Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alleherzlich.Es gibt einige Mitteilungen, Ergänzungen und Ände-rungen der Tagesordnung, über die ich zu Beginn infor-mieren möchte:Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass der Kol-lege Dr. Wolf Bauer heute seinen 70. Geburtstag feiert.
– Er wird besonders dankbar dafür sein, dass diese Zwi-schenrufe aufgrund meiner Nachfrage vor Beginn derSitzung im Protokoll vermerkt werden.Nun wollen wir auf die Zwischenrufe warten, die ge-macht werden, wenn ich darauf hinweise, dass die Kolle-gen Dr. Edmund Peter Geisen und Dr. Franz JosefJung heute ihren 60. Geburtstag feiern können.dF2GFssKndDGnSigKDdIRedet
– So viel Einigkeit gibt es hier selten. Umso herzlichergratuliere ich allen genannten Kollegen im Namen desganzen Hauses zu ihrem heutigen Geburtstag und wün-sche alles Gute für die nächsten Jahre.Der Kollege Ralf Göbel hat mit Wirkung vom1. März auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundes-tag verzichtet. Als Nachfolger begrüße ich herzlich denKollegen Werner Wittlich.
Da er dem Deutschen Bundestag nicht zum ersten Mal,sondern erneut angehört, muss ich ihn mit debedingungen der Arbeit hier im Hause nichttraut machen. Wir freuen uns auf die erneute uZusammenarbeit.
n Rahmen-weiter ver-nd weitere
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, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Moder-nisierung von Verfahren im patentanwaltli-chen Berufsrecht– Drucksache 16/12061 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschussb) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neure-gelung des notariellen Disziplinarrechts– Drucksache 16/12062 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Innenausschussc) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-rung des Internationalen Familienrechtsver-fahrensgesetzes– Drucksache 16/12063 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugendd) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Sta-bilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwi-schen den Europäischen Gemeinschaften undihren Mitgliedstaaten einerseits und der Repu-blik Montenegro andererseits– Drucksache 16/12064 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Unione) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu demHaager Übereinkommen vom 19. Oktober 1996über die Zuständigkeit, das anzuwendendeRecht, die Anerkennung, Vollstreckung undZusammenarbeit auf dem Gebiet der elterli-chen Verantwortung und der Maßnahmenzum Schutz von Kindern– Drucksache 16/12068 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionZZ
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpas-sung der Vorschriften des Internationalen Pri-vatrechts an die Verordnung Nr. 593/2008– Drucksache 16/12104 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Uniong) Beratung des Antrags der Abgeordneten MechthildDyckmans, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDPProfessionalität und Effizienz der Aufsichts-räte deutscher Unternehmen verbessern– Drucksache 16/10885 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieP 3 Beschlussempfehlungen des Vermittlungsaus-schussesa) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschus-
der Entschädigung von Telekommunikations-unternehmen für die Heranziehung im Rahmen
– Drucksachen 16/7103, 16/11348, 16/12016,16/12120 –Berichterstattung:Abgeordnete Antje Tillmannb) Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-
Verfahren des elektronischen Entgeltnachwei-ses
– Drucksachen 16/10492, 16/11666, 16/12017,16/12121 –Berichterstattung:Abgeordneter Wolfgang Meckelburgc) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschus-
lung der Kraftfahrzeugsteuer und Änderunganderer Gesetze– Drucksachen 16/11742, 16/11900, 16/11902,16/11931, 16/12033, 16/12122 –Berichterstattung:Abgeordneter Thomas OppermannP 4 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs einesGesetzes zur Fortführung der Gesetzeslage2006 bei der Entfernungspauschale– Drucksache 16/12099 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
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Präsident Dr. Norbert LammertAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitHaushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GOZP 5 Erste Beratung des von den Abgeordneten MichaelKauch, Angelika Brunkhorst, Horst Meierhofer,weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDPeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än-derung des Gesetzes über den Vorrang Erneu-erbarer Energien– Drucksache 16/12094 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten KatrinKunert, Katja Kipping, Dr. Gesine Lötzsch, wei-terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKEKeine Anrechnung der Abwrackprämie beiALG II und Eingliederungshilfe– Drucksache 16/12114 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
HaushaltsausschussZP 7 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs einesGesetzes zur weiteren Stabilisierung des Fi-
– Drucksache 16/12100 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
InnenausschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieHaushaltsausschussZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Hüseyin-Kenan Aydin, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEEinsetzung eines Untersuchungsausschusses– Drucksache 16/12130 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität undGeschäftsordnungZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten RainderSteenblock, Marieluise Beck , VolkerBeck , weiterer Abgeordneter und derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENDemokratie und Sicherheit im Südkaukasusstärken– Drucksache 16/12110 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
InnenausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungwozdTpsasmüRwgDeWKguaBJBN
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Mit diesem Bericht bringen wir zum Ausdruck: Me-ien sind Wirtschafts- und Kulturgut zugleich. Deredien- und Kommunikationsbericht ist mehr als einegweiser für die Politik. Er ist ein einzigartiges, wissen-chaftlich fundiertes Kompendium. Er nimmt eine me-ien- und ressortübergreifende Zusammenschau der ge-amten technischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichennd politischen Auswirkungen der Medienentwicklungom Ende der 90er-Jahre bis heute vor, erklärt ihre Ver-indungen und zeigt die aktuellen und künftigen medien-olitischen Instrumente der Bundesregierung auf. Diesermfassende Ansatz unterscheidet ihn von allen früherenedienberichten der Bundesregierung.Erstmals ist ein Medienbericht zudem auf die in dererfassung angelegten Grundprinzipien der Medien- undommunikationspolitik wie den Schutz der Kommuni-ationsgrundrechte und die Förderung der Qualität derngebote ausgerichtet. Dazu gehört jedoch auch, dass
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Staatsminister Bernd Neumanndie Medienanbieter selbst, aber auch die Mediennutzerangesichts eines immer unübersichtlicher werdendenMedienangebots, eines Angebots von Vielfalt, stärker indie Verantwortung genommen werden müssen.Der Medienbericht zeigt umfassend auf, wie die Digi-talisierung die Herstellung und Inhalte der Medienange-bote, die Wertschöpfungsketten, die Unternehmensstruk-turen und die Mediennutzung in den letzten Jahrengravierend verändert hat und auch in Zukunft weiter ver-ändern wird.Am deutlichsten werden die Folgen der Digitalisie-rung am beispiellosen Siegeszug des Internets sichtbar.Vor nicht einmal 20 Jahren war das Internet nur einemkleinen Kreis von Experten zugänglich und lediglich fürwenige Anwendungen vorgesehen. Inzwischen ist es zueiner für jedermann verfügbaren und quantitativ uner-schöpflichen Informations- und Kommunikationsplatt-form geworden. Das Internet ist aus dem Alltag dermeisten Menschen nicht mehr wegzudenken. Um zu be-schreiben, wie tief es den Einzelnen und die Gesellschaftmittlerweile beeinflusst, eignet sich die Formel, dieFrank Schirrmacher in der aktuellen Debatte über dieZukunft der Zeitung im Onlinezeitalter geprägt hat:Zeitung und Internet sind konstitutiv für den, derein aufgeklärtes Leben führen will.Meine Damen und Herren, am Beispiel des Internetslässt sich auch die bedeutsamste Folge der Digitalisie-rung demonstrieren: die Konvergenz, das Zusammen-wirken, das Zusammenwachsen von technischen Kom-munikationsstrukturen, Medieninhalten, Endgerätensowie aller Telekommunikations- und Medienbranchen.Die Grenzen der klassischen Medien – Presse, Hörfunkund Fernsehen – verlieren damit in weiten Bereichenihre Bedeutung. Neue Kommunikations- und Angebots-formen entstehen. So wird zum Beispiel das klassischeSender-Empfänger-Schema der analogen Welt überwun-den. Der Nutzer wird erstmals in die Lage versetzt,selbst zum Programmgestalter und zum Programmanbie-ter zu werden und damit in Konkurrenz zu etabliertenMedienunternehmen zu treten.Ebenso bilden sich bei jungen Nutzern mit den inter-aktiven Bildschirmspielen neue Leitmedien heraus. Sieverdrängen bei den Jugendlichen die Medien Tonträger,Film und Fernsehen aus ihrer Rolle als Leitmedien.Auch die Nutzung von Zeitungen, Zeitschriften undFernsehen nimmt insbesondere bei jungen Menschen zu-gunsten des Internets massiv ab.Wir befinden uns also in einer Umbruchsituation.Internet und Konvergenz werden die klassischen Me-dienangebote aber nicht gänzlich verdrängen. Denn dieklassischen Medien bedienen nach wie vor menschlicheGrundbedürfnisse, die in ihrem Kern keinem Wandel un-terliegen. Für Zeitungen, Zeitschriften und Bücher istdas der Wunsch nach Muße, Entschleunigung, fundierterInformation und Raum für Fantasie. Für das Fernsehenist das das Bedürfnis nach Unterhaltung und Informa-tion, die nicht vom Zuschauer selbst gesteuert werdenmüssen. Die Medienpolitik hat also mit den traditionel-len Medien weiter zu rechnen. Deshalb muss sie dafürsIa–TlwhgMvtUmrcnnMsirvPbawefbDMbIQcKssnbjzW
Dass dies auch für den Rundfunk gilt, Herr Kollegeauss, ist selbstverständlich. Um die Stärke des öffent-ich-rechtlichen Rundfunks im Onlinebereich brauchenir uns allerdings keine Sorgen zu machen; wie wir se-en, sorgt er schon selbst dafür, dass er im Onlinebereichut vertreten ist.
Meine Damen und Herren, die wachsende Zahl deredienangebote und Kommunikationsmöglichkeitenerlangt den Menschen immer mehr Kenntnisse und Fer-igkeiten ab. Dies gilt umso mehr, als der kompetentemgang mit Technik und Inhalten heute stärker als je-als zuvor Voraussetzung für die individuelle Orientie-ung, für die gesellschaftliche Teilhabe und für berufli-hen Erfolg ist. Damit wird die durchgreifende undachhaltige Verbesserung der Medienkompetenz zu ei-em immer wichtigeren Thema der Medienpolitik.
edienkompetenz ist unabdingbar, um die in Fachkrei-en viel diskutierte „digitale Spaltung“ der Gesellschaftn eine Infoelite einerseits und in Modernisierungsverlie-er andererseits zu vermeiden.Die Bundesregierung hat deshalb eine Vielzahl inno-ativer und nachhaltiger Projekte aufgelegt, die vonrintmedien bis zu Computerspielen sämtliche Medien-ereiche umfassen und vielfach gemeinsam mit Partnernus Wirtschaft und Bildungseinrichtungen durchgeführterden. Als herausragende Beispiele zu nennen sindtwa die „Nationale Initiative Printmedien“, „Ein Netzür Kinder“, die Einrichtung von „Vision Kino“ und last,ut not least die vom Bundestag initiierte Vergabe eineseutschen Computerspielpreises, den wir erstmals Endeärz dieses Jahres, gemeinsam mit der Computerspiel-ranche, verleihen.
ch finde, das ist ein wichtiges Signal im Hinblick aufualitätsanforderungen für diesen Bereich.Die Digitalisierung eröffnet einerseits enorme Chan-en für die individuelle, gesellschaftliche und politischeommunikation und Entwicklung, für Bildung, für Wis-enschaft und Wirtschaft. Andererseits ist nicht zu über-ehen, dass die gravierenden Veränderungen in den ge-annten Bereichen der Medien auch Risiken mit sichringen. Ich denke dabei besonders an die neuen Formenugendgefährdender Angebote, an Urheberrechtsverlet-ungen und an das Problem der Datensicherheit im Netz.enn das positive Potenzial der Digitalisierung für den
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Staatsminister Bernd NeumannEinzelnen und für die Gesellschaft voll zur Entfaltungkommen soll, dann müssen wir diese Risiken auf ein Mi-nimum reduzieren.
Der vorliegende Bericht – lassen Sie mich dies ab-schließend sagen – belegt mit einer Vielzahl konkreterProjekte, dass die Bundesregierung konsequent das Zielverfolgt, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen undihre Risiken so weit wie möglich zu begrenzen. Dies istder richtige Wegweiser, um mit dieser Zukunftsindustrieauch weiterhin Erfolg zu haben.Vielen Dank.
Das Wort erhält nun der Kollege Hans-Joachim Otto
für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu-nächst einige durchaus positive Aspekte: Dass wir heutezum ersten Mal in dieser Legislaturperiode Gelegenheithaben, in der Kernzeit über Medien- und Kommunika-tionspolitik zu sprechen, verdanken wir der Tatsache,dass Staatsminister Bernd Neumann einen Auftrag desParlaments getreulich und in beeindruckender Weiseausgeführt hat. Der vorliegende Medien- und Kommuni-kationsbericht ist in der Tat eine sehr gute Grundlage fürvielfältige weitere Diskussionen; er ist ein Kompen-dium, an dem wir uns in den nächsten Jahren orientierenwerden können.
Zu begrüßen ist, dass dieser Bericht über eine reineBestandsanalyse weit hinausgeht. Er identifiziert we-sentliche Entwicklungstrends, an denen wir uns bei derGestaltung der politischen Rahmenbedingungen für dieInformationsgesellschaft orientieren können. Dabei fal-len völlig zu Recht vor allem zwei Schlagworte: Digita-lisierung und Konvergenz. Liebe Kolleginnen und Kol-legen, es mag noch nicht überall durchgedrungen sein;aber wir leben bereits im digitalen und konvergentenZeitalter. Ohne die Erkenntnis dieser Tatsache wird mankeine zukunftsorientierte Medienpolitik mehr gestaltenkönnen.Der Deutsche Bundestag respektiert natürlich diegrundsätzliche Zuständigkeit der Bundesländer für dieMedienpolitik. Allerdings ist der im Bericht vertretenenAuffassung sehr nachhaltig zuzustimmen, dass einegroße – ich füge hinzu: eine wachsende – bundespoliti-sche Verantwortung für die Wahrung und Sicherungder Meinungsfreiheit und -vielfalt in Deutschland exis-tiert. Ebenfalls ist vor dem Hintergrund der Tatsachen,dass medienpolitische Entscheidungen der BundesländernsdABmstdDiwcomzdkddsdrKsfnnuswTrdEdrÖVItSS–
enn es etwa um die schwerwiegenden wettbewerbli-hen Konsequenzen des letzten Rundfunkstaatsvertragsder um die anstehende Novellierung der EU-Rundfunk-itteilung geht, für mich immer schwerer nachzuvoll-iehen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, der von der Bun-esregierung vorgelegte Bericht enthält viele richtige Er-enntnisse und gute Hinweise. Dies hat die FDP auch inem Entschließungsantrag angesprochen, der Ihnen zuiesem Bericht vorliegt und der nachher an die Aus-chüsse überwiesen werden wird. Leider zieht die Bun-esregierung an einigen entscheidenden Stellen aus ih-en richtigen Erkenntnissen nicht die notwendigenonsequenzen. Wenn wir uns die vielen gesetzgeberi-chen Aktivitäten und Unterlassungen der Regierungs-raktionen und der Bundesregierung aus den letzten Mo-aten und Jahren vergegenwärtigen, zeichnet sich einicht mehr ganz so helles Bild der deutschen Medien-nd Kommunikationslandschaft ab, wie es der Berichtuggeriert.Von den vielen Baustellen spreche ich nur einigeichtige an und komme zunächst auf ein sehr aktuelleshema zu sprechen, bei dem die FDP allerdings seit Jah-en Veränderungen gefordert hat. Nun ist das Kind inen Brunnen gefallen. Sie ahnen es womöglich bereits:s geht um das ZDF. Einige Politiker in Amt und Wür-en sind gerade dabei, nicht nur gute und bewährte Füh-ungskräfte dieses öffentlich-rechtlichen Senders in allerffentlichkeit zu demontieren, sondern gleich auch dasertrauen in das gesamte ZDF zu beschädigen.
ch komme nicht umhin, auch Ihnen, Herr Staatsminis-er, dafür eine Mitverantwortung zuzuschreiben.
ie sind nämlich Mitglied im Verwaltungsrat des ZDF.ie müssen nun endlich insbesondere Ihre Parteifreunde auch einen aus Hessen – zur Räson bringen.
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Hans-Joachim Otto
Was dort gerade um Nikolaus Brender und das ZDFherum abläuft, ist geeignet, das ZDF als eine wichtigeSäule der deutschen Medienordnung zu diskreditieren.
Beenden Sie bitte das unwürdige Spiel der parteipoliti-schen Pression!
Herr Kollege Otto, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Börnsen?
Aber sicher.
Bitte sehr, Herr Kollege Börnsen.
Lieber Joachim Otto, –
Das fängt schon gut an.
– ist es nicht vertretbar, dass wir, da wir alle Vorgänge
in unserer Gesellschaft kritisch hinterfragen, auch die
Tätigkeit von Journalisten, von Personen kritisch hinter-
fragen?
Darf es eigentlich einen Schonraum nur für Journalisten
geben? Ich glaube, das wäre auch nicht im Sinne der
FDP.
Wenn innerhalb von sieben Jahren 20 Prozent weni-
ger Zuschauer bei der Sendung heute, 10 Prozent weni-
ger beim heute-journal und 56 Prozent weniger beim
Auslandsjournal einschalten, dann muss doch der Ver-
waltungsrat eines Senders auf diese Rückgänge und an-
deres im Sender insgesamt reagieren. Besteht nicht die
Notwendigkeit, dass der Verwaltungsrat kritisch hinter-
fragt, ob das an Personen oder an der Struktur liegt?
Muss nicht auch ihm das Recht zugestanden werden,
sich mit dem Gesamtsachverhalt zu befassen und gleich-
zeitig dazu aufzufordern, über neue Strukturen nachzu-
denken?
Warum muss eigentlich immer die Politik die Kohlen
aus dem Feuer holen?
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s gibt dort eine Vielzahl kluger Leute aus der Zivilge-
ellschaft.
arum kann man das nicht auf den Sachverhalt und
icht nur auf Personen zuschneiden?
Lieber Wolfgang Börnsen, Nikolaus Brender ist nichtur ein guter, sondern auch ein erfahrener Journalist, deron allen seinen Mitarbeitern im Sender hoch gelobtird. Wenn es so wäre, dass diese Rückgänge, die duben benannt hast, auf Herrn Brender zurückzuführenären, dann würde auch ich den Sachverhalt anders se-en.Wir sagen in aller Klarheit: Der öffentlich-rechtlicheundfunk hat den Auftrag, ein Qualitätsprogramm zuachen.
it diesem Qualitätsprogramm erzielt man nicht immerine Riesenquote. Ich verlange von Nikolaus Brendernd dem ZDF nicht, dass sie die gleiche Quote wie RTLit seinen Nachrichten erzielen. RTL liegt mit seinenachrichtensendungen weit vorne. Das ist nicht die Auf-abe des ZDF. Wir Gebührenzahler zahlen dafür, dassier ein gutes Programm gemacht wird.Die Nachrichtensendungen des ZDF sehe ich von al-en Nachrichtensendungen am häufigsten. Ich finde, dassas ZDF-Nachrichtenprogramm, und zwar sowohl heutels auch das heute-journal, ganz hervorragend ist.
ieses Programm ist prämiert. Alle Mitarbeiter im Sen-er stehen hinter Nikolaus Brender.Ein letztes Wort dazu: Seien wir bitte nicht blauäugignd naiv. Es geht hier um eine parteipolitische Sache.
as ist ein ganz klarer Sachverhalt. Es geht hier nichtm die Qualität. Natürlich hat der Verwaltungsrat dieufgabe, zu kontrollieren. Das ist gar keine Frage.
Wenn ich mich für Ihren Sender einsetze, lieber Herrollege Grindel, dann sollten Sie darüber doch beglücktein.
ch setze mich ja nicht jeden Tag so lebhaft für das ZDFin. – Ich setze mich für das ZDF und für Nikolausrender ein, weil ich der Meinung bin, dass dort ein her-
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Hans-Joachim Otto
vorragendes Programm gemacht wird – jedenfalls über-wiegend.Kritik kann man immer üben, vor allen Dingen amVerwaltungsrat. Ich möchte aber ganz klar sagen: DieKritik, die mein hessischer Ministerpräsident geäußerthat, überzeugt mich von vorne bis hinten nicht.
Wir reden in der Koalition in Hessen auch darüber.
Lange Rede, kurzer Sinn: Das öffentlich-rechtlicheProgramm ist und bleibt einem spezifischen Qualitäts-auftrag verpflichtet. Ich glaube, dass Herr Brender dafürein guter Vertreter ist.Wenn wir schon dabei sind: Die Causa Brender undauch – jetzt kommt vielleicht der Beifall von der anderenSeite – die delikate Geburtstagssause für Kurt Beck aufKosten des ZDF
sind nur die Spitze des Eisberges. Es ist allerhöchsteZeit, die Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rund-funk grundlegend zu reformieren.
Wir benötigen endlich eine effektive, externe und pro-fessionelle Aufsicht, die nicht zuletzt über den sachge-rechten und sparsamen Einsatz der 8 Milliarden Euro,die wir Gebührenzahler jedes Jahr bezahlen müssen,wacht. Das jetzige System der Binnenkontrolle ist nichteffizient. Dadurch entstehen auch Schieflagen und Wett-bewerbsverzerrungen im Mediensystem, zum Beispieldurch die immer noch ungebremste Expansion der öf-fentlich-rechtlichen Anstalten im Internet, welche die ei-gentlich durch das duale System sicherzustellende Me-dien- und Meinungsvielfalt gefährden. Hier ist auch derBund – nicht zuletzt auch die Bundespolitiker in den ver-antwortlichen Gremien, Herr Staatsminister – gefragt.Um das Thema Rundfunk an dieser Stelle abzuschlie-ßen, sei noch darauf hingewiesen, dass auch die Finan-zierungsfrage weiterhin im Raume steht. Am anachro-nistischen System der gerätebezogenen Rundfunk-gebühr und der Schnüffelbehörde GEZ festzuhalten, istfahrlässig.
Helfen Sie mit bei der Einführung einer allgemeinen undpauschalen Medienabgabe! Das hieße weniger Bürokra-tie, keine unfairen Doppelbelastungen, keine GEZ-Schnüffler und wäre also eine klassische Win-win-Situa-tion.In diesem Zusammenhang möchte ich es nicht versäu-men, mein medienpolitisches Ceterum censeo anzubrin-gen: Wir benötigen insgesamt eine einheitliche Aufsichts-und Regulierungsstruktur für Medien und Telekommuni-kation nach dem Vorbild der britischen Ofcom. Unserebürokratische und zersplitterte Aufsichtslandschaft be-hudKbBgseWTpbWretdnmSoLDvzntvnuzfKrMsKAggVg
ie letzten Jahre waren von einer massiven Ausweitungon Überwachungs- und Speicherungspflichten gekenn-eichnet. Aber damit nicht genug: Sie wollten auchoch, dass der riesige technische Aufwand, der dazu be-rieben werden muss, am besten von anderen – von pri-aten Unternehmen – bezahlt wird. So geht das abericht. Auch die Gerichte haben der Bundesregierung innterschiedlichsten Instanzen – vom Amtsgericht bisum Bundesverfassungsgericht – bereits schallende Ohr-eigen verpasst.Herr Staatsminister, wirken Sie bei Ihren Kollegen imabinett und vor allen Dingen bei Ihren Kollegen in Ih-er Fraktion darauf hin, dass endlich wieder ein gesundesaß zwischen gebotenen Sicherheitsinteressen einer-eits und einem hohen Maß an Meinungs-, Medien- undommunikationsfreiheit andererseits gefunden wird.ußerdem empfehle ich Ihnen sehr, ein faires Entschädi-ungsregime zu installieren, wenn Sie zu viele Ohrfei-en durch die Gerichte meiden wollen. Entsprechendeorschläge liegen vor.Ich möchte noch ein Wort zu einem Thema sagen, dasanz aktuell ist.
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Dann müssen Sie sich aber bitte beeilen.
Ja.
– Ich habe häufiger recht, Herr Kollege Tauss.
Bedauerlicherweise ist die Redezeit häufig dann zu
Ende, wenn der unstreitig richtige Teil folgen soll.
Ob er unstreitig ist, lieber Herr Präsident, kann ich Ih-
nen nicht versprechen.
Sehen Sie! Deswegen ermahne ich Sie und weise da-
rauf hin, dass Ihre Redezeit eigentlich abgelaufen ist.
Ich komme sofort zum Ende.
Es gab gestern eine Anhörung im Wirtschaftsaus-
schuss zu einem der wichtigsten Gesetze, die es im Be-
reich des Internets gibt, nämlich zum Telemediengesetz.
Diese Anhörung – übrigens zu einem Gesetzentwurf der
FDP – hat gezeigt: Wir brauchen dringend präzisere Haf-
tungsregelungen, die die Innovationsfähigkeit und die
Meinungsfreiheit im Internet stärken. Es darf nicht sein,
dass ganze Meinungsforen oder Wikipedia abgeschaltet
werden müssen, nur weil sich irgendjemand – manchmal
auch aus der Linkspartei – durch dort von einem Dritten
vorgebrachte Äußerungen gestört fühlt. Die Regierungs-
fraktionen und die Bundesregierung sind aufgefordert,
schnellstmöglich, noch in dieser Legislaturperiode, das
Telemediengesetz zu ändern.
Es gäbe noch vieles zu sagen, allerdings nicht jetzt.
Seien Sie sicher: Die FDP-Fraktion wird sich an den not-
wendigen Diskussionen und Reformen gerade in diesem
Bereich sehr konstruktiv beteiligen. Wir wissen: Medien
und Kommunikation sind Branchen der Zukunft. Me-
dien und Kommunikation prägen die Kultur des Landes.
Herr Kollege Otto!
Deswegen, lieber Herr Präsident, komme ich jetzt
zum Ende.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt klatsche ich einmal bei einem FDP-Redner Bei-
all, und Herrn Westerwelle ist es wieder nicht recht.
Herr Staatsminister, Sie haben den von uns allen be-
rüßten Bericht vorgelegt. Ich hätte mir aber in der Tat
ewünscht, dass Sie zu dem Thema, das der Kollege
tto angesprochen hat, nämlich zum derzeitigen Skan-
al im Verwaltungsrat des ZDF, dem Sie angehören, ei-
ige Worte verloren hätten. Meine Bitte lautet, das nach-
uholen, insbesondere im Hinblick darauf, was der
ollege Börnsen gesagt hat. Lieber Wolfgang Börnsen,
ie haben Zahlen genannt, die nicht nachvollziehbar
ind.
Herr Staatsminister, mich interessiert, ob es die Mei-
ung der Bundesregierung und speziell Ihre ist – die
eldungen im Zusammenhang mit den Nachrichtensen-
ungen zum Beispiel auf 3sat sind falsch; das wissen wir
lles; der Staatsminister weiß es als Mitglied des Verwal-
ungsrates sicherlich besser –, dass Nachrichtensendun-
en im öffentlich-rechtlichen Bereich denselben Anfor-
erungen an die Quote zu unterwerfen sind wie
nterhaltungssendungen in anderen Bereichen. Dies
ielte ich für problematisch, Wolfgang Börnsen.
Das Wort erhält nun die Kollegin Monika Griefahn
ür die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnennd Kollegen! Was lange währt, wird endlich gut. Nuniegt der lang ersehnte und von der SPD-Fraktion immerieder eingeforderte Bericht endlich vor. Der Bundestagat 1976 die Bundesregierung aufgefordert, fortlaufendber die Entwicklung im Medienbereich zu berichten. Inezug auf die modernen Informations- und Kommuni-ationstechnologien ist viel passiert. Wenn ich mir dasanze genau anschaue, dann stelle ich fest: Die Digitali-ierung und die Konvergenz von Medien erfordern neuentworten. Wir brauchen einen Schulterschluss zwi-
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Monika Griefahnschen Bund und Ländern; denn wir haben Kompetenzenin beiden Bereichen. Leider sind die Ländervertreterheute nicht anwesend. Es wäre gut, wenn wir schon hiermit dem Schulterschluss beginnen würden.
– Ja, aber wir haben beides: zum Beispiel das Teleme-diengesetz oder das Jugendschutzgesetz, wofür der Bundzuständig ist, und auf der anderen Seite Gesetze, die inder Kompetenz der Länder liegen.Wir müssen die Vielfalt erhalten. Wir brauchen dieVerzahnung von medien-, kultur-, bildungs- und wirt-schaftspolitischen sowie technologischen Fragen. Wirhaben es immer noch nicht geschafft, diese Fragen um-fassend aufzugreifen. Von daher bietet der Bericht mei-ner Ansicht nach eine gute Grundlage, um in diesemFeld weiterzuarbeiten.Ein sehr umfassendes Handlungsfeld sind die elektro-nischen Medien und der Rundfunk; das haben wir geradein der Debatte angesprochen. Ganz wichtig ist auch derBezug – dieser wurde hier noch nicht besonders heraus-gearbeitet – zur europäischen Medienordnung. Wir sehenim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dass die Europäi-sche Kommission im Moment die Rundfunkmitteilungüberarbeitet, in der es um die staatliche Finanzierung desöffentlich-rechtlichen Rundfunks bezogen auf das Bei-hilferecht geht. Gerade heute – parallel zu unserer Sit-zung hier – wird im Europäischen Parlament eine Anhö-rung durchgeführt, in der sehr viele Mitgliedstaaten sehrdeutlich Kritik an der geplanten Überarbeitung üben.Das kann ich nur unterstützen.Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt die Bundes-regierung auch in ihrer Position, dass eine grundsätzli-che Überarbeitung der Rundfunkmitteilung aus demJahre 2001 überhaupt nicht notwendig ist. Hier wirdwieder versucht, über den Umweg Brüssel die Finanzie-rung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Gebüh-ren grundlegend infrage zu stellen. Insofern nutzen sol-che Aktionen, wie sie im Moment laufen – auf diese sindder Kollege Otto und der Kollege Tauss eingegangen –,auch nicht viel. Denn auch damit wird das öffentlich-rechtliche System infrage gestellt. Das muss man hierauch einmal sehr deutlich sagen.
Nach dem Amsterdamer Protokoll zum EG-Vertragliegt die ausschließliche Kompetenz für den Rundfunkbei den Mitgliedstaaten. Die Besonderheit des Rund-funks liegt darin, dass es ein Kultur- und Wirtschaftsgutist. Ich betone noch einmal: Es ist ein Kultur- und Wirt-schaftsgut, also nicht nur ein Wirtschaftsgut. Es kannalso nicht Aufgabe der EU-Kommission sein, im Auf-trag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter wettbe-werbsrechtlichen Aspekten einzugreifen.Wir haben doch die Situation, dass wir im letzten Jahrintensiv darüber diskutiert haben, wie der Beihilfekom-promiss, also die Anforderungen, die im Hinblick aufDigitalisierung und Internetnutzung an öffentlich-recht-lichen Rundfunk gestellt worden sind, im 12. Rund-fwsswMcdMsbcnrdttlItfamDR1Qsi–irümisdnDwviFdsw
Ich – und natürlich auch die SPD-Fraktion – streiteür den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das heißt aberuch, dass die Unabhängigkeit gewährleistet werdenuss und dass wir Qualität haben wollen und müssen.
as ist unsere Anforderung an öffentlich-rechtlichenundfunk.Herr Koch, Sie haben in der Diskussion über den2. Rundfunkänderungsstaatsvertrag einen engen, anualität orientierten Programmauftrag gefordert. Bitteetzen Sie es um, und lassen Sie die Leute arbeiten! Dasst jetzt notwendig.
Ja, das ist der Punkt. Wir haben genau diese Situationm Moment.Es ist meiner Meinung nach sehr wichtig, dass im Be-icht neue Themen aufgegriffen worden sind. Wir habenber die Computerspiele gesprochen. Der Herr Staats-inister hat darauf hingewiesen, dass wir am 31. Märzn München das erste Mal den „Deutschen Computer-pielepreis“ verleihen werden. Ich meine, es ist wichtig,arauf aufmerksam zu machen, dass wir gute Produktio-en in Deutschland haben. Wir führen eben nicht dieseiskussion um die Killerspiele weiter. Vielmehr habenir wunderbare Spiele wie zum Beispiel „Die Siedleron Catan“. Nennen möchte ich auch „Wii Fit“, das imnternationalen Bereich ein großer Renner ist, sowieußballspiele, die viel größere Marktanteile haben alsie berühmten Killerspiele. Wir haben den Jugend-chutz, glaube ich, auch in dem Bereich verstärkt, indemir die Kennzeichnung verbessert haben.
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Monika GriefahnEin wichtiger Punkt ist: Wir versuchen jetzt, die Me-dienkompetenz in allen Bereichen zu verstärken. DieComputerspiele haben heute – wie der Film – eine ganzwichtige Funktion auch im künstlerischen Bereich. DieMusikentwicklung, die Designentwicklung, die Kostüm-entwicklung und alles, was im Film passiert, gibt es auchin den Computerspielen. Das wird dadurch deutlich.
Frau Kollegin Griefahn, gestatten Sie eine Zwischen-
frage der Kollegin Jochimsen?
Ja, gerne.
Frau Kollegin Griefahn, Sie haben gerade gesagt, die
Politik müsse sich eventuell überlegen, ob die Gremien-
besetzung in Zukunft anders gestaltet werden sollte.
Diese Überlegung gibt es schon seit Jahrzehnten.
Stimmen Sie mir zu, dass es eigentlich zwei ganz ein-
fache Handlungsweisen gäbe? Erstens. Man könnte dem
ZDF eine Intendantenverfassung, wie sie der Hessische
Rundfunk hat, geben, gemäß der der Intendant die Beset-
zung seiner herausragenden journalistischen Positionen
überhaupt nicht mit dem Verwaltungsrat abstimmen
muss. Der Hessische Rundfunk hat, seit es diesen Sender
gibt, eine Intendantenverfassung innerhalb der ARD, die
man übernehmen könnte. Zweitens. Man könnte – auch
das ist seit Jahren in der Diskussion – einfach bestim-
men, dass in den Verwaltungsrat keine Vertreter von Par-
teien berufen werden. Darüber ist übrigens sehr lange
und sehr oft diskutiert worden.
Stimmen Sie mir zu, dass es eigentlich ganz einfache
Wege gibt, aus dieser Situation herauszukommen, dass
darüber schon seit Jahrzehnten diskutiert wird und die
Vorschläge letztendlich an der Politik scheitern, weil
doch wieder die Vertreter der Parteien in die Gremien
berufen werden?
Intendantenverfassungen gibt es in vielen Einrichtun-
gen. Deswegen ist das eine sinnvolle Frage. Die Verwal-
tungsgremien entscheiden über den Intendanten, und der
Intendant darf dann selber entscheiden, wie er seine Po-
litik gestaltet. Das halte ich für richtig. Ich glaube, das ist
auch in diesem Fall richtig. Die Frage, ob die Vertreter,
die nicht von den Parteien kommen, trotzdem parteipoli-
tisch gebunden sind, bleibt aber offen. Die gesellschaftli-
chen Gruppen sollen vertreten sein, es muss aber darauf
geachtet werden, dass nicht Parteien innerhalb der ge-
sellschaftlichen Gruppen ein Übergewicht gewinnen.
Das ist eine wichtige Diskussion, die wir noch führen
müssen.
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Wenn wir über Computerspiele sprechen, müssen wir
uch noch einen Satz zu der aktuellen Situation des
ilmförderungsgesetzes sagen. Wir haben das Gesetz
nde des letzten Jahres novelliert. Es gab ein Verfahren
on einigen Kinobetreibern vor dem Bundesverwal-
ungsgericht – ich will ausdrücklich sagen: nicht von al-
en –, das dazu geführt hat, dass diese Kinobetreiber im
rinzip recht bekommen haben. Ich denke, die Bundes-
ilmförderung, die Förderung über die Filmförderan-
talt ist sehr wichtig. Sie nutzt allen: Sie nutzt den Kinos,
ie nutzt den Filmemachern, sie nutzt den Produzenten,
nd sie nutzt den Kinobesuchern, weil es eine Vielzahl
on Filmen gibt, die nicht nur ausschließlich von den
ändern gefördert werden.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle dringend darum
itten, dass sich alle an einen Tisch setzen – ich weiß,
ass heute das Präsidium der FFA zusammentritt und
arüber diskutiert wird – und an einer Lösung arbeiten.
s kann doch nicht angehen, dass dieses bewährte In-
trument der bundesweiten Filmförderung, das von einer
olidarischen Gemeinschaft finanziert und umgesetzt
ird, dadurch aufgehoben wird, dass einige nicht damit
inverstanden sind. Also noch einmal an dieser Stelle:
ir brauchen eine Lösung. Die Förderung darf nicht nur
ber die Länder, sondern muss auch über den Bund lau-
en. Wir brauchen jetzt eine Lösung in diesem Fall. Ich
ürde mir sehr wünschen, dass wir an dieser Stelle wei-
erkommen.
Die Konvergenz der Medien und die Zahl der cross-
edialen Medienformen nehmen zu. Wir brauchen eine
n dieser Entwicklung orientierte Medienordnung. Diese
ird immer notwendiger. Wir müssen immer wieder Ju-
endmedienschutz und Datenschutz prüfen, da es immer
ehr Übertragungswege und -formen gibt, und wir müs-
en überlegen, was noch getan werden kann, und bishe-
ige Verfahren infrage stellen. Wir müssen uns stärker
it der Frage auseinandersetzen, ob für das Zusammen-
achsen der Medienstrukturen nicht eine sektorüber-
reifende Medienordnung notwendig ist. Ich glaube, ja.
iese Medienordnung haben wir schon vor einigen Jah-
en gefordert. Der Kommunikationsbericht ist jetzt ein
uter neuer Ansatz, um daran weiterzuarbeiten. Ich wün-
che mir, dass wir das in der nächsten Legislaturperiode
emeinsam mit allen Fraktionen konstruktiv anpacken;
enn das geht uns alle an.
Danke schön.
Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Lothar Bisky für
ie Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Die Bedeutung von Medienpolitik wird heute
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Dr. Lothar Biskyallgemein und von allen politischen Parteien unter-schätzt. Peter Glotz sprach bereits im Jahr 1970 von derMedienpolitik als dem fünften Rad am Wagen der Poli-tik. Besser ist es bis in die Gegenwart nicht geworden.Wir reden heute in der Kernzeit über dieses Thema. Viel-leicht ist das der Beginn einer allmählichen Verände-rung, was ich jedenfalls hoffe.Die gewählten Medienpolitikerinnen und Medienpo-litiker haben erstaunlich wenig zu entscheiden. Wederin den Landesparlamenten noch im Bundestag noch imEuropäischen Parlament werden die Grundlinien derMedienpolitik bestimmt. Die wesentlichen Entscheidun-gen fällen andere in außerparlamentarischen Verhand-lungssystemen und Netzwerken: in Deutschland zumBeispiel in der Rundfunkkommission, einem komplettintransparenten Gremium. Auf europäischer Ebene siehtes nicht besser aus. Ebenso informelle Gremien derKommissarin für Informationsgesellschaft und Medienund der Kommissarin für Wettbewerb haben hier das Sa-gen.Im Bundestag sind die medienpolitischen Gestal-tungsmöglichkeiten – das wissen Sie alle – aufgrund län-der- und europapolitischer Zuständigkeiten ziemlich be-grenzt, obwohl es einige gibt. Im Kulturausschusskommen Medien zwar regelmäßig vor. Letztlich aberherrscht in der Medienpolitik die Expertokratie.
Dabei kann es in einer demokratischen Mediengesell-schaft doch gar nicht genug Transparenz und Teilhabegeben. Insofern gebührt Staatsminister Neumann Dank,mit dem Medien- und Kommunikationsbericht ein Do-kument vorgelegt zu haben, in dem ein umfassender An-satz gewagt wird und die Bedingungen der Medienpoli-tik in ihrer gesamten rechtlichen, ökonomischen undtechnologiepolitischen Bandbreite aufgezeigt werden.Der Zugang zu Kommunikation und Information be-rührt Grundfragen demokratischer Beteiligung. Wer dieKulturtechniken des Digitalzeitalters nicht beherrscht,wer sich im Internet nicht auskennt, wer keinen Zugangzu digitalen Netzinfrastrukturen hat, kann sich an diesemTeil demokratischer Willensbildung nicht ausreichendbeteiligen. Dieser Teil, die digitale Welt, wächst. Im di-gitalen Kapitalismus werden Information und Wissens-produktion unmittelbar zur Produktivkraft. Es ist ent-scheidend, wie und vor allem von wem die Netzwerkedigitaler Kommunikation künftig beherrscht werden.
Wir stehen hier vor neuen Herausforderungen. DieTrennung zwischen Rundfunk und Telekommunikationist schon bald Geschichte. Sie wird in einer Konver-genz, also einer Angleichung der Netze, aufgelöst wer-den. Rundfunk, Fernsehen und Telefonate können überdigitale Netze und Frequenzen übertragen werden. Es istalso kein Wunder, dass sich schon bald neben den eta-blierten Senderfamilien und Programmbetreibern zusätz-lich Kabelnetz- und Telekommunikationsanbieter aufdem Rundfunkmarkt tummeln werden. Dabei sind auchdie finanzstarken Internetkonkurrenten nicht zu verges-sen, die hier Geld verdienen wollen. Genau das ist dasPmumnmWgfRtfrvedisBKnfsfbsrdMDgsDNdüzDWa
Zweitens. Der freie und gleiche Informationsfluss imetz ist ein hohes Gut. Meine Damen und Herren voner Union, ich kenne Ihre Sehnsucht, das Internet zuberwachen und zu kontrollieren. Sie machen sich damitum Erfüllungsgehilfen von Industrieinteressen.
ie Linke sagt dazu Nein.
ir lehnen es ab, dass das Urheberrecht im Digitalzeit-lter zum Industrierecht verkommt.
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Dr. Lothar Bisky
Ein modernes Urheberrecht muss stattdessen die Interes-sen der Kreativen in den Mittelpunkt stellen.
Selbstverständlich müssen Privatkopien und Kopien fürBildungs- und Forschungszwecke möglich sein und blei-ben.Drittens. Es gilt, die rein betriebswirtschaftlicheDenkweise im Medienmarkt zu begrenzen. Um zu ver-hindern, dass Rundfunk und Presse als reines Kommerz-geschäft betrieben werden, sollte über eine alte Idee neunachgedacht werden: Ich denke an Redaktionsstatute.
Sie könnten dazu beitragen, die redaktionelle Unabhän-gigkeit zu stärken.
Sie ist bitter notwendig, damit die Aushöhlung öffentli-cher Berichterstattung im rein finanziellen Interesse ver-hindert wird.
Gerade die Massenkommunikation muss demokratischlegitimiert sein.
Viertens. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk solltedie mit der Digitalisierung verbundenen neuen Entwick-lungsmöglichkeiten frei und ohne Einschränkungen nut-zen können. Allerdings dürfen neue digitale Aktivitätenkein Grund sein, die Rundfunkgebühr zu erhöhen.Meine Damen und Herren, in einem zukunftsfähigenöffentlich-rechtlichen Rundfunk haben die Kreativenmehr und die Verwaltungen weniger zu sagen,
sind Mitspracherechte der Zuschauerinnen und Zu-schauer selbstverständlich, ist eine konsequent werbe-freie, nicht kommerzielle Ausrichtung die Grundlage fürQualität. In einem zukunftsfähigen öffentlich-rechtli-chen Rundfunk gäbe es mehr Sachverstand in den Rund-funkgremien.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will nur kurz er-wähnen – Herr Otto ist darauf eingegangen; KolleginGriefahn hat dazu gesprochen –: Die unappetitlichenVorgänge im ZDF zeigen doch, dass der Parteienpro-porz und der Versuch, in den Medien immer wieder Par-teiinteressen durchzusetzen, nicht der Geschichte ange-hören, sondern lebendige Gegenwart sind.
Deshalb schlagen wir einen Parteienrückzugsvertrag vor.Wir sind für den Rückzug unserer Vertreter aus den Gre-mdwwpvms1tstwDwelgpssbcdgnntddtrALZg
Das Wort hat nun der Kollege Fritz Kuhn, Bündnis 90/
ie Grünen.
Herr Kollege, ich dachte, Sie wären froh darüber, dassir den Medienbericht zur Primetime diskutieren. Demntspricht auch, wer alles dazu redet.Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vor-iegende Bericht ist in der Tat beeindruckend, weil er dieanze Breite und Vielfalt der alten und neuen Medien-robleme darstellt. Er hat große Stärken in der Gesamt-chau und in der Analytik, aber noch Schwächen im Zu-ammenhang mit konkreten Vorschlägen dazu, wieestimmte Punkte umzusetzen sind. Zum Beispiel brau-hen wir wegen der Konvergenz der verschiedenen Me-ien neue Formen der Monopolkontrolle. Die bisheri-en Formen funktionieren bei Presse und Hörfunk, abericht so gut bei den Computermedien. Wir sind nochicht so weit, das im Sinne einer effektiven Konzentra-ions- und Monopolkontrolle neu aufzustellen. Wir iner Politik – nicht nur der Staatsminister, sondern auchas Parlament – haben die Aufgabe, dies jetzt zu konkre-isieren.Nach der Lektüre des Berichts finde ich, dass die Spu-en dafür gelegt sind, wie es gemacht werden könnte.ber es ist unendlich mühsam und kompliziert, zu neuenösungen zu kommen, die der Konvergenz, also demusammenwachsen aller Formen von Medien, wirklicherecht werden.
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Fritz KuhnHerr Staatsminister, ich will Ihnen einmal ein Feed-back geben. Wenn ich mich frage, wofür Sie, HerrStaatsminister Neumann, eigentlich stehen, dann fallenmir die Filmförderung, der neue Computerpreis undvielleicht noch die „Nationale Initiative Printmedien“ein. Aber zu allen anderen Fragen, die im Bericht alswichtig und vorrangig beschrieben sind, hört man vonIhnen als Staatsminister, der für den gesamten Bereichzuständig ist, herzlich wenig.
– Ich rede jetzt auch von der Öffentlichkeit.
– Beruhigen Sie sich doch! Sie wissen, dass Fraktions-vorsitzende nicht in jedem Ausschuss sind.Ich will Ihnen einmal ein Beispiel nennen. Für das imBericht und auch von Ihnen gerade reklamierte Ziel derMedienfreiheit sind Themen wie Onlinedurchsuchungund Vorratsdatenspeicherung elementar. Was Innenmi-nister Schäuble in diesem Bereich gemacht hat, das sindAnschläge auf die Rundfunk- und Medienfreiheit, undzwar sowohl der Mediennutzerinnen und Mediennutzerals auch der Journalistinnen und Journalisten.
Dazu haben wir von Ihnen als dem zuständigen Staats-minister öffentlich nichts gehört. Wenn Sie sich in IhremAmt als Anwalt für die Belange der Medienfreiheit ver-stehen, dann, finde ich, hätten Sie sich dazu äußern müs-sen.Ich will einen zweiten Punkt ansprechen. Wir habenin Deutschland als Konsequenz aus der deutschen Rund-funkgeschichte das Prinzip des staatsfernen Rund-funks – nach dem Krieg zu Recht auch von den Alliier-ten verlangt –, bei dem die öffentlich-rechtlichenAnstalten die Geschäfte über gesellschaftlich relevanteGruppen im Rahmen praktizierter Binnenpluralität zu re-geln haben. Es gilt also Staatsferne, damit wir nicht in soetwas geraten, was es in der DDR gab, was es bei Putingibt und wofür Sarkozy in Frankreich jetzt mit demneuen Gesetz die Spur legt. Die Ereignisse um den Chef-redakteur des ZDF, Herrn Brender, die schon angespro-chen worden sind, zeigen nichts anderes, als dass wir dieStaatsferne nicht dauerhaft verwirklicht haben, sondernimmer neu erkämpfen müssen.
Aufgrund der ZDF-Satzung – ich war lange im Fern-sehrat des ZDF – ist es möglich, dass man in den Gre-mien intern über bestimmte Fragen diskutiert – das heißtBinnenpluralität –, in diesem Fall speziell im Verwal-tungsrat über die Frage, ob es bei der Besetzung desChefredakteurpostens ein Einvernehmen mit dem Inten-danten gibt. Dass aber Ministerpräsidenten, die im Ver-waltungsrat sind, diese Debatte öffentlich führen
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Es gibt eine einfache Lösung. Frau Jochimsen, an ei-er Stelle stimme ich Ihnen übrigens nicht ganz zu. Diearteien sind gesellschaftlich relevante Gruppen. Werollte dies verneinen? Deswegen gehören sie in beschei-enem Umfang in die Rundfunkräte. In Verwaltungsrä-en und im Rundfunkrat aber haben vor allem Vertreteron Regierungen und Staatskanzleien nichts zu suchen.ir haben inzwischen ein „Staatskanzleirundfunkwesen“ der Bundesrepublik Deutschland. Das muss geänderterden. Deswegen schlagen wir vor, dass Regierungsver-eter nicht im Rundfunkrat und im Verwaltungsrat seinürfen, sehr wohl aber im Rundfunkrat Parteienvertreterein können.
arteien dürfen nicht dominieren. Das ist entscheidend.ie Parteienvertreter machen beim ZDF nicht mehr alsie Hälfte aus. Wenn man aber hinzurechnet, welche ge-ellschaftlich relevanten Gruppen noch von Parteien mit-estimmt werden, dann kommt man auf weit über dieälfte. Deswegen haben wir einen politisch dominiertenundfunk. Das sollten wir ändern.Herr Neumann, als dafür zuständiger Staatsministernd als Mitglied des Verwaltungsrates des ZDF – Sientscheiden mit über die Personalie des ZDF-Chefredak-eurs – hätte ich mir von Ihnen eine öffentliche Klarstel-ung gewünscht, dass Sie für Rundfunkfreiheit sind undass Sie diese Intervention von Herrn Koch missbilligen.enn man für Medienfreiheit kämpfen will, gehört Mutazu, aber nicht nur schöngeistige Reden auf einem ge-issen Niveau, wie wir es von Ihnen gewohnt sind.
Ich will noch einige andere Punkte ansprechen, dieichtig sind. Das Thema der digitalen Spaltung beziehtich nicht nur auf die Frage – davor warne ich –, werichtig angeschlossen ist, sondern bezieht sich vor allemuf die Frage, wer über die entsprechenden Kompeten-en verfügt, um die Mediennutzung so praktizieren zuönnen, dass sie wirklich weiterhilft.Wir haben ein Mediensystem, das unendliche Men-en von Informationen liefert. Aus diesen Informationenber Wissen zu machen – also das eigenständige Verar-eiten von Informationen –, ist eine Frage der Medien-ompetenz, die nicht allein in den Medien oder durchie Medien erworben werden kann. Wer die Medien-ompetenz voranbringen will, der muss bei den Bil-ungssystemen der Länder einen Durchbruch für mehr
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Fritz KuhnMedienkompetenz schaffen. Dass die Länder bei derheutigen Debatte gar nicht vertreten sind, sehe ich unterdiesem Gesichtspunkt als nicht besonders positiv an.
In dem Bericht steht an mehreren Stellen, Schulenund Eltern müssten einen größeren Beitrag leisten. Dazusind aber Mittel und Ressourcen notwendig, weil der Er-werb von Medienkompetenz – aus Informationsbergensich selbst qualifiziertes Wissen erarbeiten zu können –ein sehr schwieriger Prozess ist, bei dem man metho-disch und pädagogisch geleitet werden muss und Unter-stützung braucht. Deshalb ist ein anderer Stellenwert derMedien insgesamt und der Computer im Besonderen anunseren Schulen erforderlich. Ein bisschen Informatikreicht nicht.Der nächste Punkt, den ich ansprechen möchte, be-zieht sich auf die Vielfalt. In dem Bericht wird oft dasHohelied der Vielfalt gesungen. Ich zitiere aus dem Be-richt:Die Einführung des privaten Rundfunks hat dazugeführt, dass wir in Deutschland eines der vielfäl-tigsten Rundfunkangebote der Welt haben.Ich will ganz persönlich sagen, aber diese Auffassungmüssen nicht alle teilen: Wir können zu Hause eineMenge Programme empfangen. Wenn man aber genauhinschaut, dann stellt man fest, dass die Zahl der Pro-gramme nicht so groß ist, wie die Fernbedienung es her-gibt, sondern wir haben ungeheuer viel von Gleichem.Von wegen Vielfalt!Ich finde, eine Aufgabenstellung der nächsten Zeit,für deren Erfüllung die Länder hauptsächlich zuständigsind, ist, dafür zu sorgen, dass aus diesen vielen Pro-grammen endlich auch eine Vielfalt im Sinne qualitativunterschiedlicher Angebote wird.Wir sollten in der politischen Auseinandersetzungmehr Qualität im privaten wie im öffentlich-rechtlichenRundfunk einfordern. Dann wären wir auf einem gutenWeg. Nicht nur die Zahl der Knöpfe auf der Fernbedie-nung zählt; denn dies allein hilft nicht weiter.Vielen Dank.
Das Wort erhält nun der Kollege Wolfgang Börnsen
für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Herr Kuhn, Ihrer letzten Bemerkung, dass es um mehrQualität in den öffentlich-rechtlichen, aber auch in denprivaten Medien gehen muss, kann man zustimmen. Eshätte aber Ihrer Redeintention noch mehr gedient, wennSsDtfsErKeDgdheeÜnndnggMDpnvlgrqfMdbnFdtDff
ann hätten Sie nämlich erfahren, dass der Staatsminis-er für Kultur und Medien sehr wohl Anwalt für Medien-reiheit und für Medienvielfalt ist, nicht nur im Aus-chuss, sondern auch darüber hinaus.
r vertritt dieses Anliegen auch engagiert in der Bundes-egierung. Gerade dafür steht er. Er übt sehr wohl auchritik daran, wenn Medienfreiheit und Medienvielfaltingeschränkt werden.
as hätten Sie erfahren, wenn Sie an Ausschusssitzun-en teilgenommen hätten. Danke.
Vor 20 Jahren kam der Sendung Wetten, dass..? imeutschen Fernsehen ein Alleinstellungsmerkmal zu;eute, 20 Jahre später, ist die Wirklichkeit der Medienine völlig andere. Statt einer großen Sendung haben wirine Medienvielfalt an Programmen, Kanälen undbertragungswegen. So viele Bilder wie heute gab esoch nie: allein bei uns 149 bundesweite und 226 regio-ale Sender, dazu 116 Kabelnetzbetreiber. Sie sorgen fürie größte Angebotsvielfalt aller Zeiten. Es gibt fast 700ationale Programme; darüber hinaus kann man sich dieesamte Welt ins Wohnzimmer holen – eine noch nie da-ewesene Flut an Information und Unterhaltung; keinehr an Qualität, aber ein Weniger an Orientierung.eshalb kommt der Medienbericht zum passenden Zeit-unkt. Er nimmt eine Standortbestimmung vor: kennt-isreich, kritisch, konstruktiv. Er ist eine fundierte Arton Regierungserklärung zum Medienstandort Deutsch-and, ein gutes Werk.
Wir Christdemokraten treten – das gilt für die vergan-enen sechs Jahrzehnte deutscher Politik – für die Siche-ung der Meinungsvielfalt, für die Wahrung der Medien-ualität, für die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs undür die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscheredienanbieter ein. Das ist der Vierklang unseres me-ienpolitischen Konzeptes. Vielfalt, Qualität und Wett-ewerb müssen auch Maßstäbe für Europa sein. Mei-ungsfreiheit und Meinungsvielfalt sind entscheidendeundamente unserer funktionierenden Demokratie. Mitiesen Maßstäben stellen wir uns den neuen medienpoli-ischen Herausforderungen durch die Digitalisierung.iese sorgt für eine explosive Vielfalt, für Wachstum,ür mehr Arbeitsplätze. Doch auch die Gefahr der Ver-lachung nimmt damit zu.
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Wolfgang Börnsen
Neue Möglichkeiten der Teilhabe eröffnen sich füralle. Wir werden nicht nur unsere eigenen Programmdi-rektoren; wir schreiben, fotografieren, senden die Inhaltegleich mit. Wir sind Konsumenten und Produzenten ineiner Person. Wir werden mehr als zuvor Mediengestal-ter, wenn, ja wenn wir uns auch dafür qualifiziert haben.Digitalisierung fordert von uns mehr als zuvor Medien-kompetenz. Sie muss in Elternhäusern, Kindergärten,Schulen und Bildungseinrichtungen erworben werdenkönnen. Kritische Mediennutzung ist gefragt, aber auchein europaweit einheitlicher Standard beim Jugendme-dienschutz. Die Würde des Menschen muss dafür Richt-schnur sein. Brutale Gewalt und Exzesse gehören nichtins Programm.
In einer verwirrend gewordenen Medienlandschafthaben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalteneine besondere Verantwortung. Vom Bürger finanziert,muss die Qualität ihrer Programme ihr Kennzeichensein. Information, Kultur und Bildung gehören nochmehr in die Hauptprogramme und in die Hauptsendezei-ten, nicht in digitale Spartenkanäle. Marcel Reich-Ranickis Wutrede sollte als Weckruf verstanden werden,um über Fernsehqualität nachzudenken. Der Hahn hatzwar gekräht, aber der Geflügelhof ist noch nicht aufge-schreckt. Die Probleme sind nicht gelöst.Zum Auftrag von ARD und ZDF zählen auch diepolitische und die Parlamentsberichtserstattung. Un-ser Parlament braucht eine mediale Bühne. Wenn dieKluft zwischen den Bürgern und der politischen Klassenicht noch größer werden soll, sollten zumindest die Öf-fentlichen eine Brücke bauen. Gut informierte, kritischeBürger sind eine Barriere gegen Radikalismus, ob vonlinks oder von rechts.
Der Printbereich hat trotz Digitalisierung nicht anBedeutung verloren. Sein Stellenwert für die Sicherungder Meinungsvielfalt ist fundamental. Der Anteil derPresse an der Demokratiestabilität unseres Landes ist he-rausragend. EU-Medienwerbebeschränkungen lehnenwir ab. Werbung zu verbieten, bedeutet eine Entmündi-gung der Bürger.
Zu unserer bunten Medienlandschaft gehört die Deut-sche Welle, unsere mediale Visitenkarte mit engagiertenMitarbeitern. Dass es in einem Haus mit circa 1 500 Ak-tiven aus über 60 Ländern auch zu Problemen kommenkann, ist nicht zu vermeiden. Dass man jetzt aktiv an ei-ner Verbesserung arbeitet, ist zu begrüßen. Die finan-zielle Talfahrt der Deutschen Welle wurde gestoppt,doch für die Zukunft sind mehr Mittel notwendig.
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und 13 Prozent der in Deutschland täglich erscheinen-en Abozeitungen kommen aus Verlagen mit Parteibe-eiligung.
n manchen Städten bilden solche Blätter regionale Mo-opole. Das ist eine ungute Entwicklung.
ir wollen keine „Berlusconisierung“ unserer Medien.taatliche Hilfen für Medien wie in Frankreich haltenir für eine gefahrvolle Entwicklung.Ein positives Beispiel der Medienstärkung hat dieundesregierung vor einigen Monaten gesetzt, –
Herr Kollege, Sie denken bitte auch an die Redezeit.
– als sie den Plänen der Post, mit Gratiszeitungen den
arkt zu erobern, eine Absage erteilt hat. Bei dieser Ein-
tellung muss es bleiben.
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Christoph
ries das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-en und Kollegen! Seit langem hat meine Fraktion einenedien- und Kommunikationsbericht der Bundesregie-ung gefordert. Mit dessen Vorlage existiert nun eineute Basis, die den Akteuren eine umfassende Bestands-ufnahme und Handlungsempfehlung an die Hand gibt.eben Kulturstaatsminister Neumann danke ich insbe-ondere dem Hans-Bredow-Institut der Universität Ham-urg für die umfassende wissenschaftliche Betrachtung.
Der Bericht verdeutlicht: Qualitätsjournalismus – aufen ich hier meinen Fokus richten möchte – hat an meh-eren Fronten zu kämpfen. Erstens befindet sich die Me-ienlandschaft in Deutschland in einer Phase einer um-assenden Umstrukturierung. Die Digitalisierung hat inlle Medienbereiche Einzug gehalten und führt zu einemortschreitenden Verschmelzungsprozess. Diese Konver-
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Christoph Priesgenz umfasst nicht nur einzelne Medienarten, sondernauch deren Inhalte sowie die Hardware, über die sie kom-munizieren. Anfangs wurde von vielen Verlagen die Be-deutung des Internets als neue Form der Kommunikationund Informationsquelle unterschätzt. Man verzichtetedarauf, im Internet Verwertungsketten zu etablieren. Nunzeigt sich, dass es schwierig ist, diese im Nachhinein ein-zuführen, da kaum jemand für etwas zahlen möchte, waser lange Zeit gratis bekommen hat.Zweitens haben sich die ökonomischen Rahmenbe-dingungen, insbesondere die der Printmedien, in denvergangenen Jahren deutlich verschlechtert. Die Einnah-men aus Abonnements und Anzeigengeschäft sind dra-matisch zurückgegangen. Zeitungen und Zeitschriftensind gezwungen, Einsparungen vorzunehmen oder mehrErlöse zu erzielen. Ersteres geht meist mit einem Quali-tätsverlust einher, welcher wiederum auf die Verkaufs-zahlen wirkt. Insbesondere Journalisten bekommen dieFolgen von Einsparungen zu spüren. Durch den Abbauvon Arbeitsplätzen ist das Zeitbudget für Recherche-arbeiten auf weniger als zwei Stunden täglich gesunken.Der Zeitaufwand für technische und organisatorischeAufgaben dagegen ist deutlich gestiegen. Es liegt auf derHand, dass Journalisten zunehmend gezwungen sind, aufwenig vertrauenswürdige Informationen – in erster Linieaus dem Internet – zurückzugreifen. In der „Googleisie-rung“ steckt jedoch eine große Gefahr für die Qualitätjournalistischer Arbeit. Suchmaschinen, Blogs, Chatsund Wikis sind für einen Einstieg in die Recherche nichtschlecht, aufgrund ihrer Manipulierbarkeit und ihrer An-onymität jedoch schlechte Ratgeber, wenn es um Faktengeht.Wie der Bericht der Bundesregierung zu Recht fest-stellt, ist Qualitätsjournalismus „ohne Unabhängigkeitvon ökonomischen, politischen oder weltanschaulichenInteressen Dritter undenkbar“. Leider wachsen die Be-gehrlichkeiten kontinuierlich an. Es sind nicht nur profit-orientierte Finanzinvestoren, die sich in Verlage einkau-fen. Es ist auch der Staat, der unter dem Mantra der Si-cherheit versucht, seine Interessen zu wahren und auszu-bauen. Ich persönlich bin nicht traurig, dassInvestitionen von Finanzinvestoren, wie zum Beispieldurch die Mecom-Gruppe bei der Berliner Zeitung, mitPauken und Trompeten gescheitert sind.
Datenschutzskandale der letzten Zeit haben zuneh-mend deutlich gemacht, dass wir bessere datenschutz-rechtliche Regelungen brauchen. Auch die Eingriffsbe-fugnisse der Sicherheitsbehörden sind hinsichtlich ihrerVerhältnismäßigkeit, Wirksamkeit und Effizienz zu über-prüfen. Nur unabhängiger Journalismus kann guter Jour-nalismus sein.Angesichts dramatischer Veränderungen in der Me-dienlandschaft muss das nötige Rüstzeug bereitgestelltwerden, um die Entwicklungen in der Medienwelt zumGegenstand öffentlicher Diskurse zu machen. Ein wich-tiger Schritt besteht in der Einführung einer Medienda-tenbank in diesem Jahr. Man muss wissen, worüber manredet, um eine Sachlage beurteilen zu können.kilsvedldSetaßdttBrsEpm–sithaahTaTwcgs2a
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dorothee Bär für
ie CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ehr geehrte Damen und Herren! Das Titelbild der aktu-llen Ausgabe des Spiegels zeigt, dass wir in einer digi-alen Gesellschaft leben, in der es in den letzten Jahrenuch in den zwischenmenschlichen Beziehungen zu gro-en Veränderungen gekommen ist. Veränderungen iner Medienwelt betreffen auch den Deutschen Bundes-ag. Denn die aktuelle Debatte kann von jedermann mit-els Livestream im Internet verfolgt werden. Das war inonn noch nicht möglich. Früher hatten die Parlamenta-ischen Geschäftsführer nicht die Möglichkeit – ichchaue in Richtung von Herrn Koschyk und Fraurnstberger –,
er SMS die Kollegen ins Plenum zu treiben. Damalsussten sie andere Möglichkeiten nutzen.
„Die Peitsche“, sagt Herr van Essen.Die neuen Medien – nicht nur im Internetbereich,ondern auch in anderen Bereichen der Kommunikation;ch nenne beispielsweise die SMS – führen zu neuen In-eraktionen. Es muss jetzt nicht jeder sein Handy heraus-olen und eine SMS verschicken: Ich wollte damit nurnmerken, dass die neuen Medien selbstverständlichuch zu großen Veränderungen in unserer Arbeit geführtaben. Wenn man sich die Medienlandschaft der letztenage angeschaut hat, dann konnte man sehen, dass fürlle Parteien der Onlinewahlkampf das wichtigstehema bei der Vorstellung ihrer Wahlkampfkonzeptear.Neben den Veränderungen in den zwischenmenschli-hen Beziehungen, die ich schon angesprochen habe,ibt es auch Veränderungen im Arbeitsverhalten. Daschlägt auf die aktuelle Politik durch. Im November007 haben wir – die Kollegin Griefahn hat es bereitsngesprochen – einen Antrag der Koalitionsfraktionen
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Dorothee Bärmit dem Titel „Wertvolle Computerspiele fördern, Me-dienkompetenz stärken“ im Deutschen Bundestag be-handelt. Daran sieht man, dass diesen neuen MedienRechnung getragen wurde. Aufgrund unseres Antragskonnte ein Deutscher Computerspielpreis ausgelobtwerden, der heute im Medien- und Kommunikationsbe-richt der Bundesregierung wiederzufinden ist.
Deswegen möchte ich mich an dieser Stelle beim Kultur-staatsminister für sein Engagement bedanken.
Bernd Neumann wird am 31. März 2009 in München
gemeinsam mit unserem Ministerpräsidenten HorstSeehofer zum ersten Mal den Deutschen Computerspiel-preis vergeben. Als Mitglied der Jury kann ich versichern,dass es ganz außergewöhnliche Spiele gibt, die künstle-risch und pädagogisch wertvoll sind. Frau Griefahn hatdie Sportspiele bereits angesprochen. Man weiß, dass vie-len Kindern und Jugendlichen, die Lernprobleme haben,durch Lernprogramme, die zum Bereich der neuen Me-dien gehören, geholfen werden kann. Diese Programmebieten große Chancen, die es in den vergangenen Jahrennoch nicht gab. Deswegen ist es wichtig, dass wir an dieGegner, die immer alles pauschal verurteilen, das klareSignal senden, dass durch die Forderung nach einem pau-schalen Verbot nur die ganze Branche verunglimpft wirdund dadurch geleugnet wird, dass die Computerspiele zurgroßen Vielfalt der Kulturlandschaft Deutschlands beitra-gen.
Wir haben den Deutschen Computerspielpreis ins Le-ben gerufen, weil wir der Überzeugung sind, dass Com-puterspiele Teil der Kulturlandschaft Deutschlands sind,und weil wir eine klare Linie zwischen den schwarzenSchafen der Branche, die es zweifelsohne gibt – die gibtes in jeder Branche –, und den anerkannten Spieleprodu-zenten ziehen wollen.Der Jugendmedienschutz in Deutschland wurde an-gesprochen. Auch dazu stellt der Medien- und Kommu-nikationsbericht der Bundesregierung fest, dass dasdeutsche System des Jugendmedienschutzes den interna-tionalen Vergleich nicht zu scheuen braucht.
Trotzdem müssen wir uns den Veränderungen auch dies-bezüglich ständig anpassen. Im Unterausschuss „NeueMedien“ haben wir sehr viele interessante Anhörungendurchgeführt. Ich denke zum Beispiel an das Thema On-linesucht. Das stelle ich auch fest, wenn ich mir die Kin-derpornografie im Netz anschaue.
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Danke. – Es ist gerade bei diesem Thema ganz wich-ig, dass man auf Augenhöhe diskutieren kann. Diechüler, die Jugendlichen dürfen mit diesem Mediumnd den Gefahren, die sich dahinter verbergen, nicht al-eine gelassen werden. Die Eltern müssen ihre Kontroll-unktion wahrnehmen können. Natürlich werden Eltern,rzieher und Pädagogen nie auf demselben Stand seinie die Kinder. Das ist völlig klar. Uns machen die heuteehnjährigen Dinge vor, die wir uns als Zehnjährigeicht haben vorstellen können. Wenn die heute Zehnjäh-igen 30 oder 40 Jahre alt sind, werden auch ihnen dieüngeren etwas vormachen, weil diese dann im Umgangit neuen Medien wesentlich fitter sein werden.Es ist entscheidend, dass wir gemeinsam vorgehen,nd zwar in Deutschland und in Europa. Wir müssen ge-einsam mit den Ländern eine Strategie entwickeln, umie Chancen, die uns die neuen Medien bieten, nutzen zuönnen, aber auch, um den Gefahren, die sie bergen, ent-egentreten zu können.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Kucharczyk
ür die SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deredien- und Kommunikationsbericht 2008 zeigt eines:ür Mediennutzer und -anbieter eröffnet die Digitalisie-ung enorme Chancen, sie birgt aber auch Risiken.Die Lebenswelten ändern sich. Jugendliche sind unseute in vielen Fällen weit voraus, wenn es um die Nut-ung der neuen Medien geht. Aber sie sind auch gefähr-et und besonders schutzbedürftig. Deshalb spielt beier Mediengestaltung nicht nur das Urheberrecht eine
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Jürgen Kucharczykwichtige Rolle. Es gilt, dem Jugendschutz und der Me-dienkompetenz große Aufmerksamkeit zu schenken.Kinder und Jugendliche eignen sich die Medienweltentsprechend ihrer alterspezifischen Fähigkeiten aufhöchst unterschiedliche Art und Weise an. Deshalb wirdim Bericht der Bundesregierung ein Schwerpunkt aufden Erwerb von Medienkompetenz gelegt, vor allem inBezug auf die sogenannten neuen Medien. Medienkom-petenz ist nicht nur für einen umfangreichen Jugend-schutz entscheidend. Der korrekte Umgang mit elektro-nischen Medien gehört heutzutage auch zur beruflichenBasisqualifikation. Zudem haben Kinder und Jugendli-che heute immer früher, auch allein, unmittelbaren Kon-takt zu den neuen Medien.Neben den Schülerinnen und Schülern selbst sind El-tern, Großeltern, Lehrerinnen und Lehrer aufgefordert,sich den neuen Medien anzunähern, um den Umgang ih-rer Kinder mit den Medien kontrollieren und gegebenen-falls Grenzen setzen zu können. Aber die Erziehungsbe-rechtigten müssen erkennen, welchen Wert der sichereUmgang mit den elektronischen Medien hat – beruflichwie privat – und ihre Kinder darin unterstützen.Medienkompetenz umfasst nicht nur das technische,sondern auch das inhaltliche Verständnis und das Hinter-fragen von Angeboten im Netz. Es ist daher wichtig, inden Schulen frühzeitig auf das Lernziel, kritische Per-sönlichkeiten im Hinblick auf mediale Inhalte zu for-men, hinzuarbeiten.
Damit kann gleichzeitig die Neugier der Schülerinnen undSchüler auf qualitativ anspruchsvolle Angebote – onlinewie offline – geweckt und einer digitalen Spaltung derjungen Gesellschaft entgegengewirkt werden.Der Entschließungsantrag der FDP-Bundestagsfrak-tion mit dem Hinweis auf „nicht ausreichend angemes-sene Vermittlung von Medienkompetenz im Bildungs-system“ ist nicht zutreffend und bringt keine neuenErkenntnisse. Lassen Sie mich dies mit einem Gegenbei-spiel, das auch im Medienbericht genannt wird, kurz ver-deutlichen. Der Initiative „Schulen ans Netz“ ist seitnunmehr über zehn Jahren, unterstützt durch das Bun-desministerium für Bildung und Forschung, die Förde-rung von Medienkompetenz und des Lernens mit digita-len Medien angetragen. Die Initiative ist dafür zuständig,allen Schulen den Zugang zum Internet zu ermöglichen.Zugleich organisiert die Initiative Fortbildungen fürLehrkräfte. Dieses Beispiel belegt: Wir sorgen dafür,dass alle Kinder unabhängig vom Geldbeutel der Elternund der Schulform die Chance auf Fertigkeiten im Um-gang mit den neuen Medien erhalten.
Das sollte nicht allein, wie die FDP vorschlägt, in einemeigenständigen Fach Medienkunde geschehen, sondernim Rahmen des regulären Fachunterrichts eingebundensein.An den Beispielen sehen wir: Wir brauchen starkeKinder. Wir brauchen starke Eltern. Das können wir nurmit Medienkompetenz erreichen. Deswegen müssen wirdfblmCsdtmldddnMSMsdMDtFhASdihhdhf
ass Tausende und Zehntausende im Bereich der Kul-ur- und Medienwirtschaft einen Arbeitsplatz haben,rau Kollegin Griefahn, ist für die Menschen, die unsier zuschauen, wichtiger als die Diskussion über einenrbeitsplatz beim ZDF, um das ganz klar zu sagen.
Lieber Kollege Bisky, Sie haben sich hier geäußert.ie waren früher im SED-Unrechtsstaat für die Ausbil-ung von Medienschaffenden verantwortlich. Ich kennen diesem Parlament niemanden, der so wenig das Rechtat, Forderungen zum Thema Meinungs- und Pressefrei-eit zu erheben, wie Sie, Herr Kollege Bisky.
Wir können uns gerne über die Frage der Staatsfernees öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernse-ens unterhalten, liebe Kollegen von der SPD. Aber, ichinde, wer das einfordert, sollte sich nicht vom Geld des
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Reinhard GrindelGebührenzahlers eine Geburtstagsfeier bezahlen lassen,wie es der Kollege Beck getan hat. Das ist unehrlich.
Jeder sollte erst einmal vor seiner eigenen Haustür keh-ren, um das hier ganz klar zu betonen.Im Medienbericht heißt es völlig zu Recht:Ein qualitativ hochwertiges, seriöses Medienange-bot ist ein Lebenselixier der Demokratie. Nur wenngesellschaftliche und politische Debatten fundiertgeführt werden, können die Bürgerinnen und Bür-ger von ihren demokratischen Partizipationsmög-lichkeiten in vollem Umfang Gebrauch machen.Nach meinem Verständnis setzt eine solche fundierteDebatte eine gemeinsame Basis voraus. Es ist deshalbrichtig, dass der Medienbericht die Qualität unseresdualen Fernsehsystems unterstreicht. Es ist faszinie-rend, aus welcher Vielfalt von Programmangeboten Zu-schauer heute auswählen können. Aber wir müssen unsviel stärker damit auseinandersetzen, dass diese Ent-wicklung auch die Gefahr beinhaltet, dass das Fernsehenseiner notwendigen Integrationsfunktion nicht mehr ge-recht wird.Ist das Fernsehen heute wirklich noch die Plattform,über die Diskussionen in unsere Gesellschaft getragenwerden, und das über Generationen hinweg? Wie willman denn gesellschaftliche Debatten führen, wenn eskeine gemeinsamen Informationsquellen gibt, weil jederein anderes Programm sieht? Das ist ein Problem, demwir uns stellen müssen. Ist es nicht so, dass uns zwarviele Informationsquellen zur Verfügung stehen – ARD,ZDF, n-tv, N24, Phoenix und erst recht das Internet –,dass aber, um es zugespitzt zu formulieren, die Scherezwischen Infoelite und Unterhaltungsproletariat mit pre-kärem Medienkonsum immer weiter auseinandergeht,weil einzelne Menschen wie Slalomfahrer um die Tor-stangen mit der Fernbedienung um Informationspro-gramme herumfahren?Ich sage Ihnen: Es kommt ganz entscheidend daraufan, dass wir diejenigen Medien stärken, die zu einer ge-sellschaftlichen Debatte beitragen, und zwar – das mussauch im Interesse des Bundestages sein – auf möglichstbreiter Basis. Insofern begrüße ich es, dass im Medien-bericht zu lesen ist, dass der Rundfunk nicht wie ein her-kömmliches Produkt behandelt werden darf, dessen Ver-marktung allein wirtschaftlichen Kriterien gehorcht, unddass Sicherungsmechanismen eingebaut und Qualitäts-standards festgelegt werden müssen, deren Erfüllung derSicherung der Meinungsvielfalt dient.Wir müssen dafür sorgen, dass das Fernsehen nicht sowahrgenommen wird, als finde das Leben nur noch inDschungelcamps, Containern und Castingshows statt.Wir müssen einen Beitrag dazu leisten, dass die Informa-tionsangebote und die Bildungsangebote im Fernsehengestärkt werden. Das ist eine wichtige und richtige Bot-schaft dieses Medien- und Kommunikationsberichts.
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orhin habe ich bereits auf die Integrationsfunktion deredien hingewiesen. Vor Ort, in einem Dorf, einer Ge-einde oder einer Stadt, ist es oftmals die Lokalzeitung,ie eine mediale Klammer für die Menschen darstellt.ie darf nicht durch anonyme überregionale Angebotersetzt werden.
Es stimmt: Wir haben in Deutschland vielleicht dasielfältigste Medienangebot und das beste Rundfunksys-em der Welt. Deshalb müssen wir eine ganze Mengeun, damit das so bleibt, und zwar gemeinsam. Dazu rufech auf. Wir dürfen uns nicht in Nebendebatten verfan-en und dabei das Ziel einer spannenden Medienstrukturn Deutschland aus den Augen verlieren.Herzlichen Dank für das Zuhören.
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
ollege Jörg Tauss für die SPD-Fraktion.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!em Dank für die Erarbeitung des Medien- und Kom-unikationsberichts schließen wir uns an. Die Diskus-ionen über dieses Thema haben lange gedauert. Ichreue mich sehr, dass der BKM diese parlamentarischenitiative aufgegriffen hat. An dieser Stelle, Kollegerindel, besteht überhaupt kein Dissens.Auch wir freuen uns übrigens, dass wir einen Beauf-ragten für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt ha-en. Herr Neumann macht – wie könnte es in einer Ko-lition, an der die SPD beteiligt ist, auch anders sein? –inen guten Job. Das galt allerdings auch für die Beauf-ragten für Kultur und Medien, die unter Rot-Grün immt waren. Kollege Grindel, ich möchte darauf hinwei-en, dass wir dieses wichtige Amt im Jahre 1998 ge-chaffen haben.
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Jörg Tauss– Manchmal ist es gut, wenn man älter ist; denn dannkann man sich an früher erinnern. – Damals wurdenHohn und Spott über uns ausgeschüttet.
– Lieber Wolfgang Börnsen, jetzt lasse ich die Vergan-genheit ruhen.Für wie wichtig dieses Thema gehalten wird, zeigtsich an der Beteiligung des Bundesrates;
das ist schon angesprochen worden. Ich halte es für be-schämend,
dass, obwohl es um die zentrale politische Frage der Zu-ständigkeit der Bundesländer geht, kein Vertreter desBundesrates hier ist.
Aus diesem Grunde teile ich die Kritik, die geäußertworden ist: Medienpolitik wurde als parlamentsfreierRaum bezeichnet. In der Tat gibt es kaum ein Politik-feld, das parlamentsferner ist.
Die diesbezüglichen Diskussionen finden in den Staats-kanzleien statt. Dort wird ein Rundfunkstaatsvertrag ab-gesegnet oder nicht abgesegnet. Das ist aber alles, was indiesem Bereich geschieht. Ich glaube, dass dieser Be-richt unseren Kolleginnen und Kollegen in den Landes-parlamenten die Chance bietet – ich hoffe, dass sie sienutzen –, auch in den Landtagen zukunftsgerichtete me-dienpolitische Debatten über die Herausforderungen fürdie Medienpolitik zu führen. Kollege Kuhn hat – wie Kol-legin Griefahn und andere Kolleginnen und Kollegen – ineinigen Punkten zusammengefasst, was diese Herausfor-derungen sind.Ich will in diesem Zusammenhang einmal sagen: Ichbin ein begeisterter Twitterer, benutze Facebook und alldie hübschen Dinge, die es da gibt.
Für diejenigen, die das noch nicht kennen: Twitter, dassind SMS-Blogs. Gestern gab es im Twitter eine Diskus-sion darüber, ob Twitter-Beiträge eine Nachrichten-agentur ersetzen können. Ich sage in aller Deutlichkeit:Nein. Bei Twitter geht es um persönliche Meinungsäu-ßerungen, um individuelle Kommunikation. Ich will,dass es weiter Nachrichtenagenturen gibt, dass es Zei-tungen gibt, dass es öffentlich-rechtliches Fernsehen gibt– aber auch, dass es privates Fernsehen gibt –, will, dassausgebildete, engagierte Journalistinnen und Journalis-ten tatsächlich unbeeinflusst von Staatskanzleien frei,uvnajfLwdEswdmMrDgnddttphugtjvsiKnsgnz–sPwfsktd
nd bin noch nicht marodierend durch den Bundestagezogen. – Gut, ich habe vielleicht andere Auffälligkei-en. – Wir sollten zurückhaltend sein, wenn sich dieunge Generation eines Kulturgutes bedient, das sichielen in meiner Generation nicht erschließt. Der Deut-che Computerspielpreis wird dieses Jahr ausgerechnetn Bayern vergeben. Nichts gegen die lieben bayerischenolleginnen und Kollegen! Aber dem Bundesrat liegtoch immer ein Gesetzesantrag Bayerns vor, „Killer-piele“ zu verbieten. Kollegin Bär, ich würde vorschla-en: Nehmt diesen Antrag endlich von der Tagesord-ung! Das wäre sinnvoll.
Ich will dessen ungeachtet auf einige andere Punkteurückkommen.
Nächstes Jahr wird der Preis in Berlin vergeben. Aberelbstverständlich werde ich auch in Bayern bei derreisverleihung dabei sein.Dieser Tage – auch das wird in dem Bericht erwähnt –ird eine Debatte über das Thema Presse-Grosso ge-ührt. Ich weiß nicht, ob mit diesem Begriff alle, insbe-ondere die Menschen auf den Tribünen, etwas anfangenönnen. Presse-Grosso ist das Vertriebssystem der Zei-ungen und Zeitschriften in Deutschland. Es sorgt dafür,ass an jedem Kiosk sämtliche Zeitungen und Zeitschrif-
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Jörg Taussten, ob diese nun eine größere oder eine kleinere Auflagehaben, ob sie winzige Verbreitung haben oder überregio-nal sind, pünktlich erhältlich sind. Das ist ein ganz wich-tiger, ein wesentlicher Beitrag zur Meinungsvielfalt.Dieser Teil wird immer wieder infrage gestellt. Ich binfroh, dass sich die Verlage wieder im Grundsatz geeinigthaben. Leider beteiligen sich noch nicht alle Verlage; ichnenne namentlich den Bauer-Verlag. Ich hoffe, dass esnoch möglich ist, dass sich alle einigen. Wenn die Ver-lage nicht mehr in der Lage sein sollten, sich zu einigen,droht, dass allein über den Vertrieb ganze Zeitungen aus-geschlossen werden können, nicht mehr zum Konsu-menten gelangen. Das wäre ein Verlust an Meinungsfrei-heit und an Meinungsvielfalt, den wir nicht hinnehmenkönnten. Wir müssten gesetzgeberische Maßnahmen er-greifen; ich sage dies in Richtung Verlage in aller Deut-lichkeit.
Auch die Deutsche Digitale Bibliothek ist ein ganzwichtiges Feld, nicht erst angesichts der Katastrophe imStadtarchiv von Köln. Natürlich werden historische Ori-ginale durch digitale Kopien nicht ersetzbar sein. Aberdigitale Kopien müssen vorhanden sein, wenn unersetz-liche Werke verloren gegangen sind – damit nicht eineganze Geschichtsschreibung verloren geht, wenn, wie inKöln, ein Archiv einstürzt.Auch bei der Digitalisierung im europäischen Bereichstehen wir vor Herausforderungen. Ich stimme allen zu,die gesagt haben, dass auch hier etwas geschehen muss.Im Hinblick auf diese Punkte handeln wir auch, liebeKolleginnen und Kollegen.Ich verstehe, dass es Ihnen unangenehm ist, KollegeGrindel, wenn wir eine Frage wie die nach dem ZDFheute in die Diskussion bringen. Sie können nicht sagen,es gebe Wichtigeres; denn es geht nicht nur um eineStelle. Ich würde es etwas ernsthafter formulieren, unddeshalb ist es gut, dass dies heute angesprochen wordenist. Es ist unsere Aufgabe, zum Erhalt des öffentlich-rechtlichen Systems beizutragen, für das wir beide in derVergangenheit trotz unterschiedlicher Betrachtungen im-mer gemeinsam gestanden haben. Hier haben wir unszum Teil von Herrn Kollegen Otto unterschieden, der einbisschen neoliberaler auftrat; heute war er ja ganz ver-nünftig.
Herr Kollege Grindel, eine Voraussetzung für den Erhaltdes öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist natürlich auchder Nachweis von Staatsferne. Aus diesem Grundemüssen wir an dieser Stelle wirklich aufpassen.
– Dies gilt für alle Beteiligten, und dies gilt auch für De-batten über Rundfunkgebühren. Die Staatsferne ist einwichtiges Ziel, und wir sollten nicht den Hauch einesVerdachtes auf uns kommen lassen, dass wir journalisti-sche Unabhängigkeit in Gefahr bringen. Bei diesemThema gab es allerdings in letzter Zeit ein paar Punkte,dflDnd-wsiDgßAsÜd
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage aufrucksache 16/11570 an die in der Tagesordnung auf-eführten Ausschüsse vorgeschlagen. Der Entschlie-ungsantrag auf Drucksache 16/12135 soll an dieselbenusschüsse überwiesen werden. Sind Sie damit einver-tanden. Das ist offensichtlich der Fall. Dann sind dieberweisungen so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 19 a, b und d sowieen Zusatzpunkt 1 auf:19 a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Familie, Senioren,Frauen und Jugend
– zu dem Entschließungsantrag der Abgeordne-ten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Miriam Gruß,weiterer Abgeordneter und der Fraktion derFDP zu der Beratung der Unterrichtung durchdie BundesregierungSechster Bericht der Bundesrepublik Deutsch-land zum Übereinkommen der VereintenNationen zur Beseitigung jeder Form vonDiskriminierung der Frau
– zu der Unterrichtung durch die Bundesregie-rungSechster Bericht der Bundesrepublik Deutsch-land zum Übereinkommen der VereintenNationen zur Beseitigung jeder Form vonDiskriminierung der Frau
– Drucksachen 16/8416, 16/5807, 16/9368 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Eva MöllringRenate GradistanacIna LenkeJörn WunderlichIrmingard Schewe-Gerigkb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Familie, Senioren,Frauen und Jugend zu dem An-trag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann,
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Präsident Dr. Norbert LammertKarin Binder, Heidrun Bluhm, weiterer Abgeord-neter und der Fraktion DIE LINKEInternationaler Frauentag muss gesetzlicherFeiertag werden– Drucksachen 16/8373, 16/12139 –Berichterstattung:Abgeordnete Antje BlumenthalCaren MarksSibylle LaurischkJörn WunderlichIrmingard Schewe-Gerigkd) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Barbara Höll, Dr. Kirsten Tackmann, KarinBinder, weiterer Abgeordneter und der FraktionDIE LINKEGleichstellung der Geschlechter in der Privat-wirtschaft durch wirksame gesetzliche Rege-lungen fördern– Drucksache 16/9486 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
RechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Arbeit und SozialesZP 1 Beratung des Antrags der Abgeordneten IrmingardSchewe-Gerigk, Kerstin Andreae, Volker Beck
, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENQuote für Aufsichtsratsgremien börsennotier-ter Unternehmen einführen– Drucksache 16/12108 –Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind auchfür diese Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen,wobei ich darauf hinweise, dass wir für die gerade statt-gefundene Debatte erkennbar mehr Zeit als vereinbartbeansprucht haben. – Ich höre zu diesem Vorschlag kei-nen Widerspruch; damit ist diese Gesamtredezeit verein-bart.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-nächst der Bundesministerin Frau Dr. Ursula von derLeyen.
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin fürFamilie, Senioren, Frauen und Jugend:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der inter-nationale Frauentag steht in diesem Jahr unter besonde-rem Vorzeichen: Wir feiern 90 Jahre Frauenwahlrecht,60 Jahre Grundgesetz mit Art. 3 Abs. 2, und auch dasÜbereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigungjeder Form von Diskriminierung der Frau hat in diesemJahr einen runden Geburtstag: 30 Jahre CEDAW. Beisolchen Anlässen schauen wir zurück und ziehen Bilanz.Aber natürlich schauen wir auch nach vorne und be-schreiben Wegstrecken und auf ihnen vorhandene Hür-den.CMhnssslizitzLhpFinniDfaddtEdlBdzstEFmklgslslannDz
ie Hindernisse auf dem Karriereweg, die starren Rol-enmuster, Frauen fehlen in bestimmten Berufen undranchen sowie auf höheren Stufen der Karriereleiter,ie Schwierigkeiten, Familie und Beruf unter einen Hutu bringen, und die erheblichen Hürden beim Wiederein-tieg in den Beruf nach einer Familienzeit.Typische Frauenberufe sind im Durchschnitt schlech-er bezahlt als typische Männerberufe. Das ist sowohl iminzelnen als auch in der Summe inakzeptabel; dennrauen sind längst genauso gut ausgebildet wie ihreännlichen Kollegen. Viele Familien sind auf das Ein-ommen der Frauen angewiesen. In jeder fünften Fami-ie ist die Frau inzwischen die Haupternährerin.Wenn man die Entgeltungleichheit europaweit ver-leicht, dann stellt man fest, dass Deutschland imchlechten hinteren Mittelfeld, nämlich auf dem siebt-etzten Platz, liegt. Ich weiß, dass diese Statistik mit Vor-icht zu genießen ist. Zum Beispiel ist die geringe Lohn-ücke von Malta – sie beträgt gerade einmal 4 Prozent –uch darauf zurückzuführen, dass auf Malta überhauptur knapp 36 Prozent der Frauen einer Erwerbstätigkeitachgehen. Das kann keine Antwort sein. Wir haben ineutschland eine Frauenerwerbstätigenquote von 64 Pro-ent und damit die Ziele der Lissabon-Strategie inzwi-
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Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyenschen übertroffen. Zu welchem Preis aber? Das mussheute nach wie vor die entscheidende Frage sein.Gegen einige Ursachen für die Lohnlücke kann diePolitik nur schwer etwas tun: Gewerkschaften und Ar-beitgeber sind bei den Tarifverhandlungen für die Ar-beitnehmer in sogenannten typischen Frauenberufen undsogenannten typischen Männerberufen entscheidend. Esgibt gar keinen plausiblen Grund, warum ganze Bran-chen schlechter bezahlt werden, nur weil in ihnen über-wiegend Frauen arbeiten. Eine andere Ursache ist dieTatsache, dass die Lohnlücke mit steigender Qualifika-tion größer wird – das gilt gerade auch für die frei ver-handelten Gehaltsebenen –, sodass Frauen für ein unddieselbe Arbeit schlechter bezahlt werden.An einer der wichtigsten Ursachen für die Lohnlückekann die Politik aber etwas tun, und da tut die Politikauch etwas; hier müssen wir weiter hartnäckig am Ballbleiben: Frauen unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit we-gen der Familie häufiger und länger als Männer. Je län-ger diese Erwerbsunterbrechungen dauern, desto grö-ßer werden die Gehaltseinbußen, und desto stärkerschwinden die Aufstiegsmöglichkeiten. Das hat seineUrsachen natürlich auch in jahrzehntelangen Lippenbe-kenntnissen für eine bessere Vereinbarkeit von Berufund Familie, denen gar keine oder nur zögerliche Tatengefolgt sind.Deshalb ist das Elterngeld mit den Vätermonatenrichtig gewesen. Deshalb ist der Ausbau der Kinderbe-treuung überfällig.
Deshalb sind Ganztagsschulen und haushaltsnahe Dienst-leistungen in diesem Land unverzichtbar.Entscheidend ist: Kinder brauchen Zeit, zu pflegendeAngehörige brauchen Zeit, und die Karriere brauchtZeit. Wenn eine Seite – zum Beispiel Kinder – nicht zu-lasten der anderen Seite – Karriere – gehen soll, danngibt es nur eines: Es muss für Männer und Frauen dasgleiche Anliegen sein, und es muss Männer genauso wieFrauen angehen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass für die Verein-barkeit von Beruf bzw. Karriere und Familie die von unseingeführten Partnermonate beim Elterngeld genausoentscheidend sind wie unser gemeinsam durchgeführterAusbau der Kinderbetreuung. Das sind die Steine, dieam Anfang gelegt werden müssen, damit der Weg über-haupt gegangen werden kann.Im CEDAW-Ausschuss ist deutlich geworden: Wirkommen mit der Gleichstellungspolitik voran, und wirhaben anerkanntermaßen einiges erreicht.
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Nächste Rednerin ist Ina Lenke für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Rechtzei-ig vor dem Internationalen Frauentag diskutieren wireute den CEDAW-Bericht aus dem Jahr 2007. Frau Mi-isterin, ich habe Ihnen sehr genau zugehört. Sie habenehr Fragen gestellt und mehr Punkte sachlich darge-tellt, als Antworten gegeben.
Bedauerlich ist auch, dass die Bundesregierung biseute die „Concluding Observations“ – die abschließen-en Bemerkungen – des CEDAW-Ausschusses aus demebruar dieses Jahres nicht vorgelegt hat. Was sind dieründe dafür? Sie haben am 2. Februar den Ausschussesucht; am 10. Februar ist der Bericht veröffentlichtorden.Auch die Alternativberichte der Allianz von Frauen-rganisationen in Deutschland und des Juristinnenbundsind bisher nicht im Ausschuss diskutiert worden. Frauinisterin, Sie haben eine hauseigene Pressemitteilungom 13. Februar zitiert, die wortgleich mit einer Presse-itteilung aus Ihrem Haus vom 4. März ist.
ine hauseigene Pressemitteilung, in der sich die Regie-ung über den Klee lobt, reicht aber wahrlich nicht aus.
Ich gebe der Ministerin recht und freue mich, dass Ih-en und der Großen Koalition der Durchbruch bei denrippenplätzen und auch beim Elterngeld gelungen ist.
as ist ein Erfolg der Bundesregierung, den auch wir un-erstützt haben. Das ist gar keine Frage; die FDP will dasuch.Familienpolitik aber ist das eine. Frauenpolitikdas, was der CEDAW-Bericht insgesamt in all seinenacetten unter die Lupe nimmt – ist das andere. Hierbeiestehen bei dieser Bundesregierung Defizite.
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Ina LenkeFrau von der Leyen, mit Familienpolitik können Siezwar in der Öffentlichkeit besser punkten als mit derFrauenpolitik, aber welche Konzepte für ein gerechteresSteuersystem und gegen die Benachteiligung von Frauenim Steuer- und Sozialrecht haben Sie? Welche Maßnah-men unternehmen Sie bei anonymen Geburten, umFrauen in einer Notlage zu unterstützen?Außerdem – das hat mich sehr geärgert, Frau Ministe-rin – hat das Familienministerium beim Konjunktur-paket II komplett versagt. Das wird sicherlich auch imnächsten CEDAW-Bericht eine Rolle spielen. AlleFrauen, die geschieden sind und Barunterhalt von ihrenMännern bekommen, erhalten nicht einmal den vollenKinderbonus von 100 Euro, sondern nur die Hälfte. DerFamilienausschuss hat – das wissen wir alle – dem feder-führenden Haushaltsausschuss einstimmig vorgeschla-gen, dass diese Ungerechtigkeit geändert werden soll.Zumindest wir von der Opposition werden solche Unge-rechtigkeiten im Bundestag deutlich benennen. Das ge-hört auch in den CEDAW-Bericht von heute und vonmorgen.
Die FDP hat zum Sechsten Bericht der Bundesrepu-blik Deutschland zum Übereinkommen der VereintenNationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminie-rung der Frau Vorschläge eingebracht, die heute mit zurBeratung stehen. Wir fordern die Bundesregierung unteranderem auf, die Benachteiligungen im Steuer- und So-zialrecht abzubauen, weil sie sich an den Nettobezügenorientieren. Das ist – das spreche ich, glaube ich, schonzum zwanzigsten Mal an – auch mit der Steuerklasse Vverbunden, die für Ehefrauen diskriminierend ist.
Des Weiteren fordern wir, Stereotype bei Bildung,Ausbildung und Beschäftigung zu bekämpfen, damitFrauen in der Wirtschaft wie auch in den einzelnen Aus-bildungszweigen besser positioniert sind. Das wollen wiralle, und die Ministerin hat festgestellt – darin stimme ichihr zu –, dass das ein schwieriger Weg ist. Aber warumhaben Sie noch nicht mit den Gewerkschaften geredet,Frau Ministerin? Wir haben in der AG Frauen mit denGewerkschaften geredet. Ich denke, sie sind auch ge-sprächsbereit. Insofern sollte das nachgeholt werden.Was bedeutet es, Frauen als Unternehmerinnen zufördern? Wir fordern das, und zwar auch für Erzieherin-nen, die sich selbstständig machen wollen. Dem hat dieSPD einen Riegel vorgeschoben. An dieser Stelle gibt esnichts. Da haben Sie sich leider nicht durchsetzen kön-nen. Das bedauern wir von der FDP.
Zum Thema Frauen und Bundeswehr ist festzustel-len, dass Geschlechtergerechtigkeit und Familienfreund-lichkeit bei der Bundeswehr bisher nicht umgesetzt wor-den sind. Ich fahre am 30. März nach Seedorf, wo esangeblich tolle Pilotprojekte gibt. Wir werden uns vorOrt ein Bild davon machen.
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Frau Blumenthal, das stimmt. Lesen Sie es noch ein-al nach!Auf unsere Position zu Frauenhäusern und zu demhema Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrundird meine Kollegin Frau Laurischk noch eingehen.Wir stehen mit unserer Kritik am CEDAW-Berichticht alleine. Im Alternativbericht der Allianz von Frau-norganisationen und im ergänzenden Alternativberichtes Deutschen Juristinnenbundes zum Beispiel wird dieegierungsarbeit der letzten Jahre unter die Lupe ge-ommen und festgestellt, dass die Bundesregierung of-ensichtlich keine zielorientierte Gleichstellungspolitiketreibt und dass sie sich fast ausschließlich auf die Fa-ilienpolitik konzentriert. Unabhängige Frauenorgani-ationen kritisieren zu Recht, dass mit ihnen keine Bera-ung vor Abgabe des Berichts stattgefunden hat. Umsoehr müssen sich das Parlament und der Familienaus-chuss mit den Forderungen in den CEDAW-Alternativ-erichten befassen.Aufgrund meiner begrenzten Redezeit kann ich nurinige Kritikpunkte aus dem über 50 Seiten starken Be-icht nennen: keine Fortschritte bei der Gleichstellungs-trategie „Gender-Budgeting“, Abschaffung der intermi-isteriellen Arbeitsgruppe – das haben Sie gemacht –nd der Gruppe „Gender-Mainstreaming“ sowie des Re-erates. Es gibt kein klares Konzept für die neu einge-ichtete Antidiskriminierungsstelle. Hier fehle es an Un-bhängigkeit und Wirksamkeit.
assive Kritik wird auch an der ungleichen Bezahlungon Männern und Frauen in Deutschland geübt.Ich muss leider zum Schluss kommen. Die Conclu-ing Observations, die Empfehlungen des CEDAW-achausschusses vom 10. Februar dieses Jahres, müssenon der Bundesregierung vorgelegt und im Ausschusseraten werden. Auch nach dem Internationalen Frauen-ag muss so viel Zeit dafür sein.
Und manchmal sogar etwas mehr als vorgesehen.
Nun erhält zu einer Kurzintervention die Kollegin
iemann-Hanewinckel das Wort.
Frau Ministerin, meine Kurzintervention bezieht sichuf Ihre Rede. Sie waren so schnell fertig, dass ich meine
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Christel Riemann-HanewinckelKurzintervention beim Präsidium nicht rechtzeitig an-melden konnte.Ich habe einige Bemerkungen und zwei Fragen. Lei-der liegen dem Parlament die abschließenden Bemer-kungen des CEDAW-Ausschusses noch nicht vor. Aberes gibt zum Glück Nichtregierungsorganisationen, diediese abschließenden Bemerkungen auf ihren Homepa-ges in Englisch veröffentlicht haben. Ich habe gehofft,dass bis zum heutigen Tag eine deutsche Übersetzungaus Ihrem Hause vorliegt. Das ist offenbar noch nichtder Fall, bzw. sie ist noch nicht freigegeben. In diesenabschließenden Bemerkungen wird deutlich, dass es inder Tat eine Reihe von positiven Punkten gibt. Es gibtaber auch sehr viele Punkte, in denen die Bundesregie-rung aufgefordert wird, nachzubessern bzw. deutlicheVeränderungen vorzunehmen.Vom Ausschuss wurde sehr moniert, dass die CEDAW-Konvention in Deutschland zu wenig bekannt ist. Dadiese Konvention geltendes Recht in Deutschland ist,wir aber feststellen müssen, dass Juristinnen und Juristensie kaum kennen und deshalb auch kaum anwenden, lau-tet meine erste Frage: Wie will Ihr Haus in Zukunft dafürsorgen, dass nicht nur Juristinnen und Juristen, sondernauch die breite Bevölkerung diese Konvention zurKenntnis nehmen und vor allen Dingen anwenden kann?Mein Hauptpunkt ist folgender: Ich habe als Mitglieddes Menschenrechtsausschusses von Anfang bis Ende ander Ausschusssitzung am 2. Februar in Genf teilgenom-men. Dort wurde von vielen Mitgliedern des Ausschus-ses sehr deutlich und heftig kritisiert, dass sich die Bun-desregierung, vor allem Ihr Haus, nicht mehr in der Lagesieht, den Begriff „Gender-Mainstreaming“ zu ver-wenden, obwohl dieser ein international verbindlicherBegriff ist. Es wurde sehr deutlich festgestellt, dass dieÜbersetzung ins Deutsche mit „Leitprinzip Geschlech-tergerechtigkeit“ nicht die Strategie bezeichnet, die mitGender-Mainstreaming gemeint ist. Vielmehr handelt essich hier um eine Zielvorstellung. Selbst wenn Ge-schlechtergerechtigkeit erreicht werden sollte – es istfraglich, ob das jemals gelingt –, bliebe das Prinzip desGender-Mainstreamings bestehen; denn auch danachmuss jedes Gesetz daraufhin überprüft werden, ob es un-terschiedliche Wirkungen für Männer und Frauen hat.Meine zweite Frage lautet daher: Sind Sie als zuständigeMinisterin bereit, zum Begriff und damit zum Prinzipdes Gender-Mainstreamings zurückzukehren?
Frau Ministerin, bitte.
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Zunächst einmal zu Ihrer Anmerkung, der CEDAW-
Bericht liege nicht vor. Wir haben ihn so schnell wie ir-
gend möglich ins Deutsche übersetzt. Ihrer Fraktion liegt
der Bericht inzwischen vor.
Sofern ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie Ihre
Kurzintervention auf den Begriff „Gender-Mainstrea-
ming“ – das ist, glaube ich, der Inhalt Ihrer Kurzinter-
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ie Gleichstellung von Mann und Frau in allen Lebens-
ereichen an. Das ist der Gegenstand der Diskussionen,
ie wir hier zurzeit führen. Und genau darauf zielen die
emühungen, die die Bundesregierung in den letzten
rei Jahren in dieser Legislaturperiode in den eben er-
ähnten Feldern, die für die Gleichstellung von Män-
ern und Frauen im Erwerbsleben, im Familienleben
nd in allen anderen Bereichen des Lebens entscheidend
ind, mit großem Erfolg unternommen hat.
Aber sich an einen englischsprachigen Begriff zu
lammern, der hier nicht verstanden wird, ist meines Er-
chtens nicht der Sinn der Sache.
ielmehr kommt es auf den Inhalt an.
Das Wort hat die Kollegin Christel Hummel, SPD-
raktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin-
en! Frau Lenke, auch Sie haben viele Fragen gestellt,
nd ich habe Ihrer Rede entnommen, dass Sie sich wei-
en Bereichen der Kritik des Gleichstellungsausschusses
nd der Berichte anschließen. Ich habe jedoch FDP-
onzepte und Antworten darauf vermisst.
ch denke, auch das muss man an dieser Stelle festhalten.
Frauen sind auf dem Sprung.
Frau Kollegin Humme, würden Sie eine Zwischen-rage der Kollegin Lenke zulassen?
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– Nein. Mach doch am Schluss eine Kurzintervention,Ina.
– Ich habe doch noch gar nicht angefangen. Insofernkönnen Sie noch gar nichts dazu sagen.
Sie wollen Karriere, Kinder und einen Mann – aberkeinen Versorger.
Das ist das Ergebnis der Studie „Frauen auf demSprung“ bei 15- bis 19- und 27- bis 29-jährigen Frauenim Jahre 2008. Mit anderen Worten: Die heutigen jungenFrauen wollen berufstätig und ökonomisch unabhängigsein. Wie weit diese Frauen letztlich springen können,hängt eindeutig von uns ab – von unserer konkretenGleichstellungspolitik, von den Rahmenbedingungen,die wir setzen.Wir haben das Ziel, Frauen einen olympiareifen Weit-sprung zu ermöglichen. Haben wir die Frauen genug da-für trainiert, Frau von der Leyen? Ja, ansatzweise schon.Denn mit unserem Elterngeld und den Partnermonatenhaben wir die Chancen der jungen Frauen auf Erwerbstä-tigkeit erhöht. Keine Frage.Mit unserem Ganztagsschulprogramm und unseremRechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unterDreijährige ab 2013 machen wir einen weiten Sprungnach vorne. Darauf können wir alle sehr stolz sein.
– Nein, auf das Betreuungsgeld nicht, Herr Singhammer. –Dafür bekommen wir auch vom Gleichstellungsaus-schuss sehr viel Lob; das darf man nicht vergessen. Aberfür eine Olympiamedaille reicht es noch nicht. Denn diegenannte Studie von 2008 stellt auch fest – ich zitiere –:… aber die Zufriedenheit mit dem Beruf ist enormniedrig. … Die Frauen sehen ganz klar, dass Män-ner bevorzugt werden, dass sie schlechtere Auf-stiegschancen haben, die nicht auf Leistung, son-dern auf Geschlecht beruhen.
Diese individuellen Erfahrungen von Frauen werdenvom Frauenrechtsausschuss der Vereinten Nationen be-stätigt. Er beklagt nach wie vor die bestehenden Un-gleichheiten auf dem Arbeitsmarkt. Der Abschlussbe-richt, Frau Riemann-Hanewinckel, liegt leider erst seitgestern vor. Er ist sehr dick. Insofern kann ich verstehen,dass Sie ihn sicherlich noch nicht haben lesen können.Er ist auch noch nicht im Verteiler. Aber er liegt seit ges-tern vor.
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ir brauchen ein Steuersystem, das Frauen nicht be-achteiligt, wenn sie berufstätig werden. Wir brauchenerbindliche gesetzliche Regelungen für gleichen Lohnei gleichwertiger Arbeit. Tarifverträge müssen einemiskriminierungscheck unterzogen werden. Der gesetz-iche Mindestlohn für alle muss endlich eingeführt wer-en.
ir müssen tradierte Rollenbilder aufbrechen. Dafürrauchen wir eine noch bessere partnerschaftliche Auf-eilung von Familie und Beruf. Zurzeit können Mütternd Väter gleichzeitig sieben Monate Teilzeit arbeiten.arum sollte das nicht für die gesamte Elternzeit mög-ich sein? Das wäre eine echte partnerschaftliche Auftei-ung von Familie und Beruf.Ich habe wegen der Kürze der Zeit nur vier Vor-chläge herausgegriffen, die wir unterstützen und dieeutlich machen, dass die freiwilligen Vereinbarungenu mehr Chancengleichheit im Beruf, die 2001 zwischener Regierung und der Wirtschaft getroffen wurden, inuncto Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt nicht wei-ergeholfen haben.
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22422 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
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Christel HummeNach acht Jahren müssen wir uns das endlich eingeste-hen.30 Jahre gibt es den CEDAW-Ausschuss. Vor 24 Jah-ren haben wir das Übereinkommen der UNO zur Besei-tigung jeder Form der Diskriminierung der Frau ra-tifiziert. Damit haben wir in Deutschland die Beseiti-gung jeder Form von Diskriminierung von Frauen alsunveräußerliches Menschenrecht anerkannt. Deshalb istspätestens seit diesem Zeitpunkt die Zeit der Freiwillig-keit vorbei; denn Freiwilligkeit ist Stillstand. MeineFraktion hat am Dienstag einen eindeutigen Beschlussgefasst: Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokra-ten setzen auf klare gesetzliche Regelungen, damit wirgleichstellungspolitisch einen guten Sprung nach vornetun.Danke schön.
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich der Kol-
legin Lenke.
Frau Humme, der Abschlussbericht liegt uns nicht
vor. Es ist schon merkwürdig, dass die Ministerin davon
spricht, dass die Große Koalition ihn hat. Aber Sie haben
eine Kollegin gehört, die ihn auch noch nicht hat. Es ist
einen Monat her. In dieser Zeit hätte etwas passieren
können.
Aber nun zu Ihnen, Frau Humme. Sie wissen genau,
dass die FDP bei anderthalb Stunden Debattenzeit eine
Redezeit von 10 Prozent hat. Das sind sechs Minuten.
Jetzt fragen Sie mich nach den Anträgen der FDP. Ihre
Mitarbeiterin scheint die Rede geschrieben zu haben;
denn wenn Sie die Tagesordnung gesehen hätten, dann
wüssten Sie, dass im Zusammenhang mit der Behand-
lung des CEDAW-Berichts auch der FDP-Antrag aufge-
führt ist, der schon im letzten Jahr zu diesem Thema ein-
gebracht worden ist. Ich würde Ihnen, Frau Humme,
zum Schluss gerne mit auf den Weg geben: Die SPD re-
giert so lange, wie ich im Bundestag bin, seit 1998. Das
sind zehn Jahre. Jetzt stellen Sie sich hin und beklagen
das Fehlen von Equal Pay, also die ungleiche Bezahlung
von Männern und Frauen.
Frau Kollegin Lenke, die FDP hat zehn Minuten Re-
dezeit. Das möchte ich klarstellen.
Bitte, Frau Kollegin Humme.
Schönen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Lenke, ich
bin sehr stolz darauf, dass wir zehn Jahre an der Regie-
rung beteiligt waren;
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enn vor allen Dingen in der ersten Legislaturperiode
aben wir gerade in der Gleichstellungspolitik sehr viel
uf den Weg gebracht.
as Programm „Frau und Beruf“ im Rahmen des
leichstellungsgesetzes für die Bundesverwaltung
at eine ganze Menge gebracht. Ich bin sehr stolz, daran
eteiligt gewesen zu sein. Dass wir heute vielleicht noch
ehr brauchen, weil wir erkennen müssen, dass freiwil-
ige Vereinbarungen nicht gereicht haben, habe ich in
echs Minuten deutlich machen können. Ich verstehe
icht, warum Ihnen sechs Minuten nicht reichen, um die
orstellungen der FDP deutlich zu machen. Das ver-
chlägt mir die Sprache.
Danke schön.
Ich gebe der Kollegin Dr. Barbara Höll, Fraktion Die
inke, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!rinnern Sie sich noch, wie Exkanzler Schröder Frauen-olitik als „Gedöns“ bezeichnet hat?
n einem schönen Ritual diskutieren wir Jahr für Jahr dieleichberechtigung der Frauen zum 8. März. Frau Mi-isterin stellte viele Fragen, aber gab keine Antworten.rau Humme, auch Sie haben Fragen gestellt. Aber Sieind in der Regierung. Jetzt, kurz vor Ende der Regie-ungszeit, zu sagen, das und das und das müsste manachen, aber nichts Konkretes vorzulegen, ist ein Ar-utszeugnis für Sie als sozialdemokratische Frauen.
Vielleicht liegt es daran, dass im Gegensatz zu Ihnenrau Ministerin eben klipp und klar erklärt hat,
ie Entgeltungleichheit in Deutschland interessiere sieur in Worten, mehr nicht. Frau Ministerin hat hier ge-agt, das sei ausschließlich Sache der Tarifparteien. Ge-au das ist der Konfliktpunkt. Wir müssen uns als Abge-rdnete entscheiden, ob wir das einfach so stehen lassender ob wir uns einschalten, ob wir Bedingungen dafürchaffen, dass die Tarifparteien tatsächlich zu Gleichbe-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22423
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Dr. Barbara Höllrechtigung und Entgeltgleichheit finden. Dazu haben wirals Linke Ihnen einen Antrag vorgelegt. Sie brauchenhier nur zuzustimmen, dann haben wir einen Weg.
Wir bemühen uns, hier gemeinsam ein Gesetz zu ver-abschieden, welches für Unternehmen und Beschäftigte,Betriebsräte und Tarifvertragsparteien den Rahmen dafürsetzt, dass eigene, auf die verschiedenen Berufszweigezugeschnittene, differenzierte Vorgaben gemacht wer-den, wie die Entgeltgleichheit erreicht werden kann.Dem müssen wir uns stellen. Wir müssen konkret wer-den. Wir müssen gesetzgeberisch aktiv werden, ohne indie Tarifautonomie einzugreifen. Das möchte ich hierklipp und klar zum Ausdruck bringen.
Frau Humme, unabhängig davon, ob sich alle Fraueneinen Mann wünschen,
was ich sehr bezweifle – vielleicht wünscht sich eineFrau mehrere Männer, eine andere Frau wünscht sicheine Frau als Partnerin, oder eine Frau möchte bewusstalleine bleiben –: Frauen wollen schlicht und ergreifend,dass das Grundgesetz nach 60 Jahren tatsächlich voll-ständig umgesetzt wird. Die 4 Mütter und 57 Väter desGrundgesetzes haben sich mit der Formulierung vonArt. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes etwas gedacht. Sie ha-ben allen weiteren Generationen den Auftrag erteilt:Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung derGleichberechtigung von Frauen und Männern undwirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteilehin.Tun wir dies hier gemeinsam, indem wir gesetzgeberi-sche Initiativen ergreifen!
Wenn Frau von der Leyen vorhin erklärt hat, dass wirdas europäische Ziel erreicht haben und 67 Prozent derFrauen berufstätig sind, so ist das noch nicht einmal diehalbe Wahrheit.
Fakt ist: Das Arbeitsvolumen, welches durch Frauen ab-gedeckt wird, hat sich nicht geändert.
Die Realität ist, dass zwar mehr Frauen arbeiten, aber inTeilzeit bzw. geringfügiger Beschäftigung. Das ist eineKatastrophe, und sie wird hier noch als Sieg und Erfolgverkauft.
Ich möchte einmal einen Manager zitieren: Bloß weilsich ein paar Frauen um die Balance sorgen, werden wirdesnzcbdbtvdBFupkBrEFwtnGnblewmGNFilhW
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!rau Ministerin, das, was Sie gerade abgeliefert haben,st schon ein starkes Stück gewesen. Sie haben eine Ana-yse vorgenommen und dargestellt, wo Probleme beste-en. Als zuständige Ministerin haben Sie dennoch keinort darüber verloren, wie Sie das ändern wollen.
Ich möchte einmal einen Satz zitieren:In bedeutsamen Lebensbereichen hat sich die Situa-tion von Frauen
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Irmingard Schewe-Gerigk– in Deutschland –verschlechtert. Deutliche Mängel gibt es bei derAntidiskriminierungspolitik. Trotz aller positivenMaßnahmen kämpfen Frauen auf dem Arbeitsmarktmit erheblichen Benachteiligungen.Dieses vernichtende Urteil über Ihre Frauenpolitik,meine Damen und Herren der Regierungskoalition,stammt nicht von der bösartigen Opposition, sondern istdas Fazit des sechsten UN-Berichts zur Beseitigung derDiskriminierung von Frauen in Deutschland.
Die UN gehen mit Ihnen hart ins Gericht. Sie kritisie-ren, dass Sie nicht aktiv werden, um die Diskriminierungvon Frauen zu beseitigen, dass Sie stattdessen sogar dasPrinzip des Gender-Mainstreamings abgeschafft, die ent-sprechende Abteilung im Ministerium aufgelöst und die-sen Begriff aus dem offiziellen Vokabular gestrichen ha-ben.
Englisch ist ja wirklich eine schwierige Sprache, HerrSinghammer. Frau Ministerin, so geht man nicht mit rati-fizierten internationalen Verpflichtungen um.
Was lesen wir in Ihrer Pressemitteilung dazu? Ich zi-tiere: Der CEDAW-Ausschuss habe sich mit den Fort-schritten der deutschen Gleichstellungspolitik zufriedengezeigt. – Frau Ministerin, das nenne ich versuchteVolksverdummung oder auch Etikettenschwindel.
Im UN-Bericht finden sich 25 Beanstandungen, diemeisten zur Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt,zur Lohndiskriminierung, zur Unterrepräsentanz in Füh-rungspositionen. Ich finde schon, dass es eine Unverfro-renheit ist, diesen Bericht heute hier auf die Tagesord-nung zu setzen, ohne eine einzige Maßnahme derRegierung dazu vorzulegen.
Vier Jahre Große Koalition waren frauenpolitischeine verlorene Zeit. Kein einziges Gesetz zu Frauenrech-ten haben Sie eingebracht. Woche für Woche legen Ih-nen die Oppositionsfraktionen dazu Anträge vor, die Sieablehnen, ohne eigene Initiativen zu ergreifen. Sie rea-gieren nur, wenn Sie das Bundesverfassungsgericht dazuzwingt. Das betrifft in letzter Zeit – das steht auch in denBerichten – die transsexuellen und intersexuellen Men-schen. Dazu findet sich kein Wort von Ihnen im Länder-report. Die Rüge der Vereinten Nationen kam postwen-dend.rDlLgdhgjagibnuAmmptDDrfbldzbaspLlFk„z
Letzten Montag hat es uns EU-Kommissar Spidla ge-ade wieder einmal schwarz auf weiß vorgelegt: Derurchschnittsverdienst von Frauen in Deutschlandiegt fast ein Viertel unter dem der Männer. Damit ist dasohngefälle zwischen Männern und Frauen bei uns soroß wie in kaum einem anderen EU-Land. Ich finde,ieser Zustand ist beschämend, und es ist überfällig, dassier etwas passiert. Zu Recht erwägt Kommissar Spidlaesetzliche Regelungen. Solche Regelungen scheuen Siea wie der Teufel das Weihwasser.
Auf Initiative der Grünen fand im Januar im Frauen-usschuss eine Anhörung dazu statt. Unsere Forderun-en wurden mehrheitlich bestätigt. Darüber werden wirn der nächsten Sitzungswoche diskutieren; vielleicht ha-en auch Sie dann einen Antrag dazu.Frau Ministerin, ich verkenne nicht, dass die von Ih-en umgesetzten Verbesserungen bei der Kinderbetreu-ng und das Elternzeitgesetz wichtige Maßnahmen sind.ber Sie verwechseln konsequent Frauenpolitik mit Fa-ilienpolitik;
anchmal möchte ich sogar sagen: mit Bevölkerungs-olitik. Nicht alle Frauen sind Mütter, und sie verdienenrotzdem weniger.
arum muss endlich ein gesetzlicher Mindestlohn her.avon würde jede vierte Frau in Deutschland profitie-en.Wir brauchen endlich auch ein Gleichstellungsgesetzür die Privatwirtschaft; da hat die Linke recht. Wir ha-en das schon vor zwei Jahren gefordert – das ist natür-ich abgelehnt worden –; darum unterstützen wir jetzten Antrag der Linken.
Es wurde schon gesagt: Die freiwillige Vereinbarungwischen der Bundesregierung und den Arbeitgeberver-änden ist gescheitert. Alles bleibt beim Alten. Die Ver-ntwortung wird hin und her geschoben: von der Wirt-chaft zu den Gewerkschaften zur Regierung – und esassiert überhaupt nichts.Jetzt naht der Wahlkampf. Da erfährt der erstaunteeser bzw. die erstaunte Leserin, dass die SPD, nament-ich Franz Müntefering, nach vier Jahren Untätigkeit dierauenpolitik zum zentralen Bestandteil des SPD-Wahl-ampfs machen möchte.
Zentraler Bestandteil des Wahlkampfs“, das hört sichunächst gut an; bei näherer Betrachtung erkennt frau al-
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Irmingard Schewe-Gerigklerdings, dass es sich dabei um eine Wundertüte handelt,in der nichts als heiße Luft ist.
– Ich kann Ihnen das nicht ersparen; es tut mir leid.
Für eine Regierungspartei ist es unseriös, Politik viaPressemitteilungen zu machen.
Ihrem Kollegen Müntefering, der leider nicht da ist, kön-nen Sie sagen: „Regieren“ heißt handeln; „regieren“heißt nicht Pressemitteilungen schreiben.
Sie können heute unter Beweis stellen, wie ernst es Ih-nen damit ist.Ich komme damit zu dem Antrag der Grünen zurQuotierung in Aufsichtsräten. Eine solche Quotierungbefürworten Sie. Das haben Sie auch in der Fraktion ver-abschiedet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen: Die Füh-rungspositionen in der deutschen Wirtschaft sind fest inMännerhand. In den Vorständen der 30 DAX-Unterneh-men findet sich immer noch nur gerade mal eine Frau. Inden Aufsichtsräten liegt der Frauenanteil so gerade bei10 Prozent. Ohne die Entsendung von Frauen in die Auf-sichtsräte durch die Gewerkschaften – das liegt an derQuotierung nach dem Betriebsverfassungsgesetz – wäresie nur halb so hoch.Den Unternehmen – das müssten Sie eigentlich wis-sen – geht durch diese Männerwirtschaft kreatives Poten-zial verloren.
Die Reservate des Patriarchats, wie es ein Kollege vonuns einmal ausdrückte, sind nicht zukunftsfähig. GeradeZukunftsfähigkeit wird in der jetzigen Wirtschaftskrisegebraucht. Ursache der Krise ist nicht nur ein Versagendes Marktes; Ursache ist auch ein Versagen der Mana-ger. – Da nickt auch der Herr Kollege Röttgen.
Wenn wir diese Krise als Chance begreifen wollen, müs-sen wir endlich Strukturen ändern, nicht nur in den Ban-ken, nicht nur in der Automobilindustrie, sondern geradeauch in den Aufsichtsräten.Unser Vorbild ist Norwegen. Seit 2006 müssen ge-setzlich mindestens 40 Prozent der Sitze in Aufsichtsrä-ten von Frauen besetzt sein. Das Gesetz wurde nichtetwa von der Gleichstellungsministerin initiiert, sondernvon dem konservativen norwegischen Wirtschaftsminis-tZzWhAlflzjCntsuADvfFwvAtWSTGkSEd1nZmDrrbBdnvp
Es spricht also überhaupt nichts dagegen, diese Er-olgsgeschichte als Best Practice – schon wieder ein eng-isches Wort – für Deutschland zu übernehmen, undwar in einem zweistufigen Verfahren, wie wir es Ihnenetzt vorschlagen: Zunächst sollte eine Regelung in denorporate-Governance-Kodex aufgenommen werden,ach der die Aufsichtsräte deutscher Aktiengesellschaf-en bis 2012 mindestens zu 40 Prozent mit Frauen zu be-etzen sind. Falls dieses Ziel bis dahin nicht freiwilligmgesetzt wird, erfolgt eine gesetzliche Regelung imktiengesetz, nach der dies bis 2015 zu erreichen ist.anach greifen Sanktionen. So hat es uns Norwegenorgemacht, so können wir es machen.
Mit der Beschränkung der Aufsichtsratsmandate aufünf schaffen wir mehr Beteiligungsmöglichkeiten fürrauen und durchlöchern ein wenig die Old Boys Net-orks. Schon die Finanz- und Korruptionsskandale derergangenen Jahre haben deutlich gemacht, dass dieufsichtsräte häufig nicht im Sinne einer effektiven Un-ernehmenskontrolle funktionieren.Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund derirtschaftskrise stellt sich erneut die Frage nach demtellenwert von Gleichstellungspolitik. Ist das nur einhema für wirtschaftlich gute Zeiten? Ich sage: Nein.erade in der Krise ergibt sich die Möglichkeit, über-ommene Strukturen und Rollen zu überwinden. Lassenie uns doch endlich diese Chance nutzen!
ine gestern veröffentliche Umfrage ergab: 50 Prozenter deutschen Bevölkerung trauen den Frauen, aber nur7 Prozent der deutschen Bevölkerung trauen den Män-ern eher zu, diese Krise zu meistern. Sie sehen, es isteit für Veränderungen.
Diskriminierung wegen des Geschlechts ist für eineoderne Gesellschaft beschämend und inakzeptabel.ie Aufgabe einer Regierung ist es nicht, zu lamentie-en; ihre Aufgabe ist, zu handeln.Dabei haben sowohl die Kanzlerin als auch Ministe-in von der Leyen offensichtlich Wahrnehmungspro-leme. Während die Kanzlerin behauptet, der CDU-undesvorstand sei zur Hälfte mit Frauen besetzt – quasiie Speerspitze der Quotierung –, ergibt ein Nachrech-en, dass es gerade mal ein Viertel ist. Wenn Ministerinon der Leyen als Beleg für ihre gute Arbeit damitrahlt, im Jahr 2008 seien 3 400 Kinder mehr geboren
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Irmingard Schewe-Gerigkals im Jahr 2007, während einen Tag später das Statisti-sche Bundesamt belegt, von Januar bis Oktober 2008seien sogar 4 000 Kinder weniger auf die Welt gekom-men als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, dann fragtman sich schon –
Frau Kollegin!
– ich komme zum Schluss –
Ich bitte darum.
– ob es nur eine Wahrnehmungsstörung ist oder ob es
sich um eine gezielte Desinformation handelt. Eine
Schelmin, die Böses dabei denkt.
Jetzt kommt der letzte Satz, Frau Präsidentin: Meine
Damen und Herren, wir haben in der Frauenpolitik vier
Jahre verloren. Es ist an der Zeit, dass dieser Stillstand,
diese Blockade überwunden wird. Wir brauchen einen
neuen Gesellschaftsvertrag auch zwischen den Ge-
schlechtern.
Frau Kollegin!
Wir brauchen eine Politik, die Frauen ernst nimmt.
Frau Kollegin, Sie müssen jetzt zum Ende kommen.
Sie können nicht die Redezeit der Grünen dadurch ver-
längern, dass Sie meine Mahnungen ignorieren.
– Ich bin schon beim allerletzten Satz. –
Wir brauchen wieder eine Frauen- und Gleichstellungs-
politik.
Recht herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Johannes Singhammer,
CDU/CSU-Fraktion.
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it dem Elterngeld und mit dem Ausbau der Kinderbe-reuung. Das sind Fakten, die nicht geleugnet werdenönnen. Vielen Dank, Frau Ministerin.
Ich sage aber auch: Das reicht noch nicht. Natürlichst Lohndiskriminierung nach nationalem und europäi-chem Recht ausgeschlossen. Es ist eindeutig unzuläs-ig.
ie Problematik liegt aber im versteckten Bereich. Dieersteckten Ursachen sind das, was wir gemeinsam be-lagen. Selbstverständlich müssen wir diese Ursachenenennen. Das ist kein Ausweichen. Wir haben auch Lö-ungen. Lassen Sie mich drei benennen.
Sofort, Frau Lenke. Ich komme gleich darauf zu spre-hen.Zum einen haben Frauen nach wie vor oft ein be-timmtes Berufsbild,
inen sogenannten typischen Frauenberuf im sozialenereich, der schlechter bezahlt wird, obwohl es sich umehr wichtige und hochqualifizierte Tätigkeiten handelt.ir müssen erreichen, dass diese Tätigkeiten besser be-ahlt und höher angesehen werden. Das ist ein ganz ent-cheidender Punkt.
Zum Zweiten geht es um die hier schon oft beschwo-ene Teilzeitquote. Ja, sie gibt es, aber eine höhere Teil-
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Johannes Singhammerzeitquote ist doch als solche nichts Schlechtes. VieleFrauen wollen ja maßgeschneiderte Teilzeitangebote.
Wir haben das im Zusammenhang mit der Familienpoli-tik des Öfteren diskutiert. Der EU-Kommissar Spidla,der von Ihnen, Frau Schewe-Gerigk, zitiert worden ist,hat gerade erst seine Kritik, die er in Bezug auf die Teil-zeitquote in Deutschland geäußert hat, zurückgenom-men. In einem Teil der Medien war beispielsweise ges-tern zu lesen:… Vladimir Spidla hat seine Aussagen über eineVertiefung des Lohngefälles zwischen Männernund Frauen in Deutschland zurückgenommen.
Wir wollen, dass es die Möglichkeit zur Teilzeitarbeitgibt. Die meisten Frauen wollen das auch.
Wir wollen aber nicht, dass sich Teilzeitarbeit als Hin-dernis herausstellt, um in Führungspositionen zu gelan-gen. Das ist das Entscheidende.
Deshalb müssen wir uns um ein wesentlich besseres Ver-hältnis von Führungspositionen zur Teilzeit kümmern.
Zum Dritten freue mich ich allerdings auch, dass dieBundesregierung in Bezug auf die Gleichstellung mitgutem Beispiel vorangeht. Wir haben eine Bundeskanz-lerin
– nicht in Teilzeit –,
und 6 von 14 Ministern sind Ministerinnen. Ich sageaber auch, dass bezüglich der Führungspositionen imöffentlichen Dienst noch nicht alles zum Besten stehtbzw. es nicht so ist, wie wir es uns vorstellen.
Wir wollen, dass der Frauenanteil in Führungspositionenim öffentlichen Dienst, weil ihm in vielen Bereicheneine Pilotfunktion zukommt, eindeutig verbessert wird.
Herr Kollege Singhammer, gestatten Sie eine Zwi-
schenfrage der Kollegin Dückert?
Ja, bitte schön.
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en Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie,
nergie, Hubertus Schmoldt, den früheren Wirtschafts-
taatssekretär Alfred Tacke, den Bonner Ökonomen
artin Hellwig. Man merke auf: Ein Wissenschaftler ist
abei, der sich mit der Bewertung beschäftigt.
Alles zusammengenommen und insbesondere an den
ntscheidungen aus jüngster Zeit wird also, wie ich
inde, deutlich, dass Sie uns nicht helfen, Frauen in
ichtige, leitende Positionen zu bringen, wodurch die
irtschaft vorangebracht werden könnte.
Frau Kollegin Dückert, Sie können davon ausgehen,ass letztendlich die Bundesregierung die entscheiden-en Weichenstellungen vornimmt, auch und gerade inen von Ihnen genannten Fragen der Kredit- und Bürg-chaftsvergabe. Die Bundesregierung selber ist, wie ichchon gesagt habe, vorbildlich besetzt; der Frauenanteileträgt fast 50 Prozent. Sie können davon ausgehen,ass im Gremium Bundesregierung auch die entspre-henden guten Entscheidungen mit hälftiger Beteiligungon Frauen getroffen werden.Lassen Sie mich noch eines sagen: Die Union hat ei-en Beschluss gefasst, der zehn wichtige Schritte dazunthält, was noch zu tun ist.
iese werden wir auch umsetzen. Wir bleiben nicht ste-en, sondern gehen Stück für Stück voran.
ch sage aber auch: Wenn man vorangeht, muss man inie richtige Richtung gehen.
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Johannes SinghammerWeil Sie von den Linken sich hier immer als Wortfüh-rer des richtigen Wegs darstellen, möchte ich zu IhremAntrag Folgendes sagen: Sie haben in Ihrem Antrag dieForderung formuliert, es müssten in allen Lohngruppenhälftig Frauen und Männer vertreten sein.
Das heißt also, Sie müssten eine Quote für alle Berufs-zweige, vom Facharbeiter bis hin zur Hebamme, einfüh-ren. Wenn das dann auch noch per Gesetz überwachtwerden soll, erfordert das ein neues Höchstmaß an Büro-kratie, eine Monsterbürokratie.
Nun mögen einige von Ihnen durchaus einen großen Ge-fallen daran finden. Ich sage Ihnen: Eine solche Mons-terbürokratie führt Frauen überhaupt nicht weiter. Wirwollen sie nicht.
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich der Kol-
legin Kerstin Griese.
Herr Kollege Singhammer, Sie haben mir keine Gele-
genheit zu einer Zwischenfrage gegeben, sonst hätte ich
gefragt, wann Sie über das CEDAW-Abkommen, das
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskri-
minierung von Frauen, sprechen wollen, das hier Thema
ist.
Ich will oder muss diese Kurzintervention allerdings
nutzen, um etwas klarzustellen, weil geschäftsordnungs-
technisch eine Kurzintervention auf die Antwort zu einer
Kurzintervention nicht möglich ist. Die Frau Ministerin
hat vorhin in ihrer Antwort den Eindruck erweckt, als sei
die deutsche Übersetzung der abschließenden Bemer-
kungen des Ausschusses zur Beseitigung der Diskrimi-
nierung der Frau dem Ausschuss zugegangen, indem sie
gesagt hat, die Übersetzung liege auf meinem Schreib-
tisch. Das ist nicht so.
Diese Bemerkungen sind zwar in der vorläufigen Fas-
sung der Koalitionskoordinierung zugegangen. Das ist
schön; trotzdem bestehe ich als Ausschussvorsitzende
darauf, dass sie auch dem Parlament zugehen. Ich glaube
nicht, dass etwas Geheimes darin enthalten ist. Im Ge-
genteil, sie könnten uns in unserer Frauen- und Gleich-
stellungspolitik weiterhelfen. Ich bitte also ausdrücklich
um die Weiterleitung, und ich bitte Sie als Sprecher der
CDU/CSU-Fraktion, ebenfalls darauf zu achten, dass das
weitergegeben wird.
Vielen Dank.
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Das ist nicht unangenehm. Wir geben alles weiter,
as notwendig und wichtig ist. Hier den Eindruck zu er-
ecken, es würden irgendwelche Unterlagen zurückge-
alten, ist von vornherein falsch.
Nein, das ist nicht so.
Was Ihr Unwohlsein – nicht das Ihre, Frau Kollegin
riese, aber das der Grünen – hervorgerufen hat, war,
ass die Ministerin die englische Bezeichnung Gender-
ainstreaming nicht mehr verwendet.
a kann ich nur sagen: Das ist völlig richtig; denn mit
usnahme der politischen Klasse, die sich damit be-
chäftigt, verstehen nur relativ wenige, was sich hinter
ieser Begrifflichkeit verbirgt.
eshalb bin ich der Meinung, dass das richtig ist und
ass es keinen Anlass zur Kritik gibt.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Sibylle Laurischk,
DP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es istchon interessant, zu beobachten, wie die Koalitions-raktionen sich hier in die Wolle bekommen.
er Wahlkampf beginnt offensichtlich. Ich denke aber,ass Frauenpolitik, Gleichstellung von Frauen und derEDAW-Bericht ein zu ernstes Thema sind, als dass wirns nur in den Niederungen der Parteipolitik bewegenollten. Wichtiger wäre, die Sachfragen zu klären.
Eine Tatsache, die ich hier anmerken möchte, ist, dasss unter den 24 beamteten Staatssekretären der Bundes-egierung nur eine einzige Frau gibt, und das auch ersteit Ende 2008. Immerhin; vielleicht ist das ja ein An-ang.Aufgrund des Berichts, den uns die Frau Ministerinier vorgelegt hat, haben wir feststellen können, dassoch viel zu tun bleibt. Mit der Forderung nach der Be-etzung von 40 Prozent der Aufsichtsratsmandate
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22429
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Sibylle Laurischkdurch Frauen wird sicherlich nichts zu bewegen sein.Wir wollen keine Eingriffe in die Wirtschaft. Aber wirhaben durchaus den Wunsch, dass die Wirtschaft diesesManko beseitigt und mehr Frauen Wirtschaftsverantwor-tung überträgt. Meiner Ansicht nach werden sich dannsolche Fiaskos wie die Wirtschaftskrise, die wir derzeiterleben, nicht so krass entwickeln, da nach meinem Da-fürhalten durch den Sachverstand der Frauen die Risikeneher erkannt würden.
Auch die Forderung nach einem Feiertag ausschließ-lich für Frauen scheint mir wenig zielführend zu sein.Dies würde eine weitere finanzielle Belastung bedeuten,wodurch möglicherweise Arbeitsplätze gefährdet wären.Das ist also ein völlig falscher Ansatz.
Im CEDAW-Bericht sind interessanterweise zwei Ab-schnitte enthalten, die nach meinem Dafürhalten hierbisher zu wenig Beachtung gefunden haben, nämlich dasThema „Gewalt gegen Frauen“ und das Stichwort „ver-letzbare Frauengruppen“. Frau Ministerin, hierzu habeich von Ihnen nichts gehört.
Ich bin der Meinung, dass Sie bei diesen ganz spezifi-schen Frauenfragen Ihre Aufgabe nicht erfüllen. Siemüssen nicht nur in Fragen des Elterngeldes, bei denenSie sich zweifellos profiliert haben, sondern auch in die-sen Fragen sensibel sein. Dazu gehört die Frage: Wiesieht es aus mit häuslicher Gewalt gegen Frauen?Frauen sind nach wie vor von häuslicher Gewalt be-troffen, und zwar in einem Ausmaß, das in der Öffent-lichkeit immer noch nicht ausreichend bekannt ist. WennSie, Frau Humme, der Meinung sind, die FDP habekeine Vorschläge gemacht, wie das Thema „häuslicheGewalt“ zu behandeln sei,
dann muss ich Ihnen schon sagen, dass Sie die Debattenicht kennen. Es ist möglich, dass Sie nach Ihrem Aus-scheiden aus dem Familienausschuss dieses Feld nichtmehr überblicken.
Wir haben einen Antrag gestellt, in dem wir die Bun-desregierung auffordern, über die Finanzierung vonFrauenhäusern Auskunft zu geben. Wir haben sehr de-zidiert die Punkte aufgelistet, über die wir etwas erfah-ren wollen. Die Bundesregierung hatte bis Ende 2008Zeit, zu reagieren; sie hat aber einen solchen Bericht bis-her nicht vorgelegt. Die im CEDAW-Bericht angespro-chene Problematik haben wir schon in unserem Antrag,den wir lange vor der Veröffentlichung des CEDAW-Be-richts gestellt haben, behandelt. Wir verlangen, dass dieBundesregierung Schritte zur Veränderung dieser Situa-tion einleitet.Die Bundesregierung muss sich mit der Finanzierungvon Frauenhäusern, von Schutzräumen befassen undhier klare Signale an die Länder senden, damit diesesTEdTddrDtFuJPszbltsdzrafDzGvsugDgzddv
Das sieht im Übrigen auch der CEDAW-Ausschuss sond mahnt unter anderem Verbesserungen bei der Ent-eltgleichheit an. Die SPD nimmt diese Kritik ernst.eshalb wollen wir gleichen Lohn für gleiche undleichwertige Arbeit. Lohnunterschiede von 23 Prozentwischen Männern und Frauen sind in der Tat ein Skan-al. Es ist an der Zeit, dass wir die rote Laterne, die wiramit innerhalb der EU haben, endlich abgeben. Frauenerdienen mehr!
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22430 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
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Caren MarksWir wollen eine gerechte Bezahlung von Frauen. Esmuss endlich Schluss damit sein, dass der männliche La-gerarbeiter mehr verdient als die Kassiererin in einemSupermarkt. Weil die Appelle für freiwillige Lösungenkein Gehör finden, setzen wir von der SPD jetzt auf ge-setzliche Regelungen.
Wir wollen mehr Frauen in Führungspositionen;denn schließlich haben Männer in den Chefetagen derBanken diese Finanz- und Wirtschaftskrise zu verant-worten. Mehr Frauen in Chefsessel! – Das ist eine derwichtigsten Lehren, die aus dieser Krise gezogen werdenmüssen.
Dabei denke ich nicht nur an die weiblichen Spitzen-kräfte. Frauen in Führungspositionen verbessern dieChancen für alle anderen Frauen im Betrieb. Davon pro-fitieren alle Frauen. Davon profitiert aber auch die ge-samte Wirtschaft. Der norwegische WirtschaftsministerAndersen sagt, dass die Wirtschaft viel versäume, wennsie die Ressourcen der weiblichen Leitungen und Vor-standsmitglieder nicht ausschöpft. Unsere CSU-Wirt-schaftsminister sagen dazu – nichts. Wir sagen dazu:Quote tut gut.
Unsere Familienministerin hat Norwegen ebenfallsals großes Vorbild entdeckt, allerdings in einem ganz an-deren Zusammenhang, nämlich beim Access-Blocking.Ich wundere mich schon ein wenig darüber, wie lockerIhnen, Frau Ministerin, dieses Wort über die Lippenkommt; denn beim Begriff Gender-Mainstreaming istdas völlig anders.
Das wird, so die Ministerin, angeblich nicht verstanden.Das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, verstehewer will.Der CEDAW-Ausschuss kritisiert zu Recht, dass dasdeutsche Frauenministerium die internationale Gender-Mainstreaming-Strategie nicht umsetzt. Hier geht esnicht um den Begriff; hier geht es um eine Strategie,Frau Ministerin.
Nehmen Sie diese Kritik an und ernst! Sorgen Sie füreine Politik, von der Frauen und Männer gleichermaßenprofitieren! Sorgen Sie endlich wieder für Gender-Main-streaming!Wofür steht die SPD in der Gleichstellungspolitik?Wir wollen gute Arbeit für Frauen, das heißt: gleiche Ar-beitsbedingungen für Frauen und Männer, faire Mindest-löhne und Wege raus aus der Falle ungeschützter und ge-rABGSWFmwvdmsfswwuesdGkwVwWRdcdeTiszGsrdVk
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und zwar in Kenntnis der gleichstellungspolitischen Fol-gen.Noch viel mehr Kritik steht im Alternativbericht zurUN-Frauenkonvention CEDAW, den uns Abgeordnetenim vergangenen Dezember 28 Frauenorganisationenvorgelegt haben, gemeinsam mit einem alarmierendenBericht zur Situation inter- sowie transsexueller Men-schen in unserem Land. Dieser engagierten Arbeit ist eszu verdanken, dass die real existierenden Mängel derbundesdeutschen Gleichstellungspolitik und Frauenpoli-tik deutlich benannt wurden. Alle diese Berichte wider-sprechen dem allzu selbstgefälligen Bericht der Bundes-regierung in ganz wesentlichen Punkten. Aber Kritiknutzt nur, wenn sie gehört wird. Deshalb sehe ich dieseAlternativberichte als Hausaufgaben für das Parlamentund uns Abgeordnete. Wir müssen erzwingen, dass dieBundesregierung die UN-Frauenkonvention endlich er-lebbar durchsetzt.
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timmen Sie unserem Antrag in diesem Hohen Hauseeute zu.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich gebe das Wort der Kollegin Michaela Noll, CDU/
SU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Ich hatte jetzt ungefähr eine Dreiviertelstundeang die Gelegenheit, zuzuhören. Ich muss sagen: Ichinde es schade. In einer Stunde haben wir die Möglich-eit, einen Festakt zu begehen: 60 Jahre Art. 3 Grundge-etz. Ich meine, das ist ein Festakt, den wir wirklich be-ehen und feiern sollten, genauso wie den Festakt90 Jahre Frauenwahlrecht“. Diese beiden Ereignisseind Meilensteine für die politische und gesellschaftlicheartizipation von Frauen gewesen. Deswegen bin ich dereinung, dass diese Debatte in falsche Bahnen läuft.
Mittlerweile gibt es CEDAW seit fast 30 Jahren.ürde ich Sie fragen, was genau CEDAW ist, könntenir aber bedauerlicherweise viele von Ihnen keine Ant-ort geben, natürlich mit Ausnahme unserer Fachpoliti-er.
EDAW ist ein Übereinkommen der Vereinten Nationenur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung vonrauen. Was das Gezeter, warum CEDAW in der Öffent-ichkeit nicht so präsent ist, betrifft, muss ich ganz ehr-ich sagen: Sowohl Sie als auch wir waren oder sind an
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Michaela Nollder Regierung. Wir alle müssen dieses Thema mehr alsbisher in die Öffentlichkeit transportieren.
– Die Ministerin äußert sich auf der Homepage des Bun-desfamilienministeriums zu diesem Thema, und weitereInformationen sind auf der Homepage des AuswärtigenAmtes zu finden. Außerdem gibt es entsprechende Bro-schüren.
Dennoch gibt es Informationslücken. Wenn wir wirklichwollen, dass CEDAW ein Meilenstein wird, müssen wiralle dieses Thema mehr als bisher in die Öffentlichkeittragen. Hier sind alle Politiker gefordert.
– Das gilt auch für Frau Kollegin Marks. Wie ich sehe,sind Sie gerade sehr damit beschäftigt, sich mit IhrerKollegin zu unterhalten.
Frau Kollegin Riemann-Hanewinckel, Sie haben inIhrer Kurzintervention unsere Ministerin angegriffenund behauptet, sie habe ein Problem mit dem Begriff„Gender-Mainstreaming“. Ich sage Ihnen: Sie hat damitkein Problem. Weil die ehemalige Bundesfamilienminis-terin Frau Renate Schmidt noch im Saal ist, bitte ich sie,zu bestätigen, dass sie in der ersten Sitzung der letztenLegislaturperiode an den gesamten Familienausschussappelliert hat, einen praktikableren Begriff zu finden.
Sie hat in dieser Sitzung auch angekündigt, dieses Be-mühen mit einem Geschenk zu verbinden.
– Das war keine Einzelmeinung. Dieser Appell hat dieZustimmung des gesamten Ausschusses gefunden. Ma-len Sie die Dinge bitte nicht schwärzer, als sie in Wirk-lichkeit sind!
Frau Kollegin Noll, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Riemann-Hanewinckel?
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Frau Kollegin Noll, ich habe zwei Fragen an Sie.
Meine erste Frage: Haben Sie zur Kenntnis genom-
en, dass der Staatenbericht, der in der letzten Legisla-
urperiode, vor knapp fünf Jahren, an den CEDAW-Aus-
chuss nach New York geschickt worden ist – ich war
amals dafür verantwortlich –, erstmalig an dieses Hohe
aus überwiesen worden ist, damit er hierzulande nicht
ur bekannt, sondern auch debattiert wird?
Meine zweite Frage: Haben Sie zur Kenntnis genom-
en, dass der CEDAW-Ausschuss kritisiert hat – es geht
icht um die Begrifflichkeiten –, dass die Strategie des
ender-Mainstreaming und des Gender-Budgeting auf-
rund der Formulierung abhanden gekommen ist?
aben Sie diesen Hauptkritikpunkt zur Kenntnis genom-
en? Das kommt im Bericht, in den abschließenden Be-
erkungen des Ausschusses, ziemlich deutlich zum
usdruck. Man kann das im Zweifel auch im Protokoll
er Ausschusssitzung nachlesen.
Ich habe das zur Kenntnis genommen. Nehmen Sieitte zur Kenntnis, dass CEDAW vielen Bürgern nachie vor nicht präsent ist. Sie können mit diesem Begriffnd mit dem Übereinkommen nichts anfangen.
Das hat nichts mit dem Regierungshandeln zu tun. Umatsächliche Gleichstellung zu gewährleisten, müssenir für einen Wandel in den Köpfen sorgen.
it festen Begriffen werden wir nichts erreichen. Wir wer-en auch nichts erreichen, wenn wir in unserer Gesell-chaft eine Diskussion nach dem Motto „Mann gegenrau“ starten. Wir können nur gemeinsam erfolgreich sein.
ch bin froh, dass meine Fraktion in dieser Debatte zu-indest einen männlichen Redner gestellt hat. Bei Ihnenst das nämlich nicht der Fall.
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Frau Kollegin Noll, gestatten Sie eine weitere Zwi-
schenfrage, diesmal von der Kollegin Haßelmann?
Wenn sie nicht so lange dauert, ja. Um 13 Uhr findet
bei uns nämlich ein Festakt statt. – Bitte.
Liebe Kollegin Michaela Noll, Sie haben in Ihrem
Redebeitrag gerade den Eindruck erweckt, dass wir uns
im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
zu Beginn dieser Legislaturperiode einvernehmlich ver-
ständigt haben, von Gender-Mainstreaming Abstand zu
nehmen.
Nein.
Ich möchte Sie bitten, uns zu sagen, auf welche Aus-
schusssitzung Sie sich beziehen. Ich bin in diesem Aus-
schuss die Obfrau der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Meiner Erinnerung nach habe ich während der gesamten
Legislaturperiode an nur zwei Sitzungen nicht teilge-
nommen. Ich kann mich nicht erinnern, dass sich dieser
Ausschuss im Einvernehmen mit dem Bündnis 90/Die
Grünen von der Strategie des Gender-Mainstreaming
distanziert hat. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass
es dort ein Einvernehmen gegeben hätte, die Ministerin
zu beauftragen, eine neue Begrifflichkeit für das, was
mit Gender-Mainstreaming gemeint ist, zu suchen.
Sehr geehrte Kollegin, ich muss Ihnen leider sagen:
Sie haben mir anscheinend nicht richtig zugehört. Ich
habe nicht von dieser Legislaturperiode gesprochen,
sondern von der letzten;
da waren Sie noch nicht dabei.
Es wäre eigentlich nett, wenn die ehemalige Bundes-
familienministerin – sie ist ja zugegen – bestätigen
würde, dass sie diesen Appell in der ersten Sitzung ge-
startet hat.
Frau Kollegin, jetzt würde gerne die frühere Fami-
lienministerin eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie
das zu?
Natürlich.
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Ich würde jetzt gerne weitermachen; ich habe nur nochwei Minuten.Es wäre nett, wenn in der Diskussion, die wir hierühren, einmal anerkannt würde, wie viel in Deutsch-and bereits für Frauen gemacht wurde. So sind vielehr Frauen am politischen und öffentlichen Leben be-eiligt. Es ist übrigens die Union, die zum ersten Maline Frau an die Spitze der Regierung gestellt hat. Es istie Regierung, die sechs Ministerinnen Bundespolitikestalten lässt. Dieser Umstand – auch wenn es manchenchwerfällt, das anzuerkennen – ist in dem CEDAW-Be-icht ausdrücklich gewürdigt worden. Und nicht nur aufundesebene, auch auf kommunaler Ebene beteiligenich immer mehr Frauen. Ich kann das nur bestätigen.
Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist. Ich jedenfallstelle fest: In Nordrhein-Westfalen, wo es auf die Kom-unalwahl zugeht, gehen immer mehr Frauen in dierste Reihe und kandidieren für das Amt der Bürger-eisterin.
as erreichen wir damit? Frauen werden sichtbarer, aufllen politischen Ebenen. Die Ministerin unterstützt dasit ihrer Kampagne „FRAUEN MACHT KOM-UNE“; sie macht Frauen Mut, sich in der Kommunal-olitik zu engagieren.
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Michaela NollIch hätte gerne noch etwas zu Frau Laurischk gesagt.Frau Laurischk, Gewalt gegen Frauen ist in der Tat einThema. Übrigens ist im CEDAW-Bericht auch derzweite Aktionsplan der Bundesregierung, mit dem wirmehr als 130 Maßnahmen bündeln und auch etwas ge-gen häusliche Gewalt gegen Frauen mit Migrationshin-tergrund tun, ausdrücklich gelobt worden. Ich bin ganzIhrer Meinung, wenn es darum geht, zu einer langfristi-gen Finanzierung der Frauenhäuser zu kommen.
Übrigens waren wir diejenigen, die zum ersten Mal imDeutschen Bundestag eine Anhörung zur Situation derFrauenhäuser durchgeführt haben. Ich weiß: Wenn wirdiese Anhörung ausgewertet haben, werden wir eine Lö-sung finden.Eine ganz kleine Anmerkung zu den Linken. Wasbringt es, den Internationalen Frauentag, wie Sie esmit Ihrem Antrag fordern, zu einem gesetzlichen Feier-tag zu machen?
– Frau Tackmann, Sie waren gestern nicht dabei. Wennich Revue passieren lasse, wie der Familienausschussauf diesen Vorschlag reagiert hat, muss ich sagen: Es gaballgemeine Erheiterung.
– Herr Kollege Wunderlich kann es mir wahrscheinlichbestätigen. – Ein solcher Feiertag bringt Frauen nichts.Was Sie damit erreichen wollen, ist wahrscheinlich, andie alten Tage in der DDR anzuschließen; da gab es ei-nen sogenannten Haushaltstag für verheiratete Frauen.
Sie versuchen jetzt, diesen Tag wieder gesellschaftsfähigzu machen, diesmal in einer modernen Verpackung.Einen gesetzlichen Feiertag einzurichten, ist Länder-sache. Warum führen Sie diesen Feiertag nicht in Berlinein, wo Sie doch mitregieren?
Auf Symbolpolitik können die Frauen in Deutschlandverzichten.
Für die SPD-Fraktion gebe ich das Wort der Kollegin
Angelika Graf.
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Das ist ein schönes Land, und die Menschen dort lebenoch, obwohl sie Gender-Budgeting eingeführt haben.
eswegen denke ich, dass wir uns überlegen müssen,ie wir dieses gute Prinzip künftig besser implementie-en können, statt über Gender-Mainstreaming zu klagennd den Begriff zu verändern.
ielleicht ist es möglich, dass wir die 2005 aufgelösteender-Arbeitsgruppe im Ministerium wieder einsetzen.as würde uns vielleicht schon wieder einen kleinenchritt nach vorne bringen.
Eigentlich ist es abstrus: International werden wir füras gelobt, was wir im Rahmen von Gender-Mainstrea-ing im Bereich der Menschenrechts- und Entwick-ungspolitik voranbringen, während wir uns national voniesen Themen verabschieden. Das ist ein großer Fehler.Ich glaube, wir sollten die internationalen Erfolge be-rachten und zusehen, dass wir das, was wir dort ange-andt haben und anwenden, künftig auch national bes-er anwenden. Das wäre ein großer Schritt für allerauen in unserem Land.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Elisabeth
inkelmeier-Becker, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebeolleginnen und Kollegen! Das CEDAW-Abkommenon 1979 und die alljährlichen Berichtspflichten dazuind für uns noch einmal ein willkommener Anlass zurritischen Selbstreflexion.
Das ist der sechste Bericht nach 30 Jahren. Gut, dasind alle fünf Jahre. Der nächste Bericht erscheint 2014,lso in fünf Jahren. In diesem Rahmen spielt sich das ab.Wir sind heute sicher einen großen Schritt weiter alsu dem Zeitpunkt, den auch Michaela Noll ansprach, anem das Grundgesetz hier beschlossen wurde. Damalsusste noch um den Satz „Männer und Frauen sindleichberechtigt“ in unserer Verfassung gekämpft wer-en. Die Mütter des Grundgesetzes haben den Kampfuf sich genommen und das auch durchgesetzt. Ichlaube, dass sich nicht alle, die das damals mitgetragennd dem zugestimmt haben, bewusst waren, welcheragweite dieser Satz haben würde, durch den in derolge wesentliche Entscheidungen des Bundesverfas-
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Elisabeth Winkelmeier-Beckersungsgerichts und wesentliche Änderungen in der Geset-zeslage hervorgerufen wurden, mit denen die Vorrechteder Männer beseitigt wurden.
Heute geht es mir um die De-facto-Gleichstellung.Dieses Thema hat eine große Bandbreite. Ich brauchehier nur auf die Vorredner und -rednerinnen zu verwei-sen, die hier viele Themen angesprochen haben, die zudiesem Bereich gehören.Vielleicht noch kurz zu dem, was wir getan haben. Ichglaube, wir haben in der Zeit der Großen Koalitiondurchaus einiges erreicht, was sich auch internationalvorweisen lässt: das einkommensabhängige Elterngeldmit den Partnermonaten, die U3-Betreuung, die Wieder-einstiegshilfen nach einer Familienphase und Initiativenwie den Girls’ Day oder die MINT-Initiative der Bun-desministerin für Bildung und Forschung.
Durch die Anhörung zur Entgeltgleichheit wurde ge-zeigt, dass diese Themen, die Vereinbarkeit von Familieund Beruf im Lebenslauf und die Stereotypen bei derBerufswahl, die entscheidenden Stellschrauben sind, uman dieser Stelle für die Frauen etwas zu verbessern.
– Ich habe damit überhaupt kein Problem.Man muss bedenken, welche Schritte wir von vor60 Jahren bis heute gemacht haben.
Viele Parteien und Regierungskoalitionen waren dafürverantwortlich.
Ich denke, wir können vieles auch als gemeinsamen Er-folg ansehen.Aber wir müssen uns vor allem damit befassen, waswir in Zukunft zusammen anpacken wollen. Dabei ist,denke ich, auch zu dem Thema Entgeltgleichheit, zudem es die große Anhörung gegeben hat, einiges klar ge-worden. Es gibt etliche Analysen, die wir gemeinsamtragen. Aber wir streiten an dieser Stelle noch, mit wel-chem Maß an Zwang oder freiwilligen Anreizen wir zuÄnderungen beitragen wollen. Das werden wir sicher-lich noch weiter diskutieren müssen.Wir dürfen uns auf der einen Seite über das ausdrück-liche Lob des CEDAW-Ausschusses über die Einfüh-rung des Elterngeldes, den Ausbau der Kinderbetreuungund einige andere positive Anmerkungen freuen. Aberwir müssen auf der anderen Seite auch die Kritik ernstnehmen. Ich glaube, dass wir uns nicht davor scheuenmadsSstütBWzNgUkeßbvDEsgPwsshkAmvswzdLnDFaS
teht bei uns auf der Prioritätenliste; dort gehört es auchin. Einzelne Punkte – zum Beispiel, das CEDAW-Ab-ommen bekannt zu machen – können wir sicherlich inngriff nehmen. Wir müssen prüfen, ob die Antidiskri-inierungsstelle gerade auch im Hinblick auf die Rechteon Frauen effizient arbeitet. Wir müssen solche deut-chen Sonderprobleme in Angriff nehmen wie die Frage,ie wir die Länder stärker in einen verbindlichen Pro-ess mit einbeziehen können.Wir müssen die Bedenken kritisch prüfen und entwe-er klarmachen, warum wir anderer Meinung sind, oderösungsansätze entwickeln, bis wir in fünf Jahren denächsten Bericht vorlegen müssen.
ass dazu auch die Aufwertung des Internationalenrauentages zu einem gesetzlichen Feiertag gehört, istllerdings auch dem CEDAW-Ausschuss nicht in deninn gekommen.
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Elisabeth Winkelmeier-BeckerMehr Beteiligung und Einfluss von Frauen in allenPositionen – auch in führenden Positionen – in Politik,Gesellschaft und Wirtschaft werden zu einer Win-win-Situation für die Frauen führen, die dann mehr erreichenund sich besser einbringen können, aber auch für dieMänner, die sich auch einmal um etwas anderes küm-mern können, und für die Unternehmen, die eine breitereFachkräftebasis brauchen.
Frau Kollegin, ich darf Sie an Ihre Redezeit erinnern.
Ich komme zum Schluss. – Das ist hier schon ver-
schiedentlich angeklungen: Wir müssen auch darüber
nachdenken, ob es eine weltweite Finanzkrise in diesen
Dimensionen gegeben hätte, wenn es in der Finanzbran-
che mehr Frauen in führenden Positionen gäbe. Darüber
sollten wir alle nachdenken.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin
Elke Ferner, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen!Man könnte fast sagen: „The same procedure as everyyear.“ Wir analysieren jedes Jahr vor, unmittelbar amoder direkt nach dem 8. März relativ einvernehmlichdas, was in unserer Gesellschaft nicht stimmt. Wenn esaber darum geht, wie das Ganze verbessert und verän-dert werden kann, ohne dass vielleicht noch die Kinderunserer Enkeltöchter darauf warten und die gleichen De-batten in diesem Haus führen müssen, dann kommt nichtviel.Ich habe mich während der Debatte gefragt, was dennMarie Juchacz, die am 19. Februar 1919 als erste Frauim Reichstag das Wort ergreifen konnte, nachdem dasFrauenwahlrecht eingeführt worden war, bei der heuti-gen Debatte gedacht hätte. Wie hat sich Art. 3 desGrundgesetzes, den Elisabeth Selbert zusammen mit dreianderen Frauen in der Verfassunggebenden Versamm-lung durchgesetzt hat und den wir 1994 parteiübergrei-fend erweitert haben, ausgewirkt? Wo stehen wir heute?Natürlich sind wir weiter als vor 90 oder 60 Jahren. Aberwir sind noch lange nicht dort, wo wir schon sein müss-ten.
Das Problem ist, dass wir uns noch nicht einmal im obe-ren Drittel befinden oder vielleicht sogar an zweiter oderdritter Stelle in der westlichen Welt liegen, wenn es umGleichstellung geht. Nein, wir sind weit hinten.SAsrpDdiklwAhVzdtgdIeBdguqGddnwr1FatsgDfbssMvwdBiF
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gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-kommen vom 8. Oktober 2008 zwischen derBundesrepublik Deutschland und der Repu-blik Indien über Sozialversicherung– Drucksache 16/12065 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Sozialesb) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-kommen vom 4. Juli 2008 zwischen der Regie-rung der Bundesrepublik Deutschland undder Regierung von Jersey über den Auskunfts-austausch in Steuersachen– Drucksache 16/12066 –
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerÜberweisungsvorschlag:Finanzausschuss
Rechtsausschussc) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-kommen vom 4. Juli 2008 zwischen der Regie-rung der Bundesrepublik Deutschland undder Regierung von Jersey über die Zusam-menarbeit in Steuersachen und die Vermei-dung der Doppelbesteuerung bei bestimmtenEinkünften– Drucksache 16/12067 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschussd) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ina
der FDPAttraktivität von Au-pair-Beschäftigungensteigern– Drucksache 16/9481 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Auswärtiger AusschussInnenausschussAusschuss für Arbeit und Sozialese) Beratung des Antrags der Abgeordneten HorstMeierhofer, Michael Kauch, Angelika Brunkhorst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDPÖkologische Konsumentenverantwortung stattProduktlenkung durch den Staat – Europäi-sche Ökodesign-Richtlinie grundsätzlich über-arbeiten– Drucksache 16/11912 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheitf) Beratung des Antrags der AbgeordnetenMechthild Dyckmans, Jens Ackermann, Dr. KarlAddicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder FDPStatut der Europäischen Privatgesellschaft fürdeutschen Mittelstand auf europäischer Ebenepraxisnah regeln– Drucksache 16/11913 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologieg) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-gierungBericht der Bundesregierung über die deut-sche Personalpräsenz in internationalen Orga-nisationen– Drucksache 16/10963 –Z
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neure-gelung des notariellen Disziplinarrechts– Drucksache 16/12062 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Innenausschussc) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-rung des Internationalen Familienrechtsver-fahrensgesetzes– Drucksache 16/12063 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugendd) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Sta-bilisierungs- und Assoziierungsabkommenzwischen den Europäischen Gemeinschaftenund ihren Mitgliedstaaten einerseits und derRepublik Montenegro andererseits– Drucksache 16/12064 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Unione) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu demHaager Übereinkommen vom 19. Oktober1996 über die Zuständigkeit, das anzuwen-dende Recht, die Anerkennung, Vollstreckungund Zusammenarbeit auf dem Gebiet der el-terlichen Verantwortung und der Maßnahmenzum Schutz von Kindern– Drucksache 16/12068 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Unionf) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpas-sung der Vorschriften des Internationalen Pri-
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastnervatrechts an die Verordnung Nr. 593/2008– Drucksache 16/12104 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Uniong) Beratung des Antrags der Abgeordneten MechthildDyckmans, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDPProfessionalität und Effizienz der Aufsichts-räte deutscher Unternehmen verbessern– Drucksache 16/10885 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieEs handelt sich um Überweisungen im vereinfach-ten Verfahren ohne Debatte.Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen andie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zuüberweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist derFall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Ich rufe auf die Tagesordnungspunkte 26 a bis 26 cund 26 e bis 26 k. Es handelt sich um die Beschlussfas-sungen zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorge-sehen ist.Tagesordnungspunkt 26 a:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur Änderung truppenzollrechtlicher Vor-
– Drucksache 16/11566 –Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzaus-schusses
– Drucksache 16/12142 –Berichterstattung:Abgeordnete Patricia LipsReinhard Schultz
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmenwollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Ent-haltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Be-ratung bei Enthaltung der Fraktion Die Linke mit demRest der Stimmen des Hauses angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Werstimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurfist damit in dritter Beratung ebenfalls bei Enthaltung derFraktion Die Linke mit dem Rest der Stimmen des Hau-ses angenommen.Tagesordnungspunkt 26 b:– Zweite Beratung und Schlussabstimmung desvon der Bundesregierung eingebrachten Ent-fDgdsGuGgfDgdsGCLn
– Drucksache 16/11988 –Berichterstattung:Abgeordneter Rolf HempelmannDer Ausschuss für Wirtschaft und Technologie emp-iehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung aufrucksache 16/11988, den Gesetzentwurf der Bundesre-ierung auf Drucksache 16/11567 anzunehmen. Ich bitteiejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,ich zu erheben. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Deresetzentwurf ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSUnd FDP bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Dierünen und Gegenstimmen der Fraktion Die Linke an-enommen.Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie emp-iehlt unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung aufrucksache 16/11988, den Gesetzentwurf der Bundesre-ierung auf Drucksache 16/11568 anzunehmen. Ich bitteiejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,ich zu erheben. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Deresetzentwurf ist ebenfalls mit den Stimmen von SPD,DU/CSU und FDP bei Gegenstimmen der Fraktion Dieinke und Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-en angenommen.Tagesordnungspunkt 26 c:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-gierung eingebrachten Entwurfs eines ViertenGesetzes zur Änderung des Allgemeinen Ei-senbahngesetzes– Drucksache 16/10298 –Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
– Drucksache 16/12111 –Berichterstattung:Abgeordneter Horst Friedrich
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerDer Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwick-lung empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung aufDrucksache 16/12111, den Gesetzentwurf der Bundesre-gierung auf Drucksache 16/10298 in der Ausschussfas-sung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz-entwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, umdas Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – DerGesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit denStimmen der Koalition bei Gegenstimmen der FraktionBündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP undEnthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf istdamit auch in dritter Beratung mit den Stimmen der Ko-alition bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und Gegen-stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und derFraktion der FDP angenommen.Tagesordnungspunkt 26 e:Beratung des Antrags der BundesregierungAusnahme von dem Verbot der Zugehörigkeitzu einem Aufsichtsrat für Mitglieder der Bun-desregierung– Drucksache 16/12015 –Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dage-gen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist bei Enthaltungder Fraktion Die Linke mit dem Rest der Stimmen desHauses angenommen.1)Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Pe-titionsausschusses.Tagesordnungspunkt 26 f:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 530 zu Petitionen– Drucksache 16/11888 –Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-tungen? – Die Sammelübersicht 530 ist mit allen Stim-men des Hauses angenommen.Tagesordnungspunkt 26 g:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 531 zu Petitionen– Drucksache 16/11889 –Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-tungen? – Sammelübersicht 531 ist bei Gegenstimmenvon FDP mit dem Rest der Stimmen des Hauses ange-nommen.pdsDtFsntvBLtKml1) Anlage 2
der Entschädigung von Telekommunikations-unternehmen für die Heranziehung im Rah-
– Drucksachen 16/7103, 16/11348, 16/12016,16/12120 –
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerBerichterstattung:Abgeordnete Antje TillmannWird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? –Wird das Wort zu Erklärungen gewünscht? – Das istnicht der Fall.Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsaus-schuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäfts-ordnung beschlossen, dass im Deutschen Bundestagüber die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Diesgilt auch für die noch folgenden Beschlussempfehlungendes Vermittlungsausschusses zu den Zusatzpunkten 3 bund 3 c.Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Ver-mittlungsausschusses auf Drucksache 16/12120? – Ge-genprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlungist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmender Fraktion Die Linke und Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und FDP angenommen.Zusatzpunkt 3 b:Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-
Verfahren des elektronischen Entgeltnachwei-ses
– Drucksachen 16/10492, 16/11666, 16/12017,16/12121 –Berichterstattung:Abgeordneter Wolfgang MeckelburgDas Wort wird weder zu einer Berichterstattung nochzu einer Erklärung gewünscht. Wir kommen dann zurAbstimmung.Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Ver-mittlungsausschusses auf Drucksache 16/12121? – Ge-genprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlungist mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung derOpposition angenommen.Zusatzpunkt 3 c:Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-
gelung der Kraftfahrzeugsteuer und Ände-rung anderer Gesetze– Drucksachen 16/11742, 16/11900, 16/11902,16/11931, 16/12033, 16/12122 –Berichterstattung:Abgeordneter Thomas OppermannEs wird nicht das Wort zur Berichterstattung und auchnicht zu Erklärungen gewünscht.Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für dieBeschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses aufDrucksache 16/12122? – Gegenprobe! – Enthaltungen? –Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Frak-tion Die Linke, der SPD, der CDU/CSU bei Gegenstim-men der FDP und Enthaltung von Bündnis 90/Die Grü-nen angenommen.AWglsudkszdtck§ebnvedecbse–sdtwd§llvRs
Nein, Herr Kollege. – Es gibt einen kleinen, aber ent-cheidenden Unterschied zwischen den Regelungen iner VwGO und der ZPO. Nach der VwGO steht dem Be-eiligten nämlich das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre,enn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Nacher ZPO ist der entsprechende Beschluss gemäß522 Abs. 3 unanfechtbar. Im Verwaltungsprozess ver-iert der Rechtsuchende zwar eine mündliche Verhand-ung, er behält aber sein Rechtsmittel. Im Zivilprozesserliert er beides: die mündliche Verhandlung und dasechtsmittel.Betrachten wir doch noch einmal die Entstehungsge-chichte des § 522 Abs. 2 ZPO – einige der hier heute
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Mechthild Dyckmanssitzenden Kolleginnen und Kollegen werden sich sichernoch daran erinnern –: Es war die Zeit der großen Zivil-prozessreform, 2000, 2001. Wie ich den Protokollen ent-nommen habe, schlugen die Wogen damals hoch. Dasgesamte Rechtsmittelsystem der ZPO stand auf demPrüfstand und es sollte umgekrempelt werden.Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es ist kei-neswegs meine Absicht, diese alten Grabenkämpfe wie-der aufzunehmen. Inzwischen sind acht Jahre ins Landgegangen, und sowohl die Gerichte als auch Rechtsan-wälte und Rechtsuchende haben mit dieser Vorschriftihre Erfahrungen gemacht. Es gibt heute nach wie vor,besonders aus der Anwaltschaft, Stimmen, die die gänz-liche Streichung des § 522 Abs. 2 ZPO fordern. Eine Be-rufungszurückweisung ohne mündliche Verhandlung istfür manche nach wie vor nur schwer hinnehmbar. Aber– auch da spreche ich aus meiner Erfahrung als Richterineiner Berufungsinstanz – eine mündliche Verhandlungist durchaus nicht immer zwingend erforderlich. Dasvereinfachte Erledigungsverfahren durch Zurückwei-sungsbeschluss, das – so die damalige Gesetzesbegrün-dung – zu einer schnelleren Befriedung der Rechtsu-chenden führen sollte, ist durchaus sinnvoll unddurchaus manchmal im Interesse der Beteiligten. Dahersieht unser Gesetzentwurf nicht die vollständige Ab-schaffung des § 522 Abs. 2 ZPO vor.Allerdings sind wir schon der Ansicht, dass es nicht beider Unanfechtbarkeit einer solchen Entscheidung bleibenkann. Dies ist zwar keine Frage von Verfassungswidrig-keit – das Bundesverfassungsgericht hat nämlich wieder-holt entschieden, dass die Unanfechtbarkeit nicht gegendas Grundgesetz verstößt –, es ist aber eine Frage der Ge-rechtigkeit. Es ist doch äußerst erstaunlich, wie unter-schiedlich von dem Instrument des Zurückweisungsbe-schlusses Gebrauch gemacht wird. So lag die Quote vonZurückweisungen nach § 522 Abs. 2 ZPO im Jahre 2006– ich beziehe mich jetzt nur auf die Entscheidungen derOberlandesgerichte – im Bundesdurchschnitt bei 14 Pro-zent. In den einzelnen Bundesländern variiert die Quotevon unter 10 Prozent bis über 25 Prozent.Diese unterschiedliche Handhabung in den einzelnenBundesländern provoziert doch geradezu die Frage, obder Zugang zum Recht für alle Bundesbürger in der glei-chen Weise eröffnet ist. Da den Gerichten bei der Frage,ob sie durch Beschluss oder durch Urteil entscheiden,kein Auswahlermessen zukommt – das hat der BGHnoch einmal ausdrücklich klargestellt –, sind diese Un-terschiede schlicht nicht nachvollziehbar.Auch der Hinweis des Bundesjustizministeriums, dieSchwankungsbreite sei durch die unterschiedlichen Ar-beitsgebiete der Senate und der Berufungskammern be-gründet, überzeugt mich nicht. Zum einen sind die Sach-gebiete im Zivilrecht nicht bestimmten Bundesländernzugewiesen – nur das könnte rechtfertigen, dass in einemBundesland erheblich öfter Entscheidungen nach § 522Abs. 2 ZPO getroffen werden –; zum anderen zeigt diePraxis, dass die unterschiedliche Handhabung geradenicht durch Besonderheiten der jeweiligen Spruchkörperzu erklären ist. So hat der Deutsche Anwaltverein mitge-tbrzupwnwHhbordBgisrskBrkAmusIfevwÄidlvmskBC
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die Fortbildung des Rechts und – und! –
die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eineEntscheidung nicht erfordert. Also, bitte schön, genauumgehen, nicht „oder“, sondern „und“. Alle drei Voraus-setzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Das ist dasErste.Weiter heißt es in Ihrem Problemaufriss:Entscheidet das Gericht durch Urteil, ist gegen dieZurückweisung der Berufung die Nichtzulassungs-beschwerde gemäß § 544 ZPO statthaft.Auch das ist falsch. Gegen die Zurückweisung derBerufung ist nur dann die Nichtzulassungsbeschwerdezu erheben, wenn in dem Urteil die Revision ausge-schlossen wird. Es gibt auch Urteile, in denen das aus-drücklich steht. Dann gibt es die Revision. Man siehtalso, es ist falsch, einfach zu sagen, gegen die Zurück-weisung der Revision gebe es die Nichtzulassungsbe-schwerde.Ich habe schon oft von dieser Stelle aus gesagt: Nurwer die Begrifflichkeit beherrscht, kann auch eine Dis-kussion beherrschen.Verehrte Kollegin Dyckmans, liebe Mechthild, wirwaren beide Richter am Hessischen Verwaltungsge-r§nBuV§A–sktdftaftdkdosangtaldzSddaqlewKRetn
ollegin Dyckmans, was wollen Sie denn mit Ihrerechtsbeschwerde erreichen, oder was können Sie damitrreichen? Sie haben nicht ausgeführt, mit welchem Pe-itum diese Rechtsbeschwerde erhoben wird.Nach der Entscheidung der 1. Kammer des Ersten Se-ates des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November
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Dr. Jürgen Gehbvergangenen Jahres ist § 522 Abs. 2 ZPO per se nicht fürverfassungswidrig gehalten worden, sondern nur seineAnwendung im Einzelfall, weil die Voraussetzungen,nämlich grundsätzliche Bedeutung und die anderen Vor-aussetzungen, fehlerhaft und in einer den Justizgewäh-rungsanspruch verletzenden Art und Weise angewendetworden sind.In der Konsequenz wurde die Entscheidung des Ober-landesgerichtes, die dem zugrunde liegt, aufgehoben.Dem Oberlandesgericht wird jetzt die Möglichkeit ein-geräumt, durch andere Entscheidungsformen – nament-lich durch Urteil – die Revision zuzulassen.Mehr können Sie mit der von Ihnen angestrebtenRechtsbeschwerde auch nicht erreichen. Man könntealso mit der Rechtsbeschwerde den Bundesgerichtshofanrufen. Dieser stellt dann fest, dass die Voraussetzun-gen, durch Beschluss zu entscheiden, gar nicht vorlie-gen. Dann wird die Entscheidung des Oberlandesge-richts aufgehoben, und ihm wird aufgegeben, erneut unddieses Mal durch Urteil zu entscheiden.Wenn jetzt durch Urteil entschieden und die Revisionwieder nicht zugelassen wird, weil die Voraussetzungennicht vorliegen, muss der revisionswillige Kläger Nicht-zulassungsbeschwerde einlegen. Herzlichen Glück-wunsch! Hier gibt es keinen Beschleunigungseffekt, son-dern eine Verdopplung des Rechtsmittelverfahrens,indem man einmal über die Rechtsbeschwerde bis zumBGH wieselt, dort gesagt bekommt: „So nicht!“ und zu-rückverwiesen wird, dann aber über eine Nichtzulas-sungsbeschwerde wieder dorthin geht. Dieses Prozedere– das muss ich Ihnen ehrlich sagen – hat mit Prozessöko-nomie so viel zu tun wie der Kilimandscharo mit demBrandenburger Tor.Es wäre noch eine andere Version denkbar, nämlichdass Sie sagen: Das wollen wir nicht, lieber KollegeGehb, sondern wir wollen mit der Rechtsbeschwerde so-fort die Möglichkeit zur Revision und auch eine Begrün-detheit verbinden. Dazu muss ich Ihnen sagen: So gehtes auf gar keinen Fall. Denn so bekämen Sie bei einemdurch mindere Entscheidungsformen, nämlich durch ei-nen Zurückweisungsbeschluss, auf den Weg gebrachtenVerfahren die volle Rechtskontrolle, die Sie sich sonst,wenn eine Berufung durch Urteil abgewiesen und dieRevision nicht zugelassen wird, über den dornenreichenWeg der Nichtzulassungsbeschwerde erstens erstreitenund zweitens begründen müssten.Also kann ich nur sagen: Dieser Gesetzentwurf ist un-ter allen Gesichtspunkten, unter intellektuellen Gesichts-punkten, unter handwerklichen Gesichtspunkten, unterverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, auf jeden Fallzurückzuweisen. Wir versprechen Ihnen, liebe KolleginMechthild Dyckmans, zwar, konstruktiv im Verfahrenmitzuarbeiten, aber stattgeben können wir dem Gesetz-entwurf wirklich nicht.
– Ja, Herr Fricke, dass Sie Schwierigkeiten haben, mirzu folgen, liegt weniger an meinem Beitrag als vielmehran Ihnen.–BgefmmifnngektefAbdcedi§gmsdsSsSSzlfsrdZmGsAssmaR
Das ist ein tragisches Schicksal vieler.Dann wurde angesprochen, dass man zwar gegen eineeschlussentscheidung, bei der es um die Statthaftigkeiteht, eine Beschwerde einlegen kann, aber nicht gegenine Sachentscheidung. Warum das so ist, ist ganz ein-ach damit zu erklären, dass bei einer Sachentscheidungit voller Prüfungstiefe geprüft wird. Ich will Ihnen ein-al sagen, wie so etwas überhaupt vor sich geht, damitn diesem Hohen Hause und auch bei den Zuhörern keinalscher Eindruck entsteht: Wenn eine Berufung bei ei-em Oberlandesgericht oder der Berufungskammer ei-es Landgerichts eingeht, wird nicht nach Gutdünkenesagt: Heute beschließen wir einmal einstimmig. Nein,s ist viel komplizierter. In einem kollektiven Spruch-örper werden die Rechtseingänge nach einem bestimm-en Verteilerschlüssel verteilt. Der Berichterstatter fertigtin Votum an, in dem Folgendes steht: In dem Streitver-ahren Müller gegen Meier schlage ich vor – Komma,bsatz eingerückt –, entweder der Berufung stattzuge-en, der Berufung teilweise stattzugeben, die Berufungurch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, mündli-he Behandlung anzuberaumen oder Beweisbeschluss zurheben. – Das geschieht in einem langwierigen Prozess,essen Intensität der Prüfung einem sonstigen Verfahrenn nichts nachsteht.Es ist auch nicht so wie bei einem Verfahren nach130 a Verwaltungsgerichtsordnung, bei dem nichts be-ründet, sondern nur ein Dreizeiler verfasst werdenuss – ich hatte damit auch immer zu tun –, in demteht: Die Berufung wird aus den zutreffenden Gründener angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen. Ab-atz. Kosten hat zu tragen …Den Beschluss, um den es in § 522 ZPO geht, müssenie begründen. Besser ist natürlich, wenn das Hinweis-chreiben begründet wird. Im Hinweisschreiben müssenie ganz dezidiert die Erwägungen aufführen, die denenat dazu bewegen, zu einem einstimmigen Beschlussu kommen. Dagegen ist den Beteiligten natürlich recht-iches Gehör zu gewähren. Das heißt, hier wird nicht ein-ach willkürlich und aus Zeitersparnisgründen ein Be-chluss hingeklatscht.Nun könnte man sich natürlich treffend fragen, wa-um man das eigentlich macht. Es stellt sich in der Tatie Frage: Worin ist denn eigentlich der ökonomischeeitgewinn zu sehen, wenn man fast so viel machenuss wie bei einem Urteil?
ut, man spart sich die mündliche Verhandlung; manpart sich eine Reihe anderer Koordinationsarbeiten.us diesem Grunde will ich nicht ein für alle Mal aus-chließen, dass man den § 522 vielleicht dann, wenn erich als signifikant ungeeignet erweist – vorher müsstean das ein wenig evaluieren –, aufhebt. Das geht aberuf keinen Fall, indem man die Möglichkeit zu einerechtsbeschwerde anhängt, die gar nichts bringt.
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Dr. Jürgen GehbIch möchte noch auf die Zahlen eingehen, die Sie ge-nannt haben. Abgesehen davon, dass man diese Zahlenan dieser Stelle weder verifizieren noch falsifizierenkann, sie vielmehr axiomatischen Charakter haben, ist zusagen: Selbst die Richtigkeit des Zahlenwerkes unter-stellt, halte ich es für bedenklich, aus einer Statistik ver-fassungsrechtliche oder prozedurale Schlüsse ziehen zuwollen. Das kann man nicht machen.Wenn dieser Gesetzentwurf jetzt an den Rechtsaus-schuss überwiesen wird, haben wir alle Zeit der Welt,um alles genau zu prüfen.
– Haben wir nicht mehr? Am Ende geht dieser brillanteGesetzentwurf also womöglich aus Gründen der Diskon-tinuität unter? – Frau Präsidentin, das macht mich sotraurig, dass ich meinen Redebeitrag an dieser Stelle be-ende.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das bringt mich zu dem Schluss, dass wir im Präsi-
dium auf jeden Fall immer Taschentücher bereithalten
sollten. Das werden wir jetzt einführen.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Wolfgang
Nešković für die Fraktion Die Linke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Sehr geehrter Herr Glanzer! DerFDP-Gesetzentwurf verdient zwar Zustimmung. Ergreift jedoch erkennbar zu kurz. Das liegt daran, dass inihm die Veränderungen des Berufungsrechts, die zum1. Januar 2002 in Kraft traten, grundsätzlich akzeptiertwerden. Das damalige Gesetz der rot-grünen Koalitionnannte sich Reformgesetz. Man hat mit diesem Reform-gesetz jedoch das Recht der Berufung nicht reformiert,sondern deformiert.Eine Reform erkennen Sie daran, dass sie den Men-schen nützt.
Dieses Gesetz nützt den Menschen nicht, weil es dieMöglichkeiten der Überprüfung der erstinstanzlichenEntscheidung drastisch einschränkt. Ursprünglich hatdie Zivilprozessordnung den Zweck verfolgt, mit derBerufung die Erneuerung und Wiederholung des Rechts-streits vor einem neuen Richter zu ermöglichen, freinach dem Motto: Neues Spiel, neues Glück. Das konnteman sogar als Nichtjurist verstehen. Diese Regelung galtfür mehr als 100 Jahre. Dann hat die rot-grüne Koalitioneinen Änderungsbedarf entdeckt, von dem der Richter-kollege Egon Schneider meinte:IwNsvTsdsntnsrvgAMtDndRrdDiuhRgmABiDud
ie Sache sei auch nicht für die Fortbildung des Rechtsnteressant, grundsätzliche Bedeutung habe sie nicht,nd sie diene auch nicht dem Bedürfnis nach einer ein-eitlichen Rechtsprechung. Ihr Anwalt erklärt ihr,echtsmittel gegen einen entsprechenden Beschlussebe es nicht.Wenn dieser Beschluss ergeht, sind alle Akten für im-er zu. Diese Frau hat einen Haufen Papier von ihremnwalt erhalten. Sie hat sich jedoch nie mit leibhaftigenerufungsrichtern auseinandergesetzt und auch nie mithnen gesprochen. Dabei heißt es doch Rechtsprechung.ie Richter sollen mit den Parteien sprechen
nd ihnen nicht nur schreiben. Erklären Sie das einmalieser Frau.
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Wolfgang NeškoviæWolfgang NeškovićBeantworten Sie ihr doch bitte die folgenden Fragen– aber nicht in der Art, wie Herr Gehb hier geredet hat,sondern so, dass sie es versteht –:
Warum hat sie die Richter nicht sprechen dürfen, die dieEntscheidung des Amtsgerichtes nicht korrigieren woll-ten? Warum kann sie gegen diese Weigerung keinRechtsmittel einlegen? Und weiter: Warum könnte sieein Rechtsmittel einlegen – das ist schon gesagt worden –,wenn das Gericht statt durch Beschluss ihre Berufungdurch Urteil zurückgewiesen hätte?Ich will die Antworten geben: Weil der DeutscheBundestag und die Landtage bei der Bewilligung derMittel für die Haushalte der ärmlich ausgestatteten Justiznur kleckern und nicht klotzen.
Sie tun dies, obwohl die Justizhaushalte die mit Abstandkleinsten Haushalte sind. Sie liegen bei durchschnittlich3 Prozent der Gesamthaushalte. Beim Bund liegt der An-teil noch deutlich darunter. Deswegen klotzt der Deut-sche Bundestag ganz groß, wenn es darum geht, soge-nannte Entlastungen für die ärmlich gehaltene Justiz zubeschließen. In einem der reichsten Staaten der Welt kür-zen und verkomplizieren wir die Rechtsmittel, betreibenRechtsfindung auf Minimalniveau und nennen das nochEntlastungen.
Diese Entlastungen sind Belastungen für die Menschen.
Sie belasten das Vertrauen in den Rechtsstaat. Sie belas-ten auch das Gewissen der Richterinnen und Richter.Denn diese stehen unter riesigem Arbeitsdruck und un-terliegen immer häufiger der Verlockung, Rechtssachenmit dünner Begründung zurückzuweisen.Bei dieser Sachlage ist es bedenklich, den Richterndie Entscheidung über den Umfang ihrer eigenen Ar-beitslast selbst zu überlassen. Es besteht eine Miss-brauchsgefahr, wenn Richter durch die Findung der Ent-scheidungsform – Beschluss oder Urteil – zugleichRechtsmittel ausschließen oder zulassen.
– Sie müssten einmal die Kulturtechnik des Lesens an-wenden. Dann hätten Sie die Möglichkeit, das alles zuverstehen.
– Ich lese jetzt auch vor. Ich habe Ihnen das Fachbuchüber Berufungsrecht, aus dem ich zitieren möchte, mit-gebracht, damit Sie einmal die Möglichkeit bekommen,darin zu lesen.
Ich zitiere: Einige OberlandesgerichteDDBEddZKesnhPhAgZgVdnbZDsJggeGREz
lfred Hartenbach ist einer derjenigen, die ganz maß-eblich daran beteiligt waren, dass die Reform derivilprozessordnung – sie ist im Jahre 2002 in Kraftetreten – überhaupt zustande kam. Das heißt, er hat imorfeld in erheblichem Umfang mitgearbeitet und hateshalb ein großes Interesse daran, dass die guten Ergeb-isse der Reform der Zivilprozessordnung erhalten blei-en.
u den guten Ergebnissen gehört auch § 522 ZPO.
aher will ich Ihnen an dieser Stelle sagen, dass der Ge-etzentwurf der FDP mit dem Bundesministerium derustiz nicht zu machen ist.Mit der ZPO-Reform – das ist eben schon einmal an-edeutet worden – haben wir die Zivilprozessordnungrundlegend modernisiert und auch dafür gesorgt, dasss einen raschen und effektiven Rechtsschutz durch dieerichte gibt. Denn auch schnelles Recht ist gutesecht.
s war damals das Dilemma, dass es nicht so war.Mit dem Zurückweisungsbeschluss, den wir seiner-eit eingeführt haben, können aussichtslose Berufungen
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Bundesministerin Brigitte Zypriesdurch einstimmigen Beschluss des Gerichts zurückge-wiesen werden. Die dafür notwendigen Voraussetzungenkönnte ich nicht so gut beschreiben, wie dies der KollegeGehb getan hat. Außerdem bedarf es keiner Wiederho-lung. Ich möchte stattdessen darauf hinweisen, dass diePraxis gezeigt hat, dass sich dieses Verfahren bewährthat. Wir haben seitdem schnellere Berufungsverfahren,und zwar ohne dabei rechtstaatliche Grundsätze preiszu-geben. Diesen Erfolg würden wir zunichtemachen, wennwir jetzt eine Beschwerdemöglichkeit im Sinne der FDPeinführen würden.Deshalb lehne ich den Vorstoß der FDP ab. FrauDyckmans, wenn ich das richtig sehe, wird er auch vonden Mitgliedern Ihrer Fraktion nicht sonderlich unter-stützt. Frau Dyckmans, Sie sind das einzige Mitglied desRechtsausschusses, das hier anwesend ist, oder sehe ichda etwas falsch?
– Wieso?
– Lieber Herr Hoyer, wenn das ein Gesetzentwurf ist,der von den Rechtspolitikern der FDP-Fraktion mitVerve unterstützt wird, dann dokumentiert man das dochauch durch Präsenz im Plenum, oder?
– Okay. Dann nehme ich das hiermit zurück. Tut mirleid.Nichtsdestotrotz würde ich gerne darauf hinweisen,dass der Gesetzentwurf der FDP-Fraktion, der von allenFDP-Mitgliedern des Rechtsausschusses getragen wird,von falschen Voraussetzungen ausgeht, und das sowohlfaktisch als auch rechtlich. In dem Gesetzentwurf wirddie Länderumfrage, die das Bundesministerium der Jus-tiz durchgeführt hat, falsch dargestellt – aus welchenGründen auch immer; das mag jetzt einmal dahingestelltbleiben. Sie ist auf jeden Fall falsch. Sie gehen davonaus, dass es eine Zurückweisungsquote von 32 Prozentim Bundesdurchschnitt gibt. Sie sagen, in einzelnen Län-dern, zum Beispiel in Bayern oder Mecklenburg-Vor-pommern, gebe es eine Zurückweisungsquote von über50 Prozent. Diese Zahlen sind schlicht falsch. Wir soll-ten uns diese Umfrage vielleicht einmal gemeinsam an-schauen und eine Exegese vornehmen. Nach unsererAuslegung dieser Umfrage beträgt der Anteil der Be-schlüsse nach § 522 Abs. 2 ZPO bei den Landgerichten13,9 Prozent und bei den Oberlandesgerichten 14,8 Pro-zent.
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Nun gut. Ich kann das jetzt weder bestätigen noch de-entieren, weil ich die Zahlen jetzt schlicht und ergrei-end nicht vorliegen habe. Wir werden uns das aber nochinmal anschauen. Wenn wir uns geirrt haben sollten,erden wir das gerne nacharbeiten. Ich glaube das abericht; denn die Länder sind mit uns der Auffassung, dassich dieses Rechtsinstitut bewährt hat. Es wird gut ange-ommen.Dieses Rechtsinstitut ist – auf diesen Punkt möchtech jetzt zu sprechen kommen – keine Rechtsschutzver-ürzung. Es stimmt zwar, dass die Zurückweisungsbe-chlüsse unanfechtbar sind. Die Entlastung, die wir da-urch erzielt haben – ich habe vorhin gesagt, dass auchchnelles Recht gutes Recht ist –, ist aber positiv zu wer-en: Die Verfahrensdauer in der Berufungsinstanz beträgtünfeinhalb Monate bei den Landgerichten und sieben-
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Bundesministerin Brigitte Zyprieseinhalb Monate bei den Oberlandesgerichten. Das soll sobleiben.Bei einem Zurückweisungsbeschluss nach § 522 ZPOhaben sich in einer Rechtssache vier Richterinnen oderRichter einstimmig auf eine Meinung verständigt. Waswill man eigentlich noch mehr in einem Rechtsstaat, alsdass vier Richterinnen und Richter übereinstimmend sa-gen: „Das wollen wir so nicht“ oder „Das wollen wirso“.
Dafür, dass der Bundesgerichtshof bei einer Überprü-fung der Zurückweisungsbeschlüsse zu einer anderenBewertung kommen würde – das behauptet die FDP –,kann ich keine Anhaltspunkte erkennen. Die Erfolgs-quote der Zulassungsrevision beim Bundesgerichtshofkönnen Sie dafür nicht heranziehen. Diese Quote um-fasst nämlich auch die Fälle, in denen nach Ansicht desBGH der Berufung zu Unrecht stattgegeben wurde.
Darum geht es ja bei den Fällen nach § 522 Zivilprozess-ordnung gerade nicht. Es sind also auch jene Fälle er-fasst, in denen zwei Instanzen unterschiedlich entschie-den haben.Unzutreffend ist auch die Behauptung, dass diesesBeschlussverfahren eine vorweggenommene Beweis-würdigung sei; das ist falsch. Denn in dem Moment, indem es darum geht, Beweise zu würdigen, ist völlig evi-dent, dass nach § 522 Zivilprozessordnung gerade nichtentschieden werden darf. Deswegen ist Ihr Beispiel mitdem Schimmelbefall völlig daneben.
Wenn der Richter in der ersten Instanz sagt, der Schim-melbefall sei darauf zurückzuführen, dass die Mieterinnicht richtig gelüftet habe, ist das eine Frage der Beweis-führung.
– Nein, Sie verstehen sie nicht.
Sie haben den Fall gebildet und gesagt, es gehe um eineamtsgerichtliche Entscheidung.
– Kann ich jetzt ausreden oder nicht? – Frau Präsidentin,können Sie ihm einmal sagen, er solle ruhig sein?
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Ich teile auch die Meinung, dass sich ein Rechtsmittelegen Zurückweisungsbeschlüsse nicht dadurch recht-ertigen lässt, dass man die unzutreffende Parallele zuen Verwerfungsbeschlüssen nach Abs. 1 des § 522ieht. Denn bei diesen Verwerfungsbeschlüssen nachbs. 1 findet keine inhaltliche Überprüfung des erstin-tanzlichen Urteils statt,
ährend bei Zurückweisungen nach Abs. 2 eine inhaltli-he Überprüfung stattfindet und nicht nur gesagt wird:ie zweite Instanz teilt die Auffassung der ersten In-tanz.Alles zusammengefasst meine ich: Der damaligenundesregierung und dem damaligen Parlament ist eineecht ordentliche Reform gelungen, die – nach allen an-änglichen Anfeindungen – inzwischen auch in anderenereichen voll akzeptiert wird. Ich kann deshalb nurazu raten, es bei der jetzigen Fassung des § 522 Abs. 2ivilprozessordnung zu belassen.
Jerzy Montag spricht jetzt für die Fraktion Bünd-
is 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum. Januar 2002 – Frau Kollegin Dyckmans, der einzigeehler in Ihrem Gesetzentwurf ist, dass Sie schreiben,ie Reform sei zum 1. Januar 2001 in Kraft getreten – istine große Strukturreform der Zivilprozessordnung inraft getreten,
ie Qualitätssteigerungen, konsensuale Elemente, einentlastung der Gerichte und auch eine Entlastung durchechtswegverkürzung zum Inhalt hatte. Aber, Frau Mi-isterin Zypries, eine Entlastung der Justiz und schnel-ere Urteile sind keine Werte an sich, sondern Werte, die
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Jerzy Montagnur zu rechtfertigen sind, wenn die Gerechtigkeit nichtauf der Strecke bleibt,
wenn wir ein Rechtswegesystem behalten, wenn also dieRechtsstaatlichkeit nicht darunter leidet.
Deswegen würde ich Sie herzlich bitten, dass Sieschnelle Urteile und die Entlastung der Justiz nicht ein-fach als Werte an sich in der Debatte darstellen.Es gibt seit Ende der 90er-Jahre tatsächlich einenRückgang der Zahl der Zivilsachen bei Landgerichtenund Oberlandesgerichten. Nach 2002 ist dieser Rück-gang sogar sprunghaft größer geworden. Das hat mit vie-len Elementen dieser Reform zu tun, auch mit der Förde-rung konsensualer Elemente. Herr Kollege Gehb, Zahlensind, wenn sie valide sind, ein wichtiges Indiz für unsereArgumente. Die Zahlen, die ich verwende, stammen aus-schließlich aus statistischen Unterlagen der Bundesre-gierung selbst.
Nach einem Hinweis des Gerichts an die Parteiennach § 522 ZPO wurde jede zweite Berufung zurückge-nommen. Das rügen wir nicht. Wir finden, das ist einevernünftige Regelung. Deswegen wollen wir § 522 ZPOnicht abschaffen. Allerdings ist im Jahre 2005 im Bun-desdurchschnitt ein Drittel der streitigen Verfahren durcheinen Beschluss nach § 522 ZPO erledigt worden. Dasallein sagt natürlich nichts aus. Es bedeutet nur, dass essich dabei nicht um eine periphere Entscheidungsmög-lichkeit des Gerichts handelt. Ich wiederhole: Die Ober-landesgerichte in Deutschland entscheiden in einemDrittel aller streitigen Fälle nach § 522 Abs. 2 ZPO. Dasist eine beachtliche Größe.
Meine Damen und Herren, es ist so, wie die FDP inihrem Gesetzentwurf völlig zu Recht geschrieben hat,übrigens im Gegensatz zu Ihrem falschen Zitat, HerrGehb.
– Ja, Sie haben etwas vorgelesen. Ich weiß aber nicht,woraus Sie vorgelesen haben.
In der Begründung heißt es, dass das Berufungsge-richt nur dann nach § 522 Abs. 2 ZPO entscheiden kann,wenn die Berufung nach Auffassung des Gerichts keineAussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grund-sätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechtsoder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechungeine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert.DEJdrmKZzdwn5ndmde5witjrW2BsUmZwRsbfzdefEBBssEe
ie Gerichte haben übrigens nicht erst seit der letztenntscheidung des BGH, sondern schon seit demahre 2002 keinen Ermessensspielraum mehr.Ich sage Ihnen – ich bin übrigens nicht der Einzige,er diese Ansicht vertritt –: Wenn die Oberlandesge-ichte in Deutschland bei dieser Entscheidung keinen Er-essensspielraum haben, sondern bei Erfüllung der dreiriterien so entscheiden müssen, dann darf es, was dieahl der Entscheidungen angeht, keine große Spreizungwischen den Bundesländern geben.Tatsächlich gibt es aber eine solche Spreizung. Vonen streitigen Entscheidungen der Oberlandesgerichteerden in Baden-Württemberg 22,4 Prozent aller Fälleach § 522 ZPO entschieden, im Nachbarland Bayern1 Prozent. Für diese Spreizung kann man weder regio-ale Unterschiede noch die besonders guten Richter oderie besonders schlechten Rechtsanwälte in Bayern haftbarachen. Dass bei einem Vergleich der Nachbarländer Ba-en-Württemberg und Bayern bei einer Nichtermessens-ntscheidung eine Spreizung zwischen 22,4 Prozent und1 Prozent zu verzeichnen ist, ist nur dann verständlich,enn man davon ausgeht, dass die Gerichte nach einemnneren Ermessen entscheiden.
Eine solche Spreizung ist ein Angriff auf die Gerech-igkeit in Deutschland. Denn sie hat zur Folge, dass sicheder einzelne Bürger und jede einzelne Bürgerin aus-echnen kann: Beginne ich meinen Prozess in Baden-ürttemberg, besteht eine Wahrscheinlichkeit von2 Prozent, dass ich nach § 522 ZPO abgefertigt werde.eginne ich meinen Prozess in Bayern, liegt die Wahr-cheinlichkeit sogar bei über 50 Prozent. – Eine solchengleichheit im Rechtsmittelrecht ist nicht erträglich.
Hinzu kommt ein Aspekt, der von Frau Bundesjustiz-inisterin Zypries schon angesprochen worden ist. Dieahlen, die nicht bestritten werden, sind ein Indiz für et-as anderes. Die Oberlandesgerichte lassen bestimmteevisionen nicht zu. Es werden Nichtzulassungsbe-chwerden erhoben. 20 Prozent dieser Nichtzulassungs-eschwerden sind erfolgreich. Das bedeutet nach Auf-assung des Bundesgerichtshofes, dass jede fünfte nichtugelassene Revision zu Unrecht nicht zugelassen wor-en ist. 80 Prozent der Revisionen, die gegen ein Urteilines Oberlandesgerichts eingelegt werden, haben Er-olg. Der Bundesgerichtshof sagt also: 80 Prozent allerntscheidungen der Oberlandesgerichte, gegen die beimGH Revision eingelegt wurde, waren falsch. Wenn derGH der Auffassung ist, dass die Zahl der falschen Ent-cheidungen von Oberlandesgerichten so hoch ist,pricht vieles dafür, dass auch ein erheblicher Teil derntscheidungen nach § 522 ZPO nicht der Rechtslagentspricht.
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Jerzy Montag
Das ist die logische Konsequenz, die man aus dem Zah-lenmaterial ziehen muss. Sie können dem folgen, oderSie müssen die Logik ausschalten. In zu vielen Fällen istdie Gerechtigkeit verletzt.Der 65. Juristentag im Jahre 2005 – ein erlauchtesGremium, Herr Kollege Gehb – hat sich mit diesem Pro-blem ebenfalls beschäftigt und explizit vorgeschlagen,bei § 522 ZPO wieder eine Rechtsbeschwerde einzufüh-ren. Wir sollten die Rechtsbeschwerde wieder einführen.§ 522 ZPO sollte bleiben; aber dass er nicht angreifbar,nicht überprüfbar ist, kann nicht in Ordnung sein. Des-wegen werden wir Grünen den Gesetzentwurf der FDPunterstützen.Danke schön.
Der Kollege Michael Grosse-Brömer spricht jetzt für
die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine lieben Damen und HerrenKollegen! Ich habe das Gefühl, wir müssten bei den Zu-hörern einmal nachfragen, wer diese Debatte verstehenkonnte.
– Ich natürlich nicht; ich bin nur Anwalt. Ich habe aller-dings das Gefühl, dass es Zeit wird, dass hier ein Anwaltspricht und nicht nur Richter. Ich bin weit davon ent-fernt, etwas gegen Richter zu sagen; aber manchmal er-klären Anwälte Sachverhalte etwas einfacher. Deswegenist es manchmal schmerzlich, Herr Kollege Nešković,Ihnen zuzuhören: Ihre Rede war wie immer zu lang, undihre Argumentation griff wie immer zu kurz.
– Nein, Sie müssen auch wissen, worüber Sie reden:Wenn Sie von Rechtsfindung auf niedrigem Niveau inDeutschland sprechen,
dann ist das eine Beleidigung aller Kollegen Ihres Be-rufsstandes, aller Richter.SasztBbdhswzG–m–uLwdiDdgnmzdtVWlmtbtw
Zweitens glaube ich nicht, dass das Beispiel mit demchimmel in der Wohnung – auch wenn es nicht völligbwegig ist; bei dem einen oder anderen Amtsgerichtoll so etwas ja anhängig gewesen sein – geeignet ist, zueigen, dass solche Fälle im Berufungsverfahren exorbi-ant ungerecht entschieden werden. So etwas ist bei dereweiserhebung zu klären; ein solcher Fall muss nichtesonders kompliziert sein.Es gibt den berühmten Spruch: Richter sind der Kopfer Rechtspflege, die Anwälte sind das Herz. – Jetztabe ich Herrn Kollegen Montag zum Strahlen gebracht;chon das ist es fast wert, diese Rede zu halten. – Geradeeil wir Anwälte das Herz sind, können wir gegen einusätzliches Rechtsmittel eigentlich nichts haben, vomebührenrecht einmal ganz abgesehen.
Es geht um die Rechtsuchenden; aber die werden jaeistens von Anwälten vertreten.
Manchmal müssen sie sogar.Sie haben völlig recht, Frau Dyckmans: Es geht nichtm die Interessen des Anwaltes – allenfalls in zweiterinie: wenn der Anwalt zusätzliche Gebühren bekommt,enn er ein weiteres Rechtsmittel einlegt –, es geht umen Anspruch des einzelnen Bürgers, darum, dass mann einem Rechtsstaat seine Beschwerde vortragen kann.er Staat muss dem Bürger die Gewähr dafür geben,ass darüber entschieden wird.Eckpfeiler unserer Rechtsordnung ist Art. 103 Grund-esetz; diesen Artikel muss ich hier wahrscheinlich kei-em erklären. Aber vielleicht darf ich sagen, dass ich ineiner Tätigkeit als Abgeordneter sowie in meiner jahr-ehntelangen Tätigkeit als Rechtsanwalt und Notar nichten Eindruck gewonnen habe, dass Deutschland darun-er leidet, zu wenige Rechtsmittelinstanzen und zu kurzeerfahren zu haben.
enn man die Debatte der Sache angemessen umfäng-ich führt, ist die Debatte durchaus spannend. Ich freueich darauf, das einmal zu beleuchten mit all den Statis-iken, auch wenn die jeder für sich selbst auslegt. Dennei Berufungsentscheidungen durch den BGH sind na-ürlich Entscheidungen dabei, die vom OLG aufgehobenurden.
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Michael Grosse-BrömerDeswegen müsste man das aus meiner Sicht differen-zierter sehen.Es geht aber auch um Rechtsfrieden und Rechtssi-cherheit in Deutschland und um die Notwendigkeit, dassbei einem streitigen Verfahren, auch wenn es um Schim-mel in der Wohnung geht, irgendwann einmal einSchlussstrich gezogen werden muss.
– Natürlich nicht zu früh. Hier gilt es ein vernünftigesVerhältnis zu schaffen. Die spannende Frage ist, inwie-fern § 522 ZPO in dem Spannungsverhältnis zwischendem Gebot des effektiven Rechtsschutzes auf der einenSeite und einem effektiv und zügig arbeitenden Gerichtbzw. einer schnell arbeitenden Rechtspflege auf der an-deren Seite eine Rolle spielt.Ich will zu einem der wenigen Punkte kommen, diehier noch nicht erwähnt worden sind. Wir sind nicht dieeinzigen, die über § 522 ZPO diskutieren. Glücklicher-weise gibt es hierüber auch sehr fundierte rechtswissen-schaftliche Literatur – insofern muss man die Zuhörerin-nen und Zuhörer auch nicht immer mit diesen sehrspeziellen Themen belästigen –, in der vereinzelt dieAuffassung vertreten wird, dies sei verfassungsrechtlichbedenklich.
Aber solche Auffassungen gibt es – das muss man fairer-weise sagen – auch nur sehr vereinzelt; dazu gehört dannauch ein Richter am BGH. Aber das Bundesverfassungs-gericht hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken,ebenso wenig die überwiegende Mehrheit in der Litera-tur. Ich sage dies nur, damit klar ist, auf welchem Niveauwir hier reden.
– Ich wundere mich über Ihre gefühlte Angegriffenheit.
– Ich schaue Sie zwischendurch freundlich und kollegialan, aber ich meine Sie gar nicht. Ich erkläre Ihnen dasvorbeugend, damit wir uns endlose Debatten im Aus-schuss sparen. Ich will hier auch nicht alles wiederholen,was andere schon gesagt haben.Die beiden Eigenschaften des Zurückweisungsbe-schlusses, unanfechtbar zu sein und keiner dezidiertenBegründung zu bedürfen, sind manchmal ein bisschenanstrengend, auch für die Anwälte, die sich unendlichMühe geben und über 14, 15 Seiten hinweg erklären,warum die erstinstanzliche Entscheidung falsch ist, undanschließend unter Umständen die karge Mitteilung be-kommen: Aus den zutreffenden Gründen der erstinstanz-lichen Entscheidung wird die Berufung zurückgewiesen.
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Meines Erachtens braucht man irgendwann einenchlussstrich unter Streitigkeiten. Der Zurückweisungs-eschluss ist eine gute Möglichkeit dazu. Wie viele vonhnen freue ich mich auf eine angeregte und wahrschein-ich intellektuell hochwertige Debatte im Rechtsaus-chuss.Herzlichen Dank fürs Zuhören.
Jetzt spricht Joachim Stünker für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor Ihnenteht einer, der die damalige Reform federführend als
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Joachim StünkerBerichterstatter meiner Fraktion mit vorangebracht hat.Ich stehe auch heute noch voll hinter dieser Zivilprozess-rechtsreform, über die wir in den Jahren 2000 und 2001beraten und die wir dann zum Abschluss gebracht haben.Entgegen dem, was teilweise heute Mittag hier geäußertworden ist, sagen uns mittlerweile die Vertreter der Pra-xis in den Instanzgerichten, aber vor allen Dingen in denTatsacheninstanzen ganz überwiegend: Jawohl, es wareine richtige, eine im Ergebnis gute Reform. Dies sageich all denjenigen, die auch hier zu Anfang sehr skep-tisch gewesen sind.Bei dieser Reform sind wir natürlich nicht von einemRichterbild ausgegangen, Herr Kollege Nešković, beidem wir dem Richter von vornherein Willkür unterstel-len.
– Doch, das haben Sie in Ihrer Rede hier getan. Das magvielleicht Ihre Erfahrung aus Ihrer Praxis als Amtsrichteroder als Richter an einem Landgericht in Schleswig-Hol-stein sein. Wir hingegen sind von einem Richterbild aus-gegangen, wie wir es in diesem Land kennen, wo mansorgfältig und gründlich arbeitet, wo man nach Rechtund Gesetz entscheidet und wo die Bürgerinnen undBürger nicht willkürlich abgebürstet werden, um daseinmal ganz deutlich zu sagen.
Dann haben wir eine Strukturreform durchgeführt,das heißt, wir haben nicht nur diese eine Vorschrift imBerufungsrecht geändert.
Wir haben eine Strukturreform durchgeführt, durch diewir zum Beispiel den Gerichten, die Tatsacheninstanzsind, neue Hinweispflichten gegenüber den Parteien auf-gegeben haben, wir haben eine Güteverhandlung vorge-schaltet, und wir haben versucht, durch das Gesetz einkonsensuales Verfahren zu fördern, um in der Tatsachen-instanz die Möglichkeit zu schaffen, im Gespräch um-fassend vorzutragen.Auf dieser Grundlage haben wir die Rechtsmittelnicht eingeschränkt, sondern der Umfang der Rechtsmit-tel ist erweitert worden. Die Streitwertgrenze bei Rechts-mitteln gegen Entscheidungen der Amtsgerichte ist ab-gesenkt worden. Man kommt heute mit demRechtsmittel bis zum Bundesgerichtshof, zu dem manfrüher nie hingekommen ist, was dazu führt, dass wir indiesem Land sehr schnell zu einer Einheitlichkeit derRechtsprechung kommen. All das sind Schritte, die mitt-lerweile unisono begrüßt werden.Dann haben wir – das ist richtig – das Rechtsmittelder Berufung sozusagen ein Stück weit darauf be-schränkt, dass die Berufung nicht die neue zweite Tatsa-cheninstanz sein soll – wohlgemerkt: die neue zweiteTatsacheninstanz –, sondern im Wesentlichen der Feh-lerkontrolle und Fehlerbeseitigung dienen soll. Bis zudRSnBTGgBEftrgdMnIbswdgeDWGwBeatMwGdmlmMbDPtz
s muss also das tun, was man sonst erst in der Beru-ungshauptverhandlung getan hätte, in der man den Par-eien mit zwei Anwälten – das alles kostet Geld – erklä-en muss: Tut uns leid, aber trotz allem, was Sieeschrieben und vorgetragen haben, ist das Rechtsmitteler Berufung nicht begründet.Der Berufungsführer hat nach diesem Hinweis dieöglichkeit, noch einmal vorzutragen. Wenn er danneue Tatsachen vorbringt, von denen Sie zum Beispiel inhrem Beispielsfall des Schimmelpilzes gesprochen ha-en, Herr Kollege Nešković, und wenn diese neuen Tat-achen möglicherweise wirklich geeignet sind, das Be-eisergebnis aus der ersten Instanz infrage zu stellen,
ann wird kein Gericht in Deutschland willkürlich sa-en: Da schauen wir nicht mehr hin, das belassen wirinmal bei dem, was dort gemacht worden ist.
as ist Ihr sozialistisches Richterbild, das aber nicht derirklichkeit in diesem Land entspricht. So sieht dasanze aus.
Wir haben diese Regelung auch deshalb so getroffen,eil wir natürlich wissen – wer lange genug in diesemereich gearbeitet hat, der weiß das; bei mir war es überin Vierteljahrhundert und auf allen Ebenen –, dass esuch taktische Rechtsmittel gibt. Gerade das Rechtsmit-el der Berufung kann ein taktisches Rechtsmittel sein:an ist verurteilt worden, soundso viel zu zahlen. Dannird erst einmal eine Berufung eingelegt, sodass dasanze ein bisschen verzögert wird, um zu schauen, wieas in einem Jahr, wenn eine Entscheidung vorliegt,öglicherweise aussieht. Die Aufschiebung des Zah-ungstermins, also eine zinslose Stundung, hat man da-it erst einmal auf den Weg gebracht. Auch diesenissbrauch gibt es in diesem Bereich. Das muss man da-ei eben ganz deutlich sehen.Durch diese Regelung haben wir natürlich auchruck ausüben und darauf hinwirken wollen, dass diearteien in der ersten Tatsacheninstanz umfassend vor-ragen und nicht taktisch bestimmte Beweismittel nochurückhalten, die man vielleicht erst in der nächsten In-
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Joachim Stünkerstanz einbringen kann, um zu schauen, wie das taktischeVerfahren dann weiterläuft. In einem kontradiktorischenVerfahren wie dem Zivilprozess weiß doch jeder kun-dige Thebaner, wie die Tricks aussehen, um das Verfah-ren in die Länge zu ziehen. Nein, das wollten wir nicht,und die Möglichkeiten dafür wollten wir verringern. Da-rum gibt es diese Regelung, die hier heute so heftig an-gefochten wird.Wenn erneut geprüft worden ist und diese Berufungtrotzdem keine Aussicht auf Erfolg hat und die übrigenVoraussetzungen, die hier rauf und runter diskutiert wor-den sind, vorliegen, dann kann durch Beschluss zurück-gewiesen werden, und zwar – nun gibt es dabei noch et-was Besonderes – ohne Begründung, wenn man nichteine neue Begründung zusätzlich zu der hat, die den Par-teien bereits in den Hinweisen mitgeteilt wurde.Was wollen Sie mit Ihrer Rechtsbeschwerde errei-chen? Auf welcher Grundlage sollen dabei die nächsteInstanz und dann der Bundesgerichtshof überprüfen?Was sollen die Gerichte eigentlich überprüfen? Die Ak-tenlage von Blatt 1 bis 1 000?
Sie müssen sich fragen, wie das in der Praxis funktionie-ren soll.Es gibt also einen nicht begründeten Beschluss. WennSie allerdings mit der Rechtsbeschwerde auch eine Be-gründungspflicht einführen wollen, dann können wir unsdas Ganze schenken. Dann kehren wir zum alten Rechtzurück.Alles, was hier vorgetragen worden ist, ist meines Er-achtens nicht schlüssig. Bedenkenswert sind sicherlichdie unterschiedlichen Zahlen aus den Bundesländern.Damit werden wir uns im Rechtsausschuss sehr gründ-lich befassen und nach den Zusammenhängen fragen.Aber aus dem Zahlenmaterial eine Schlussfolgerung fürdie materielle Handhabung zu ziehen, scheint mir im Er-gebnis ein bisschen gewagt gewesen zu sein, KollegeMontag.
Diese Schlussfolgerung vermag ich nicht zu ziehen.Frau Kollegin Dyckmans, ich muss zugeben, dass ichmich nicht eine Woche lang auf die Debatte am heutigenMittag vorbereiten konnte. Aber als ich gestern Abenderfahren habe, dass das Thema heute Mittag – zur bestenSendezeit der Übertragung aus dem Deutschen Bundes-tag, könnte man fast sagen – mit einer einstündigen De-batte auf die Tagesordnung gesetzt wurde, habe ich michgefragt, ob eine ganze Stunde nötig ist, um im Ergebniseine Art Kolloquium mit einer Vorlesung zu halten. Ha-ben wir in Deutschland nicht gegenwärtig andere Pro-bleme, um die wir uns zu kümmern haben und über diewir hier diskutieren sollten, als die spezielle Frage des§ 522 ZPO?Dass die FDP in dieser Situation, in der wir es inDeutschland mit riesigen finanzwirtschaftlichen undweltwirtschaftlichen Problemen zu tun haben, dieseskleine Problem des Rechtsmittels aufbringt, bei dem esmzRrwvi
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-urfs auf Drucksache 16/11457 an den Rechtsausschussorgeschlagen. Gibt es dazu andere Vorschläge? – Dasst nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 j auf:a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Menschenrechte undHumanitäre Hilfe zu der Unter-richtung durch die BundesregierungAchter Bericht der Bundesregierung über ihreMenschenrechtspolitik in den auswärtigen Be-ziehungen und in anderen Politikbereichen– Drucksachen 16/10037, 16/10285 Nr. 14,16/11982 –Berichterstattung:Abgeordnete Holger HaibachChristoph SträsserBurkhardt Müller-SönksenMichael LeutertVolker Beck
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Menschenrechte undHumanitäre Hilfe
– zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck
, Jerzy Montag, Wolfgang Wieland, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENVölkerstrafgesetzbuch wirksam anwenden– zu dem Antrag der Abgeordneten FlorianToncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Dr. KarlAddicks, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der FDPFür eine verbesserte Zusammenarbeit deut-scher Behörden bei der Verfolgung vonStraftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch– Drucksachen 16/7137, 16/7734, 16/10282 –Berichterstattung:Abgeordnete Ute GranoldChristoph SträsserFlorian ToncarMichael LeutertVolker Beck
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Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardtc) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Menschenrechte undHumanitäre Hilfe zu dem Ent-schließungsantrag der Abgeordneten Volker Beck
, Marieluise Beck (Bremen), Alexander
Bonde, weiterer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Beratungder Großen Anfrage der Abgeordneten VolkerBeck , Dr. Uschi Eid, Kai Gehring, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENZur Lage der Menschenrechte von Lesben,Schwulen, Bisexuellen und Transgender– Drucksachen 16/2084, 16/2800, 16/9651,16/11972 –Berichterstattung:Abgeordnete Holger HaibachAngelika Graf
Burkhardt Müller-SönksenMichael LeutertVolker Beck
d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Menschenrechte undHumanitäre Hilfe zu dem Antragder Abgeordneten Volker Beck , WinfriedNachtwei, Marieluise Beck , weitererAbgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENFür klare menschen- und völkerrechtlicheBindungen bei Auslandseinsätzen der Bundes-wehr– Drucksachen 16/8402, 16/11979 –Berichterstattung:Abgeordnete Holger HaibachChristoph SträsserBurkhardt Müller-SönksenMichael LeutertVolker Beck
e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Menschenrechte undHumanitäre Hilfe zu dem Antragder Abgeordneten Volker Beck , MarieluiseBeck , Alexander Bonde, weiterer Ab-geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENEine kohärente und konsistente Menschen-rechtspolitik gegenüber China entwickeln– Drucksachen 16/9422, 16/11980 –Berichterstattung:Abgeordnete Holger HaibachDr. Herta Däubler-GmelinFlorian ToncarMichael LeutertVolker Beck
f) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Menschenrechte undHumanitäre Hilfe zu dem Antrag
richts des Ausschusses für Menschenrechte undHumanitäre Hilfe zu dem Antragder Abgeordneten Volker Beck ,Marieluise Beck , Alexander Bonde,weiterer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENAufnahme von Gefangenen aus GuantánamoBay ermöglichen– Drucksachen 16/11759, 16/12144 –Berichterstattung:Abgeordnete Erika SteinbachChristoph SträsserFlorian ToncarMichael LeutertVolker Beck
h) Beratung des Antrags der Abgeordneten FlorianToncar, Burkhardt Müller-Sönksen, JensAckermann, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der FDPEigentumsfreiheit weltweit schützen– Drucksache 16/10613 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Auswärtiger AusschussRechtsausschussAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungi) Beratung des Antrags der Abgeordneten FlorianToncar, Burkhardt Müller-Sönksen, HaraldLeibrecht, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der FDPErweiterung des Rom-Statuts des Internatio-nalen Strafgerichtshofs – Verweigerung undBehinderung von humanitärer Hilfe bestrafen– Drucksache 16/11186 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Auswärtiger AusschussRechtsausschussAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung
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Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardtj) Beratung des Antrags der Abgeordneten VolkerBeck , Marieluise Beck (Bremen), AlexanderBonde, weiterer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENWeitere Verschlechterung der Rechtssituationvon Homosexuellen in Nigeria verhindern– Drucksache 16/12107 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Auswärtiger AusschussAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungZu dem Bericht der Bundesregierung über ihre Men-schenrechtspolitik liegt ein Entschließungsantrag derFraktion der FDP vor.Es ist verabredet, hierzu eine Stunde zu debattieren. –Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so be-schlossen.Als erstem Redner erteile ich dem KollegenChristoph Strässer das Wort für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! Ende des vergangenen Jahreswurde weltweit mit teilweise beeindruckenden Veran-staltungen des Geburtstages der Allgemeinen Erklärungder Menschenrechte gedacht. In diesem Jahr wird dasGrundgesetz, unsere Verfassung, ebenfalls 60 Jahre alt.Ich meine, es ist eine Verfassung, auf die wir stolz seinkönnen, deren runder Geburtstag uns aber nicht nurGrund für aufwendige Feierlichkeiten bieten sollte, son-dern die uns nach innen wie nach außen die Verpflich-tung aufgibt, permanent den Stand und die Umsetzungder grundlegenden Werte – nämlich der Art. 1 bis 19 –zu überprüfen. Dabei spielt auch der mittlerweile achteMenschenrechtsbericht der Bundesregierung, den wirheute debattieren, eine zentrale Rolle.Der Bericht ist ein wichtiger Beitrag sowohl zur par-lamentarischen als auch zur zivilgesellschaftlichen De-batte um die Menschenrechtspolitik der Bundesregie-rung. Die vorliegenden Berichte sind – das sage ichausdrücklich – nicht nur für Parlamentarier lesenswerteKompendien moderner Menschenrechtspolitik. Sie ge-währen Einblicke in bilaterale und multilaterale Strate-gien.Für uns – für meine Fraktion und meine Arbeitsgruppe– gilt an dieser Stelle ein ganz besonders herzlicher Dankden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beteiligtenHäuser – insbesondere des federführenden AuswärtigenAmtes –, die an der Erstellung dieses Berichtes mitge-wirkt haben.
Dieser Dank ist diesmal ganz besonders berechtigt, weilder Bericht sehr zeitnah vorgelegt wurde. Einen Berichtmit diesem Umfang, der im Jahr 2008 abschließt, bereitsim Jahr 2008 vorzulegen, verdient gerade im HinblickaaBnRNBgßAsvznihvssdRLhEkVtDrrzrtiaaDfwKvnDds
as muss dringend beseitigt werden.Lieber Kollege Haibach, ich werde nicht müde, da-auf hinzuwirken – auch wenn das den einen oder ande-en nervt –, dass endlich der noch existierende Vorbehaltur Kinderrechtskonvention zurückgenommen wird. Da-an werden wir noch in dieser Legislaturperiode arbei-en.
Der Bericht geht sehr intensiv auf die Entwicklungennternationaler Rechtsschutzsysteme ein. Ich spreche ausktuellem Anlass den Internationalen Strafgerichtshofn. Wie Sie wissen, haben die Richter des ICC gestern inen Haag ihre positive Entscheidung über einen Haftbe-ehl gegen den sudanesischen Präsidenten al-Baschiregen Verbrechen gegen die Menschlichkeit undriegsverbrechen bekannt gegeben. Ich sage Ihnen ausoller Überzeugung: Ich begrüße diese Entscheidungachhaltig.
ie Richter haben eine unmissverständliche Botschaft inie Welt gesetzt: Immunität und staatliche Souveränitätchützen auch amtierende Staatsoberhäupter nicht, wenn
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Christoph Strässerdiese im Verdacht stehen, Verbrechen gegen dieMenschlichkeit und Kriegsverbrechen begangen zu ha-ben.Ich bin mir durchaus bewusst, dass diese Entschei-dung zu diplomatischen Verwicklungen und Problemenführen kann. Etliche Länder in der Region befürchten,dass ein Haftbefehl gegen den Präsidenten die Haltungdes Sudans noch verhärtet und die Friedensverhandlun-gen im Zusammenhang mit Darfur weiter erschwert. An-geblich ziehen 37 Staaten, angeführt von Libyen, in Er-wägung, das Römische Statut zu kündigen. Es gibt dieBefürchtung, dass ein solcher Schritt die sudanesischeArmee zu Vergeltungsschlägen gegen die Bevölkerung,humanitäre Helfer oder Soldaten der Friedensmissionherausfordert. Deshalb sage ich: Die internationale Ge-meinschaft muss gerade gegenüber den Menschen, diedort ihr Leben und ihre Gesundheit riskieren, ihrer Ver-antwortung gerecht werden. Sie muss unter Beweis stel-len, dass sie ihrer Schutzverantwortung für diese Men-schen und die Flüchtlinge in den Lagern in Darfurnachkommt.
Angesichts dieser schwierigen Lage warne ich nach-drücklich davor, eine Diskussion zu beginnen, in derRecht und Frieden im Sudan gegeneinander ausgespieltwerden. Ziel muss sein, beides zu verbinden. In dieserSituation richte ich den dringenden Appell an die Mit-glieder des Sicherheitsrates, die letztendlich diesen Fallnach Kapitel VII der Charta an den ICC abgegeben ha-ben, nun ihrer daraus resultierenden Verantwortung ge-recht zu werden. Das sage ich insbesondere an dieAdresse der Volksrepublik China, ohne deren Unterstüt-zung das Regime im Sudan aus meiner Sicht nicht langeüberlebensfähig wäre.Da mir die Redezeit etwas davonrennt, möchte ichnur kurz zum Antrag der Grünen zu Guantánamo Stel-lung nehmen. Darüber werden wir sicherlich noch inten-siv diskutieren. Nur so viel: Kollege Beck, wie Sie wis-sen, werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen,obwohl ich der Meinung bin, dass die Lösung des Pro-blems Guantánamo nicht bedeutet, dass wir ein Problemder Vereinigten Staaten von Amerika lösen wollen. Viel-mehr geht es uns um die Lösung eines menschenrechtli-chen Problems und die Menschen, die dort seit Jahrenunschuldig inhaftiert sind und gefoltert wurden. Darumgeht es, und dem wollen wir nahetreten.Aber wir wollen und können diesen Antrag auch des-halb nicht unterstützen, weil Sie von einer falschen Vo-raussetzung ausgehen. Sie sagen nämlich im Prinzip, dieBundesregierung tue an dieser Stelle nichts. Genau dasist verkehrt. Die Bundesregierung und insbesondere derAußenminister haben sehr klar gesagt, dass sie an einerentsprechenden Lösung mitwirken werden.
Die Bundesrepublik Deutschland wird ihrer men-schenrechtlichen und humanitären Verpflichtung nach-kommen, wenn die Anfrage kommt,uudsPzAWlihShdWnPTprdsdMsdzrssvsLHmdpAue
nd dann werden wir einen solchen Antrag unterstützennd klarmachen, dass wir dies wollen.Lieber Kollege Beck, wenn Sie geschrieben hätten,ass Sie die Bemühungen der Bundesregierung unter-tützen würden, zu einer humanitären Lösung diesesroblems zu kommen, dann würden wir diesem Antragustimmen. Und wenn es an der Zeit ist, werden wir denntrag auf den Weg bringen.Herzlichen Dank.
Der Kollege Burkhardt Müller-Sönksen hat jetzt das
ort für die FDP-Fraktion
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-egen! Der „Achte Bericht der Bundesregierung überhre Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Bezie-ungen und in anderen Politikbereichen“ ist aus unserericht und der Sicht der Experten in der öffentlichen An-örung im Oktober des letzten Jahres einhellig gewür-igt worden. Der Bericht beleuchtet auf eindrucksvolleeise die umfangreiche, vielschichtige und professio-elle Arbeit der mit der Menschenrechtspolitik befasstenersonen und Institutionen. Dabei ist jedoch in weiteneilen eine Schwerpunktsetzung auf außenpolitische As-ekte erkennbar, die menschenrechtliche Herausforde-ungen im Inland zu sehr in den Hintergrund treten lässt.Im Entschließungsantrag unserer Fraktion haben wirie Forderungen für die künftige Berichterstattung zu-ammengefasst. Erstens. Es ist unverständlich, warumie Kritik am Siebten Bericht nicht im vorliegendenenschenrechtsbericht eingearbeitet wurde. In der Be-chlussempfehlung zum Siebten Menschenrechtsberichter Bundesregierung sprach der Deutschen Bundestagahlreiche Empfehlungen aus, um die Lesbarkeit des Be-ichts weiter zu erhöhen.Leider sind noch nicht alle dieser Verbesserungsvor-chläge berücksichtigt worden. So ist der Bericht bei-pielsweise aufgrund des überlangen Berichtszeitraumson 36 Monaten weiterhin sehr umfänglich. Große Teileind deskriptive Hintergrundinformationen, die es demeser erschweren, die eigentlichen Positionen undandlungen der Bundesregierung zu erkennen. Dabeiuss auch erkennbar werden, wo die Bundesregierungurch den Einsatz finanzieller Mittel eigene Schwer-unkte setzt.Zweitens. Eine transparente Abtrennung von eigenenktivitäten der Bundesregierung und Beschreibungen istnklar. Oder sollen die eigenen Anteile sogar verschlei-rt, versteckt werden? Wir Liberale fordern, die be-
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Burkhardt Müller-Sönksenschreibenden und erläuternden Teile des Berichts jeweilsin einen eigenständigen Handbuchteil aufzunehmen. Wirfordern zur besseren Transparenz und Nachvollziehbar-keit Zielformulierungen der Bundesregierung anhandklarer Kriterien und Maßnahmen der Bundesregierungeinschließlich Angaben über die aufgewandten Finanz-mittel, sodass Schwerpunkte erkennbar werden. Wir for-dern darüber hinaus ein Ergebnis, also eine Auswertung,Erfolgskontrolle, Evaluation. Und letztlich fordern wirnatürlich einen Ausblick und Perspektiven. All das ver-missen wir hier ganz klar.
Drittens. Die Menschrechte in Deutschland dürfenkeine Leerstelle sein. Deshalb sind die innenpolitischenVorgänge mit Menschenrechtsrelevanz ausführlicherdarzustellen. Wir erhöhen unsere eigene Glaubwürdig-keit – und natürlich die der Kollegen aus dem Aus-schuss, die ins Ausland fahren –, wenn wir auch im In-land unsere Menschenrechtspolitik ständig überprüfenund sagen: Wir kümmern uns auch um die Menschen-rechtsverletzungen in Deutschland. Wir können nicht sa-gen, dass wir uns im Ausland – beispielsweise in Russ-land oder Weißrussland – um Menschenrechte kümmern,wenn wir dies nicht gleichzeitig auch im eigenen Landetun.Viertens. Der „Aktionsplan Menschenrechte der Bun-desregierung“ sollte künftig nicht losgelöst angehängtwerden, sondern ein wichtiger Bestandteil des Berichtswerden. Dazu ist es unverzichtbar, dass die Umsetzungdes Aktionsplans detaillierter beschrieben wird, dasheißt bestehende Defizite aufgezeigt und geplante Maß-nahmen angekündigt werden.Fünftens. Wie in unserem Entschließungsantrag ge-fordert, muss eine strategische Analyse der durch dieGlobalisierung veränderten Rahmenbedingungen vorge-nommen werden. Dazu zählen eben auch Fragen desMenschenrechtsschutzes beim Kampf gegen den Terror.Um unsere Position klar zu sagen: Terrorbekämpfungdarf niemals und nie wieder auf Kosten der Menschen-rechte gehen.
Aktuell müssen wir uns nun politisch mit den Folgender massiven Missachtung von Menschenrechten imKampf gegen Terrorismus beschäftigen. Darauf zielt derAntrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Ti-tel „Aufnahme von Gefangenen aus Guantánamo Bayermöglichen“ ab. Die Forderung der Grünen nach einerAufnahmeverpflichtung auf bilateraler Ebene zwischenden Vereinigten Staaten und Deutschland greift zu kurzund stellt keine nachhaltige Außenpolitik dar. Der FDPkann in der Debatte nicht vorgeworfen werden, siewürde sich dieses Themas nicht annehmen, da unsereFraktion als eine der ersten die Schließung Guantánamosverlangt hat. Die Debatte über die Aufnahme unschuldi-ger Häftlinge aus Guantánamo wurde durch die Ankün-digung Obamas, das Gefängnis schließen zu wollen, los-getreten, obwohl bis zum heutigen Tage keine offizielleAnfrage an Deutschland vorliegt. So jedenfalls lauteteddieASsdazSAdDmlsVshWdDwzdFmiisdFngMtugfFdsiidvle
Die Grünen haben sich in ihrer Regierungszeit dage-en ganz anders verhalten, als sie heute fordern. Vonärz 2003 bis Oktober 2004 war Claudia Roth Beauf-ragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitiknd humanitäre Hilfe,
enau in der Zeit, als Kurnaz auf Guantánamo im Ge-ängnis saß. Sie weist jegliche Verantwortung in diesemall mit der Begründung von sich, sie habe nichts voner Inhaftierung gewusst, obwohl in den Medien bereitseit langem davon berichtet wurde. So eine Unkenntnisst schlicht eine untaugliche Schutzbehauptung und zeigtn diesem Fall die Unglaubwürdigkeit der Grünen, dieamit eine Einreise von Kurnaz nach Deutschland selbsterhindert haben.
Kommen wir nun zu einem leider gerade in Deutsch-and völlig unerwartet infrage gestellten Menschenrecht,inem nach unserer Verfassung geschützten Grundrecht.
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Burkhardt Müller-SönksenDas Grundrecht auf Eigentum ist nämlich eine derGrundlagen der Menschenrechte. Freiheit und Men-schenwürde sind von der Herrschaft über Wirtschaftsgü-ter nicht zu trennen. Liebe Große Koalition, das wussteman schon im Mittelalter. Bereits in der Magna ChartaLibertatum, der großen Urkunde der Freiheiten, setzteman im Jahre 1215 in England ein Abwehrrecht gegen-über dem Staat durch, um Eigentum sogar vor Königenund Lords zu schützen. Ohne eine solche Eigentumsga-rantie gräbt sich jeder Rechtsstaat selbst ein politischesGrab. Die Eigentumsgarantie bietet den Anreiz, ökono-mische Grundlagen für individuelle Freiheiten zu erwer-ben – so der Experte Paul Kirchhof.
In diesem Geiste fordert die FDP-Bundestagsfraktionmit dem Antrag „Eigentumsfreiheit weltweit schützen“dieses Hohe Haus zu einem klaren Bekenntnis auf. Dassdas überhaupt nötig ist, zeigen uns die aktuellen Pläneder Regierung in dieser Finanzkrise.
– Artikel 14, Herr Kollege. – Für uns Menschenrechtlerwäre es vor einem halben Jahr unvorstellbar gewesen,dass gesellschaftspolitisch so zersetzende Gedanken wieEnteignung als Punkt auf der aktuellen Tagesordnungstehen. Man kann es gar nicht fassen, wie leichtfertig dasGrundvertrauen der Bürger in das Grundrecht auf Eigen-tum erschüttert wird. Ein Enteignungsgesetz ist nachmeiner Auffassung schlicht demokratiegefährdend. EinEnteignungsgesetz nimmt mehr Vertrauen aus demStaat, als es Vertrauen schafft.
Stellen Sie sich einmal mit diesem Gesetz einen Fi-nanzminister Oskar Lafontaine vor, den es in diesemHause einmal gegeben hat und hoffentlich nie wiedergibt. Mit einem so geschaffenen Dammbruch könnteeine sozialistische Springflut ausgelöst werden.
Deswegen haben wir hierzu einen Antrag eingebracht.
Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss. Ich würde gerne noch zum
Entschließungsantrag zur Lage der Menschenrechte von
Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern Aus-
führungen machen.
Das werden Sie jetzt nicht mehr schaffen.
Wir unterstützen ihn.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kol-ege Müller-Sönksen, wir haben uns in den letzten De-atten zu Recht zur Wehr gesetzt, wenn vonseiten derinkspartei versucht wurde, die Frage des gesetzlichenindestlohns zum Menschenrechtsthema zu machen.ch glaube, die gegenwärtige Finanzkrise und ihre Lö-ung ist genauso wenig geeignet, um als Thema in einerenschenrechtsdebatte aufgerufen zu werden. Damitun wir den Menschenrechten keinen Gefallen.
Man kann zu der Frage der Enteignung stehen, wiean will. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das wirklichine Frage ist, die in einer Debatte über Menschenrechteine Rolle spielen sollte. Abgesehen davon wissen Siels Jurist, dass Enteignung auch in unserer Verfassungorgesehen ist, wenn es um höherwertige Rechte undiele geht, nämlich den Schutz und Erhalt unseres Staa-es. Das heißt nicht, dass ich zwingend für Enteignungin, wenn es um die Bewältigung der Finanzkrise geht.ber ich finde, man muss die Politikbereiche sauber aus-inanderhalten. Deswegen hat dieses Thema hier nichtsu suchen.
Bevor ich zu dem komme, was ich mir aufgeschrie-en habe: Lieber Kollege Christoph Strässer, ich weiß,ass die Rücknahme der Vorbehalte zur Kinderrechts-onvention ein gemeinsames Ziel von uns allen ist.
ch will an dieser Stelle deutlich sagen: Wir als Mitglie-er der Menschenrechtsarbeitsgruppe und Familienar-eitsgruppe der Union haben das immer ganz klar unter-tützt. Wahrscheinlich weiß auch der Kollege Strässer,ass es heute Abend Verhandlungen zwischen den Län-ervertretern und der Bundeskanzlerin zu diesem Themaibt und dass wir insgesamt auf einem guten Weg sind,ie Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Lin-auer Abkommen auszuräumen. Wenn wir das schaffen,ann haben wir gerade bei diesem Thema einen wichti-en Schritt nach vorne gemacht. Ich will hier keine Le-enden in der Art aufkommen lassen, es läge an dernion, dass es hier nicht zu Fortschritten kommt. Dastimmt definitiv nicht.
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Holger HaibachWir diskutieren heute neben dem Achten Menschen-rechtsbericht der Bundesregierung sehr unterschiedlicheThemen. Es gibt Anträge zu China, zu den Rechten vonSchwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgendern,Guantánamo, Bundeswehr, Völkerstrafgesetzbuch, Rom-Statut und Eigentumsrechten. Das zeigt, wie breit dieBandbreite ist, wenn es um das Thema Menschenrechtegeht. Aber ein Punkt, über den wir alle nachdenken soll-ten, ist: Ich frage mich, ob es den Themen, die alle eineeinzelne Betrachtung wirklich verdient hätten, angemes-sen ist, wenn man versucht, diese elf Vorlagen inklusivezweier Beschlussempfehlungen und eines großen Be-richts der Bundesregierung tatsächlich in einer Stundeabzuhandeln. Es ist nicht sinnvoll, das zu machen. Wirsollten in Zukunft darauf achten, uns ein bisschen mehrzu konzentrieren. Auf der anderen Seite sollten wir ver-suchen, für die anderen Themen vernünftige Debatten-punkte zu finden.
Ich will bei dieser Gelegenheit noch Folgendes sagen:Wenn ich mir anschaue, wie viele Debattenpunkte zumThema Menschenrechte in der letzten Legislaturperiodeaufgerufen wurden und wie viele wir in dieser Legisla-turperiode diskutiert haben, dann verdeutlicht das, dasswir hier einen ordentlichen Schritt nach vorne gemachthaben. Das zeigt, dass das Thema durchaus an Bedeu-tung gewonnen hat.
Der Menschenrechtsbericht der Bundesregierungzeigt – der Kollege Strässer hat bereits darauf hingewie-sen –, dass in den Häusern, in denen er erstellt wordenist, große Sachkompetenz vorhanden ist. Ich kann michausdrücklich dem Dank anschließen, besonders dem anGünter Nooke und seine Mitarbeiter im AuswärtigenAmt. Hier ist eine wichtige Arbeit geleistet worden,nicht nur für uns als Parlamentarier, sondern auch für alldiejenigen, die sich insgesamt für Menschenrechte inte-ressieren. Das soll an dieser Stelle ausdrücklich gewür-digt werden; denn diese Arbeit ist keine kleine. Das wis-sen wir alle.
Auch was das Abstimmungsverfahren innerhalb derBundesregierung angeht, ist es keine ganz einfache Sa-che, die unterschiedlichen Meinungen der unterschiedli-chen Häuser zusammenzubringen.Was den Antrag der FDP betrifft, der hier zur Debattesteht – es gibt auch einen gemeinsamen Antrag vonCDU/CSU, SPD und Grünen zu diesem Thema –: Ichkann den dort formulierten Zielen durchaus folgen. DasProblem ist nur: Wenn wir sie zu erreichen versuchen,dann machen wir keinen Menschenrechtsbericht mehr,sondern ein Menschenrechtslexikon. Wir würden danneine Bandbreite an Themen abhandeln müssen, die we-der in einem noch in zwei, sondern vermutlich in zehnBzgAdvvdfWZBgunlraS–nWDRiuwidSidefnfFdSm
Wenn wir uns die Handlungen der Bundesregierungnd die Handlungen Deutschlands anschauen, dann kön-en wir feststellen, dass sich die Bundesregierung in denetzten Jahren sehr stark bemüht hat, ihre Menschen-echtspolitik international auszurichten – und das istuch richtig so. Deutschland als bestenfalls mittelgroßertaat mit 82 Millionen Einwohnern muss sicherlichwenn Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und inter-ationales Recht weiterentwickelt werden sollen – deneg über die internationale Gemeinschaft suchen.eutschland hat sich vor kurzem dem Universal Periodiceview unterzogen. Eine Delegation des Ausschusses istn Genf gewesen und hat sich das Ganze angeschaut.Man kann über das, was dort diskutiert worden ist,nterschiedlicher Meinung sein. Diejenigen, die vor Ortaren, und die Diplomaten sagen, dass Deutschland dortnsgesamt einen sehr guten Stand gehabt hat, auch wennie Kritik von Nichtregierungsorganisationen an diesertelle massiv – ich sage: zum Teil zu massiv – gewesenst. Ich finde, man muss den Vergleich mit anderen Län-ern im Blick behalten. Ich will an dieser Stelle nochinmal in aller Deutlichkeit sagen: Es ist mehr als be-remdlich, wenn ein Land wie Saudi-Arabien plötzlichach der Umsetzung der Frauenrechte in Deutschlandragt.
Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage von
rau Däubler-Gmelin zulassen?
Aber selbstverständlich.
Bitte schön.
Herr Kollege Haibach, wir waren in Genf und habenie, wie ich finde, hervorragende Präsentation destaatsministers und des Staatssekretärs gesehen. Stim-en Sie meiner Einschätzung zu, dass eine parlamenta-
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Dr. Herta Däubler-Gmelinrische Weiterbehandlung der Empfehlungen und auchder im Einzelnen sehr klug anmutenden Fragen, die zumdeutschen Bericht gestellt wurden, angesagt ist?
Ich teile auf jeden Fall Ihre Meinung. Wenn im Junider endgültige Bericht verabschiedet wird, sollten wirdie Empfehlungen noch einmal zum Thema unserer par-lamentarischen Beratungen machen.Unabhängig von der Situation der Fragesteller unddem Recht, das man ihnen zubilligt, diese Fragen zu stel-len, halte ich diese Fragen für durchaus berechtigt. Damitkein falscher Zungenschlag in diese Diskussion hinein-kommt: Ich glaube, dass es richtig ist, die Äußerungen,die über Deutschland gemacht werden, in den internatio-nalen Kontext zu stellen.In der letzten Woche ist China auf dem Prüfstand ge-wesen. Wenn man vergleicht, wie kritisch die Fragen ge-genüber China und wie kritisch die Fragen gegenüberDeutschland gewesen sind, dann muss man sich fragen:Wie objektiv und gerecht ist dieses System eigentlich?Dann muss man sich auch fragen, ob es tatsächlich sobleiben kann, wie es jetzt ist. Die Diskussion, ob es mög-lich ist, daran Verbesserungen durchzuführen, hat auchbei unserem Besuch in Genf eine große Rolle gespielt.Gerade das Beispiel China zeigt – auch heute steht einAntrag zum Thema „China und Tibet“ auf der Tagesord-nung –, dass es Staaten immer wieder gelingt, sich inter-national aus der Affäre zu ziehen, obwohl sie selber einesehr schlechte Bilanz hinsichtlich der Einhaltung derMenschenrechte haben. Das muss uns wirklich Sorgebereiten.
Ich verhehle nicht die Fortschritte, die auch in Chinagemacht worden sind. Aber wenn ich mir die Situationnach den Aufständen in Tibet im letzten Jahr anschaue,dann kann ich nicht feststellen, dass da von einer größe-ren Rechtsstaatlichkeit, von einer größeren Offenheit ge-genüber Minderheiten oder von einer größeren Sensibili-tät zu sprechen ist. Ich glaube, dass bei diesemschwierigen Thema eher das Gegenteil der Fall ist.Nichtsdestoweniger will ich nicht verhehlen, dass ge-rade ein Staat wie China bei anderen Fragen für uns sehrwichtig ist. Wir haben China als Partner, als Gesprächs-partner, wenn es darum geht: Wie kommen wir in Afrikavoran? Was die gegenwärtige Krise in Sri Lanka angeht– darüber haben wir am Mittwoch sehr ausführlich ge-sprochen –, so wissen wir, dass ohne den Einfluss Chi-nas dort nichts vorankommt.Christoph Strässer hat zu Recht – auch das will ich andieser Stelle ganz deutlich sagen – auf das sehr bemerkens-werte Eröffnen des Verfahrens gegen Herrn al-Baschir vordem Internationalen Strafgerichtshof hingewiesen. Ichfinde, das ist ein gutes Zeichen. Es ist deshalb ein gutesZeichen, weil es zeigt, dass internationales Recht immermehr an Bedeutung gewinnt und dass auch ein Staats-machtinhaber nicht vor Strafverfolgung gefeit sein kann,wenn er Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht.W„sfsdmTmhgnIDnsTEmWUVEWwAhgerrwDPetbbdhn
Ich möchte gern noch etwas zu Ihrem Antrag zumhema Guantánamo sagen, Herr Kollege Beck, weil ichich auch an der Stelle nicht der Verantwortung entzie-en will. Es ist bemerkenswert – da kann ich dem Kolle-en Müller-Sönksen nur recht geben –, dass ausgerech-et von Ihnen dieser Antrag kommt. Das alles fällt inhre Regierungszeit.
er Antrag, so wie er heute vorliegt, sieht mir viel mehrach Wahlkampf als nach echtem Interesse an den Men-chen dort aus.
Das Problem, Herr Kollege Beck, bleibt am Ende desages. Natürlich hat der Kollege Müller-Sönksen recht:s gibt diese abgestuften Fragen, die wir uns stellenüssen: Was ist mit den Ländern, die aufnehmen sollen?enn das nicht geht: Was ist mit der Verantwortung derSA? Wenn das nicht geht: Was ist mit unserer eigenenerantwortung? Sie können sicher sein, dass wir amnde des Tages unserer Verantwortung nicht aus demeg gehen werden, dass wir unsere Verantwortungahrnehmen werden.
ber das machen wir, wenn das ansteht, zeitlich gese-en. Dann werden wir auch entsprechende Verhandlun-en führen. Ich glaube, wir werden in der Koalition zuiner guten Lösung kommen. Ich habe, ehrlich gesagt,elativ wenig Verständnis dafür, dass Sie die Menschen-echtsdiskussion quasi zur Eröffnung des Bundestags-ahlkampfs nutzen. Das hat die Sache nicht verdient.
Abschließend würde ich gern noch Folgendes sagen:er Menschenrechtsbericht zeigt, dass innerhalb diesesarlaments und auch innerhalb der Bundesregierungine hohe Sensibilität für die Menschenrechtsfrage exis-iert. Das heißt nicht, dass es in Deutschland keine Pro-leme gäbe. Es existiert kein Land, in dem keine Pro-leme bestehen. Aber wir haben hier ein paar Vorteile,ie wir uns immer wieder bewusst machen sollten. Wiraben ein demokratisch legitimiertes Parlament mit ei-em Menschenrechtsausschuss, der sich sehr intensiv
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Holger Haibachbemüht. Es gibt entsprechende Institutionen auf derBundesebene und auf der Länderebene; das geht bis indie Kommunen hinein. Wir haben ein funktionierendesRechtssystem, und – das wissen wir spätestens seit demUPR; das wussten wir aber auch schon vorher – es gibteine wache Zivilgesellschaft. Alles das sollte uns ab undzu ein bisschen stolz machen auf das, was wir in den ver-gangenen Jahren erreicht haben.Danke sehr.
Die Kollegin Monika Knoche hat das Wort für die
Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! In der
heutigen Debatte gilt es, das Engagement für Menschen-
rechte in den auswärtigen Beziehungen zu bewerten. Ich
frage: Ist das Engagement in diesen Beziehungen ge-
recht verteilt, und ist es richtig verteilt? Ich nenne Ihnen
einige meiner Zweifel.
Immer wieder kam es zu Belastungen im deutsch-pol-
nischen Verhältnis, weil der Bund der Vertriebenen dem
bodengebundenen Menschenrecht auf Heimat nach-
hängt. Wir Linke legen ein aufgeklärtes Menschen-
rechtsverständnis zugrunde, und das ist in der Politik ge-
genüber Polen unverzichtbar.
In Europa müssen heutzutage Grundrechte vor dem
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einge-
klagt werden, um zum Beispiel als Schwangere das
Recht auf einen medizinisch begründeten Schwanger-
schaftsabbruch zugesprochen zu bekommen. Der prä-
gende Einfluss der katholischen Kirche auf Gesetze und
Gesellschaft entzieht noch immer Europäerinnen im
21. Jahrhundert das Grundrecht auf Selbstbestimmung.
So darf es nicht bleiben.
Das Gleiche gilt für die gleichgeschlechtliche Orien-
tierung. Es passt nicht zu einem modernen Europa, wenn
Homosexuelle von der Polizei in Europa niedergeknüp-
pelt werden.
Die Bundesregierung muss die von Amnesty Interna-
tional beklagte Situation in Gefängnissen in verschiede-
nen Ländern Europas deutlich zur Sprache bringen.
Auch bei Russland steht zwar allenthalben die Presse-
und Meinungsfreiheit in Rede, um die Lage von Solda-
ten, die Diskriminierung von Drogenabhängigen und
Prostituierten kümmert sich in Deutschland aber nur eine
Handvoll Abgeordnete.
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Darf ich Ihnen entgegnen, dass ich als Mitglied desuswärtigen Ausschusses eine Delegationsreise unsererraktion nach Polen und Russland gemacht und genauiese Frauenrechtsfrage thematisiert habe. Im Übrigenabe ich auch mit dem Gesundheitsausschuss ähnlichenitiativen unternommen.Allerdings spreche ich jetzt als Außenpolitikerin zuieser Frage. In diesem Zusammenhang kann ich mit derffiziellen Außenpolitik nicht zufrieden sein.
Ich beklage als Außenpolitikerin auch, dass die Bun-esregierung die Rolle des Kosovos in der Frauenhan-elsfrage nicht ausdrücklich thematisiert. Gelten Men-chenrechte universell, oder werden sie nur dann zuredingung in den auswärtigen Beziehungen gemacht,enn sie eigenen Interessen nützen? Das ist meinerage. Das ist eine ernsthafte Frage; denn Menschen-echte dürfen nicht zum Instrument von Nützlichkeitser-ägungen werden und bei befreundeten Staaten einchattendasein einnehmen. Die Menschenrechtspolitikarf auch nicht durch wirtschaftliche und strategische In-eressen ausgehöhlt werden.
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Monika KnocheIch betone, dass es aber auch Erfolge gibt. Bolivienbeispielsweise tritt in einem Maße positiv hervor, wie esseinesgleichen in Lateinamerika sucht. Unter PräsidentMorales hat die Bevölkerung verfassungsverbriefteRechte bekommen, die sie vorher nicht kannte. Kultu-relle und soziale Rechte sind Menschenrechte, die mitdemokratischen Mitteln erkämpft wurden.
– Ich komme gleich auf Herrn Chávez zu sprechen. –Die indigene Sprache ist Amtssprache und damit Grund-voraussetzung aller Menschen, an der Demokratie in La-teinamerika teilzuhaben.
Die Linke sagt: Diese menschenrechtliche Leistungmuss Deutschland endlich anerkennen, seine politischen,wirtschaftlichen und diplomatischen Kontakte intensi-vieren und diesen Staat aufwerten.Auch in Ecuador gibt es eine neue Verfassung quaVolksentscheid. Diese gibt der Mehrheit der Menschenkulturelle Heimat im eigenen Land. Das Bemühen, dieNatur zu erhalten, die Kultur zu schützen und eine öko-logische Neuausrichtung der Wirtschaft zu vollziehen,ist von hohem umweltpolitischen Wert, und sie mussdeutliche Unterstützung erhalten.
Wenn dort wie auch in Venezuela das Recht auf Bil-dung, auf Gesundheitsversorgung und auf die Überwin-dung von Armut und Analphabetismus durch die Regie-rung Chávez zum Staatsziel erhoben wird, dann werdenauch damit elementare Menschenrechte verwirklicht.
Die Linke kann jedoch nicht akzeptieren, dass zur Re-gierung Uribe in Kolumbien beste Kontakte gepflegtwerden, wissend, wie immens die tagtägliche Gewaltund das Morden der Paramilitärs und die Aufrechterhal-tung der Kultur des Todes sind. Der militärische „PlanColumbia“ fordert Tausende von Todesopfern, geradeunter der bäuerlichen Bevölkerung. Entführungen sinddort Alltag. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafterwerden ermordet, wenn sie für soziale Rechte kämpfen.Bitte sehr! Hier ist das Engagement der Bundesregierunggefordert.
Die Amerikapolitik insgesamt ist neu zu justieren.Präsident Obama hat gesagt, er will dem internationalenRecht folgen. Folgerichtig muss demnach die USA denInternationalen Strafgerichtshof anerkennen. Es ist unab-dingbar, dass die einzig verbliebene politische und mili-tärische Weltmacht und Mitglied des UN-Sicherheitsra-tes den Internationalen Strafgerichtshof anerkennt.EuddfsmMdtLrvfgbAPrWsfKnGdnkssmasbDbvGSubEe
twas mehr Differenzierung wäre wünschenswert, unds würde vielleicht auch einmal guttun, wenn Ihr Kol-
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Volker Beck
lege aus unserem Ausschuss in dieser Debatte sprechenkönnte, der ja die Problematiken kennt.
Er hätte zum Beispiel gewusst, dass wir erst letztes Jahrauf Ausschussreise in Kolumbien und Peru waren. Ichglaube, es war kein Mitglied der Linksfraktion dabei.Kritisieren Sie hier also nicht, dass bestimmte Themenausgeklammert werden, obwohl wir uns als Ausschussdurchaus fachlich darum kümmern.Etwas anderes ist die Frage, wie man die Situation inKolumbien beurteilt. Da gehe ich durchaus mit Ihnenkonform. Auch ich finde, dass es nicht gut ist, wie dieRegierung dort handelt, und dass der Krieg gegen dieDrogen, der zulasten der Bevölkerung geht, nicht dierichtige Strategie ist und wir diese deshalb auch nichtunterstützen sollten.
Herr Kollege Beck, möchten Sie eine Zwischenfrage
zulassen?
Aber mit Vergnügen, wenn es der Redezeit dient.
Bitte schön.
Herr Kollege Beck, ich weiß ja, dass Sie sich gerne
gegen die Linke profilieren. Aber die Linksfraktion ist
annähernd gleich groß wie Ihre Fraktion, Herr Kollege.
Wir haben Außenpolitikerinnen und -politiker, wir haben
Entwicklungspolitikerinnen und -politiker, wir haben
Menschenrechtspolitikerinnen und -politiker, die sich
um die entsprechenden Themen kümmern.
Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass sowohl
ich als Außenpolitikerin als auch unser Entwicklungspo-
litiker und auch unser haushaltspolitischer Abgeordne-
ter, Herr Michael Leutert, an all diesen Reisen teilneh-
men, sofern es möglich ist.
Ich war im vergangenen Sommer mit der deutsch-la-
teinamerikanischen Parlamentariergruppe des Bundesta-
ges in Kolumbien. Also lassen Sie das! Wir sind mit aller
Kraft, auch in personeller Hinsicht, in der Menschen-
rechtsfrage in Lateinamerika engagiert.
Ihre Frage hat gezeigt, dass ich mit meiner Bemer-kung ins Schwarze getroffen habeudmnMADdrMdBiwtMmgwAHanodlnbwcSnnegddrammGrwM
nd dass Sie in Ihrer Fraktion ein relevantes Problem iner Menschenrechtspolitik haben. Diese Politik wird vonanchen nicht gewünscht, sodass manche Abgeordneteicht sprechen dürfen.Meine Damen und Herren, wir diskutieren über denenschenrechtsbericht der Bundesregierung und einigenträge hierzu. Ich glaube, der Bericht ist in Ordnung.as Problem ist die Politik – oder besser: die Politiken –er Bundesregierung. Es gibt nämlich in der Menschen-echtspolitik zwei Linien. Das konnten wir gestern imenschenrechtsausschuss sehen, wo Frau Steinbachem Auswärtigen Amt vorgeworfen hat, die Politik derundesregierung werde von den deutschen Botschaftenm Ausland boykottiert,
ährend der Kollege Jung betont hat, dass es ganz wich-ig sei, die Differenzen innerhalb der Koalition in derenschenrechtspolitik deutlich zu machen, und dassan sehr dankbar für die Differenzen sei. Wer keine ab-estimmte Menschenrechts- und Außenpolitik hat, hateder außenpolitisch noch menschenrechtspolitisch imusland irgendeinen Einfluss. Das ist das Problem iminblick auf China, auf Russland und auf die zentral-siatischen Staaten. Immer gibt es zwei politische Li-ien. Deutschland richtet mit seinem Gewicht nichts aus,bwohl es in vielen Punkten hilfreich sein könnte.
In dem Bericht kommt vielleicht ein Aspekt zu kurz,en wir in der Zukunft stärker diskutieren sollten, näm-ich die Frage der exterritorialen Staatenpflichten, zu de-en ich in meiner Rede noch einiges sagen will. Wir ha-en gesehen, dass gerade die Herrschaft des Rechts sehrichtig ist. Das zeigt der Haftbefehl, den Sie angespro-hen haben, gegen Herrn al-Baschir, Staatspräsident desudan. Daran erkennt man, wie wichtig der Internatio-ale Strafgerichtshof ist. Ich hoffe und erwarte von dereuen amerikanischen Administration, dass es nicht nurin „change“ in der Politik in Bezug auf den Kampf ge-en den Terror und auf Guantánamo gibt, sondern dassie US-amerikanische Regierung endlich auch das Statutes Internationalen Strafgerichtshofes ratifiziert.
Nun zum Thema Guantánamo. Wir fordern in unse-em Antrag, dass man sich grundsätzlich bereit erklärt,uch unschuldige Gefangene aus Guantánamo aufzuneh-en. So steht es in dem Text, über den Sie jetzt abstim-en und den Sie ablehnen wollen.
erade wenn wir von den Amerikanern mehr Multilate-alität verlangen, müssen wir uns zu Herzen nehmen,as Vizepräsident Joe Biden vor den Teilnehmern derünchner Sicherheitskonferenz gesagt hat: Unsere Si-
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cherheit teilen wir, so auch unsere Verantwortung, sie zuverteidigen. – Das hat er zum Thema Guantánamo ge-sagt. Deshalb müssen wir, wenn es notwendig ist, bereitsein, Gefangene aufzunehmen.
Wer sagt, wir würden das nur fordern, weil Wahl-kampf sei, den kann ich nur darauf hinweisen: Bereits ineinem Antrag zur Menschenrechtslage der Uiguren von2007 haben wir diese Forderung erhoben. Und wer sagt,es gebe keine Anfragen aus den USA, dem lese ich ausder Presse vor.
Die taz vom 3. Februar schreibt:
Schon 2006 und 2007 hat die US-Regierung ange-fragt, ob Guantánamo-Häftlinge aufgenommenwerden können, gibt das Auswärtige Amt zu. Diesewurden aber abgelehnt.Hört, hört! Es gibt also eine aktuelle Anfrage. UnterFreunden schickt man natürlich nicht einen offiziellenBrief des Präsidenten an die Bundeskanzlerin, sondernfühlt mit der Botschaft beim Auswärtigen Amt vor, umzu sehen, wie darauf reagiert wird.Wer da jetzt keinen Beitrag leistet, dem muss insStammbuch geschrieben werden: Dann sind das inGuantánamo auch unsere Gefangenen, es ist auch un-ser Lager, weil wir dazu beitragen, dass nicht tatverdäch-tige Personen nicht in Freiheit gelangen. Das darf nichtlänger der Fall sein.Wenn Sie uns einen Vorwurf machen, können Sie die-sen auch Ihrer CSU-Fraktion im Münchner Stadtrat ma-chen. Denn sie hat sich bereit erklärt, die Uiguren ausGuantánamo in München aufzunehmen. Das Gleiche er-warten wir von Ihnen, damit wir hier einen Schritt vor-ankommen.Nachhilfestunden, Herr Haibach, brauchen wir inpunkto Guantánamo und Menschenrechte von Ihnen ge-wiss nicht. Der Deutsche Bundestag hat auf Antrag derrot-grünen Koalition 2004 beschlossen, die Bundesregie-rung aufzufordern, alles dafür zu tun, dass Guantánamogeschlossen wird.
Wir haben im Februar 2002, eine Woche nachdem dieEltern von Kurnaz dem Auswärtigen Amt geschriebenhaben, in Washington durch die Botschaft in Bezug aufKurnaz nachgefragt, und man hat uns beschieden, dasswir keine Antwort bekommen, weil er nicht unserStaatsbürger ist.Die ehemalige Menschenrechtsbeauftragte ClaudiaRoth, die Sie vorhin erwähnt haben, hat im Jahr 2003 aufder Konferenz des Internationalen Roten Kreuzes unddhgkwfnTgtLAKWwAhIäeedgdgtlsmDgüiGddmfbsedfTrm
Wir diskutieren gerade wieder über „Atalanta“ undber die Frage, was eigentlich bei Bundeswehreinsätzenm Ausland gilt. Ich denke, wir brauchen dringend einesetz, das regelt, wie die menschenrechtlichen Stan-ards der EMRK bei solchen Auslandseinsätzen durchie Soldaten und Bundespolizisten angewandt werdenüssen. Für mich ist ganz klar: Wenn man jemandenesthält, bei dem dringender Tatverdacht der Piraterieesteht, dann muss er vor Gericht gestellt oder freigelas-en werden. Solange wir keine Möglichkeit haben, ihn inin Land zu überstellen, von dem wir wissen, dass dortie EMRK beachtet wird, dass also rechtsstaatliche Ver-ahren eingehalten werden sowie keine Folter und keineodesstrafe drohen, so lange muss er vor deutsche Ge-ichte gestellt werden.
Herr Kollege Beck, Sie müssen zum Schluss kom-
en.
Eine letzte Bemerkung.
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Die Bundesregierung arbeitet gerade mit Kenia an ei-nem Abkommen zur Überstellung. Ich erwarte, dass dieBundesregierung den Mitgliedern des Menschenrechts-ausschusses, des Auswärtigen Ausschusses und desRechtsausschusses Rede und Antwort steht, wie in diesemAbkommen gewährleistet ist, dass die Menschenrechte,die in der Europäischen Menschenrechtskonvention doku-mentiert sind, ohne ein Jota Abzug gewährleistet sind.Wenn sie gewährleistet sind, kann man überstellen; dannist das so korrekt. Aber wenn sie nicht gewährleistetsind, dann geht es einfach nicht. In diesem Falle habenwir das Problem selbst zu schultern.
Angelika Graf hat das Wort für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Frau Knoche, ich muss zunächst auf Ihren Redebeitragzurückkommen. Ich ärgere mich jedes Mal darüber, dassdie Linke Anträge zu Menschenrechtsfragen stellt, aberdann, wenn diese Anträge in unserem Ausschuss bear-beitet werden, nicht anwesend ist. Wir unternehmen Rei-sen und besuchen Gefängnisse. Ihre Kollegen nehmendaran aber nicht teil. Ich glaube, dass Sie hier kein Rechthaben, irgendetwas zum Thema Menschenrechtspolitikbzw. zur Arbeit im Menschenrechtsausschuss zu sagen,wenn sich Ihre Fraktionskollegen dieser Arbeit entzie-hen.
Der Kollege Haibach hat schon angesprochen, dasswir im Zusammenhang mit dem Achten Bericht derBundesregierung über die Menschenrechtspolitik einbreites Themenspektrum bearbeiten. Erlauben Sie mir,dass ich nur ein paar Schlaglichter auf die Bereiche „Ge-walt an Frauen“ und „Integration“ werfe.Mir fällt sehr positiv auf, dass der Bericht anerkennt,dass Frauen aufgrund ihrer innergesellschaftlichen ge-schlechtsspezifischen Diskriminierung von negativengesellschaftlichen, wirtschaftlichen und klimatischenEntwicklungen ganz besonders betroffen sind. Wer siehtdenn nicht vor seinem geistigen Auge diese endlosenFlüchtlingsströme von Frauen mit ihren Kindern in Afrikaund in anderen Krisenherden der Welt?Wir wissen, dass die aktuelle Wirtschaftslage insbe-sondere für die Frauen in den Entwicklungs- undSchwellenländern viel Elend mit sich bringen wird. Indieser Woche haben die Ausschussvorsitzende und ichein Gespräch mit Vertretern von OCHA geführt. Wir ma-chen uns zwar viele Gedanken über die Folge dieserKrise für uns. Wir denken dabei aber viel zu wenig darü-ber nach, wie wir mit den Auswirkungen auf die Ent-wicklungs- und Schwellenländer umgehen wollen. Ichdenke, daran müssen wir wirklich arbeiten.sstuvBdnrcIFhvdtaerbwgdvbdSbmPadzMflEgDdgttUdddESS
Im Achten Menschenrechtsbericht werden Men-chenrechtsverletzungen an Frauen und Mädchen insbe-ondere unter dem Aspekt „Gewalt gegen Frauen“ be-rachtet. Das schließt die Themen ein, mit denen sichnser Ausschuss und der Frauenausschuss in den letztenier Jahren mehrfach intensiv beschäftigt haben, zumeispiel den angesprochenen Frauenhandel zum Zweckeer Zwangsprostitution, Zwangsverheiratungen oder Ge-italverstümmelungen.Lobenswert ist der Aktionsplan II der Bundesregie-ung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Mögli-he Mehrfachdiskriminierungen werden darin erkannt.n diesem Zusammenhang wird auch erwähnt, dassrauen mit Migrationshintergrund und Frauen mit Be-inderung oft in einer sehr schwierigen Lage und häufigon Diskriminierung betroffen sind. Ich finde es positiv,ass die seit Jahren bestehende Bund-Länder-Koopera-ion zu den Themen häusliche Gewalt und Frauenhandeluch in den letzten Jahren fortgeführt wurde. Löblich istbenso das internationale Engagement der Bundesregie-ung auf EU-Ebene mit Daphne III, auf VN-Ebene – ins-esondere mit der Resolution zur Beseitigung von Ge-alt gegen Frauen – und in der OECD.Die Erwähnung von CEDAW, also der Konventionegen jegliche Form von Gewalt gegen Frauen, des voner Bundesregierung vor dem VN-CEDAW-Ausschussor vier Wochen in Genf abgegebenen sechsten Staaten-erichts und der vielen kritischen Anmerkungen, die anie Adresse des BMFSJ gerichtet wurden, darf an diesertelle nicht fehlen. Das war heute früh, in der Frauende-atte, ein Thema. Ich wiederhole hier meine Forderung,ehr für die Durchsetzung des Gender-Mainstreaming-rinzips auf nationaler Ebene zu tun. Ich bedanke michusdrücklich bei Heidemarie Wieczorek-Zeul dafür,ass sie Gender-Mainstreaming für ihr Ministeriumum Prinzip erklärt hat und sie das Thema Gender-ainstreaming weiterhin mit Verve bearbeitet.
Ich habe einleitend das Thema „Integration unterrauenspezifischen Aspekten“ gestreift. In manchen aus-änderspezifischen Bereichen fehlen uns nach wie vorrkenntnisse und statistisches Material. Die Bundesre-ierung, insbesondere die Migrationsbeauftragte, Fraur. Böhmer, hat sich zusammen mit Brigitte Zypriesarum bemüht, dass Frauenthemen sowohl beim Inte-rationsgipfel besprochen als auch in den Nationalen In-egrationsplan aufgenommen wurden. Aufklärung, Bera-ung und Betreuung der potenziell Betroffenen und ihrermgebung sind sehr wichtig. Hier sind die Bundeslän-er gefordert. Ich möchte mich an dieser Stelle aus-rücklich bei den Hilfsorganisationen bedanken, die iniesen Bereichen auf nationaler und internationalerbene arbeiten.
Menschenrechtspolitik ist Querschnittspolitik undchnittstellenpolitik. Es besteht zum Beispiel einechnittstelle zwischen der Innen- und der Außenpolitik.
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Angelika Graf
Unter dem Vorzeichen „Frauen vor Gewalt schützen“und dem Stichwort „Schutz für Flüchtlinge, die schonlange bei uns leben“ haben wir insbesondere über dieUmsetzung der aufenthalts- und asylrechtlichen Richtli-nien der Europäischen Union kritisch und auch in derKoalition manchmal sehr kontrovers diskutiert.Wie komplex die Materie ist, möchte ich an einemBeispiel verdeutlichen, an der Bleiberechtsregelung. DieSPD hat sich sehr darüber gefreut, dass wir es geschaffthaben, die Einführung eines Aufenthaltsrechts auf Probefür diejenigen Geduldeten durchzusetzen, die seit min-destens sechs Jahren in Deutschland sind. Davon sindetwa 110 000 Menschen betroffen. Etwa 70 000 von ih-nen haben inzwischen eine Aufenthaltserlaubnis bean-tragt. 40 000 Menschen bleiben übrig. Die Frist für dieAnmeldung zu diesem Verfahren läuft in wenigen Mona-ten aus. Die Frage ist, was wir dann tun werden. Waspassiert mit diesen Menschen? Ich denke, wir müssenuns noch vor der Wahl Gedanken darüber machen, wiewir mit dieser Frage umgehen.
Problematisch am EU-Richtlinienumsetzungsgesetzist die Frage des Rückkehrrechts, zum Beispiel bei durchZwangsverheiratung ins Ausland verschleppten Perso-nen. Darüber haben wir hier mehrfach und sehr kontro-vers diskutiert. Ich möchte diese Diskussion nicht wie-derholen; ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen,dass es unerträglich ist, dass Frauen nach sechs MonatenAbwesenheit infolge einer Zwangsverheiratung, einersogenannten Ferienverheiratung, nicht mehr nachDeutschland zurückkehren können.
Sie verlieren ohne eigene Schuld ihren Aufenthaltssta-tus. So sind sie doppelt bestraft. Sie brauchen Hilfe. Ichgebe die Hoffnung nicht auf, dass sich diese Einsichtauch bei unserem Koalitionspartner noch vor der Wahldurchsetzen könnte.Bei den Fragen der Aufenthaltsmöglichkeit von nachDeutschland verschleppten Personen, zum Beispiel beiOpfern von Zwangsprostitution und Arbeitsausbeutung,hat das oben erwähnte Gesetz ebenfalls keine Verbesse-rungen gebracht. Hier muss es, denke ich, insbesonderefür Personen, die bereit sind, in einem Strafprozess aus-zusagen, Verbesserungen geben.
Frau Kollegin, Sie müssen bitte schnell zum Ende
kommen.
Ich komme gleich zum Ende. Ich möchte nur noch ein
kurzes Wort zu dem Antrag der Grünen, zur Lage der
Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und
Transgendern sagen. Lieber Kollege Beck, ich finde, es
ist ein guter Antrag. Meine persönliche Zustimmung ha-
ben Sie. Aber Sie wissen, wie es in einer Koalition ist:
Man ist an die Koalitionsdisziplin gebunden.
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eswegen werden wir diesem Antrag leider nicht zu-
timmen können.
Vielen Dank.
Der Kollege Hartwig Fischer hat jetzt das Wort für die
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Ich halte die Art und Weise,n der Frau Knoche hier vorgetragen hat, für eine Zumu-ung und für selbstgerecht.
enn Sie durch den Ausgang Ost des Reichstages undann nach links gehen, sehen Sie zwischen dem Paul-öbe-Haus und dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus sie-en Kreuze, und wenn Sie durch den Ausgang Ost undann nach rechts gehen, sehen Sie 13 Kreuze für Men-chen, die an der innerdeutschen Grenze aufgrund deschießbefehls und des Todesstreifens gestorben sind.
enn Sie in dieser Zeit über die Begriffe Rechtsstaatnd Unrechtsstaat in Ihrer Fraktion diskutieren, dannann ich nur sagen: Sie haben nicht den Anspruch, mitem Sie hier angetreten sind, über Menschenrechtsfra-en zu diskutieren.
Herr Beck, Sie haben eben die Verhandlungen mitenia und die Frage der Piraterie angesprochen. Ichlaube, Sie sind nicht richtig informiert. Es ist keineeutsche, sondern eine europäische Frage, die vonschechien im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaftechtlich zu klären ist und derzeit geklärt wird. Insoweitönnen wir den Punkt verlassen.
Über den Menschenrechtsbericht mit der Drucksa-hennummer 16/10037 sollte nicht nur im Bundestagiskutiert werden, sondern vielleicht auch einmal an un-eren Schulen und in gesellschaftlichen Gruppen,
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Hartwig Fischer
weil er in den vielen Kapiteln deutlich macht, welcheMenschenrechtsverletzungen an vielen Stellen auf dieserWelt, aber auch noch in Europa, geschehen. Schwer-punkte deutscher Menschenrechtspolitik sind zusammenmit Maßnahmen aufgelistet. In Kap. 1 steht zum Bei-spiel, wo es die Todesstrafe gibt, wo es Folter gibt, wo esDiskriminierung gibt und wie wir das in Verhandlungendes Entwicklungsministeriums einbeziehen.In Kap. 2 geht es um Armutsbekämpfung und Men-schenrechte. Ich wiederhole hier, was ich schon oft ge-sagt habe. Immer noch sterben täglich 30 000 Kinder anmangelndem oder schlechtem Wasser, an mangelnderErnährung und Ähnlichem. 970 Millionen Menschen le-ben unter der Armutsgrenze von 1 Dollar pro Tag.In Kap. 4 „Menschenrechte von Kindern“ kann mansich über die Situation informieren: über die nationalenMaßnahmen, aber auch die internationalen Maßnahmen,über Kinder in bewaffneten Konflikten, über Gewalt ge-gen Kinder, über Kinderhandel, Kinderprostitution undKinderpornografie, über Kinderarbeit, Kinderarmut unddarüber, was wir mit den Durchführungsorganisationenwie UNICEF oder auch mit der EU gemeinsam tun.Teil C befasst sich mit Menschenrechten weltweit unddem Brennpunkt „Weibliche Genitalverstümmelungweltweit“. Ich weise bewusst auf Folgendes hin, weildiese Sitzung von Phönix übertragen wird: Wenn Siesich diesen Bericht von meiner Homepage oder der Ho-mepage der Bundesregierung herunterladen, schauen Siesich einmal Seite 145 an. Weltweit sind 140 MillionenFrauen und Mädchen Opfer von Genitalverstümmelung.Jährlich gibt es 3 Millionen neue Opfer. Allen Ausprä-gungen der Praxis ist gemein, dass sie irreversibel sindund die Frauen psychisch und physisch ihr Leben langdarunter leiden. Über diese Fragen müssen wir in unse-rer Gesellschaft diskutieren. Schließlich werden wir im-mer wieder gefragt, wofür wir unsere Mittel einsetzen.
Herr Nooke, ich danke Ihnen und der Regierung ins-gesamt für die umfassenden Darstellungen im Men-schenrechtsbericht. Ich bitte Sie ganz herzlich, dazu bei-zutragen, dass wir nach der nächsten Bundestagswahldas nächste Kapitel beim Thema Menschenrechte auf-schlagen können. Viele von Ihnen wissen, dass mir diesein besonderes Anliegen ist.Zufällig habe ich von einem angeblich unschuldigVerurteilten in Ruanda gehört. Ich habe mich dieses Fal-les angenommen und diesen Häftling, als ich in Ruandawar, besucht. Ich konnte erreichen, dass drei Jahre spä-ter, im Jahr 2005, seine Unschuld festgestellt wurde, unddas, nachdem er fast zehn Jahre gesessen hatte, ohnedass es überhaupt zur Anklage gekommen ist. Das hattemit dem Rechtssystem und mit Genozid in Ruanda zutun.Damals besuchte ich zum ersten Mal ein Gefängnis.Seitdem ist ein Gefängnisbesuch Bestandteil meiner Rei-sen in Entwicklungsländer. Ich bin dankbar, dass dieMitglieder aller anderen Fraktionen das inzwischen ge-ncRbn6neninbhwerr6tu2ZwITdncasnDihfiwgWdMsguNSghbDod
Lassen Sie mich darauf hinweisen, dass einige Kolle-en gemeinsam ein solches Gefängnis besucht haben.ir haben den Insassen versprochen, sie in Zukunft wie-er zu besuchen. Bei unserem Besuch hatten wir dieöglichkeit, zu 400 Gefangenen zu sprechen. Als wirie fragten, ob sie geschlagen werden bzw. was mit ihneneschieht, traten einige von ihnen vor und berichtetenns. Wir haben zu ihnen gesagt: Geben Sie uns bitte Ihreamen und Ihre Nummern. Ein Kollege von uns wirdie bald wieder besuchen und sich nach Ihnen erkundi-en. – Zuerst waren wir mit dem Ausschuss dort, einalbes Jahr später hat der Kollege Vaatz das Gefängnisesucht, und einige Zeit später waren wir wieder dort.ie Situation in diesem Gefängnis ist zwar noch nichtptimal, hat sich aber verbessert. Die Häftlinge wissen,ass sie auf der Welt ein Sprachrohr haben.
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Hartwig Fischer
Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus einem anderenLand nennen, nämlich aus Angola. Die Verhältnisse wa-ren dort verheerend. Wir haben festgestellt, dass man inAngola mit den Budgetmitteln anderer Länder ein nagel-neues Gefängnis gebaut hat, das, wenn es auch nicht mitunseren Gefängnissen zu vergleichen ist, über fast opti-male Voraussetzungen verfügte. Zwar sind dort auchheute noch 30 Häftlinge pro Schlafsaal untergebracht,aber er verfügt über vernünftige Betten und ist klimati-siert. Außerdem gibt es dort Werkstätten, in denen dieHäftlinge arbeiten, mit dem Anspruch, sie nach erfolg-reicher Rehabilitation wieder ins gesellschaftliche Lebenzu entlassen. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie,dieses Thema auch in Zukunft im Menschenrechtsbe-richt und in unseren Verhandlungen zu berücksichtigen.Menschenrechte sind für uns nicht teilbar.Lassen Sie mich zum Schluss auf Sie, Herr Beck, zu-rückkommen: Ich bin froh, dass wir eine Kanzlerin ha-ben, die gegenüber Putin den Tschetschenien-Konfliktangesprochen hat, die gegenüber Bush Guantánamo the-matisiert hat und die in China das Thema Menschen-rechtsverletzungen angesprochen hat. Damit hat siedeutlich gemacht, dass manche Leute keine lupenreinenDemokraten sind.
Johannes Jung spricht jetzt für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Wir sind am Ende der Menschenrechtsdebatte.Es ist gut, dass wir anlässlich des Achten Berichts derBundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik dieseDebatte führen. Es wurde weitgehend fraktionsübergrei-fend festgestellt, dass sich mit diesem Bericht gut arbei-ten lässt und dass er kaum – wenn überhaupt: wenig –Versäumnisse aufweist.Auch ich möchte zunächst auf die Arbeit im Men-schenrechtsausschuss zu sprechen kommen. Der ge-schätzte Kollege Volker Beck gibt uns immer wieder Ge-legenheit zu qualitativ hochwertigem Disput. Vondiesem wechselseitigen Miteinander lebt die Arbeit imAusschuss, aber auch hier im Plenum. Lieber KollegeBeck, ich habe mir in dieser Debatte, man muss es so sa-gen, ein Lob von Ihnen eingefangen; aber das war nurvordergründig ein Lob. Die finstere Absicht war, mitdiesem Lob eine Spaltung der Koalition bzw. Widersprü-che in der Arbeit der Koalition aufzuzeigen. Dieser Ver-such schlägt natürlich fehl: So etwas wird hier entschie-den zurückgewiesen.
Ich begründe kurz, warum. Selbstverständlich gibt eszwischen CDU/CSU und SPD erhebliche UnterschiedeirbzUhroAfgazzvabrWnGdGdKvhfinigkfdEkdguÄgsEunfw
Zweiter Punkt, Guantánamo. Wir sind alle sehr er-reut, dass Präsident Obama handelt, dass den Ankündi-ungen Taten folgen. Etliche von uns, auch ich, hattenuf der Münchner Sicherheitskonferenz die Gelegenheit,u hören, was Vizepräsident Joe Biden zu diesem Themau sagen hatte. Er hat in München selbstverständlich, un-erblümt und direkt angesprochen, worüber wir heuteuch diskutieren: Ist die Bundesrepublik Deutschlandereit, Insassen aus Guantánamo aufzunehmen?Ich habe an dieser Stelle oft genug betont: US-Ge-ichte haben – völlig im Einklang mit amerikanischenerten und mit dem, was wir die westlichen Werte nen-en – beständig und zunehmend gegen die Praxis inuantánamo, gegen die menschenrechtswidrige Politiker US-Administration unter George W. Bush geurteilt.enau deshalb ist Guantánamo exterritorial und nicht inen USA errichtet worden.Nun kommen wir zu dem Punkt, in dem wir uns vomoalitionspartner entscheidend abheben. Die Insassenon Guantánamo, die, wie sich bei der Prüfung gezeigtat, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und soälschlicherweise unter Verdacht geraten und unschuldignhaftiert worden sind, sind nicht freiwillig dort, wollteniemals in die USA. Es ist ihnen keineswegs zuzumuten,hre Zukunft in einem Land zu verbringen, dessen Re-ierung sie rechtswidrig irgendwo auf der Welt aufge-laubt und verschleppt hat. Diesen Leuten muss gehol-en werden.
Nach wie vor unzufrieden sind wir damit, dass auchie neue US-Administration eine unklare Haltung zu denxtraordinary Renditions hat. Es ist untragbar, dass hiereine Klarheit geschaffen wird. Diese Praxis muss been-et werden. Es kann nicht sein, dass Gefängnisse ir-endwo auf der Welt aufgefüllt werden mit Bürgerinnennd Bürgern anderer Staaten und diesen möglicherweisehnliches widerfährt wie den Menschen, um die wir unserne kümmern wollen, wenn wir dazu aufgefordertind.
Joe Biden hat in München den schönen Satz gesagt:s wird keinen Konflikt zwischen unseren Werten undnserer Politik geben. – Das ist etwas, worin sich dieeue Administration von ihrer Vorgängeradministrationundamental unterscheidet. Das muss ernst genommenerden.
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Johannes Jung
Ich habe in Anbetracht der Zeit nur noch Gelegenheit,zwei Themen kurz anzuschneiden. Das erste ist der Be-reich der Menschenrechte und unserer Werte in derAußenpolitik. – Herr Fischer, ich glaube nicht, dass eseiner Bundeskanzlerin Frau Merkel bedurft hat, um die-ses Thema ernst zu nehmen, nirgendwo auf der Welt,
nicht im Umgang mit arabischen Staaten, nicht im Um-gang mit ehemals sozialistischen Staaten und ihren Regie-rungen.
Ich bin davon überzeugt, dass die Sozialdemokratie sehrgenau weiß, worauf es dabei ankommt. Das sind auchdie Gründe, weswegen ich Sozialdemokrat gewordenbin. Dies sei in aller Deutlichkeit gesagt.Das zweite Thema. In den letzten Jahren ist es imDeutschen Bundestag Usus geworden, quer durch alleFraktionen klare Aussagen zum Thema Visaregime, Er-leichterung der Visumerteilung und der Visumvergabe fürStaatsbürgerinnen und Staatsbürger aus europäischen Staa-ten zu treffen. Ich appelliere an dieser Stelle, zum Endedieser Debatte und meiner Redezeit, erneut an alle, diehierfür im Deutschen Bundestag und in den MinisterienVerantwortung tragen, auf diesem Gebiet den Wortenwirklich Taten folgen zu lassen, damit wir es in absehba-rer Zeit schaffen, die dafür notwendigen Änderungen zuerreichen.
Meine Damen und Herren, ich bedanke mich rechtherzlich für Ihre Aufmerksamkeit und glaube, dass wirmit der Arbeit im Menschenrechtsausschuss auf einemguten Weg sind. Auch dieser Achte Bericht beweist, dassdieses Thema von der Bundesregierung ernst genommenwird.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Damit schließe ich die Aussprache.Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus-ses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe auf Druck-sache 16/11982 zu dem Achten Bericht der Bundesregie-rung über ihre Menschenrechtspolitik in den auswärtigenBeziehungen und in anderen Politikbereichen. Der Aus-schuss empfiehlt in Kenntnis der Unterrichtung aufDrucksache 16/10037, eine Entschließung anzunehmen.Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Ge-genstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist die Beschluss-empfehlung einstimmig angenommen.Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungs-antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/12136.Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Gegen-stimmen? – Enthaltungen? – Der EntschließungsantragiLssDBdDwfdtBFfF„dsfdtBFfszMu1indsEddDst„besDsseCmfdkünAs
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Frau Vorsitzende! Meine lieben Kolleginnen und Kol-egen!
Frau Präsidentin! Ja. Ehre, wem Ehre gebührt. Dannoll sie auch so genannt werden.Wir behandeln heute ein wichtiges Thema und einenichtigen Antrag der Koalitionsfraktionen, über den wireute in zweiter Lesung diskutieren. Ich glaube, es gehtm das zurzeit vielleicht drängendste und wichtigstehema auf der Welt. Das sage ich mit vollem Bewusst-ein so, auch wenn wir in Deutschland nur auf unsererobleme – Stichwort: Finanzmarktkrise – schauen. Wirüssen aber sehen, dass es nach der Nahrungsmittel-rise in den Entwicklungsländern jetzt auch die Finanz-nd Wirtschaftskrise bei den ärmsten Menschen gibt.Wir reden über die Bekämpfung von Hunger und Armutn den ländlichen Räumen, über Regionen, in denen dreiiertel der weltweit 1 Milliarde hungernden Menscheneben. Hinzurechnen muss man noch diejenigen, die inie Städte flüchten. Denn die, die aus Hunger vom Landn die Stadt flüchten, vergrößern dort die Probleme inen Slums, Favelas bzw. Armenvierteln.Deswegen ist der Antrag von entscheidender Bedeu-ng im Zusammenhang mit dem Jahrtausendziel der Ver-inten Nationen, den Anteil der Hungernden und Armenis zum Jahr 2015 zu halbieren. Ich freue mich, dass wireute einen Antrag präsentieren können, mit dem wir dieändliche Entwicklung stärken und fördern möchten undn den auch die Ergebnisse einer kürzlich im Deutschenundestag durchgeführten Anhörung einfließen. Dienhörung hat im Wesentlichen das bestätigt, was wirchon im letzten Jahr zur ersten Beratung gesagt haben.Wir müssen den etwa 400 Millionen kleinbäuerlichenetrieben mit weniger als 2 Hektar pro Betrieb besserehancen geben. Deshalb ist es gut und richtig, dass dieundesregierung die Ausgaben für ländliche Entwick-ung für 2008 auf 600 Millionen Euro erhöht hat, damitich durch die Ernährungssicherung und ländliche Ent-icklung die Chancen der Menschen verbessern.Die ländliche Entwicklung stellt für uns einen breitennsatz dar. Das wird auch in unserem Antrag deutlich.
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Dr. Sascha RaabeEs geht eben nicht allein darum, einem armen Menschendie berühmte Schaufel in die Hand zu drücken. Wir wollenvielmehr, dass sich die Wertschöpfungskette insgesamtverbessert und auch in anderen Sektoren Fortschritte er-zielt werden. Denn eines ist auch klar: Wir werden auf dieDauer nicht 9 Milliarden Menschen dadurch ernährenkönnen, dass jeder subsistenzorientiert Landwirtschaftbetreibt. Vielmehr werden wir dort auch mit wirtschaft-lichen Betriebsgrößen Wertschöpfung erreichen müssen,
auch in der verarbeitenden Industrie, was dann zu einerDienstleistungsindustrie und zur Entwicklung des Mit-telstands auch im ländlichen Raum führt. Dabei sindviele Bereiche – zum Beispiel Bildung und Gesundheit –wichtig.Wir haben auch mit unserem Engagement für die so-zialen Sicherungssysteme im ländlichen Raum etwas aufden Weg gebracht. Denn ein Grund, warum Menschendort leiden und sterben, selbst wenn sie ein wenn auchkleines Einkommen haben, ist, dass es zu lange dauert,bis sie zum Beispiel bei einem Blinddarmdurchbruch dennächsten Arzt oder das nächste Krankenhaus erreichen. Esfehlen Transportwege. Es fehlt Infrastruktur. Es fehlenKrankenhäuser. Insofern sind zum Beispiel Krankenversi-cherungssysteme auch für arme Menschen ein sehr wich-tiger Punkt.Die Redner der Opposition können sicherlich zuRecht fragen, warum wir nicht schon vor fünf oder sechsJahren mehr Geld in den ländlichen Raum investiert ha-ben, wenn das alles so wichtig ist.
Sicherlich haben die internationale Gebergemeinschaftebenso wie die Entwicklungsländer selbst den ländlichenRaum in den letzten Jahren vernachlässigt. Man mussaber auch nach den Gründen fragen. Was hätte es ge-bracht, wenn wir noch mehr Mittel in die Landwirtschaftvor Ort gesteckt hätten?Viele Entwicklungsländer haben sich früher selbst er-nährt, indem sie Landwirtschaft betrieben und ihre lokalenMärkte versorgt haben. Durch die Marktöffnungen, zudenen sie zum Teil gezwungen waren, sind verstärktsubventionierte Produkte zu Dumpingpreisen in dieseLänder eingeführt worden. Wenn die Menschen ihreMilch oder Hühner nicht mehr auf den lokalen Märktenverkaufen konnten, hat es aber für sie keinen Sinn mehrgemacht, beispielsweise noch mehr auf Hühnerfarmenund -zuchten oder Milchwirtschaft zu setzen.Deswegen war es richtig, dass in der Entwicklungszu-sammenarbeit nach anderen Möglichkeiten der Hilfe undFörderung gesucht wurde. Die Krise ist auch dadurchentstanden, dass aus ehemals selbstversorgenden Län-dern Nahrungsmittelimporteure geworden sind, diedurch die höheren Preise in Schwierigkeiten geratensind. Ich glaube deshalb, dass es sehr wichtig ist, dieKrise auch dahin gehend als Chance zu sehen, dass essich wieder lohnt, in den ländlichen Raum zu investie-ren, wenn für Agrarprodukte auf Dauer wieder höherePreise gezahlt werden. Deswegen ist, glaube ich, jetzt derrwIbgDwtsinzgEp„ebRAgaeßrLwthktsdsswievrrriULmnlRdd
Wir brauchen ein Investitionsprogramm für Entwick-ungsländer, und zwar insbesondere für den ländlichenaum. Deshalb ist es richtig, dass wir der Weltbank füren Infrastrukturfonds 100 Millionen Euro im Rahmenes Konjunkturpakets II zur Verfügung gestellt haben.
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Dr. Sascha RaabeWir müssen noch mehr Geld zur Verfügung stellen, umunseren Verpflichtungen nachzukommen und die soge-nannte ODA-Quote einzuhalten; denn Entwicklungslän-der haben nicht die Spielräume, die wir zum Teil haben,um Konjunkturprogramme aufzulegen. Sie brauchenjetzt unsere Hilfe. Wir sollten lieber Bauern in den Ent-wicklungsländern bei ihren Äckern helfen, als denAckermännern in Deutschland immer höhere Renditenhinterherzuwerfen.
Ich bin der Meinung, dass wir mit dem Antrag derKoalition einen wesentlichen Schritt nach vorne machenkönnen. Ich glaube, es gibt eine große Mehrheit im Aus-schuss für die wesentlichen Teile unseres Antrags. Si-cherlich wird mancher in der Debatte sagen, das hätteman an der einen oder anderen Stelle schärfer formulie-ren können. Aber ich glaube, dass unser Antrag selbst-kritisch und zugleich nach vorne gewandt ist. Wenn esum die Bekämpfung des Hungers in der Welt geht, soll-ten wir parteiübergreifend zusammenstehen. Deshalbbitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Dr. Karl
Addicks das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die heute vorgelegten Anträge werden wir leider ableh-nen, obwohl Sie unsere Zustimmung erbeten haben.Trotzdem begrüßen wir, dass die Koalition diese parla-mentarische Initiative an den Tag legt, wenn auch spät.Aber besser spät als nie!Warum sage ich das? Weil wir von der FDP – das wis-sen alle Ausschussmitglieder und insbesondere der ge-schätzte Kollege Raabe – seit Jahren es für eine derGrundaufgaben der Entwicklungspolitik halten, Basis-wertschöpfungsketten und die ländliche Entwicklung inGang zu setzen. Denn letztlich hat sich jede Volkswirt-schaft so entwickelt, und es gibt überhaupt keinenGrund, zu glauben, dass das in den heutigen Entwick-lungsländern anders ablaufen wird. Irgendwann ist jedesLand einmal ein Entwicklungsland gewesen – auch wirhier in Europa, auch in Amerika.Die Geschichte zeigt – das ist völlig zweifelsfrei –,dass diese Basiswertschöpfungsketten – Sie haben sieauch angesprochen – da, wo Menschen mit eigenerHände Arbeit Produkte hervorbringen, nun einmal amAnfang jeder Volkswirtschaft stehen. An dieser Erkennt-nis kommt niemand vorbei, und ich freue mich darüber,Herr Kollege Raabe, dass Sie und hoffentlich auch vieleIhmwsizlVwaknz1k–glgmvlSdLgsimwalrpdwtzEEzae
Davon hat der Kollege Raabe gerade auchesprochen. – Dabei wird es nicht bleiben können.Wir sind davon überzeugt, dass es dann auch im länd-ichen Raum zu Konzentrationen und zu Mechanisierun-en wird kommen müssen, also zum Einsatz von Land-aschinen, zu ausgefeilten Bewässerungstechniken, zuernünftiger Gentechnik. Und auch Stickstoffdünger,ieber Herr Kollege Hoppe, wird dazugehören. Dasstickstoff und CO2 in der Landwirtschaft die begrenzen-en Faktoren sind, das hat schon der gute alte Justus voniebig gewusst, und den wollen wir doch nicht in Ver-essenheit geraten lassen, wenn wir über Landwirtschaftprechen.
Manchmal habe ich den Eindruck, Sie schwelgen inrgendwelchen Träumereien, wenn Sie glauben, dass Sieit Mist und Dung und mit Hacke und Schippe eineachsende Bevölkerung ernähren können. Wenn manls Entwicklungsziel ein Ende des Hungers und schließ-ich auch Wohlstand für alle sieht – das sehen wir Libe-alen so; das ist für uns das Ziel jeder Entwicklungs-olitik –,
ann wird man um eine Mechanisierung in der Land-irtschaft nicht herumkommen. Dazu braucht man na-ürlich vernünftige Betriebsgrößen – das haben Sie auchutreffend angesprochen –, also Betriebsgrößen, die deninsatz dieser Mechanisierung lohnen. Diese größereninheiten werden entstehen müssen. Das ist klar. Daseigt – wie gesagt – die historische Erfahrung, und da istuch gar kein Teufelswerk dabei.Wir sind davon überzeugt: Wenn man das richtig undntschlossen anstellt – das hat auch der kürzlich vorge-
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Dr. Karl Addicksstellte Weltagrarbericht so aufgezeigt –, wenn man alsoden Zugang zu Land und Krediten sichert, wenn man dasPrivateigentum an Land herstellt, wenn man die Eigen-tumsrechte sichert, wenn man Know-how importiert undwenn man auch private Investitionen ermöglicht – das istein zartes Pflänzchen, das man an manchen Stellen zusehen glaubt –, dann werden auch in Afrika die entspre-chenden Fortschritte sichtbar werden.
Wir meinen dabei durchaus nicht das, was Sie ange-sprochen haben, Kollege Raabe, nämlich diese „Mega-geschichten“ wie Daewoo. Daewoo hat schließlich1,3 Millionen Hektar Land – das sind 4 Prozent der ge-samten Landesfläche – in Madagaskar angepachtet, umNahrungsmittel zu erzeugen, die letztlich exportiert wer-den sollen. Davon spreche ich nicht. Das ist etwas ganzanderes.Wenn noch überregionale Kooperationen zwischenden Ländern Afrikas hinzukommen, die dann in derLage sind, auf Verschiebungen der Regenzeiten und Re-genmengen zu antworten – diese Möglichkeiten sindheute absehbar, wenn nicht sogar schon vorhanden –,dann werden die Hungersnöte irgendwann der Ge-schichte angehören. Davon sind wir überzeugt.Lassen Sie mich noch kurz etwas zu den eingebrach-ten Anträgen sagen. Die Anträge, über die wir heute hiersprechen, sind an vielen Stellen gut und schön. Es stehtviel Wichtiges und auch viel Richtiges drin, und beson-ders der Antrag der Großen Koalition ist diesem Themaja in großer Breite gewidmet. Fast meint man, hier den9-Punkte-Plan und den Bericht der Arbeitsgruppe ausdem Bundeskanzleramt wiederzuerkennen. Das nenneich praktizierte Gewaltenteilung. Wir sind da andererAuffassung.
Wir sagen: Umgekehrt wird ein Schuh draus. LassenSie uns als Parlament die Regierung mit unseren Ideenantreiben. Das wäre der richtige Weg.Den Kollegen von den Grünen können wir in einemPunkt zustimmen, nämlich dass ländliche Entwicklungein Schlüssel zur Entwicklung ist.
Sehr richtig, aber damit sind wir leider mit den Gemein-samkeiten auch schon am Ende. Die Grünen fordern denParadigmenwechsel. Den fordern auch wir schon seitewig und drei Tagen.
Aber immer nur mehr Geld zu fordern – mehr Geld istsicher nicht das Schlechteste –, ist das alte Paradigma.Das wollen wir nicht, und das braucht auch keiner; denndie Erfahrungen haben gezeigt – das wissen auch Sie –,dlwetblwsbldDlRhdds–dn–ldrDgwWhets
ine Entwicklungszusammenarbeit, die Volkswirtschaf-en in Gang und die Menschen in Lohn und Arbeitringt. Das geht – auch das sage ich Ihnen immer wieder –etztlich nur über eine vernünftige wirtschaftliche Ent-icklung; denn das ist die einzige Politik, die in eineelbsttragende Entwicklung mündet. Alles andere ist undleibt ein Herumkurieren an Symptomen. Das haben wirange genug gehabt. Lassen Sie uns das in Zukunft an-ers machen.Vielen Dank.
Für die Unionsfraktion spricht nun der Kollege
r. Wolf Bauer.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-egen! Wir beraten heute zwei Anträge, einen Antrag deregierungsfraktionen und einen Antrag der Grünen. Ichätte mich riesig gefreut, wenn wir auch einen Antrager FDP dabeigehabt hätten. Das wäre ein Zeichen füras gewesen, was Sie, lieber Kollege Addicks, eben ge-agt haben.
Ich bin noch nicht lange in diesem Ausschuss, aberoch einige Jahre, allerdings kann ich mich nicht erin-ern, dass Sie einmal initiativ geworden wären.
Wenn ich mich richtig erinnere, haben Sie, Herr Kol-ege Addicks, lediglich 2007 einen Antrag eingebracht,er in der Hauptsache Afrika zum Inhalt gehabt hat. Da-in kam die ländliche Entwicklung nahezu gar nicht vor.
as, was Sie uns vorwerfen, ist etwas, was Sie in der Re-el vernachlässigt haben.
Wir wollen mit unseren Anträgen die ländliche Ent-icklung wieder in den Fokus unserer Politik stellen.ir sind über jeden froh, der uns dabei unterstützt. Wiraben einen allumfassenden Ansatz. Ich will mich aufinige Punkte konzentrieren, nämlich auf die Infrastruk-ur, die bereits angesprochen worden ist, auf Umwelt-chutz, Energiepolitik usw.
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Dr. Wolf Bauer
Es gibt viele Beispiele. Für mich ist Folgendes aus-schlaggebend: Wir haben mittlerweile sehr viele Analy-sen erstellt. Wir gehen auch mit dem Antrag der Fraktionder Grünen konform. Die Analysen stimmen. Darüberwaren wir uns auch schon im Ausschuss einig.
– Auch die stimmen. Die unterstützen wir teilweise. Da-rauf komme ich gleich noch zurück. – Für mich ist wich-tig, dass wir jetzt, nachdem wir die Analysen erstellt ha-ben, endlich zur Praxis übergehen und die Erkenntnisse,die wir gewonnen haben, endlich umsetzen. Dabei ist esfür mich auch wichtig, dass wir unseren Partnerländerneine Art Katalog vorlegen, in dem steht, was wir allesleisten können, welche Arbeit wir verrichten können undwelche finanziellen Möglichkeiten wir bieten können.Dann müssen wir den einzelnen Ländern die Möglich-keit geben, mit uns zusammen Kataloge zu erstellen, an-hand derer wir unsere Arbeit ausrichten können. Dabeihalte ich für sehr wichtig, dass wir nicht in erster Linieunsere Vorstellungen einbringen, sondern dass wir ge-meinsam Vorschläge erarbeiten, wie wir für die Bevöl-kerungen der einzelnen Länder etwas erreichen können.Meine Aussage, dass wir nicht unbedingt unsere Vor-stellungen einbringen sollten, führt mich zu dem Antragder Grünen. Wir sollten nicht von vorneherein durch ei-nige Forderungen, die hier aufgestellt werden, eine Blo-ckadepolitik betreiben. Es ist wichtig, dass wir zunächstalle Möglichkeiten ausschöpfen. Dazu gehört meinerMeinung nach auch die Grüne Gentechnologie. Wir wis-sen nicht, wie die Situation in 20 Jahren aussieht. Viel-leicht sind wir in 20 Jahren froh, wenn wir die vielenHungernden mit Produkten, die auf einer vernünftigenGrünen Gentechnik basieren, satt machen können.
Daher meine ich, dass diese absolute Ablehnung, die dieGrünen in dem Antrag formulieren, nicht die richtigePolitik wäre.
– Das ist Ideologie. Aber gut, wir wollen heute im Um-gang miteinander nicht so hart sein. Wir haben ein ge-meinsames Ziel. Insofern sollten wir entsprechend rea-gieren.Ich bleibe dabei: Wir müssen die Grüne Gentechnikmöglicherweise einsetzen, um 9 Milliarden Menschenernähren zu können. Vor der Ideologie kommt die Ver-antwortung; das ist vollkommen richtig. Ideologie mussvor dem Ziel, hungernden Menschen zu helfen, zurück-treten.
Frau Kollegin Pfeiffer, sind Sie jetzt zufrieden? – Dasfinde ich ganz prima.In der Anhörung sind diese Dinge ebenfalls benanntworden. Ich erinnere daran, was Herr Brüntrup gesagthfdbdRtihwmBeenPvdghvEh5VlsWgsutSsfmzatAmleddgwIOW
In der Anhörung klang an, dass wir möglicherweiseon diesen 2-Hektar-Schollen im Sinne einer höherenffektivität wegkommen müssen. In diesem Zusammen-ang erinnere ich daran, dass wir in Deutschland in den0er-Jahren andere Verhältnisse hatten. Wenn wir dieseerhältnisse noch heute hätten, hätten wir wahrschein-ich wesentlich größere Probleme, als sie sich jetzt dar-tellen.Damit komme ich auf die soziale Frage zu sprechen.ir müssen aufpassen, dass bei diesen Umstrukturierun-en Landarbeiter und Kleinbauern nicht noch weiter insoziale Elend abdriften. Vor allem die Frauen müssenns am Herzen liegen, Frau Kollegin Pfeiffer. Frauenragen in den Entwicklungsländern die Last schlechthin.ie haben für das Einkommen und die Landwirtschaft zuorgen. Damit müssen sie die größte Last tragen. Inso-ern sollten wir auf die Frauen unser besonderes Augen-erk richten und sie, soweit wir das können, unterstüt-en und ihnen helfen.
Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit brauchen wirber auch die Unterstützung und die Mitwirkung der na-ionalen Regierungen; das ist von großer Bedeutung.ber genau da hapert es in vielen Fällen. Gerade hierüssen wir ansetzen. Beratung, Überzeugungsarbeit, ge-egentlich auch etwas Druck – diese Mittel müssen wirinsetzen. Auch an Appellen an die Verantwortlichen inen einzelnen Ländern, dass es um die Ernährung undas Wohlergehen ihrer eigenen Bevölkerung geht, man-elt es kräftig; das stellen wir auf unseren Reisen immerieder fest.Das Ganze hängt natürlich auch mit Geld zusammen.ch möchte in diesem Zusammenhang noch auf dieDA-Quote eingehen; denn auch sie ist sehr wichtig.as mir Sorgen bereitet, ist, dass wir bisher immer nur
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Dr. Wolf Bauervon einer Quote reden. Sollte das Bruttonationalproduktsinken – was wir nicht hoffen, aber das kann passieren –,hätte dies aufgrund der Koppelung Auswirkungen aufdie Quote. Es ist hier schon angeklungen, dass die abso-luten Zahlen wichtiger sein müssen.
Sie müssen wir in den Vordergrund stellen, um eine aus-reichende Finanzierung für unsere entwicklungspoliti-schen Vorhaben bereitstellen zu können.
Man kann lange darüber streiten, wie sich die ODA-Quote entwickelt hat. Ich halte das für müßig. Die Bilanzder letzten Jahre unter dieser Bundesregierung in Bezugauf die ODA-Quote und die Bereitstellung von Finanz-mitteln in der Entwicklungspolitik kann sich sehen las-sen. Wenn man diese Kurve über die Jahre betrachtet, sowird klar, dass hier eine positive Entwicklung stattgefun-den hat. Viel wichtiger, als sich über dieses Thema zustreiten, ist, dass wir jetzt konkrete Programme auf denTisch legen, dass wir unsere Schwerpunkte herauskris-tallisieren und uns auf diese Schwerpunkte konzentrie-ren.An dieser Stelle möchte ich auf das Thema Bildungeingehen. Bei all den Reisen in Entwicklungsländer, diewir gemacht haben, haben wir immer wieder gespürt,dass der von uns angestrebte Ausbau des Bildungssek-tors hoch anerkannt wird. Insofern möchte ich appellie-ren, bei diesem Schwerpunkt zu bleiben, das duale Sys-tem der beruflichen Ausbildung zu stärken und weiter inden Vordergrund zu stellen. Man sollte sich klarmachen,dass man damit – vielleicht kombiniert mit einer Mikro-finanzierung – wirklich einen Mittelstand herausbildenkann. Das ist genau die Entwicklung, die wir brauchen.Wir können so eine gute Entwicklungspolitik betreiben.
Wie ich sehe, läuft meine Redezeit langsam ab. Ichmöchte eine persönliche Bemerkung machen. Ich werdenicht mehr für den Deutschen Bundestag kandidieren.
Ich möchte mich daher bei allen für das kollegiale Mit-einander und für das, was wir erreicht haben, bedanken.Es war eine angenehme Zusammenarbeit.Zum Schluss möchte ich für noch mehr Kontakte mitden Menschen in den Entwicklungsländern werben.Auch wenn einige Journalisten darüber meckern, dassdas Parlament zu reisefreudig sei, sollten wir uns nichtdavon ablenken lassen. Nur wer in einem Land war, werdieses Land einmal gerochen hat, wer mit den Menschenin einem Slum, in einem Gefängnis, in einem Kranken-haus oder wo auch immer gesprochen hat, der kannnachher eine vernünftige Entwicklungspolitik betreiben.Ich glaube, es ist unheimlich wichtig, dass wir uns danicht beeinflussen lassen. Ich wünsche, dass alle dem-nächst noch viel reisen und vor allem viele Ideen undvlABdAbhwsebwKrnddHKREfdmsBdl
Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Dr. Karl
ddicks das Wort.
Danke, Frau Präsidentin. – Lieber Herr Kollege
auer, ich möchte Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen,
ass wir anlässlich des G-8-Gipfels auf Hokkaido einen
ntrag in Bezug auf die Nahrungsmittelkrise einge-
racht haben, der einen großen Teil der Forderungen ent-
ält, die in Ihrem jetzt vorliegenden Antrag formuliert
erden. Außerdem haben wir eine Kleine Anfrage ge-
tellt. Einen großen Teil der Antworten darauf haben Sie
benfalls in Ihren Antrag integriert.
Da wir uns als Antreiber in dieser Frage gesehen ha-
en, haben wir es nicht für notwendig gehalten, einen
eiteren Antrag zu stellen. Ich bitte Sie alle, hier zur
enntnis zu nehmen, dass gerade die FDP in diesem Be-
eich absolut nicht untätig geblieben ist.
Vielen Dank.
Kollege Bauer, wollen Sie erwidern?
Ich erwidere gern. – Mein lieber Kollege Addicks,
achdem Sie das so beschrieben haben, bin ich sicher,
ass Sie unserem Antrag zustimmen werden. Dafür be-
anke ich mich sehr herzlich.
Für die Fraktion Die Linke spricht nun der Kollege
üseyin-Kenan Aydin.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Wenn ich mir den Antrag deregierungskoalition zur ländlichen Entwicklung in denntwicklungsländern anschaue, darf ich zunächst erfreuteststellen, dass die Argumente und die Initiativen, dieie Linke zu diesem Thema seit Jahren vorbringt, zu-indest zum Teil endlich auch bei Ihnen angekommenind.
emerkenswert finde ich vor allem Ihre Erkenntnis, dassie – ich zitiere aus dem Antrag – „vorschnelle Handels-iberalisierung ohne Schutzmöglichkeiten und angemes-
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Hüseyin-Kenan Aydinsene Übergangsfristen für heimische Produzenten … zurVerarmung breiter Bevölkerungsschichten“ beigetragenhat. Guten Morgen! Auch Sie haben es endlich begrif-fen.
Wir müssen uns allerdings fragen: Warum fordern dieAbgeordneten von SPD und CDU dann die Bundesregie-rung nicht auf, die Überschwemmung der Märkte der ar-men Länder durch EU-Billigprodukte zu stoppen?
Die Vorsitzende des Haushaltsausschusses im ostafrika-nischen Regionalparlament, Frau Kimura, hat uns ges-tern im Ausschussgespräch noch einmal nachdrücklichdarauf hingewiesen:Die sogenannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommenzwischen der EU und den AKP-Staaten werden in ihrerjetzigen Form zur Deindustrialisierung und zum Ban-krott der Landwirtschaft führen, weil sie einseitig dieEU-Interessen bedienen.
Ihre Ratifizierung muss ausgesetzt werden. Das wäreeine angemessene Konsequenz.
Kollege Aydin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Raabe?
Aber selbstverständlich.
Herr Kollege Aydin, nachdem Sie – wie der Kollege
Addicks – festgestellt haben, dass der Antrag eigentlich
nur vernünftige Punkte enthält, die auch Sie – angeblich –
schon gefordert hatten, bekommen wir nachher eine
ganz tolle Abstimmung hin, bei der auch die Linkspartei
und die FDP uns zustimmen. Nur: Sie sagten, dass wir in
unserem Antrag die Bundesregierung nicht auffordern,
dafür zu sorgen, dass die Entwicklungsländer nicht mit
subventionierten Produkten überschwemmt werden. Ich
zitiere aus unserem Antrag:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregie-
rung auf, … sich weiter für eine Abschaffung von
marktverzerrenden Agrarsubventionen in den In-
dustrieländern einzusetzen, damit die Produzenten
in den Entwicklungsländern nicht weiter durch
Agrardumping geschädigt werden …
Jetzt sehen Sie: Auch diese Forderung ist in unserem
Antrag enthalten – Sie haben sie vielleicht überlesen –;
jetzt können Sie mit gutem Gewissen zustimmen.
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Der Antrag der Grünen hingegen enthält viele Forde-ungen, denen wir uns anschließen können. Seine Orien-ierung auf die Förderung der kleinbäuerlichen Landwirt-chaft geht in die richtige Richtung. Die konsequenteblehnung der Gentechnik unterstützen wir. Enttäu-chend ist allerdings, dass sich die Verfasser nicht auf einerbot der Nahrungsmittelspekulation festlegen wollen.egulation ist hier zu wenig, Kollegen von den Grünen.ir fordern den sofortigen Stopp der Zockerei auf le-ensnotwendige Rohstoffe. Dennoch werden wir demntrag zustimmen.Lassen Sie mich auf zwei Punkte eingehen, die miresonders wichtig sind: Erstens. Die Interessenvertre-ungen unter der Landbevölkerung müssen stärker geför-ert werden. Wir wollen die Genossenschaften und Or-anisationen der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, derandlosen und der Farmarbeiter stärken. Nur so habenie eine Chance, bei der nationalen Entwicklungspla-ung ihre Interessen durchzusetzen und Einfluss auf dieändliche Entwicklung zu nehmen. Solche Vereinigun-en könnten zweitens dazu beitragen, dringend notwen-ige Landreformen voranzutreiben. Die Ärmsten müs-en Zugang zu Agrarflächen und Wasser erhalten. Icharne davor, Land zu einer handelbaren Ware zu ma-
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Hüseyin-Kenan Aydinchen. Kollege Raabe, aber auch Kollege Bauer haben be-reits darauf hingewiesen.Mit Sorge nehmen wir die umfangreichen Landkäufeoder auch Verpachtungen in Ländern wie dem Sudan,Madagaskar, Uganda, Mali, Brasilien oder Indonesienzur Kenntnis.Vor allem die Erdöl produzierenden arabischen Staa-ten, aber auch europäische und asiatische Konzerne wol-len auf den fruchtbaren Flächen Nahrungsmittel bzw.Energiepflanzen anbauen, um ihren eigenen Bedarf abzu-decken. Diese Landnahmen erinnern den Generaldirektorder FAO, Herrn Diouf, an – ich zitiere ihn – „neokolonialeZustände“. Sie untergraben das Ziel der Ernährungssou-veränität. Die Eigenversorgung mit Grundnahrungsmit-teln durch eine sozial und ökologisch verträgliche Land-wirtschaft muss aber zur entwicklungspolitischenPriorität werden. Die jetzt wieder aufgenommenen Ex-portsubventionen durch die EU hingegen stehen für ei-nen Handelskrieg. Dieser Handelskrieg kann von denBäuerinnen und Bauern in den Entwicklungsländern nurverloren werden.Wir fordern gerechte Handelsstrukturen und ein Endeder Marktöffnung zugunsten der Konzerne in den Indus-triestaaten.
Wir fordern außerdem eine kräftige Erhöhung der Mittelfür die internationale Entwicklungszusammenarbeit. Esist höchste Zeit, für die Länder des Südens einen Schutz-schirm aufzuspannen, der die Folgen der weltweitenWirtschaftskrise mildert; denn für die Menschen dortgeht es schließlich um Leben und Tod.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Thilo Hoppe für die Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich in meinerFunktion als Ausschussvorsitzender von dieser Stelleaus dem geschätzten Kollegen Dr. Bauer ganz herzlichzu seinem 70. Geburtstag gratulieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mirzunächst einen Rückblick auf die vergangene entwick-lungspolitische Debatte, die wir hier vor wenigen Wo-chen geführt haben. Sie erinnern sich vielleicht daran,dass die Kollegin Ute Koczy und ich in unseren Rede-beiträgen auf die Widersprüche hingewiesen haben, diees in der Politik der Bundesregierung gegenüber denEntwicklungsländern gibt. Das hatten wir an der Wieder-einführung der Agrarexportsubventionen für Milch undButter festgemacht. Bei beiden Reden hat Herr Staatsse-kretär Müller interveniert und gefragt, ob es richtig sei,dass es Ausnahmen gibt und diese Exporte nicht in Ent-wicklungsländer gehen. Inzwischen haben wir essdlnmhsnmZJgknswnsewwsaGEfedtdwmdmMmpavlaseEgu
s ist auch schade, dass die Agrarministerin, die zu Be-inn der Debatte kurz hier war, jetzt nicht mehr da istnd ich diese Kritik nicht direkt an sie richten kann.
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Thilo HoppeIch möchte der Bundesregierung aber auch ein Lobaussprechen, und zwar dem Entwicklungsministerium:Mit ziemlicher zeitlicher Verspätung – aber besser spätals überhaupt nicht – wurde jetzt endlich der Weltagrar-bericht vom IAASTD zur Kenntnis genommen und beieiner Veranstaltung im BMZ auch diskutiert. In diesemWeltagrarbericht, den ein Netzwerk von über 3 000 Wis-senschaftlern und Agrarexperten geschrieben hat – HerrDr. Addicks, das ist jetzt auch an Ihre Adresse gerich-tet –, wird ein Paradigmenwechsel hin zu einer wirklichnachhaltigen Landwirtschaft gefordert. Das heißt nicht,dass man weltweit nur Demeter-Ökolandbau betreibt. Esheißt aber sehr wohl, dass man keine Methoden anwen-det, die zu einer weiteren Klimaerwärmung und zu einerZerstörung der Böden führen. Wir brauchen hier wirk-lich einen intelligenten Ansatz. In diesem Weltagrarre-port wird eben nicht eine zweite grüne Revolution mitden Methoden der ersten gefordert, sondern es wird einsehr differenziertes Vorgehen gefordert, das auch Nach-haltigkeitsgesichtspunkte stark berücksichtigt.Jetzt ist die spannende Frage: Was macht die Bundes-regierung, nachdem sie nun diesen IAASTD-Bericht miteiner Veranstaltung gewürdigt hat? Unterschreibt jetztdie Entwicklungsministerin oder noch besser die ge-samte Bundesregierung diesen Bericht? Werden gar dieEmpfehlungen dieses Berichtes – das wäre das Beste –jetzt tatsächlich umgesetzt? Das würden wir uns sehrwünschen im Sinne einer wirklich nachhaltigen Förde-rung auch der kleinbäuerlichen Landwirtschaft in denEntwicklungsländern. Darauf zielt ja dieser Bericht. Daswäre schön, aber das wird, wie ich glaube, nur gelingen,wenn auch die Grünen wieder in der nächsten Bundesre-gierung vertreten sein werden.
Nun hat die Kollegin Marianne Schieder für die SPD-
Fraktion das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Das wichtige und hoffnungsvolle Ziel derMillenniumserklärung, die Halbierung der Armut in derWelt bis zum Jahr 2015, scheint in der Tat in weite Fernegerückt zu sein. Nicht nur, dass die absolute Zahl derhungernden Menschen in der Welt wieder angestiegenist und sehr wahrscheinlich weiter ansteigen wird; auchangesichts der aktuellen politischen Herausforderungenund der eigenen wirtschaftlichen Probleme, die es zu be-wältigen gilt, droht bei den Menschen in unserem Landdas ehrgeizige und absolut notwendige Ziel der weltwei-ten Armutsbekämpfung als solches wieder in den Hinter-grund gedrängt zu werden. Gott sei Dank lässt sich diedeutsche Entwicklungshilfe von einem solchen Denkennicht einfangen, sondern tritt dafür bei internationalenGeberkonferenzen ein und setzt sich auch bei der Bereit-stellung von entsprechenden Haushaltsmitteln – HerrDdwsgwLcnwwMrlSpksmlAEsMdsDfhlunASEsgnAFkzNnBvzG
an weiß doch genau, welche Verwerfungen damit ge-ade für die Märkte in den sogenannten Entwicklungs-ändern verbunden sein können und auch sein werden.o wird die vorgesehene Exportsubvention für Milch-rodukte die Situation unserer Milchviehhalter wohlaum spürbar verbessern. Aber es ist durchaus wahr-cheinlich, dass andernorts die noch vorhandenen Milch-ärkte empfindlich gestört werden, Einkommensmög-ichkeiten für die Menschen wegfallen und dadurchrmut und Hunger befördert werden. Selbst wenn aufU-Ebene beschlossen worden wäre – was ja nicht be-chlossen worden ist –, dass keine subventioniertenilchprodukte in Entwicklungsländer exportiert wer-en, so könnte dennoch nicht gewährleistet werden, dassie nicht über irgendwelche Umwege dorthin gelangen.ass so etwas möglich ist, wissen wir aus leidvoller Er-ahrung.
Wir müssen, so meinen wir, nicht nur endlich einse-en, dass die eine Hälfte der Welt nicht ohne die andereeben kann, sondern wir müssen auch unser Handeln undnseren Handel daran ausrichten. Daher verweise ichoch einmal mit Nachdruck auf die Forderung unseresntrags, dass der Weltagrarhandel zwischen Norden undüden fair ausgestaltet werden muss.
in wesentlicher Beitrag dazu ist der Abbau von Export-ubventionen und handelsverzerrenden internen Stützun-en in den Industrieländern. Mit unserem Antrag wirdoch einmal deutlich, wohin aus deutscher Sicht bei dengrarverhandlungen die Reise gehen muss. In jedemall muss es gelingen, in der EU die aus der Klamotten-iste geholten Instrumente der Ausfuhrhilfen und Stüt-ungskäufe schleunigst wieder einzupacken.
ehmen wir endlich die Kritik der Agrarminister afrika-ischer Länder ernst! Sie forderten anlässlich des erstenerliner Agrarministergipfels im Januar dieses Jahreson der EU den vollständigen Abbau aller handelsver-errenden Exportsubventionen. Ansonsten bestehe dieefahr, dass weitere Hunderttausende von Bäuerinnen
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Marianne Schiederund Bauern und deren Familien in den Schwellen- undEntwicklungsländern in die Armut getrieben werden.Wir brauchen – auch das ist ein zentraler Punkt unse-res Antrags – endlich weltweit ein ernsthaftes Bemühenum eine integrierte und nachhaltige Entwicklung ländli-cher Räume. Wir müssen die vorhandenen kleinbäuerli-chen Strukturen stärken und Lagerhaltung, Verarbeitungund Vermarktung verbessern, um nur einige Bereiche zunennen. Gerade auf dem Land ist es unerlässlich, ausrei-chend Einkommensmöglichkeiten außerhalb der Land-wirtschaft zu schaffen. Selbstverständlich muss im Be-reich der Bildung eine Verbesserung erreicht werden.Dabei muss besonderer Wert auf die Bildung von Frauengelegt werden. Selbstverständlich müssen auch alle Be-mühungen um Demokratisierung in den einzelnen Län-dern und Staaten unterstützt werden.Ernährung muss insgesamt wieder mehr regional, sai-sonal und kulturell gedacht werden. Soweit es die natür-lichen Gegebenheiten erlauben, muss Nahrung in ausrei-chendem Maße dort produziert werden können, wo dieMenschen sie brauchen. Die weitgehende Sicherung derEigenversorgung muss unser Ziel sein.Herr Dr. Bauer, es wird uns nicht helfen, wenn die al-ten Abhängigkeiten durch neue ersetzt werden, wie esmit der Grünen Gentechnik zu befürchten ist.
Ebenso wird es uns nicht helfen, wenn wir den Men-schen in unserem Land erzählen, dass wir mit unsererProduktion die Welt ernähren könnten. Wir wissen dochaus der Vergangenheit, dass das nicht funktionierenwird.Wir haben versucht, in unserem Antrag umfassend zubeschreiben, was wir tun müssen, um Hunger und Armutin den Entwicklungsländern zu bekämpfen. Ich bitte Sieum Zustimmung zu unserem Antrag.
Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Johannes
Röring das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DieWeltgemeinschaft hat sich in der Vergangenheit schonöfter das Ziel gesetzt – zuletzt in ihrer Millenniumserklä-rung im Jahr 2000 –, die Zahl der Hungernden zu halbie-ren. An dieser Stelle müssen wir allerdings feststellen,dass dieses Ziel deutlich verfehlt wurde. Ich kann nurbetonen: Das ist nicht hinnehmbar. Weil ich diese Um-stände, weil ich den Hunger in der Welt nicht akzeptie-ren kann, betrachte ich unseren Antrag als eminent wich-tig und absolut richtig.
Wir mussten feststellen, dass es bereits im Jahr 2007eine Warnung an die Weltgemeinschaft gab. Obwohl wirinktB2tAnnEmrnpllghbaswtTdgnrntwDbKnDwBbwdNDeWEhddSPnsw
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Lassen Sie mich an dieser Stelle auch einmal sagen:Wenn ich in eine Kommune komme, wo man mir sagt,dass unsere 50 Prozent ganz okay seien, und dann fragt,wo denn die anderen 50 Prozent seien, habe ich dafürnicht viel Verständnis. In gewissen Feldern wird vonBund und Land sogar 80 Prozent finanziert. Wenn dannauch noch der Anteil von 20 Prozent für die Kommune zuviel ist, ist das schlecht. Da müssen wir in der Kommunal-politik den Finger draufhalten und sagen: Nein, dieseLeistung ist von den Kommunen zu erbringen.Die Leistungen, die wir erbracht haben, werden ohneZweifel dafür sorgen, dass die sehr jungen Eltern künftigneben der Betreuung ihrer Kinder mehr, sogar Vollzeitarbeiten können. Aber das ist eine zukünftige Entwick-lung, die auf dem aufbaut, was jetzt angeschoben wordenist und umgesetzt wird. All diejenigen, die diese Mög-lichkeit noch nicht hatten, müssen zaubern – das ist nichtzudzHVSiclDudmgemdDAhqpdSuFeBsAZTzddumBslADwW
Seien wir doch einmal ehrlich und schauen wir unsie tägliche Lebenswirklichkeit an, Frau Marks. Wennan Lehrerin ist, ein Kind hat, das bilderbuchmäßig be-abt ist, einen Kitaplatz, eine private Randbetreuung undine Oma, die am Ort angesiedelt ist, und einen Ehe-ann hat, der in der Verwaltung arbeitet, dann kann manas schaffen.
ann kann man ziemlich schnell wieder Vollzeit arbeiten.ber was machen all die anderen? Was macht die Erzie-erin im Heim – der Fall ist mir gerade heuteuergekommen –, die zwar nur ein Schulkind hat, aberlötzlich im Dreischichtsystem arbeiten soll? Was machtie Mutter von drei Kindern, die verschiedene Kitas undchulen besuchen, und deren Mann in der IT-Branche istnd vielleicht bis in den Abend arbeitet? Wie vielerauen kommen abends nach Hause, machen den Groß-inkauf und stürzen sich um 20 Uhr ins Waschen undügeln? Sie arbeiten dann um 22 Uhr noch weiter, weilie sich Arbeit mit nach Hause gebracht haben.Unbezahlte Hausarbeit ist der größte Sektor auf demrbeitsmarkt. Wollen wir nicht auch, dass sich Elterneit für die Kinder nehmen? Kinder sind 16 Stunden amag auf den Beinen und halten sich nicht an Öffnungs-eiten. Das heißt, wir müssen es den Eltern ermöglichen,ass sie ihre Berufs- und Familienzeiten so einrichten,ass sie nicht zehn Jahre lang auf dem Zahnfleisch gehennd keiner Aufgabe mehr gerecht werden. Deswegenüssen wir dafür sorgen, dass Teilzeit eine anerkannteerufsform wird, dass man auch in Teilzeit alle Auf-tiegsmöglichkeiten hat und nicht kurz-, mittel- undangfristig abgehängt wird. Das haben wir neulich in dernhörung von allen Experten sehr deutlich gehört.
as betrifft sowohl die Köpfe, in denen sich etwas be-egen muss, als auch die gesetzlichen Voraussetzungen.ir müssen uns das Teilzeitgesetz einmal genau ansehen
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Dr. Eva Möllringund überlegen, wie wir diese Schallmauer durchbrechenkönnen.Zweitens. Wir müssen noch mehr flexible, individuelleArbeitszeitmodelle einführen. Viele Unternehmen habenVertrauensarbeit eingeführt. Nach den Erhebungen desMinisteriums sind es 51 Prozent – das ist eine stolzeZahl – und doppelt so viel wie 2003, als es noch22 Prozent waren. Ich will mich jetzt mit meiner Kritikzurückhalten – das Ministerium hat das sicherlich sehrgründlich erforscht –, aber aus meiner Sicht könnten dasruhig noch mehr Betriebe machen. Diese Vertrauens-arbeit ist der Grund, warum es als Lehrerin möglich ist,Familie und Beruf gut miteinander zu vereinbaren. Mankann die Hefte sowohl um 16 Uhr als auch um 20 Uhrkorrigieren; Hauptsache sie werden korrigiert. DiesesErfolgsmodell muss auf andere Berufe übertragen werden.Drittens: die Überbrückung von Elternzeit und der Wie-dereinstieg in den Beruf. Auch da haben wir erheblicheSteigerungen von Vertretungseinsätzen und Einarbeitungs-programmen, die jedes fünfte Unternehmen anbietet.Aber es ist nun einmal nur jedes fünfte Unternehmen. Esmüsste jedes sein. An dieser Stelle müssen wir noch sehrviel tun. Das ist der Bereich, in dem sich künftig derWettbewerb um die qualifizierten Kräfte abspielen wird.Kurz vor Ende meiner Redezeit möchte ich noch einWort zur Kernforderung der Linken nach Einführung ei-ner siebenjährigen Elternzeit sagen. Meine Damen undHerren, diese Forderung steht unter der falschen Über-schrift. Sie haben diese Forderung nämlich unter derÜberschrift „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ auf-geführt. Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedeutetaber nicht, dass man nur eins von beidem macht, sonderndass man beides macht. Deswegen passt diese Forderungnicht an diese Stelle.Abgesehen davon ist diese Forderung realitätsfern.Sie treiben die Frauen damit in eine Sackgasse. Nachsieben Jahren können sie nämlich nicht mehr in ihrenBeruf zurückkehren. Das werden sie nicht schaffen.
Es macht keinen Sinn, ihnen etwas anderes vorzugau-keln.
Kollegin Möllring, achten Sie bitte auf das Zeichen
vor sich?
Ich bin bei meinem letzten Satz. – Noch viel schlim-
mer finde ich, dass Sie gerade Frauen, für die diese lange
Kündigungsfrist gilt, ein massives Einstellungshinder-
nis ans Bein binden,
und zwar unabhängig davon, ob sie Kinder haben wollen
oder nicht. Hier sind Sie auf dem Holzweg.
Danke für die Aufmerksamkeit.
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ie anderen Parteien sind unsozial.
iese Strategie verfolgen Sie jedes Mal, wenn Sie un-ere politischen Aussagen nicht teilen. Jedem, der sichit Ihrem Antrag inhaltlich auseinandersetzt, kann manur raten, ihn abzulehnen. Ich werde im Einzelnen be-ründen, warum.
Zum Inhalt. Sie wollen die Ausweitung des Kündi-ungsschutzes für Frauen und Männer. Heutzutage kön-en sie drei Jahre lang zu Hause bleiben. In diesen dreiahren ist ihr Arbeitsplatz sicher. Nach diesen drei Jah-en müssen sie, wenn sie ihren Arbeitsplatz behaltenollen, zurückkehren. Frau Möllring hat schon daraufingewiesen, dass Sie den Kündigungsschutz von dreiahren auf sieben Jahre ausweiten wollen. Das heißt,ass ein Handwerksbetrieb mit fünf oder zehn Mitarbei-ern einen Arbeitsplatz bis zu sieben Jahre freihaltenoll.
Natürlich steht das in Ihrem Antrag.
n Ihrem Antrag steht nicht, dass diese Forderung nur füretriebe, die mindestens 20, 25, 50 oder 100 Mitarbeiternd Mitarbeiterinnen haben, gelten soll. Ich jedenfalls
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Ina Lenkehabe nichts dergleichen gelesen, lasse mich von Ihnenaber gerne eines Besseren belehren.Wer jemals einen mittelständischen Betrieb geleitethat, der weiß, dass diese Regelung nicht vorteilhaft fürFrauen wäre, sondern einen Bumerangeffekt hätte.
Diese Regelung würde sich zum Nachteil der Frauenauswirken.Wenn ein Betrieb eine offene Stelle zu besetzen hat,für die es zwei Bewerber, einen Mann und eine Frau,gibt, wen wird der Betrieb wohl einstellen? Müsste derBetrieb diesen Arbeitsplatz später eventuell sieben Jahrefreihalten, würde wahrscheinlich der Mann die Stelle be-kommen. Die Betriebsleitung würde nämlich davon aus-gehen, dass Männer in der heutigen Gesellschaft nochnicht so häufig auf ihre Kinder aufpassen wie Frauen. Eswäre aus Sicht des Betriebes also der sicherere Weg, denMann einzustellen.
Ihre Forderung hätte zur Folge, dass sich die Chancenvon Frauen auf dem Arbeitsmarkt verringern.Diese Regelung würde in der Praxis dazu führen, dassder Arbeitsplatz nach sieben Jahren besetzt ist – wassoll der Betrieb auch machen? – und dass die Frau ihrenArbeitsplatz nicht wieder bekommt. Denn nach siebenJahren kann man nicht die mittlerweile gut eingearbei-tete Kraft, die diesen Arbeitsplatz nun hat, plötzlich aneine andere Stelle versetzen.Außerdem würde diese Regelung die Frauen in falscheSicherheit wiegen; das ist übrigens schon heute bei derDreijahresregelung der Fall. Auch ich bin der Meinung,dass Familienarbeit äußerst wichtig ist. Es passt abernicht ins Konzept, dass der Staat sagt: Ihr könnt siebenJahre zu Hause bleiben und Familienarbeit machen. –Deshalb lehnt die FDP diese arbeitnehmerinnenfeindli-che Regelung ab. Wir wollen die Dreijahresregelung bei-behalten.
In Ihrem Antrag findet sich die schöne Überschrift„Berufsrückkehr fördern“. Sicherlich, Arbeitgeber undArbeitgeberinnen haben ein natürliches Interesse daran,gut qualifizierte Mitarbeiterinnen nach der Elternzeitwieder an ihrem ehemaligen Arbeitsplatz einzusetzen.
Wie wir wissen, hat die demografische Entwicklung zurFolge, dass es immer weniger Personal gibt. Heutzutagemuss jeder Betrieb sein qualifiziertes Personal halten.
Der Arbeitsvertrag ruht während der Elternzeit; danachwird die Frau wieder in den alten Stand eingesetzt. Ichweiß gar nicht, was es da zu regeln geben soll. In der Re-gel spricht eine Arbeitnehmerin, bevor sie in Elternzeitgeht, mit ihrem Arbeitgeber darüber, ob sie die Möglich-kmMrsabnzdZRgatvKkdGndFvndaWgSKMzSC
wölf Jahre lang das Recht auf Teilzeit, das Recht aufückkehr von Teilzeit in Vollzeit, das Recht auf Verlän-erung der wöchentlichen Arbeitszeit, das Recht, Mehr-rbeit nur zu erbringen, wenn die Arbeitgeberin die Be-reuungskosten bezahlt. Man muss sich das einmalorstellen! Selbst eine Arbeitgeberin, die Frauen mitindern einstellen will, wird sich das nicht mehr leistenönnen, wird Männer einstellen müssen. Deshalb lehntie FDP Ihre Forderungen ab.
erade Existenzgründerinnen können sich so etwasicht leisten. Mit einer solchen Politik würde verhindert,ass Frauen mit Kindern eingestellt werden. Wenn dieseorderungen umgesetzt würden, würde das die Chancenon Alleinerziehenden, einen Arbeitsplatz zu finden, zu-ichte machen.Ich komme zum Schluss. Die FDP hält die bestehen-en gesetzlichen Bestimmungen für ausreichend. Allesndere, liebe Kolleginnen und Kollegen, würde demunsch, mehr Frauen in Beschäftigung zu haben, entge-enstehen.
Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Dieter
teinecke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Zuerst möchte ich Frauöllring auf die Sprünge helfen. Was das Recht auf Teil-eit angeht, ist es meines Wissens so gewesen, dass diePD dieses Recht gegen den erbitterten Widerstand derDU/CSU durchsetzen musste.
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Dieter Steinecke– Dass die CDU/CSU im Nachhinein bekehrt ist, ist gut;aber Sie sollten nicht Geschichtsklitterung betreiben.Sie haben davon gesprochen, dass gerade in Grund-schulen eine Randstundenbetreuung wichtig ist. Sie soll-ten einmal Ihre Kolleginnen und Kollegen in Niedersach-sen ansprechen: In den niedersächsischen Grundschulenwerden bewährte Strukturen gerade massiv zerschlagen.
– Das ist kein Blödsinn, das ist so. Fragen Sie einmalnach!
Meine Damen und Herren, der Antrag, den wir heuteberaten, ist nicht neu. Bereits in der 139. Sitzung am24. Januar 2008 haben wir ihn in diesem Hause beraten.Der Antrag ist – zu dieser Einschätzung sind wir vor gutdrei Monaten gekommen – falsch, und er ist seitdemnicht richtiger geworden. Ich will die damalige Debattean dieser Stelle nicht wiedergeben; Sie können sie imProtokoll nachlesen.Auf einen zentralen Punkt möchte ich jedoch erneuteingehen, auch wenn Herr Wunderlich sagt, wir hättendas falsch verstanden. Herr Wunderlich, Sie habengleich Zeit, uns das in epischer Breite zu erklären.
Ich jedenfalls lese das, was in dem Antrag steht, so, dassdie antragstellende Fraktion allen Ernstes fordert, denKündigungsschutz für Eltern auszudehnen, bis das Kindsieben Jahre alt ist. Das geht, wie meine Vorrednerinnenschon gesagt haben, an der Lebenswirklichkeit vorbei.Diese Forderung ist nichts anderes als hanebüchener Un-fug. Ein solch umfassender Kündigungsschutz hätte nureines zur Folge: Die Beschäftigungschancen jungerFrauen würden sich massiv verschlechtern. Gerade klei-nere und mittlere Unternehmen – die nach wie vor dasRückgrat unserer Wirtschaft und damit auch unseres Ar-beitsmarktes darstellen – müssten sich zwei- bis sieben-mal überlegen, ob sie eine junge Frau einstellen; dennjunge Frauen tragen nach wie vor den Hauptanteil an derKindererziehung. Im Zweifelsfall hätten gleich qualifi-zierte männliche Bewerber die Nase vorn. Das ist gleich-stellungspolitisch kontraproduktiv, wenn nicht gar frau-enfeindlich.
In diesem Zusammenhang stellt sich eine weitereFrage: In welchen Berufen ist es überhaupt möglich,nach siebenjähriger Abwesenheit wieder einzusteigen?Dies dürfte doch umso schwieriger sein, je qualifizierterdie Tätigkeit ist, und ab einem bestimmten Niveau wäredas praktisch unmöglich. Wer also eine siebenjährige Er-ziehungszeit fordert, propagiert faktisch ein Absinken inTeilzeit, prekäre Beschäftigungsverhältnisse oder gar ei-nen endgültigen Berufsausstieg.AtfekdiIFktaddMiittDstRr–stgwDbzauwsbnDagdAdKw
llein deswegen lehnen wir Sozialdemokraten den An-rag ab.Meine Damen und Herren, neben seiner fundamentalalschen Hauptforderung enthält besagter Antrag auchine üble Unterstellung. Die Familienpolitik – damitann nur die der Bundesregierung gemeint sein – habeie Vereinbarkeit von Familie und Beruf vernachlässigt,st da zu lesen. Ob diese Aussage aus Böswilligkeit odergnoranz getätigt wurde, ist nicht von Interesse; in jedemalle ist sie durch und durch falsch.
Sie hat jedoch ihr Gutes, bietet sie mir doch eine will-ommene Gelegenheit, die erfolgreiche sozialdemokra-ische Regierungspolitik der letzten mittlerweile mehrls zehn Jahre erneut kurz darzustellen, denn es ist fürie Familien, für die Kinder und Eltern in unserem Land,erzeit unerheblich, welches Parteibuch die jeweiligeinisterin hat; derzeit ist es unerheblich. Entscheidendst, dass eine vernünftige Politik gemacht wird, und diesest – zumindest bei den vernünftigen Anteilen – auch un-er der derzeitigen Ministerin eindeutig sozialdemokra-isch.
as freut mich als ehemaliges Mitglied des Niedersäch-ischen Landtages ganz besonders; ich kenne die Minis-erin von früher ganz anders. Aber jeder hat natürlich dasecht, Irrtümer zu erkennen und diese dann auch zu kor-igieren.
Bei Frau Möllring hoffen wir, dass dies auch noch ge-chieht. – Deshalb helfen wir der Ministerin nach Kräf-en, unsere erfolgreiche Familienpolitik fortzusetzen, ge-en alle Widerstände innerhalb der Union.Doch weg von den handelnden Personen – sprechenir über Inhalte. Aus Zeitgründen muss eine umfassendearstellung unterbleiben. Ich beschränke mich auf zweiis drei wesentliche Punkte.Zunächst einmal ist der Ausbau der Tagesbetreuungu nennen. Wir haben schon vor Jahren für alle Kinderb drei Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Betreu-ngsplatz geschaffen. In dieser Legislaturperiode habenir das Fundament dafür gelegt, dass es diesen An-pruch bald ab Vollendung des ersten Lebensjahres ge-en wird.Das haben wir Sozialdemokraten durchgesetzt. Dafürimmt der Bund auch eine Menge Geld in die Hand.iese Bundesmittel in Milliardenhöhe – das betone ichusdrücklich – geben wir für eine Aufgabe aus, die ei-entlich von den Ländern bewältigt werden müsste;enn Familienpolitik ist eine gesamtgesellschaftlicheufgabe, bei der sich niemand ins Unterholz schlagenarf. Das richte ich an die Adresse der Länder und derommunen, aber ebenso nachdrücklich an die Verant-ortungsträger in der freien Wirtschaft. Wir haben zwar
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Dieter Steineckeschon viel davon gehört, dass einige sich für bessereKinderbetreuung einsetzen, aber das reicht nicht aus.Es genügt auch nicht, über einen vermeintlichenFachkräftemangel zu jaulen. Verschiedene Firmen zei-gen bereits, wie sich vorhandene Potenziale mithilfe fle-xibler Arbeitszeitmodelle für Eltern weit besser aus-schöpfen lassen; denn eine familiengerechte Arbeitsweltist nicht nur gut für Eltern und deren Kinder, sondernnützt auch den Unternehmen.
Der Ausbau der Tagesbetreuung war und ist nicht we-niger als ein Quantensprung. Noch in der Spätphase derÄra Kohl wurden berufstätige Mütter – auch im Bundes-tag – je nach Lebenslage als bemitleidenswerte Opferdargestellt oder als karrieregeile Rabenmütter diffamiert.Das ist Gott sei Dank vorbei.Ein weiterer wichtiger Baustein unserer Familienpoli-tik ist das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz. Damithaben wir nicht nur für mehr Partnerschaftlichkeit undGeschlechtergerechtigkeit in der Kindererziehung ge-sorgt; zugleich wurden verlässliche Grundlagen für dieVereinbarkeit von Familie und Beruf sowie für die Rück-kehr in den Beruf geschaffen. Diese erfolgreiche Rege-lung wollen wir durch zwei zusätzliche Partnermonateund die Abschaffung des doppelten Anspruchsver-brauchs bei gleichzeitiger Teilzeit weiterentwickeln. Da-durch wird das Gute noch besser werden.Ich könnte jetzt noch über das Unternehmensnetzwerk„Erfolgsfaktor Familie“ oder über lokale Bündnisse spre-chen, auch dies von Sozialdemokraten initiierte Erfolgeauf dem Weg zu einer familienfreundlicheren Arbeits-und Lebenswelt; doch auch das würde den Zeitrahmenleider sprengen. Interessierten empfehle ich an dieserStelle erneut die Lektüre des Protokolls der 139. Sitzung.Darin ist dies alles bereits in epischer Breite ausgeführtworden.Ich fasse in einem Satz zusammen: Wir haben in denletzten Jahren eine Menge erreicht. Natürlich haben wirnicht das Paradies auf Erden geschaffen. Weitere Schrittemüssen folgen. Wir wollen die frühkindliche Betreuungund Bildung verbessern; denn mit der Reduzierung derTagesbetreuung auf den Aspekt der Vereinbarkeit von El-ternschaft und Beruf wird zu kurz gegriffen. Eine reineVerwahrung und Beschäftigung wäre weder kindgerechtnoch nachhaltig. Nur gute Einrichtungen und qualifi-zierte Pflegepersonen können Kindern bessere und vorallem gerechtere Bildungschancen verschaffen und sieoptimal fördern. Wir wollen für eine bessere Qualität,Beitragsfreiheit und Ganztagsplätze in unseren Kitas so-wie eine weitere Erhöhung der Anzahl echter Ganztags-schulen sorgen.
Eine gute Sozialpolitik ist immer auch eine gute Fa-milienpolitik. Der gesetzliche Mindestlohn und eine bes-sere soziale Absicherung, wie wir Sozialdemokraten sieanstreben, werden willkommene Hilfen für junge Fami-lien sein. Ich schließe bewusst die Einelternfamilien ein.WvbFukffmsiluZlwgfmtIstsldbngtnDRJblKcsbMn
ch zitiere aus Ihrem Antrag: „Umverteilung des gesell-chaftlich erbrachten Arbeitsvolumens“ und „Gleichver-eilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen den Ge-chlechtern“.Kommen wir zu den Inhalten dieses Antrages: Ver-ängerung des Kündigungsschutzes bis zur Vollendunges siebten Lebensjahres des Kindes, Mitspracherechtei der Gestaltung ihrer Arbeitszeiten, Recht auf Ableh-ung von Überstunden und weitere Wunschvorstellun-en. Liebe Genossen von der Linkspartei, das ist Arbei-erparadies pur.Erzählen Sie Ihre Forderungen doch bitte einmal ei-em Arbeiter von Opel, einem von Qimonda, der inresden demonstriert, einem von Schaeffler, einem vonosenthal usw. Ich rate Ihnen, der Wirklichkeit imahre 2009 einmal ins Auge zu schauen: Unternehmenrechen reihenweise zusammen. Was steigt in Deutsch-and? – Es sind die Zahlen der Entlassungen und derurzarbeiter. Sie glauben doch nicht wirklich, dass sol-he Forderungen unter diesen Umständen durchsetzbarind. Unter solchen Bedingungen würde kein Arbeitge-er einem Familienvater oder einer alleinerziehendenutter eine Stelle anbieten. Auch junge Frauen würdenicht eingestellt; denn sie könnten ja schwanger werden.
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Henry NitzscheIn meinem Wahlkreis hat zum Beispiel Hoyerswerdaeine Arbeitslosenquote von über 20 Prozent. Darunterbefinden sich noch viele junge Menschen, die nicht ausihrer Heimat wegziehen wollen. Sie glauben doch nicht,dass diese nach Annahme Ihres Antrags überhaupt nocheine Arbeit in der Region finden würden. Das würde dasAus für solche Städte bedeuten. Erzählen Sie das dochbitte einmal Ihrer Fraktion im Stadtrat. Die Einzigen, dieunter derartigen Bedingungen noch Arbeit finden wür-den, sind Kinderlose jenseits des gebärfähigen Alters.Mit Ihrem Antrag verschlechtern Sie somit die Situa-tion junger arbeitsloser Väter und Mütter massiv, was Ih-nen aber offensichtlich egal ist. Sie wollen lieber diePosition der betrieblichen Interessenvertretungen undder Gewerkschaften stärken, wohl wissend, dass sichdiese einen Dreck um die Arbeitslosen scheren.Wenn es Ihnen wirklich um alle Familien in Deutsch-land ginge, dann müssten Sie sich auch um die Frauenkümmern, die in den ersten Mutterjahren daheimbleibenwollen. Auch sie verdienen unsere Unterstützung. Dasfängt schon damit an, dass man ihre Arbeit und ihreRolle als Mutter wertschätzt. Genau das tun Sie nicht.Sie haben ganz andere Vorstellungen von Werten. Ich zi-tiere aus Ihrem Parteiprogramm:Ein neues Familienbild muss auch die Lebenswei-sen von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Trans-gendern einschließen.So sieht also Ihre linke Familienförderung aus.
– Sie wissen genau, Frau Kipping, dass aus diesen Be-ziehungen alles Mögliche entsteht, bloß keine Kinder.Kinder brauchen wir nun einmal in Deutschland.In Ihrem Antrag geht es weder um die Familien nochum arbeitslose Väter oder Mütter. Der Antrag der Linkenschafft keine Arbeit; er verhindert sie. Außerdem führter zu einem weiteren Geburtenrückgang.
Herr Nitzsche, achten Sie bitte auf die Redezeit.
Ich komme zum Schluss. – Aber genau das können
wir uns nicht leisten. Frau von der Leyen mag noch so
viele frisierte Statistiken hervorzaubern. Deutschland
braucht mehr Kinder. Dies muss der Kern eines jeden fa-
milienpolitischen Antrags sein.
Im Übrigen, Frau Präsidentin: Das Plenum ist nicht
beschlussfähig.
Für die Fraktion Die Linke spricht nun der Kollege
Jörn Wunderlich.
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Ich muss meine Rede ein bisschen stauchen. Das Introber die Kinderbetreuung lasse ich deshalb weg. Sie istdarin sind wir uns sicherlich alle einig – ein wichtigerchritt neben vielen anderen flankierenden Maßnahmen,ie es heißt. Aber wie sieht es mit der Kinderbetreuungus?Letzten Montag wurde in der Hannoverschen Neuenresse aus einem Arbeitspapier des Städte- und Gemein-ebunds zitiert. Da heißt es, bislang sei es sehr schlep-end. Um das Ziel der Bundesregierung umzusetzen,üsse es mindestens mit doppelter Geschwindigkeit vo-angehen. 40 000 bis 70 000 Alleinerziehende sind er-erbslos, weil ein Betreuungsplatz fehlt.Ich frage mich, wo die flankierenden Maßnahmenzw. die anderen Schritte bleiben, die immer wieder an-ekündigt werden. Wir zeigen sie in unserem Antraguf.Es geht darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, mitem Ziel, Elternschaft lebbar zu machen und den Be-ürfnissen junger Familien besser zu entsprechen. Esieß immer in epischer Breite, wir sollten das Protokoller ersten Beratung lesen; darin stehe das alles schon.ber man muss das immer wieder betonen und wieder-olen, wenn es einfach nicht kapiert wird.
Es ist doch mein Antrag. Wo steht in diesem Antrag,ass eine Mutter – erstaunlicherweise ist immer vonüttern die Rede, dabei bestehen Eltern im Regelfallus zwei Personen; auch Väter sind Teil der Eltern –
ine Auszeit von sieben Jahren nehmen kann? Das ist aneiner Stelle zu lesen. Das ist eine bewusste politischeehlinterpretation, die ständig wiederholt wird.
Es geht um den Kündigungsschutz, nicht um Eltern-eit.
ei der Elternzeit mit den Partnermonaten wollten wirine wirklich partnerschaftliche Elternzeit mit jeweilswölf Monaten für den Vater und die Mutter, die nichtbertragbar sind. Für Alleinerziehende sollte der dop-elte Zeitraum gelten. Das war der Knackpunkt. Wirollten eine wirklich partnerschaftliche Regelung derwölf Monate. Die sieben Jahre sind abgelehnt worden.as will die Koalition nicht.
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Jörn WunderlichSo eine Partnerschaft will die Koalition nicht. Die siebenJahre sind dem geschuldet, dass wir davon ausgegangensind, dass man das auch splitten kann.
– Frau Lenke, Sie kennen doch unsere Anträge auch.
Sie lehnen sie immer per se ab. Auf den Inhalt kommt esIhnen gar nicht an. Das zeigt sich auch heute.Es ging darum, die Elternzeit so aufzusplitten, dassman möglicherweise auch nach der Einschulung desKindes ein halbes Jahr nehmen kann. Weil im Regelfallalle Kinder mit sieben Jahren eingeschult worden sind,haben wir gefordert, den Kündigungsschutz entspre-chend zu erweitern. Das ist der Kern unserer Aussagezum Kündigungsschutz. Es ist nicht von einer siebenjäh-rigen Auszeit – erst recht nicht nur von Müttern – dieRede, Frau Lenke. Ich weiß nicht, woher Sie das haben.Eine solche Interpretation ist schon irre.
Dass die Berufsrückkehr ein wesentlicher Punkt ist,haben wir schon im Ausschuss festgestellt.
Dabei geht es um eine entsprechende Qualifizierung fürden Wiedereinstieg in den Beruf.
Kollege Wunderlich, gestatten Sie eine Zwischen-
frage der Kollegin Lenke?
Ich komme so schon kaum hin. Sie kann sich zu einer
Kurzintervention melden.
Die Förderung der Berufsrückkehr ist ein wesentli-
cher Punkt, der auch im Antrag gefordert wird. Es ist im
Ausschuss übereinstimmend festgestellt worden, dass
dies ein Knackpunkt ist, der geregelt werden muss.
Die Probleme mit dem Mehrschichtbetrieb, die Sie
angesprochen haben, Frau Möllring, greifen wir in unse-
rem Antrag auf. Wir fordern einen Anspruch auf Teilzeit
bzw. auf Normalschichtbetrieb. Diesen Problemen ist
man aber noch nicht gerecht geworden. Man kann nicht
immer auf freiwillige Vereinbarungen zwischen Be-
triebsrat, Belegschaft und Unternehmer setzen. Man
muss Regelungen schaffen. Es gibt sicherlich etliche Be-
triebe, die sagen, wenn unser Antrag durchkommt – er
kommt nicht durch; ich weiß, wie hier abgestimmt
wird –: „Dies interessiert mich nicht; das mache ich so-
wieso schon; ich rede mit meiner Belegschaft.“ – Man
kann nicht immer so tun, als schikanierten die Arbeit-
nehmer die Arbeitgeber.
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ch spreche von den Unternehmen, die einen Mehr-
chichtbetrieb ohne Rücksicht auf Familien durchführen.
as ist der Knackpunkt.
Wir zeigen in unserem Antrag die flankierenden Maß-
ahmen auf, die aus Sicht der Regierung eigentlich er-
orderlich sind, um eine familienfreundliche Politik in
iesem Land zu betreiben. Deshalb kann ich nur darum
rsuchen, unserem Antrag zuzustimmen. Sie sollten
icht dauernd etwas hineininterpretieren, was nicht drin-
teht. Das ist unmöglich.
Danke für die Aufmerksamkeit.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die
ollegin Britta Haßelmann das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär!iebe Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, derPD-Fraktion, der CDU/CSU-Fraktion, der FDP-Frak-ion und meiner Fraktion! Es ist gut, dass wir heute mitrnsthaftigkeit darüber diskutieren, wie wir es schaffenönnen, dass Familie und Beruf besser zu vereinbarenind; denn für immer mehr Menschen wird Zeit zu einemirklich knappen Gut. Das gilt insbesondere in der soge-annten Rushhour des Lebens. Am besten soll man imlter zwischen 20 und 35 Ausbildung, Beruf, Karriere-eiter, Studienabschluss, vielleicht Familiengründungnd Kinder miteinander vereinbaren und schultern. Daslles soll man mit einem Diplom unter dem Arm im Eil-empo hinbekommen. Das ist für immer mehr Frauenie für Männer ein wahnsinniges Problem; denn die ei-ene Lebenswirklichkeit deckt sich für immer mehrenschen immer seltener mit den eigenen Lebenswün-chen. Deshalb ist es gut, darüber zu diskutieren, welcheösungswege es gibt, den vielfältigen Lebenswirklich-eiten von Frauen und Männern gerecht zu werden so-ie jeder und jedem zu ermöglichen, ein selbstbestimm-es Leben zu führen sowie Familie und Beruf zuereinbaren.Jörn Wunderlich, wir sollten uns einmal anschauen,elche Auswirkungen Ihre Vorschläge voraussichtlichuf die Erwerbstätigkeit von Frauen und die Einstellungs-raxis der Betriebe haben werden. Mit einer Elternzeiton sieben Jahren und den anderen bereits angesproche-en Maßnahmen geben Sie in Ihrem Antrag definitiveine Antwort auf die anstehenden Herausforderungenei der Zeitsouveränität von Frauen und Männern.
Es geht um die Realität, in der wir leben, und die Re-lität der Erwerbstätigkeit von Frauen, ob jung oder alt.hre Vorschläge werden negative Auswirkungen auf die
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Britta HaßelmannEinstellung von Frauen in der Praxis haben. Das kannman nicht wegdiskutieren. Ich finde es wahnsinnigwichtig, dass wir über Zeitpolitik, Rushhour des Lebenssowie die Zeitsouveränität von Frauen und Männern dis-kutieren und darüber nachdenken, welche gesetzlichenRahmenbedingungen wir schaffen können und welchenRaum wir in der Gesellschaft für bestimmte Fragestel-lungen bieten können. Eines der großen Probleme dabeiist nämlich, dass es dafür eigentlich keine Akzeptanzgibt.Die Ansprüche von Frauen entsprechen in der Regel– das belegen alle Umfragen, die wir kennen – nicht demWunsch, weniger zu arbeiten, sondern mehr zu arbeiten.Sehr vielen der befragten Frauen geht es um eine eigen-ständige Existenzsicherung und Erwerbstätigkeit. Wennman Männer fragt, was sie machen wollen, so bekommtman als Antwort, dass sie Familienaufgaben mit Arbeitverbinden wollen.Die Lebensrealität sieht aber ganz anders aus: DieVollzeitquote von Vätern liegt bei der Erwerbstätigkeit bei82 Prozent. Und diese Realität müssen wir anerkennen.Insofern müssen wir überlegen, ob die Maßnahmen, dieSie vorschlagen, nicht völlig kontraproduktiv sind unddazu führen, dass es keine egalitäre Arbeitsteilung vonFrauen und Männern für Familie und Beruf geben kann,obwohl diese das wünschen. Deshalb finde ich Ihre Vor-schläge hierzu im Antrag so problematisch.
Da geht es jetzt nicht darum, zu sagen: Nur weil es dieLinken vorgeschlagen haben, muss man das alles ablehnen.Vielmehr frage ich: Sind das wirklich geeignete Maßnah-men, um eine egalitäre Arbeitsteilung hinzubekommen,wenn Frauen und Männer diese wollen? Das ist meinerMeinung nach nicht der Fall.Wir brauchen eine Debatte über das Thema Zeit-souveränität. Wir brauchen eine Debatte über die Vielfaltder Lebensformen und der Lebensrealitäten, die Men-schen leben wollen. Und wir brauchen eine Diskussiondarüber, welche Auswirkungen Maßnahmen, die wirvorschlagen würden, auf die Geschlechtergerechtigkeithätten.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussemp-fehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauenund Jugend zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mitdem Titel „Arbeit familienfreundlich gestalten – Verein-barkeit von Familie und Beruf für Mütter und Väter lebbarmachen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-empfehlung auf Drucksache 16/10605, den Antrag derFraktion Die Linke auf Drucksache 16/7482 abzulehnen.Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Werstimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss-eSnLAhE
gierungTourismuspolitische Leitlinien der Bundes-regierung– Drucksache 16/11594 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Kultur und Medienb) Beratung des Antrags der Abgeordneten KlausBrähmig, Jürgen Klimke, Dr. Hans-PeterFriedrich , weiterer Abgeordneter und derFraktion der CDU/CSUsowie der Abgeordneten Annette Faße, RenateGradistanac, Clemens Bollen, weiterer Abgeord-neter und der Fraktion der SPDBarrierefreien Tourismus weiter fördern– Drucksache 16/12101 -Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionAusschuss für Kultur und MedienHaushaltsausschussc) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Herlitzius, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, wei-terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENMehr Engagement für eine nachhaltige Tou-rismusentwicklung – Ausweisung der CO2-Bi-lanz bei Pauschalreisen– Drucksachen 16/9346, 16/12075 –Berichterstattung:Abgeordnete Klaus BrähmigDr. Reinhold HemkerErnst BurgbacherDr. Ilja SeifertBettina HerlitziusNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ichöre dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollegernst Hinsken.
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Ernst Hinsken, Beauftragter der Bundesregierung fürTourismus:Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Erstmals legt die Bundesregierung Leitlinien für dieTourismuspolitik vor. Sie sind Ergebnis und Resultatdessen, was wir in tourismuspolitischen Berichten in denletzten Jahren immer wieder diskutiert und darüber hi-naus auch beraten haben. Herr Kollege Burgbacher, ichmeine schon, sagen zu dürfen: Das ist die politische Bot-schaft. Zum Beispiel hat es unter einem FDP-Ministernoch nicht gegeben, dass tourismuspolitische Leitlinienaufgelegt wurden.
Uns geht es vor allen Dingen darum, dass die Touris-muspolitik in das Bewusstsein der Bevölkerung gerücktwird. Wir sagen gerade mit diesen Leitlinien, was wirwollen und welche Felder unserer Meinung nach fortent-wickelt werden sollen.Wir können in Sachen Tourismus auf Boomjahreaufbauen. Denn seit der Fußballweltmeisterschaft imJahre 2006 rollt auch der Tourismusball. Wir könnendarauf verweisen, dass allein im vergangenen Jahr trotzhoher Energiepreise ein Plus von 2 Prozent in SachenTourismus erzielt wurde und wir eine Steigerung derÜbernachtungszahlen auf 370 Millionen vorweisen kön-nen.Aber ich möchte gleichzeitig hinzufügen: 2009 ist dieUnsicherheit groß. Ich setze auf die Robustheit und aufden Optimismus in der Tourismusbranche. Trotzdemmöchte ich nicht verhehlen, dass ich befürchte, dass esgerade in diesem Jahr nicht nur zu einer Stagnation, son-dern unter Umständen zu einem Minus von ungefähr2 Prozent kommen wird. Gerade mit diesen Leitlinienwollen wir aufrütteln. Wir wollen vernünftige Rahmen-bedingungen setzen, damit sich die Tourismuswirtschaftentfalten und sie noch mehr Gas geben kann, als das inder Vergangenheit der Fall war.Der Tourismus sollte nicht unterschätzt werden. Erfreu-licherweise kann festgestellt werden, dass der Tourismusnicht mehr nur durch die Brille des Urlaubs, der schönstenTage und Wochen des Jahres, gesehen oder in Verbindungmit blauem Himmel, Strand und Meer gebracht wird,sondern dass in der Zwischenzeit auch die ökonomischeBedeutung des Tourismus erkannt wurde.
Ich darf bei dieser Gelegenheit darauf verweisen, dassneben der Biotechnologie, dem IT-Sektor sowie derGesundheitswirtschaft gerade der Tourismus die Wachs-tumslokomotive Nummer eins in der BundesrepublikDeutschland in diesem 21. Jahrhundert, das geradebegonnen hat, ist. Nur, die Rahmenbedingungen müssenstimmen. Neben den Bereichen Arbeit und Soziales,Steuern, Verkehr, Umwelt, Verbraucherschutz, Gesund-heit, Bildung, Sport und Kultur und vielen anderen Din-gen mehr gilt es, die Rahmenbedingungen zu schaffen,damit sich der Tourismus entfalten kann. Wie hat kürz-lich unser neuer Bundeswirtschaftsminister formuliert?EtwwdTvbüBLEsJUduksntoRshddlwkgddEdd5Rddmwedü2rA
Auch müssen wir sehen, dass gerade die Tourismus-irtschaft unter dem Globalisierungs- und Wettbewerbs-ruck steht; denn weltweit wird um den einzelnenouristen gebuhlt. Wir müssen alles tun, um ein Stückon diesem Kuchen, der zur Verteilung ansteht, abzu-ekommen. Dabei können wir erfreut feststellen, dassber 30 Prozent der Deutschen ihren Urlaub in derundesrepublik Deutschland verbringen. In verschiedenenändern sind es sogar noch etwas mehr. Ich möchte deminzelnen die Urlaubsfreude nicht vermiesen. Man sollich informieren. Aber wenn man dreimal während desahres in Urlaub geht und davon ein- oder zweimal denrlaub in der Bundesrepublik Deutschland verbringt,ann tut man nichts Falsches, sondern man tut etwas fürnsere Tourismuswirtschaft und lernt Land und Leuteennen.
Es gilt vor allen Dingen, die Qualität und die Stärken zutärken. Dasselbe gilt für die Qualifizierung. Wir müsseneue Wege zum Beispiel in Sachen Städte- und Kultur-urismus gehen. Wir müssen versuchen, die ländlichenegionen aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken, dieeit dem Sommermärchen 2006 nichts abbekommenaben. Wenn ich davon spreche, die Qualität zu stärken,ann sage ich das deshalb, weil Qualität der Inbegriffes positiven Tourismus in der Bundesrepublik Deutsch-and ist. Von Qualität kann man dann nicht sprechen,enn ein Brief nach dem Urlaubsaufenthalt eines Gastesommt, in dem sich dieser beschwert, was alles daneben-egangen ist, sondern Qualität ist, wenn er sich im folgen-en Jahr wiedersehen lässt. Deshalb muss besonders aufie Qualität gesetzt werden.
Im Jahr 2010 ist die Metropole Ruhr Kulturhauptstadturopas. Kann eine Zeche schön sein? Diese Frage habenie Menschen im Ruhrgebiet mit Ja beantwortet. Wir habenas seitens der Bundesregierung gefördert. Wir sind mit00 000 Euro dabei. Ich begrüße es, dass gerade dieuhrregion Partner bei der ITB-Eröffnung in der kommen-en Woche ist. Das ist die Leistung der CDU, der CSU under SPD. Zusammen haben wir die notwendigen Maßnah-en ergriffen.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch das ansprechen,as uns besonders unter den Nägeln brennt. Das ist zuminen der Klimawandel und die Erderwärmung, zum an-eren ist es der demografische Wandel. Wir dürfen nichtbersehen, dass die Altersgruppe der 49- bis 74-Jährigen9 Prozent der Bundesbevölkerung ausmacht. Im Tou-ismussektor aber sind es 48 Prozent. Da ist Musik drin.n dieser Stelle müssen Programme aufgelegt werden,
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Beauftragter der Bundesregierung Ernst Hinskendamit diese Leute mehr Möglichkeiten haben, Touris-mus in der Bundesrepublik Deutschland zu machen.Ich komme zu einer letzten Bemerkung: Werben tutnot. Wer nicht wirbt, der stirbt. Deshalb ist der Haushalts-ausschuss gut beraten, wenn er der Deutschen Zentrale fürTourismus mehr Mittel zuweist, damit man im Auslandwerben kann und Ausländern die BundesrepublikDeutschland so schmackhaft machen kann, wie wir siealle selbst empfinden.In diesem Sinne: Herzlichen Dank für die Aufmerk-samkeit.
Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Ernst
Burgbacher.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Zu Ihrer Eingangsbemerkung, lieber Herr Hinsken: Ichglaube, es ist unstrittig, dass es ohne die FDP und meinenVorgänger Olaf Feldmann keinen eigenständigen Touris-musausschuss gäbe.
Die FDP muss sich, was die Tourismuspolitik angeht,nirgends verstecken; das ist auch klar.
Wir begrüßen durchaus, dass die Tourismuspoliti-schen Leitlinien heute diskutiert werden. Sie kommenzwar zum Schluss der Legislaturperiode, aber immerhin:Sie kommen noch.
Wenn man sie allerdings auf Inhalte abklopft, dann stelltman fest, dass es ganz anders aussieht. Vieles ist völligunkonkret und nicht ausgereift. Handlungsanweisungensind aus diesen Leitlinien beim besten Willen nicht ab-zulesen.
Die FDP hat schon vor einiger Zeit ein Tourismus-konzept vorgelegt. Dieses enthält 31 sehr konkrete For-derungen, die man abarbeiten kann. Diese Forderungenbetreffen unter anderem Steuer- und Abgabeerleichte-rungen, verbesserte Ausbildungsmöglichkeiten, die wei-tere Entzerrung der Ferienzeiten, die Gleichbehandlungund Vernetzung der Verkehrsträger – dies ist ein ganzwichtiges Thema – und die Verbesserung des touristi-schen Angebots für mobilitätseingeschränkte Menschen.
All dies kann man in ein Programm schreiben. Das istkonkret, und dadurch weiß man dann, was man zu tun hat.DlwQwbdasivhaWwgEHn5Ew17DdSeSkSWUshß
s ist ebenfalls eine eklatante Wettbewerbsverzerrung,enn der Gastwirt in Deutschland für die Boulette9 Prozent nehmen muss und der Metzger nebenan nurProzent.
as geht nicht, und deshalb brauchen wir einheitlichiese reduzierten Mehrwertsteuersätze.Zweites Zitat aus den Leitlinien:Die Rahmenbedingungen für die Tourismuswirt-schaft sollen weiter verbessert werden.ie, die Große Koalition, haben 20 Steuer- und Abgaben-rhöhungen beschlossen. Die Menschen haben untermtrich erheblich weniger Netto vom Brutto. Das sindeine besseren Rahmenbedingungen; vielmehr habenie genau das Gegenteil bewirkt.
Drittes Zitat aus den Leitlinien:Die Bundesregierung strebt eine kontinuierlicheStärkung der Wirtschaftskraft der vielen kleinen,mittelständischen und großen Unternehmen derTourismuswirtschaft an.as haben Sie mit dem Mittelstand denn gemacht? Ihrenternehmensteuerreform, verbunden mit einer Zins-chranke, mit der Besteuerung von Zins- und Leasingraten,at doch nichts mit „mittelstandsfreundlich“ zu tun. Au-erdem haben Sie ein Erbschaftsteuerrecht geschaffen, das
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Ernst Burgbachergerade für den Mittelstand zu immensen Problemenführt; ich verweise darauf, dass die Nachfolgeregelun-gen für die Tourismuswirtschaft äußerst problematischsind. Jetzt führen Sie noch Mindestlöhne ein. Ich wieder-hole: Das hat mit „mittelstandsfreundlich“ überhauptnichts zu tun. Das Gegenteil ist der Fall.
Viertes Zitat aus den Leitlinien:Die Unternehmen sind von überflüssiger Bürokratiezu entlasten.Schön wär’s! Was haben Sie eigentlich beim Allgemei-nen Gleichbehandlungsgesetz gemacht? Wissen Sie, wasdas an bürokratischen Belastungen bedeutet – gerade fürdie mittelständische Wirtschaft?
Was wir heute brauchten, ist ein Konjunkturpaket III,durch das der Abbau bürokratischer Regelungen voran-getrieben wird. Das kostet nichts; das würde der Wirt-schaft und den Verbrauchern aber enorm helfen.
Letztes Zitat aus den Leitlinien:Das hohe Ausbildungspotenzial in der Tourismus-wirtschaft muss ausgeschöpft werden.Stimmen Sie doch endlich unserer Initiative zur Liberali-sierung des Jugendarbeitsschutzes zu!
Das wäre die beste Ausschöpfung des Potenzials, das esin diesem Bereich gibt.Meine Damen und Herren von der Großen Koalition,Sie haben zwei Konjunkturpakete aufgelegt. Darinkommt der Tourismus nicht vor, noch nicht einmal an-satzweise. Das zeigt übrigens, welchen Stellenwert Sieder Tourismuswirtschaft wirklich zubilligen. Ich willkeine Unterstützungen für die Tourismuswirtschaft; daswill sie selbst auch nicht. Was ich will, ist ganz einfach:Ich will, dass sie von unnötigen bürokratischen Lastenbefreit wird. Ich will, dass der Bund vernünftige Dingefördert. Ich will vor allem, dass die Verbraucher genugGeld in der Tasche haben, um reisen zu können. Ein ein-faches, niedriges und gerechtes Steuersystem wäre diebeste Tourismuspolitik, die wir überhaupt machen kön-nen. Dazu waren Sie in der Großen Koalition nicht in derLage. Ich verspreche Ihnen: Dies wird sich ab Septem-ber/Oktober deutlich ändern.Herzlichen Dank.
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Auf der anderen Seite hat sich der Bundestag – das giltauch für die vorherigen Wahlperioden – immer mit demThema Barrierefreiheit auseinandergesetzt. Die Touris-muspolitiker haben sehr früh erkannt, dass das für dieTourismuswirtschaft wichtig ist, nicht nur aus sozialenund ethischen Gründen, sondern auch aus wirtschaftli-chen Gründen. Barrierefreiheit wird ein Qualitätssiegelsein, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Darumist es wichtig, dass wir uns auch in dieser Wahlperiodedamit befassen. Daher haben wir heute diesen Antrageingebracht.Es muss Ziel sein, eine Transportkette zu bilden. DenBegriff der Transportkette verwenden wir nicht nur des-halb, weil er sich so technisch anhört. Damit wollen wirzum Ausdruck bringen: Von Haus zu Haus, von zuHause bis zum Urlaubsziel, muss Mobilität garantiertsein. Auch am Urlaubsort muss man sich bewegen kön-nen. Zur Erreichung dieses Ziels besteht Handlungsbe-darf in vielen Bereichen. Wir haben die Handlungsfelderin unserem Antrag deutlich genannt.Lassen Sie mich an dieser Stelle darauf hinweisen,dass es durch das Konjunkturprogramm II auch möglichist, im baulichen und verkehrlichen Bereich Barrierefrei-heit zu erreichen. Das ist bei allen Diskussionen unterge-gangen. Aber wichtig ist: Auch dieses Segment ist in denMöglichkeiten des Konjunkturprogramms II einge-schlossen.
Gesellschaftliche Teilhabe für alle, selbstbestimmt inden Urlaub fahren zu können, das ist glücklicherweisefür viele eine Selbstverständlichkeit, aber leider nochnicht für alle. Unsere Sorge ist natürlich, dass sich in Zu-kunft viele einen Urlaub nur noch sehr eingeschränktoder gar nicht mehr werden leisten können.DuuBIRnwnDmJlUupRkdssldddnAdlskFETAp
ie Prognosen, die wir heute auf Deutschland bezogennd weltweit zur Kenntnis nehmen können, sind sehrnterschiedlich. Auf jeden Fall heißt es: Die Zahl deruchungen geht zurück. Nach Befragungen des Forsa-nstituts wollen in diesem Sommer noch 57 Prozent eineeise buchen. Nach dem ADAC-Reisemonitor planenoch 64,5 Prozent einen Urlaub. Das wären 3 Prozenteniger als im Vorjahr.Wenn wir heute über Leitlinien diskutieren, dann kön-en wir nicht sagen, dass wir hier eine heile Welt haben.as ist nicht so. Wir haben in diesem Jahr auf jeden Fallit einer Stagnation zu rechnen. Auch bezogen auf dasahr 2010 sehe ich das Ganze sehr kritisch; um es deut-ich zu sagen.Es werden sich Auswirkungen auf den Freizeit- undrlaubsbereich zeigen und damit auch auf Arbeitsplätzend – dies ist meine große Sorge – auf Ausbildungs-lätze. Auch wenn zurzeit noch viele sagen – sei es imeisebüro oder in der Gastronomie –, dass sie gute Fach-räfte haben und diese behalten wollen, so habe ich dochie Sorge, dass die Situation schwieriger wird und manich dann von Arbeitskräften trennt.Darum möchte ich klar und deutlich darauf hinwei-en: Auch für diese Branche gilt die Kurzarbeiterrege-ung. Qualifizierung ist dringend geboten. Ich fordereie Verbände auf, in ihren Gremien daran zu arbeiten,as für den Fall der Fälle miteinander zu verbinden undies klar und deutlich zu machen.
Frau Kollegin, bitte denken Sie an die Redezeit.
Ja. – Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, in der
ächsten Woche beginnt die ITB. Es werden fast so viele
ussteller wie bisher da sein. Wir sind sehr gespannt auf
ie Zeichen, die die ITB aussenden wird. Für Deutsch-
and bedeutet dies: Tourismus ist mehr als ein Wirt-
chaftsfaktor. Touristische Angebote sind die Visiten-
arte Deutschlands.
Danke schön.
Nun hat das Wort der Kollege Dr. Ilja Seifert für die
raktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieberrnst Hinsken, am 27. April 2007 hielten Sie auf derourismuskonferenz der Linksfraktion das Grußwort.uf dieser Konferenz diskutierten wir die Tourismus-olitischen Leitbilder der Linken. Ich meine, dass Ihre
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Dr. Ilja SeifertTeilnahme für Sie und für uns gut war. Ich danke Ihnennoch einmal ausdrücklich dafür.
Heute – fast zwei Jahre danach – diskutieren wir dieTourismuspolitischen Leitlinien der Bundesregierung,die im Wesentlichen Ihre Handschrift tragen. Wenn manbeide Dokumente nebeneinanderlegt, wird man etlicheÜbereinstimmungen feststellen. Insbesondere freutmich, dass das Thema des barrierefreien Tourismus IhreLeitlinien von Anfang bis Ende durchzieht. Bedauerli-cherweise sagten Sie jetzt kein Wort dazu. Immerhin hatFrau Kollegin Faße das nachgeholt.
Erforderlich ist jedoch aus meiner Sicht, die Heraus-forderungen der Tourismuspolitik nicht aus den Wün-schen der Tourismuswirtschaft abzuleiten, sondern inerster Linie die Bedürfnisse der Menschen nach Erho-lung, Bildung und Gesundheit zu befriedigen. Darin liegtder entscheidende Unterschied zwischen der Tourismus-politik der Bundesregierung und der Tourismuspolitikder Linken. Sie machen das Mittel zum Zweck. DieLinke tritt für einen Tourismus für alle ein; in den Wor-ten stimmen wir durchaus überein.
Wir wollen, dass alle Menschen reisen können. Diessage ich auch deshalb, weil ich aus der DDR komme unddamals das Reisen aufgrund politisch-ideologischer Ver-bohrtheit nur sehr eingeschränkt möglich war.
– Das ist die offizielle Position unserer Partei.
Wir wollen, dass alle reisen können, um sich zu erho-len, sich zu bilden und etwas für ihre Gesundheit zu tun.Wir wollen, dass man sich die Welt anschaut, um seineWeltanschauung auszuprägen.Insofern ist es inakzeptabel, wenn zunehmend mehrMenschen – vor allem auch Familien mit Kindern –nicht mehr reisen können,
weil ihnen das Geld dafür fehlt oder weil sie ihren Jah-resurlaub weder planen noch nehmen können. Wir wol-len, dass auch Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfän-ger und deren Kinder real Urlaub machen können.
Die Linke – das will ich ausdrücklich sagen – tritt fürdie stärkere Förderung des Kinder- und Jugendtourismusein.Wir brauchen auch die alljährliche Schulfahrt für alle,und zwar als Bildungsauftrag.
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Nächste Rednerin ist die Kollegin Bettina Herlitzius
ür die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damennd Herren! Seit einigen Wochen steht ein Thema imauptfokus der öffentlichen Medien: die Weltwirt-chaftskrise und ihre Auswirkungen auf den Arbeits-arkt. Viele Arbeitsplätze, auch in Deutschland, sindefährdet: 20 000 akut bei Opel. 16 000 Leiharbeiter beiW sind schon entlassen worden. Gestern haben wir aufem Parlamentarischen Abend des Bundesverbandes dereutschen Fluggesellschaften erfahren, dass auch vonen 150 000 Arbeitsplätzen im Flugverkehr einige ge-ährdet seien, wenn wir nicht schleunigst Landebahnen
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Bettina Herlitziusausbauten, weitere Lärmschutzgesetze verhinderten undansonsten möglichst weitermachten wie bisher.Meine Frage lautet: Ist das richtig? Ist es der richtigeWeg, dass wir für mögliche Arbeitsplätze sorgen, indemwir zugleich unsere Natur, unsere Umwelt und unser so-ziales Leben weiter zerstören? Ist das der richtige Weg?Diese Frage stellt sich vor allem auch vor dem Hinter-grund eines Konjunkturprogramms, das solche Entwick-lungen noch verstärkt bzw. weiter unterstützt. In IhremKonjunkturprogramm gibt es nämlich einen ganz kriti-schen Baustein. Es handelt sich um die Gelder zur Indus-trieförderung in Höhe von 100 Milliarden Euro. Diese100 Milliarden Euro werden industrielle Umbauten, diedringend notwendig sind, verhindern und die normalenSelbstreinigungskräfte der Wirtschaft behindern; dennviele Firmen sind gelähmt, warten ab und halten dieHand auf. So werden in den nächsten Wochen weitereFirmen um Hilfe bitten.Aber kommen wir zum Tourismus: Reden wir übereinen Bereich, der wirklich viele Arbeitsplätze umfasst.Es gibt 3 Millionen Arbeitsplätze im touristischen Be-reich. Damit steht der Tourismus bei den arbeitskraftin-tensiven Bereichen an dritter Stelle, und zwar nach demHandwerk und dem Gesundheitswesen. Das sollten wiruns einmal vor Augen führen. Das heißt, wir müssen denFokus auch auf diesen Bereich legen. Es geht hier näm-lich um Arbeitsplätze, die sich über ganz Deutschlandverteilen, um Arbeitsplätze in der Provinz, um Arbeits-plätze von Frauen, um Arbeitsplätze vom BayerischenWald bis nach Helgoland. Um diese Arbeitsplätze müs-sen wir uns kümmern, weil sie regionale Stabilität be-wirken. Insofern ist es an dieser Stelle wichtig, zu fra-gen: Was sind die Probleme des Tourismus?Ein Problem des Tourismus ist das Kirchturmdenkender Tourismusfachleute, deren Welt an der Gemeinde-grenze aufhört.
Weitere Probleme sind der anstehende Generations-wechsel in den Unternehmen, die marode Infrastrukturund die geringe Investitionsbereitschaft vieler Unterneh-men. Ein besonders schwerwiegendes Problem ist derQualitätsstandard in den Hotels und der Gastronomie inDeutschland. Gehen wir einmal ein Stück von derHauptstadt weg in den ländlichen Raum, dann stoßenwir dort in Hotels und Gaststätten auf den Charme der50er- und 60er-Jahre.
An dieser Stelle müssen wir die Unternehmen unterstüt-zen. Wir müssen ihnen helfen, sich zukunftssicher auf-zubauen.Das ist der Grund, warum wir Leitlinien brauchen.
Nur: Können die Leitlinien, die uns heute vorgelegt wor-den sind, dem wirklich gerecht werden? Stecken sie ei-nen Rahmen ab? Geben sie Ziele vor? Vor allen Dingen:BMAdtdwdGsVrvStwghWgarcFAUdkKEtAmA
ie uns zu Spitzenreitern machen werden.Lassen Sie uns einen Blick auf die Schweiz werfen.estern ist der dritte Tourismusbericht des Weltwirt-chaftsforums veröffentlicht worden. Die Schweiz ist imergleich von 133 Ländern Top-Urlaubsdestination. Wa-um? Sie hat einen attraktiven flächendeckenden Nah-erkehr.
ie hat Naturräume, die sie richtig schützt, und eine Gas-ronomie mit einem hohen Qualitätsstandard. Da könnenir uns noch einiges abschauen.Wir müssen uns den Herausforderungen stellen. Dazuehören die Themen Klimawandel und Tourismus, nach-altige Mobilität und vor allen Dingen demografischerandel, die dringend Beachtung finden müssen. Ichlaube, da ist noch einiges zu tun.
Wir brauchen einen sozialen Rahmen, Mindestlöhne,ber auch Jugendschutz. – Herr Burgbacher, Ihre Forde-ung dazu ist fatal. – Ebenso brauchen wir klare steuerli-he Regeln und eine nachhaltige Förderung statt einerörderung von Schneekanonen.
ußerdem sind flächendeckende Qualitätsstandards undnterstützungsprogramme für Hotels notwendig, damitiese auf Dämmbau und erneuerbare Energien umstellenönnen.Danke schön.
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege
laus Brähmig das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!s ist eine gute Tradition, am Vorabend der ITB eineourismuspolitische Debatte mit Analysen und einemusblick zur Situation der Branche zu führen. Ichöchte dies mit einem Dank an Michael Glos für seinerbeit verbinden. In seiner Amtszeit sind für den Touris-
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Klaus Brähmigmusstandort Deutschland und die Branche wegweisendeEntscheidungen getroffen worden,
so – als Vorläufer eines Staatssekretärs – die Einrichtungdes Tourismusbeauftragten als direkter Ansprechpartnerin der Bundesregierung für die Branche und die bestän-dige Erhöhung der Mittel für die Deutsche Zentrale fürTourismus. Ich sage ausdrücklich, dass wir weiterhineine Bündelung der Aktivitäten zwischen Bund, Ländernund der Wirtschaft brauchen nach der Devise: nicht kle-ckern, sondern klotzen. Es wäre natürlich absolut wün-schenswert, dass unter der Leitung der DZT eine konzer-tierte Aktion zur Bewerbung Deutschlands stattfindet.Außerdem sind zum ersten Mal tourismuspolitischeLeitlinien der Bundesregierung verabschiedet worden;Ernst Hinsken hat sie vorgestellt.Gleichzeitig will ich die Gelegenheit nutzen, unseremneuen Tourismus- und Wirtschaftsminister Karl-Theodorzu Guttenberg Glückwünsche zur Amtsübernahme aus-zusprechen. Bei ihm ist die Branche in guten Händen.Sein Wahlkreis ist zutiefst touristisch geprägt. Er kenntaus eigener Erfahrung die Vielfalt des Tourismusstand-ortes Deutschland, zum Beispiel die exzellente Gastro-nomie in Franken. Burgen, Schlösser, Klöster, Kirchen,Bäder wie zum Beispiel das in Staffelstein und eine zau-berhafte Landschaft sind Markenzeichen für das touristi-sche Angebot im Maintal und der Fränkischen Schweiz.
Meine Damen und Herren, das Jahr 2008 war ein Re-kordjahr für den Deutschlandtourismus: 370 MillionenGästeübernachtungen, ein Plus von über 2 Prozent ge-genüber dem Vorjahr, bei ausländischen Gästen sogarein Plus von 3 Prozent. Das sollte der Maßstab für dasJahr 2009 sein.Was sind nun die aktuellen Herausforderungen für dieTourismusbranche? Der Investitionsstau in der Touris-muswirtschaft muss in den nächsten Jahren aufgelöstwerden, vor allem in den ländlichen Räumen. Hier giltes, antizyklisch zu arbeiten und jetzt mithilfe der vielfäl-tigen Bundesprogramme zu investieren. Ich gehe aus-drücklich davon aus, dass gerade die ortsansässigenSparkassen und Kreditinstitute sowie die Volksbankenhier Gewehr bei Fuß stehen.Wir brauchen eine Wettbewerbsgleichheit zum Bei-spiel auf dem Gebiet der Breitbandversorgung, um eineGleichheit zwischen den Ballungsräumen und dem länd-lichen Raum herzustellen. Ich sage ausdrücklich: Es darfnicht sein, dass man mit dem Flugzeug schneller amMittelmeer ist als in einem deutschen Mittelgebirge. Dieverkehrliche Erreichbarkeit deutscher Tourismusregio-nen via Pkw, Bahn und Bus muss unbedingt verbessertwerden.Stichwort: Umweltzonen in deutschen Städten. Wirmüssen aufpassen, dass wir nicht den Ast absägen, aufdem wir sitzen.
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Nun hat die Kollegin Brunhilde Irber von der SPD-
Fraktion das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Wir beraten heute unter anderem einen Antragder Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie fordert in ih-rem Antrag, dass Verkehrsträger wie Flugzeuge undBahnen gesetzlich verpflichtet werden, die CO2-Belas-tung, die sie verursachen, auszuweisen, damit umweltbe-wusste Verbraucher eventuell auf Fernreisen verzichten.
Wie stellen Sie sich das vor? Das wäre ein bürokrati-sches Monster.DLbbrdktuwdbsdbgwnCdDtQdsLhdIrmAsdlLksfdftulD
ie SPD-Bundestagsfraktion hält die Einbeziehung desuftverkehrs in den Emissionshandel für ein wesentlichesseres Modell. Dieses Modell wollen wir weiter aus-auen. Deshalb ist Ihr Antrag abzulehnen.
Ich möchte nun auf die Leitlinien der Bundesregie-ung für die Tourismuspolitik zu sprechen kommen. Inen letzten 14 Jahren habe ich im Bundestag dafür ge-ämpft, dass der Tourismus vom Kabinett und den Frak-ionen als die große Wachstumsbranche wahrgenommennd ihm ein höherer Stellenwert eingeräumt wird. Heuteird mein Traum wahr. Dafür möchte ich mich unter an-erem auch beim Tourismusbeauftragten Ernst Hinskenedanken, auch wenn einige Wünsche offen gebliebenind.Der Lackmustest für unsere Tourismuswirtschaft istie aktuelle Wirtschaftskrise. Gerade in Krisenzeitenraucht die Branche gute politische Rahmenbedingun-en, um sich den Herausforderungen stellen, um wettbe-erbsfähig bleiben und notwendige Anpassungen vor-ehmen zu können. Die Wirtschaftskrise birgt aber auchhancen für den Inlandstourismus. Bereits 2008 boomteer Inlandstourismus mit einem Anteil von 38 Prozent.er Trend zum Urlaub in heimischen Gefilden wird wei-er zunehmen. Das stimmt mich zuversichtlich.Liebe Kolleginnen und Kollegen, beim Tourismus istualität der Schlüssel zum Erfolg. Seit Jahren sage ich,ass wir im Wettbewerb mit anderen Anbietern nur be-tehen können, wenn unsere touristischen Angebote undeistungen von hervorragender Qualität sind. Dazu ge-ört nicht nur eine erstklassige Infrastruktur, sondernazu gehören vor allem auch qualifizierte Mitarbeiter.ch bin froh, dass die Bundesregierung der Qualifizie-ung in ihren tourismuspolitischen Leitlinien einen ange-essenen Platz einräumt. Mehrfach habe ich auf dieufnahme wichtiger Lehrinhalte – zum Beispiel des Ge-chäftsreisemanagements oder von Fremdsprachen – inie Ausbildungspläne der Berufs-, Fach- und Hochschu-en gedrängt. Ich erwarte, dass die Bundesregierung dieänder nun mit Nachdruck zum Handeln bewegt.
Von den Leitlinien sollte auch ein Impuls gegen pre-äre Beschäftigungsverhältnisse in der Tourismuswirt-chaft ausgehen, gerade angesichts ihrer Verantwortungür über 2,8 Millionen Beschäftigte. Die Flexibilisierunges Arbeitsmarktes darf nicht zu sittenwidrigen Löhnenühren.Ich begrüße ausdrücklich das Vorhaben, auch benach-eiligten Bevölkerungsschichten in Deutschland Ferien-nterkünfte zu günstigen Preisen zu ermöglichen. Ur-aub definiert als Teilhabe und nicht als Luxus ist sozial.afür stehen wir.
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Brunhilde IrberAn dieser Stelle möchte ich an unsere weltweite Vor-bildfunktion im Tourismus erinnern. Wir sind nicht nursozial und ökologisch in der Verantwortung, sondernauch ethisch, zum Beispiel wenn es um den Schutz vonKindern vor sexueller Ausbeutung geht. Ich bin stolz,dass wir uns auf internationaler Ebene erfolgreich für ei-nen Verhaltenskodex für touristische Unternehmen stark-machen. Ich wünsche mir, dass diese Unternehmen die-sen Kodex umsetzen.
Besonders auf EU-Ebene müssen sich unsere touris-muspolitischen Leitlinien in die von der Kommission2006 verfassten Eckpunkte über eine gemeinsame EU-Tourismuspolitik einbetten. Hierzu gehören eine bessereNutzung europäischer Finanzierungsinstrumente und derAbbau von bürokratischen Hemmnissen und Wettbe-werbsverzerrungen.Die tourismuspolitischen Leitlinien der Bundesregie-rung bieten eine gute Orientierung für die Branche. Siebleiben aber hehre Visionen, wenn die Politik nicht ge-meinsam mit den touristischen Organisationen und Un-ternehmen die Umsetzung vorantreibt. Hier möchte icheindringlich an die Länder appellieren, die Leitlinien mitLeben zu füllen. Dazu gehört eine entsprechende finan-zielle Ausstattung. Die Bundesregierung fordere ich auf,die im Haushalt eingestellten Mittel für die DeutscheZentrale für Tourismus und die Förderung der Leistungs-steigerung im Tourismusgewerbe weiter zu erhöhen.Wenn der Tourismus die Leitökonomie des 21. Jahrhun-derts ist, wie Sie es oft zitieren, dann muss sich das auchin der finanziellen Förderung widerspiegeln.Wir wollen, dass vom aktuellen Trend zu Inlandsrei-sen nicht nur unsere Magic Cities profitieren, sondernauch unsere ländlichen Räume. Ich weiß um die Pro-bleme der ländlichen Tourismusanbieter in struktur-schwachen Regionen aus erster Hand aus meinem Wahl-kreis im Bayerischen Wald. Ich weiß also, wovon ichrede. Deshalb appelliere ich eindringlich an die Bundes-regierung, die Förderung im Rahmen der Gemein-schaftsaufgaben „Verbesserung der Agrarstruktur unddes Küstenschutzes“ und „Verbesserung der regionalenWirtschaftsstruktur“ beizubehalten und zu erhöhen. Ichdenke zum Beispiel an die Aufnahme eines Fördertatbe-standes Barrierefreiheit.
Das wäre ein wichtiger wirtschaftlicher Impuls.
Wir können nicht einerseits fortlaufend von unseren Ho-tels und Gaststätten Produktverbesserungen verlangenund andererseits für die notwendigen Modernisierungs-maßnahmen kein Geld zur Verfügung stellen.Dies ist wahrscheinlich meine letzte Rede als Touris-muspolitikerin an diesem Platz. Ich bedanke mich bei al-len Verbänden, den Gewerkschaften, dem Ausschuss-sekretariat, den Ministerien und nicht zuletzt bei Ihnen,meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, für die über-aus konstruktive und gute Zusammenarbeit.sIbuDiDgSFsddrPlBlWfntFAFswKD
Mein Abschiedswunsch ist, dass die Tourismuspoliti-chen Leitlinien nicht nur Lippenbekenntnis bleiben.hre Umsetzung würde bedeuten, dass die Tourismus-ranche endlich den Stellenwert erhält, den sie verdient,nd auf Augenhöhe mit der Automobilbranche rangiert.afür wünsche ich der Tourismuswirtschaft Glück auf.
Ich schließe die Aussprache.Bezüglich der Tagesordnungspunkte 7 a und 7 b wirdnterfraktionell die Überweisung der Vorlagen auf denrucksachen 16/11594 und 16/12101 an die in der Ta-esordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.ind Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das ist derall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Tagesordnungspunkt 7 c. Hier geht es um die Be-chlussempfehlung des Ausschusses für Tourismus zuem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mitem Titel „Mehr Engagement für eine nachhaltige Tou-ismusentwicklung – Ausweisung der CO2-Bilanz beiauschalreisen“.Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-ung auf Drucksache 16/12075, den Antrag der Fraktionündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/9346 abzu-ehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –er ist dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-ehlung ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-en und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Frak-ion Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung derraktion Die Linke angenommen.Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 10 auf:Erste Beratung des von den Abgeordneten VolkerBeck , Monika Lazar, Jerzy Montag, wei-teren Abgeordneten und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfseines … Gesetzes zur Änderung des Bundes-wahlgesetzes– Drucksache 16/11885 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität undGeschäftsordnungRechtsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei dieraktion Bündnis 90/Die Grünen fünf Minuten erhaltenoll. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann könnenir so verfahren.Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat derollege Volker Beck für die Fraktion Bündnis 90/ie Grünen das Wort.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In derDemokratie haben allein der Wähler und die Wählerindas Wort. Der Deutsche Bundestag soll so zusammenge-setzt sein, wie es der Wählerwille, der Wille des deut-schen Volkes, bestimmt. Der Wille des Wählers darf sichnicht plötzlich aufgrund rechnerischer Zaubertricks inein verkehrtes, vielleicht sogar umgekehrtes Ergebnisverwandeln.Das Bundesverfassungsgericht hat am 3. Juli letztenJahres festgestellt: Das jetzige Bundeswahlgesetz ist ver-fassungswidrig, weil es ein Paradoxon enthält, das soge-nannte negative Stimmgewicht. Das Wahlgesetz ist inso-fern verfassungswidrig, als hierdurch ermöglicht wird,dass ein Zuwachs an Zweitstimmen zu einem Verlust anSitzen der Landesliste führt oder dass ein Verlust anZweitstimmen zu einem Zuwachs an Sitzen der Landes-liste führt. Das versteht niemand. Da wird der Hund inder Pfanne verrückt. Die Wählerinnen und Wähler wer-den angehalten, taktisch zu wählen. Sie geben ihreStimme nicht der Partei, die sie bevorzugen, oder demKandidaten, den sie gewählt sehen wollen, sondern ver-halten sich taktisch, um mithilfe dieses Zählverfahrensein bestimmtes Ergebnis zu erzielen.Die gesetzliche Regelung, die dazu führt, muss besei-tigt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat uns dafürZeit gegeben. Wir sollten uns aber nicht so viel Zeit las-sen. In acht Wochen können wir es durchaus schaffen,zwei Paragrafen zu ändern.
Es handelt sich nämlich um eine übersichtliche undüberschaubare Gesetzesmaterie, die es zu regeln gilt. EinParlament, das es geschafft hat, in nur drei Tagen einFinanzmarktstabilisierungsgesetz mit einem Bürgschafts-volumen von 400 Milliarden Euro, von denen 70 Mil-liarden Euro haushaltsrelevant sind, durch den Deut-schen Bundestag zu bekommen,
wird wohl, wenn man ihm acht Wochen Zeit lässt, dieKraft haben, einen Paragrafen im Bundeswahlgesetz sozu korrigieren, dass er verfassungsgemäß ist.
Wie wollen wir das machen? Wir wollen das machen,indem wir das negative Stimmgewicht beseitigen, undzwar durch Anrechnung der Direktmandate auf das Lis-tenergebnis einer Partei bereits auf Bundesebene undnicht, wie heute, erst auf der Landesebene. Dadurch wer-den alle Direktmandate, die eine Partei erzielt hat unddie zu Überhangmandaten geführt haben, mit dem Ge-samtergebnis der Partei, das darüber entscheidet, wieviele Sitze sie im Bundestag bekommt, verrechnet. Da-durch können wir Überhangmandate voraussichtlich fastvollständig oder sogar vollständig beseitigen.MwnBksd–ddsmenDksLunWswdhsudwznUNnw
Wie ich sehe, klatscht Herr Mayer, wenn ich vom Nie-ergang der CSU spreche; das finde ich gut.
Dieses Problem gab es in den vergangenen Wahlperio-en nicht. Wir müssen es allerdings nicht jetzt lösen,ondern können uns darauf konzentrieren, die Überhang-andate und das negative Stimmgewicht – daran ändertine gesetzliche Regelung im Hinblick auf die CSUämlich nichts – zu beseitigen. Dann können wir sagen:as Wahlergebnis ist verfassungskonform zustande ge-ommen.Ich glaube, wir sind es den Wählerinnen und Wählernchuldig – gerade angesichts der Politikmüdigkeit imand –, das Wahlrecht so auszugestalten, dass ihr Willenmittelbar zur Geltung kommt. Das Wahlrecht darficht so kompliziert sein, dass die Wählerinnen undähler sagen: Was die da oben machen, versteht manowieso nicht; bleiben wir lieber gleich zu Hause undählen nicht! Wir sollten daran, dass die nächste Bun-esregierung nicht nur die Unterstützung des Parlamentsat, sondern auch die Mehrheit der Bevölkerung hinterich weiß, nicht den leisesten Zweifel lassen. Lassen Siens das negative Stimmgewicht deshalb beseitigen!Ich bin froh, dass der Bundestagspräsident in sehreutlichen Stellungnahmen immer wieder darauf hinge-iesen hat, dass wir die Reform des Bundeswahlgeset-es noch vor der nächsten Bundestagswahl schaffen kön-en. Er hat gegenüber Zeit Online erklärt:Es ist unbedingt erwünscht und bei gutem Willenauch möglich, die Regelung des Wahlrechts noch sorechtzeitig zu korrigieren, dass sie schon bei dernächsten Bundestagswahl Anwendung findenkönnte.
nd weiter: Für ihn wäre esmehr als ein Schönheitsfehler, wenn auch nach dernächsten Bundestagswahl einzelne Überhangman-date unter genau den beanstandeten Bedingungenerneut zustande kämen.Ich fordere Sie auf, liebe Kolleginnen und Kollegen:ehmen Sie unseren Gesetzentwurf an! Ich hänge garicht an den einzelnen Formulierungen. Das Bundes-ahlgesetz würde durch die Änderungen klarer; § 6 und
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Volker Beck
§ 7 sind nämlich sehr unübersichtlich und leserunfreund-lich. Lassen Sie uns darüber reden! Der Mechanismus,den wir vorschlagen, ist der schlaueste und entspricht amehesten dem Willen der Wählerinnen und Wähler.Eine Alternative dazu wäre, die Überhangmandatedurch Ausgleichsmandate auszugleichen. Das würde je-doch das Parlament vergrößern. Wir haben aber gesagt:Das ist ein Weg, den wir nicht gehen wollen.Wir sind bereit, über alles zu reden. Aber die Neure-gelung muss bis April im Bundesgesetzblatt stehen,wenn wir im September ein Bundeswahlgesetz, das überjeden Zweifel erhaben ist, haben wollen. Lassen Sie unsdiese Aufgabe gemeinsam als Demokratinnen und De-mokraten bewältigen!
Nächster Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der
Kollege Dr. Günter Krings.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren Kollegen! Das Wahlrecht ist eine Materie, die fürdie Legitimation und Funktionsfähigkeit einer Demokra-tie grundlegend ist. Wahlrechtsänderungen sind aberauch deshalb so sensibel, weil das Parlament zwangsläu-fig über die Regelung seiner eigenen Zusammensetzungentscheidet. Dieser unvermeidlichen Entscheidung in ei-gener Sache müssen Ernsthaftigkeit der Diskussion undGründlichkeit in der Abwägung unterschiedlicher Lö-sungsansätze entsprechen.Sensibilität und Sorgfalt sind bei der heute zu debat-tierenden Änderung des Bundeswahlgesetzes in beson-derer Weise geboten. Seit der Einführung des Systemsder sogenannten personalisierten Verhältniswahl mitdem Bundeswahlgesetz von 1956 hat das Bundesverfas-sungsgericht nie so deutlich die Systemfrage gestellt wiein seinem Urteil zum negativen Stimmgewicht.Der Respekt vor dem Wahlrecht als Grundlage unse-rer Demokratie und vor dem Bundesverfassungsgerichtals Institution gebietet es, die Systemfrage wohlüberlegtund überzeugend und eben nicht Hals über Kopf zu be-antworten. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinemUrteil eine Vielzahl alternativer Lösungen für das Pro-blem des negativen Stimmgewichts für zulässig gehaltenund angesprochen.Mit einem isolierten, gleichsam mikroinvasiven Ein-griff in das Bundeswahlgesetz werden wir dem komple-xen Problem des negativen Stimmgewichts nicht gerechtwerden. Falls Sie mir persönlich das nicht glauben, darfich aus dem Urteil des Zweiten Senats vom 3. Juli letz-ten Jahres wörtlich zitieren:dSiangÜpdDsrTsisZsdscabeNdgwlFStSas
ber er wird sicherlich bei seiner Meinung gebliebenein.
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Dr. Günter KringsDie grünen Antragsteller müssen sich schon die Fragestellen, warum sie nicht bereits im letzten Herbst mit ih-rem Vorschlag herausgekommen sind.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Beck?
Aber sehr gerne.
Bitte sehr.
Wir hatten zwar schon einen alten Vorschlag zu die-
sem Thema, haben ihn aber unter Nutzung der Erkennt-
nis aus dem Gerichtsurteil und in Diskussion mit Profes-
sor Pukelsheim und Professor Meyer – Kollege Benneter
war bei unserer Anhörung ebenfalls zugegen; das war ja
eine Möglichkeit, sich insgesamt schlau zu machen –
noch einmal überarbeitet und überdacht. Frau Stokar hat
schon lange die Auffassung vertreten, dass es mit dem
negativen Stimmgewicht so nicht geht. Aufgrund dieser
Vorarbeiten sind wir dann zu einem Abschluss gekom-
men. Sie hätten mit Ihrer Regierung und mit Ihren Kapa-
zitäten natürlich viel früher und viel leichter als eine
kleine Oppositionsfraktion mit so geringen Möglichkei-
ten zu einem Ergebnis kommen können.
Aber wenn Sie hier schon abwesende Politiker zitie-
ren, wüsste ich gern, wie Sie es denn dann mit dem ab-
wesenden Bundesinnenminister halten, der laut Bild-
Zeitung vom 5. Januar 2009 angeblich mit der Weige-
rung der Koalition hadere – besser wohl: mit seiner
Fraktion –, das verfassungswidrige Wahlrecht noch vor
der Bundestagswahl zu ändern. Als Verfassungsminister
stehe er bereit, den Parteien bei der Korrektur des Wahl-
gesetzes zu helfen. Offensichtlich ist das federführende
Ressort, das in dieser Debatte zum Schweigen verdon-
nert wurde, hierzu anderer Auffassung als Ihre Fraktion.
Ich habe auch die Stimmen von Herrn Müntefering und
anderen Kollegen aus der SPD-Fraktion gehört.
Herr Kollege, ich bitte Sie darum, Ihre Frage prägnant
und kurz zu fassen.
Können Sie mir bestätigen, dass der Bundesinnenmi-
nister mit Ihrer Position hadert, und trauen Sie dem Bun-
desinnenminister und seinem Haus zu, dass er uns bei
der Wahlrechtsreform so weit hilft, dass wir auf Grund-
lage unserer Entwürfe bis April zu einem verfassungs-
konformen Wahlrecht kommen?
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ch bin der Auffassung, dass er das nicht nur aus gutemillen tut, sondern weil das Innenministerium auch dazua ist, uns an dieser Stelle zu helfen. Ich habe es ebenusdrücklich gesagt, wiederhole für Sie aber gern, fallsie eben abgelenkt waren, dass eine Neuregelung nochn dieser Wahlperiode nicht ausgeschlossen ist. Aller-ings weise ich auch darauf hin, welche Nachteile wirafür in Kauf nehmen müssen.Vielleicht bleiben Sie noch einen Augenblick stehen,eil ich Ihre Frage noch beantworte.
Sie wissen gar nicht, wie lange Sie geredet haben. Zu-indest das sollte man selbst noch spüren. Alte Indianer-eisheit: Rede nie länger, als du auf einem Bein stehenannst.
as sollte auch für Zwischenfragen gelten, Herr Kol-ege.Wir werden es mit der Hilfe des Ministeriums hinbe-ommen. Ich habe auf die Probleme hingewiesen, esoch in dieser Wahlperiode zu machen.Ich darf dann fortfahren und betone: Der Gesetzent-urf der Grünen ist in der Tat in weiten Teilen identischit dem, was Sie in der 13. Wahlperiode vorgeschlagenaben. Komisch nur, dass Sie damals in der Oppositionaren und Sie jetzt in der Opposition sind. Sieben Jahreot-grüner Bundesregierung haben Sie nicht genutzt, umhren Vorschlag aufzufrischen.
s scheint ein klares Oppositionsinteresse zu sein, ob-ohl Sie zu Recht sagen, dass auf dieses Thema schonange hingewiesen worden sei.Meine Damen und Herren, die entscheidenden beidenragen, auf die ich in meiner Rede wirklich sehr sachlichnd sehr klar zu sprechen kommen möchte, lauten doch:elche elementaren Anforderungen muss eine Wahl-echtsreform erfüllen, die den Vorgaben des Verfas-ungsgerichts entspricht? – Jetzt wäre es meines Erach-
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Dr. Günter Kringstens ganz sinnvoll, dass Sie mir zuhören, damit Sie ersteinmal die Problematik erfassen, Herr Beck. Ich glaube,Sie haben all diese Verästelungen und das, worum es da-bei geht, noch gar nicht so richtig begriffen.Die zweite Frage lautet: Erfüllen Sie mit Ihrem Vor-schlag diese Anforderungen?Ich will das an drei zentralen Anforderungen kurzexemplifizieren. Machen wir hier einfach ganz kurz denPraxistest anhand dieser Anforderungen.Zum Ersten. Aus der Sicht des Wählers – darin sindwir uns, so glaube ich, einig – muss ein Wahlsystem vonder Stimmabgabe bis zur Zuteilung der Parlamentssitzedurchschaubar und nachvollziehbar sein. Das gilt für dieGesetzessprache und für die Rechenoperationen. DasBundesverfassungsgericht hat in seiner erst vor wenigenTagen ergangenen Entscheidung zu den Wahlcomputernzu Recht die Transparenz des Wahlvorgangs eingefor-dert. Es wäre wenig gewonnen, wenn nach der Stimm-abgabe ein intransparenter und kaum mehr zu durch-schauender Berechnungsvorgang folgen würde.
Da wir uns heute ja in der ersten Lesung Ihres Gesetz-entwurfs befinden, gestatte ich mir, Ihnen in diesem Zu-sammenhang einmal § 7 a Abs. 7 Ihres Gesetzentwurfsvorzulesen. Ich zitiere:Ergibt sich bei der Berechnung gemäß Absatz 5eine negative Zahl, so muss der Parteidivisor so he-raufgesetzt werden, dass die Zahl der dieser Parteizustehenden Sitze unter Berücksichtigung der zuihren Gunsten errungenen Direktmandate der fürdiese Partei ermittelten Gesamtsitzzahl ... ent-spricht. Absatz 6 gilt entsprechend.
Da Sie von den Grünen auf Seite 4 Ihrer Drucksacheselbst das Ziel ausgeben – ich zitiere noch einmal –, „dasWahlrecht ... normenklarer und verständlicher zu ma-chen“, kann ich nur sagen: Klassenziel verfehlt, bittenoch einmal üben!
Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage
des Kollegen Beck?
Ich glaube, es reicht jetzt.
Es reicht, jawohl.
Ich glaube, er hat nicht mehr viel Neues beizutragen.fdrgwIsPoa–wdelzGdgghlDPdhsmfFSradfiBbPgddvgl
Zum Zweiten. Eine Wahlrechtsreform muss zu einerairen und dem Wählerwillen entsprechenden Verteilunger Bundestagssitze auf die kandidierenden Parteien füh-en. Das ist in 60 Jahren Bundesrepublik praktisch immerelungen. So weit der Effekt eines negativen Stimmenge-ichts dem entgegensteht, müssen wir diesen beseitigen.ch denke, auch darüber herrscht in diesem Hause Kon-ens.Zu dieser Gerechtigkeit des Wahlrechts zwischen denarteien gehört aber auch, dass einzelnen Wählern nichthne Not ein doppelter Erfolgswert bei ihrer Stimm-bgabe zugebilligt werden darf. Rein taktisches Wählen darin stimme ich Ihnen wiederum zu – muss auch inso-eit verhindert werden. Genau das fordert im Übrigenas Bundesverfassungsgericht in einem weiteren, geradeinmal sechs Wochen alten Beschluss. Es gab in denetzten Wochen also eine Reihe von Entscheidungenum Wahlrecht. Vielleicht sollten Sie sich einmal alle zuemüte führen oder aufbereiten lassen.In diesem Beschluss wurde noch einmal festgehalten,ass neben dem Problem des negativen Stimmen-ewichts auch das Problem des doppelten Erfolgswerteselöst werden muss. Der darin liegende eklatante Gleich-eitsverstoß ist ja bekanntlich zuletzt 2002 im Land Ber-in aufgetreten, als bei den von der PDS gewonnenenirektmandaten dennoch auch die Zweitstimmen derDS-Wähler gleichheitswidrig berücksichtigt wurden.Sucht man im Entwurf der Grünen nach einer Lösungieses Problems, dann stellt man fest, dass Fehlanzeigeerrscht. Ich weiß nicht, ob das eine kleine Unterlas-ungssünde ist oder ob Sie vielleicht hoffen, selbst ein-al davon profitieren zu können. Dieses zentrale Themaehlt jedenfalls in Ihrem Entwurf. Ich sage ganz deutlich:ür die Union wird es eine Wahlrechtsreform ohne diechließung dieser Gesetzeslücke nicht geben.
Zum Dritten und Letzten. Das Bundesverfassungsge-icht betont ebenfalls, dass bei einer Wahlrechtsreformuch die Gerechtigkeit und Fairness zwischen den Län-ern gewahrt werden müssen. Es geht sozusagen um dieöderale Fairness. Kern des Gesetzentwurfs der Grünenst aber, dass die Überhangmandate für eine Partei imundesland A durch Abzüge bei der Landesliste dersel-en Partei im Bundesland B ausgeglichen werden. Dieartei im Land B muss also nicht nur auf den Genuss ei-ener Überhangmandate verzichten, sondern sie mussafür zusätzlich noch die Zeche des anderen Bundeslan-es bezahlen. Das ist zweifellos das exakte Gegenteilon Fairness im Bundesstaat und führt zu einer einseiti-en Bevorzugung des Wahlvolkes bestimmter Bundes-änder.
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Dr. Günter KringsMögliche und naheliegende Alternativen, wie dierechnerisch getrennte Behandlung aller Landeslisten, dieauch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich für zu-lässig hält, werden in Ihrem Gesetzentwurf erst gar nichterwähnt. Sie können noch so lange nachschauen, dazusteht darin nichts. So einfach kann man es sich in einemBundesstaat aber eben nicht machen.Wir sehen also – damit komme ich zum Schluss –:Alle drei zentralen Anforderungen an eine Wahlrechtsre-form – Durchschaubarkeit für den Wähler, Gerechtigkeitunter den Parteien und föderale Fairness – werden in we-sentlichen Punkten des Gesetzentwurfs der Grünen lei-der verfehlt. Das Wahlrecht ist mithin komplizierter, alsmanche meinen. Für die Lösung des schwerwiegendenProblems eines negativen Stimmgewichts ist mehr Ge-hirnschmalz erforderlich, als im Gesetzentwurf der Grü-nen steckt.
Für uns als CDU/CSU-Fraktion folgt daraus: Wir sindoffen für eine sachliche Beratung des Gesetzentwurfs.Wir sind aber nicht bereit, Qualität und Gründlichkeit ineiner so sensiblen Materie auf dem Altar der Geschwin-digkeit zu opfern.Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Gisela Piltz für die
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Vor acht Monaten – das wurde bereits angesprochen –hat das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeitdes geltenden Wahlrechts mit den Wahlrechtsgrundsät-zen in Art. 38 des Grundgesetzes festgestellt. In diesenzurückliegenden Monaten hat die sogenannte Große Ko-alition nichts, aber auch gar nichts unternommen, umdiesen Mangel zu beseitigen.Auch wenn zu erwarten war, dass bei der gestrigenRunde im Kanzleramt nicht viel herauskommen würde,zeigt es doch, dass Sie auch in diesem Punkt aus IhrerLethargie nicht ganz herauskommen. Deshalb ist es ausmeiner Sicht wie auch aus der Sicht meiner Fraktion gut,wenn in 206 Tagen dieses Spektakel vorbei ist.
Nach achtmonatigem Nichtstun wirkt es auf michumso befremdlicher, dass gerade die Kollegen von derSPD immer wieder das Szenario einer verfassungswidrigenRegierungsbildung im Herbst an die Wand malen. Siemüssen das richtig verstehen: Nur weil Sie nicht dabeisind, muss sie nicht verfassungswidrig sein.
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Warum die SPD jetzt Fahrt aufnimmt, kann aus mei-er Sicht nur einen Grund haben: In Zeiten sinkendermfragewerte muss man eben am Wahlrecht schrauben.as ist zwar verfassungsrechtlich bedenklich, aberenschlich verständlich.Dass Sie Ihr verfassungsrechtliches Gewissen ent-eckt haben, liebe Kolleginnen und Kollegen von derPD, glaube ich nicht wirklich. Denn wie Sie mit derechtsprechung hoher Gerichte und höchster Bundesge-ichte umgehen, haben wir heute wieder im BND-Unter-uchungsausschuss sehen können.
ch glaube, Ihre Glaubwürdigkeit hat sich, auch was die-es Thema angeht, erledigt.
Ich möchte aber bei diesem Thema an eines erinnern:s ist in diesem Haus gute Tradition, Änderungen imahlrecht interfraktionell abzustimmen und zu bespre-hen. Ich müsste aber eigentlich feststellen: Das warute Tradition. Denn schon die Änderung der Einteilunger Wahlkreise haben Sie ohne den Rest des Hauseseschlossen und damit eine gute Tradition gebrochen.Ich hoffe, dass wir bei einer Neuregelung der betref-enden Punkte anders verfahren. Denn das Problem isthnen, wie gesagt, schon lange bekannt. Wir als FDPind relativ offen, welche Regelung die beste ist. Ich per-önlich finde es nicht uninteressant, auch über Aus-leichsmandate zu sprechen.
as gibt es in vielen Landtagen. Warum sollten wir nichtarüber sprechen. Ich kann nicht ganz nachvollziehen,arum das Thema hier unbeliebt ist. Aber wir werden esn Ruhe besprechen.Die Große Koalition kann zwar eine Entscheidungber die Köpfe der anderen hinweg treffen – sie hat dieotwendige Mehrheit –, aber ich bin Herrn Krings sehrankbar dafür, dass er klargemacht hat, dass es in dieseregislaturperiode nicht dazu kommen wird. Ihre Aus-ührungen waren juristisch eins a, Herr Krings. Das ist
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22504 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
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Gisela Piltzgar keine Frage. Ich bin Ihnen sehr dankbar und kannmich Ihnen vollumfänglich anschließen, wie es, glaubeich, in der juristischen Fachsprache heißt. Aber warumSie einem Enteignungsgesetz zustimmen, liebe Kolle-ginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, kannich nicht verstehen.
Nach unserem Verständnis ist Wahlrecht vor allenDingen Parlamentsrecht. Deshalb sind alle im Parlamentvertretenen Fraktionen zu beteiligen. Eine solcheReform ist nicht im Alleingang anzugehen, sonderngemeinsam. Unsere Zielsetzung muss sein, dass untermStrich eine Reform herauskommt, die die Bürgerinnenund Bürger verstehen und die ihnen zugutekommt.Der jetzige unbefriedigende Zustand muss in der Tatbereinigt werden. Er hätte aus unserer Sicht schon langebereinigt werden können. Aber die Vorgabe des Bundes-verfassungsgerichts ist aus unserer Sicht viel zu weitrei-chend, als nun von Ihnen als Wahlkampfthema auf dieAgenda gesetzt zu werden. Damit düpieren Sie nicht nurden Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts. Siemachen damit nur allzu deutlich, dass es Ihnen nicht umdie Sache geht. Dass Sie nun noch in einer Hauruck-aktion die Änderungen im Hinblick auf die Wahlen zum17. Deutschen Bundestag vornehmen wollen, ist sicher-lich sehr kritisch; denn alle Parteien befinden sich mittenim Verfahren für die Aufstellung der Kandidaten. Vielesind schon gewählt worden. Sie ändern sozusagen imlaufenden Verfahren die Spielregeln. Das provoziertwieder neue Klagen und hat mit dem, was Sie eigentlichwollen, überhaupt nichts zu tun.
Vor diesem Hintergrund werbe ich für eine überfrak-tionelle Konsensfindung. Wir werden uns einem kon-struktiven Verfahren nicht widersetzen, aber bitte nichtmehr in dieser Legislaturperiode. Dafür ist die Materiezu wichtig.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Klaus Uwe Benneter
für die SPD-Fraktion.
Herr Krings und Frau Piltz, freuen Sie sich nicht zufrüh; denn Sie könnten im Herbst gemeinsam eine Re-gierung auf verfassungswidriger Basis bilden. Um nichtsanderes geht es hier.
Uns jedenfalls geht es darum, ein demokratisches Wahl-recht zu gewährleisten. Ein demokratisches Wahlrechtmuss gewährleisten, dass meine Stimme der Partei zugu-tekommt, für die ich sie abgegeben habe; so lautet derGGasfuddvumwddutedsaErJdiDBCDsEladgzWtahhfdMA
ntsprechende Wahlplakate führten wirklich zur Verwir-ung. Das wäre eine schöne Situation.
edenfalls hat die Nachwahl in Dresden diesen Irrwitzeutlich gemacht. Wir wissen, dass dieser Effekt nichtmmer so gut feststellbar ist wie bei der Nachwahl inresden. Dann ist es noch viel bedenklicher, weil zumeispiel der CDU-Wähler gar nicht merkt, dass er derDU schadet, wenn er ihr seine Stimme gibt.
ie CDU darf es noch nicht einmal sagen, dass er ihrchadet, wenn er ihr seine Stimme gibt.
Man sieht, dass das wirklich zu völlig meschuggenrgebnissen führte. So dürfen wir unser Wahlrecht nichtssen. Wir müssen es rasch, schon bis zur nächsten Bun-estagswahl, ändern, obwohl uns das Bundesverfassungs-ericht die Möglichkeit gegeben hat, diese Änderung bisur übernächsten Bundestagswahl aufzuschieben.
ir können im Vorhinein nicht wissen, wer davon be-roffen wäre. Aber wir können nicht sehenden Augesuch nur eine Abgeordnete oder einen Abgeordnetenier vier Jahre verfassungswidrig sitzen lassen. Deshalbaben die Bündnisgrünen recht, wenn sie dieses Themaorcieren. Frau Piltz, hier verstehe ich Sie wirklich nicht,ie Sie sonst immer die Bürgerrechte und das Recht derenschen, möglichst direkt auf uns einzuwirken, imuge haben.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22505
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Klaus Uwe Benneter
Wir alle wissen inzwischen – wir von der SPD wissendas schon viel länger –, dass es relativ unkompliziert ist,Herr Krings, im Rahmen des jetzigen Wahlrechts ohnegroße umstürzlerische Neuerungen ein besseres Berech-nungsverfahren einzuführen, das dieses sogenannte ne-gative Stimmgewicht vermeidet.
Wie viele Sitze eine Partei im Bundestag bekommt,muss nach dem neuen Berechnungsverfahren davon ab-hängen, wie viele Zweitstimmen sie bundesweit bekom-men hat. Das ist das Entscheidende, und darauf stellt derVorschlag der Grünen ab.Bisher kann eine Partei die Überhangmandate, die siein einem Bundesland bekommen hat, einfach so behalten.Die werden in keiner Weise ausgeglichen. Das musskünftig anders werden. Eine Partei, die in einem LandÜberhangmandate erzielt hat, also quasi über den DurstDirektmandate geholt hat, muss diesen Überhang mitweniger Listenplätzen in anderen Bundesländern bezah-len oder ausgleichen. Das muss das Prinzip sein.Aus Wählersicht hat dies auch Nachteile; ich darf da-ran erinnern. Ich sehe immer, wie diejenigen mit stolzge-schwellter Brust auftreten, die in ihrem BundeslandÜberhangmandate geholt haben.
Was heißt eigentlich Überhangmandate? – Das heißt,dass die Partei, für die sie stehen, weniger Stimmen indiesem Land geholt hat. Es ist also kein Grund, mit Stolzgeschwellter Brust durch die Gegend zu gehen, wennman Überhangmandate geholt hat.
Nach dem hier vorgeschlagenen Verfahren wäre es so,dass für diese Überhangmandate die Wähler dieser Par-tei in anderen Bundesländern, die diese Partei viel stär-ker gewählt haben, bezahlen müssten.
Sie bekommen dann zum Dank weniger Abgeordneteaus ihrem Land und damit weniger regionale Vertretung.
– Ich sage ja nicht, dass es gut ist, aber es ist besser undvermeidet das negative Stimmgewicht. Das werden wirwohl hinnehmen müssen. Schließlich ist es auch so, dasswir einen Bundestag wählen und nicht einzelne Länder-regionen in den Bundestag schicken. Es ist kein Länder-gremium, und deswegen ist auch dieser bundesweiteAusgleich, denke ich, hinnehmbar.Allerdings gefällt mir eines nicht, Herr Beck. NachIhrem Gesetzentwurf wäre die bayerische CSU die ein-zige Partei, die überhaupt noch bei einem schlechtenZweitstimmenergebnis ein Überhangmandat erhaltenksIkrWmCoZsnDWwEwwwdumvGDduwd
ch meine, das kann nicht richtig sein. Regionalparteienönnen und dürfen bei der Bundestagswahl nicht wahl-echtlich privilegiert sein.
ir sollten solche Überhangmandate wahlrechtlich ver-eiden. Eventuell müssen wir darüber nachdenken,SU und CDU eine Art Listenverbindung zu gestattender notfalls sogar vorzuschreiben.
Aber abgesehen von dieser Spezialfrage meine ich:u dem Berechnungsverfahren, wie es hier im Grund-atz von den Grünen vorgeschlagen ist, gibt es keine ver-ünftige Alternative.
ie Schaffung von Ausgleichsmandaten nützt nichts.enn man bestimmte Berechnungen zugrunde legt,ürde dies dieses Parlament auf 900 Mandate ausweiten.
in reines Mehrheitswahlrecht wollen wir nicht, damitir auch noch die FDP hier sitzen haben.
Und auch die Umstellung auf ein reines Verhältnis-ahlrecht ohne direkt gewählte Wahlkreisabgeordneteäre zwar möglich, aber keine schöne Vorstellung. Dennas würde sicher den Wahlkämpfen die Spannung nehmennd auch die Verankerung der Abgeordneten vor Ortaßgeblich verschlechtern.
Was auch noch möglich wäre und was CDU/CSUielleicht direkt mittragen würden, wäre das sogenannterabensystem.
as wollen wir auch nicht. Denn bei diesem System würdeie eine Hälfte der Mandate über die Mehrheitswahl
nd die andere Hälfte der Mandate nach dem Verhältnis-ahlrecht vergeben werden. Die kleineren Parteien würdenabei auf die Hälfte ihrer Sitze verzichten müssen.
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22506 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
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Klaus Uwe BenneterDas ist so nicht akzeptabel und ungerecht, und deshalbwerden wir auch das nicht machen.
Der Weg, den die Grünen hier in ihrem Gesetzentwurfgehen, ist vom Grundsatz her richtig. Wir halten die rascheKorrektur des Wahlrechts für dringend notwendig.
Ich habe immer noch die Hoffnung, dass auch HerrKrings und mit ihm Herr Mayer und die ganze Uniondiesem wichtigen Anliegen bei den weiteren Beratungennoch nähertreten können.Es ist nämlich nicht sicher, dass der nächste Innenmi-nister so heißt wie der jetzige. Dann könnten wir, wie esguter Brauch ist, Frau Piltz, parteiübergreifend und mög-lichst einvernehmlich ein verfassungsgemäßes Wahl-recht ohne die Möglichkeit negativer Stimmgewichteverabschieden und im Herbst nach diesem System wäh-len. Dann könnten wir guten Gewissens sagen: Dasnächste Parlament und die nächste Regierung stehen aufeiner soliden verfassungsrechtlichen Basis.
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin
Dr. Dagmar Enkelmann für die Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Su-perwahljahr wirft seine wahlrechtlichen Schatten voraus.Inzwischen ist der Einsatz einer bestimmten Marke vonWahlcomputern für verfassungswidrig erklärt worden.Das betrifft auch die Regelung zu den Überhangmanda-ten. Allerdings ist das bereits im Juli 2008 passiert. DasBundesverfassungsgericht hat das negative Stimmge-wicht oder – um es für alle im Klartext zu sagen – dieVerletzung der Gleichheit der Wahl kritisiert. Das stecktnämlich dahinter. Das darf nicht länger hingenommenwerden.Überhangmandate sind seit längerem in der Kritik. Esgibt seit längerem dazu Wahleinsprüche. Bis jetzt gibt eskeine Änderung im Wahlrecht. Die Nachwahl in Dres-den – das ist hier schon gesagt worden – hat besondersdeutlich gemacht, was das in der Konsequenz bedeutet.Das ist letzten Endes ein Schwachsinn im Wahlrecht.Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber zumHandeln aufgefordert.
Dass nun einige Zeit ins Land gegangen ist, ohnedie Änderungen vorzubereiten, ist nicht zu bestrei-ten.sdKbAnGdDanÜdPftDpffplgSgisTvZbs9wdlleBdd
as ist immerhin seine eigene Partei. Daran möchte ichn dieser Stelle erinnern. Könnte es nämlich bei derächsten Wahl knapp werden, dann könnten in der Tatberhangmandate über die Regierungsbildung entschei-en. Von wegen komplexes Problem! Das ist genau dasroblem, das dahintersteckt.Nun ist es bei der SPD gegenwärtig etwas anders. Sieürchtet vor allem den Verlust von vielen Direktmanda-en. Wir werden unseren Teil dazu beitragen.
eswegen macht die SPD gegenwärtig auf Torschluss-anik. Jetzt habe ich gelesen, dass selbst Münteferingordert, man müsse die Überhangmandate ganz abschaf-en. Herr Benneter hat hier die eingesprungene Sitz-irouette probiert: Im Prinzip sind wir dafür, aber eigent-ich nicht so richtig. – Sie können sich nämlich nichtegen Ihren Koalitionspartner durchsetzen. Gestern sindie im Koalitionsausschuss mit einem solchen Vorstoßescheitert. Liebe Genossinnen und Genossen der SPD,ch habe den Eindruck, man könnte eine Mehrheit in die-em Haus bekommen. Wir jedenfalls würden unsereneil dazu beitragen.
Die Linke fordert: Der neue Bundestag darf nicht auferfassungswidriger Grundlage entstehen. Es ist nocheit für eine einvernehmliche Lösung. Wir könnten unseispielsweise – Kollege Beck hat das angesprochen –o etwas wie landesweite Ausgleichsmandate vorstellen.00 Sitze im Bundestag werden es nicht, die Zahl wäreesentlich überschaubarer. Das wäre als eine Optionenkbar. Wir könnten uns auch andere Lösungen vorstel-en. Wir jedenfalls sind bereit dazu, uns in einem schnel-eren Verfahren darüber zu verständigen, damit wir mitinem verfassungsgemäßen Wahlrecht in die nächsteundestagswahl gehen.
Was für uns, die Linke, wichtig ist: Jede Stimme mussas gleiche Gewicht haben. Das sollte insbesondere fürie Bundestagswahl 2009 gelten.Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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Dr. Dagmar Enkelmann
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 16/11885 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Ich
sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann ist die Über-
weisung so beschlossen.
Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 9:
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Moder-
nisierung des Haushaltsgrundsätzegesetzes
– Drucksachen 16/12060, 16/12105 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu
diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. Es
handelt sich dabei um die Reden folgender Kollegen:
Jochen-Konrad Fromme, Bernhard Brinkmann, Otto
Fricke, Roland Claus und Alexander Bonde.1)
Auch hier wird interfraktionell die Überweisung des
Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/12060 und 16/12105
an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse
vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Dies ist
der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 12 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung zu dem Antrag
der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Sibylle
Laurischk, Horst Friedrich , weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Integrierte Planung für Schiene und Straße im
Rheingraben – Gesamtverkehrskonzept Süd-
baden
– Drucksachen 16/6638, 16/8029 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Georg Brunnhuber
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Wie ich
sehe, sind Sie auch damit einverstanden. Dann können
wir so verfahren.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner dem Kollegen Uwe Beckmeyer für die SPD-Fraktion
das Wort.
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B1) Anlage 4
Herr Fricke, Sie sind einer, der bei Ausgaben immeruf die Bremse drückt. Vielleicht erinnern Sie Ihre Kol-egen im Landtag einmal daran – schließlich beteiligenie sich an Stuttgart 21 –, bei dieser Angelegenheit einenig mehr Bereitschaft zu zeigen, um so auch das Lan-esinteresse zum Ausdruck zu bringen. Es ist Ihre Auf-abe als FDP, in dieser Angelegenheit tätig zu werden.
Wir haben allen Grund, darauf aufmerksam zu ma-hen, dass die Ausbaustrecke Karlsruhe–Basel – zumin-est was den Bund betrifft – durch entsprechende Pla-ungsmittel auskömmlich gefördert worden ist, dass dientsprechenden Untersuchungen stattfinden und dass einlanfeststellungsverfahren läuft.Ich darf an dieser Stelle auch sagen, dass der Bundes-erkehrsminister heute bei einem Spitzengespräch mitozialdemokratischen Abgeordneten des Deutschenundestages, die vor Ort Verantwortung tragen, aus-
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22508 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
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Uwe Beckmeyerdrücklich seine Bereitschaft erklärt hat, an einem rundenTisch auch mit den Vertretern der Landesregierung inBaden-Württemberg Varianten des Ausbaus der Rhein-talbahn zu besprechen. Allerdings muss auch auf ihrerSeite die Bereitschaft vorhanden sein, diese Varianten zudiskutieren. Sie dürfen nicht so tun, als wäre das die al-leinige Angelegenheit des Bundes. Insofern sollten Siein dieser Angelegenheit dazu beitragen, dass die baden-württembergische Landesregierung hier ein wenig mehrFlexibilität zeigt,
und zwar bei den Fragen: Wie geht man eigentlich mitden Interessen der Bürger um? Wie stellt man sich da-rauf ein? Wie kommt man mit all den Schienenwege-investitionen zurecht?Der Bund selbst hat bewiesen, dass er ad 1 an derSchaffung eines zügigen Baurechtes interessiert ist, aberad 2 auch daran, dass umwelt- und menschengerecht ge-handelt wird. Ich darf in diesem Zusammenhang daraufhinweisen, dass gerade diese Bereitschaftserklärung desBundesverkehrsministers in dieser Angelegenheit sehrwichtig ist.
Wir haben im Zusammenhang mit der Trasse Karls-ruhe–Basel immer deutlich gemacht – auch gegenüberden Nachbarländern –, dass das ein ganz wichtiger Ver-kehrskorridor in Richtung Italien, in Richtung Schweiz,aber natürlich auch gen Norden, in Richtung Niederlande,ist. Wir haben bei der Ausrüstung dieses Schienenkorri-dors darauf geachtet, dass dort insbesondere europäischeKontrollsysteme der letzten Generation berücksichtigtwerden. Ich glaube, das ist wichtig, um europäische Gü-terverkehrsströme auf dieser wichtigen Nord-Süd-Stre-cke ordentlich zu bewältigen.Ich darf an dieser Stelle für die Sozialdemokratennoch einmal ausdrücklich festhalten:Der Ausbau der Rheintrasse muss umwelt- und men-schengerecht geschehen; denn Lärm erzeugt Stress,Lärm macht krank. Viele Menschen entwickeln nur danneine Akzeptanz für solche Ausbaumaßnahmen, wenn siemerken: Die Politik nimmt die Akzeptanzfrage sehrernst. Es ist für die Entwicklung dieses Verkehrsträgersvon hoher Wichtigkeit, dass wir diese Akzeptanz herstel-len. Insofern sind verschiedene Alternativen auch inner-halb dieses Planfeststellungsverfahrens zu erörtern.Ich hoffe, dass sich die baden-württembergische Lan-desregierung, namentlich deren FDP-Mitglieder, bereit-finden, sich einem solchen Spitzengespräch zu stellenund darüber nachzudenken, wie man solche Ausbauvari-anten finanzieren kann.Herzlichen Dank.
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Um es einmal klarzustellen: Die ganze Region – das
ilt auch für uns – will das dritte und vierte Gleis. Das ist
nstrittig.
Ich möchte an dieser Stelle den vielen Menschen in
en Bürgerinitiativen ausdrücklich ein großes Kompli-
ent machen. Es geht hier nicht darum, etwas zu ver-
indern. Gerade von den Bürgerinitiativen kommen her-
orragende Vorschläge. Sie haben die Bürgertrasse
eitgehend erarbeitet. Wir haben das sehr positiv beglei-
et. Das ist das, was wir heute fordern.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
ollegin Caspers-Merk?
Aber gern.
Herr Kollege Burgbacher, da ich mit Ihnen völligbereinstimme, dass es darum gehen muss, gemeinsamine menschen- und umweltverträgliche Trassierunginzubekommen, frage ich: Sind Sie bereit, zur Kenntnisu nehmen, dass nach der Bundeshaushaltsordnung der
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22509
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Marion Caspers-MerkBund das baut, was gesetzlich notwendig ist, und nurdann Ausnahmen machen darf – wie beim ProjektStuttgart 21 –, wenn sich auch das Land beteiligt, dass esan anderen Stellen der Strecke Präzedenzfälle gibt, dasses deswegen im Interesse der Bürgerinnen und Bürgernotwendig ist, nicht Parteipolitik zu betreiben, sonderneine Lösung zu erarbeiten, für die sich Bund, Bahn undLand an einen Tisch setzen müssen?
Frau Kollegin Caspers-Merk, das, was Sie die ganze
Zeit machen, ist Parteipolitik. Sie gehen vor Ort herum,
versprechen den Leuten etwas, und hier im Bundestag
sind Sie nicht einmal bereit, mitzuarbeiten und gemein-
sam etwas zu machen.
Wir hatten versucht, ein gemeinsames Gespräch zu-
stande zu bringen. Selbst das haben Sie damals abge-
lehnt.
Zu der Geschichte Bund/Land: Wir sind in einer Art
Teufelskreis. Jeder schiebt es auf den anderen. Eines ist
aber klar – das haben meine Erkundigungen klipp und
klar ergeben –: Jetzt muss der Bund klar sagen, ob er be-
reit ist, die derzeitige Planung zu stoppen und andere
Vorgaben zu machen. Das ist der entscheidende Punkt.
Da ist nicht das Land, sondern der Bund gefragt.
Es geht im Wesentlichen um fünf Abschnitte. Es geht
um die Tunnellösung für Offenburg. Es geht um die par-
allele Trasse zur Autobahn südlich von Offenburg. Es
geht um die Trassenabsenkung westlich von Freiburg bis
zum Nordportal des Mengener Tunnels. Es geht um die
Trassenabsenkung mit Teildeckelung vom Südportal des
Mengener Tunnels bis südlich von Buggingen. Es geht
ausdrücklich auch um die gedeckelte Trassentieferle-
gung im Ortsteil Haltingen der Stadt Weil am Rhein. Das
war damals noch nicht auf dem Schirm, aber das gehört
natürlich dazu.
Die aktuelle Situation ist nun die: Innenminister Rech
hat diese Bürgertrasse als technisch und betrieblich
machbar sowie für Mensch und Umwelt als weit vorteil-
hafter und damit grundsätzlich genehmigungsfähig be-
zeichnet. Das hat die Deutsche Bahn – das hat Herr Rech
gesagt – in einer Sitzung am 2. Februar in Freiburg aus-
drücklich bestätigt. Heute lese ich, dass der Bund sagt:
Wir übernehmen keine Kosten.
Die Genehmigungsbehörde treibt die Planfeststel-
lung weiter voran und versucht, vollendete Tatsachen zu
schaffen. Deshalb ist jetzt der Bund gefordert, einzu-
schreiten. Der Bund muss die laufenden Planfeststel-
lungsverfahren stoppen, weil es nie möglich sein wird,
dafür Akzeptanz zu bekommen. Ich sage Ihnen sehr
deutlich: Wir wollen den Güterverkehr auf die Schiene
verlagern. Aber nur dann, wenn wir entsprechenden
Lärmschutz machen, wenn wir eine Trasse finden, die
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st Ihnen etwas in der Richtung bekannt?
Frau Kollegin, weder der Landeswirtschaftsminister
och der Landesinnenminister ist dafür zuständig.
ie waren selbst, glaube ich, bei der Sitzung am
. Februar – ich bin mir nicht ganz sicher, aber Ihre
raktion war auf jeden Fall vertreten –, in der klipp und
lar gesagt wurde: Es ist alles technisch machbar und
uch ausführbar. – Das Land hat übrigens signalisiert,
ass es das unterstützt. Aber am Zuge ist jetzt der Bund
nd nicht das Land.
Sie sollten aufhören, hier Dinge in die Welt zu setzen,
ie nicht zutreffen, oder anderen den Schwarzen Peter
uzuschieben. Das tun Sie nur, weil Sie nicht in der Lage
ind, in Ihrer Fraktion Mehrheiten zu organisieren und
en Verkehrsminister dazu zu bringen
das Ministerium ist jetzt anwesend; das ist ja toll –,
ndlich einen Schritt zu tun. Das ist Ihr Problem.
Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischen-
rage der Kollegin?
Aber sehr gern.
Herr Kollege Burgbacher, Sie wissen auch, dass Sieußer der Ankündigung eines Bahngipfels 2006 oderippenbekenntnissen noch nie einen konkreten Vor-chlag zur Finanzierung der Mehrkosten dieses Projektsemacht haben, obwohl Sie wissen, wie die Haushalts-rdnung des Bundes aussieht.
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22510 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
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Frau Kollegin Schwarzelühr-Sutter, ich sage es noch
einmal: Das Land hat klare Vorgaben gemacht. Das Land
hat klar die Bereitschaft zur Unterstützung angedeutet.
Das Land ist aber nicht am Zug, sondern der Bund ist am
Zug.
Sie können nicht einfach – ich halte das für ein übles
Spiel, auch für die betroffenen Menschen – den Schwar-
zen Peter an das Land weiterreichen, weil Sie den Ver-
kehrsminister nicht von der Richtigkeit des Projekts
überzeugen können. So kann man nicht verantwortliche
Politik machen.
Den Ablauf finde ich äußerst interessant. Wir haben
am 18. Oktober 2007 unseren Antrag eingebracht. Die-
ser wurde im Verkehrsausschuss am 8. November 2007
behandelt und von der Mehrheit, bestehend aus Union
und SPD, abgelehnt.
Wir haben dann immer wieder versucht, das weiterzu-
spinnen und Gespräche zu führen. Ich erinnere daran,
dass die Kollegin von den Grünen, meine Kollegin
Laurischk und ich ein Gespräch angeregt haben. Darauf
kam keine Reaktion. Dies ist uns erst nach einer Vermitt-
lung des Regierungspräsidenten gelungen.
Das zieht sich bis in diese Woche hinein. Ich habe am
Montag noch einmal angeboten, diese Debatte heute zu
verschieben oder den Antrag an den Verkehrsausschuss
zurückzuüberweisen unter der Voraussetzung, dass uns
deutlich signalisiert wird, dass eine konstruktive Bereit-
schaft besteht, zusammenzuarbeiten und zu einem An-
trag zu kommen.
Aus der Arbeitsgruppe wurde uns signalisiert, dass
weder die Bereitschaft zur Verschiebung noch zur Rück-
überweisung besteht. Deshalb haben wir uns dafür ein-
gesetzt, dass der Antrag heute auf der Tagesordnung
bleibt.
Jetzt müssen wir über das richtige Vorgehen beraten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das duldet langsam
keinen Aufschub mehr. Die Pläne liegen auf dem Tisch.
Jeder vor Ort weiß, dass die derzeitige Trasse nicht
durchsetzbar ist. Dann macht es keinen Sinn, daran fest-
zuhalten, weiter zu planen und Genehmigungsverfahren
weiter voranzutreiben. Jetzt muss ein Stopp verfügt wer-
den. Das müsste dieses Parlament beschließen.
Wenn diejenigen, die vor Ort immer für eine bürger-
und umweltgerechte Trasse werben, heute mit Nein
stimmen, dann wird dies kein Mensch vor Ort verstehen.
Politik fängt auch damit an, dass wir den Menschen
die Wahrheit sagen und dass wir das, was wir vor Ort
tun, hier umsetzen und umgekehrt. Deshalb appelliere
ich an Sie: Stimmen Sie heute diesem Antrag zu, damit
die Regierung weiß, dass sie jetzt am Zug ist.
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Nächster Redner ist der Kollege Peter Weiß für die
DU/CSU-Fraktion.
Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen underren Kollegen! Die Bahnstrecke durch das Rheintal istn der Tat einer der Hauptleistungsträger des Bahnver-ehrs in Deutschland. Schon heute haben wir auf diesertrecke auf einigen Streckenabschnitten Überlastungenon über 100 Prozent. Bis zum Jahre 2025 wird gegen-ber heute eine Verdoppelung des Verkehrs auf diesertrecke prognostiziert.Deshalb sollte man zuallererst einmal festhalten: Esst hoch prioritär, dass diese Strecke für einen leistungs-ähigen Bahnverkehr in Deutschland ausgebaut wird.
Die zusätzlichen Güterverkehre, die wir auf der Nord-üd-Achse in Deutschland erwarten, sollten allerdingsicht fast ausschließlich auf die Rheintalstrecke konzen-riert werden. Deswegen gibt es auch in der CDU/CSU-undestagsfraktion Überlegungen, weitere Strecken füren Nord-Süd-Verkehr zu ertüchtigen, damit sie die zu-ünftigen Kapazitätszuwächse im Güterverkehr aufneh-en können.Nun haben die betroffenen Bürgerinnen und Bürger,ie Städte und Gemeinden entlang der Bahnstrecke iner Oberrhein-Region zusammen mit den Bürgerinitiati-en, die sich übrigens sehr fachkundig an der Diskussioneteiligen,
ine Reihe von durchaus berechtigten Forderungen auf-estellt, nämlich dass der Bahnbau so erfolgen muss,ass die Entwicklungschancen der betroffenen Städtend Gemeinden nicht behindert werden, dass die Men-chen vor Lärm und Erschütterungen besser geschützterden und dass die Kultur- und Erholungslandschaftm Oberrhein – wir sagen ja immer: Wir leben dort, wondere Menschen Urlaub machen – auch für künftigeenerationen erhalten bleibt.Sie haben übrigens hohe Summen eigenen Geldes inie Hand genommen, haben Alternativpläne erarbeitetnd Gutachten eingeholt. In dem derzeit laufenden Plan-echtsverfahren haben 90 000 Bürgerinnen und Bürgerhre Einwendungen schriftlich geltend gemacht.
as heißt, die Bürgerinnen und Bürger nutzen unsereutsches Planungsrecht.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22511
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Peter Weiß
Für mich als Abgeordneten der Region folgt daraus:Der weitere Ausbau der Rheintalbahn kann nur erfolgen,wenn auf die berechtigten Forderungen der Region ein-gegangen wird. Deswegen danke ich der Landesregie-rung von Baden-Württemberg, dass sie es übernommenhat, die Forderungen der Städte und Gemeinde zu bün-deln, und unter Vorsitz des für die Verkehrspolitik zu-ständigen Innenministers Heribert Rech eine Arbeits-gruppe eingerichtet hat, die am 2. Februar dieses Jahresihre Ergebnisse vorgelegt hat. Zusammengefasst ergibtsich folgendes Bild: Diese Arbeitsgruppe befürwortetTunnellösungen für Offenburg und Weil am Rhein, Tras-senvarianten an der Autobahn, Tieferlagen und verbes-serten Lärmschutz.Unter dem Aspekt der Rücksichtnahme auf Menschund Umwelt bezeichnet die Arbeitsgruppe die von derBahn eingereichte Planung als völlig ungenügend undnachbesserungsbedürftig. Ich denke, es macht auch ausSicht der Bahn keinen Sinn, auf Biegen und Brecheneine unzureichende Planung gegen den erklärten Willeneiner gesamten Raumschaft durchzusetzen. Das hoheAnsehen des umweltfreundlichen Verkehrsträgers Bahnwürde beschädigt, wenn es nicht zu Veränderungen imPlanungsprozess kommt. Von daher will das Land Ba-den-Württemberg noch im Frühjahr dieses Jahres Ge-spräche mit dem Bund und der Bahn auf Spitzenebeneführen, um eine Lösung für die aufgezeigten Konflikt-punkte zu finden.Der noch vom Oktober 2007 stammende FDP-Antragist unterdessen in mehrfacher Hinsicht schlichtweg über-holt, Herr Kollege Burgbacher.
Um es kurz zu sagen: Er ist schlichtweg ein Ladenhüter.
So wurden im vergangenen Jahr 2008 zum einen die re-gionalen Forderungen konkretisiert und weiterentwi-ckelt.
Zum anderen ist angesichts des avisierten Spitzenge-sprächs der von der Bundesregierung erbetene schriftli-che Bericht entbehrlich geworden.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Laurischk?
Gerne.
Bitte sehr, Frau Kollegin.
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as heißt, Frau Kollegin Laurischk, jetzt geht es nichtehr um das Prüfen, sondern jetzt sind Entscheidungenu treffen.
llein diese sprachliche Formulierung des Antrags zeigt,ass er ein Ladenhüter ist.Zweitens. Mit Ihrer Frage suggerieren Sie etwas, wasuch in der Rede des Kollegen Burgbacher suggeriertorden ist. Ich finde, wir sollten den Bürgerinnen undürgern und gerade den betroffenen Gemeinden gegen-ber eine ehrliche Sprache führen. Der Deutsche Bun-estag entscheidet nicht, wo eine Bahntrasse durchgeht.
n einem laufenden Planungsverfahren – auf dem gesam-en Abschnitt zwischen Offenburg und Basel sind dielanrechtsverfahren eingeleitet; zum Teil sind sie in derhase der Offenlage, zum Teil haben bereits die Erörte-ungstermine, also die öffentlichen Anhörungen, stattge-unden – dürfte gar keine politische Intervention erfol-en, um das Verfahren nicht rechtlich zu Fall zu bringen.
Deswegen, verehrte Frau Kollegin Laurischk, ist derntrag der FDP nicht nur ein Ladenhüter. Vielmehr sug-eriert er den Bürgerinnen und Bürgern eine vollkom-en falsche Vorstellung von dem, was jetzt notwendigst. Notwendig ist nicht eine Entschließung des Bundes-ages, sondern notwendig ist, dass sich Bundesverkehrs-inisterium, Landesregierung von Baden-Württembergnd Bahn AG an einen Tisch setzen und darüber verhan-eln, ob sie, die Zuständigen, an der Planung etwas ver-ndern.
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22512 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
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Peter Weiß
Genau das ist der Zweck des Berichts der Arbeitsgruppedes baden-württembergischen Innenministers. Ich hättevon einer Partei, die zwar hier in der Opposition, aber inStuttgart in der Regierung ist, erwartet, dass sie das Re-gierungshandeln in Stuttgart unterstützt und nicht durcheinen Antrag konterkariert.
Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischen-
frage der Kollegin Laurischk?
Bitte schön.
Herr Kollege Weiß, ich verstehe Ihre Antwort so, dass
Sie eine Änderung der derzeitigen Bahnplanung über-
haupt nicht mehr für möglich halten.
Insofern würde ich gerne Ihre Einschätzung dazu hören,
dass Herr Mehdorn mir gegenüber erklärt hat, dass eine
Änderung der Bahnplanung bei entsprechender Finan-
zierung durchaus denkbar ist.
Frau Kollegin Laurischk, natürlich kann man eine sol-
che Debatte auch dazu nutzen, durch Zwischenfragen in
alle Details einzusteigen, wobei ich nicht weiß, ob das
nicht unter Umständen für mehr Verwirrung sorgt. Rich-
tig ist, dass die Deutsche Bahn AG für die Strecke zwi-
schen Offenburg und Basel eine Planung eingeleitet hat
und dass sie natürlich nur dann bereit ist, diese Planung
in den Papierkorb zu werfen und eine neue zu beginnen,
wenn sie dazu auch eine Finanzierung erhält. Das ist
vollkommen richtig.
Deswegen ist auch vom Kollegen Beckmeyer schon da-
rauf hingewiesen worden: Zu einem Spitzengespräch
zwischen Bundesverkehrsminister Tiefensee, Minister-
präsident Oettinger und Bahnchef Mehdorn gehört nicht
nur eine Verständigung über die Sache, also ob und wo
man eine Planänderung vornimmt, sondern selbstver-
ständlich auch eine Verständigung über die Finanzie-
rung. Aber, Frau Kollegin Laurischk, dann lassen Sie
doch die drei Herren sich endlich einmal treffen,
bevor Sie Anträge stellen, in denen Sie suggerieren, wir,
der Bundestag, würden das entscheiden! Dann verwei-
sen Sie auf die drei Entscheider, die zusammentreffen
müssen, und nicht auf andere! Das wäre meine herzliche
Bitte.
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Weil der Vorsitzende des Haushaltsausschusses einen
wischenruf macht: In der Tat, Herr Fricke, am Schluss
üssen wir, das Parlament, durch unsere Haushaltsbe-
chlüsse die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen
nd die Grundlagen für eine Finanzierungsvereinbarung
chaffen. Aber das wäre doch der Schlusspunkt, Herr
ricke,
nd an diesem Schlusspunkt sind wir noch nicht ange-
angt.
Nein, das sind wir nicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe ei-
entlich schon in der Antwort auf die Zwischenfrage der
ollegin Laurischk auf den wesentlichen Punkt hinge-
iesen: Ein wirklicher Fortschritt in der Sache, um die
s nun gehen soll, kann nur erzielt werden, wenn sich
und, Land und Bahn gemeinsam an einen Tisch setzen
nd versuchen, die Anliegen der betroffenen Bürgerin-
en und Bürger sowie der betroffenen Städte und Ge-
einden in Südbaden in konstruktiver Diskussion einer
achgerechten Lösung zuzuführen. Das ist übrigens auch
er einzig erfolgversprechende Weg. Denn ich habe
chon vorhin ausgeführt: Für alle Planabschnitte sind die
lanrechtsverfahren eingeleitet, und die Offenlegung der
läne findet statt. Zum Teil haben die Erörterungster-
ine schon stattgefunden. In dem derzeitigen Verfah-
ensstadium kann deswegen nur der Maßnahmeträger
nd Antragsteller Deutsche Bahn selbst mit entsprechen-
er Rückendeckung des Bundesverkehrsministeriums
ine Planänderung vornehmen. Das ist der entschei-
ende Punkt, Herr Burgbacher.
So ist es.
Meine Erwartung ist, dass sich auf dem avisierten
ahngipfel, zu dem Ministerpräsident Oettinger einla-
en wird, auch Bundesverkehrsminister Tiefensee in der
ache bewegen wird. Nach der Ankündigung des Kolle-
en Beckmeyer in seiner Rede gehe ich davon aus, dass
ine entsprechende Gesprächs- und Kompromissbereit-
chaft vorhanden ist.
Herr Kollege Weiß, gestatten Sie eine Zwischenfrage
es Kollegen Bonde?
Gerne.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22513
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Herr Kollege Weiß, da Sie gerade eben wieder verkün-
det haben, dass der Verkehrsminister der Bundesrepublik
Deutschland eine entscheidende Rolle bei der Entschei-
dung über alternative Trassenplanungen und damit über
einen menschen- und umweltfreundlichen Ausbau der
Bahn zu spielen hat, frage ich Sie: Warum verweigern Sie
und Ihre Fraktion sowohl im Haushaltsausschuss als
auch hier den Anträgen meiner Fraktion und der FDP-
Fraktion, die darauf abzielen, dass das Parlament seine
Kontrollfunktion gegenüber der Regierung wahrnimmt
und sich entsprechend positioniert, häufig Ihre Zustim-
mung? Warum beschränken Sie sich als Bundestagsabge-
ordneter auf Interviews in Lokalzeitungen und verwei-
gern hier, sich dafür einzusetzen, dass der Bundestag
seine Möglichkeiten, Einfluss auf den Bundesverkehrs-
minister zu nehmen, tatsächlich nutzt?
Herr Kollege Bonde, ich sehe das ganz anders. Es hat
in der Vergangenheit eine Reihe von Gesprächen stattge-
funden, an denen Sie teilweise teilgenommen und in de-
nen wir Abgeordnete aus der Region am südlichen
Oberrhein versucht haben, auf diese Entscheidungen
Einfluss zu nehmen. Wir haben versucht, die Gemein-
den, die Städte, die Bürgerinnen und Bürger und auch
die Bürgerinitiativen für eine gemeinsame Konzeption,
was die Trassenführung in Südbaden anbelangt, zu ge-
winnen.
Ich selbst habe als Abgeordneter des Wahlkreises Em-
mendingen-Lahr, der einer der hauptbetroffenen Wahl-
kreise ist, unzählige Konferenzen mit den Bürgermeis-
tern und Bürgermeisterinnen durchgeführt. Wir haben
dafür Sorge getragen, dass die Bürgerinitiativen, die
Bürgermeister und die Landräte in Berlin persönlich die
Situation in den Planungsabschnitten vortragen konnten.
Die Aufgabe von Abgeordneten, zur Meinungsbildung
beizutragen, haben wir bisher in einer mustergültigen
Art und Weise erfüllt. Der entscheidende Punkt ist nur
der:
Eine Veränderung der Planung kann im derzeitigen Sta-
dium nur die Bahn selber – mit entsprechender politi-
scher Rückendeckung – einleiten.
Es gab auch eine Zeit vor Einleitung der Planrechtsver-
fahren. Zu dieser Zeit stand die Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen in der Regierungsverantwortung, Herr Bonde.
Da hätte man politisch einen anderen Planungsauftrag er-
teilen können. Dazu haben Sie damals aber nicht den Mut
und die Kraft gehabt.
Herr Kollege Bonde möchte eine Nachfrage stellen.
Bitte.
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in Raumordnungsverfahren wird eingeleitet, wenn deraßnahmeträger für diese Region ein Raumordnungs-erfahren beantragt. Dieses Hin und Her, der Heckmeck,en Sie hier betreiben, dient nur dazu, Verwirrung zutiften.
ie werfen Nebelkerzen, um die einfach zu beschreiben-en Fakten zu vernebeln. Ich finde, das führt uns in derache nicht weiter.
Wenn wir wirklich etwas erreichen wollen, dann soll-en gerade die hier anwesenden Kolleginnen und Kolle-en, die aus der Region am Oberrhein kommen, die dorthre politische Heimat haben, an einem Strang ziehen,m echte Verbesserungen für die betroffenen Menschen,ür die Städte und Gemeinden in dieser Region zu errei-hen.
Herr Kollege Burgbacher, wenn es der FDP wirklichm die gemeinsame Sache ginge, dann hätte sie diesenntrag nicht jetzt, vor dem von der Landesregierung ge-lanten Bahngipfel – der Landesregierung gehört dieDP an –, auf die Tagesordnung des Deutschen Bundes-ages setzen dürfen.
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22514 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
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Peter Weiß
– Entschuldigung, das Aufsetzungsrecht liegt bei denFraktionen. Es bestand kein Zwang für Sie, diesen An-trag heute auf die Tagesordnung des Deutschen Bundes-tages zu setzen.
Auch die von Ihnen vorgeschlagene Rücküberwei-sung an die Ausschüsse würde nicht weiterhelfen. Dannwürde der Ladenhüter ja zu einem noch älteren Laden-hüter werden.
Deswegen haben die Bürgerinitiativen vom Oberrheinin dieser Woche einen Brief an uns Abgeordnete ge-schrieben, aus dem ich jetzt zitiere:Wir bitten Sie eindringlich, diesen Punkt von derTagesordnung abzusetzen.
Weiter heißt es:Die Aufgabe des Bundestages lautet vielmehr, dempolitischen Prozess zwischen der Bundesregierungund dem Land Baden-Württemberg Raum zu geben –und das heißt: Der Punkt Rheintalbahn muss vertagtwerden.Ende des Zitats.Wenn die FDP der Region am Oberrhein wirklich ei-nen Dienst erweisen wollte, würde sie hier keinen politi-schen Schauantrag stellen, sondern dem dringenden Ratder Bürgerinitiativen folgen und ihren Antrag von derTagesordnung nehmen.
– Herr Burgbacher, auch wenn Sie sich aufregen, derPunkt ist der: Mir geht es um die Sache.
Und für die Sache sind nicht Schauanträge, sondern Ta-ten wichtig.Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dorothée Menzner
für die Fraktion Die Linke.
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Das ist das Problem. Sie haben Angst, dass der Kon-ens – auch mit einer Landesregierung und mit demundesverkehrsministerium –, der in Hunderten vonersammlungen gefunden werden soll – er ist bereits inreifbarer Nähe –, erschwert werden könnte. Sie fürch-en sich davor, dass die Koalition den Antrag ablehnt,odurch die Konsensfindung schwieriger würde. In demunkt, fürchte ich, könnten Sie recht haben.Festzuhalten bleibt: Die steigenden Gütermengen,on denen wir alle wissen, sind am besten auf der
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22515
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Dorothée MenznerSchiene aufgehoben. Fest steht auch, dass Schienengü-terverkehr zu starken Belastungen für Anwohner führt.Nachts alle drei Minuten ein Güterzug – das ist ein Pro-blem und eine Zumutung. Wir alle wissen inzwischen:Lärm kann krank machen.
Wenn wir Akzeptanz für das Verkehrssystem Schienewollen, gilt es, diesen Ängsten, aber auch diesen Belas-tungen Rechnung zu tragen. Von daher glaube ich, dassder sich jetzt in der Debatte befindliche Plan Baden 21eine gute Möglichkeit ist und diesem Problem Rechnungträgt. Natürlich ist er mit Kosten verbunden, aber er istangesichts der voraussichtlichen Trassenentgelte und imVergleich zu anderen unnötigen Prestigeobjekten wieStuttgart 21 durchaus finanzierbar.
Von daher möchte ich an die Koalition appellieren,sich ihr Stimmverhalten sehr genau zu überlegen undden eingeleiteten Möglichkeiten der Konsensfindung inder Region nicht im Wege zu stehen.Danke.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Winfried Hermann,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einesvorweg: Der Ausbau der Rheintalbahn, des dritten undvierten Gleises für den Schienengüterverkehr, ist zwei-fellos eines der größten und wichtigsten Projekte inDeutschland und auch in Europa. Das ist die zentraleNord-Süd-Achse.
Es ist ein Riesenproblem, dass wir mit diesem Ausbau ausverschiedenen Gründen nicht gut vorankommen. Es istein Problem, dass wir lange Zeit geglaubt haben – auchmanche von uns –, dass man möglichst nichts mehr ander Planung ändern sollte, damit das Projekt möglichstschnell vorankommt. Das war, glaube ich, ein Irrtum.
Jetzt zeichnet sich ab, dass die Plantrasse, die dieBahn eingereicht hat, nicht den neuesten Erkenntnissenentspricht, sondern – mit Verlaub – aus den Zeiten desKalten Krieges stammt. Damit will ich deutlich machen,wie alt die Planung ist. Damals glaubte man, den Men-schen noch einiges zumuten zu können. Aber die Zeitensind anders. Die Kommunen haben sich anders entschie-den. Manche waren damals noch im Hinblick darauf zer-stritten, welche Trasse sie wollen. Heute gibt es eineklare Botschaft entlang der ganzen Trasse: Sie wolleneine gebündelte Trasse, und zwar möglichst autobahn-nah. Ganze Kommunen haben sich mehrheitlich gegenddvllzzrJSdzdükdcPwdtlsuadIgadwdd–AW
ie werden dadurch auch keine Zeit gewinnen. Wir wer-en Zeit verlieren.
Wir haben jetzt wirklich genug Zeit, einen Neuanfangu machen und eine bessere Trasse entwickeln zu lassen;enn es zeichnet sich ein Konsens ab, übrigens partei-bergreifend. Das Verrückte ist: Normalerweise gibt eslare Fronten zwischen den verschiedenen Parteien. Iniesem Fall ist es aber so, dass vor Ort alle flächende-kend und parteiübergreifend sagen: Die ursprünglichelanung ist völlig falsch. Wir wollen eine andere. – Des-egen verstehe ich, dass der eine oder andere Kollege,er im Bundestag sitzt und seine Position vor Ort vertre-en will, in ziemlich große Schwierigkeiten kommt. Kol-ege Weiß, wahrscheinlich haben Sie auch aufgrund die-er Konflikte so wortreich das Nichtstun umschrieben,nd zwar Ihres, nicht das der anderen.
Sie werfen der FDP vor, ihr Antrag sei überholt. Er istber nicht überholt. Überholt ist vielmehr die Ablehnungurch die Große Koalition von vor anderthalb Jahren.
nzwischen ist sogar die von Ihnen geführte Landesre-ierung in Baden-Württemberg dafür. Offenbar sinduch Sie dafür. Als es damals um den „vagen“ Antrager FDP ging, haben Sie einen Fehler gemacht. Die FDPollte übrigens nicht das Parlament um eine Entschei-ung bitten. Wenn Sie den Antrag lesen, stellen Sie fest,ass es darin heißt:Wir fordern die Bundesregierung auf, mit der Lan-desregierung und der DB in Verhandlungen einzu-treten, um zu prüfen … Das ist immer noch nicht geschehen. Deswegen ist derntrag nicht überholt.
ir unterstützen ihn;
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22516 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
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Winfried Hermanndenn er enthält den Kern der Forderungen der Bürgerini-tiativen.
Die Bürgerinitiativen haben Bedenken, dass die ande-ren Trassen, wenn heute abgestimmt wird, endgültigkein Thema mehr sind. In diesem Punkt haben Sie recht,Herr Weiß: Diese Entscheidung wird heute nicht gefällt.
Deswegen brauchen die Bürgerinitiativen auch keineAngst zu haben, wenn heute abgestimmt wird. Wenn wirdiesem Antrag zustimmen, geben wir der Bundesregie-rung den klaren Impuls,
als Eigentümer der Bahn zu fordern, dass diese unsin-nige Planung zurückgezogen wird. Dann kann das Ver-fahren verkürzt werden. So kommen wir aus dem Di-lemma heraus. Dadurch können wir den Weg für einesinnvolle, neue, bürgernahe, umweltfreundliche und kli-mafreundliche Trasse frei machen. Das ist das eigentli-che Ziel. Deswegen stimmen wir diesem Antrag zu. Ichbitte alle, die sich bei diesem Thema engagieren, nichtfolgende Arbeitsteilung zu praktizieren: vor Ort derneuen Bürgertrasse das Wort zu reden, sich aber hier alsBedenkenträger zu präsentieren und immer nur zu fra-gen: Wie soll das alles bloß finanziert werden?Ich komme zum Schluss. Eines ist klar: Die Bundes-regierung kann sich nicht hinter den Kosten verschan-zen. Denn die alte Trasse würde, wenn man sie bürger-freundlich umgestalten müsste, so teuer, dass sie indieser Hinsicht ohne Weiteres mit jeder neuen Trassekonkurrieren könnte.Noch ein Wort an die CDU und die Landesregierungin Baden-Württemberg. Wer die Bürger von Stuttgartvom Schienenlärm befreit und ohne Not 1 MilliardeEuro dafür ausgibt, dass dort alle nötigen und unnötigenGleise unter die Erde verlegt werden, der darf sich ausdem, was im Rheintal geschieht, nicht völlig heraushal-ten, sondern muss auch den Menschen, die dort leben,etwas bieten. Hier sind Sie am Zug.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung zu dem Antrag der Fraktion der FDP
mit dem Titel „Integrierte Planung für Schiene und
Straße im Rheingraben – Gesamtverkehrskonzept Süd-
baden“. Zu dieser Abstimmung liegen mir Erklärungen
nach § 31 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung vor,
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Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
ung auf Drucksache 16/8029, den Antrag der Fraktion
er FDP auf Drucksache 16/6638 abzulehnen. Wer
timmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
agegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung
st mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen
er Opposition angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus
Riegert, Norbert Barthle, Antje Blumenthal, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/
CSU
sowie der Abgeordneten Dagmar Freitag,
Dr. Peter Danckert, Martin Gerster, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der SPD
Duale Karrieren im Spitzensport fördern und
den Hochschulsport strategisch weiterentwi-
ckeln
– Drucksache 16/10882 –
Überweisungsvorschlag:
Sportausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
einen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
berhard Gienger, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine sehr verehrten Damen und Herren! Spitzensportrfährt auf der einen Seite eine hohe Anerkennung durchie Gesellschaft, stellt auf der anderen Seite aber in vie-en Punkten des Studiums auch eine Störgröße dar. Ichill das in den nächsten Minuten begründen.Wenn man Höchstleistungen im Spitzensport erbrin-en möchte, muss man ein gewisses Zeitmaß investie-en. Für Training zusammen mit Prophylaxe, Regenera-ion und Wegstrecken muss mit 25 bis 30 Stunden prooche gerechnet werden. Zudem fällt die Zeit des Leis-ungssports in einen Lebensabschnitt, in dem die berufli-he Grundlage für die Zukunft gelegt wird. Bei einerombination von Studium und Spitzensport tretenchwierigkeiten auf, die aus den umfassenden akademi-chen und sportlichen Anforderungen resultieren.Studierende sind eine große Stütze des deutschenports. Die Erfolge der studierenden Spitzensportler beien Olympischen Spielen im vergangenen Jahr in Pe- Anlage 3
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22517
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Eberhard Giengerking waren unverkennbar: 37 Prozent der Olympia-mannschaft waren Studierende, 15 von den 41 Medaillenwurden von Studentinnen und Studenten gewonnen. Seitden Olympischen Spielen 1992 ist hier ein linearer An-stieg zu verzeichnen.Die Erleichterung der Vereinbarkeit von sportlicherund beruflicher Karriere ist einer der am häufigsten ge-nannten Punkte, wenn gefragt wird, wie der Spitzensportgefördert werden kann. Es ist ein großes Problem, dassdie hochbegabten Sporttalente beim Übergang vom Junio-ren- in den Seniorenbereich an einen Punkt kommen, andem sie entscheiden müssen: Betreiben wir unserenLeistungssport weiter, oder müssen wir Studium, Ausbil-dung, Beruf forcieren? Manchmal ist es auch so, dass dieSportler nach dem Studium in der Weltspitze etabliertund noch in einem Hochleistungsalter sind, aber am Ar-beitsmarkt keine Perspektive dafür sehen, Sport und Be-ruf parallel zu realisieren. Hier vergeben wir uns zwei-fellos Möglichkeiten, Medaillen zu gewinnen.Ich habe Kontakt mit Mitgliedern des Beirats der Ak-tiven im DOSB aufgenommen. Sie haben mir genau diesbestätigt und es durch ein Beispiel ergänzt: Angenom-men, ein Sportler beendet sein Studium im Jahre 2009und hat Aussichten, im Jahre 2012 olympische Medail-len zu gewinnen. Seine Möglichkeiten sind wie folgt:Entweder, er hört mit dem Leistungssport auf und steigtins Erwerbsleben ein, oder er führt den Leistungssportweiter und begibt sich damit in die Gefahr, dass sein Ab-schluss drei Jahre später am Arbeitsmarkt weniger wertist.Eine duale Karriere stößt hier gewissermaßen an ihreGrenzen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: diehohe Trainingsbelastung, viele nationale und internatio-nale Meisterschaften sowie weitere Verpflichtungen.Deswegen haben wir hier dringenden Handlungsbedarf.Wir müssen unsere Sportler unterstützen, sodass sie eineduale Karriere aufbauen können.
Nur ein geringer Prozentsatz der Sportler ist in der Lage,sich mit dem Sport den Lebensunterhalt zu verdienenbzw. durch die sportliche Karriere eine wirtschaftlicheAbsicherung für das ganze Leben zu erreichen. Viele ha-ben gar nicht das Interesse, den Lebensunterhalt durchSport zu verdienen, und wollen einfach einen anderenBeruf erlernen.Der Deutsche Olympische Sportbund, die Kultusmi-nisterkonferenz, die Sportministerkonferenz und dieHochschulrektorenkonferenz haben bereits am 25. Juli2006 konstatiert, dass erfolgreiche Nachwuchssportle-rinnen und -sportler immer häufiger wegen schwierigeräußerer Rahmenbedingungen ihre sportliche Karrierebeenden müssen.Wie können wir die Drop-out-Quote minimieren? Esbietet sich der Allgemeine Deutsche Hochschulsportver-band an. Dieser Verband hat 168 Mitgliedshochschulen.Er organisiert Hochschulsport nicht nur als Spitzensport,sondern auch als Breitensport. Aktuell gibt es deutsch-landweit immerhin 85 Hochschulen, die eine vertragli-cnvwtzlAMlcdfalammvAgDkuSilsnBmuAdwubsmzvHwsuvsaHgsdsap
Spitzensportler wollen nichts geschenkt. Sie wollenich aber die Möglichkeit erhalten, beides zu schaffen,lso den Beruf, die Ausbildung oder das Studium aufraktikable Art und Weise mit dem zu verbinden, was
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22518 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
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Eberhard Giengersie am liebsten machen, nämlich Sport auf hohemNiveau zu treiben. Der Weg ist also vorgegeben, unddiesen Weg sollten wir gemeinsam beschreiten. LassenSie uns daran arbeiten, dass wir den Athletinnen undAthleten eine gute Zukunft bieten können.Vielen Dank.
Für die FDP-Fraktion gebe ich dem Kollegen Detlef
Parr das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Bereits seit Jahren zeichnet sich ein Bedeutungszuwachsdes nationalen und des internationalen Hochschulsportsab. Nach einer Studie des Wissenschaftlichen Dienstes desBundestages nutzen in der Welt führende Sportnationenden Hochschulsport als wichtiges Element der Förde-rung von Talenten und zum Aufbau sportlicher Eliten. InChina, Russland, Korea, Polen und Italien, um nur einigeBeispiele zu nennen, wachsen die Mannschaften beiinternationalen Wettkämpfen beträchtlich. Sie werdenmit zusätzlichen Fördermitteln ausgestattet und nehmen,wie in Polen, einen wichtigen Platz in den nationalenSpitzensportförderungskonzepten ein.Auch hierzulande erkennen wir einen Trend zu steigen-den Teilnehmerzahlen. Besonders erfreulich sind die kon-tinuierlich verbesserten Leistungen unserer Athletinnenund Athleten. In Deutschland ist der Allgemeine DeutscheHochschulsportverband, der adh, als Dachverband derHochschulsporteinrichtungen für die Organisation desstudentischen Breiten- und Spitzensports mit den dazu-gehörigen nationalen und internationalen Veranstaltungenverantwortlich. Eine Kernaufgabe des adh ist die Unter-stützung und Förderung von studentischen Spitzensportle-rinnen und Spitzensportlern. 33,5 Prozent der Olympia-mannschaft von Athen 2004 waren Studierende. Bei denOlympischen Spielen in Peking steigerte sich der Anteilauf 37 Prozent. Wir sind also auf einem guten Weg.Umso überraschender ist es, dass die Hochschulen alsTräger des bundesdeutschen Spitzensportes in der öffent-lichen Wahrnehmung nach wie vor noch immer wenigerBeachtung finden als andere wichtige Förderer wie Bun-deswehr, Zoll und Bundespolizei. Hier sollte die Bundes-regierung dafür sorgen, dass Maßnahmen ergriffen werden,um die wachsende Bedeutung des Hochschulsports gebüh-rend anzuerkennen und öffentlich herauszustellen. Dasist die eine Seite der Medaille.
Die andere Seite ist die Notwendigkeit der Weiterent-wicklung der parallel zu nutzenden Trainings-, Wett-kampf- und Studienbedingungen. Bereits zu Schulzeitenhaben studieninteressierte Spitzensportler erheblicheSchwierigkeiten bei der zeitlichen Koordination vonSchul- und Sportausbildung. Der bereits in jungen JahrenstsWssuLdsdsvuhkSesddnghstDdSMJinDinmmagvmSeCzW
Es gibt das Projekt „Partnerhochschule des Spitzen-ports“, durch das Regelungen geboten werden, mit denenie hochschulseitigen Unterstützungsmaßnahmen währender Studienzeit festgeschrieben werden. Daran müssenoch mehr Hochschulen teilnehmen, als dies bislangeschieht. Ein Handlungsbedarf besteht insbesondereinsichtlich der Zugangsmöglichkeiten von Spitzen-portlern zum Studium, beim Problemfeld Studienbei-räge und beim Übergang aus dem Studium in den Beruf.ie Bundesregierung muss sich für eine Verbesserunger Zugangsmöglichkeiten einsetzen und ein umfassendesupport- und Stipendiensystem aus öffentlichen Mitteln,itteln der Wirtschaft und durch Stiftungen fördern.Ich komme zum Schluss. Deutschland hat sich letztesahr mit der gescheiterten Universiade-Bewerbung auf derternationalen Sportbühne bis auf die Knochen blamiert.
as Bewerbungskonzept des adh war erstklassig. Es geriet der Hamburger Bürgerschaft leider unter die Räderachtpolitischer Ränkespielchen zwischen CDU und SPD,
it erheblichen Folgen nicht nur für die Reputation desdh, sondern auch für Deutschland als potenziellen Gast-eber anderer Sportgroßveranstaltungen.Man mag von China als Ausrichter sportlicher Groß-eranstaltungen halten, was man will, nur eines mussan den Chinesen lassen: 2001 mit der Ausrichtung derommeruniversiade und gerade eben in Harbin mit einerxzellenten Winteruniversiade haben die Chinesen diehancen genutzt, Lehren für andere Großereignisse zuiehen. Erste Überlegungen, sich nun um Olympischeinterspiele zu bewerben, laufen bereits.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22519
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Detlef ParrWir müssen auch in Deutschland weiter den Blick aufdie Universiade als hochattraktive Sportgroßveranstal-tung gerichtet halten.
Auch Welt- und Europameisterschaften der Studierendensind eine Werbung für den Sport- und BildungsstandortDeutschland. Deswegen sollten sie in die Vergabekrite-rien für Sportfördermittel stärker als bisher einbezogenwerden.Im Übrigen freue ich mich jetzt auf die Beratungenim Ausschuss unter Einbeziehung unseres Antrages, denwir ein Jahr früher eingebracht haben, als dies die Koali-tionsfraktionen mit ihrem Antrag getan haben.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Dagmar Freitag, SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Lieber Kollege Detlef Parr, es überrascht mich, dass An-träge durch langes Liegenlassen besser werden sollen.
Wir lassen uns überraschen. Euer Antrag hat lange genuggelegen.Ich komme einmal zurück auf folgenden Gedanken:Wir wollten die Bewerbung Hamburgs um die Universiadegemeinsam unterstützen. Der Kollege Parr hat geradeschon darauf hingewiesen: So, wie es gelaufen ist, wares eine Peinlichkeit. Man hat in Hamburg mit der Uni-versiade-Bewerbung Wahlkampf gemacht, und nach derWahl hat Schwarz-Grün diese Bewerbung sang- undklanglos in der Versenkung verschwinden lassen. Daswar keine gute Werbung, weder für Hamburg noch fürDeutschland.
Die Universiade ist – das weiß jeder, der sich damit be-schäftigt – die herausragende internationale Sportveranstal-tung für studierende Spitzensportler. Selbstverständlichwäre die Austragung in Deutschland ein Highlight gewe-sen, und selbstverständlich hätte die Universiade – DetlefParr hat darauf hingewiesen – zu einer stärkeren Wahr-nehmung der Leistungen unserer Spitzensportler – auchan ihren eigenen Hochschulen – geführt. Auch da liegtnoch einiges im Argen.mSvWuBnvw–ovSDm2nHnalaEmgnungVwc1rddhz
s geht nur um bessere Rahmenbedingungen – nichtehr und nicht weniger.
Jetzt nenne ich ein Beispiel dafür, Herr Gienger, wieroß die Defizite sind. Eine Athletin – immerhin WM-Teil-ehmerin im Jahr 2007 – wollte Humanmedizin studierennd hat sich für Köln beworben, weil ihr Lebens- und Trai-ingsmittelpunkt in Leverkusen lag. Sie ist nach Münstereschickt worden. Trotz vielfältiger Bemühungen deserbandes, des Olympiastützpunktes und des Ministeriumsar es nicht möglich, dieser jungen Athletin zu ermögli-hen, den Studienort zu wechseln. Sie ist zwei Jahre lang40 Kilometer von Leverkusen nach Münster und zu-ück gependelt. So wunderbar läuft das alles also nicht.
Ich zitiere jetzt aus der Antwort, die ich von den Bun-esländern bekommen habe. Ich hatte dem Vorsitzendener Sportministerkonferenz das Problem geschildert. Erat mir im Jahr 2008 – das ist also noch relativ aktuell –u diesem Fall Folgendes geschrieben:In dem geschilderten konkreten Einzelfall handeltes sich wahrscheinlich um einen Athleten, der unterleistungssportlichen Gesichtspunkten den falschenStudienort gewählt hat. Entweder wurde er diesbe-züglich falsch beraten oder hat die Konsequenzendes leistungssportlichen Trainings im Zusammen-hang mit dem Studium falsch eingeschätzt.
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22520 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
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Dagmar FreitagWas ist das für ein Signal an einen jungen Menschen,der alles richtig gemacht hat? Ich glaube, dann dürfenwir uns nicht wundern, wenn sich Athleten mit Anfang20 an einem Scheideweg sehen und sich im Zweifel fürden Beruf und gegen den Sport entscheiden. Doch einesist klar – das haben auch meine beiden Vorredner festge-stellt –: Der Sport und auch unsere Gesellschaft, denkeich, können sich diesen Aderlass nicht leisten.Deshalb müssen wir in unserem Land zu einem ge-samtgesellschaftlichen Konsens und Klima pro sauberenSpitzensport kommen.
Das gilt im Übrigen nicht nur für die Universitäten. Esmuss Ausbildungs- und Arbeitsplätze geben, die den Be-dürfnissen von Spitzensportlern entgegenkommen. Dasheißt, wir müssen ihnen die Ausbildung erleichtern undden Einstieg in den Beruf ermöglichen. Das muss dieDevise sein.Für eine erfolgreiche duale Karriere müssen Politik,Hochschulen und Unternehmen die passenden Rahmen-bedingungen entwickeln. Wir müssen uns dieser Auf-gabe gemeinsam stellen, und zwar ziemlich schnell.Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Katrin Kunert,
Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Große Koalition will die Situation der studierendenSpitzensportlerinnen und Spitzensportler verbessern.Der umfassende Trainings- und Wettkampfbetrieb sollmit einem erfolgreichen Studium unter einen Hut ge-bracht werden. Aus sportpolitischer Sicht ist das völligin Ordnung. Aber Ihr Antrag taugt nicht dazu, diesesProblem zu lösen. Es wird nur an den Symptomen he-rumgedoktert. Die wirklichen Ursachen werden ausge-blendet.Fakten zur Situation an den Hochschulen: Erstens.Studierende werden mit hochschuleigenen Zugangsbe-schränkungen und Studiengebühren konfrontiert. Hoch-schulen und Universitäten hängen am Tropf des jeweili-gen Landes und sind chronisch unterfinanziert. Das führtdazu, dass immer weniger Studierende ihr Studium be-enden bzw. es in der Regelzeit abschließen können.Zweitens. Studieren bedeutet eine enorme Belastung.Der Prüfungsdruck nimmt zu. Es gibt weniger Wahlbe-reiche. Wettbewerb und Exzellenzinitiative sind Heraus-forderungen, denen sich die Hochschulen zu stellen ha-ben.MNHHrMsufdHjBdrdzSudclFglgngtdesDdvvdrMl
ie übersehen aber, dass nicht nur Spitzensportlerinnennd Spitzensportler, sondern gleichermaßen auch Stu-ierende mit Kind, Studierende aus einkommensschwa-hen Familien, Studierende mit Behinderung, aus-ändische Studierende oder Studierende, die einenamilienangehörigen pflegen, mit erschwerten Bedin-ungen in einem Studium zu kämpfen haben. Wir wol-en, dass allen Studierenden gute Studienbedingungenarantiert werden. Sonderkonditionen für Einzelperso-en sind daher wenig hilfreich. Für alle muss der Zugangleichermaßen gesichert werden.
Wir fordern erstens die Verbesserung der sozialen Si-uation der Studierenden, also ein durchgängiges Stu-iengebührenverbot und ein umfassendes BAföG,
in BAföG als elternunabhängige, repressionsfreie undoziale Studienförderung.
ie Linke wird demnächst einen Antrag einbringen, derarauf abzielt, die Studienzugangsvoraussetzungen zuerbessern.Wir fordern zweitens: Studium darf keine Fortsetzungon Schule sein. Es muss also weniger verschulte Stu-ienordnungen geben. Studierende brauchen mehr Frei-äume, geringere Präsenzzeiten und den Ausbau deröglichkeit eines Teilzeitstudiums. Das trifft für Sport-erinnen und Sportler in gleichem Maße zu, Herr
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Katrin KunertGienger. Es geht generell darum, die Bedingungen zuverbessern.
Es geht nicht um ein Studium light, sondern um ein Stu-dium à la carte.
Um dies umsetzen zu können, müssen wir über dieZuständigkeiten der Hochschulen reden. Es reicht nichtaus, bereits gefasste Beschlüsse von Kultusminister-oder Sportministerkonferenzen aufzufrischen. Appellehaben sich bisher immer als wirkungslos erwiesen. Washat sich durch den Beschluss der Kultusministerkonfe-renz zum Schulsport verbessert? Nichts!
In diesem Punkt liegen die Zuständigkeiten bei den Län-dern.Ein Problemfeld ist die Sportförderung des Bundes.Das Thema Hochschulsport nimmt nur wenige Zeilen inder Berichterstattung der Bundesregierung ein. Die Ver-einbarkeit sportlicher und beruflicher Karriere mussmehr Raum einnehmen, im Sinne von Bestandsauf-nahme und Ableiten konkreter Maßnahmen. Es fehlt zu-dem ein Sportförderungsgesetz des Bundes, welches einKonzept beinhalten muss, das Sportlerinnen und Sport-lern die Vereinbarkeit von Sport, Berufsausbildung, Stu-dium und Beruf tatsächlich ermöglicht. Sportlerinnenund Sportler müssen finanziell unabhängig sein. Siemüssen eine berufliche Perspektive haben. Hier ist dieGesellschaft gefordert.Ich danke Ihnen.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Winfried Hermann,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Der Hochschulsport ist langeZeit nicht ins Blickfeld der Sportpolitik und auch nichtin das der Bundespolitik geraten. Das müssen wir heutemit dieser Debatte und mit diesem Antrag nüchtern fest-stellen. Ich sage das jetzt nicht mit Häme nach demMotto „Die Große Koalition kriegt nichts hin“,
sondern ich habe einen Blick in den Sportbericht derBundesregierung geworfen. In diesem Sportbericht fin-det sich in unserer Zeit – man schämt sich fast dafür –nicht einmal eine halbe Seite zum Thema Hochschul-sport. Damit bestätigt sich, dass wir dieses Themenfeldnicht in den Blick genommen haben. Ich glaube, das warein Fehler.
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eswegen unterstützen wir auch die Debatte darüber.Natürlich haben Sie mit Ihrem Antrag nicht alle Pro-leme der Hochschulen und auch nicht alle sozialen Fra-en angesprochen, Kollegin Kunert.
ch glaube auch, die Hochschulpolitik wäre überfordert,enn sie in dieser Debatte gleich noch alle sozialen Pro-leme und sozialen Fragen der Hochschule auf einmalösen sollte. Nein, das ist es nicht. Wichtig ist allerdings,ass aufgrund der zunehmenden Wichtigkeit der Qualifi-ation und Hochschulausbildung junger Menschen na-ürlich auch die Hochschule als Ort der dualen Karrieren Bedeutung gewinnt. Diesbezüglich sind die Bedin-ungen für Spitzensportler, die gleichzeitig studieren,ehr viel ungünstiger als die, die die Bundeswehr bietet,obei die Bundeswehr nur wenige Berufsfelder anbietet.ir halten es deswegen durchaus für sinnvoll, dass Spit-ensportler an Universitäten bessere Bedingungen vor-inden.
Sie haben selbst darauf hingewiesen, dass es einigerobleme gibt. Wir können als Bund nur begrenzt auf dieänder Einfluss nehmen. Wenn die Länder allerdings ei-en KMK-Beschluss fassen und eine Profilquote fürpitzensportler fordern, dann müssen sie auch die ge-etzlichen Voraussetzungen schaffen, damit das möglichst.
isher ist dies nur in NRW möglich, sonst nirgends. Dasst zwingend; das müsste geschehen.Die Hochschulen müssen selber aktiv werden. Hierebe ich allerdings Frau Kunert recht: Die Hochschulenaren in den letzten Jahren mit so vielen anderen Pro-lemen befasst – mit Finanzierungsfragen und sozialenragen –, dass der Spitzensport sozusagen an den Randedrängt wurde. Deswegen ist es auch unsere Aufgabe,en Hochschulen zu helfen, bestimmte Aufgaben im Be-eich des Sports und der Sportorganisation anzugehen.anche Hochschullehrer haben nämlich überhaupteine Ahnung vom Sport; sie wissen nicht, unter wel-hen Bedingungen heutzutage Spitzensport betriebenird.Es wäre auch gut, wenn wir als Bund vorangingennd die Bundeswehrhochschulen zu Beispielen einesodellhaften Zusammenwirkens zwischen der Ausbil-ung an der Hochschule auf der einen Seite und dempitzensport auf der anderen Seite machen würden. Hier
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Winfried Hermanngibt es noch viel zu tun. Das könnte der Bund machen.Das kann die Bundeswehr anstoßen.Wir können auch den adh stärker in die Pflicht neh-men und ihn bitten, Koordinationsaufgaben dort zu über-nehmen, wo es beispielsweise Reibungspunkte zwischenOlympia-Stützpunkten, Universitäten, Studienabläufenusw. gibt. Da könnte man etwas tun. Da könnten wir denSport unterstützen. Wir brauchen allerdings auch denSport, damit er die Universitäten unterstützt, die dasnicht als ihre eigene Aufgabe ansehen.
Wir sollten jedoch nicht nur über Spitzensport anHochschulen sprechen. Der allgemeine Hochschulsportspielt seit den früheren Jahren bis zum heutigen Tageeine große Rolle, was die Identität mit der Hochschuleanbelangt, was übrigens auch die Gesundheits- und Prä-ventionsarbeit für die vielen Studierenden anbelangt.Des Weiteren sind im Hochschulsport über viele Jahreinnovative Konzepte in der Methodik entwickelt wor-den. Neue Sportarten sind über den Hochschulsportüberhaupt erst in die Gesellschaft gelangt. Volleyballund Basketball sind Sportarten, die in den 70er-Jahrenüber den Hochschulsport zum Breitensport entwickeltworden sind. Auch in diesem Bereich ist der Hochschul-sport förderungswürdig, und auch hier sollten wir ihnunterstützen.Dieser Antrag ist eine Vorlage für eine Debatte imAusschuss. Eine Reihe von Problemen ist angesprochenworden. Wir haben in vielen Punkten noch keine wirk-lich überzeugenden Antworten. Im Ausschuss sind wirjedoch in der Pflicht, darüber differenziert nachzuden-ken.Vielen Dank.
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Swen
Schulz, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Athle-tinnen und Athleten Spitzenleistungen erbringen, Titelund Medaillen gewinnen, dann jubeln wir mit ihnen.Doch wer macht sich Gedanken darüber, wie es mit ih-nen beruflich steht,
wie sie ausgebildet sind, was nach der Sportkarriere ge-schieht? Ich meine nicht die Schumachers, Ballacks oderBeckers dieser Welt. Die haben mit dem Sport Geld ge-macht, und zwar nicht zu knapp. Nein, es geht hier umdie vielen Athletinnen und Athleten, die in Sportartenaktiv sind, in denen eben keine Reichtümer zu gewinnensind. Diese Leute müssen für den Sport einen ungeheuerhohen Zeitaufwand betreiben, und viele können Ausbil-dAdegSwaJzrumnsgaEoadsmHsnvalsasbdsketgdSGSAsdgdV
amit die Studieninteressierten in einem vernünftigenerfahren schnell an einen Studienplatz kommen.
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Swen Schulz
Die SPD will ein Bundesgesetz zur Hochschulzulas-sung. Damit könnten wir dann auch Regelungen im Inte-resse von Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern tref-fen, etwa was die Auswahl des Studienortes anbetrifft,um Studium und Sport besser zu vereinbaren.
Das wäre nicht etwa nur eine nette Bitte an andere, dasssie etwas Sinnvolles tun mögen, sondern ein eigener,selbstständiger, kraftvoller Beitrag aus eigenem Recht.Deshalb meine Aufforderung an die Adresse der Kolle-ginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion: Ma-chen Sie nicht nur bei diesem Antrag mit, sondern gehenSie zu Ihren Parteifreunden im Ausschuss für Bildungund Forschung!
Gehen Sie zu Ihrer Parteifreundin Ministerin Schavan,und setzen Sie sich bei ihr konkret für den Sport ein!Dann kriegen wir auch wirklich etwas hin.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/10882 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Wolfgang Gehrcke, Monika Knoche, Hüseyin-
Kenan Aydin, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE
Den Prozess von Annapolis durch eigenstän-
dige Initiativen unterstützen
– Drucksachen 16/9483, 16/10391 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Joachim Hörster
Dr. Rolf Mützenich
Dr. Werner Hoyer
Wolfgang Gehrcke
Kerstin Müller
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Gert Weisskirchen, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Konfliktherde im Nahen Osten haben sich ineinan-disdnWngkStnD–vuzsOCcgageOvgNdniOsgwEuOsKmnBpsJfscSP
Nein, aber von anderen. – Heute ist wahrscheinlichieles möglich, was früher undenkbar schien. Dies liegtnter anderem daran, dass das Eis gegenüber Damaskusumindest ein Stück weit gebrochen ist. Nicht zu verges-en ist an dieser Stelle auch die Wahl von Barackbama. Es handelt sich um einen Wandel, der neuehancen eröffnet. Es kommt jetzt darauf an, diese Chan-en wirklich zu nutzen.
Man kann erkennen, dass der Nahe Osten in Bewe-ung geraten ist. So paradox es klingen mag – wir habenm Wahlergebnis in Israel keine besonders große Freudeehabt –: Vielleicht liegt in diesem israelischen Wahl-rgebnis eine neue Chance. Erinnern wir uns daran: Derslo-Friedensprozess wurde eher von den Konservati-en Israels in Gang gesetzt, alle anderen Verständi-ungsversuche ebenso. Warum soll diese Chance – fallsetanjahu Ministerpräsident wird – nicht genutzt wer-en?Außerdem hat Netanjahu es – wie nie zuvor – mit ei-em anderen amerikanischen Verbündeten zu tun. Auchn diesem Punkt hat es einen Wandel gegeben. Barackbama hat seine Präsidentschaft damit begonnen, dieseschwierige Thema in den Mittelpunkt seiner Bemühun-en zu stellen. Anders war es bei Bill Clinton, andersar es bei George W. Bush. Die beiden haben erst amnde ihrer Präsidentschaft versucht, das Eis zu brechennd einen neuen Prozess in Gang zu setzen. Barackbama sagt: Ich will das zu Beginn meiner Präsident-chaft in die Hand nehmen. – Liebe Kolleginnen undollegen, darin steckt ein großes Risiko. Daran erkenntan auch den Mut von Barack Obama und seiner Admi-istration. Sie gehen dieses schwierige Problem jetzt, zueginn der neuen Administration, an.Das ist auch eine Chance für uns; denn wir, die Euro-äische Union, sind ein Teil des Quartetts. Die Europäi-che Union hat die Roadmap – ich erinnere mich;oschka Fischer war Außenminister – hier in Berlin er-unden. Sie hat dafür gesorgt, dass zumindest der Ver-uch gemacht werden konnte, die Roadmap zu entwi-keln, an deren Ende – das wissen wir alle – die Zwei-taaten-Lösung stehen muss. Das ist der entscheidendeunkt. Der Impuls beginnt jetzt, mit einer neuen Admi-
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Gert Weisskirchen
nistration. Wir, die Europäische Union, insbesondere wirDeutschen, sollten alles daransetzen, dass diese Chancediesmal wirklich genutzt wird.
Die ersten Entscheidungen Barack Obamas könnenwir nur begrüßen. Mitchell, der Sondergesandte für denNahen Osten, hatte schon vor längerer Zeit einen Planvorgeschlagen, der genau diesen Aspekt berücksichtigtund den er vorantreiben will. Das gilt auch für die Besu-che von John Kerry und Hillary Clinton. Beide warenvor kurzem in Israel, in der Region; John Kerry warübrigens auch im Gazastreifen. Das war seit 2000 dererste Besuch eines hochrangigen amerikanischen Vertre-ters im Gazastreifen. Ich finde, das ist ebenfalls ein deut-liches Zeichen dafür, dass sich die Dinge weiterentwi-ckeln.Natürlich kann man den Prozess von Annapolis kri-tisch bewerten. Wenn wir uns aber anschauen, was vorwenigen Tagen, am 2. März, in Scharm al-Scheich ge-schehen ist, dann müssen wir sagen: Scharm al-Scheichwar ein großer Erfolg, insbesondere für den ägyptischenPräsidenten, für Mubarak; denn er hat etwas in die Wegegeleitet und verstärkt, worauf es jetzt ankommt, nämlichnach den fürchterlichen, blutigen Ereignissen im Gaza-streifen dafür zu sorgen, dass Finanzmittel in die Hand ge-nommen werden, um dafür zu sorgen, dass das, was imGazastreifen kaputtgemacht worden ist, repariert, also neuaufgebaut werden kann. Immerhin 4,48 Milliarden Dol-lar wurden von der internationalen Staatengemeinschaftversprochen. Das ist ein gewaltiges Zeichen. Viel Geldwird in die Hand genommen; allein von den USA900 Millionen Dollar, von der Europäischen Union440 Millionen Euro. Wir, die Bundesrepublik Deutsch-land, sind der größte Finanzgeber mit immerhin150 Millionen Euro. Das ist das, was allein bilateral auf-gebracht wird. Ich finde, das ist ein gutes Zeichen.Jetzt kommt es darauf an, dass die beteiligten Partnerin der Region daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Is-rael muss nun zeigen, dass dem, was in Scharm al-Scheich debattiert worden ist, ganz konkrete Schritte fol-gen. Beispielsweise müssen die Übergänge zum Gaza-streifen geöffnet werden; das ist ganz wesentlich. Ichverweise auf die 500 zur Verfügung stehenden Lastwa-gen. Sie werden von der UNO, insbesondere von derUNWRA – einer für diese Region zuständigen Agentur –,bereitgestellt, um Lebensmittel in den Gazastreifen zubringen. Ich wiederhole: Diese Übergänge müssen gesi-chert geöffnet sein.Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich mache mirin diesem Punkt keine Illusionen – das muss man deut-lich sagen –: Die Hamas und all diejenigen, die an mili-tärischen Auseinandersetzungen – leider – ein Interessehaben, müssen davon Abstand nehmen. Sie müssen jetztlernen: Mit Barack Obama besteht eine neue Chance.Meiner Meinung nach muss sich die Hamas darüber klarwerden, ob sie ein verlässlicher Partner in der internatio-nalen Staatengemeinschaft werden will, ob sie Verant-wortung übernehmen will, ob Palästina am Ende eineoqsdVaiiEdugrCgdgltWgRtGaDBwwdtwDSfäwezVG1)
Ich rufe deshalb jetzt den Kollegen Wolfgang
ehrcke, Fraktion Die Linke, auf.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin; herzlichen Dankuch, liebe Kolleginnen und Kollegen. – Das ist die ersteebatte, die wir nach dem Gaza-Krieg im Plenum desundestages über dieses Thema führen. Es ist mir sehrichtig, dass wir darüber reden. Noch wichtiger ist, dassir darüber nachdenken.Lieber Kollege Weisskirchen, ich hatte streckenweiseen Eindruck, dass Sie eine Für-Rede zu unserem An-rag gehalten haben. Ich will mich gar nicht dagegen ver-ahren. Ich würde mich freuen, wenn das der Fall wäre.as spräche dafür, dass Nachdenken über eine misslicheituation, über Schwierigkeiten zu neuen Erkenntnissenührt.Sie haben über die Chancen gesprochen. Das sehe ichhnlich; da haben wir gar nicht viele Differenzen. Ichill über meine Furcht reden; das Thema haben Siebenfalls angesprochen. Meine Furcht ist: Wenn es nichtu einer politischen Wende kommt, wenn es nicht zuernunft und Einsicht kommt, dann trägt dieser Krieg inaza bereits den Keim neuer Kriege in sich.Anlage 5
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Wolfgang Gehrcke
Dem muss man begegnen. Man muss versuchen, eineandere politische Richtung durchzusetzen. Im Momentmuss man sehr viel Kraft darauf konzentrieren, denkeich, dass aus der Waffenruhe ein Waffenstillstand wird.Der Krieg in Gaza war inhuman und völkerrechtswid-rig; darüber kann es keine Differenzen geben. Mich stößtdas öffentliche Getöse von allen Seiten darüber, wer denKrieg gewonnen hat, nur ab. Dieser Krieg hat keine Ge-winner; dieser Krieg hat nur Verlierer.
Über tausend Menschen haben ihr Leben verloren, Tau-sende ihre Gesundheit. Die Infrastruktur ist zerstört. Esmangelt an allem. Verloren hat das politische und mora-lische Ansehen Israels. Verloren hat das Ansehen desPalästinenserpräsidenten Abbas. Verloren hat das Anse-hen der UNO. Die Missachtung der Appelle des Gene-ralsekretärs ebenso wie der Resolution 1860 des Welt-sicherheitsrats hat der Welt erneut die Hilflosigkeit derUNO vor Augen geführt. Wir brauchen aber keine hilf-lose UNO, sondern wir brauchen eine UNO, die wirklichstark agieren und solche Konflikte zu Ende bringenkann; das ist mir sehr wichtig.
Vordringlich ist aus meiner Sicht jetzt, dass Israel dieZugänge zum Gazastreifen öffnet; sonst bleiben die Er-gebnisse der Geberkonferenz wirkungslos. Vordringlichist, dass es zu einer palästinensischen Einheitsregierungkommt, die handlungsfähig ist. Aus meiner Sicht ist wei-ter vordringlich, ernsthaft über einen Gefangenenaus-tausch zu reden. Man muss begreifen, wie bedeutsam dieFreilassung des israelischen Soldaten Schalit für Israelist. Das muss man einfach emotional verstehen. Manmuss auch verstehen, wie wichtig es wäre, dass solchePalästinenser wie Marwan Barghuthi endlich das Ge-fängnis verlassen könnten. Vordringlich ist – ich bitteden Bundestag hier um ein klares Signal –: Der israeli-sche Siedlungsbau in den besetzten Gebieten muss sofortgestoppt werden.
Wenn das nicht passiert, werden die Türen nicht aufge-macht.Ich denke, dass die Hamas in den Friedensprozesseinbezogen werden sollte. Darüber gibt es hier im Hause– bis auf die CDU/CSU – eigentlich keine Meinungsver-schiedenheiten mehr. Das heißt aber auch: Man muss derHamas klar und deutlich sagen: Mit Gewalt wird ein ei-genständiger palästinensischer Staat nicht zu erreichensein. Wir müssen – das ist die Politik der Linken – kate-gorisch auf Gewaltverzicht setzen.
Der Krieg in Gaza hat innenpolitische Fronten aufge-rissen. Ich will zu drei Dingen ganz kurz etwas sagen.Ich bitte meine Freunde in der Linken, zu verstehen, dassangesichts der deutschen Geschichte Aufforderungenzum Boykott israelischer Waren sich verbieten, auch alsRmIrSienkmslduVsDFDklJgGDesÜPfawSagmsw
ch bitte aber auch, zu begreifen, dass wir nicht akzeptie-en können, dass jede Kritik an der Politik Israels in diechublade „Antisemitismus“ gepackt wird. Auch wasch persönlich mir dazu habe anhören müssen, erreichtine Grenze. Ich sage ferner, dass die einseitige Positio-ierung der Bundesregierung, namentlich der Bundes-anzlerin, nicht hilfreich war.
Notwendig ist jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen,assiv auf die Zwei-Staaten-Lösung zu setzen und mas-iv Druck zu entwickeln.Wir haben eine rechte Regierung in Israel. Ich persön-ich baue nicht auf diese Regierung. Mein Appell geht anas israelische Friedenslager, wieder zu sich zu findennd in Israel so viel Einfluss auszuüben, dass auch daserhältnis zur arabischen Bevölkerung in Israel ein bes-eres wird.Wir brauchen eine politische Kurswende. Daran musseutschland aktiv mitwirken. Das heißt auch, dass manreunden klar sagt, was geht und was nicht geht. Dereutsche Bundestag muss den israelischen Freundenlipp und klar sagen, dass keine weiteren Siedlungen il-egal im Westjordanland gebaut werden dürfen.Herzlichen Dank.
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
ürgen Trittin, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habeerade nachgeschaut: Herr Hartenbach, Sie haben heuteeburtstag. Glückwunsch!
Ich will an dieser Stelle folgende Bemerkung machen:er Annapolis-Prozess – das hat mich bei Ihrem Antragin bisschen gewundert, obwohl Sie viel Richtiges ge-agt haben, Herr Kollege Gehrcke – beruhte auf derberlegung, dass man vermittelt, damit sich Israelis undalästinenser zusammensetzen und dann eine Lösunginden werden. Ich glaube, dass diese Verfahrensweisem Ende darauf hinausläuft: Wir warten auf Godot. Des-egen glaube ich, dass wir einen neuen Anfang für einetrategie brauchen. Dieser neue Anfang muss natürlichn den Erfahrungen anknüpfen, man kann aber auch sa-en: an den Fehlern, die beim Annapolis-Prozess ge-acht worden sind.Ich will nicht alles Richtige wiederholen, was hier ge-agt und zu Protokoll gegeben worden ist, was die Not-endigkeit des Gewaltverzichts, des Austauschs von
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Jürgen TrittinGefangenen, der Beendigung des Schmuggels und ähnli-cher Dinge angeht.Ich glaube, der Annapolis-Prozess hat an zwei Dingengekrankt. Das eine war die Überlegung einer Strategie„Westbank first“: Wir reden nur mit der einen Seite derPalästinenser und überlassen Gaza ein Stück sich selbst.Das hat mit zu der Eskalation beigetragen. Das Ergebnisist aber auch in anderer Hinsicht nicht befriedigend: Der-jenige, den wir immer für unseren Ansprechpartner ge-halten haben und nach wie vor halten, nämlich MahmudAbbas, ist infolge dieses Prozesses nicht stärker, sondernschwächer geworden.Das andere wird anhand der Geberkonferenz inScharm al-Scheich sehr schön deutlich. Wir geben jetztZusagen für fast 5 Milliarden US-Dollar. Wir haben aberbis heute keinen vernünftigen Weg gefunden, wie mandieses Geld implementiert. Die Art und Weise, wie dasGanze bisher über einen improvisorischen Finanzie-rungsmechanismus gelaufen ist, hat eigentlich eher dazugeführt, dass die palästinensische Seite in die Abhängig-keit einer Hilfsökonomie geraten ist; der eigentliche Ge-ber ist dann eben UNRA. Das hat natürlich den Schmug-gel und die Schattenwirtschaft befördert. Das wiederumhat erneut nicht die Fatah, sondern die Hamas gestärkt.Wenn man über die Frage spricht, wie man mit dieserSituation umgeht, dann müssen bestimmte Voraussetzun-gen beachtet werden. Will man den Schmuggel beenden,muss man – natürlich unter der Bedingung des Gewalt-verzichts – die Grenzen öffnen; denn sonst kann man dieTunnel nicht „austrocknen“.Wenn man beim Wiederaufbau helfen will, dann be-darf es einer handlungsfähigen palästinensischen Regie-rung. Diese gibt es zurzeit aber nicht. Es gibt ein Putsch-regime in Gaza und ein wenig demokratisch legitimiertesin der Westbank. Also muss sich Europa dafür einsetzen,dass es zu einer Einheitsregierung kommt. Wenn maneine Friedenslösung haben will, dann muss man eine Re-gierung haben, die legitimiert ist und die ihrer eigenenBevölkerung die aus ihrer Sicht bitteren, aber notwendi-gen Kompromisse erklärt.Das heißt, es muss Neuwahlen in Palästina geben. DieErgebnisse dieser Neuwahlen müssen dann auch aner-kannt werden. Wir müssen wieder dahin zurückkehren,was wir auch sonst machen. Wenn wir mit Staaten reden,gibt es die eine oder andere Regierung, die uns nichtpasst. Trotzdem behandeln wir diese Staaten als Staatenund gehen nicht nach der Kolorierung der jeweiligen Mi-nister.Schließlich: Wenn man eine Zweistaatenlösung will,dann bedarf es des Drückens, des Schiebens, des Über-zeugens aller Seiten, damit sie die genannten Kompro-misse eingehen, sei es im Bereich Siedlungsbau, sei esaber auch in der Frage der Ausübung von Stellvertreter-gewalt bei Fraktionskämpfen. Nichts anderes sind jadiese Raketenangriffe auf Israel aus Palästina heraus, dieunbedingt unterbunden werden müssen. Dafür müssensich, wie ich finde, die Europäer jetzt einsetzen. Siemüssen diese Politik „Warten auf Godot“ beenden undselber aktiv werden.gddind1edhAWPWndgGddbErffIdBiShrr
– Drucksache 16/12098 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll diese
ussprache 30 Minuten dauern. – Dazu höre ich keinen
iderspruch. Dann haben wir das so vereinbart.
Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem
arlamentarischen Staatssekretär Alfred Hartenbach das
ort, verbunden mit herzlichen Glückwünschen zu sei-
em Geburtstag.
A
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-en! Es gibt in der Tat schlechtere Orte, wo man seineneburtstag begehen kann, als dieses Hohe Haus hier, inem zu sprechen ich nun die Ehre habe. Deswegen be-anke ich mich sehr herzlich für die Glückwünsche undemühe mich, in der Zeit zu bleiben.Die Koalitionsfraktionen haben heute parallel zumntwurf der Regierung den Entwurf eines 2. Opfer-echtsreformgesetzes vorgelegt. Damit helfen wir Op-ern und Zeugen von Straftaten, die mit einem Strafver-ahren verbundenen Belastungen besser zu bewältigen.ch denke, dieses Gesetz macht deutlich, dass uns allen,er Regierung wie den Abgeordneten des Deutschenundestages, der Opferschutz ein wichtiges Anliegenst. Unser Rechtsstaat ist verpflichtet, den Opfern vontraftaten auch während des Strafverfahrens wirksam zuelfen.Das Gesetz baut auf den Verbesserungen des Opfer-echtsreformgesetzes von 2004 auf. Mit diesem 2. Opfer-echtsreformgesetz bündeln wir verschiedene Initiativen
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22527
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Pa
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir haben die
Praxis befragt, zahlreiche Vorschläge von Opferschutz-
verbänden ausgewertet und auch zwei Bundesratsinitia-
tiven zur Stärkung des Opferschutzes im Strafverfahren
aufgegriffen, die schon in erster Lesung im Bundestag
beraten wurden. Diese Bundesratsinitiativen zielen zwar
bereits in die richtige Richtung, aber sie reichen für sich
genommen für einen wirksamen Opferschutz nicht aus,
da sie nur sehr punktuell auf ganz spezifische Fälle Be-
zug nehmen. Ich denke, es ist gut, dass wir das alles nun
zusammenfassen.
Der heute eingebrachte Gesetzentwurf der Koalitions-
fraktionen, der mit dem der Bundesregierung identisch
ist, verfolgt einen weit umfassenderen Ansatz: Wir neh-
men neben den Opfern von Straftaten auch die Zeugen in
den Blick und richten unser Augenmerk besonders auch
auf die jugendlichen Opfer und Zeugen. Unser Entwurf
verbessert das Strafverfahren insbesondere in folgenden
Punkten:
Zum Schutz der Verletzten regeln wir die Vorschriften
zur Nebenklagebefugnis und zur Beiordnung eines Op-
feranwalts insgesamt neu und richten beide konsequen-
ter als bisher am Schutzbedürfnis der Opfer von Strafta-
ten aus. Wir wollen erreichen, dass hauptsächlich Opfer,
die schwer unter den Folgen der Tat zu leiden haben,
diese Möglichkeiten in Anspruch nehmen können. Die
erwähnten Initiativen des Bundesrates haben wir dabei
in unser Gesamtkonzept integriert. Daneben haben wir
zahlreiche Verfahrensvorschriften überarbeitet, damit
Verletzte ihre Rechte in der Praxis zukünftig einfacher
und effizienter wahrnehmen können.
Im Bereich des Zeugenschutzes regeln wir erstmalig
im Gesetz die Möglichkeit, einen Zeugenbeistand in An-
spruch zu nehmen. Das ist verfassungsrechtlich schon
lange anerkannt und sollte daher auch endlich auf eine
tragfähige gesetzliche Grundlage gestellt werden. Dane-
ben wollen wir auch die Daten von Zeugen im Strafver-
fahren besser schützen. Wir wissen, Herr van Essen, was
das manchmal für Probleme gegeben hat. Wir haben des-
halb Vorschriften erarbeitet, die sicherstellen, dass die
Wohnanschriften von gefährdeten Zeugen erst gar nicht
in die Akte gelangen und damit auch nicht in die Ankla-
geschrift oder, soweit dies später erforderlich ist, aus
diese Akte wieder entfernt werden können.
Zudem wollen wir einen besseren Schutz für jugend-
liche Opfer und Zeugen, indem wir die Schutzalters-
grenze in verschiedenen jugendschützenden Normen der
Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgeset-
zes von bisher 16 auf nunmehr 18 Jahre anheben. Es
geht hier etwa um den Ausschluss der Öffentlichkeit, die
Vernehmung des Zeugen oder der Zeugin nur durch den
Vorsitzenden und manches mehr. Wir wollen, dass auch
die 16- und 17-Jährigen diesen Schutz in Anspruch neh-
men können; denn ihr Belastungserleben unterscheidet
sich nach Berichten und Erkenntnissen aus der Praxis
wenig von dem der 15-Jährigen.
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22528 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
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Siegfried Kauder ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.Siegfried Kauder (CDU/CSU):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Meine Damen und Herren! Immer dann, wenn wir eineVerbesserung des Opferschutzes beraten, stehen sie aufder Matte: die Strafverteidiger. Dies war schon 1986 so,als das Opferschutzgesetz verabschiedet worden ist. Feder-führend war damals der Kollege Schünemann, der denStrafprozess in Gefahr sah. „Störungsevident“ nannte erdie Nebenkläger. Die Stunde der Opfer schlage. So hatsich dies fortgesetzt, als im Jahre 1998 das Zeugen-schutzgesetz einen Opferanwalt auf Staatskosten brachte.So war es im Jahr 2004, als das Adhäsionsverfahren ver-bessert wurde. So war es im Jahre 2006, als durch das2. JuMoG die Nebenklage in das Jugendstrafverfahreneingeführt wurde.LEsd6svzhuDaFvOeSPdwMbfwwdeijhtFndodaisuhfisDddrm
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir gehen im Opfer-chutz mit diesem Gesetzentwurf einen weiteren Schrittoran. Dieses Mal waren die Initiatoren die Länder, dieugegebenermaßen nur Teilsegmente herausgegriffenaben, wie beispielsweise die Aufnahme der Zwangsheiratnd des schweren Stalkings in die nebenklagefähigenelikte. Das ist insoweit auch eine Einführung des Opfer-nwaltes auf Staatskosten.Dieser Gesetzentwurf geht weiter. Er greift berechtigteorderungen auf, die die Opferschutzorganisationen seitielen Jahren verfolgen, und verbessert den Schutz derpfer in Strafverfahren in wesentlichen Punkten. Es warine gute Einrichtung, dass man den Opferanwalt auftaatskosten eingeführt hat. So wie der Angeklagte einenflichtverteidiger auf Staatskosten bekommt, soll auchas Opfer vom Staat in seiner Verteidigung geförderterden.Wir waren mit den Opferschutzorganisationen dereinung, dass sämtliche Straftaten, die mit Gewalt ver-unden sind, in die Nebenklage und in die Regelungenür den Opferanwalt auf Staatskosten aufgenommenerden sollen. Dem folgt dieser Gesetzentwurf.Aber nicht nur dort, wo Gewalt gegen Personen ange-endet wird, sind Straftaten für das Opfer einschnei-ende Erlebnisse. Der Wohnungseinbruch ist nicht nurin Einbruch in Räume, die bewohnt werden, sondern erst auch ein Einbruch in die Privat- und Intimsphäre des-enigen, der diese Wohnung bewohnt. Der Weiße Ringat schon vor vielen Jahren eine Untersuchung in Auf-rag gegeben, die belegt, wie schwer die psychischenolgen bei einem Wohnungseinbruch sind. Denn derje-ige, der davon betroffen ist, kann und will manchmal iner eigenen Wohnung nicht mehr leben. Opferschutz-rganisationen zahlen in solchen Fällen die Kosten füren Umzug. Deswegen ist es gut, dass die Vorschriftuch diese nebenklagefähigen Delikte umfasst. Auch dast eine weitere Verbesserung für die Opfer von Straftaten.Es ist auch gut, dass die Schutzrechte von Jugendlichennd Heranwachsenden, die als Zeugen vor Gericht ste-en müssen, verbessert werden. Das gilt insbesondereür die Videovernehmung von Opferzeugen.Aber, meine Damen und Herren, ein Gesetz zu erlassen,st die eine Seite, und sicherzustellen, dass diese Vor-chriften auch angewendet werden, ist die andere Seite.erjenige, der Nebenklagen vertritt, erlebt immer wieder,ass Opferschutzrechte nicht beachtet werden. Das passierteshalb oftmals, weil Verletzungen dieser Rechte nichteversibel sind. Sie sind nicht mit einer Rechtsmittel-öglichkeit für das Opfer ausgestattet.
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Siegfried Kauder
Deswegen gehen wir mit diesem Gesetzentwurf denrichtigen Weg. Es geht darum, die Rechte der Opfer zuverbessern, indem Sollvorschriften in Mussvorschriftenumgewandelt werden: Der Nebenklagevertreter ist vonder Hauptverhandlung zu informieren, und ihm ist dieAnklageschrift zuzustellen. Auf diesem Weg sollten wirweiter vorangehen. Was die Videovernehmung des Opfersanbelangt, gibt es noch einiges zu tun; denn das ist einereine Sollvorschrift. Man müsste sich Gedanken darübermachen, ob man die Gerichte nicht mehr zwingen sollte,Videovernehmungen durchzuführen.Meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist gut. Esist in sich geschlossen und stimmt die Möglichkeiten, ei-nen Opferanwalt auf Staatskosten in Anspruch zu neh-men, sehr genau aufeinander ab. In einigen Bereichengibt es hierzu Mussvorschriften und in anderen Berei-chen Kannvorschriften. Ein 18-jähriger oder ein unter18-jähriger Betroffener hat mehr Rechte als ein Erwach-sener.Was den Opferschutz anbelangt, sind wir damit abernoch lange nicht am Ende. Auch eine Verfahrensvor-schrift wird mit diesem Gesetzentwurf verbessert: Wennjugendliche oder heranwachsende Zeugen bei Gerichtvernommen werden, kann die Öffentlichkeit nach denjetzt bestehenden gesetzlichen Vorschriften ausgeschlossenwerden. Diese Schutzvorschrift, die bisher beim 16. Le-bensjahr endet, wird bis zum 18. Lebensjahr ausgedehnt.Aber wie weit reicht dieser Schutz für den jugendlichenZeugen? Während seiner Vernehmung wird die Öffent-lichkeit ausgeschlossen. Ist er vernommen, wird das,was er in nichtöffentlicher Sitzung vorgetragen hat, inden Schlussvorträgen vorgetragen oder bei der Erörte-rung des Sachverhalts in Öffentlichkeit diskutiert. Auchdarüber sollten wir uns Gedanken machen. Es gibt nocheiniges zu verbessern, was den Opferschutz, insbeson-dere jugendlicher Zeugen, anbelangt.Insgesamt gesehen ist festzustellen, dass wir auf demrichtigen Weg sind. Ich freue mich, dass wir uns imDeutschen Bundestag über diesen Weg erkennbar einigsind. Ich bin mir sicher, dass es in einigen TeilbereichenNachjustierungsbedarf gibt. Das können wir in den Aus-schüssen besprechen. Ich danke Ihnen, dass Sie die An-liegen von Opfern unterstützen, und freue mich auf dieDiskussion im Rechtsausschuss.
Das Wort erhält nun der Kollege Jörn Wunderlich für
die Fraktion Die Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-nen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurfbezweckt die Koalition die Stärkung der Rechte von Ver-letzten und Zeugen im Strafverfahren. Sie knüpft mitdem Entwurf an eine ganze Reihe von Gesetzgebungs-initiativen an – Herr Kollege Kauder hat sie gerade auf-geführt –, die 1986 ihren Anfang nahm.vidgBdsuzBgcudrtGbgSnfSgdscteeBObEdRsOdduesvibwaVDWdd
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Jörn WunderlichObwohl wir dem grundsätzlichen Ansinnen des Opfer-schutzes nur beipflichten können, ist dieser Gesetz-entwurf entgegen dem Titel kein großer Wurf. Er istnicht von rechtspolitischer Inspiration getragen, sondernbeschränkt sich im Wesentlichen auf redaktionelle Fein-heiten, Umformulierungen und Umjustierungen. DieserEntwurf muss sich in Zeiten des Wahlkampfes den Vor-wurf entgegenhalten lassen, Opferschutz mit populisti-schen Mitteln zu instrumentalisieren.Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Die Kollegen Jerzy Montag und Dr. Matthias Miersch
geben ihre Reden zu Protokoll.1)
Damit kann ich die Aussprache schließen.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfes auf der Drucksache 16/12098 an die in der Tages-
ordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt
es andere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist
die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainder
Steenblock, Jürgen Trittin, Manuel Sarrazin, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Zwei Jahre Europa-Vereinbarung – Bundesre-
gierung muss ihre Verpflichtungen unverzüg-
lich vollständig erfüllen
– Drucksache 16/12109 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
Rechtsausschuss
Auch hier soll nach einer interfraktionellen Vereinba-
rung die Aussprache 30 Minuten dauern, wobei die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fünf Minuten erhalten
soll. – Ich setze Ihr Einverständnis voraus.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Rainder Steenblock für die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alsvor zwei Jahren diese Vereinbarung zur Zusammenarbeitzwischen der Bundesregierung und dem Parlamentverabschiedet wurde, haben wir hier im Deutschen Bun-destag völlig zu Recht Reden gehalten, die dies als histo-rischen Moment der Kooperation zwischen Parlamenta-riern aller Fraktionen gewürdigt haben und auch als einDokument des Selbstbewusstseins des Parlamentesgegenüber der Exekutive. Wir wissen genau – egal obwsdZlmhemDissgwFsBdGudbuephddslbtiRmdAdmlwiEmwmszkvd1) Anlage 6
Aber es gibt natürlich auch eine Reihe von Kritik-unkten. Als wir vor einem Jahr diese Debatte geführtaben, ist uns von den Regierungsfraktionen gesagt wor-en, dass eigentlich alles auf einem guten Weg ist undass das, was die Grünen und die Liberalen kritisieren,chon in den nächsten Tagen geregelt sein wird. Das isteider nicht so. Was die noch offenen Fragen betrifft, ha-en wir in den letzten zwei Jahren, insbesondere im letz-en Jahr, nur geringe Fortschritte gemacht. Wir erhaltenmmer noch keine Berichte aus den Arbeitsgruppen desates. Somit steht uns ein wichtiges Element der Infor-ation nicht zur Verfügung. Der Parlamentsvorbehalt istas schärfste Schwert des Parlaments, das wir in diesenuseinandersetzungen haben. Auch in der Debatte überen Emissionshandel hat sich das Parlament stark ge-acht. Die Bundesregierung hat die Vorschläge des Par-aments aber leider nicht so wie vom Parlament ge-ünscht berücksichtigt.Außerdem erhalten wir vom Auswärtigen Amt leidermmer noch keine ausreichenden Unterlagen über dieuropäische Außen- und Sicherheitspolitik; auch daraufuss man hinweisen. Das sind Defizite, die behobenerden müssen. Vor zwei Tagen haben wir vom Außen-inisterium zum ersten Mal eine Übersicht über die an-tehenden Rechtsakte bekommen, und das, nachdem wirwei Jahre lang versucht haben, an diese Unterlagen zuommen. Ich konzediere gerne, dass das ein Schritt nachorn ist. Von den 20 Rechtsakten, die uns zugeleitet wur-en, waren 18 allerdings schon abgeschlossen.
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Rainder Steenblock
Das ist nicht die Frühzeitigkeit der Information, die wirin der Zusammenarbeitserklärung vereinbart haben.
Lieber Herr Staatsminister Gloser, wenn die nächsteÜbersicht über anstehende Rechtsakte vorliegt, wäre esgut, wenn wir sie in Anbetracht des Vorlaufs der Ent-scheidung innerhalb von drei Wochen bekommen könn-ten. Der Deutsche Bundestag hat nämlich das Selbstbe-wusstsein, mitentscheiden zu wollen. Er will nicht nurnachträglich informiert werden.
Ich glaube, wir Parlamentarier sind gemeinsam der An-sicht, dass wir an diesen Stellen nachbessern müssen.Ausgesprochen positiv in all diesen Debatten war,dass wir Parlamentarier über die Fraktionsgrenzen hin-weg immer auf unsere Rechte bestanden und für unsereRechte gekämpft haben. Ich hoffe, dass unser Antrageine Grundlage und ein Anstoß ist, um die noch offenenFragen zu beantworten. Das gilt insbesondere im Hin-blick auf die Einvernehmensregelung. Es ist wichtig,dass auch wir, die Oppositionsfraktionen, in die Lageversetzt werden, die Einhaltung der Einvernehmensrege-lung zu kontrollieren. Ich würde mich sehr freuen, wennes uns gelingen würde, in diesen Fragen Einvernehmenzwischen den Fraktionen herzustellen und im Rahmendes Arbeitsprozesses, der jetzt anfängt, zu gemeinsamenPositionen zu kommen und die Rechte des Parlamentsweiter auszubauen und zu stärken.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Michael Stübgen,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Lassen Sie mich eingangs betonen, dass ich dem Kolle-gen Rainder Steenblock dankbar bin, dass er gemeinsammit seiner Fraktion einen Antrag zur Umsetzung der Ver-einbarung von Bundestag und Bundesregierung über dieZusammenarbeit in Angelegenheiten der EuropäischenUnion eingebracht und zu Recht angemahnt hat, beste-hende Defizite zu beheben.Heute ist nicht das erste Mal, dass wir über diesesThema sprechen. Wir haben das schon vor zwei Jahrenund auch im vorigen Jahr getan. Es ist richtig, daraufhinzuweisen, dass einzelne Aspekte nach wie vor nochnicht in ausreichendem Maße umgesetzt worden sind;teilweise kann man gar nicht erklären, warum das nochnicht geschehen ist.–ttmdbbsAdpÜsseaWbIcKaDSSnpBHbBgrmdünsd
Ich hoffe, dass meine Fraktion auch einmal klatscht.
Ich finde es allerdings bedauerlich, dass sich die Frak-ion Bündnis 90/Die Grünen entschieden hat, diesen An-rag allein einzubringen, und dass sie nicht versucht hat,it uns in Gesprächen eine gemeinsame Position zu fin-en, damit wir einen gemeinsamen Antrag hätten ein-ringen können, wie es sich in den letzten zwei Jahrenewährt hat. Ich glaube, das wäre der bessere Weg gewe-en.
uch in einem Wahljahr wie 2009 sollten wir versuchen,ie gemeinsame Basis beizubehalten, die wir in europa-olitischen Angelegenheiten haben, insbesondere unsereberzeugung von der Notwendigkeit der demokrati-chen Kontrolle des europäischen Handelns. Im Aus-chussverfahren haben wir sicherlich noch die Chance,ine gemeinsame Position zu finden. Schließlich hat dasuch in der Vergangenheit immer geklappt.
Tatsache ist – das wird wohl niemand bestreiten –:as die Umsetzung der Zusammenarbeitsvereinbarungetrifft, muss eine Reihe von Punkten verbessert werden.ch will mich jetzt bei der ersten Lesung auf vier Berei-he konzentrieren.Erstens. Wir haben nach wie vor die Situation – derollege Steenblock hat das angesprochen, und das stehtuch in dem Antrag –, dass die Bundesregierung deneutschen Bundestag über die Gemeinsame Außen- undicherheitspolitik, die GASP, und über die Europäischeicherheits- und Verteidigungspolitik unzureichend, jaahezu nicht unterrichtet. Auch die sogenannten Nonpa-ers gelangen in den seltensten Fällen zum Deutschenundestag. Ich weiß, dass das bei diesen Papieren iminblick auf die Geheimhaltungsstufe gelegentlich pro-lematisch ist. In der Europa-Vereinbarung zwischenundesregierung und Bundestag ist aber eindeutig gere-elt, dass auch dies Vorhaben im Sinne dieser Vereinba-ung sind und der Bundestag umfassend beteiligt werdenuss.Zweitens. Es ist inakzeptabel – wir sprechen das jetztas dritte Mal in Folge an –, dass die Bundesregierungber Arbeitssitzungen und Gruppensitzungen des Ratesach wie vor überhaupt nicht berichtet, wenn diese imogenannten Hauptstadtformat stattfinden und nicht voner Ständigen Vertretung begleitet und nicht die gängi-
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Michael Stübgengen Drahtberichte geschrieben werden. Das Ergebnis ist,dass wir gar keine Informationen bekommen. Bei diesenSitzungen – das scheint in der Praxis der Arbeit derEuropäischen Union zuzunehmen – werden jedochwichtige Entscheidungen getroffen. Wie sollen wir einVerfahren für eine europäische Rechtsetzung bewerten,wenn uns keinerlei Berichte zur Verfügung stehen? Hiermuss Abhilfe geschaffen werden. Wir werden das imAusschuss der Bundesregierung gegenüber ansprechenund deutlich machen, dass wir erwarten, dass dies umge-hend geklärt wird.
Drittens – da waren wir schon einmal fast fertig; des-wegen habe ich die Hoffnung, dass wir das diesmal klä-ren – sollten wir einen echten Restanten aus der Weltschaffen: Wir sollten inhaltlich und verfahrenstechnischklären, wie die Bundesregierung Einvernehmen mit demBundestag herstellen muss, bevor Verhandlungen oderRegierungskonferenzen zur Änderung der vertraglichenGrundlagen der Europäischen Union und bevor Beitritts-verhandlungen begonnen werden. Es gab einen Fall, beidem das nicht ganz klar war; wir können das unter„Missverständnisse“ fassen. Ich glaube, wir können einVerfahren finden, bei dem die Abläufe klar sind. Auchdieses Verfahren soll Thema der Beratungen sein.Lassen Sie mich noch Folgendes ansprechen: DieBundesregierung hat den Bundestag überwiegend recht-zeitig und ausreichend informiert. 2008 hat sich derBundestag bereit erklärt, die Berichtspflicht der Bundes-regierung zu reduzieren, sie nur noch bei Dokumenten,die der Bundestag als beratungsrelevant einstuft, zuzwingen, Berichtsbögen auszufüllen. Das Europareferatder Bundestagsverwaltung hat festgestellt, dass die Bun-desregierung dem Bundestag 2008 nur noch zu 48 Pro-zent der Vorlagen zu europäischen Rechtsetzungsvorha-ben umfassende Bewertungen erstellt hat. Das isteindeutig zu wenig. Ich kenne das selber von einzelnendieser Vorlagen.Die Bewertung der Subsidiarität im Zusammenhangmit Rechtsetzungsvorhaben wird mit Lissabon noch be-deutender werden. Auch wenn es vom Ressort und vonder Vorlage abhängt, ist zu sagen, dass die Bundesregie-rung die Subsidiaritätsprüfung bei solchen Rechtset-zungsvorhaben sehr lapidar durchgeführt hat. Das kannnicht ausreichen; denn die Subsidiarität ist ein wichtigesThema, mit dem wir uns gerade nach dem Inkrafttretendes Vertrages von Lissabon befassen müssen. Hier musseine deutliche Verbesserung erfolgen.Schon in der zweiten Jahreshälfte 2008 hat sich ge-zeigt, dass die Art und Weise der Bewertung durch dieEinführung eines Mahnverfahrens verbessert worden ist.Wir werden in dieser Sache dranbleiben. Es ist nichts,was wir grundsätzlich ändern können, es ist keine Struk-turfrage; aber es ist wichtig, dass die Bewertung in Zu-kunft ordentlich durchgeführt wird.Was ich hier vorgetragen habe, habe ich nicht gesagt,weil ich Lust gehabt hätte, herumzukritisieren oder mirehsrrzgbgzsdlfawdSgtFMBsfosaEdsmRsaedmpgszWt
Das Wort hat der Kollege Markus Löning für die
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!eine Damen und Herren! Ganz ohne Zweifel hat derundestag im Laufe dieser Legislaturperiode Fort-chritte hinsichtlich der besseren und frühzeitigeren Be-assung mit EU-Rechtsetzung gemacht. Dies hat ganzhne Zweifel zentral mit der Europa-Vereinbarung zwi-chen Bundestag und Bundesregierung zu tun.Wir sind besser informiert, es gibt ein höheres Leveln Aufmerksamkeit für das, was auf der europäischenbene passiert, und zwar vor allem – das halte ich anieser Stelle für besonders wichtig – in den Fachaus-chüssen. Der Europaausschuss, der sich sowieso immerit Europa beschäftigt, war in Bezug auf europäischeechtsetzung immer ein Stück voraus, aber die Fachaus-chüsse hatten manchmal nicht rechtzeitig und richtiguf dem Schirm, dass da etwas aus Brüssel kommt. Dieigentliche Arbeit besteht aber gerade darin, dass sichie Fachkollegen rechtzeitig mit den Grünbüchern oderit den Richtlinienentwürfen auseinandersetzen, umolitisch Einfluss nehmen zu können.Wir haben in unserer Fraktion eine eigene Arbeits-ruppe eingesetzt, in der die Kollegen aus dem Europäi-chen Parlament mit den Fachkollegen aus der Fraktionusammensitzen und in der wir regelmäßig beraten:elche Themen stehen an? Was sind die politisch wich-igen Themen? Wie können wir sie angehen? Wie brin-
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Markus Löninggen wir sie auf die Tagesordnungen der Ausschüsse imEuropäischen Parlament oder im Deutschen Bundestag?Ich halte es für wichtig, sich rechtzeitig mit den Din-gen zu beschäftigen und dafür auch die erforderlichenStrukturen zu schaffen. Dazu reicht es nicht, dass wir alsBundestag das Büro in Brüssel haben, dazu reicht esauch nicht, dass wir zusätzliche Verwaltungen haben;vielmehr muss dies auch politisch in den Fraktionen um-gesetzt werden. Dabei muss jede Fraktion entscheiden,was für sie selbst besonders wichtig ist und welche The-men sie in den Vordergrund rücken will.Im Laufe der Legislaturperiode hat es verschiedeneStellungnahmen nach Art. 23 des Grundgesetzes gege-ben. Es gab aber nicht nur Stellungnahmen des gesamtenHauses, sondern auch von einzelnen Fraktionen und vonAusschüssen. Unsere Fraktion hat öfter davon Gebrauchgemacht, und ich halte es für wichtig, dass wir auch alseinzelne Fraktionen Stellungnahmen abgeben, beispiels-weise nach Art. 23. Wenn sie keine Mehrheit finden,dann bringen sie uns nicht weit. Aber wenn wir derKommission unsere Stellungnahmen frühzeitig im Bera-tungsverfahren übermitteln, ist das auch eine wichtigeBeteiligung. Es sind also auch die Fraktionen gefragt,sich zu beteiligen, statt sich nur auf die Verwaltung zu-rückzuziehen.
Wir stehen mit der BBV und auch mit Art. 23 desGrundgesetzes besser da als eine ganze Reihe von ande-ren nationalen Parlamenten. Wenn man mit Kollegen ausder Assemblée Nationale spricht und sich von ihnen an-hört, wie groß deren Einfluss auf ihre Regierung ist,dann stellt man sich durchaus Fragen nach dem Selbst-wertgefühl der dortigen Parlamentarier.Wir waren im Dezember in London und haben mitden Kollegen im Unterhaus und im Oberhaus darübergesprochen, die sich auch sehr intensiv und frühzeitigmit den europäischen Themen beschäftigen, die aberrechtlich weit weniger Möglichkeiten haben als der Bun-destag. Im Gegensatz dazu haben die Dänen und dieSchweden rechtlich gar nicht so viele Möglichkeiten,machen aber faktisch ihren Regierungen sehr klare undsehr enge Vorgaben. Dies zeigt, dass der rechtliche Rah-men zwar wichtig ist, man aber auch den politischenWillen braucht, diesen Rahmen auszuschöpfen.
Anerkanntermaßen, lieber Michael Stübgen, wurdedas von der Regierungsfraktion CDU/CSU hier bereitsausgesprochen. Das ist im Laufe dieser Legislatur-periode aber eben an verschiedenen Stellen nicht pas-siert. Es gab verschiedene Stellen, an denen der Bundes-tag sein Selbstbewusstsein gegenüber der Regierunghätte zeigen können. Leider haben SPD und CDU/CSUdies nicht so getan, wie wir als Opposition es uns ge-wünscht hätten und wie vor allen Dingen ich als Parla-mentarier es mir gewünscht hätte.
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er gehört zur Regierungskoalition, lieber Kollege –,er sich immer darüber beschwert hat, auch vor demundesverfassungsgericht, dass der Bundestag nichtsetan und sich nicht beteiligt hat. Seine eigene Fraktionat er, als er es gekonnt hätte, aber eben auch nicht ge-rieben, und im Vorfeld der Beratungen zum Vertrag vonissabon hat er nicht dafür gesorgt, dass hier Einverneh-en mit dem Bundestag hergestellt wird. Das gilt imbrigen auch für andere Kollegen, die sich gerne be-chweren.Das ist etwas – darin stimme ich mit allen überein –,as unbedingt ganz klargemacht werden muss: Im Vor-eld von Beitrittsverhandlungen brauchen wir ein Man-at und Einvernehmen zwischen dem Bundestag und derundesregierung. Im Vorfeld von Vertragsänderungenrauchen wir das ebenfalls. Als Bundestag müssen wir ich denke, das Bundesverfassungsgericht wird uns dasuch aufgeben – die Möglichkeiten, die wir haben, end-ich ordentlich ausschöpfen.Vielen Dank.
Für die Bundesregierung hat nun der Staatsminister
ünter Gloser das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Warum haben wir damals diese Vereinbarungeschlossen? Ich denke, wir wollten damit auch eineneitrag dazu leisten, dass nicht immer gesagt wird, wasinige ja vielleicht gerne tun, dass Brüssel weit weg istnd dass wir über ein fernes, nie fassbares Gebilde dis-utieren. Wenn wir aufdröseln wollen, welche Einfluss-öglichkeiten wir haben, dann müssen wir das ebenuch mit dem Ziel einer Vereinbarung tun, durch die dieitwirkungsrechte der nationalen Parlamente sicherge-tellt werden können.
Um das vielleicht auch einmal den Zuhörern und Zu-chauern zu sagen: Ich denke, wir haben bei den Ver-andlungen zum Reformvertrag von Lissabon im Sinnees Parlaments deutlich gemacht, dass dafür eine Legiti-ation nötig ist. Wir haben ausdrücklich auch gesagt,ass die Parlamente – auch die nationalen Parlamente –ei diesem ganzen europäischen Entscheidungsprozessine ganz wichtige Rolle spielen werden. Infolgedessenat sich diese Koalition in der Koalitionsvereinbarungann vor allem auch darauf verständigt, die Ausweitunger Rechte des Bundestages parlamentsfreundlich zu ge-talten und eine Vereinbarung zu schließen.
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Staatsminister Günter GloserIch komme gleich noch einmal auf einige Punkte zusprechen, weil ich nicht glaube, dass wir beide, wie derKollege Friedrich meinte, in fahrlässiger Weise schoneine Zusage gemacht haben. Nein, es ist auch nach unse-rem Verständnis erforderlich, dass wir uns in einem Aus-schuss dann auch den Themen stellen.
Ich kann aber nicht auf alles eingehen.Ich sage in dieser Zeit, zwei Jahre nach der Vereinba-rung, aber auch: Die Gesamtbilanz kann sich doch sehenlassen.
Das sage ich auch als jemand, der gemeinsam mit PeterHintze bis 2005 als Abgeordneter im Parlament gewesenist. Wir haben dann nicht die Seiten gewechselt, aberauch nicht einfach unser Mäntelchen nach dem Wind ge-dreht, sondern gesagt: Ja, wir nehmen die Rechte desParlamentes ernst, und wir versuchen aber auch, eineLösung entsprechend unserem Verständnis der Exeku-tive zu finden.Um das einmal deutlich zu machen: Das ist ja keinBericht, den jetzt die Regierung erstellt hat, sondern daswar die Arbeitsgruppe Europa im Bereich der Bundes-tagsverwaltung. In dem Monitoringbericht wird festge-stellt, dass in dem Berichtszeitraum insgesamt 16 400EU-Dokumente über Bundesregierung, EuropäischesParlament und EU-Kommission zugeleitet wurden unddass dem Deutschen Bundestag insgesamt 1 000 EU-Dokumente – 837 davon seitens der Bundesregierung –förmlich zugeleitet worden sind. Weil das vorhin etwasbeklagt wurde: Zusätzlich wurden dem Deutschen Bun-destag über 5 000 Berichte der Ständigen Vertretung beider EU in Brüssel übermittelt.Ich glaube, das zeigt auch schon den Grad der Steige-rung, wobei ich gerne zugebe, dass es nicht nur um dieQuantität, sondern letztendlich auch um die Qualitätgeht. Ich räume auch ein, lieber Kollege Steenblock,dass es zu Beginn natürlich auch Anlaufschwierigkeitengegeben hat. Wir haben den entsprechenden Dialog jaauch geführt. Es gibt halt manchmal auch komplexe Si-tuationen, bei denen nicht gleich am nächsten Tag dieentsprechende Lösung vorhanden ist.
Wir haben aber immer deutlich gemacht – auch in ei-nem kontinuierlichen Dialog mit den Kolleginnen undKollegen des Bundestages –, dass wir hier zu einem ent-sprechenden Ergebnis kommen wollen. Ich glaube, ge-rade für das von Ihnen kritisch angesprochene Feld derGemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik haben wirjetzt eine kreative Lösung gefunden. Wie der Kollegeaus dem Auswärtigen Amt mir gerade sagte: Hier wer-den viele Dinge, die Sie vorhin kritisch angesprochenhaben, in einer entsprechenden Weise umgesetzt, damitman den Wünschen des Bundestages auch im Bereichder Außenpolitik entsprechend nachkommen wird.dLdlascwus–brdvwuSnwdBdnldegzsabdnMeuditzg
Das wissen wir doch, Herr Kollege Friedrich. – Auchei uns erkundigen sich Delegationen nach der Vereinba-ung von Bundestag und Bundesregierung und möchtenieses Modell übernehmen. Wenn unsere Botschafteron Besuchen von Delegationen wie kürzlich in der Slo-akei berichten, bei denen deutlich gemacht wird, wie gutnser Modell ist, dann stelle ich mit einem gewissenelbstbewusstsein fest, dass die Vereinbarung so schlechticht sein kann. Dort, wo sie noch Defizite aufweist,erden wir nachjustieren.Vielen Dank.
Alexander Ulrich hat nun für die Fraktion Die Linke
as Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dereschluss zu der Europa-Vereinbarung zwischen Bun-estag und Bundesregierung war von allen fünf Fraktio-en eingebracht worden. Das war ein seltenes Stück par-amentarischer Normalität in dieser Legislaturperiode.Manches ist seit dem Abschluss der Vereinbarung aufen Weg gebracht worden. Meine Vorredner sind daraufingegangen. Es mag zwar sein, dass diese Vereinbarungut ist und dass man sie in Europa vorzeigen kann. Aberwischen Theorie und Praxis gibt es leider einen Unter-chied. Das haben wir in der Debatte gehört. Wenn dasuch die CDU/CSU-Fraktion so deutlich zum Ausdruckringt, dann sollte sich die Bundesregierung ebenfallsieser Sache annehmen.Die Bundesregierung hat entgegen den eingegange-en Verpflichtungen weder die Informations- noch dieitwirkungsrechte des Bundestags auch nur annäherndrfüllt. Der Antrag umschreibt die Mängel umfassendnd zutreffend, auch wenn manches noch ergänzt wer-en könnte, zum Beispiel die mangelnden Informationenm Bereich von Wirtschaftspartnerschaftsabkommen.Den Koalitionsfraktionen, die immer wieder ihren gu-en Willen betonten, fehlten offenbar politische Über-eugungskraft und Stärke, um die Rechte des Parlamentsegenüber der von ihr getragenen Regierung umzuset-
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Alexander Ulrichzen. Insofern hat sich die Durchsetzungsfähigkeit derGroßen Koalition als ziemlich klein erwiesen.Bei der heute zu übenden Kritik geht es aber nicht nurum die mangelnde Einhaltung einer Vereinbarung zwi-schen zwei Verfassungsorganen; es geht vor allem um diedemokratische Kontrolle und Legitimation des europäi-schen Handelns der Bundesregierung. Zu Recht hat dasBundesverfassungsgericht 1993 in seinem Maastricht-Urteil im dritten Leitsatz ausgeführt:Nimmt ein Verbund demokratischer Staaten hoheit-liche Aufgaben wahr und übt dazu hoheitliche Be-fugnisse aus, sind es zuvörderst die Staatsvölker derMitgliedstaaten, die dies über die nationalen Parla-mente demokratisch zu legitimieren haben.Daran muss sich auch die heutige europapolitische Pra-xis messen lassen.Zusammen mit der Kritik, die im vorliegenden Antragformuliert ist, müssen wir zugleich feststellen, dass esnicht ausreicht, die demokratisch-parlamentarische Le-gitimation bzw. die erforderlichen Informations- undMitwirkungsrechte allein in einer schlichten Vereinba-rung zu regeln. Auch eine gesetzliche Regelung in einemwie auch immer erweiterten Begleitgesetz zu den euro-päischen Verträgen reicht nicht aus. Wir brauchen einegrundlegende und umfassende grundgesetzliche Rege-lung, die auch den Notwendigkeiten der Ewigkeitsklau-sel des Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes entspricht. Nurso können die Rechte des Bundestags und das Demokra-tieprinzip wirksam gesichert werden.In diesem Zusammenhang verweise ich auf unserVerfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. HerrLöning, ich freue mich, dass auch Sie darauf aufmerk-sam gemacht haben. Insoweit muss auch die FDP aner-kennen, dass das Verfahren vor dem Bundesverfassungs-gericht vielleicht gar nicht so schlecht ist, wenn es umdas Parlament geht. In dem Verfahren geht es neben derwirtschaftlichen Neutralität und der Erhaltung der Parla-mentsarmee vor allem um die fehlende demokratischeKontrolle auf EU-Ebene und die Schwächung des Bun-destags.Nach den Erörterungen in der mündlichen Verhand-lung sind wir guten Mutes, dass das Bundesverfassungs-gericht in diesem Zusammenhang Nachbesserungen ver-langen wird, möglicherweise am Lissabonner Vertragund seinen Protokollen selbst, in jedem Fall aber durchdie flankierende Einführung von unabdingbaren Parla-mentsvorbehalten.Der heutige Antrag der Grünen ist auch deshalb nütz-lich, damit dem Bundesverfassungsgericht die Mängelim demokratischen Verfahren des Bundestags praktischund plastisch vor Augen geführt werden. Noch überzeu-gender wäre es allerdings gewesen, lieber KollegeSteenblock, wenn auch Ihre Fraktion vor das Bundesver-fassungsgericht gezogen wäre.Ich komme zum Schluss. Es ist gut, dass der Antraghier und heute vorliegt. Wir werden ihm zustimmen. Dienotwendigen Schritte zur Gewährleistung der demokrati-schen Legitimation europäischen Handelns werden wiradcvasiEKEDvmUDdfdpswndtEKBeVeAtucpldfDv
n den zum Teil besorgten Gesichtern der Repräsentan-en der Bundesregierung hat man gesehen, dass es mit-nter hilfreich und nützlich war, dass wir in den Gesprä-hen mit der Bundesregierung sehr offensiv für denarlamentarischen Standpunkt eingetreten sind und deut-ich gemacht haben, dass es auch im Interesse der Bun-esregierung liegt und der Verbesserung der Handlungs-ähigkeit der EU-Institutionen dient, wenn wir deneutschen Bundestag in EU-Angelegenheiten stärken.
Da es sich um ein Projekt handelt, das wir gemeinsamorangebracht haben, bitte ich alle, die Vereinbarung
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Michael Roth
nicht schlechter zu machen, als sie tatsächlich ist. DieKolleginnen und Kollegen haben dankenswerterweiseschon darauf hingewiesen: Egal wohin wir in der Euro-päischen Union kommen, die BBV genießt einen hervor-ragenden Ruf. Wir werden gefragt. Viele Kolleginnenund Kollegen in anderen nationalen Parlamenten wärendankbar, wenn sie eine ähnliche Regelung hätten. LieberKollege Rainder Steenblock, natürlich haben wir nachzwei Jahren noch nicht alles erreicht. Manches muss sichin der politisch-parlamentarischen Praxis erst noch be-währen. Ich sehe das aber nicht als ein Zeichen vonSchwäche; denn es ist sowohl für die Bundesregierungals auch für den Bundestag und insbesondere für die vie-len Fachausschüsse ein Lernprozess. Es ist eine Reihevon Instrumenten eingeführt worden. Wir haben die Ver-waltung – auch mithilfe des Bundestagspräsidenten – indiesen Fragen gestärkt. Wir sind in Brüssel präsent. Aberdas alles muss sich erst bewähren.Natürlich gibt es den einen oder anderen Punkt, indem wir einen Verbesserungsbedarf sehen. Diese Punktesind in Ihrem Antrag zum Teil deutlich und klar be-schrieben. Einiges hat sich aber schon verändert. DieGemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik wurdeschon angesprochen. Die Bundesregierung hat durch dasAuswärtige Amt vorgeschlagen, dass wir quartalsweiseunterrichtet werden. Ich kann mich nur den Aussagendes Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion anschließen.Wir müssen bei den Ratsformationen noch einmal quali-tativ zulegen. Es ist uns völlig gleich, um welche Rats-formation es sich handelt. Wir müssen über alle Ratsfor-mationen und die Ergebnisse der Beratungen unterrichtetwerden. Ich sehe hier die ausgestreckte Hand der Bun-desregierung.
Wie werden da so weit vorankommen, dass es unserenErwartungen entspricht.
Lassen Sie mich zum Schluss doch noch einmal aufdas Bundesverfassungsgericht und die dortigen Beratun-gen zu sprechen kommen. Ich gehe nicht davon aus, dassdas Bundesverfassungsgericht diesem Meilenstein fürmehr Parlamentarismus und für mehr Demokratie in derEuropäischen Union Steine in den Weg legt. Aber ichgehe fest davon aus – das hat man in den Gesprächenund in der Verhandlung ein bisschen herausgehört –,dass es präzise Vorgaben zugunsten des Deutschen Bun-destages und zugunsten des Parlamentarismus gebenwird.Deswegen wäre mein Vorschlag – da sind wir durch-aus wieder einer Meinung –: Wir sollten das Urteil sehrselbstbewusst abwarten und uns dann in die Phase derEvaluation begeben. Möglicherweise muss im Lichtedieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes dieVereinbarung zwischen Bundestag und Bundesregierungabermals geändert werden. Ich lade dann alle zum kon-struktiven Miteinander ein. Dass wir das schaffen, habenwir gezeigt. Und wenn dann unsere VerhandlungspartnerwddU„sdwsjsVagddTwdhgDswodÜ1)
Ich vermute, dass Sie damit einverstanden sind, dassie Vorlage auf der Drucksache 16/12109 an die in deragesordnung aufgeführten Ausschüsse überwiesenird. – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.Dann rufe ich den Zusatzpunkt 4 auf:Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs einesGesetzes zur Fortführung der Gesetzeslage2006 bei der Entfernungspauschale– Drucksache 16/12099 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitHaushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GOInterfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zuiesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. Esandelt sich um die Reden der Kolleginnen und Kolle-en Olav Gutting, Florian Pronold, Dr. Volker Wissing,r. Barbara Höll und Christine Scheel.1) – Darüber be-teht offensichtlich Einvernehmen.Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-urfes auf der Drucksache 16/12099 an die in der Tages-rdnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – An-erweitige Vorschläge höre ich nicht. Dann ist dieberweisung so beschlossen.Ich rufe den Zusatzpunkt 5 auf:Erste Beratung des von den AbgeordnetenMichael Kauch, Angelika Brunkhorst, HorstMeierhofer, weiteren Abgeordneten und derFraktion der FDP eingebrachten Entwurfs einesAnlage 7
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Präsident Dr. Norbert LammertGesetzes zur Änderung des Gesetzes über denVorrang Erneuerbarer Energien– Drucksache 16/12094 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungAuch hier sollen die vorgesehenen Reden nach einerinterfraktionellen Vereinbarung zu Protokoll gegebenwerden. Es handelt sich um die Reden von FrauDr. Maria Flachsbarth, Dirk Becker, Michael Kauch,Eva Bulling-Schröter und Hans-Josef Fell.1)Interfraktionell gibt es den Vorschlag auf Überwei-sung des Gesetzentwurfes auf der Drucksache 16/12094an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse. –Andere Vorschläge liegen nicht vor. Dann darf ich IhrEinvernehmen zu dieser Überweisung feststellen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ver-trag vom 3. September 2008 zwischen derBundesrepublik Deutschland und dem König-reich Dänemark über eine Feste Fehmarnbelt-querung– Drucksache 16/12069 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für TourismusHaushaltsausschuss gemäß § 96 GONach einer interfraktionellen Vereinbarung soll dieseAussprache eine halbe Stunde dauern. – Ich höre keinenWiderspruch und erteile das Wort dem Kollegen AchimGroßmann, der für die Bundesregierung dazu Stellungnimmt.A
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
– Ich versuche es noch einmal. Das Mikrofon ist nicht
an.
Das ist der durchsichtige Versuch der Verwaltung, das
vorzeitige Ende der Debatte herbeizuführen.
Der kann nicht wirklich gelingen. Im Übrigen: Wenn Sie
laut und deutlich sprechen, stellen Sie sicher, dass ers-
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Nächster Redner ist der Kollege Gero Storjohann für
die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Es ist ein schöner Tag. Bereits seit 1991, mitdem Beschluss zum Bau einer Brücke über den Öresundzwischen Dänemark und Schweden, beraten wir überebpgteddbklznBazwgtbpRdedswdAVetiKtDglfhnwadImrdG1) Anlage 9
Der Bau einer festen Querung über den 19 Kilometerangen Fehmarnbelt ist das Kernstück des Staatsvertragswischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kö-igreich Dänemark vom September letzten Jahres. Einerückenkonstruktion ist am wahrscheinlichsten. Es istber auch möglich, das Projekt durch eine Tunnellösungu verwirklichen. Das wird im Jahre 2012 beschlossenerden.Entscheidend ist, dass diese feste Beltquerung dasrößte europäische Verkehrsinfrastrukturprojekt der letz-en Jahrzehnte ist. Sie schließt die bisher fehlende Ver-indung zwischen Mittel- und Nordeuropa. Die Metro-olregion Hamburg und die erfolgreiche Öresund-egion können zusammenwachsen, und zwar in bewusstoppelter Bedeutung: Sie kommen sich näher, und sientwickeln sich gemeinsam noch besser.In Deutschland wird gelegentlich übersehen, dass iner Öresund-Region ein Viertel des dänischen undchwedischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftetird. Im Bereich Wissenschaft und Forschung gehörtiese Region sogar zu den führenden Zentren Europas.llein durch einen Blick auf das Potenzial, das durch dieernetzung der leistungsstarken Öresund-Region mit derbenso starken Metropolregion Hamburg entsteht, müss-en alle Bedenken hinweggefegt werden. Menschen mithren Ideen, aber auch Güter, Dienstleistungen undnow-how bekommen gewissermaßen eine Standlei-ung.
avon profitiert nicht nur Schleswig-Holstein als Binde-lied, sondern auch Deutschland als Exportnation undetztendlich auch ganz Nordeuropa.Die feste Fehmarnbelt-Querung macht den Weg freiür neues Wachstum und mehr Beschäftigung. Es entste-en auch neue Arbeitsplätze. Das ist allerdings nicht ge-au zu beziffern; denn da stellt sich die Frage, wie weitir in die Zukunft schauen. Es wird auch Arbeitsplatz-bbau geben. Folgendes ist aber klar: Durch den Betrieber Brücke werden 200 Arbeitsplätze entstehen. DieHK Schleswig-Holstein rechnet allein für ihre Regionit 1 800 zusätzlichen Arbeitsplätzen.Das haben die Dänen schon lange erkannt. Ihr Inte-esse an dem Projekt ist sogar so groß, dass sie nicht nurie Kosten der Hinterlandanbindungen auf dänischemebiet tragen, sondern auch die Baukosten der Brücke
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Gero Storjohannselbst; der Herr Staatssekretär hat das soeben ausgeführt.Die EU wiederum fördert den Bau als wichtiges Ver-kehrsinfrastrukturprojekt. Das hat sie getan, ohne dassein Staatsvertrag vorlag. Sie ist insofern in Vorleistunggetreten. Das war eine besondere politische Entschei-dung der Europäischen Kommission.Insgesamt fallen in Deutschland durch den Bau keineKosten an, weder beim Bund noch bei den Ländern oderden Kommunen. Das heißt, wir bekommen einen exklu-siven Zugang zu den am meisten prosperierenden Regio-nen Skandinaviens. Deutschland trägt lediglich dieKosten der Hinterlandanbindung, die wir sowieso ir-gendwann hätten aufbringen müssen. Denn auch inSchleswig-Holstein legen wir Wert darauf, dass wirSchienenverbindungen haben und Autobahnnetze opti-miert werden. Der Bau der Fehmarnbelt-Querung wirdjetzt in einem Staatsvertrag festgeschrieben, und das fin-den wir als Schleswig-Holsteiner besonders schön. Ge-rade in Grenzregionen müssen wir für vernünftige Ver-kehrsverbindungen sorgen. Ich glaube, da habe ich dieFDP mit in meinem Boot.Für die Straßenanbindungen sind etwa 90 MillionenEuro veranschlagt. Es ist klar, dass die feste Fehmarn-belt-Querung an das überregionale Fernstraßennetz an-gebunden werden muss.Von noch größerer Bedeutung ist für mich die Schie-nenanbindung; für die Europäische Kommission ist sieentscheidend. Eine feste Querung sorgt hier für einen be-sonders großen Zeitvorteil; aber es werden auch Barrie-ren weggerissen. Die Kosten für die Passage werden mitder Zahlung des Fahrpreises entrichtet. Das wird dieAttraktivität der Bahn beträchtlich erhöhen – ein dickesPlus auch für den Umweltschutz. Mit den jetzigen Fähr-verbindungen überqueren nur wenige Personenzüge proTag den Fehmarnbelt – und kein einziger Güterzug. AlleGüterabfertigungsanlagen auf dänischer Seite sind abge-baut worden.
Wenn die Brücke fertig ist, werden pro Tag40 Personenzüge und zwischen 40 und 60 Güterzügeüber den Fehmarnbelt fahren. Ebenso wie bei den Stra-ßen muss darum auch die Schienenanbindung in ein Ge-samtkonzept eingebunden werden. Dies betrifft etwaInvestitionen in die weitere Elektrifizierung der Bahn-strecke Lübeck–Puttgarden.Allen Unkenrufen zum Trotz ist eine direkte Verbin-dung über den Fehmarnbelt letztlich auch im Sinne desUmwelt- und Naturschutzes. Wir haben Gespräche inDänemark geführt. Die Grünen in Dänemark befürwor-ten selbstverständlich ein Brückenprojekt dieser Art.Eine Brücke führt, verglichen mit der Fortsetzung desFährbetriebes, zu einer Abnahme aller Arten von ver-kehrsbedingten Schadstoffemissionen.Es ist unredlich, wenn gelegentlich einerseits die Brü-cke als gefährliches Hindernis und andererseits der Fähr-betrieb als völlig risikofrei dargestellt werden. Bei klarerKennzeichnung geht von einem statischen Brückenpfei-ler ein weit geringeres Gefahrenpotenzial aus als von ei-nlmv1ZgwawGÖfnNfdfmdblnmlkfulüsWddWdrdweutev
wischen zwei Brückenpfeilern werden 700 Meter lie-en. Ich traue unseren Kapitänen zu, dieses Hindernisunderbar zu umschiffen. Dieses Argument lasse ichlso nicht gelten.
Im Übrigen sind die Erfahrungen mit den Umweltaus-irkungen bei anderen Brücken insgesamt sehr positiv.erade die Brücke über den Großen Belt und dieresund-Brücke, die sich quasi in der Nachbarschaft be-inden und sich hervorragend als Referenzmodelle eig-en, gelten als vorbildlich für den Umgang mit deratur. Zusammenfassend lässt sich also festhalten: lang-ristige Vorteile, so weit das Auge reicht.Eine einzige mahnende Anmerkung haben wir aller-ings: Wenn man schon – quasi zum Nulltarif – eineeste Querung mit all ihren Vorteilen bekommt, dannuss sichergestellt werden, dass auch wir alles tun, umie Potenziale voll auszuschöpfen. Das bedeutet: Wirrauchen in der Region, aber auch darüber hinaus, eineeistungsfähige Weiterführung des Straßen- und Schie-ennetzes. Die Hinterlandanbindungen müssen kom-en. Da wissen wir uns alle im gleichen Boot: Alle Kol-egen arbeiten daran, dass sie kurzfristig zustandeommen können.Die Idee eines zusammenwachsenden Europas, vonallenden Grenzen, einem gemeinsamen Binnenmarktnd freiem Verkehr von Personen, Gütern und Dienst-eistungen nimmt mit dem Bau einer festen Querungber den Fehmarnbelt konkrete Gestalt an. Die Chancenind da. Das Know-how ist da. Das Geld ist da. Derille ist da. Jetzt fehlt nur noch der Startschuss – unden geben wir heute.
Das Wort erhält nun der Kollege Lutz Heilmann für
ie Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!erte Gäste! Vor einiger Zeit flatterte nicht nur uns Bun-estagsabgeordneten, sondern auch einer Menge Bürge-innen und Bürgern in Ostholstein eine tolle Broschüreer Femern Baelt A/S ins Haus. Ich bin beeindruckt,elche Mühe sich die vermeintlich künftigen Bauherreniner festen Fehmarnbelt-Querung gemacht haben, umns das Vorhaben schmackhaft zu machen. Auf 35 mitollen Bildern gespickten Seiten wird dargestellt, welchin Segen nicht nur über die Bürgerinnen und Bürgeron Fehmarn mit Baubeginn kommen soll. Alles sei
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Lutz Heilmannweitestgehend in trockenen Tüchern. So mancher hatmich schon nach dem Fortgang des Brückenbaus ge-fragt. Wie der Kollege Storjohann von der CDU geradeangesprochen hat, sollen beispielsweise die CO2-Emis-sionen gesenkt werden. Wie das bei steigendem Lkw-Verkehr funktionieren soll, verschweigen allerdings dieVerfasser und auch Sie, Herr Kollege, geflissentlich.Voraussichtlich nach 30 Jahren soll mit der MautSchluss sein. Das hört sich erst einmal gut an, nämlichfür den Fall, dass die Brücke 100 Jahre stehen soll. Ichhabe da allerdings ganz andere Zahlen im Ohr. KollegeStorjohann, auch Sie waren letztes Jahr mit in Däne-mark. Da war von 22 Jahren die Rede.Von Entwicklungsmöglichkeiten der Regionen ist da-rin zu lesen. Verschwiegen wird, dass Ostholstein undLolland vorwiegend ländlich geprägt sind und großeWirtschaftseinheiten nicht vorhanden sind. Mit Verlaub:Es wird wohl kaum jemand wollen, dass auf Fehmarneine neue Produktionslinie von VW errichtet wird. Daswäre das Aus für die Urlaubs- und Sonneninsel Deutsch-lands.Von einer starken Förderung durch die EU haben auchSie gesprochen, Kollege Storjohann.
Richtig ist, dass 335 Millionen Euro TEN-Mittel fließensollen. In der Broschüre werden darüber hinausgehendeErwartungen geäußert. Äußerst fraglich ist aber, ob ab2014 tatsächlich rund 1,2 Milliarden Euro fließen; Siegehen davon aus, dass von der EU 1,5 Milliarden Eurokommen. Fest steht allerdings, dass die Fördersummebei möglichen Kostensteigerungen nicht proportional er-höht wird. Das sollten Sie sich einmal auf der Zunge zer-gehen lassen.Anders als es uns die schöne Broschüre weismachenwill,
gibt es für eine feste Fehmarnbelt-Querung keinen Be-darf, wäre deren Errichtung sozial unverantwortlich,
wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen und ökologisch ka-tastrophal; darüber hinaus würde die Schifffahrt gefähr-det. Kollege Storjohann, es ist wirklich etwas anderes,ob man einen 300 oder 400 Meter langen Tanker durcheine Rinne von 700 Meter Breite oder durch eine solchevon 10 Kilometer Breite führen soll.
Das sollten Sie sich einmal durch den Kopf gehen las-sen.Nach den Berechnungen würden gerade einmal9 000 Autos pro Tag über die Brücke rollen und weitüSFeBuwz–wrd––enwGdMHtnDgebDk4hbm
Ich war häufig auf Fehmarn.
Bei Tag und bei Nacht. Ich habe zum Beispiel einmalin Praktikum beim NABU-Wasservogelreservat Wall-au gemacht. Das könnten Sie auch gebrauchen. Dannürden Sie sehen, welchen Naturwert diese Insel hat.Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns liegt heute deresetzentwurf zur Ratifizierung des Staatsvertrages fürie Errichtung einer festen Fehmarnbelt-Querung vor.it der Ratifizierung des Staatsvertrages würde dasohe Haus den politischen Willen für den Bau einer fes-en Fehmarnbelt-Querung kundtun. Danach gäbe es kei-erlei Möglichkeit mehr, politisch Einfluss zu nehmen.as ist an sich nicht schlecht. Wenn aber nicht alle Fra-en geklärt sind, gibt es Probleme.
Aber Sie wollen die doch jetzt hoffentlich nicht noch
rläutern, Herr Kollege?
Vieles ist völlig ungeklärt. Sie sind nonchalant darü-
er hinweggegangen, Herr Kollege Storjohann.
ie Frage der Gefährdung des Schiffsverkehrs ist in
einer Weise abschließend geklärt. Wären Sie am
. Februar mit den Fähren von Scandlines mit hin- und
ergefahren, hätten Sie sich vom nautischen Verein ein
isschen mehr Hintergrundwissen holen können.
Leider wird angezeigt, dass ich zum Ende kommen
uss.
Dass Sie zum Ende hätten kommen müssen!
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Ich möchte Sie aber noch darauf hinweisen, dass
selbst der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in
der Verwaltung erhebliche Bedenken gegen das Projekt
geäußert hat.
Ich hoffe, dass im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens
bei Ihnen ein Umdenken einsetzt und Sie begreifen, dass
die feste Fehmarnbelt-Querung keine Zukunft hat – nicht
für Fehmarn, nicht für Schleswig-Holstein und auch
nicht für Deutschland.
Nun hat der Kollege Rainder Steenblock das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
haben es hier mit einem Verkehrsprojekt von gewaltigen
Dimensionen zu tun.
Es ist, wie Gero Storjohann richtig gesagt hat, das größte
Verkehrsprojekt der Europäischen Union, vor allen Din-
gen das größte in ganz Nordeuropa.
Es hat noch eine andere exorbitante Dimension: Es ist
das Verkehrsprojekt mit dem schlechtesten Kosten-Nut-
zen-Verhältnis, das wir je gehabt haben.
Nach einer Untersuchung der Universität Rostock hat
dieses Projekt ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von
1 : 0,65. Das muss man sich einmal vorstellen. Beim Be-
trieb dieser Brücke wird jeder investierte Euro nicht nur
mit 35 Cent subventioniert; wir machen sogar ein Minus.
Alle, die sich ein bisschen mit Verkehrsplanung ausken-
nen, wissen, Herr Großmann, dass wir im Bundesver-
kehrswegeplan nur Projekte mit einem Kosten-Nutzen-
Verhältnis von 1 : 4 und höher finanzieren. Es gibt aber
auch Ausnahmen. In diesem Fall jedoch ergeben selbst
die besten Berechnungen nur ein Verhältnis von 1 : 1.
Es ist also ein unwirtschaftliches Projekt, ein Pres-
tigeprojekt der Dänen –; man muss sich das einmal vor-
stellen, nach Schätzungen geht es um eine Summe zwi-
schen 6 und 9 Milliarden Euro, also nicht um Peanuts;
wir finanzieren einen geringeren Teil davon – für ein
Verkehrsaufkommen, das auch nach Spitzenberechnun-
gen nicht mehr als 8 000 Fahrzeuge pro Tag umfasst.
Dafür baut man normalerweise gerade einmal eine
Kreisstraße. Auch das macht das Kosten-Nutzen-Ver-
hältnis so schlecht.
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err Kollege Storjohann, wer darüber hinaus sagt, wir
üssten nichts davon bezahlen, hat den Staatsvertrag
icht gelesen; denn in diesem Staatsvertrag steht, dass
ei einer veränderten wirtschaftlichen Grundlage ganz
eu über die Verteilung des Geldes geredet wird.
Das Risiko auch für den deutschen Steuerzahler be-
teht nicht nur in den Hinterlandanbindungen, deren
inanzierung bisher niemand geklärt hat und die nicht
m Bundesverkehrswegeplan enthalten sind. Bisher gab
s überhaupt keinen Cent öffentliche Mittel dafür. Das
st ein Heißluftballon, den Sie hier aufpusten, und zwar
it Schulden, die Sie zusätzlich aufnehmen wollen. Nie-
and kann aber sagen, ob mit diesem Projekt eine Ren-
ite nicht nur für die Unternehmer, sondern auch für den
teuerzahler erzielt wird. Das ist eine Verkehrspolitik,
ie auch ökonomisch völlig verfehlt ist.
Sie möchten offenkundig eine Zwischenfrage des
ollegen Storjohann beantworten?
Das können wir den ganzen Abend so machen.
Nein, das machen wir sicher nicht.
Herr Steenblock, können Sie mir zustimmen, dass in
rster Linie auf Ihr Betreiben hin die Bahnstrecke Bad
ldesloe–Neumünster mit einem Volumen von 330 Mil-
ionen Euro in den Bundesverkehrswegeplan aufgenom-
en wurde und dass im Zuge des Baus der Fehmarnbelt-
uerung das Projekt wegfällt, weil es sich dann er-
brigt?
Ich bin mir nicht sicher, ob es sich erübrigen würde. Esibt aber natürlich die Vereinbahrung mit der Bahn AG,ass eine von diesen beiden Strecken zur Anbindung anas dänische Güterverkehrsnetz gebaut wird. Das hatber nichts mit unserer Kritik an der Fehmarnbelt-Que-ung zu tun.Ich habe gerade deutlich gemacht: Die ökonomischenoraussetzungen sind extrem schlecht und unverant-
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22542 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
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Rainder Steenblockwortlich. Das können wir keiner Bürgerin und keinemBürger erklären.Die ökologischen Risiken dieses Projektes sind eben-falls gewaltig. 20 Millionen Zugvögel fliegen auf dieserRoute. Diese Tatsache ist bei den Planungen überhauptnicht vernünftig berücksichtigt worden. Diese Brückewürde mitten in einem Schweinswalschutzgebiet stehen.Unter dieser Brücke würden sich Schiffsbewegungenvollziehen, insbesondere von Öltankern. Es geht nicht wiebeim Nord-Ostsee-Kanal darum, dass ein paar Schiffe un-terwegs sind. Im Beltbereich sind 66 000 Schiffe unter-wegs. Diese müssen zukünftig durch drei Flaschenhälsehindurch, die zwar jeweils 750 Meter breit sind. Dassind aber 66 000 Schiffe. Dieses Risiko ist völlig unbe-herrschbar.Schauen wir uns die weiteren ökologischen Konse-quenzen an: Bei der Öresund-Querung, die Sie ja be-rücksichtigt haben, gibt es ein System, das den Wasser-austausch in diesem Bereich realisiert und das garantiertvernünftig ist. Das ist bei der Fehmarnbelt-Querung ausKostengründen aber nicht geplant worden. Das wird– insbesondere im Hinblick auf den Wasseraustausch inder Region zwischen Nord- und Ostsee bis hinunter indie Beltregion – eine ökologische Katastrophe für dieOstsee zur Folge haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein letzter Aspekt.Der Vergleich zwischen der Öresund-Region und der in-nerstädtischen Verbindung zwischen Kopenhagen undMalmö zum einen und diesem Projekt zum anderen istabsurd. Der Vergleich mit dem Tunnel, der unter demÄrmelkanal gebaut wurde, ist der richtige, weil auch da-mit Regionen durch ein extrem teures Verkehrsprojektmiteinander verbunden wurden. Die Betreiber diesesTunnels sind pleitegegangen. Da sind Milliarden vonSteuergeldern vernichtet worden. Wir, die grüne Bundes-tagsfraktion, wollen unsere Steuerzahlerinnen und Steu-erzahler davor bewahren, dass hier wieder Milliarden anSteuergeldern für eine Verkehrspolitik verschleudertwerden, die nichts mit Nachhaltigkeit zu tun hat.Vielen Dank.
Zum Abschluss dieses Tagesordnungspunktes hat der
Kollege Hans-Joachim Hacker für die SPD-Fraktion das
Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Nach langwierigen Verhandlungen ist am3. September 2008 der Staatsvertrag zum Bau einer fes-ten Fehmarnbelt-Querung zwischen dem KönigreichDänemark und der Bundesrepublik Deutschland unter-zeichnet worden. Die Gespräche darüber reichen biszheemdmrdntHnIavUcDbjESlnm–dHwWdvuviPstwgsdo
s gibt aber genauso Skeptiker, zu denen zum Beispielie, Herr Steenblock, gehören. Die Argumente, die sach-ich vorgetragen werden, kann man gut prüfen. Ich findeur, dass Sie das Bild in etwas zu düsteren Farben ge-alt haben.
Herr Steenblock, wir müssen die Fragen diskutieren,ie bislang nicht abschließend geprüft worden sind.ierbei geht es insbesondere – das ist angesprochenorden – um die Sicherheit des Schiffsverkehrs, um denasseraustausch zwischen der Nord- und der Ostsee, umie Meeresfauna und um weitere Umweltaspekte. Das istöllig klar.Das 2006 vom Bundesministerium für Verkehr, Baund Stadtentwicklung initiierte Umweltkonsultations-erfahren kam zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben zwarn vielen Bereichen Auswirkungen habe, aber dass dierobleme, die sich abzeichnen, am Ende beherrschbareien. Das sind die Aussagen aus dem Umweltkonsulta-ionsverfahren.Bereits in diesem Umweltkonsultationsverfahrenurde angekündigt, dass weitere Untersuchungen erfol-en, sobald eine Grundsatzentscheidung über die Reali-ierung einer festen Querung getroffen worden ist. Aniesem Punkt stehen wir heute. Das schließt auch eineffene Prüfung der Frage ein, ob ein Brückenprojekt
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Hans-Joachim Hackeroder eine Tunnelvariante verfolgt werden soll. Das sindFragen, die heute nicht beantwortet werden können und– ich füge an – auch nicht beantwortet werden müssen,weil zur Beantwortung dieser Fragen weitere Untersu-chungen notwendig sind.Die feste Fehmarnbelt-Querung ist nicht losgelöstvon der Entwicklung des Ostseeraumes zu betrachten.Der Ostseeraum ist ein dynamischer Wirtschaftsraummit einem enormen Wachstumspotenzial. Potenziale se-hen wir insbesondere im Ausbau von Wirtschaftskoope-rationen und der Entwicklung von Verkehren in dieserRegion. Eine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur isteine entscheidende Voraussetzung dafür, dass sich diesePotenziale effektiv entwickeln können und der Ostsee-raum im Wettbewerb mit anderen Wachstumsregionenbestehen kann.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe meinenWahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern und kenne diekritische Position meiner Landesregierung zum Bau derfesten Fehmarnbelt-Querung.
Ich sehe die Chancen, die mit der festen Verbindungzwischen Dänemark und Deutschland verbunden sind.Ich sehe Chancen für den norddeutschen Raum insge-samt. Ich sehe aber auch Chancen für Mecklenburg-Vor-pommern.
Im Gegensatz zu den Skeptikern, zu denen auch die Lan-desregierung von Mecklenburg-Vorpommern gehört unddie hinhaltend Widerstand aufrechterhält, sehe ich keineGefährdung für den Hafenstandort Rostock. Rostock istund wird eine Drehscheibe des Verkehrs im Ostseeraumbleiben, zum Baltikum, nach Skandinavien, Gedser,Schweden. Das sind Perspektiven, um die wir uns aller-dings kümmern müssen, das Land Mecklenburg-Vor-pommern gemeinsam mit der Bahn und dem Bund.Die Botschaft ist: Wir müssen die Hinterlandverkehrestärken, das heißt die Bahnverbindung zwischenRostock und Berlin fertigstellen und die A 14 fertigstel-len, damit die Hafenstandorte an der mecklenburgischenOstseeküste aufgewertet werden. Das ist eine Aufgabe,die sich dem Bundestag stellt und die wir im Rahmender Gesetzgebung und der Beratung zum Bereich der In-frastrukturplanung längst angenommen haben.
Herr Kollege, wenn Sie freundlicherweise einmal
einen Blick auf die Uhr werfen, könnten Sie die außer-
gewöhnliche Großzügigkeit des Präsidiums noch mit
einem Schlusssatz würdigen.
Herr Präsident, ich habe den Blick schon geworfen
und war mir darüber im Klaren, dass Ihre Ermahnung
gleich folgen wird.
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Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage aufrucksache 16/12114 an die in der Tagesordnung aufge-ührten Ausschüsse vorgeschlagen. – Auch hierzu gibts offenkundig Einvernehmen. Dann ist das so beschlos-en.Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten GrietjeStaffelt, Krista Sager, Silke Stokar von Neuforn,weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENPrivatsphäre in sozialen Netzwerken schützen– Anbieter in die Pflicht nehmen– Drucksache 16/11920 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
Ausschuss für Kultur und Medien
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzFederführung strittigAnlage 10
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Präsident Dr. Norbert LammertWie in der Tagesordnung bereits ausgewiesen, wer-den die Reden zu Protokoll gegeben. Es handelt sichum die Reden der Kolleginnen und Kollegen BeatrixPhilipp, Rita Pawelski, Dr. Michael Bürsch, ManfredZöllmer, Gisela Piltz, Dr. Lothar Bisky und GrietjeStaffelt.
Die Vorteile von sozialen Netzwerken im Internet sind
anziehend: neue und alte Freunde finden, Kontakte knüp-
fen, Partner für Sport, Lernen und Freizeit entdecken
oder schneller und effizienter Karriere machen. Wer will
da nicht bei „StudiVZ“, „Xing“ oder „Facebook“ mit-
machen und die Chancen der neuen Kommunikations-
möglichkeiten nutzen? In Deutschland sind rund zehn
Millionen, in Europa über 40 Millionen und weltweit
mehrere Hundert Millionen Menschen Mitglied in einem
Onlinenetzwerk – und täglich werden es mehr, die sich in
ihren Bann ziehen lassen.
Besonders aktiv sind dabei Junge: 68 Prozent der 14-
bis 19-Jährigen und 57 Prozent der 20- bis 29-Jährigen
nutzen die sozialen Onlinenetzwerke. Zwei von drei der
unter 29-Jährigen veröffentlichen Informationen über
sich im Web. Sie wollen kommunizieren, sie wollen Wis-
sen und Informationen austauschen, sie wollen möglichst
viele Beziehungen aufbauen und pflegen. Und sie wollen
sich oft selbst so darstellen, wie sie sein möchten. Diese
Entwicklung begrüße ich, da Jugendliche heute mit den
neuen Möglichkeiten zu aktiven Gestaltern des Internets
werden und Massenmedien nicht mehr bloß konsumieren.
Trotz des oft besseren Wissens machen sie sich dabei
nicht immer bewusst, dass im Internet nichts privat ist,
nichts vergessen wird. Wenn sie sich ihre Profile basteln
und freiwillig Auskunft über ihre Hobbys erteilen, ihre
Kontaktdaten preisgeben oder eigene Filme und – zum
Teil sehr private – Fotos hinterlegen, wird nicht immer an
potenzielle Gefahren gedacht. Dass diese Informationen
missbraucht werden und in ungünstigen Situationen wie-
der auftauchen könnten, wird ausgeblendet. Das Magazin
„Der Spiegel“ stellt dazu in seiner aktuellen Ausgabe kri-
tisch fest: „Begeistert, arglos und kaum gehemmt entblö-
ßen sie ihr Privatleben in der globalen Öffentlichkeit. Ri-
siken und Nebenwirkungen sind beträchtlich – auch für
den Wert der menschlichen Bindung.“ Kurzum: Die jun-
gen Nutzer kennen und schätzen die Vorteile von sozialen
Netzwerken, ihrer Risiken sind sie sich aber nicht ausrei-
chend bewusst. Sie suchen über den Klick den Kick. Da-
bei vergessen sie, welche Folgen ihr Handeln haben
kann. Der beste Schutz der Privatsphäre besteht daher
darin, die jungen Netzwerknutzer zu sensibilisieren, sie
aufzuklären, ihnen klar zu machen, was bestimmte Bilder
oder Daten im Internet für ihr Leben, für ihre Karriere
bedeuten könnten.
Es ist deshalb richtig und wichtig, dass die Bundesre-
gierung vielfältige Projekte fördert, die die Medienkom-
petenz von Kindern und Jugendlichen im Onlinebereich
stärken und ihr Bewusstsein schärfen. Ich erinnere an das
medienpädagogische Projekt „Jugend Online“ und des-
sen aktuelle Kampagne „Zur Sensibilisierung von Ju-
gendlichen im Umgang mit persönlichen Daten im Inter-
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ontakte über das Internet, indem sie umfassende Per-önlichkeitsprofile erstellen und der globalen Öffentlich-eit präsentieren. Wenn die Nutzerinnen und Nutzer die-er Plattformen auch freiwillig im virtuellen Raumgieren, so sind die damit verbundenen Risiken dennochehr real. In Sozialen Netzwerken, die die Illusion einesusgelagerten Bereichs der Privatsphäre im Virtuellenrschaffen, offenbaren sich Nutzerinnen und Nutzerurch umfangreiche Profile und nehmen neuartige Risi-en bedenkenlos und oft fahrlässig in Kauf. Denn alleniskussionen um Datenschutz zum Trotz, ist es das Inte-esse der Betreiber von Portalen wie „Facebook“, dieon den Beteiligten zur Verfügung gestellten Daten fürommerzielle Zwecke zu nutzen. Die Betreiberfirmen hal-en fast uneingeschränkte Rechte für die Verwendung, Be-rbeitung und Weitergabe der Inhalte und Daten ihrerunden.Die mit der Nutzung der Internetplattformen verbun-enen neuartigen Datenschutzrisiken sind bislang nochaum erkannt, geschweige denn angemessen durch ge-etzliche Regeln erfasst. 30 Jahre nach Einführung desatenschutzrechtes in Deutschland zeigt sich heute klar,ass die derzeitige Fassung des Bundesdatenschutzgeset-es den technischen und gesellschaftlichen An-orderungen an den Datenschutz in vielerlei Hinsichticht mehr gerecht wird. Daher brauchen wir eine grund-egende Modernisierung, die den Datenschutz ins1. Jahrhundert transportiert und Antworten auf sehrrundsätzliche Fragen gibt: Wie verändert sich unsereesellschaft durch das Internet? Wie weit kann oder musser Schutz der Privatheit für den Einzelnen gehen? Müs-en Bürgerinnen und Bürger vor den Gefahren ihrer frei-illigen Aufgabe der Privatsphäre geschützt werden?Als Gesetzgeber haben wir die Aufgabe, rechtlicheahmenbedingungen für einen effektiven Datenschutz ineutschland zu schaffen. Wir brauchen einen wirkungs-ollen Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbst-estimmung. Der Einzelne muss das Recht haben, selbstber Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen undelbstbestimmt, so die Vorgabe des Bundesverfassungs-erichts, „zu entscheiden, wann und innerhalb welcherrenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart wer-en“. Ziel der angestrebten Novellierung des Bundesda-enschutzgesetzes muss es daher sein, den Bürgerinnennd Bürgern mehr Souveränität über ihre persönlichenaten zu geben. Die Weitergabe personenbezogener Da-en muss in Zukunft von der vorherigen Zustimmung deretroffenen abhängig sein, da die bisher geltende Wider-pruchslösung eine effektive Souveränität der Verbrau-her nicht bewirken kann. Auch ein Koppelungsverbot,as verhindern soll, dass Unternehmen Vertragsab-
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Beatrix Philippgebene Reden
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schlüsse von der Einwilligung der Kunden in die Weiter-gabe ihrer Daten abhängig machen, ist aus Sicht der SPDein wichtiger Schritt.Diese Forderungen, die von den Grünen in dem vorlie-genden Antrag gestellt werden, haben wir in den aktuel-len Beratungen zum anstehenden Gesetzgebungsverfah-ren zur Modernisierung des Bundesdatenschutzgesetzesbereits diskutiert und berücksichtigt. Insofern mag dervorliegende Antrag der Grünen zwar eine gute Diskus-sionsgrundlage sein. Die meisten darin geforderten Re-gelungen sind jedoch bereits Gegenstand des laufendenGesetzgebungsverfahrens. So wichtig eine Debatte überBegriff der Privatsphäre im Zeitalter der Sozialen Netz-werke und des Internets auch sein mag: Der vorliegendeAntrag enthält eine lesenswerte Auflistung all dessen,was heutzutage so im Internet alles passiert, bringt aberbezüglich der Novellierung des Bundesdatenschutzgeset-zes keine neuen Erkenntnisse.
Wenn wir vor nicht allzu langer Zeit davon sprachen,
dass es eine reale und eine digitale Welt gibt, so müssen
wir nunmehr feststellen, dass dies eine künstliche Be-
trachtungsweise ist. Die neuen Kommunikationsmedien
– etwa das Internet oder der Mobilfunk – sind längst in-
tegraler Bestandteil des Alltags der meisten Bürgerinnen
und Bürger geworden. Es wird gesimst, gegoogelt und
neuerdings getwittert, wenn man die entsprechenden
Dienste nutzt, um etwa seinen Freunden eine Kurznach-
richt darüber zukommen zu lassen, was man gerade so
macht. Soziale Beziehungen von Menschen in Freundes-
kreisen, Bezugsgruppen oder aufgrund beruflicher Kon-
takte gab es schon immer. Neu ist nur, dass dies über das
Internet grenzenlos angelegt wird, Kommunikation viel
schneller erfolgt und Informationen weltweit in Echtzeit
verbreitet werden. Private Äußerungen und Darstellun-
gen finden vermeintlich intim am PC und in einer Gruppe
statt; tatsächlich erfolgen sie auf einem digitalen Markt-
platz mit unzähligen Beobachtern. Dies birgt Gefahren –
gerade auch im Hinblick auf das Recht auf informatio-
nelle Selbstbestimmung.
Wenn ich mir den Antrag der Grünen anschaue und
auch die momentan aktuellen Artikel zu diesem Thema, so
wird eine medial angefeuerte Debatte geführt, in der häu-
fig die Angst vor Neuem zu dominieren scheint. Immer
wieder taucht – in unterschiedlichen Varianten – der sich
bewerbende Arbeitnehmer auf, der in irgendeinem
Onlinenetzwerk ein peinliches Partybild eingestellt hat
und deshalb den neuen Job nicht bekommt. Einmal
ehrlich: Wie realistisch ist es, dass ein Arbeitgeber seine
70 Bewerber googelt, bei jedem Bewerber auf mindestens
zehn Seiten geht und sich schließlich durch Abertausende
Privatfotos klickt und seine Bewerberentscheidung nicht
an harten Qualifikationskriterien, sondern an einem blö-
den Partyfoto orientiert? Das scheint zwar ein zeitungs-
gerechtes, aber wohl eher virtuelles Problem zu sein. Und
ist es wirklich eine neue Erkenntnis, die uns „StudiVZ“
gebracht hat, dass Studenten gerne feiern und sich dabei
womöglich fotografieren? In dieser Debatte wären ein
bisschen weniger Aufgeregtheit, Untergangsstimmung
und vermeintliche Horrorszenarien hilfreich.
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Präsident Dr. Norbert LammertWer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? –Ihre Prognose, Frau Schewe-Gerigk, bestätigt sich nachEindruck des Präsidiums nicht. Dieser Überweisungs-vorschlag hat keine Mehrheit gefunden.Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag derFraktionen von CDU/CSU und SPD abstimmen, alsodem Innenausschuss die Federführung zu übertragen.Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Werstimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist derÜberweisungsvorschlag mit Mehrheit angenommen.Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 18:Beratung des Antrags der Abgeordneten BrittaHaßelmann, Volker Beck , Birgitt Bender,weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENRechtsklarheit und Transparenz schaffen –Öffentlichkeit von Aufsichtsratssitzungenkommunaler Gesellschaften bundesrechtlicheindeutig normieren– Drucksache 16/11826 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAuch hier sollen, wie in der Tagesordnung ausgewie-sen, die Reden zu Protokoll genommen werden. Es gehtum die Reden der Kolleginnen und Kollegen Dr. GünterKrings, Klaus Uwe Benneter, Dr. Max Stadler, KatrinKunert und Britta Haßelmann.
Ein „Sondergesellschaftsrecht“ für private Unterneh-
men, die von der öffentlichen Hand geführt werden, die-
ser Virus hat nun auch die Fraktion von Bündnis 90/Die
Grünen befallen, nachdem es Mitte letzten Jahres noch
die FDP war, die mit ihrem Antrag „Mehr Transparenz für
kommunale Unternehmen“ anscheinend der Infektions-
herd war. Ich hatte damals Behandlungsvorschläge ge-
macht, wie der Patient gesunden kann. Liest man den An-
trag der Grünen, sind diese anscheinend nicht ernst
genommen worden, und nun ist der nächste Patient auf
der Krankenstation angekommen.
Wenn die Grundsatzentscheidung einmal gefallen ist,
dass Kommunen bestimmte Tätigkeitsfelder in einer pri-
vatrechtlichen Gesellschaft organisieren dürfen, dann ist
diese Entscheidung zu respektieren. Daher kann ich es
nicht nachvollziehen, dass immer wieder versucht wird,
daran etwas zu ändern und Ausnahmen zu schaffen, die
sich explizit auf kommunal geführte private Gesellschaf-
ten beziehen; selbst wenn es sich um so ein vernünftiges
und richtiges Anliegen handelt wie die Transparenz einer
Gesellschaft. Wer unbedingt eine privatrechtliche Gesell-
schaft gründen will, muss eben auch deren Rechtsregime
akzeptieren. Unser Gesellschaftsrecht ist kein kaltes Büf-
fet, von dem man nach Belieben auswählen kann.
Die Antragsteller zeichnen in ihrem Antrag ein arges
Zerrbild der kommunalpolitischen Wirklichkeit und
scheuen sich nicht, dies auch noch explizit herauszustrei-
chen. Sie beklagen sich darüber, dass „kleinere Gemein-
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heimliche Beteiligungen an anderen Unternehmen erfol-gen, ohne dass darüber öffentlich beraten und beschlos-sen wird.Mein Fazit: Die Öffentlichkeit von Aufsichtsratssitzun-gen von Aktiengesellschaften ist der falsche Weg und einFremdkörper im Aktienrecht. Der Aufsichtsrat überwachtden Vorstand; deshalb ist es zum Beispiel aktienrechtlichnicht zulässig, in der Satzung ein uneingeschränktes Teil-nahmerecht des Vorstands an Aufsichtsratssitzungen zuverankern. Dem Aufsichtsrat muss es möglich sein, denVorstand von einer Teilnahme auszuschließen. Auch re-gelmäßige Klausursitzungen des Aufsichtsrates werdenunter dem Gesichtspunkt guter Corporate Governanceempfohlen. Das alles passt nicht zu einer satzungsrecht-lich unbedingt vorgeschriebenen Öffentlichkeit der Sit-zungen.Der richtige Weg zu kommunaler und öffentlicher Ein-flusssicherung ist der Gesellschaftsvertrag. Dort kann beikommunalen GmbHs die Öffentlichkeit von Aufsichts-ratssitzungen bereits heute vorgesehen werden, wenn dieswirklich gewollt ist. Dort kann auch eine repräsentativeBesetzung des Aufsichtsrates sichergestellt werden. Vorallem kann dort geregelt werden, dass alle Angelegenhei-ten von wesentlicher Bedeutung der Zustimmung der Ge-sellschafterversammlung bedürfen und dass die in dieGesellschafterversammlung entsandten Vertreter an dasVotum der Gemeindevertretung oder eines beschließen-den Ausschusses gebunden sind. Schließlich sollten dieBerichtspflichten der Aufsichtsratsmitglieder ernst ge-nommen werden, von beiden Seiten, auch von den Be-richtsempfängern. Über diese Berichte kann auch öffent-lich diskutiert werden, soweit keine Verschwiegenheits-pflichten bestehen. In unserem Beispielfall der Beteili-gung an fremden Kraftwerken ist jedenfalls keine Ver-schwiegenheitspflicht erkennbar.Ergebnis: Die von den Grünen vorgeschlagenen Ge-setzesänderungen sind unnötig.liTtaEgHbBkbhUAdAgIDehszsBuGmlerTndlidrTkdaNwdnRIlbKfZu Protokoll ge
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u definieren; eine effiziente Zusammenarbeit zwischenem Aufsichtsrat und der Geschäftsführung zu fördernnd zu unterstützen; den Informationsfluss zwischen Be-eiligungsunternehmen und -verwaltung zu verbessern,m die Aufgabenerfüllung im Sinne eines Beteiligungs-ontrollings zu erleichtern; das öffentliche Interesse undie Ausrichtung der Unternehmen am Gemeinwohl durchine Steigerung der Transparenz und Kontrolle abzu-ichern; durch mehr Öffentlichkeit und Nachprüfbarkeitas Vertrauen in Entscheidungen aus Verwaltung undolitik zu erhöhen.Interventionen der öffentlichen Hand würden sich er-brigen, wenn der Gesetzgeber Rahmenbedingungenchaffen würde, die eine nachhaltige Transparenz undffentliche Kontrolle von öffentlichen Unternehmen er-öglichen würden. Dabei geht es nicht um das Hineinre-ieren in das Tagesgeschäft, sondern vor allem um Ent-cheidungen, die Auswirkungen auf das Gemeinwesen,ie Bürgerinnen und Bürger haben werden. Es geht zumeispiel um die Verhinderung von riskanten Finanzge-chäften, wie sie in der Vergangenheit durch öffentlichenternehmen getätigt wurden; wie die Würzburger Ver-
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Dr. Max Stadlergebene Reden
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sorgungs- und Verkehrs-GmbH oder die Wupper-taler Abfallwirtschaftsgesellschaft , die Cross-Boarder-Leasing-Verträge abgeschlossen haben unddurch die jetzt die Leistungsfähigkeit der Städte ernsthaftgefährdet wird, wie aus einem Schreiben an den Bundes-finanzminister hervorgeht.Wenn wir eine Situation haben wollen, dass öffentlicheUnternehmen in privatrechtlicher Gesellschaftsform aneinen öffentlichen Zweck gebunden sind, ist es notwendig,die hier zu treffenden Regelungen mit einer Erweiterungder direkten Demokratie zu verbinden. Die Fraktion DieLinke ist der Auffassung, dass alle Entscheidungen überRechtsformänderungen öffentlicher Unternehmen, derenVeräußerung bzw. von Anteilen einem Bürgerentscheidunterzogen werden müssen.Eine weitere Möglichkeit, den Einfluss von Bürgerin-nen und Bürgern zu stärken, ist auch die verbindlicheEinrichtung von Bürger-, Verbraucher- oder Kundenbei-räten, die allerdings über entsprechende Kompetenzenverfügen müssen. Das heißt aber auch, dass ihnen Mög-lichkeiten der Selbstqualifizierung – einschließlich derenFinanzierung aus dem öffentlichen Haushalt – einge-räumt werden müssen.Ich komme nun zur zweiten Ebene: Gestärkt werdenmüssen die Kontrollrechte der Kommune. KommunaleVertretungen müssen Einfluss auf grundsätzliche Unter-nehmensentscheidungen haben, so zum Beispiel bei derÄnderung des Unternehmenszwecks, bei Erwerb und Ver-äußerung von Unternehmensanteilen, bei der Bestellungund Abberufung von Geschäftsführern.Eine dritte Ebene betrifft die Demokratisierung derUnternehmen selber. Hier bedarf es sowohl einer Demo-kratisierung der Vorstands- und Aufsichtsratsgremien– ihrer Arbeitsweise – als auch einer stärkeren Mitbe-stimmung der Beschäftigten im Unternehmen selber.Die Wirtschaftskrise hat eigentlich mit Deutlichkeitgezeigt, dass die Frage der Stellung öffentlicher Unter-nehmen in allen Sektoren der Wirtschaft neu diskutiertwerden muss. Ihre Reduzierung auf das Füllen von Lü-cken, die von Privatunternehmen nicht ausgefüllt werden,hat sich als Sackgasse erwiesen. Es geht dabei nicht umdie Wiederherstellung dieses Sektors, wie er in den 80er-Jahren bestanden hat, sondern um einen Richtungswech-sel, wie er mit den hier dargelegten Herangehensweiseneiner Demokratisierung skizziert wurde. Diese Aufgabekann von Kommunen nicht allein gelöst werden. Es isteine bundesgesetzliche Schaffung von Rahmen nötig.
Wir verhandeln heute einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, der das Ziel hat, die demokratische Willens-bildung und die politische Steuerungsfähigkeit in denStädten und Gemeinden zu stärken. Wir alle wissen: EinGrundpfeiler des demokratischen Systems ist die Öffent-lichkeit und Transparenz von politischen Entscheidun-gen. Diese Transparenz ist vor dem Hintergrund, dass im-mer mehr kommunale Aufgaben – von der Wasser- undStromversorgung bis zur Wirtschaftsförderung – in Ge-sellschaften des Privatrechtes überführt wurden, kontinu-ierlich beschränkt worden. Für diese Ausgliederungen istdsARdmPkSgkSDwedDaglssruswGhubslssgPsskruKrdWrinwaöwWgwaSZu Protokoll ge(C(Das Gesellschaftsrecht anzuwenden, welches nach herr-chender Rechtsauffassung zwingend vorschreibt, dassufsichtsräte – in denen meist nur Vertreter der großenatsfraktionen vertreten sind – nicht öffentlich tagen. Aufiese Weise werden zentrale Entscheidungen für die Ge-einschaft vor Ort – wie zum Beispiel die Erhöhung vonreisen für Strom, Wasser und den öffentlichen Nahver-ehr – ohne Öffentlichkeit getroffen.Für die ehrenamtlich tätigen Mandatsträger in dentadt- und Gemeinderäten heißt dies, dass sie als Mit-lied kleiner Fraktionen oder Wählergemeinschafteneine oder nicht ausreichende Informationen erhalten.ie erlangen oftmals erst dann über die Beschlüsse undiskussionen in den kommunalen Gesellschaften Kenntnis,enn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist und Fehl-ntscheidungen offen zutage getreten sind. Gleiches gilt fürie örtlichen Medien, die als weitere Stütze der örtlichenemokratie damit ebenfalls nicht ihre Kontrollfunktionusüben können. Mangelnde Transparenz führt zu Klün-el und leider auch zu Korruption, was wiederum die Po-itikverdrossenheit unter den Bürgerinnen und Bürgernchürt.Aber auch die Vertreter größerer Fraktionen in den Auf-ichtsräten bewegen sich nicht selten auf rechtlich unsiche-em Terrain, wenn sie ihren Fraktionen über Beschlüssend Vorgänge aus den Aufsichtsräten kommunaler Gesell-chaften berichten. Denn es ist nicht immer ganz ein-andfrei einzuschätzen, ob es sich möglicherweise umeschäftsgeheimnisse der kommunalen Gesellschaftenandelt.Auch Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von Unionnd SPD, sollten sich der Ernsthaftigkeit dieses Problemsewusst werden. Sie sägen selbst an dem Ast, auf dem Sieitzen, wenn Sie sich weiterhin weigern, für eine recht-iche Klarstellung zugunsten der Öffentlichkeit von Auf-ichtsratssitzungen in kommunalen Gesellschaften zuorgen. Denn Sie als Vertreter auch nicht mehr ganz soroßer Volksparteien scheint nur auf den ersten Blick dasroblem nicht zu treffen, da Sie aufgrund Ihrer Fraktions-tärke in den örtlichen Aufsichtsratsgremien vertretenind und Informationen an erster Stelle erhalten. Dieseurzsichtige Perspektive wird sich über kurz oder langächen. Denn die Politikverdrossenheit der Bürgerinnennd Bürger trifft schließlich auch Sie, und so manch einorruptionsverdacht fällt auch auf Ihre Mandatsträge-innen und Mandatsträger zurück.Sie kennen die Problematik bereits aus einer Initiativeer FDP, die wir im Juni letzten Jahres verhandelten.ährend die FDP in Wahrheit den „echten“ Privatisie-ungen den Vorrang gibt, also öffentliche Aufgaben völligtransparent durch Private erledigen lassen will, gehenir Grüne mit unserem Antrag weiter: Wir wollen, dassuch Gesellschaften mit kommunaler Mehrheitsbeteiligungffentlich tagen dürfen. Im Gegensatz zur FDP wollenir die Bundesregierung auch nicht nur prüfen lassen.ir machen konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung eineresetzlichen Lösung, die sowohl möglichen schützens-erten Geschäftsgeheimnissen der Gesellschaften alsuch dem öffentlichen Interesse Rechnung trägt.Sehr verehrter Kollege Stadler von der FDP, erlaubenie mir zum Schluss noch einen Hinweis: Sie nutzen den
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Katrin Kunertgebene Reden
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Britta Haßelmannhier zur Debatte stehenden Antrag von Bündnis 90/DieGrünen, um ihn am 23. Februar 2009 als „PassauerAntrag“ in der „Passauer Neuen Presse“ abzufeiern. Mirfehlen zu einem solchen Vorgehen, das gegen jedwedepolitische Fairness verstößt, schlicht und ergreifend dieWorte. Wenn Sie es jedoch nötig haben, sich mit grünenFedern zu schmücken, dann fordere ich Sie auf, unseremAntrag uneingeschränkt zuzustimmen und sich künftig inIhrer Fraktion gegen intransparente Vollprivatisierungenöffentlicher Aufgaben auszusprechen.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union undder SPD, nehmen Sie unsere lösungsorientierten Vor-schläge auf und schützen auch Sie Ihre ehrenamtlichenMandatsträgerinnen und Mandatsträger vor Ort in denStädten und Gemeinden und stellen Sie Rechtsklarheit fürdie Öffentlichkeit von Aufsichtsgremien in kommunalenGesellschaften im Sinne unseres Antrags her.
Ich frage, ob Sie damit einverstanden sind, die Druck-
sache 16/11826 an die in der Tagesordnung aufgeführten
Ausschüsse zu überweisen. – Das ist offenkundig der
Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich wünsche Ihnen noch einen gemütlichen restlichen
Abend. Diejenigen, die überhaupt nichts mit diesem
Abend anfangen können, können gegebenenfalls hier-
bleiben; denn morgen früh 9 Uhr geht es weiter.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Freitag, den 6. März, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.