Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22557
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        zu tragen und den Menschen vor Ort ein lebenswertes
        werden.Dr. Schwanholz, Martin SPD 05.03.2009
        Leben ohne unzumutbare Lärmbelastung zu ermögli-
        chen. Die Gesundheit der Menschen ist es wert, die ent-
        stehenden Kosten aufzuwenden. Gesundheit, Umwelt
        und Infrastruktur dürfen nicht gegeneinander ausgespielt
        Dr. Scheer, Hermann SPD 05.03.2009
        Schily, Otto SPD 05.03.2009
        Anlage 1
        Liste der entschuldigt
        *
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        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        05.03.2009
        Beck (Bremen),
        Marieluise
        BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        05.03.2009
        Fischbach, Ingrid CDU/CSU 05.03.2009
        Fischer (Karlsruhe-
        Land), Axel E.
        CDU/CSU 05.03.2009*
        Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 05.03.2009
        Gabriel, Sigmar SPD 05.03.2009
        Glos, Michael CDU/CSU 05.03.2009
        Groneberg, Gabriele SPD 05.03.2009
        Dr. Freiherr zu
        Guttenberg, Karl-
        Theodor
        CDU/CSU 05.03.2009
        Hettlich, Peter BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        05.03.2009
        Hill, Hans-Kurt DIE LINKE 05.03.2009
        Korte, Jan DIE LINKE 05.03.2009
        Dr. Lehmer, Max CDU/CSU 05.03.2009
        Lopez, Helga SPD 05.03.2009
        Dr. Lotter, Erwin FDP 05.03.2009
        Lührmann, Anna BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        05.03.2009
        Meckel, Markus SPD 05.03.2009
        Möller, Kornelia DIE LINKE 05.03.2009
        Dr. Müller, Gerd CDU/CSU 05.03.2009
        Paula, Heinz SPD 05.03.2009
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        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        en Abgeordneten
        für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
        sammlung der Westeuropäischen Union
        nlage 2
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Dr. Axel Troost (Die Linke)
        zur Abstimmung über den Antrag: Ausnahme
        von dem Verbot der Zugehörigkeit zu einem
        Aufsichtsrat für Mitglieder der Bundesregie-
        rung (Tagesordnungspunkt 26 e)
        Im Namen der Fraktion Die Linke erkläre ich, dass
        nser Votum „Ja“ lautet.
        nlage 3
        Erklärungen nach § 31 Abs. 2 GO
        der Abgeordneten Marion Caspers-Merk,
        Elvira Drobinski-Weiß, Dr. h. c. Gernot Erler
        und Rita Schwarzelühr-Sutter (alle SPD) zur
        Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu
        dem Antrag: Integrierte Planung für Schiene
        und Straße im Rheingraben – Gesamtverkehrs-
        konzept Südbaden (Tagesordnungspunkt 12)
        Der Ausbau der Rheintalbahn ist ein besonders be-
        eutsames Projekt für die Region und den europäischen
        ahnverkehr. Der Verkehr auf dieser Strecke wird vo-
        aussichtlich über das Jahr 2015 hinaus kontinuierlich
        unehmen. Dies ist nicht zu kritisieren, denn wir wollen
        um Schutz der Umwelt, dass Güterverkehr von der
        traße auf die Schiene verlagert wird. Dies darf aber
        icht auf Kosten der Anwohnerinnen und Anwohner ge-
        en.
        Die Ausbauvariante „Baden 21“ ist der richtige Weg,
        m den verkehrspolitischen Notwendigkeiten Rechnung
        eib, Marion CDU/CSU 05.03.2009
        aitz, Christoph FDP 05.03.2009
        immermann, Sabine DIE LINKE 05.03.2009
        bgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        22558 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
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        (B) )
        Daher müssen die bisherigen Planungen überdacht
        und Alternativtrassen eingehend geprüft werden. Eine
        realistische Schätzung der Mehrkosten ist hierbei unver-
        zichtbar. Die Mehrkosten müssen am Ende von Bund,
        Land und Bahn im Interesse eines richtigen Projekts und
        im Interesse der Menschen gemeinsam getragen werden.
        Deshalb müssen Bund, Land und Bahn bald an einen
        Tisch.
        Der Antrag der FDP macht jedoch keinerlei Aussage
        zu finanziellen Aspekten. Aufgrund dieses erheblichen
        Mangels ist er weder positiv noch negativ zu beurteilen.
        Seine Kernaussagen schweben damit im luftleeren
        Raum. Dabei könnte die FDP als Teil der baden-
        württembergischen Landesregierung durch ein klares
        Finanzsignal dazu beitragen, dass endlich eine men-
        schen- und umweltverträgliche Lösung machbar wird.
        Uns ist eine durchdachte Politik wichtig, die am Ende
        auch umgesetzt werden kann und umgesetzt werden
        wird. Daher nehmen wir an der Abstimmung nicht teil,
        werden jedoch unsere Arbeit zugunsten von „Baden 21“
        mit aller Kraft fortsetzen.
        Anlage 4
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
        Modernisierung des Haushaltsgrundsätzegeset-
        zes (Haushaltsgrundsätzemodernisierungsge-
        setz – HGrGMoG) (Tagesordnungspunkt 9)
        Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Das Thema
        klingt nach „Ärmelschonern“ und „Buchhalternase“,
        also nach Langeweile, doch genau das Gegenteil ist der
        Fall. Ich halte das Haushaltsrecht für eine der Ursachen
        unserer öffentlichen Finanzmisere. Ein anderes Haus-
        haltsrecht hätte dazu geführt, dass wir nicht in die Situa-
        tion gekommen wären, bei einem Gesamthaushaltsvolu-
        men von 297 Milliarden Euro 43 Milliarden Zinsen
        zahlen zu müssen. Allein diese beiden Werte machen
        deutlich, dass wir dringend eine Änderung benötigen,
        um die Misere nicht noch größer werden zu lassen.
        Das System bestimmt das Denken der Menschen.
        Deshalb ist die Vorgabe des Systems auch eine der Ursa-
        chen für unsere Haushaltskrise. Wenn man etwas ändern
        will, dann muss man die Übel an der Wurzel bekämpfen
        und damit zu einem neuen System kommen. Nur das
        wird am Ende wirklich helfen.
        Wir haben mit unserem gegenwärtigen Haushaltssys-
        tem drei Probleme: Es bietet die Möglichkeit, konsum-
        tive Ausgaben mit Krediten zu finanzieren. Die Tren-
        nung von Fach- und Finanzverantwortung zwischen
        Fachminister und Finanzminister versus Fachpolitikern
        und Haushaltspolitikern begünstigt leichtfertige Ausga-
        beentscheidungen, weil niemand das Ende sieht. Wir be-
        trachten bei Projekten nicht die Lebenszykluskosten,
        sondern immer nur den Ausgabenaufwand, also den Li-
        quiditätsschluss im ersten Jahr. Das begünstigt Entschei-
        dungen, die wir uns nicht leisten können und die den
        Haushalt sprengen. In unserem gegenwärtigen Haus-
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        altsrecht dürfen wir Investitionen mit Krediten finan-
        ieren und später gibt es keine Tilgung. Das führt dazu,
        ass konsumtive Ausgaben in hohem Umfang mit Kredi-
        en finanziert worden sind. Wie funktioniert das? Wenn
        ir ein Auto beschaffen, dann ist das nach der Haus-
        altsgruppierung eine Investition und darf damit aus
        rediten finanziert werden. Seit Jahrzehnten wurden alle
        nvestitionen mit Krediten finanziert. Die Beschaffung
        es Autos an sich ist aber noch keine Vermögensverän-
        erung. Entweder ist es ein Aktivtausch, in dem ich Bar-
        ittel gegen den Vermögensstand „Auto“ tausche, oder
        s ist eine „Aktiv-Passiv-Mehrung“, in dem ich den Ver-
        ögensgegenstand „Auto“ erwerbe und gleichzeitig hö-
        ere Darlehensverpflichtungen eingehe. Erst wenn das
        ahrzeug benutzt wird, setzt ein Werteverzehr ein. Die-
        er spiegelt sich im Haushalt aber nicht wider. Das führt
        u der abstrusen Erscheinung, dass wir für Fahrzeuge,
        ie Anfang der 70er-Jahre – seitdem gilt dieses Haus-
        altsrecht – erworben haben, heute noch Zinsen bezah-
        en, obwohl nicht einmal mehr der Rost sichtbar ist, ge-
        chweige denn eine Nutzungsmöglichkeit besteht. Hier
        st ganz klar eine konsumtive Nutzung mit Krediten
        inanziert.
        Wir müssen wieder zu der Grundweisheit zurückfin-
        en, dass niemand auf Dauer mehr ausgeben kann, als er
        innimmt. Dies gilt auch für den Staat. Durch Kredite
        ann man seinen Finanzspielraum mittel- und langfristig
        esehen nicht ausweiten. Man kann lediglich den Zeit-
        unkt, zu dem eine Ausgabe getätigt wird, „vorziehen“.
        Ich will den Mechanismus noch einmal verdeutlichen,
        amit klar wird, dass Schulden an sich nichts Gutes und
        ichts Böses sind. Feuer kann wärmen, dann ist es gut,
        s kann zerstören, dann ist es böse. Es kommt eben im-
        er darauf an, was man damit macht. Gelingt es, über
        chulden zusätzliche Einnahmen zu erschließen, die
        insen und Tilgung überschreiten, dann ist das ein posi-
        iver Effekt. Das ist der Fall von Investitionen in der
        irtschaft. Denkbar ist dieses aber auch beim Staat,
        enn ich an die rentierlichen Einrichtungen wie Wasser,
        bwasser, Müll usw. denke. Immer wenn bezogen auf
        en Einzelhaushalt eine Kreditaufnahme zu mehr Aus-
        aben führt, dann erhöht sie den Schuldensockel und
        ührt in die Schuldenfalle. Genau hier muss die Korrek-
        ur im öffentlichen Haushaltsrecht ansetzen.
        Eine wichtige Vorleistung wird hoffentlich die Föde-
        alismuskommission, die parallel im Bundesrat tagt,
        ringen. Mit ihren Beschlüssen wird ein vierfacher Para-
        igmenwechsel verbunden sein. Dies kommt mir in der
        ffentlichen Diskussion viel zu wenig vor, deshalb soll
        s noch einmal herausgestellt werden: Der Bund wird
        ünftig alle aufgenommenen Schulden tilgen. Sowohl
        ie ordentliche Schuldenaufnahme als auch die außer-
        rdentliche Schuldenaufnahme wird dazu führen, dass
        er Schuldenberg nicht weiter anwächst, sondern mit der
        chuldenaufnahme auch gleichzeitig die Tilgung ein-
        eleitet wird. Ein kleiner Wermutstropfen ist hier die
        ,35-Punkte-strukturelle Neuverschuldung, die auf dem
        ompromisswege von uns als Union akzeptiert werden
        usste. Ich hätte mir hier eine Null gewünscht wie bei
        en Ländern.
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22559
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        Die künftigen Regelungen gelten nicht nur für die
        Haushaltsaufstellung, sondern auch für den Vollzug. Es
        wird also eine Nachkalkulation stattfinden, sodass Mani-
        pulationen über Fehlveranschlagungen auf der Ein-
        nahme- oder Ausgabenseite nicht zu einer Verschuldung
        führen können. Verkaufserlöse werden künftig berück-
        sichtigt, es wird der sogenannte Netto-Investitionsbegriff
        verwendet. Es wird also künftig nicht mehr vorkommen
        können, dass Veräußerungserlöse zur Finanzierung kon-
        sumtiver Staatsausgaben eingesetzt werden können.
        Der vierte große Wechsel liegt darin, dass künftig
        Sondervermögen den gleichen Regeln unterworfen wer-
        den wie der Haushalt an sich. Auf diesem Wege war es
        bisher möglich, die Regeln zu umgehen. Bei dem Kon-
        junkturpaket II hatten wir uns freiwillig schon dem künf-
        tigen Regime unterworfen, indem wir die Tilgung gleich
        mit geregelt haben.
        Kreditaufnahmen wird es künftig nur noch in vier
        Fällen geben: Soll-Ist-Abweichungen sind nicht zu ver-
        meiden, sie werden aber sofort auf einem Kreditkonto
        verbucht und müssen gemeinsam mit konjunktureller
        Sonderverschuldung zurückgeführt werden. Im Auf und
        Ab der Konjunktur gibt es ein atmendes System, das in
        einer Abwärtsentwicklung zusätzliche Kreditaufnahme
        erlaubt, diese muss aber erstens wieder zurückgeführt
        werden und zweitens ist sie sofort fällig, wenn das
        entsprechende Konto, auf dem sie nachvollzogen wird,
        1,5 Prozent des BIP überschreitet. Hier gibt es noch den
        politischen Streit zwischen SPD und CDU, ob und wann
        dieses Konto zu tilgen ist. Die SPD möchte hinsichtlich
        einer konjunkturell schlechten Entwicklung eine Aufwei-
        chung, die wir nicht billigen können. Es wird eine struktu-
        relle Neuverschuldungskomponente von 0,35 Prozent BIP
        für den Bund geben. Dies ist eine Kröte, die die CDU im
        Kompromisswege schlucken musste. Wir hätten hier lie-
        ber eine Null gesehen.
        Selbstverständlich muss der Staat in Notlagen hand-
        lungsfähig bleiben. Die entsprechende Möglichkeit, hier
        Sondermaßnahmen auch über Kredite zu ergreifen, ist
        beschränkt auf externe Ereignisse, also Ereignisse, die
        die Politik nicht beeinflussen konnte. Hier ist das Bei-
        spiel Erdbeben oder Ähnliches zu nennen. Gleichzeitig
        mit einer Kreditaufnahme muss auch über die Rückfüh-
        rung der Kredite beschlossen werden. Es gibt hier das
        gute Beispiel des Fonds Deutsche Einheit und des Maß-
        nahmenpaketes II. Wenn sich im Laufe des Haushalts-
        jahres negative Abweichungen ergeben, kann unter
        bestimmten Bedingungen eine Anpassung durch Kredit-
        aufnahme erfolgen, diese läuft aber sofort in das Aus-
        gleichskonto und muss zurückgeführt – also getilgt –
        werden.
        Das zweite Problem: Durch die Trennung der Finan-
        zierungskosten in die Einzelpläne des Finanzministers
        und die Sachausgaben in den Fachhaushalt, wird der Fi-
        nanzminister mit der Finanzierung völlig allein gelassen.
        Die Fachressorts entscheiden mit den Fachpolitikern
        über Investitionen auf Kredit und niemand sieht, dass
        dadurch ein „Rattenschwanz“ von Zinskosten ausgelöst
        wird. Benutzt man ein Gebäude 50 Jahre lang und legt
        eine Verzinsung von 5 Prozent zugrunde, dann sind die
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        nfallenden Zinskosten im Laufe der Jahre höher als der
        auaufwand für das Gebäude. Da die Fachpolitik die Fi-
        anzierungskosten nicht sieht, entscheidet sie nur über
        en Gebäudeaufwand und nicht über die Folgekosten.
        erschlimmert wird das noch dadurch, dass allein 25 Pro-
        ent der Baukosten, nämlich die Bauplanungs-, -lei-
        ungs- und -überwachungskosten im Haushalt des Bau-
        inisters aufgrund einer Bund-Länder-Vereinbarung
        bgewickelt werden. Auch diese sieht die Fachpolitik
        ie.
        Der dritte Punkt ist, dass wir nur den Geldaufwand im
        rsten Jahr der Beschaffung betrachten. Die Folgekosten
        pielen in der Regel bei einer Entscheidung keine Rolle.
        war gibt es mit vielfältigen Unterlagen wie der Haus-
        altsunterlage „Bau“ und Projektbeschreibungen Neben-
        nterlagen, die die Kosten belegen, aber damit beschäf-
        igt sich niemand ernsthaft. Am deutlichsten wird das bei
        er Personaleinstellung. Die Personalkosten bestehen
        us zwei Teilen, zunächst dem unmittelbaren Gegenwert
        ür die Arbeitsleistung in Form von Gehalt, aber auch
        en anteiligen Pensionskosten, die zwangsweise mit der
        instellung von Personal anfallen, auch wenn es später
        icht mehr produktiv tätig sein kann. Da keine entspre-
        henden Rückstellungen gebildet werden, bildet der
        aushalt die Kosten nur unvollständig ab und stellt da-
        it eine verkürzte Entscheidungsgrundlage dar.
        Das all dieses so falsch läuft, liegt nur an einem fal-
        chen Rechnungswesen. Buchführung ist eben nichts für
        as Finanzamt oder für den Bundesrechnungshof, son-
        ern sollte eigentlich ein Steuerungsinstrument für Poli-
        ik und Verwaltung sein. Genau weil diese Funktion
        icht ordnungsgemäß wahrgenommen wird, konnten wir
        o in die Katastrophe laufen.
        Es gibt Systeme, die genau diese Fehler vermeiden.
        as ist die Doppik. Die gegenwärtig vorhandene Kame-
        alistik verzeichnet nur Einnahmen und Ausgaben, also
        ur Liquiditätsflüsse, und registriert keine Wertströme.
        as Doppik-System, eine Anlehnung an die Betriebe un-
        erer Wirtschaft, bildet Wertströme ab und ist deshalb in
        er Lage, auch den Entscheidern ein besseres Bild zu
        eichnen. Genau deshalb bin ich persönlich der Auffas-
        ung, dass wir zu diesem System übergehen sollten und
        üssen. Ich wiederhole: Das System bestimmt das Den-
        en!
        Die reine Ein- und Ausgabenrechnung der Kameralis-
        ik ist geeignet, einen Hoheitsstaat, der sich ausschließ-
        ich auf Verwaltungshandeln konzentriert, zu steuern.
        ür eine solche Organisationsform ist es einfaches und
        ransparentes Steuerungsinstrument. Die Bundesrepublik
        eutschland hat sich allerdings vom klassischen Ho-
        eitsstaat zu einem leistenden Staat mit umfangreicher
        ertschöpfungstätigkeit innerhalb der staatlichen Orga-
        isation entwickelt. Insofern ist er in weiten Teilen der
        irtschaft ähnlicher geworden und deshalb muss man
        ls Steuerungsinstrument auch ein dafür passendes Sys-
        em finden. Dem steht nicht entgegen, dass der Bundes-
        aushalt in großen Teilen nur Zuwendungen umfasst,
        ie zum Beispiel die Zuschüsse an Renten- und Kran-
        enversicherungen, für die verbleibenden Teile bedarf es
        22560 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
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        eines Paradigmenwechsels im Denken und deshalb ist
        der Wechsel notwendig.
        Die Bundesregierung erkennt Handlungsbedarf an,
        zieht aber mit ihrem Gesetzentwurf noch nicht ausrei-
        chende Konsequenzen aus dieser Situation. Sie will die
        sogenannte Erweiterte Kameralistik. Dabei bleibt offen,
        ob sie tatsächlich die Wertströme innerhalb der Haus-
        halte in Titeln abbilden will oder nur in Form von ergän-
        zenden Unterlagen im Haushaltsplan. Letzteres halte ich
        für vergebene „Liebesmühe“. Die bisherigen Erfahrun-
        gen mit Produkthaushalten und Ähnlichem zeigen, dass
        sich Parlament und Öffentlichkeit tatsächlich nur mit
        den Teilen eines Haushaltes beschäftigen, die sich tat-
        sächlich in Einnahmen und Ausgaben der Fachressorts
        scharf verwirklichen. Deshalb sind statistische Ergän-
        zungen nicht einmal ein halber Weg. Wenn nun mit ho-
        hem Aufwand in ein solches Zwischensystem gegangen
        werden soll, dann führt uns das im Ergebnis nicht weiter.
        Ich bin dafür, den etwas höheren Aufwand in einen tota-
        len Systemwechsel zu investieren, um dann auch tat-
        sächlich Ergebnisse zu erzielen.
        Weil wir das für den richtigen Weg halten, haben wir
        den Gemeinden die Einführung der Doppik vorgeschrie-
        ben. Auf Länderebene zeigt sich ein gemischtes Bild. Es
        ist nicht konsequent, wenn Bund und Teile der Länder
        einerseits den Kommunen etwas vorschreiben, es aber
        für sich selbst nicht anwenden wollen. International gibt
        es den Sonderweg der Kameralistik immer weniger.
        Praktisch alle bedeutenden Organisationen wählen die
        ohnehin vorhandenen Rechnungssysteme aus der Wirt-
        schaft, sind also für Doppik.
        Das Nebeneinander von unterschiedlichen Systemen
        erschwert das Führen einer volkswirtschaftlichen Ge-
        samtstatistik. Diese ist aber zur politischen Steuerung
        dringend notwendig. Da man aber nicht verschiedene
        Statistiken nebeneinander führen kann – das hätte keinen
        Aussagewert –, müssen Umrechnungen auf ein System
        erfolgen. Dies haben wir in unserer Gesellschaft so ge-
        löst, dass die fortschrittlichen Modernisierer, die die
        Doppik anwenden wollen, auch eine Nebenrechnung in
        Form einer kameralen Rechnung erstellen müssen, um
        daraus dann die volkswirtschafte Gesamtstatistik zu ma-
        chen. Wenn man mehrere Systeme nebeneinander hat, ist
        das unerlässlich. Das ist ein wichtiges Argument dafür,
        wieder ein einheitliches Ufer zu erreichen und für alle
        die im Trend der Zeit liegende Doppik wieder einzufüh-
        ren.
        Ich lade Sie alle herzlich zu einer konstruktiven Dis-
        kussion ein und würde mich freuen, wenn wir am Ende
        des Gesetzgebungsprozesses alle zu der gemeinsamen
        Erkenntnis kommen würden, dass nur die Doppik uns
        auf Dauer weiterführen wird.
        Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Erstens
        zum Gesetzentwurf: Der heute zu beratende Gesetzent-
        wurf, das Haushaltsgrundsätzemodernisierungsgesetz,
        scheint – zumindest auf den ersten Blick – eine eher
        trockene Materie zum Gegenstand zu haben. Das Haus-
        haltsgrundsätzegesetz erscheint selten auf den Titelsei-
        ten der großbuchstabigen Tagespresse. Die Gesetzes-
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        ovelle ist dennoch nicht zu unterschätzen; sie hat eine
        erausragende Bedeutung für die Haushalte von Bund
        nd Ländern. Es handelt sich bei genauerem Hinsehen
        m eine grundlegende Reform des föderalen haushalts-
        echtlichen Rahmens. Wir beraten einen Gesetzentwurf,
        er eine zentrale Weichenstellung für das staatliche
        aushalts- und Rechnungswesen vornimmt. Auch der
        undesrechnungshof hat in seinem Bericht nach § 99
        HO über die Modernisierung des staatlichen Haus-
        alts- und Rechnungswesens Reformbedarf gesehen.
        as bisherige Haushaltsgrundsätzegesetz aus dem Jahr
        969 ist nach fast 40 Jahren auch zweifelsfrei reformbe-
        ürftig.
        Zweitens. Die Gründe für die Gesetzesnovelle: Wo-
        um geht es? Bisher basiert die öffentliche Haushalts-
        irtschaft mit ihrer an Ein- und Auszahlungen orientier-
        en Sicht auf der Kameralistik. In einigen Bundesländern
        ind jedoch bereits vor einigen Jahren grundlegende Re-
        ormvorhaben auf den Weg gebracht worden. Einige
        änder wollen ihre bislang kameralen Haushalts- und
        echungswesensysteme auf ein kaufmännisch orientier-
        es Rechnungswesen, die staatliche Doppik, sowie auf
        rodukthaushalte umstellen. Die entsprechenden Pro-
        ekte in Hessen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen sind
        chon recht weit fortgeschritten. Das kamerale Rech-
        ungswesen ist nach geltendem HGrG allerdings unver-
        ndert obligatorisch. Daher müssen auch doppische
        änder einen kameralen Haushalt in Aufstellung, Be-
        irtschaftung und Rechnungslegung vollständig mitfüh-
        en. Um diesen Doppelaufwand zu vermeiden, gab es
        on Länderseite 2006 eine Initiative, die haushaltsrecht-
        ichen Rahmenbedingungen entsprechend anzupassen.
        und und Länder sondierten in den letzten zwei Jahren
        or diesem Hintergrund sehr intensiv, ob und unter wel-
        hen Bedingungen Doppik und Kameralistik sowie
        rodukthaushalt und Titelhaushalt als Alternativen im
        aushaltsrahmenrecht verankert werden können.
        Drittens. Zentrale Bedingungen für die Modernisie-
        ung des Haushaltsrechts: Eine solche Pluralität im staat-
        ichen Haushalts- und Rechnungswesen zu ermöglichen,
        etzt zum einen voraus, dass die notwendigen finanz-
        tatistischen Daten von allen staatlichen Haushalten wie
        isher auf einheitlicher Basis bereitgestellt werden.
        ichtig ist dies allein schon mit Blick auf die
        aastricht-Statistik und den bundesstaatlichen Finanz-
        usgleich. Zum anderen ist sicherzustellen, dass die je-
        eiligen Systeme einheitliche Regelwerke haben und
        amit untereinander vergleichbar sind. Für kamerale
        itelhaushalte existiert die bekannte Haushaltssystema-
        ik. Für die doppischen Produkthaushalte müssen eben-
        alls einheitliche Regeln festgelegt werden. Der vorlie-
        ende Gesetzentwurf sichert dies alles ab. Die für die
        oppik und Produkthaushalte künftig geltenden Grund-
        ätze sind in der HGrG-Novelle fixiert. Die umfangrei-
        hen Systematiken und technischen Details sind von
        inem Standardisierungsgremium zu erarbeiten.
        Viertens. Fazit: Kern der Gesetzesreform. Zusam-
        enfassend ist festzuhalten: Mit dieser HGrG-Novelle
        ird künftig eine Koexistenz unterschiedlicher Rech-
        ungswesensysteme ermöglicht, also auch eine staatli-
        he Doppik im Alleinbetrieb zugelassen. Dabei wird in-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22561
        (A) )
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        nerhalb der verschiedenen Systeme das notwendige Maß
        einheitlicher Vorgaben gesetzt – insbesondere auch für
        die Reformbereiche staatliche Doppik und Produkthaus-
        halte. Ferner wird unabhängig von der jeweiligen Aus-
        richtung der Haushaltswirtschaft weiterhin gewährleis-
        tet, dass für statistische Anforderungen und sonstige
        Berichtspflichten die Daten auf einheitlicher Grundlage
        geliefert werden können.
        Fünftens. Auswirkungen auf den Bundeshaushalt und
        die Länderhaushalte: Aus dem Gesetz allein folgen je-
        doch keine unmittelbaren Handlungsvorgaben zur
        Umgestaltung des Haushalts- und Rechnungswesens bei
        Bund und Ländern. Die Gesetzesnovelle eröffnet Optio-
        nen. Die Länder, die ein doppisches Rechnungswesen
        als für ihre Verhältnisse am besten geeignet halten, wer-
        den in die Lage versetzt, ihre Reformmodelle vollständig
        umzusetzen. Gleichzeitig können die anderen Länder,
        die einen kameralen oder erweitert kameralen Haushalt
        als optimal betrachten, ihr Haushaltswesen unverändert
        beibehalten. Auch der Bund kann das von ihm favori-
        sierte Modell einer modernen, erweiterten Kameralistik
        weiterverfolgen.
        Damit verkörpert der Gesetzentwurf ein Stück funk-
        tionierenden Föderalismus. Es spricht für sich, dass der
        Bundesrat den Gesetzentwurf mit überwältigender
        Mehrheit unterstützt. Auch die Beratungen der extra ein-
        gerichteten Berichterstattergruppe des Haushaltsaus-
        schusses waren stets zielorientiert und der inzwischen
        fertiggestellte Bericht unterstützt ebenfalls den erforder-
        lichen Modernisierungsprozess. Der grobe Rahmen ist
        vorhanden, wir sollten daher in den weiteren Beratungen
        die Modernisierung des Haushaltsrechts konstruktiv und
        sachgerecht begleiten.
        Otto Fricke (FDP): Der Gesetzentwurf, mit dem wir
        uns heute beschäftigen, scheint auf den ersten Blick
        trocken, rein an Haushaltsrecht orientiert und eigentlich
        nur etwas für Feinschmecker. Haushaltsgrundsätze-
        modernisierungsgesetz, so der Titel. Letztlich handelt es
        sich um ein Gesetz, dessen primäre Intention, das will
        ich bereits zu Beginn sagen, von der FDP-Bundestags-
        fraktion grundsätzlich unterstützt wird.
        Wer kurz verstehen will, was die wesentliche Inten-
        tion des Gesetzes ist, der mag auf Seite 28 des Gesetz-
        entwurfes unter „finanzielle Auswirkungen“ schauen.
        Dort heißt es sehr schön: „finanzielle Auswirkungen:
        keine. Aus dem Gesetz allein folgen unmittelbar keine
        zwingenden Handlungsvorgaben zur Umgestaltung des
        Haushalts- und Rechnungswesen für die Gebietskörper-
        schaften, es werden lediglich Gestaltungsmöglichkeiten
        eröffnet!“ Damit wird klargestellt, dass die Frage, wel-
        ches Haushalts- und Rechnungswesens eine Gebietskör-
        perschaft, also eine Gemeinde, ein Kreis, ein Bundes-
        land oder der Bund selber anwendet, nicht durch dieses
        Gesetz endgültig festgelegt wird. Festgelegt wird viel-
        mehr der Rahmen, was in einem funktionierenden Staat
        dringend notwendig ist, und festgelegt wird außerdem,
        wie man bei diesem sehr offenen Rahmen die Vergleich-
        barkeit erhält. Neudeutsch würde dies bedeuten, wie
        man die richtigen Schnittstellen zur Verfügung stellt. All
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        ies wird begrüßt. Denn für die Frage, welches das rich-
        ige Rechnungswesen ist, welches die richtige Bilanz-
        orm ist, gibt es immer wieder unterschiedliche Ansätze
        nd Ideen. So ist es zum Beispiel in der Arbeitsgruppe
        es Haushaltsausschusses immer wieder der von mir
        ehr geschätzte Kollege Fromme gewesen, der sich klar
        nd eindeutig für die Doppik ausgesprochen hat, mit gu-
        en Argumenten. Der Kollege Fromme weiß, dass ich
        iese Argumente nur zum Teil teile, dass ich aber insbe-
        ondere für die Bundesebene einer anderen Überzeu-
        ung bin, die mit der Rolle des Haushaltsausschusses in
        em gesamten Gefüge zu tun hat. Dazu will ich aber spä-
        er noch etwas sagen.
        Nochmals zu der Frage, welche grundsätzlichen Mög-
        ichkeiten es gibt. Hier gibt der Gesetzentwurf eine her-
        orragende Übersicht und sollte von jedem, der sich ein-
        al mit den Denkansätzen auseinandersetzen will,
        tudiert werden. Ich danke insoweit auch ausdrücklich
        enjenigen, die diesen Gesetzentwurf erarbeitet haben.
        er Gesetzentwurf hat auch einen weiteren Vorteil, er
        ermeidet, dass es doppelte Arbeit gibt, weil man etwa
        ine Ebene der Gebietskörperschaften dazu verpflichtet,
        ur Vergleichbarkeit nicht nur in der von ihr gewählten
        orm des Haushalts- und Rechnungswesens etwas vor-
        ulegen, sondern auch das entsprechend Passende für die
        eweils andere Ebene, gemeint wäre wohl dann die Bun-
        esebene.
        Im Übrigen wäre es auch aus Sicht eines Liberalen
        ollkommen falsch, wenn man die Koexistenz unter-
        chiedlicher Rechnungslegungssysteme nicht ausdrück-
        ich ermöglichen würde und hierfür nicht einen klaren
        echtsrahmen setzen würde. Ich sehe auch persönlich
        eine Alternative zu dem hier gefundenen Gesetzent-
        urf, soweit es um die Frage geht, welches die richtigen
        oraussetzungen zur Schaffung sind. Hinzuweisen ist
        uch noch darauf, dass dieser Gesetzentwurf auf gar
        einen Fall eine Ermächtigungsgrundlage für Reform-
        orhaben darstellt und auch keine unmittelbaren Hand-
        ungspflichten zur Umgestaltung des Haushalts- und
        echnungswesens ableitet, jedenfalls grundsätzlich.
        Trotz all dieser positiven Vorzüge, die im Grundsatz
        igentlich eine Zustimmung meiner Partei zu solch ei-
        em Gesetzentwurf in einer, wann auch immer stattfin-
        enden 2./3. Lesung ermöglichen würden, lehnt meine
        raktion zum gegenwärtigen Zeitpunkt den Gesetzent-
        urf jedoch ab. Der Grund hierfür liegt im Kern des
        aushaltsrechtes an sich. Haushaltsrecht wird immer als
        as Königsrecht des Parlaments beschrieben. In demo-
        ratischen Zeiten passt diese etwas monarchische Form
        icht, sodass man wohl sagen könnte, es ist das nobelste
        echt des Parlamentes, im Auftrage der Steuerzahler der
        egierung bzw. der Exekutive zu sagen, wofür sie wie
        iel Geld wann und zu welchen Bedingungen ausgeben
        ann. Das heißt, es ist Kern dessen, was Gewaltenteilung
        usmacht. Ohne das Haushaltsrecht verkümmert das
        arlament am Ende zu einem ausführenden Organ der
        it weit mehr Fachpersonal und spezifischer Sachkom-
        etenz ausgestatteten Regierung. Sicherlich, im groben
        berblick sind die Parlamente in der Lage, die gesamte
        esetzgebung zu beherrschen. Im Detail sind sie es rein
        ersonaltechnisch nicht. Wie sollte es auch möglich sein,
        22562 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
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        wenn man sieht, was die Aufgaben eines Parlamentes
        heute viel mehr als früher sind im Bereich der Informa-
        tionsverbreitung, der Erklärung von Gesetzen und Ähn-
        lichem mehr. Außerdem wissen wir, dass die meisten
        Fachgesetze letztlich zu weit über 95 Prozent aus dem
        Ministerium stammen, selbst wenn sie als Koalitions-
        initiativen, wie leider viel zu oft in der Vergangenheit
        geschehen, dann von den Koalitionsfraktionen übernom-
        men werden, um möglichst schnell auch verabschiedet
        werden zu können. Dann ist es aber mehr die Pflicht ei-
        nes Parlamentes in solchen Zeiten, dass es dafür Sorge
        trägt, dass die finanziellen Mittel unter der Kontrolle des
        Parlamentes bleiben.
        Nun werden viele sagen, aber, Herr Abgeordneter, Sie
        haben doch gerade ausgeführt, dass das Gesetz keine Er-
        mächtigungsgrundlage ist und keine wesentlichen Ände-
        rungen vornimmt. Insoweit stimmt es auch und ist es
        auch richtig, dass das Gesetz nur formale Vorschriften
        enthält, und es ist auch in Ordnung, dass das Parlament
        über diese Änderungen der formalen Vorschriften, über
        die Frage, was systematisch wie einzuordnen ist und was
        systematisch wie zu benennen ist, gesetzgeberisch ent-
        scheidet. Man muss jedoch genau hinschauen, ob nicht
        auch wiederum Ermächtigungen an die Exekutive, die
        über das Haushaltsrecht ja kontrolliert werden soll, ge-
        geben werden. Dieses würde dann bedeuten, dass die zu
        kontrollierende Exekutive Rechte bekommt, die das
        Haushaltsrecht der Legislative wiederum verändern und,
        selbst wenn nicht gewollt, einschränken können.
        Ich finde hierfür mehrere Ansätze, will mich aber
        heute auf einen Punkt konzentrieren. Dieses ist der § 49 a
        Abs. 1 neu. Oft haben wir es bei gesetzlichen Regelun-
        gen so gehalten, und so ist es auch grundsätzlich richtig,
        dass die Detailregelung durch Verordnungsermächtigung
        der Exekutive gegeben wird. Wie ich zuvor ausführte, ist
        dieses eigentlich ein Paradoxon, wenn man es beim
        Haushaltsrecht so halten würde. Nun finden wir aber im
        § 49 a ein Gremium zur Standardisierung des staatlichen
        Rechnungswesens. Auf den ersten Blick hört sich das
        nicht besonders gefährlich an, auf den zweiten Blick soll
        aber dieses Gremium ganz wesentlich die Spielregeln
        des Haushaltsrechtes bestimmen. Auch das wäre an sich
        nicht schlimm, wenn dies ein Gremium wäre, das we-
        sentlich von der Legislative, sowohl auf Bundes- wie auf
        Landesebene, beeinflusst werden würde. Dieses ist aber
        gerade nicht der Fall, es soll sich bei diesem Gremium
        um ein rein exekutiv gesteuertes Gremium handeln, das
        eine „einheitliche Verfahrens- und Datengrundlage“ je-
        weils für Kameralistik, Doppik und Produkthaushalte
        „gewährleisten“ soll. Die Exekutive erarbeitet damit, so
        auch der Gesetzentwurf, die Standards für die Haushalte,
        stellt sicher, dass die Finanzstatistik einschließlich der
        volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung berücksichtigt
        wird, und diese Standards sollen bereits für doppische
        Haushalte und Produkthaushalte erstmals zum 1. Januar
        2010 überprüft werden. Daneben soll es dann noch eine
        „Verwaltungsvereinbarung“ zwischen Bund und Län-
        dern geben.
        Einer solchen Regelung kann aus den vorgenannten
        Gründen die FDP-Bundestagsfraktion nicht zustimmen,
        da letztlich das „Handwerksrecht“ der Haushalte der Le-
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        islative ganz wesentlich exklusiv auf den Ebenen der
        xekutive legt. Darüber hinaus würde im § 49 a Abs. 2
        ann auch noch eine weitere Rechtsverordnungsermäch-
        igung erlassen, die der Zustimmung „nur des Bundesra-
        es“ bedarf, mit der dann nähere Bestimmungen für die
        tandards für kamerale und doppische Haushalte sowie
        ür Produkthaushalte, insbesondere zum Gruppierungs-
        nd Funktionenplan zum Verwaltungskontenrahmen und
        roduktrahmen erlassen werden. Alleine dies hätte zur
        olge, dass die Exekutive zukünftig alleine darüber ent-
        cheidet, wie detailreich ein Haushalt ist. Gerade die De-
        ailreichheit gibt aber grundsätzlich den Parlamenten erst
        ie Möglichkeit, eine präzisere Steuerung und schnelle
        ontrolle vorzunehmen.
        Je gröber ein Haushalt etwa gestrickt wäre, je weniger
        itel er hätte, umso weniger ist nachvollziehbar, wofür
        as Geld ausgegeben wird. Man mag nun in einer Nach-
        ontrolle dieses einzeln wieder aufziffern können, je-
        och wäre die Transparenz, die bisher gegeben war,
        ann sehr schnell dahin. Wenn überhaupt, dann kann
        ine solche Entscheidung nur kommen, wenn die Haus-
        altsausschüsse zustimmen, und insbesondere nur dann
        ommen, wenn in dem Gremium eben dann eine wesent-
        iche Beteiligung der Parlamente gesichert ist. Das vom
        esetzentwurf angesprochene Bund-Länder-Gremium,
        elches der Arbeitsausschuss Haushaltsrecht und Haus-
        altssystematik sein soll, kann jedenfalls nicht die Lö-
        ung sein.
        Dass die gesetzlichen Beteiligungsrechte der Rech-
        ungshöfe unberührt bleiben, mag ein wenig beruhigen,
        st aber nach unserer Ansicht letztlich Ausfluss der ver-
        assungsrechtlichen Position der Rechnungshöfe. Verrä-
        erisch jedoch ist, dass zwar sehr viel Wert darauf gelegt
        ird, dass die Rechte der Exekutive auf Landesebene,
        uf Bundesebene der Höfe und des Statistischen Bundes-
        mtes garantiert werden, auf die Rechte des Haushalts-
        usschusses, von dem all diese Fragen erst abgeleitet
        erden, hingegen in keiner Weise. Vielmehr muss der
        aushaltsausschuss, würde der Gesetzentwurf in Geset-
        eskraft erwachsen, dieses dann hinnehmen, nicht nur
        eute, sondern auch zukünftig.
        Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Ge-
        etzentwurf grundsätzlich in die richtige Richtung geht
        nd von der FDP hinsichtlich Vergleichbarkeit, Wettbe-
        erb zwischen den Systemen und Zukunftsfähigkeit un-
        erstützt wird. Die, wenn auch über geschickte Umwege,
        tarke Beschneidung der Rechte des Haushaltsausschus-
        es und die Nichtberücksichtigung der Parlamentshoheit
        ei Fragen des Haushaltsrechtes führen jedoch dazu,
        ass meine Fraktion diesen Gesetzentwurf, wenn er
        icht verändert wird, ablehnen muss, weil sie eine
        chleichende Entmachtung des Parlamentes an dieser
        telle nicht mitmachen wird. Ein Parlament, das sein
        Königsrecht“ im Detail von den Regierungen regeln
        ässt, begibt sich eines solchen Rechtes und führt einen
        eiteren Schritt, weg von einer parlamentarischen De-
        okratie, hin zu einer exekutiven Demokratie mit parla-
        entarischen Begleiterscheinungen.
        Roland Claus (DIE LINKE): Mit dem Gesetzent-
        urf der Bundesregierung ist die Absicht verbunden,
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22563
        (A) )
        (B) )
        Grundsätze der Haushaltswirtschaft zu modernisieren.
        Einer Überweisung in die Ausschüsse steht nichts im
        Wege. Da der Text der Bundesregierung jedoch maximal
        unverständlich ist, will ich zunächst versuchen, den
        Sachverhalt ein wenig zu erhellen.
        Das Grundgesetz regelt im Art. 109 die Haushalts-
        wirtschaftsbeziehungen von Bund und Ländern und
        damit auch von Kommunen. Im Haushaltsgrundsätzege-
        setz des Bundes werden die Einzelheiten näher beschrie-
        ben. Die Haushaltswirtschaft von Bund, Ländern und
        Kommunen hat sich inzwischen recht verschieden ent-
        wickelt. Ziel einer Arbeitsgruppe des Haushaltsaus-
        schusses des Deutschen Bundestages war es deshalb, die
        Vergleichbarkeit der Haushaltspläne weiterhin zu ge-
        währleisten, auch um weiterhin eine zuverlässige volks-
        wirtschaftliche Gesamtrechnung für die Bundesrepublik
        zu ermöglichen. Neue Entwicklungen bei der Haushalts-
        wirtschaft und Buchhaltung sollten gefördert werden.
        Aktuell stehen sich vor allem zwei Systeme der Buch-
        führung gegenüber: zum einen die Kameralistik – also
        die klassische Buchung von Einnahmen und Ausgaben,
        wie sie am meisten bei den Haushalten bei Behörden an-
        zutreffen ist. Auf der anderen Seite steht die sogenannte
        doppelte Buchführung, auch Doppik genannt, bei der
        Kommunen oder auch Länder ihre Buchführung ähnlich
        wie Unternehmen vornehmen, also zum Beispiel den
        Ressourcenverbrauch regelmäßig widerspiegeln. Be-
        reits etwa 300 Kommunen in Deutschland wenden diese
        doppelte Buchführung an.
        Parallel zu diesen Beratungen der Arbeitsgruppe des
        Haushaltsausschusses wurden die Haushaltsbeziehungen
        von Bund, Ländern und Kommunen in der Föderalis-
        muskommission und in einem speziellen Arbeitskreis er-
        örtert. Die Fraktion Die Linke vertritt dazu folgende
        Position: Wir stimmen dem Gesetzentwurf in jenen Pas-
        sagen zu, in denen es um die weitere Vergleichbarkeit
        der Haushalte, um eine auch künftig den Realitäten ent-
        sprechende volkswirtschaftliche Gesamtrechnung geht.
        Das bedeutet jedoch für viele Kommunen einen zusätzli-
        chen Aufwand, weil sie auch weiterhin nach dem alten,
        kameralistischen Buchungssystem die Daten führen
        müssen. Die Linke stimmt nicht mit jenen Vorschlägen
        überein, die zu einer weiteren Beförderung der doppel-
        ten Buchführung gemacht werden. Diese Haushalte
        führen letztendlich dazu, dass ihr Inhalt nur noch von
        Kämmerinnen und Kämmerern und nicht mehr von Bür-
        gerinnen und Bürgern zu verstehen ist. Die Linke ist für
        Bürgerhaushalte, also für die Beteiligung der Einwohne-
        rinnen und Einwohner an richtungsweisenden kommu-
        nalen Entscheidungen auch bei den städtischen Haushal-
        ten. Wenn Haushalte immer weniger transparent und
        verständlich wären, würden die Möglichkeiten der direk-
        ten Demokratie verringert.
        Nicht alles, was als Modernisierung daherkommt,
        bringt auch wirkliche Verbesserungen. Vor zehn Jahren
        haben viele Finanzbeamte und Kämmerer Cross-Border-
        Leasing-Geschäfte für eine heilsame Modernisierung ge-
        halten. Sie werden nun eines Besseren belehrt. Zum
        Schluss: Wichtiger als Änderungen bei der Buchführung
        wären Überlegungen von Bundestag und Bundesregie-
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        ung für eine langfristig gesicherte bessere Finanzaus-
        tattung der Kommunen in unserem Land.
        Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        ls haushaltspolitischer Sprecher erlebe ich heute ein
        ovum: Das Haushaltsgrundsätzemodernisierungsge-
        etz ist ein Projekt der Großen Koalition, das tatsächlich
        ie Haushaltspolitik verbessert. Im Gegensatz zum
        ktuellen Haushalt mit seinen ganzen Neben- und Schat-
        enhaushalten geht es bei diesem Gesetz um eine verbes-
        erte, transparentere Form der Haushaltsführung. Dies
        ilt vor allem für die transparente Darstellung der Ver-
        ögenssituation, für die Berücksichtigung von Ab-
        chreibungen und Ressourcenverbrauch, für den Top-
        own-Ansatz bei der Haushaltsaufstellung und für die
        inführung der Doppik.
        Wir haben heute bei der Haushaltsaufstellung einige
        entrale Kernprobleme: Durch 5 500 Ausgabetitel man-
        elt es doch wesentlich an Transparenz. Allein
        000 Klein- und Kleinsttitel machen zusammen nur
        ,7 Prozent aller Ausgaben aus. Eine Output-Orientie-
        ung fehlt ganz. Eine nachhaltige Vermögensrechnung
        st bisher nicht möglich. Auch ist bisher keine Darstel-
        ung des Ressourcenverbrauchs möglich. Abschreibun-
        en können dadurch nicht berücksichtigt werden. Die
        aushaltsaufstellung leidet unter dem Bottom-Up-Prin-
        ip: Die Ressorts melden ihren Bedarf an. Das heißt, die
        esamtkosten bzw. die zur Verfügung stehenden Mittel
        ind gar nicht Ausgangspunkt der Planung. Besser wäre
        in Top-Down-Verfahren: Da wird ausgehend von den
        ur Verfügung stehenden Mitteln geplant. Durch den
        roduktorientierten Haushalt, den das Gesetz vorsieht,
        ann die Politik klare Ansagen darüber machen, welche
        eistungen der Staat erbringen soll, und hierfür Mittel
        ur Verfügung stellen. Die Ausführung obliegt dann stär-
        er als bislang den Ressorts. Durch Zielvereinbarungen
        it den Ressorts und stärkere politische Überwachung
        er Mittelverwendung kann diese effizienter kontrolliert
        erden. Durch die Kosten- und Leistungsrechnung wer-
        en Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen wesentlich erleich-
        ert. So wird die Transparenz und Nachvollziehbarkeit
        on Kosten und Leistungen erhöht. Auch wird durch das
        esetz eine Vermögensrechnung ermöglicht. Dadurch
        önnen auch Abschreibungen erfasst werden.
        Wir Grüne haben diesen Prozess der Modernisierung
        es Haushaltsrechts von Beginn an konstruktiv unter-
        tützt. In unserem Zukunftshaushaltsgesetz, das wir ins
        lenum eingebracht haben, werden maßgebliche Be-
        tandteile des nun vorliegenden Haushaltsgrundsätze-
        odernisierungsgesetzes bereits vorgeschlagen. Gerade
        ie erweiterte Kameralistik ist eine deutliche Verbesse-
        ung gegenüber dem bestehenden System. Allerdings
        ätten wir uns einen weiteren Schritt zu noch mehr
        ransparenz gewünscht: die Einführung der doppischen
        aushaltswirtschaft. Dennoch werden Haushaltsaufstel-
        ung, Haushaltsbeschluss, Haushaltsvollzug und Haus-
        altskontrolle durch das Gesetz transparenter. Der Res-
        ourceneinsatz kann stärker daran ausgerichtet werden,
        iele effizienter zu erreichen. Die wahre Vermögenslage
        nd der wahre Werteverzehr des Bundes werden transpa-
        enter.
        22564 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
        (A) )
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        Aber auch mit dem neuen Haushaltsverfahren braucht
        es ein waches Parlament. Auch die Kolleginnen und
        Kollegen der Großen Koalition haben die Aufgabe, das
        Haushaltsrecht wieder als echte Kontrollfunktion der
        Regierung wahrzunehmen. Gerade bei den größeren
        Töpfen, die mit dem neuen Haushaltsgesetz ausgegeben
        werden, ist dies von zentraler Bedeutung. Denn Schat-
        tenhaushalte, Sondervermögen und demokratisch nicht
        ausreichend legitimierte Gremien zur Vergabe von Mit-
        teln in Milliardenhöhe – SoFFin – darf es nicht mehr ge-
        ben. Denn alle formalen Grundlagen zur Verbesserung
        nützen nichts, wenn die Koalition weiterhin eine ehrli-
        che und offene Haushaltspolitik vermeiden will. Es steht
        zu befürchten, dass zwar formal die Rahmenbedingun-
        gen verbessert werden, dass aber in der Praxis die groß-
        koalitionäre gefährliche Verschleierungstaktik einer
        ehrlichen und transparenten Haushaltswirtschaft entge-
        genläuft.
        Auch ist fraglich, ob die Planung, 2015 den ersten
        Haushalt auf Bundesebene mit der neuen erweiterten
        Kameralistik zu beschließen, Bestand haben wird: Denn
        verfolgt man die derzeitige desolate und gefährliche
        Haushaltspolitik der Großen Koalition, bestehen Zweifel
        daran, ob wir für 2015 überhaupt noch einen beschluss-
        fähigen Haushalt beraten können werden. Mit einem
        Haushaltsgrundsätzemodernisierungsgesetz das Haus-
        haltsrecht verbessern ist das eine, aber dann braucht es
        auch eine Koalition, die eine Haushaltsgrundsätzeeinhal-
        tungspolitik betreibt. Aber dazu sind Große Koalitionen
        ja nicht in der Lage.
        Anlage 5
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Beschlussempfehlung zu dem
        Antrag: Den Prozess von Annapolis durch
        eigenständige Initiativen unterstützen (Tages-
        ordnungspunkt 14)
        Ruprecht Polenz (CDU/CSU): Mit ihrem Antrag
        „Den Prozess von Annapolis durch eigenständige Initia-
        tiven unterstützen“ rennt Die Linke offene Türen ein, so-
        weit sich darin vernünftige Forderungen finden – und
        das ist durchaus auch der Fall. Denn viele der von ihr be-
        nannten Punkte sind Bestandteil der Politik der Bundes-
        regierung. Ich will deshalb die Gelegenheit nutzen, nach
        den Wahlen in Israel und den ersten Entscheidungen der
        neuen amerikanischen Regierung ein paar Worte zu den
        Chancen zu sagen, wieder zu einem Prozess zu kommen,
        der den Namen Friedensprozess verdienen würde. Eine
        dauerhafte Lösung des Konflikts zwischen Israelis und
        Palästinensern kann nur in einer Zwei-Staaten-Lösung
        gefunden werden. Wie eine solche Lösung im Wesentli-
        chen aussehen kann, ist allen Beteiligten eigentlich klar:
        Die sogenannten „Clinton-Parameter“ aus dem Jahr
        2000, die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästi-
        nensern in Taba 2001 und das inoffizielle Verhandlungs-
        ergebnis der Genfer Initiative von 2003 skizzieren die
        Kernpunkte: Der Staat Israel liegt im Wesentlichen in
        den Grenzen von 1967, das palästinensische Staatsgebiet
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        mfasst das Westjordanland und den Gazastreifen, Jeru-
        alem ist die Hauptstadt beider Staaten, wobei für die re-
        igiösen Stätten eine Sonderregelung gefunden werden
        uss, Israel räumt die Siedlungen im Westjordanland.
        ort, wo in Grenznähe und in der Umgebung Jerusalems
        üdische Siedlungen erhalten bleiben sollen, erhält der
        alästinensische Staat einen von beiden Seiten akzeptier-
        en flächenmäßigen Ausgleich, die Rückkehr der palästi-
        ensischen Flüchtlinge erfolgt in den palästinensischen
        taat und nur in Ausnahmen und mit Genehmigung
        sraels in den Staat Israel.
        Das Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung ist also relativ
        lar. Der Weg dorthin ist das Problem. Auf palästinen-
        ischer Seite haben wir es mit einem „failing state“ ohne
        taat zu tun, noch dazu geteilt in Westbank und Gaza-
        treifen, und einer Autonomiebehörde, die gegenwärtig
        m Gazastreifen nicht viel zu melden hat. Dort herrscht
        ie Hamas, bei der nicht zuletzt Die Linke nicht müde
        ird zu betonen, sie sei demokratisch an die Macht ge-
        ommen, aber immer wieder vergisst zu sagen, um was
        ür eine Organisation es sich handelt und in welch dikta-
        orischer und menschenverachtender Weise sie ihren
        errschaftsanspruch durchsetzt. Lesen Sie einmal die Be-
        ichte von Menschenrechtsorganisationen wie „amnesty
        nternational“ oder „Human Rights Watch“ über die Ver-
        rechen der Hamas gegen ihre palästinensischen Lands-
        eute im Gazastreifen nach. Und in ihrer Charta schreibt
        ie Hamas zu ihrem Verhältnis zu Israel: „Ansätze zum
        rieden, die so genannten friedlichen Lösungen und die
        nternationalen Konferenzen zur Lösung der Palästina-
        rage stehen sämtlichst im Widerspruch zu den Auffas-
        ungen der Islamischen Widerstandsbewegung (…). Für
        ie Palästina-Frage gibt es keine andere Lösung als den
        schihad.“ Teil dieses Dschihads sind die von der
        amas in Israel verübten Terroranschläge, die das kon-
        rete Ziel haben, möglichst viele Zivilisten zu töten. Mit
        hren vorauseilenden Gesprächsangeboten an die Hamas
        allen Sie dem Palästinenserpräsidenten Abbas und den
        gyptern, die sich um eine Regierung des nationalen
        onsenses bemühen, in den Rücken. Aber ein terroristi-
        cher Hintergrund hat Sie ja, meine Damen und Herren
        on der Linken, auch in Ihrer Behandlung der kolumbia-
        ischen Farc nicht gestört.
        Die Aussichten, wieder zu einem Friedensprozess zu
        ommen, sind also im Augenblick auf palästinensischer
        eite nicht gerade günstig. Das gilt leider auch nach dem
        ahlergebnis für Israel. Der von Präsident Peres mit der
        egierungsbildung beauftragte Likud-Führer Netanjahu
        ehnt bisher eine Zwei-Staaten-Lösung ab. Die sich für
        hn abzeichnenden Koalitionspartner scheinen ihn in der
        eftigkeit der Ablehnung noch zu übertreffen.
        Trotzdem gibt es zwei Entwicklungen, die Hoffnun-
        en machen, und einen Grundtrend, der Handeln not-
        endig macht. Der Grundtrend: Die Zeit arbeitet nicht
        ür, sondern gegen eine Zwei-Staaten-Lösung – je länger
        an wartet, desto schwieriger wird sie zu erreichen sein.
        Und nun zu den positiven Entwicklungen: Seit der
        riedensinitiative von König Abdullah von Saudi-Ara-
        ien, die sich die Arabische Liga auf ihrem Gipfel in
        eirut 2002 zu eigen gemacht hat, gibt es die grundsätz-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22565
        (A) )
        (B) )
        liche Bereitschaft aller arabischen Nachbarländer, Israel
        anzuerkennen. Und der neue amerikanische Präsident
        hat sich den Nahost-Konflikt trotz aller Schwierigkeiten
        ganz oben auf seine außenpolitische Agenda gesetzt und
        mit Senator Mitchell eine außerordentlich erfahrene und
        bei Palästinensern und Israelis gleichermaßen aner-
        kannte Persönlichkeit zu seinem Nahost-Beauftragten
        gemacht.
        Was muss jetzt geschehen? Zuallererst muss natürlich
        der Waffenstillstand gesichert und gefestigt werden. Die
        Raketenangriffe auf Israel müssen aufhören. Nicht zu-
        letzt auch mit deutscher technischer Hilfe muss der Waf-
        fenschmuggel in den Gazastreifen unterbunden werden.
        Das wiederum ist die Voraussetzung für eine Öffnung
        der Grenzübergänge in den Gazastreifen für Hilfsgüter,
        Menschen und normalen Warenverkehr.
        Für die Palästinenser wird es außerdem darum gehen,
        wieder zu einer handlungsfähigen Regierung zu kom-
        men, die für alle Palästinenser sprechen kann. Mit ägyp-
        tischer Vermittlung könnte eine Regierung aus „Techno-
        kraten“ ins Amt gebracht werden, die vor allem zwei
        Aufgaben hätte: Zum einen müsste sie die internationale
        Aufbauhilfe für den Gazastreifen entgegennehmen und
        das Aufbauprogramm in die Tat umsetzen. Zum anderen
        müsste sie baldige Neuwahlen im Gazastreifen und in
        der Westbank organisieren, damit für die eigentlichen
        Verhandlungen mit Israel ein demokratisch legitimierter
        Partner zur Verfügung steht.
        Israel muss endlich und sofort jegliche Siedlungstä-
        tigkeit jenseits der grünen Linie einstellen. Es gibt kei-
        nerlei Grund, die Erfüllung dieser Forderung von irgend-
        welchen Bedingungen abhängig zu machen, die die
        Palästinenser zuvor erfüllen müssten, denn jedes neue
        Haus in der Westbank ist ein betoniertes Hindernis auf
        dem Weg zum Frieden. Das gilt auch – und ich sage das
        aus aktuellem Anlass mit besonderem Nachdruck – für
        Ost-Jerusalem. Ich schließe mich ausdrücklich der For-
        derung von Amos Oz, David Grossmann und den ande-
        ren israelischen Preisträgern an, die sich in einem
        offenen Brief an den israelischen Bürgermeister von Je-
        rusalem, Nir Barkat, gegen die geplante Zerstörung von
        88 Häusern, bewohnt von 1 000 Palästinensern im Ost-
        Jerusalemer Stadtteil Silwan, gewandt haben. Die Häu-
        ser sollen zerstört werden, um Platz für einen Park zu
        schaffen. Diese Vorgehensweise ist einer von vielen – so
        buchstäblich – Bausteinen einer Strategie, die arabische
        Bevölkerung Jerusalems zu reduzieren und die direkte
        Verbindung Ost-Jerusalems zur Westbank durch immer
        neue jüdische Siedlungen zu unterbrechen. Auf diese
        Weise sollen Fakten geschaffen werden, damit Ost-Jeru-
        salem nicht als Hauptstadt eines palästinensischen Staa-
        tes fungieren kann. Das israelische Ministerium für
        Wohnungsbau gibt an, dass es derzeit insgesamt Baupro-
        jekte für 4 554 Wohneinheiten in Siedlungen gebe, da-
        von 94 Prozent in Ost-Jerusalem. Diese Häuser dürfen
        nicht gebaut werden. Die sofortige und unbedingte Ein-
        stellung jeglicher Siedlungstätigkeit ist ein entscheiden-
        der Schritt, der Israel jetzt abverlangt werden muss.
        Israel sollte auch gedrängt werden, endlich sein Ver-
        sprechen einzuhalten und Straßensperren in der West-
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        ank abzubauen. Ich habe mit Interesse eine Übersicht
        es Israelischen Zentrums für internationale Zusammen-
        rbeit (MASHAV) am israelischen Außenministerium
        ber die Zusammenarbeit mit der palästinensischen
        utonomiebehörde (PA) gelesen. Der Schwerpunkt dieser
        usammenarbeit liege unter anderem auf den Gebieten
        irtschaftliche Entwicklung, Arbeitsplatzbeschaffung,
        rnährung und Landwirtschaft, Gesundheitsversorgung.
        o wichtig und nützlich die einzelnen dort beschriebe-
        en Projekte auch sein mögen, angesichts der enormen
        irtschaftlichen Schäden, die der palästinensischen
        olkswirtschaft durch die Straßenblockaden zugefügt
        erden, bleiben diese Projekte weniger als der berühmte
        ropfen auf den heißen Stein. Schon vor zehn Jahren
        am die Weltbank in einer Schätzung zu dem Ergebnis,
        ass die Straßenblockaden die palästinensische Wirt-
        chaft mehr als sieben Millionen Dollar pro Tag kosten,
        anz zu schweigen von den moralischen Kosten, die die
        ft demütigen Abfertigungsprozeduren mit sich bringen.
        Lassen Sie mich mit einem Zitat schließen. „Wir ha-
        en ein ,window of opportunity‘, einen kurzen Augen-
        lick, ehe wir in eine außerordentlich gefährliche Situa-
        ion kommen –, in dem wir einen historischen Schritt in
        nseren Beziehungen mit den Palästinensern … machen
        üssen. (…) Wir müssen eine Übereinkunft mit den Pa-
        ästinensern erreichen, die einen Rückzug aus nahezu al-
        en, wenn nicht allen der besetzten Gebiete bedeutet. Ein
        aar Prozent dieser Gebiete können in unseren Händen
        leiben, aber wir müssen den Palästinensern den glei-
        hen Prozentsatz von Gebieten anderswo geben – ohne
        iesen Schritt wird es keinen Frieden geben.“ Und auf
        ie Frage „einschließlich Jerusalem?“ erfolgt die Ant-
        ort „einschließlich Jerusalem – mit, so würde ich mei-
        en, speziellen Verabredungen für den Tempel und die
        eiligen und historischen Stätten.“ Gesagt hat dies Ehud
        lmert in einem Interview mit der Zeitung Yedioth Ahro-
        oth, das ich aus einer Übersetzung der New York Re-
        iew of Books vom 4. Dezember 2008 entnommen und
        us dem Englischen übersetzt habe. Warum, so habe ich
        ich gefragt, kommen Politiker erst zu solchen Erkennt-
        issen, wenn sie kurz davor stehen, aus dem Amt zu
        cheiden? Aber sei es drum. Als Vermächtnis für jeden
        enkbaren Nachfolger behalten diese Sätze ihre Gültig-
        eit.
        Dr. Werner Hoyer (FDP): 4,5 Milliarden US-Dollar,
        ie in dieser Woche für den Wiederaufbau des Gazastrei-
        ens von fast 80 Nationen zugesagt wurden, sind eine be-
        indruckende Zahl. Und trotzdem kann nicht wirklich
        ptimismus aufkommen. Denn die Situation in Nahost
        leibt verfahren.
        Im Kern stehen wir vor einer Situation, in der alle be-
        eiligten Parteien des Konfliktes der Fehleinschätzung
        nterliegen, sie hätten im jüngsten Waffengang einen
        ieg davongetragen. Israel hat seine Ziele nicht erreicht:
        er Raketenbeschuss geht weiter, Gilad Shalit ist nicht
        efreit, die Tunnelanlagen zu Ägypten waren nie voll-
        tändig zerstört oder werden unter Hochdruck wieder
        ufgebaut. Und auf der anderen Seite sind durch die un-
        erantwortlichen Handlungen der Hamas Tausende Tote
        u beklagen, die Grenzen bleiben mehr oder weniger ge-
        22566 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
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        schlossen, und das Ziel eines Palästinenserstaates ist in
        weitere Ferne gerückt.
        Ich kann nicht erkennen, wie sich in dieser Situation
        jemand als Sieger betrachten kann. Aber die Tatsache,
        dass es ganz offensichtlich so ist, macht es so unglaub-
        lich schwer, jetzt zu einer Verhandlungslösung zu kom-
        men, oder sagen wir besser: einen Verhandlungsprozess
        überhaupt erst einmal wieder zu initiieren.
        Es ist schwer, in einer solchen Situation, in der die
        Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten nahe dem
        Gefrierpunkt ist, Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
        Vollkommen unrealistisch wäre es, in solch einer Lage
        von der einen oder anderen Seite Vorleistungen zu er-
        warten. Wir können uns das noch so sehr wünschen, es
        wird solche nicht geben. Und genauso falsch wäre es, die
        Situation jetzt durch Schuldzuweisungen von außen wei-
        ter zu verhärten. Mir ist vollkommen klar, dass es auch
        hier im Hause viele reizt, erkanntes Unrecht der einen
        oder anderen Seite auch anzuprangern. Aber ich bin zu-
        gleich auch der festen Überzeugung, dass wir auf diesem
        Wege keinen Schritt weiterkommen werden.
        Ein Entspannungsszenario muss zum jetzigen Zeit-
        punkt auf der Gleichzeitigkeit von Maßnahmen basieren –
        im Idealfall in Form eines Waffenstillstandes mit gleich-
        zeitiger Öffnung der Grenzübergänge und einer Freilas-
        sung Gilad Shalits. Ich hoffe sehr, dass die ägyptischen
        Verhandlungen hierzu Fortschritten kommen können.
        Das politische Signal, das von Scharm el Scheikh aus-
        gegangen ist, ist anderer Natur. Es ist die deutliche Bot-
        schaft, dass die internationale Staatengemeinschaft die
        moderaten Kräfte in der Region stützen wird. Das gilt
        für Präsident Abbas, zu dem ich derzeit keine Alterna-
        tive sehe – und der durch Erfolge gestärkt werden muss,
        wenn wir ihn nicht spätestens mit den nächsten Wahlen
        verlieren wollen. Und das gilt auch für jede kommende
        israelische Regierung.
        Neben die Beobachtung, dass Schuldzuweisungen in
        die eine oder andere Richtung nicht hilfreich sind,
        möchte ich noch einen anderen Punkt stellen. Was gelin-
        gen muss, ist, die Gesprächsfähigkeit zwischen den Kon-
        fliktparteien so zu institutionalisieren, dass die Tages-
        politik den Friedensprozess als solchen nicht dominieren
        kann. Ansätze dazu haben wir in den Verhandlungen
        zwischen Israel und der Fatah bereits gesehen. Ich
        denke, es wäre ein großer Fortschritt, wenn sich dies
        breiter aufstellen ließe, breiter sowohl thematisch als
        auch hinsichtlich der regionalen Dimension des Konflik-
        tes. Der Helsinki-Prozess und das Modell der KSZE
        können hier Vorbild sein. Es lohnt sich, über einen sol-
        chen Ansatz nachzudenken und ihn mit unseren ameri-
        kanischen Freunden, die sich auch in ihrer Nahostpolitik
        in der Phase der „policy review“ befinden, zu diskutie-
        ren.
        Die neue amerikanische Außenministerin hat erken-
        nen lassen, schon in ihrem Vortrag im Rahmen ihrer Se-
        natsanhörung und jetzt während ihres ersten Besuches in
        der Region, dass sie einen solchen Ansatz ebenfalls fa-
        vorisiert. Wir sollten sie meiner Meinung nach dabei
        nach Kräften unterstützen. Das schließt den scheinbar
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        eginnenden Versuch, zu einer Annäherung mit Syrien
        u kommen, ausdrücklich ein. Auch mit Blick auf Syrien
        ird das Denken in Vorleistungen nicht weiterführen.
        nd wir werden auch nicht von heute auf morgen ein
        and wie Syrien dort sehen, wo wir es gerne hätten. Auf
        em Weg von schwarz nach weiß gibt es viele Grautöne.
        nd diese muss man aushalten können, wenn man
        ealistische, strategisch ausgerichtete Außenpolitik be-
        reiben möchte.
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        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
        Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeu-
        gen im Strafverfahren (2. Opferrechtsreformge-
        setz) (Tagesordnungspunkt 13)
        Dr. Matthias Miersch (SPD): Der vorliegende Ge-
        etzentwurf für ein 2. Opferrechtsreformgesetz knüpft an
        ie Verbesserungen für Opfer in Strafverfahren an, die
        ereits unter rot-grüner Bundesregierung vor allem
        urch das Opferrechtsreformgesetz vom 1. September
        004 erreicht wurden. Der Entwurf nimmt darüber hi-
        aus auch Vorschläge des Bundesrates auf, sodass man
        chon davon reden kann, dass nunmehr die Stellung des
        pfers im Strafverfahren in ein Gesamtkonzept einge-
        ettet wird, das zu substanziellen Veränderungen und
        erbesserungen führt.
        Ein paar Beispiele möchte ich nennen:
        Erstens. Die Möglichkeit, sich als Nebenkläger bzw.
        ebenklägerin Strafverfahren anzuschließen, wird deut-
        ich erweitert. Verfahren, die Delikte gegen höchstper-
        önliche Rechtsgüter betreffen, sollen künftig die Mög-
        ichkeit der Nebenklage einschließen. Das gilt zum
        eispiel für Opfer von sexueller Nötigung, Raub oder
        wangsheirat.
        Zweitens. In diesem Zusammenhang wird der Kreis
        erjenigen, die – unabhängig von ihrer finanziellen Leis-
        ungsfähigkeit – einen Anspruch auf Beiordnung eines
        pferanwalts auf Staatskosten haben, erweitert. Das si-
        hert die konsequente Wahrnehmung der Interessen und
        rmöglicht gleichzeitig, durch professionelle Begleitung
        er potenziellen Täter- und Opferseite auch besser zu
        onfliktschlichtenden Verabredungen – zum Beispiel im
        ahmen des Täter-Opfer-Ausgleiches – zu gelangen.
        Drittens. Erstmals wird gesetzlich verankert, dass ein
        echtsanwalt jederzeit als Zeugenbeistand hinzugezo-
        en werden kann.
        Viertens. Zum Schutz junger Opfer wird die Schutz-
        ltergrenze von 16 auf 18 Jahre angehoben, sodass künf-
        ig im Verfahren auch 17-Jährige von speziellen jugend-
        chützenden Verfahrensvorschriften erfasst sein werden.
        Bereits an diesen Beispielen zeigt sich, dass der vor-
        iegende Gesetzentwurf sinnvolle und sachgerechte Ver-
        nderungen enthält, sodass ich davon ausgehe, dass wir
        ach den Beratungen in den Ausschüssen mit großer
        ehrheit diese Änderungen beschließen werden.
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22567
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        Gleichzeitig liegt mir in diesem Zusammenhang da-
        ran, auf drei weitere Gesichtspunkte hinzuweisen, die
        nach meiner Auffassung stets im Rahmen einer entspre-
        chenden Veränderung der Opferrechte mit berücksichtigt
        werden müssen:
        Erstens. Wichtiges Prinzip des Strafverfahrens ist das
        Schuldprinzip, sodass stets der Beschuldigte bzw. der
        Angeklagte zentrale Person des Strafverfahrens ist und
        bleibt. Es ist deshalb zu berücksichtigen, dass eine Stär-
        kung der Rechte auf der Opferseite eine Schwächung der
        Rechte der Verteidigungsseite mit sich bringen kann.
        Durch die Mitwirkung eines Nebenklägers wird das be-
        reits heute schon zum Beispiel bei der Ausübung des
        Fragerechts der Verteidigung erkennbar. Ich werte es des-
        halb als wichtiges und richtiges Zeichen, dass wir in der
        letzten Sitzungswoche über die Novellierung des Unter-
        suchungshaftrechts debattiert haben und uns hier auch
        für eine Stärkung der Rechte des Beschuldigten – zum
        Beispiel durch die frühe Beiordnung eines Verteidigers –
        ausgesprochen haben. Wir sollten deshalb die jeweiligen
        Beratungen durchaus im Kontext sehen.
        Zweitens. In § 58 a Abs. 1 Satz 2 Strafprozessord-
        nung ist die Aufzeichnung einer Zeugenaussage auf
        Bild-Ton-Träger bei Personen unter 18 Jahren unter be-
        stimmten Voraussetzungen obligatorisch vorgesehen.
        Damit sollen vor allem auch mehrmalige belastende
        Aussagesituationen vermieden werden. Von einer ent-
        sprechenden Regelung und der damit verbundenen au-
        thentischen Dokumentation kann der Strafprozess
        grundsätzlich profitieren, sodass wir uns in diesem Zu-
        sammenhang mit dem Vorschlag des Deutschen Anwalt-
        vereins in den nun folgenden Beratungen befassen soll-
        ten, diese Form der Dokumentation über den Entwurf
        hinausgehend grundsätzlich – oder zumindest in weite-
        ren, bestimmten Fallkonstellationen – obligatorisch vor-
        zusehen. In seiner Stellungnahme aus dem Januar 2009
        verweist der DAV ausführlich auf Erhebungen von Zeu-
        genaussagen im Strafprozess, die die elektronische Auf-
        nahme von Zeugenaussagen begründen. Diese sollten
        wir in unsere Beratungen auf jeden Fall mit einbeziehen.
        Drittens. Auf einen weiteren Aspekt muss man stets
        hinweisen, wenn es um Opferschutz geht. Dieser fängt
        schließlich nicht bei der Stellung des Opfers bzw. des
        Zeugen im Strafverfahren an. Vielmehr geht es hier zu-
        nächst um das weite Feld der Prävention. Diesbezüglich
        sind vor allem auch die Länder gefordert. Leider können
        wir feststellen, dass viele wichtige Projekte und Berei-
        che aus finanziellen Gründen beendet und gestrichen
        werden. Das ist eine höchst kurzsichtige Politik, die so
        nicht weitergehen kann. Wer heute bei Jugendeinrichtun-
        gen, bei der Sportförderung oder – um den Justizsektor
        zu nennen – bei der Bewährungshilfe streicht, wendet
        sich gerade gegen potenzielle Opfer. Man kann nicht erst
        mit dem Denken anfangen, wenn das Kind im Brunnen
        ist. Das ist die Herausforderung von Politik, und das ge-
        hört auch in diese Debatte.
        Viertens. Schließlich ein weiterer Punkt: Mit der fi-
        nanziellen Ausstattung hängt auch die Ausstattung des
        Vollzugs zusammen – ebenfalls seit einiger Zeit Sache
        der Länder. Ich will an dieser Stelle auf das Memoran-
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        um zur Änderung der Strafprozessordung und des
        trafgesetzbuches der Behandlungsinitiative Opfer-
        chutz e.V. Karlsruhe verweisen. Diese rückt den prä-
        entiven Opferschutz im Strafvollstreckungsverfahren in
        as Zentrum, indem sie sich für eine psychotherapeuti-
        che Behandlung bestimmter Straftäter ausspricht, um
        en gebotenen Schutz des Opfers mit den Persönlich-
        eitsrechten des Täters in Einklang zu bringen. Wir stel-
        en heute fest, dass häufig bereits die richtige Erfassung
        orhandener Störbilder in der Hauptverhandlung unter-
        leibt und die notwendige Aufarbeitung in den entspre-
        henden Vollzugs- bzw. Maßregeleinrichtungen gerade
        uch aufgrund der knappen personellen und finanziellen
        essourcen nicht stattfindet. Auch diesen Aspekt sollten
        ir nicht unberücksichtigt lassen, wenn wir über die
        tärkung des Opferschutzes reden. Es ist nicht das einfa-
        he Wegsperren. Die wirkliche Bearbeitung und die Ver-
        rbeitung entsprechender Defizite in der Vollsteckung
        ühren zur Prävention und Vermeidung von Rückfällen.
        Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, dass das
        hema Opferschutz und Stärkung der Opferrechte ein
        eites Feld betrifft. Manche Ansätze erfordern ein hohes
        aß an Differenzierung und vor allem den Blick auf Op-
        er und Täter. Ich bin mir sicher, dass wir in den kom-
        enden Beratungen all diese Gesichtspunkte ansprechen
        önnen und diskutieren werden. Ich freue mich auf kon-
        truktive Beratungen.
        Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit
        em 1. Opferrechtsreformgesetz 2004 hat die rot-grüne
        oalition die Opfer von Straftaten in den Blick genom-
        en und ihre Rolle als schutzwürdige Subjekte im Straf-
        rozess gestärkt. Wir haben die Informations- und Ver-
        ahrensrechte der Nebenklage gestärkt, Regelungen zur
        ermeidung von Mehrfachvernehmungen eingeführt,
        en Anspruch auf kostenlose Beiordnung eines Opferan-
        altes auf Angehörige von Getöteten ausgeweitet und
        chadensersatzansprüche durch die Stärkung des Adhä-
        ionsverfahrens besser durchsetzbar gemacht.
        Den Weg der Stärkung von Opferrechten geht der
        eute zu diskutierende Regierungsentwurf eines 2. Op-
        errechtsreformgesetzes weiter. Viele Regelungen sind
        jeweils für sich genommen – nicht angreifbar, sondern
        u begrüßen. Das gilt für die Verfahrensrechte von Ver-
        etzten, insbesondere die Beiordnung von Verletztenbei-
        tänden, dies gilt für jugendliche Zeugen zwischen dem
        6. und dem 18. Lebensjahr, und dies gilt auch für
        chutzbedürftige Zeugen im Strafverfahren.
        Aber wir können und wollen nicht alles unbesehen
        utheißen. In den Beratungen im Rechtsausschuss wer-
        en wir einiges kritisch unter die Lupe nehmen. Hier
        ill ich schon einmal die Regelung der Ausschlussmög-
        ichkeit des Zeugenbeistandes nach § 68 b StPO nennen
        nd auch die Ergänzung des dringenden Verdachts beim
        aftgrund der Wiederholungsgefahr, der nach der For-
        ulierung künftig auch auf rechtskräftige Freisprüche
        itgestützt werden kann.
        Ich will aber heute die grundsätzliche Entwicklung
        es Strafprozesses ansprechen. Es muss jedem klar sein,
        ass das gesamte Strafverfahren und insbesondere der
        22568 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
        (A) )
        (B) )
        Strafprozess vor Gericht von gegenläufigen Interessen
        bestimmt ist. Da diese Interessen – der Strafanspruch des
        Staates, das Recht auf ein faires und rechtsstaatliches
        Verfahren und der Anspruch auf Achtung der höchstper-
        sönlichen Rechte aller Akteure, besonders der Opfer und
        Verletzten – alle verfassungsrechtlich abgesichert sind,
        müssen sie so in ein filigranes Gleichgewicht gebracht
        und gehalten werden, dass keines dieser Rechte in sei-
        nem Kern verletzt oder gar ausgehebelt wird. Dabei
        funktioniert dieses System insgesamt nach der Regel der
        kommunizierenden Röhren. Jede Stärkung der einen
        Seite kann oder muss die Schwächung des Gegenparts
        bedeuten.
        Als wir in der letzten Legislaturperiode das Opfer-
        rechtsreformgesetz einbrachten, haben wir auch deutlich
        gemacht, dass es uns Grünen besonders wichtig ist – da-
        mals im Einvernehmen mit unserem Koalitionspartner
        SPD –, die Einbindung in eine Gesamtreform der Straf-
        prozessordnung zu erreichen. An dieser StPO-Reform
        haben wir zu der Zeit intensiv gearbeitet, konnten sie
        aber leider wegen der vorgezogenen Neuwahlen nicht
        vollenden. Die Große Koalition hat sich dagegen von
        diesem Projekt umgehend verabschiedet – sie hat dies
        schon gar nicht in ihren Koalitionsvertrag aufgenom-
        men. Aus der Gesamtschau erkennen wir jetzt deshalb
        die Unwucht der vorgelegten Änderungsvorschläge des
        jetzigen Entwurfs. Nicht die einzelnen Vorschläge – je-
        denfalls die meisten nicht – sind problematisch, sondern,
        dass Ausgleichsmaßnahmen bei den anderen Prozessbe-
        teiligten – besonders bei der Verteidigung und den Be-
        schuldigten – fehlen. Denn die Rechte der verschiedenen
        Beteiligten im Strafprozess stehen in Wechselwirkung
        zueinander und sollten daher in ein Gesamtkonzept ein-
        gebunden sein.
        Also: Nichts gegen erweiterte Gewährung eines Op-
        feranwalts auf Staatskosten – aber wo ist der seit langem
        nötige Ausbau der Pflichtverteidigung im Vorverfahren,
        verbunden mit eigenem Antragsrecht und entsprechen-
        der Belehrung? Es fehlt auch weiterhin die Pflichtvertei-
        digung vom ersten Tag der Haft an, obwohl das auch
        neulich hier im Plenum anlässlich der Debatte über das
        Untersuchungshaftrecht von Kollegen der Koalition fest
        zugesagt wurde. Aber damit lassen Sie sich Zeit, da lässt
        man die Legislaturperiode auslaufen.
        Nichts gegen die Ausdehnung der Anwesenheitsbe-
        fugnis des anwaltlichen Verletztenbeistands bei polizeili-
        chen Vernehmungen – siehe § 406 f StPO – und des an-
        waltlichen Zeugenbeistandes § 68 b StPO – aber wo ist
        die entsprechende frühzeitige Einbindung der Verteidi-
        gung im Ermittlungsverfahren? Wir brauchen ein Recht
        der Verteidigung auf Anwesenheit und Mitwirkung bei
        allen Beschuldigtenvernehmungen und bei allen staats-
        anwaltlichen und richterlichen Zeugenvernehmungen.
        Es ist in Ordnung, die Opfer noch umfassender als
        bisher und auch schriftlich über ihre Rechte zu informie-
        ren – aber bei Beschuldigten warten wir in Deutschland
        und erst recht auf europäischer Ebene immer noch auf
        den Letter of Rights. Dabei geht es doch um von der Jus-
        tizministerin selbst vehement geforderte rechtsstaatliche
        Mindeststandards. Und wenn wir schon bei den Beleh-
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        ungen sind: Warum erhält nicht jeder Zeuge die Infor-
        ation, dass er zu einer polizeilichen Vernehmung gar
        icht erscheinen muss? So ist die Rechtslage, aber sie ist
        eitgehend unbekannt. Wir brauchen eine Pflicht der Er-
        ittlungsbehörden, den Beschuldigten über die gegen
        hn laufenden Ermittlungen zum frühestmöglichen Zeit-
        unkt zu informieren, wir brauchen ein Anhörungsrecht
        m Zwischenverfahren und eine Eingangsstellungnahme
        er Verteidigung nach der Anklageverlesung.
        Wenn wir die Nebenklage weiter stärken, was wir
        im vorgelegten Umfang – nicht kritisieren, müssen wir
        uch die Position der Verteidigung bedenken. Der Deut-
        che Anwaltverein hat den interessanten Vorschlag ge-
        acht, das Fragerecht neu zu regeln. Die Verteidigung
        rhält nach dem Gericht als erste das Fragerecht, danach
        rst die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage. Und
        chließlich erlaubt die moderne Aufnahmetechnik ohne
        roßen Aufwand und unter Einsparung erheblicher Per-
        onalressourcen die lückenlose Aufnahme aller Verneh-
        ungen und der Hauptverhandlung.
        Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, wenn
        ie bereit sind, aus Ihrem Opferreformgesetz ein Straf-
        rozessreformgesetz zu machen, wenn Sie bereit sind,
        uf allen Seiten im Strafverfahren für Verbesserungen zu
        orgen, werden Sie uns als konstruktiven Diskussions-
        artner gewinnen. So können und sollten Sie Ihren Ent-
        urf in den kommenden Beratungen verbessern.
        nlage 7
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
        Fortführung der Gesetzeslage 2006 bei der Ent-
        fernungspauschale (Zusatztagesordnungspunkt 4)
        Olav Gutting (CDU/CSU): Beim Thema Pendler-
        auschale verstehen unsere Bürgerinnen und Bürger
        ach knapp zwei Jahren Unsicherheit zu Recht keinen
        paß mehr. Umso unverständlicher war die Entschei-
        ung des Bundesfinanzministeriums, die Berufspendler
        it dem Vorläufigkeitsvermerk ohne entsprechende
        ommunikation in dem jeweils geänderten Steuerbe-
        cheid erneut zu verwirren. Ich möchte jedoch auch klar-
        tellen, dass der Vorläufigkeitsvermerk rein rechtlich
        icht zu beanstanden ist. Schließlich hatte das Bundes-
        erfassungsgericht entschieden, dass bis zu einer gesetz-
        ichen Neuregelung die Beschränkung „ab dem 21. Ent-
        ernungskilometer“ entfällt.
        Die nach dem Urteil entstandene Verunsicherung wäre
        llerdings mit einfachen Mitteln zu verhindern gewesen.
        ier hätten wir uns aus der CDU/CSU-Bundestagsfrak-
        on eine deutlich bessere Kommunikation – etwa durch
        in Begleitschreiben – vorgestellt, welches den Berufs-
        endlern die Notwendigkeit des Vorläufigkeitsvermerks
        esser erklärt hätte. So aber musste bei den Steuerzah-
        ern der Eindruck entstehen, die Politik möchte sich ein
        intertürchen offen lassen, um bei nächster Gelegenheit
        ie Rückerstattung wieder einzutreiben.
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22569
        (A) )
        (B) )
        Um die mit diesem Vorläufigkeitsvermerk hervorge-
        rufene Verunsicherung rasch zu beenden, hat sich die
        Union frühzeitig für eine gesetzliche Wiederherstellung
        der alten Pendlerpauschale eingesetzt. Es ist ein Erfolg
        der Union, dass unser Koalitionspartner diesem Anlie-
        gen folgt und gemeinsam mit uns die jetzt vorliegende
        Gesetzesinitiative auf den Weg bringt. Mit dieser Initia-
        tive wollen wir gemeinsam die alte Pendlerpauschalen-
        regelung wieder in Kraft setzen. Dies bedeutet, dass zu-
        künftig nicht nur die Entfernungspauschale ab dem
        1. Kilometer gesetzlich wieder eingeführt wird, sondern
        dass auch die anderen Regelungen in diesem Zusam-
        menhang, welche das Bundesverfassungsgericht nicht
        beanstandet hat, wieder eingeführt werden. Mit der Än-
        derung der Rechtslage zum 1. Januar 2007 wurde näm-
        lich auch die Möglichkeit genommen, Unfallkosten, die
        auf dem Weg von oder zur Arbeit entstanden sind, neben
        der Pendlerpauschale geltend zu machen. Ebenfalls ab-
        geschafft wurde der Abzug der Aufwendungen für die
        Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für die Wege von
        der Wohnung zur Arbeit, wenn diese höher als die Pend-
        lerpauschale waren. Für viele Bürgerinnen und Bürger,
        die ständig weite Strecken zum Arbeitsplatz pendeln
        müssen, bedeutete die Entscheidung des Bundesverfas-
        sungsgerichts Balsam für die Seele und vor allem für den
        Geldbeutel.
        Lassen Sie mich aber auch all jenen aus der Opposi-
        tion, welche von Anfang an gegen die Änderung der
        Pendlerpauschale waren und nun nach der Entscheidung
        des Verfassungsgerichtes mit einer gewissen Häme und
        Schadenfreude reagieren, eines deutlich sagen: Die Koali-
        tion akzeptiert selbstverständlich das Urteil unseres
        höchsten Gerichtes und setzt nun mit dem Gesetzentwurf
        die Entscheidung des Verfassungsgerichts konsequent
        um und sorgt damit für Rechtssicherheit. Ich gehöre
        nicht zu denen, die mit der Entscheidung des Gerichts
        vollauf zufrieden sind. Ich erinnere daran, dass selbst das
        Bundesverfassungsgericht nicht einstimmig, aber eben
        doch mehrheitlich für eine Verfassungswidrigkeit votiert
        hat.
        Die unpopulären Änderungen bei der Pendlerpau-
        schale sind uns damals nicht leichtgefallen. Sie waren
        aber notwendig, um den Bundeshaushalt, der am Ende
        von Rot-Grün ein strukturelles Defizit von beinahe
        60 Milliarden Euro aufwies, zu sanieren. Diese Schul-
        denpolitik ist uns teuer zu stehen gekommen und wird
        noch lange als Hypothek auf den Schultern unserer Kin-
        der und Enkel lasten. Auch wenn das Urteil aus konjunk-
        tureller Sicht zum richtigen Zeitpunkt kam, so ist es aus
        finanzpolitischer und haushälterischer Sicht nicht zu be-
        grüßen. Verantwortlich für diese finanzpolitische Misere
        ist nicht das Verfassungsgericht. Wir als Gesetzgeber
        sind verantwortlich. Hierbei rächt sich besonders, dass
        wir es seit vielen Jahren versäumen, ein einfaches, trans-
        parentes und damit gerechtes Einkommensteuersystem zu
        schaffen.
        Da ist es kein Wunder, dass unser Verfassungsgericht
        bei der Kompliziertheit unseres Einkommensteuerrechts
        zunehmend einzelne Bestimmungen für verfassungswid-
        rig erklärt. Mit jeder Steueränderung – sei es durch die
        Schaffung von Ausnahmen, europarechtliche Vorgaben
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        nd Urteile – wird dieses System weiter verkompliziert.
        nderungsgesetze können dann nur noch Flickschusterei
        ein. Es bleibt ein einziges Herumgeschraube am Ein-
        ommensteuersystem. Wir müssen daher die Entschei-
        ung des Bundesverfassungsgerichts nochmals als An-
        toß betrachten, über einen wirklichen Systemwechsel in
        er Einkommensteuer nachzudenken. Wir, die Unions-
        raktion, sind dazu bereit, eine Einkommensteuerreform
        nzuschieben, die gerade die Mittelschicht entlastet, die
        ereinfacht und schon aufgrund der Einfachheit ein mehr
        n Gerechtigkeit bietet.
        Florian Pronold (SPD): Zum wiederholten Male,
        ber dieses Mal zum guten Abschluss, haben wir das
        hema Entfernungspauschale auf der Tagesordnung. Mit
        er Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfs
        erden wir die alte Gesetzeslage, wie sie 2006 bestand,
        ieder dauerhaft herstellen.
        Der Gesetzentwurf wird auch von CDU und CSU
        itgetragen, die sich bei der Pendlerpauschale schon zur
        enüge selbst vorgeführt haben: Im CDU/CSU-Wahl-
        rogramm von 2005 wurde eine Menge Steuererleichte-
        ungen versprochen. Auf Seite 17 wird aber nicht nur die
        bschaffung der Steuerfreiheit von Nacht- und Sonn-
        agsarbeit, sondern auch die Kürzung der Pendlerpau-
        chale gefordert. Das war die damalige Programmatik
        er CDU/CSU.
        Die Historie ist, dass die SPD die Pendlerpauschale
        b dem ersten Kilometer beibehalten wollte. Das hat
        005 in unserem SPD-Wahlmanifest gestanden. In den
        oalitionsverhandlungen hat die SPD durchgesetzt, dass
        ie Steuerfreiheit der Nacht- und Sonntagsarbeit erhalten
        leibt. Im Gegenzug hat sich die CDU/CSU im Punkt
        Kürzung der Pendlerpauschale“ durchgesetzt.
        Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens fand eine
        nhörung im Deutschen Bundestag statt, in der kein Ex-
        erte gesagt hat, dass der damals vorliegende Gesetzent-
        urf, den die CDU/CSU wollte, verfassungskonform ist.
        ir haben der Union mehrmals angeboten – das habe
        ch schon mehrfach in diesem Hohen Haus erwähnt –,
        iese Regelung zu ändern – während des Gesetzge-
        ungsverfahrens, nach den Urteilen von Finanzgerich-
        en. Diese Vorstöße sind aber jeweils gescheitert an der
        ührung der Union, insbesondere auch der CSU.
        Aber auch FDP und Grüne müssen hier keine großen
        eden schwingen. Die FDP wollte die Entfernungspau-
        chale immer in ihren Steuerkonzepten opfern. Die
        endler hätten die Zeche für die Steuergeschenke an
        illionäre gezahlt. Und die Grünen wollten die Entfer-
        ungspauschale halbieren, ein schwerer Schlag für die
        enschen im ländlichen Raum, die nicht auf einen öf-
        entlichen Personennahverkehr zurückgreifen können.
        Die CSU hat in Bayern immer so getan, als hätte sie
        it den Entscheidungen in Berlin nichts zu tun! Nach
        er verloren Kommunalwahl haben Sie sich als Feuer-
        ehrmann in Sachen Pendlerpauschale aufgespielt, tat-
        ächlich waren Sie Brandstifter und haben auch im Bun-
        estag nichts getan, um mit der SPD die alte Regelung
        ur Pendlerpauschale wieder herzustellen.
        22570 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
        (A) )
        (B) )
        Deshalb blieb nichts anderes übrig, als das Verfas-
        sungsgerichtsurteil abzuwarten. Und es war eine schal-
        lende Ohrfeige für die CSU. Nicht an ihren Worten, an
        ihren Taten sollt ihr sie erkennen.
        Aber die CSU konnte es nicht lassen, weiterhin zu
        tricksen und den Menschen Sand in die Augen zu
        streuen – auch nach dem Urteil des Verfassungsgerichts.
        Frei nach dem Motto: Gibt’s im Sommer Eis und
        Schnee, Schuld ist nur die SPD bzw. ihr Finanzminister.
        Sie wollte den schwarzen Peter für ihre Sünden dem Fi-
        nanzminister unterjubeln. Die Finanzpolitiker der Union
        hatten es nach dem Urteil des Verfassungsgericht abge-
        lehnt, den alten Rechtszustand gesetzlich festzuschrei-
        ben. Wir Sozialdemokraten wollten sofort Rechtssicher-
        heit. Die Union hat sich geweigert: Damit mussten alle
        aktuellen Bescheide vorläufig ergehen. Und Seehofer hat
        eine Kampagne gestartet nach dem Motto, der Finanzmi-
        nister will den Menschen die gerade ausbezahlte Pend-
        lerpauschale wieder wegnehmen. Ein völliger Schwach-
        sinn. Dann hat er eine Bundesratsinitiative gestartet mit
        dem Ziel, den alten Rechtszustand sofort gesetzlich fest-
        zuschreiben: dasselbe, was seine CSU-Bundestagsabge-
        ordneten gerade hier abgelehnt hatten. Und selbst nach
        der Initiative der bayerischen Staatsregierung hat die
        Unionsführung im Bundestag alle Initiativen der SPD
        abgelehnt, die Pendlerpauschale rechtssicher zu machen.
        Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Man könnte sagen,
        Ende gut, alles gut. Aber: Dieses durchschaubare
        Schwarze-Peter-Spiel der CSU lassen wir uns nicht ge-
        fallen. Wir Sozis haben für die Arbeitnehmerinnen und
        Arbeitnehmer gekämpft, die Union hat sie im Regen ste-
        hen lassen. Der Schwarze Peter in Sachen Pendlerpau-
        schale gehört, farblich richtig zugeordnet, zu den
        Schwarzen!
        Dr. Volker Wissing (FDP): Die Debatte um die
        Pendlerpauschale ist exemplarisch für die politische Ar-
        beit der Großen Koalition, exemplarisch bezüglich des
        Ergebnisses: Wir führen wieder genau die Regelung ein,
        die wir bereits hatten. Millionen von Steuerzahlerinnen
        und Steuerzahlern wurden vollkommen unnötig in Unsi-
        cherheit gehalten. Die Finanzämter wurden vollkommen
        unnötig mit Vorläufigkeitsvermerken immobilisiert. Das
        Bundesverfassungsgericht wurde vollkommen unnötig
        damit beschäftigt, weil von Anfang an klar war, dass dieses
        Gesetz nicht verfassungskonform ist. Die Große Koali-
        tion hat mit einem maximalen Aufwand ein Nullergebnis
        präsentiert.
        Aber auch in Bezug auf den Umgang von CDU/CSU
        und SPD mit der Verfassung ist die Pendlerpauschale
        exemplarisch für die Arbeit der Großen Koalition. Die
        Verfassung ist das Fundament, auf dem unser ganzes
        Gemeinwesen ruht. Da werkelt man nicht einfach so
        dran herum. Aber bei CDU/CSU und SPD heiligt der
        Zweck nahezu alle Mittel. Um eine höhere Steuerbelas-
        tung durchzusetzen, strapaziert man eben auch mal die
        Verfassung. Und wenn Sie wenigstens aus Ihrem Pend-
        lerpauschalendesaster gelernt hätten, aber nein, bei der
        Erbschaftsteuerreform haben Sie das gleiche Spiel
        betrieben. Der Verfassungsbruch als Kollateralschaden
        ist immer wieder Teil des Einigungsprozesses zwischen
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        DU/CSU und SPD. Egal ob innere Sicherheit, Steuer-
        echt, Jobcenter, wenn Sie überhaupt zu einer Einigung
        ommen, dann eben auch gerne auf Kosten der Verfas-
        ung. Und wenn die Probleme gar nicht anders zu lösen
        ind, dann wird eben passend gemacht, was nicht passen
        ill. Wenn man, wie bei den Jobcentern, unfähig ist, eine
        erfassungskonforme Lösung zu finden, dann ändert
        an eben die Verfassung. Wie können Sie eigentlich von
        en Bürgerinnen und Bürgern die Einhaltung von Spiel-
        egeln einfordern, die Sie bei jeder Gelegenheit verletzen?
        Aber auch in Bezug auf das Verhalten des Bundes-
        inisters der Finanzen war die Debatte um die Pendler-
        auschale beispielhaft. Ich weiß nicht, wie oft Peer
        teinbrück wiederholt hat, dass er sich der Verfassungs-
        emäßheit absolut sicher sei. Am Anfang wollte er wohl
        och die Menschen, am Schluss nur noch sich selbst
        berzeugen. Aus der Suggestion wurde eine Autosugges-
        on. Aber das Verfassungsgericht hat ihn sehr unsanft
        uf den Boden der Verfassung zurückgeholt. Steinbrück
        am, sah – und ging als begossener Pudel vom Platz. Das
        teuerpolitische Chaos der Großen Koalition hat einen
        amen, und zwar: Steinbrück. Als Haushaltskonsolidierer
        ngetreten, als Steuer- und Schuldenmaximierer abtreten,
        o lässt sich die politische Erfolgsbilanz des Finanzmi-
        isters zusammenfassen.
        In einem weiteren Punkt ist die Debatte um die Pend-
        erpauschale beispielhaft, und zwar in Bezug auf die
        olitische Gestaltungskraft der Großen Koalition. Große
        ösungen wurden den Bürgerinnen und Bürgern ver-
        prochen, und nicht einmal kleinste geliefert. Niemand
        ird ernsthaft behaupten, dass es den Menschen heute
        esser geht als zu Beginn der Großen Koalition. Nicht
        in einziges der sozialen Sicherungssysteme ist so orga-
        isiert bzw. reformiert, dass man es als zukunftsfähig
        etrachten könnte. Nicht eine der großen politischen
        erausforderungen, vor denen unser Land steht, kann als
        ewältigt betrachtet werden. Vier Jahre CDU/CSU und
        PD waren vier verlorene Jahre für unser Land.
        Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass Sie die
        endlerpauschale heute wieder einführen, ist gut. Besser
        äre es allerdings gewesen, Sie hätten sie nie abge-
        chafft. Am Ende dieser Großen Koalition müssen Sie
        elbst eingestehen, dass wir mit viel Aufwand dort wie-
        er stehen, wo wir ohne diese Regierung schon einmal
        aren. Ihre Erfolgsbilanz ist gleich null.
        Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Seit Dezember hat
        s der Bundesfinanzminister schwarz auf weiß: Die 2006
        eschlossene Abschaffung der alten Pendlerpauschale ist
        erfassungswidrig! Eine schallende Ohrfeige für den
        ann, der versucht hat, ein bestätigtes Steuerprinzip zu
        ntergraben, wonach alle beruflich bedingten Kosten
        om Einkommen der Steuerpflichtigen abzuziehen sind.
        4 Prozent dieser Kosten sind Fahrtkosten zum Arbeits-
        latz. Und nun: Rolle rückwärts! Ein Armutszeugnis für
        ie Arbeit der Großen Koalition.
        Der Höhepunkt der Dreistigkeit ist jedoch, dass die
        rzwungene Wiedereinführung der alten Pendlerpau-
        chale zum Bestandteil des ersten Konjunkturpakets er-
        lärt wurde. Aber auch nach dem Urteil will der Bundes-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22571
        (A) )
        (B) )
        finanzminister langfristig nicht auf seine Steuerquelle in
        Höhe von jährlich 2,5 Milliarden Euro verzichten. Wäh-
        rend er gleichzeitig, nahezu selbstverständlich, Hunderte
        von Milliarden Euro schwere Schutzschirme für Groß-
        banken aufspannt, bekommen die Steuerzahlerinnen und
        -zahler nur vorläufige Bescheide bei der Pendlerpau-
        schale. Noch am 6. Februar sagte das Bundesfinanzmi-
        nisterium: „… eine gesetzliche Neuregelung ist auch für
        diese Legislaturperiode nicht vorgesehen … Wie eine
        künftige endgültige Regelung der Pendlerpauschale aus-
        sieht, hängt von den Entscheidungen des nächsten Bun-
        destages ab.“ Der Plan war wohl, bis zur Bundestags-
        wahl das Thema nicht mehr anzurühren. Danach kann
        bei Gefallen wieder abkassiert werden. Steuerzahlerin-
        nen und Steuerzahler wären wieder einmal die Ange-
        schmierten gewesen, weil die Große Koalition sich nicht
        zu einer sofortigen Neuregelung durchringen konnte.
        Immerhin haben Sie jetzt, auf öffentlichen Druck hin,
        die alte Pendlerpauschale wieder eingeführt. Damit er-
        füllen Sie eine alte Forderung der Fraktion Die Linke:
        Wir haben Ihnen seit Juni 2006 dreimal die Möglichkeit
        geboten, die von Ihnen vorgenommene verfassungswid-
        rige und ungerechte Abschaffung der Pendlerpauschale
        zurückzunehmen. Aber jetzt bestünde die Gelegenheit
        für eine gerechte und verfassungsmäßige Neuregelung.
        Von der alten Pendlerpauschale profitierten besonders
        Steuerpflichtige mit hohem Einkommen. Ein Beispiel:
        Ein alleinstehender Maurer hat 2008 einen Weg von
        40 Kilometern zur Arbeit und arbeitet an 220 Tagen im
        Jahr. Bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von
        20 000 Euro bekommt er bestenfalls eine Steuerersparnis
        von 736 Euro; wäre er Journalist mit einem Einkommen
        von 60 000 Euro, könnte er dagegen bis zu 1 108 Euro
        sparen. Die Besserverdienenden werden bevorzugt –
        wieder einmal. Die Linke will daher die Pendlerpau-
        schale in einen Abzug von der Steuerschuld umwandeln.
        Damit erhält jede und jeder Steuerpflichtige unabhängig
        vom Einkommen den gleichen Betrag je Kilometer er-
        stattet. Das wäre gerecht! Aus ökologischen und sozia-
        len Gründen sollten darüber hinaus die Kosten für Bus
        und Bahn, sofern sie die Pauschale übersteigen, in voller
        Höhe abgesetzt werden können. Wir brauchen in diesen
        Zeiten einen Schutzschirm für die Menschen – Gerech-
        tigkeit bei der Pendlerpauschale gehört dazu!
        Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Bereits der Name des Gesetzentwurfs verrät es: Die
        Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD müssen ihre
        politische Niederlage bei der Entfernungspauschale ein-
        gestehen und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
        umsetzen. Dies war längst überfällig, und sie hätten allen
        Bürgerinnen und Bürgern den Ärger um die Anerkennung
        ihrer Fahrtkosten zur Arbeit ersparen können. Sie sind
        mit dem Werktorprinzip vor dem Bundesverfassungs-
        gericht gescheitert und haben ihr Konsolidierungsziel
        von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr verfehlt. Jetzt müssen
        sie rückwirkend auszahlen, und das ist richtig.
        Noch am 19. Januar 2009 wollte die Bundesregierung
        von der heutigen Gesetzesvorlage nichts wissen und er-
        klärte in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage (16/11565):
        „Es wird keine Gesetzesinitiative für eine rückwirkende
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        euregelung der Pendlerpauschale geben, auch wenn
        iese Möglichkeit vom Verfassungsgericht ausdrücklich
        röffnet worden sei.“ Dies ist schon eine politische Unver-
        rorenheit des Bundesfinanzminsters Steinbrück gegenüber
        en steuerpflichtigen Bürgern, weil die Finanzämter bislang
        lle Steuererklärungen für die Frage der Entfernungspau-
        chale auch rückwirkend offengehalten haben. Offensicht-
        ch musste erst der politische Druck im Dampfkessel
        er Großen Koalition so stark ansteigen, dass jetzt das
        MF einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der endlich
        echtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger her-
        tellt.
        Erinnern wir uns, noch kurz vor dem Verhandlungstag
        or dem Bundesverfassungsgericht verteidigten Roland
        och von der CDU und Peer Steinbrück von der SPD
        ehement das Werktorprinzip. Sie verteidigten damit
        ine willkürliche Regelung, die bereits im Rahmen der
        arlamentarischen Beratung im Jahr 2006 zum Steuer-
        nderungsgesetz 2007 von vielen Sachverständigen als
        erfassungswidrig klassifiziert wurde. Koch/Steinbrück
        aren beratungsresistent bis zum letzten Tag und sind es
        ffensichtlich immer noch. Erst die Verfassungsrealität
        wingt zur Aufgabe und Auszahlung vereinnahmter Mehr-
        innahmen in einer Größenordnung von 2 bis 2,5 Milliar-
        en Euro. Für alle staatlichen Ebenen rechnet die Bundes-
        egierung für 2009 mit Steuermindereinnahmen von 5 bis
        Milliarden Euro. In dieser Größenordnung haben Sie das
        on der Großen Koalition vereinbarte Konsolidierungsziel
        erfehlt. Dafür tragen Sie angesichts der explodierenden
        aushaltsverschuldung die politische Verantwortung.
        Sie hatten 2006 die Möglichkeit, eine verfassungs-
        echtlich tragfähige Lösung mit einem Konsolidierungs-
        eitrag von 2,5 Milliarden Euro im Jahr zu verabschieden,
        um Beispiel mit einem verminderten Centbetrag je Kilo-
        eter ab dem ersten Kilometer zur Arbeit. Das haben Sie
        icht gewollt und haben finanzpolitisches Chaos bei den
        inanzgerichten und den Finanzämtern angerichtet. Erst
        it diesem Gesetzentwurf beenden Sie Ihren politischen
        ehlritt.
        Was passiert nach der Bundestagswahl im Herbst
        009? Im Bundestagswahlprogramm der Union von
        005 wurde vertreten, die Fahrtkosten zum Arbeitsplatz
        it 25 Cent pro Kilometer für eine Entfernung von
        öchstens 50 Kilometer abzugsfähig zu lassen. Die FDP
        ertrat die Auffassung, die Fahrtkosten zum Arbeitsplatz
        berhaupt nicht für abzugsfähig zu erklären. An dieser
        altung hat sich offensichtlich nichts geändert, wenn man
        ie Steuerreformvorschläge von Schwarz-Gelb verfolgt.
        ie wollen erhebliche Einschnitte nach der Wahl vorneh-
        en, aber heute nicht darüber reden. Die CDU/CSU
        ündigt eine Steuerstrukturreform an und will offen-
        ichtlich Steuergeschenke mit Steuerbelastungen verbin-
        en. Schenken Sie den Wählern reinen Wein ein und
        ein Wolkenkuckucksheim. In einer tiefen Rezession
        nd explodierender Staatsverschuldung Steuerentlastun-
        en für die nächste Legislaturperiode anzukündigen, ist
        olitisch unverantwortliches Gerede, weil die unange-
        ehmen Nachrichten den Bürgern bis zum Wahltag vor-
        nthalten werden. So etwas nenne ich vorbereiteten
        ahlbetrug.
        22572 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
        (A) )
        (B) )
        Anlage 8
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
        Änderung des Gesetzes über den Vorrang Er-
        neuerbarer Energien (Zusatztagesordnungs-
        punkt 5)
        Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Die Verwen-
        dung von Biomasse und vor allem die Nutzung von Bio-
        gas haben eine große Bedeutung für den Ausbau der er-
        neuerbaren Energien und das Erreichen der deutschen
        Klimaschutzziele bis 2020. Innerhalb der Nutzung von
        Biomasse ist vor allem Biogas ein vielseitig verwendba-
        rer und effizienter Energielieferant und ermöglicht Wert-
        schöpfung im ländlichen Raum. Wichtige Bedingung für
        die effiziente Nutzung von Biogas bei einer Verstromung
        vor Ort ist ein sinnvolles Konzept zur Wärmenutzung.
        Da das nicht überall zu Verfügung steht, ist die Einspei-
        sung von aufbereitetem Biogas in das Erdgasnetz eine
        höchst effiziente alternative Möglichkeit, je nach Bedarf
        unterschiedliche Nutzungspfade in den Bereichen der
        Wärme- und/oder Stromerzeugung oder Mobilität zu be-
        dienen. Die Nutzung von Biogas in der zuletzt genann-
        ten Anwendung sollte dabei nicht außer Acht gelassen
        werden – vermindert sie doch auch die nahezu 100-pro-
        zentige Abhängigkeit von Kraftstoffimporten und leistet
        einen Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen. Zu-
        dem liegt es beim Vergleich der Hektarerträge biogener
        Kraftstoffe klar vorn und erzielt deshalb in Bezug auf die
        Energieeffizienz besonders gute Ergebnisse, die sich
        durch Pflanzenzüchtung noch steigern lassen.
        Bioerdgas ist heute jedoch noch teurer als das endli-
        che fossile Erdgas. Eine Förderung erfolgt derzeit im
        Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes über eine
        Verstromungsvergütung. Für die Biogaseinspeisung mit
        vorausgehender Aufbereitung ist aus Gründen der Wirt-
        schaftlichkeit eine gewisse Anlagengröße erforderlich.
        Unsere Anforderung an kleinere wie größere Anlagen ist
        allerdings, dass sie nachhaltig betrieben werden. Dazu
        braucht es arrondierte Flächen, von denen die Substrate
        stammen und die eine Optimierung der Transportwege
        zulassen, geschlossene Stoffkreisläufe, bei denen die
        Gärreste zurück auf die Äcker gelangen, abwechslungs-
        reiche Fruchtfolgen sowie möglicherweise die Verwer-
        tung betriebseigener Gülle.
        Wie Sie wissen, sind Vergütungen im Rahmen des Er-
        neuerbare-Energien-Gesetzes seit jeher von der Anla-
        gengröße abhängig. Große Anlagen können wirtschaftli-
        cher arbeiten als kleinere Anlagen und erhalten daher
        geringere Vergütungen. Einfallsreiche Anlagenbetreiber
        haben diese Situation in den letzten Jahren dahin gehend
        genutzt, Biogas in großem Stil zu produzieren und zu-
        gleich die bessere Vergütung kleiner Anlagen zu nutzen,
        indem sie statt einer großen Biogasanlage viele kleine
        Biogasanlagen auf ihrem Grundstück errichtet haben.
        Unter dem Ortsnamen „Penkun“ hat diese Vorgehens-
        weise für bundesweite Medienberichterstattung gesorgt,
        in der zunächst die innovative Anlage sehr gelobt und
        später die Gewinnmaximierung ebenso heftig kritisiert
        wurde. Diese „Gestaltung“ des Gesetzes hat dem Willen
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        es Gesetzgebers ohne Zweifel nicht entsprochen. Aller-
        ings ist auf juristischer Ebene bislang dagegen nicht
        orgegangen worden. Deshalb hat der Gesetzgeber diese
        orgehensweise des sogenannten Anlagensplittings im
        euen EEG 2009 in § 19 bewusst und ganz ausdrücklich
        nterbunden. Das begrüßt die CDU/CSU-Fraktion für
        eu zu errichtende Anlagen ebenso ausdrücklich. Damit
        ollten wir auch den Anreiz zum Bau sehr großer Bio-
        asanlagen mindern – die in den neuen Bundesländern
        urchaus ihren Platz finden, doch in den alten Bundes-
        ändern, insbesondere in Süddeutschland mit seinen
        leinteiligeren ländlichen Strukturen, zu schweren Ver-
        erfungen im ländlichen Raum führen können.
        Wir sind allerdings auch der Auffassung, dass eine zen-
        ale Voraussetzung für das Erreichen unserer Klimaziele
        eitere private Investitionen in Anlagen zur Erzeugung
        rneuerbarer Energien sind, und dafür sind verlässliche
        olitische Rahmenbedingungen unabdingbar. Deshalb
        ürfen wir aus Gründen des Vertrauensschutzes und der
        nvestitionssicherheit die wirtschaftliche Grundlage von
        estandsanlagen – auch derer, die das Anlagensplitting
        isher nutzen – nicht zerstören. Investitionen in dreistel-
        iger Millionenhöhe stehen infrage, entsprechende Steu-
        rverluste durch Abschreibungen sind absehbar und
        ahlreiche Arbeitsplätze in strukturschwachen Gegenden
        ind in akuter Gefahr. Was in wirtschaftlich „normalen“
        eiten möglicherweise zu verkraften wäre, ist in Zeiten
        er Finanz- und Wirtschaftskrise kaum zu kompensie-
        en. Deshalb muss es für diese Anlagen eine Ausnahme-
        egelung geben; zumal mir auch einige Projekte persön-
        ich bekannt sind, in denen das „Splitting“ durch
        echnische Gründe – optimale Wärmenutzung oder Ver-
        ügbarkeit von Generatoren bestimmter Leistung – ver-
        rsacht wurde.
        Deshalb begrüßen wir als Union ganz besonders den
        on den Ländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen
        nitiierten Gesetzentwurf des Bundesrates vom Novem-
        er 2008 auf Drucksache 16/11833, der eine Sicherung
        er Bestandsanlagen fordert. Die FDP hat heute einen
        ahezu wortgleichen Antrag in den Bundestag einge-
        racht – Drucksache 16/12094 –, den wir jetzt in erster
        esung beraten.
        Die Union hat sich immer für eine Sicherung der Be-
        tandsanlagen stark gemacht. Wir hatten diese Forde-
        ung bereits im Sommer letzten Jahres als Antrag in die
        oalitionsverhandlungen zum Erneuerbare-Energien-
        esetz eingebracht, konnten uns mit dieser Forderung
        egenüber dem Koalitionspartner aber leider nicht
        urchsetzen. Derzeit wird der § 19 EEG 2009 auf juristi-
        cher Ebene beim Bundesverfassungsgericht geprüft.
        etreiber von Bestandsanlagen haben Klage eingereicht
        nd warten auf eine Entscheidung. Nachdem ein Antrag
        uf Erlass einer Einstweiligen Anordnung abgelehnt
        urde, steht die Entscheidung in der Hauptsache aus; es
        st nicht absehbar, wann sie erfolgen wird. Die Betreiber
        iniger Anlagen stehen nach eigenem Bekunden in weni-
        en Tagen vor der Insolvenz. Das macht ein unverzügli-
        hes Handeln des Gesetzgebers erforderlich.
        Unabhängig vom Ausgang des juristischen Verfah-
        ens macht auf politischer Ebene die erfolgreiche Verab-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22573
        (A) )
        (B) )
        schiedung des Gesetzentwurfs im Bundesrat Mut. Er
        hatte während der Beratungen eine breite Mehrheit im
        Umwelt-, im Wirtschafts- sowie im Agrarausschuss ge-
        funden. SPD-geführte Länder wie Rheinland-Pfalz,
        Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern hatten zu-
        gestimmt. Dies gibt Hoffnung, dass auch der Bundestag
        eine Regelung zum Bestandsschutz ermöglichen wird.
        Dirk Becker (SPD): Mit der Änderung des EEG zum
        1. Januar 2009 haben wir durch die Änderung des Anla-
        genbegriffs der missbräuchlichen Ausnutzung des EEG
        durch die Betreiber großer Biogasanlagen einen Riegel
        vorgeschoben. Dies war ausdrücklich der politische
        Wille der Mehrheit dieses Parlamentes.
        Wille war es auch, eine Rückwirkung dieser Rege-
        lung zu beschließen, zumal es sich bei der Änderung im
        EEG 2009 lediglich um eine Klarstellung einer auch im
        alten EEG bestehenden Rechtslage und keinesfalls um
        eine neue Regelung handelt. Der Missbrauch des EEG,
        der jährlich zweistellige Millionenbeträge aus der von
        den Stromkunden zu finanzierenden EEG-Umlage in die
        Taschen ihrer Betreiber spült, durfte nicht noch nach-
        träglich legitimiert und belohnt werden, sondern musste
        nach unserem Rechtsverständnis zwangsläufig auch
        rückwirkend ausgeschlossen werden. Hiergegen wurde
        Klage erhoben und zumindest der Antrag auf einstwei-
        lige Verfügung durch das Bundesverfassungsgericht ab-
        gelehnt. Dies lässt darauf schließen, dass auch in der Sa-
        che zugunsten der Regelung im EEG entschieden
        werden wird. Und das ist gut so. Um dies jedoch genau
        beurteilen zu können, bleibt die Entscheidung in der Sa-
        che bzw. die Begründung aus Karlsruhe abzuwarten.
        Aus diesem Grund hat die Bundesregierung ihre Stel-
        lungnahme zu einem Antrag des Bundesrates auf Ände-
        rung des § 19 EEG zurückgestellt, um auf die Gerichts-
        entscheidung entsprechend eingehen zu können. Dies
        bleibt richtig, auch wenn die FDP nun geschickt den An-
        trag des Bundesrates kopiert, politisch Klamauk veran-
        staltet, obwohl sie um das gerade beschriebene Verfah-
        ren weiß. Es ist doch absurd, eine Gesetzesänderung zu
        beantragen, wo das Verfassungsgericht gerade seine Ver-
        fassungsfestigkeit prüft.
        Die Argumentation des Bundesrates und einiger Ver-
        treter der Biogasbranche lautet, dass nicht nur die, die
        sich durch Umgehung des EEG einen Vorteil verschafft
        haben, nun getroffen werden, sondern auch andere Be-
        treiber. Diesen Hinweis nehmen wir sehr ernst. Ich weise
        jedoch darauf hin, dass wir vor der Änderung des EEG
        über das BMU sehr wohl mit dem Fachverband Biogas
        gesprochen haben, um eine Folgenabschätzung vorzu-
        nehmen. Die damalige Aussage war, dass wohl nur die
        tatsächlichen Missbrauchsfälle betroffen sind. Mittler-
        weile sind Zahlen zwischen 40 und 250 Betroffene im
        Umlauf, allerdings ohne dass diese Zahlen belastbar und
        nachweisbar sind.
        Fest steht, dass wir zur Klärung von Streitigkeiten
        zwischen Anlagenbetreibern und Netzbetreibern eine
        Clearingstelle eingerichtet haben, an die sich jeder Be-
        troffene wenden kann. Hier sollen nach meinen Informa-
        tionen jedoch nur vier Verfahren anhängig sein. Zwei da-
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        on betreffen Betreiber, die nach unserer Auffassung das
        EG klar umgangen haben und nun auch von der höhe-
        en Vergütung für Kleinanlagen auszuschließen sind.
        lle anderen Fälle scheinen demnach geklärt, und die
        nlagenbetreiber dürften die ihnen zustehende Vergü-
        ung erhalten.
        Wir brauchen zunächst aber belastbare Zahlen und
        akten. Nur auf Basis dieser Fakten und unter Heranzie-
        ung der Urteilsbegründung aus Karlsruhe kann beurteilt
        erden, ob überhaupt politischer Handlungsbedarf be-
        teht oder ob mögliche Grenzfälle nicht über das vorhan-
        ene Instrument der Clearingstelle zufriedenstellend ge-
        lärt werden können. Falls diese Überprüfung ergeben
        ollte, dass dennoch eine gesetzliche Anpassung erfor-
        erlich wird, wovon wir derzeit nicht ausgehen, werden
        ir handeln. Es kann aber keine Regelung geben, die
        achträglich die missbräuchliche Nutzung des EEG zu-
        asten der Endverbraucher legitimiert.
        Michael Kauch (FDP): Wenn der Gesetzgeber Re-
        elungen trifft, die ihm rückwirkend plötzlich selber
        icht mehr gefallen, dann darf der Staat diese Regelun-
        en trotzdem nicht einfach zulasten der Normadressaten
        ieder ändern, zumindest nicht rückwirkend. Das Ver-
        rauen der Betroffenen ist schutzwürdig. Da kann man
        ich auf die FDP verlassen.
        Der Vertrauensschutz gilt selbstverständlich auch
        ann, wenn es um das EEG geht. Dass die FDP ihre
        echtsstaatliche Überzeugung heute ausgerechnet beim
        EG unter Beweis stellt, mag mancher vielleicht als
        übsche Pointe empfinden. Denn es ist ja bekannt, dass
        ie FDP grundsätzlich andere Vorstellungen darüber hat,
        as der Staat tun müsste, um das Potenzial der erneuer-
        aren Energien sinnvoll ausschöpfen zu können. Eines
        st für uns klipp und klar, und wir haben das immer wie-
        er betont: Kaum ein Wirtschaftsbereich ist für die
        ukunft unseres Landes wichtiger als die Energieversor-
        ung. Und kaum etwas ist hier so wichtig wie das Ver-
        rauen der Menschen in stabile Rahmenbedingungen. In-
        estoren müssen sich darauf verlassen können, dass der
        taat nicht von heute auf morgen seine Meinung ändert.
        nergieanlagen, die nach dem geltenden EEG genehmigt
        nd errichtet worden sind, genießen also in jedem Fall
        estandsschutz. Das Vertrauen der Menschen in verläss-
        iche und stabile Rahmenbedingungen steht für die FDP
        icht zur Disposition. Die FDP garantiert den Schutz
        ieses Vertrauens, und zwar auch dann, wenn das Ver-
        rauen sich auf Regelungen bezieht, die die FDP in die-
        er Form ursprünglich nicht gewollt und unterstützt hat.
        Die Bundesregierung sieht dies offenbar anders: Gegen
        ie Stimmen der FDP und trotz eindringlicher Warnung
        at die Bundesregierung die Spielregeln beim EEG über-
        aschend geändert. Der Anlagenbegriff im EEG wurde
        lötzlich so umdefiniert, dass bestehende Anlagen, die in
        nger zeitlicher – innerhalb von zwölf aufeinanderfol-
        enden Monaten – und lokaler Nähe – auf demselben
        rundstück oder in unmittelbarer Nähe – in Betrieb ge-
        ommen wurden, bei der Vergütung plötzlich so behan-
        elt werden, als ob es sich um eine einzige große Anlage
        andelt. Die Bundesregierung hatte nämlich plötzlich
        22574 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
        (A) )
        (B) )
        bemerkt, dass die geltende Regelung auf eine Weise genutzt
        wurde, die der Regierung nicht gefiel: Die Investoren
        haben bei der Anlagenplanung nämlich versucht, für
        sich das Beste herauszuholen. Mit anderen Worten: Die
        Investoren haben versucht, ihre Anlagenplanung optimal an
        das geltende Recht anzupassen. Als die Bundesregierung
        das merkt, ändert sie auch für Altanlagen die Spielregeln
        und verringert die gesetzlich garantierte Stromvergütung
        – rückwirkend –, und zwar so erheblich, dass viele mittel-
        ständische Altanlagen nun auf einmal in ihrer Existenz
        gefährdet sind. Dies ist mit der FDP nicht zu machen,
        auch dann nicht, wenn wir zur technologiedifferenzierten
        Stromvergütung eine andere Meinung haben.
        Die FDP legt Ihnen einen Gesetzentwurf vor, der
        klarstellt, dass für Anlagen, die bis zum 1. Januar 2009
        in Betrieb genommen worden sind, entsprechende Über-
        gangsvorschriften gelten und dass ein wirksamer Be-
        standsschutz gilt. Wir haben exakt diesen Sachverhalt
        bereits bei der EEG-Novelle als Änderungsantrag vorge-
        legt, den CDU/CSU und SPD damals abgelehnt haben.
        Die FDP hat die Einbringung eines formulierungsglei-
        chen Gesetzentwurfs auch über die Länderkammer be-
        gleitet. Auf das Wort der FDP können sich gerade mittel-
        ständische Investoren verlassen, nicht nur die Investoren
        im Energiebereich, aber auch dort, nicht nur bei den er-
        neuerbaren Energien, aber auch dort.
        Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Biomasse hat
        unter den erneuerbaren Energien eine besondere Stellung:
        Sie ist grundlastfähig und speicherbar; sie ist aber auch
        nicht vollständig CO2-neutral und kann zur Überlastung
        wertvoller Böden führen. Deshalb ist es erforderlich,
        Biomasse zur Energieerzeugung möglichst wirkungsvoll
        einzusetzen. Je Hektar Energiepflanzen muss die Energie-
        ausbeute so hoch und die Treibhausgaswirkung so gering
        wie möglich sein.
        Biogas ist deshalb die erste Wahl, weil eine große
        Bandbreite an pflanzlichen Eingangsstoffen genutzt werden
        kann und bei hohen Energieerträgen die gleichzeitige
        Strom- und Wärmenutzung möglich ist. Auch kann Biogas
        ins Erdgasnetz eingespeist werden oder Fahrzeuge an-
        treiben. Da nur begrenzt Flächen zur Verfügung stehen,
        sind aber auch bei Biogas hohe Nachhaltigkeitsstandards
        nötig, um den Naturhaushalt nicht zu überfordern und
        Konflikte mit der Nahrungsmittelproduktion zu vermeiden.
        Und genau an diesem Punkt stößt eine groß dimensio-
        nierte Biogaserzeugung an ihre Grenzen. Aneinanderge-
        reihte Einzelanlagen auf einem Gelände stellen faktisch
        eine Großanlage dar. Sie erfordern enorme Biomasse-
        mengen und sind meist ausschließlich auf Maissilage
        eingestellt. Die Fruchtfolge und regionale Kreisläufe
        werden vernachlässigt. Außerhalb von Ortschaften ange-
        siedelt, produzieren sie ausschließlich Strom, und die
        Wärmeenergie verpufft in die Umgebung. Das ist
        schlicht Verschwendung knapper und wertvoller Roh-
        stoffe. Deshalb ist die neue Regelung im EEG 2009 rich-
        tig, die Betreiber von Biomasseanlagen zur gleichzeitigen
        Strom- und Wärmeabgabe zu zwingen und die EEG-För-
        derung zugunsten kleinerer Anlagen nach der Größe aus-
        zurichten.
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        Der Antrag der FDP geht deshalb in die falsche
        ichtung. Das ist aber bei den Liberalen nicht verwun-
        erlich – haben sie das EEG ja ohnehin stets bekämpft.
        iel sinnvoller ist es, die Einspeisung von Biogas ins
        rdgasnetz endlich so durchzusetzen, dass sich die Ab-
        abe ins Netz für die Anlagenbetreiber auch lohnt. Dazu
        st es erforderlich, die Erdgasunternehmen zur Auf-
        ahme von bis zehn Prozent Biogas zu verpflichten.
        uch die Aufbereitung auf Einspeisequalität muss Sache
        er Röhrenbetreiber sein, damit die Biogaslieferanten
        icht zu unerfüllbaren technischen Anforderungen ge-
        wungen werden können.
        Der Gesetzentwurf der FDP weist zwar auf ein Pro-
        lem einzelner Betreiber von Biogasanlagen hin. Man
        uss aber auch klar sagen, dass hier das EEG gezielt
        mgangen wurde und Anlagen zu einem Zeitpunkt auf-
        ebaut wurden, als absehbar war, dass eine strengere Re-
        elung im EEG 2009 kommen würde. Die Linke wird
        iner Verwässerung des EEG nicht zustimmen und lehnt
        en Vorschlag der FDP deshalb ab.
        Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es
        st schon erstaunlich: Die FDP stellt heute einen Antrag
        or zum Schutz von Investitionen, die unter dem welt-
        eit erfolgreichsten Gesetz für erneuerbare Energien,
        em EEG, getätigt wurden. Das ist gut so. Erstaunlich
        aran ist, dass die FDP diese Investitionen schützen will.
        nsonsten bekämpft sie nämlich bei jeder Gelegenheit
        as EEG und gefährdet damit Milliarden Investitionen
        nd Hunderttausende von Arbeitsplätzen. Natürlich
        ürde eine Abschaffung des EEG nicht die getätigten
        nvestitionen in Ökostrom-Anlagen gefährden, sie sind
        ber die 20-jährige Vergütungsdauer und das Rückwir-
        ungsverbot im Grundgesetz geschützt. Aber mit dem
        egfall des EEG, wie von der FDP allseits politisch be-
        undet, würde der Markt für neue Ökostrom-Anlagen
        rastisch einbrechen, was den Absatz aus Fabriken für
        olaranlagen, Windkraftanlagen oder Biogasanlagen ge-
        ährdet. Damit würden in der heutigen Rezession ganz
        hne Not weitere Arbeitsplätze verloren gehen und neue
        nvestitionen unmöglich werden.
        Nun ist es aber zu begrüßen, dass sich die FDP für
        en Bestandschutz von Biogasanlagen einsetzt. In der
        at sind einige Investitionen in diesem Bereich höchst
        efährdet. Durch die Novelle des EEG, die seit 1. Januar
        009 in Kraft ist, stehen Biogasanlagen zum Beispiel im
        trukturschwachen und mit hoher Arbeitslosigkeit belas-
        eten Penkun vor dem Konkurs. Arbeitsplätze sind ge-
        ährdet und ebenso die persönlichen Einlagen von Land-
        irten.
        Die Große Koalition hat in der EEG-Novelle einen
        ravierenden Fehler begangen. Sie hat entgegen dem
        rinzip des Rückwirkungsverbotes bereits getätigte In-
        estitionen schlechter gestellt, indem sie den Anlagenbe-
        riff auch rückwirkend neu definiert hat. Damit gefähr-
        en SPD/CDU/CSU in hohem Maße Arbeitsplätze und
        en Bestand verschiedener Biogasunternehmen. Dies ist
        ine Parallele zum Biokraftstoff-Gesetz, in dem der Ver-
        rauensschutz einer ganzen Branche missbraucht und vor
        009 bereits eine Besteuerung der reinen Biokraftstoffe
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22575
        (A) )
        (B) )
        vorgenommen wurde, mit dem Ergebnis, dass viele Bio-
        dieselanlagen und Pflanzenölmühlen in Konkurs gingen
        und 70 000 Arbeitsplätze akut gefährdet sind.
        Worum geht es inhaltlich? Manchen Biogasbetreibern
        wie in Penkun wird vorgeworfen, erhöhte Vergütung zu
        beanspruchen, weil sie eine große Anlage in viele kleine
        Anlagen aufgesplittet haben. Kleinere Anlagen bekom-
        men pro Kilowattstunde eine höhere Vergütung als große
        Anlagen. Es spricht vieles dafür, dass der Gesetzgeber
        des alten EEG genau dies verhindern wollte. Wenn aber
        Biogasanlagenbetreiber mit der Aufsplittung in kleinere
        Anlagen gegen die gesetzlichen Bestimmungen des alten
        EEG verstoßen haben sollten, so wäre das ein Fall für
        Gerichte. Was nicht angeht, ist eine rückwirkende Geset-
        zesänderung mit dem Argument, der frühere Gesetzge-
        ber hätte das eben so gemeint. Es ist völlig in Ordnung,
        wenn in einer Gesetzesnovelle dies für künftige Investi-
        tionen so geregelt wird. Dafür braucht es aber eine Über-
        gangsregelung für den Bestandschutz getätigter Investi-
        tionen; genau diese fehlt aber in der Novelle des EEG.
        Der Bundesrat hat bereits eine entsprechende Geset-
        zesänderung vorgeschlagen. Die „geniale“ Leistung der
        FDP ist es, den Gesetzestext des Bundesrates in dem hier
        vorliegenden Antrag wortgleich zu übernehmen. Beach-
        tenswert ist, dass der mehrheitlich von Union und SPD
        dominierte Bundesrat an diesem Punkt die von Union
        und SPD verabschiedete EEG-Novelle als Fehler an-
        sieht. Wir Grünen fordern die Große Koalition auf, end-
        lich Klarheit in dieser Angelegenheit zu schaffen, die
        gleichzeitig die getätigten Investitionen schützt.
        Der Schaden, den Sie von der Großen Koalition in der
        Bioenergiebranche mit dem Vertrauensbruch bei Bio-
        kraftstoffen und Biogas angerichtet haben, ist sowieso
        nicht mehr gutzumachen. Sorgen Sie endlich dafür, dass
        wieder Vertrauen in der Branche gefasst werden kann,
        und korrigieren Sie rückwirkende Gesetzesänderungen,
        die getätigte Investitionen gefährden. Nur dann wird die
        Bioenergiebranche den von ihr erwarteten Beitrag zur
        Belebung der Wirtschaft in der jetzigen Rezession er-
        bringen und gleichzeitig Klimaschutz zusammen mit ei-
        nem wertvollen Beitrag zur Sicherheit der Gasversor-
        gung leisten können.
        Anlage 9
        Zu Protokoll gegebene Rede
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu
        dem Vertrag vom 3. September 2008 zwischen
        der Bundesrepublik Deutschland und dem
        Königreich Dänemark über eine Feste Feh-
        marnbeltquerung (Tagesordnungspunkt 15)
        Jürgen Koppelin (FDP): Endlich wird eines der
        größten Verkehrsprojekte für Norddeutschland realisiert.
        Mit der festen Fehmarnbelt-Querung wird endlich eine
        bisherige Lücke im europäischen Verkehrsnetz geschlos-
        sen.
        Am 14. Dezember 1999 legte die damalige schles-
        wig-holsteinische Landesregierung aus SPD und Grünen
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        er Kabinettsbeschluss fest, dass eine feste Querung des
        ehmarnbelts realisiert werden soll. Nachdem am
        . September 2008 das dänische Parlament mit Zweidrit-
        elmehrheit seine Zustimmung erteilt hatte, wurde am
        . September 2008 der lang ersehnte Staatsvertrag zwi-
        chen Dänemark und Deutschland unterzeichnet. Damit
        urde endlich der Grundstein gelegt für eines der bedeu-
        endsten transeuropäischen Verkehrsprojekte der kom-
        enden Jahre. In Dänemark gibt es in der Bevölkerung
        ine überwältigende Mehrheit für die feste Fehmarnbelt-
        uerung. Die wenigen Kritiker auf deutscher Seite soll-
        en vielleicht einmal hinterfragen, warum es diese große
        egeisterung in Dänemark gibt, während man bei uns
        och immer versucht, mit vielen kleinen Bedenken sich
        autstark gegen das Projekt auszusprechen.
        Durch den Bau der festen Querung rücken nicht nur
        chleswig-Holstein und das dänische Lolland, sondern
        uch Skandinavien und Westeuropa zusammen. Der
        anze norddeutsche Raum, auch Mecklenburg-Vorpom-
        ern, wird davon profitieren. Das ist eine der wesentli-
        hen Voraussetzungen dafür, dass der Norden Europas
        usammenwächst, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch
        esellschaftlich. Die Brücke wird die Mobilität der Men-
        chen deutlich steigern. Das wird die Wirtschaftsent-
        icklung in der Region beschleunigen, weil durch die
        erkürzten Fahrzeiten über den Fehmarnbelt die Trans-
        ortkosten sinken werden und deshalb der Austausch
        on Waren, Kultur, persönlichen Kontakten, Know-how,
        ie Begegnung von Personen sowie Innovationen
        chneller wachsen werden. Der Brückenschlag über die
        ogelfluglinie schafft erhebliche Impulse für Wachstum,
        ür Beschäftigung und für gesellschaftlichen Austausch.
        etzt müssen wir endlich beginnen, dass auf deutscher
        eite das Projekt intensiv begleitet wird.
        Laut Bundesverkehrsministerium sollen zur Bewälti-
        ung der neuen Verkehrsströme zwei große Maßnahmen
        ealisiert werden: Zum einen soll die Bundesstraße 207
        wischen Heiligenhafen und Puttgarden vierspurig aus-
        ebaut werden. Der Bund wird dafür 90 Millionen Euro
        ahlen, das Land wird einen Teil mitbezahlen. Zum an-
        eren soll die Bahnstrecke von Bad Schwartau bis Putt-
        arden zweigleisig ausgebaut werden. Auch hier sollte
        ügig die Finanzierung geplant werden.
        Bislang fehlt jedoch jegliches Konzept, auf welche
        eise die Hinterlandanbindung realisiert werden soll.
        uch fehlt jedes Konzept, aus welchen Mitteln sie finan-
        iert werden soll. Ungeklärt ist, ob das Geld aus dem
        undesverkehrswegeplan genommen werden soll oder
        b andere Verkehrsprojekte in Schleswig-Holstein zu-
        ückgestellt werden müssen. Unklar ist, wie viel über-
        aupt an Bundesmitteln bereit steht und wie viel Landes-
        ittel nötig sind. Schleswig-Holstein und der Bund
        üssen endlich für ein klares Projekt- und Finanzie-
        ungskonzept sorgen.
        Ein weiterer Aspekt macht deutlich, warum ein sol-
        hes Konzept erforderlich ist. Zehn Jahre für Planung,
        ürgerbeteiligung und Bau sind – das zeigen die vergan-
        enen Schienen- und Straßenprojekte in Schleswig-Hol-
        tein – keine wirklich lange Zeit. Dies zeigt, dass in die-
        er Frage dringend etwas passieren muss. Für mich als
        22576 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
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        Bundestagsabgeordneten aus Schleswig-Holstein steht
        fest, dass das zu entwickelnde Konzept mehr beinhalten
        muss als den vierspurigen Ausbau der B 207 und den
        zweigleisigen Ausbau der Bahnstrecke Bad Schwar-
        tau–Puttgarden. Durch diese Maßnahmen ist das Hinter-
        land noch lange nicht an die Fehmarnbelt-Brücke ange-
        bunden. Was nützt eine vierspurige Beltquerung, wenn
        die Autos dann im Stau vor der zweispurigen Fehmarn-
        sund-Brücke stehen? Ich würde es auch sehr begrüßen,
        wenn auch die Auswirkungen der Fehmarnbelt-Querung
        auf die Zukunft des Schiffverkehrsaufkommens auf dem
        Nord-Ostsee-Kanal begutachtet werden könnten. Denn
        Auswirkungen wird es geben. Ebenso liegt mir daran,
        dass verschiedene vom Bundesbeauftragten für Wirt-
        schaftlichkeit in der Verwaltung vorgetragene Bedenken
        und Anregungen überprüft und als Anregungen ernst ge-
        nommen werden. Das Projekt selbst steht allerdings für
        mich zu keinem Zeitpunkt in Frage.
        All diese Fragen dürfen nicht erst 2018 beantwortet
        werden. Wir brauchen eine zügige, mit dem Bund abge-
        stimmte Planung im Rahmen eines Projekt- und Finan-
        zierungsplanes. Spätestens bei Baubeginn muss Klarheit
        in den von mir aufgezählten Punkten herrschen.
        Mir war es wichtig, heute auch diese Punkte anzu-
        sprechen, wenn wir über den Vertrag zwischen Deutsch-
        land und Dänemark über die feste Fehmarnbelt-Querung
        sprechen. Mit diesem Vertrag ist ein neues Kapitel der
        deutsch-skandinavischen Beziehungen aufgeschlagen
        worden zum Wohle auch der Menschen in dieser Region.
        Anlage 10
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Keine Anrechnung
        der Abwrackprämie bei ALG II und Eingliede-
        rungshilfe (Zusatztagesordnungspunkt 6)
        Karl Schiewerling (CDU/CSU): Mit Ihrem Antrag
        fordern Sie die Abwrackprämie auch für ALG-II-Bezieher.
        Gern erkläre ich Ihnen, warum dieser Personenkreis die
        Abwrackprämie nicht erhält.
        Im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ist die Nach-
        rangigkeit des ALG II insbesondere gegenüber anderen
        Transferleistungen festgeschrieben. Dies bedeutet, dass
        grundsätzlich jede Einnahme in Geld oder Geldwert, in
        dem Fall die Abwrackprämie im Wert von 2 500 Euro,
        als Einkommen leistungsmindernd berücksichtigt wird.
        Im Gesetz gibt es Ausnahmen, und zwar für Einnah-
        men, die einem anderen Zweck als den Leistungen nach
        dem SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht
        so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach
        dem SGB II nicht gerechtfertigt wären. Engagiert sich
        beispielsweise ein ALG-II-Empfänger bei der freiwilli-
        gen Feuerwehr, erhält er eine Aufwandsentschädigung.
        Diese Einnahme dient einem anderen Zweck als die
        Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch. Da
        Aufwandsentschädigungen in aller Regel in überschauba-
        ren Größen ausgezahlt werden, dürfen diese „zusätzlichen“
        Einnahmen auch behalten werden.
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        Anders verhält es sich natürlich bei einem Betrag von
        500 Euro. Erhält ein SGB-II-Empfänger die Prämie in
        öhe von 2 500 Euro, um sich ein neues Auto oder einen
        ahreswagen anzuschaffen, beeinflusst das seine wirt-
        chaftliche Lage erheblich. Die Besserstellung zeigt sich
        uch vor dem Hintergrund, dass Hilfebedürftige ihr Ver-
        ögen grundsätzlich vor staatlichen Transferleistungen
        inzusetzen haben. Jeder Betroffene verfügt je nach Alter
        ber ein Schonvermögen. Wer mehr hat, muss zunächst
        ie Ersparnisse aufbrauchen, bevor es Geld vom Staat
        ibt. Ein Auto mit einem Wert von bis zu 7 500 Euro
        ird nicht als Vermögen angerechnet.
        Es ist also nicht so, dass SGB-II-Empfänger alle auf ihr
        uto verzichten müssen, doch ein Recht auf einen Neu-
        agen muss der Staat in diesem Falle auch nicht garantie-
        en. Die Umweltprämie wäre für ALG-II-Empfänger
        chlicht und ergreifend eine zusätzliche Einnahmequelle.
        s ist nicht ersichtlich, warum dieser Personenkreis, der
        ereits Hilfe vom Staat in Form der Grundsicherung erhält,
        usätzlich, also „on top“ oben drauf zusätzliches Geld
        rhalten soll. Irgendwann ist eine Grenze erreicht. Vor
        llem müssen wir das auch denjenigen Bürgerinnen und
        ürgern erklären, die knapp über den SGB-II-Regelsätzen
        iegen und mit ihren Steuern und Sozialabgaben diesen
        taat finanzieren.
        Wir führen hier eine Phantomdiskussion. Da die Grund-
        icherung für Arbeitsuchende – laut unseren Kollegen aus
        er Linksfraktion – per se arm macht, kann ich mir kaum
        orstellen, dass nun Massen an ALG-II-Empfängern so
        ahlungsfähig sind und sich Neu- oder Jahreswagen leisten
        önnen. Nehmen wir einen 58-jährigen Langzeitarbeits-
        osen. Dieser hat ein Schonvermögen von 6 000 Euro.
        lus die 2 500 Euro Umweltprämie könnte er sich für
        500 Euro einen Neu- oder Jahreswagen leisten. Fraglich
        st doch, ob er für dieses Geld überhaupt etwas findet.
        al angenommen, er bekäme auf dem Markt ein Auto
        ür diesen Preis, würde dieses wiederum über dem Wert
        es geschützten Vermögens des Pkws von 7 500 Euro
        egen. Folglich müsste es dann als Vermögen angerechnet
        erden. Das ist doch absurd. Vielleicht mag es Ausnah-
        en geben. Doch für diese außerordentliche Aktion, die
        udem noch ein kleines Zeitfenster hat, das Gesetz auf
        en Kopf zu stellen, halte ich nicht für angemessen.
        Andrea Nahles (SPD): Die Umweltprämie oder Ab-
        rackprämie, wie sie oft auch genannt wird, ist ein gro-
        er Erfolg. Sie erfüllt die in sie gesetzten Erwartungen.
        ir kurbeln den Absatz umweltfreundlicher Autos an.
        amit helfen wir der Umwelt und stützen die Wirtschaft.
        enau das war beabsichtigt. Allein im Februar ist die
        ahl der Neuzulassungen um 21,5 Prozent gegenüber
        em Vorjahr gestiegen. Insgesamt wurden im Februar
        ast 280 000 fabrikneue Autos für den Straßenverkehr
        ugelassen. Dabei standen kleinere Autos deutlich im
        ordergrund. Weniger gefragt waren teure Pkw. Das ist
        in deutlicher Hinweis für mich, dass besonders Men-
        chen mit niedrigem und mittlerem Einkommen von der
        mweltprämie profitieren. Das ist gut und richtig. Ge-
        ade für Menschen mit niedrigem Einkommen ist es
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22577
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        ganz besonders wichtig, ein Auto zu fahren, welches
        kostengünstig im Unterhalt ist.
        Aber genau hier kommen wir zum Problem. An Men-
        schen mit besonders niedrigem Einkommen geht die
        Umweltprämie vorbei. Empfänger von Arbeitslosen-
        geld II müssen sich die Prämie als Einkommen anrech-
        nen lassen. Das war so nicht gewollt. Wir erwarten von
        diesen Menschen, dass sie durch Arbeit selbst ihren Le-
        bensunterhalt erwirtschaften. Gerade in ländlichen Re-
        gionen gibt es jedoch keine ausreichenden Angebote an
        öffentlichem Nahverkehr. Arbeitnehmer brauchen dort
        daher ein Auto. Und gerade wer wenig Geld hat wie die-
        jenigen, die zu ihrem Lohn noch ergänzend Arbeits-
        losengeld II bekommen, der braucht ein verbrauchsar-
        mes Auto. Die jetzige Regelung kann so nicht bleiben.
        Wir brauchen eine gesetzliche Klarstellung ganz ähnlich
        wie beim Kinderbonus, der auch allen Kindern zugute-
        kommt.
        Wie absurd die jetzige Situation ist, zeigt auch der
        folgende Vergleich: Würde nicht eine Umweltprämie ge-
        zahlt, sondern gewährte der Händler ganz allgemein ei-
        nen Nachlass auf seine Wagen, dann käme es nicht zu ei-
        ner Einkommensanrechnung.
        Ich glaube nicht, dass der Personenkreis, um den es
        geht, besonders groß ist. Das ist aber auch gar nicht der
        Punkt. Für mich ist das vielmehr eine Frage der Gerech-
        tigkeit. Es gibt für mich keinen erkennbaren Grund, ei-
        nem Bezieher von Arbeitslosengeld II die Umweltprä-
        mie zu verweigern, während beispielsweise ein leitender
        Angestellter sie erhält.
        Es geht überhaupt nicht darum, dass Arbeitslosen-
        geld-II-Empfänger ein neues oder neues gebrauchtes
        Auto auf Steuerzahlerkosten bekommen sollen. Wie je-
        der andere Bürger auch müssen sie eigenes Vermögen
        einsetzen, das heißt auf ihr Schonvermögen zurückgrei-
        fen. Vom Staat erhalten sie lediglich einen Zuschuss, den
        jeder bekommen kann, der sein altes Auto verschrotten
        lässt. Es geht hier also nicht um eine Besserstellung,
        sondern um eine Gleichstellung. Die Umweltprämie soll
        nicht eine bestimmte Personengruppe besserstellen, son-
        dern wir wollen die Wirtschaft ankurbeln und dabei auch
        noch der Umwelt helfen. Hier ist es egal, wer der Emp-
        fänger der Umweltprämie und damit der Käufer des Au-
        tos ist. Und überhaupt: Es geht lediglich um eine einma-
        lige, die Konjunktur stützende Aktion. Niemand muss
        hier einen Dammbruch befürchten. Ich spreche mich da-
        her ganz deutlich und unmissverständlich für eine Geset-
        zesänderung aus. Ich appelliere an unseren Koalitions-
        partner, noch einmal zu überlegen und sich nicht
        vernünftigen Argumenten zu verschließen. Auf Dauer
        kann niemand gegen das Gerechtigkeitsempfinden der
        Menschen verstoßen.
        Heinz-Peter Haustein (FDP): Es geht um die Ab-
        wrackprämie und da insbesondere um die Frage, ob die
        Prämie in Höhe von 2 500 Euro bei Beziehern von Ar-
        beitslosengeld II als Einkommen auf die Transferleis-
        tung angerechnet werden muss oder nicht, also ALG-II-
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        eziehern, die die Prämie erhalten entsprechend die
        ransferleistung gekürzt werden muss.
        Schon hier liegt ja der in der öffentlichen Wahrneh-
        ung verbreitete Irrtum: Natürlich bekommen alle die
        bwrackprämie, die ihr altes Auto verschrotten lassen
        nd sich ein neues Auto oder einen Jahreswagen kaufen,
        ofern das alte Fahrzeug wenigstens zwölf Monate auf
        ie zugelassen war. Es geht hier einzig um die Frage, ob
        s sich bei der staatlichen Prämie um anzurechnendes
        inkommen handelt. Lassen Sie mich zur Abwrackprä-
        ie Folgendes ausführen:
        Erstens. Die Abwrackprämie hat einen Grundmangel,
        uf den wir von Beginn an hingewiesen haben: Sie ist
        rinzipiell völlig untauglich, den ihr zugedachten Zweck
        u erfüllen. Zwar stützt sie – wie gewünscht – die Nach-
        rage nach Automobilen. Doch die Menschen kaufen
        eine deutschen Fabrikate, sondern wählen mehr auslän-
        ische Marken, die günstiger in der Anschaffung sind
        nd sparsamer im Verbrauch. Das zeigen die Erfahrun-
        en bereits. Dem Ziel der Stärkung der deutschen Wirt-
        chaft und der Erhaltung von Arbeitsplätzen aber dient
        er Kauf eines japanischen oder eines anderen ausländi-
        chen Autos kaum.
        Zweitens. Doch da sie nun in Kraft ist, müssen wir
        ns mit den praktischen Fragen der Umsetzung beschäf-
        igen, unter anderem mit der Anrechnungsfrage. Dabei
        st zuallererst zu klären, ob es sich bei dem von dem An-
        rag der Fraktion Die Linke aufgegriffenen Sachverhalt
        berhaupt um ein relevantes Problem handelt, das ge-
        etzlich geregelt werden muss. Hartz IV sieht für Bezie-
        er von ALG II vor, dass das vorhandene Fahrzeug, so
        s veräußert werden kann, in der Regel einen Verkaufs-
        rlös von 7 500 Euro nicht übersteigen darf. Es gibt aber
        ur wenige Autos, die als Neuwagen oder wenige Mo-
        ate altes Fahrzeug, maximal Jahreswagen, diesen Wert
        icht übersteigen. Allenfalls ein Modell eines rumäni-
        chen oder italienischen Fabrikats kommt da in Betracht.
        och das nur am Rande. So weit könnte man noch fest-
        tellen, dass das Anliegen der Linken relevant ist, so-
        ange es nur überhaupt ein Fahrzeug gibt, das als Jahres-
        agen im Wert unter die Marke von 7 500 Euro sinkt.
        Viel wichtiger jedoch ist noch die Frage, ob es über-
        aupt eine nennenswerte Zahl von Betroffenen gibt, also
        LG-II-Bezieher, die ihr Schonvermögen in dieser Grö-
        enordnung für einen Neuwagen verwenden möchten
        nd sich damit selbst der knappen eigenen Mittel entle-
        igen, die für „Notfälle“ gebraucht werden könnten.
        ies scheint mir äußerst zweifelhaft. Denn dass ein
        LG-II-Bezieher in einer Situation ohne die Gewissheit
        uf in Kürze steigende Einnahmen sein Schonvermögen
        ür einen Neuwagen aufbraucht, macht ja für mich nicht
        iel Sinn und scheint mir auch nicht sehr wahrschein-
        ich. Ich kann mir zumindest kaum vorstellen, dass ein
        LG-II-Bezieher in einer so schwierigen Lage sein ihm
        ur Verfügung stehendes Geld für den Erwerb eines
        euwagens aufbringt, anstatt es in die eigene Fortbil-
        ung zu investieren oder noch besser: in die Bildung und
        ntwicklung der eigenen Kinder. Wir reden immer über
        ie große Bedeutung von Bildung. Das gilt auch und ge-
        22578 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
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        rade für Kinder von ALG-II-Bezieher. Insofern wird
        wohl kaum ein Betroffener mit dem eigenen Geld ein
        neues Auto kaufen, sondern es sinnvoll und mit Bedacht
        investieren, statt in den Konsum zu stecken, und das
        auch deshalb, weil der vorhandene zehn Jahre alte Golf
        ja bei der hohen Qualität unserer heutigen Kfz noch aus-
        reicht, um zum Vorstellungsgespräch zu fahren und da-
        für der Neuwagen entgegen der Begründung der Frak-
        tion Die Linke nicht erforderlich ist bzw. bei erfolgter
        Neuanstellung immer noch gekauft werden kann und
        hinter anderen Dingen wie zum Beispiel der Bildung der
        Kinder ansteht.
        Es scheint mir also aus einer Vielzahl von Gründen
        angebracht zu sein, hier in den anstehenden Ausschuss-
        beratungen noch einmal sorgfältig abzuwägen und von
        der Bundesregierung Aufklärung über die Fallzahlen zu
        erhalten. Mit einem herzlichen Glück auf aus dem Erz-
        gebirge!
        Katrin Kunert (DIE LINKE): Mit dem faktischen
        Ausschluss von ALG-II-Beziehenden von der Umwelt-
        prämie setzt die Bundesregierung ihren Kurs der Aus-
        grenzung und Diskriminierung von ALG-II-Beziehen-
        den fort. Die Menschen, die eigentlich am meisten am
        Konjunkturpaket partizipieren müssten, werden ausge-
        schlossen. Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie damit
        auch all die Menschen ausgrenzen, die trotz Arbeit auf
        ergänzende Leistungen angewiesen sind? Und dass
        Menschen mit Behinderungen im Grundsicherungs-
        bezug, die ganz besonders einen Pkw brauchen, ebenso
        unter diesen Ausschluss fallen? Für mich stellt sich
        schon die Frage, ob Sie überhaupt darüber nachgedacht
        haben, was Sie da beschließen. Anscheinend nicht. Wie
        sonst ist es zu verstehen, dass die SPD überrascht
        scheint, dass die Umweltprämie auf die Grundsicherung
        für Arbeitsuchende angerechnet wird? Es wäre ja gut,
        wenn sich die SPD jetzt eines Besseren besinnt und mit
        uns gemeinsam diesen unhaltbaren Zustand ändert; denn
        ich halte es für einen unglaublichen Vorgang, der korri-
        giert werden muss.
        Die Fraktion Die Linke gehört mit Sicherheit zu den
        größten Kritikerinnen hinsichtlich der sogenannten Um-
        welt- oder, wie sie auch genannt wird, Abwrackprämie;
        was vielleicht auch treffender ist. Es ist nämlich fraglich,
        ob es überhaupt ökologisch sinnvoll ist, den Neukauf
        von Autos zu fördern. Zum einen dürfte in einigen Fäl-
        len eine ökologische Lebenszyklusanalyse – Ressour-
        cenverbrauch und Emissionen beim Bau, Betrieb und
        Entsorgung von Pkw – ergeben, dass es sinnvoller wäre,
        ältere und bislang wenig gefahrene Autos länger zu nut-
        zen, anstatt sie frühzeitig zu verschrotten. Zum anderen
        erhält die Abwrackprämie nur, wer sich anschließend ein
        neues Auto kauft. Das Umsteigen auf den öffentlichen
        Personenverkehr wird dagegen nicht gefördert. Das hat
        auch der Präsident des Umweltbundesamtes, Professor
        Dr. Andreas Troge von der CDU, kritisiert. Sein Vor-
        schlag: Derjenige, der sein Auto verschrotten lässt und
        auf den ÖPNV umsteigt, soll einen staatlichen Zuschuss
        von 50 Prozent zu einer Jahreskarte, beispielsweise einer
        Bahncard 100, erhalten. Diese Idee unterstützen wir.
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        Überdies ist die Abwrackprämie so gut wie nicht an
        rogressive Umweltstandards gekoppelt. Der Neuwagen
        uss lediglich die Euro-4-Norm erfüllen. Das ist wenig
        mbitioniert, denn diese wird nach EU-Recht für alle
        euwagen bereits im Herbst dieses Jahres durch die
        uro-5-Norm abgelöst. Zudem hätte man die Zahlung
        er Prämie im Falle eines Neukaufs an eine strenge CO2-
        bergrenze binden können, etwa an 120 oder 130 Gramm
        ro Kilometer. Das alles ist nicht geschehen, sodass theore-
        sch der Besitzer eines alten, kleinen Golfs bei Verschrot-
        ng auch dann die Umweltprämie erhält, wenn er sich
        inen spritfressenden Geländewagen zulegt.
        Greenpeace hat im Zusammenhang mit dem Kon-
        unkturpaket den Vorschlag unterbreitet, bei Neukäufen
        on Kfz nach französischem Vorbild ein Bonus-Malus-
        ystem einzuführen. Neuwagen mit einem CO2-Ausstoß
        on unter 130 Gramm je Kilometer erhalten in Frank-
        eich einen Bonus. So bekommt beispielsweise der Käufer
        ines Mercedes Smart 1 000 Euro. Bei Autos mit über
        60 Gramm je Kilometer wird ein Malus fällig. So müssen
        ür den Kauf eines Citroën C6 oder eines VW Touareg
        600 Euro zusätzlich auf den Tisch gelegt werden. Aus-
        töße zwischen 130 und 160 Gramm pro Kilometer wer-
        en vom französischen Staat in diesem System als neu-
        ral bewertet. Die Linke hält diesen Vorschlag für
        innvoll und bedenkenswert. Schließlich haben in Frank-
        eich seither die Neukäufe klimafreundlicherer Autos
        it einem CO2-Ausstoß unter 130 Gramm je Kilometer
        m 50 Prozent zugenommen – im Jahr 2008 gegenüber
        em Vorjahr. Die Verkäufe von Spritfressern sind im sel-
        en Zeitraum um 40 Prozent zurückgegangen.
        So weit die generelle Kritik meiner Fraktion an der
        mweltprämie und deren Ausgestaltung, die wir bereits
        n der Vergangenheit geäußert hatten, die aber nicht dazu
        eführt hat, hier Änderungen vorzunehmen.
        Vor dem Hintergrund der von der Bundesregierung
        efällten Entscheidung für die sogenannte Umweltprämie
        st es nicht nur sozialpolitisch nicht zu rechtfertigen,
        ondern auch ein Skandal, Bezieherinnen und Bezieher
        er Grundsicherung für Arbeitsuchende durch die Anrech-
        ung als Einkommen von der Nutzung dieser Prämie
        uszuschließen. Nach der Ansicht der Bundesregierung
        ei die Umweltprämie im Monat des Zuflusses als Ein-
        ommen zu berücksichtigen. In vielen Fällen würde
        urch die Umweltprämie keine Hilfebedürftigkeit mehr
        estehen und folglich seien diese Personen „in diesem
        onat nicht auf die steuerfinanzierte Fürsorgeleistung
        ngewiesen“, so die Antwort der Bundesregierung auf
        eine schriftlichen Anfragen.
        Es wird vollkommen ignoriert, dass es eine Recht-
        prechung des Bundessozialgerichts vom 30. September
        008 zu der ähnlich gelagerten Eigenheimzulage gegeben
        at. In dem Urteil kommt das Bundessozialgericht zu
        em Schluss, dass die Eigenheimzulage als „zweck-
        ebundenes Einkommen nicht bei der Berechnung des
        rbeitslosengeld II zu berücksichtigen“ ist, „soweit sie
        achweislich zur Finanzierung – auch der tatsächlichen
        aulichen Errichtung in Eigenarbeit oder durch Dritte –
        iner als Vermögen geschützten Immobilie im Sinne des
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009 22579
        (A) )
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        SGB II verwendet worden ist oder nachweislich die Ab-
        sicht bestand, sie derart zu verwenden.“ (BSG AZ B4
        AS 19/07, Leitsatz).
        Die Zahlung der Abwrackprämie ist in analoger
        Weise zweckgebunden und erfordert den Nachweis über
        den Kauf eines Neu- oder Jahreswagens sowie über die
        Verschrottung des alten Personenkraftfahrzeugs. Es gibt
        daher keine Rechtfertigung, Hartz-IV-Beziehende und
        Menschen mit Behinderung im Grundsicherungsbezug
        von dieser Prämie auszuschließen.
        Für Bürgerinnen und Bürger ist dieser Ausschluss
        auch nicht nachvollziehbar. So erreichten uns in den
        letzten Tagen zahlreiche Anrufe, Mails und Briefe, die
        darüber ihr Unverständnis zum Ausdruck brachten. Ein
        Bürger schrieb: „Das halte ich für eine ungerechtfertigte
        Härte, insbesondere für ALG-II-Beziehende im länd-
        lichen Raum, die auf ein Fahrzeug angewiesen sind. Be-
        sonders als eine unbillige Härte empfinde ich es, wenn
        das Fahrzeug des ALG-II-Empfängers durch einen Un-
        fall oder Defekt zu einem wirtschaftlichen Totalschaden
        wird und eine Ersatzanschaffung erforderlich wird. Ei-
        nen Pkw bis zum Wert von 7 500 Euro kann der ALG-II-
        Empfänger anrechnungsfrei besitzen, das heißt, er
        könnte zum Beispiel einen Dacia erwerben, der als Neu-
        wagen ab 5 000 Euro zu bekommen ist. Damit hätte auch
        der ALG-II-Empfänger die Bedingungen zum Erhalt der
        Umweltprämie erfüllt. Dass ihm diese dann vom Regel-
        satz abgezogen wird, ist nicht nachvollziehbar.“
        Der Besitz eines Pkws ist für den Personenkreis der
        erwerbstätigen Hilfebedürftigen und für Menschen mit
        Behinderung im Grundsicherungsbezug vielfach ein not-
        wendiges Mittel, um einer Erwerbsarbeit nachkommen
        und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können;
        und für alleinerziehende Frauen und Männer gilt das
        ganz besonders. Bei anderen Hilfeberechtigten ist ein
        Pkw vielfach notwendig, um wieder in Arbeit zu gelangen.
        Gerade ihnen bietet die Umweltprämie eine Chance, sich
        ein Auto innerhalb der zulässigen Angemessenheits-
        grenze zu beschaffen und damit ihre Beschäfti-
        gungschancen zu erhöhen.
        Mit der Verwehrung der Umweltprämie werden
        Hartz-IV-Beziehende und Menschen mit Behinderung
        im Grundsicherungsbezug erneut ausgegrenzt und dis-
        kriminiert. Da die Umweltprämie laut Gesetz allen Per-
        sonen zusteht, die sich für den Kauf eines neuen und
        gleichzeitig für die Verschrottung eines alten Fahrzeuges
        entscheiden, wird damit auch Art. 3 Grundgesetz ver-
        letzt.
        Ich fordere Sie daher auf, unserem Antrag zuzustim-
        men. Er zielt darauf ab, die Voraussetzungen dafür zu
        schaffen, dass die Umweltprämie nicht auf die Grund-
        sicherung von ALG-II-Beziehenden und von Menschen
        mit Behinderung, die im Grundsicherungsbezug sind,
        angerechnet wird.
        Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
        sogenannte Umweltprämie kurbelt den Absatz der Auto-
        industrie an. Mit Umweltschutz hat das wenig zu tun,
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        enn die Neuwagen verbrauchen häufig mehr als das
        erschrottete Altfahrzeug. Außerdem entstehen rund 15
        is 20 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs eines Au-
        os bei der Produktion. Einen Umwelteffekt hätte die
        rämie also nur dann, wenn die Neuwagen im Durch-
        chnitt 20 Prozent weniger verbrauchten als die ver-
        chrotteten Autos.
        Bei aller berechtigten Kritik an der unter dem Namen
        Abwrackprämie“ firmierenden Absatzhilfe sollte sie je-
        och – wenn es sie schon gibt – zumindest so ausgestal-
        et werden, dass niemand benachteiligt wird. Dies ist
        omentan nicht der Fall. Rund 4,6 Millionen erwerbsfä-
        ige Menschen erhalten derzeit Arbeitslosengeld II. Da-
        on sind rund 1,3 Millionen Menschen erwerbstätig, das
        eißt, sie verdienen so wenig Geld, dass sie ihr Monats-
        ehalt mit dem ALG II „aufstocken“ müssen. All diese
        enschen können nach der jetzigen Rechtsauffassung
        er Bundesregierung, namentlich des Bundesarbeitsmi-
        isteriums, eben nicht abschlagsfrei die Prämie von
        500 Euro in Anspruch nehmen.
        Nach unserer Rechtsauffassung dürfte es hier eigent-
        ich kein Problem geben. Schon jetzt sieht das Zweite
        uch Sozialgesetzbuch vor, dass Einkommen, die
        weckbestimmt sind, nicht angerechnet werden können.
        o ist beispielsweise die Eigenheimzulage – wie die
        inksfraktion in dem vorliegenden Antrag richtiger-
        eise ausführt – ein solch zweckbestimmtes Einkom-
        en. Sie ist nicht anzurechnen, soweit sie für den eigent-
        ichen Zweck, die Finanzierung einer als Vermögen
        eschützten Immobilie, bestimmt ist.
        Gleiches gilt für die Abwrackprämie. Nach der Richt-
        inie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwa-
        en vom 20. Februar 2009 erhält man die Prämie gemäß
        en Zuwendungsvoraussetzungen erst dann, wenn das
        lte Auto verschrottet und ein neues zugelassen wird.
        as „Einkommen“ von 2 500 Euro ist nach unserer Auf-
        assung nicht anzurechnen, da es für den Zweck der Fi-
        anzierung eines als Vermögen geschützten (angemesse-
        en) Kraftfahrzeugs bestimmt ist. Die Prämie stellt einen
        urchlaufenden Posten dar, der gar nicht zur Finanzie-
        ung des Lebensunterhalts verwendet werden kann.
        Dass die Bundesregierung zu einer anderen Rechts-
        uffassung kommt, ist ärgerlich und unverständlich.
        war gäbe es die Möglichkeit, gegen eine Anrechnung
        er Prämie auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende
        u klagen. Vermutlich hätte man damit auch Erfolg. Wir
        ollen aber eine schnelle, unbürokratische Lösung. Es
        t ohnehin nicht anzunehmen, dass sehr viele ALG-II-Be-
        iehende sich einen Neuwagen anschaffen. Schließlich ist
        as zur Verfügung stehende Vermögen im Regelfall ge-
        ing und die Anschaffung eines Neuwagens wahrschein-
        ch nicht die drängendste Sorge von Langzeiterwerbslo-
        en. Außerdem gilt für Leistungsbezieher im SGB II
        ach aktueller Rechtsprechung ein eigenes Kraftfahr-
        eug nur bis zum Gegenwert von 7 500 Euro als ange-
        essen. Ansonsten kann vor dem Hilfebezug die Ver-
        ertung des Autos verlangt werden.
        22580 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 208. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
        (A) (C)
        (B) (D)
        Allerdings könnte vielleicht für eine Gruppe unter
        denjenigen, die Leistungen nach dem SGB II beziehen,
        die Abwrackprämie interessant sein. Rund 1,3 Millionen
        Menschen sind erwerbstätig, stocken ihr monatliches
        Gehalt durch Arbeitslosengeld-II-Leistungen nur auf.
        Teilweise sind diese Menschen nur temporär abhängig
        von staatlicher Hilfsleistung. Die Wahrscheinlichkeit
        aber, dass sie auf ein Auto angewiesen sind, um ihrer Ar-
        beit nachkommen zu können, ist durchaus gegeben.
        Also: Auch wenn es am Ende nur einige Hundert sein
        werden, die sich ein neues Kraftfahrzeug anschaffen
        möchten, darf die Abwrackprämie – so unsere Forde-
        rung – nicht auf die Grundsicherung angerechnet wer-
        den. Bleibt die Bundesregierung bei ihrer Rechtsauffas-
        sung, muss auf dem schnellsten Wege eine
        entsprechende gesetzliche Änderung eingeleitet werden.
        Bündnis 90/Die Grünen unterstützen die Bestrebungen,
        dieser Ungerechtigkeit ein Ende zu setzen!
        208. Sitzung
        Berlin, Donnerstag, den 5. März 2009
        Inhalt:
        Redetext
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 1
        Anlage 2
        Anlage 3
        Anlage 4
        Anlage 5
        Anlage 6
        Anlage 7
        Anlage 8
        Anlage 9
        Anlage 10