hat – ich versuche, ganz vorsichtig zu
ormulieren; ich habe nichts vorliegen und sage es nur
us dem Gedächtnis –, dass nicht alle Berichte – das ist
in Thema von großer Intensität, wie wir in den letzten
ineinhalb Stunden in diesem Haus erlebt haben – zu sei-
er Kenntnis gelangt sind. Ich formuliere: „gelangt
ind“. Die Frage, die jetzt diskutiert wird, begründet
ann nicht die Frage des fehlenden oder bestehenden
ertrauens. Vertrauen ist keine Frage von Schuldhaftig-
eit. Ich stehe nicht an, zu sagen, dass wir für die vielen
eratungen, die wir in verschiedenen Funktionen, sei es
n Opposition oder Regierung, geführt haben, durchaus
iele gute Ratschläge von Generalinspekteur Schneiderhan
rhalten haben.
Herr Dr. Mützenich.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
ir alle haben vor anderthalb Wochen im Deutschen
undestag, damit auch vor der Öffentlichkeit, vom Bun-
esverteidigungsminister zur Kenntnis bekommen, wa-
um er sich von zwei verdienten Beamten im Haus ge-
rennt hat, die bei ihrer Amtsführung militärische
xpertise und vieles andere eingebracht haben. Sind Sie
icht der Meinung, dass es der Öffentlichkeit hier im
eutschen Bundestag zur Kenntnis gegeben werden
uss – entweder in der Fragestunde oder nachher, wenn
ich der Bundesverteidigungsminister in der Aktuellen
tunden zu Wort meldet –, dass sich einer dieser Beam-
en in einem Schreiben wehrt?
C
Kollege Mützenich, weil ich, wie ich sagen musste,
ie Quelle der Zitierung nicht vorliegen habe und die
ezüglichkeit nicht kenne, wäre es, glaube ich, zumin-
est fahrlässig oder unangemessen von mir, zu diesen
ragen weitere Ausführungen zu machen. Ich beziehe
ich auf das, was der Bundesminister der Verteidigung
u diesen Punkten gesagt hat, und auf die Äußerungen
es Generalinspekteurs Schneiderhan, die wir im Zeit-
aum der Entscheidung zur Kenntnis genommen haben.
eitere Äußerungen wird die Bundesregierung jetzt
icht bewerten.
Herr Dr. Mützenich.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 835
)
)
Herr Staatssekretär, könnten Sie, wenn Ihnen die
Zitate aus dem Bericht von Zeit Online, aus dem die
Kollegin Müller vorgelesen hat, nicht vorliegen, uns we-
nigstens zur Kenntnis geben, was den ehemaligen
Staatssekretär Dr. Wichert veranlasst hat, diesen Brief an
den Bundesverteidigungsminister zu richten? Welche
Argumente hat er dem Verteidigungsminister vorgetra-
gen? Wieso fühlt er sich falsch behandelt?
C
Zu dieser Frage haben wir eine Diskussion geführt.
Ich habe dazu Qualifikationen des Kollegen Kekeritz er-
halten; auch Herr Oppermann hat sich geäußert. Ich habe
dem nichts hinzuzufügen.
Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir zeit-
lich am Ende der Fragestunde angelangt. Die nicht auf-
gerufenen Fragen werden schriftlich beantwortet.1) Herr
Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der
Fragen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
der FDP
Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner das Wort dem Kollegen Dr. Andreas Schockenhoff
für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir ha-
ben die Aktuelle Stunde beantragt, weil die Bevölkerung
erfahren muss, mit welchem Täuschungsmanöver die
Opposition versucht, sich aus ihrer Mitverantwortung
für den Afghanistan-Einsatz fortzustehlen.
Der größte Teil der Opposition hat erst vor 14 Tagen der
Verlängerung des ISAF-Mandats zugestimmt. Was aber
hat sich in den letzten 14 Tagen geändert, dass Herr
Gabriel jetzt auf einmal davon spricht, möglicherweise
sei ein „Strategiewechsel am Parlament vorbei“ eingelei-
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1) Die Fragen 30, 76, 78, 93, 98 und 109 wurden zurückgezogen.
)
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die täglich, wie wir gehört haben, auch heute wieder, ihr
Leben für die Sicherheit unseres Landes riskieren.
Wenn es dafür noch eines Beweises bedurfte hätte,
dann ist es die unsägliche Äußerung von Ihnen, Herr
Arnold, am Montag in der Berliner Zeitung. Auf die
Frage, ob der Bundestag den Afghanistan-Einsatz been-
den sollte, haben Sie, Herr Arnold, gesagt – ich zitiere –:
Hätten wir den Eindruck, die Truppe … stellt sich
gegen die Politik, dann hätten wir eine andere Si-
tuation. Dafür habe ich keine harten Indizien.
Aber vage Indizien deuten Sie unterschwellig an. Wenn
Sie welche haben, Herr Arnold, dann müssen Sie sie
heute auf den Tisch legen. Wenn nicht, dann nehmen Sie
die ungeheuerliche Diffamierung unserer Soldatinnen
und Soldaten zurück.
Was Sie hier tun, ist nichts anderes, als mit abwegigen
Äußerungen Misstrauen gegen unsere Soldaten zu schü-
ren.
Das alles zeigt: Sie wollen nicht aufklären. Nein, Ih-
nen ist jedes Mittel recht, um sich aus dem Mandat fort-
zustehlen. Das haben unsere Soldaten nicht verdient.
Das schadet der Sicherheit unseres Landes.
Nächster Redner ist für die SPD-Fraktion der Kollege
Dr. Frank-Walter Steinmeier.
Meine Damen und Herren! Lieber Herr
Schockenhoff, wenn das der Versuch war, den Verteidi-
gungsminister zu verteidigen, dann ist er gründlich
schiefgegangen.
Ich kann in dieser Situation ja verstehen, dass die Ver-
suchung groß ist, jetzt Nebelkerzen zu zünden. Sie wol-
len am liebsten über Auslandseinsätze im Allgemeinen
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Damit sind wir beim Kern. Herr Minister, Sie haben
ier und auch öffentlich den Eindruck erweckt, der
taatssekretär und der Generalinspekteur hätten Sie hin-
ichtlich des Vorfalls bei Ihrer Amtsübernahme getäuscht.
as hat mich am Anfang irritiert. Aber spätestens nach
er Berichterstattung vom vergangenen Wochenende
inde ich, dass einige Fragen mit hoher Dringlichkeit auf
em Tisch liegen: Haben Herr Schneiderhan und Herr
ichert Ihnen Dokumente vorenthalten, die – und nur
ie – zu einer anderen Bewertung des Einsatzes am Kun-
uz-Fluss geführt haben? Haben die beiden Sie wirklich
ewusst falsch informiert? Oder – das ist die andere Al-
ernative –: Haben Sie am 6. November bereits über not-
endige Informationen verfügt? Haben Sie möglicher-
eise damals den Einsatz aus ganz anderen Motiven für
ngemessen und für notwendig erklärt?
Noch eine andere Sache: Obwohl doch – so habe ich
s jedenfalls gehört – für keinen Verteidigungspolitiker
n der Zeit nach dem 6. November völlig neue Fakten
inzugekommen sind: Wie erklärt sich Ihr Sinneswandel
ach der Berichterstattung in der Bild-Zeitung und nach
hrem Auftritt hier am 3. Dezember? Statt auch nur eine
ieser Fragen konkret zu beantworten, gibt es seit Tagen
ur einen großen Wortbrei. Illner, Jauch, Beckmann –
eine Talkshow ist im Augenblick vor Herrn zu
uttenberg sicher.
ber das Ergebnis bis heute ist: Mit jedem Tag, mit je-
em Auftritt wird die Liste der offenen Fragen, der Wi-
ersprüche, der Ausflüchte und der Ablenkungsversuche
änger.
Mein Rat: Nehmen Sie das, was Zeit Online heute
orgen schreibt, nicht so leicht:
Schneiderhan bezichtigt Guttenberg der Lüge.
ichert und Schneiderhan widersprechen, wenn ich das
ichtig sehe, nachdrücklich, dass sie Sie bewusst ge-
äuscht haben, und bestreiten damit im Kern die behaup-
eten Entlassungsgründe. Das ist doch nicht irgendetwas:
uf der einen Seite ein erfahrener Staatssekretär, den Sie
um zweiten Mal in die Verantwortung geholt haben,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 837
)
)
Dr. Frank-Walter Steinmeier
auf der anderen Seite ein Generalinspekteur mit viel Er-
fahrung und hohem Ansehen im Inland und im Ausland.
Deshalb sage ich: Wenn diese beiden, so wie ich gehört
habe, Ihnen geschrieben haben sollen, dass die Gründe,
die Sie für die Entlassung angegeben haben, falsch sind,
dann kann ich Ihnen nur sagen: Holen Sie sich das Ein-
verständnis der beiden und machen Sie diese Briefe öf-
fentlich! Das Parlament und die Öffentlichkeit haben ei-
nen Anspruch darauf, zu erfahren, was geschehen ist.
Ich jedenfalls habe inzwischen nachdrückliche Zweifel,
dass es vorsätzlich vorenthaltene Informationen sind, die
Sie am 3. Dezember zu einem Sinneswandel geführt ha-
ben. Ich beziehe mich auf Sie selbst. Sie selbst haben am
6. November davon gesprochen, dass Sie den COMISAF-
Bericht studiert haben. Sie selbst haben in der Presse-
konferenz erwähnt, dass Sie den Bericht des Roten
Kreuzes gesehen haben. Sie wussten also am 6. Novem-
ber, dass es Fehler gegeben hat, dass es zivile Opfer ge-
geben hat. Trotzdem und unbeeindruckt davon haben Sie
sich öffentlich zur Notwendigkeit und zur Angemessen-
heit des Einsatzes bekannt.
Schlimm ist, wie ich finde: Drei Wochen lang haben
Sie sich dafür öffentliches Lob abgeholt. Dann drehte
sich die Berichterstattung, und Sie drehten sich mit. Weil
das kein Mensch erklären konnte, auch Sie nicht, muss-
ten der Feldjägerbericht und zwei Personen, die jetzt im
Ruhestand sind, dafür herhalten. Wir alle wissen, dass in
diesem Feldjägerbericht nichts Neues und insbesondere
nichts anderes enthalten ist. Das haben Sie indirekt unse-
rem Vorsitzenden, Sigmar Gabriel, vorgeworfen, als Sie
ihm gesagt haben, Anfang November sei schon alles be-
kannt gewesen, in der Geheimschutzstelle einsehbar ge-
wesen. Aber wenn uns das alles bekannt gewesen sein
soll, dann doch offensichtlich auch Ihnen vor dem
3. Dezember.
Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.
Ja. – Sie können diesen Sinneswandel nicht erklären.
Sie sagen es nicht.
Meine Vermutung will ich Ihnen gerne mitteilen: Sie
sind am 6. November, um der Truppe zu gefallen, über
die kritischen Stimmen in diesem Bericht hinweggegan-
gen, und als der Wind Ihnen ins Gesicht blies, haben Sie
forsch das Gegenteil vertreten. Herr Minister, das ist
Schneidigkeit, aber Schneidigkeit ist keine politische
Haltung, und sie ersetzt auch nicht politische Verantwor-
tung.
Wir stehen zu unserer Verantwortung, wir stehen zu
der Bundeswehr, aber wir wollen vor allen Dingen
Wahrheit.
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Herr Kollege, ich muss Sie noch einmal auf die Rede-
eit hinweisen.
Wir wollen vor allen Dingen die Wahrheit. Ihre Aus-
age steht gegen die Aussagen von zwei Personen; das
st nicht ohne Belang, meine Damen und Herren!
Nächste Rednerin ist die Kollegin Elke Hoff für die
DP-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
iebe Kollegen! Ich möchte die Gelegenheit nutzen und
em Soldaten, der heute durch einen Bauchschuss
chwer verwundet wurde und die erste Operation über-
tanden hat, dem aber weitere Behandlungen bevorste-
en, von dieser Stelle aus, ich denke, in unser aller Na-
en, beste Genesungswünsche ausdrücken, damit sehr
eutlich wird, dass wir an der Seite unserer Soldatinnen
nd Soldaten in diesem Einsatz stehen.
Wir haben ebenfalls heute das schärfste Instrument,
as dem Deutschen Bundestag zur Verfügung steht, ge-
utzt und einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der
ll die Fragen, die in den vergangenen Tagen mit Vehe-
enz über unsere Bürgerinnen und Bürger hinweggefegt
ind, aufklären soll. Ich kann nur schwer nachvollziehen,
ass wir diesem unserem eigenen Instrument in der Art
nd Weise, wie wir es hier heute erlebt haben, vorgrei-
en.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat an vielen Stellen ih-
en Willen zur umfassenden und zeitnahen Aufklärung
argelegt. An den heute gemachten Ausführungen der
olleginnen und Kollegen der Opposition können wir
nterschiedliche Motivlagen erkennen: Die einen möchten
issen, ob die Bundeswehr gezielte Tötungen durchfüh-
en kann. Die anderen möchten wissen, ob der ehemalige
eneralinspekteur und der beamtete Staatssekretär
r. Wichert zu Recht entlassen worden sind. Andere
ollegen möchten gerne den gesamten Afghanistan-Ein-
838 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009
)
)
Elke Hoff
satz infrage stellen. Warum können wir als diejenigen,
die vor wenigen Tagen diesen Einsatz erneut mandatiert
haben, nicht abwarten, bis all diese Fragen in unserem
Untersuchungsausschuss geklärt werden?
Wir haben heute sehr oft gehört, dass wir an der Seite
unserer Soldatinnen und Soldaten stehen. Ich habe mich
in den letzten Tagen häufig gefragt – liebe Kollegen, das
ist eine sehr persönliche Meinung –, wie sich unsere Sol-
datinnen und Soldaten in Kunduz und deren Familienan-
gehörige angesichts der Debatte, die wir hier führen,
fühlen.
– Nein, das ist nicht unglaublich; denn in dem Moment,
in dem ich als Mitglied des Deutschen Bundestages die-
sen Einsatz mandatiere – –
Darf ich um etwas Ruhe und Aufmerksamkeit für die
Rednerin bitten?
Verehrter Herr Trittin, ich glaube, dass ich hinrei-
chend zum Ausdruck gebracht habe, dass dies meine
persönliche Meinung dazu ist.
Ich bin der Auffassung, dass ich, wenn ich als Parlamen-
tarierin dieses Mandat erteile, auch eine Verantwortung
gegenüber den Soldatinnen und Soldaten und gegenüber
ihren Familien habe.
Deswegen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, haben
wir heute unseren Untersuchungsausschuss, der einen
klaren Untersuchungsgegenstand hat, eingesetzt.
Da hier an verschiedenen Stellen die Informationspo-
litik bemängelt wird, muss ich auch einmal fragen: Wie
laufen denn die Informationsstränge in den Fraktionen?
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enn die Obleute werden in vielen Punkten umfassend
nformiert.
eute ist der Eindruck erweckt worden, als ob dies allein
ache der Bundesregierung wäre, die vernebelt und
eine Informationen geben will. Der Minister hat hier im
lenum ausdrücklich gesagt, dass er das durchführen
ird.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich hoffe, dass der
rkennbare Wille aller, den Sachverhalt aufzuklären,
azu führen wird, dass wir im Untersuchungsausschuss
emeinsam, ernsthaft und mit aller gebotenen Rück-
ichtnahme auf die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz
nd auf das Ansehen der Bundeswehr dieser Aufgabe
olge leisten werden.
Vielen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Jan van Aken für die
raktion Die Linke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
erren! In Kunduz ging es nie um die Tanklaster. Es
ing darum, Menschen zu töten. Ich zitiere hier jetzt nur
us öffentlichen Quellen. Ich habe keinen Grund, an de-
en Seriosität zu zweifeln. Kurz vor dem Bombenabwurf
ragten die beiden amerikanischen Piloten fast schon
erzweifelt: Worum geht es denn jetzt? Geht es um die
anklaster oder um die Menschen? Darauf gab es eine
anz klare Antwort aus dem deutschen Lager – ich zi-
iere wörtlich –: Wir wollen die Menschen töten. – Kein
ort von den Tanklastern, und ein paar Minuten später
aren über Hundert Menschen tot.
eit dem Zweiten Weltkrieg gab es keinen einzigen An-
riff mit deutscher Beteiligung, bei dem so viele Men-
chen getötet worden sind.
Vernichten“, das ist das Wort, das Oberst Klein dafür
enutzt hat. Bis heute wissen wir immer noch nicht, wie
iele unschuldige Zivilisten dabei zu Tode gekommen
ind.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 839
)
)
Jan van Aken
Auf jeden Fall waren es sehr, sehr viele.
Dann setzt sich Herr zu Guttenberg ins deutsche Fern-
sehen und sagt: Wir brauchen eine „notwendige Anpas-
sung an die Realitäten“. Sie haben hier gar nichts anzu-
passen. Herr zu Guttenberg, Sie haben keine Lizenz zum
Töten.
Gezielte Tötung ist nichts anderes als eine Todesstrafe
ohne Gerichtsurteil und ohne Gerichtsverfahren. Das
dürfen Sie nicht.
Das Einzige, was Herr zu Guttenberg hat, ist ein Mandat
des Deutschen Bundestages. Dieser Bundestag hat Ihnen
niemals die Erlaubnis zum gezielten Töten gegeben.
Um es deutlich zu sagen: Das vom Bundestag erteilte
Mandat umfasst nicht das Recht, Zielpersonen unter An-
wendung tödlicher Gewalt wegen einer nur vermuteten
Gefahr gezielt zu liquidieren.
Wenn Sie in den Reihen der CDU/CSU jetzt dagegen
protestieren, dann sage ich Ihnen: Sie sind doch völlig
kriegsblind. Das, was ich eben hier vorgelesen habe,
kommt aus Ihren eigenen Reihen. Der Staatssekretär im
Verteidigungsministerium hat dies vor wenigen Monaten
im Bundestag gesagt. Ich wiederhole:
Das … Mandat umfasst nicht das Recht, Zielperso-
nen … gezielt zu liquidieren, …
Das sagte der Staatssekretär im Verteidigungsministe-
rium hier am 11. Februar dieses Jahres. Das heißt, der
Bombenangriff in Kunduz war illegal und durch kein
Mandat und durch kein Gesetz gedeckt. So weit sind wir
jetzt gekommen.
Sie von der CDU/CSU, Sie von der FDP, aber auch
Sie von der SPD und den Grünen haben Deutschland in
einen Krieg getrieben, über den Sie nie die Wahrheit ge-
sagt haben.
Sie haben immer von Aufbau geredet und meinten den
Krieg. Sie reden von Brunnenbau und verschweigen die
Leichen. Sie alle haben gelogen, und Sie wissen ganz ge-
nau, warum. Denn die ganz große Mehrheit in Deutsch-
land lehnt diesen Krieg ab.
Selbst vor zwei Wochen, vor dem Desaster, das Sie jetzt
hier angerichtet haben, haben sich gerade einmal
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Zweitens muss Frau Merkel endlich erklären, wer
ann die Erlaubnis oder sogar den Befehl zum gezielten
öten gegeben hat. Ich bitte Sie: Kein Mensch glaubt
och im Ernst, dass ein deutscher Offizier ohne Absiche-
ung nach oben Regeln verletzt, Amerikaner belügt und
igenmächtig handelt, was dazu führt, dass über 100 tote
enschen auf der Strecke bleiben.
rgendwer hier in Berlin hat diese Entscheidung irgend-
ann getroffen. Alle, die an dieser Entscheidung betei-
igt waren, müssen ihren Hut nehmen. Es kann doch
icht sein, dass jemand in Deutschland die illegale Tö-
ung beschließt und danach weiterregiert.
azu muss sich Frau Merkel jetzt erklären.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland
eine Waffen mehr exportieren sollte. Gestern konnten
ir lesen: Über 8 Milliarden Euro hat Deutschland im
etzten Jahr am Export von Kriegsgerät verdient. Ich
inde, das sind 8 Milliarden Euro zu viel.
Ich danke Ihnen.
Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Trittin für die
raktion Bündnis 90/Die Grünen.
840 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009
)
)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber
Herr Kollege Schockenhoff, ich hätte mir von Ihnen ge-
wünscht, dass Sie an dieser Stelle wenigstens eingeste-
hen, dass in der Regierungserklärung am 8. September
dieses Jahres von der Frau Bundeskanzlerin und in der
anschließenden Debatte vom damals amtierenden Vertei-
digungsminister nicht die ganze Wahrheit gesagt wurde.
Sie haben darauf hingewiesen, die Fraktionen seien un-
terrichtet worden, dass es auch um die Tötung von Tali-
ban gegangen sei. Ich empfehle Ihnen: Lesen Sie das
Protokoll der Regierungserklärung. Sie werden feststel-
len: Die Darstellung, die in diesem Hause abgegeben
worden ist, lautete: Wir mussten die Tanklastzüge bom-
bardieren, um eine unmittelbare Gefahr für die Soldaten
im Lager Kunduz abzuwehren. – Meine Damen und
Herren, das war zumindest nicht die ganze Wahrheit.
Die ganze Wahrheit findet sich im Bericht von Oberst
Klein. Dort heißt es: Es ging darum, an dieser Stelle Ta-
liban zu vernichten. – Ich sage Ihnen, dass dies mit dem
Mandat, das der Deutsche Bundestag erteilt hat, nicht zu
vereinbaren ist.
Die NATO – nicht Jürgen Trittin, sondern die NATO –
stellt fest: Es sind essenzielle Regeln verletzt worden.
Herr Klein hätte keine Luftunterstützung anfordern dür-
fen, da dies Troops in Contact vorausgesetzt hätte. Die
NATO stellt fest: Diese Voraussetzung war nicht erfüllt.
Ich kann das fortsetzen: Warum ist die abziehende
Menschenmenge nicht durch vorherigen Tiefflug ge-
warnt worden? Ist das Ihr Verständnis davon, wie zivile
Opfer in Afghanistan zu vermeiden sind? Oder ist eine
solche Praxis nicht eher geeignet, die Zahl der zivilen
Opfer in Afghanistan zu erhöhen?
Wenn das so ist, dann stellt sich die Frage: Was besa-
gen die ISAF-Regeln? Was ist der Befehl des Oberkom-
mandierenden dort eigentlich wert, der gesagt hat: „Die
Vermeidung ziviler Opfer hat oberste Priorität. Luftan-
griffe sind künftig an sehr enge Voraussetzungen zu
knüpfen“? Wenn die NATO feststellt, dass diese Voraus-
setzungen nicht eingehalten worden sind, Sie sich also
nicht an die Regeln gehalten haben, dann haben Sie ge-
gen die Regeln des ISAF-Mandates verstoßen. Schließ-
lich wurde nicht etwa von einer Oppositionsfraktion,
sondern in dem Bericht, der diesem Hause vorliegt, fest-
gestellt, dass der Einsatz am 4. September dieses Jahres
nicht durch das Mandat gedeckt war.
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enn ISAF-Regeln sind rechtsverbindlich und nicht un-
erbindliche Handlungsempfehlungen.
Deswegen frage ich mich, sehr geehrter Herr Bundes-
erteidigungsminister: Wie konnten Sie in Kenntnis die-
es Berichts, in Kenntnis dieser Feststellungen zu dem
rgebnis kommen, dass der Angriff militärisch ange-
essen, ja sogar – wie Sie in der Pressekonferenz erklärt
aben – unabweisbar gewesen sei? Das ist ganz mieser
til gewesen, Herr Minister.
Sie können nicht den Obleuten und den Ausschüssen
es Bundestages das Material zur Verfügung stellen, aber
mmer unter der Maßgabe, dass man das geheimhalten
uss, und Sie treten dann vor die Presse und erklären
übrigens in einer Bewertung – das Gegenteil von dem,
as in diesen Berichten steht. Erst nachdem man Sie drei
al – ich in diesem Plenum zwei Mal – aufgefordert hat,
hre Bewertung endlich zu korrigieren, korrigieren Sie
iese, aber beschimpfen diejenigen, die Sie auf diesen
ehler hingewiesen haben. Das ist ein Umgang mit dem
arlament, der ist eines Bundesministers nicht würdig.
Die Art und Weise, wie Sie dann – übrigens ohne
ot – hier begründet haben, dass Sie Herrn Wichert und
errn Schneiderhan entlassen haben, wirft die nächste
rage auf. Wenn Sie heute von Herrn Schneiderhan per
eit bescheinigt bekommen, dass nach seiner Auffas-
ung Sie die Unwahrheit sagen, sage ich Ihnen: Das wird
in sehr spannender Untersuchungsausschuss; denn im
ntersuchungsausschuss geht es nicht zu wie bei
eckmann,
m Untersuchungsausschuss ist die Unwahrheit strafbe-
ehrt. Ich sage Ihnen: Wenn Herr Schneiderhan und
err Wichert bei ihrer Aussage bleiben, dann sehe ich
ür Ihre Zukunft in diesem Amte erhebliche Probleme
uf Sie zukommen.
Ich will Ihnen deswegen für Ihre Rede, die wir jetzt
ören werden, ein Zitat von Herrn Schneiderhan mit auf
en Weg geben. Er hat zu seiner Verabschiedung
onfuzius zitiert: Der Schüler fragt den Meister: Was ist
ittliches Verhalten? Der Meister antwortet: Wer sich
urch sittliches Verhalten auszeichnet, wählt seine Worte
it Bedacht. Der Schüler fragt weiter: Mit Bedacht re-
en, das soll sittliches Verhalten sein? Der Meister ant-
ortet mit einer Gegenfrage: Das Handeln ist so schwie-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 841
)
)
Jürgen Trittin
rig; darf da das Reden unbedacht sein? – Ich würde mir
bei Ihnen mehr Konfuzius wünschen.
Das Wort hat der Bundesminister der Verteidigung,
Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg.
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bun-
desminister der Verteidigung:
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Trittin, „mieser Stil“ soll das also sein. Ich
frage mich, wie unsere Soldatinnen und Soldaten den
Stil der heutigen Debatte empfinden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat der
Minister.
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bun-
desminister der Verteidigung:
Ich frage mich, was unsere Soldatinnen und Soldaten
empfinden, wenn Sie an einem Tag, wo ein Soldat
schwer verwundet in Kunduz liegt, wo ein weiterer Sol-
dat offenbar verletzt wurde, wo Soldaten im Gefecht
sind, mit solchem Gebrüll antworten und lediglich in-
nenpolitische Gefechte abfeiern. Das entspricht über-
haupt nicht dem erforderlichen Niveau, meine Herren!
Unsere Soldaten hätten Verständnis dafür, dass wir
hier Debatten führen, wie man für Rechtssicherheit sor-
gen kann. Unsere Soldaten hätten Verständnis dafür,
dass wir, wenn wir über das Thema, wie man in Afgha-
nistan – –
Herr Bundesminister, darf ich Sie kurz unterbrechen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben einen erns-
ten Sachverhalt zu diskutieren.
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Herr Minister, bitte.
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bun-
esminister der Verteidigung:
Frau Künast, unsere Soldaten haben eines, was Sie ih-
en gerade offensichtlich nicht zugestehen, nämlich ein
ohes Anstandsempfinden. Ich glaube, das darf das Par-
ament in einer Debatte auch widerspiegeln.
Unsere Soldaten haben den Anspruch darauf, dass wir
ie Lage in Afghanistan auch unter Berücksichtigung
es Punktes Rechtssicherheit und der Frage, wie es ei-
em Soldaten im Felde geht, der im Gefechte stand, dis-
utieren. Wenn man dies vor dem Hohen Hause an-
pricht, das den Namen „Hohes Haus“ zu Recht trägt,
nd dann plötzlich nichts weiter als wüstes Geschrei von
hren Seiten ausbricht, dann werden Sie damit Ihrer Ver-
ntwortung gegenüber den Soldaten nicht gerecht. Das
arf ich an dieser Stelle auch noch einmal sagen.
Heute stehen hier einmal mehr zwei wesentliche
unkte im Raum.
err Trittin und Herr Steinmeier, die Sie gesprochen ha-
en: Sich in der letzten Woche und am Wochenende hin-
ustellen und zu beklagen, man würde nur stückchen-
eise über das eine oder das andere informiert werden,
st schon bemerkenswert.
ie Welle der Empörung dürfte Sie in dieser Hinsicht ei-
entlich selbst treffen, da Sie seit spätestens 3. Novem-
er 2009 über all das informiert waren, was Sie da be-
lagt haben.
842 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009
)
)
Bundesminister Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
Einige von Ihnen waren sogar schon früher informiert.
– Sie nennen gerade Herrn Arnold. Herr Arnold hat, wie
man hört, beispielsweise schon am 8. September 2009
über gewisse Dinge, die gerade auch in der letzten Wo-
che laut beklagt wurden, gesprochen.
– Er kann sich ja gleich selbst dazu äußern. – In der Sit-
zung des Verteidigungsausschusses – übrigens der ersten
nach dem Luftschlag – sollen bestimmte Kollegen ge-
sagt haben – Herr Arnold weiß sicher, von wem ich rede;
ich höre das –, dass das Ziel des Luftschlags durchaus
auch darin bestanden habe, die sich im Umfeld der Las-
ter aufhaltenden Terroristen zu treffen – hört! hört! –, die
sicher kein illegitimes Ziel seien.
Ich darf das wiederholen: die sicher kein illegitimes Ziel
seien.
Ich wiederhole: Man hört, das sei im Verteidigungsaus-
schuss am 8. September 2009 gesagt worden.
Manchmal muss man der Erinnerung auch ein Stück
weit nachhelfen, wenn Sie sich so äußern wie in diesen
Tagen.
Die Fraktionsvorsitzenden – Herr Trittin, Sie selbst
wollten am 6. November 2009 ja nicht kommen – wur-
den vom Bundesverteidigungsministerium auch darüber
informiert,
was der COMISAF-Bericht aussagt, dass nämlich auch
die Taliban ein Teil der gezielten Bekämpfung waren
und dass es nicht nur um die Tanklaster ging, dass die
gezielte Bekämpfung also gegen die Tanklaster und die
Taliban gerichtet war. Das war am 6. November 2009.
Herr Trittin, Sie wollten nicht selbst kommen und haben
einen Vertreter geschickt. Man darf zumindest anneh-
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Ich komme zu den personellen Konsequenzen, weil
ie von einigen angesprochen worden sind. Ich habe
ehrfach darauf hingewiesen, dass mir Dokumente, Be-
ichte und Informationen zum Vorfall in Kunduz vorent-
alten wurden.
as ist unbestritten.
as wird auch – jetzt wird es interessant; hören Sie ein-
al zu, Herr Oppermann – in dem Brief von General
chneiderhan an mich festgestellt,
n dem er mich bittet, Herr Oppermann, ihn von seinen
ienstpflichten zu entbinden, da er die Verantwortung
afür übernehme, dass mir diese Informationen nicht
orgelegt wurden.
ür die Trennung bedarf es keiner weiteren Gründe.
uf ein anderes Niveau in der Debatte, das man derzeit
rlebt, werde ich mich mit Sicherheit nicht einlassen.
Ich darf gleichzeitig noch auf eine Frage eingehen,
ämlich ob Informationen wesentlich oder unwesentlich
ind.
n einem so entscheidenden Fall der Geschichte der Bun-
eswehr hat der Bundesminister in der Frage, welche In-
ormation wesentlich oder unwesentlich gewesen sein
ag,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 843
)
)
Bundesminister Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
schon noch selbst das Recht, zu entscheiden, was we-
sentlich und was unwesentlich ist, statt jemanden danach
fragen zu müssen, ob er denn Einsicht in gewisse Akten
nehmen darf. Wo kämen wir denn da hin?
In diesem Zusammenhang wird manches, was heute
mit großem Gedöns vorgestellt wurde, auch im Untersu-
chungsausschuss eine Rolle spielen dürfen und müssen.
Ich habe diesen Untersuchungsausschuss von Anfang an
befürwortet, ebenso wie ich alle mir vorliegenden Doku-
mente dem Parlament zur Verfügung gestellt habe und
solche, die als geheim eingestuft waren, sogar herabge-
stuft habe, sofern ich das selbst konnte – das hat es in
dem Sinne auch noch nicht gegeben –, damit im Parla-
ment damit anständig umgegangen werden kann. Ob Sie
damit anständig umgehen, ist noch eine andere Frage.
Das hat mit Anstand relativ wenig zu tun.
Ich habe immer gesagt, dass ich den Untersuchungs-
ausschuss befürworte. Ich halte ihn für ein angemesse-
nes und auch für ein würdiges Gremium, diese Fragen zu
behandeln. Einen Vorgeschmack darauf, wie dieses Gre-
mium von einigen eingeschätzt wird, konnte ich aller-
dings bereits am gestrigen Abend und heute bekommen.
Gestern Abend erreichte mich eine Aufforderung der
SPD-Fraktion, heute im Verteidigungsausschuss einen
umfassenden Bericht über die Ereignisse am 3. und
4. September 2009 anlässlich des Bombenabwurfs auf
zwei Tanklastzüge und die daraus resultierenden Ent-
scheidungen des Einsatzführungskommandos und des
Bundesministeriums der Verteidigung abzugeben. Der
Bericht sei dringend erforderlich für die Beratungen im
Verteidigungsausschuss.
Diese Aufforderung erfolgte vor der Einrichtung des
Untersuchungsausschusses. Das gibt mir einen Hinweis
darauf und setzt Sie dem Verdacht aus, dass es Ihnen bei
dem Untersuchungsausschuss nicht um Aufklärung und
Information geht, sondern dass Sie nahe am politischen
Klamauk sind, wenn Sie den Untersuchungsausschuss
schon im Vorfeld so abwerten wollen.
Herr Arnold, dazu können Sie auch Stellung nehmen.
Das ist nicht würdig. Es ist nahe am Klamauk.
Es geht bei allen Fragen, die wir hier behandeln, nicht
lediglich um die eine oder andere Spitzfindigkeit, son-
dern um existenzielle Fragen, die Leben und Tod unserer
Soldaten berühren.
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enn wir dieses Niveau in solchen Fragen halten, dann
ragen Sie die Debatte auch künftig auf dem Rücken der
oldaten aus, und dieses Niveau gibt niemand anders als
ie vor.
Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Rainer Arnold für die
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ir haben nicht den Minister der Verteidigung gehört,
ondern wir haben gerade den Minister für Selbstvertei-
igung ertragen müssen.
err zu Guttenberg, wer es mit der Bundeswehr wirklich
ut meint, wer es mit der Verantwortung für die Soldaten
rnst meint, der sorgt dafür, dass die deutsche Öffent-
ichkeit und das Parlament wahrhaftig, korrekt und
ückenlos über die Arbeit der Soldaten informiert wer-
en. Das ist es, was die Soldaten brauchen.
Seit dem 5. September erleben wir nicht nur Salami-
aktik, sondern auch Halbwahrheiten. Ein Minister
usste deshalb schon zurücktreten. Der nächste Minister
acht in dieser Kette eindeutig weiter.
Herr Minister, mich macht es wirklich fassungslos,
ie Sie die ernste Situation des verwundeten deutschen
oldaten – unsere Gedanken sind bei ihm; das haben wir
chon im Verteidigungsausschuss gesagt – hier einbezie-
en und so tun, als ob wir diejenigen sind, die Belehrun-
en bräuchten, wie man mit der Bundeswehr umgeht.
ch sage Ihnen: Die Truppe sehnt sich nach dem letzten
ozialdemokratischen Verteidigungsminister Peter Struck.
a war sie in guten Händen.
err Minister, Sie stellen sich nicht vor die Soldaten,
ondern verstecken sich mit Ihrer heutigen Rede hinter
en Soldaten. Das haben sie wirklich nicht verdient.
Die Kette der Vernebelungen ging in Ihrer Rede wei-
er. Warum erklären Sie der deutschen Öffentlichkeit
icht ganz einfach, Herr zu Guttenberg – Sie haben den
ericht gelesen –, weshalb Sie zu dieser desolaten Fehl-
844 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009
)
)
Rainer Arnold
einschätzung kamen? Sagen Sie es einfach! Dann haben
Sie sich korrigiert, erklären aber nicht, warum Sie sich
korrigiert haben. Sie lassen sich in Talkshows feiern und
holen den Applaus dafür ab, dass Sie jemand sind, der
dazulernt. Ich glaube, wir alle können dazulernen. Das
ist unsere Aufgabe als Abgeordnete. Aber schäbig ist,
dass Sie nicht bereit sind, die Verantwortung für Ihren
Irrtum zu übernehmen, sondern die Verantwortung dem
Generalinspekteur und dem entlassenen Staatssekretär
zuschieben. Das ist ein unanständiges Verhalten.
Nun wäre es wirklich an der Zeit, dass Sie die Vor-
gänge klären. Legen Sie doch den Brief des Generalin-
spekteurs, in dem er sich darüber beklagt, wie Sie mit ihm
umgegangen sind, der Öffentlichkeit und dem Verteidi-
gungsausschuss vor! Wir werden im Untersuchungsaus-
schuss sowieso die Möglichkeit haben, Einblick in den
Brief zu nehmen.
Herr Minister zu Guttenberg, wir haben die Sorge,
dass Sie diesem Amt, wenn Sie so weitermachen, nicht
wirklich gewachsen sind.
Mir klingt noch ein bisschen in den Ohren, was Herr
Schockenhoff und andere gesagt haben und was auch Sie
mir vorgeworfen haben. Herr zu Guttenberg, Sie bringen
mich in Verbindung mit einem angeblichen Zitat aus der
Sitzung des Verteidigungsausschusses am 8. September.
Bitte nehmen Sie das zurück! Ich werde Ihnen im Vertei-
digungsausschuss eine lange Kette von Presseveröffent-
lichungen, Statements, Interviews und Aussagen meiner
Arbeitsgruppe vorlegen – ich bin mit dieser Haltung
nicht alleine; alle Sozialdemokraten im Deutschen Bun-
destag haben von Anfang an diese Position vertreten –,
an der Sie erkennen können, dass meine Arbeitsgruppe
bereits am 8. September in der Diskussion im Verteidi-
gungsausschuss damit begonnen hat, sehr kritisch und
reflektierend über die Fehler in der besagten Nacht zu re-
den; das ist notwendig. Das haben wir die ganze Zeit ge-
tan. Wir mussten unsere Auffassung eben nicht ändern.
Das ist der große Unterschied.
Hören Sie also damit auf! Das ist nichts anderes als eine
Verleumdung, wenn Sie das so stehen lassen. Das lassen
wir Ihnen nicht durchgehen.
Nun gibt es die großen Befürchtungen, die Sozialde-
mokraten würden sich vom Acker machen; Herr
Schockenhoff hat das ganz locker dahergesagt. Nein, wir
bleiben bei unserer Verantwortung für die Menschen in
Afghanistan, denen wir versprochen haben, beim Auf-
bau ihres Landes zu helfen. Wir bleiben auch bei unserer
Verantwortung für die Sicherheitsinteressen der Welt in
dieser Region. Davon werden uns Minister, die ihrer Ar-
beit nicht gewachsen sind, selbstverständlich nicht ab-
bringen.
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ber dazu gehören wird, dass wir Minister, die Fehler
egehen, hier im Deutschen Bundestag politisch stellen
nd sie drängen, ihrer politischen Verantwortung persön-
ich nachzukommen. Nur darum geht es bei dieser De-
atte.
Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Rainer Stinner
ür die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ür mich beginnt gerade die dritte Periode im Deutschen
undestag, und ich habe diese Zeit in den Ausschüssen
ür Verteidigung und Auswärtiges verbracht. Ich habe es
mmer als besonders angenehm empfunden, dass trotz al-
er Streitereien und Kritik, die wir hatten – wir waren bis
or einigen Wochen in der Opposition; einige aus der da-
aligen Regierung werden sich daran zum Teil schmerz-
aft erinnern –, dass es trotz dieser Konfliktsituation, die
s zwischen Opposition und Regierung geben muss, doch
mmer einen Konsens gegeben hat, nämlich den Konsens,
ass wir gemeinsam – zumindest vier Fraktionen – au-
en- und sicherheitspolitische Verantwortung für dieses
and tragen, und den Konsens darüber, dass ein Instru-
ent dieser gemeinsamen Verantwortung unsere deut-
che Bundeswehr ist. Wenn ich die Debatten in den letz-
en Wochen und Tagen betrachte, dann habe ich die große
efürchtung, dass dieser Konsens am Zerbrechen ist.
ie Gefahr ist, dass dieser Konsens zerbricht, weil Sie
ereit sind, aus kleinkarierten innenpolitischen Motiven
ollateralschäden in Kauf zu nehmen.
enn diese Kollateralschäden uns betreffen würden,
ann könnten wir damit leben. Wir sind das gewohnt,
afür werden wir bezahlt, das ist unser Job. Aber Sie alle
issen – auch Sie sind bei den Soldaten in diesen Wo-
hen; das weiß ich –, welche verheerende Auswirkung
ie Art der Debatte – nicht das, was wir diskutieren – auf
nsere Soldaten im In- und Ausland hat. Das wird uns
äglich und wöchentlich bei unseren Besuchen in den
asernen mitgeteilt. Das ist der Kollateralschaden, den
ie zu verantworten haben.
Es hat ohne jeden Zweifel am 4. September einen
anz gravierenden Vorfall gegeben. Wir, auch der Minis-
er, räumen ein, dass es Fehler gegeben hat. Es ist unsere
ufgabe, aus diesen Fehlern zu lernen. Sie aber beschäf-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 845
)
)
Dr. Rainer Stinner
tigen sich nicht mit einem einzigen Wort damit, welche
Konsequenzen wir aus den Vorfällen des 4. September
ziehen müssen: neue Einsatzregeln, bessere Bewaff-
nung, bessere Kommunikation, andere Soldaten, mehr
Soldaten, was auch immer. Nein, darüber reden Sie mit
keiner einzigen Silbe, weil Sie dieses Thema benutzen
wollen, um kleinkarierte innenpolitische Münze zu
schlagen. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Das
machen wir sehr deutlich.
Die Grünen sind ohnehin schon über den Fluss gegan-
gen, weil die meisten der Meinung waren, dass schon
heute keine Soldaten mehr in Kunduz und in Afghanis-
tan stehen sollten; denn Sie haben am 3. Dezember den
Antrag abgelehnt. Wer am 3. Dezember hier ablehnt,
muss wissen, dass heute kein deutscher Soldat mehr in
Afghanistan wäre, wenn Sie Recht bekommen hätten.
Das ist die Tatsache.
– Selbstverständlich ist das so. – Das Mandat ist am 14.
ausgelaufen. Wir haben heute den 16. Wenn Sie Recht
bekommen hätten, wäre jetzt kein deutscher Soldat mehr
in Kunduz vorhanden. Was das für die Bevölkerung be-
deuten würde, können Sie sich selber einmal klarma-
chen. Sie sind also echt schon abgedriftet.
Aber was ich sehr bedenklich finde, ist, wie sich die
SPD einlässt, insbesondere ehemalige Mitglieder der
Bundesregierung, die bis vor vier Wochen Verantwor-
tung für dieses Land getragen haben, wie sich diese
heute hier darstellen und davonstehlen wollen.
Es wird wider besseres Wissen insinuiert, es gäbe einen
Strategiewechsel. Herr Steinmeier, Sie waren der Au-
ßenminister, Sie hätten einen Strategiewechsel einleiten
können. Sie haben eine Aufklärungspflicht auch gegen-
über denen in Ihren Reihen, die das bis zum heutigen
Tage behaupten, und müssen das klarstellen.
Dieser Verpflichtung kommen Sie eindeutig nicht nach.
Auch Ihr verteidigungspolitischer Sprecher, Herr Arnold,
müsste es besser wissen. Herr Arnold, wir haben vier
Jahre lang gemeinsam um die Anpassung der Taschen-
karte an die Realität gerungen. Es war nie die Rede von
Strategiewechsel, sondern von Anpassung an die Reali-
tät. Es gab keine einzige Veränderung der Rules of Enga-
gement. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Sie haben
eine Aufklärungsfunktion, eine Aufklärungspflicht in Ih-
rer Fraktion, und der kommen Sie nicht nach.
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nd daraus kurzfristig innenpolitischen Nutzen ziehen zu
önnen. Das wird Ihnen hoffentlich nicht gelingen; denn
ir werden die Bevölkerung darüber aufklären, welche
edeutung, welche Verantwortung wir haben. Wenn Sie
iese Verantwortung nicht wahrnehmen: Jedenfalls wir
erden dies auch in Zukunft eindeutig tun.
Vielen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Thomas Oppermann
ür die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr zu Guttenberg,
or Ihrer Rede habe ich mich gefragt, warum Außen-
inister Westerwelle heute in einer so wichtigen vertei-
igungs- und außenpolitischen Debatte eigentlich nicht
a ist,
m Ihnen nicht wenigstens durch seine physische Anwe-
enheit Unterstützung zu leisten. Nach Ihrer Rede weiß
ch, warum er nicht gekommen ist. In diese Sache will er
ich nicht hineinziehen lassen.
Sie haben hier eben unter Hinweis auf den Untersu-
hungsausschuss kritisiert, es sei Klamauk, wenn Sie
etzt gleichzeitig gebeten würden, einen Bericht im Ver-
eidigungsausschuss vorzulegen. Ich muss Sie einmal
arauf hinweisen, dass die Rechtsprechung des Bundes-
erfassungsgerichtes erst in diesem Sommer eindeutig
largestellt hat, dass der Grundsatz der parlamentari-
chen Verantwortlichkeit der Regierung durch Untersu-
hungsausschüsse in keiner Weise ersetzt wird. Sie wer-
en sich in den nächsten Wochen und Monaten daran
ewöhnen müssen, dass wir diese Frage nicht nur im
ntersuchungsausschuss, sondern auch im Plenum des
eutschen Bundestages diskutieren.
846 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009
)
)
Thomas Oppermann
Herr zu Guttenberg, es wäre auch angemessen, wenn
Sie künftig zur Fragestunde kämen und nicht nur den
Staatssekretär schickten. Wer bei Beckmann antwortet,
der kann auch im Bundestag antworten.
Wer das ablehnt, der hat ein komisches parlamentari-
sches Verständnis.
Der Untersuchungsausschuss hat heute mit der Arbeit
begonnen. Zwei Dinge stehen schon jetzt unstreitig fest:
Zum Ersten, dass das Parlament über den Luftan-
schlag am Kunduz-Fluss mehrfach falsch informiert
worden ist. Dafür hat Verteidigungsminister Jung mit
seinem Rücktritt die Verantwortung übernommen. Das
ist konsequent und sicher auch respektabel.
Zweitens ist unstreitig, dass Sie als neuer Bundesver-
teidigungsminister am 6. November – und zwar in
Kenntnis des umfassenden NATO-Berichtes, in Kenntnis
der Tatsache, dass bei dem Luftanschlag viele zivile Op-
fer zu beklagen waren, dass es nicht nur darum ging, die
beiden Tanklastfahrzeuge zu zerstören, sondern auch da-
rum, die dort anwesenden Menschen zu vernichten, in
Kenntnis der Tatsache, dass wesentliche Spielregeln für
ISAF-Einsätze missachtet worden waren, in Kenntnis
der Tatsache, dass es keinen Feindkontakt gab, und nicht
zuletzt in Kenntnis der Tatsache, dass das Lager in Kun-
duz gar nicht unmittelbar bedroht war, also in Kenntnis
all dieser Tatsachen – festgestellt haben, dass dieser
Luftschlag militärisch angemessen war und damit eine
grob fehlerhafte Bewertung vorgenommen haben. Aber
im Unterschied zum ersten Punkt, der mehrfachen Täu-
schung des Parlamentes durch Ihren Vorgänger, hat für
diesen Punkt, für diese große Fehleinschätzung, noch
niemand Verantwortung übernommen.
Einen Monat später haben Sie Ihre Position korrigiert
und das exakte Gegenteil vertreten; aber Sie haben nur
scheinbar einen Fehler eingeräumt. Einen Fehler räumt
nämlich nur der ein, der dafür auch die Verantwortung
übernimmt. Aber genau das haben Sie nicht getan: Sie
haben das auf Schneiderhan und Wichert abgeschoben,
indem Sie sie entlassen haben.
Wenn Sie mich fragen, was Sie da gemacht haben,
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Schön, dass Sie jetzt da sind; er braucht Unter-
tützung. – Herr Schneiderhan ist ein international erfah-
ener, ein bei den Soldaten hochgeachteter und ein
enschlich souveräner Generalinspekteur gewesen. Sie
aben diesen Generalinspekteur in ein schlechtes Licht
erückt, um selber günstig dazustehen.
err Guttenberg, wenn Sie mich nach meinem An-
tandsempfinden fragen, also danach, wie ich das finde,
es ist ein bürgerliches Anstandsempfinden –, dann
ann ich darauf nur antworten: Das, was Sie da gemacht
aben, ist unanständig.
Ich finde es auch nicht besonders mutig, wenn ein
erteidigungsminister seinen Staatssekretär entlässt und
einen Generalinspekteur opfert, nur um seine eigene
aut zu retten. Es kann doch nicht angehen, dass wir
on den Soldaten in Afghanistan persönlichen Mut und
ilitärische Tapferkeit erwarten, aber an der Spitze des
erteidigungsministeriums das Prinzip der politischen
eigheit praktiziert wird. Meine Damen und Herren, ich
inde das unanständig.
Der Untersuchungsausschuss wird jetzt die entschei-
ende Frage aufklären,
ämlich die Frage: Wer hat die Wahrheit gesagt, und wer
at die Unwahrheit gesagt? Das kriegen wir hin. Herr
eneralinspekteur Schneiderhan hat bekundet, dass er
hnen, Herr Verteidigungsminister, alle erforderlichen
nformationen zur Verfügung gestellt hat, damit Sie am
. November auf der Pressekonferenz eine adäquate,
mfassende und kompetente politische Bewertung des
uftschlages vornehmen konnten. Sie haben gesagt, Ih-
en seien wesentliche Informationen vorenthalten wor-
en. Es kann nicht beides richtig sein. Einer hat die
ahrheit gesagt, und einer hat die Unwahrheit gesagt.
as wird im Untersuchungsausschuss festgestellt, not-
alls auch durch Gegenüberstellung von Ihnen und Herrn
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 847
)
)
Thomas Oppermann
Schneiderhan. Darauf sollten Sie sich schon einmal ein-
stellen.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss. – Ich bin sicher,
dass Sie, wenn Sie nicht die Wahrheit gesagt haben, am
Ende von sich aus Ihren Platz räumen. Ein Verteidi-
gungsminister muss die Wahrheit sagen. Ein Verteidi-
gungsminister, der nicht die Wahrheit sagt, ist nicht trag-
bar.
Das Wort hat der Kollege Philipp Mißfelder für die
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Oppermann, bevor ich
darlege, welche Motive ich hinter Ihren Ausführungen
sowie denen des Kollegen Arnold und des Kollegen
Steinmeier vermute, möchte ich zunächst auf eines hin-
weisen: Ihre Argumentation war nicht nur an einer Stelle
etwas brüchig. Sie ist genauso wie die des Kollegen
Arnold insbesondere in dem Moment wie ein Karten-
haus zusammengestürzt, als der Bundesaußenminister
auftauchte. Eben wollten Sie ihn noch hierher rufen bzw.
haben Sie sehnlichst erbeten, dass er kommt.
Jetzt ist er zur Unterstützung da. Insofern muss ich schon
sagen, dass Sie sich an dieser Stelle zum ersten Mal hät-
ten korrigieren können. Die Chance dazu haben Sie in
Ihrer Rede allerdings, wie ich finde, gerade vertan.
Ein Zweites: Sie haben gerade Schneiderhan quasi als
Ihren Mann beschrieben und ihn als aufrichtig usw. cha-
rakterisiert. Das sind alles Dinge, die ich mir aufgrund
der wenigen Begegnungen, die ich in den vergangenen
Jahren mit ihm hatte, nicht zutraue, abschließend zu be-
urteilen. Aber vor dem Hintergrund, dass er zurückgetre-
ten ist und die Verantwortung übernommen hat, wundere
ich mich, dass Sie jetzt sagen, er trage doch nicht die
Verantwortung. Diesen Argumentationswechsel müssten
Herr Schneiderhan und eigentlich auch Sie erklären kön-
nen, wenn Sie hier so für ihn sprechen. Das haben Sie
aber letztendlich nicht geschafft. Ich glaube, dass an die-
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Eine Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen: Da
ie, Herr Steinmeier, Herr Arnold und Herr Oppermann,
oller Neid die Fernsehauftritte in relevanten Sendungen
es deutschen Fernsehens bemängelt haben,
öchte ich Ihnen zumindest an dieser Stelle das Motiv
eid unterstellen. Das kam auf jeden Fall gerade deut-
ich heraus.
Der Minister steht hier seit Wochen bei jeder wichtigen
ebatte, auch über die Mandatsverlängerungen, Rede
nd Antwort.
as Ministerium gibt an allen Stellen Auskunft. Der Mi-
ister geht auch in die Talkshows. Stellen Sie sich nun
inmal umgekehrt vor, er würde sich vor all diesen Auf-
ritten drücken, hier im Parlament wie auch in den Talk-
hows! Was würden Sie für einen Zirkus aufführen! Des-
alb sage ich, dass es richtig ist, dass sich der Minister
n jeder Stelle der Debatte gestellt hat, dass er das auch
n dieser Aktuellen Stunde sehr gut gemacht hat und dass
r dafür unsere Unterstützung verdient.
Herr Arnold, Sie haben am Ende Ihrer Rede – das ist
as zweite Motiv, auf das ich eingehen möchte, warum
ch vermute, dass Sie sich hier so aufführen, wie Sie es
un – noch pflichtschuldig erwähnt, warum die SPD da-
ür ist, sich in Afghanistan zu engagieren. Ich möchte,
amit das nicht in Vergessenheit gerät, zitieren, wie Sie
ich noch im vergangenen Jahr angehört haben. Verglei-
hen Sie das einfach einmal mit Ihren Äußerungen. Sie
ind ja heute ein vielgefragter Mann. Jeder hat
5 Minuten Ruhm im Leben; Sie haben heute versucht,
iese für sich zu nutzen und in den Medien auszuspielen.
ch habe ja gerade gesehen, wie Sie den Journalisten vor
er Tür hinterhergerannt sind. Aber das ist das Problem:
enn Sie so im Fokus der Öffentlichkeit stehen, ist für
ns die Versuchung groß, nachzulesen, was Sie schon
inmal gesagt haben. Sie haben am 17. September 2008
m Plenum des Hohen Hauses gesagt:
Bei unserem Einsatz in Afghanistan können wir uns
natürlich nicht aussuchen, ob deutsche Soldaten
kämpfen oder Aufbauhilfe leisten. Das wird uns
von Aufständischen aufgezwungen. Damit das ganz
848 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009
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Philipp Mißfelder
klar ist: Das ist ein Kampf gegen Aufständische.
Das ist die richtige Begrifflichkeit. Das ist kein
Krieg.
Die Bundeswehr ist aber auch kein bewaffnetes
Technisches Hilfswerk.
Wenn Sie das mit den Äußerungen der Sozialdemo-
kratie in den vergangenen Tagen vergleichen,
dann sehen Sie, dass das die rhetorische Vorbereitung
dessen ist, was Sie in den nächsten Monaten vollführen
wollen, nämlich sich von der Verantwortung für Afgha-
nistan und die Menschen in Afghanistan zu verabschie-
den.
– Sie sagen „Worthülsen“, Herr Kollege Kelber. Wir ha-
ben den Untersuchungsausschuss mit initiiert, und dort
werden alle Dinge geklärt.
Bei einem Einsatz wie diesem gibt es auch Dokumente,
die als Geheim eingestuft sind, selbst wenn sie teilweise
im Internet kursieren.
Es gibt auch viele Informationen, die tatsächlich zum
Schutz der Soldaten und der NATO insgesamt geheim
bleiben sollen. Deshalb gibt es diesen Untersuchungs-
ausschuss.
– Der Schneiderhan-Brief ist etwas ganz anderes. – Des-
halb sage ich Ihnen an dieser Stelle: Hier liegt ja die Ver-
mutung nahe, dass eine gewisse Inszenierung und Skan-
dalisierung von Ihnen bewusst herbeigeführt wird, die
aber mit dem Thema Afghanistan nichts zu tun hat.
Wenn es Ihnen aber mit Afghanistan ernst ist, dann for-
dere ich Sie dazu auf – Herr Steinmeier hat sich hier ge-
rade schon verabschiedet –, über Ihre eigene Verantwor-
tung nachzudenken. Dazu hätte ich mir von Herrn
Steinmeier deutliche Worte gewünscht. Was hat er ge-
wusst? Das wird der Untersuchungsausschuss auch klä-
ren.
Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Ernst-Reinhard Beck
für die CDU/CSU-Fraktion.
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at einmal mehr, Frau Künast, deutlich gemacht, dass in
er deutschen Öffentlichkeit doch ein erheblicher Nach-
olbedarf bezüglich des Einsatzes militärischer Mittel
esteht.
as in anderen demokratischen Ländern unaufgeregt
nd sachlich bewertet wird, führt bei uns gleich zu ei-
em politischen Erdbeben. Selbstverständlich stehen mi-
itärische Einsätze unter dem Primat der Politik und un-
er einem Mandat des Deutschen Bundestages. Aber das
ilitär ist immer auch Mittel der Politik. Wer dieses
ittel einsetzt, muss wissen, dass damit auch die An-
endung von Gewalt verbunden sein kann.
Wir sollten nach mehr als 50 Jahren Bundeswehr als
emokratische Armee in einem demokratischen Staat
enügend Vertrauen in unsere militärischen Verantwort-
ichen haben, um ihnen zuzutrauen, dass sie sich an
echt und Gesetz halten. Unsere Soldaten sind keine
asardeure oder seelenlose Killer, wie man nach der
ektüre mancher Medien in diesen Tagen vermuten
önnte. Unsere Soldaten sind rechtsstaatlich erzogen
nd stehen auf dem Boden des Grundgesetzes. Wer dies
nfrage stellt, sollte dies bitte öffentlich erklären.
Wir befinden uns in Afghanistan in einer zunehmend
chwierigeren Situation. Ja, das ist wahr. Die Lage vor
llem im Westen von Kunduz, in der Region Chahar
arreh, ist alles andere als stabil. Die andauernden An-
riffe auf unsere Soldatinnen und Soldaten gehörten hier
ast zur täglichen Realität und bleiben nicht ohne Wir-
ung auf die Verfassung der zuständigen Verantwortli-
hen vor Ort. Mit anderen Worten: Die Erfahrungen mit
erwundeten und getöteten Kameraden führen dazu,
ass unsere Kommandeure dünnhäutiger, vielleicht auch
ervöser werden. Ich finde es deshalb schon abenteuer-
ich, wenn Politiker, Journalisten und manch andere aus
em sicheren Berlin heraus ihre Lagebeurteilung anstel-
en, nachdem ein Ereignis erfolgt ist. Das ist verdammt
infach.
Unsere Kommandeure vor Ort haben es leider nicht so
infach. Sie müssen unter hoher physischer und psychi-
cher Belastung mit der Verantwortung für die ihnen an-
ertrauten Soldatinnen und Soldaten auf der Basis der ih-
en vorliegenden, mitunter unklaren Lageerkenntnisse
ntscheiden. Diese Entscheidung muss oft sehr schnell
nnerhalb von Minuten erfolgen. Das dabei auch Fehler
orkommen, dürfte jedem einleuchten, auch jenen, die
er Bundeswehr nicht wohlgesonnen sind. Wer für sich
elbst Fehlerfreiheit beansprucht, mag ein Recht auf Kri-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 849
)
)
Ernst-Reinhard Beck
tik verspüren. Die meisten jedoch sollten zurückhaltender
sein. Wer sich jetzt darüber aufregt, dass in einem kriegs-
ähnlichen Umfeld auf Menschen geschossen wird, muss
sich fragen lassen, in welcher Art von Realität er eigent-
lich lebt.
Aufständische und Terroristen gefährden nicht nur die
Soldaten in Afghanistan, sondern auch die Sicherheit der
afghanischen Bevölkerung. Um den Auftrag der ISAF-
Truppen und um den Auftrag unserer Soldaten vor Ort
durchzusetzen, ist nach dem gültigen vom Bundestag be-
schlossenen ISAF-Mandat auch der Einsatz von Gewalt
ausdrücklich vorgesehen.
Andererseits sage ich Ihnen ganz offen: Mich beru-
higt, dass man sich in einem rechtsstaatlichen Land wie
Deutschland schwer damit tut – auch ich tue dies –, auf
Menschen zu schießen. Angesichts der großen Anzahl
von Opfern, die dieser Luftschlag am 4. September ge-
fordert hat, müssen wir uns den ethischen Fragen stellen
und dürfen sie nicht leichtfertig abtun. Deshalb muss es
vor einem Militäreinsatz immer einen Abwägungspro-
zess geben. Es ist ein Kennzeichen dieses Hauses, dass
wir bei allen Einsätzen, die wir der Bundeswehr im Aus-
land zumuten, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
berücksichtigen. Dafür steht uns vergleichsweise viel
Zeit zur Verfügung, die Soldaten vor Ort haben jedoch
oft nur wenig Zeit, um diese Bewertung durchzuführen.
Gestatten Sie mir diese Anmerkung: Die veränderte
Sicherheitslage muss sich auch in der Ausrüstung der
Truppe in Afghanistan niederschlagen. Deshalb rege ich
an, Überlegungen zum Einsatz schwerer Waffen nicht
mehr auszuweichen. Dies gehört mit dazu, wenn wir un-
sere Bevölkerung mit der Wahrheit konfrontieren wol-
len, wenn diese auch nicht immer einfach zu verkraften
ist. Wir sind in Afghanistan nicht nur zum Brunnenboh-
ren und Brückenbauen, wie man lange Zeit geglaubt und
vermittelt hat. Unsere Soldatinnen und Soldaten stehen
im Raum Kunduz in einem Kampfeinsatz. Darüber eine
offene Debatte zu führen, ist längst überfällig.
Alles andere wird in aller gebotenen Sachlichkeit im
heute eingerichteten Untersuchungsausschuss zu bewer-
ten sein. Dabei appelliere ich ausdrücklich an alle in die-
sem Hohen Haus, jeden Schaden von der Bundeswehr
abzuwenden. Darauf haben die Soldatinnen und Solda-
ten, die in unserem Auftrag – ich betone: in unserem
Auftrag – ihren schwierigen Dienst im Einsatzland ver-
sehen, ein Anrecht.
Herzlichen Dank.
Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege
Ruprecht Polenz für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Steinmeier, das Thema dieser Aktuellen Stunde lau-
tet: „Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan“. Dieser
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ch betone das deshalb, weil man sowohl aufgrund des
limas in der Fragestunde wie auch teilweise in der Ak-
uellen Stunde den Eindruck gewinnen konnte, dass Sie
u diesem Thema hier nicht reden wollten. Sie wollten
u anderen Themen in dieser Aktuellen Stunde reden. Es
ann ja jeder reden, worüber er will. Aber heute geht es
m dieses Thema.
Sie haben sich vorhin in der Fragestunde viel Mühe
egeben, herauszubekommen, ob es eine Art Strategie-
echsel gegeben habe – vielleicht mit der Absicht, wenn
a, die Möglichkeit zu haben, diesen dann nicht mehr
itzutragen. Ich sage Ihnen: Das Mandat ist über all die
ahre im Kern unverändert geblieben.
ie militärische und die Sicherheitslage haben sich ver-
ndert. Im Rahmen des vom Mandat vorgegebenen Auf-
rages hat die Bundeswehr angemessen zu reagieren.
Es war von Anfang an klar – das muss man auf manche
er Beiträge sagen –, dass die Bundeswehr ermächtigt
ar und ist, alle notwendigen Maßnahmen zur Erfüllung
es Mandats zu ergreifen, einschließlich militärischer
ewalt. Sie hat Befugnisse, die über bloße Notwehr und
othilfe hinausgehen. Es handelt sich auch um ein Man-
at zur Aufstandsbekämpfung, Herr Arnold, allerdings
das ist der Kern der jetzigen Diskussion, die sich an
em Vorfall in Kunduz festmacht – natürlich nicht über
ie Maßstäbe des humanitären Völkerrechts hinaus. Ziel
es humanitären Völkerrechts ist der Schutz unbeteiligter
ivilisten in bewaffneten Konflikten.
Man muss allerdings festhalten, dass die Taliban die-
en Schutz durch die Art ihrer Kriegsführung systema-
isch und absichtlich verletzen. Sie geben sich nicht als
ämpfer zu erkennen. Sie wenden gezielt Gewalt gegen
nbeteiligte Zivilisten an; denken Sie an die Selbstmord-
ttentate auf belebten Marktplätzen oder das gezielte
mbringen von Lehrern. Sie benutzen Zivilisten als
enschliche Schutzschilde, und sie werden dabei teil-
eise von der Zivilbevölkerung unterstützt – sei es frei-
illig, sei es gezwungenermaßen. Warum trage ich das
or? Um Ihnen zu zeigen, dass die Unterscheidung zwi-
chen gegnerischen Kämpfern und unbeteiligten Zivilis-
en in Afghanistan außerordentlich schwierig ist und
ass wir uns natürlich trotzdem an das Kriegsvölkerrecht
alten müssen.
Ich erwarte vom Untersuchungsausschuss, dass er
iese Frage beleuchtet und in die Bewertung ebenso ein-
ezieht, wie es kommt, dass in allen jedenfalls mir zur
850 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009
)
)
Ruprecht Polenz
Verfügung stehenden Berichten aus Afghanistan anders
als bei sonstigen Vorkommnissen, bei denen zivile Opfer
zu beklagen waren, nicht die Bundeswehr verantwortlich
gemacht wird. Vielmehr ist in all dem, was ich bisher
habe lesen können, gesagt worden: Dies war im Großen
und Ganzen ein Schlag, der den Taliban gegolten hat.
Herr Arnold, zur Studie „Rechtssicherheit im Aus-
landseinsatz“. Ich möchte noch etwas zu den zivilen Op-
fern sagen; denn vorhin wurde vonseiten der Linken mit
gezielten Todesschüssen und Ähnlichem argumentiert.
Die Verursachung ziviler Opfer
– ich zitiere wörtlich aus dieser Studie –
als Nebenfolge eines militärischen Angriffs stellt
nicht in jedem Fall eine Verletzung humanitären
Völkerrechts dar. Entscheidend ist das Prinzip der
Verhältnismäßigkeit.
Dafür gibt es keine objektiven Maßstäbe; das muss man
vor Ort in der Abwägung beurteilen.
Herr Trittin, Sie haben schon lange davon gespro-
chen, dass es sich in Afghanistan aufgrund der Verände-
rung der Lage auch im Norden, wo wir Verantwortung
tragen, eher um einen Krieg handelt. Der Verteidigungs-
minister hat von kriegsähnlichen Zuständen gesprochen.
Welche rechtlichen Folgen das hat, wird der Generalbun-
desanwalt klären. Die Frage ist aber, ob wir den politi-
schen Folgen der Feststellung, Deutschland befinde sich
mit seinen Soldaten in Afghanistan in kriegsähnlichen
Zuständen, gerecht werden. Diese Frage muss sich hier
jeder selber stellen. Natürlich müssen wir eine Untersu-
chung durchführen, um Fehler aufzudecken und Konse-
quenzen zu ziehen. Zumindest manche Beiträge haben
aber am heutigen Tag den Eindruck erweckt, es mache
keinen großen Unterschied, ob man versucht, einen – in
Anführungszeichen – vermeintlichen innenpolitischen
Skandal aufzudecken, oder ob man sich einer Untersu-
chung widmet, bei der es wichtig ist, auf welche Art und
Weise man sie führt, ob man beispielsweise darauf
drängt, dass geheime Dinge öffentlich werden, und da-
mit möglicherweise unsere Soldaten gefährdet.
Wir müssen uns einmal überlegen, ob wir, das Parla-
ment, damit der Demokratie und ihren Aufgaben gerecht
werden, in einem Zustand, den Sie als „Krieg“ bezeich-
nen und der Verteidigungsminister als „kriegsähnlich“
beschreibt. Ich meine, das macht einen Unterschied.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3:
Beratung des Antrags der Bundesregierung
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-
scher Streitkräfte an der EU-geführten Opera-
tion Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie
vor der Küste Somalias auf Grundlage des
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vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom
vom 30. November 2009 und nachfol-
Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
ärtigen:
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
erren Kolleginnen und Kollegen! Ich habe beim Hi-
einkommen gehört, dass Herr Kollege Oppermann
ich vermisst hat. Jetzt vermisse ich Sie. Ich würde
ich enorm freuen, wenn Sie der Debatte weiter folgen
öchten.
Es ist allgemein bekannt, dass die Bundesregierung
in Gespräch mit den Ministerpräsidenten der Länder
atte, das schon vor einem Jahr vereinbart worden ist.
iele von Ihnen sind dabei gewesen.
Weniger als früher, aber immerhin. – Ich bitte um Ihr
erständnis. Ich bin, nachdem ich ein Telefonat geführt
nd eine unvertretbare Handlung vorgenommen habe,
irekt zu Ihnen gekommen.
Eine persönlich unvertretbare Handlung.
Vor einem Jahr hat der Bundestag den Einsatz der
eutschen Marine im Rahmen der EU-Operation Ata-
anta mandatiert. Seither hat die deutsche Marine mit
ubstanziellen Kräften an der europäischen Operation
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 851
)
)
Bundesminister Dr. Guido Westerwelle
teilgenommen. Wir Deutsche, unsere Bundeswehr, ha-
ben den Auftrag erfüllt. Der Einsatz der europäischen
und deutschen Seestreitkräfte ist nach Auffassung der
Bundesregierung sinnvoll; er ist kurzfristig die einzige
Möglichkeit, die internationale Schifffahrt vor Piraterie
zu schützen. Deswegen bittet die Bundesregierung das
Hohe Haus, den Deutschen Bundestag, eine Fortsetzung
des im Wesentlichen unveränderten Atalanta-Mandats
zu ermöglichen.
Piraterie ist eine ernsthafte Bedrohung für unsere
Handelsschiffe. Zugleich ist sie aber auch eine ernsthafte
Bedrohung der humanitären Hilfe für Somalia. Hier
kann man wieder einmal erkennen: Wer jeden Einsatz
von Soldaten fundamental ablehnt, sorgt auch dafür, dass
humanitäre Hilfe zugunsten von Hungernden, die es
auch zu schützen gilt, unmöglich gemacht wird.
Das ist insbesondere in Somalia von großer Bedeutung.
Im ersten Jahr des Einsatzes ist es gelungen, dass alle
Schiffe des Welternährungsprogramms, die mit Hilfsgü-
tern für Somalia beladen waren, sicher in somalische
Zielhäfen einfahren konnten. Das ist ein bemerkenswer-
ter Erfolg. Deswegen möchte ich zu Beginn, vielleicht
auch in Ihrer aller Namen, den Frauen und Männern der
Bundeswehr sehr herzlich danken, die diese Leistungen
unter großen Entbehrungen vollbracht haben.
Es wurden zahlreiche Angriffe auf Handelsschiffe ab-
gewehrt. Denjenigen, die vielleicht nur die Zahl von
190 Vorfällen sehen, möchte ich kurz vor Augen führen,
dass sich in dieser Region etwa 20 000 Schiffe pro Jahr
bewegen. Wir wissen, dass wir nicht nur das Recht, son-
dern auch die Pflicht haben, unsere Schiffe, unsere Bür-
gerinnen und Bürger vor Piraterie zu schützen.
Darüber hinaus haben wir Piraten festgenommen. Sie
wurden von Atalanta an die Behörden zur Strafverfol-
gung übergeben. Kenia hat dabei Verantwortung über-
nommen, und auch die Seychellen haben sich dazu be-
reit erklärt. Die Zusammenarbeit mit Staaten dieser
Region ist wichtig für den Erfolg der Pirateriebekämp-
fung; denn Straflosigkeit schreckt keinen potenziellen
Piraten ab.
Es ist ohne Zweifel, dass man auch über die Ursachen
reden muss.
Es besteht auch kein Zweifel daran, dass es zivile Aufga-
ben gibt. Aber die einfache Erklärung, die Piraterie sei
entstanden, weil dort eine Überfischung stattgefunden
habe, ist, mit Verlaub gesagt, zu simpel, und sie ist
falsch. In Wahrheit ist es so, dass der rechtsfreie Raum in
Somalia zu viel Raum für organisierte Kriminalität ge-
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Im vergangenen Jahr wurden 69 Schiffe mit über
300 000 Tonnen Lebensmittel für das Welternährungs-
programm nach Somalia eskortiert und weit über 30 Ge-
leitoperationen ziviler Handelsschiffe durchgeführt. Um
Ihnen die Wirkung zu verdeutlichen: 300 000 Tonnen
Lebensmittel waren im letzten Jahr die Lebensgrundlage
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Ich bitte Sie alle um Zustimmung zu dieser Mandats-
verlängerung und um ein klares Votum. Damit würden
wir unsere Soldatinnen und Soldaten unterstützen.
Herzlichen Dank.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 855
)
)
Niema Movassat
Mir scheint, dass die Sicherung von Handelswegen für
die Bundesregierung zum Verteidigungsfall Nummer
eins geworden ist und dass sie Angriffe von Piraten auf
deutsche Handelsschiffe als Kriegserklärung wertet. An-
geblich geht es bei Atalanta ja um den Weltfrieden.
Doch dass ein bettelarmes Land ein Vielfaches dessen,
was europäische Handelsschiffe durch die Zahlung von
Lösegeld verlieren, durch illegalen Fischfang verliert,
scheint für die Bundesregierung ohne Belang zu sein.
Sie mögen einwenden, dass die Schiffe des Welt-
ernährungsprogrammes geschützt werden müssen. Diese
Schiffe ließen sich besser durch zivilen Geleitschutz si-
chern. Investieren Sie die Gelder für den Militäreinsatz
lieber in die Regenerierung der Gewässer und in Unter-
stützung für die somalischen Fischer. Sie werden sehen:
Wenn die Menschen wieder die Möglichkeit haben, ih-
ren Lebensunterhalt legal zu verdienen, wird die Pirate-
rie nachlassen.
Ein letzter Punkt. Bei Atalanta geht es um die weitere
Vorantreibung der Übernahme polizeilicher Aufgaben
durch das Militär, also um die Auflösung der grundge-
setzlich verankerten strikten Trennung dieser beiden
Kräfte. Dies lehnen wir kategorisch ab. Wir bezeichnen
den Militäreinsatz schon heute als unangemessen. Wir
fordern das Ende der deutschen Beteiligung an Atalanta.
Deshalb wird die Linke gegen den Antrag der Bundesre-
gierung stimmen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Kollege Movassat, das war Ihre erste Rede im Hohen
Hause. Dazu gratuliere ich Ihnen im Namen aller Kolle-
ginnen und Kollegen herzlich.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun
der Kollege Omid Nouripour.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Pi-
raterie ist ein sehr ernsthaftes und ein zunehmendes Pro-
blem. Durch die Piraterie wird – das, lieber Herr Staats-
sekretär, ist für uns der Kern der Debatte – die
Versorgung von über 3 Millionen Menschen in Somalia
gefährdet, die auf die Schiffe des Welternährungspro-
grammes angewiesen sind. Deshalb erachte ich persön-
lich Atalanta und die Bekämpfung der Piraterie für not-
wendig. Das ist auch der Grund, warum die Mehrheit
meiner Fraktion der Verlängerung dieses Mandats zu-
stimmen wird. Allerdings beschränkt sich dieses Mandat
– das ist etwas, was wir zu kritisieren haben – auf die
Bekämpfung von Symptomen.
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Ich war letztes Jahr am 23. Dezember auf einer Fre-
atte und habe gesehen, dass das nicht unbedingt die
chönste Art und Weise ist, wie man Weihnachten feiern
ann. Gerade deswegen möchte ich den Soldatinnen und
oldaten, die an Weihnachten nicht zu Hause sein wer-
en, für den Dienst, den sie dort erbringen, von dieser
telle aus herzlich danken.
Es ist mehrfach gesagt worden: Es ist selbstverständ-
ich richtig, die Ursachen der Piraterie zu bekämpfen.
ir reden hier über Staatlichkeit, die in Somalia nahezu
omplett fehlt. Lieber Herr Außenminister, in dem Zu-
ammenhang möchte ich auch für meine Fraktion sagen:
ir haben immer gesagt, dass in Somalia natürlich die
usbildung der Armee erforderlich ist, damit dort Si-
herheit gewährleistet werden kann. Ich kann Ihnen aber
etzt schon sagen: Durch die Art und Weise, wie die
SVP-Mission dafür derzeit „gestrickt“ wird, werden
ei uns eher Fragen aufgeworfen. Wir werden hier wahr-
cheinlich noch gesondert darüber diskutieren, aber auf-
rund der Art, wie man das zurzeit organisiert und vor-
ereitet, sind wir eher skeptisch.
Staatlichkeit, wie gesagt, fehlt. Dazu wird meine Kol-
egin Kerstin Müller in der zweiten Lesung noch mehr
agen. Wir brauchen einen regionalen Ansatz, wenn es
arum geht, Frieden in Somalia herzustellen. Wir erle-
en seit Jahren, dass Somalia ein Spielball der Interessen
erschiedener Nachbarstaaten ist. Es ist mehrfach gesagt
orden: Die Lebensgrundlage der Menschen vor Ort
uss gewährleistet, und sie müssen vor Raubfischerei
eschützt werden. Sie müssen vor der Vermüllung der
eere geschützt werden, die bewirkt, dass Fischerei
icht mehr möglich ist. Das ist ein zentraler Punkt, den
an nicht getrennt von dieser Diskussion betrachten
arf. Deshalb noch einmal: Der Schutz der Lebens-
rundlage der Menschen muss natürlich mit im Zentrum
tehen.
Die Verwirrung bei den Mandaten ist offensichtlich;
as ist der nächste Kritikpunkt. Es gibt OEF, Atalanta
nd die NATO-Mission. Unsere Meinung zu OEF ist be-
annt: Wir halten die völkerrechtliche Grundlage für
EF mittlerweile nicht mehr für gegeben. Deshalb hätte
ich die Regierung aus unserer Sicht schon längst daran-
etzen müssen, eine Überprüfung der Zahl der Mandate
inzuleiten. In diesem Jahr findet sie leider nicht statt.
856 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009
)
)
Omid Nouripour
Wir haben OEF abgelehnt. Ich kann nur dringendst ap-
pellieren, dass das nächste Mal nur noch Atalanta zur
Abstimmung steht und nicht mehr verschiedene Man-
date nebeneinander. Ich kann nur sagen: Schauen Sie
bitte auf den Text in Ihrem eigenen Koalitionsvertrag!
Was dort steht, ist richtig.
Der letzte Punkt. Es geht um Klarheit und um Wirk-
samkeit, und es ist für die Soldatinnen und Soldaten auf
den Fregatten nicht unbedingt motivierend, wenn sie
nicht genau wissen, was mit den Personen passiert, die
sie festsetzen. Wir haben erlebt, dass Festgesetzte freige-
lassen werden mussten, denen man selber ein paar Tage
später wieder begegnen konnte. Wir haben ferner erle-
ben müssen, dass sie nach Kenia überstellt worden sind
und Kenia später erklärt hat, man werde sie nicht belan-
gen. Es gibt also eine riesige Lücke bei der Antwort auf
die Frage, was eigentlich mit denjenigen passiert, die bei
Operationen festgesetzt werden. Das haben wir von An-
fang an angemerkt und auch kritisiert. Ich sehe weiterhin
keine Lösung. Das ist ein großes Problem.
Der Hinweis darauf, dass man einen internationalen
Gerichtshof gegen Piraterie braucht, ist zweifelsfrei rich-
tig; das steht jetzt aber nicht unbedingt sofort an. Des-
halb habe ich die feste Bitte an die Bundesregierung:
Sorgen Sie dafür, dass die Soldatinnen und Soldaten
Klarheit darüber haben, was mit den Personen passiert,
die sie festsetzen! Diese Klarheit gibt es zurzeit nicht.
Kollege Nouripour, das ist eindeutig nicht Ihre erste
Rede. Ich bitte also wirklich um Beachtung der Zeichen.
Das geht auch auf Kosten der Wirksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Philipp Mißfelder für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Anknüpfend an das, was Kollege Nouripour ge-
sagt hat: Auch wir wollen natürlich, dass in Somalia
Rechtsstaatlichkeit möglich wird. Deshalb ist eine unse-
rer entwicklungspolitischen Aktivitäten – das möchte ich
zu dem Zwischenruf von Herrn Kollegen Ströbele vom
Anfang der Debatte noch einmal anmerken; ich habe
mich bei den Kollegen Fischer und Haibach, die ja be-
sondere Kenner dieser Materie sind, extra noch einmal
vergewissert – die Unterstützung der Bildung von
Rechtsstaatlichkeit. Wir leisten hier einen besonderen
Beitrag.
– Dies geschieht zum Beispiel durch die Ausbildung so-
malischer Polizisten in Äthiopien.
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Es gibt allerdings ein viel wichtigeres Ziel. Herr
tröbele, Sie haben als Fischfangexperte mit vielen Zwi-
chenrufen nicht unrecht, aber gerade weil die Probleme
n Somalia so groß sind, ist die humanitäre Hilfe ein ex-
rem wichtiger Beitrag für die Menschen dort. Es ist ein
undertprozentiger Erfolg dieser Mission – über welche
olitikfelder kann man das noch sagen? –, dass alle
chiffslieferungen im Rahmen der Welternährungspro-
ramme erfolgreich ausgeführt werden konnten. Das ist
ngesichts des Ausmaßes von Armut und Hunger in So-
alia ein großer Erfolg.
Vergegenwärtigen Sie sich noch einmal, dass mittler-
eile mindestens 3,7 Millionen und damit 50 Prozent
er Bevölkerung in Somalia hilfebedürftig sind und über
0 Prozent aller Kinder dort unter Mangelerscheinungen
eiden. Deshalb ist es richtig, dass die Bundeswehr mit
hrem Einsatz einen großen Beitrag dazu leistet, dass die
ieferungen der Welternährungsprogramme bei den
enschen ankommen.
Ich möchte mit einer Mär aufräumen, die zwar nicht
ier verbreitet wurde, die aber teilweise in der Berichter-
tattung zu finden ist. Es ist keinesfalls so, dass Piraten
ort eine Art Robin-Hood-Funktion wahrnehmen, Schiffe
apern, plündern und das Erbeutete den Armen in Soma-
ia geben. Dahinter stehen rein ökonomische und eigen-
ützige Interessen. Das Geld wird in anderen Ländern in
frika für ganz andere Zwecke ausgegeben. Es geht
icht darum, dass irgendein Pirat etwas raubt, um es den
rmen geben zu können. Das Gegenteil ist der Fall: Die
iraterie ist gegen die Menschen in Somalia und der Re-
ion insgesamt gerichtet.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 857
)
)
Philipp Mißfelder
Die Mission ist auch aus einem weiteren Grund ein
Erfolg. Denn angesichts der rund 20 000 Schiffe, die
jährlich den Golf von Aden passieren, mag zwar die
Zahl der Piratenangriffe, die schon mehrmals genannt
worden ist, relativ gering wirken. Die finanziellen For-
derungen bei Entführungen zeigen allerdings, welche
Dimensionen das Ganze hat. Auch die verheerenden Er-
fahrungen der entführten Crews machen deutlich, wie
wichtig es ist, auch die Menschen, die in der Schifffahrt
arbeiten, zu schützen.
Deshalb ist der Einsatz der Bundeswehr auch in Zu-
kunft notwendig, damit der Schutz dieses wichtigen
Wirtschaftsbereichs insgesamt gewährleistet wird. Ein
Erfolg ist zumindest, dass sich das Operationsgebiet der
Piraten verändert hat. Die Piraten sind jetzt nicht mehr
im direkten Küstenbereich aktiv, sondern auf hoher See.
Das ist in jedem Fall ein Erfolg, weil es die Aktionen der
Piraten wesentlich erschwert und den Handlungsradius
so stark ausgedehnt hat, dass sie keine so eklatante Ge-
fahr mehr sein können wie in den vergangenen Jahren.
Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion danken wie
die Vertreter der Regierung und der Opposition unseren
Soldatinnen und Soldaten, die dort im Einsatz sind. Ge-
rade auch jetzt in der Adventszeit möchte ich im Namen
meiner Fraktion den Soldatinnen und Soldaten und ihren
Familien unsere volle Unterstützung zusichern und ih-
nen unsere Sympathie aussprechen. Wir wollen ihnen
mit der Mandatsverlängerung den Rücken stärken und
deutlich machen, dass wir hinter ihnen stehen.
Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/179 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:
Beratung des Antrags der Bundesregierung
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-
scher Streitkräfte an der EU-geführten Opera-
tion „Althea“ zur weiteren Stabilisierung des
Friedensprozesses in Bosnien und Herzego-
wina im Rahmen der Implementierung der
Annexe 1-A und 2 der Dayton-Friedensverein-
barung sowie an dem NATO-Hauptquartier
Sarajevo und seinen Aufgaben, auf Grundlage
der Resolution des Sicherheitsrates der Ver-
einten Nationen 1575 und folgender Re-
solutionen, zuletzt Resolution 1895 vom
18. November 2009
– Drucksache 17/180 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
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Die innenpolitische Lage ist jedoch nach wie vor fra-
il. Das ist auch der Grund, warum wir jetzt diese
ebatte führen und dann in dieser Woche entscheiden
ollen. Die Parteien mit ihren ethnisch bestimmten
genden blockieren weitere Reformen und verhindern
ie Funktionalität des Gesamtstaates. Das fragile Macht-
leichgewicht zwischen den drei staatsbildenden Volks-
ruppen – Bosniaken, Serben und Kroaten – bleibt das
llbestimmende Thema in der politischen Diskussion.
ngesichts dieser innenpolitischen Lage bleibt es das
iel von Althea, ein sicheres und geschütztes Umfeld
ufrechtzuerhalten, gerade auch mit Blick auf die anste-
enden Wahlen. Außerdem unterstützt die Mission den
ohen Repräsentanten mit seinen exekutiven Vollmach-
en.
Ich darf für die Bundesregierung nicht nur um Zu-
timmung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter
eutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation
lthea sowie an dem NATO-Hauptquartier in Sarajevo
itten. Ausdrücklich darf ich auch darauf hinweisen,
858 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009
)
)
Bundesminister Dr. Guido Westerwelle
dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in seiner
Resolution vom 18. November 2009 die Mitgliedstaaten
für zwölf Monate zur Fortführung von Althea autorisiert
hat. Da wir derzeit grundsätzlich von einer stabilen
Sicherheitslage vor Ort ausgehen können, kann die
Obergrenze für die deutsche Beteiligung von 2 400 auf
900 Soldatinnen und Soldaten abgesenkt werden. Ich
sage ausdrücklich: Das Ziel jedes unserer militärischen
Einsätze ist, sich selber überflüssig zu machen. Wenn
wir hier in der richtigen Richtung auf dem Weg sind,
dann, glaube ich, ist das etwas, das den ganzen Deut-
schen Bundestag erfreuen kann.
Militär alleine ist keine Lösung. Das wissen Sie alle;
das muss man niemandem hier noch einmal nachdrück-
lich sagen. Das Land benötigt dringend Reformen. Am
vergangenen Wochenende hat eine Konferenz in Berlin
stattgefunden. Ich selbst habe im Vorfeld dieser Konfe-
renz verschiedene Amtskollegen persönlich zum Ge-
spräch getroffen. Ich will aus Gründen des Respekts und
der Vertraulichkeit, die zu solchen Gesprächen dazuge-
hören, nicht alles berichten, was dort – auch von uns –
gesagt worden ist. Ich habe gar keinen Zweifel daran,
dass das hier allgemein genauso gesehen wird. Die Ge-
spräche, die seitens der schwedischen EU-Ratspräsident-
schaft und der Vereinigten Staaten von Amerika seit
Oktober geführt worden sind, sollen von der Bundes-
regierung ausdrücklich erwähnt und auch begrüßt wer-
den. Dass wir gleichzeitig bedauern – das sagen wir na-
türlich auch unseren Gesprächspartnern immer wieder –,
dass es noch keinen Durchbruch geben konnte, sei nur
der Ordnung halber aufgeführt.
Die Entwicklung Bosniens und Herzegowinas bleibt
natürlich zuerst die Aufgabe der Verantwortlichen vor
Ort. Die Bundesregierung – das sage ich mit großem Be-
dacht, nachdem ich sowohl bei der Außenministerkonfe-
renz der NATO-Staaten in Brüssel als auch letzte Woche
ausführlich bei der Konferenz der Außenminister im All-
gemeinen Rat und im Außenpolitischen Rat darüber be-
raten habe und weil wir uns als Deutsche, durch mich
vertreten, so eingelassen haben – wird auch in Zukunft
in ihren Gesprächen deutlich machen, dass es weitere
Schritte der EU- und NATO-Annäherung nicht geben
kann, solange die notwendigen Reformen im Land nicht
mit Nachdruck angegangen werden. Da besteht für die
Bundesregierung ein zwingender Zusammenhang.
Klar ist auch, dass wir Schritte in die richtige Richtung
möglich machen wollen. Damit das gelingen kann, bitte
ich um Zustimmung zur Fortsetzung der Beteiligung be-
waffneter deutscher Streitkräfte an Althea. Das ist der
Grund, warum ich diesen Antrag hier begründet habe.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Die Fraktion der SPD stimmt der Fortsetzung der EU-
Mission Althea zur weiteren Absicherung des Friedens-
prozesses in Bosnien-Herzegowina zu, weil sie leider
noch immer notwendig ist und weil die längst überfälli-
gen Voraussetzungen für ihre Reduzierung auf eine, wie
ich es beschrieben habe, reine Beratungs- und Unterstüt-
zungsfunktion leider noch immer nicht gegeben sind.
Wir verbinden diese Zustimmung mit der Vorlage ei-
nes Entschließungsantrages, der die politischen Implika-
tionen des Friedensprozesses in Bosnien-Herzegowina
im Detail beschreibt, der die Bedeutung der europäi-
schen Perspektive für jede politische Stabilisierung in
der Region noch einmal unterstreicht und der in 15 Ein-
zelpunkten Erwartungen an die Bundesregierung formu-
liert, Erwartungen zu politischen Schritten, von denen
wir uns einen Fortschritt bei den seit 15 Jahren andau-
ernden Bemühungen der internationalen Gemeinschaft
in Bosnien-Herzegowina erhoffen, einen Fortschritt, der
dazu führen soll, dass wir hier nicht noch einmal über
eine Verlängerung von EUFOR Althea mit dem bisheri-
gen Auftrag debattieren müssen und dass die Beschrei-
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Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär
hristian Schmidt.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
err Kollege Erler, der Einstieg und Ausstieg Ihrer Rede
it Blick auf Ivo Andrics Schlüsselroman Die Brücke
ber die Drina hat in der Tat nachdenklich gestimmt.
iesen Roman haben sicherlich nicht nur Sie und ich zu
eginn der 1990er-Jahre gelesen. Ich darf daran erin-
ern, dass am 1. März 1992 die erste Delegation des
eutschen Bundestages nach Sarajevo fuhr, damals noch
it der Vorstellung, es gehe sozusagen nur um ein tech-
isches Arrangement zwischen drei verschiedenen
thnien. Dabei war bei der Konferenz von Brioni fälsch-
icherweise unterstellt worden, es gehe um Minderhei-
enschutz. Es gab allerdings keine Mehrheit, sondern nur
erschiedene ethnische Gruppen.
In den Jahren darauf entluden sich dann die Spannun-
en in gewalttätigen militärischen Aktionen der brutals-
en Art. Nach den ganzen Vorspielen in den Jahren zuvor
das ist eigentlich eine falsche Bezeichnung für das,
as zum Beispiel in Sarajevo stattgefunden hat – war
rebrenica der brutale, schlimme und menschenverach-
ende Höhepunkt der Menschenjagd einer Ethnie auf die
ndere – eine für Europa und in Europa untragbare Si-
uation.
Ich finde, heute ist auch Anlass dazu, darauf hinzu-
eisen, dass unser militärisches Engagement, das im
ahr 1995 begonnen hat und das niemandem leichtfiel,
ber das wir auch sehr intensiv gerungen haben, doch
in großes Maß an Erfolg gebracht hat, wenn auch nicht
ie Lösung in allen Fragen. Sie haben ja darauf hinge-
iesen, dass die Politik von Herrn Dodik, die wir nach
ie vor in der Republika Srpska erleben, uns nicht zu-
riedenstellen kann. Dennoch ist die Operation Althea,
ei der sich die Bundesrepublik Deutschland militärisch
ngagiert und für deren Fortsetzung die Bundesregie-
ung den Deutschen Bundestag um Zustimmung bittet,
ine erfolgreiche Mission. Das kann man nicht nur quan-
itativ feststellen – es ist ja erfreulich, wenn die Zahl de-
er, die notwendig sind, um militärischen Schutz und Si-
herheit zu bieten, verringert werden kann; das ist ja hier
ignifikant der Fall –, sondern auch an der Abwesenheit
on Gewalttätigkeiten. Dies gibt zwar noch nicht die Si-
herheit für ein gutes und konfliktfreies Zusammenleben
m Staat, aber schafft doch die Voraussetzung dafür.
860 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009
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Parl. Staatssekretär Christian Schmidt
Dank des militärischen Eingreifens kam es dann auch
zum Dayton-Vertrag und anderen guten Ergebnissen.
Ich möchte uns aber auch noch einmal die dramatische
Situation von damals in Erinnerung rufen: Massenverge-
waltigungen und -tötungen, die in serbischen Lagern
stattfanden, und Missachtung der Existenzberechtigung
von ethnischen Gruppen machte uns Europäern unsere
moralische Verantwortung bewusst und musste uns auf
den Plan rufen. Diese Zeiten gehören Gott sei Dank der
Vergangenheit an. Die Fragen, die heute zu lösen sind,
sind anderer Natur; sie sind aber trotzdem sehr wichtig.
Wir halten es für sehr wichtig, dass der Hohe Reprä-
sentant, über den schon gesprochen worden ist, weiter-
hin seine Funktion wahrnimmt; der Bundesaußenminis-
ter hat ja auch ausführlich darauf hingewiesen. Natürlich
hätten auch wir es sehr gerne, wenn diese Mission in
eine Beobachtungsmission überführt werden könnte, die
keine exekutiven Kompetenzen mehr hat, und die Bonn-
Powers nicht mehr zur Anwendung kommen müssten.
Allein, die Verhältnisse sind noch nicht so. Deswegen
stehen wir dazu, dass Inzko nicht nur als EU-Sonderbe-
auftragter, sondern auch in seiner anderen Funktion als
Hoher Repräsentant einen Beitrag dafür leistet, dass der
Staat Bosnien-Herzegowina, wenn er im Jahre 2011
nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Verein-
ten Nationen werden will, diese Aufgabe als ein Land
wahrnehmen kann, das ohne militärische Unterstützung
von außen seine eigenen inneren Angelegenheiten regeln
kann.
Die Fragestellungen haben also sehr viel mit politi-
schem und wenig mit militärischem Druck zu tun. Den-
noch ist es gut und wichtig, dass wir in diesen Zeiten mit
circa 130 Soldaten der Bundeswehr in diesem 2 000 Sol-
daten umfassenden Althea-Kontingent präsent sind, aber
für den Fall, dass der eine oder andere bzw. die eine oder
andere übermütig werden, auch mit Reserveeingreifkräf-
ten tätig werden können. Wir halten ja gemeinsam mit
den österreichischen Partnern ein Eingreifkontingent be-
reit, sogenannte Over-the-Horizon-Forces, das wir zur
Verfügung stellen können, wenn Not am Mann bzw. am
Volke ist.
Ich erwarte nicht, dass es dazu kommt. Ich hoffe, dass
mit Druck, übrigens auch vonseiten Belgrads – man hört
das eine oder andere sehr Positive aus dieser Richtung –,
und mit Angeboten klargemacht wird, dass die Zukunft
Bosnien-Herzegowinas in einer föderativen Zusammen-
arbeit in einem gemeinsamen Staat liegt. Wir sind seit
1992 bereit, unseren Beitrag zu leisten, seit 1995 auch
einen militärischen Beitrag. Nun würden wir die militä-
rische Mission gerne erfolgreich abschließen, um sagen
zu können: Auftrag erfüllt! – So weit sind wir noch nicht
ganz. Deswegen bitten wir um Zustimmung zur Verlän-
gerung.
Herzlichen Dank.
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Die eigentliche Macht im Lande liegt nach wie vor
eim EU-Sonderbeauftragten, der zugleich Hoher Re-
räsentant der Vereinten Nationen ist; wir hörten es
chon. Das Fortbestehen einer solchen Protektoratsver-
altung bringt wenig Vorteile, aber viele Probleme mit
ich. Der Hohe Repräsentant trifft bei allen politischen
rozessen die letzte Entscheidung.
ies ermöglicht es regionalen Politikern, alle Probleme
uf die Einflussnahme von außen zu schieben und sich
elbst der Verantwortung zu entziehen. Die vor allem
on der EU vorangetriebene Form des Staatsaufbaus
ann wohl nur als gescheiterter Versuch eines neuen Ko-
onialismus beschrieben werden.
Was funktioniert, ist die Heranführung der bosnischen
rmee an die Militärstrukturen der NATO und der Euro-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 861
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Inge Höger
päischen Union. Die Bundesregierung nennt dies euro-atlan-
tische Integration. So beteiligen sich immerhin bereits ein
Dutzend Soldaten der Armee von Bosnien-Herzegowina
an dem Kriegseinsatz der NATO in Afghanistan. Die
Linke sieht darin keine positive Entwicklung. Sinnvoller
wäre in jedem Fall eine weitere Demilitarisierung des
Landes, statt auch in Bosnien Militärs für Auslandsein-
sätze auszubilden und auszurüsten.
Die Linke sieht die Herausbildung einer Militärmacht
Europäische Union sehr kritisch. Mit der Militärmission
Althea in Bosnien bekam die EU bereits 2004 ihr erstes
großes Pilotprojekt für die Umsetzung militärischer Ord-
nungspolitik.
Jenseits dieser grundsätzlichen Kritik an der Militari-
sierung der europäischen Politik bleibt das Fazit für die
konkrete Situation in Bosnien-Herzegowina ernüch-
ternd. Das Land ist nach wie vor nicht souverän, sondern
ein hauptsächlich von der Europäischen Union abhängi-
ges Protektorat. Ein Weg aus der Sackgasse ist nicht er-
sichtlich. Im Gegenteil: Risikofaktoren wie Armut, Kor-
ruption und ethnische Spannungen nehmen zu.
Es wird Zeit, endlich ehrlich Bilanz über die Erfolge
und Misserfolge der internationalen Präsenz in Bosnien-
Herzegowina zu ziehen. Nur dann wird es möglich sein,
ein tragfähiges Konzept für die zivile Entwicklung der
Region auf den Weg zu bringen.
Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Katja Keul für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-
nen und Kollegen! Anders als ISAF und OEF ist die
Operation Althea heute im Bewusstsein der Öffentlich-
keit wenig präsent. Seit 1995 befinden sich deutsche
Soldaten in Bosnien, schon fast doppelt so lange wie in
Afghanistan. Dennoch sind sie dort leider noch nicht
überflüssig; denn der Vertrag von Dayton hat zwar den
Krieg beendet, aber nicht den Frieden gesichert. Bis
heute leben die Volksgruppen in Bosnien in getrennten
Entitäten, in denen die wichtigsten Verwaltungsposten
nach ethnischen Kriterien verteilt werden. Hier wächst
nicht zusammen, was zusammen gehört. Im Gegenteil:
Die nationalistische Rhetorik politischer Amtsträger
stellt die Existenz des Staates Bosnien-Herzegowina im-
mer wieder infrage.
Im Oktober haben die EU und die USA ein Reformpa-
ket vorgelegt, das die Funktionalität der staatlichen Insti-
tutionen verbessern soll. Dieses wurde von allen Parteien
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Die anstehenden Wahlen im nächsten Jahr und der
estgefahrene Verfassungsreformprozess lassen die natio-
alistischen Töne wieder lauter werden. Beobachter spre-
hen von einer konkreten Eskalationsgefahr. Kroatiens
räsident Stjepan Mesic warnte Ende November sogar
or einem Zerfall Bosniens. Das Auseinanderbrechen des
taates mit seiner bosniakischen, kroatischen und serbi-
chen Bevölkerung würde eine „Kriegsgefahr“ bedeuten,
o seine Worte, Frau Höger.
Wir können und wollen aber in Europa nicht erneut
inen Ausbruch der Gewalt riskieren. An dieser Stelle
uss ich an die Ermordung von 8 000 muslimischen
ännern und Jungen durch serbische Soldaten im Juli
995 in Srebrenica erinnern. Wer heute leichtfertig einen
erfall des fragilen Staatsgebildes in Kauf nimmt, ak-
eptiert nicht nur im Nachhinein die durch Vertreibung
nd Ermordung der muslimischen Bevölkerung geschaf-
enen Fakten, sondern demütigt die Opfer und ihre An-
ehörigen von neuem.
Das menschliche Leid, das durch die jugoslawischen
achfolgekriege entstanden ist, stellt ein Erbe dar, das in
er Bevölkerung über Generationen weitergereicht wird.
ie meisten Verbrechen sind bis heute nicht aufgeklärt
nd strafrechtlich nicht geahndet. Das behindert massiv
ie Versöhnung der Volksgruppen; denn ohne Aufklä-
ung gibt es keine Vergangenheitsbewältigung und ohne
ergangenheitsbewältigung keine Versöhnung.
862 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009
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Katja Keul
Zu all dem kommt der wirtschaftliche Schaden hinzu,
den die kriegerischen Auseinandersetzungen verursacht
haben. Der Friedensimplementierungsrat ringt noch
heute, 14 Jahre nach Kriegsende, um die Aufteilung des
Staatsvermögens und die Schaffung eines funktionieren-
den Wirtschaftsraumes. Vor allem aber die Verankerung
des Rechtsstaatsprinzips ist unabdingbare Voraussetzung
dafür, dass die Bevölkerung Bosniens langfristig in Frie-
den und Freiheit leben kann.
Ziel muss es sein, die 4 Millionen Menschen in die
EU zu integrieren und den nationalistischen Sonderinte-
ressen einen Riegel vorzuschieben. Solange die Parteien
aber nicht in der Lage sind, sich auf eine europarechts-
konforme, multiethnische Verfassung zu einigen, halten
wir sowohl die Präsenz des Hohen Repräsentanten als
auch die Präsenz der EUFOR-Truppen für erforderlich.
Daher werden wir dem vorgelegten Mandat überwie-
gend zustimmen.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Philipp Mißfelder für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich ergreife das Wort für meine Fraktion nicht routine-
mäßig – obwohl ich das dritte Mal an diesem Tag rede –
und auch nicht deshalb, weil wir erneut ein Mandat ver-
längern; die Kollegen der Sozialdemokratie haben sich
ja gerade gefreut, dass ich auch bei dieser Mandatsver-
längerung das Wort ergreife. Ich möchte eingangs darauf
hinweisen, dass kein Mandat – egal wie brenzlig es ist,
egal wie umstritten es in der Öffentlichkeit ist oder wie
positiv es von der Öffentlichkeit begleitet wird – ein
Routinemandat ist. Insofern hat der Parlamentsvorbehalt
die besondere Bedeutung – wir beraten jedes Mandat
nicht nur in einer Lesung, sondern in zwei Lesungen –,
dass wir hiermit die Gelegenheit haben, in der Öffent-
lichkeit, also unter Anteilnahme der Bürgerinnen und
Bürger und einer gewissen Anzahl von Parlamentariern,
deren Zahl hätte höher sein können, darüber zu diskutie-
ren, was unsere Beweggründe sind. Es gibt also keine
Routine.
Ich möchte auf den Verlauf der Debatte mit einer Be-
merkung eingehen, die dem gerecht wird, was wir in Zu-
kunft mit dieser Mission anstreben und erreichen wollen;
es ist nämlich nicht nur eine rein militärische Mission,
sondern eine Mission, bei der viele andere Komponenten
– Aufbau der Sicherheitskräfte, weiteres Engagement
und diplomatisches Geschick – gefragt sind. Daher
möchte ich meinen Dank – dies ist heute schon mehr-
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Es ist tatsächlich so, dass sich zwar die militärische
age massiv verbessert hat, aber nicht die politische
age. Alle Unterrichtungen, die Befassung seitens der
ffentlichkeit, die Beschäftigung mit Berichten aus die-
er Region seitens unserer Stiftungen und anderer zeigen
eutlich: Das Engagement in dieser Region, vor der
austür der Europäischen Union, bleibt nach wie vor
otwendig, und zwar – ich schließe mich der Kollegin
eul an – weit über das Maß hinaus, das wir mit diesem
onkreten Beitrag heute leisten. Dies bleibt für die deut-
che Außenpolitik ein ganz wichtiger Faktor; hier müs-
en wir uns weiterhin engagieren. Die Lage ist fragil. Es
st keinesfalls so, dass die angestrebten Ziele – um nur
ines zu nennen: einen stabilen, lebensfähigen, friedli-
hen und multiethnischen Staat zu bilden – bereits er-
eicht sind. Daher ist es notwendig, sich weiter zu enga-
ieren.
Ich bitte Sie an dieser Stelle um Unterstützung für die
andatsverlängerung; denn neben diesem konkreten
eitrag ist für die Bosniaken die psychologische Kom-
onente wichtig, dass der militärischen Präsenz an sich
ast schon eine Bestandsgarantie für ihren Gesamtstaat
ukommt. Insofern ist es wichtig, dass wir unser Enga-
ement dort weiterhin einbringen.
Einer der größten Erfolge der Befriedung in Bosnien
nd Herzegowina ist die Reform des Verteidigungssek-
ors. Auch dies ist im Rahmen der EUFOR-Mission ins-
esamt ein ganz wichtiger Beitrag. Wir sehen, dass es
elungen ist, im Rahmen dieser europäischen Mission
ukzessive dazu beizutragen, eigene spezifisch militäri-
che Aufgaben wie das Räumen von Minen bis zur Luft-
aumkontrolle an die neuen Streitkräfte, die mitausgebil-
et werden, zu übertragen. Der militärische Auftrag des
ayton-Abkommens ist somit heute weitgehend erfüllt.
ie verbliebenen Risiken sind, wie ich gerade sagte,
icht vordringlich militärischer Natur, sondern politi-
cher, ökonomischer und polizeilicher Natur. Dem wird
as Mandat aus meiner Sicht gerecht.
Vor diesem Hintergrund bitte ich im Namen meiner
raktion darum, dieses Mandat zu verlängern. Wir soll-
en die Diskussion weit über diese Debatte und die De-
atte am Donnerstag hinaus fortführen und dazu beitra-
en, dass dieses wichtige Thema auf der Tagesordnung
er deutschen Außenpolitik bleibt.
Herzlichen Dank.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 863
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Kollege Mißfelder, ich gebe dem Plenum ausdrück-
lich zur Kenntnis, dass Sie mehr als eine Minute Rede-
zeit eingespart haben. Ihre Vorredner haben sich nicht so
diszipliniert an die vereinbarten Redezeiten gehalten.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/180 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 17. Dezember
2009, 9 Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen einen schönen und vielleicht auch
erfolgreichen Abend.
Die Sitzung ist geschlossen.