Gesamtes Protokol
Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich habe heute keine Mitteilungen zu machen, sodass
wir ohne jeden Verzug in unsere Tagesordnung eintreten
können.
Ich rufe den Zusatzpunkt 7 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur weiteren Stabilisierung des
– Drucksache 16/12100 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss
Diese Aussprache soll nach einer interfraktionellen
Vereinbarung 90 Minuten dauern. – Dazu höre ich kei-
nen Widerspruch. Dann ist das so vereinbart.
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Redet
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Leider ist festzustellen, dass dieschlechten Nachrichten von den weltweiten Finanzmärk-ten nicht abreißen. Sie verfolgen genauso wie ich dieEntwicklung in den USA insbesondere mit Blick auf dengrößten Kreditversicherer der Welt.
– Muss ich mich wieder hinsetzen?
Eigentlich ja, Herr Westerwelle. – Können Sie michetzt alle verstehen?
Nicht nur das, Herr Westerwelle. Ich bin, glaube ich,ach wie vor der Fähigkeit mächtig, Subjekt, Prädikatnd Objekt aneinanderzureihen. Sie werden mich schonerstehen.
as größere Problem ist, dass Sie mich nicht verstehenollen oder können.
Ich begann mit einer Bemerkung, meine Damen underren, die keineswegs einen erfreulichen oder spieleri-chen Charakter hat: Die sehr schlechten Nachrichtenon den Finanzmärkten weltweit reißen leider nicht ab.ie verfolgen genauso wie ich insbesondere die Nach-extrichten aus den USA. Allein der größte Kreditversiche-rer der Welt hat im letzten Quartal ein Minus von62 Milliarden US-Dollar gemacht. Auch die Situationdes Bankenwesens in Großbritannien ist nach wie vorsehr angespannt. Wir haben es auch mit deutschen Ban-ken zu tun, die in ihren Abschlüssen Verluste von bis zu6,3 Milliarden Euro – siehe Dresdner Bank – zu ver-zeichnen haben. Wir haben es bei den Kreditinstitutenmit einer Aktienkursentwicklung zu tun, die die Börsen-kapitalisierung dieser Kreditinstitute auf bemerkens-werte, unglaublich niedrige Werte zusammenschrump-fen lässt.Das zeigt zweierlei: Schockwellen, die von den weltweitenauf den Finanzmärkten ausgehen, habenr Intensität und Gefährlichkeit verloren.MehrErstens. DieEntwicklungennichts von ihre
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Bundesminister Peer SteinbrückWer angesichts des nach wie vor drohenden Organversa-gens bei den Finanzmärkten und der dahinterstehendenFinanzmarktkrise so tut, als hätte dies in den nächstenJahren nicht sehr weitreichende, ich behaupte sogar epo-chale Auswirkungen auf die Entwicklung, der machtsich und vielen anderen etwas vor.Zweitens. Wir haben es nach wie vor mit einem unge-lösten Problem zu tun; daran ändert auch die Aufforde-rung, man möge es schnell lösen, nichts. Das sind die so-genannten Schrottpapiere in den Bilanzen. Für dasProblem hat bisher weltweit kein einziges Land eine Lö-sung, weil zunächst das Kernproblem gelöst werdenmuss. Auch wenn wir der Aufforderung, das Problem soschnell wie möglich – vielleicht im Sinne einer Vorlage –über Bad Banks zu lösen, nachkommen würden, würdedas an diesem konstitutiv schwierigen Problem garnichts ändern. Es sei denn, der Deutsche Bundestag istmit Ihrer Unterstützung bereit, die Kapitalisierung sol-cher Bad Banks mit öffentlichem Geld, mit Steuerzahler-geld, zu unterlegen.In dieser äußerst prekären Situation ist es uns gelun-gen, den deutschen Finanzmarkt zumindest so weit zustabilisieren, dass nach dem Fall von Lehman Brotherskein systemrelevantes Institut andere Institute aufgrundeines Dominosteineffekts mit heruntergerissen hat.Es ist freimütig, zu gestehen, dass damit verbundeneHoffnungen auf eine Revitalisierung des Interbanken-marktes nicht eingetreten sind. Wir haben es nach wievor mit einem erheblichen Vertrauensverlust im Verhält-nis der Banken untereinander und zunehmend mit Blickauf die Kreditgewährung gegenüber der Realwirtschaftzu tun. Aber es ist wichtig gewesen, dass die Regierunginsbesondere mit der Unterstützung und unter Beteili-gung des Deutschen Bundestages seinerzeit im Oktoberletzten Jahres in der Lage gewesen ist, Handlungsfähig-keit zu belegen. Mit dem Finanzmarkstabilisierungs-gesetz ist etwas verabschiedet worden, für das wir au-ßerhalb, aber auch innerhalb Deutschlands durchausAnerkennung im Sinne eines guten Krisenmanagementsgefunden haben.Allerdings hat sich in den letzten Monaten an der ei-nen oder anderen Stelle die Notwendigkeit gezeigt, die-ses Finanzmarktstabilisierungsgesetz zu ergänzen, damitdie ergriffenen Stabilisierungsmaßnahmen schneller undsicherer greifen können. Ich will aus Zeitgründen nichtauf die Einzelheiten eingehen, bei denen es insbesondereum gesellschaftsrechtliche Veränderungen geht, sondernsehr schnell in medias res springen mit Blick auf denKern dieses Artikelgesetzes, der ja Gegenstand – das istnachvollziehbar – sehr grundsätzlicher Debatten inDeutschland ist. Es handelt sich um das sogenannte Ret-tungsübernahmegesetz, das in einer bestimmten Ab-folge als letzte Option, als Ultima Ratio – von mir aus alsUltissima Ratio –, die Enteignung bestimmter Kreditin-stitute im Sinne einer Legalenteignung – von uns sehrstark fokussiert im Wege der Rechtsverordnungen – vor-sieht.Meine Bitte ist, diese Möglichkeit nicht so grundsätz-lich und nicht so prinzipienorientiert zu debattieren, dasspwWswdsablBbrVisfetHeuhlzowWdnlskeEABlzeaAg1pIkDdd
Umgekehrt gilt: Wenn der Bund keine einzige Stimme,eine einzige Einflussmöglichkeit, keine einzige Aktie ininem Kreditinstitut hat, aber inzwischen 87 Milliardenuro öffentliche Gelder als Garantien gibt, ist in meinenugen irgendwann der Zeitpunkt gekommen, wo derund, die öffentliche Hand im Interesse des Steuerzah-ers, im Interesse des Haushaltes eine Kontrollmehrheitwingend erwerben muss,
s sei denn, jemand plädiert dafür, den bisherigen Wegd infinitum fortzusetzen, der da lautet: In regelmäßigenbständen werden diese Garantiesummen von im Au-enblick 87 Milliarden Euro auf 97 Milliarden Euro auf07 Milliarden Euro auf 117 Milliarden Euro und weiterermanent erhöht, ohne dass erkennbar ist, dass diesesnstitut auf Dauer vor der Insolvenz bewahrt werdenann. Dieses Institut gerät in die Gefahr einer Insolvenz.ies hat einen besonderen Stellenwert, nicht weil sichas jemand im Bundesfinanzministerium oder aufseitener Bundesregierung ausdenkt, sondern die kundigen
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Bundesminister Peer SteinbrückThebaner und Thebanerinnen von der Bundesbank, vonder BaFin und im gesamten deutschen Kreditwesen, dieSie fragen können, sind davon überzeugt, dass dieses In-stitut eine sogenannte Systemrelevanz hat. Warum? Weiles mit anderen Kreditinstituten derartig vernetzt ist, dassein Zusammenbruch oder, um es weniger dramatisch zubeschreiben, eine Insolvenz automatisch Folgen für dasgesamte deutsche Kreditwesen hätte, und zwar über dieGrenzen der Bundesrepublik Deutschland hinaus und ineinem Ausmaß fast wie bei Lehman Brothers, wie einigesagen.Die Bilanzsumme dieses Unternehmens ist fast iden-tisch mit dem Betrag, der die Probleme bei LehmanBrothers verursacht hat. Im Übrigen spielt dieses Institutauf dem Pfandbriefmarkt eine eminent wichtige Rolle.Mit Blick auf die Sicherheit gerade dieses Produkts inder breiten Wahrnehmung der Bevölkerung hätte es ei-nen besonderen Stellenwert, wenn dieses Institut als ei-ner der wichtigsten Marktteilnehmer bzw. Marktpartnerauf dem Pfandbriefmarkt in große Verlegenheit geratenwürde.Meine Damen und Herren, die Begründung, warumwir einen solch weitreichenden Schritt nicht ausschlie-ßen, wird im Wesentlich von folgenden Gründen getra-gen:Dieses Institut muss restrukturiert werden. Ich willmich im Augenblick nicht, erst recht nicht öffentlich, aufDetails einlassen, wie es beispielsweise um die Kernka-pitalquote dieses Instituts bestellt ist. Wenn es aber beidieser Kernkapitalquote bleibt oder wenn diese Kernka-pitalquote in Anbetracht nicht beeinflussbarer Marktent-wicklungen weiter aufgefressen wird, dann kommen wireines Tages, eher früher als später, in die Verlegenheit,dass die Existenzfähigkeit dieses Instituts hochgradiggefährdet ist.Wir müssen mithilfe einer Kontrollmehrheit dafürSorge tragen, dass die Restrukturierungsmaßnahmen beihoher Transaktionssicherheit gelingen. Das bedeutet,dass die öffentliche Hand eine solche Einflussmöglich-keit braucht. Jetzt werden einige sagen: Dafür reichen75 Prozent plus eine Aktie.Im Hinblick auf die nächsten beiden Maßnahmen, diezwingend notwendig sind, reichen diese 75 Prozent pluseine Aktie aber nicht: Wir müssen dieses Institut an denFinanzierungskonditionen des Bundes teilhaben lassen;dafür reichen 75,1 Prozent nicht. Auch mit Blick auf dieEigenkapitalbedingungen, die ein in der Größenordnungvon 90, 95 oder 100 Prozent im öffentlichen Eigentumstehendes Institut in Anspruch nehmen kann, reichen75,1 Prozent nicht.Das heißt, mit Blick auf die Refinanzierungskonditio-nen, die Teilhabe an der Bonität des Bundes, und die Ei-genkapitalunterlegung reichen 75,1 Prozent definitivnicht. Wenn Sie mir das nicht glauben, wäre ich Ihnensehr dankbar, wenn Sie sich bei denjenigen, die sich sehrprofessionell und sehr intensiv mit diesen Fragen be-schäftigen, mit den notwendigen Informationen versor-gen würden.
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s ist nicht nur mit der Marktwirtschaft vereinbar, son-ern es ist sogar geboten, die Kapitalgeber als Erste anieser Operation zu beteiligen. Das ist Marktwirtschaft.
Das gilt für andere genauso.
nders ausgedrückt – um meinen ordnungspolitischentandpunkt in dieser Sache klarzumachen –: Es kannicht und darf nicht Aufgabe des Staates sein, Eigentü-er zu retten, deren Unternehmen de facto in die Insol-enz gehen.
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Bundesminister Peer SteinbrückWie Sie wissen, repräsentiert ein Aktionär einen grö-ßeren Anteil an der HRE, während sich der weit über-wiegende Anteil im Streubesitz befindet. Es gibt Avan-cen bei diesem Aktionär, sich zu beteiligen, wennöffentliches Geld bereitgestellt wird, um die Schritte zuermöglichen, die wir für notwendig halten, allerdingsmit Preisvorstellungen, die um das Zwei- bis Dreifachehöher sein können als der augenblickliche Börsenwertder HRE. Können Sie sich vorstellen, dass ich mit so ei-nem Vorschlag an dieses Pult trete?
– Ich werde es nicht machen.Im Übrigen: Bei einem so hohen Einsatz öffentlicherMittel und öffentlicher Garantien – bei denen wir auf-passen müssen, dass sie nicht fällig werden – hat derStaat die Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass nicht dieSteuerzahler enteignet werden. Das ist mein letzter ord-nungspolitischer Hinweis.
Das Wort für die FDP-Fraktion erhält der Kollege
Dr. Hermann Otto Solms.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Es war bezeichnend, wie der Bundesfinanzmi-nister seine Rede begonnen hat. Er hat uns aufgefordert,„nicht so prinzipienorientiert zu debattieren“. Das heißtja wohl, wir sollen prinzipienlos debattieren.
Das kann einen nicht erstaunen, wenn man sich in Er-innerung ruft, dass diese Regierung es mit den Grund-prinzipien der Verfassung bei Bedarf nicht immer soernst nimmt.
Ich erinnere nur daran, dass Sie bei der Erbschaftsteuer-reform Art. 6 Grundgesetz verletzt haben, indem Sie dieFamilie aufgespalten und Geschwister und Geschwister-kinder aus dem Begriff der Familie ausgeklammert ha-ben.
Oder ganz aktuell: Nach dem Urteil des Bundesverfas-sungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Jobcenterwill Minister Scholz nicht das Recht ändern, sondern dieVfEnSefPEidZRtrmranfoIGaZsSvGAKkZ
Enteignung ist ein Instrument der sozialistischenlanwirtschaft, nicht aber der sozialen Marktwirtschaft.
igentum ist ein Grundrecht, der Schutz des Eigentumsst ein Grundprinzip unserer Gesellschaftsordnung. Dasarf nicht aufgegeben werden. Gerade in schwierigeneiten muss sich der Bürger auf die Verfassungstreue deregierung verlassen können, darf sie nicht zur Disposi-ion stehen.
Merken Sie eigentlich nicht, welchen Schaden Sie an-ichten, wenn Sie Gesetze vorlegen, in denen man lesenuss: Enteignungsbehörde ist das Bundesfinanzministe-ium? Herr Steinbrück ist dann wohl der Enteignungsbe-uftragte der Bundesregierung.Wenn Sie gestern im Ticker das Suchwort „Enteig-ung“ eingegeben haben, konnten Sie zwei Meldungeninden: „Enteignungsgesetz in Deutschland“ und „Chávezrdnet Enteignung amerikanischer Reisfabrik an“.
n diesem Umfeld sind Sie jetzt gelandet. Herzlichenlückwunsch!
Eine Enteignung nach Art. 14 Grundgesetz greift einlthergebrachtes Rechtsinstitut auf: Der Staat sollte ineiten der Industrialisierung schnell Zugriff auf Grund-tücke bekommen, um zum Wohl der Allgemeinheittraßen und Eisenbahnen bauen zu können. Was Sie jetztorhaben, ist jedoch keine Enteignung nach Art. 14rundgesetz, es ist eher eine Vergesellschaftung nachrt. 15 Grundgesetz. Zu dieser Vorschrift lassen sich inommentaren zum Grundgesetz bezeichnende Bemer-ungen finden, beispielsweise: „Verfassungsfossil ineiten der Globalisierung“.
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Dr. Hermann Otto SolmsBei den Beratungen des Parlamentarischen Rates äu-ßerte Carlo Schmid – Sie werden sich an ihn erinnern –,
dass „Enteignungen nicht schlechthin aus Gründen derStaatsräson oder administrativer Opportunität“ erfolgendürfen.
– Lesen Sie das nach; Carlo Schmid.Aber genau das ist jetzt die Motivation. Ihnen sind dieAktionäre schlichtweg lästig. Die Aktionäre, auch dieMitarbeiteraktionäre, die Geld investiert haben, sollenihre Investitionen einfach loswerden. Nach allen Aus-künften sind sie jedoch bereit, weitreichende Sanie-rungsmaßnahmen mitzutragen.Sie behaupten, dass selbst die neuen Möglichkeitendes Finanzmarktstabilisierungsgesetzes nicht ausrei-chen. Können Sie diese Behauptung eigentlich belegen?In der Begründung zum Gesetzentwurf hört sich dasnämlich ganz anders an. Danach soll die Enteignungs-behörde sich ernsthaft, aber vergeblich um einen alter-nativen Erwerb bemüht haben. Die Verpflichtung zurBemühung besteht aber nur, wenn hinreichend Aussichtauf Erfolg gegeben ist.
Ob aber Aussicht auf Erfolg besteht, ob man sich über-haupt bemühen muss und ob die Bemühungen ernsthaftund vergeblich waren, das entscheidet allein die Ent-eignungsbehörde, das Bundesfinanzministerium, nachfreiem Ermessen; so steht es im Gesetzentwurf.Man kann es auch anders ausdrücken: Sie wollen sicheigentlich gar nicht anstrengen. Sie suchen die vermeint-lich billigste und bequemste Lösung und stellen dabeidie Grundlagen unserer Wirtschaftsverfassung zur Dis-position.
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben in Ihrer Regierungs-erklärung zum ersten Bankenrettungsschirm davon ge-sprochen, dass neues Vertrauen gewonnen werdenmuss.
Ich zitiere: „Vertrauen zwischen den Banken, Vertrauenin der Wirtschaft, Vertrauen bei den Bürgern“. Und daswollen Sie mit Enteignungen erreichen? Damit wollenSie Vertrauen schaffen? Wer soll denn noch in Deutsch-land investieren, wenn er Gefahr läuft, dass je nach poli-tischer Opportunität in verfassungsrechtlich gesicherteEigentumsrechte eingegriffen wird?
Wir brauchen privates Kapital, wir brauchen private In-vestoren hier in Deutschland, wir brauchen in- und aus-lheVfVkghnKvuDmDthtjkdlsGeSs
Jetzt werden Sie behaupten, es handele sich ja nur uminen Einzelfall. Das macht es ja noch schlimmer. Dasertrauen in den Rechtsstaat leidet gerade unter Einzel-allgesetzen.
Wirtschaftsminister Guttenberg, der gegenwärtig inerhandlungen mit Opel ist und hier nicht dabei seinann – das kann ich verstehen, und ich entschuldige daserne –,
at aber doch gesagt, dass dies als Ultima Ratio hinge-ommen werden kann. Deswegen hat er in der erstenabinettssitzung, an der er teilgenommen hat, diesemerfassungswidrigen Gesetzentwurf zugestimmt,
nd das ist nicht zu entschuldigen.
abei sind im Wirtschaftsministerium doch Alternativ-odelle entwickelt worden.
as Wirtschaftsministerium hält Enteignungen – ich zi-iere – „für das problematischste aller zur Verfügung ste-enden Instrumente“.Ich weiß, jetzt rufen Sie wahrscheinlich wieder: Ul-ima Ratio! Wenn es eine Ultima Ratio sein soll, muss esa erst einmal eine Ratio gegeben haben, die ich nicht er-ennen kann.
Wissen Sie, was auf den Kanonenkugeln Friedrichses Großen geprägt war? Ultima Ratio Regis, das ist dasetzte Mittel des Königs: Gewaltanwendung. Kugelnchaffen Zerstörung und Gewalt. Sie schaffen mit demesetz keine physische Zerstörung, aber Sie schaffenine rechtliche Zerstörung.
ie zerstören ein Grundrecht; darauf muss man hinwei-en.
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Dr. Hermann Otto SolmsDas ist ein Eingriff in unsere Rechtsordnung. Die Regie-rung ist offenkundig mit ihrem Latein am Ende. Enteig-nungen in der Wirtschaft sind keine Ultima Ratio; Ent-eignungen bedeuten einen Offenbarungseid.
Vielen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann das
ganz – –
– Herr Kollege Poß, man kann das fraglos auch völlig
anders beurteilen.
Ich habe keinen Zweifel mit Blick auf die mir vorlie-
gende Rednerliste, dass im Laufe dieser Debatte völlig
andere Auffassungen vorgetragen werden.
Aber zulässig ist diese Auffassung allemal.
– Auch das. Das müssen wir dann wechselseitig aushal-
ten.
Das Wort hat nun der Kollege Otto Bernhardt für die
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Kollege Solms, Sie wissen, dass ich Siesehr schätze. Aber dieser Beitrag war Ihrer Person un-würdig. Das sage ich mit aller Deutlichkeit.
Sie haben hier den Versuch gemacht, das Verhalten der-jenigen, die sich heute in einer schwierigen Situation alsletzte Möglichkeit für das Instrument der EnteignungeDlesekkIdsDdBvtgdwnDsSvbGkmDvsWakunw1h
Schauen Sie einmal ins Grundgesetz. Dort steht deut-ich, dass auch dieses Instrument, allerdings geknüpft annge Voraussetzungen – Entschädigung, besonderes Ge-etz –, möglich ist. Aber der Eindruck, den Ihr Beitragrzeugt hat, ist falsch. Das stelle ich mit aller Deutlich-eit fest.
Was noch schlimmer ist, Herr Kollege: Sie habeneine Lösung aufgezeigt.
hr Ehrenvorsitzender hat erklärt, man solle die Bank inie Insolvenz gehen lassen. Das haben Sie hier nicht ge-agt; das wäre vielleicht ehrlicher gewesen. Ich sage nur:ann hätten wir eine Katastrophe, nicht nur auf demeutschen Finanzmarkt.
Wir haben für diese eine zur Diskussion stehendeank – man weiß es nicht, aber ich hoffe, es gibt keineergleichbaren – aus politischer Verantwortung Priori-äten gesetzt. Die erste Priorität heißt: Diese Bank musserettet werden, weil sie systemrelevant ist. Wenn sie inie Insolvenz geht, dann erleben wir etwas Ähnlichesie bei Lehman Brothers, und das darf uns jetzt wirklichicht passieren.
ann nützt uns unser Gesetz nichts mehr, das der Deut-che Bundestag im Oktober vergangenen Jahres mit dentimmen der Großen Koalition und der FDP – das warerantwortungsbewusst – verabschiedet hat, mit dem wirisher erfolgreich gearbeitet haben und das sich imrundsatz bewährt hat. Wir haben sichergestellt, dassein weiteres Finanzinstitut in die Insolvenz gehenusste, und wir wollen dies auch weiterhin so halten.ie erste Priorität ist also: Kein Institut darf in die Insol-enz gehen.Bei der zweiten Priorität kann man schon unter-chiedlicher Meinung sein. Da geht es um die Frage:ollen wir den Steuerzahler schonen und auf jeden Falluf Enteignung verzichten? Mit viel Geld in der Handann man das. Nur, meine Damen und Herren, wenn wirns diese Bank anschauen, stellen wir fest: Sie hätte kei-en Wert von 250 Millionen Euro an der Börse, wennir nicht 87 Milliarden Euro und die Banken5 Milliarden Euro Bürgschaften gegeben hätten. Daseißt, im Grunde ist sie nichts mehr wert. Wenn wir
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)Otto Bernhardtnichts getan hätten, hätten die Aktionäre per heute null,um das ganz klar zu sagen.
Wir haben uns klar für die Priorität zwei entschieden:Schonung des Steuerzahlers; denn über die öffentlichenFinanzen brauche ich hier nichts zu sagen.Die dritte Priorität lautet, das Ganze möglichst ohneEnteignung durchzuführen. Es ist schon interessant, dassin dieser Diskussion hier Verstaatlichung und Enteig-nung häufig nicht scharf voneinander getrennt wurden.
Verstaatlichung ist nicht das Problem, Enteignung ist dasProblem.Das sind die Prioritäten, die wir uns gesetzt haben.
Ich bin nun wirklich einer von denen, die das Zielmöglichst über den Verhandlungsweg erreichen wollen.Aber, meine Damen und Herren, uns jetzt das letzte In-strument, das das Grundgesetz vorsieht, nicht zu gestat-ten, birgt Gefahren in sich, die in diesem Hause eigent-lich niemand verantworten kann.
Um das deutlich zu sagen: Es gibt in einer Kernfrageeine unterschiedliche Auffassung zwischen dem Minis-ter und mir. Wir beide können für unsere AuffassungFachleute zitieren. Es geht um die Frage, ob 75 Prozentund eine Aktie reichen – Otto Bernhardt sagt Ja –
oder ob wir wirklich 90 Prozent brauchen, um dann dieletzten 10 Prozent einzuziehen.Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: Wenn wirwirklich 90 Prozent brauchen – die letzten 10 Prozentkönnen wir aufgrund der gesetzlichen Bestimmungendann ja einziehen –, dann wird kein Aktionär mitwirken.Ein Aktionär wird sich doch nicht selbst beerdigen. Dasheißt, wenn Ihre Auffassung richtig ist – ich sage nicht,dass sie falsch ist, aber ich habe eine andere; wir müssendie Diskussion wirklich führen, weil sie wichtig ist – undwir wirklich 100 Prozent brauchen, dann ist eine Ver-ständigung mit Aktionären natürlich nicht möglich; denndas rechnen sie nach. Dann müssen wir die Enteignungwählen.Ich hoffe, die 75 Prozent und eine Aktie reichen aus.Diesen Weg können wir wahrscheinlich ohne Enteig-nung begehen, weil – ich zitiere nicht aus geheimen Do-kumenten, sondern aus dem, was in der Zeitung steht –einer der entscheidenden Aktionäre sagt: Ich bin bereit,den notwendigen Kapitalschnitt mitzumachen, ich binbereit, die notwendige Erhöhung mitzumachen, und ichbin bereit, auf mein Bezugsrecht zu verzichten.unzIlFnsEsVnuüntR–itimgnbvbidfgkLeaDwVDraanm
Herr Trittin, wir haben hier eine andere Mentalität. Dasst nun einmal so. Jeder, der politische Entscheidungenrifft, muss dabei auch die Auffassung der Bevölkerungm Blick haben.
Ich sage jetzt zu dem vorliegenden Gesetzentwurf,it dem eine Ergänzung des Finanzmarktstabilisierungs-esetzes vorgenommen werden soll: Nach Meinung mei-er Fraktion gibt es bei vier Punkten einen Änderungs-edarf. Normalerweise spreche ich in der ersten Lesungon Diskussionsbedarf, heute sage ich aber „Änderungs-edarf“.Erster Punkt. Hierüber muss man sich wirklich auchn der Sache unterhalten: Es ist vorgesehen, die Dauerer Garantien von bisher drei Jahren auf grundsätzlichünf Jahre zu verlängern. Es gibt Kreditinstitute, die sa-en, das sei notwendig. Die EU gibt uns die Möglich-eit, auf fünf Jahre zu verlängern. Ein Drittel der EU-änder hat davon Gebrauch gemacht.Wir befürchten, dass dies für den Pfandbriefmarktine ganz gefährliche Entwicklung ist. Ich sage das mitller Deutlichkeit.
er Markt der Unternehmensanleihen, der ganz langsamieder in Gang kommt, könnte damit zerstört werden.ielleicht finden wir einen Kompromiss, der lautet: einrittel der Garantien bis zu fünf Jahren. Hier formulie-en wir vielleicht weitere Einzelheiten.Zweiter Punkt. Aufgrund meines Selbstverständnissesls Parlamentarier ist es für mich klar, dass ein Passusufgenommen werden muss, wonach zumindest der Fi-anzausschuss und der Haushaltsausschuss infor-iert werden, bevor diese wichtige Verordnung, die
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Otto Bernhardtvorgesehen ist, erlassen wird. Ich glaube, das ist für denParlamentarismus ein ganz wichtiger Punkt.
Dritter Punkt. Wir sind uns einig, dass erst eineHauptversammlung durchgeführt werden muss, diescheitert. Wir sind uns auch einig, dass erst Verhand-lungen durchgeführt werden müssen, die scheitern. Wirglauben, dies sollte man im Gesetz – wir machen Vor-schläge – deutlicher formulieren.
Vierter Punkt. Dass der Staat nicht der bessere Bankerist, wissen wir.
Dass auch andere Banken versagt haben, wissen wirauch. Wir wollen aber die Bank, die wir dann anschlie-ßend haben, natürlich nicht auf Dauer behalten. Es isteine Reprivatisierung vorgesehen. Wir glauben, auchdiesen Teil sollte man ein Stückchen deutlicher formu-lieren.
Ich setze noch einen fünften Punkt dazu: Wenn mansich die Begründungen anschaut, dann kann man denEindruck gewinnen, dass sie von einigen geschriebenwurden – sie wurden nicht von Ihnen selber geschrieben,Herr Minister; der Minister tut so etwas nicht –, die ei-gentlich nur das Ziel haben, zu enteignen. Ich sage: DasZiel haben wir nicht, sondern das ist für uns wirklicheine Notmaßnahme.
Ich stelle abschließend für meine Fraktion fest, dasssich das Gesetz, das wir im Oktober verabschiedet ha-ben, bewährt hat. Wir brauchen ein Stück Veränderung,damit wir den Notwendigkeiten von heute gerecht wer-den. Wir haben aber noch einige kritische Fragen. Voruns liegen eine Anhörung und Ausschussberatungen. Ichhoffe, dass wir dann in 14 Tagen gemeinsam dieses fürDeutschland notwendige Gesetz verabschieden können.Herzlichen Dank.
Oskar Lafontaine ist der nächste Redner für die Frak-
tion Die Linke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Ich muss gestehen, dass uns diese Debatte bisherdgTnmsEsSpDgv8ww2nndnFARsRovWddAdpKhRbkfDRmDsw
ie Frage ist, warum das erst jetzt passiert.Es ist abenteuerlich, was hier vorgetragen wird. Esibt eine Bank mit ungedeckten Verpflichtungen in Höheon 100 Milliarden Euro. Der Staat muss mit3 Milliarden Euro einspringen. Die Banken müssen miteiteren Milliarden einspringen, um ihre Interessen zuahren. Hier aber wird bei einem Börsenwert von60 Millionen Euro von der Enteignung der Aktionärin-en und Aktionäre gesprochen. Man hat doch überhauptichts begriffen. Es geht hier um nichts anderes als umen Stopp der ständigen Enteignung der Steuerzahlerin-en und Steuerzahler.
Der zweite Punkt, in dem ich den Bundesminister derinanzen unterstützen muss, ist, dass er endlich unserrgument aufgegriffen hat, dass es darum geht, günstigeefinanzierungskonditionen durchzusetzen. Das ent-pricht den Tatsachen, und das wird auch überall erklärt.echnen Sie einmal aus, was 0,1 Prozent, 0,5 Prozentder 1 Prozent von 100 Milliarden Euro sind! 1 Prozenton 100 Milliarden Euro lässt sich leicht ausrechnen.as ist in den letzten Monaten an zusätzlichen Aufwen-ungen verplempert worden, die letztendlich zulastener Staatskasse gehen?Es bestätigt sich, dass Lösungsansätze, wie sie inmerika, Großbritannien oder Schweden gewählt wor-en sind, ökonomisch oder auch einfach nur haushalts-olitisch vernünftig sind. Unsere Aufgabe ist es, dieosten, die dem Staat entstehen, zu minimieren. Daseißt, wir müssen die Refinanzierungskosten der Hypoeal Estate minimieren.
Der dritte Punkt ist, dass man die Kontrollmehrheitraucht, um das Umleiten von Steuergeldern oder Ban-engeldern in Steueroasen, Zweckgesellschaften oderür den Kauf von Schrottpapieren usw. zu verhindern.as ist doch die Krux der bisherigen Praxis dieseregierung – damit komme ich zu meinen kritischen Be-erkungen –, dass immer noch nichts geregelt ist. Ineutschland werden aufgrund Ihrer Verantwortung auf-eiten der Regierungsbank Milliarden verschleudert,eil Sie nicht sicherstellen, dass nicht mehr außerhalb
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Oskar Lafontaineder Bilanz Geschäfte getätigt werden können und dassGeschäfte nicht mehr über Steueroasen getätigt werdenkönnen, und weil Sie weiter zulassen, dass Schrottpa-piere gehandelt werden. Das ist unglaublich.
Besonders lustig wurde es, als Herr Kollege Solms anHerrn Chávez erinnert hat. Das ist für uns ein wirklicherGenuss: Angela Merkel, die deutsche Chávez. Das istwunderbar.
Wir hätten es uns nicht träumen lassen, dass hier mit sol-chen massiven Argumenten gegen sie vorgegangen wird.Aber, verehrte Damen und Herren von der FDP, Siehaben kein Verständnis von Sozialismus.
– Es ist gut, wenn Sie das einsehen.Sozialismus ist nicht die Sozialisierung von Verlus-ten. Haben Sie das immer noch nicht begriffen? Die So-zialisierung von Verlusten ist brutalster Kapitalismus.Das haben Sie einfach nicht begriffen.
– Ihr dürft ruhig klatschen. Das habt ihr ja früher schonalle gewusst.Die Sozialisierung von Verlusten, die zurzeit in ge-waltigem Umfang weltweit stattfindet, ist kein Sozialis-mus, sondern brutalster Kapitalismus, der sich in millio-nenfacher Enteignung von Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmern äußert, die ihre Arbeitsplätze verlieren.Da wird Leiharbeitern gekündigt. Da werden befristeteVerträge nicht mehr verlängert. Da werden Arbeitsplätzeabgebaut. Da wird Kurzarbeit eingeführt. Das bedeutetEinkommensverluste für den betroffenen Arbeitnehmeretwa bei Opel in Höhe von 400 Euro pro Monat. Das istdie eigentliche staatliche Enteignung aufgrund der Ver-brechen, die Banker und Finanzverantwortliche in derganzen Welt begangen haben. Über diese Enteignung re-den wir hier.
Die entscheidende Frage ist: Welchen Begriff vonEigentum haben Sie eigentlich? Das ist Ihr Problem.Lachen Sie ruhig weiter. Ich kann nur auf GrafLambsdorff verweisen, der dazu einen Aufsatz geschrie-ben hat. Man muss tatsächlich darüber reden, ob seineÜberlegungen zur Insolvenz ganz falsch sind. Bei derIKB war ich dieser Meinung. Die IKB war keine sys-temrelevante Bank. Sie hatte ein Bilanzvolumen, das mitdem der Hypo Real Estate nicht vergleichbar ist. Manhat hier rund 10 Milliarden Euro in den Sand gesetzt,oHgDkslskwdhDSmdaabr8vFtdRLmngdsbnnEbwhtdsgiwvwZz
Nun zum Gesetz selber. Dort ist von den Zusammen-ängen, die ich hier erläutere, überhaupt nicht die Rede.ort wird nur von Finanzsystemen, Finanzmärkten, dertabilisierung des deutschen Finanzmarktes und Begleit-aßnahmen gesprochen. Deswegen bin ich dankbar,ass wenigstens ein Minister gesagt hat: Hier geht esuch um die Menschen. Er hat zwar auf die Steuerzahlerbgestellt. Aber ich habe nachgelegt: Es geht um die Ar-eitnehmer und sozial Bedürftige sowie die Rentne-innen und Rentner. Diese haben in den letzten Jahren,5 Prozent Kaufkraft verloren. Drei Redner aus dreierschiedenen Fraktionen haben gesagt – ich mache dieraktionen dafür nicht verantwortlich; das wäre intellek-uell nicht redlich; bei einem Redner bin ich mir sicher,ass er für die ganze Fraktion gesprochen hat –: Dieenterinnen und Rentner müssen letztendlich durcheistungskürzungen für die Milliardenverluste aufkom-en, die diese Ganoven zu verantworten haben. Das istiemandem vermittelbar. Wir werden dafür Sorge tra-en, dass diese Art der Bezahlung nicht stattfindet. Wirürfen nicht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerowie die Renterinnen und Rentner für die Kapitalver-rechen haften lassen, die hier begangen worden sind.
Für viele Bürgerinnen und Bürger ist nicht mehrachvollziehbar, dass jetzt die Verantwortlichen auchoch Forderungen aufstellen. Einer will 3,5 Millionenuro als Bezahlung für seine großartigen Leistungen ha-en. Hier stehe die Bank in der Verpflichtung. Er willeiterhin Zusagen für 500 000 Euro Pension pro Jahraben. Wo ist denn in dieser Gesellschaft noch die Haf-ung des Einzelnen für die gewaltigen Verluste gegeben,ie er zu verantworten hat? Wir leben in einer Gesell-chaft, die die Maßstäbe verloren hat, wenn es darumeht, Verantwortlichkeiten zuzuschreiben. Das erkennenmmer mehr Bürgerinnen und Bürger und ist der Grund,arum bei uns eine große Unzufriedenheit herrscht.
Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister, Sie habenorgetragen, dass die Angelsachsen vorbildlich seien,enn es um Verstaatlichung gehe. Das ist aufgrund derusammenhänge, die ich vorgetragen habe, kein über-eugendes Argument. Das ist überhaupt kein Wunder.
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22590 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2009
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)Oskar LafontaineWenn es darum geht, der Gesamtgesellschaft Verlusteaufzubürden, dann sind natürlich die Länder, die sichdem Kapitalismus besonders verbunden fühlen, diejeni-gen, die am schnellsten handeln, weil sie es verstandenhaben; das ist der Zusammenhang. Deshalb ist das sozu-sagen kein Beweis für Ideologiefreiheit oder Pragmatis-mus. Die Angelsachsen wissen einfach, was sie machen.Sie privatisieren die Gewinne und sozialisieren die Ver-luste. Es wäre an der Zeit, dass das auch hier so gesehenwird und dass sich auch die FDP langsam solchen Ge-danken nähert und sich die Frage stellt, wem in dieserGesellschaft aus welchen Gründen was gehört. Was isteigentlich Eigentum? Hat die Verfassungsverpflichtung,nicht zu enteignen, Bedeutung für die große Mehrheitdes Volkes und nicht für die Minderheit derjenigen, dieSachgegenstände oder Unternehmenskapital besitzen?Das sind doch die großen Fragen, die jetzt in unserer Ge-sellschaft aufgeworfen werden.
Leider ist das Gesetz von dem Geist getragen, wie erteilsweise von der FDP formuliert worden ist.
Das äußert sich zum Beispiel darin, dass man es ängst-lich auf eine Gesellschaft zuschneidet und gleichzeitigdie Dauer der entscheidenden Artikel auf den Juni be-fristet. Das ist durch gar nichts zu rechtfertigen, wennman längerfristig denkt. Es kann doch sein, dass morgenein Fall ähnlicher Größenordnung auf uns zukommt.Was wollen wir denn dann machen? Lernen wir dennnicht aus den Vorgängen in Großbritannien oder in denVereinigten Staaten oder in Schweden?Wissen wir nicht, dass viele Wissenschaftler sämtli-cher ideologischer Prägungen recht haben, wenn sie sa-gen, dass zurzeit die Übernahme der großen Institutedurch den Staat die einfachste, die wirkungsvollste unddie billigste Lösung ist? – Das ist einfach bewiesen, unddeshalb ist dieser Gesetzentwurf in diesem Ansatz völligüberholt und im Grunde genommen reiner Mist, um daseinmal deutlich zu sagen.
Ich möchte nur noch zu einem Zusammenhang etwassagen, auch wenn sich jetzt alle darüber aufregen wer-den. Der Sozialphilosoph Oswald Spengler, den ich hierschon einmal zitiert habe, schrieb in seinem berühmtenStandardwerk:Die privaten Mächte der Wirtschaft wollen freieBahn für ihre Eroberung großer Vermögen. KeineGesetzgebung soll ihnen im Wege stehen. Sie wol-len die Gesetze machen, in ihrem Interesse, und siebedienen sich dazu ihres selbstgeschaffenen Werk-zeugs, der Demokratie, der bezahlten Partei.Wir haben hier die Frage aufgeworfen, warum derUntersuchungsausschuss IKB nicht kommt. Das Han-delsblatt schrieb: Die FDP kann nicht zustimmen, weilihre Spender gesagt haben: Wenn ihr zustimmt, dannwSdsSf2uwgpPdmnsDcHdtwrsKlemvnBKardDduS
Mit anderen Worten: Einige Begründungen, die Sie,err Bundesfinanzminister, hier gebracht haben, sindurchaus akzeptabel, aber sie finden sich im Gesetzes-ext nicht wieder. Wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab,eil er den Beweis dafür liefert, dass die Bundesregie-ung die Zusammenhänge in ihrer Gesamtheit nicht ver-tanden hat und dass sie nicht bereit ist, jetzt endlich dieehrtwende in der Politik zu machen, die längst überfäl-ig ist und von dem Gedanken getragen sein müsste, dasss nicht nur um die Enteignung von Flowers geht. Viel-ehr geht es auch darum, die Enteignung von Millionenon Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Rentnerin-en und Rentnern und sozial Bedürftigen zu verhindern.
Das Wort erhält nun der Kollege Jürgen Trittin,
ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieberollege Lafontaine, es wird nicht besser, wenn man sichuf Spengler beruft und pauschal alle Parteien außer Ih-er hier im Hause der Korruption und der Bezahlungurch andere bezichtigt.
as ist eine Form der Partei- und Parlamentskritik, voner ich glaube, dass sie schlechten Populismus bedientnd nicht der politischen Auseinandersetzung an diesertelle dient.
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Jürgen TrittinOhne Zweifel, meine Damen und Herren, ist die HypoReal Estate systemrelevant, und sie muss gerettet wer-den. Es geht nicht darum, Banken etwas Gutes zu tun,sondern darum, das System wieder zum Funktionieren zubringen.Das ist aber nun schon das dritte Mal, lieber HerrSteinbrück, dass Sie das versuchen. Das, was Sie heutepraktizieren, ist nichts anderes als die dritte Nachbesse-rung an dieser Baustelle. Ich finde, hier muss einmalklargemacht werden, auf welchen Irrtümern diese Vor-gehensweise beruht.Sie haben anfänglich gesagt, die Finanzkrise sei einrein amerikanisches Problem. Was ist passiert? – Es istrübergeschwappt nach Europa und Deutschland.Sie haben zweitens behauptet, die deutschen Bankenseien gut aufgestellt. Wir bräuchten uns keine Sorge zumachen. Worüber diskutieren wir hier zum dritten Mal? –Wir diskutieren darüber, dass wir reihenweise Bankenhaben, die kurz vor der Insolvenz stehen oder in andererForm von Krisen stecken.Sie haben schließlich gesagt, wir bräuchten keineneuropäischen Rettungsplan. Was haben wir heute? – Wirhaben – Gott sei Dank, sage ich an dieser Stelle – eineneuropäischen Rettungsplan.Ich erinnere mich noch gut an die Äußerung, dass wirkein Konjunkturpaket bräuchten. Wir haben inzwischendas zweite.Deswegen glaube ich, dass auch in der Frage Enteig-nung und Verstaatlichung das Grundproblem nicht da-rin besteht, was heute gemacht wird, sondern darin, dassSie es viel zu spät machen.
Sie hätten bereits im Dezember anders handeln müssen:Anstatt auf das Prinzip der Freiwilligkeit zu setzen, hät-ten Sie alle Banken unter den Schutzschirm stellen müs-sen. Sie hätten eine klare Entscheidung zugunsten desvernünftigsten und effizientesten Instruments treffenmüssen. Das effizienteste Instrument ist nicht, das Ge-schäftsvolumen zu verbürgen, sondern das effizientesteInstrument ist es, in das Kapital der Bank selber zu in-vestieren, das heißt teilzuverstaatlichen und gegebenen-falls auch ganz zu verstaatlichen. Das heißt, den Steuer-zahler vor Enteignung zu schützen.
Was ist stattdessen passiert? Sie haben mittlerweile18 Milliarden Euro für die Commerzbank bereitgestellt,der Börsenwert liegt bei 3 Milliarden Euro. Sie haben83 Milliarden Euro Steuergelder, wie Sie hier gesagt ha-ben, für die Hypo Real Estate bereitgestellt, der Börsen-wert liegt, glaube ich, bei etwa 250 Millionen Euro. Dasist das Problem.
– Wir können uns einmal darüber unterhalten, was vondiesen Garantien am Ende kassenwirksam wird.E5vbd5wDkDWnoIdDnuwEifhiPdsDbSwZE–EddmL
s ist ein frommer Wunsch, dass das Verlustrisiko beiProzent bleibt, so wie das im Bankenrettungspaketorgesehen ist. Auch ich wünsche mir, dass das soleibt. Aber wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie zugeben,ass Sie es selber auch nicht glauben, dass es bei diesenProzent Verlustrisiko bleiben wird.
Das heißt, es gibt einen Brand, und es gibt eine Feuer-ehr, deren Feuerwehrmänner alle wasserscheu sind.as ist der Zustand der Großen Koalition in der Finanz-rise.
er wasserscheueste ist übrigens der neugebackeneirtschaftsminister. Er hat seine Rolle in diesem Kabi-ett wie folgt beschrieben: Er möchte eine vernehmbarerdnungspolitische Stimme am Kabinettstisch sein.
ch habe mir sagen lassen, liebe Kollegen von der Union,ass Mutti Zwischenrufe bei Tisch nicht mag.
ann hat er am Montag in der Bild-Zeitung zur Enteig-ung nachgelegt: „Ludwig Erhard würde sich im Grabemdrehen.“ Das war am Montag. Was hat er am Mitt-och gemacht? Am Mittwoch hat er dem Gesetz zurnteignung im Kabinett zugestimmt.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, wiech höre, tragen Sie Trauer wegen Ihrer schlechten Um-ragewerte. Sie sollten einmal darüber nachdenken, wo-er diese kommen. Sie kommen genau daher. Wenn Sien den eigenen Reihen Leute haben, die die dümmstenhrasen der FDP in der Bild-Zeitung nachplappern undann im Kabinett das Gegenteil praktizieren, dann müs-en Sie sich nicht wundern, wenn viele Leute sagen:ann wählen wir lieber das Original.
Das macht die Dummheit dieser Phrasen aber nichtesser. Lieber Herr zu Guttenberg, liebe FDPler, glaubenie denn im Ernst, dass es im Sinne Ludwig Erhardsäre, einen Spekulanten wie Herrn Flowers mit demwei- bis Dreifachen des Marktwertes der Hypo Realstate zu entschädigen?
Nein, das wäre natürlich nicht im Sinne Ludwigrhards. Was macht die FDP? Sie lädt in die Anhörunges Finanzausschusses genau diesen Herrn Flowers mitem Ziel ein, dass er dort seine Forderungen noch ein-al vortragen kann. So habe ich mir das mit dem Erbeudwig Erhards immer vorgestellt.
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Jürgen TrittinSie, Herr Westerwelle, haben neulich vor dem Wirt-schaftsrat der Union eine bemerkenswerte Rede gehal-ten. Unter tosendem Applaus der dort versammeltenCDU-Mitglieder haben Sie erklärt: Ich akzeptiere nicht,dass es eine „Enteignungsbehörde“ gibt – eine interes-sante Beschreibung für das Finanzministerium, HerrSteinbrück, aber gut –. „Bürgerliche Mehrheiten betrei-ben keine Enteignungspolitik.“ – Das ist einfach Unsinnund die Unwahrheit.
Selbstverständlich wird in Deutschland seit Jahrzehn-ten enteignet:
für den Bau von Straßen, Flughäfen, Eisenbahnlinien so-wie für Bergwerke wie in Gorleben.
Deswegen steht im Grundgesetz:Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleichdem Wohle der Allgemeinheit dienen. Eine Enteig-nung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.
Das ist die Rechtslage. Ich darf an dieser Stelle noch hin-zufügen: Das Grundgesetz ist eine sehr bürgerliche Ver-fassung.
Wenn darüber gestritten wird, wer es besser kann,dann sagen wir ganz deutlich – deswegen ist es auchrichtig, am Ende zu reprivatisieren –: Nein, der Staat istnicht der bessere Banker, aber in der jetzigen Situationist der Staat der Einzige, der in der Lage ist, aktuell dieMittel bereitzustellen, um die Pleite einer Bank wie derHRE mit den negativen Folgen für unser Finanzsystemzu verhindern. Das ist die Rolle, das ist die Funktion desStaates.
Das, was heute gemacht wird, kommt zu spät, aber esist kein Anschlag auf unsere Wirtschaftsordnung. DiesenAnschlag auf das Eigentum der Aktionäre, die Enteig-nung der Aktionäre, besorgt nicht der Staat; die habendie Spekulationen im Kasinokapitalismus besorgt. DieAktionäre sind enteignet. Sie jetzt unverdient dafür zuentschädigen, bedeutet eine Enteignung der Steuerzah-ler. Nein, es geht hier um etwas völlig anderes. Ich willdas an einem FDP-kompatiblen Beispiel erläutern.
Sie müssen das aber in einer sehr komprimierten
Form versuchen.
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Hans-Ulrich Krüger ist der nächste Redner für die
PD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Bei der gesamten Diskussion in der letztenoche über den Einsatz staatlicher Garantien und dieielorientierte Verwendung von Steuermitteln im Rah-en der Finanzkrise hat sich letztendlich immer – egalb wir uns das bewusst gemacht haben oder nicht – einerundfrage gestellt: Was darf der Staat mit den Mittelnes Steuerzahlers machen, und welche Rechte hat erann? – Bei jeder Insolvenz, bei jedem Konkurs ir-endeines Unternehmens in Deutschland haftet der be-reffende Unternehmer mit dem gesamten Betriebsver-ögen für seinen Misserfolg, und er haftet in aller Regelis zum letzten privaten Hosenknopf, weil er nämlichrivate Bürgschaften abgegeben hat, weil er Grund-fandrechte abgegeben hat, sich also mit seinem gesam-en Hab und Gut für den Erfolg seines Unternehmenserbürgt hat. Das ist sein unternehmerisches Risiko.as ist Teil unserer Ordnungsvorstellungen.Pumpt nun der Staat gezielt Milliarden von Euro inin Unternehmen – in diesem Falle des Finanzmarktes –it dem Ziel, das Unternehmen um jeden Preis wegenystemrelevanz am Leben zu erhalten, dann wird dieseanz normale Insolvenzordnung außer Kraft gesetzt. Dasnternehmerische Risiko gibt es nicht mehr; dieses trägter Staat. Ist der Staat der Retter in der Not, dann ge-ührt ihm selbstverständlich ein Äquivalent für seineeistung.
n diesem Zusammenhang ist es absolut legitim – ichmpfehle hier verbale Abrüstung –, das Mittel der Ent-ignung als die berühmte Ultima Ratio nach vorge-chalteten Bemühungen zu diskutieren. Es geht hiericht darum, dass sich der Staat ein kostbares Vermögennter den Nagel reißt, sondern darum, die enormenchulden eines faktisch insolventen Unternehmens zeit-eise im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger diesesandes zu übernehmen. In einer solchen Situation undnter solchen Bedingungen ist das daher – das sage ichanz deutlich – im äußersten Notfall die Pflicht des Staa-
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Dr. Hans-Ulrich Krügertes, um weitere Enteignungen der Bürgerinnen und Bür-ger durch die dann kommende Belastung zu vermeiden.In diesem Zusammenhang hilft ein Blick in unser gutesaltes, vom Kollegen Trittin eben erwähntes, Grundge-setz. Art. 14 Abs. 3 Satz 1 lautet:Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemein-heit zulässig.Damit man die Gelegenheit hat, sich den Schaumvom Mund abzuputzen – den habe ich bei einigen Rede-beiträgen hier gesehen –, möchte ich auf Folgendes hin-weisen: Die bayerische Landesregierung hat am1. Juli 2008 das Bayerische Rohrleitungsenteignungsge-setz verabschiedet, um den Petrochemiestandort Bayernzu stärken. Im Jahr 1998 hat das Land Baden-Württem-berg das Landesmessegesetz beschlossen, um Enteig-nungen zum Zwecke des Baus und des Betriebs der Lan-desmesse zu ermöglichen. Ich kritisiere das weiß Gottnicht, weil es für mich als jemanden, der aus der kom-munalen Familie kommt, ein normaler Vorgang ist, dassetwas legislativ angeordnet wird, dass es exekutiv durcheine Behörde ausgeführt wird, die automatisch Enteig-nungsbehörde genannt wird, und dass judikativ über-prüft werden kann, ob die Enteignung zulässig und dieEntschädigung rechtmäßig war.Es ist also so, liebe Kolleginnen und Kollegen, dassMenschen im Rahmen regionaler Standortpolitik auf ihrHab und Gut gegen Entschädigung verzichten müssen.Welchen Wert hat angesichts dessen die Sicherung derFinanzmarktstabilität zum Wohle der Allgemeinheit,zum Schutze von uns allen in diesem Staate? Ich bitte,hier nicht mit zweierlei Maß zu messen und keine ideo-logischen Scheuklappen zu tragen. Was wir wollen, hatnichts mit Staatssozialismus zu tun; das ist keine System-veränderung. Vielmehr geht es darum, wie Gelder desSteuerzahlers zur Bewältigung der momentanen Notlageam besten geschützt werden. Dem wird dieser Gesetz-entwurf gerecht. Er wirkt wie ein Kompass.Die Frage, ob ein Enteignungsgesetz für den StandortDeutschland ein Vorteil oder ein Nachteil ist, wurde be-reits gestellt. Ich glaube, ein Blick über die Grenzen lehrtuns anderes: England – Mutterland des Kapitalismus –:Northern Rock, Bradford & Bingley; die Beneluxstaa-ten: Fortis-Gruppe; Irland: Anglo Irish Bank – alles Ent-eignungen/Verstaatlichungen. Man muss fragen: Wokommen wir hin, wenn wir auf etwas Derartiges verzich-ten? Es geht uns natürlich nicht darum, irgendwelcheAktionäre eines Vermögenswertes, den sie haben, zu be-rauben.Schauen Sie doch einmal in die Bilanzen der Unter-nehmen: Diese Beraubung hat durch Vorstände, durchgierige und abzockende Banker bereits stattgefunden. Esgeht jetzt darum, die denkbaren Alternativen zu über-prüfen, um Schaden von unserer Volkswirtschaft abzu-wenden. Es geht natürlich auch darum, dies in einem ge-ordneten Verfahren zu tun. Aber da muss eines klar sein:Geschenke sind hier nicht zu verteilen. Niemand kauftmir eine Aktie ab, die ich zu einem Preis verkaufen will,der doppelt oder dreimal so hoch ist wie der Börsenkurs.Ähnliches gilt für den Staat, der en bloc überlegt, wie erabwkeeSrrke6sseNzshfdwmrBddmBFwDdeRiatsdShF
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Ich stelle jedenfalls fest: Vier Fraktionen in diesemHaus wollen Enteignung. Wir wollen als einzige Frak-tion keine Enteignung. Das ist der Unterschied.
Die Enteignung ist ein Offenbarungseid der Wirt-schaftspolitik der Regierung. Sie ist kein Mittel der Wirt-schaftspolitik in einer Marktwirtschaft. Sie schreckt In-vestoren ab. Sie kostet Arbeitsplätze. Sie schädigt denSteuerzahler, weil Steuern nicht erarbeitet werden kön-nen, weil Investitionen nicht hier, sondern woanders ge-tätigt werden. Mit solchen Gesetzen gefährden Sie mas-siv Arbeitsplätze und Steuereinnahmen in Deutschland.
Es ist richtig, dass Vertrauen in den Finanzmarkt wie-derhergestellt werden muss. Aber weshalb wollen Siedas mit einem Enteignungsgesetz machen? Sie wolleneine Verstaatlichung der Hypo Real Estate durch Enteig-nung. Das ist ein verkapptes Einzelfallgesetz;
insofern hat Otto Solms völlig recht. Da stellt sich dieFrage: Ist es verfassungskonform, ein Einzelfallgesetzzu machen?
Ich habe im Jurastudium noch gelernt: Gesetze machtman für alle, für die Allgemeinheit und nicht auf Einzel-fälle zugeschnitten.
Wir können und wollen uns einen Zusammenbruchder Finanzwirtschaft, des Finanzwesens nicht erlauben.Deshalb haben wir dem Rettungsschirm zugestimmt.Das war ein Vertrauensvorschuss für die Regierung.Aber: Die Regierung hat sich bei Hypo Real Estate mitrund 100 Millionen Euro Finanzhilfen und Garantien en-gagiert.
Jetzt, danach, kommt sie auf den Gedanken, sie müssedurch Enteignung das Geld, das sie da hineingesteckthat, für die Bürger absichern. Das ist kein Krisen-management, keine durchdachte Strategie; das ist wirk-lich ein stümperhaftes Vorgehen.
Erst wird der Einzelfall, eine Bank, unterstützt. Dannversucht der Finanzminister eine systematische Lösung.Nun sind wir beim Einzelfallgesetz. Herr zu GuttenberghsksSöSSsSbstustddvswgfdeglcadRbfl–wsDRwww
Meine Damen und Herren, das Gesetz ist eine Zumu-ung für die Wirtschaft. Allein aufgrund der Tatsache,ass wir über Enteignung diskutieren und Schwarz-Rotiese auf den Weg bringt, wird Vertrauen in Deutschlanderspielt. Das Finanzministerium war früher dafür zu-tändig, die Menschen durch die Steuererhebung teil-eise zu enteignen. Heute wollen Sie gleich voll undanz enteignen. Das ist der Unterschied zwischen derrüheren und Ihrer heutigen Politik.Meine Damen und Herren, wir müssen dafür sorgen,ass der Staatspegel nicht immer weiter steigt. Es mussinen klaren Ausstiegsweg aus diesem staatlichen En-agement geben. Dieser ist jedoch in keiner Ihrer Rege-ungen vorgesehen. Sie wollen das alles nur befristet ma-hen. Das ist Politik der kurzen Beine, die kennen wirber schon, das sind nämlich die Fehlaussagen, die Sieamit einbringen. Vielmehr müssten Sie bei jeder dieseregelungen ein Ausstiegsszenario mitbeschließen, etwaeim Engagement bei Unternehmen, etwa bei Staatshil-en. Sie tun das aber nicht.Deshalb verändert Ihre Politik das Land grundsätz-ich. Es wird eine grundsätzliche Auseinandersetzungauch zur Bundestagswahl – darüber geben müssen,ohin wir wollen. Wollen wir die soziale Marktwirt-chaft wieder mit Leben erfüllen, die seit Jahren ineutschland systematisch beschädigt wurde, erst vonot-Grün, jetzt von Schwarz-Rot – das ist die Fehlent-icklung, die Deutschland geschwächt hat –, oder habenir die Kraft, das zu korrigieren und uns zu erinnern,as die Prinzipien waren, die Deutschlands Stärke aus-
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Rainer Brüderlegemacht haben, die Arbeitsplätze geschaffen haben unddie Steuereinnahmen generiert haben?Es wäre töricht, wenn wir die Prinzipien verratenwürden. Es gibt viele Schwachstellen. Postdienstleistun-gen beispielsweise sind immer noch von der Mehrwert-steuer befreit. Im Energiesektor haben wir keinen vollfunktionierenden Wettbewerb. Jetzt fangen wir an, denMenschen mit dem Instrument der Enteignung vorzu-gaukeln, wir würden mehr Sicherheit schaffen und dieSituation verbessern. Das Gegenteil wird der Fall sein.Sie werden einen Kurs einleiten, der zu einer „DDRlight“ führen kann. Ich sage: Eine DDR hat gelangt.
Wir müssen nicht jeden Fehler der deutschen Geschichtewiederholen. Nie wieder Sozialismus in Deutschland.
Der nächste Redner ist Bartholomäus Kalb für die
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Lieber Herr Kollege Brüderle, ich würdeniemals eine solche Nähe zu dem früheren Unrechtssys-tem der DDR herstellen wollen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, Bundestagund Bundesregierung kommen meines Erachtens in die-ser krisenhaften Situation ihrer Aufgabe nach, nehmensie sehr ernst und handeln mit einem Höchstmaß an Ver-antwortungsbewusstsein. Wir konnten und wir könnendie gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise schon al-lein deswegen nicht verhindern, weil es sich um eineweltweite Krise handelt. Außerdem ist deren Ausgangnicht primär bei uns zu suchen. Die Ausgangspunkte unddie größten Brandherde liegen woanders.Trotzdem konnten und können wir uns der Entwick-lung nicht entziehen, da die internationalen Verflech-tungen viel zu groß sind. Im Übrigen ist es unbestritten,dass auch bei uns durch verantwortliche und handelndePersonen Fehler gemacht worden sind.Wir – Parlament und Regierung – haben meines Er-achtens alles getan, was nach den jeweiligen Erkenntnis-sen notwendig und geboten war, um die Krisen einzu-dämmen. Natürlich kann man heute die Frage stellen, obman nicht manches besser und schon früher hätte erken-nen können. Ich glaube, nicht.Bereits im Frühherbst haben einige Akteure – ichmeine, es war Herr Ackermann – geglaubt, das Licht amEnde des Tunnels zu erkennen. Leider hat sich herausge-stellt, dass dies das Licht des entgegenkommenden Zu-ges war.Wir haben mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz,mit der Haushaltsverabschiedung, mit der Beschlussfas-sdKrMafnkWDezsDrdPKd§hLtclzddwntsSSsDzsHds
Trotz all unserer Bemühungen werden wir die Kriseicht verhindern. Wir konnten sie nicht verhindern. Wirönnen sie und ihre Folgen nur mindern und abfedern.ir müssen den Bürgern draußen auch ehrlich sagen:er Staat wird nicht alle Probleme lösen können.
Wir bringen heute als Fraktionsinitiative deswegen inrster Lesung das Finanzmarktstabilisierungsergän-ungsgesetz ein, weil Gefahr in Verzug ist und von daherchnellstes Handeln geboten ist.
abei sind sich die Koalitionsfraktionen darüber im Kla-en – Kollege Bernhardt und Kollege Dr. Krüger habenarauf hingewiesen –, dass noch einige entscheidendeunkte im Beratungsverfahren verändert werden sowielarstellungen und Präzisierungen erfolgen müssen.Ich persönlich hätte mir gewünscht, wenn wir auchie Themenbereiche § 8 c Körperschaftsteuergesetz und10 a Gewerbesteuergesetz aufgegriffen hätten. Es gehtier um den Verlustvortrag von Institutionen wie denandesbanken, die von anderer Seite gestützt bzw. geret-et werden.
Insbesondere wird es aber um die Frage gehen, wel-he Erfordernisse im Zweifel erfüllt sein müssen, um alsetzte Möglichkeit Schritte zur Enteignung vornehmenu können. Es ist jedenfalls nicht nach dem Geschmacker Union, Maßnahmen in Betracht zu ziehen, an die zuenken man in normalen Zeiten nicht einmal wagenürde.Zugleich muss per Gesetz sichergestellt werden, dassicht einzelne Alteigentümer bzw. Aktionäre eine Ret-ungsübernahme eines großen und ohne jeden Zweifelystemrelevanten Institutes verhindern können. Daschicksal einer Bank, eines Institutes ist zugleich daschicksal vieler, wenn nicht gar aller, und damit ent-cheidend für die Stabilität des gesamten Finanzmarktes.
ie Aufrechterhaltung der Finanzmarktstabilität ist aberwingende Voraussetzung, damit sich die Krise in derogenannten Realwirtschaft nicht weiter verschärft.ierbei sind auch die Konsequenzen zu berücksichtigen,ie sich ansonsten für Arbeitsplätze, Existenzen, Wohl-tand und soziale Sicherung ergeben würden. Ich zitiere,
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22596 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2009
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Bartholomäus Kalbwas Nouriel Roubini im jüngsten Stern-Interview gesagthat:Man muss das Bankensystem retten, ob es uns ge-fällt oder nicht.
Der neue US-Präsident bringt es so auf den Punkt: Wennder Kreditfluss austrocknet, bricht die Wirtschaft zusam-men. Das ist die Lage. Das heißt in unserem Fall: Sosehr es auch Vorbehalte geben mag, wir dürfen in einersolchen Ausnahmesituation jetzt nicht unter Berufungauf ordnungspolitische Prinzipienreiterei Maßnahmenunterlassen, die notwendig sind, um Schaden abzuwen-den. Auch das erwarten die Bürger zu Recht von uns.Wenn sich der Staat schon bei einem Institut in erheb-lichem Umfang engagiert und noch weiter engagierenmuss, dann muss auch sichergestellt sein, dass er in die-sem Institut etwas zu sagen hat. Im Übrigen hat bei demin Rede stehenden Institut der Markt die extrem starkeVermögensvernichtung vorgenommen: Während dieMarktkapitalisierung im Januar 2006 des in Rede stehen-den Institutes über 6 Milliarden Euro betragen hat, be-trug sie gestern noch 160 Millionen Euro. Auch vor die-sem Hintergrund müssen wir die Dinge einordnen. Dasheißt, das staatliche Engagement, das notwendig ist undzukünftig noch notwendig werden wird, wird ein Vielfa-ches des momentanen Börsenwertes bzw. der momenta-nen Marktkapitalisierung betragen.
Ich habe vorhin gesagt: Wir dürfen jetzt keine ord-nungspolitische Prinzipienreiterei betreiben. Aberebenso rate ich uns, jetzt nicht das Kind mit dem Badeauszuschütten. Als einen solchen Versuch betrachte ichdie Forderung, jetzt die Börsenumsatzsteuer wieder ein-zuführen. Wir sollten jetzt nichts tun, was geeignet ist,den Finanzplatz Deutschland zu schwächen.
Im Übrigen werden bei den privaten Anlegern seit dem1. Januar Spekulationsgewinne ohnehin von der 25-pro-zentigen Abgeltungsteuer erfasst. Vielleicht hätten wirheute etwas weniger Probleme, wenn in der Vergangen-heit nicht so viele Finanzmarktaktivitäten ins Auslandverlagert worden wären.
Wir sollten einer solchen Entwicklung keinen weiterenVorschub leisten.Wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, die Stabi-lität des Finanzmarktes zu sichern und seine Funktions-fähigkeit wiederherzustellen.
Um das zu erreichen, müssen wir den Banken helfen,auch wenn es uns nicht gefällt und auch wenn die Bürgerim Lande ungläubig staunend fragen, warum wir das tun.Dazu zitiere ich Barack Obama aus seiner ersten Redeals Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika:BenkmeslbEulSFmnsadKnddiAABPagw
ie Frage der Bonuszahlungen bei gestützten Banken – dieanzlerin fordert hier viel, aber Ihr Gesetz liefert dazuichts –,
ie Frage der Ausschüttungen bei gestützten Banken undie Frage der Adressaten dieses Gesetzes. Ich verweisen diesem Zusammenhang auf die Debatte über dieareal-Bank. Auf diese Fragen geben Sie heute keinentwort.Der nächste Fehler, den Sie in der Debatte über dieankenrettung machen, ist, dass Sie nur an einzelnenunkten korrigieren – und dies erst dann, wenn die Re-lität längst gezeigt hat, dass Ihr Abwehrkampf verlorenegangen ist.
Reden wir aber über das, was Sie heute korrigierenollen. Bei der Hypo Real Estate hat sich gezeigt, dass
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Alexander Bondedas einfache Hinterherschießen von Geld in eine Bank,die de facto pleite ist, am Ende nicht funktioniert, wennSie nicht die Kraft haben, einen Restrukturierungspro-zess tatsächlich durchzusetzen.Da müssen Sie sich, liebe Kollegen von der FDP, ein-mal entscheiden, was Sie eigentlich wollen. Wollen SieMarktwirtschaft, was Sie immer postulieren? Oder wol-len Sie eine Selbstbedienung für gescheiterte Finanz-investoren, was das Resultat von dem wäre, was Sie hierreklamieren?
Was Sie, Herr Brüderle und Herr Solms, vorgetragenhaben, zeigt ein seltsames Verständnis von Unterneh-mertum und von Investorenrisiko. Ich führe viele Ge-spräche mit mittelständischen Unternehmern. Niemandversteht, weshalb Sie die Schutzheiligen von Erpressernin Nadelstreifenanzügen sind und dass Sie sich für Men-schen einsetzen, die nicht bereit sind, ihr Investorenri-siko in aller Konsequenz zu tragen, die vielmehr mit auf-gehaltener Hand vor uns stehen und Traumpreise für ihreAktien verlangen. Diese Menschen wissen, dass derStaat zur Rettung beitragen muss. Der einzige Wert, dendie Hypo Real Estate für sie hat, ist das Erpressungspo-tenzial gegenüber der deutschen Volkswirtschaft. Ichfinde, dieses Schutzheiligentum steht niemandem an, dersich als Marktwirtschaftler definiert.
Ich will es anders sagen: Die Hypo Real Estate willniemand in Staatsbesitz bringen, weil er sie für ein be-sonderes Schnäppchen hält. Im Gegenteil: Bei dieserStaatsinvestition wird niemals eine schwarze Null he-rauskommen. Das ist eine teure Rettungsaktion, und daswird sie auch bleiben. Es geht um nichts anderes als da-rum, eine Bombe zu entschärfen, die mitten in unsererVolkswirtschaft liegt, weil wir alle wissen, welche Fol-gen es hätte, wenn sie hochgehen würde. Mit Verlaub:Herr Flowers sitzt auf dem Zünder, hält die Hand aufund sagt: Vor der Entschärfung hätte ich gerne noch ein-mal ein paar hundert Millionen vom Steuerzahler. Dasist Erpressung und hat nichts mit Marktwirtschaft zu tun.Das kann von diesem Parlament auf keinen Fall toleriertwerden.
Sie mögen markige Auftritte mit Wahlkampfcharakterfür verantwortbar halten. Ich bin der Auffassung, dassman eine klare ordnungspolitische Vorstellung formulie-ren muss. Und ein klares ordnungspolitisches Bekennt-nis zur Marktwirtschaft erfordert die Absage an einensolchen Erpressungsversuch auf Kosten der Steuerzah-ler.
Lassen Sie es mich platt sagen: Sie müssen sich jetzteinmal entscheiden, was Sie wollen. Nach den heutigenReden habe ich den Eindruck, dass FDP die Abkürzungfür Flowers’ Deutsche Pudel ist. Ich finde, das steht Ih-nen nicht gut an.SkgsEwZdRnDslRWtWdbsHeFLswKrmdel
Ich erteile das Wort dem Kollegen Ortwin Runde,
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirönnen ein Resümee dieser Debatte ziehen. Ich muss sa-en: Ich finde die Reaktion der beiden FDP-Redner er-taunlich. Es ist erstaunlich, dass Sie jetzt, wo wir amnde einer Epoche des Kapitalismus stehen – das tunir; wir stehen vor einer Zeitenwende –, angesichts desusammenbruchs der Finanzmärkte und der Probleme,ie wir aufgrund dieser Konjunkturkrise haben, solcheeden halten. Dazu muss ich sagen: So lassen wir Sieicht davonkommen.
as ist Kasperletheater, nichts anderes. Mit Ihrer Laut-tärke und Ihrer Aggressivität wollen Sie doch nur ab-enken.
Wer hat sich denn immer für Marktradikalismus, denückzug des Staates und Privatisierung ausgesprochen?er war gegen Regelungen bezogen auf Managergehäl-er?
er war gegen Regeln für Kapitalmärkte? Das warenoch immer Sie. Und jetzt stehen Sie vor einem Scher-enhaufen.
Was Ihnen einfällt, sind nur Elogen zum Grundge-etz. Lesen Sie doch einmal das Grundgesetz. Herreuss, FDP, später hochgeachteter Bundespräsident, wariner seiner Väter. Lesen Sie einmal nach, was er zu denragen Gemeinwirtschaft und Enteignung gesagt hat.esen Sie das, und Sie werden feststellen, wie weit Sieich von Ihren eigenen Wurzeln entfernt haben. Das istirklich erschreckend.
Man muss davor warnen, zu glauben, man hätte dieserise nur von Anfang an richtig analysieren und dasichtige Konzept benutzen müssen. Überall auf der Weltüssen die Maßnahmen aufgrund der Erfahrungen under Tiefe der Krise angepasst werden. Das ist in den Ver-inigten Staaten, in Großbritannien und selbstverständ-ich auch in Deutschland der Fall.
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Ortwin RundeIch muss sagen: Wenn die FDP über Enteignung undVerstaatlichung spricht, erkennt man Widersprüchlich-keiten besonderer Art. Überall dort, wo es schon Enteig-nungsbehörden gibt – für jemanden, der in einem Stadt-staat Verantwortung trägt und mit den vielen Problemendort zu tun hat, gehört Enteignung zur Alltäglichkeit –,beklagen sich die FDP-Vertreter und die Vertreter derWirtschaft über die Schwierigkeiten bei Enteignungsver-fahren. Sie sagen, das sei in anderen Ländern ganz an-ders und viel rigoroser geregelt.Wo stünden wir denn heute, wenn die Amerikaner dasbei Freddie Mac, Fannie Mae und AIG nicht machenwürden? Was meinen Sie, wie interessiert unsere Kom-munen daran sind, was bei AIG passiert, und wie frohsie wären, wenn der Staat dort die volle Verantwortungübernähme? Das ist für die Stabilisierung der Finanzsys-teme weltweit von entscheidender Bedeutung. Deswe-gen muss ich dem Kollegen Trittin sagen: Wir werden,wenn wir klug sind, in der Tat auch in der Zukunft nochmanche Korrekturen vornehmen bzw. vornehmen müs-sen.Herr Bernhardt, ich habe mit großem Interesse IhrenAusführungen zugehört. Ich muss sagen: In einer Koali-tion über Bedingungen zu reden, halte ich für ein biss-chen schwierig. Das habe ich auch schon im Ausschussgesagt.
Wir werden uns das Ganze anschauen. Die Frage, obman 75,1 Prozent oder 100 Prozent anstrebt, ist eine in-strumentelle Frage. Man muss sich dabei fragen: Wiesind die Refinanzierungskosten?
Wie erreichen wir auf dem ökonomischsten Weg ein ver-nünftiges Ergebnis? Die Frage, ob Garantien über dreioder fünf Jahren laufen sollen, ist ebenfalls eine instru-mentelle Frage. Ich habe den Eindruck, dass die Euro-päische Kommission schon gesagt hat, dass lediglich einDrittel der Garantien über fünf Jahre laufen soll. In-sofern, glaube ich, können sich solche Punkte in einer ra-tionalen Diskussion recht schnell klären lassen.Bezogen auf die Fristen muss ich sagen: Wir müssengemeinsam überlegen, ob eine Befristung dieses Geset-zes bis zum 30. Juni dieses Jahres wirklich sinnvoll unddem Problem angemessen ist. Wir erleben jetzt in denVereinigten Staaten, dass die 19 systemrelevanten Ban-ken einem Stresstest unterzogen werden. Am Ende die-ses Stresstestes wird nicht stehen, dass die eine oder an-dere Bank aus dem Mark herausgeht – schließlich sindsie systemisch relevant –, sondern am Ende wird eswahrscheinlich eine Rekapitalisierung und damit eineTeilverstaatlichung, also einen stärkeren Einsatz vonsei-ten des Staates, geben.Da stellt sich natürlich die Frage, ob es nicht viel klü-ger wäre, in Deutschland abzuwarten, um auf Grundlageder amerikanischen Erfahrungen tätig zu werden. Ichsage Ihnen: Die Stabilisierung der Finanzmärkte istngWLKdzWtfsmfshrsKKsngshRsBufGngbrbsng
Politik ist meines Erachtens in dieser Zeitenwendeazu aufgerufen, die eigene Rolle, auch im Verhältnisur Wirtschaft und zu den Märkten, neu zu definieren.ir haben die Rolle des letzten Ankers. Diese Rolle soll-en wir verantwortlich wahrnehmen. Es wird immer ge-ragt: Wird der Steuerzahler herangezogen? Diese Fragetellt sich nach allen Erkenntnissen schon gar nichtehr. Vielmehr stellt sich die Frage: In welchem Um-ang wird er herangezogen? Wenn der Steuerzahler ein-pringen muss, dann müssen wir dafür sorgen, dass dasöchst effizient geschieht, dass wir das mit Kontroll-echten der Politik verbinden und dass wir das selbst ge-talten.Schönen Dank.
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
ollege Leo Dautzenberg für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Was das Finanzmarktstabili-ierungsergänzungsgesetz angeht, haben meine Vorred-er auf die Punkte, die uns wichtig sind, schon Bezugenommen.Herr Kollege Runde, ich weiß nicht, was Sie darantört, dass es für uns Bedingungen gibt. Meine Fraktionat beschlossen, dass es vier Punkte gibt, die für uns imahmen der Beratungen und somit auch für die gemein-ame Einbringung des Gesetzentwurfes von besondereredeutung sind. Natürlich ist es die Aufgabe der Rednernserer Fraktion, darauf hinzuweisen, dass diese Punkteür uns entscheidend sind und dass wir sie noch in denesetzentwurf einfließen lassen wollen. Sollte das in ei-er Koalition nicht möglich sein, würden wir, wie ichlaube, unsere parlamentarische Funktion, das zu ver-essern, was aus Sicht einer Fraktion noch verbesse-ungswürdig ist, nicht mehr erfüllen.
Meine Damen und Herren, hier ist mit viel Wortakro-atik Aufrüstung betrieben worden. Ich finde, wir solltenachbezogen diskutieren und auf die Aspekte Bezugehmen, die im Finanzmarktstabilisierungsergänzungs-esetz vorgesehen sind.
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Leo DautzenbergIch möchte betonen, dass die Große Koalition mit denMaßnahmen, die sie im Oktober letzten Jahres beschlos-sen hat, den richtigen Weg beschritten hat. Mit den Maß-nahmen, die wir im letzten Oktober mit dem Finanz-marktstabilisierungsgesetz auf den Weg gebracht haben,brauchen wir uns auf europäischer und internationalerEbene nicht zu verstecken. Vielmehr war das der Maß-stab auch für andere.Großbritannien und die USA haben im letzten Jahr ei-nen anderen Weg eingeschlagen. Die USA haben damalszunächst 700 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt,um Risikopapiere aufzukaufen, später aber ihre Strategiegeändert. In England wurde die Strategie zur Finanz-marktstabilisierung schon mehrfach geändert. Insofernkann man feststellen: Mit den Maßnahmen, die wir imOktober letzten Jahres beschlossen haben, sind wir aufdem richtigen Weg.Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf wollenwir in Anbetracht unserer bisherigen Erfahrungen undder Entwicklungen am Finanzmarkt ein Feintuningdurchführen und Ergänzungen vornehmen. Die Ziele,die wir mit diesem Gesetz und dem vorherigen verfol-gen, sind die gleichen: Wir wollen die Stabilisierung desFinanzmarkts und eine Strukturveränderung im Banken-system erreichen.Von daher ist es eine entscheidende Frage, ob wir dieLaufzeit der Garantien, die bisher bis zu drei Jahre be-trägt, grundsätzlich auf bis zu fünf Jahre erweitern. Indiesem Zusammenhang wird häufig argumentiert: DieEU hat dem schon zugestimmt. Also machen wir das. –Wir müssen dabei aber auch berücksichtigen, welcheFolgen dieser Schritt, wenn wir ihn grundsätzlich undunkonditioniert vollziehen würden, für andere Finanz-marktprodukte, die sich am Markt bewährt haben, hätte.Wir sind für eine Konditionierung und gegen eine grund-sätzliche Verlängerung. Wir würden dem Pfandbrief-markt und anderen Sektoren des Anleihemarktes einenTort antun, würden wir diese Regelung grundsätzlichtreffen und sie nicht konditionieren würden.Unsere Zielsetzung bei der Stabilisierung des Finanz-marktes muss sein, dafür zu sorgen, dass zukünftig auchAnleihen, die nicht staatsgarantiert sind, wieder eineChance am Finanzmarkt haben. Sonst gäbe es inDeutschland nur noch Anleihen, die staatsgarantiertsind. Das kann nicht unsere Zielsetzung sein.
Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, dass wir,was die Laufzeit der Garantien anbelangt, Änderungsbe-darf anmelden.Ein weiterer wichtiger Aspekt, auf den schon hinge-wiesen worden ist, ist das Thema Enteignung. VerehrterHerr Kollege Brüderle, das ist kein Gesetz, das sich aufein einzelnes Unternehmen bezieht. Die Formulierungim Gesetz ist abstrakt. Sie kann auf andere Unternehmenübertragen werden. Wir hoffen zwar, dass wir es nichtauf andere Unternehmen anwenden müssen. Es ist aberfalsch, in diesem Zusammenhang von einem Einzelge-setz zu sprechen, das nur für ein einziges UnternehmengSdEmwZAlmskaGGwmfwmsdv–UdjkdkaGts
Sie müssen schon ertragen, dass ich nachfrage.
Meine Frage lautet: Gibt es irgendwelche anderen
nternehmen oder Unternehmungen oder Firmen, bei
enen Sie heute davon ausgehen, dass dieses Gesetz, das
a bis zum Sommer befristet ist, angewendet werden
önnte? Gibt es irgendein weiteres Unternehmen, auf
as Sie dieses Gesetz anwenden wollen?
Herr Kollege, wenn wir die Zukunft kennen würden,önnten wir das eindeutig beantworten. Man kann dasber nicht beantworten. Deshalb ist die Formulierung imesetz abstrakt, und deshalb ist es falsch – Sie interpre-ieren es ja so –, davon zu sprechen, dass wir dieses Ge-etz im Grunde nur auf ein Unternehmen anwenden. Wir
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Leo Dautzenbergschaffen vielmehr einen Handlungsrahmen für die Zu-kunft. Die Befristung ist bewusst gewählt worden. Auchdaran, dass die Verordnung nur bis zum 30. Septemberwirksam sein soll, sehen Sie, dass es um vorübergehendeMaßnahmen geht.
Deshalb darf ich Sie bitten, uns nicht weiter mit demGespenst der Enteignung zu kommen. Sie selber bietenkeine Alternativen. Unterstellen Sie uns nicht, diesesGesetz sei verfassungswidrig und werde der Sachlagenicht gerecht! Ich betone noch einmal: Es gibt ja nochinnerhalb der Koalition eine Diskussion über diesen Ge-setzentwurf. Die Maßnahmen, die vor einer Enteignungergriffen worden sein müssen, müssen näher definiertwerden. Nur wenn diese Maßnahmen erfolglos geblie-ben sind, kommt eine Enteignung überhaupt infrage. Esreicht nicht, dass das irgendwie geprüft worden ist, wiees im Gesetzentwurf steht. Gehen Sie davon aus, HerrKollege Westerwelle, dass wir das richtig sehen. Ihre In-terpretation können wir allerdings nicht zulassen.
Nächster Punkt. Wir brauchen – das sehe ich als IhreFührungsaufgabe an, Herr Finanzminister; im Gesetz istdas noch nicht geregelt – einen Vorschlag zur Ausgliede-rung der Risikopapiere. Das ist das Nächste, was gere-gelt werden muss. Wir werden eine dauerhafte Stabili-sierung des Finanzmarktes nicht erreichen, wenn dieUnternehmen diese Risiken nach wie vor in der eigenenBilanz führen müssen und sie nicht bereinigen können.Wir warten auf einen Vorschlag von Ihnen.
Wir sehen es auch als Ihre Führungsaufgabe an, dassSie gemeinsam mit den Ministerpräsidenten die Reformder Struktur der Landesbanken auf den Weg bringen.Was sich bisher als Einzellösungen in den Ländern ab-zeichnet – dass sich die Strukturen verfestigen –, kannnicht im Sinne des Finanzmarktstabilisierungsgesetzessein. Die Strukturen der Banken müssen sich verändern.Ich sehe die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind,Herr Minister, und teile Ihre Auffassung, dass man unsals Bund diese Aufgabe nicht ans Bein binden sollte.Aber wir brauchen entsprechende Bemühungen; dennwenn weiter Einzellösungen Platz greifen, fehlt dieGrundlage, um zu einer Neustrukturierung der Landes-banken zu kommen.Ein weiterer Punkt, der meine Fraktion umtreibt. DasGesetz heißt Gesetz zur weiteren Stabilisierung des Fi-nanzmarktes. Es geht aber auch um Fortentwicklung undUmstrukturierung. Wir müssen aufpassen, dass, wennsich Gesellschaften unter den Schirm des Bundes bege-ben, dies nicht zu Verzerrungen im Wettbewerb mit denkreditwirtschaftlichen Unternehmen, die erfolgreich amMarkt gearbeitet haben, führt. Ihnen dürfen wir es nichtdadurch erschweren, dass jene Unternehmen diese Hil-fen jetzt nutzen, um sich Wettbewerbsvorteile zu ver-schaffen. In diesem Zusammenhang sind die Autoban-ken für uns durchaus ein Thema.WhdSgddoHwssdKhwrOcasd9–msZtdsZdswwngs
ir verlangen, dass dies klargestellt wird.Auch bei der Prüfung reicht es nicht aus, wenn eseißt: Manche Autobanken sind Kreditinstitute im Sinnees Kreditwesengesetzes und können somit unter denchirm kommen. – Das kann nicht die Entscheidungs-rundlage sein. Vielmehr muss Grundlage der Entschei-ung sein, dass die Hilfe der Finanzmarktstabilisierungient, nicht aber der Konzern- und Industriefinanzierungder der Absatzförderung. Das ist ein ganz anderes Feld.
ier müssen wir beachten, dass diejenigen Institute, dieir auch hier in allen Erklärungen immer groß herausge-tellt haben, nämlich die Sparkassen und Volksbanken,ich in der Fläche einem Wettbewerb stellen müssen, inem durch den Bund gesicherte Unternehmen momentanonditionen vorgeben, mit denen Unternehmen, die bis-er immer geholfen haben und da waren, aus Wettbe-erbsgründen nicht mithalten können. Das kann nichtichtig sein.
Genauso müssen wir den Bereich hinterfragen, dentto Bernhardt hier auch schon angesprochen hat: Wel-he Mehrheit ist gesellschaftsrechtlich und mit Blickuf den Finanzmarkt erforderlich, um die Gestaltung be-timmen zu können? Das muss eindeutiger belegt wer-en. Es ist natürlich klar, Herr Minister: Wenn man0 oder 95 Prozent hat, ist es das Einfachste.
Nein, nicht das Einfachste, sondern das Vernünftigsteuss gemacht werden. Es kann durchaus vernünftigein, dass man mit unterschwelligen Mehrheiten zumiel kommt.Von daher, meine Damen und Herren, gibt es Bera-ungsbedarf. Wir haben bisher mit unseren Maßnahmenen richtigen Weg beschritten. Lassen Sie uns gemein-am an diesen einzelnen Punkten arbeiten, damit dieielsetzung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes undieses Gesetzes erreicht wird: den Finanzmarkt für un-ere Bürger zu stabilisieren und ihn auch fortzuent-ickeln, um zu anderen Strukturen zu gelangen.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-urfs auf Drucksache 16/12100 an die in der Tagesord-ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Dazuibt es Einvernehmen. Dann ist die Überweisung so be-chlossen.
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Präsident Dr. Norbert LammertIch rufe Zusatzpunkt 8 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten Hüseyin-Kenan Aydin, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEEinsetzung eines Untersuchungsausschusses– Drucksache 16/12130 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität undGeschäftsordnung
FinanzausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdiese Aussprache 75 Minuten vorgesehen. – Auch dazuhöre ich keinen Widerspruch. Dann können wir so ver-fahren.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-nächst dem Kollegen Gregor Gysi für die Fraktion DieLinke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Es geht um die Bildung eines Untersuchungs-
ausschusses, den die Regierung deshalb nicht zu fürch-
ten scheint, weil sie sich darauf verlässt, dass es dafür
keine Mehrheit gibt, was ich für völlig daneben hielte.
Ich will versuchen, Ihnen dies zu erklären.
Dieses Parlament hat die Verantwortung für die
Steuergelder, und zwar nach dem Grundgesetz eine hö-
here Verantwortung als die Bundesregierung. Dieses
Parlament trifft regelmäßig Entscheidungen, Steuergel-
der für Privatbanken auszugeben, in verschiedener
Form, in verschiedener Hinsicht, aber es ist nicht bereit,
zu kontrollieren, was daraus wird und was damit ge-
schieht und wie die Umstände sind. Wir wissen hier we-
niger als ein kleiner Beamter im Bundesfinanzministe-
rium, und das ist nicht hinnehmbar.
Ich füge hinzu, dass es Umstände gibt, die dringend ei-
ner Klärung bedürfen.
Ich beginne einmal mit Beispielen, die gar nicht Ge-
genstand des Untersuchungsausschusses werden sollen,
um Ihre Aufmerksamkeit darauf zu richten. Wir haben
hier darüber gesprochen und beschlossen, dass die IKB
eine finanzielle Unterstützung bekommt. Oskar Lafontaine
hat vorhin gesagt, dass sie gar nicht nötig gewesen wäre,
weil man das auch anders hätte machen können. Aber
okay, nun ist es ja beschlossen worden.
Wie sah es aus? Dem Bund gehörten 38 Prozent an
der IKB. Es wurde ein Betrag von 9,2 Milliarden Euro
bereitgestellt. Ich bitte Sie! Wenn hier manchmal um
1 Million gestritten wird, dann hat man keine Chance,
aber diese 9,2 Milliarden Euro wurden zur Verfügung
gestellt. Dann aber wurde die Industriekreditbank für
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
as klären wir eigentlich diesbezüglich auf? Wir klärenichts auf; wir lassen das einfach so stehen.Nehmen wir die Commerzbank. Für die Commerz-ank haben wir einen Betrag von 18,2 Milliarden Eurour Verfügung gestellt. Das war der höchste Betrag, deris dahin in der Weltgeschichte von einem Staat für einerivatbank zur Verfügung gestellt wurde. Inzwischen hatie HRE allerdings alles getoppt. Wie viel gehört unson der Commerzbank, die noch einen Börsenwert vonMilliarden Euro hat? Wir haben die Commerzbankuasi sechsmal bezahlt, aber uns gehört nur eine stilleeteiligung – der Bund muss also auch noch den Mundalten und darf bei den Geschäften nicht mitreden – von5 Prozent. Das heißt, die Schulden übernehmen dieteuerzahlerinnen und Steuerzahler allein, aber wennpäter Gewinne fließen, bekommen sie nur ein Viertel,ährend drei Viertel privat sind. Das ist nicht mehrachzuvollziehen. Wo bleibt da die Kontrolle durch dasarlament?
Nun kommen wir zur HRE. Über die HRE ist schoneim vorhergehenden Tagesordnungspunkt viel gespro-hen worden; ich muss das hier nicht wiederholen. Einesst allerdings nicht besprochen worden, und da hätte icherne Klarheit von Ihnen. Dazu gibt es auch einen An-rag des Landes Berlin, und ich bin gespannt, wie Sieich dazu verhalten werden. Ich meine die Reprivatisie-ung. Sie haben so viel Angst vor der Verstaatlichung,lso der Umsetzung des betreffenden Artikels desrundgesetzes, dass Sie im Gesetz gleich die Reprivati-ierung regeln. Interessant ist, was da geregelt ist. Dateht: Wenn dieses Unternehmen nachhaltig stabilisiertst, muss es wieder reprivatisiert werden. Dafür wünschech mir folgende Bedingung: Die Reprivatisierung darfrühestens dann stattfinden, wenn sämtliche geflossenenteuergelder einschließlich der Zinsen wieder an denund zurückgeflossen sind. Das ist doch wohl das Min-este.
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Dr. Gregor GysiWarum formulieren Sie nicht diese Bedingung? Meinet-wegen kann das ja auch über die Erlöse durch die Repri-vatisierung realisiert werden. Aber das muss doch eineBedingung sein!Ich befürchte, da Sie diese Bedingung nicht formulie-ren, dass Folgendes herauskommt: Vielleicht fließt dieHälfte oder ein Viertel des Geldes durch Gewinnbeteili-gung oder Reprivatisierung zurück; aber mit der Privati-sierung werden die Gewinne wieder privatisiert und wer-den in den Händen weniger Reicher landen, obwohl dieSchulden zum größten Teil von den Bürgerinnen undBürgern bezahlt worden sind.
Nun kommt bei der HRE noch eines hinzu. Das ist einUmstand, der der Aufklärung bedarf. Die HRE war frü-her Teil der bayerischen HypoVereinsbank. Man mussden Managern lassen, dass sie damals durchaus schlauwaren. Sie haben sich vor fünf Jahren von der HRE ge-trennt. Wenn ich das richtig deute, haben sie alle toxi-schen Papiere, also alles, was faul war und nichts bringt,gönnerhaft auf die HRE übertragen und den Rest selberbehalten. Sie werden sich gesagt haben: Wenn die HREpleitegeht, bezahlt das sicher der Staat, mit anderen Wor-ten: die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, und wir ha-ben nichts mehr damit zu tun. – Nun hatte aber der Ge-setzgeber festgelegt: Eine Mutter haftet fünf Jahre füralle Schulden, die bei der Tochter später entstehen. Ei-nen Tag nach Ablauf dieser Frist sagt uns der Bundes-finanzminister, dass die Hypo Real Estate pleite ist. Damuss doch das Parlament der Frage nachgehen, ob er dasnicht schon vorher gewusst hat, welche Informationen esgegeben hat und ob es grobe Fahrlässigkeit oder sogarVorsatz war, dass man die bayerische HypoVereinsbankaus ihrer Verpflichtung entlassen hat! Das bedarf dochwohl der Aufklärung, bevor Sie hier Millionen und Mil-liarden an Steuergeldern zur Verfügung stellen.
Deshalb stellen wir den Antrag. Jetzt kommt das Ar-gument, die Legislaturperiode sei zu kurz. Das ist völligfalsch. Wir haben die Fragen so einfach formuliert, dasssie in kürzester Zeit aufzuklären sind.
Wir wissen, dass wir jetzt keinen Untersuchungsaus-schuss einsetzen können, der für seine Arbeit drei Jahrebraucht. Aber das haben wir beachtet. Deshalb ist dasweder für die Grünen noch für die FDP ein Argument,Nein zu sagen.
Es gibt übrigens noch eine interessante Frage, die wirin unserem Antrag gestellt haben. Die Bankenaufsichthat schon vor über einem Jahr, im Jahre 2007, ange-mahnt, dass die Hypo Real Estate anders kontrolliertwerden solle. Warum hat das BundesfinanzministeriumddDZdInmhagdEkmaGwnghiWsdrztfMsznsz
as sind doch Fragen, die man einmal stellen darf.Das zweite Argument dagegen – neben der Kürze dereit – lautet, dass wir ja ein Finanzmarktgremium haben,as geheim tagt und alle Informationen erhält.
ch habe unser Mitglied gefragt. Zur IKB haben sie garichts erfahren. Bei der Commerzbank gab es alle Infor-ationen, die wir auch schon in den Zeitungen gelesenaben.Abgesehen davon finde ich die Herangehensweiseuch völlig falsch. Wieso muss das in einem Geheim-remium behandelt werden? Ich bitte Sie: Das sind Gel-er von Millionen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern.s geht sie doch wohl etwas an, was daraus wird. Daann man doch nicht sagen, dass es einen kleinen gehei-en Ausschuss gibt, der darüber informiert wird.
Deshalb meine ich, dass wir diesen Untersuchungs-usschuss benötigen.Ich will an Sie appellieren: Wenn wir ein Stücklaubwürdigkeit auch der Politik in der Öffentlichkeitiederherstellen wollen, dann können solche Fragenicht unbeantwortet im Raum stehen bleiben. Ich sagear nicht, dass Herr Steinbrück das schon einen Tag vor-er gewusst hat, obwohl die Vermutung naheliegt. Aberch sage klar: Es bedarf der Aufklärung.
Eigentlich müsste die Regierung beantragen, den Un-ersuchungsausschuss zu bilden, wenn sie denn das Ge-ühl hätte, dass sie dadurch rehabilitiert werden könnte.
ich macht Ihre Weigerung mehr als stutzig.Ich will jetzt noch etwas zu den Grünen und zur FDPagen. Es ist heute ja schon gesagt worden, dass Sie Zeitum Nachdenken haben wollen. Zeit haben wir abericht mehr. Die Legislaturperiode ist begrenzt. Wir müs-en das schnell entscheiden. Sie haben ja noch Zeit bisur zweiten Lesung.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2009 22603
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Dr. Gregor GysiWir werden versuchen, das in den Ausschüssen schnellzu behandeln. Ich greife Sie heute auch nicht so stark an,weil ich ja noch Ihre Zustimmung gewinnen will.
– Kommen Sie mir jetzt nicht mit Formfehlern und da-mit, dass ich Sie schon einen Sonntag vorher hätte an-rufen müssen. Seien Sie nicht so pingelig! Es geht hierum die Bürgerinnen und Bürger der BundesrepublikDeutschland und nicht um Ihre komischen eitlen Ge-fühle. Das muss ich hier auch einmal klipp und klar sa-gen.
Lassen Sie mich noch eines sagen: Wenn Sie das nichttun, dann setzen Sie sich selber dem Verdacht aus, dassdas mit den Spenden zu tun hat, die Oskar Lafontainegerade zitiert hat.
Damit würden sie nämlich sagen, dass Sie sich eine Auf-klärung bei den Banken nicht mehr trauen, weil dann dieSpenden ausbleiben.Ich sage Ihnen: Ich bin gar nicht gegen Staatsgelderfür die Parteien. Ich weiß, dass das in der Bevölkerungauch umstritten ist. Sie sind mir aber lieber als IhreSpenden von den Banken und von der Allianz. Dasmacht Sie abhängig, und das müssen wir überwinden.Zeigen Sie jetzt, dass Sie nicht abhängig sind, indemSie der Einrichtung des Untersuchungsausschusses zu-stimmen!
Der Kollege Hans Michelbach hat nun das Wort für
die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kolle-gen! Herr Kollege Gysi, selbstverständlich hat das Parla-ment Verantwortung für die Steuergelder,
es hat aber auch die Verantwortung, einen Gesamtscha-den abzuwenden, und die Verantwortung für die Rettungvon Betrieben, Banken und Arbeitsplätzen. Das ist dieVerantwortung, die wir hier ganz gezielt und konsequentwahrnehmen.
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Sicherlich sind zunächst ein konkretes Krisenmanage-ent und eine zielführende Bestandsaufnahme im Fi-anzausschuss des Deutschen Bundestages mit allenachleuten sinnvoll. Wir sollten jetzt öffentliche Verunsi-herung vermeiden, da ein Sturm auf die Geldhäuser dasesamte Wirtschaftssystem zum Einsturz bringen könnte.ie Finanzmarktkrise eignet sich nicht für diesen politi-chen Schlagabtausch.Ich meine auch, dass wir politischen Krisentrittbrett-ahrern mit großer Mehrheit in diesem Hohen Hause ent-egentreten sollten. Ich habe den Verdacht, dass Sie,err Gysi, und die Linke auf einen politischen Gewinnus der Finanzmarktkrise spekulieren.
otwendig ist aber etwas anderes. Es ist notwendig, eineeue Vertrauensbasis für den Finanzmarkt zu finden;enn der Finanzmarkt ist höchst nervös und verunsi-hert. Der Interbankenhandel ist nach wie vor ausge-rocknet; vielen Betrieben fehlen die für den Erhalt derrbeitsplätze notwendigen Finanzmittel. Insofern habenir eine Verantwortung für die Betriebe.
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Dr. h. c. Hans MichelbachVeröffentlichungen zum Finanzmarkt sind immerkursrelevant. Wenn falsche Informationen veröffentlichwerden, hat das bestimmte Auswirkungen. Insofern müs-sen wir verantwortungsbewusst vorgehen. Wozu führt es,wenn man einen politischen Schlagabtausch durchführt?Die Auswirkungen können so groß sein, dass Betriebeeinbrechen und Arbeitsplätze vernichtet werden. Auchdafür haben Sie in der Vergangenheit leider nicht die Ver-antwortung übernommen, die Sie eigentlich hätten. Wirstellen uns dieser Verantwortung und sind deswegennicht bereit,
Ihre Forderung nach der Einsetzung eines Untersu-chungsausschusses mitzutragen.Dass bei verschiedenen Banken Grundsätze solidenManagements verletzt wurden, steht, glaube ich, außerFrage. Der Verdacht der Marktmanipulation ist erhärtet.Pflichtwidrige Kapitalvernichtung muss auch strafrecht-lich verfolgt werden; darin sind wir uns einig. In SachenHypo Real Estate ermittelt die Staatsanwaltschaft bereitsgegen mehrere Vorstandsmitglieder. Die Union hältdiese Ermittlungen für erforderlich, um die Aufklärungder Vorgänge in der Vergangenheit zu ermöglichen. Jetztmuss zunächst einmal die Justiz Sorge dafür tragen, dassdie Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen ausdem privaten Vermögen der Manager sichergestellt wird.
Herr Kollege Michelbach, gestatten Sie eine Zwi-
schenfrage des Kollegen Ströbele?
Gerne.
Herr Kollege, geben Sie mir recht, dass das Aus-
kunftsverhalten der Bundesregierung mit dazu beiträgt,
dass wir nach anderen Wegen suchen müssen, um als
Bundestagsabgeordnete die notwendigen Informationen
zu bekommen? Ich stelle seit Oktober vergangenen Jah-
res jeden Monat Fragen nach diesen Vorgängen – zum
Beispiel auch zur Hypo Real Estate – und bekomme je-
des Mal von der Bundesregierung die Auskunft, dass
man mir darauf leider keine Antwort geben könne. Über
noch nicht abgeschlossene Vorgänge gebe es keine Aus-
kunft. Oder es heißt, das betreffe Geschäftsgeheimnisse
dieser Bank, weswegen ich keine Information bekäme.
Stimmen Sie mir zu, dass das Auskunftsverhalten der
Bundesregierung gegenüber einzelnen Abgeordneten
entscheidend dazu beiträgt, dass man nach neuen, ande-
ren Wegen suchen muss, um als Bundestagsabgeordneter
seinen Pflichten nachzukommen und seine Rechte wahr-
zunehmen?
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Herr Kollege Ströbele!
Ich kann Ihnen sagen: Meine Fragen sind beantwor-et. Ich kann natürlich nicht für Sie Fragen stellen; dasüssen Sie selber tun. Ich jedenfalls sehe im Momenteinen Anhaltspunkt für eine Pflichtverletzung des Bun-esfinanzministers und des Bundesfinanzministeriums.enn Sie einen anderen Eindruck haben, dann müssenie – das ist Ihr gutes Recht als Parlamentarier – dieseiter kontrollieren und untersuchen.
amit habe ich überhaupt keine Probleme. Es gibt dieöglichkeit, im Finanzausschuss des Deutschen Bun-estages entsprechend tätig zu werden. Ich schlage oh-ehin vor, dass wir, wenn dieser Brandherd gelöscht ist,ie Verantwortlichkeiten prüfen.
amit habe ich überhaupt kein Problem. Ich bin für diearlamentarische Kontrolle. Hier haben wir schon vieleleistet.
ber ich bitte jetzt um Verständnis; denn wir können imoment keine neuen Verunsicherungen auf dem Finanz-arkt gebrauchen. Wir müssen verantwortungsbewusstandeln, um die Auswirkungen zu begrenzen.
ir sollten die Politik nicht schlechter machen.
Ich kann nur sagen: Wir haben mit den Gesetzen, dieir beschlossen haben, insgesamt eine Stabilisierung desinanzmarktes erreicht. Keine systemrelevante Bank ineutschland ist in Schwierigkeiten geraten und in die In-olvenz gegangen. Das ist der richtige Weg. Wir müssenetzten Endes Sparer und Anleger vor diesem Sturm be-ahren. Das ist gut gegangen. Wir sollten gemeinsamtolz darauf sein, dass dies gelungen ist.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2009 22605
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Dr. h. c. Hans Michelbach
Aufgrund der weitreichenden Verflechtungen der HypoReal Estate mit anderen Finanzinstituten, hätte ein Unter-lassen der Rettungsaktion zu einer bedrohlichen Fortset-zung der Finanzmarktkrise in Deutschland geführt, mitschwerwiegenden Schäden im Hinblick auf Wachstumund Arbeitsplätze sowie den deutschen Finanzmarkt. Ei-nen gefährlichen Dominoeffekt gilt es nach wie vor zuverhindern. Von der Insolvenz einer systemrelevantenBank wäre auch der Zahlungsverkehr betroffen; dasmöchte ich ausdrücklich betonen. Der Ausschluss einesderartig großen Marktteilnehmers würde erhebliche Ver-werfungen im nationalen und europäischen Zahlungs-ausgleich nach sich ziehen. Höhere Transaktionsvolu-mina an den Devisen-, Wertpapier- und Derivatemärktenwären dann nicht mehr darstellbar. Ein erhebliches Pro-blem stellten die Auswirkungen auf den deutschenPfandbriefmarkt dar; das ist heute schon angeklungen.Die Hypo Real Estate ist einer der beiden größten Emit-tenten auf dem deutschen Pfandbriefmarkt. Pfandbriefesind bekanntlich durch eine getrennte Deckungsmassebesonders geschützt und gelten daher als solide. Die In-solvenz eines großen Pfandbriefemittenten hätte aber imgegenwärtigen Marktumfeld das Vertrauen in den Pfand-brief und somit in eines der wenigen nach wie vor funk-tionsfähigen Refinanzierungsinstrumente insbesonderein der deutschen Kreditwirtschaft untergraben. Deswe-gen müssen wir hier besonders verantwortungsbewussthandeln. Andernfalls gäbe es erhebliche negative Folgenfür die Refinanzierung gerade mittelstandsorientierterKreditinstitute.Da wir beklagen, dass es eine Kreditklemme für denMittelstand gibt, müssen wir Vorsicht walten lassen, dasssich diese nicht verschärft. Die Auswirkungen einesAusfalls der Hypo Real Estate würden breit gestreut Ver-sorgungswerke, Berufsgenossenschaften sowie deutscheLänder und Kommunen erfassen, die dort teilweise drei-stellige Millionenbeträge angelegt haben. Deshalb nochmal zur Verdeutlichung: Bei der Stützung der Hypo RealEstate ging und geht es ganz wesentlich darum, die Sub-stanz der deutschen Volkswirtschaft zu schützen, unddeswegen können wir hier keine weiteren Verunsiche-rungen gebrauchen. Es wäre fahrlässig, falsche Informa-tionen zu verbreiten und zur Verunsicherung beizutra-gen. Die Rettung der Hypo Real Estate war und ist imInteresse der Aufrechterhaltung der Stabilität an den Fi-nanzmärkten und zur Sicherung des Vertrauens der Bür-gerinnen und Bürger unabdingbar.Natürlich sollten Bürgschaftsvereinbarungen keineunüberschaubaren Lasten für die Steuerzahler darstellen.Ihr Vorwurf, Herr Gysi, dass wir keine Verantwortungfür die Gelder der Steuerzahler übernehmen würden, istnatürlich nicht nur provokant, sondern unrichtig; er istfalsch. Diese Aussage ist fahrlässig und von Populismusgetragen. Sie wollen nichts anderes sein als der Gewin-ner aus der Krise. Das lehnen wir ab, meine Damen undHerren.SskbEHedüuMsdfLIafdszddgnhkbEEgcrWtdsdzel
In dieser Krise ist es die fundamentale Aufgabe destaates, das Vertrauen in den Finanzmarkt wieder herzu-tellen und eine weitere Zuspitzung der Finanzmarkt-rise zu verhindern. Deshalb dürfen wir keine politischegründeten Spektakel veranstalten. Wir müssen letztenndes deutlich machen, dass wir eine Lösung für dieypo Real Estate – möglichst ohne Enteignung in Forminer Übernahme von 75 Prozent plus einer Aktie – fin-en. Das ist der richtige Weg. Das wollen wir tun. Damitbernehmen wir auch die Verantwortung für die Geldernserer Steuerzahler.Wir müssen insgesamt Schaden von der sozialenarktwirtschaft abwenden. Der sozialen Marktwirt-chaft verdanken wir den Aufstieg Deutschlands nachen Schrecken des Zweiten Weltkrieges, die Leistungs-ähigkeit unserer Wirtschaft, den Wohlstand unseresandes und ein umfassendes soziales Sicherungssystem.nsofern glaube ich, dass die soziale Marktwirtschaftuch in dieser Frage das richtige Heilmittel ist. Dies er-ordert natürlich offene Märkte, Freiheit und einen Staat,er sich auf die Festlegung der Rahmenbedingungen be-chränkt. Unsere ordnungspolitische Maxime lautet: so-iale Marktwirtschaft statt Staatskapitalismus. Das ister richtige Ansatz, den wir verantwortungsbewusst fürie Lösung dieses Problems gewählt haben.Herzlichen Dank.
Für die FDP-Fraktion gebe ich das Wort dem Kolle-
en Dr. Volker Wissing.
Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin. – Liebe Kollegin-en und Kollegen! Herr Kollege Michelbach, es gehtier nicht um die Frage, ob es zu einer Enteignungommt oder nicht. Dass die Union enteignen möchte, ha-en Sie heute Morgen schon deutlich machen können.s geht auch nicht um die Frage, ob die Hypo Realstate in die Insolvenz geschickt werden soll, sondern eseht um die Frage, ob sich die Bundesregierung in Sa-hen HRE bisher korrekt verhalten hat.In der Tat wirft die Vorgehensweise der Bundesregie-ung in Sachen Hypo Real Estate viele Fragen auf.
enn man allein an das Kommunikationschaos der ers-en Tage denkt: Zuerst hat Herr Steinbrück angekündigt,ie Hypo Real Estate werde abgewickelt. Später hat ero nicht verstanden werden wollen und ließ mitteilen,ass seine Forderung nur auf den Fall der Insolvenz be-ogen gewesen sei. – Man fragt sich schon: Wie kommtin Bundesfinanzminister dazu, die geordnete Abwick-ung eines DAX-Konzerns anzukündigen? Auf welcher
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Dr. Volker WissingRechtsgrundlage wurde das angekündigt? Was hatte die-ser Mann eigentlich von Anfang an vor, meine Damenund Herren? Das muss man doch mal fragen.
Die FDP war es, die damals heftig kritisiert hat, dasssich der Bundesfinanzminister in einer Situation, in derFingerspitzengefühl gefordert gewesen wäre, wie einElefant im Porzellanladen verhalten hat.
In einer Situation der leisen Töne hat Steinbrück laut ge-dröhnt. Es wäre wirklich eine spannende Frage, zu unter-suchen, inwieweit die dilettantische Kommunikation desBundesfinanzministers die Krise bei der HRE noch be-fördert hat.
Auf jeden Fall ist bis heute noch nicht geklärt, obSteinbrücks Forderung nach einer geordneten Abwick-lung einfach Nonsens eines Finanzministers war oder obes ein Steinbrück’scher Versprecher war und dem Minis-ter genau das herausgerutscht ist, was er eigentlich vonAnfang an vorhatte, nämlich die Hypo Real Estate zuzerschlagen, was Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen,jetzt mit der Enteignung weiter vorantreiben.
Das Krisenmanagement des Finanzministers warbisher bestenfalls unprofessionell, schlimmstenfalls un-verantwortlich. Herr Michelbach, Sie reden davon, manmüsse jetzt besonders verantwortungsbewusst handeln.Ich sage Ihnen: Schauen Sie sich doch einmal das bishe-rige Vorgehen des Bundesfinanzministers an!
Die Merkwürdigkeiten – oder soll ich vielleicht sa-gen: die Unwahrheiten? – gingen weiter. In der Frage-stunde des Deutschen Bundestages erklärte die Parla-mentarische Staatssekretärin Nicolette Kressl auf eineFrage des Kollegen Thiele, dass die deutsche Finanzauf-sicht in Irland nicht geprüft habe und gar nicht prüfenkönne. Zeitgleich erklärte der Präsident der Bundesan-stalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Jochen Sanio, vordem Finanzausschuss, dass man selbstverständlich in Ir-land geprüft habe. Der Präsident der Bundesbank, AxelWeber, versicherte den Abgeordneten des DeutschenBundestages, man habe ein sehr klares Bild über dieSituation der DEPFA, der Tochter der HRE, in Irland ge-habt. – Fest steht, dass die Abgeordneten des DeutschenBundestages, und zwar nicht nur die der FDP, sondernauch die der CDU/CSU, der SPD, der Grünen und derLinken mit der Unwahrheit konfrontiert worden sind.
Das ist eine Tatsache. Darüber müssen wir heute Klar-text reden. Es sind schon Leute wegen anderer Dinge inDeutschland von öffentlichen Ämtern zurückgetreten.SIhsdgsrHmgcFkrndttfsEzPzrmetdiswaeWwdrbhFsz
eute wissen wir, dass dies vielleicht rechtlich nichtöglich gewesen war, aber die Prüfung praktisch statt-efunden hat. Die Nase von „Peernocchio“ müsste in Sa-hen HRE mittlerweile Meterlänge überschritten haben.Bis heute hat sich die Bundesregierung zu dieserehlinformation des Deutschen Bundestages nicht er-lärt. Statt sich hier hinzustellen und alle lauthals da-über zu belehren, was man nicht könne und deshalbicht stattgefunden habe, hätte man sich dafür entschul-igen sollen, dass man die Abgeordneten in einer Situa-ion, in der sie eine schwere Entscheidung treffen muss-en – es ging schließlich um zig Milliarden Euro –, mitalschen Informationen versorgt hat. Das wäre eine Ent-chuldigung wert.
s mag typisch für den Bundesfinanzminister sein, allesu tun, aber keine eigenen Fehler einzugestehen.
Als wäre die Geschichte nicht schon grotesk genug:eer Steinbrück schafft es immer noch, einen draufzuset-en. Auf die Frage der FDP, wie man denn mit den Be-ichten der Finanzaufsicht umgegangen sei – sie stam-en immerhin schon aus der Mitte des Jahres 2008 –,rklärte das Ministerium, der Bericht sei auf Referatslei-erebene zur Kenntnis genommen und abgeheftet wor-en. Dies finde man richtig, und so werde man das auchn Zukunft tun. – Es gibt Berichte, in denen vor giganti-chen Risiken für den Finanzstandort Deutschland ge-arnt wird, und das Bundesfinanzministerium heftet sieuf Referatsleiterebene ab, anstatt auf Hausleitungs-bene zu handeln.
er die Finanzaufsicht in Deutschland wirklich stärkenill, muss an der größten Schwachstelle ansetzen: Sie istas Bundesfinanzministerium. Ein Minister, der alarmie-ende Berichte der Finanzaufsicht zur Sache einer Ar-eitsebene degradiert, hat sich nicht verantwortlich ver-alten.
Was bringt es denn, wenn man in einem Haus zigeuermelder installiert, aber die Signale, wenn sie Alarmchlagen, einfach ignoriert, um dann verwundert fest-ustellen, dass die Hütte abgebrannt ist, woraufhin die
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Dr. Volker WissingFehler natürlich nur bei anderen gesucht werden? Diedeutsche Finanzaufsicht hat eine entscheidende Schwach-stelle. Diese wollen wir behoben sehen. Ihr Name istBundesministerium der Finanzen. Hier müssen endlichdie notwendigen Konsequenzen gezogen werden.
Wenn man wissen will, was in diesen Berichten steht,dann heißt es: Die erklären wir zur Verschlusssache. –Warum eigentlich? Entweder sie enthalten keine brisan-ten Hinweise – dann kann man sie offenlegen –,
oder sie enthalten schwerwiegende Hinweise auf Gefah-ren, und dann ist das keine Angelegenheit für die Refe-ratsleiterebene.
Es ist doch offensichtlich, dass die Bundesregierung al-les unternimmt, um sich selbst zu schützen. Wahrschein-lich ist es tatsächlich so: Während bei der deutschenFinanzaufsicht bereits alle Alarmglocken geschellt ha-ben, verharrte das zuständige Ministerium im Dornrös-chenschlaf. Jede Finanzaufsicht kann nur so gut sein wiedie sie kontrollierende Behörde. In Deutschland hat dieFinanzaufsicht gewarnt. Das Ministerium hat die Be-richte entweder nicht gelesen, deren Brisanz nicht er-kannt oder sich bewusst für das Nichtstun entschieden.Wir würden das gerne wissen, weil das ganz entschei-dende Fragen im Zusammenhang mit der HRE sind. DieRisiken für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler stei-gen, und die Mitglieder der Regierung schweigen. Dasist nicht in Ordnung.
Wenn Herr Steinbrück jetzt die Backen aufbläst undvom Versagen der Banken, der Märkte und was weiß ichvon wem noch alles schwadroniert, dann sollte er end-lich auch seine eigene Verantwortung wahrnehmen. EineErfolgsbilanz, ein professionelles Krisenmanagementsieht anders aus als das, was dieser Finanzminister in Sa-chen HRE geboten hat.
Als später herauskam, dass die Ankündigung der geord-neten Abwicklung der Hypo Real Estate zeitgleich mitdem Ablauf der Verjährungsfrist nach dem Umwand-lungsgesetz erfolgte, sagte der zuständige Finanzminis-ter vor diesem Hohen Hause auf meine Frage, derartkomplexe Fragen könne er nicht beantworten. GeraumeZeit später ist ihm dann eingefallen, dass das eine reinzufällige zeitliche Übereinstimmung war. Was, bitteschön, ist an einer solchen Antwort so komplex? Es er-höht doch nicht die Glaubwürdigkeit der Bundesregie-rung, wenn man wochenlang überlegen muss, um miteiner so lapidaren Ausrede den Deutschen Bundestag ab-zuspeisen.
Der Bundesfinanzminister hat in Sachen HRE unzäh-lige Fragen aufgeworfen und unzählige Fragen unbeant-wortet gelassen.DfdcAmdiBMslWdgcEzdcssfjapnwGüduäAsfDddU
ie FDP hat ihm mit einer umfangreichen Kleinen An-rage jetzt die Möglichkeit gegeben, endlich Klarheit inie Vorgänge zu bringen. 100 Milliarden Euro öffentli-he Gelder sollten eigentlich Grund genug sein, um dennspruch der Öffentlichkeit auf eine umfassende Infor-ation zu begründen. Es ist übrigens bezeichnend, dassie Bundesregierung, obwohl doch angeblich alles klarst und alles mehrfach diskutiert worden ist, die Frist zureantwortung der Kleinen Anfrage um einen ganzenonat hinausgeschoben hat. Warum brauchen Sie denno viel Zeit, um all das aufzuschreiben, was Sie angeb-ich schon immer der Öffentlichkeit gesagt haben?
ir werden auf Ihre Antworten warten, und wir werdeniese genauestens prüfen.Die Fehlinformationen, die der Bundesfinanzministeranz persönlich zu verantworten hat, stellen ihn in Sa-hen HRE unter Generalverdacht.
r hat alles getan, um Misstrauen gegen diesen Ministeru begründen. Wir werden das prüfen, auch wenn wiren Antrag der Linken auf Einsetzung eines Untersu-hungsausschusses jetzt nicht unterstützen. Das kannich ändern. Das ist auch alles andere als ein Blanko-check oder gar ein Vertrauensbeweis für den Bundes-inanzminister. Es ist für uns aber auch eine Stilfrage,etzt zunächst einmal die Antwort der Bundesregierunguf unsere Anfrage abzuwarten. Es gehört zum üblichenarlamentarischen Vorgehen, dass man die geschäftsord-ungsmäßigen Möglichkeiten ausschöpft, um dann übereitreichendere Möglichkeiten nachzudenken.Wenn wir schon bei der Stilfrage sind, Herr Kollegeysi: Es ist kein besonders guter politischer Stil, erstberhaupt nichts zur Aufklärung beizutragen, dann beier FDP alles abzuschreiben
nd sich dann hier hinzustellen und die Vermutung zuußern, die FDP könne, obwohl sie die Speerspitze derufklärung in Sachen HRE ist, aus irgendwelchen ab-trusen Motiven heraus die Aufklärung bremsen. Das ist,inde ich, wirklich eine Stilfrage.
ass Sie bei uns abschreiben, ist das eine; das andere ist,ann auch dazu zu stehen. Sie sind nicht die Speerspitzeer Aufklärung in Sachen HRE, wahrhaftig nicht.
Ich hätte mich in der zurückliegenden Zeit über mehrnterstützung gefreut.
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Dr. Volker WissingEs war die FDP, die sich in Sachen HRE um Aufklärungbemüht hat. Das Verhalten der Bundesregierung magnoch so destruktiv sein, insbesondere das von HerrnSteinbrück, der durch seine elegante Art jedes Vertrauenverspielt, aber wir verstehen, dass man nicht alles jeder-zeit der Öffentlichkeit bekanntgeben kann. Wenn manaber die Opposition hinter die Fichte führt und die Öf-fentlichkeit mit Falschinformationen täuscht, dann hatman doch das Vertrauen nicht mehr, das man in einersolchen Krise braucht.
Das ist doch ein schwerer Fehler dieses Ministers.
Herr Kollege Wissing!
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.
Gerichtet an die Bundesregierung, kann ich nur sa-
gen: Nutzen Sie die Chance, die wir Ihnen jetzt bieten!
Bringen Sie Licht in diese Affäre! Hören Sie auf mit der
Geheimniskrämerei! Ziehen Sie die notwendigen Konse-
quenzen! Nach all dem, was vorgefallen ist, nach allen
Fehlinformationen, sind Sie der Öffentlichkeit Aufklä-
rung und vor allen Dingen die Wahrheit schuldig.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Reinhard Schultz,
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Oskar Lafontaine hat in der Debatte zuvor, in der es um
die Novelle zum Finanzmarktstabilisierungsgesetz ging,
die Katze aus dem Sack gelassen, als er gesagt hat: Wir
brauchen einen Untersuchungsausschuss, damit die Öf-
fentlichkeit erfährt, was da passiert ist.
Ein Untersuchungsausschuss ist fast das Geheimste,
was es geben kann – abgesehen von seinem Schlussbe-
richt. Die Mitglieder eines Untersuchungsausschusses
unterliegen der strikten Vertraulichkeit und Geheim-
haltung.
Die Dinge, die dort debattiert werden, können nur nach
Beschlussfassung des Untersuchungsausschusses veröf-
fentlicht werden.
Das gilt insbesondere dann, wenn es um interne Daten
geht. Wenn also unternehmensbezogene Daten behandelt
werden, ist davon auszugehen, dass ein solcher Unter-
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ch glaube gerne, dass Sie vorhaben, den Untersu-
hungsausschuss zu einem Instrument der Öffentlich-
eitsarbeit zu machen; dann stünde man allerdings selber
it einem Bein vor dem Staatsanwalt. Ich glaube, das ist
hre Absicht. Dies werden wir jedoch nicht unterstützen.
Sie von der Linkspartei bedauern, dass es ein beherz-
es Krisenmanagement gibt, das das Ansehen der Bun-
esregierung in der Öffentlichkeit insgesamt deutlich
estärkt hat. Trotz dieser Krise steigen Ihre Zustim-
ungsraten erstaunlicherweise nicht; sie sinken. Nun
ollen Sie Terrain wiedergutmachen, indem Sie hier
ine populistische Arie vortragen. Sie tun so, als würden
lle, wie Herr Wissing gesagt hat, „hinter die Fichte ge-
ührt“. Das Gegenteil ist der Fall.
Wir halten einen Untersuchungsausschuss überhaupt
icht für notwendig, weil in der Vergangenheit konti-
uierlich und umfassend informiert worden ist.
enn bestimmte Informationen noch fehlen – Herr
issing hat darauf hingewiesen –, dann bestehen selbst-
erständlich parlamentarische Möglichkeiten, an diese
nformationen zu kommen. Dass Herr Wissing und die
DP das eine oder andere noch wissen wollen, das ver-
tehe ich; manche Sachen will auch ich noch wissen.
eder hat selbstverständlich das Recht und die Möglich-
eit, sich die notwendigen Informationen zu beschaffen,
twa durch Fragen, durch die Einsicht in Akten in der
eheimschutzstelle und anderes.
Herr Kollege Schultz, gestatten Sie eine Zwischen-
rage des Kollegen Ströbele?
Ja, klar. Wir sind alte Freunde.
Herr Kollege, ich lade Sie ein zur nächsten Sitzunges Untersuchungsausschusses am 27. März, wenn ichich richtig erinnere. Sie werden hoffentlich feststellen,ass nicht nur die Zuschauerbänke, sondern auch dieressebänke besetzt sind. Sind Sie bereit, zur Kenntnisu nehmen, dass Untersuchungsausschüsse grundsätz-ich öffentlich tagen, das heißt, dass das, was da verhan-elt wird, grundsätzlich – es gibt Ausnahmen – in dereitung stehen kann und soll, ohne dass irgendwelche –omöglich strafbare – Indiskretionen begangen werden?
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Grundsätzlich stimme ich Ihnen selbstverständlich zu.
Aber: Wenn Daten und Informationen wie diejenigen,
die derzeit in der Geheimschutzstelle für Berechtigte zur
Einsicht offenliegen, behandelt werden, dann werden
diese Sitzungen ebenfalls vertraulich sein.
Herr Ströbele, dass Sie selber ein Weltmeister in der
Gratwanderung zwischen Geheimhaltung und Öffent-
lichkeit sind, das gestehe ich Ihnen unter sportlichen Ge-
sichtspunkten zu. Der Regelfall ist aber, dass Vertrauli-
ches vertraulich zu bleiben hat.
Herr Schultz, gestatten Sie eine weitere Zwischen-
frage, und zwar des Kollegen Gysi?
Gysi?
Ja, gerne.
– Nein.
Herr Kollege Schultz, wie kommen Sie darauf, dass
die Frage der Information durch das Bundesfinanzminis-
terium, zum Beispiel über die Mithaftung der bayeri-
schen HypoVereinsbank und den Ablauf der Frist, irgen-
detwas mit Geheimnissen der HRE zu tun hat? Das
berührt sie überhaupt nicht. Warum kann das nicht öf-
fentlich geklärt werden? Ich verstehe Ihre Auffassung,
dadurch werde irgendetwas Geheimes veröffentlicht,
wirklich nicht. Es ist doch gerade das Anliegen, dass die
Öffentlichkeit weiß, ob es solche Informationen gab und
wie mit denen umgegangen wurde.
Herr Gysi, Sie haben völlig recht: Es gibt Informatio-nen, die öffentlich erörtert werden können. Dafür habenwir auch die Instrumente. Wir haben Ausschusssitzun-gen. Wir haben die Parlamentsdebatten. Wir haben dasFragerecht, von dem die FDP in intensiver Weise Ge-brauch macht. Es werden dann Antworten gegeben. Esgibt keinen Grund, in der Situation, wie wir sie jetzt ha-ben, in Form eines Untersuchungsausschusses sozusa-gen ein Instrument des Misstrauens einzusetzen, dassuggeriert, Bundesregierung und Parlament wären wech-selseitig gesprächsunfähig und wichtige Informationenwürden dem Parlament bewusst vorenthalten. Das istnicht der Fall.Wir haben als Finanzausschuss zahllose Berichte zudem Vorgang „Hypo Real Estate“ bekommen, einen Be-richt am 7. November 2008, Aufzeichnungen vom10. November 2008, Aufzeichnungen im Haushaltsaus-schuss am 22. Januar 2009. Wir haben den gemeinsamenBu2HBAotvldAdW22eE2aH1easa2zclddssddhdDsgbwüVdfnZfrhqdDq
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als der Präsident der BaFin in einer gemeinsamen Anhö-rung bekanntgegeben hat: Selbstverständlich haben wiraufgrund einer freiwilligen Vereinbarung außerhalb desRechtsweges eine Möglichkeit gefunden, die DEPFA zuprüfen.Der Finanzminister, Nicolette Kressl, ich und alle an-deren sind anders informiert worden. Das ist in hohemMaße ärgerlich. Das ist aber innerhalb eines kurzen Zeit-fensters korrigiert worden. Das war weder eine bewussteIrreführung von uns noch von Ihnen. Ansonsten müssteich jetzt auch einen Untersuchungsausschuss für erfor-derlich halten. Das ist aber Quatsch.In einer solchen eskalierenden Situation, in der allerund um die Uhr arbeiten, gibt es schon einmal Informa-tionslücken zwischen den Behördensträngen und auchzwischen dem Ministerium und nachgeordneten Behör-den. Daraus muss man lernen; denn das sollte nicht pas-sieren. Das ist aber doch kein Hinweis darauf, dass dasParlament grundsätzlich und bewusst – um Ihren Aus-druck zu benutzen – hinter die Fichte geführt wird.Die generelle Lage, die Lage der Banken und die da-raus folgende Krise für die gesamte Wirtschaft, ist vielzu ernst, als dass wir uns jetzt den Luxus erlauben könn-ten, solchen kleinen populistischen Spielereien wie ei-nem Untersuchungsausschuss näherzutreten.Vielmehr sind wir alle – Regierungskoalition und Op-positionsfraktionen – aufgerufen, nach Wegen zu su-chen, wie wir diesem Land helfen können, wie wir denInterbankenmarkt unterstützen können, dass Kreditewieder billiger werden und die Wirtschaft wieder auf dieBeine kommt. Wir sollten nicht im Vorfeld von Wahl-kämpfen ein Geklüngel machen, wie dies auf Antrag vonHerrn Gysi geschieht, der offensichtlich bislang nieman-dhlusbtwcSnlWtmwnEkrlwadggtnwiFlmsÜnvmmvi
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Aber Kontrollen haben stattgefunden.
Es geht heute nicht darum, wie wir unser parlamenta-
risches Informationsrecht einfordern und ob wir kolle-
gial versuchen – da schließe ich selbstverständlich auch
die Parlamentarier der Koalition ein –, alle wichtigen In-
formationen aus der Regierung herauszukitzeln, sondern
es geht darum, ob wir einer populistischen Kleinfraktion
auf den Leim gehen und einen Untersuchungsausschuss
einrichten wollen, der ausschließlich ihrem Wahlkampf
dient und damit eher zur Verwirrung als zur Stabilisie-
rung des Finanzmarktes beiträgt.
Vielen Dank.
Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort dem
Kollegen Troost.
Nachdem es hier jetzt mehrfach angesprochen wor-
den ist, möchte ich, da einige das vielleicht nicht wissen,
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Herr Kollege Schultz.
Lieber Herr Kollege Troost, drei Bemerkungen zu Ih-er Intervention.Erstens. Die Frage nach Ablauf der Verjährungsfristst einer von zahlreichen Punkten in der Begründung Ih-es Antrags auf Einsetzung eines Untersuchungsaus-chusses.
ch bin überzeugt davon, dass darüber in einer der nächs-en Sitzungen des Finanzausschusses ordentlich disku-iert werden kann. Aus meiner subjektiven Erinnerungeraus war das bislang kein wesentlicher Diskussions-unkt in der Debatte um die HRE gewesen. Wenn Sieas nachholen wollen, machen wir da selbstverständlichit.Zweitens. Selbstverständlich liegen in der Geheim-chutzstelle die Dinge, die die Bundesregierung für rele-ant zur Information über bestimmte Fragen, die sieffentlich nicht beantworten kann, hält. Wenn ein Unter-uchungsausschuss eingesetzt würde, würde man ja auchicht mit dem Rollkommando irgendeiner Staatsanwalt-chaft das Bundesfinanzministerium oder die BaFin auf-uchen, sämtliche Akten mitnehmen und diese dannurchwühlen. Vielmehr müsste man auch im Rahmen ei-es Untersuchungsausschusses über Fragen Auskünfteon der Bundesregierung einfordern
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Reinhard Schultz
und würde dann als Antwort von der Bundesregierungdas geliefert bekommen, was sie nach bestem Wissenund Gewissen für informationsrelevant hält. Insofernmacht das keinen Unterschied.Drittens. Wenn Sie mehr wissen bzw. mehr Doku-mente einsehen wollen als die, die in der Geheimschutz-stelle vorliegen, müssen Sie danach fragen. Wir werdenuns dem nicht versperren und gerne dazu beitragen, dassdie Datenbank, die bisher schon über IKB und HRE an-gelegt wurde – das ist ja schon ein ziemlicher Oschi –,weiter angereichert wird.Dem Informationsbegehren des Parlaments stehtnichts entgegen. Dafür bedarf es keines Untersuchungs-ausschusses.
Nächster Redner ist der Kollege Gerhard Schick,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Es wäre sinnvoll, wenn die FDP auf dem Boden bleibenwürde. Denn die große Speerspitze der Aufklärung hatsich im letzten Spätsommer leider in die Büsche geschla-gen, als es um einen Untersuchungsausschuss ging. Da-her glaube ich, dass Sie an dieser Stelle etwas modesterauftreten könnten.
Für meine Fraktion kann ich sagen: Wenn man wirk-lich einen gemeinsamen Untersuchungsauftrag formulie-ren will, dann muss man es etwas anders machen, als ei-nen Antrag wie den heute zu beratenden vorzulegen.
Es ist besser, man setzt sich einmal zusammen undschaut sich die entscheidenden Punkte an, die untersuchtwerden sollen. So etwas läuft in der Regel nicht überHandzeichen im Parlament, sondern die einzelnen Abge-ordneten müssen die Forderung nach Einrichtung einesUntersuchungsausschuss unterzeichnen, bis das notwen-dige Quorum erreicht ist. So wäre es richtig. Wir sindaber nicht pingelig; uns geht es um die Sache. Deswegenschauen wir uns die einzelnen Punkte genau an.Bei der Hypo Real Estate geht es um das sechstgrößteFinanzinstitut der Bundesrepublik Deutschland. Da esein im DAX notiertes Unternehmen ist, ist es in beson-derer Weise kapitalmarktrelevant. Diese Fakten mussman im Hinterkopf haben, wenn man die Entwicklung,die zu dieser Situation geführt hat, bewerten will.Der Bericht des Finanzministeriums besagt, dass ausfrüheren Zeiten wegen der Fristentransformation bei derDEPFA, der irischen Tochter der Hypo Real Estate, einehöhere Anfälligkeit für exogene Veränderungen vorhan-den war. Das war bekannt. Es gab noch weitere Punktemit Blick auf die HypoVereinsbank – Herr Troost hat siegerade angesprochen –, die bekannt waren.vgdnsludddBgsdfmrwgssedvmsBDbmnhamEdksvSgwgnf
Man kann also sagen: Noch bevor es Ende Septemberei der Hypo Real Estate richtig zum Krachen kam, hatan alle möglichen Warnzeichen ignoriert und sichicht auf die Krise vorbereitet. Peer Kopf-in-den-Sandat auch in dieser Frage alle möglichen Risiken negiert,nstatt Gegenmaßnahmen vorzubereiten. Dieses Krisen-anagement ist alles andere als professionell gewesen.s ist ein Holpern und Stolpern, gepaart mit der Hybrises Finanzministers. Das muss man deutlich zu Proto-oll geben.
Deswegen müssen wir jetzt dafür sorgen, dass es bes-er wird. Die Krise – da zitiere ich den Finanzministeron heute Morgen – wird weitergehen, und weiterechockwellen sind abzusehen.Damit nicht noch einmal wichtige Informationen lie-en bleiben und es mit dem Holpern und Stolpern nichteitergeht, müssen wir dafür sorgen – das ist die Auf-abe dieses Parlaments –, dass aus der Wilhelmstraßeicht nur große Töne kommen, sondern ein wirklich pro-essionelles Krisenmanagement. Man muss sich recht-
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Dr. Gerhard Schickzeitig vorbereiten, um im Ernstfall gut handeln zu kön-nen. Wir brauchen jetzt eine Aufklärung, damit nichtweitere Steuermilliarden verloren gehen.
In diesem Zusammenhang ist die Frage wichtig, wases mit dem 28. September auf sich hat. Das ist nichts,was wir aus den Daten bezüglich der DEPFA herauslesenkönnen, sondern es geht darum, was das Bundes-finanzministerium gewusst und gemacht hat. Man musssich folgendes Bild vor Augen führen: Für das Manage-ment ist das Bundesfinanzministerium zuständig, und dieKontrolle dieses Managements ist Aufgabe dieses Parla-ments. Wir würden jeden Aufsichtsrat eines Privatunter-nehmens von diesem Parlament aus massiv beschimpfen,wenn er bei Verdacht einer solchen Pflichtwidrigkeitkeine unabhängige Sonderprüfung in Auftrag gebenwürde. Deswegen brauchen wir in diesem Fall eine best-mögliche Aufklärung; denn wir haben als Sachwalter derBürgerinnen und Bürger genau diese Aufgabe wahrzu-nehmen.
In diesem Zusammenhang spricht der KollegeSchultz für die SPD-Fraktion von Luxus. Das empörtmich, Herr Schultz. Das ist nicht Luxus, sondern dieKernaufgabe parlamentarischer Arbeit, und die müssenauch Sie als Regierungsfraktion leisten.
Deswegen, glaube ich, ist es richtig, dass wir dieseFragen jetzt gemeinsam im Ausschuss angehen. Überdie Fragenliste wollen wir jetzt keine Urheberrechtsdis-kussion führen; ich glaube, das ist nicht der richtige Mo-ment dafür. Ich erwarte, dass wir in der nächsten Fi-nanzausschusssitzung – das sage ich hier für meineFraktion – nicht mit einem engen Zeitraster arbeiten,sondern mit offenem Ende tagen – bis die Fragen beant-wortet sind – und die Sache klären. Wir lassen uns nichtlänger mit immer neuen Terminen vertrösten. In dernächsten Finanzausschusssitzung muss diskutiert wer-den, bis die Fragen geklärt sind. Das erwarten wir.
Wenn die Bundesregierung weiterhin auf das verweist– mein Kollege Christian Ströbele hat das schon gesagt –,was sie alles nicht sagen kann, und weiterhin mauert,dann kann es den Untersuchungsausschuss geben. Wirmüssen ihn möglicherweise einrichten. Der Ball ist beider Bundesregierung. Sie entscheiden, ob Sie die Infor-mationen auf den Tisch legen, damit wir nicht dennächsten Schritt machen müssen.Für Bündnis 90/Die Grünen sage ich ganz klar: Wirsind bereit zur bestmöglichen Aufklärung. Der Ball istbei der Bundesregierung. Liefern Sie die Informationen.Die Bürgerinnen und Bürger haben bei einem Fall, beidem es für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler umein Risiko von grob 100 Milliarden Euro geht, einen An-shlCHdwRmsPdtmkEUsh–BsVumUnufd–ikmkhR
Nächster Redner ist der Kollege Otto Bernhardt,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Der Verlauf der bisherigen Diskussion zeigt,ass zumindest die drei Oppositionsparteien zur Ent-icklung bei der Hypo Real Estate noch eine ganzeeihe offener Fragen haben. Im Interesse der Zusam-enarbeit ist es zwingend erforderlich, dass die hier ge-tellten Fragen – das gilt insbesondere für den kritischenunkt „fünf Jahre und ein Tag danach“ – aufgeklärt wer-en.
Zu fragen ist, ob das sinnvollerweise durch einen Un-ersuchungsausschuss zu geschehen hat. Darüber kannan sicher unterschiedlicher Meinung sein. In der Tatommt, wer sich die Entwicklung bei der Hypo Realstate anschaut, zu dem Ergebnis, dass es dort manchengereimtheit gibt.
Man stellt sich natürlich die Frage, wie ein solches In-titut – sechstgrößte Bank in Deutschland – über Jahreinweg eine Finanzierung betreiben kann, obwohl jedem ich sage das einmal so lax –, der im ersten Jahr eineranklehre oder im ersten Semester eines betriebswirt-chaftlichen Studiums ist, klar ist, dass es eine gewisseerbindung zwischen den Krediten auf der einen Seitend der Refinanzierung auf der anderen Seite gebenuss.Das Vorgehen, dass dieses Institut in erheblichemmfang auf der einen Seite Kredite mit festen Konditio-en und fester Laufzeit für zehn Jahre herausgegeben hatnd auf der anderen Seite einen erheblichen Teil kurz-ristig finanziert hat, funktionierte eine Zeit lang, aber je-em war klar oder musste klar sein
die Frage ist, warum niemand es gemerkt hat –, dass esrgendwann einmal sein kann, dass die Refinanzierungurzfristig teurer ist als die langfristige Ausleihe. Dann istan mit diesem Geschäftsmodell am Ende, um es ganzlar zu sagen. Eine Zeit lang funktionierte das prima; ichabe mir die Zahlen einmal angesehen. Sie haben in deregel 4 Prozent Zinsen auf der einen Seite bekommen
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Otto Bernhardtund für 3 Prozent auf der anderen Seite eingekauft.1 Prozentpunkt bei einer Bilanzsumme von 400 Milliar-den Euro macht einen Rohertrag von 4 Milliarden.3 Milliarden Euro brauchte man für den Aufwand,1 Milliarde Euro war Gewinn.Jetzt sind wir in der Situation, dass sie ohne unsereHilfe gar kein Geld bekommen würde. Aber selbst mitunseren Bürgschaften – das ist einer der Gründe, warumwir da leider stärker eingreifen müssen – muss sie deut-lich mehr für die Refinanzierung zahlen, als sie auf deranderen Seite bekommt. Das heißt, sie hat zurzeit täglichoperative Verluste. Das ist – ganz simpel dargestellt –die Situation.Vor diesem Hintergrund, glaube ich, ist es notwendig,dass wir uns trotz des völlig überfüllten Kalenders in un-seren Sitzungen des Finanzausschusses – ich habemanchmal den Eindruck, die Arbeit bestehe zurzeit fastnur aus Finanzpolitik – die Zeit für dieses Thema neh-men. Denn die Debatte hat mir gezeigt, dass es hier imRaum Misstrauen gibt.
Nicht gut fand ich Ihren Hinweis, Herr Kollege Gysi,dass vielleicht einige nicht bereit sind, aufzuklären, weilirgendwo Spenden gezahlt werden. Ich finde, das passtnicht in diese ernste Debatte, Herr Kollege. Meine Be-reitschaft, aufzuklären, hat damit nichts zu tun. Ich weißgar nicht, was da geflossen ist; es wird immer irgendwieveröffentlicht. Ich glaube, diese Verbindung sollte mannicht herstellen.Mir geht es um etwas ganz anderes. Wenn diese Fra-gen nicht aufgeklärt werden – das ist nur über die Öf-fentlichkeit möglich,
so nett es in internen Gremien auch ist –, dann steht imRaum Zweifel, und aus Zweifel wird Misstrauen. Des-halb kann ich nur sagen – ich hoffe, es wird so kommen –,dass sich insbesondere der in dieser Debatte heftig ange-griffene Finanzminister möglichst selber dieser Diskus-sion im Ausschuss stellen sollte. Ich glaube, das ist fürihn und für uns wichtig.
Herr Kollege Bernhardt, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Koppelin?
Aus Schleswig-Holstein immer besonders gern.
Herr Kollege Bernhardt, herzlichen Dank. – Ich finde
es erfreulich, dass Sie anerkennen, dass die Fragen, die
aus den Oppositionsfraktionen kommen, berechtigt sind
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ndlich zügig beantwortet werden, und zwar so, dass die
ntworten Aufschluss bringen oder dass wir damit ar-
eiten können? Das war ja eines der großen Probleme
isher.
Ich darf zweitens fragen: Wie beurteilen Sie eigent-
ich, dass das Finanzministerium bei so einer ernsten
iskussion – Ihr Beitrag geht in die gleiche Richtung –
neift? Wäre es nicht besser, wenn das Finanzministe-
ium hier heute einen Redner stellen würde, der im Na-
en des Finanzministeriums erklärt, dass es bereit ist,
lle offenen Fragen zügig zu beantworten? Dann hätte
ich die Frage der möglichen Einsetzung eines Untersu-
hungsausschusses vielleicht erledigt.
Zunächst meine Antwort auf Ihre zweite Frage: Dasinanzministerium ist hier durch einen Parlamentari-chen Staatssekretär hochkarätig vertreten.
ennoch hätte es nicht geschadet, wenn das angegriffeneinanzministerium in dieser Debatte gesprochen hätte.Um auf Ihre erste Frage zu kommen: Ich werde deminanzminister dringend empfehlen, sich Ihren Fragen-atalog, den Fragenkatalog der FDP, der meines Erach-ens den überwiegenden Teil der offenen Fragen richtigrfasst, anzusehen. Ich kann dem Ministerium nur emp-ehlen, diese Fragen im Detail zu beantworten und er-änzend eine weitere Beratung im Finanzausschuss zuiesem Thema anzusetzen, bei der der Finanzministeröglichst anwesend ist.Eines ist für mich klar: Die Einsetzung eines Untersu-hungsausschusses zu beantragen, ist das gute Recht derpposition. Wenn die Fragen der drei Oppositionsfrak-ionen nicht hinreichend beantwortet werden – übrigensaben auch die Abgeordneten der Koalitionsfraktionenragen –, werden sie die Einsetzung eines Untersu-hungsausschusses beantragen. Das ist ihr gutes Recht.
Ich sage Ihnen aber: Ich bin mir nicht sicher, ob daser beste Weg ist, die Geschehnisse aufzuklären. Kol-ege Gysi hat zwar gesagt, seine Fragen seien so leichtu beantworten, dass die Aufklärung in wenigen Wochenbgeschlossen sei. Nimmt man einen Kalender zurand, stellt man aber fest: Wenn wir die Beratungenicht bis zum 3. Juli dieses Jahres beendet haben, ist das
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Otto BernhardtThema erledigt; wer weiß, welche Bereiche noch bis zurSommerpause geklärt werden müssen.Wenn die drei Oppositionsfraktionen zu dem Ergeb-nis kommen, dass die Einsetzung eines Untersuchungs-ausschusses notwendig ist, wird das selbstverständlichgetan. Dann werden wir konstruktiv mitarbeiten. Ichglaube aber, dass das Ministerium in der Lage sein wird,die von Ihnen gestellten Fragen zu beantworten. DieseChance sollte es nutzen.Jetzt wissen wir, welche Fragen die Linken haben. ImGrundsatz kennen wir auch die Fragen der Grünen.
Dem Ministerium ist also bekannt, wo noch Informa-tionsbedarf besteht. Deshalb bleibe ich dabei: Das Mi-nisterium sollte die offenen Fragen kurzfristig umfassendbeantworten. Ich bin sicher, dass im Finanzausschussschon relativ bald eine weitere Beratung stattfindenwird. Dann muss die Entscheidung fallen.Ich sage an dieser Stelle sehr deutlich: Die Vorfälle,die sich bei der HRE ereignet haben, sind von ganz be-sonderer Qualität. Sie müssen umfassend aufgeklärtwerden. Allerdings habe ich Zweifel, dass der Weg, ei-nen Untersuchungsausschuss einzusetzen, richtig ist. Ichhoffe, dass das Ministerium seine Chance nutzt und da-für sorgt, dass wir umfassend informiert und aufgeklärtwerden, ohne dass es der Einsetzung eines Untersu-chungsausschusses bedarf.Herzlichen Dank.
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
Carsten Schneider, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Man merkt: Der Wahlkampf wirft seine Schatten voraus.
Bereits heute Morgen um 9 Uhr haben wir eine Debattegeführt, in der es unter anderem darum ging, als letzteMöglichkeit das Instrument der Enteignung vorzusehen,um im Hinblick auf den Finanzmarkt die Interessen desStaates und des Allgemeinwohls zu wahren.
Obwohl wir über dieses Thema bereits heute Morgensehr ausgiebig diskutiert haben, gibt es jetzt noch75 Minuten obendrauf. Ehrlich gesagt habe ich aller-dings den Eindruck, dass alle Fragen in dieser Debattebereits beantwortet worden sind.adathkzpFdiaRtDl–WsÜssEdFshl–gvurdZK
Herr Kollege Gysi, vielleicht sehen Sie das deshalbnders, weil in der Debatte heute Morgen nicht Sie gere-et haben, sondern Ihr Kollege Lafontaine. Es scheint,ls hätten Sie vereinbart, dass jeder von Ihnen 15 Minu-en Redezeit hat. Das nehme ich gerne hin. Schließlichaben wir jetzt noch ein bisschen Zeit.
Bisher ging es darum, ob es zur Aufklärung der Vor-ommnisse im Umfeld der Hypo Real Estate der Einset-ung eines Untersuchungsausschusses bedarf. Im Mittel-unkt standen die von der Fraktion Die Linke gestelltenragen. Außerdem wurde gefragt, warum sich die Bun-esregierung heute nicht zu diesem Thema äußert. Dasst ganz einfach: Die Einsetzung eines Untersuchungs-usschusses ist ein Kernrecht des Parlaments. Derespekt der Bundesregierung vor dem Parlament gebie-et es, dass sich die Bundesregierung nicht einmischt.as Parlament muss sich mit dieser Frage befassen undetztendlich auch entscheiden; das ist doch klar.
Ich verstehe nicht, warum Sie jetzt lachen.
ollen Sie etwa im Ernst, dass die Bundesregierungagt, dass sie keinen Untersuchungsausschuss will?
ber diese Frage muss im Parlament und im Finanzaus-chuss diskutiert werden. Dort muss die Möglichkeit be-tehen, Fragen zu stellen. Dann muss das Parlament einentscheidung treffen.Im Übrigen tagt gerade das SoFFin-Kontrollgremium,as wir im Zuge der Gesetzgebung zur Stabilisierung derinanzmärkte eingesetzt haben. Ich hätte es, ehrlich ge-agt, nicht schlecht gefunden, wenn ich an dieser Sitzungätte teilnehmen können. Das ist aber leider nicht mög-ich.
Herr Thiele, ich glaube, dass das Thema, um das eseht, der Aufklärung bedarf. Daher ist es durchaus sinn-oll, dass sich auch die SPD-Fraktion zu Wort meldetnd mit denjenigen, die sich in diesem Bereich engagie-en, diskutiert.Ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dassie Tagesordnung des Finanzausschusses voll und dieeit, in der er tagen kann, begrenzt ist. Herr Kollegeoppelin, wie Sie wissen, tagt der Haushaltsausschuss
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Carsten Schneider
oft stundenlang. Mit den Vorkommnissen bei der HypoReal Estate haben wir uns sogar nächtelang herumge-schlagen.
Alle Fragen, die von den Abgeordneten der Opposi-tionsfraktionen, aber auch von den Abgeordneten derKoalitionsfraktionen gestellt worden sind, wurden imAusschuss beantwortet. Das gilt übrigens auch im Hin-blick auf die kleine Anekdote mit Herrn Sanio, auf dieHerr Kollege Schultz hingewiesen hat. Von daher wurdedem Wunsch nach Aufklärung sowohl im Haushaltsau-schuss als auch im Finanzausschuss bisher in vollemUmfang Genüge getan.Die Fragen, mit denen sich, wie Sie es fordern, einUntersuchungsausschuss befassen soll, sind weder imHaushaltsausschuss noch im Kontrollgremium – es tagtzwar geheim; aber diese Anmerkung darf ich machen –gestellt worden. Warum nutzen Sie nicht die vorhande-nen parlamentarischen Möglichkeiten und Rechte, Aus-kunft zu erlangen? Das erschließt sich mir nicht.
Sie können Ihre Fragen stellen, und die Fragen sollenauch beantwortet werden. Das ist Usus. Niemand hat einInteresse daran, etwas zu verschleiern.Aber Sie müssen auch die besondere Situation, in derwir gerade sind, sehen. Das ist natürlich ein Trial-and-Error-Prozess. Niemand hat voraussehen können, wiesich die internationalen Kapitalmärkte im letzten halbenJahr entwickelt haben. Dann aber den Mitarbeitern derAbteilung VII des Bundesfinanzministeriums, die Tagund Nacht die Finanzmarktaufsicht wahrnehmen, vorzu-werfen, sie würden nicht tätig, ist eine Dreistigkeit undUnverschämtheit.
– Frau Kollegin Höll, Sie scheinen sich nicht bewusst zusein, was diese Mitarbeiter in den vergangenen Monatengeleistet haben.Im Übrigen: Im Aufsichtsrat der Hypo Real Estate– das sage ich auch in Richtung der Kollegen von derFDP-Fraktion – saß weder ein Mitglied der Bundesregie-rung noch ein Mitglied des Parlaments. Da saßen IhreFreunde aus dem Unternehmens- und Bankenbereich– auch ein ehemaliger Bundesbankpräsident, nämlichHerr Tietmeyer, und zwar nicht nur bei der Hypo RealEstate, sondern früher auch bei der DEPFA – und wur-den sehr gut dafür bezahlt, die Aufsicht zu führen. Alldiesen Aufsehern ist bezüglich der Finanzierung nichtsaufgefallen. Aber dem Deutschen Bundestag und derBundesregierung habe etwas auffallen müssen, sie hättendas letztendlich früher erkennen müssen? Das ist dochhanebüchen.Meine Damen und Herren, ich halte viel von dem In-strument des Untersuchungsausschusses. Die Einsetzungeines Untersuchungsausschusses ist parlamentarischesRspwhtuUhcdftaBeDAnDAdrgsSGhtlAuI
ehen Sie das auch so, Herr Kollege Schneider?
Nein, das sehe ich nicht so, lieber Kollege Thiele. Imegenteil, alle Fragen, die in den Sitzungen des Haus-altsausschusses sowie in dem geheim tagenden Kon-rollgremium gestellt worden sind, sind von allen Betei-igten – vom Bundesfinanzminister, vom zuständigenbteilungsleiter sowie vom Staatssekretär – ausreichendnd umfassend beantwortet worden. Von daher teile ichhre Auffassung nicht.
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Carsten Schneider
– Ich will gerne auch noch eine Frage der Kollegin Höllbeantworten, wenn das zur Aufklärung beiträgt.
Frau Kollegin Höll, Sie können eine Zwischenfrage
stellen.
Herr Kollege Schneider, könnten Sie wenigstens zur
Kenntnis nehmen, dass nach Meinung mehrerer Abge-
ordneter, die Mitglied des Finanzausschusses sind, we-
der der Herr Finanzminister noch die Beamten des Fi-
nanzministeriums schlüssige Antworten auf unsere
Fragen im Finanzausschuss gegeben haben? Seit Sep-
tember stellen wir, über die Fraktionsgrenzen hinweg,
entsprechende Fragen. Das ist doch wohl ausreichend
dafür, zu behaupten, dass die Fragen nicht eindeutig be-
antwortet worden sind, und zu fordern, das Parlament
noch einmal mit diesen Fragen zu befassen. Stimmen Sie
mir zu, dass es sehr wichtig ist, diese Fragen jetzt zu klä-
ren? Es geht darum, für die Zukunft endgültig Klarheit
darüber zu haben, wie die Dinge strukturiert sein müs-
sen, damit so etwas nicht noch einmal passiert.
Verehrte Kollegin Höll, ich kann Ihnen keine Aus-
kunft darüber geben, was im Finanzausschuss bespro-
chen wurde, weil ich nicht an der entsprechenden Sitzung
teilgenommen habe. Ich kann Ihnen nur sagen: Bei den
Sitzungen des Haushaltausschusses, an denen ich teilge-
nommen und in denen ich – ebenso wie viele andere Kol-
legen, auch Kollegen aus Ihrer Fraktion – Fragen gestellt
habe, sind diese Fragen von den verantwortlichen Perso-
nen ausreichend und umfänglich beantwortet worden. Et-
was anderes kann ich leider nicht sagen. Sie tun dem
Ganzen unrecht, wenn Sie hier mit Vermutungen und Be-
hauptungen in die Debatte gehen und diese dann als
Wahrheit verkaufen. Das, was Sie sagen, ist einfach nicht
richtig.
Sicherlich bin auch ich der Meinung, dass es im Rah-
men der Finanzaufsicht noch Regelungs- und Ände-
rungsbedarf gibt. Das gewährleistet die Bundesregierung
allerdings mit ihrem im Zulauf befindlichen Gesetzent-
wurf. Ob wir ihn abschließend so beschließen, müssen
wir dann entscheiden. Nichtsdestotrotz ist eine Betrach-
tung der Risiken vom heutigen Standpunkt aus, also im
Nachhinein, etwas ganz anderes als eine Risikobetrach-
tung vor einem Jahr. Es bringt nichts, jetzt klug daherzu-
reden und zu sagen, Sie hätten das alles gewusst und ge-
sehen. Das gilt auch für Herrn Lafontaine, der natürlich
immer alles wusste; aber das ist ja bekannt.
Kollege Bernhardt hat auf die Fristenkonkurrenz und
die Kenntnisse hingewiesen, über die sogar jemand im
ersten Jahr einer Banklehre verfügt. Diese These teile
ich. Allerdings betrifft dies nicht nur die Hypo Real Es-
tate. Schauen Sie sich vielmehr die amerikanischen Ban-
ken an, die kapitalmarktabhängig und nur gering über
Einlagen finanziert sind: Es gibt in den USA praktisch
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ch bin gespannt, ob die FDP diesen Vorschlägen dann
atsächlich folgen wird.
Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufrucksache 16/12130 zur federführenden Beratung anen Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-chäftsordnung und zur Mitberatung an den Finanzaus-chuss vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? –as ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlos-en.Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 sowie Zusatzpunkt 9uf:21 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPDSicherheit, Stabilität und Demokratie im Süd-kaukasus fördern– Drucksache 16/12102 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
InnenausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschuss
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten RainderSteenblock, Marieluise Beck , VolkerBeck , weiterer Abgeordneter und derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENDemokratie und Sicherheit im Südkaukasusstärken– Drucksache 16/12110 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
InnenausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der KollegeMarkus Meckel, SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Wir widmen uns jetzt einer Region in unserereuropäischen Nachbarschaft, die im letzten Jahr dieganze Welt in Schrecken versetzt hat, und zwar als inGeorgien ein Krieg ausbrach – für manche Insider nichtganz unerwartet, aber insgesamt doch unerwartet –, derviele Fragen aufgeworfen hat und der uns bis heute nichtin Ruhe lässt, weil die Folgen in keiner Weise bearbeitetoder ausgestanden sind.Ich halte es für wichtig, die kurz vorher vom Bundes-außenminister in Bezug auf Abchasien gestartete Ver-söhnungsinitiative hervorzuheben, die nicht nur damalsunmittelbar durch die Konfliktparteien im Rahmen desKrieges und seiner Folgen beiseitegewischt wurde, son-dern auch speziell durch die spätere Anerkennung Ab-chasiens und Südossetiens durch Russland, welche wirin keiner Weise akzeptieren können.Ich finde es wichtig, dass wir heute über unseren An-trag diskutieren und dass sich Bündnis 90/Die Grünenmit einem eigenen Antrag der damit verbundenen Inten-tion angeschlossen haben. Denn wir dürfen diese Regionnicht aus dem Auge verlieren, indem wir gewissermaßeneinfach zum außenpolitischen Tagesgeschäft zurückkeh-ren. Krisen haben wir in anderen Bereichen genug; da-rüber ist auch in der vorigen Debatte intensiv diskutiertworden.Dass wir hier aufmerksam bleiben, ist aus vielerleiGründen wesentlich. Erstens ist der Südkaukasus weiter-hin eine Region voller Krisen und Konflikte, die keines-wegs eingefroren sind, wie von manchen über Jahre hin-weg behauptet wurde. Zweitens ist es eine Region, dieeine Verbindung zu Zentral- und Südwestasien darstelltund nicht zuletzt für unsere Energieversorgung von Be-deutung ist. Im Laufe der letzten anderthalb Jahre habenwir deutlich gemerkt, wie notwendig es ist, dass wir inunserer Energieversorgung unabhängig von Russlandwerden. Vor diesem Hintergrund spielt die Nabucco-PsgmdnEbtpspGGteuKdndmswsPsmpswddmwsnd–abeldndnree
nd es wurde immerhin ein heißer Draht zwischen denonfliktparteien geschaffen. Wir müssen jetzt besondersarauf achten, dass die Genfer Gespräche in Zukunfticht nur für die praktischen Fragen, sondern auch fürie grundsätzlichen Fragen einen angemessenen Rah-en bieten. Da wird noch viel Arbeit nötig sein, insbe-ondere um Russland davon zu überzeugen; denn bisherar man nicht bereit, einen neuen Termin festzulegen.Russland ist in besonderer Weise zu konstruktiver Zu-ammenarbeit aufgerufen. Angesichts der russischenolitik und insbesondere vor dem Hintergrund des russi-chen Vorschlags, die europäische Sicherheitsarchitekturiteinander zu diskutieren, sollte Russland sehr genaurüfen, ob gerade das Verhalten im Südkaukasus einemolchen Anliegen – das man durchaus diskutieren kann –irklich förderlich ist. Wenn Russland die OSZE, die eser NATO als Sicherheitsorganisation vorzieht und füreren Stärkung es sich stets eingesetzt hat – es ist im-erhin eine gesamteuropäische Organisation –, immerieder in ihrer Arbeit behindert, sodass die OSZE-Mis-ion in Georgien nicht fortgesetzt werden kann, sondernur eine Militärmission für eine begrenzte Zeit erfolgt,ann ist das, wie ich denke, ein wirkliches Problem.Russland hat an anderer Stelle nach dem Kriegdurchaus mit dem Interesse, sein Image zu verbessern;ber das ist ja legitim – die Präsidenten Alijew aus Aser-aidschan und Sarkissjan aus Armenien eingeladen, umine Friedensinitiative zu starten. Nun müssen wir deut-ich sagen: Das darf keine Eintagsfliege sein, sondernas muss nachhaltig sein. Hier ist etwas mehr Initiativeötig. Insbesondere ist es wichtig, solche Initiativen miten Partnern in der Minsk-Gruppe abzusprechen undachhaltig voranzubringen.
Gerade der Berg-Karabach-Konflikt ist kein eingefro-ener Konflikt. Vielen ist hierzulande nicht bewusst, dasss fast jede Woche zu Zwischenfällen kommt und dasss dabei auch Tote und Verwundete gibt. Die Militäraus-
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Markus Meckelgaben sind – insbesondere in Aserbaidschan, aber durch-aus auch in Armenien – immens, und manche Töne, dieman hört – ebenfalls in erster Linie aus Aserbaidschan;glücklicherweise sind solche Töne nach dem Konflikt imletzten August seltener zu hören –, dass man das nur mi-litärisch lösen könne, müssen einem Sorge bereiten.Deshalb müssen wir darauf dringen, dass die Konflikte,insbesondere dieser Konflikt, friedlich politisch gelöstwerden. Auch wir müssen hierfür mehr Initiativen er-greifen.
Schwierig scheint mir, dass die Gesellschaften in bei-den Ländern nicht wirklich auf eine Lösung vorbereitetwerden. Wenn man die beteiligten Politiker fragt, überwelche möglichen Kompromisse in ihrem Land disku-tiert wird, dann muss man feststellen, dass nicht viel vor-gebracht werden kann. Beide Gesellschaften werden aufdie Maximalpositionen eingeschworen. Das ist ein wirk-liches Problem.Gut ist, dass sich im Verhältnis zwischen Armenienund der Türkei inzwischen einiges bewegt. Auch auf derMünchner Sicherheitskonferenz wurde deutlich: Nachdem beachtenswerten Besuch von Präsident Gül in Ar-menien anlässlich eines Fußballspiels hat es eine Füllevon Kontakten auf verschiedenen Ebenen gegeben. Manhat Stillschweigen bewahrt. Gleichzeitig muss man aberauch sagen, dass man noch nichts Konkretes gesehenhat.Wir unterstützen insbesondere die Hoffnung in die-sem Land, dass dies zu einer Normalisierung, zur Auf-nahme diplomatischer Beziehungen und dann auch zueiner Grenzöffnung führt, die übrigens nicht nur für Ar-menien, sondern auch für den Osten der Türkei von zen-traler Bedeutung ist. Es ist in Europa zu wenig bekannt,dass es auch aus dem Osten der Türkei immer wiederInitiativen gegenüber der eigenen Regierung gegebenhat, diese Grenze zu öffnen und damit im Hinblick aufdie wirtschaftliche Entwicklung einen wesentlichenSchritt voranzukommen.Ich möchte hier deutlich unterstreichen: Der Schlüs-sel für die Bewältigung der Situation ist die Realisierungder Demokratie. Dies geht alle drei Staaten an. In Geor-gien hat es nach dem Krieg zwar einen gewissen Burg-frieden innerhalb des Landes gegeben; aber inzwischenist auch dort der Streit wieder ausgebrochen. Es ist dieFrage zu stellen, ob die demokratischen Institutionenwirklich funktionieren. Diese Frage ist auch hier mitNein zu beantworten.Aber auch Aserbaidschan und Armenien sind vongroßen Demokratiedefiziten geprägt. Die letzten Wahlensind in Legitimation und Verlauf fragwürdig. Übrigens:Wenn man feststellt, dass man im Hinblick auf die Aus-wertung der Langzeitbeobachtung nachjustieren muss– das ist uns in der OSZE mehrfach passiert –, dannmuss man sich fragen, ob die OSZE-Beobachtung rich-tig ausgestaltet ist. Wir sollten dieses Instrument, wie ichfinde, noch einmal genauer betrachten und größten Wertdarauf legen, dass es sich wirklich um eine Langzeit-bwrpalPpzswdEwmFWwbdtnmwajbbvhRdsd–StDs
Nächster Redner ist der Kollege Michael Link, FDP-
raktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ir, die FDP, begrüßen es, dass CDU/CSU und SPD so-ie die Grünen Anträge zum Südkaukasus vorgelegt ha-en. Wir hatten einen eigenen Antrag eingebracht, überen wir im Dezember letzten Jahres ausführlich disku-iert haben. Heute haben wir das nicht wiederholt, umicht aus rein formalen Gründen das Gleiche noch ein-al zu behandeln. Wichtig ist, dass das Thema diskutiertird, und in den Ausschussberatungen werden wir jauch noch darüber debattieren. Vielleicht schaffen wir esa dann doch noch, einen gemeinsamen Antrag zu erar-eiten.Wir haben in unserem Antrag damals ausdrücklichetont, dass die Entwicklung im Südkaukasus leider weitom Idealzustand entfernt ist; wir alle wissen das. Wiraben damals gesagt, dass unsere Verweise auf dieechtsstaatlichkeit, die Medienfreiheit, die Einhaltunger Menschenrechte und nachhaltige politische und wirt-chaftliche Reformen keine wohlfeilen Ratschläge an dierei Staaten sind, sondern dass das die Standards sinddas müssen wir ausdrücklich sagen –, die diese dreitaaten als Vollmitglieder im Europarat und als vollwer-ige Teilnehmer an der OSZE unterschrieben haben.
iese Punkte sind keine Rhetorik; es handelt sich um dieelbst eingegangenen Verpflichtungen, an die wir diese
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Michael Link
drei wichtigen Partner immer wieder erinnern, auchwenn es unbequem ist.Wir haben dieses klare Bekenntnis, das wir leider bis-her immer wieder mit wenig Erfolg angemahnt haben, inIhrem Antrag gefunden, Herr Meckel. Aber gestatten Siemir den Hinweis: Ich finde, der Antrag verliert sich inmanchen Punkten ein bisschen in Beliebigkeit. Der An-trag der Grünen ist sehr viel konkreter. Deshalb bin ichgespannt, wie wir in der Phase der Ausschussberatungenweiterkommen.Der Rückblick auf 2008 zeigt die massive Ver-schlechterung der Situation im Südkaukasus. Die Kon-solidierung autoritärer Strukturen ist in diesen drei Staa-ten leider immer noch im Gange. Ich habe den Eindruck,wir gehen in der Diskussion von einer Transformationim Sinne einer linearen Bewegung aus. Es ist aber ehereine Spirale pseudodemokratischer, aber auch autoritärerEntwicklungen. Das kann uns nicht zufriedenstellen, vorallem dann nicht, wenn es um Vollmitglieder des Euro-parats geht.Der verheerende russisch-georgische Krieg im Au-gust 2008 hat gezeigt, wie sehr die drei südkaukasischenStaaten im Guten wie im Schlechten miteinander ver-bunden sind. Denn es ging beileibe nicht nur um Geor-gien und Russland. Auch Armenien und Aserbaidschanhaben massiv darunter gelitten. Für beide waren wich-tige Transportwege für längere Zeit unterbrochen. Daszeigt, wie eng alles zusammenhängt. Deshalb müssenwir dringend berücksichtigen, dass die regionale Vernet-zung zwischen den drei Staaten das Gebot der Stunde ist.Das ist ein weiter Weg, der aber beschritten werdenmuss.Ein demokratischer, stabiler und wirtschaftlich pros-perierender Kaukasus ist aus unserer Sicht essenziell,um tatsächlich dauerhafte Friedenslösungen finden zukönnen. Die Lösung dieser Konflikte ist allerdings mitder Anerkennung der Unabhängigkeit Abchasiens undSüdossetiens durch Russland unnötig und zur Unzeitenorm erschwert worden. Russlands Missachtung dervölkerrechtlichen Prinzipien der territorialen Integritätund Souveränität war – vorsichtig ausgedrückt – wenigprofessionell und gerade auch mit Blick auf die eigeneSituation Russlands im Nordkaukasus sehr unbedacht.
Es bleibt abzuwarten, wie sich das weiterentwickelt.Insofern sind deutliche Worte auf der einen Seite ge-genüber Russland angebracht, das die territoriale Integri-tät Georgiens verletzt, aber auch gegenüber Armenien,das die territoriale Integrität Aserbaidschans verletzt.20 Prozent des Territoriums Aserbaidschans sind völker-rechtswidrig besetzt. Auch dieser Zustand ist nicht halt-bar.
Wenn wir aber fordern, die territoriale Integrität zu re-spektieren, dann muss auch die andere Seite mitmachen –„it takes two to tango“, wie es so schön heißt. Das heißt,Georgier und Aserbaidschaner müssen sich gegenüberddewwhzgkmGsgkzVMdsnpsgnpPgwpbzrHSSsndgVtvWlRhRK
Die Östliche Partnerschaft ist zurzeit das Gebot dertunde. Sie, meine Damen und Herren von den Grünen,prechen das in Ihrem Antrag an. Ich hätte mir aber ei-en deutlicheren Hinweis gewünscht; denn die Stimmen,ie wir aus dem Rat in Brüssel hören, wenn es darumeht, wie Frankreich und Deutschland agieren, legen dieermutung nahe, dass das aus unserer Sicht sehr wich-ige Konzept der Östlichen Partnerschaft von Anfang anerwässert wird. Die Östliche Partnerschaft stellt eineeiterentwicklung der Europäischen Nachbarschaftspo-itik dar.
ussland wollte nicht, obwohl wir es immer angebotenaben, an der ENP teilnehmen. Wir verhandeln mitussland über ein ganz wichtiges Partnerschafts- undooperationsabkommen. Aber wir sollten diese beiden
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Michael Link
Formate nicht vermischen; das ist außerordentlich wich-tig. Es handelt sich um zwei verschiedene Formate.
– Herr Weisskirchen, die Stimmen, die wir aus dem Rathören, sind ziemlich eindeutig. Eine Vermischung ge-fährdete beide Formate.Wir wollen den Erfolg der Östlichen Partnerschaft.Wir sollten daher diese Partnerschaft mit sechs Partnerlän-dern, darunter drei südkaukasische – so ist es geplant –,nicht von Anfang an verwässern. Wir sollten diese Part-nerschaft wie geplant zu einer bilateralen Partnerschaftausbauen und testen, wozu die drei südkaukasischen Ge-sellschaften im Rahmen der Partnerschaft wirklich bereitsind. Es geht um Menschenrechte, Demokratie und Me-dienfreiheit. Dorthin wollen wir diese Länder führen; dasalles steht auf dem Spiel.
Herr Kollege Link!
Hier können wir etwas erreichen, wenn wir gemein-
sam an der Östlichen Partnerschaft arbeiten.
Ich danke für die Geduld, Frau Präsidentin.
Nächster Redner ist der Kollege Eduard Lintner,
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Es ist schon erwähnt worden: Der Krieg zwi-schen Russland und Georgien hat die Aufmerksamkeitder ganzen Welt auf Südkaukasien gelenkt und jeder-mann drastisch vor Augen geführt, dass die dort behei-mateten Konflikte keinesfalls „frozen“ sind, wie sie um-schrieben werden, sondern sehr schnell in heiße Kriegeumschlagen können. Damit sind sie für den Frieden indiesem Teil der Welt höchst gefährlich.
Daher ist es nicht nur angebracht, sondern höchste Zeit,dass sich nach der UNO, dem Europaparlament, demPlenum des Europarats und anderen Parlamenten heuteder Deutsche Bundestag mit der Situation in und unserenBeziehungen zu den Staaten dieser Region befasst.Seit dem Waffenstillstand von 1994 hält Armenienrund 20 Prozent der Fläche des Nachbarn Aserbaidschanbesetzt; neben dem von Aserbaidschan beanspruchtenGebiet Berg-Karabach unstreitig aserbaidschanischesTerritorium. Bis heute haben weder Resolutionen derUNO und anderer multinationaler Gremien noch bilate-rale Appelle die armenische Regierung dazu bewegenkönnen, eine friedliche Lösung des Konflikts endlichernsthaft in Angriff zu nehmen. Jetzt allerdings, da derKBhkLnsnrkdtbfe–agDsdktbÜzwFNHuisfidhdLssZsnmradsda
Eine Lösung dieses Problems liegt im Übrigen in un-erem ureigenen Interesse. Der Südkaukasus hat nichtur eine wichtige Brückenfunktion im Hinblick auf Eu-opa und Asien. Mit seinem Reichtum an Öl und Gasönnen gerade Aserbaidschan und die Staaten jenseitses Kaspischen Meeres dazu beitragen, unsere bekann-ermaßen schon gefährliche Abhängigkeit von Russlandei der Versorgung mit diesen lebenswichtigen Rohstof-en zu vermindern. Mit der Nabucco-Pipeline gibt esine konkrete, baureife Planung in dieser Richtung.Für den Weg zur Lösung gibt es bewährte Regelndarauf ist gelegentlich schon hingewiesen worden –,uf die sich die Völker aufgrund leidvoller Erfahrungeneeinigt haben, nämlich die Regeln des Völkerrechts.ie Geschichte lehrt uns, dass es insbesondere ein be-timmtes Völkerrecht ist, das geradezu konstitutiv füras friedliche und gedeihliche Zusammenleben von Völ-ern und Staaten ist. Damit meine ich die strikte Ach-ung der territorialen Integrität der Staaten und das Ver-ot gewaltsamer Veränderungen von Grenzen.
berall dort, wo dieses fundamentale Völkerrechtsprin-ip verletzt wird – genauso wie im Fall Berg-Karabach –,erden Tausende oder sogar Millionen Menschen zulüchtlingen, leben die Familien generationenlang inot und Elend, wachsen sich Trauer und Entsetzen zuass aus und wächst letztlich das Streben nach Rachend Vergeltung. Damit setzt sich eine teuflische Spiralen Bewegung, die im Endergebnis meist – siehe das Ge-chehen in und um Georgien – zu einem neuen Kriegührt.Aber nicht nur das unmittelbare Leid der Betroffenenst zu beklagen. Vielmehr treten auch kollaterale Schä-en auf. Die schwelenden Konflikte behindern oder ver-indern gar die gedeihliche und schnelle Entwicklunger gesamten Region. Angesichts ihrer strategischenage und des Reichtums an dringend benötigten Roh-toffen könnte sie im planmäßigen und friedlichen Zu-ammenwirken ein für ihre Völker geradezu goldeneseitalter schaffen, wenn sie sich dazu bereitfänden.Meine Damen und Herren, der Südkaukasus muss denchwierigen Weg zur Bereinigung der dortigen Problemeicht ganz alleine gehen. Sowohl die EU als Institutionit den Instrumenten ihrer Nachbarschaftspolitik und ih-em speziellen Konzept von einer östlichen Partnerschaftls auch einzelne Staaten wie etwa Deutschland helfenabei. Mit dem Angebot der EU sind sehr konkrete Per-pektiven verbunden, zum Beispiel letztlich das Modeller Assoziierung. Dieses beinhaltet wiederum im Detailttraktive Verbesserungen für die Bevölkerung, so etwa
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Eduard LintnerErleichterungen beim Erhalt von Visa, mehr Rechtssi-cherheit durch den Aufbau verlässlicher Rechtsstaatlich-keit oder etwa gemeinsame Anstrengungen im Umwelt-,Klima- und Naturschutz.Unser Antrag gibt, glaube ich, die Breite und Vielge-staltigkeit unseres Angebots sehr gut wieder. Auch dieim Paket enthaltenen humanitären Hilfen für die insge-samt 1 Million Flüchtlinge und Binnenvertriebenen unddie Unterstützung etwa beim Ausbau der Infrastrukturkämen nicht nur dem Staat, sondern gerade dem einzel-nen Menschen persönlich zugute. Ich möchte deshalbdie drei Staaten im Südkaukasus ausdrücklich auffor-dern, sich auf diese intensive Zusammenarbeit auch ein-zulassen und die gegebenen Instrumente dynamisch undnachhaltig zu nutzen.
Wir dürfen allerdings nicht übersehen, dass es nochandere Mitspieler gibt, ohne deren konstruktive Mitwir-kung sich Probleme wie die mit Berg-Karabach prak-tisch nicht lösen lassen. Damit meine ich vor allemRussland. Auch Russland sollte sich im eigenen Inte-resse an der Lösung beteiligen. Dabei dürfen die Verant-wortlichen in Moskau ruhig daran denken, dass es auchfür sie selbst von großem Vorteil sein kann, gute Bezie-hungen zu prosperierenden Staaten in der Nachbarschaftzu pflegen. Denn auch das lehrt die Geschichte: Vonfriedlichen und geordneten Verhältnissen profitieren im-mer beide Seiten, also ebenso die Nachbarstaaten.
Außerdem verschaffen solche positiven Schritte welt-weit Reputation, Respekt und Anerkennung und schaf-fen nicht Misstrauen und Ablehnung, wie dies im Falleder Abspaltung von Südossetien und Abchasien von Ge-orgien eben der Fall ist. Es ist eigentlich geradezu pein-lich für das große Russland, dass außer ihm selbst nurdas ferne Nicaragua das Ergebnis des russischen Ein-greifens völkerrechtlich anerkannt hat.
Selbst im Kreise angeblich befreundeter Staaten wieder in der Schanghai-Gruppe stießen die Russen aufstrikte Ablehnung und waren total isoliert.
Meine Damen und Herren, wenn schon die Argu-mente des Völkerrechts die Russen nicht überzeugen,bleibt zu hoffen, dass zumindest diese miserable Bilanzsie davon überzeugt, dass sie mehr davon haben, an einervernünftigen Lösung mitzuwirken, statt die Lösung vorund hinter den Kulissen zu blockieren und zu hintertrei-ben. Um ein wenig zu dieser Bereitschaft beizutragen,haben wir uns die Möglichkeit dieser Debatte geschaf-fen. Ich plädiere sehr dafür, dass wir unsere Aufmerk-samkeit weiterhin auf dieses Gebiet der Welt richten. Ichglaube, eine solche Aufmerksamkeit kann ein Mittelsein, das dazu beiträgt, dass die dort vorhandenen Pro-bleme tatsächlich gelöst werden können.tKdgftwsoSsKdmslatdHtwndlvdiGhRcfcAvudes
Ich gebe das Wort dem Kollegen Hakki Keskin, Frak-
ion Die Linke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Nach der FDP und der Linken haben nun auchie Koalitionsfraktionen und die Grünen darüber nach-edacht, wie Frieden und Stabilität im Südkaukasus ge-ördert werden können. Leider bleiben jedoch der Koali-ionsantrag, aber auch der Antrag der Grünen in einigenesentlichen Punkten zu vage und unzureichend.Wie ist die Situation? Infolge des georgisch-russi-chen Krieges im August 2008 sind Abchasien und Süd-ssetien von Russland und Nicaragua als unabhängigetaaten anerkannt worden. Allerdings darf nicht verges-en werden, dass der Westen mit der Anerkennung desosovo möglicherweise eine entsprechende Vorlage fürieses Vorgehen geliefert hat.
Fakt ist: Georgien wurde vor allem von den USAassiv aufgerüstet und mit einer NATO-Beitrittsper-pektive versehen, um die militärische Einkreisung Russ-nds fortzusetzen. Diese Politik der Bush-Administra-ion war und bleibt falsch,
a sie den Geist des Kalten Krieges atmet. Vor diesemintergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass die Koali-ionsfraktionen am NATO-Beitritt Georgiens festhaltenollen. Dabei mehren sich selbst in den USA in dereuen Administration unter Obama kritische Stimmen,ie für ein Umdenken plädieren.Die Linke empfiehlt die kooperative Einbindung Russ-ands in eine europäische Sicherheitspolitik – ich bin da-on überzeugt, dass eine solche neue Strategie gerade fürie Sicherheit Westeuropas von sehr großer Bedeutungst – und darüber hinaus den Verzicht auf die Aufnahmeeorgiens in die NATO. Radikale Abrüstungsvorschlägeat neuerdings auch Obama gemacht. Zuvor hat sich auchussland für radikale Abrüstungsvorschläge ausgespro-hen. In diesem Sinne sollten wir unsere Bemühungenortsetzen, um den Aufbau eines neuen regionalen Si-herheitssystems im Südkaukasus zu ermöglichen.Dies ist dringend notwendig, auch um einen erneutenusbruch des ungelösten Berg-Karabach-Konflikts zuerhindern, wie die vorangegangenen Redner zu Rechtnterstrichen haben. Die Moskauer Erklärung der Präsi-enten Armeniens, Aserbaidschans und Russlands überinen Gewaltverzicht ist ein wichtiges Signal, das unter-tützt werden sollte.
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Dr. Hakki KeskinDer Berg-Karabach-Konflikt muss, bevor es zu einerneuerlichen Eskalation kommt, friedlich und nach völ-kerrechtlichen Prinzipien beigelegt werden. Meine Kol-legen Markus Meckel und Herr Lintner haben sichhierzu schon geäußert. Übrigens bemüht sich diesbezüg-lich auch die Türkei um die Entschärfung dieser Kon-fliktlage und um eine friedliche Lösung dieses Problems.Wir schlagen Folgendes vor. Erstens. Zwischen denKonfliktparteien müssen vertrauensbildende Maßnahmenvereinbart werden. Zweitens. Die armenischen Truppenmüssen aus den besetzten Gebieten um Berg-Karabachschnellstmöglich und vollständig abgezogen werden. Eswurde hier schon gesagt, dass immerhin rund 20 Prozentdes Territoriums Aserbaidschans von Armenien besetztsind.Im Gegenzug muss es Sicherheitsgarantien der OSZEgeben, damit die über 1 Million Flüchtlinge beider Sei-ten in ihre Heimatorte zurückkehren können. Drittensmuss Berg-Karabach ein Höchstmaß an Autonomie un-ter Wahrung der territorialen Integrität Aserbaidschansgewährt werden. Alternativ dazu wären auch einver-nehmliche Gebietsaustausche möglich.Das Ziel müsste sein, einen dauerhaften Frieden zwi-schen den beiden Kulturnationen Armenien und Aser-baidschan zu ermöglichen. Dies würde zur Entspannungnicht nur in dieser Region, sondern darüber hinaus auchin der Welt beitragen.Ich danke Ihnen.
Nächster Redner ist der Kollege Rainder Steenblock,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich will am Anfang das unterstreichen, was auchMichael Link gesagt hat. Wenn man sich die Situation anden Grenzen von Südossetien und Abchasien anschaut,dann stellt man fest, dass sie dramatischer ist, als es häu-fig in Westeuropa wahrgenommen wird. Deshalb ist esgut, dass wir heute über die Situation diskutieren undversuchen, unsere national-deutschen Kräfte, die wir ha-ben, mit den Kräften der Europäer, aber auch mit all den-jenigen zu bündeln, die an diesem Konflikt beteiligtsind, um zu Lösungen zu kommen.Wir brauchen eine Deeskalation, weil sich an denGrenzen Georgiens ein neuer Konflikt aufbaut. Wir müs-sen sehr viel sensibler als in der Vergangenheit daraufachten, dass dieser Konflikt nicht wieder heißläuft. Dasheißt unter anderem auch, dass wir ein großes Interessedaran haben müssen, dass dort internationale Beobach-tungsstrukturen aufgebaut werden, die mehr Eingriffs-möglichkeiten bieten, als es bei unserer Monitoringmis-sion bisher der Fall ist. Wir brauchen dort eine sehr vielbessere Präsenz.
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as ist ein sehr gutes Zeichen. Wir diskutieren unterreunden. Wir haben gemeinsame Interessen, ja, wir ha-en auch wirtschaftliche Interessen. Wir sind mit dieseregion solidarisch, und wir haben, was sich in der Mit-liedschaft im Europarat ausdrückt, dieselben Werte, umie es uns geht. Diese möchte ich in Solidarität, aberuch mit Kritik ansprechen.Wenn man in dieser Region Frieden und Stabilitätchaffen will, dann sind Voraussetzung dafür der Aufbauer Demokratie, die Anerkennung der Minderheiten-echte und die Durchsetzung der Spielregeln des Europa-ats. In dieser Beziehung gibt es noch Defizite.
in zentraler Punkt – das haben mehrere gesagt –, umtabilität herzustellen, ist die Beachtung des Völker-echts und der territorialen Integrität. Wenn man sichber darauf beschränkt, wird man die Konflikte in dieseregion nicht lösen. Schauen Sie sich die uralten Kon-likte zwischen Abchasiern, Georgiern, Osseten usw. an!chauen Sie sich die kulturelle Vielfalt des Kaukasus an,ber auch die Unterschiede der vielen Völker in dieseregion! Wir werden mit der Forderung nach territorialerntegrität nur dann Erfolg haben, wenn die Selbstbestim-ungsrechte von Minderheiten sichergestellt werden.arüber muss miteinander diskutiert werden. Wir wer-en die Menschen dort nicht zueinanderführen können,enn sie das Gefühl haben – das gilt auch für die kleinenänder –, von der Mehrheit unterdrückt zu werden. Die-es Gefühl gab es.
nsere Solidarität und unsere Erfahrung sind wichtig,amit dort Fortschritte erzielt werden können.Eine Schlüsselrolle – das möchte ich zum Schluss an-prechen – wird Russland spielen. Deshalb ist die Inte-ration Russlands in Konfliktlösungsstrategien notwen-ig. Ich halte es allerdings für falsch, wenn wir alsuropäische Union im Rahmen der Partnerschaft miten östlichen Staaten Russland als zweiten großen Part-er etablieren. Das wird in dieser Region zu der Wahr-ehmung führen, dass zwischen der EU auf der einennd Russland auf der anderen Seite ein Zwischenraumxistiert, über den die großen Mächte reden. Das kannicht unser Interesse sein; vielmehr sind die osteuropäi-chen Länder und der Südkaukasus gleichberechtigteesprächspartner der Europäischen Union und keineerhandlungsmasse zwischen der EU und Russland.
as muss sehr deutlich werden.
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Rainder SteenblockWir müssen den Russen klarmachen: Wir unterstützenZwei-plus-Eins-Gespräche, wie sie vor kurzem mit demPräsidenten von Armenien und dem Präsidenten vonAserbaidschan in Moskau stattgefunden haben. Das in-ternationale Format – Stichwort: Minsk-Forum – ist dieKonfliktlösungsstruktur.
Das Ganze darf aber nicht dazu führen – wie jetzt inMoldau versucht wird –, dass Russland Zwei-plus-Eins-Formate anwendet und den Schiedsrichter bei derLösung dieser Konflikte spielt. Wir brauchen internatio-nale Konfliktlösungsstrategien und -strukturen, in diealle eingebunden sind. Russland ist nicht der Player, derdafür sorgen kann.Ich bewerte Abchasien anders. Aus meiner Sicht hatRussland im Zusammenhang damit keine Niederlage er-litten. Für die Russen wäre es eine Katastrophe, wennAbchasien von allen europäischen Ländern anerkanntwürde und wenn dort, in Abchasien, plötzlich Botschaf-ten aller europäischen Länder wären; das wollen dieRussen nicht. Sie sind mit der Situation der isoliertenAnerkennung durchaus einverstanden; das entsprichtnämlich ihrer Form von Nachbarschaftspolitik. Die rus-sische Sicht ist, dass sich die anderen heraushalten.Ich glaube, es ist wichtig, den russischen Freundinnenund Freunden deutlich zu machen: Neoimperiale Struk-turen sind konfliktverschärfend. Wir brauchen Konflikt-lösungen, und dazu kommt es nur, wenn Akzeptanz vor-handen ist.Vielen Dank.
Für die SPD-Fraktion gebe ich das Wort dem Kolle-
gen Steffen Reiche.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Sehr geehrter Herr Botschafter der Republik Aserbai-dschan! Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.Das ist schon im Hinblick auf Israel und die EU gesagtworden; es gilt aber auch für den Südkaukasus. Das isteine Gegend, wo auf kleinstem Raum besonders viele Eth-nien mit verschiedenen Sprachfamilien und Alphabetenmiteinander leben. Die Verständigung dort ist schwierig.Es hat die südkaukasische Union, viele Jahrzehntefriedlichen Zusammenlebens, gegeben – bis 1989. DieEU und Deutschland sind gefordert, sich stärker ein-zubringen. Es geht im Südkaukasus um den Frieden inEuropa; denn diese drei Länder gehören zu Europa. Siebrauchen und sie haben eine europäische Perspektive.Diese drei Länder verbindet der Blick nach Europa, dieSehnsucht nach den europäischen Werten, nach Wohl-stand, nach unserem Rechtssystem und nach der Demo-kratie. Die europäische Nachbarschaftspolitik war einewichtige Entscheidung, und es ist gut, dass dieses Anlie-gen jetzt in der östlichen Partnerschaft intensiviert wird.ldeebPDpStddBPrsPismnzRtnbNgwfBEgnaRDbEddDesNdAs
Russland ist gefordert, gerade weil die Region fürussland so wichtig ist und sozusagen als weicher Un-erleib Russlands gilt. Daher muss Russland seine eige-en Bemühungen in dieser Region intensivieren und da-ei im Blick behalten, dass weder die europäischeachbarschaftspolitik noch die östliche Partnerschaftegen Russland gerichtet sind; vielmehr sind sie der not-endige Beitrag zur Konfliktlösung. Wir leisten damitür diese drei Mitgliedsländer des Europarats unsereneitrag als Partner im Europarat. Russland sollte dientwicklung nicht behindern, sondern eigene Impulseeben.Das Prinzip der territorialen Integrität von Staaten giltatürlich auch im Südkaukasus, sowohl für Georgien alsuch für Aserbaidschan; für Georgien im Verhältnis zuussland, für Aserbaidschan im Verhältnis zu Armenien.ie Provinzen müssen so schnell wie möglich an Aser-aidschan zurückgegeben werden.
ine maximale Autonomie für Nagornij Karabach undie Zukunft des Gebietes müssen dann in einem Frie-ensvertrag geregelt werden.
as ist im aserbaidschanischen, im armenischen und imuropäischen Interesse, weil sich Zeitfenster irgendwannchließen, zum Beispiel für die Entscheidung über dieabucco-Pipeline. Es wäre für alle von Vorteil, wenniese Pipeline durch Armenien geführt werden könnte.ber das ist erst nach einem Friedensvertrag möglich.Armenien ist im Prozess der europäischen Nachbar-chaftspolitik besonders erfolgreich. Das soll und muss
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Steffen Reiche
anerkannt werden. Zugleich – das darf konstatiert wer-den – schreitet die Anerkennung der Katastrophe für dasarmenische Volk von 1915 als Genozid weiter voran.Die Friedenslösung ist ein Fortschritt für alle, aber sie istnicht ohne Zumutungen für alle möglich. Die Zivilge-sellschaften sind darauf leider viel zu wenig vorbereitet.Die beiden Präsidenten haben hierbei eine zentrale Auf-gabe.Wir als Europäische Union müssen uns in besondererWeise darum bemühen, dass es Visaerleichterungen gibt,wie sie im Sommer des vergangenen Jahres in Aussichtgestellt worden sind. Deshalb bitten wir das Innenminis-terium dringend, nun endlich alles in seiner Macht Ste-hende zu tun, um in der EU die Voraussetzungen dafürzu schaffen. Es stärkt die Zivilgesellschaft, wenn dieseErleichterungen auch für die drei Länder des Südkauka-sus gelten.
Das gibt Entwicklungsimpulse und stärkt das Bewusst-sein der Bürger dafür, gleichberechtigte Teile der euro-päischen Völkergemeinschaft zu sein.
Die Fußballdiplomatie im Sommer hat Bewegung invöllig verhärtete Beziehungen gebracht. Aserbaidschanhat sich erfolglos um die Austragung der Fußball-Euro-pameisterschaft im Jahr 2012 bemüht. Aber warumsollte nicht für 2016 von zwei oder drei Staaten ein sol-cher Antrag gestellt werden? Das wäre ein Durchbruch.Für die südkaukasischen Völker gilt, dass sie selbstVerantwortung für den Frieden übernehmen müssen. Wirals Europäische Union, als Bundesrepublik Deutschlandmüssen sie unterstützen. Vor allem müssen wir überle-gen, wie zu erreichen ist, dass Goethe-Institute und diepolitischen Stiftungen in allen drei Ländern präsent sind,sodass nicht von einem Land aus die beiden anderenLänder sozusagen mit versorgt werden müssen.
Ich freue mich, dass Ende dieses Monats Staatsminis-ter Erler die Region besucht. Ich werde für die parlamen-tarische Freundschaftsgruppe an dieser Reise teilneh-men. Vielleicht kommen wir in diesen Fragen zu kleinenFortschritten, die Voraussetzung für größere Fortschrittesind.Vielen Dank.
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat
das Wort der Kollege Manfred Grund von der CDU/
CSU-Fraktion.
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arum? Zum einen hat Russland in Bezug auf Südosse-ien behauptet, es sei ein Genozid an Südosseten mit rus-ischem Pass verübt worden. Im ehemaligen Jugosla-ien hat es tatsächlich einen Völkermord gegeben, auchn Teilen des Kosovo. Zum anderen ist über den Statuses Kosovo auf der Grundlage der UN-Resolution 1244ehr als acht Jahre lang – auch unter Mitwirkung vonussland – verhandelt worden. Letztendlich hat Russ-and eine Lösung unterhalb der Eigenstaatlichkeit desosovo verhindert, sodass die Situationen nicht mitein-nder zu vergleichen sind.Warum haben wir als Deutschland, als Europa ein soroßes Interesse an dieser Region? Es ist unsere Nach-arschaft, und wir haben ein Interesse, das nicht nur aufragen der Stabilität, sondern auch der Energieversor-ung beruht.Die Nabucco-Pipeline ist angesprochen worden.serbaidschan hat sich bereit erklärt, jährlich 30 Mil-iarden Kubikmeter Gas zum Transport nach Europa zurerfügung zu stellen. Westeuropa braucht jährlich insge-amt 700 Milliarden Kubikmeter Gas. Diese 30 Milliar-en Kubikmeter Gas aus Aserbaidschan befreien unslso nicht von der sehr großen Abhängigkeit von Russ-and, aber sie diversifizieren die Herkunftsländer bzw.erkunftsquellen und machen uns etwas unabhängigeron russischem Gasvorkommen und russischen Pipe-ines. Diese Maßnahme ist nicht als gegen Russland ge-ichtet zu verstehen, aber sie erhöht unsere Versorgungs-
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Manfred Grundsicherheit, wie auch die Pipeline durch die Nordsee diestun wird.Die Europäische Union hat nicht nur den Ländern desKaukasus, sondern auch den Staaten Osteuropas, dienicht Mitglied der Europäischen Union sind, eine östli-che Nachbarschaft angeboten, also Moldau, der Ukraine,Weißrussland und auch den Staaten des Kaukasus, umsie in dem Raum zwischen der Europäischen Union undRussland nicht preiszugeben. Diese Staaten sind nichtVorhof oder Hinterhof Russlands. Wenn sich Georgienund auch die Ukraine in freier Selbstbestimmung aussu-chen wollen, mit wem sie in der Sicherheitsstruktur und-architektur kooperieren, so ist es das Recht dieser Völ-ker, und Russland hat dagegen kein Veto einzulegen.Das müssen wir in den Gesprächen gegenüber Russ-land immer wieder sagen, auch im Rahmen dessen, wasMedwedew, der russische Präsident, als neue europäi-sche Sicherheitsarchitektur an den Horizont gemalt hat,ohne es mit Inhalten auszufüllen. Es muss klar sein, dassdie Souveränität der Völker zu respektieren ist, ihreSelbstbestimmung gewahrt bleibt, zu wählen, in wel-chem Sicherheitsbündnis sie sein möchten, aber auchwelche Entwicklung sie insgesamt nehmen.Wir als Europäische Union und als BundesrepublikDeutschland haben in Form von wirtschaftlicher Koope-ration viel anzubieten. Dies betrifft auch den Rechts-staatsdialog, den Umweltschutz, die Energieeffizienz,die Energieversorgung, die Energiesicherheit, die Ko-operation der Parlamente und die Deeskalation. Es gibteinige Gesprächsformate – die politischen Stiftungensind dabei sehr vorbildlich –, die diese drei Länder zu-sammennehmen, also Georgien, Aserbaidschan und Ar-menien, und versuchen, ein wenig Vertrauen zu schaffen.Das können wir anbieten. Daran sollten wir festhalten.Die Beratungen der verschiedenen Anträge im Aus-schuss, die wir vielleicht noch zusammenführen können,werden sicher zu einem guten Ergebnis führen, sodassich sehr dankbar für die heutige Diskussion und auch fürdie Gemeinschaft der Demokraten in diesem Hause bin.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 16/12102 und 16/12110 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
gen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.
Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate
Künast, Nicole Maisch, Ulrike Höfken, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
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eider kann man in fünf Minuten nicht alle Defizite auf-ählen.
eshalb möchte ich mich darauf beschränken, darzustel-en, was getan werden muss. Wir haben Ihnen ein ganzesaßnahmenpaket an Vorschlägen vorgelegt. Einer da-on, den ich heute näher erläutern möchte, ist unser grü-er Finanzmarktwächter.Was ist ein Finanzmarktwächter? Ein Finanzmarkt-ächter ist ein sektorspezifisches Instrument, einechlagkräftige Verbraucherschutzorganisation nach briti-chem Vorbild, die in bestimmten Sektoren – die Britenaben die liberalisierten Märkte der Daseinsvorsorge,um Beispiel die Energie- und Wasserversorgung sowieas Verkehrswesen, aber auch den Finanzmarkt gewählt –ätig ist. Wir unterbreiten Ihnen einen Vorschlag, wie manieses britische Modell auf die deutschen Verhältnissend unsere bewährten Strukturen von Verbraucherzentra-en und vzbv übertragen kann.Was soll ein Finanzmarktwächter leisten? Er soll dastrukturelle Ungleichgewicht zwischen Banken sowieankkundinnen und -kunden minimieren, er soll proak-iv und bissig den Verbraucherrechten auf den Finanz-ärkten mehr Durchschlagskraft verleihen.
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Nicole MaischWie soll er das machen? Durch Marktbeobachtung,durch Verbraucheraufklärung und – auch das stellen wiruns vor – durch Schlichtung.Marktbeobachtung ist ein Thema, das in Deutschlandim Moment noch nicht ausreichend funktioniert. Es be-darf einer Organisation, die Fehlfunktionen auf demMarkt frühzeitig erkennt und diese Erkenntnisse – das istdas Wichtige – an die zuständigen Regulierungsbehör-den weiterleiten kann. Frau Schieder und ich haben imVerbraucherausschuss bereits darüber diskutiert: Ein Fi-nanzmarktwächter ersetzt nicht die Regulierung, son-dern ist so etwas wie ein freundlicher Gegen- oder Mit-spieler der Regulierungsbehörden, indem er Maßnahmenbei diesen anschiebt bzw. diese darauf hinweist, wasdenn zu tun ist.
Die Briten bezeichnen das als „supercomplaint“. Nach-dem ich mir schon den Begriff des Marktwächters vonder SPD ausgeliehen habe, möchte ich meiner HoffnungAusdruck verleihen, dass Ihnen auch für den Begriff„supercomplaint“ noch ein schönes deutsches Wort ein-fällt.Thema Verbraucheraufklärung: Wir haben von derHotline des vzbv, die das Ministerium im Zuge der Krisegeschaltet hat, erfahren, dass die Verbraucherinnen undVerbraucher unglaublich wenig über Geldanlagen undprivate Altersvorsorge wissen. Das heißt, hier gibt es einreales Defizit. Wir brauchen bessere Möglichkeiten derVerbraucheraufklärung durch Information und Beratung.Auch die Koalitionsfraktionen haben verschiedene Vor-schläge unterbreitet, zum Beispiel die Einführung einesFinanz-TÜVs. Hier stellt sich die Frage, wer einen sol-chen TÜV durchführen soll. Das wäre eine Aufgabe, dieein solcher Finanz-Watchdog wahrnehmen könnte.
Lassen Sie mich noch einen Satz zur Finanzierung sa-gen: Natürlich ist klar, dass Verbraucheraufklärung undVerbraucherschutz staatliche Aufgaben sind und mit öf-fentlichen Mitteln gefördert werden müssen. Gerade inZeiten, in denen die öffentliche Hand Schutzschirme inMilliardenhöhe über den Banken aufspannt, ist es aberdurchaus auch an der Zeit, zu fragen, was die Banken imGegenzug den Bürgerinnen und Bürgern dafür geben. Sodenke ich, dass auch die Banken, der betroffene Sektor,sich an der Finanzierung der Tätigkeit eines solchenMarktwächters beteiligen sollten.
Der Finanzmarktwächter ist keineswegs als Kritik andem gedacht, was wir in Deutschland bisher an gut funk-tionierenden Strukturen im Verbraucherschutz haben,sondern er ist eine Weiterentwicklung, ein sektorspezifi-sches Instrument unter dem Dach von Verbraucherzen-tralen und vzbv. Die Verbraucherzentralen haben mit derVerbraucherzentrale Finanzen ein ähnlich strukturiertes,sektorspezifisches Modell vorgelegt. In diese Debattefügt sich unser Marktwächter also hervorragend ein.ztvGitsnodPndlCrvVgdJKlesdduhk–dMc
Am Ende des Jahres 2008 hat die Bundesregierungin 480-Milliarden-Euro-Paket geschnürt, um Banken zutützen und um für Vertrauen zu werben. Die Mehrheitieses Hauses hat diesem Paket zugestimmt. Wenn wirraußen in unseren Wahlkreisen unterwegs sind, fragenns die Menschen mit Recht: Für Banken und Managerabt ihr viel getan, aber was macht ihr für uns, für denleinen Mann und für den Verbraucher?
Ja, auch die kleine Frau.Wir haben das 480-Milliarden-Euro-Paket nicht fürie Manager geschnürt, sondern gerade für den kleinenann und den Verbraucher, damit ihre Ersparnisse si-her sind.
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Kurt SegnerDas zweite Paket haben wir zur Unterstützung der Wirt-schaft, des Mittelstandes und des Handwerks beschlos-sen. Es hilft aber auch dem Verbraucher, weil es Arbeits-plätze sichert.Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Zusammen-bruch Deutschlands gab es zwei Männer, die eine beson-dere Vision hatten: Konrad Adenauer hatte die Vision„Nie wieder Krieg!“.
Das ist nur mit einem vereinten Europa zu erreichen.Ludwig Erhard hatte die Vision „Nie wieder Hunger!Wohlstand für alle!“. Das geht nur – davon war er über-zeugt – mit der sozialen Marktwirtschaft.
– Ich komme nachher noch darauf zu sprechen.Wenn wir in diesem Jahr 60 Jahre Grundgesetz und60 Jahre Bundesrepublik Deutschland feiern, dann heißtdas 60 Jahre – zumindest für den westlichen TeilDeutschlands – Frieden und Freiheit.
Den heutigen Wohlstand haben uns nicht Enteignungen,die Planwirtschaft und schon gar nicht der Kommunis-mus gebracht, sondern die soziale Marktwirtschaft undder Fleiß der Bürger in diesem Land.
Ich sage Ihnen: Das, was sich die Menschen mühevollerarbeitet haben – da sind wir uns wahrscheinlich alle ei-nig –, dürfen wir von raffsüchtigen Managern nicht ka-putt machen lassen.
Deshalb brauchen wir in Zukunft konservative Bankenund vertrauenswürdige Anlageberater.
Über den Verlust des Vertrauens in die Banken brau-chen wir uns nicht zu wundern. Wenn Anleger mit derAbsicht in die Banken gingen, eine risikolose Anlage zufinden, wurden sie oft überredet, eine riskante Anlage zuwählen.
Heute stehen viele Verbraucherinnen und Verbrauchermit leeren Händen da, weil sie ihrem Berater vertraut ha-ben. So ist – Sie haben es schon erwähnt – großer Scha-den für die Verbraucher entstanden, insbesondere dann,wwmVwsB–ulWSbmdmBDhkSidlPtdsNbDlb
Die Menschen im Land verstehen die Welt nichtehr, wenn eine Kassiererin wegen einer angeblicheneruntreuung von 1,30 Euro ihren Arbeitsplatz verliert,ährend Manager, die Milliarden Euro in den Sand ge-etzt haben, immer noch auf ihren Stühlen sitzen undonuszahlungen erhalten.
Ich komme darauf noch zu sprechen. Seien Sie nicht songeduldig, liebe Kollegin.
Lassen Sie mich an dieser Stelle den vielen guten An-ageberatern Dank sagen, die ihre Kunden nach bestemissen und Gewissen beraten haben. Einige schwarzechafe haben das Vertrauensverhältnis zwischen Ver-rauchern und Beratern gestört.Die Grünen fordern in ihrem Antrag einen Finanz-arktwächter, der bei den Verbraucherzentralen angesie-elt werden soll. Ich halte nichts von einem Finanz-arktwächter; denn die Verbraucherzentralen sind nur inallungsgebieten, in den Großstädten angesiedelt.
ie Menschen im ländlichen Raum wären dann weiter-in auf ihre Berater und Banker angewiesen.
Deshalb müssen wir die Berater und die Banken stär-er in die Pflicht nehmen.
innvoller als die Einführung von Finanzmarktwächternst es, die Qualifikation der Anlageberater zu verbessern,ie Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche zu ver-ängern, die Einführung eines Finanz-TÜVs zu prüfen,rovisionen und Kosten offenzulegen und die Dokumen-ation der Beratung zu verbessern,
amit Verbraucher Falschberatungen leichter nachwei-en können.
atürlich sollen auch die Verbraucherzentralen einge-unden werden. Lassen Sie mich an dieser Stelle einenank an die Verbraucherzentralen richten, die in denetzten Wochen und Monaten viele verunsicherte Ver-raucher beraten haben.
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Kurt Segner
Die von den Grünen geforderten Finanzmarktwächterlehnen wir ebenso wie die Ampelkennzeichnung, die Siefordern, ab.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,wenn es um den Verbraucherschutz geht, liegen wir garnicht so weit auseinander. Lassen Sie uns in diesemSinne gemeinsam um die bestmögliche Lösung ringen,um den Schutz des Verbrauchers zu verbessern.Ich bedanke mich.
Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Hans-
Michael Goldmann von der FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!Fast hätte ich gesagt: Liebe Überlebende der Sitzungs-woche!
– Wir sind hier ja in einem kleinen vertrauten Kreis zu-sammen. Sie müssen sich jetzt unter Verbraucherge-sichtspunkten nicht so verausgaben, also nicht so lautdazwischenschreien.
Wir brauchen Produktwahrheit und Produktklarheit,Frau Maisch. Wir brauchen eine bessere Aufsicht, aberganz sicherlich keine Verstaatlichung der Verbraucher-zentralen. In Ihrem Antrag kommt sehr viel von dieserRichtung zum Ausdruck.
Wir brauchen nicht den Wächterstaat, Frau Maisch, son-dern wache Bürger in diesem Staat, die im Grunde ge-nommen die Finanzgeschäfte, die sie machen, ein Stückkontrollieren können. Deswegen brauchen wir Informa-tionen, Bildung und starke Verbraucherzentralen. Daherist Ihr Ansatz, die Verbraucherzentralen sozusagenzwangszuverpflichten, diese Staatsaufgabe zu überneh-men, falsch.
Dieser Ansatz wird in dem Antrag sehr deutlich zumAusdruck gebracht; ich halte das für falsch. Aus meinerSicht ist das Problem mit Ihrem Antrag nicht zu lösen.Ich halte nichts davon, die Verbraucherzentralen so-zusagen zu einem verlängerten Arm der staatlichen Auf-sicht zu machen. Das ist nicht Aufgabe der Verbraucher-znIzTu–nfiüWldFdnacBtzrKsgfttHPsrsishaWuv–H
Wir müssen für die Unabhängigkeit von amerikani-chen Ratingagenturen kämpfen – wir müssen die Ab-ängigkeit beseitigen –, indem wir europäische Rating-genturen schaffen.
ir müssen die staatliche Aufsicht effektiver machennd die Bankaufsicht von der BaFin auf die Bundesbankerlagern. Habe ich auch da recht, Herr Runde?
Sie halten an der treuen, unqualifizierten BaFin fest?abe ich das richtig verstanden? Sie meinen, Sie könn-
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Hans-Michael Goldmannten die BaFin noch retten? Davon bin ich nicht über-zeugt.
Ich glaube, es ist richtig, diese Aufgabe auf die Bun-desbank zu verlagern,
und – da sind wir uns vielleicht ganz schnell einig – wirbrauchen ein Verbraucherinformationsgesetz, das auf dieAnsprüche im Finanzbereich erweitert wird. Es ist ja ansich ein dolles Ding: Sie haben ein Verbraucherinforma-tionsgesetz auf den Weg gebracht, das sich im Kern mitLebensmitteln befasst, aber den Bereich, der die Men-schen in der jetzigen Situation am meisten berührt, aus-klammert. Das ist eine Witzvorstellung.
– Herr Kelber, haben Sie das Gesetz gelesen? Geben Siemir recht?
– Oh, oh, Herr Kelber.Wir haben vor kurzem im Ausschuss gefordert, nichtdaran festzuhalten.
– Wenn Sie gleichzeitig reden, wenn ich rede, ist esschwierig für mich, Sie zu verstehen. Da Sie vom Typher zurückhaltend sind, wie ich weiß, hören Sie docheinmal zu.Wir haben im Ausschuss mehrere Male einen Antragbezüglich der Überprüfungsphase für das Verbraucher-informationsgesetz gestellt. Das muss man sich einmalvorstellen: Sie machen ein Gesetz, in das Sie schreiben,dass Sie nach zwei Jahren überprüfen wollen, wieschlecht es war.
Wir haben gesagt, dass wir das vorziehen möchten, weildie Erkenntnis vorhanden ist, dass das Verbraucherinfor-mationsgesetz überhaupt nicht taugt. Deswegen, meineich, sollten wir einen ersten Schritt gehen, indem wir sa-gen: Finanzgeschäfte werden Bestandteil des Verbrau-cherinformationsgesetzes, und wir fordern die Anbieterund die Berater von Finanzprodukten auf, im Bereichder Produktwahrheit und Produktklarheit durch Qualifi-kation der Berater darauf hinzuarbeiten. Das ist der rich-tige Weg. Einen Finanzmarktwächter zu installieren, derunter staatlicher Aufsicht steht, ist der falsche Weg.
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Private Anlegerinnen und Anleger, insbesondere na-türlich solche mit kleinem Vermögen, sollen sicherer alsbisher aus dem großen Angebot wählen können und so-wohl hinsichtlich der Wahl ihres Beraters als auch beider Auswahl geeigneter Finanzprodukte darauf ver-trauen können, dass gewisse Mindeststandards eingehal-ten werden.Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,auch wir halten den Vorschlag der VerbraucherzentraleBundesverband, einen Finanzmarktwächter einzusetzen,für sehr überlegenswert und prüfen derzeit sehr intensiv,ob und wie eine solche Einrichtung installiert werdenkann.
Obwohl Sie bei uns, was diesen Punkt angeht, offeneTüren einrennen, können wir Ihrem Antrag nicht zustim-men, allerdings aus einem anderen Grund. Es ist nämlichnicht möglich, zu gewährleisten, dass ein solcher Fi-nanzmarktwächter, der die Finanzmärkte ganz gezielt imSinne des Verbrauchers beobachten und entsprechendeBildungs- und Öffentlichkeitsarbeit betreiben soll, einunparteiischer und neutraler Richter und Schlichter ist.
In diesem Punkt ist Ihr Antrag, wie ich meine, nicht ver-tretbar. Daher können wir ihn nicht unterstützen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD-Bundes-tagsfraktion prüft nicht nur die Einrichtung eines Finanz-marktwächters,
sondern wir unterstützen nachhaltig auch die Forderungvon Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück nachSchaffung eines Finanz-TÜVs.
Die Aufgabe eines solchen Finanz-TÜVs besteht darin,Finanzprodukte anhand von zukünftig verpflichtend zuerstellenden Kurzinformationen, die Angaben über diewesentlichen Charakteristika, die Risiken und die Kos-ten enthalten, zu prüfen und zu bewerten. Die Verbrau-cherinnen und Verbraucher sollen möglichst schnell er-kennen können, mit welchem Risiko das Produkt, dasihnen angeboten wird, behaftet ist
und wie hoch Abschlusskosten und Provisionen seinwerden. Ein Standard für diese KurzinformationsblätterusshlzwMvnWG–sitMPdDmtlpicUsMftbwue
ir wären nicht in der heutigen Situation, wenn dasanze funktionieren würde.
Herr Kollege Goldmann, lassen Sie uns in Ruhe nachinnvollen, finanzierbaren und praktikablen Lösungenm Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher suchen!Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat die Kollegin Karin Binder von der Frak-
ion Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!eine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade imrivatkundengeschäft gab es auf dem Finanzmarkt inen letzten Jahren systematische Fehlentwicklungen.ie Verbraucherinnen und Verbraucher waren und sindit einem Markt konfrontiert, auf dem sich die Anbie-erseite zum Teil völlig verzockt hat. Dieser unkontrol-ierte Markt der Finanzprodukte ist geprägt von Intrans-arenz und Unübersichtlichkeit. Die jetzige Krise zeigtn erschreckendem Maße, wie ungeschützt die Verbrau-herinnen und Verbraucher bislang agieren mussten. Dasngleichgewicht zwischen Anbieter- und Verbraucher-eite ist immens.Wir sind der Meinung, dass neben verschiedenenaßnahmen, die zu ergreifen wir bereits in Anträgen ge-ordert haben, unbedingt eine unabhängige, starke Insti-ution aufgebaut werden muss, die den Finanzmarkt ver-raucherorientiert beobachtet und ihn kontrolliert, warnt,enn entsprechende Entwicklungen zu beobachten sind,nd im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucherinschreitet, wenn dies geboten ist.
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22632 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2009
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Karin BinderIn Deutschland gibt es mit den Verbraucherzentraleneine gute Grundlage; denn sie machen weite Teile dieserArbeit bereits.
Sie könnten diese Arbeit noch umfassender und intensi-ver machen, wenn ihre finanzielle und personelle Aus-stattung nicht immer schlechter würde. Die Linke hatdeshalb bereits vor einiger Zeit gefordert, bei den Ver-braucherzentralen und beim Verbraucherzentrale Bun-desverband eine sogenannte Verbraucherzentrale Finan-zen einzurichten.
Diese soll den Finanzmarkt verbraucherorientiert beob-achten und kontrollieren, sie soll dokumentieren und imBedarfsfall warnen sowie als Beschwerdeführer bei derBundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auftre-ten. Sie soll des Weiteren Verbraucherbeschwerden ma-nagen, die Geschädigten kollektiv rechtlich vertreten,Abmahnungen verschicken und Klagen führen. Sie sollselbstverständlich auch, wie es die Verbraucherzentralenbereits tun, Finanzberatungen durchführen. Außerdemsoll sie zur Bildung der Verbraucher im Bereich Finan-zen beitragen.Ob eine solche Einrichtung Verbraucherzentrale Fi-nanzen oder Finanzmarktwächter oder anders heißt, istfür mich nebensächlich. Auch über die detaillierte Aus-gestaltung der konkreten Aufgaben, die diese Einrich-tung erfüllen soll, können wir sprechen. Wichtig unddringend ist aber, dass ein Beschluss gefasst und einesolche unabhängige Institution, die mit Rechten ausge-stattet und in der Lage ist, den Schutz der Verbraucherin-nen und Verbraucher zu gewährleisten, rasch ins Lebengerufen wird. Natürlich braucht eine solche Einrichtung,damit sie ihre Aufgaben wahrnehmen kann, eine ent-sprechende finanzielle Ausstattung.
Dazu müssen natürlich die Verursacher des Problems zurKasse gebeten werden:
die Banken, die Versicherungen und die Finanzinstitute.Versicherungen, Banken und andere Finanzdienstleis-ter haben in den vergangenen Jahren enorm profitiert.Wie durch diese Krise offenkundig wurde, wurden denVerbraucherinnen und Verbrauchern Geldanlagen ver-kauft, die definitiv nicht sicher waren, sondern sogarhochspekulativ, und die an der Lebensrealität und an denEinkommensverhältnissen vieler Kleinanlegerinnen und-anleger komplett vorbeigingen. Deshalb ist es längstüberfällig, dass Verbraucherinnen und Verbraucher vorder Abzocke auf diesem Finanzmarkt geschützt werdenund die Regierung Regelungen und Mechanismenschafft, die genau dies gewährleisten.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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eil sie Lehman-Zertifikate erworben haben und an-
chließend sehen mussten, dass diese Zertifikate sie ins
iefe Unglück stürzten. Deswegen geht es beim Verbrau-
herschutz um die hellwachen Bürger, die erschreckt
ind, weil etwas schiefgegangen ist.
nsofern hat der „Münte-TÜV“ seine Berechtigung
Sie müssen richtig offiziell fragen; dann verlängert
ich meine Redezeit –, denn solche Bürger würden auch
ellwach, wenn bei ihrem Auto plötzlich die Bremsen
ersagten.
ier ist also ein entsprechender TÜV notwendig.
Wenn wir über Finanzmärkte reden, muss man fest-
tellen: Das Vertrauen ist der Anfang von allem.
Herr Kollege Runde, erlauben Sie jetzt eine Zwi-
chenfrage des Kollegen Goldmann?
Natürlich. Ich habe sie ja herausgelockt.
Sie haben ja darauf gewartet.
Vielen Dank, Herr Goldmann.
Herr Runde, ich halte es für prima, was Sie sagen.ber können Sie mir die Frage beantworten, wie dieserodukte „betüvt“ worden wären? Sagen Sie es am bes-en mit Jahreszahlen. Welche TÜV-Plakette hätte dieses
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Hans-Michael GoldmannProdukt im Jahre 2008 erhalten, eine grüne? Hätte es2007 eine „hellgrüne“ TÜV-Plakette erhalten?
Herr Goldmann, das geht doch gar nicht!
– Sie wissen doch selbst, dass das gar nicht geht. Sie
müssen dann auch noch einmal sagen, was Lehman an-
geboten hat: Es wurden gar keine einzelnen Produktli-
nien, sondern häufig Mischprodukte angeboten. Wie wä-
ren sie „betüvt“ worden?
Vielen Dank für diese komplexe Frage; sie verlängert
meine Redezeit ganz ungeheuer.
Am Beispiel der Lehman-Zertifikate kann man sich
darüber unterhalten, was alles schief gelaufen ist. Ers-
tens sind bei den Ratingagenturen die Interessen beim
Bewerten und Beraten vermischt worden. Zweitens gab
es Probleme und Systemfehler bei der Beratung in den
Banken, aber auch bei Sparkassen usw.,
und zwar aufgrund der Anreizsysteme: Lehman-Zertifi-
kate haben hohe Provisionen für die vermittelnde Bank
gebracht, genauso wie für die Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter, die diese Produkte an den Mann und an die Frau
gebracht haben. Daran sieht man die verschiedenen Feh-
ler im System.
Dieses Beispiel zeigt: Es ist nötig, die Anreizsysteme
für Vermittler und für die Banken, die solche Produkte
vertreiben, zu verändern. Darüber müssen wir im Zu-
sammenhang mit einem TÜV, Herr Goldmann, nachden-
ken. Das ist dann Verbraucherschutz. Da geht es nicht
um den wachen Bürger, sondern da muss man Systemsi-
cherheit garantieren. Also schönen Dank für die Frage.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen einen
Dreiklang für die Finanzmärkte: Erstens müssen wir die
Finanzmärkte stabilisieren. Zweitens brauchen wir eine
bessere Regulierung der Finanzmärkte. Drittens benöti-
gen wir im Bereich des Verbraucherschutzes eine Art Fi-
nanz-TÜV. Erforderlich ist gegenseitiges Vertrauen als
Garantie und Schlüssel der Systemstabilität. Ich bin er-
freut, dass wir im Parlament über die Regierungskoali-
tion hinaus Übereinstimmung darin haben, dass Verbrau-
cherschutz auch auf dieser Ebene ansetzen muss, und
zwar mit hoher Geschwindigkeit.
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Allerdings sind die Konsequenzen für die betroffenenMenschen seit der Gesetzesänderung zum Teil fatal. Dasrührt aus unserer Sicht von einer mangelnden Verwal-tungspraxis her.
Der Erwerb und Nachweis der Sprachkenntnisse, alsoder Besuch von Sprachkursen, ist für die Betroffenenoftmals mit erheblichen Hindernissen – mit hohen Kos-ten und einer weiten Anreise – verbunden; denn meistsollen diese Sprachkurse und Sprachtests an Goethe-In-stituten absolviert werden, unabhängig davon, wie weitdiese vom Wohnort der Betroffenen entfernt sind. Bitteverstehen Sie mich nicht falsch: Die Goethe-Institutebieten einen erstklassigen Sprachunterricht an.
Das tun aber auch andere Sprachschulen, und darumgeht es.
Die Notwendigkeit, eine bestimmte Anzahl an Stun-den eines Deutschsprachkurses vorzuweisen, ist aus un-serer Sicht nicht gegeben, von der Notwendigkeit, diese– quasi als Monopol – an den Goethe-Instituten zu absol-vieren, ganz zu schweigen. Der Nachweis der deutschenSprachkompetenz auf dem Niveau A1 nach dem euro-päischen Referenzrahmen kann ohne Zweifel auch aufandere Art und Weise als durch das Zertifikat „StartDeutsch 1“ des Goethe-Instituts erbracht werden.Bevor hier nun gleich einige von Ihnen einwendenwerden, dass auch schon jetzt die Möglichkeit besteht,die Deutschkurse an anderen Sprachschulen durchzufüh-ren, möchte ich Sie direkt darauf hinweisen, dass unsdurchaus bewusst ist, dass dies theoretisch bereits mög-lich und vom Gesetzgeber auch so vorgesehen ist. In derPraxis zeigt sich jedoch ein anderes Bild. Uns erreichenBriefe von deutschen Ehepartnern, in denen deutlich ge-macht wird, dass an den deutschen Auslandsvertretun-gen in der Regel immer nur auf das Angebot der Goethe-Institute verwiesen wird, selbst dann, wenn sich diesesim Nachbarland befindet. Ich denke, dass das doch wirk-lich gar keinen Sinn macht.Abgesehen von dieser unbefriedigenden Praxis soll-ten wir uns noch einmal in Erinnerung rufen, um wel-ches Sprachniveau es sich im Fall des Ehegattennach-zKsndaeldlrVlIszsiznrcwDiwdSufvNfdetekzsskpd
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und dass Sie massiv Ergänzungen und Änderungen in
der Verwaltungspraxis einfordern, die ich ausdrücklich
unterstütze.
Ich sage Ihnen dazu ausdrücklich zu, dass wir auch sei-
tens des Innenausschusses, an den der Antrag zur Mitbe-
ratung überwiesen wird, intensiv das Gespräch mit dem
Auswärtigen Amt suchen werden, um die Anliegen, die
wir als Gesetzgeber im Innenausschuss mit dieser Rege-
lung im Aufenthaltsgesetz verbunden haben, zu verwirk-
lichen.
Ich will noch einmal betonen, dass der Nachweis ein-
facher Deutschkenntnisse vor dem Ehegattennachzug
vor allen Dingen als Instrument im Kampf gegen
Zwangsehen dienen soll und des Weiteren integrations-
politisch eine große Bedeutung hat.
Denn wir wissen um die wichtige Funktion der Kurse in
den Goethe-Instituten, die nicht nur Sprachkenntnisse
vermitteln, sondern zum Beispiel auch über Grundzüge
des Lebens in Deutschland – was integrationspolitisch
wertvoll ist – und über Fragen der Gleichberechtigung
von Mann und Frau informieren.
Aus Gesprächen mit Stadtteilmüttern aus Neukölln
wissen wir – auch wenn Sie das immer wieder bestrei-
ten, Frau Dağdelen –,
dass gerade diese Informationen und Vermittlung von
Lebenswirklichkeiten in den Goethe-Instituten vor dem
Familiennachzug manche fundamentalistisch geprägte
Familie von einer Zwangsverheiratung ihrer Kinder ab-
sehen lässt.
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Herr Kollege Grindel, erlauben Sie eine Zwischen-
rage der Kollegin Laurischk?
Ja. Herzlich gerne, Frau Laurischk.
Herr Kollege Grindel, Sie haben ausgeführt, dass die
DP den Erwerb der deutschen Sprache im Rahmen des
hegattennachzugs für richtig hält. Sind Sie bereit, zur
enntnis zu nehmen, dass wir die unterschiedliche Ge-
ichtung je nach Nationalität der Ehegatten kritisieren?
ir kritisieren auch, dass es Nationalitäten gibt, bei de-
en keine Deutschkenntnisse verlangt werden.
Ich bin dankbar für diese Frage, weil sie mir Gelegen-eit gibt, zwei Punkte aufzuzeigen. Erstens war diesdas bekenne ich freimütig – ein Zugeständnis an unse-en Koalitionspartner, der mit Hinweis auf die Zuwande-ung hochqualifizierter Arbeitskräfte nach Deutschlandarauf hingewiesen hat, dass es nicht angeht, dass einemochqualifizierten Wissenschaftler beispielsweise ausen USA oder aus Japan zur Auflage gemacht wird, dasseine Frau, die vielleicht englisch, französisch und spa-isch spricht, zusätzlich einfache Deutschkenntnisseachweisen muss, insbesondere dann, wenn er sich nurür drei Jahre in Deutschland aufhalten sollte. Das habenir akzeptiert, weil wir, wie gesagt, den Spracherwerbntegrationspolitisch und zur Verhinderung von Zwangs-hen einsetzen wollen. Statt eine zusätzliche Hürde imeltweiten Kampf um die klugen Köpfe zu errichten,ollen wir den Arbeitsmarkt für solche hochqualifizier-en Kräfte öffnen.Ich sage Ihnen aber ausdrücklich zu – wenn wir nacher Bundestagswahl gemeinsam die Gelegenheit dazuaben, dann sollten wir das im Aufenthaltsgesetz regeln –,ass wir dann, wenn ein besonderer Integrationsbedarfegründet ist, auch von den Nationalitäten, die zurzeitm Aufenthaltsgesetz pauschal von der Regelung ausge-ommen werden, den Nachweis einfacher Deutsch-enntnisse verlangen sollten. Darin stimme ich Ihnenusdrücklich zu, weil ich einsehe, dass die bestehendeegelung gerade in der türkischen Community durchausls eine gewisse Diskriminierung gesehen wird, weil dieürkei in dieser Hinsicht als Hauptherkunftsland gilt.Es geht uns nicht darum, einzelne Nationalitäten zuiskriminieren.
s geht uns vielmehr um eine vorbereitende Integration,ndem einfache Deutschkenntnisse verlangt werden.
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Reinhard GrindelFrau Dağdelen hat eben in einem Zwischenruf ge-fragt, in welcher Parallelwelt ich lebe. Gerade die Situa-tion, dass junge Menschen, die 18 bis 20 Jahre inDeutschland leben, ihre Ehegatten im Heimatland su-chen oder in Einzelfällen suchen müssen,
ist, von einigen Ausnahmen abgesehen, Herr Kollege,ein Hinweis darauf, dass sie offenbar in der von Ihnenangesprochenen Parallelwelt leben. Wir wissen, dass indiesen Familien oftmals nicht deutsch gesprochen wirdund keine Deutschkenntnisse vorhanden sind.
Unser Ansatz ist, zum Beispiel durch den verlangtenNachweis einfacher Deutschkenntnisse denjenigen, diehierherkommen, die Botschaft zu vermitteln: „OhneDeutsch geht es nicht“, damit sie ihren Kindern eine gutePerspektive geben können. Wir wollen frühzeitig denEffekt erzielen, dass sie einsehen, dass man in diesemLand nur dann eine gute Perspektive hat, wenn manDeutschkenntnisse nachweist. Das steckt hinter unsererInitiative im Aufenthaltsrecht.
Herr Kollege Leibrecht, ich will Ihnen eines zugeste-hen – damit haben Sie völlig recht –: Auch ich bin überdie Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes durch dasAuswärtige Amt verwundert. Herr Staatsminister Gloser,ich bin über den entsprechenden Runderlass nicht glück-lich. Es ist ganz klar: Ob diejenigen, die ein Visum zumZwecke des Familiennachzugs bekommen wollen, einfa-che Deutschkenntnisse nachgewiesen haben, hat nureiner zu beurteilen, nämlich der Mitarbeiter in der Visa-stelle. Wie das nachgewiesen wird, ob durch ein Zerti-fikat des Goethe-Instituts oder durch andere Sprachschu-len, ist völlig egal. Die entsprechenden Zertifikatekönnen nur ein Instrument sein, um diese Kenntnissenachzuweisen. Am Ende muss aber derjenige das beur-teilen, der in der Visastelle über das Visum entscheidet.Ich halte es übrigens mit Blick auf die auswärtigeKulturpolitik für nicht wünschenswert – ich nehme an,Kollege Leibrecht, dass Sie das genauso sehen –, dassdas Auswärtige Amt die Goethe-Institute in die Rollebringt, eine Art verlängerter Arm der Ordnungsbehördenin Deutschland zu sein. Es ist nicht gut für die Goethe-Institute, wenn in den entsprechenden Ländern der Ein-druck entsteht, dass diese Institute über das Erlangen derentsprechenden Zertifikate darüber entscheiden, ob mannach Deutschland reisen darf oder nicht. Das ist nicht dieAufgabe der Goethe-Institute.
Die Goethe-Institute müssen vielmehr als Dienstleisterin diesen Ländern auftreten, die unseren ausländischenMitbürgern, die zu uns kommen wollen, Hilfestellunggeben, genauso wie die anderen Sprachschulen. Aberletztendlich trifft das Auswärtige Amt durch die Visa-stlAsbbgAiLATFmbDAskrDSDtkbddbtdsAHdsdbmDrzDvstDrmzn–v
A1, genau, Herr Wieland. Das ist ein so niedriges Ni-eau,
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Reinhard Grindel
dass dieses durchaus mit den Instrumenten, die in denHerkunftsländern vorhanden sind, auch erreicht werdenkann.Und das Argument: „Wir haben auch hier in Deutsch-land das Angebot an Integrationskursen“, verfängt des-halb nicht, weil wir wissen, dass die Familien, die esbesonders nötig haben, die bisher einen Bogen um Inte-grationsangebote gemacht haben, in denen eben nichtDeutsch gesprochen wird, gerade diejenigen sind, vondenen diese Angebote der Integrationskurse nicht ange-nommen werden.Das heißt, diejenigen, die es eigentlich am nötigstenhaben, sehen wir in den Kursen nicht. Deswegen kommtes auf die vorbeugende Integration in den Herkunftslän-dern an, und das kann nicht dadurch ersetzt werden, dassman sagt: Na ja, sie müssen ja hier in die Integrations-kurse gehen. – Sie wissen es ganz genau: Das Aufent-haltsrecht gibt es nicht her, jemanden abzuschieben, nurweil er die Integrationskurse nicht besucht. Insofernwäre es ein ganz stumpfes Schwert, hier Verpflichtungeneinzuführen. Es wird auch nicht in die Praxis umgesetzt.Von daher kann ich an dieser Stelle nur sagen, dassIhre Anregungen völlig zu Recht bestehen. Wir braucheneine bessere Lösung, was den Nachweis der Deutsch-kenntnisse angeht. Vom Grundsatz her ist es gerechtfer-tigt, diesen Nachweis zu fordern. Ich habe deutlich ge-sagt: Das Einzige, was wir an Ihrem Antrag kritisieren,ist die allgemeine Härtefallregelung, die nicht sinnvollist.Ich lade Sie jedoch ein – und ich würde mich herzlichfreuen, wenn sich das Auswärtige Amt mit einbringt –:Lassen Sie uns hier zu praktikableren Lösungen kom-men. Herr Gloser, der Staatssekretär im Innenministe-rium sitzt neben Ihnen. Daher sage ich: Eine ähnliche Si-tuation hatten wir schon einmal. Damals ging es darum,dass Aussiedler ihre Deutschkenntnisse nachweisenmussten. Damals entsandten wir Mitarbeiter des Bun-desamtes für Migration und Flüchtlinge in die Visastel-len, damit diese die Botschaftsmitarbeiter bei der Fest-stellung der Sprachkenntnisse unterstützten. Vielleichtkönnen wir das auch in diesem Bereich machen. Dannkönnten Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration undFlüchtlinge gerade in den großen Konsulaten und Bot-schaften in der Türkei und in den anderen Haupther-kunftsländern unterstützend tätig werden.Herzlichen Dank fürs Zuhören.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Sevim Dağdelen von
der Fraktion Die Linke.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Grindel, ich kannnicht anders, aber ich muss schon gestehen: Wenn ichrein hypothetisch zugestehen würde – das tue ich hiermitaewaDaPsgdghmsAfgFdFzlFdadtKrrBvldmdN2gdsnDWs
enn wir halten es für legitim, dass die Menschen freiuswählen können, wen sie heiraten und woher dieseerson kommt. Pauschale Verdächtigungen, dass Men-chen, die aus ländlichen Regionen kommen, nicht inte-rierbar seien, werfen bei mir die Frage auf, ob jemand,en man heiraten will und der aus einer ländlichen Re-ion in Deutschland kommt, bei Ihnen auch noch einmalinsichtlich seiner Integrierbarkeit getestet werdenuss.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die türki-chen Tageszeitungen Zaman und Türkiye berichtetennfang dieser Woche – ich zitiere –: Spracherfordernisür die Familienzusammenführung hat noch eine Familieetroffen.Worum ging es dabei? – Es ging um eine schwangererau in der Türkei. Sie musste zwischen ihrer Stadt undem deutschen Konsulat in Izmir hin und her pendeln.ür diese Frau hat die Neuregelung zum Ehegattennach-ug tragische Folgen. Wegen des Stresses hat sie näm-ich ihr Baby verloren.Es gibt weitere Fälle wie beispielsweise den Fall deramilie Akkus aus Herne. Das Erschütternde ist, dassiese Fälle keinerlei Umdenken bei der Bundesregierunguslösen. Ganz nach dem Motto: „Lieber eine Unschul-ige zu viel, als eine Schuldige zu wenig“ werden solcheragischen Fälle von der Bundesregierung bewusst inauf genommen. Als Argumente für die Sprachanforde-ungen dienen dabei die Bekämpfung der Zwangsverhei-atung und bessere Integrationschancen in Deutschland.elege dafür bleibt uns die Bundesregierung seit der No-ellierung des Zuwanderungsgesetzes trotz meiner wirk-ich konsequenten Kleinen Anfragen bisher schuldig.
Das ist auch kein Wunder, meine Damen und Herren,enn es gibt all diese Belege nicht. Da helfen auch dieerkwürdigsten unbewiesenen Behauptungen des Bun-esinnenministers nichts. Da wird zum Beispiel imachbericht zum Rat der Justiz- und Innenminister am6. und 27. Februar 2009 in Brüssel das Problem arran-ierter Ehen thematisiert und dann darauf verwiesen,ass 40 Prozent der in Deutschland geborenen türkisch-tämmigen Personen Ehepartner aus ländlichen Regio-en der Türkei geheiratet haben und diese zudem ineutschland schwer integrierbar seien. Ich frage mich:as eigentlich ist die Grundlage für so eine Aussage un-erer Bundesregierung? Offensichtlich ist für die Bun-
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Sevim DaðdelenSevim Dağdelendesregierung eben doch die Herkunft aus einer ländli-chen Region gleichbedeutend mit arrangierten Ehen, sowie ich das zuvor schon gesagt habe. Ich finde, das istein Skandal und gehört abgeschafft.
Wenn die Bundesregierung schon nicht verhindernkann, wer wen heiratet, so macht sie doch eines: Sieschikaniert und diskriminiert die Ehegatten, ohne für dievon ihr geschürten Vorurteile auch nur ansatzweise be-lastbare Daten zu haben. Etwas Belastendes hat die Bun-desregierung aber in ihrer Antwort auf meine letzteKleine Anfrage auf der Drucksache 16/11811 geliefert:Seit Einführung der Spracherfordernisse ist die Zahl derEhegattennachzüge um insgesamt 22 Prozent zurückge-gangen. Der Rückgang beträgt bei einzelnen Herkunfts-ländern bis zu 67 Prozent. Die Zahl der Ehegattennach-züge aus der Türkei ging um 33 Prozent zurück.Angesichts dieser verfestigten Entwicklung wie dieFDP in ihrem Antrag davon zu sprechen, dass die in derPraxis wirkenden Folgen „vom Gesetzgeber weder vor-gesehen noch intendiert“ seien, kann wohl kaum ernstgenommen werden. Das ist eine zynische Formulierung.Wir können diesem Antrag so selbstverständlich nichtzustimmen.
Der Antrag der FDP geht von völlig falschen Annah-men aus. Hier hat sich nicht einfach eine Praxis heraus-gebildet, die zusätzliche Hürden produziert. Hier gibt eseine gezielt geschaffene Rechtslage, die diese Praxis zurFolge haben soll. Wer diese Praxis ändern will, muss dieRechtslage ändern. Für die Linke gilt das Grundrecht aufSchutz von Ehe und Familie unabhängig von der Her-kunft. Wir halten es für unerträglich, dass dieses Grund-recht nur für Menschen aus bestimmten Ländern undauch noch aus bestimmten Regionen gelten soll.
Wir halten das für verfassungswidrig. Deshalb fordernwir eine Abschaffung dieser Regelungen, weil sie ein-fach verfassungswidrig und inhuman sind. Sie sind aus-grenzend, diskriminierend und nicht zuletzt rassistisch.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Monika Griefahn von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Seit der Reform des Zuwanderungsgesetzes von2007 wird der Nachweis von einfachen Deutschkennt-nissen verlangt, wenn ein Ehepartner zu ihrer oder seinerFamilie nach Deutschland ziehen will. Was heißt das,um das einmal präzise zu fassen? Man muss 600 Wörterkennen. Ich habe mehrfach nachgefragt, wie groß derallgemeine Wortschatz in Deutschland ist. Er umfasstmnIkdmkwsnldZDincAhIffbhsoswlswSwzkUUdTmnHs
ch bitte, das zu berücksichtigen, wenn es heißt: Dasann man mal eben schnell lernen. – Also, so einfach istas nicht.
Es ist zweifellos wichtig, Maßnahmen zu treffen, da-it sich Einwanderer besser in Deutschland integrierenönnen. Doch ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ichährend der ganzen Debatte um das Zuwanderungsge-etz an so manchen Punkten Bauchschmerzen hatte, dieicht weggegangen sind. Die bestehenden rigiden Rege-ungen führen dazu, dass die für Deutschland und dieeutsche Gesellschaft wichtige und auch notwendigeuwanderung eher verhindert als befördert wird. Dieseiskussion führen wir immer wieder.Herausgekommen ist ein Koalitionskompromiss – dasst so –, der durch die Mitwirkung von uns als SPD mei-er Ansicht nach moderater und zuwanderungsfreundli-her ausgefallen ist, als er es ohne uns gewesen wäre.us diesem Grund fällt es mir nicht schwer, einzugeste-en, dass ich die Sprachtests, auf deren Einführung diennenpolitiker der Union damals bestanden haben, nichtür die optimale Regelung halte.
Man muss aber Folgendes zugestehen – dieser weiter-ührende positive Aspekt der Sprachkurse ist inzwischenelegt –: Eine Umfrage beim Goethe-Institut in Ankaraat ergeben, dass 82 Prozent der Sprachschüler nach be-tandener Prüfung weiter Deutsch lernen wollen,
bwohl immerhin 66 Prozent die Prüfung ohne das Ge-etz nicht abgelegt hätten. Trotzdem glaube ich: Die ge-ünschte Integration lässt sich auch anders und vor al-em weniger repressiv realisieren. In diesem Punkttimme ich dem Antrag der FDP zu.Die Sprachtests sind immer dann nicht verpflichtend,enn Abkommen zwischen Deutschland und anderentaaten bestehen. Für Bürger der Europäischen Unionäre ein solcher Sprachtest wegen der garantierten Frei-ügigkeit rechtswidrig. Ebenso bestehen bilaterale Ab-ommen mit anderen Staaten wie zum Beispiel mit denSA. Insofern empfinde auch ich diesen Zustand alsngleichbehandlung und kann mir kaum vorstellen, dassieser konkrete Punkt vor Gerichten Bestand hätte.rotzdem werden wir als SPD dem Antrag nicht zustim-en, weil schlicht mehrere andere Fehler darin sind.Zum Beispiel ist die Rede davon, dass der Besuch ei-es Sprachkurses vor der Prüfung vorgeschrieben sei.err Grindel, da haben Sie wiederum recht. Das istchlicht falsch. Das ist nicht vorgeschrieben. Wie Ehe-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2009 22639
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Monika Griefahngatten diese Sprachkenntnisse erwerben, ist ihnen völligfreigestellt.
Nur die Prüfung ist verpflichtend. Wenn aber bei der An-tragstellung einfache Deutschkenntnisse für den Konsu-latsmitarbeiter bereits erkennbar sind, dann ist gar keinSprachnachweis notwendig. Es gibt noch eine weiterefalsche Behauptung in dem Antrag. Wenn durch Krank-heit oder Behinderung der Ehegatten solch eine Prüfungunzumutbar ist, dann besteht sehr wohl nach dem Aus-ländergesetz ein gesetzlicher Ausnahmetatbestand, so-dass solch eine Prüfung erst gar nicht vorausgesetztwird.Lieber Herr Leibrecht, ich habe Verständnis dafür,dass Sie als Abgeordneter der FDP das schwere Los ha-ben, immer, überall und ohne Rücksicht auf Verluste denfreien Wettbewerb hochzuhalten. Bei diesem Beispiel istdas aber nur bedingt sinnvoll. Es ist richtig, dass mo-mentan grundsätzlich nur das Sprachzertifikat desGoethe-Instituts ohne weitere Prüfung anerkannt wird.Es wird jedoch daran gearbeitet, verstärkt andere gleich-wertige und zuverlässige Zertifikate anderer Anbieterzuzulassen. Für die Prüfungen haben wir mit demGoethe-Institut aber einen Partner, der hohe Qualität ver-lässlich garantieren kann. Auch das muss man einmalfeststellen. Das sagt jeder.
Welche anderen Anbieter von Zertifikaten das in glei-chem Maße gewährleisten können, muss man sich ebengenau anschauen. Sie können sich denken, dass bei sol-chen Zertifikaten leider auch Missbrauch möglich ist.Den wollen wir natürlich ausschließen. Ich habe keineLust, wieder eine Debatte wie die zu führen, die wir da-mals im Visaausschuss hatten. Damals ging es darum,dass Visa auf merkwürdige Weisen erlangt worden sind.
Insofern muss man auch das thematisieren. In Regionen,in denen es weder ein Goethe-Institut noch einen Lizenz-nehmer gibt, der die Prüfung abnehmen kann, werdendie Deutschkenntnisse an den Auslandsvertretungen mit-hilfe eines Handbuchs festgestellt.
Frau Kollegin Griefahn, erlauben Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Grindel?
Nein, Herr Grindel hat doch schon geredet. Jetzt rede
ich erst einmal weiter.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen: Die Pra-
is der Sprachtests ist bei weitem nicht so einfach, wie
ich das manche bei der Ausarbeitung des Zuwande-
ungsgesetzes 2007 vorgestellt haben. Man kann aber
lar sagen, dass sich die Auslandsvertretungen und die
oethe-Institute ständig um Verbesserungen bemühen.
ir haben einen engen Kontakt mit dem Auswärtigen
mt. Ich frage nach jeder Reise, die mit dem Ausschuss
der in anderer Funktion gemacht wird, nach. Ich kann
er Kritik der FDP in einigen Punkten nicht zustimmen,
nd deswegen werden wir als SPD den Antrag ablehnen.
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hatas Wort der Kollege Wolfgang Wieland vonündnis 90/Die Grünen.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist im-mer etwas Besonderes, freitags als letzter Redner hierdas Wort zu erhalten. Herr Kollege Leibrecht, auch umSie herum ist es schon etwas einsam geworden. Ichhoffe, dass in Ihrer liberalen Fraktion Ihr soeben einge-nommener Standpunkt „Wir begrüßen es im Grundsatz,dass der Spracherwerb des nachziehenden Ehegattennunmehr im Ausland geschehen muss“ genauso isoliertbleibt, wie Sie im Moment hier sitzen. Dieser Punkt istein später Triumph für unser „Duo infernale von derVisastelle“, Grindel/Uhl; das haben sie immer gewollt.
Das haben sie in der Koalition durchgesetzt. Im Innen-ausschuss hat die FDP sogar dagegengehalten. Das istein deutscher Sonderweg.
– Na, aber selbstverständlich.
– Schauen Sie sich die Metock-Entscheidung des Euro-päischen Gerichtshofes an.
– Na, selbstverständlich. – Danach sind wir jetzt ver-pflichtet, beispielsweise einem Österreicher, der im Bun-desgebiet lebt, den Nachzug seiner indischen Ehefrau zugestatten, und zwar ohne vorherigen Spracherwerb derEhefrau.
In einem vergleichbaren Fall wäre einem Deutschen derNachzug seiner Ehefrau aber nach wie vor verboten. Er-klären Sie doch einmal irgendjemandem, dass das ver-nünftig, gut und richtig ist.
Frau Dağdelen hat schon darauf hingewiesen, dassder geschätzte Bundesinnenminister im Ministerrat ver-gangenen Monat – das ist also noch gar nicht so langeher – erklärt hat: Wenn ihr uns mit solchen Urteilenkommt, dann müssen wir die europäische Rechtslage än-dern.
Das heißt, Sie wollen die anderen europäischen Staatendazu verpflichten, diesen unsinnigen Sonderweg zu be-schreiten.
Etwas Ähnliches haben Sie mit der Visa-Warndateiund mit der Einladerdatei jetzt vor: das Einschlagen ei-nes deutschen Irrwegs.SIsjf–ErWzKddhLswbbwlmü–GSüdWSLbscEHb–s
ie wollen, dass zusätzlich zu dem europäischen Visa-nformationssystem VIS eine nationale Einladerdatei ge-chaffen wird. Dabei sollen alle registriert werden, dieemanden aus dem Ausland einladen. Wenn die Zahlünf überschritten ist, dann heißt es: Geht nicht mehr.
Ja, selbstverständlich. – Man gilt dann als unzulässigerinlader. Wie sonst sollen die Visastellen darauf reagie-en?
as sonst soll diese Visumzählerei? Sich so etwas aus-udenken – es tut mir leid, das sagen zu müssen, Herrollege Grindel –, ist nur mit einer Traumatisierungurch den Visa-Untersuchungsausschuss zu erklären.
Der Antrag der FDP rennt zum Teil offene Türen ein;as wurde hier gesagt. In ihm sind richtige Punkte ent-alten, etwa die Schaffung einer Härtefallkommission.eider werden einige Probleme völlig außen vor gelas-en. Was ist beispielsweise mit Analphabeten? Bisherird ihnen gesagt: Lernt erst einmal Lesen und Schrei-en, dann lernt Deutsch; wenn ihr das Pech habt, dass esei euch keine Konsularabteilung gibt – das ist beispiels-eise in Eritrea der Fall –, dann geht in euer Nachbar-and und stellt dort einen Antrag. – Das alles ist unzu-utbar und hat mit dem Schutz von Ehe und Familieberhaupt nichts zu tun.
Informieren Sie sich einmal, bevor Sie so etwas insesetz schreiben! Informieren Sie sich einmal über diechwierigkeiten! Frauen aus dem Jemen, in dem esberhaupt kein Goethe-Institut gibt, wird gesagt: Na,ann lernt die deutsche Sprache eben mit Kassetten.enn diese Frauen entgegnen: „Aber wir haben keinentromanschluss in unserem Dorf“, wird ihnen entgegnet:asst euch von euren Ehegatten Batterien schicken oderenutzt eine Handkurbel. Auf einen solchen Irrsinns-tandard haben Sie das Ganze mit einer völlig untaugli-hen Maßnahme zurückgeschraubt.Ich kann mich noch daran erinnern, wie der Kollegedathy hier sagte: Ich stimme diesem Gesetz zu in deroffnung, dass das Bundesverfassungsgericht es aufhe-en wird.
Na ja, das war etwas widersprüchlich; das hat er selbero gesehen. – Diese Hoffnung bleibt natürlich. Die klei-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2009 22641
(C)
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Wolfgang Wielandnen Verbesserungen können eine von Grund auf falscheMaßnahme nicht zu einer richtigen machen.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/11753 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
Das ist der Fall. Es handelt sich um die Reden der Kolle-
ginnen und Kollegen Clemens Binninger, CDU/CSU,
Wolfgang Gunkel, SPD, Birgit Homburger, FDP, Ulla
Jelpke, Die Linke, Silke Stokar von Neuforn, Bündnis 90/
Die Grünen.1)
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 16/12133.
Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschluss-
empfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der
FDP auf Drucksache 16/3648 mit dem Titel „Ausbil-
dung der Polizeikräfte in Afghanistan forcieren“. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstim-
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Innenausschusses
– zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit
Homburger, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
FDP
Ausbildung der Polizeikräfte in Afghanis-
tan forcieren
– zu dem Antrag der Abgeordneten Petra Pau,
Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Jan Korte und
der Fraktion DIE LINKE
Änderung des Bundespolizeigesetzes für
Auslandseinsätze der Bundespolizei
– zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried
Nachtwei, Jürgen Trittin, Silke Stokar von
Neuforn, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ohne Polizei und Justiz keine Sicherheit –
Polizei- und Justizaufbau in Afghanistan
drastisch beschleunigen
– Drucksachen 16/3648, 16/3421, 16/6931,
16/12133 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Clemens Binninger
Wolfgang Gunkel
Gisela Piltz
Ulla Jelpke
Silke Stokar von Neuforn
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu
Protokoll zu nehmen. Sind Sie damit einverstanden? –
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1)
(D
en? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist
it den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegen-
timmen von FDP und Linken sowie Enthaltung von
ündnis 90/Die Grünen angenommen.
Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt
er Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion
ie Linke auf Drucksache 16/3421 mit dem Titel „Än-
erung des Bundespolizeigesetzes für Auslandseinsätze
er Bundespolizei“. Wer stimmt für diese Beschluss-
mpfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die
eschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koaliti-
nsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen
er Fraktion Die Linke und Enthaltung der Fraktion
ündnis 90/Die Grünen angenommen.
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 seiner
eschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak-
on Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/6931
it dem Titel „Ohne Polizei und Justiz keine Sicher-
eit – Polizei- und Justizaufbau in Afghanistan drastisch
eschleunigen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
ung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die
eschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koali-
ionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Gegen-
timmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Ent-
altung der FDP-Fraktion angenommen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Mittwoch, den 18. März 2009, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.