Protokoll:
16142

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 16

  • date_rangeSitzungsnummer: 142

  • date_rangeDatum: 14. Februar 2008

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:06 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/142 des Stammzellgesetzes (Drucksache 16/7981) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Ulrike Flach, Rolf Stöckel, Katherina Reiche (Potsdam) und weiteren Abgeord- neten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes für eine menschenfreundliche Medizin – Gesetz zur Änderung des Stammzellgesetzes (Drucksache 16/7982) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Hubert Hüppe, Marie-Luise Dött, Maria Eichhorn und weiteren Abgeordneten ein- gebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Sicher- stellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit menschlichen Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Ilse Aigner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Julia Klöckner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Katherina Reiche (Potsdam) (CDU/CSU) . . . Dr. Konrad Schily (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) . . . . . . . . . . Renate Schmidt (Nürnberg) (SPD) . . . . . . . . Thomas Rachel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Hubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . 14886 C 14886 D 14891 A 14893 A 14894 D 14895 D 14896 D 14897 D 14898 C 14899 C 14900 C 14901 C 14902 B 14903 B Deutscher B Stenografisch 142. Sitz Berlin, Donnerstag, den I n h a l Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Dr. Klaus W. Lippold, Wolfgang Spanier, Paul K. Friedhoff, Ernst Hinsken, Dr. Hakki Keskin und Clemens Bollen . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung des Tagesordnungspunktes 21 . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten René Röspel, Ilse Aigner, Jörg Tauss und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung d e R P 14885 A 14885 B 14886 B 14886 B embryonalen Stammzellen (Stammzell- gesetz – StZG) (Drucksache 16/7983) . . . . . . . . . . . . . . . . 14886 D undestag er Bericht ung 14. Februar 2008 t : ) Erste Beratung des von den Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Julia Klöckner, Dr. Herta Däubler-Gmelin und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Änderung des Stamm- zellgesetzes (Drucksache 16/7984) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Julia Klöckner, Dr. Herta Däubler-Gmelin und weiterer Abgeordne- ter: Keine Änderung des Stichtages im Stammzellgesetz – Adulte Stammzell- forschung fördern (Drucksache 16/7985) . . . . . . . . . . . . . . . ené Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . riska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14886 D 14887 A 14887 B 14889 A Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 14904 A 14905 A II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Pieper (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eberhard Gienger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Zypries (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maria Eichhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Wodarg (SPD) . . . . . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Horst Seehofer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Hintze (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Steffen Reiche (Cottbus) (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Annette Schavan (CDU/CSU) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abgeord- neten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Dr. Herbert Schui, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ermäßigung des Mehrwertsteuersatzes für Produkte und Dienstleistungen für Kinder auf 7 Prozent (Drucksachen 16/4485, 16/6732) . . . . . . . . . . Lydia Westrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Frechen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . Florian Pronold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Bernhardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . T a b c Z a b T a b c 14906 B 14907 B 14908 C 14909 C 14910 C 14911 C 14912 A 14913 A 14914 A 14914 D 14915 C 14916 C 14917 D 14919 A 14920 A 14921 B 14922 B 14923 A 14924 C 14924 D 14926 D 14928 C 14930 B 14932 B 14933 C 14934 A 14934 D 14935 B 14936 A 14937 A 14939 D agesordnungspunkt 29: ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung wehrrechtlicher und anderer Vorschriften (Wehrrechtsände- rungsgesetz 2007 – WehrRÄndG 2007) (Drucksache 16/7955) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Cornelia Pieper, Uwe Barth, Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Wissenschaftsjahr der Mathematik 2008 als Chance begreifen (Drucksache 16/7535) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Patrick Döring, Horst Friedrich (Bayreuth), Ernst Burgbacher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Wiedereinführung der Zwölf-Tage-Regelung in Europa unterstützen (Drucksache 16/7861) . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 2: ) Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Winfried Nachtwei, Grietje Bettin, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wehr- pflichtige in Studium und Ausbildung vollständig vor Einberufung schützen (Drucksache 16/8044) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Fritz Kuhn, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Bahnprivatisierung am Parla- ment vorbei (Drucksache 16/8046) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 30: ) Antrag der Bundesregierung: Ausnahme von dem Verbot der Zugehörigkeit zu einem Aufsichtsrat für Mitglieder der Bundesregierung (Drucksache 16/7975) . . . . . . . . . . . . . . . ) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Finanzen und zur Änderung des Münzgesetzes (Drucksachen 16/7616, 16/8082) . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Monika Knoche, Dr. Norman Paech, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: 70. Jahrestag der Gründung 14937 B 14937 B 14937 C 14937 C 14937 C 14937 D 14938 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 III der Internationalen Brigaden in Spanien – Würdigung des Kampfes deutscher Freiwilliger an der Seite der Spanischen Republik für ein anti- faschistisches und demokratisches Europa (Drucksachen 16/2679, 16/3828) . . . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Dr. Norman Paech, Monika Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Den Friedensprozess im Nahen Osten wieder aufnehmen (Drucksachen 16/3802, 16/4588) . . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu dem Antrag der Abgeord- neten Patrick Döring, Horst Friedrich (Bayreuth), Joachim Günther (Plauen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Rollende Supermärkte von fahrpersonalrechtlichen Vorschriften ausnehmen (Drucksachen 16/6639, 16/7844) . . . . . . . f) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Re- aktorsicherheit zu der Verordnung der Bun- desregierung: Verordnung zum Schutz des Klimas vor Veränderungen durch den Eintrag bestimmter fluorierter Treib- hausgase (Chemikalien-Klimaschutzver- ordnung – ChemKlimaschutzV) (Drucksachen 16/7604, 16/7793 Nr. 2.1, 16/7941) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) – m) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 345, 346, 347, 348, 349, 350 und 351 zu Petitionen (Drucksachen 16/7847, 16/7848, 16/7849, 16/7850, 16/7851, 16/7852, 16/7853) . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: Haltung der Bundesregierung zu einer räumlichen und personellen Aus- weitung des Bundewehreinsatzes in Afgha- nistan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . . Eckart von Klaeden (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Walter Kolbow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernd Schmidbauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . H G H R R D G G T B s H r s R ( C B E M V D H T a b B S D W J D 14938 B 14938 C 14938 D 14938 D 14939 A 14942 A 14942 B 14943 C 14944 D 14945 D 14946 D 14948 A eike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . ünter Gloser, Staatsminister für Europa . . . ans Raidel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . ainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . uprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . etlef Dzembritzki (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . ert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . ert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . . . agesordnungspunkt 6: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Menschenrechte und Humanitäre ilfe zu der Unterrichtung durch die Bundes- egierung: EU-Jahresbericht 2007 zur Men- chenrechtslage atsdok. 13288/07 Drucksachen 16/7070 Nr. A.7, 16/8031) . . . hristoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . urkhardt Müller-Sönksen (FDP) . . . . . . . . . rika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . ichael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . olker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Herta Däubler-Gmelin (SPD) . . . . . . . . . . olger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 7: ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Entschuldung mittelloser Perso- nen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestig- keit von Lizenzen (Drucksache 16/7416) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung und Vereinfachung der Aufsicht in Insolvenzverfahren (GAVI) (Drucksache 16/7251) . . . . . . . . . . . . . . . rigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . abine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . olfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . erzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . irk Manzewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 14949 B 14950 D 14952 A 14953 A 14954 B 14955 B 14956 C 14957 A 14958 A 14958 B 14959 C 14960 D 14961 D 14962 D 14964 B 14965 B 14966 D 14966 D 14967 A 14968 A 14969 B 14972 A 14973 A 14974 B IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 Zusatztagesordnungspunkt 4: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Jürgen Trittin, Winfried Nachtwei, Kerstin Müller (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Für einen sicherheitspolitischen Kurswechsel in Afghanistan – Nebeneinan- der von ISAF und OEF beenden (Drucksachen 16/5587, 16/6497) . . . . . . . . . . Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . . . . Dr. Werner Hoyer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Herrmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das Instrument der Wahlbeobachtungen durch die OSZE darf nicht geschwächt werden – ODIHR muss handlungsfähig und unab- hängig bleiben (Drucksache 16/8048) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Meckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Löning (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eckart von Klaeden (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Große Anfrage der Abgeordneten Gisela Piltz, Ina Lenke, Patrick Döring, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der FDP: Lage der Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksachen 16/1457, 16/5032) . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Maik Reichel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Hofbauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . T a b c U M M W M T A K o t P l g ( K K K K K B 14975 D 14976 A 14977 A 14978 A 14979 B 14980 A 14981 A 14981 D 14983 A 14983 A 14984 C 14985 B 14987 A 14988 A 14989 A 14989 A 14990 C 14991 B 14992 D 14994 C 14995 C agesordnungspunkt 11: ) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD: Ermäßigung der Visumgebühr für Bürgerinnen und Bürger aus Belarus (Drucksachen 16/5909, 16/7170) . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Demokratiebewegung in Belarus unterstützen (Drucksachen 16/1977, 16/3709) . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Marieluise Beck (Bre- men), Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Michael Link (Heilbronn), Harald Leibrecht, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ermäßigung der Visumgebühr für Menschen aus Bela- rus (Drucksachen 16/5905, 16/7188) . . . . . . . ta Zapf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Link (Heilbronn) (FDP) . . . . . . . . . . anfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . olfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . arieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 12: ntrag der Abgeordneten Katja Kipping, laus Ernst, Dr. Lothar Bisky, weiterer Abge- rdneter und der Fraktion DIE LINKE: Bera- ungsqualität für Erwerbslose verbessern – ersonal der Grundsicherungsträger qua- ifizieren und ihm Zukunftsperspektiven eben Drucksache 16/8045) . . . . . . . . . . . . . . . . . . atja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . arl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . atja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . arl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . atja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . rigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 14996 D 14996 D 14997 A 14997 B 14998 C 14999 D 15001 B 15002 A 15003 C 15003 C 15004 A 15005 B 15007 A 15007 B 15007 C 15009 B 15009 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 V Tagesordnungspunkt 13: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Bildung, Forschung und Tech- nikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Ab- geordneten Michael Kretschmer, Ilse Aigner, Katherina Reiche (Potsdam), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU so- wie der Abgeordneten René Röspel, Jörg Tauss, Nicolette Kressl, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der SPD: Nichtkommer- zielle klinische Studien in Deutschland vo- ranbringen (Drucksachen 16/6775, 16/8061) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Innen- ausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine Initiative der Bundesregierung mit dem Ziel einer humanitären, kohärenten und nachhaltigen Ausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Sevim Dağdelen, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die deutsche EU-Ratspräsi- dentschaft für eine grundlegende Wende der europäischen Migrations- und Flüchtlingspolitik nutzen (Drucksachen 16/3541, 16/5109, 16/6910) . . Zusatztagesordnungspunkt 5: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der Auf- sichtsstruktur der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Aufsichts- strukturmodernisierungsgesetz) (Drucksachen 16/7078, 16/8083) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Jan Mücke, Patrick Döring, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Mehr Park- und Stellplätze für Lkw auf Bundesautobahnen (Drucksachen 16/5278, 16/7146) . . . . . . . . . . Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP) . . . . . . . . . Renate Blank (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . D D R T E e d ü p ( T B s d S t L ( T B s t r z s r 3 ( 1 T A B w B g z f ( Z A K w C B r D n n ( 15010 C 15010 D 15011 B 15011 C 15011 D 15012 D 15013 D orothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . r. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ita Schwarzelühr-Sutter (SPD) . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 15: rste Beratung des von der Bundesregierung ingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu em Beschluss des Rates vom 7. Juni 2007 ber das System der Eigenmittel der Euro- äischen Gemeinschaften Drucksache 16/7686) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 18: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Wirtschaft und Technologie zu em Antrag der Abgeordneten Dr. Herbert chui, Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, wei- erer Abgeordneter und der Fraktion DIE INKE: Für ein Europäisches Kartellamt Drucksachen 16/5360, 16/7239) . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 17: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- orsicherheit zu der Verordnung der Bundes- egierung: Siebenunddreißigste Verordnung ur Durchführung des Bundes-Immissions- chutzgesetzes (Verordnung zur Absiche- ung von Luftqualitätsanforderungen – 7. BImSchV) Drucksachen 16/7605, 16/7793 Nr. 2.2, 6/7942) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 19: ntrag der Abgeordneten Markus Kurth, rigitte Pothmer, Irmingard Schewe-Gerigk, eiterer Abgeordneter und der Fraktion ÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Arbeitslosen- eld II unbürokratisch berechnen und aus- ahlen – Rechts- und Planungssicherheit ür Leistungsbeziehende schaffen Drucksache 16/7838) . . . . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 6: ntrag der Abgeordneten Marie-Luise Dött, atherina Reiche (Potsdam), Michael Brand, eiterer Abgeordneter und der Fraktion der DU/CSU sowie der Abgeordneten Dirk ecker, Marco Bülow, Dr. Axel Berg, weite- er Abgeordneter und der Fraktion der SPD: as Erneuerbare-Energien-Gesetz darf icht durch europäische Vorgaben für ei- en Zertifikatehandel unterlaufen werden Drucksache 16/8047) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15015 B 15016 A 15017 A 15017 D 15018 A 15018 A 15018 C 15018 C VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 Tagesordnungspunkt 20: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Herbert Schui, Dr. Barbara Höll, Werner Dreibus, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Arbeitsplatzabbau bei Airbus ver- hindern – Staatliche Sperrminorität bei EADS herstellen (Drucksachen 16/4308, 16/4879) . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Stammzellgesetzes – Entwurf eines Gesetzes für eine men- schenfreundliche Medizin – Gesetz zur Änderung des Stammzellgesetzes – Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit menschlichen embryonalen Stamm- zellen (Stammzellgesetz – StZG) – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Stammzellgesetzes – Antrag: Keine Änderung des Stichtages im Stammzellgesetz – Adulte Stammzell- forschung fördern (Tagesordnungspunkt 4 a bis e) Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Anke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU) . . . . . . . . . Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Franz Josef Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . . A Z A v t t D A Z d N D p M D R D C D P A Z – – ( R R F S O A Z d r f s o 15018 D 15019 C 15021 A 15021 C 15022 D 15023 C 15024 A 15024 D 15025 B 15026 A 15026 C 15027 C 15028 B 15029 A nlage 3 u Protokoll gegebene Rede zur Beratung des ntrags: Beratungsqualität für Erwerbslose erbessern – Personal der Grundsicherungs- räger qualifizieren und ihm Zukunftsperspek- iven geben (Tagesordnungspunkt 12) irk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 4 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung er Beschlussempfehlung und des Berichts: ichtkommerzielle klinische Studien in eutschland voranbringen (Tagesordnungs- unkt 13) ichael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . r. Rolf Koschorrek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . ené Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . ornelia Pieper (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . riska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 5 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Beschlussempfehlung und Bericht: Für eine Initiative der Bundesregierung mit dem Ziel einer humanitären, kohärenten und nachhaltigen Ausrichtung der euro- päischen Flüchtlingspolitik Antrag: Die deutsche EU-Ratspräsident- schaft für eine grundlegende Wende der europäischen Migrations- und Flüchtlings- politik nutzen Tagesordnungspunkt 14) einhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . üdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lorian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . evim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . mid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 6 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisie- ung der Aufsichtsstruktur der Bundesanstalt ür Finanzdienstleistungsaufsicht (Aufsichts- trukturmodernisierungsgesetz) (Zusatztages- rdnungspunkt 5) 15030 A 15031 A 15032 B 15033 A 15034 A 15034 D 15035 B 15036 A 15037 A 15038 D 15039 D 15041 A 15042 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 VII Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Nina Hauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Be- schluss des Rates vom 7. Juni 2007 über das System der Eigenmittel der Europäischen Ge- meinschaften (Tagesordnungspunkt 15) Michael Stübgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Hans Eichel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Link (Heilbronn) (FDP) . . . . . . . . . . Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Für ein Europäisches Kartellamt (Tagesord- nungspunkt 18) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD) . . . . . Martin Zeil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Herbert Schui (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Siebenunddreißigste Verordnung zur Durch- führung des Bundes-Immissionsschutz- gesetzes (Verordnung zur Absicherung von Luftqualitätsanforderungen – 37. BImSchV) (Tagesordnungspunkt 17) Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . . Detlef Müller (Chemnitz) (SPD) . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . L S A A Z d t P s S A D K M A Z d G f d D D M H H A Z d A S ( D D U D D 15043 A 15044 C 15045 B 15045 C 15046 B 15047 C 15049 C 15051 B 15052 B 15053 B 15054 A 15055 B 15055 D 15056 C 15057 A 15058 B 15058 C 15060 A utz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . ylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . strid Klug, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 10 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Arbeitslosengeld II unbürokra- isch berechnen und auszahlen – Rechts- und lanungssicherheit für Leistungsbeziehende chaffen (Tagesordnungspunkt 19) tefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU) . . . . . ngelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . irk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . atja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . arkus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 11 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Das Erneuerbare-Energien- esetz darf nicht durch europäische Vorgaben ür einen Zertifikatehandel unterlaufen wer- en (Zusatztagesordnungspunkt 6) r. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . irk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . ans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 12 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung er Beschlussempfehlung und des Berichts: rbeitsplatzabbau bei Airbus verhindern – taatliche Sperrminorität bei EADS herstellen Tagesordnungspunkt 20) r. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU) . . . . . . . r. Ditmar Staffelt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . lrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Herbert Schui (DIE LINKE) . . . . . . . . . . r. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15060 C 15061 B 15062 A 15062 D 15064 A 15065 B 15066 C 15067 A 15068 A 15069 C 15070 A 15070 D 15071 B 15072 B 15074 D 15076 A 15076 C 15077 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 14885 (A) ) (B) ) 142. Sitz Berlin, Donnerstag, den Beginn: 9.0
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    1) Anlage 12 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15021 (A) ) (B) ) punkt. Sie erfordert Achtung und Schutz desZeil, Martin FDP 14.02.2008 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten A u V e c l n d W m w i s S M l m g d t p n t Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Bartsch, Dietmar DIE LINKE 14.02.2008 Bodewig, Kurt SPD 14.02.2008 Burchardt, Ulla SPD 14.02.2008 Erler, Gernot SPD 14.02.2008 Faße, Annette SPD 14.02.2008 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 14.02.2008 Jelpke, Ulla DIE LINKE 14.02.2008 Kelber, Ulrich SPD 14.02.2008 Klug, Astrid SPD 14.02.2008 Kranz, Ernst SPD 14.02.2008 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.02.2008 Möller, Kornelia DIE LINKE 14.02.2008 Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.02.2008 Nahles, Andrea SPD 14.02.2008 Nitzsche, Henry fraktionslos 14.02.2008 Paula, Heinz SPD 14.02.2008 Pfeiffer, Sibylle CDU/CSU 14.02.2008 Poß, Joachim SPD 14.02.2008 Dr. Schui, Herbert DIE LINKE 14.02.2008 Schultz (Everswinkel), Reinhard SPD 14.02.2008 Schwabe, Frank SPD 14.02.2008 Strothmann, Lena CDU/CSU 14.02.2008 Wicklein, Andrea SPD 14.02.2008 (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht nlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Stammzellgesetzes – Entwurf eines Gesetzes für eine menschen- freundliche Medizin – Gesetz zur Änderung des Stammzellgesetzes – Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Sicherstellung des Embryonen- schutzes im Zusammenhang mit menschli- chen embryonalen Stammzellen (Stammzell- gesetz – StZG) – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Stammzellgesetzes – Antrag: Keine Änderung des Stichtages im Stammzellgesetz – Adulte Stammzellfor- schung fördern (Tagesordnungspunkt 4 a bis e) Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU): Bei der Diskussion m die embryonale Stammzellforschung stellt sich als oraussetzung für alle Entscheidungen die grundlegende thische Frage: Wann beginnt individuelles menschli- hes Leben? Die Antwort auf diese Frage entscheidet al- es Weitere, denn menschliches Leben unterliegt dem icht relativierbaren Schutz der Menschenwürde durch as Grundgesetz. Der wissenschaftliche Erkenntnisfortschritt hat das issen um den Zeitpunkt des Beginns individuellen enschlichen Lebens in den letzten Jahrzehnten immer eiter nach vorne verschoben. Für Laien war wohl der m wörtlichen Sinne augenfälligste Einschnitt die Ultra- challuntersuchung, die vorgeburtliches Leben und seine chutzbedürftigkeit jedem sichtbar gemacht hat. Heute vertreten Wissenschaftler unterschiedliche einungen zum Lebensbeginn, wobei mich nachdenk- ich macht, dass Mediziner den Beginn individuell enschlichen Lebens meist früher ansetzen als Biolo- en. Nach meiner Überzeugung müssen Lebensbeginn und amit Lebensschutz im Falle unterschiedlicher Defini- ionen eher früher als später angesetzt werden: In dubio ro vita. In dem im Dezember 2007 verabschiedeten er- euerten Grundsatzprogramm der CDU heißt es dazu zu- reffend: Die unantastbare Würde des Menschen als Ge- schöpf Gottes ist menschlicher Verfügung nicht zu- gänglich und ist zu schützen. Der Mensch ist immer Subjekt, er darf niemals Objekt sein. Die Würde des Menschen ist auch für die Bewertung bioethischer Herausforderungen Ausgangs- und Orientierungs- 15022 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) menschlichen Lebens in allen Phasen. Das noch nicht geborene Leben bedarf beginnend mit der Verschmelzung von Samen und Eizelle unseres be- sonderen Schutzes … Dieser Schutz der Menschenwürde darf nicht je nach vor- und nachgeburtlichem Lebensalter relativiert wer- den. Für diese Festlegung des Lebensbeginns ist uner- heblich, ob es sich um eine natürliche oder künstliche Befruchtung handelt. Es entstehen Embryonen als menschliches Leben mit unverwechselbarer Individuali- tät. Genau deshalb stellt das in Deutschland geltende Embryonenschutzgesetz verbrauchende Embryonenfor- schung unter Strafe und verbietet, dass menschlichen Embryonen etwas angetan wird, was ihre Lebensfähig- keit gefährdet. Folgerichtig ist es verboten, in Deutsch- land embryonale Stammzellen zu gewinnen, weil dies Tötung von Embryonen und damit individuellen menschlichen Lebens einschließt. Mir leuchtet nicht ein, wie der Import embryonaler Stammzellen nach Deutschland ethisch vertretbar sein soll, wenn zugleich deren Gewinnung in Deutschland aus ethischen Gründen verboten ist. Um diesen Widerspruch aufzulösen, werden Hilfs- argumente bemüht – immer wieder ist zum Beispiel von einer sogenannten Ethik des Heilens die Rede. Das Ziel eventueller Heilungschancen schwerer Krankheiten durch embryonale Stammzellforschung kann aber die Relativierung des Schutzes der Menschenwürde nicht rechtfertigen. Einmal abgesehen davon, dass es sich hier lediglich um eine bloße Hoffnung auf Heilungschancen durch embryonale Stammzellforschung handelt, würde selbst bei einer Gewissheit über sichere Heilungschan- cen, der Zweck der Krankheitsbekämpfung nicht das Mittel der Relativierung des Lebensschutzes rechtferti- gen. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel! Auch der Verweis auf die grundgesetzlich geschützte Forschungsfreiheit ist nicht überzeugend, denn diese Forschungsfreiheit gilt auch nach dem Grundgesetz na- türlich nicht absolut, sondern ist durch den Schutz der Menschenwürde eingeschränkt. Es gehört im Übrigen auch zur politischen Verantwor- tung, durch Vorgaben dem Forschungsdrang eine Rich- tung zu geben, etwa zugunsten der ethisch unbedenkli- chen adulten Stammzellforschung. Diejenigen aus der Wissenschaft, die vor Jahren diesen Weg verworfen und stattdessen embryonale Stammzellforschung in Deutsch- land gefordert haben, müssen sich vorhalten lassen, dass die erzielten Forschungsergebnisse der Vehemenz ihrer Argumentation nicht entsprechen. Jetzt wird die embryo- nale Stammzellforschung nicht mehr wie damals als Al- ternative zur adulten Stammzellforschung dargestellt, sondern man führt an, ohne den Vergleich mit der embryonalen Stammzellforschung sei die adulte Stamm- zellforschung nicht zum Erfolg zu führen. Solche funda- mentalen Begründungswechsel in kurzer Zeit erhöhen nicht die Glaubwürdigkeit der Argumentation. Dass von involvierten Forschern eine Liberalisierung des Importes embryonaler Stammzellen durch Strei- c r d e d s m D i r s V b o „ n d l h e t n n b P t c e S p t g w s R d d u d F s S (C (D hung des geltenden Stichtages gefordert wird, über- ascht in diesem Zusammenhang nicht. Es liegt nahe, ass von dort nach Ablauf eines neuen Stichtages auch ine abermalige Verschiebung gefordert würde. Schon er geltende Stichtag wurde als „einmalig“ definiert, wer ollte da glauben eine erneute Verschiebung würde „ein- alig“ bleiben. Schließlich wird embryonale Stammzellforschung in eutschland auch mit dem Argument gefordert, sie sei n anderen Ländern erlaubt und wir würden uns isolie- en, wenn wir uns nicht anpassten. Es gilt aber doch umgekehrt: Wo unsere Wertmaß- täbe international – noch – nicht gelten, haben wir die erpflichtung, internationale Rahmenbedingungen zu eeinflussen und nicht die Grundlagen unserer Werte- rdnung zur Disposition zu stellen. Wo der Einsatz für deutsche Interessen“ außenpolitischer Alltag ist, kön- en wir nicht beim Einsatz für unsere Grundwerte auf er internationalen Bühne die Segel streichen. Schließ- ich sind die Grundwerte unseres Grundgesetzes unser öchstes nationales Interesse. Deshalb unterstütze ich die zutreffende Forderung im rneuerten CDU-Grundsatzprogramm: Die Achtung der unantastbaren Würde des Men- schen hat für uns Vorrang vor der Freiheit der Forschung und der Sicherung von Wettbewerbsfä- higkeit. Wir wollen die Beibehaltung des konse- quenten Embryonenschutzes und wenden uns ge- gen verbrauchende Embryonenforschung. Dafür setzen wir uns auch auf europäischer und interna- tionaler Ebene ein. Aus all dem ergibt sich für mein Abstimmungsverhal- en, dass ich die Initiative unterstütze, die durch ein ge- erelles Verbot des Imports embryonaler Stammzellen ach Deutschland die embryonale Stammzellforschung ei uns ausschließt. Falls sich dafür keine Mehrheit im arlament finden lässt, werde ich mich für die Beibehal- ung des geltenden Stichtages und damit die größtmögli- he Einschränkung des Imports solcher Stammzellen insetzen. Einer Importerleichterung für embryonale tammellen durch Stichtagsverschiebung oder der Im- ortfreigabe durch die gänzliche Streichung eines Stich- ages kann ich aus den genannten grundsätzlichen Erwä- ungen nicht zustimmen. Anke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU): Im Jahr 2002 urde für die deutsche Wissenschaft im Bereich der For- chung an embryonalen Stammzellen ein gesetzlicher ahmen geschaffen. Heute müssen wir feststellen, dass die Intention von amals, einen Interessenausgleich zu schaffen zwischen er unbedingten Bewahrung der menschlichen Würde nd dem Schutz auch des vorgeburtlichen Lebens und em Postulat einer möglichst freien wissenschaftlichen orschung im Dienste am Menschen durch die fort- chreitende Entwicklung, nicht mehr zeitgemäß ist. Grundsätzlich wichtig ist die Erkenntnis: Erstens. tammzellen sind keine Embryonen. Das heißt, die Dis- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15023 (A) ) (B) ) kussion um den Schutz menschlichen Lebens spielt sich hier auf anderer Ebene ab. Zweitens. Die zur Gewinnung notwendigerweise zu zerstörenden Embryonen hätten auf Dauer keinen Bestand gehabt. Das Stammzellgesetz legt nämlich fest, dass nur Em- bryonen, die aus Anwendungen der In-Vitro-Fertilisa- tion „übriggeblieben“ sind und die nicht mehr zu einer Herbeiführung einer Schwangerschaft genommen wer- den, zur Gewinnung von Stammzellen genutzt werden. Die jetzige Diskussion zu nehmen, um mit fundamen- talistischen Eifer das Rad der Entwicklung wieder zu- rückdrehen zu wollen und den 2002 gefundenen Kom- promiss auszuhebeln, kann nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Daher ganz deutlich: Ein Antrag, der ein gesamtes Forschungsgebiet, nämlich dasjenige mit menschlichen embryonalen Stammzellen der deutschen Wissenschaft verschließen will, ist rational überhaupt nicht nachzu- vollziehen. Und es entspricht meines Erachtens nicht dem, was unser Grundgesetz in Art. 5 Abs. 3 zur Freiheit von Wissenschaft und Forschung festgeschrieben hat. Denn auch Forschungsfreiheit ist Ausdruck der mensch- lichen Würde. Die Behauptung, die Forschung mit human embryo- nalen Stammzellen sei nicht alternativlos, wird aus Fachkreisen mehrheitlich nicht mitgetragen. Die For- schung mit adulten Stammzellen ist keine Alternative, da sie nicht in dem Maße für die wichtige Grundlagen- forschung geeignet sind. Die Entwicklung von induziert pluripotenten Stammzellen aus der Haut ist ebenfalls noch keine Alternative. Und auf hoffnungsgetragene Spekulationen, was in Zukunft daraus werden könnte, kann ich mein Urteil nicht gründen. Es ist also irreführend, wenn behauptet wird, diese Forschung an humanen embryonalen Stammzellen sei verzichtbar. Richtig allerdings halte ich den Hinweis, dass angesichts des nicht abzuschätzenden Fortschritts der Forschung eine einmalige Verschiebung eines Stich- tags einer Selbsttäuschung oder vorschnellen Beruhi- gung ängstlicher Zögerer gleich kommt. Nur die Konsequenz, die ich darin sehe, ist doch deut- lich eine andere: Eine Stichtagsregelung ist sinnvoller- weise gänzlich aus dem Gesetz zu streichen. Auch über Kriminalisierung deutscher Wissenschaft- ler und deutscher Forschung auf diesem Gebiet kann es nüchtern betrachtet keine zwei Meinungen geben. Eine ethische Diskussion, die sicherlich auch weiterhin zu führen ist, hier mit dem Strafrecht zu sanktionieren, halte ich nicht für tragbar. Auch dies gehört daher zu strei- chen. Ich möchte schließen mit einem Zitat aus der Debatte, die wir 2002 hier geführt haben: Im Zweifel sollten wir die Freiheit der Forschung nicht durch gesetzliche Einzelregelung reglemen- tieren, sondern eher auf die gewissensstärkende Kraft eines ethischen Diskurses setzen. m A u S g s u e d h s e t l S s B s n S s l S t e k e h A s s S P 8 r s e n w z L k z d n S z W (C (D Diese Überzeugung unseres heutigen Bundesinnen- inisters gilt meines Erachtens auch heute noch. Daher sehe ich keine sinnvolle Alternative zu dem ntrag „Gesetz für eine menschenfreundliche Medizin“ nd bitte um Ihre Unterstützung. Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Der chutz der Embryonen ist im Embryonenschutzgesetz eregelt. Das ist so, das bleibt so, und das ist auch gut o! Heute reden wir in erster Lesung über die Frage, ob, nd wenn ja, in welchem Umfang, das Forschen mit mbryonalen Stammzellen in Deutschland erlaubt wer- en soll. Dazu muss man wissen: Keine einzige der eute etablierten Therapien mit adulten Stammzellen ba- iert auf Erkenntnissen der Forschung mit menschlichen mbryonalen Stammzellen. Keine einzige der gegenwär- ig laufenden klinischen Studien mit adulten Stammzel- en bezieht auch embryonale Stammzellen ein. Wer behauptet, Erkenntnisse der embryonalen tammzellforschung seien für den medizinischen Fort- chritt bei adulten Stammzellen unverzichtbar, ist den eleg dafür schuldig. Erkenntnisse sind in der Naturwis- enschaft nur publizierte reproduzierbare Ergebnisse, icht aber Hörensagen, Hypothesen, Hoffnungen oder pekulationen. Auch die Bundesregierung kennt keinerlei wissen- chaftliche Belege für diese Behauptung. Auf die schrift- iche Frage an die Bundesregierung „Welches sind aus icht der Bundesregierung die zehn wichtigsten Publika- ionen aus dem Bereich der Forschung an humanen mbryonalen Stammzellen (hES) seit 1998, die in Publi- ationen über klinische Studien oder therapieorientierten xperimentellen Arbeiten mit adulten Stammzellen am äufigsten als ausschlaggebend zitiert werden und die ussage stützen, Erkenntnisse aus der Grundlagenfor- chung, die an und über hES-Zellen gewonnen werden, eien sehr wesentlich für die Nutzbarmachung adulter tammzellen für künftige Therapien?“ antwortete der arlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel am . Februar 2008: „Zu dieser Frage liegen der Bundes- egierung keine Zitationsanalysen vor.“ Angesichts der bisherigen therapeutischen Erfolglo- igkeit embryonaler Stammzellen und der Einsicht, dass mbryonale Stammzellen selbst nicht therapeutisch utzbar sind, muss in den Beratungen geklärt werden, elchem Zweck die Forschung an embryonalen Stamm- ellen dient. Geht es hierbei nur um wissenschaftliche orbeeren auf einem Fachgebiet, oder gibt es einen kon- ret zu erwartenden Nutzen für die Menschen? Würde es nicht ausreichen, an adulten Stammzellen u forschen? Warum muss ein Stichtag verschoben wer- en, wenn man bei der Stichtagsregelung bleibt? Welche egativen Auswirkungen hätte eine Verschiebung des tichtages? Diese und andere Fragen sind zu beraten und u klären. Ich freue mich auf einen interessanten Meinungs- und issensaustausch im Haus. 15024 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) Dr. Franz Josef Jung (CDU/CSU): Wie viele an- dere meiner Kolleginnen und Kollegen unterstütze ich den Gruppenantrag – Entwurf eines Gesetzes zur Ände- rung des Stammzellgesetzes – der Vorsitzenden der Ar- beitsgruppe Bildung und Forschung, Ilse Aigner, MdB der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der eine einmalige Verschiebung der Stichtagsregelung auf den 1. Mai 2007 vorsieht. Das Stammzellgesetz wurde am 25. April 2002 mit einer breiten Mehrheit des Deutschen Bundestages be- schlossen. Damals wurde der Import von embryonalen Stammzellen auf Linien, die vor dem Stichtag 1. Januar 2002 hergestellt worden sind, begrenzt. Ziel und Kern des Gesetzes war und ist es, zu verhindern, dass von Deutschland ein Anreiz zur Tötung von Embryonen durch die Entnahme von Stammzellen ausgeht. Mithin muss aber auch die Arbeit an ethisch hochwertigen For- schungsprojekten, insbesondere für die Entwicklung neuer Therapien, durch das Gesetz ermöglicht werden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG, hatte am 10. November 2006 eine ausführliche Stellungnahme zur Stammzellforschung vorgelegt, mit der sie die Erfah- rungen mit dem Stammzellgesetz von 2002 darlegt so- wie die Entwicklungen der letzten Jahre sowohl auf dem Gebiet der adulten wie auch der embryonalen Stammzel- len beschreibt. In dieser Stellungnahme wurde deutlich, dass deut- sche Forscher durch die ausschließliche Nutzbarkeit äl- terer Zelllinien zunehmend von internationalen Entwick- lungen abgeschnitten sind. Es wurde klargestellt, dass die bisher in Deutschland verwendeten und verwendba- ren Zellen nicht mehr den Ansprüchen der internationa- len Qualitätsstandards genügen. Gleichzeitig ist es aber eine Tatsache, dass die Stammzellforschung weltweit ein sehr dynamisches Gebiet ist und es rund 500 embryonale Stammzelllinien gibt, mit denen die internationale For- schung arbeitet. Durch den Stichtag im deutschen Stammzellgesetz können nach Deutschland nur Linien, die vor 2002 hergestellt wurden, importiert werden. Diese älteren Linien sind jedoch verunreinigt und zuneh- mend für die Forschung wertlos. Dadurch werden die für die deutsche Forschung so wichtigen internationalen Ko- operationen erschwert. Am 9. Mai 2007 hatte eine ergebnisoffene Anhörung des Deutschen Bundestages stattgefunden. Dabei wurde deutlich, dass auch die Wissenschaftler, vertreten durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG, keine grundsätzliche Änderung des Embryonenschutzgesetzes anstreben. Bei den embryonalen Stammzellen handelt es sich nur um Zellen, die ohnehin nicht zum Leben gelangen. Da- her ist eine einmalige Verschiebung des Stichtages ethisch vertretbar. Auch in Zukunft sollen in Deutschland keine mensch- lichen Embryonen zu Forschungszwecken erzeugt und zerstört werden – dies ist der inhaltliche und ethische Kern des Stammzellgesetzes. Allerdings sind seit der Verabschiedung des Stamm- zellgesetzes mehrere hundert Stammzelllinien etabliert w s D s B S S n g d z z w n l ü l d z s 1 G H l D e l M g h s J f d I M w t s s h h V e W z s f l m z (C (D orden, die teilweise unter den inzwischen standardi- ierten Bedingungen isoliert und kultiviert worden sind. ie einmalige Verschiebung ermöglicht unseren deut- chen Forschern – natürlich im Rahmen der gesetzlichen estimmungen –, diese Stammzelllinien zu nutzen. ollte der Stichtag nicht verschoben werden, wären die tammzelllinien für die deutsche Forschung verloren. Der Gruppenantrag erfüllt den Grundsatz der Verhält- ismäßigkeit, da die einmalige Verschiebung des Stichta- es auf den 1. Mai 2007 zum einen die Grundausrichtung es Gesetzes, dass von Deutschland keine Veranlassung ur Herstellung von menschlichen embryonalen Stamm- elllinien ausgehen darf, nicht verändert. Zum anderen erden wir auch unserer Verantwortung für die medizi- ische Forschung und der sich dadurch eröffnenden Hei- ungschancen gerecht. Zur Stammzellforschung gibt es in der CDU – wie ja brigens in den christlichen Kirchen auch – unterschied- iche Meinungen und ethische Bewertungen. Es gilt je- och, den hohen deutschen Standard beim Lebensschutz u erhalten, der auch in Zukunft durch das Embryonen- chutzgesetz garantiert wird. Die einmalige Verschiebung des Stichtages auf den . Mai 2007 kann dies leisten. Die Grundausrichtung des esetzes, dass von Deutschland keine Veranlassung zur erstellung von menschlichen embryonalen Stammzell- inien ausgehen darf, wird dadurch nicht verändert. eutschland bleibt damit ein praktisches, wirksames und ffektives Mittel zur Steuerung der humanen embryona- en Stammzellforschung erhalten. Monika Knoche (DIE LINKE): Mit überwältigender ehrheit wurde 2002 in diesem Haus kein Zweifel daran elassen, dass der menschliche Embryo Menschenwürde at, dass er nicht verfügbar ist. Hat, ja kann sich an die- er grundlegenden Menschenrechtsfrage in nur sechs ahren etwas ändern? Kann nach Maßgabe unserer Ver- assung nach Moral und Ethik in der Fortpflanzungsme- izin und Forschung die Antwort heute anders ausfallen? ch meine, nein. Das prinzipielle Instrumentalisierungsverbot des enschen, die Zweckfreiheit seiner Existenz, ganz egal ie und wo sich sein Leben zeigt, darf nicht zur Disposi- ion gestellt werden. Das Verbot fremdnütziger For- chung als Tabu ist für mich das wertvollste zivilisatori- che Gut, das wir aufgrund historischer Erfahrungen aben, weshalb wir sagen können: Die Forschungsfrei- eit ist von Verfassungsrang, sie findet ihre Grenze im orrang der Menschenwürde. Ich möchte es klar sagen: Der frühe Mensch, um den s hier geht, ist ohne Schwangerschaft und Geburt in die elt gebracht. Er ist erzeugt worden. Er ist nicht ge- eugt. Und weil er nicht durch den Körper einer Frau ge- chützt ist, machen Forscher ihn sich nutzbar, nützlich ür Zwecke, die nicht im Lebensinteresse des Embryos iegen. Er soll zum Ding, zur Sache erklärt werden, da- it man aus ihm ein Produkt machen kann. Erzeugt, um erstört zu werden. Damit ist die gewaltsame Beendi- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15025 (A) ) (B) ) gung eines menschlichen Lebensprozesses zur Voraus- setzung für einen ganzen Forschungszweig geworden. Mir ist wichtig, zu sagen: Auch wenn sich der Em- bryo in seinem Entwicklungsstadium noch nicht als menschliches Gegenüber zeigt, so hat er doch die volle aus ihm selbst kommende Kraft, sich als Mensch zu ent- wickeln und genau die Person zu werden, die normaler- weise geboren wird. Es gibt aus meiner Sicht keine Möglichkeit, ihn von der Zugehörigkeit zur Menschheit auszuschließen. Wer sagt, der Embryo sei nur dann ein Mensch, wenn er die Gebärmutter erreicht und zu le- bensfähiger Reife gelangt, sieht über die Anthropologie und die Menschenrechtsphilosophie unserer Verfassung hinweg. Ich trete für die Unverfügbarkeit des menschlichen Embryos ein und sage dennoch Ja zur Stammzellfor- schung. Ein humanistisches Verständnis der Human- medizin schließt die Suche nach Therapiemöglichkeiten ein, die für körpereigenes Gewebe und das Geheimnis der Selbstheilungskräfte Forschung braucht. Mit der Re- programmierung und den Erfolgen der adulten Stamm- zellforschung beispielsweise sind vorzeigbare Erfolge vorhanden. Diese Wege sollten wir in Deutschland wei- ter beschreiten. Der Wissensgewinn und das Gerieren von neuen The- rapien sollen sich in den ethisch-moralischen Grenzen vollziehen, die durch das Stammzellgesetz von 2002 ge- zogen sind. Nicht diejenige ist forschungsfreundlich, die der Forschung gibt, was sie verlangt, und die gesetzge- berischen Nachschub liefert, wann immer er eingefor- dert wird. Wer heute eine Veränderung oder gar Aufhebung der Stichtagsregelung vornehmen will, sagt nichts anderes, als dass er in die Embryonenerzeugung für Forschungs- zwecke einwilligt. Das ist nicht im Geiste des sogenann- ten Kompromisses von 2002. Denn die Initiatorinnen und Initiatoren haben die Einführung des Stichtags damit begründet, dass zum Zweck der Forschung kein einziger weiterer Embryo zerstört werden soll. Und niemand kann heute ernsthaft in Abrede stellen, dass bei weltwei- ten Begehrlichkeiten der Forschung Frauen zu Eizelllie- ferantinnen gemacht werden. Ihre Fruchtbarkeit wird in den Dienst fremdnütziger Forschung gestellt. Mit der embryonalen Stammzellforschung ist eine neue Menschenrechtsfrage und eine neue Frauenfrage aufgekommen, wie es sie in der Menschheitsgeschichte nie gab. Ich plädiere für die Beibehaltung der Rechts- lage. Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Auf dem Felde der Bioethik fällt es der Politik schwer, stringente und gänz- lich widerspruchsfreie Entscheidungen zu treffen. Ein besonders eklatantes Beispiel moralischer Inkonsistenz stellt der Stichtagsbeschluss des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 2002 dar: Eine embryonale Stammzelle, die vor dem l. Januar 2002 im Ausland gewonnen wurde, darf seither in Deutschland zu Forschungszwecken be- nutzt werden. Es wäre eine seltsame Moral, welche die Nutzung und damit Vernichtung solcher Stammzellen v w d l V z k t i m e m V z w E s a m a h r 1 b a s p E g z c i u s b m V k h n t J d V p i m e D s A c G (C (D ollkommen unterschiedlich bewertet, je nachdem, in elchem Staat oder zu welchem Zeitpunkt sie entstan- en sind. Die dem Kompromiss aus dem Jahre 2002 zugrunde iegende Frage, ob menschliches Leben bereits mit der erschmelzung von Ei- und Samenzelle beginnt, ent- ieht sich einer letztgültigen naturwissenschaftlichen Er- enntnis. Auch die Bibel gibt uns auf diese Frage unmit- elbar keine Antwort. Ich beneide deshalb alle Kollegen n diesem Hause, die sich sicher sind, wann der Beginn enschlichen Lebens anzusetzen ist. Ich verfüge über ine solche Gewissheit leider nicht. Seit wir aber aus der Genetik wissen, dass für die enschliche Entwicklung das Erbgut von Mutter und ater entscheidend ist, steht fest, dass der Verschmel- ungsakt beider Zellen eine wichtige Zäsur in dieser Ent- icklung ist. Es spricht somit einiges dafür, dass unsere ntwicklung „als Mensch“ und nicht nur „zum Men- chen“ bereits mit dieser Verschmelzung einsetzt. Bleibt uch eine gewisse Unsicherheit, so kann ich diese für ich nur nach der Klugheitsregel „in dubio pro vita“ uflösen, wonach im Zweifelsfalle von dem jeweils frü- eren Beginn des menschlichen Lebens auszugehen ist. Der Gesetzgeber tut gut daran, sich dieser Klugheits- egel zu unterwerfen. Er hat es auch bereits getan, als er 990 im Embryonenschutzgesetz alle menschlichen Em- ryonen unter den Schutz des Strafrechts gestellt hat, uch dann, wenn sie im Reagenzglas gezeugt worden ind. Das Embryonenschutzgesetz steht in einem rechts- olitisch äußerst unbefriedigenden Widerspruch zu der rlaubnis des Stammzellenimportes. Wenn der Gesetz- eber bei seiner Prämisse des Jahres 1990 bleibt – oder u ihr zurückkehren will –, dass embryonales menschli- hes Leben den Schutz der Rechtsordnung verdient, so st die Freigabe von Embryonen zur Forschung damit nvereinbar. Menschliches Leben stellt immer einen Zweck an ich dar. Ein Embryo, der zu Forschungszwecken „ver- raucht“ wird, wird dagegen zu einem bloßen Instru- ent, zu einem Objekt der Forschung herabgewürdigt. age Heilungsversprechen, die sich bislang zudem in einem Falle konkretisiert, geschweige denn realisiert aben, können diese Verzweckung menschlichen Lebens icht rechtfertigen. Die derzeit vorangetriebene Verschiebung des Stich- ages bestätigt auf traurige Weise die Befürchtungen des ahres 2002. Eine Stichtagsregelung taugt nicht zur Ein- ämmung der Embryonenforschung. Eine nunmehrige erschiebung, obwohl keines der vollmundigen Thera- ieversprechen bislang eingelöst wurde, könnte Forscher m Ausland darauf spekulieren lassen, dass sie kein ein- aliger Vorgang bleiben wird. Außerhalb der Stammzellendebatte mögen sich noch xistenziellere Fragen der Lebensethik stellen. Diese ebatte ist allerdings deshalb wichtig, weil ethische Ero- ionen immer an den Rändern unseres Lebens einsetzen. m Lebensanfang und am Lebensende zeigt sich, wel- he Bedeutung wir dem Leben in unserer Rechts- und esellschaftsordnung insgesamt geben. Deshalb ist es 15026 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) richtig, das Drängen nach einer Stichtagsverschiebung zum Anlass zu nehmen, den umfassenden Embryonen- schutz in Deutschland wiederherzustellen und auf die Forschung an embryonalen Stammzellen zu verzichten. Ingbert Liebing (CDU/CSU): Seit dem 1. Juli 2002 gilt das Stammzellgesetz. Es erlaubt – unter strengen Be- dingungen – den Import und die Verwendung embryona- ler Stammzellen zu Forschungszwecken. Eine dieser Be- dingungen lautet, dass nur embryonale Stammzellen nach Deutschland importiert werden dürfen, die vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden (Stichtagsregelung). Aus der Sicht des Jahres 2008 sind diese Bedingun- gen veraltet. Inzwischen gelten viele dieser Stammzellli- nien als nicht mehr für die Forschung geeignet. Forscher bemängeln, diese Zellen seien zu alt und führten zu Feh- lern in den Versuchen. Zudem wird die deutsche For- schung mit dem aktuellen Gesetz zunehmend internatio- nal isoliert. Deshalb beraten wir heute in einer großen Debatte über Chancen und Risiken einer Lockerung der Regelungen und die Anpassung des Gesetzes an verän- derte äußere Rahmenbedingungen. Diese Angelegenheit ist von großer Bedeutung für viele Menschen, die bis- lang nicht wirksam behandelt werden können, und die biomedizinische Forschung am Standort Deutschland. Nach reiflicher Überlegung und Abwägung aller Für und Wider habe ich mich entschlossen, mich dem Antrag mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes für eine men- schenfreundliche Medizin – Gesetz zur Änderung des Stammzellgesetzes“ anzuschließen, der vor allem von Katherina Reiche, Ulrike Flach und Rolf Stöckel erar- beitet wurde. Mit diesem Antrag verbindet sich die über- parteiliche Initiative, deutschen Wissenschaftlern Zu- gang zu allen vorhandenen Stammzelllinien in der Welt zu verschaffen und die Forschungsfreiheit von ihrer „willkürlichen Fesselung“ (Zitat Katherina Reiche) zu befreien. Dabei geht es um die vorhandenen Stammzell- linien – nicht um das gezielte Erzeugen von Stammzell- linien für Zwecke der Forschung. Das entsprechende Verbot im deutschen Recht steht für mich nicht zur Dis- position. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Stichtag im Stammzellgesetz gestrichen wird und somit die entsprechende Forschung an embryonalen Stamm- zellen dauerhaft freigegeben wird. Eine Verschiebung des Stichtages wird aus meiner Sicht in fünf Jahren wie- der zu ähnlichen Problemen führen. In diesem Punkt ist unser Antrag konsequent und ehrlich. Ferner tritt dieser Antrag dafür ein, dass zukünftig Strafandrohungen ge- gen deutsche Wissenschaftler bei Beteiligung an Koope- rationsprojekten mit ausländischen Kollegen unterblei- ben. Es ist ausdrücklich nicht mein Ziel, die Substanz des Gesetzes aufheben. Importiert werden dürfen auch wei- terhin nur Zellen, die es bereits gibt; auch in Zukunft wird kein Embryo für die Forschung in Deutschland ge- zeugt und getötet. Der Staat hat die Verantwortung zur Bewahrung menschlichen Lebens, das gebietet unser Grundgesetz. Daraus ergibt sich für mich auch die Pflicht, die Erforschung medizinischer Therapien zu er- m z l m d m u a s e ß m H g d N e s v S i s v S G J d n S n s U d V E s s u k M A s m u s m 2 d S j z M u (C (D öglichen. Von der Forschung an embryonalen Stamm- ellen erhoffen wir uns Fortschritte bei der Entschlüsse- ung menschlicher Krankheiten und der Linderung enschlichen Leidens. Niemand hier im Saal wird abstreiten können, dass ie deutsche Forschung bisher verantwortungsbewusst it dem 2002 verabschiedeten Gesetzeskompromiss mgegangen ist. Schlussendlich streben wir einen Forschungsstand an, n dem wir keine Stammzellen mehr brauchen. Bis es oweit ist, möchte ich mich zum Ende meines Beitrages iner Forderung meiner Kollegin Ulrike Flach anschlie- en: Sie plädiert für eine „Ethik des Heilens“. Dabei öchte ich einen Gegensatz zwischen einer „Ethik des eilens“ und einer „Ethik des Lebensschutzes“ nicht elten lassen. Auch das Heilen von Krankheiten dient em Schutz des Lebens. In diesem Sinne halte ich die utzung von Chancen medizinischer Forschung, die thische Schranken akzeptiert, nicht nur für akzeptabel, ondern auch für geboten. Philipp Mißfelder (CDU/CSU): In großem Respekt or der Debatte um die Forschung mit embryonalen tammzellen und unter Abwägung aller Argumente habe ch mich entschieden, zu den Erstunterzeichnern des Ge- etzentwurfes von Hubert Hüppe zu gehören, der ein ollständiges Verbot der Forschung mit embryonalen tammzellen vorsieht. Dabei waren zwei wesentliche ründe ausschlaggebend: Die großen Erfolge der letzten ahre bei der Forschung mit adulten Stammzellen und ie Überlegung, dass es ohne die Tötung von Embryo- en keine Forschung mit menschlichen embryonalen tammzellen geben kann. Letzteres widerspricht jedoch ach meiner Auffassung der Unantastbarkeit der Men- chenwürde, die zu den Grundkoordinaten der beiden nionsparteien CDU und CSU gehört. Demnach haben nach unserer Auffassung Menschen ie gleiche unantastbare Würde, unabhängig von ihrer erschiedenartigkeit, ihrer einzigartigen Prägung durch rbanlagen und ihrer Lebensumstände, ihrem Ge- chlecht, ihrer Rasse, ihren Überzeugungen, ihrer Ge- undheit und ihrer Leistungsfähigkeit. Dabei beginnt für ns das menschliche Leben und dessen Schutzwürdig- eit mit der Vereinigung von Samen und Eizelle. Der ensch wird nicht zum Menschen, sondern er ist es von nfang an. Diese Auffassung von der universalen Men- chenwürde vom Zeitpunkt der Verschmelzung von Sa- en und Eizelle an halte ich für nicht verhandelbar und nterstütze deshalb das vollständige Verbot der For- chung mit embryonalen Stammzellen. Gerade junge Menschen sind bei diesem Thema auf- erksam: In einer repräsentativen Umfrage von Januar 008 ist empirisch eindeutig belegt, dass sich 61 Prozent er Menschen in Deutschland gegen eine Forschung an tammzellen aus Embryonen aussprechen. Bei der üngsten erfassten Altersgruppe dieser Umfrage, der wischen 14 und 29 Jahren, sind sogar 67,4 Prozent der einung, dass ausschließlich an adulten Stammzellen nd an umprogrammierten Zellen geforscht werden Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15027 (A) ) (B) ) sollte. Es ist damit eindeutig, dass es die Mehrheit mei- ner Generation mit der Würde des Menschen für unver- einbar hält, dass Embryonen zu Forschungszwecken ge- tötet werden. Dies belegen auch die Befunde der letzten Shell-Studie aus dem Jahr 2006, in der den Jugendlichen eine stabile Werteorientierung und eine große Sensibili- tät in Fragen von Ethik und Moral bescheinigt wurde. Seit Jahren beschäftigt sich auch die Junge Union in- tensiv mit der Frage der Stammzellforschung. So hat sich die Junge Union Deutschlands auf ihrem Deutsch- landtag vom 19. bis 21. Oktober 2007 sehr ernsthaft mit der Frage einer Verschiebung oder Aufhebung der gel- tenden Stichtagsregelung (1. Januar 2002) befasst. Vom höchsten Gremium der Jungen Union wurde dabei der Beschluss gefasst, dass der geltende Stichtag unter kei- nen Umständen infrage gestellt werden darf und dass vielmehr die Forschung an adulten Stammzellen sowohl aus moralischer als auch aus medizinischer Sicht die zu- kunftsweisende Alternative ist. Der gemeinsame Nach- wuchsverband von CDU und CSU lehnt die Forschung an embryonalen Stammzellen damit unmissverständlich ab. Diese Haltung wird breit unterstützt, wie auch die Unterschrift des bayerischen Vorsitzenden der Jungen Union, meines Kollegen Stefan Müller, unter den Ge- setzentwurf von Hubert Hüppe zeigt. Wir sollten uns bei der Suche nach neuen Behand- lungsmethoden vielmehr auf die gerade bei uns in Deutschland vielversprechende Forschung mit adulten Stammzellen konzentrieren. Hier sind wir führend, und hier können wir in Deutschland Spitzenforschung si- chern. Deshalb unterstützt die Bundesregierung diese Forschung auch mit umfangreichen Forschungsgeldern. Denn es ist die erfolgversprechendere Forschung: Weltweit gibt es nicht eine einzige klinische Studie mit embryonalen Stammzellen am Menschen, ebenso wenig wie eine Therapie. In der ethisch unproblematischen Medizin mit adulten Stammzellen, die beispielsweise aus dem Blut Erwachsener gewonnen werden können, gibt es hingegen zahlreiche Heilungserfolge. So gelang es vor wenigen Monaten dem Düsseldorfer Medizinpro- fessor Bodo Strauer, Herzinfarktpatienten mit adulten Stammzellen zu heilen. Diese Erfolge weisen in die rich- tige Richtung, ohne auch nur im Ansatz ethische und moralische Schwierigkeiten aufzuwerfen. Das ist der Weg der Forschung, auf den wir uns konzentrieren soll- ten. Die Transplantation adulter Stammzellen des Kno- chenmarks ist dabei seit Jahrzehnten lebensrettende kli- nische Praxis, der auch tausende deutsche Patienten ihr Leben verdanken. Dafür erhielt der amerikanische Hämatologe Edward Donnall Thomas den Medizin- Nobelpreis. Aus adulten Stammzellen der Haarwurzel wird seit Jahren klinisch einsetzbarer patienteneigener Hautersatz gezüchtet. Diese Beispiele will ich gar nicht noch weiter ausführen, möchte aber noch einmal beto- nen, dass dies nachweisbar die Wege der Forschung sind, die bisher die größten Erfolge gebracht haben und die die realistische Perspektive bieten, schwere und bis- her unheilbare Krankheiten zu therapieren. Und hierfür werden keine Embryonen verbraucht. K s N d e d H w A w B a f M E l t e n n D n s d s z Ü L Q n w d Ä ü g f a r h Ü a 1 n P t l D h 1 S d d K (C (D Dr. Marlies Volkmer (SPD): Als Verfechterin eines ompromisses – als solche rede ich – geht man gewis- ermaßen auch mit sich selbst einen Kompromiss ein: iemand ist „von Hause aus“ Anhänger einer Lösung, ie per se inkonsistent ist, ja sein muss. So werden sicher inige Befürworter der Stichtagsverschiebung ausführen, ass ihnen eine restriktivere Lösung eigentlich mehr am erzen läge. Anderen – ich schließe mich hier mit ein – ird der Kompromiss eigentlich nicht weit genug gehen. ber im Interesse eines höheren Ziels, das ich erläutern erde, werden sowohl die einen wie die anderen ihre edenken zurückstellen – wie auch schon 2002. Wenn man einem Kompromiss zustimmt, gibt man lso indirekt zu, dass man den einen oder anderen Zwei- el hegt. So zweifle ich unter anderem an den ethischen aßstäben, die dem Stammzellgesetz zugrunde liegen: inerseits ist in Deutschland die Gewinnung embryona- er Stammzellen verboten. Andererseits darf mit impor- ierten Stammzellen – wenn bestimmte Voraussetzungen rfüllt sind – gearbeitet werden. Die Frage ist bis heute icht beantwortet worden, warum ein im Ausland ver- ichteter Embryo anders beurteilt wird als einer in eutschland. Wenn aber die Vernichtung von überzähligen Embryo- en aus der künstlichen Befruchtung Grundlage für For- chung ist, dann muss doch sichergestellt werden, dass afür strenge rechtliche Rahmenbedingungen vorhanden ind. Die im Ausland hergestellten embryonalen Stamm- ellen müssen aber lediglich vor dem Stichtag und in bereinstimmung mit der Rechtslage im jeweiligen and hergestellt worden sein. Wer garantiert für die ualität nach unseren Maßstäben? Ist die Frage unzulässig, ob die Herstellung embryo- aler Stammzellen in Deutschland nicht strenger über- acht werden könnte als in manch anderem Land? Aber iese Debatte führt heute zu weit. Wir haben über die nderung des Stammzellgesetzes zu befinden, nicht ber die Änderung des Embryonenschutzgesetzes. Heute eht es darum, einen ethisch fundierten Kompromiss zu inden zwischen Forschungsfreiheit und der Hoffnung uf Heilung einerseits und dem Embryonenschutz ande- erseits. Seit das Stammzellgesetz 2002 verabschiedet wurde, at sich in der internationalen Forschung viel getan. Eine berprüfung der fünf Jahre alten Regelungen erscheint ngemessen. Von den Stammzelllinien, die vor dem . Januar 2002 gewonnen wurden, sind heute wegen ge- etischer Instabilität und Kontaminierung mit tierischen rodukten nur noch wenige einzusetzen, Ein vergrößer- er Pool von einsatzfähigen Zelllinien auch in Deutsch- and ist nach Meinung vieler Forscher notwendig, damit eutschland in diesem Forschungsbereich nicht abge- ängt wird. Eine Verschiebung des Stichtages auf den . Mai 2007 wird der ursprünglichen Intention des tammzellgesetzes gerecht. Heute geht es genau wie damals um die Frage, ob in er Forschung embryonale Stammzellen verwendet wer- en dürfen. Unter strengen Auflagen ja, lautete 2002 der ompromiss, insbesondere darf von Deutschland aus 15028 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) keinerlei Aktivität für eine verbrauchende Embryonen- forschung ausgehen. Das ist bei diesem Kompromiss der Fall. Es gibt aus heutiger Sicht keinen Grund, eine embryo- nale Stammzelle, die vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurde, ethisch anders zu beurteilen als eine von vor dem 1. Mai 2007. Es besteht die Hoffnung, dass die Stammzellmedizin eines Tages ohne Embryonen auskommen wird. Wir brauchen aber heute eine fundierte Grundlagenforschung auch mit embryonalen Stammzellen, um Mechanismen der Reprogrammierung sowie der Entstehung und Hei- lung von Krankheiten zu erkennen. Auf Basis einer sol- chen hochwertigen Forschung werden wir – hoffentlich – den Durchbruch bei den adulten Stammzellen erleben. Lassen Sie mich noch ein Wort als Ärztin sagen: Der- zeit sind wir noch weit davon entfernt, dass Stammzellen in der Therapie von Krankheiten wie Alzheimer und Par- kinson eingesetzt werden können. Der Kompromiss ver- baut aber auch nicht die Perspektive: die Entwicklung therapeutischer Optionen. Heilung ist ein wichtiges Ziel von Forschung. Politik hat die Verantwortung, erfolgver- sprechende Wege, die zu größeren Heilungschancen füh- ren, nicht von vornherein auszuschließen. Und um es ganz klar zu sagen: Deutschland kann sich nicht vom Er- trag der weltweiten Stammzellforschung abschotten. Wenn in Chicago oder Tokio auf der Grundlage em- bryonaler Stammzellforschung neue Therapien entwi- ckelt werden, dann werden wir aus ethischen Gründen deutschen Patienten diese Heilungschancen nicht ver- wehren können. Deswegen ist es richtig, dass auch in Deutschland die Forschung mit embryonalen Stammzel- len unter strengen Auflagen möglich ist und nicht unnö- tig erschwert wird. Bitte stimmen Sie der Verschiebung der Stichtagsregelung zu. Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Die For- schung an und mit embryonalen Stammzellen ist mit großen Hoffnungen und Erwartungen verbunden, aber gleichzeitig auch mit großen Befürchtungen hinsichtlich der Verletzung der Würde des Menschen, der ethischen Maßstäbe, die eine humane Gesellschaft zusammenhal- ten und die Grundlage der Menschenrechte und der Ach- tung menschlichen Lebens sind, für die wir weltweit eintreten. Seit fast sechs Jahren können Wissenschaftle- rinnen und Wissenschaftler in Deutschland an und mit embryonalen Stammzellen forschen – eingeschränkt und unter strengen Auflagen. Die Wissenschaft lockte mit vielfältigen Heilungsversprechen, was die Mehrheit im Deutschen Bundestag im Jahr 2002 veranlasste, ein Ge- setz zu verabschieden, das die Forschung mit importier- ten Zelllinien möglich machte. Es sei diese Forschung wichtig, bahnbrechend, unabdingbar, ja gar heilbringend für die Menschen, hieß es. Heute ringen wir im Parla- ment wieder um verantwortliche Lösungen in diesen schwierigen Fragen der Bioethik im Spannungsfeld zwi- schen Heilungsversprechen, Forschungsfreiheit, Men- schenwürde und Schutz des menschlichen Lebens. e e g k e g S r d m L R u d r s e v a s f g d d l m s s h a W k n w S V G m w d n u d m n d F z s S w d v s b (C (D Wäre die Forschung mit embryonalen Stammzellen thisch unbedenklich, so müsste man heute nur bedau- rnd mit den Schultern zucken oder auch den Verlust der eflossenen Fördergelder beklagen. Denn bisher konnten eine Durchbrüche erzielt werden, alle Ankündigungen rwiesen sich als haltlos, Erfolge sind nicht in Sicht, und leichzeitig ist die Forschung an und mit embryonalen tammzellen ethisch überaus bedenklich. Alle noch so schönen und oft vernebelnden Formulie- ungen können eine Tatsache nicht verleugnen: Um für ie Forschung embryonale Stammzellen zu gewinnen, üssen menschliche Embryonen, muss menschliches eben zerstört werden. Kann es für dieses Töten eine echtfertigung geben? „Die Würde des Menschen ist nantastbar“, dieser Satz steht überdeutlich am Beginn er Grundrechte im deutschen Grundgesetz. So schwie- ig es im Einzelnen sein mag, die „Würde des Men- chen“ und ein mögliches Antasten dieser zu definieren, ines steht fest: Vernutzen wir menschliches Leben oder erwerfen es gar, um damit Forschungs-, Heilungs- oder ndere Zwecke zu verfolgen, so verletzen wir die Men- chenwürde. Art. 1 des Grundgesetzes steht nicht umsonst am An- ang unserer Verfassung, er ist oberster Verfassungs- rundsatz! Warum steht er dort? Die Mütter und Väter es Grundgesetzes haben nach der menschenverachten- en Ära des Nationalsozialismus festgelegt, dass sich al- es staatliche Handeln zukünftig daran messen lassen uss, ob die Menschenwürde unangetastet bleibt. Sie ind sogar noch weiter gegangen: „Sie zu achten und zu chützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“, eißt es im zweiten Satz des Art. 1. Der Staat muss also ktiv werden, wachsam bleiben gegenüber möglichen ürdeverletzungen, gegensteuern. Mancher wendet hier ein, dass die Würde von Kran- en verletzt werde, wenn man nicht alles für deren Ge- esung tue. Das ist richtig, aber es gibt auch Grenzen, o andere Rechtsgüter verletzt werden. Darin werden ie mir sofort zustimmen, wenn ich beispielsweise von ersuchen an geborenen Menschen spreche. Es gibt also renzen, darin sind wir uns einig. Auch ich wünsche ir, dass Krankheit, Leiden und Schmerzen gelindert erden. Wer tut das nicht? Gerade in diesem Zeitalter er rasanten Entwicklungen, Fortschritte, neuer Erkennt- isse stehen wir oft fassungslos vor Verfall, Schmerz nd Tod. Das darf aber nicht dazu verleiten, den Schutz er Würde des Menschen und die Achtung vor dem enschlichen Leben, auch vor dem noch nicht gebore- en menschlichen Leben, über Bord zu werfen. Wenn ie Hoffnung auf Forschungserfolge oder der jeweilige orschungsstand darüber bestimmen sollen, ob Stamm- ellen eines getöteten menschlichen Embryos für For- chungszwecke genutzt werden dürfen oder nicht, ob tichtage für den Import von Stammzellen festgelegt erden oder nicht, ob solche Stichtage verschoben wer- en oder nicht, dann wird die Menschenwürde zu einem eränderbaren Gut. Eine solche Relativierung der Men- chenwürde wird auf Dauer nicht ohne Auswirkungen leiben auf den grundsätzlichen Umgang einer Gesell- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15029 (A) ) (B) ) schaft mit menschlichem Leben, sowohl von Anfang an als auch was das Ende menschlichen Lebens anbelangt. Stattdessen sollten die ethisch unbedenklichen Alter- nativen noch stärker gefördert werden: zum Beispiel die Forschung an adulten Stammzellen. Und wenn wir schon so sehr auf die Heilungsaussichten achten: Adulte Stammzellen werden schon seit vielen Jahren erfolgreich therapeutisch eingesetzt. Sie retten Leben und heilen! Lassen Sie uns gemeinsam diese erfolgreiche und ethisch unbedenkliche Forschung stärken und nicht auf ethisch prekäre und bis heute erfolglose Alternativen set- zen! Ich bin überzeugt: Noch mehr als im Jahr 2002 spre- chen heute alle guten Gründe dafür, dass wir die ethisch höchst problematische Forschung an und mit embryona- len Stammzellen verbieten. Deutschland ist und kann erst recht in Zukunft Forschungsstandort Nummer eins in Sachen adulte Stammzellen sein. Ich sehe nicht die Gefahr, dass wir uns weltweit in der Forschung isolieren, sondern ich sehe die Chance, dass wir in dieser ethisch schwierigen Frage weltweit beispielgebend sind. Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Diese schlichten Sätze haben die Väter des Grundgesetzes an seinen Beginn gestellt. Sie formulierten damit die oberste Schutzverpflichtung unserer staatlichen Ord- nung. Diese Würde kommt dem Menschen zu, als unmit- telbare Folge seiner Geschöpflichkeit und seiner Gottes- ebendbildlichkeit – von Anfang an und bis zum Ende seines irdischen Daseins. Sie ist unserer Verfügbarkeit entzogen. Mit dem Beschluss des Stammzellgesetzes durch den Deutschen Bundestag 2002 wurde die Büchse der Pan- dora geöffnet. Die Verfechter der Festlegung eines Stich- tages oder gar völliger Freigabe warben vor allem mit der Aussicht auf Heilung schwerer Krankheiten, wie Parkinson oder Alzheimer. Unter dem Stichwort „Organ- ersatzbildung“ schien der Menschheitstraum nach Über- windung allen Leides und ewigen Lebens auf. Die Argumentation von damals folgt bekannten Mus- tern, die heutige ebenso: Wieso soll der in-vitro gezeugte Embryo besser geschützt werden als der Embryo im Mutterleib, dem durch die Abtreibungspraxis in Deutschland der Schutz weitgehend versagt wird? Wenn wir schon das Entstehen überzähliger Embryos im Rah- men künstlicher Befruchtung zulassen, wieso führen wir sie dann nicht noch einer „nützlichen Verwendung“ zu, wenn ihr Leben doch ohnehin schon verwirkt ist? Schließlich das Heilsversprechen: Wie kann man an- gesichts des Leides heute nicht behandelbarer schwerer Erkrankungen dem Mitmenschen die nahe Hilfe verwei- gern, wo doch nur eine kleine Grenzverschiebung erfor- derlich ist, um den Durchbruch zu erreichen? Andere tun es doch auch, wie kann man da so hartherzig sein? s g P H k m w s n z w m p i B e M w s z K m e A n l c w E a g G u n v r e s m e z e g s M m A s s g u l m l (C (D Ich sage Ihnen heute voraus: Der einmaligen Ver- chiebung des einmaligen Stichtages werden weitere fol- en. Wer einmal der Verzwecklichung der menschlichen erson zustimmt, gibt das kategoriale Argument aus der and. Wir sollten die Diskussion umgekehrt führen: Wie önnen wir endlich einen umfassenden Schutz des enschlichen Lebens, gerade in den besonders schutz- ürdigen Phasen des Werdens und Vergehens, verbes- ern und garantieren? Ist es richtig, überzählige Embryo- en im Rahmen der künstlichen Befruchtung entstehen u lassen in der sicheren Voraussicht, sie später zu ver- erfen? – Welch ein schrecklicher Ausdruck im Zusam- enhang mit menschlichem Leben! – Dürfen wir bei ränataler und Präimplantationsdiagnostik unterscheiden n wertes und unwertes Leben? Wie begegnen wir den egehrlichkeiten, am Ende unseres irdischen Daseins ine Grenze zu ziehen, ab der dem alten oder kranken enschen der Schutz der staatlichen Ordnung entzogen ird? Wie schärfen wir das Bewusstsein, dass bei allen egensreichen Fortschritten der Wissenschaft, der Medi- in im Besonderen, Freude und Leid, Gesundheit und rankheit, Werden und Vergehen existenziell zum enschlichen Leben gehören? Ich rede keinesfalls einem schlichten Fatalismus oder inem dumpfen Wissenschaftsskeptizismus das Wort. ber ich plädiere für Selbstbescheidung: Wir dürfen icht alles, was wir können. Diesen Satz wird jeder eichthin unterschreiben, schließlich ist es unsere tägli- he Aufgabe, durch Normsetzung erwünschtes von uner- ünschtem Tun oder Unterlassen zu scheiden und die inhaltung des Erwünschten nicht selten durch Straf- ndrohung zu erzwingen. Nach meiner festen Überzeu- ung bewegen wir uns bei der heute zu behandelnden rundfrage menschlicher Existenz in einem Bereich, der nserer Freiheit zur Normsetzung entzogen ist. Wir kön- en hier lediglich in Worte fassen, was naturrechtlich orgegeben ist. Unsere staatliche Ordnung lebt von Vo- aussetzungen, die sie nicht selber gelegt hat. Lassen Sie s mich als Christ durch einen Rückgriff auf ein bibli- ches Bild ausdrücken: Wir dürfen die Früchte des „Bau- es der Erkenntnis“ nicht verzehren gleich, wer sie ge- rntet hat oder in wessen Garten der Baum steht. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Die Ver- wecklichung menschlicher Embryonen zur Gewinnung mbryonaler Stammzellen ist mit dieser zentralen Vor- abe des Grundgesetzes und dem christlichen Sittenge- etz nicht vereinbar. Der Zweck heiligt nicht die Mittel. it dem geltenden Stammzellgesetz wird die Tötung enschlicher Embryonen akzeptiert, solange diese im usland und vor dem 1. Januar 2002 geschehen ist. Wir ollten die heutige Diskussion nutzen, um diesen Wider- pruch zu beenden. Meine lieben Kollegen, wir müssen in diesem Gesetz- ebungsverfahren eine eindeutige Antwort geben: Das mfassende Verbot, menschliche embryonale Stammzel- en einzuführen, und damit keine Forschung mit enschlichen embryonalen Stammzellen in Deutsch- and! 15030 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Beratungsqualität für Erwerbslose verbessern – Personal der Grundsicherungsträger qualifizieren und ihm Zukunftsperspektiven geben (Tagesordnungs- punkt 12) Dirk Niebel (FDP): Vor der Hartz-IV-Reform wur- den Leistungsempfänger in einer komplizierten Parallel- welt von Arbeits- und Sozialämtern hin- und hergescho- ben. Wir haben zugestimmt, dass diese Doppelstrukturen abgeschafft werden, um die Effektivität bei der Vermitt- lung in Beschäftigung zu erhöhen und Kosten zu sparen. Bei der politischen Umsetzung ist allerdings mit den Ar- beitsgemeinschaften ein weiteres bürokratisches Mons- ter herausgekommen. Wer hat denn geglaubt, dass die Einrichtung einer weiteren, zusätzlichen Behörde aus zwei bestehenden in ihrer Verwaltung billiger wird, wenn die zwei anderen bestehen bleiben? Statt die Betreuung der Arbeitslosen in alleiniger Ver- antwortung einer Behörde zu organisieren, wurde sie in Arbeitsagenturen, Arbeitsgemeinschaften und Kommu- nen, also in drei unterschiedlichen Behördenstrukturen angesiedelt und damit das größtmögliche Chaos ange- richtet. Die schwarz-rote Regierung hat den Kopf in den Sand gesteckt und abgewartet, bis das Bundesverfas- sungsgericht die nötigen Fakten schafft. Es hat die Ar- beitsgemeinschaften als verfassungswidrig eingestuft. Jetzt ist ein klarer Schnitt nötig und möglich. Die Alternativen dürfen nicht zu einem Bundessozial- amt führen. Der Bundesarbeitsminister hat sein neues Konzept in den alten Denkstrukturen gestern vorgestellt. Er träumt jetzt von sogenannten kooperativen Job- centern. Aber solchen neuen Behörden unter dem Dach und der Kontrolle der zentralistisch organisierten Arbeits- agenturen wird es nicht gelingen, die Chancen für Ar- beitsuchende zu verbessern. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes be- steht jetzt die historische Chance, die Bundesagentur für Arbeit aufzulösen und die Aufgaben neu zu ordnen. Wir ordern, dass die Betreuung und Beratung aller Arbeit- suchenden in kommunalen Jobcentern in eigener Verant- wortung erfolgt. Die finanzielle Ausstattung ist als Bud- get im Grundgesetz festzuschreiben. Die Gewährung aller Leistungen aus einer Hand machen langwierige Ab- stimmungsprozesse mit den Arbeitsagenturen überflüs- sig und erlauben individuelle, flexible und unbürokrati- sche Lösungen für die Betroffenen. Die doppelten Verwaltungsstrukturen müssen endlich abgeschafft wer- den. Gleichzeitig können die Prinzipien der Arbeitslosen- versicherung über die Einführung von Pflicht- und Wahltarifen gestärkt werden. Über Wahltarife könnten dann auch eine längere Bezugsdauer von Arbeitslosen- geld oder gegen niedrigere Beiträge Karenztage verein- bart werden. a d b f m b t a w b B e v g S w v d b d d m s d p k W s b m A S G n d a s e g s p n d s b v h d n v b Z z (C (D Jedes Amt ist nur so gut wie die Leitung und die Mit- rbeiter. In den Zeitungen hat man in dieser Woche wie- er nachlesen können, dass Arbeitslose trotz eines Ange- otes keine Arbeit aufnehmen wollen, weil es sich inanziell nicht lohnt. Arbeiten lohnt sich nicht, wenn an ohne Arbeit die gleiche oder sogar eine bessere Le- enssituation erreicht. Deshalb muss jemand, der arbei- et, mehr haben als jemand, der nicht arbeitet. Hier ist uch die politische Ebene gefordert, nicht nur die Ver- altungsebene. Für Langzeitarbeitslose ist jede legale Arbeit zumut- ar. Es ist Aufgabe der Arbeitsvermittler, Arbeitslose in eschäftigung zu vermitteln und ihre Integration in den rsten Arbeitsmarkt zu betreiben und nicht in eine sub- entionierte Beschäftigung. Eine Studie des IAB hat auf- ezeigt, dass 1-Euro-Jobs nur selten zu einer neuen telle führen. Mit den jungen Menschen unter 25 Jahren ird eine Personengruppe überproportional gefördert, on denen viele das gar nicht nötig haben, aber während er Maßnahme auch weniger Zeit für Bewerbungen ha- en. Wir müssen jetzt darüber diskutieren, wer und was en Arbeitslosen am besten hilft, eine neue Stelle zu fin- en. Je näher und engagierter die Fallmanager und Ver- ittler am regionalen Arbeitsmarkt sind, desto größer ind die Chancen der Betroffenen. Davon profitieren ann auch die Arbeitslosen, die aufgrund zusätzlicher ersönlicher Probleme schwer vermittelbar sind. Zudem önnen regional oder lokal begrenzt auch leichter neue ege bei der Arbeitsuche ausprobiert werden. Statt wie die SPD über sogenannte gute Arbeit zu chwadronieren, müssen Arbeitslose verstärkt zur Ar- eitsaufnahme und zur Integration in den Arbeitsmarkt otiviert werden. Das geht vorwiegend über finanzielle nreize. Wenn den Arbeitnehmern durch niedrigere teuern und Abgaben mehr netto vom selbstverdienten eld bliebe, wäre auch der Anreiz größer, Arbeit aufzu- ehmen. Dieses Ziel wird auch vom Bürgergeldkonzept er FDP unterstützt. Es erhöht die Anreize zur Arbeits- ufnahme vor allem im gering qualifizierten Bereich. Die Einführung der Grundsicherung für Arbeit- uchende war richtig. Aber die Ziele wurden bisher nicht rreicht. Arbeitsrechtliche und tarifpolitische Regelun- en wurden nicht wie notwendig modernisiert. Deshalb ind auch für Langzeitarbeitslose kaum neue Arbeits- lätze verfügbar. Die verbliebenen werden darüber hi- aus durch eine flächendeckende Einführung von Min- estlöhnen gefährdet. Der Jobmotor Zeitarbeit, der maßgeblich am Auf- chwung bei den Sozialversicherungspflichtigen Ar- eitsplätzen beteiligt war, wird durch die Einführung on Mindestlöhnen abgewürgt, abgesehen davon, dass ier wie beim Postmindestlohn das Arbeitnehmerentsen- egesetz wieder einmal missbraucht werden soll, um ei- en innerdeutschen, brancheninternen Wettbewerb zu erhindern. Die FDP lehnt Mindestlöhne ab, weil sie Ar- eitsplätze vernichten oder in die Schwarzarbeit treiben. eitarbeit ist gerade für Geringqualifizierte und Lang- eitarbeitslose eine Brücke in den Arbeitsmarkt. Deren Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15031 (A) ) (B) ) Chancen auf Beschäftigung werden weiter beeinträch- tigt. Arbeit ist immer noch zu teuer, weil die Steuern und Sozialabgaben weiter steigen. Und die notwendigen Re- formen im Arbeits- und Tarifrecht, die zu mehr Einstel- lungen motivieren, stehen bei der schwarz-roten Koali- tion nicht mehr auf der Agenda. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Nichtkommerzielle klinische Studien in Deutschland voranbringen (Tagesordnungs- punkt 13) Michael Kretschmer (CDU/CSU): Die Situation von nichtkommerziellen klinischen Studien, von Stu- dien, die also unabhängig von der pharmazeutischen In- dustrie durchgeführt werden, brennt der medizinischen Wissenschaft seit Jahren auf den Nägeln. Als Folge der 12. und 14. Novelle des Arzneimittelgesetzes hat sich für die Wissenschaft der administrative und finanzielle Aufwand dieser Studien enorm verschärft. Ziel der Novellen war es, die Sicherheit und Qualität klinischer Studien zu verbessern. Das begrüßen wir auch ausdrücklich. Jedoch hat sich gezeigt, dass die Anforde- rungen für nichtkommerzielle klinische Studien teil- weise unangemessen hoch sind. Das gilt insbesondere dann, wenn bereits zugelassene und in ihrem Wirkungs- spektrum bekannte Arzneimittel untersucht werden. Ich habe im vergangenen Jahr eine ganze Reihe von Gesprächen mit Wissenschaftlern geführt und viele Zu- schriften zum Thema nichtkommerzielle Studien erhal- ten. Der gestiegene Verwaltungsaufwand und die im- mensen Kosten machen es der Forschung zunehmend schwer, neue nichtkommerzielle Studien zu initiieren und umzusetzen. Für den Forschungs- und Gesundheitsstandort Deutschland ist das ein großer Verlust. Gerade die vom wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse geleiteten und industrieunabhängigen Studien verfügen oft über eine sehr hohe Qualität und großen Nutzen für die Patienten. Die Studien tragen nachweislich zu einer hochwertigen medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten bei und sind Treiber des Fortschritts in der medizini- schen Behandlung. Oftmals haben diese Studien zum Ziel, eine Therapie zu optimieren, Therapien zu vergleichen oder einen Bei- trag zur Qualitätssicherung in der Behandlung zu leisten. Dank solcher Studien ist es beispielsweise gelungen, in der Onkologie ein standardisiertes Toxizitätsmonitoring zu etablieren. Dieses trägt dazu bei, die Rate der schwer- wiegenden behandlungsbedingten Nebenwirkungen kontinuierlich zu überwachen und flächendeckend zu re- duzieren. Das ist ein echter Zugewinn an Lebensqualität für die Kranken. M P m s w g n S m s V d k s d b k z t S s u s R a n p i c m n g k b i n h d s T d ü f s w B m s n h t (C (D Andere Studien verfolgen das Ziel, die Dosierung von edikamenten zu verbessern. Auch davon profitieren atienten direkt. Zugleich aber hilft es der Solidarge- einschaft, weil weniger Ressourcen für eine bessere, chonendere und effizientere Behandlung ausgegeben erden müssen. Es liegt also im Interesse von uns allen, dafür zu sor- en, dass die Wissenschaft auch künftig in der Lage ist, ichtkommerzielle Studien in Deutschland umzusetzen. tellvertretend für viele zustimmende Zuschriften öchte ich aus einem Brief zitieren, den der For- chungsausschuss von der Deutschen Morbus Crohn ereinigung erhalten hat. Dort heißt es: „Im Interesse er Menschen mit chronisch entzündlichen Darmerkran- ungen und aller chronisch Kranken bitten wir Sie, die- em Antrag zuzustimmen und seine Umsetzung durch ie Bundesregierung engagiert zu begleiten.“ Ich will das gerne tun. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, bei gleichblei- ender Patientensicherheit die Anforderungen an nicht- ommerzielle klinische Studien besser damit in Einklang u bringen, was die Wissenschaft finanziell, administra- iv und personell leisten kann. An einem Rücklauf dieser tudien kann keinem gelegen sein. Das Bundesfor- chungsministerium ist das Problem bereits angegangen nd hat im Dezember 2006 Experten zu einem Work- hop zusammengerufen. Die Wissenschaft hat dort eine eihe Verbesserungsvorschläge gemacht, die zum Teil uch Eingang in unseren Antrag gefunden haben. Jetzt liegt der Ball im Feld des Bundesgesundheitsmi- isteriums, das nun aufgerufen ist, die Vorschläge zu rüfen und an Vereinfachungen, im nationalen wie auch m europäischen Kontext, mitzuwirken. Neben Vereinfa- hungen in der Bürokratie, etwa bei Melde- und Doku- entationspflichten (ich will die Details jetzt nicht nen- en, sie sind dem Antrag zu entnehmen) müssen wir emeinsam daran arbeiten, Deutschland als Standort der linischen Forschung besser aufzustellen. Ärzte, die sich der klinischen Forschung widmen, ha- en heute mehrere Nachteile gegenüber ihren Kollegen n der Patientenversorgung. Klinische Forscher verdie- en in der Regel weniger. Gerade der neue Tarifvertrag at diese Situation verschärft; leider ist dieser Aspekt in en Tarifverhandlungen von Ärzteseite nicht themati- iert worden, sondern kam erst nachträglich auf den isch. Zudem fehlt es an einer systematischen Ausbil- ung zum forschenden Mediziner, wie sie im Ausland blich ist. Auch gibt es zu wenige Karriereanreize für orschende Mediziner. Das Interesse an einer For- chungskarriere muss schon im Medizinstudium gelegt erden. Hier sind nicht nur der Bund, sondern auch die undesländer, die Ärztekammern und die Universitäten it guten Ideen gefragt. Mehr Anerkennung für die klinische Forschung muss ich aber auch bei den Kostenträgern durchsetzen. Da ichtkommerzielle klinische Studien essenziell für eine ochwertige Behandlung sind, müssen auch die Kosten- räger an ihrer Finanzierung beteiligt werden. 15032 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) Das Bundesforschungsministerium fördert bereits ge- meinsam mit der DFG klinische Studien mit 20 Millio- nen Euro jährlich. Zusätzlich werden vom BMBF „Langzeitstudien in der Gesundheitsforschung“ geför- dert, die nichtkommerzielle klinische Studien mit einem langen Untersuchungszeitraum unterstützen. Aber der wissenschaftliche Fortschritt der Medizin lässt sich nicht allein aus Forschungsgeldern bestreiten. Auch die Kassen haben die Pflicht zur Qualitätssiche- rung. § 135 a SGB V verpflichtet die Leistungserbringer zur „Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der von ihnen erbrachten Leistung“. Dies ist ohne Forschung nur schwer zu erreichen. Die „Task Force Pharma zur Verbesserung der Standortbedingungen und der Innova- tionsmöglichkeiten der pharmazeutischen Industrie in Deutschland“ unter Vorsitz des Bundesgesundheitsmi- nisteriums hat bereits 2005 empfohlen, eine Beteiligung der Kostenträger im Gesundheitswesen an der Finanzie- rung der versorgungsorientierten Forschung zu errei- chen. Die Kassen erklären ihr fehlendes Engagement oft mit einer unklaren Rechtslage. Das Bundesgesundheits- ministerium sollte hier endlich Klarheit schaffen, dass sich aus den Regelungen von SGB V kein generelles Forschungsverbot für die Kostenträger im Gesundheits- wesen ableiten lässt. Vielmehr ist Forschung, die der Verbesserung der Versorgung dient, ausdrücklich im Sinne der Krankenkassen und eines effizienten Mittel- einsatzes der gesetzlichen Krankenversicherung. Nur wer kurzsichtig ist, verliert über den Kosten der Forschung deren Nutzen aus dem Blick. Wer den Weit- blick behält, der weiß, dass Therapieoptimierung häufig sogar beim Sparen hilft. In diesem Sinne: Streifen wir der klinischen For- schung in Deutschland endlich ihre Fesseln ab! Es steckt viel Potenzial in ihr – wir müssen es nur freisetzen. Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU): Im Grundsatz- programm der Union, das wir im Dezember vergange- nen Jahres in Hannover beschlossen haben, bringen wir unsere positive Einstellung und Wertschätzung von Wis- senschaft und Forschung zum Ausdruck. Eine unserer Kernaussagen lautet dort: Wissenschaft und Forschung entscheiden über den materiellen und immateriellen Wohlstand einer Ge- sellschaft und tragen zur Bewältigung der großen Herausforderungen der wachsenden Weltbevölke- rung bei. Ausdrücklich nennen wir als eines unserer Ziele: Wir werden Forschung in Deutschland von bürokratischen Fesseln befreien. Der heute zur Debatte und Abstimmung stehende An- trag zur Förderung der nichtkommerziellen klinischen Studien in Deutschland weist eindeutig in diese Rich- tung. Die medizinische Forschung und der daraus resul- tierende medizinische Fortschritt gehören zu den we- sentlichen Grundlagen unseres Lebens, dafür dass sich u e d b w w r z b L s t m n p b d P K z ü k E d s n w i f t s P F s s d d A g g S r v d s s l a s s c n (C (D nsere Chancen, ein hohes Alter bei guter Gesundheit zu rreichen, enorm verbessert haben. Auf kaum einem an- eren Fachgebiet profitieren die Menschen so unmittel- ar vom Fortschritt, von neuen Entdeckungen und Ent- icklungen wie in der Medizin. Forschung und Innovationen aus Deutschland sind eltweit anerkannt. Dies gilt gerade auch für den Be- eich der Medizin und des Gesundheitswesens. Die hier usammengetragenen Forderungen und Anregungen ge- en uns in der Gesundheitspolitik einen ambitionierten eitfaden zur Steigerung der Effektivität in der klini- chen Forschung an die Hand. Wenn wir unsere interna- ionale Spitzenposition in der Medizin halten wollen, üssen wir unsere Ressourcen besser nutzen. Wir kön- en uns unnötigen Ballast in der Dokumentation, dop- elte Überprüfungen und weitere organisatorische und ürokratische Hemmnisse nicht mehr leisten. Gerade der therapieoptimierende Ansatz dieser Stu- ien ist von erheblichem Nutzen für die betroffenen atienten und führt nicht zuletzt auch zu niedrigeren osten. Hier ist die durch das WSG ermöglichte Finan- ierung – zumindest die Kofinanzierung – durch Kosten- bernahme der Arzneikosten durch die gesetzliche Kran- enversicherung ein Schritt in die richtige Richtung. benso ist es erforderlich, dass die Versorgungskosten er Patientinnen und Patienten im abrechenbaren und er- tattungsfähigen Bereich von den Krankenkassen über- ommen werden und nur der studienbedingte Mehrauf- and von der die Studie tragenden Einrichtung zu tragen st. Darüber hinaus müssen eine weitere Beteiligung öf- entlicher Finanzmittel und eine Einbeziehung der Kos- enträger im Gesundheitswesen geprüft werden, die Frei- tellung und Ausbildung des wissenschaftlich-ärztlichen ersonals gefördert werden und der Austausch zwischen orschung und Wissenschaft und angewandter medizini- cher Tätigkeit unbürokratisch organisiert werden. Wir haben eine erfolgreiche Tradition in der medizini- chen Forschung. Wir wollen sie fortführen, um die me- izinische Versorgung, die Heilung von Krankheiten und ie Vorsorge zu sichern und zu verbessern. Es ist unsere ufgabe, das heißt die Aufgabe der Politik, dafür zu sor- en, dass unsere Wissenschaftler gute Arbeitsbedingun- en vorfinden und beste Voraussetzungen dafür haben, pitzenergebnisse zu erzielen. Für uns ist nicht nur ganz klar, dass wir unnötige bü- okratische Hürden abbauen und zugleich auch alle sinn- ollen Maßnahmen ergreifen, um die Bedingungen für ie nichtkommerzielle klinische Forschung zu verbes- ern. Wir können auch davon ausgehen, dass das Ge- undheitswesen im Zuge der demografischen Entwick- ung bei uns wie in anderen europäischen und ußereuropäischen Ländern expandiert. Der medizini- che Fortschritt führt dazu, dass der Gesundheitsbereich ich zu einem der weltweiten Wachstumsmärkte entwi- kelt. Dies müssen wir von politischer Seite unterstützen, icht nur durch die Bereitstellung ausreichender finan- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15033 (A) ) (B) ) zieller Mittel, sondern ebenso durch schlanke, transpa- rente organisatorische Rahmenbedingungen. Wir müssen endlich die Scheu überwinden, den Gesundheitsbereich allein unter sozialen, sondern auch unter wirtschaftli- chen Aspekten zu betrachten. Wir müssen das öffentli- che Bewusstsein dafür stärken, dass soziale und wirt- schaftliche Interessen keineswegs Gegensätze sind. René Röspel (SPD): Klinische Studien sind ein existenzieller Bestandteil der modernen Gesundheitsfor- schung. Sie tragen maßgeblich dazu bei, dass unser Wis- sen über die Entstehung und den Verlauf von Krankhei- ten wächst. Erst die Überprüfung von therapeutischen sowie diagnostischen Verfahren in einem kontrollierten Umfeld schafft die Voraussetzungen für eine fundierte Bewertung etwa von Arzneimitteln. Grundsätzliches Ziel des von den Koalitionsfraktio- nen der SPD und der CDU/CSU eingebrachten Antrages ist es, Studien aus dem wissenschaftsinternen Bereich zu fördern, die nicht etwa im Rahmen einer Arzneimittelzu- lassungsprüfung durchgeführt werden sollen, jedoch neue Erkenntnisse generieren könnten. So kann hier durch staatliche Finanzierungshilfen Wissen entstehen, welches allein durch die Aktivitäten der Pharmaindustrie nicht entstehen würde. Der Bereich der nichtkommerziellen klinischen Stu- dien ist ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit einer staatlichen Grundlagenforschung. Es gibt nun einmal be- stimmte Forschungsfelder, die durch Unternehmen nicht bearbeitet werden, da hier keine Gewinne erwartet wer- den. Diese Bereiche werden dann auch noch zu selten etwa an Universitäten beforscht, da etwa die Kosten zu hoch sind. Hier muss der Bundestag Hilfe bereitstellen, damit mehr nichtkommerzielle klinische Studien in Deutschland durchgeführt werden können. Zwar werden schon seit Jahren nichtkommerzielle klinische Studien durchgeführt. Durch Verbesserungen im Zuge der 12. und 14. AMG-Novelle haben wir bereits vor einiger Zeit die Anforderungen an Sicherheit und Qualität dieser Studien angepasst. Im Rahmen des Antrages wurde versucht, den immer sehr schwierigen Ausgleich zwischen der Vermeidung von überflüssiger Bürokratie und notwendigem Proban- denschutz zu schaffen. Grundsätzlich gilt, dass der Schutz der Probanden aus Sicht unserer Fraktion immer Vorrang haben muss. Wir haben daher in unseren Antrag die Forderung nach der Etablierung eines standardisier- ten, vereinfachten Meldesystems für Nebenwirkungen aufgenommen. Als Forschungspolitiker interessieren mich selbstver- ständlich insbesondere die forschungs- und wissen- schaftspolitischen Aspekte von nichtkommerziellen kli- nischen Studien. An erster Stelle denke ich hierbei an das nächste Ge- sundheitsforschungsprogramm der Bundesregierung. Diesbezüglich fordert unser Antrag, dass man die krank- heits- und patientenorientierte Forschung weiter stärken m d z d g d P m l d n m S w b g s t s l t d n d l s d r c h z b F V d F k M D d i i e T s B t n n s n u (C (D uss. Auch sollen Förderinstrumente entwickelt wer- en, um eine Anschubfinanzierung für nichtkommer- ielle klinische Studien bereitzustellen. Ich bin mir sicher, ass die zuständigen Bundesministerien unsere Anre- ungen aufnehmen werden und bei der Ausgestaltung es Programms diese Forderungen entsprechend in die rojektgestaltung einfließen lassen werden. Auch sage ich ganz klar, dass wir die Ausbildung von edizinischem Personal verbessern müssen, damit jene eichter Studien durchführen können. Hierzu zählt auch ie Möglichkeit, Personal für die Durchführung von kli- ischen Studien freizustellen. Denkbar wäre auch, dass an Erfahrungen in der Durchführung von klinischen tudien positiv bei der Bewertung zum Beispiel von Be- erberinnen und Bewerbern etwa bei Stellenausschrei- ungen berücksichtigen könnte. Oder aber man bindet ewisse finanzielle Anreize an Erfahrungen mit klini- chen Studien. Hier sind selbstverständlich nicht in ers- er Linie die Politik, sondern die Arbeitgeber gefordert. Wir wollen, dass die Ausbildung für klinische For- cher und für das beteiligte Personal ausgebaut und qua- itativ verbessert wird. Die Investitionen, die man hier ätigt, werden unserer Gesellschaft und hier insbeson- ere den Patientinnen und Patienten auf viele Jahre hi- aus zugutekommen. Langfristig könnte es sogar sein, ass die Verbesserung der klinischen Forschung zur angfristigen Finanzierbarkeit unseres Gesundheitswe- ens beitragen wird. Damit überhaupt nichtkommerzielle klinische Studien urchgeführt werden, muss es natürlich finanzielle An- eize geben. Hierzu zählt auch, dass man die gesetzli- hen – aber auch die privaten – Krankenkassen darauf inweist, dass sie durch die Ergebnisse nichtkommer- ieller klinischer Studien Vorteile haben. Neben der ver- esserten Versorgung ihrer Versicherten sind hier auch ragen der Versorgungseffizienz sowie der Qualität der ersorgung relevant. Alle Krankenkassen sollten sich aher fragen lassen, ob sie nicht – in welcher konkreten orm auch immer – einen Beitrag zur Verbesserung der linischen Forschung leisten können. Neben den finanziellen Anreizen gibt es auch diverse öglichkeiten, um auf organisatorischer Ebene die urchführung von nichtkommerziellen klinischen Stu- ien zu erleichtern. Diesbezüglich ist es notwendig, dass n Deutschland ein nationales Register aufgebaut wird, n dem alle national durchgeführten klinischen Studien inheitlich registriert werden. Wir brauchen eine größere ransparenz über laufende, abgebrochene und abge- chlossene Studien. Ich freue mich sehr darüber, dass das undesministerium für Bildung und Forschung im Sep- ember 2007 angekündigt hat, mit insgesamt 2,2 Millio- en Euro über zunächst vier Jahre den Aufbau eines natio- alen Registers an der Universität Freiburg zu fördern. Register sind selbstverständlich insbesondere dann ehr nützlich, wenn der Zugang zu ihnen nicht durch un- ötige Bürokratie behindert wird. Daher fordern wir in nserem Antrag, dass der öffentliche Zugang zu nationa- 15034 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) len und europäischen Registern für klinische Studien er- leichtert wird. Wir haben erkannt, dass wir die Rahmenbedingungen insbesondere für nichtkommerzielle klinische Studien weiter verbessern müssen. Wir wollen mir unserem An- trag einen Beitrag zu diesem Prozess leisten. Das Bun- desministerium und auch die Deutsche Forschungsge- meinschaft leisten hier schon seit Jahren einen wichtigen Beitrag. Wir als Parlament werden unseren Teil dazu beitragen, die Rahmenbedingungen für die Gesundheits- forschung in Deutschland konsequent weiterzuentwi- ckeln und zu verbessern. In diesem Zusammenhang freue ich mich sehr da- rüber, dass die FDP im federführenden Ausschuss für Bildung und Forschung unseren Antrag mit unterstützt hat und sich die Vertreter der Linken und der Grünen bei der Abstimmung lediglich enthalten haben. Dies zeigt: Auch die Oppositionsfraktionen erkennen unser Bemü- hen an, die Durchführung nichtkommerzieller klinischer Studien in Deutschland zu erleichtern. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Nichtkommerzielle kli- nische Studien sind Studien, die nicht von der pharma- zeutischen Industrie initiiert werden, sondern von Uni- versitätskliniken oder sonstigen Krankenhäusern und Versorgungseinrichtungen. Die nichtkommerzielle For- schung ist in besonderem Maße Grundlage für eine qua- litätsgesicherte medizinische Versorgung: Es werden un- ter anderem etablierte diagnostische und therapeutische Methoden auf ihre Wirksamkeit, Nebenwirkungen und Leistungsfähigkeit überprüft. Im Rahmen von klinischen Prüfungen wird zum Beispiel auch bei seltenen Erkran- kungen untersucht, ob eine Arzneimitteltherapie wirk- sam ist, außerhalb der Indikation, für die der Hersteller die Zulassung beantragt und erhalten hat. Der größte Teil dieser Studien wird über Drittmittel und öffentliche Gel- der finanziert. Es ist richtig, dass wir als Gesetzgeber uns mit den Rahmenbedingungen für diese Studien beschäf- tigen. Der Antrag enthält sehr viele Maßnahmen, die ich lei- der aufgrund der begrenzten Zeit nicht alle einzeln wür- digen kann. Ich werde mich nur auf zwei zentrale Punkte beschränken. Ein Punkt ist die Aufforderung, ein nationales Regis- ter zu etablieren, in dem alle durchgeführten Studien zu Beginn einheitlich registriert werden. Die Gründe für ab- gebrochene Studien und die Ergebnisse abgeschlossener Studien sind zu erheben, Das Bundesforschungsministe- rium unterstützt bereits den Aufbau eines Registers an der Universität Freiburg, den es selbstverständlich weiter zu befördern gilt. Der Schwerpunkt der Formulierung im Antrag liegt allerdings auf dem Wörtchen „alle“: Alle Studien sollen dort registriert werden. Die Gewähr aber, dass wirklich jede Studie registriert wird, hat man nur, wenn es eine gesetzliche Pflicht dazu gibt. Keine Ethik- kommission wird ihr Votum von der Registrierung der Studie abhängig machen, wenn es vom Gesetz nicht ver- langt wird. m e u r A d w i d a n v d d b M t d g h i t a d D f T r k z P g d D w w d t d S n z B b S d s F P ü (C (D Es ist richtig, dass es für den Bereich der Nichtarznei- ittelstudien keine Rechtsgrundlage gibt, auf der man ine bundesweite Lösung aufbauen könnte. Das sollte ns aber nicht davon abhalten, da eine Pflicht einzufüh- en, wo wir Bundesgesetze erlassen können, nämlich im rzneimittelbereich. Ich denke auch nicht, dass dadurch ie Registrierung der Nichtarzneimittelstudien leiden ürde. Im Gegenteil könnte eine gesetzliche Regelung m einen Bereich für den anderen Bereich einen Stan- ard setzen. Letztlich kann es nicht sein, dass wir große Summen ufbringen für die Einrichtung eines Registers, wenn icht sichergestellt ist, dass es auch vollständig ist. Un- ollständige Register nützen nur sehr bedingt. Unter an- erem kann ein solches Register keine sicheren Angaben arüber machen, ob eine Prüfung an einem anderen Ort ereits durchgeführt wurde. Überflüssige Forschung am enschen ist unethisch und muss vermieden werden. Wir wollen auch, dass der öffentliche Zugang zu na- ionalen und europäischen Registern für klinische Stu- ien erleichtert wird und bürokratische Hemmnisse ab- ebaut werden. Ärzte und Patienten sollen das Recht aben, sich über klinische Studien zu informieren. Der zweite Punkt, auf den ich näher eingehen möchte, st die Aufforderung, Daten aus Studien mit Krebspa- ienten in die entsprechenden klinischen Krebsregister ufzunehmen. Klinische Krebsregister zielen darauf ab, ie Behandlung von Tumorerkrankungen zu verbessern. amit klinische Register wirklich gute Ergebnisse lie- ern können, müssen die Erkrankungen der jeweiligen herapieeinrichtung vollzählig erfasst werden. Es gäbe noch vieles anzumerken. Nur so viel: Unbe- ührt von unserem Antrag bleibt die Verpflichtung nicht- ommerzieller Sponsoren, hochqualitative Studien vor- ulegen: hinsichtlich der Studiendesigns und der atientensicherheit, aber auch hinsichtlich der vorzule- enden Unterlagen. Wenn dies gegeben ist und die For- erungen unseres Antrags umgesetzt wurden, kann eutschland sich als Standort für international wettbe- erbsfähige klinische Forschungsvorhaben weiterent- ickeln. Das ist wichtig für eine qualitätsgesicherte me- izinische Versorgung der Bevölkerung. Cornelia Pieper (FDP): In dem Antrag der Koali- ion – den meine Fraktion im Übrigen unterstützt – rängt die Bundesregierung darauf, den bereits unter chwarz-Gelb begonnenen Weg der Förderung der ichtkommerziellen klinischen Studien konsequent fort- usetzen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung, MBF, und die Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG, auen seit Jahren ihre Förderprogramme für klinische tudien aus. Das allein reicht aber nicht. Es müssen auch ie Rahmenbedingungen stimmen. Klinische Studien ind – und da sind wir uns alle einig – unverzichtbar, um orschungsergebnisse für die Weiterentwicklung von rävention, Diagnose und Therapie in die Anwendung berführen zu können. Erst wenn gesicherte Erkennt- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15035 (A) ) (B) ) nisse vorliegen, kann ihr Einsatz beim Patienten verant- wortet werden. Mithilfe der bisherigen und künftiger Förderprogramme werden sogenannte wissenschaftsini- tiierte, nichtkommerzielle klinische Studien finanziert. Es wird die Durchführung wissenschaftlich hochrangi- ger, multizentrischer Studien unterstützt, durch die das Know-how an deutschen Universitätskliniken für die Planung und Durchführung klinischer Studien auf inter- nationales Niveau gehoben und breit etabliert werden. Doch leider werden auf der anderen Seite erhebliche Hürden errichtet. Der uns vorliegende Antrag zeigt sehr anschaulich, wo wir heute stehen und welche Hemmnisse für nicht- kommerzielle klinische Studien bestehen, die häufig der Therapieoptimierung bzw. dem Therapievergleich die- nen. Ja, es existieren in Deutschland erhebliche bürokra- tische und finanzielle Hürden für die Wissenschaft. Für nichtkommerzielle klinische Studien ist es nicht einfach, all die Anforderungen zu erfüllen. Ich spreche hier be- wusst die 12. und 14. Novelle des Arzneimittelgesetzes an, durch die die Rahmenbedingungen auch für diese Art von Studien noch einmal verschärft worden sind. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, die Bedingungen für die klinischen Studien zu erleichtern, ohne die Qualität der Durchführung zu beeinträchtigen. Das heißt, wir müssen den bürokratischen Aufwand in vertretbaren Grenzen halten und zum Beispiel Fristen im Rahmen der Beantragungen und Registrierungen so gestalten, dass sie auch eine Klinik erfüllen kann, die nicht jeden Tag solche Studien durchführt. Wir müssen uns darum küm- mern, dass der Versicherungsschutz nicht zu einem un- überwindbaren Hindernis wird. Und wir müssen dafür sorgen, dass die Forschung in Form der klinischen Stu- dien gefördert wird. Der Antrag ist ein erster Ansatz auf dem Weg, den Standort Deutschland für die klinische Forschung wei- terzuentwickeln. Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Der Antrag soll die nichtkommerzielle Forschung in Deutschland stärken, die von der Wissenschaft selbst initiiert wird. Diese Ar- beiten dienen vor allem der Qualitätssteigerung der Pa- tientenversorgung und der Qualifizierung des gesamten Gesundheitssystems. Diese grundsätzlichen Ziele des Antrags teilt die Linke. Leider jedoch bleiben viele Vor- schläge halbherzig und damit hinter den Erwartungen zurück. Fragen der Kostenerstattungen, Strukturverände- rungen und präziser Verantwortungsübernahme werden nicht konsequent und konkret abgearbeitet. Alle Beteiligten wissen, dass die Einführung von Fall- pauschalen im stationären Bereich des Gesundheitswe- sens und geringere Zuführungen für Forschung und Lehre aus Länderhaushalten den Universitätsklinika die Finanzierung nichtkommerzieller klinischer Studien er- heblich erschwert haben. Einnahmeverluste ergeben sich auch infolge von Hochschulstrukturreformen. Universitätsklinika mit ih- ren spezifischen Aufgabenstellungen – von der Kranken- v e K t t A k B n T a s a D w b e s f s s u F o I b e a m s C K P e s b t W a d d m s F s s U l l a p r F P M (C (D ersorgung über Forschung bis hin zur Lehre – sind in inen für sie unfairen Wettbewerb gestoßen worden. Die assen dürfen nicht, Bund und Länder wollen die Kos- en nicht tragen. An dieses Grundproblem geht der An- rag gar nicht heran. Rechtsformänderungen und die usgliederung bzw. Privatisierung profitabler Bereiche omplizieren die Finanzsituation zusätzlich. Die vom undesministerium ausgelobten 20 Millionen Euro für ichtkommerzielle Studien sind daher der berühmte ropfen auf den heißen Stein. Denn was nützt es, die Re- genzien zu bezahlen, wenn mittlerweile ganze For- chungslabore geschlossen werden müssen? Es kann lso nicht wundern, wenn im europäischen Vergleich eutschland nur wenige nichtkommerzielle Studien vor- eisen kann. Nur was sich rechnet, darf an den Universitäten noch eforscht werden. Längst gilt das Primat der Drittmittel- inwerbung als Maßstab forschender Größe. Unter die- em Diktat kann eine freie Forschung nicht mehr statt- inden. Nicht die vermeintliche Überbürokratisierung, ondern die Kommerzialisierung der klinischen For- chung ist das Haupthindernis für eine stärker pharma- nabhängige Forschung. Schon jetzt ist die Verengung der Forschung und der ördermittel auf lukrative Bereiche der Medizintechnik der Blockbuster verordnungsstarker, aber zweifelhafter nnovationen enorm. Klinische Forschung aber muss reit angelegt sein, im Interesse der Gesundheit aller und ines guten Gesundheitssystems. Dass wir einen Mangel n industrieunabhängiger Expertise haben, dass Dritt- ittel aus der Wirtschaft massiven Einfluss auf die klini- che Forschung nehmen, zeigt aktuell die Klage des hefs der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Andreas öhler. Er moniert, dass Forscher auf Druck der harmabranche ihre Zusagen, Studien für das IQWiG zu rarbeiten, zurückgezogen haben. Kaum noch ein For- cher steht nicht auf Gehaltslisten der Unternehmen. Die Linke will der Gefahr entgegenwirken, dass ins- esondere die Pharmaindustrie bereits auf die Ausrich- ung der Grundlagenforschung Einfluss nehmen kann. ir fordern eine Umschichtung der Forschungsmittel us der Pharma-Initiative, für die die Bundesregierung in en nächsten Jahren insgesamt 800 Millionen Euro für ie Subventionierung bereits renditestarker Pharmafir- en aufwenden will. Damit sollten zum Beispiel ent- prechende Programme des Bundes und der Deutschen orschungsgemeinschaft für nichtkommerzielle For- chung aufgestockt werden. Das gesamte Finanzierungssystem von Krankenver- orgung und Wissenschaft muss dem Mehraufwand von niversitätsklinika Rechnung tragen. Diese haben näm- ich den Auftrag, neben Maximalversorgung und Hoch- eistungsmedizin Forschung und Lehre zu sichern. Auch us unserer Sicht erscheint es allemal sinnvoll, zu über- rüfen, ob und wie weitere Kostenträger in die Finanzie- ung einzubinden sind. Denkbar wäre in der Tat ein onds, der sich anteilig an den Werbeausgaben von harmafirmen bemisst. Immerhin beträgt der Anteil von arketingausgaben am Gesamtumsatz von Pharmakon- 15036 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) zernen durchschnittlich circa 40 Prozent, während For- schungsausgaben bei 10 Prozent liegen. Weitere Einzah- ler könnten gesetzliche Krankenversicherungen und der Staat sein. Vor diesem Hintergrund würden dann Forde- rungen dieses Antrages nach mehr Ausbildung und Frei- stellung von Personal für Forschungen und Mitarbeit in Ethikkommissionen realistisch zu diskutieren sein. Der Antrag befürwortet Kassenerstattungen für inner- halb einer Studie eingesetzte Arzneimittel. Die Gefahr besteht, dass auf die Versicherten damit immense Kosten zukommen und lediglich die Industrie einen echten Nut- zen daraus ziehen kann. Ebenso wenig macht der Antrag Vorschläge, wie und durch wen Kosten im ambulanten Bereich zu schultern sind. Letztlich sind Genehmigungsverfahren, wie gefor- dert, ständig zu überprüfen und, wo sinnvoll, auch zu vereinfachen. Zuerst aber sollten keine Gebühren für nichtkommerzielle Studien erhoben werden. Dafür müssten Ressourcen von Behörden aufgestockt und nicht etwa Normen aufgeweicht werden. Das würde der Akzeptanz nichtkommerzieller Studien schaden, weil sich damit ihre bisher geschätzte wissenschaftliche Qua- lität infrage stellen würde. Genau diese gilt es jedoch zu sichern. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wir sprechen heute über einen Antrag der Regie- rungsfraktionen, der ein wichtiges Thema behandelt, aber leider keinen echten Fortschritt bringt. Auch wenn der Antrag im Titel behauptet, es gehe um alle Arten von nichtkommerziellen klinischen Studien, so greift er doch ausschließlich die Arzneimittelforschung auf. Gerade dies ist der Bereich der klinischen Forschung, wo Rege- lungen im Interesse des Probandenschutzes existieren. Viel relevanter wäre es, sich dem fehlenden Probanden- schutz in der Nichtarzneimittelforschung zu widmen. Doch nun zum Gegenstand des Koalitionsantrages. Die Regelung nicht kommerzieller klinischer Arzneimit- telstudien liegt an der Schnittstelle der Bereiche For- schung und Gesundheit. Zentrale Regelungen finden sich im auf EU-Richtlinien basierenden Arzneimittelge- setz samt zugehöriger Verordnungen. Bei der 12. Arznei- mittelgesetznovelle unter Rot-Grün wurden umfassende Neuerungen für Arzneimittelstudien verabschiedet. Da- bei wurde ausführlich über nichtkommerzielle Therapie- optimierungsstudien diskutiert und der maximale Spiel- raum innerhalb der EU-Richtlinie ausgelotet. Die gefundenen Regelungen waren ein Kompromiss zwi- schen den Bedürfnissen der Forschenden und den Inte- ressen der Probandinnen und Probanden. Als positiver Nebeneffekt wurde von verschiedener Seite angebracht, dass durch die neuen Regelungen auch wissenschaftlich eher fragwürdigen Studien ein Riegel vorgeschoben würde. Das ist ein Wert an sich, weil er Probandinnen und Probanden geschont hat und durch ein höheres Be- gründungsniveau auch das Forschungsniveau angehoben hat. Ein Grundproblem dieses Antrags und seiner Forde- r n d u n A d P a t k a d r m p d c E d i ü b g a u G n K e r d i e s g t s n i e l w E d b l e l u a n w B d k s z (C (D ung nach Erleichterungen für nichtkommerzielle Arz- eimittelstudien ist, dass er keinen Lösungsvorschlag für as zentrale Problem bietet: die notwendige eindeutige nd klare Abgrenzung zwischen kommerziellen und ichtkommerziellen Studien. Nun noch zwei konkrete Beispiele aus dem Antrag: lle, die sich mit klinischen Studien befassen, wissen, ass der Aspekt der Versicherung der Probandinnen und robanden ein neuralgischer ist. Die Union erkennt das usdrücklich an, die SPD nennt in der Ausschussbera- ung sogar einen Lösungsvorschlag. Aber wie üblich ann sich die Koalition nicht einigen, und so bleibt es uch in dem Bereich, in dem die Regelungskompetenz es Bundes eindeutig ist, bei einer vagen Absichtserklä- ung. Sie fordern, „die Einrichtung einer Arbeitsgruppe it der Versicherungswirtschaft und der Wissenschaft zu rüfen, um einen Katalog von Risikoklassen der Proban- enversicherung zu erstellen, nach dem zukünftige Versi- herungsbeiträge abgestuft entrichtet werden könnten.“ s geht also darum, dass erst einmal geprüft wird, ob sich ie Beteiligten zusammensetzen können – ehrlicherweise st vielleicht eher zu prüfen, ob die das wollen –, um dann ber Risikokriterien zu reden, nach denen Versicherungs- eiträge ausgestaltet werden können. Statt der Bundesre- ierung klare Arbeitsaufträge zu erteilen, schiebt die Ko- lition den Ball den beiden Parteien zu, die diametral nterschiedliche Interessen haben. Sieht so politische estaltung aus? Da hilft kein weiterer Stuhlkreis des Mi- isteriums mit der Wirtschaft, da müssen mit Fachleuten riterien entwickelt werden, und dann muss politisch ntschieden werden. Und genau hier, bei der Versiche- ungsfrage, kann sich die Bundesregierung nicht hinter er Kompetenzfrage verstecken: Das Versicherungsrecht st Bundesrecht. Hier muss nachgelegt werden. Denn an inen Placeboeffekt, dass die Versicherungswirtschaft ich allein aufgrund einer Arbeitsgruppe bewegen wird, laubt die Koalition doch selbst nicht! Mein zweites Beispiel für die Hasenfüßigkeit des An- rags ist die wachsweiche Forderung zum Register. Wir ind uns doch einig, dass abgestimmte und auf dem euesten Stand basierende Forschung nur dann möglich st, wenn es ein, möglichst in internationale Strukturen ingebundenes, nationales Register über alle in Deutsch- and durchgeführten klinischen Studien gibt. Nur dann issen die Forschenden, was die Fragestellungen und rgebnisse, aber eben auch die Nebenwirkungen sowohl er laufenden als auch der abgeschlossenen und abge- rochenen Studien sind. Aber statt entsprechende gesetz- iche Regelungen vorzuschlagen, äußern Sie demütig ine Bitte an die Bundesregierung. Wer ist hier eigent- ich der Gesetzgeber? Ich dachte, es sei die Koalition nd sie habe auch Einfluss auf das Regierungshandeln – ber dieser Antrag lässt nur den Schluss zu, dass dies icht der Fall ist. Unser Fazit: Wir lehnen den Antrag ab, eil sich der Antrag der Koalition darauf beschränkt, die undesregierung sehr abstrakt zum Handeln aufzufor- ern. Der Antrag hat den Charakter eines reinen „Tätig- eitsnachweises“ gegenüber den Forscherinnen und For- chern. Wirklich weiterbringende Ergebnisse sind nicht u erwarten. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15037 (A) ) (B) ) Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht: Für eine Initiative der Bundesregierung mit dem Ziel einer humanitären, kohärenten und nachhal- tigen Ausrichtung der europäischen Flücht- lingspolitik – Antrag: Die deutsche Ratspräsidentschaft für eine grundlegende Wende der europäi- schen Migrations- und Flüchtlingspolitik nutzen (Tagesordnungspunkt 14) Reinhard Grindel (CDU/CSU): Die Anträge der Grünen und der Linken beziehen sich auf Erwartungen zur europäischen Flüchtlingspolitik im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die ersichtlich be- reits längere Zeit hinter uns liegt. Deswegen kann ich bei dieser Gelegenheit festhalten: Die deutsche EU-Ratsprä- sidentschaft war, insbesondere was die Fragen der Flüchtlingspolitik und der inneren Sicherheit angeht, sehr erfolgreich, gerade weil wir die Anträge der Oppo- sition nicht berücksichtigt haben. Herzlichen Glück- wunsch an das Bundesinnenministerium. Wenn man die Anträge heute liest, stellt man fest, das auch andere EU-Staaten – übrigens unabhängig davon, ob dort Sozialisten oder Konservative regieren – gerade nicht die Politik betreiben, die Grüne und Linke für Deutschland fordern. Ob Spanien, Italien, Griechenland oder Malta, alle diese Länder haben – bei Beachtung der europäischen und internationalen Menschenrechts-Konventionen – die Grenzsicherung verstärkt. Sie haben begriffen, dass man keine falschen Pull-Effekte aussenden darf. Sie haben klar erkannt, dass eine Politik, die die Zuwanderung nicht steuert, am Ende nur Schleppern und Schleusern nutzt. Wir können das Flüchtlingselend in Afrika oder anderen Regionen der Welt nur vor Ort, aber nicht auf dem Boden der Europäischen Union lösen. Alle Länder haben eine konsequente Rückführungs- politik betrieben, wie wir das in Deutschland angesichts der großen Zuströme von Rumänen und Bulgaren Mitte der 90er-Jahre gemacht haben. Nur eine konsequente Rückführung kann vor Ort in Afrika oder Asien Schlep- pern oder Schleusern das Handwerk legen, weil es sich herumspricht, dass es keinen Sinn macht, zum Teil Zehntausende von Dollar auszugeben und dann in Le- bensgefahr im Mittelmeer oder vor den Kanarischen In- seln zu geraten oder nach kurzer Zeit bereits wieder in das Heimatland abgeschoben zu werden. Wir haben im Rahmen von FRONTEX solidarisch den Mittelmeeranrainern geholfen, illegale Migration zu unterbinden und die EU-Außengrenzen zu sichern, und wir haben auch den besonders belasteten Transitländern humanitäre Hilfe und organisatorische Unterstützung ge- währt. Ich will eines klar betonen: Gerade angesichts des i n A e d n e e c w b n l w R g g b t k w a r a t l w a m r e m s e g z b A T l E e d k z m k w b t L l d (C (D mmer größer werdenden Schengen-Raums gibt es zu ei- er lückenlosen und effizienten Grenzsicherung keine lternative. Diese Erkenntnis hat sich jetzt – man möchte sagen: ndlich – auch bei der Brüsseler EU-Kommission urchgesetzt. Die EU-Kommission hat jetzt ein Maß- ahmenpaket gegen die illegale Migration vorgelegt: in sogenanntes Entry-Exit-System, das nicht nur alle inreisenden, sondern erstmals auch ausreisende Besu- her an den Grenzübergängen registrieren soll. Damit erden wir insbesondere das Problem der Overstayer esser lösen können, also die Feststellung von Perso- en, die zwar ein reguläres Visum haben, sich jedoch änger als erlaubt im Schengen-Raum aufhalten und omöglich während ihres Aufenthalts auch andere eisezwecke verfolgen. Es sollen erstmals auch Fin- erabdrücke und Fotos von allen Visumantragstellern emacht werden. Damit können wir den Visummiss- rauch entschieden bekämpfen. Zweitens soll es für alle Besucher der EU eine elek- ronische Reisegenehmigung geben, auch wenn diese ein Visum benötigen. Dies spielt vor allem bei Ländern ie Spanien bei der illegalen Zuwanderung aus Latein- merika eine Rolle. Und drittens soll EUROSUR ein eu- opäisches Überwachungssystem etabliert werden, das lle nationalen Radarschirme, Infrarotkameras und Sa- ellitensysteme organisatorisch zusammenfügt, um eine ückenlose Überwachung der EU-Außengrenzen zu ge- ährleisten. Und wer jetzt davon redet, dass sich Europa weiter bschottet, dass es eine Festung Europa gibt, dem kann an nur entgegenhalten: Nein, in Wahrheit geht es da- um, mit der Verhinderung der illegalen Zuwanderung ben auch Tote unter den Bootsflüchtlingen im Mittel- eer zu verhindern. Wer nichts tut, der macht sich mit- chuldig daran, dass Schleusern und Schleppern nicht ndlich das Handwerk gelegt wird. Wir müssen die Steuerung der Zuwanderung in einen rößeren und aktuellen Zusammenhang stellen. Ich bin utiefst davon überzeugt, dass wir noch riesige Aufga- en bei der Integration der bereits in der EU lebenden usländer zu bewältigen haben. Man spürt das in diesen agen vor dem Hintergrund der Kontroversen aus An- ass des Besuchs des türkischen Ministerpräsidenten rdogan bei uns im Land. Man kann das in Frankreich rleben angesichts der massiven Integrationsprobleme in en Vorstädten. Und auch im derzeit laufenden spanischen Wahl- ampf ist die Frage der Steuerung der Zuwanderung ein entrales Thema, weil sich die Lage auf dem Arbeits- arkt in Spanien gerade bei niedrig qualifizierten Tätig- eiten gewaltig verändert hat und jetzt angesichts einer achsenden Konkurrenz zwischen einheimischen Ar- eitskräften und den legalisierten Zuwanderern Integra- ionsprobleme immer stärker aufbrechen. Wir haben als Union ganz bewusst gesagt: Unser and ist ein Integrationsland und kein Einwanderungs- and. Einwanderungsländer zeichnen sich dadurch aus, ass sie streng an den Interessen des Aufnahmelandes 15038 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) orientiert die Zuwanderung steuern. Das haben wir in Deutschland; das haben die Franzosen oder Spanier nicht getan. Wir haben eine unbegrenzte Zuwanderung mit massiven Integrationsproblemen als Folge daraus er- lebt. Ich kann nur dazu aufrufen: Lasst uns jetzt konse- quent die Integrationsprobleme in unserem Land und in Europa beseitigen, und lasst uns nicht durch weitere un- gesteuerte Zuwanderung den Integrationsprozess von vornherein gefährden. Wir halten auch nichts davon, jetzt in Europa eine umfassende Arbeitsmigration zu ermöglichen. Das muss jeder einzelne Mitgliedstaat im Lichte der spezifischen Situation des jeweiligen nationalen Arbeitsmarktes selbst entscheiden. Wir in Deutschland haben ausrei- chende gesetzliche Grundlagen, um vom Wissenschaft- ler über den qualifizierten Facharbeiter bis hin zur Pflegekraft oder dem Spargelstecher ausländische Ar- beitskräfte in unser Land zu holen, wenn der heimische Arbeitsmarkt die Besetzung der jeweiligen Stelle nicht ermöglicht. Wir müssen jetzt erst einmal abwarten, wie sich die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit zugunsten der zehn neuen Beitrittsländer auswirken wird, die wir 2009 oder spätestens 2011 aufnehmen werden. Ich gehöre übrigens nicht zu jenen, die sagen: Ihr habt die Entwicklung in Deutschland verschlafen. Die wirk- lich guten Arbeitnehmer sind jetzt alle in Großbritannien oder in den Niederlanden. Allein wegen der räumlichen Nähe zu Polen oder Tschechien werden viele qualifi- zierte Arbeitnehmer auch aus anderen EU-Staaten nach Deutschland weiterwandern und hier nach Arbeit su- chen. Diesen Prozess gilt es erst einmal abzuwarten. Und im Verhältnis zu afrikanischen Staaten darf man auch das Problem des sogenannten Brain Drain nicht übersehen. Die Entwicklung vieler afrikanischer Staaten würde erheblich belastet, würden wir die besten Kräfte aus diesen Ländern nach Europa abziehen. Deshalb kann man allenfalls über eine zirkuläre Migration nachden- ken, bei der eine Rückkehr der ausländischen Arbeits- kräfte in ihre ursprünglichen Heimatländer auch mit ei- ner Verbesserung der wirtschaftlichen Lage vor Ort verbunden wird. Weil diese Menschen neben Devisen auch berufliche Qualifikationen mitbringen, die vor Ort für die Entwicklung dieser Länder förderlich sein kön- nen. Gleichzeitig könnte diese zirkuläre Migration in EU-Ländern, in denen die illegale Beschäftigung in ein- zelnen Wirtschaftszweigen ein großes Ausmaß hat, eine sinnvolle Alternative darstellen, die Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt zu steuern. Eines muss aber völlig klar sein, und das gilt übrigens auch für die Blue-Card-Initiative von EU-Kommissar Frattini: Eine zirkuläre Migration ist nur in solchen Län- dern vertretbar, die über einen aufnahmefähigen Arbeits- markt verfügen. Und die Staaten in Afrika und Asien müssen sich im Rahmen von Partnerschaftsabkommen verpflichten, ihre Staatsangehörigen und möglicherweise auch Drittstaatler zurückzunehmen, sodass die Rückfüh- rung reibungsloser funktioniert als dies im Augenblick der Fall ist. Ein wenig fassungslos reagiert man dann auf die For- derung der Linken nach einem neuen Visakodex. Der G a c W k V d S d z r S k s i d v m b s h b l A e s q d e g e n d h p e n Z n F A f ü f g l t d s z d (C (D rundsatz „Reisefreiheit vor Sicherheit“ wird wieder us der Kiste geholt, als ob es einen Visa-Untersu- hungsausschuss nicht gegeben hätte. Ich bleibe dabei: ir müssen Menschenhandel und Zwangsprostitution onsequent bekämpfen und dürfen dem durch ein laxe isapolitik nicht Vorschub leisten. Ich will nochmals betonen: Die Grenzschutzbehörden er EU-Mitgliedstaaten wissen um ihre Verantwortung. ie retten in Seenot geratene Flüchtlinge und handeln em Völkerrecht entsprechend. Ermittlungen gegen ein- elne Seeleute haben ihren Grund nicht in einer unsiche- en Rechtsgrundlage, sondern in dem Versuch vieler EU- taaten, die Schleuserkriminalität entschieden zu be- ämpfen und deshalb allen Verdachtsmomenten ent- chieden nachzugehen. Im Übrigen ist nach wie vor der viel wichtigere Weg llegaler Migranten der Landweg. Hier muss – ich wie- erhole das – gerade nach der Schengen-Erweiterung on unseren Grenzschutz- und Polizeibehörden noch ehr getan werden, um illegale Zuwanderung zu unter- inden. Ich will in diesem Zusammenhang auf die mas- iv gewachsene Zahl von Asylbewerbern verweisen. Wir aben mehr als eine Verdoppelung der Zugangszahlen ei Asylsuchenden aus dem Irak. Dies birgt auch erheb- iche Gefahren für die innere Sicherheit. Wir brauchen eine europäische Flüchtlingspolitik mit ugenmaß. Wir brauchen eine Politik, die Integration rmöglicht und den Zusammenhalt in unserer Gesell- chaft nicht gefährdet. Wir brauchen deshalb eine konse- uente Steuerung der Zuwanderung, und dies schließt ie Sicherung unserer Außengrenzen in Europa ebenso in wie die unverzügliche Rückführung illegaler Mi- ranten. Rüdiger Veit (SPD): Der Schutz von Flüchtlingen ist ine wichtige europäische Aufgabe. Seitdem die EU vor unmehr bald zehn Jahren die Kompetenz erhalten hat, en Umgang mit Flüchtlingen gemeinsam zu gestalten, at sie einiges erreicht. Wir haben gemeinsame euro- äische Standards für das Verfahren, für die Frage, wer in Flüchtling ist und welche Rechte er hat, für die Auf- ahmebedingungen, und wir haben ein gemeinsames uständigkeitssystem – um nur einige Eckpfeiler zu nen- en. Auch hat die EU mit der Grenzschutzagentur RONTEX ein Mittel geschaffen, um die europäischen ußengrenzen in gemeinsamer Anstrengung zu sichern. Auf welche Weise sollen die bisherigen Bemühungen ortgesetzt werden? Diese Frage wird in den Anträgen, ber die wir heute diskutieren, aufgeworfen. Sie betref- en die grundsätzliche Ausrichtung der europäischen Mi- rations- und Flüchtlingspolitik, geben aber nicht in al- en Punkten die richtigen Antworten. Insbesondere aber ist der eigentliche Anlass der An- räge nicht mehr gegeben. Sie sind darauf gerichtet, dass ie Bundesregierung im Rahmen ihrer Ratspräsident- chaft Initiativen zur Verbesserung des Flüchtlingsschut- es ergreifen möge. Damit enthalten sie einen Appell, er ins Leere geht: Die deutsche Ratspräsidentschaft en- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15039 (A) ) (B) ) dete bekanntlich am 30. Juni 2007. Schon deshalb sind die Anträge aus formalen Gründen abzulehnen. Diese Ablehnung darf indes nicht darüber hinweg täuschen, dass die Anträge in ihrem Grundanliegen in die richtige Richtung weisen. Ihnen beiden liegt das Be- kenntnis zu völkerrechtlichen Garantien zugrunde, ins- besondere zum Gebot des Non-Refoulment aus der Gen- fer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Damit erinnern sie uns zu Recht an elementare Verpflichtungen – Verpflich- tungen übrigens, die die EU selbst im Haager Programm und im EG-Vertrag zum Maßstab ihrer Politik erhoben hat. Die Ablehnung darf ebenso wenig darüber hinweg- täuschen, dass es einen anderen aktuellen Anlass gibt, die in den Anträgen angesprochenen Themen zu erör- tern. Im vergangenen Juni hat die Kommission ein „Grünbuch Asyl“ herausgegeben, das erst nach Veröf- fentlichung der hier diskutierten Anträge erschienen ist. Nachdem die erste Stufe der Harmonisierung abge- schlossen ist, hat die Kommission darin Vorschläge ge- macht, wie die zweite Stufe gestaltet werden könnte. Auf dieser Grundlage hat sie bereits für 2008 mehrere Recht- setzungsinitiativen angekündigt. Sie alle betreffen die- selbe Frage: Was können, was müssen wir in Zukunft besser machen? Ich möchte einige der Probleme aufgreifen, die in den Anträgen angesprochen sind, und darlegen, welche Vor- schläge die Kommission hierzu gemacht hat. Lassen Sie mich zunächst etwas zur Verbesserung der bestehenden Instrumente sagen. Im Antrag von Bünd- nis 90/Die Grünen wird die Richtlinie für Aufnahmebe- dingungen angesprochen. Auch die Kommission hat die- ses wichtige Instrument aufgegriffen und strebt eine noch stärkere Angleichung an, damit Asylsuchende in allen Staaten gleich behandelt werden. Vor allem aber hat sie in einer auf das Grünbuch folgenden Evaluation kritisiert, dass die Behandlung besonders schutzbedürfti- ger Gruppen, also Minderjähriger, Folteropfer und Trau- matisierter in vielen Staaten nicht ausreichend umgesetzt ist. Dies sollten wir zum Anlass nehmen, die Umsetzung in Deutschland kritisch zu betrachten. Auch nach dem Richtlinienumsetzungsgesetz des vergangenen Sommers bleiben Lücken bestehen. Insbesondere müssen wir erör- tern, wo in der Behandlung von Minderjährigen, von Folteropfern und von Traumatisierten nachgebessert werden muss. Der Antrag der Linken thematisiert ausdrücklich das Konzept der sicheren Dritt- bzw. Herkunftsstaaten. Auch die Kommission hat dies getan und dazu aufgefordert, Inhalt und Mehrwert dieses Konzeptes neu zu bewerten. Damit hat sie – mit noch offenem Ausgang – die Kritik aufgegriffen, die UNHCR und NGOs wiederholt geäu- ßert haben. Mit Recht: Wir müssen nicht nur kritisch evaluieren, ob das Konzept die Gefahr von Kettenab- schiebungen in sich birgt, wir müssen auch die Frage stellen, ob es überhaupt praktikabel ist. Die einzigen Nicht-EU-Staaten, die als sichere Drittstaaten gelten, sind Norwegen, Island und die Schweiz, Staaten also, die bereits jetzt oder, im Falle der Schweiz, ab Ende 2 n L r G L F ß m d Z z s m F d i P H r a g e n s k g b s m u U b f k g D g K t A d z s i d ß F m d d b n S (C (D 008 am Dublin-II-System beteiligt sind. Darüber hi- aus konnte eine Einigung im Rat auf eine gemeinsame iste von Staaten, die den Anforderungen der Verfah- ensrichtlinie genügt, bislang nicht erzielt werden. Lassen Sie mich weiterhin etwas zur europäischen renzschutzagentur FRONTEX sagen. Der Antrag der inken fordert die Einstellung der Unterstützung von RONTEX Dies teile ich nicht. Die Kontrolle der Au- engrenzen ist seit dem Amsterdamer Vertrag eine ge- einsame europäische Aufgabe. Unser Ziel kann nicht ie Revidierung europäischen Primärrechts sein, unser iel muss seine Umsetzung sein. Zu dieser Umsetzung ählt, dass die Aufgaben von FRONTEX in Überein- timmung mit dem Non-Refoulment-Gebot wahrgenom- en werden müssen. Auch die Kommission hat im Grünbuch folgende rage aufgeworfen: Wie kann sichergestellt werden, ass bei Grenzschutzmaßnahmen zur Bekämpfung der llegalen Einwanderung der Zugang schutzbedürftiger ersonen zum Asylverfahren nicht beeinträchtigt wird? ier ist noch einiges zu klären. So hat die Bundesregie- ung noch vor zwei Jahren auf eine kleine Anfrage ge- ntwortet, das Gebot des Non-Refoulment der GFK elte erst bei territorialem Gebietskontakt. Finden die xterritorialen Maßnahmen von FRONTEX also in ei- em rechtsfreien Raum statt? Der UNHCR, das Deut- che Institut für Menschenrechte und mehrere NGOs ommen in aktuellen Stellungnahmen zum gegenteili- en Ergebnis – mit guten Argumenten. Sie sehen, hier esteht auch bei uns erheblicher Diskussionsbedarf. Lassen Sie mich abschließend etwas dazu sagen, dass ich beide Anträge positiv auf das Konzept des Resettle- ent beziehen. Worum handelt es sich hierbei? Es geht m eine Idee, bei der in Zusammenarbeit mit dem NHCR Verfahren entwickelt werden sollen, mit denen esonders schutzbedürftige Personen von EU-Ländern reiwillig aufgenommen werden. Die Kommission be- ennt sich im Grünbuch zum Resettlement als wichti- em Teil der externen Dimension der EU-Asylpolitik. ie Diskussion in Deutschland über Resettlement wird erade wieder neu belebt. Nehmen wir die Haltung der ommission zum Anlass, das Konzept offen zu bewer- en. Aus den oben genannten Gründen plädiere ich für die blehnung der Anträge. Gleichzeitig aber plädiere ich afür, über die in ihnen angesprochenen Themen weiter u diskutieren. Die zweite Stufe der Asylrechtsharmoni- ierung steht an. Setzen wir uns gemeinsam dafür ein, sie m Sinne derer zu gestalten, die den Schutz Europas ringend benötigen. Florian Toncar (FDP): Mit erschütternder Regelmä- igkeit erreichen uns dramatische Nachrichten von lüchtlingen, die auf dem Weg nach Europa im Mittel- eer und vor den Kanarischen Inseln Schiffbruch erlei- en und umkommen. Die Hoffnung auf Verbesserung er eigenen wirtschaftlichen Lage treibt viele Personen, esonders junge, dazu, eine von Strapazen gekennzeich- ete Reise aus ihrer Heimat durch Transitländer in der ahel-Zone bis nach Nordafrika zu unternehmen, um 15040 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) von dort aus die Seereise in die EU anzutreten. Auf ih- rem langen Weg sind diese Menschen oft korrupten Be- amten ausgeliefert und müssen sich für den Transfer über das Meer nach Europa in die Hände von skrupello- sen Menschenschleppern begeben. Um der Verhaftung zu entgehen, zwingen diese Seelenverkäufer die Flücht- linge regelmäßig, noch vor Erreichen der europäischen Küste ins Meer zu springen und die restliche Strecke zum rettenden Land schwimmend zurückzulegen. Für viele Flüchtlinge endet diese letzte Etappe tödlich. In an- deren Fällen erweisen sich die Boote schon während Überfahrt als nicht seetüchtig, sodass die Menschen an Bord Schiffbruch erleiden. Dieses immer wiederkehrende Leid fordert Europa heraus, eine humane Lösung für die Flüchtlingsproble- matik an den EU-Außengrenzen zu finden. Dabei ist klar, dass die EU-Staaten gemeinsam handeln müssen, denn viele Flüchtlinge steuern nach ihrer Ankunft in Spanien oder Italien die nördlichen EU-Staaten an. Aus diesem Grund ist ein gemeinsames europäisches Kon- zept sinnvoll, das auch die Europäische Grenzschutz- agentur FRONTEX einbezieht und das eine gerechte Verteilung der entstehenden Lasten innerhalb der EU vorsieht. Der menschenwürdige Umgang mit den Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen allein kann langfristig jedoch keine Abhilfe bei der Bewältigung des Flüchtlingspro- blems schaffen. Hier müssen neue Ansätze gefunden werden, um die Zusammenarbeit der EU mit den Tran- sitstaaten im Sinne einer Migrationseindämmung zu ver- bessern. Ein Konzept, das nur auf die bessere Sicherung der europäischen Küsten baut, setzt zu spät an. Deswe- gen muss die EU ihre Zusammenarbeit mit den Transit- staaten Nordafrikas und der Sahel-Zone intensivieren. Langfristig wird der Flüchtlingsproblematik nur bei- zukommen sein, wenn der Migrationsdruck in den Her- kunftsstaaten entschärft wird. Dazu müssen sich die Entwicklungsperspektiven für junge Menschen deut- lich verbessern. Bei alledem darf Europa seine eigenen Interessen nicht vernachlässigen, sondern muss eine ge- steuerte Zuwanderung zulassen, die sich an den wirt- schaftlichen Bedürfnissen in der EU orientiert. Davon unberührt muss es Menschen weiterhin möglich bleiben, in Europa ungehindert Schutz zu suchen und zu finden, um politischer Verfolgung in ihrer Heimat zu entfliehen. Der vorliegende Antrag der Grünen weist in vielen Ansätzen in die richtige Richtung. So werden klare Re- geln gefordert, die es Kapitänen erlauben, schiffbrüchige Flüchtlinge zu retten und diese in der EU sicher an Land zu setzen, ohne sich der Beihilfe zur illegalen Migration schuldig zu machen. Das Gebot der Lebensrettung aus Seenot darf nicht durch die Furcht vor etwaigen straf- rechtlichen Konsequenzen ausgehebelt werden. Ebenso sinnvoll ist die Forderung nach einer Vernetzung der na- tionalen Seenotrettungsdienste und FRONTEX. Wenn die Grünen sich für die Schaffung eines ausgewogenen asyl- und migrationspolitischen Gesamtkonzepts einset- zen, ist dies zu begrüßen. Hier besteht in der EU ein Nachholbedarf. k r e s i H s g s b d M d h r s d i G W i M m w g t t b s d k R s d s l e z s c e e d M s p A K e s s s r s D (C (D Leider gibt der Antrag auf andere wesentliche Fragen eine Antwort. So blenden die Grünen die Intensivie- ung der Zusammenarbeit der EU mit Drittländern wie twa Marokko aus. Auch gibt der Antrag keinen Auf- chluss auf die Frage, wie dem Migrationsdruck bereits n den Herkunftsländern entgegengewirkt werden kann. ierzu wäre eine spürbare Verbesserung der Lebensum- tände notwendig, damit junge Menschen ihre Hoffnun- en nicht auf eine gefährliche Odyssee ins Ungewisse etzen. Die EU muss potenzielle Wirtschaftsmigranten ereits in den Herkunftsländern über die teils lebensbe- rohlichen Risiken aufklären, denen sie sich auf ihrem igrationsweg aussetzen würden. Daneben müssen iese Menschen bereits vor Reiseantritt erfahren, wie art die Realität illegal eingewanderter Migranten in Eu- opa allzu oft ist. In diesem Licht werden junge Men- chen eher dazu zu bewegen sein, ihre Energie eher in en Fortschritt ihres eigenen Landes zu investieren als hr vermeintliches Glück im fernen Europa zu suchen. ezielte Aufklärungskampagnen in einigen Staaten estafrikas haben hier ermutigende Resultate erbracht. Die Schlüsselfrage, wie die wirtschaftliche Situation n den Herkunftsländern entspannt werden kann, damit enschen sich nicht dazu gezwungen sehen, ihre Hei- at zu verlassen, bleibt leider unbeantwortet. Auch enn der Antrag einige sinnvolle Elemente enthält, reift er zu kurz. Daher wird die FDP mit Enthaltung vo- ieren. Dagegen leistet die Fraktion Die Linke mit ihrem An- rag einen vollkommen unzureichenden Beitrag zur De- atte um eine europäische Flüchtlingspolitik. In polemi- chem Duktus werden pauschale Schuldzuweisungen an ie EU gerichtet, ohne praktikable Lösungen zu den omplizierten Sachfragen aufzuzeigen. So kann keine ede davon sein, dass die EU Migranten lediglich als In- trumente behandele. Wenn die Linken die Einstellung er Zusammenarbeit mit der Europäischen Grenz- chutzagentur FRONTEX fordern, zeugt dies von feh- endem Realitätssinn. Zahlreiche andere Forderungen sind dazu geeignet, ine starke Zunahme der unkontrollierten Zuwanderung u befördern. Dabei nehmen die Linken weder Rück- icht auf die Interessen der EU noch auf die wirtschaftli- he Entwicklung in den Herkunftsstaaten, die dann mit inem massiven Braindrain konfrontiert wären. Im Sinne iner positiven Entwicklung in den Herkunftsländern ist ieser Ansatz völlig verfehlt. In überzogen einseitiger anier werden holzschnittartige Forderungen aufge- tellt, die an den eigentlichen Ursachen der Flüchtlings- roblematik vorbeigehen. Daher lehnt die FDP diesen ntrag der Linken entschieden ab. Aus liberaler Sicht muss die EU ein gemeinsames onzept zur Bewältigung der Migrationsproblematik ntwerfen. Dabei muss gewährleistet werden, dass Men- chen, die in ihrer Heimat politischer Verfolgung ausge- etzt wurden, in der EU weiterhin ungehindert Schutz uchen und finden können. Um die Auswüchse irregulä- er Migration zu entschärfen, muss eine verbesserte Zu- ammenarbeit mit den Transitstaaten gesucht werden. ie Wurzel des Problems besteht aber im bestehenden Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15041 (A) ) (B) ) Migrationsdruck in den Herkunftsstaaten. Nur die Ver- besserung der Lebensperspektive junger Leute dort kann das Problem langfristig lösen. Hier müssen die deutsche und europäische Entwicklungszusammenarbeit anset- zen. Nebenbei bemerkt: Es hat sich gezeigt, dass diejeni- gen Entwicklungsländer am erfolgreichsten sind, die so- wohl rechtsstaatliche Grundsätze achten als auch ihre Wirtschaft für den internationalen Handel öffnen und so die Globalisierung nutzen. Beides sind Grundpfeiler li- beraler Politik. Deutschland und die EU haben ein Interesse daran, Wege für eine gesteuerte Migration zu eröffnen. Die FDP hat dazu für Deutschland ein Zuwanderungskon- zept mit einem Punktesystem vorgestellt, das sowohl den Bedürfnissen von Zuwanderern als auch den wirt- schaftlichen Interessen Deutschlands Rechnung trägt. Damit weist die FDP den Weg zu einer ausgewogen Zu- wanderungspolitik. Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Auch wenn die deutsche EU-Ratspräsidentschaft vorbei ist, das Thema Flüchtlingsschutz behält seine traurige Aktualität. Der Begriff „Schutz“ wird nach wie vor nur als „Schutz“ der Außengrenzen verstanden – statt Flücht- lingsschutz Grenzschutz. Statt Fluchtursachen werden Flüchtlinge bekämpft. Priorität hat der Kampf gegen die illegale Einwanderung. Mehr Grenzschutz, mehr Rückübernahmeabkommen und mehr gemeinsame Abschiebungen bilden die Schlüsselelemente deutscher EU-Migrationspolitik. Das europäische Asylsystem gleicht einer Schutzlot- terie. Gerade das Dublin-System ist Grundstein für ein unfaires und einseitiges EU-Asylsystem: Solange die Anerkennungspraxis in der EU enorm unterschiedlich ist, widerspricht das Dublin-System eklatant dem Grundsatz eines möglichst effektiven Flüchtlingsschut- zes. Denn unzähligen Flüchtlingen in der EU wird völlig willkürlich ein Schutz verwehrt, obwohl sie ihn in einem anderen EU-Land erhalten würden. Für Flüchtlinge aus Tschetschenien entscheidet bei- spielsweise die Frage, ob sie in Warschau oder in Wien ihr Asylverfahren durchlaufen müssen, über Schutzsta- tus oder weitgehende Rechtlosigkeit. Und so wurden in den ersten Tagen nach der Grenz- öffnung im deutsch-polnischen Grenzraum vermehrt Flüchtlinge aus Tschetschenien aufgegriffen. Menschen aus dieser Bürgerkriegsregion haben nämlich in Polen gar keine Chance auf Asyl, in Deutschland eine kleine Chance und die besten Aussichten, wenn sie es nach Dä- nemark oder Österreich schaffen. Natürlich suchen Flüchtlinge ihren Zufluchtsstaat nicht vordergründig nach der jeweiligen Gesetzgebung und Anerkennungsquote aus. Das würde auch Kennt- nisse voraussetzen, die die Betroffenen im Regelfall nicht haben. Es sind vor allem familiäre Kontakte, Mi- grationsnetzwerke, Sprachkenntnisse usw., die bei der Wahl des Zufluchtlandes eine entscheidende Rolle spie- len. d r n c ü P f G d A F n s b n G d i s a w G w d t S s s s z k b r m a m v a b A d r r t t r b f „ (C (D Aber das Dublin-System verhindert systematisch, ass diese individuellen Gesichtspunkte überhaupt be- ücksichtigt werden können. Und da muss man sich icht wundern, wenn Menschen mit gutem Recht versu- hen, menschenrechtswidrige Systeme und Grenzen zu berwinden! Erst recht gilt das in Bezug auf Länder wie olen oder Griechenland, die von der EU zwar mit per- ekter elektronischer und sonstiger Ausstattung zur renzabwehr und Migrationskontrolle ausgestattet wer- en, bei denen es aber zugleich zum Beispiel bei den ufnahmebedingungen erhebliche Mängel gibt. Nach der Logik der Dubliner Regelungen werden lüchtlinge, wie die angesprochenen Tschetschenen, und atürlich Flüchtlinge generell nach Polen zurückge- chickt. Von dort droht ihnen wiederum die Rückschie- ung nach Weißrussland und von dort weiter zurück ach Russland. Das heißt: Das Dublin-System begünstigt, was die enfer Flüchtlingskonvention genau verhindern wollte: ie Kettenabschiebung von Flüchtlingen bis zurück in hren Herkunftsstaat. Ein weiteres Beispiel für solche Kettenabschiebungen ind die irakischen Flüchtlinge, die über Griechenland uf europäisches Territorium gelangt sind. In Norwegen urde nun entschieden, dass keine Flüchtlinge nach riechenland mehr zurückgeschoben werden dürfen, eil ihnen die Kettenabschiebung droht. Am Beispiel Griechenland wird die Fehlkonstruktion es europäischen Asylsystems offensichtlich. Die Staa- en an den Außengrenzen der EU werden allein gelassen. ogenannte Hilfe erhalten sie zwar durch die EU-Grenz- chutzagentur FRONTEX, aber nicht bei der Aufnahme, ondern nur bei der völkerrechtswidrigen Zurückwei- ung der Flüchtlinge auf hoher See. Meine Fraktion wird dem Antrag der Grünen nicht ustimmen, weil wir den dort vertretenen Ansatz für zu urz gegriffen halten. Fast alle Forderungen sind zwar erechtigt, zum Beispiel, dass das Gebot der Nichtzu- ückweisung auch bei Aufgriffen auf hoher See gelten uss. Aber die Art und Weise, in der die Grenzschutz- gentur FRONTEX von den Grünen als hilfreicher Sa- ariter dargestellt wird, dem es um die Seenotrettung on Bootsflüchtlingen geht, halten wir für naiv und weit n der Realität vorbeigehend. Der Antrag gerät an vielen Stellen in Gefahr, mit einer lühenden Menschenrechtsrhetorik und wirkungslosen llgemein-Appellen das System der Abschottung und ie Praxis der Abweisung in naiver Weise zu legitimie- en. So sollen Menschen frühzeitig in Flüchtlinge und ir- eguläre Migrantinnen und Migranten aufgeteilt werden. Wir wenden uns gegen den herrschenden EU-Migra- ions- und Flüchtlingsansatz, der zentral auf Abschot- ung und „Auslese“ im nationalstaatlichen Eigeninte- esse und Externalisierung des Flüchtlingsschutzes asiert. Abgelehnt wird von uns auch die maßlose Datener- assung von Drittstaatsangehörigen und das Modell der zirkulären Migration“. Dabei handelt es sich aus- 15042 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) schließlich um die zeitlich begrenzte legale Erwerbstä- tigkeit im puren Eigeninteresse der Nationalstaaten. Op- fer wären im Gegenzug die Flüchtlinge. Mit der Abwehr von Flüchtlingen soll Platz für die künftig erwünschten und benötigten Migrantinnen und Migranten geschafft werden. Dazu bedarf es aber einer grundlegend neu ausgerich- teten europäischen Migrations-, Flüchtlings- und Inte- grationspolitik. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wöchentlich hören wir Schreckensmeldungen von ge- kenterten Flüchtlingsbooten, von im Mittelmeer oder im Atlantik ertrunkenen Flüchtlingen. Ich war im letzten Jahr zweimal an der EU-Südgrenze: in Marokko, in Spa- nien und auf den kanarischen Inseln. Einmal gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen. Ich denke, alle die einmal vor Ort waren, können bestätigen: Die Situation der Flüchtlinge ist dramatisch. Vor diesem Hintergrund hat meine Fraktion bereits Ende 2006 einen umfassenden Antrag vorgelegt. Unser Ziel war und ist es, endlich eine humanitäre, kohärente und nachhaltige Ausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik zu er- reichen. Wenn ich mir nun in der Beschlussempfehlung des In- nenausschusses die Begründung von CDU/CSU und SPD zur Ablehnung unseres Antrags anschaue, muss ich sagen: Meine Damen und Herren, sie handeln zynisch! Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, schrei- ben dort, sie wollen „durch Schutz der Außengrenzen, konsequente Rückführungsaktionen und Hilfe vor Ort die illegale, ungesteuerte Migration zum Erliegen brin- gen“. Wo leben Sie denn eigentlich, wenn Sie glauben: „Wir ziehen um uns herum Mauern hoch und dann ver- sucht schon niemand mehr, zu uns zu kommen“? Wo le- ben Sie denn eigentlich, wenn Sie glauben, die Men- schen würden sich auf den riskanten, gefährlichen Weg in die EU machen, nur weil die Außengrenzen der Euro- päischen Union so einladend frei zu überwinden seien? Wenn Sie einmal mit Flüchtlingen gesprochen haben, wenn Sie mitbekommen, aus welchen Lebensumständen in ihren Heimatländern sie fliehen, dann würden Sie nicht so tun, als könnte mit einer Abschottungspolitik diese Migrationsbewegung „zum Erliegen“ gebracht werden. Außerdem wissen wir doch längst, dass künftig der voranschreitende Klimawandel ein weiterer Faktor dafür sein wird, dass es ein Mehr an sogenanntem „Mi- grationsdruck“ in Afrika und in anderen Teilen der Welt geben wird. Ich bin entsetzt darüber, wie Sie hier unser wichtiges Anliegen abtun, und dies angesichts so vieler Toter, die wir jedes Jahr neu zu beklagen haben! Und noch eines ist mir aufgefallen in ihrer Begrün- dung: „Deutschland verhalte sich nicht passiv“ ist da zu lesen. Das mag sein. Aber „aktiv“ verhält sich die Bun- desregierung ganz bestimmt auch nicht. Offensichtlich ist Ihnen dies bereits selbst aufgefallen. Dabei wäre mehr Aktivität, mehr Engagement für Flüchtlinge sei- tens der Bundesregierung dringend geboten. M f a s r r d l h K d t d d G e f S f B v F B r d M G a k r k L d l S m S S h ß l E G M a s a d n a s n (C (D Lassen Sie mich nur an den erschütternden Fall vom ai letzten Jahres erinnern, als 27 gekenterte Boots- lüchtlinge drei Tage auf dem Meer vor der Küste Maltas usharren mussten, bevor sie schließlich von der italieni- chen Marine geborgen wurden. Hintergrund dafür wa- en Streitereien zwischen Malta und Libyen über see- echtliche Fragen und die Tatsache, dass sich Malta von en übrigen Mitgliedstaaten der EU schlicht im Stich ge- assen fühlte. Echte Konsequenzen aus diesem Vorfall at bislang leider niemand gezogen. Dabei geschah diese atastrophe doch während der ach so erfolgreichen eutschen EU-Ratspräsidentschaft. Wenn es um das Ret- en von Menschenleben geht, war die deutsche Präsi- entschaft leider alles andere als erfolgreich. Lassen Sie mich auch daran erinnern, dass es während er deutschen EU-Ratspräsidentschaft einen Vorstoß von roßbritannien, den Niederlanden und Schweden für ine gemeinsame Aufnahme von irakischen Kriegs- lüchtlingen gab. Auch diesen wichtigen Vorschlag zum chutz von Flüchtlingen ließ Deutschland ins Leere lau- en. Es gibt unzählige Beispiele mehr, die zeigen, dass die undesregierung nicht aktiv ist, wenn es um den Schutz on Flüchtlingen und eine gemeinsame europäische lüchtlingspolitik geht. Im Gegenteil: Sie steht auf der remse, auch wenn es um Weg der legalen Zuwande- ung in die EU geht. Zugegeben, die Bundesregierung unterstützt die Pläne er EU-Kommission für mehr zirkuläre und temporäre igration – und diese Vorschläge sind zumindest im rundsatz durchaus sinnvoll. Gleichzeitig macht sie ber deutlich, dass sie an einer dauerhaften Migration ein Interesse hat. Die Bundesregierung fällt damit zu- ück in die alte Gastarbeiterlogik, den Irrglauben, man önnte Menschen für ein paar Jahre zum Arbeiten ins and holen und ihnen dann einfach wieder den Stuhl vor ie Tür stellen. Aus alten Fehlern sollte man eigentlich ernen. Zumindest Bundesinnenminister Wolfgang chäuble scheint der Ansicht zu sein, alte Fehler sollte an ständig wiederholen. Sehr geehrte Damen und Herren von der Koalition, ie betreiben hier eine falsche Politik: Sie setzen falsche chwerpunkte, Sie unterstützen die immer weiterge- ende Abschottung Europas nach außen und Sie schlie- en gleichzeitig die Augen vor der Situation der Flücht- inge und vor dem realen Problem Schwarzarbeit in der U. Gestern hat EU-Kommissar Franco Frattini ein „EU- renzschutzpaket“ vorgestellt. Die Bewertung in den edien ist weitgehend einhellig: „Europa schottet sich b“. Die Vertreter von Flüchtlingsorganisationen haben ehr zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass damit n den Grenzen Europas technologisch aufgerüstet wer- en soll, ohne dass Menschen in Not der Zugang zu ei- em Asylverfahren erleichtert wird. Ich fürchte, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis uch hier die Bundesregierung ihre volle Unterstützung ignalisieren wird. Von Innenminister Schäuble mag da ichts anderes zu erwarten sein. Doch wenigstens von Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15043 (A) ) (B) ) den Kollegen der SPD würde ich mir wünschen, dass sie die Empörung einiger ihrer sozialdemokratischen Kolle- gen im Europäischen Parlament über eine solche Politik hören und teilen würden. Schließlich geht es um Men- schenleben. Die Bundesregierung hat ihre Hausaufgaben in Sa- chen europäische Migrations- und Flüchtlingspolitik nicht gemacht. Die Chancen, die mit der deutschen EU- Ratspräsidentschaft 2007 verbunden waren, hat sie nicht genutzt. Wir haben mit unserem Antrag konkrete Vor- schläge für eine humanitäre, kohärente und nachhaltige Ausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik ge- macht. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu unserem Antrag, im Sinne des Schutzes von Menschenleben. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der Aufsichtsstruktur der Bun- desanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetz) (Zu- satztagesordnungspunkt 5) Leo Dautzenberg (CDU/CSU): In der morgigen Fi- nanzmarktdebatte werden wir intensiv über die notwen- digen Konsequenzen aus der US-Hypothekenkrise dis- kutieren. Auch die Frage nach der Notwendigkeit einer optimierten Aufsicht über bestimmte Refinanzierungs- strukturen der Banken wird sich in diesem Zusammen- hang möglicherweise stellen. Getrennt von dieser wichtigen – allerdings mehr in- ternational als national zu führenden – Debatte ist das Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetz zu betrachten, das heute zur Verabschiedung ansteht. Mit dem Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetz setzen wir eine Maßnahme um, die wir uns bereits im Koalitionsvertrag vorgenommen haben. Basierend auf der fünfjährigen Erfahrung mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin, als Allfinanzaufsicht passen wir ihre Organisationsstruk- tur an. Wir ersetzen die bisherige Präsidialstruktur der BaFin durch ein fünfköpfiges Direktorium, weil wir überzeugt davon sind, dass ein Direktorium den wach- senden Aufgaben einer Allfinanzaufsicht besser gerecht wird als eine Präsidialstruktur. Parallel zum Aufsichts- strukturmodernisierungsgesetz, das die Organisation der BaFin regelt, wird die neue Aufsichtsrichtlinie für bes- sere Arbeitsabläufe in der Bankenaufsicht sorgen. Die Kompetenzen von Bundesbank und BaFin in diesem Be- reich werden klarer definiert und eindeutig der einen oder anderen Institution zugewiesen. Auch dieses Ziel hatten wir uns bereits im Koalitionsvertrag gesteckt und als Hausaufgabe aus der Evaluation des Deutschen Insti- tuts für Wirtschaftsforschung, DIW, mitgenommen. Ich bin sehr froh, dass Bundesbank und BaFin hierzu nun vor zwei Wochen gemeinsam eine gute Lösung ge- funden haben. Ansonsten hätten wir als Gesetzgeber bzw. das BMF auf dem Erlasswege tätig werden müssen. D d b A t n i t B r v n s G g k d P n d p g t V B D z S z F v O v w f i n D ü g e t v a b s a h s – g a d E (C (D as ist dank der erzielten Einigung, die in der kommen- en Woche auch formal durch den Bundesbankvorstand estätigt werden wird, nun nicht mehr erforderlich. Doch kommen wir – bevor mir ein paar Worte zur ufsichtsrichtlinie erlaubt seien – zum Aufsichtsstruk- urmodernisierungsgesetz und der darin angelegten euen Organisationsstruktur der BaFin. Meine Fraktion st überzeugt davon, dass es aus mehreren Gründen rich- ig und wichtig ist, die bisherige Präsidialstruktur der aFin durch ein Kollegialmodell in Form eines Direkto- iums zu ersetzen. Erstens geht es um die Entlastung des Präsidenten on internen Verwaltungsaufgaben. Der Präsident ist zu- ehmend mehr eingebunden in die Vertretung der deut- chen Aufsicht in den europäischen und internationalen remien. Zweitens sollen die einzelnen Aufsichtssäulen estärkt und drittens insgesamt Entscheidungswege ver- ürzt und damit Arbeitsabläufe effizienter gestaltet wer- en. Diese Zielsetzungen erreichen wir, indem wir dem räsidenten vier Exekutivdirektoren zur Seite stellen: ei- en Direktor für die Bankenaufsicht, einen Direktor für ie Versicherungsaufsicht, einen Direktor für die Wert- apieraufsicht und einen Direktor für „Querschnittsauf- aben/Innere Verwaltung“. Im Regierungsentwurf lau- ete die Bezeichnung noch „Grundsatzfragen/Innere erwaltung“. Wir sind aber überzeugt davon, dass der egriff „Querschnittsaufgaben“ treffender ist. Denn der irektor für die innere Verwaltung wird vor allem dafür uständig sein, Synergieeffekte zwischen den einzelnen äulen voranzutreiben, das heißt, Querschnittsaufgaben u definieren. Die Grundsatzfragen – verstanden als estlegung der grundsätzlichen Ausrichtung der BaFin – erbleiben selbstverständlich beim Präsidenten. Damit die neue Führungsstruktur sich nicht nur im rganigramm wiederfindet, sondern tatsächlich zu einer erbesserten Effizienz der Arbeitsabläufe beiträgt, ist es ichtig, dass die Direktoren die Ressortverantwortung ür ihre Bereiche erhalten. Das stellt das Gesetz sicher, ndem es ihnen die Organisations-, Finanz- und Perso- alhoheit für den jeweiligen Geschäftsbereich erteilt. ie Richtlinienkompetenz, das heißt die Entscheidung ber die strategische Ausrichtung bzw. die Grundsatzfra- en der BaFin verbleibt hingegen beim Präsidenten – benso wie die gerichtliche und außergerichtliche Ver- retung der BaFin. Dazu gehört vor allem die Interessen- ertretung Deutschlands in den internationalen Gremien. Ebenso wichtig wie die Verteilung der einzelnen Ver- ntwortlichkeiten auf fünf Schultern ist für mich die Ver- reiterung der Legitimationsbasis von wichtigen Be- chlüssen. Laut Regierungsentwurf soll das Direktorium ls tatsächliches Kollegialmodell funktionieren. Das eißt, das Direktorium fasst seine Beschlüsse – bei- pielsweise über den Erlass von Verwaltungsvorschriften mit einfacher Mehrheit. Einzig bei Stimmengleichheit ibt die Stimme des Präsidenten den Ausschlag. Gerade ngesichts der komplexer werdenden Anforderungen an ie BaFin halte ich es für sachgerecht, dass wichtige ntscheidungen künftig nicht mehr von einem Präsiden- 15044 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) ten alleine, sondern – nach eingehender Beratung – von einem fünfköpfigen Direktorium getroffen werden. Wie bei jeder Organisation, so wird auch der Erfolg der neuen Führungsstruktur der BaFin von den handeln- den Personen abhängen. Daher ist es unerlässlich. für die neuen Direktoriumsposten kompetentes Fachpersonal zu gewinnen. Dafür bedarf es einer angemessenen Bezah- lung. In der Union begrüßen wir es deshalb sehr, dass mit dem Gesetz die Besoldungsgruppe für die Direktori- umsmitglieder von B 6 auf B 8 angehoben wird. Abschließend bleibt mir zum Gesetzentwurf zu sagen, dass wir uns in den Koalitionsfraktionen im Beratungs- prozess für zwei kleine Änderungen entschieden haben: Die erste Änderung betrifft die bereits angesprochene Zuständigkeitsbeschreibung des Direktors für die innere Verwaltung. Hier ersetzen wir die Bezeichnung „Grund- satzfragen/Innere Verwaltung“ durch „Querschnittsauf- gaben/Innere Verwaltung“. Die zweite Änderung betrifft die Vertretung des Direktoriums im Verwaltungsrat. Mit der neuen Formulierung stellen wir sicher, dass sowohl der Präsident als auch die Direktoren eine Berichts- pflicht im Verwaltungsrat haben. Erlauben Sie mir nun noch einige Worte zur neuen Aufsichtsrichtlinie, auf die die Deutsche Bundesbank und die BaFin sich vor 14 Tagen verständigt haben und die nur noch der formalen Bestätigung durch den Vor- stand der Bundesbank bedarf. Ich begrüße die neue Auf- sichtsrichtlinie ausdrücklich. Sie setzt zentrale Forderun- gen meiner Fraktion um. Die Richtlinie ist dazu geeignet, Doppelarbeit von BaFin und Bundesbank zu reduzieren und damit den bürokratischen Aufwand für die beaufsichtigten Institute auf das notwendige Maß zu- rückzuführen. Das wird durch eine – eindeutiger als bis- lang formulierte – Kompetenzverteilung erreicht, die da lautet: Die BaFin ist zuständig für alle aufsichtsrechtli- chen Maßnahmen, die Bundesbank für die laufende Überwachung aller Institute. Damit hat die Bundesbank bei den bankgeschäftlichen Prüfungen den – von uns auch eingeforderten – Vorrang vor Wirtschaftsprüfern. Ebenso begrüßenswert wie die klare Aufgabentren- nung zwischen Bundesbank und BaFin ist die gemein- same Verantwortung, zu der sich beide Institutionen ebenso bekennen. Manifest wird diese gemeinsame Ver- antwortung zum Beispiel in der von beiden Institutionen gemeinsam vorzunehmenden Einordnung der Institute in systemrelevante Institute, Probleminstitute oder auf- sichtsintensive Institute. Abschließend darf ich sagen: Ich halte sowohl das Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetz als auch die neue Aufsichtsrichtlinie für gelungen. Doch sowohl für die neue Organisationsstruktur als auch für die neuen Regeln der Zusammenarbeit zwischen Bundesbank und BaFin gilt: Auf die gelebte Praxis kommt es an! In die- sem Sinne, werbe ich bei Ihnen, meine Damen und Her- ren, für die Zustimmung zum Gesetz. Bei den handeln- den Personen in Bundesbank und BaFin werbe ich dafür, die neuen Regeln positiv zu leben. d t f s f f c f t m s r b P a g z b a l s e n n W s s e w A G l i t s s g w B b l d ü s D r T L a w s r t n d (C (D Nina Hauer (SPD): Wir haben im Frühjahr 2002 mit er Gründung der Bundesanstalt für Finanzdienstleis- ungsaufsicht, BaFin, eine völlig neue Aufsichtsstruktur ür den Finanzmarkt geschaffen. Die BaFin ist die zu- tändige Aufsicht für alle drei Finanzmarktsektoren, also ür das Versicherungswesen, den Wertpapierhandel und ür das Bankenwesen. Zuvor war für jeden dieser Berei- he ein eigenes Aufsichtsamt verantwortlich, und es and zu wenig Informationsaustausch zwischen den Äm- ern statt. Die SPD-geführte Bundesregierung war da- als der Meinung, dass diese historisch gewachsene ektorale Aufsichtsorganisation den Bedürfnissen unse- es Finanzplatzes nicht mehr gerecht wird. Schließlich ieten Versicherungen und Banken zunehmend ähnliche rodukte zum Beispiel für die Altersvorsorge an, und uch Finanzkonglomerate stellen neue Herausforderun- en an die Finanzaufsicht. Diese sogenannte Allfinanzaufsichtstruktur der BaFin ieht heute keiner mehr ernsthaft in Zweifel. Sie hat sich ewährt und zu einer höheren Expertise unserer Finanz- ufsicht in sektorübergreifenden Risiken und Entwick- ungen geführt. Schon 2002 war klar, dass – auch wenn ich die Allfinanzidee bewähren würde – die BaFin nach inigen Jahren der praktischen Erfahrung in ihrer Orga- isation evaluiert werden muss. Wer sich mit den Fi- anzmärkten beschäftigt, weiß, wie schnell sich dieser irtschaftssektor weiterentwickelt und die Aufsicht tändig neu herausfordert. Im Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetz organi- ieren wir die Leitung der BaFin neu. Die BaFin ist zu iner großen Behörde mit rund 1 700 Mitarbeitern ange- achsen – was aufgrund der wichtigen und umfassenden ufgaben, die sie bewältigt, auch nachvollziehbar ist. leichzeitig werden sehr viele der wesentlichen Regu- ierungsentscheidungen inzwischen in europäischen und nternationalen Gremien getroffen. Hier muss die Lei- ung der BaFin ebenfalls präsent sein und deutsche Auf- ichtsinteressen vertreten. Auch auf nationaler Ebene ind die Anforderungen an die Aufsicht erheblich gestie- en. Deshalb wollen wir den Präsidenten stärken, indem ir ihn von organisatorischen Aufgaben innerhalb der aFin entlasten und ihm die Konzentration auf Aufga- en im Ausland und auf Strategienfragen erleichtern. Künftig wird die BaFin von einem Kollegialorgan ge- eitet, in welchem neben dem Präsidenten vier Exekutiv- irektoren vertreten sind. Einer der Exekutivdirektoren bernimmt die Funktion des Vizepräsidenten. Die Zu- tändigkeiten und Aufgabenbereiche der Mitglieder des irektoriums werden im Organisationsstatut, das das Di- ektorium einstimmig verabschieden muss, festgelegt. rotz dieser Zuständigkeitsverteilung stehen aber die eitungsentscheidungen der BaFin unter der Gesamtver- ntwortung des Direktoriums. Mit dem Direktorium ird der sektorübergreifende Ansatz der Allfinanzauf- icht noch stärker betont, indem die für einzelne Sekto- en zuständigen Direktoren gemeinsam Entscheidungen reffen und vorausschauend auf Entwicklungen am Fi- anzmarkt reagieren. Auf diese Weise kann die BaFin en künftigen nationalen und internationalen Anforde- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15045 (A) ) (B) ) rungen sowie ihrer komplexeren inneren Verwaltung ge- recht werden. So wird es künftig zum Beispiel einen Exekutivdirek- tor geben, der für die innere Verwaltung dieser großen Behörde zuständig sein wird. Das ermöglicht dem Präsi- denten, sich auf die strategische Ausrichtung der Finanz- aufsicht zu konzentrieren, ihm obliegt sozusagen die Richtlinienkompetenz. Damit bestimmt der Präsident die nationale Ausrichtung der BaFin und deren Positionie- rung bei der überaus wichtigen Arbeit in internationalen Gremien. Im parlamentarischen Verfahren haben wir uns mit unserem Koalitionspartner geeinigt, diese hervorge- hobene Position des Präsidenten auch bei der Unterrich- tung des Verwaltungsrates zu zeigen: Es ist – nach unse- rer gesetzlichen Klarstellung – Aufgabe des Präsidenten, den Verwaltungsrat regelmäßig über die Geschäftsfüh- rung der Bundesanstalt zu unterrichten. Ich begrüße besonders, dass die künftigen eigenver- antwortlichen Exekutivdirektoren attraktiver besoldet werden. Wir wollen für diese Posten hochqualifizierte Aufseher gewinnen, die den herausfordernden Aufgaben gewachsen sind. Das ist übrigens auch der Wunsch der Marktteilnehmer, die sich überwiegend für die Beibehal- tung der vollständigen Finanzierung der Aufsicht durch die regulierten Unternehmen aussprechen und an einer „schwachen“ BaFin kein Interesse haben. Schließlich ist eine starke Aufsicht heute eine Grundvoraussetzung, um international als attraktiver Finanzplatz anerkannt zu werden. Die derzeitigen Turbulenzen auf dem Finanz- markt zeigen, dass wir für eine weiterhin schlagkräftige und mit umfassender Expertise ausgestattete Leitung für unsere Finanzaufsicht sorgen müssen. Dafür haben wir mit dem Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetz die Voraussetzungen geschaffen. Frank Schäffler (FPD): Die Bankenaufsicht ist der- zeit ein großes Gesprächsthema, aber leider im negati- ven Sinne. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs- aufsicht, BaFin, kommt wie eine Feuerwehr des Finanzmarktes immer erst, wenn es schon lichterloh brennt, statt im Vorfeld Feuer zu verhindern. Nötig wäre in dieser Situation ein klares Konzept, wie die Aufsicht effizienter gestaltet werden kann. Vor einigen Monaten hat Bundesfinanzminister Peer Steinbrück auch angekündigt, nach einer „Reifezeit“ ent- sprechende Vorschläge machen zu wollen. Was stattdes- sen herausgekommen ist, ist nur der kleinste gemein- same Nenner, zu dem die Koalition in der Lage war. Immerhin wurde die im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehene Entmachtung der Bundesbank nicht umge- setzt. Aber darüber hinaus haben Sie sich seitens der Koalition für ein „Weiter so“ entschieden. An das Kre- ditwesengesetz gehen Sie nicht heran. Die Aufsichts- richtlinie soll neu gefasst werden, eine entsprechende Ei- nigung zwischen BaFin und Bundesbank gibt es, aber den Inhalt haben Sie noch nicht veröffentlicht, sodass wir über diesen wesentlichen Punkt hier nicht diskutie- ren können. o r l z m A f b b a V d b a g G d t B t l m H s w d d w w d a s s n p ä K d s f S d d d V Z s i a a E d p (C (D Ihr Gesetzentwurf ist auch im Detail nicht stimmig, bwohl Sie sich nur auf die Leitungsstruktur konzentrie- en. So sprechen Sie von einer hervorgehobenen Stel- ung des Präsidenten, im Gesetz kommt diese aber nicht um Ausdruck; das hat auch die Anhörung deutlich ge- acht. Wichtige Fragen wie die nach der Haftung für ufsichtsversagen der BaFin und danach, wer künftig ür aufsichtsfremde Aufgaben zahlen soll, werden nicht eantwortet. Es ist aus rechtsstaatlicher Sicht inakzepta- el, dass der Staat Beamte auswählt und einstellt, dann ber Dritte im Falle von Fehlern zahlen müssen. In der ollfinanzierung der BaFin durch die Unternehmen liegt er Grund dafür, warum der BaFin ständig neue Aufga- en übertragen werden, die gar nichts mit der Banken- ufsicht zu tun haben. Die ständige Ausweitung der Auf- aben trägt aber nicht zur Effizienz der Aufsicht bei, im egenteil: Wer zu viel machen muss, der sieht am Ende en Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Als Fazit ist festzuhalten, dass Sie seitens der Koali- ion mit diesem Gesetz nur den Korruptionsfall bei der aFin aufarbeiten, indem Sie den Präsidenten entmach- en, aber die Zukunftsprobleme der Bankenaufsicht nicht ösen. Wir brauchen eine effiziente Bankenaufsicht, üssen aber gleichzeitig unnötige Bürokratie abbauen. ier müssen Sie Ihre Hausaufgaben noch machen. Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Seit der ersten Le- ung im November letzten Jahres hat sich am Gesetzent- urf in den Beratungen durch den Finanzausschuss lei- er nicht eine Silbe verändert. Von daher widerlegt ieses Gesetz den vielzitierten Ausspruch, kein Gesetz ürde das Parlament verlassen, wie es eingebracht urde. Leider gibt es daher zum Aufsichtsstrukturmo- ernisierungsgesetz selbst auch nicht viel mehr zu sagen, ls ich bereits in unserer Kritik in der ersten Lesung ge- agt habe. Es ist und bleibt dabei, dass der Gesetzentwurf groß- purig mit der Äußerung beginnt, dass ein starker Fi- anzplatz eine starke Aufsicht erfordere, er dann aber raktisch nichts an der Substanz der Finanzaufsicht ver- ndert. Oder wollen die Kolleginnen und Kollegen der oalition ernsthaft behaupten, dass irgendein Akteur auf em Finanzmarkt dadurch stärker und restriktiver beauf- ichtigt wird, dass sie dem Präsidenten des Bundesamts ür Finanzdienstleistungsaufsicht vier Direktoren an die eite stellen? Anders als viele andere Gesetzentwürfe er Koalition leidet der vorliegende Entwurf daher nicht aran, dass er Schritte in die falsche Richtung tut, son- ern daran, dass er gar keinen Schritt tut. Von Ihrer ursprünglich großspurig angekündigten erbesserung der Finanzdienstleistungsaufsicht und des usammenspiels von Bundesbank und BaFin ist im Ge- etz nichts angekommen. Denn ein solches Direktorium st für sich nur soviel wert, wie es konkrete Instrumente n die Hand bekommt, um die Finanzmärkte auch zu be- ufsichtigen und wirksam zu kontrollieren. Mit Ihrem ntwurf fallen Sie selbst hinter die ohnehin sehr beschei- enen Reformziele des entsprechenden Eckpunktepa- iers des Bundesfinanzministers zurück, der seinerseits 15046 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) nicht gerade für drakonische Finanzmarktregulierung bekannt ist. Seit der ersten Lesung im Dezember ist sich die Fach- welt nicht viel einiger geworden, wie weitreichend die Folgen der aktuellen Finanzkrise für die Konjunktur in Deutschland tatsächlich ist. Aber gerade jetzt, wo selbst die Hauptprotagonisten auf den internationalen Finanz- märkten, nämlich die Großbanken und die institutionel- len Investoren, unsicher geworden sind und ihre Ge- schäftspraxis kritisch in Zweifel ziehen, wäre der geeignete Moment, um sie politisch enger an die Leine der Regulierung zu legen. Die Bundesregierung be- schwört immer, die großen Finanzmarktakteure seien wegen der Globalisierung kaum mehr nationalstaatlich einzuhegen. Auch wenn wir dies nur teilweise unter- schreiben würden, wäre gerade jetzt wegen der Verunsi- cherung vieler anderer mächtiger Regierungen die Chance, substanzielle Schritte zu mehr Regulierung auch international anzupacken. Ihr Verhalten lässt deshalb nur einen Schluss zu: Nicht die vermeintliche Machtlosigkeit nationaler Poli- tik in Zeiten der Globalisierung ist der Grund für Ihr Nichthandeln. Nein, Sie wollen es genau so! Sie wollen die Spielräume der mächtigen Banken, Versicherungen und Fonds nicht beschneiden und sie wollen den Rei- chen und Superreichen, die wesentlich hinter diesen Institutionen stehen, kein Haar krümmen. Eine Sache hat sich seit der ersten Sitzung aber tat- sächlich geändert: Sie haben angekündigt, dass die Re- form der Führungsstruktur der BaFin nur der erste Schritt sei; weitere gesetzliche Schritte entsprechend dem Eckpunktepapier des BMF würden folgen. Faktisch hat das BMF in der Zwischenzeit die Kompetenzabgren- zung zwischen BaFin und Bundesbank am Gesetzgeber vorbei durch eine Aufsichtsrichtlinie geklärt und hat es offenbar nicht einmal für nötig gehalten, dies dem Fi- nanzausschuss überhaupt mitzuteilen. Nach allem, was wir bisher über diese Aufsichtsricht- linie wissen, sieht es so aus, dass eher die Bundesbank gestärkt aus der Rivalität mit der BaFin hervorgeht. Das bedauern wir sehr, denn als Linksfraktion würden wir zweifellos die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs- aufsicht lieber gestärkt sehen als die Bundesbank. Auch an der Bafin ist sicherlich Kritik zu üben, aber diese be- sitzt immerhin einen Verwaltungsrat, in dem auch fünf Abgeordnete dieses Hauses vertreten sind. Somit ist, an- ders als bei der Bundesbank, wenigstens ein Minimum parlamentarische Kontrolle über die Finanzaufsicht ge- geben. Im Rahmen der morgigen Aussprache zur Finanz- marktkrise werden sie von uns im Übrigen noch eine Vielzahl von konkreten Vorschlägen hören, wie eine wirksame Aufsicht in Deutschland aussehen müsste und welche Regulierungen dafür gesetzlich verankert werden müssten. Nichtsdestotrotz, neben den richtigen Spielregeln braucht man starke Institutionen, die diese Regeln durchsetzen. Das erfordert eine starke und kompetente demokratische Aufsicht. Ihr Aufsichtsstrukturmoderni- s n Z d d A l d h a d r n b d k s j w i s D m E i K S g m d e a N n D h t g m R d v m c u w s w h m a (C (D ierungsgesetz leistet in dieser Hinsicht einfach gar ichts. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): iel des Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetzes soll ie Effizienzsteigerung der Bundesanstalt für Finanz- ienstleistungsaufsicht – kurz BaFin – sein. Für einen starken Finanzplatz braucht man eine starke ufsicht, da stimmen wir mit der Großen Koalition völ- ig überein. Auch muss eine Aufsichtsbehörde gut für ie internationale Zusammenarbeit mit den Partnerbe- örden aufgestellt sein. All das teilen wir. Wir sehen ber gravierende Defizite dieses Gesetzes und lehnen es eshalb auch ab. Deutschland ist mit seiner Allfinanzaufsicht auf dem ichtigen Weg. Die vorhandenen Probleme bei der Fi- anzaufsicht haben eher damit zu tun, dass dieser Weg isher noch nicht konsequent gegangen wurde. Um die rei Bereiche zusammenzuführen, bedarf es eines star- en Präsidenten an der Spitze, der über den Bereichen teht. Die ihm zur Seite stehenden Direktoren werden etzt mit dem Gesetz aufgewertet, aus einer präsidialen ird eine kollektive Führung. Wenn aber die Direktoren n ihrer Kompetenz gestärkt werden, dann wird der Prä- ident geschwächt, das kann nicht anders sein. Das halten wir für den ersten Fehler dieses Gesetzes. enn der Präsident muss gerade in diesen für die Finanz- ärkte äußerst unruhigen Zeiten ständig sehr schwierige ntscheidungen treffen und verantworten. Da schadet hm jede Schwächung. Auch bei seinen Kolleginnen und ollegen bei den andern Aufsichtsbehörden wird dieses ignal zu Irritationen und Unverständnis führen. Warum erade in einer solchen Phase eine Schwächung vorneh- en? Uns leuchtet das auch nicht ein. Vor allem aber leuchtet uns nicht ein, warum die Bun- esregierung und die sie tragenden Fraktionen nicht zu- rst an eine Reform der Inhalte der Aufsicht gehen und nschließend an eine dann möglicherweise notwendige euordnung der Leitungsstruktur. Die gegenwärtige Fi- anzmarktkrise hat eines besonders deutlich gemacht: ie BaFin hat zu wenige Möglichkeiten, präventiv zu andeln. Ob private oder öffentliche Banken – alle hät- en von einer schlagkräftigeren Aufsicht profitiert, die egenwärtige Krise hätte nicht solche Ausmaße anneh- en müssen. Die Bundesregierung hat es aber versäumt, vor einer eform eine schonungslose Analyse der Situation auf en Finanzmärkten und die Rolle der Aufsichtsstellen orzulegen. Erst danach würde eine Strukturreform Sinn achen. Dann wüssten wir, welche Rolle der Verbrau- herschutz beispielsweise zukünftig einnehmen sollte, m die Anlegerinnen und Anleger wirksam zu schützen, elche Personalausstattung die BaFin nötig hätte, um chlagkräftig und präventiv arbeiten zu können, und elche Struktur auch eine EU-weite Aufsichtsstruktur aben müsste. Wären diese Fragen geklärt, dann könnte an anfangen, die BaFin an den festgelegten Zielen neu uszurichten. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15047 (A) ) (B) ) Sie haben die organisatorische Neuordnung der Fi- nanzmarktaufsicht zunächst getrennt von sonstigen Fra- gen der Finanzaufsicht. Deswegen haben wir heute sozu- sagen ein Minigesetz vorab. Dann aber haben Sie es doch wieder verbunden mit der Frage der Neuaufteilung der Kompetenzen zwischen Bundesbank und BaFin. Die entsprechende Einigung lag uns Abgeordneten aller- dings nicht vor, als wir über die Strukturreform der BaFin gestern abschließend berieten und abstimmten. Dabei ist die Frage der Kompetenzverteilung zwischen den beiden Aufsichtsbehörden von zentraler Bedeutung für den Finanzplatz Deutschland und natürlich auch für die Zukunft der BaFin. Sonst wäre sie doch nicht so um- stritten gewesen – auch zwischen den beiden Koalitions- parteien. Einer hat sich hier auf jeden Fall zurückgelehnt: Fi- nanzminister Peer Steinbrück konnte sich aus der Aus- einandersetzung zwischen BaFin und Bundesbank raus- halten. Doch eine Lösung, auf die sich die beiden häufig konkurrierenden Institutionen einigen, ist noch nicht notwendigerweise eine gute Lösung für den Finanzplatz Deutschland. Und genau darauf hinzuarbeiten, wäre Aufgabe des Bundesfinanzministers gewesen. In der Sa- che ist die Einigung zwischen Bundesbank und BaFin fatal: Weiterhin werden Reibungsverluste die Arbeit der Aufsicht insgesamt unnötig behindern, werden unklare Aufteilungen von Zuständigkeiten dafür sorgen, dass gute Aufsichtsarbeit in Deutschland schwieriger ist als notwendig. Die Bundesregierung zäumt bei dieser Reform der Aufsichtsstruktur das Pferd von hinten auf. Sie stellt Struktur vor Inhalt und das in einer so sensiblen Phase wie der gegenwärtigen. Die große Koalition schwächt mit dem vorliegenden Gesetz den Präsidenten national und international, sie vertut die Chance, den Verbrau- cherschutz zu stärken, und sie versäumt es, die BaFin personell so auf die Höhe zu bringen, dass sie den immer umfangreicheren und komplexeren Aufgaben des gegen- wärtigen Finanzsystems gerecht werden kann. Auch für die Aufsichtsstruktur selbst haben uns die Sachverständigen im Ausschuss eine Reihe von guten Vorschlägen mitgegeben, die von der Koalition leider nicht aufgegriffen wurden. In besonderer Weise will ich in diesem Zusammenhang den Vorschlag einer systema- tischen Aufwertung und institutionellen Verankerung des Verbraucher- und Anlegerschutzes nennen. Eine Strukturreform der BaFin muss dieses grundlegende De- fizit der deutschen Aufsichtsarchitektur überwinden, dass niemand so richtig für den Schutz der Verbrauche- rinnen und Verbraucher da ist. Häufig liegen die Informationen bei der BaFin vor, dürfen aber nicht verwendet werden. Häufig führen Hin- weise auf Insiderhandel, Geldwäsche oder ähnliche Ka- pitalmarktdelikte nicht zu entsprechenden Verurteilun- gen, weil Deutschland hier institutionell nicht gut aufgestellt ist. Doch all das findet mit der heutigen Mini- reform nicht statt – eine verpasste Chance. A d S t s d U g s b t d g ü i l n A t u d d G n b f z d h n B u s z e B g le u s R g A D g E r 1 D S g (C (D nlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Beschluss des Rates vom 7. Juni 2007 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (Tagesordnungspunkt 15) Michael Stübgen (CDU/CSU): Am 7. Juni 2007 hat er Rat der Europäischen Union den Beschluss über das ystem der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaf- en angenommen, einschließlich der zu diesem Be- chluss abgegebenen Erklärungen. Der Beschluss soll an ie Stelle des Beschlusses des Rates der Europäischen nion vom 29. September 2000 über das System der Ei- enmittel der Europäischen Gemeinschaften treten und etzt die auf dem Europäischen Rat vom 15./16. Dezem- er 2005 beschlossenen Änderungen des Eigenmittelsys- ems um. Ziel ist es, eine fairere Lastenteilung innerhalb er Europäischen Union zu erreichen, damit kein Mit- liedstaat, gemessen an seinem relativen Wohlstand, berhöhte Haushaltsbelastungen zu tragen hat. Der neue Eigenmittelbeschluss ist, wie die früheren nsgesamt fünf Eigenmittelbeschlüsse auch, in nationa- es Recht umzusetzen. Die Umsetzung bestimmt sich ach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 59 bs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Das klingt sehr rechts- echnisch, bedeutet aber nichts anderes, als dass es sich m ein Bundesgesetz handelt, mit dem Hoheitsrechte es Bundes auf die Europäische Union übertragen wer- en. Der Deutsche Bundestag und der Bundesrat, die das esetz ratifizieren, geben damit grünes Licht zum Fi- anzregime der Europäischen Union in den Jahren 2007 is 2013, einschließlich der Einnahmen und Ausgaben ür den Bundeshaushalt, und natürlich auch zur finan- iellen Gewichtung und politischen Schwerpunktsetzung er Europäischen Union in den verschiedenen Haus- altsrubriken. Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen zu- ächst sagen, dass die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen undestag den vorliegenden Gesetzentwurf nachhaltig nterstützt. Grundlage des jetzigen Eigenmittelbeschlus- es ist der überaus erfolgreiche Europäische Rat vom De- ember 2005, bei dem wir uns alle an die großartige Rolle rinnern, die damals unsere gerade ins Amt gewählte undeskanzlerin Angela Merkel bei den Verhandlungen espielt hat. Sie hat es geschafft, ein monatelanges, quä- ndes Tauziehen und Feilschen um Geld und Geschenke nd schwere finanzpolitische Konflikte zwischen Franzo- en und Briten über die gemeinsame Agrarpolitik und den abatt für Großbritannien durch kluge Moderation und esichtswahrende Kompromissvorschläge zu beenden. ber nicht nur das: Beim Europäischen Rat in Brüssel im ezember 2005 ist es gelungen, dem Anliegen der sechs roßen Nettozahler der Union – Deutschland, Frankreich, ngland, Niederlande, Schweden und Österreich – ge- echt zu werden, den Finanzrahmen 2007 bis 2013 auf Prozent des Bruttonationaleinkommens zu begrenzen. ie Beschlüsse setzten damit ein Schreiben der sechs taats- und Regierungschefs dieser Staaten an den damali- en Kommissionspräsidenten Prodi um. 15048 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) Das politische Signal, das die Bundesregierung damit gegenüber der EU-Kommission gegeben hat und das die CDU/CSU-Fraktion bis heute nachhaltig unterstützt, lautet: Wir können in Europa das Geld nicht mit vollen Händen ausgeben, wenn wir auf der Ebene der National- staaten den Bürgern schmerzhafte Sparprogramme ab- verlangen müssen und ihnen Einkommensstagnation und höhere Steuern und Abgaben zumuten. Auch wenn die EU-Kommission dieses Signal zunächst nicht verstan- den hat und einen Finanzrahmen vorgelegt hat, der weit über die Begrenzung von 1 Prozent hinausging – statt 840 Milliarden Euro 1025 Milliarden Euro oder 1,22 Prozent EU-BNP – hat sich am Ende die Vernunft durchgesetzt. Heute profitieren wir davon. Der Finanz- rahmen wurde durch die Nachsteuerung in der soge- nannten Inter-Institutionellen Vereinbarung zwischen Kommission, Rat und Europäischem Parlament zwar auf 864 Milliarden Euro erhöht – unter dem Strich zahlt die Bundesregierung jedoch durchschnittlich 1 Milliarde Euro pro Jahr weniger an die EU. Was ebenso wichtig ist: Die Belastungsungleichgewichte bei den Nettozahlern in Be- zug auf ihren BNP-Anteil wurden deutlich verringert. Auch wenn für Deutschland der Nettosaldo immer noch bei minus 0,4 Prozent liegt – der Abstand zu den übrigen Nettozahlern hat sich ausweislich einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Frak- tion vom 8. Februar 2006 auf maximal 0,1 Prozent ver- ringert. So müssen Italien und Frankreich unter dem Strich heute deutlich mehr zum EU-Haushalt beisteuern, ihr Nettohaushalt hat sich deutlich erhöht und dem deut- schen Saldo angeglichen. Auch das ist ein positives Er- gebnis der Beschlüsse des Brüsseler Gipfels vom De- zember 2005 und sicher auch ein Beitrag, zu mehr Beitragsgerechtigkeit zu kommen. In diesem Zusammenhang müssen wir auch über den britischen Beitragsrabatt reden. Es war leider nicht ver- handelbar, für die Finanzperiode 2007 bis 2013 den briti- schen Beitragsrabatt abzuschaffen, den Margaret Thatcher beim Europäischen Rat in Fontainebleau 1984 mit der be- rühmten und damals durchaus begründeten Forderung „I want my money back!“ durchgesetzt hat. Der Briten- Rabatt wurde in seiner Systematik erhalten. Aber es ist gelungen, die Beitragskorrektur für Großbritannien schrittweise abzusenken, immerhin bis zu einem Betrag von 10,5 Milliarden Euro bis zum Jahr 2013. Dies war zu- gegeben nur ein kleiner Schritt, es war aber zugleich ein wichtiger Schritt, weil Großbritannien damit politisch an- erkannt hat, dass es durchaus bereit ist, über notwendige Korrekturen beim Rabatt zu verhandeln, wenn andere Un- gerechtigkeiten im Beitragssystem, etwa bei unverhältnis- mäßig hohen Vorteilen für andere Länder in der GAP, ebenfalls korrigiert werden. Für die anstehende Midterm- Review jedenfalls bietet sich hier durchaus ein Ansatz, die Beitragsgerechtigkeit im EU-Finanzsystem weiter zu ver- bessern und mehr Transparenz in das Dickicht der Son- dervorteile einzelner Mitgliedstaaten zu bringen. Was die Agrarpolitik anbelangt, so sage ich für die CDU/CSU- Fraktion ausdrücklich, dass wir es begrüßen, dass in der laufenden Periode ab 2010 die Ausgaben für die Rubrik 1 der Finanziellen Vorausschau, also für nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt, die Ausgaben für die Agrarpolitik erstmals übersteigen w b – N n r B M d S e U E e S w d z d K d P a in w b la ti b n u s z w E b e ö d d m e h g a P s E v m E r b l m E p d S w z (C (D erden und auch die Ausgaben für die Rubrik III – Unions- ürgerschaft, Freiheit, Sicherheit – sowie für die Rubrik IV EU-Außenpolitik – deutlich steigen – leider nur auf das iveau der Verwaltungsausgaben. Es bleibt also noch ei- iges zu tun. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die Eu- opäische Union zukünftig noch mehr leisten kann in die ereichen, die den Bürgern einen echten europäischen ehrwert bringen: Außenpolitik und gemeinsame Vertei- igung, Forschung und strategische Investitionsprojekte, icherheit und Terrorismusbekämpfung – und zwar ohne rneute Erhöhung der Obergrenzen für die Haushalte. nd wir werden auch dafür Sorge tragen müssen, dass die U-Kommission ihren Verpflichtungen zur Übersetzung uropäischer Rechtssetzungsvorhaben in die deutsche prache mit den vorhandenen Ressourcen nachkommt, eil ansonsten das Gerede von der aktiveren Mitwirkung er nationalen Parlamente an der europäischen Rechtset- ung schnell zur Makulatur wird. Wenn die Parlamente ie EU-Vorlagen ordentlich beraten sollen, was uns die ommission immer wieder erklärt, und dafür sendet sie em Deutschen Bundestag und den anderen nationalen arlamenten ihre Vorlagen seit dem September 2007 ja uch unmittelbar zu, dann müssen diese Dokumente auch deutscher Sprache vorgelegt werden – das ist jedenfalls ichtiger als im Monatsrhythmus neue Agenturen ins Le- en zu rufen, die sich weitgehend der politischen oder par- mentarischen Kontrolle entziehen und an deren Sinnhaf- gkeit man mit Fug und Recht zweifeln kann. Zum Eigenmittelbeschluss gehört auch – ich habe es ereits erwähnt – die sogenannte Midterm-Review, ge- auer gesagt: Die Midterm-Review hat die Einnahmen nd Ausgaben der Europäischen Union und die politi- che Ausrichtung und Schwerpunktsetzung der Finan- iellen Vorausschau einschließlich der finanziellen Aus- irkungen auf die Mitgliedstaaten, kurzum den igenmittelbeschluss selbst zum Gegenstand. Dabei ha- en wir gut verstanden, dass es nützlich sein kann, über ine Finanzreform der Europäischen Union nicht zu früh ffentlich nachzudenken, weil man damit unter Umstän- en die Ratifizierung des Vertrages von Lissabon gefähr- en könnte – was wir alle, die Linksfraktion ausgenom- en, im Deutschen Bundestag nicht wollen. Der Preis ines erneuten Scheiterns einer Vertragsreform wäre zu och. Aber ich will doch einige grundsätzliche Überle- ungen in unsere Debatte heute einbringen, die ja auch uf der Ebene der Kommission und im Europäischen arlament angestellt werden. Der ehemalige österreichi- che Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der auch beim uropäischen Rat im Dezember 2005 dabei war, hat im ergangenen Jahr in einer Veröffentlichung der Bertels- ann-Stiftung geschrieben: „Das aktuelle System der U-Finanzierung ist intransparent, komplex und unge- echt. Deshalb muss es verändert werden. Zudem raucht die Europäische Union mehr finanzielle Beweg- ichkeit, um ihren globalen Verpflichtungen nachkom- en zu können. Damit sie wieder über mehr finanzielle igenmittel verfügt, sollte eine EU-Steuer ernsthaft ge- rüft werden. Klar ist aber auch: Eine stärkere Belastung er Bürger ist ausgeschlossen.“ In der Analyse hat Herr chüssel völlig recht. Wer sich heute einmal anschaut ie unterschiedlich die EU-Mitgliedstaaten zur Finan- ierung des Briten-Rabattes beitragen – der Eigenmittel- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15049 (A) ) (B) ) beschluss gibt da zumindest für Fachleute ein wenig Orientierung – kann nur zu dem Ergebnis gelangen, dass die Berechnung das Ergebnis eines unsäglichen Gefeil- sches über mehrere Eigenmittelbeschlüsse hinweg gewe- sen ist. Und deshalb haben wir uns auch immer wieder fraktionsübergreifend dafür eingesetzt, dass der Rabatt abgeschafft wird. Aber das geht eben nur mit Zustim- mung der Briten. Wer im Übrigen glaubt, in einer neuen Eigenmittelquelle, ob sie nun aus der Besteuerung der globalen Finanztransfers oder des Flugbenzins oder aus einer europäischen Mehrwertsteuerabgabe gespeist würde, könnte der Streit vermieden werden, der irrt ge- waltig. Solche Überlegungen führen allenfalls dazu, dass das Projekt Europa für den Bürger teurer wird. Und die neue ZEW-Studie zur Reform des Eigenmittelsystems kommt zu dem Ergebnis, dass neue Steuern zu einer neuen Umverteilungswelle mit neuen Kompensations- zahlungen führen würden. Erinnern wir uns nur an die Vorschläge für den Fi- nanzrahmen 2007 bis 2013, welche die Kommission und das EP vorgelegt haben. Jede Lebenserfahrung spricht dagegen, dass in einem System wie der Europäischen Union die Bemessungsgrundlagen oder die Hebesätze für Steuern jemals abgesenkt werden oder nationale Steuern weniger werden, wenn Europa eigene Steuern kassiert. Deshalb tun wir gut daran, europäische Steuern abzulehnen. Wir tun auch gut daran, dass es dabei bleibt, dass sich die Europäische Union nicht verschulden darf. Wir ersparen der Union damit eine Glaubwürdigkeitsde- batte, wie wir sie seit Jahrzehnten in fast allen Mitglied- staaten haben. Die CDU/CSU-Fraktion will die Fehlent- wicklungen in den nationalen Haushalten nicht auf europäischer Ebene wiederholen: Es ist eben viel leich- ter Geld auszugeben, das man eigentlich gar nicht hat, als Geld in den öffentlichen Kassen zu sparen. Und da- her sagen wir: Wehret den Anfängen. Wir müssen auch darüber diskutieren, wie wir die Fi- nanzierung der Europäischen Union noch transparenter und gerechter ausgestalten können. Der Kollege Silber- horn hat hierzu vor einigen Wochen Leitlinien für die Midterm-Review vorgestellt, die ich für sehr überlegens- wert halte. Lassen Sie mich abschließend einige davon nennen. Die Ausgabenobergrenze des Finanzrahmens der EU sollte auch in Zukunft 1,0 Prozent des europäi- schen BNP nicht überschreiten, denn das Haushaltsvolu- men für diese Grenze wächst mit steigendem BNP ohne- hin mit. Beitragsgerechtigkeit und Transparenz müssen verbessert werden, indem alle Sondervergünstigungen und Rabatte, auch diejenigen zur Erleichterung der Zu- stimmung zum Finanzregime, abgeschafft werden. Die Sparsamkeit im Umgang mit EU-Geldern wird am ehes- ten erreicht, wenn die Selbstbeteiligung an den Ausga- ben gestärkt wird. Das bedeutet in der Strukturpolitik die Anhebung der Kofinanzierungssätze und in der Agrarpo- litik die Einführung der Kofinanzierung. Beide beugen Korruption und Kaskomentalität vor. Ein ausschließlich am Bruttonationaleinkommen orientierter EU-Beitrag, der einfach und transparent ist, wird auch von den Bür- gern als gerecht angesehen. Wenn es einen Korrekturme- chanismus für die Nettozahler geben soll, müssen alle Nettozahler in gerechter Weise daran partizipieren kön- n p d w t U S b d r t k e d s s a ü D h z k U l b r g b i b f R b g o m E u w d g g k d b e f P d S t T w m n (C (D en. Wir müssen nicht nur die Einnahmeseite der Euro- äischen Union kritisch durchforsten, es ist auch erfor- erlich, auf der Ausgabenseite genauer zu prüfen, elche Aufgaben zwingend und unter strenger Beach- ung des Subsidiaritätsprinzips von der Europäischen nion übernommen werden und welche nicht. Edmund toiber hat immer wieder gemahnt, dass nicht jedes Pro- lem in Europa ein Problem für Europa ist. Wir sollten eshalb immer wieder die Frage stellen: Wo liegt der eu- opäische Mehrwert? Wer diese Frage ehrlich beantwor- et, kann mit der Subsidiarität eigentlich nie in Konflikt ommen. Es gibt aber im Vertrag von Lissabon zugleich ine formale Hilfestellung, denn dieser Vertrag definiert ie Kompetenzen der Europäischen Union deutlich chärfer, er gibt den nationalen Parlamenten mit der Sub- idiaritätsrüge und Subsidiaritätsklage neue Instrumente n die Hand. Es liegt an uns, diese Instrumente gegen- ber der Europäischen Union tatsächlich auch zu nutzen. ie Midterm-Review bietet hierzu ausreichend Gelegen- eit. Hans Eichel (SPD): Mit der Einigung über die finan- ielle Vorausschau 2007 bis 2013 haben wir in der Dis- ussion über das Eigenmittelsystem der Europäischen nion zwar eine Etappe beendet, am Ziel sind wir noch ange nicht. Im Gegenteil, die Diskussion ist heftig ent- rannt. Im Bewusstsein der Unzulänglichkeit der bishe- igen Beschlüsse zum Eigenmittelsystem haben die Re- ierungschefs eine umfangreiche Überprüfung des isherigen Systems beschlossen. Auch die Kommission st zu dieser Erkenntnis gelangt und hat deshalb eine De- atte angestoßen, die ohne Denk- und Redeverbote ge- ührt werden soll und muss. Denn die Zeit für eine eform ist reif, das gegenwärtige System veränderungs- edürftig. Die Frage ist nur: In welche Richtung soll die Reform ehen? Eine Reform innerhalb des bestehenden Systems der ein radikaler Umbruch? Um diese Frage zu klären, uss in erster Linie geklärt werden, inwiefern sich das igenmittelsystem in die Struktur- und Kohäsionspolitik nd deren Funktionalität in einer auf 27 Mitglieder ange- achsenen Union einpassen lässt. Folgende Punkte sind abei meines Erachtens unabdingbare Diskussions- rundlage: die Vereinfachung des Systems, die Beseiti- ung von Intransparenzen und Ungerechtigkeiten, die ritische Beleuchtung aller Rabatte, das Bewusstsein, ass Reformen bei Einnahmen und Ausgaben nicht un- edingt voneinander abhängig sind, und die Ablehnung iner zusätzlichen EU-Steuer. Lassen sie mich gerade zum letzten Punkt einige aus- ührliche Anmerkungen machen, die meine ablehnende osition untermauern: In föderalen Staaten existieren rei Verfahren, um mehrere Ebenen mit eigenständigen teuereinnahmen auszustatten: erstens das Verbundsys- em, zweitens das Zuschlagsystem und drittens das rennsystem. Die Verfahren unterscheiden sich darin, ie weit die Ebenen bei der Erzielung von Steuereinnah- en kooperieren. Im Verbundsystem teilen sich mehrere föderale Ebe- en das Aufkommen einer Steuer. Dies ist die weitestge- 15050 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) hende Form der steuerpolitischen Kooperation der Ebenen. Auf die Europäische Union bezogen bedeutet dies, dass sie am nationalen Aufkommen einer Steuer oder am Gesamtsteueraufkommen beteiligt wird. Aller- dings scheidet dieses System schon aufgrund der Unter- schiede in den Steuertarifen und in der Abgrenzung der Bemessungsgrundlage von vornherein aus. In einem Zuschlagsystem erheben mehrere föderale Ebenen eine eigenständige Steuer mit gleicher Bemes- sungsgrundlage. Die Kooperation bezieht sich also nur auf die Bemessungsgrundlage, nicht auf den Steuertarif. Für die EU heißt das, dass die Union einen prozentualen Aufschlag auf eine in den Mitgliedstaaten vorhandene Bemessungsgrundlage als eigene Steuer erhebt. Voraus- setzung hierfür ist, dass die Bemessungsgrundlage voll- ständig harmonisiert ist. Andernfalls kommt es zu Ungleichbehandlungen zwischen den Bürgern unter- schiedlicher Mitgliedstaaten. Dies schränkt die Menge der infrage kommenden Steuern allerdings stark ein. Es bleiben lediglich die Mehrwertsteuer oder eine verein- heitlichte Unternehmensteuer. Die Mehrwertsteuer ist nicht hinlänglich konkreti- siert; das gilt insbesondere für die Anwendung des ermä- ßigten Steuersatzes. Die Bemühungen um eine harmoni- sierte Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer kommen nicht vom Fleck. Die Einkommensteuer ist un- geeignet; denn in vielen Mitgliedstaaten ist sie völlig un- terschiedlich ausgestaltet. Bei einem europäischen Zu- schlag auf die Mehrwertsteuern der Mitgliedstaaten wird im Gegensatz zu den jetzigen Mehrwertsteuer-Eigenmit- teln die harmonisierte Bemessungsgrundlage nicht zur Berechnung von Finanzbeiträgen der Mitgliedstaaten ge- nutzt, sondern die EU-Steuer würde dann als eine eigen- ständige Steuer erhoben. Darüber hinaus besteht beim Zuschlagssystem – im Gegensatz zum Verbundsystem – auch die Gefahr, dass der gleichzeitige, unkoordinierte Zugriff mehrerer Ebe- nen auf dieselbe Steuerbasis zu einer sogenannten Über- nutzung der Steuerbasis führt. Die addierte tarifliche Steuerbelastung von mitgliedstaatlicher und europäi- scher Ebene würde so hoch, dass die Ökonomie beein- trächtigt würde und massive legale und illegale Aus- weichreaktionen drohen. Im Extremfall sind diese Wirkungen so stark, dass dasselbe Steueraufkommen auch bei wesentlich geringeren Steuersätzen – und damit verbunden bei wesentlich größerer wirtschaftlicher Dy- namik und geringeren Ausweichreaktionen – erreicht werden könnte. Im steuerlichen Trennsystem erheben die föderalen Ebenen jeweils völlig eigenständige Steuern. Eine Ko- operation der Ebenen findet hier höchstens bezüglich der Steuerverwaltung statt. Daher ist eine Harmonisierung von Steuersätzen oder Bemessungsgrundlagen nicht er- forderlich. Konkret würde dies bedeuten, dass der Union die Kompetenz zur Erhebung einer eigenständigen euro- päischen Steuer, also zur Festlegung der Bemessungs- grundlage und des Steuersatzes, übertragen wird. Hier stellt sich nun die Gretchenfrage: Welche steuerliche Be- messungsgrundlage kommt für eine solche EU-Steuer in Betracht? p s p N f s a w s v r z E j v r g K d n r s h E f p e v ü s s i d g H z l s k s s g w F d e d n e z d z i E (C (D Wird sie zu eng gewählt, etwa im Rahmen einer euro- äischen Energie- oder CO2-Steuer oder einer europäi- chen Zinsbesteuerung, so trägt nur ein Teil der Steuer- flichtigen zur Finanzierung der EU bei. So würden utznießer von öffentlichen Gütern und diejenigen, die ür ihre Finanzierung aufkommen, gegeneinander ausge- pielt. Außerdem wäre die Union bei der Steuererhebung uf die Mitwirkung der nationalen Steuerbehörden ange- iesen. Denn der Aufbau einer eigenständigen europäi- chen Steuerverwaltung kann aus Kostengründen kein erantwortungsbewusster Europäer fordern. Ob diese ih- erseits ein Interesse an einer effizienten Steuerdurchset- ung hätten, bliebe abzuwarten. Also behielten nationale ffizienzunterschiede Relevanz. Sie könnten sich sogar, e nach gewählter Steuerbemessungsgrundlage, aufgrund on Anreizproblemen noch verstärken. Diese Probleme entstünden zum Beispiel bei einer eu- opäischen Körperschaftsteuer dadurch, dass die Mit- liedstaaten zwar die Kosten der Steuerprüfung bei den apitalgesellschaften übernähmen, aber jeden Euro, den ie Steuerbehörden durch die Prüfung zusätzlich verein- ahmten, als EU-Steuer an die europäische Ebene abfüh- en müssten. Nur soweit bei der Steuerprüfung auch zu- ätzliche Einnahmen für den Mitgliedstaat entstünden, ätte dieser auch ein Interesse an einer Durchsetzung des U-Steuerrechts. Halten wir also fest: Alle drei angesprochenen Ver- ahren sind im Rahmen der Europäischen Union äußerst roblematisch und unpraktikabel. Weiterhin bestehen für ine eigenständige europäische Steuer zwei weitere gra- ierende Gefahren: Erstens. Es ist zu befürchten, dass sich im System- bergang die Steuerbelastung insgesamt erhöht. Ange- ichts der Haushaltsprobleme in den meisten Mitglied- taaten ist es unwahrscheinlich, dass die Mitgliedstaaten hre Steuern im gleichen Ausmaß senken würden, wenn ie Finanzierung vom Eigenmittelsystem auf eine ei- enständige EU-Steuer umgestellt würde. Gerade im inblick auf die höchsten Zustimmungswerte seit über ehn Jahren bezüglich der EU-Akzeptanz in Deutsch- and – 67 Prozent sprachen sich letztens für die Mitglied- chaft aus –, will ich mir nicht ausmalen, was eine stär- ere Steuerbelastung hier ausrichten würde. Zweitens. Eine neue Gerechtigkeitsdebatte ent- tünde. Denn jede europäische Steuer würde zu Ver- chiebungen im Steueraufkommen zwischen den Mit- liedstaaten führen. Neue, harte Rabattdiskussionen ären die Folge. Daraus folgt: Es gibt kein gerechteres inanzierungssystem für die EU als die Anknüpfung an as Bruttonationaleinkommen der Mitgliedstaaten. Und s gibt kein einfacheres Verfahren als Zuweisungen aus en nationalen Haushalten auf BNE-Basis. Welche Folgen hat dies für den Reformprozess? Zu- ächst einmal bleibt festzuhalten, dass der Spielraum für ine Reform durch politische und ökonomische Sach- wänge, wie bereits ausgeführt, eng begrenzt ist. Trotz- em bestehen gute und realistische Chancen, die Finan- ierung der EU hinsichtlich eines effizienteren und ntegrationsverträglicheren Systems zu verbessern. ntsprechende Vorschläge hat das Zentrum für Europäi- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15051 (A) ) (B) ) sche Wirtschaftsforschung (ZEW) unter der Leitung von Dr. Heinemann kürzlich in seiner Studie „Reformoptio- nen für das EU-Eigenmittelsystem“ für das Bundesmi- nisterium der Finanzen formuliert. Die Studie be- schränkt sich dabei im Wesentlichen auf drei Punkte: vollständiges Auslaufen der Mehrwertsteuer-Eigenmit- tel, Festlegung auf BNE-Eigenmittel als zentrale und langfristige Einnahmequelle der EU-Finanzierung, Ein- richtung eines verallgemeinerten, jedoch auf bestimmte Politikfelder beschränkten Korrekturmechanismus, des ABKM. Gerade durch das Instrument des ABKM wird eine Reform im Stil eines radikalen Umbruchs des Eigenmit- telssystems vermieden, aber auch eine Lösung präsen- tiert, die die gegenwärtigen unbestrittenen und gravie- renden Probleme mindestens abmildert, wenn nicht sogar vollständig löst. Durch den allgemeinen Ansatz des Korrekturmechanismus werden der Umfang und die Struktur der Korrekturzahlungen auf der Basis von ob- jektiven und messbaren Länderdaten festgesetzt. Da- rüber hinaus wird durch die Begrenzung des Korrektur- mechanismus auf bestimmte Politikfelder ein weiterer Vorteil ersichtlich: Man begrenzt die Korrektur auf jene Politikfelder, in denen die Verteilungseffekte nicht ak- zeptabel erscheinen. Durch diese maßvolle Reform bleiben gut funktionie- rende Elemente wie die beitragsbasierte Verbindung von nationalen Haushalten und dem EU-Haushalt bestehen. Gerade mit Blick auf eine auch im Bereich der EU drän- gender werdende Haushaltsdisziplin, ist eine Beibehal- tung dieser bewährten Regelung nur zu empfehlen. Inso- fern setzen wir auf eine maßvolle und praktikable Reform innerhalb des Systems. Lassen Sie uns Bewähr- tes erhalten und intransparente und ungerechte Regelun- gen gegen praktikable und gerechte Instrumente austau- schen. Eine gute Anleitung dazu hat uns das ZEW an die Hand gegeben. Michael Link (FDP): Heute, zwei Jahre und zwei Monate nachdem sich die europäischen Staats- und Re- gierungschefs am 15./16. Dezember 2005 endlich auf eine Finanzielle Vorausschau 2007 bis 2013 einigen konnten, beschäftigt sich der Bundestag mit der Umset- zung der rechtlichen Grundlagen. Ich betrachte diese heutige Debatte mit einem lachen- den und einem weinenden Auge. Lachend, weil das oft technisch anmutende Thema EU-Finanzen zumindest für kurze Zeit aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Wei- nend, da der Deutsche Bundestag erneut zwar de jure, nicht aber de facto sein traditionelles Haushaltrecht hin- sichtlich gerundeter 172,8 Milliarden Euro an deutschen Steuermitteln wahrnimmt. Diese Summe, rund 20 Pro- zent der 864 Milliarden Euro, macht den deutschen An- teil am Gesamtfinanzrahmen der EU 2007 bis 2013 aus. Als Abnick-Gremium für spätabendliche Koppelge- schäfte der Staats- und Regierungschefs auf Europäi- schen Räten müsste sich der Bundestag prinzipiell zu schade zu sein. Politisch ist ein Nein ausgeschlossen, da die Förder- periode 2007 bis 2013 bereits auf der Grundlage der ge- t q D E d S s g ü h t d „ A s v V r e t L S z M ß a a ü s m d e t n e c n p n e f d d s k s d n e f z v s d (C (D roffenen Beschlüsse angelaufen ist. Die logische Konse- uenz und eine permanente Forderung der FDP: Der eutsche Bundestag muss sich in Zukunft beim Thema U-Haushalt frühzeitig in die Debatte einschalten und ie Bundesregierung inhaltlich mit dem Instrument der tellungnahme nach Art. 23 Abs. 3 GG bei haushalteri- chen Entscheidungen an die kurze Leine nehmen. Das ilt bei den mehrjährlichen finanziellen Vorausschauen brigens ebenso wie bei Fragen der jährlichen EU-Haus- alte. Insbesondere muss die Aufmerksamkeit des Bundes- ages jedoch der geplanten strategischen Neuausrichtung er EU-Einnahmen und Ausgaben gelten. Auf diese vollständige, weitreichende Überprüfung sämtlicher spekte der EU-Ausgaben und EU-Einnahmen“ hat man ich zu Recht verständigt, ohne Tabus. Denn mit dem orliegenden Eigenmittelbeschluss wurden zwar einige erbesserungen vorgenommen, die Ansprüche an ein ge- echtes, einfaches und sparsames Finanzierungssystem rfüllt der neue Eigenmittelbeschluss aber noch nicht. Dennoch sehen wir Liberale in dem neuen Eigenmit- elbeschluss Fortschritte, da er dem Ziel einer fairen astenteilung zwischen den Mitgliedstaaten einen chritt näher gekommen ist. Aus deutscher Sicht ist zu begrüßen, dass eine finan- ielle Entlastung für Deutschland von jährlich rund einer illiarde Euro gelungen ist. Neben Deutschland genie- en auch die Niederlande, Schweden, Österreich und vor llem Großbritannien als große Beitragszahler Rabatte uf der Einnahmenseite. Solange das Ausgabensystem berproportional einzelne Regionen und Berufsgruppen ubventioniert und nicht prioritär in Zukunftsbereiche it wirklichem europäischen Mehrwert wie der GASP, er Sicherung der EU-Außengrenzen sowie der trans- uropäischen Verkehrs- und Informationsnetze inves- iert, sind diese Kompensationszahlungen auf der Ein- ahmeseite noch nachvollziehbar. Leider ist mit der neuen Finanzperiode 2007 bis 2013 ine substanzielle inhaltliche Neuausrichtung auf Berei- he, die allen – gemeinschaftlich! – zugutekommen, icht gelungen. Damit wurde erneut die Chance ver- asst, Synergieeffekte zu generieren. Denn auch mit der euen Finanziellen Vorausschau wird das Geld der Steu- rzahler in Dauersubventionen der Agrar- und Struktur- onds vergraben. Solange hier kein Umdenken stattfin- et, werden auch die hitzigen Nettozahlerdebatten und ie komplizierten Rabattverrechnungssysteme nicht be- eitigt werden. Von Transparenz für die Steuerzahler eine Spur! Bei der anstehenden Revision des EU-Finanzsystems etzen wir Liberalen uns deshalb für eine Umschichtung er Mittel in die genannten Zukunftsbereiche, eine natio- ale Ko-Finanzierung der Agrarförderung, 50/50, sowie in degressives Auslaufen der Struktur- und Kohäsions- onds ein. Als Liberale stehen wird zum Solidaritätsprin- ip. Wo Förderung aber zum Dauertatbestand und Sub- entionen nicht in erster Linie dazu verwandt werden, ich zukünftig davon unabhängig zu machen, da wird er Solidaritätsgedanke pervertiert. Deshalb muss sich 15052 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) die EU-Regionalpolitik zukünftig noch viel stärker auf die wirklich bedürftigen Regionen konzentrieren. Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, eine ausgewogene Belastung der EU-Mitglieder, europäischer Mehrwert, vor allem aber keine zusätzlichen Belastungen der Bür- ger müssen oberste Maximen bei der Formulierung eines neuen Finanzierungssystems sein. Für die FDP gilt: Um- schichten statt Aufstocken. Außerdem gilt, allen europäischen Begehrlichkeiten nach einer EU-Steuer eine klare Abfuhr zu erteilen. Denn Aufkommensneutralität ist bei einem Übergang zu einem steuerfinanzierten System nicht sicherzustellen. Auch muss betont werden, dass die finanzpolitische Au- tonomie der EU aus Steuerzahlersicht kein Selbstzweck sein kann, sondern dass die europäischen Bürger ein Recht auf Budgeteffizienz und sparsamen Umgang mit den bereitgestellten Ressourcen haben. Aktuelle wissenschaftliche Studien – unter anderem vom ZEW und vom Institut der deutschen Wirtschaft – bestätigen, dass jegliche in die Debatte eingebrachten Steuerarten als Finanzierungsgrundlage für die EU gänz- lich ungeeignet sind; sei es aufgrund ihrer starken Kon- junkturabhängigkeit, aufgrund der immanenten Be- schneidung des Steuerwettbewerbs oder aufgrund der unvermeidbar damit verbundenen Wettbewerbsverzer- rungen. Die FDP präferiert deshalb ein Modell, das aus Trans- parenzgründen vollständig auf die Mehrwertsteuer- Eigenmittel verzichtet und als Finanzierungsquelle auf das Bruttonationaleinkommen setzt, da dies die ökono- mische Leistungsfähigkeit der Mitgliedstaaten am besten widerspiegelt. Damit verbunden ist eine klare Absage an eine EU- Steuer. Die deutliche Ablehnung einer EU-Steuer durch den bayerischen Europaminister Söder haben wir Libe- ralen deshalb gerne vernommen. Worte alleine reichen jedoch nicht aus. Während in München eine EU-Steuer zu Recht abgelehnt wird, stimmen die deutschen Kon- servativen in Straßburg den Plänen des Europaparlamen- tariers Lamassoure für ein zweistufiges Verfahren zur Einführung einer EU-Steuer zu, wie übrigens auch die Kollegen der SPD, die auf ihrem Hamburger Parteitag 2007 hinsichtlich der EU-Finanzierung leider für den Aufbau einer eigenen Einnahmequelle der EU plädiert haben. Aber warum sollten sie nun gerade auf EU-Ebene anfangen, zu sparen und den Bürger zu entlasten, wenn sie dies noch nicht einmal zu Hause können? Alexander Ulrich (DIE LINKE): Die Bundesregie- rung ist stolz, dass sie weniger Geld nach Brüssel überweisen muss. Die EU-Finanzen sind jedoch keine Trendsportart Buchhaltung, sondern die Grundlage des wichtigsten Staatenverbunds der Welt. Daher lehnen wir den Gesetzentwurf der Bundesregierung ab. Die zunehmende Armut von 80 Millionen Menschen in der EU – dies entspricht allen Einwohnern der Bundes- republik – ist ein gesellschaftlicher Skandal. Die Armut, insbesondere von Kindern, wird zurückschlagen wie ein Bumerang. Die EU wird ohne eine Umkehr dieser Ent- w v t A m ü g 3 d m m w d i D d F m S d f d K e F s r E f 1 t 1 e i s r s s r s e t 5 6 w 7 A d S l w D z (C (D icklung an Legitimität und ökonomischer Bedeutung erlieren. Brüssel beansprucht über die sogenannte Me- hode der offenen Koordinierung Zuständigkeit in der rbeitsmarkt- und in der Rentenpolitik. Die EU kann und uss daher auch Verantwortung in der Sozialpolitik bernehmen. Die Kommission könnte etwa ein Sofortprogramm egen Armut anregen. Würde die EU ihren Etat nur auf Prozent der Wirtschaftsleistung steigern, könnte von iesem Geld jeder arme EU-Einwohner, also Menschen it weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkom- ens, monatlich 50 Euro als Soforthilfe erhalten. Damit ürde die Wirtschaft in der EU spürbar angekurbelt, und ie Menschen würden einmal erfahren, dass Europa auf hrer Seite steht. Natürlich wäre es noch besser, in Ländern wie eutschland würden angemessene Löhne bezahlt, und ie EU könnte sich auf wichtige Aufgaben, etwa in der orschung, konzentrieren. Ich möchte damit nur deutlich achen, dass ein kleiner Schritt im EU-Etat ein großer chritt für die Menschen sein kann. Natürlich kommt es arauf an, das Geld auch vernünftig einzusetzen. Die ehlende demokratische Kontrolle der EU ist der Grund, ass sich in Europa immer wieder die Interessen der onzerne und der Rüstungsindustrie durchsetzen. An eine sinnvolle wirtschaftspolitische Steuerung des uropäischen Währungsraums ist mit der gegenwärtigen inanzausstattung der EU gar nicht zu denken. Dies wird ich spätestens mit der drohenden Weltwirtschaftskrise ächen. Die Eigenmittelobergrenze von 1,24 Prozent der U-weiten Wirtschaftsleistung sowie von 1,31 Prozent ür Verpflichtungsermächtigungen wurde seit Mitte der 990er-Jahre weder angepasst noch ausgeschöpft. Die atsächlichen Zahlungen betrugen seit 2000 weniger als Prozent der Wirtschaftsleistung. Selbstverständlich gibt es auch Einsparpotenziale, twa bei der teuren Unterhaltung zweier Parlamentssitze n Brüssel und Straßburg oder den Ausgaben für militäri- che Operationen der EU. Dies ändert jedoch nichts da- an, dass Europa mittelfristig über mindestens 3 Prozent eines Bruttoinlandsprodukts verfügen muss, um den wirt- chaftlichen, sozialen und kulturellen Zusammenhalt Eu- opas zu sichern. Der Klimawandel erfordert ein ökologisches Wirt- chaftswunder in Europa. Nachhaltiges Wachstum ist ine Priorität der Kommission. Dennoch steigen die Mit- el für die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit um 2 Prozent, während die Ausgaben für Kohärenz nur um Prozent zunehmen. Die Mittel für die nachhaltige Be- irtschaftung natürlicher Ressourcen fallen gar um Prozent und werden zu einem erheblichen Teil in den usbau der Atomenergie fließen. Wir brauchen eine Verstetigung des Ausgabenpfads, amit sich die Wirtschaftsleistung antizyklisch den taatsausgaben anpasst und nicht umgekehrt. Grundsätz- ich sollte es den Mitgliedsländern überlassen sein, aus elchen Steuerarten sie den EU-Haushalt finanzieren. er Beitrag von Gewinn- und Vermögenseinkommen um Steueraufkommen hat in Deutschland dramatisch Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15053 (A) ) (B) ) abgenommen. Er lag 1970 bei 27 Prozent, der Anteil der Lohnsteuern lag damals bei nur 23,7 Prozent. Der Bei- trag der Gewinn- und Vermögenssteuern sank bis 2005 auf 17,7 Prozent, und der Beitrag der Lohnsteuern stieg spiegelbildlich auf 32,2 Prozent. Den Löwenanteil finan- zieren also mittlerweile Arbeitnehmer und Verbraucher. Deutschland hat das Steuerdumping bei den Unter- nehmensteuern in der EU selbst entfacht. Bei den effek- tiven Unternehmensteuern liegen wir im unteren euro- päischen Mittelfeld, gemessen an der Größe unserer Volkswirtschaft liegen wir international sogar ganz weit unten. Das jüngste Beispiel ist Nicolas Sarkozy, der die französischen Proteste gegen seine Unternehmensteuer- reform mit dem Verweis auf die deutsche Steuererleich- terung rechtfertigte. Der Lohnsteuerstaat behindert die wirtschaftliche Entwicklung und ist sozial ungerecht. Die drei von der Kommission empfohlenen Säulen der EU-Eigenmittel sehen wir kritisch: Eine mehrwertsteuergestützte Säule würde aufgrund des unterschiedlichen Gewichts der Verbrauchsteuern nur neue Diskussionen um Rabatte entfachen. Ähnliches gilt für die Körperschaftsteuern. Hier gibt es sehr unterschiedliche Proportionen zwischen Perso- nen- und Kapitalgesellschaften, die eine gleichmäßige Belastung zwischen den Mitgliedsländern erschweren. Energiesteuern haben hingegen einen Lenkungs- und einen Aufkommenszweck. Immer wenn der Lenkungs- effekt, also die Verminderung des Energieverbrauchs, greift, müssten sie also erhöht werden. Wir plädieren daher für eine progressive EU-Steuer, die sich am Bruttosozialprodukt orientiert: Ein Mit- gliedsland, dessen Pro-Kopf-Einkommen um 20 Prozent über dem EU-Durchschnitt liegt, zahlt also einen um 20 Prozent höheren Steuersatz; bei einem EU-Durch- schnittssatz von 2 Prozent wären das dann 2,4 Prozent. Diese Variante, die in der zweiten Hälfte der 1980er- Jahre von der spanischen Präsidentschaft vorgeschlagen wurde, hat den Vorteil, deutlich zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in der EU beizutragen. Sie würde auch den Vorteilen entsprechen, die ein Land wie Deutschland durch seine Exportüberschüsse in der EU genießt. Da die einkommensärmeren Länder von dieser Variante profitieren, wird es ihnen erleichtert, auf Steu- erdumping zu verzichten. Hierzu sollte die EU Mindest- steuersätze auf einer harmonisierten Bemessungsgrund- lage verabreden. Die Linke steht für Verbesserungen im Sinne der EU- Bürger. Ein Europa der Banken, der Konzerne und der Rüstungsindustrie ist mit uns nicht zu machen. Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die EU hat sich die Überprüfung ihres Haushalts auf die Fahnen geschrieben. Wir halten dies für eine gute Initiative und beteiligen uns an der Debatte, woher das Geld im EU-Haushalt in Zukunft kommen soll und wo- für wir das Geld ausgeben wollen. Das bisherige System ist ineffizient, undemokratisch und instabil und nicht gemacht für eine EU mit 27 Mit- g r d r u g d c b V r h z S n E r e a h d d P K e s B w p E H G n d m s k l f s i K n s m b s w w i s g L w b (C (D liedern. Zwar ist die Bereitschaft der Staats- und Regie- ungschefs, der EU auf Gipfeltreffen und in Sonntagsre- en neue Aufgaben zuzuweisen, groß. Die Initiativen eichen von Klimaschutz über eine gemeinsame Außen- nd Sicherheitspolitik bis hin zu einer gemeinsamen Mi- rationspolitik. Wenn es dann ums Geld geht, werden ie Töne leiser. Will die EU ihre Ziele jedoch verwirkli- hen und neue Aufgaben angehen, braucht sie einen sta- ilen Haushalt. Die Bundesregierung ist bisher nicht mit innovativen orschlägen aufgefallen. Ihr geht es in erster Linie da- um, ihre Mitgliedsbeiträge auf Euro und Cent herauszu- olen. Die Bundesregierung hat drei grundlegende Prin- ipien der EU nicht verstanden: erstens das Prinzip der olidarität, zweitens das Prinzip, nach dem sich die fi- anziellen Rückflüsse auch zum Beispiel im gesteigerten xportvolumen in die neuen Märkte Mittel- und Osteu- opas berechnen und drittens das Mehrwertprinzip. Der uropäische Mehrwert liegt nämlich auch in einem Mehr n politischer und ökonomischer Stabilität und Sicher- eit sowie in der Einsicht, dass die EU Aufgaben wie en Klimaschutz effizienter wahrnehmen kann, als es ie Mitgliedstaaten allein können. Wir wollen der EU ein ökologisches und solidarisches rofil geben. Damit wird die EU ihren Ansprüchen als limaschutzakteurin gerecht, und Klimaschutz wird zu inem Politikfeld mit europäischem Mehrwert, deutlich ichtbar und nachvollziehbar für die Bürgerinnen und ürger der EU. Der ökologische und solidarische Mehr- ert soll sich auch im Haushalt wiederfinden. Statt des Gerangels um die mehrjährigen Haushalts- läne und populistischer Nettozahlerdebatten braucht die U einen stabilen, transparenten und demokratischen aushalt. Wir wollen kontinuierliche Einnahmen statt efeilsche um Rabatte und sogenannte Korrekturmecha- ismen. Wie im privaten Haushalt gilt auch für die EU: ie Finanzen sind begrenzt, die Prioritäten müssen stim- en und das Geld muss effizient eingesetzt werden. Un- er Ziel ist eine neue stabile Einnahmequelle für die EU, ostenneutral für die Bürger und Bürgerinnen. Wir wol- en ein Finanzsystem, das nach dem Verursacherprinzip unktioniert. Denkbar wäre die Besteuerung von Treib- toffen, sodass die größten Klimaschädiger am tiefsten n die Tasche greifen müssen. Die Einnahmen sollten in limaschutzmaßnahmen investiert werden. Eine harmo- isierte Unternehmensteuer oder eine Börsenumsatz- teuer wären ebenfalls möglich. Im Sinne des Binnen- arkts ist es nur folgerichtig, Unternehmen EU-weit zu esteuern und die Einnahmen zum Beispiel in struktur- chwachen Regionen zu investieren. Angesichts globaler Herausforderungen wie Klima- andel, Wassermanagement, Ernährungssicherheit so- ie Erhalt der Biodiversität und der ländlichen Regionen st die Gemeinsame Agrarpolitik ein wichtiger Schlüs- el. Wir wollen die landwirtschaftlichen Direktzahlun- en neu legitimieren, Subventionen an gesellschaftliche eistungen der landwirtschaftlichen Betriebe koppeln ie Klima-, Natur-, Umwelt- und Tierschutz und Ar- eitsplatzsicherung und mit einem Klimabonus für be- 15054 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) sonders klimafreundliche Bewirtschaftung, zum Beispiel durch ökologischen Landbau, Anreize schaffen. Der Vertrag von Lissabon gibt dem Europäischen Par- lament endlich das parlamentarische Grundrecht der Haushaltskontrolle. Damit kommen wir der demokrati- schen Legitimation ein gutes Stück näher und weg von den Kungeleien unter Staats- und Regierungschefs. Die anstehende Finanzreform bietet die Chance, mit einer Vision unserer politischen Prioritäten und stabilen Finanzen das Vertrauen der Bürger und Bürgerinnen in die EU zu stärken. Diese Chance sollten wir nutzen. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Für ein Europäisches Kartellamt (Ta- gesordnungspunkt 18) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Gestatten Sie mir, dass ich die Gelegenheit nutze und meinen Ausführun- gen zum Antrag der Linken „Für ein europäisches Kar- tellamt“ ein paar grundsätzliche Erwägungen zum Deut- schen Kartellrecht voranstelle. Kaum ein Politiker hat diese Republik so nachhaltig geprägt wie Ludwig Erhard. Kaum ein Politiker wurde aber auch so wenig verstanden. Soziale Marktwirtschaft für Politikergenerationen nach ihm hieß „sozial“: Um- verteilung ohne Rücksicht auf Wirtschaft. Marktwirt- schaft hieß: Der Große frisst den Kleinen. Als Maßstab für kartellrechtliche Schranken wurden lediglich die Ver- braucherpreise gesehen. Übersehen wurde, was Konzen- trationsprozesse zum Beispiel im Handel für mittelstän- dische Strukturen vom Fachhändler bis zum Lieferanten heißen. Kartellrecht – in Deutschland wie in ganz Eu- ropa – muss gerade auch die Auswirkungen auf Zuliefe- rer ins Blickfeld nehmen. Nur dann ist die Erhard’sche Vision des „Wohlstands und der Teilhabe für alle“ als eine Zukunftsoption zu retten. In den neuen EU-Staaten vollziehen sich derzeit be- schleunigt die Konzentrationsprozesse, die wir bereits hinter uns haben. Ich meine, dass hier zuallererst die Na- tionalstaaten gefordert sind. Auch im Zeitalter der Glo- balisierung haben Märkte einen lokalen Bezug, sind räumlich abgrenzbar. Subsidiarität heißt dabei: Wenn man national marktbeschränkende Konzentrationen ver- hindert, sind europäische ausgeschlossen. Das heißt, die nationale Perspektive ist die entscheidende. Es muss ein deutsches Anliegen sein, die nationalen Kompetenzen zu sichern, gleichzeitig aber auch sicherzustellen, dass in den anderen europäischen Mitgliedstaaten analog ver- fahren und nach vergleichbaren Maßstäben marktbe- schränkende Konzentrationsprozesse kontrolliert wer- den. Umgekehrt sollten wir uns aber nicht Sand in die Au- gen streuen lassen. Es gibt da welche, die uns einreden: Wenn man den Markt nur groß genug wählt, dann herrscht Wettbewerb. Am Beispiel der Energieversorger e b w d N e o o b b w m z n s a K l s g d b u a d k t w P w w G d te E u W n W p e k s g w a e t t E h s (C (D rläutert: Das Defizit in Deutschland ist nicht dadurch zu eheben, dass der Energiemarkt europäisch betrachtet ird. Das 2005 als Basis für die verstärkte Zusammenarbeit er nationalen Kartellbehörden gegründete Europäische etzwerk der Kartellbehörden, ECN, ist inzwischen an- rkannt und ermöglicht erfolgreich eine effektive Ko- peration. Die Linke fordert stattdessen einen neuen bersten europäischen Wettbewerbshüter, übersieht da- ei, dass Deutschland wie auch die Europäische Union ereits ein gut funktionierendes System der Wettbe- erbshüter haben. Im Hinblick auf internationale Sachverhalte gilt ge- äß § 130 II GWB bereits heute das Auswirkungsprin- ip. Demnach kann das Bundeskartellamt auch bei inter- ationalen Wettbewerbsverstößen tätig werden, wenn sie ich auf den deutschen Wirtschaftsraum auswirken. Auf europäischer Ebene ist die Kartellhoheit schon lleine deshalb nicht gut aufgehoben, da die europäische ommission in ihrer Entscheidungspraxis nicht nur al- ein dem Schutz des Wettbewerbsrechts verpflichtet ist, ondern auch industrie-, regional-, sozial-, beschäfti- ungs- und umweltpolitische Aspekte wahrnimmt. In er europäischen Kommission wird der Schutz des Wett- ewerbs also immer hinter anderen Zielen zurücktreten nd deshalb wohl immer weniger restriktiv gehandhabt ls durch das deutsche – unabhängige – Kartellamt. In Ihrer zweiten Forderung attackiert die Linke genau iese ehemals besonders hoch geschätzte Unabhängig- eit des Systems der Wettbewerbsaufsicht von der Poli- ik. Ihre Forderung, dass das europäische Kartellamt so- ohl eigeninitiativ als auch auf Initiative der nationalen arlamente sowie des Europäischen Parlaments tätig erden soll, würde zu einer Politisierung des Wettbe- erbsrechts führen. Ich lehne dies aus oben genannten ründen entschieden ab. Vor genau dieser Einflussnahme hat uns Ludwig Erhard och gewarnt. Wir müssen heute die Aufgabenteilung ver- idigen, in der der Gesetzgeber zwar die Grundlagen für ntscheidungen vorgibt, die Wettbewerbsbehörde jedoch nabhängig entscheidet. Eben diese Unabhängigkeit der ettbewerbshüter ist in jedem Fall zu wahren. Wir haben in Europa derzeit ein vom Einfluss einzel- er Mitgliedstaaten relativ unabhängiges System der ettbewerbsaufsicht. Entsprechend dem Subsidiaritäts- rinzip kooperieren die nationalen Kartellämter mit dem uropäischen Wettbewerbshüter sehr gut. Die Zuständig- eiten sind klar abgestimmt und angesichts der unter- chiedlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Mit- liedstaaten, halte ich es für mehr als wichtig, dass auch eiterhin die nationalen Kartellämter in der Hauptver- ntwortung stehen. Wir brauchen definitiv keine weitere uropäische Zentralinstitution, die die Wettbewerbspoli- ik der Mitgliedsländer bürger- und realitätsfern gestal- et. Das Ergebnis Ihres Antrags wäre aber genau dies: ine neue Behörde, die weite Kompetenzen an sich zie- en wird, um diese zu vereinheitlichen oder zu zentrali- ieren. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15055 (A) ) (B) ) Die CDU/CSU tritt energisch an gegen einen solchen zusätzlichen Verwaltungsapparat ohne Mehrwert. Unse- rer Meinung nach führt der Weg zur Beschränkung der Marktmacht von Großkonzernen einzig und alleine über Wettbewerb, dessen Rahmen auf die nationalen Bedürf- nisse abgestimmt sein muss. Des Weiteren bitte ich Sie zu berücksichtigen, dass für einen funktionierenden Markt Preise Preise bleiben müssen. Angebot und Nachfrage bestimmen in einer Marktwirtschaft den Preis und nicht der Staat. Nur dann kommt es zur Markträumung. Schlagen Sie sich Ihre Vorstellungen von Sozialismus durch die Hintertür end- lich aus dem Kopf. Natürlich müssen wir die Rahmenbedingungen schaffen, damit sich Preise frei am Markt finden. Bei den Stromversorgern sind wir gerade dabei. Das heißt aber nicht zwingend, dass mehr Wettbewerb am Ende zu sinkenden Preisen führen wird, weil die von vielen Faktoren beeinflusst werden. Nur Monopol- bzw. Oli- gopolrenditen können ausgeschlossen werden. Beim Strompreis hatten wir übrigens bereits früher staatliche Preiskontrollen. Trotzdem sind die Preise gestiegen. Dass staatliche Preiskontrollen ein Einfallstor sind, belegen Ihre Forderungen nach Sozialtarifen für Strom. Da sind sich auf dem „Holzweg ins Uferlose“. Sozialpo- litik wird über staatliche Transfers gemacht. Sozialtarife für Strom: Warum nicht auch für Lebensmittel oder Me- dizin? Am Ende weiß niemand mehr, wer was bekommt. Am Ende sind diejenigen die Lackierten, die knapp mehr als das Arbeitslosengeld II mit harter Arbeit erwirtschaf- ten und von den Wohltaten nicht profitieren. Außerdem: Wie wollen wir einen solchen Eingriff ei- gentlich umsetzen? Wie wollen wir ihn rechtfertigen? Energieversorger können ihn gerne freiwillig anbieten. Das bleibt ihnen überlassen. Einen verordneten Sozialta- rif würden die Versorger übrigens doch wohl kaum aus ihren Gewinnen finanzieren. Sie würden ihn sich entwe- der von den nicht begünstigten Verbrauchern oder vom Staat erstatten lassen. Was wir in diesem Land sicher nicht brauchen, ist mehr Planwirtschaft. Deshalb: Ihr Lob für die Bemühun- gen unseres Bundeswirtschaftsministers Michael Glos, die Missbrauchsaufsicht im Energiesektor zu verschär- fen, nehmen wir dankend an, ihren Antrag für ein euro- päisches Kartellamt lehnen wir dankend ab. Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD): In Ihrem Antrag fordern die Kollegen der Linken die Bundesre- gierung auf, sich für die Einrichtung eines europäischen Kartellamtes einzusetzen. Die neue Institution solle die Kompetenzen der Generaldirektion Wettbewerb inner- halb der EU-Kommission übernehmen und für seine Aufgaben angemessen personell und rechtlich ausgestat- tet werden. Aufgabe des Amtes müsse es sein, Fusionen und Kartelle zu überwachen, zu unterbinden und den Missbrauch von Marktmacht bei der Preisbildung zu verhindern. Gewiss sind Zweifel angebracht, ob die europäische Wettbewerbsbehörde wirklich sachgerecht aufgestellt i h n w j s I p n b t t s b i d P h g M 2 v d p p U h g D d s s n o d S P W h r s d U r w w p m w c F h s s s (C (D st. Es drängt sich immer wieder der Eindruck auf, dass ier mehr nach politischen Maßstäben und eben nicht ach einheitlichen rechtlichen Maßstäben kontrolliert ird und Wettbewerbsregeln durchgesetzt werden. Was edoch die Linke plant, ist erst recht eine politisierte In- titution, die sowohl aus eigener Initiative als auch auf nitiative der nationalen Parlamente sowie des Europa- arlaments tätig werden können soll. Dies tragen wir icht mit. Wenn es denn ein Europäisches Kartellamt ge- en sollte, dann nur als politisch unabhängige Institu- ion. Unabhängig davon funktioniert das bestehende Sys- em durchaus nicht so schlecht, wie es die Linke dar- tellt. Die Kooperation zwischen der EU-Wettbewerbs- ehörde und den nationalen Behörden und Gerichten ist nstitutionalisiert und sorgt für eine einheitliche Anwen- ung des europäischen Wettbewerbsrechts. Und was die reismissbrauchsaufsicht für Strom und Gas angeht, so aben wir erst vor wenigen Monaten mit dem Gesetz ge- en Wettbewerbsbeschränkungen die Möglichkeiten der issbrauchsaufsicht deutlich verbessert. Wer mit seinen Strom- oder Erdgaspreisen mehr als 0 Prozent über denen eines Wettbewerbers in einem ergleichbaren Markt liegt, muss sich gefallen lassen, ass das Kartellamt ihn überprüft. Die Mitwirkungs- flichten des betroffenen Unternehmens an dieser Über- rüfung werden innerhalb des Kartellverfahrens durch mkehr der Beweislast verstärkt. Mit diesen Regelungen aben wir die Missbrauchsaufsicht verbessert, aber keine enerelle Preisregulierung für Strom und Gas eingeführt. enn wir wollen, dass sich die Zahl der Marktteilnehmer eutlich vergrößert und dadurch mehr Wettbewerb ent- teht. Deswegen setzen wir in erster Linie auf die Her- tellung des diskriminierungsfreien Netzzugangs für eue Marktteilnehmer und die Einführung einer effizienz- rientierten Anreizregulierung. Deswegen fordern wir ie Öffnung und Verknüpfung der europäischen Gas- und tromnetze, damit europäischer Wettbewerb entsteht. Martin Zeil (FDP): Für Ludwig Erhard war das er-se-Kartellverbot ein Kernelement des deutschen ettbewerbsrechts, für das er leidenschaftlich gestritten at. Weniger leidenschaftlich agieren leider die schwarz- ote Bundesregierung und allen voran Bundeswirt- chaftsminister Glos, wenn es um die Frage der Stärkung es Wettbewerbs in Deutschland und der Europäischen nion geht. Gerade die Rahmenbedingungen für den eu- opäischen Wettbewerb und das europäische Wettbe- erbsrecht aber müssen kontinuierlich weiterentwickelt erden, auch um eine wettbewerbsfeindliche Neuinter- retation des Gemeinschaftsrechts wirkungsvoll zu ver- eiden. Es gibt die verhängnisvolle Tendenz, Begriffe ie Markt, Wettbewerb und Globalisierung zu missbrau- hen und Ängste zu schüren. Diese politisch erzeugte urcht vor dem „freien und unverfälschten Wettbewerb“ at auf europäischer Ebene dazu geführt, dass die ent- prechende Passage aus dem Vertrag von Lissabon ge- trichen wurde. Ein erster Schritt wäre die Schaffung eines europäi- chen Kartellamts. Der Vorschlag der FDP zu diesem 15056 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) Thema liegt Ihnen vor, jetzt haben die Linken einen Vor- schlag präsentiert, über den wir heute debattieren. Die Bundesregierung wollte oder konnte hingegen weder in Deutschland noch auf europäischer Ebene Überzeu- gungsarbeit für ein ordnungspolitisch klares und recht- lich einwandfreies Wettbewerbsrecht, zu dem dann auch ein europäisches Kartellamt gehören würde, leisten. Stattdessen schaffen Sie gesetzliche Grundlagen wie beim Mindestlohn im Postsektor, von denen Sie selbst sagen, dass es Angelegenheit der Gerichte sei, die Aus- gestaltung dieses Gesetzes festzulegen. Damit schaffen Sie bei den betroffenen Unternehmen, die auch bereits investiert haben, in einem hohen Maß Rechtsunsicher- heit. Ein Blick auf die Wirtschaftspolitik der Bundesre- gierung, von der die Wirtschaftsweisen sagen, dass keine wirtschaftspolitische Strategie erkennbar sei und richtige und wegweisende Reformen konterkariert würden, zeigt, dass bei der schwarz-roten Koalition nachhaltige, ord- nungspolitische Zusammenhänge und ein wirksamer Wettbewerb sträflich vernachlässigt werden. Generell bleibt festzuhalten: Der Wettbewerb muss in diesem Land und in Europa auf allen Ebenen funktionie- ren: Wir brauchen endlich eine europäische Wettbe- werbspolitik. Wir müssen die Grundlage dafür schaffen, dass nationalen Regierungen die Möglichkeit genommen wird, auf ihren Heimatmärkten nationalen Unternehmen Fusionen zu gestatten, auch wenn damit massive Wettbe- werbsbeschränkungen verbunden sind. Dieses führt zu Handelsverzerrungen und damit zu weniger Wettbewerb und höheren Preisen, die am Ende die Verbraucher in den jeweiligen Ländern zu tragen haben. Deshalb wer- den wir uns für die Schaffung eines politisch unabhängi- gen europäischen Kartellamts einsetzen, welches dem Ziel eines Binnenmarkts mit freiem und unverfälschtem Wettbewerb verpflichtet ist und dabei auf ein ergebnisof- fenes Wettbewerbskonzept zum Schutz der Handlungs- freiheit der Marktteilnehmer und zur Sicherung einer wettbewerbsförderlichen Marktstruktur vertraut. Zu einem wirksamen Wettbewerbsschutz gehört als Ultima Ratio auch die Möglichkeit der Entflechtung von Unternehmen, die eine marktbeherrschende Stellung ein- nehmen. Diese Möglichkeit, die es im amerikanischen Kartellrecht seit Jahrzehnten gibt, muss auch ins deut- sche und ins europäische Kartellrecht übernommen wer- den. Die eigentumsrechtliche Entflechtung im Energie- sektor ist der Schlüssel zu mehr Wettbewerb und niedrigeren Verbraucherpreisen. Noch ein Wort zum dem Antrag der Linken: Ihr An- trag fordert die Einführung eines europäischen Kartell- amts bei gleichzeitiger Entmachtung bzw. Abschaffung der Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission. Das neu gegründete Kartellamt soll jedoch nicht der Wahrung und Ausweitung wettbewerblicher Prozesse verpflichtet sein. Ich zitiere: „Wo Wettbewerb mehr zer- stört als erschafft, ist es nicht angezeigt, ihn einzuführen oder zu verstärken.“ Gleichzeitig zeugt der Antrag von einer erheblichen institutionellen Skepsis gegenüber den heutigen EU-Wettbewerbsinstitutionen und deren Willen und Fähigkeit zur ordnungsgemäßen Wettbewerbs- und Marktmissbrauchsaufsicht. Dem Antrag der Linken liegt daher eine völlig falsche Betrachtungsweise zugrunde. E m s k t s a w z s K u F l w b W s K k f i k l I Z w b F s w u ü i s A t p z b P P T a w U W s b G f P t w (C (D r führt zu weniger Wettbewerb, mehr Bürokratie und ehr staatlichem Dirigismus. Deshalb können wir die- em Antrag nicht zustimmen. Wir brauchen in Deutschland wie in Europa schlag- räftige Wettbewerbsbehörden. Wer die europäische In- egration will, muss auch ein Kartellamt auf europäi- cher Ebene wollen. Ein europäisches Kartellamt würde uch eine dringend erforderliche Stärkung des Wettbe- erbsgedankens innerhalb der EU bewirken. In der so- ialen Marktwirtschaft ist das Kernelement der wirk- ame Wettbewerb, und wir sind für eine Stärkung des artellrechts – bis hin zu einer Entflechtungsnorm –, nd wir sind für ein europäisches Kartellamt. Unsere raktion hat hierzu die entsprechenden Anträge vorge- egt. Es ist nun an der Bundesregierung und an Bundes- irtschaftsminister Glos sich in Zukunft nicht nur sym- olisch für die Stärkung des „freien und unverfälschten ettbewerbs“ auf der europäischen Ebene einzusetzen, ondern endlich zu handeln. Dr. Herbert Schui (DIE LINKE): Ein europäisches artellamt ist dringend notwendig. Die Unternehmens- onzentration in Europa nimmt weiterhin zu. Der Dämp- er bei den Fusionen und Übernahmen gegen Ende 2007 st allein auf die Finanzkrise zurückzuführen. Für die ommenden Monate wird eher ein Verharren auf dem re- ativ hohen Niveau als ein weiterer Rückgang erwartet. st die Finanzkrise erst einmal überstanden, wird die ahl der Fusionen und Übernahmen wieder ansteigen, so ie sie es auch nach dem abrupten Ende des Fusions- ooms 2000 wieder tat. Die fortschreitende Konzentration hat weitreichende olgen: nicht zuletzt steigende Preise. Die Unternehmen ind zunehmend in der Lage, Preise jenseits der Wettbe- erbspreise durchzusetzen: zugunsten ihres Gewinns nd zulasten der Verbraucher. Die Europäische Zentralbank hingegen ist davon berzeugt, dass Inflation ein rein monetäres Phänomen st: Wenn die EZB ihr Inflationsziel verletzt sieht, hebt ie die Zinssätze an und drosselt so die Geldversorgung. ls Ergebnis dieser Politik flacht das Wirtschaftswachs- um ab. Die Stabilisierung des Preisniveaus durch Geld- olitik führt demnach zu einem niedrigen Wachstum und u einer höheren Arbeitslosigkeit. Von einem unmittel- aren Zusammenhang zwischen Geldversorgung und reisniveau kann allerdings nicht die Rede sein. Stabile reise sind lediglich ein Nebenprodukt der Geldpolitik. atsächlich wirkt die Geldpolitik in der folgenden Weise uf das Preisniveau: Eine Zunahme des Wirtschafts- achstums erhöht den Preiserhöhungsspielraum für die nternehmen. Die kontraktive Geldpolitik verringert das irtschaftswachstum und damit den Preiserhöhungs- pielraum. Nur in dieser Weise hat die Geldpolitik Erfolg ei der Stabilisierung des Geldwertes. Aus Gründen der eldwertstabilität wird also der Wirtschaftsaufschwung lach gehalten. Das europäische Kartellamt kann dazu beitragen, das reisniveau zu halten, ohne dabei das Wirtschaftswachs- um abzuflachen. Ein europäisches Kartellamt ist ebenso ie die Geldpolitik in der Lage, die Preiserhöhungs- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15057 (A) ) (B) ) spielräume der Unternehmen einzuschränken: präven- tiv, indem es bei Fusionen und Übernahmen darauf ach- tet, dass Marktmacht nicht entsteht, und korrektiv, indem es den Missbrauch dieser Macht bei der Preissetzung verhindert. Das Ergebnis ist eine geringere Inflation ohne die bei der Geldpolitik der EZB entstehenden Wohlfahrtsverluste. Zu den Folgen steigender Konzentration gehört auch die Konzentration wirtschaftlicher Macht in den Händen weniger. Wirtschaftliche Macht strebt stets politische Macht an. Damit nicht mächtige Lobbyisten die Politik diktieren, muss der Konzentration wirtschaftlicher Macht Einhalt geboten werden. Die Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission ist dazu nicht in der Lage, wie das aktuelle Beispiel des Regulie- rungsversuchs im Energiesektor zeigt. Eine entsprechende personelle und rechtliche Aus- stattung eines europäischen Kartellamts ist daher unver- zichtbar. Es muss in die Lage versetzt werden, sich mit marktbeherrschenden Unternehmen auseinanderzuset- zen. Zu beachten ist dabei, dass Wettbewerb stets immer nur ein Mittel zum Zweck ist und kein Ziel an sich. Wettbewerb kann unter Umständen ein Mittel zur Ver- besserung der volkswirtschaftlichen Allokation sein. Wo Wettbewerb mehr zerstört, als er erschafft, ist es nicht angezeigt, ihn einzuführen oder zu fördern. Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mehr Wettbewerbskontrolle: Das ist wichtig. Deswegen müssen wir die Kartellbehörden stärken. Europäische Wirtschaftsstrukturen brauchen auch eine europäische Wettbewerbskontrolle, ein verlässliches und integriertes System regionaler, nationaler und europäi- scher Wettbewerbspolitik. Das befördern wir aber nicht durch bürokratische Schnellschüsse. Wir müssen ge- meinsame Leitlinien nationaler und internationaler Wett- bewerbspolitik und Grundsätze internationalen Wettbe- werbsrechtes entwickeln. Die Kompetenzen nationaler und internationaler wettbewerbspolitischer Institutionen müssten klar abgegrenzt werden. Und wir müssen die umfassenden Defizite der nationalen Wettbewerbskon- trolle beseitigen. Die Begründung des Antrages enthält eine äußerst eta- tistische und wettbewerbsfeindliche Sichtweise auf Preis- bildung und Preiskontrolle. Die Linksfraktion warnt hier sehr deutlich vor scheinbar zerstörerischen Folgen von Wettbewerb. Er sei günstigenfalls Mittel zum Zweck. Das ist am Thema vorbeigeschrieben: Lebensmittel, Energie, Telekommunikation, Bahn, Post – in all diesen Bereichen haben wir doch nicht das Problem, dass ein zerstörerischer Wettbewerb herrschen würde. Vielmehr dominieren frühere Monopolisten oder nur sehr wenige Wettbewerber. Sie haben den Markt weitgehend unter sich aufgeteilt. Das verhindert Wettbewerb, treibt die Preise in die Höhe und schadet den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Gerade eine marktwirtschaftlich aus- gerichtete Wirtschaftspolitik, die auf Wettbewerb setzt, muss konsequent oligopolistische und monopolistische S K f s f b p d i s b z s b t n A k A h h 9 G D e t s m d U b d c s c d U d a t d b d a m r w d d M s m (C (D trukturen bekämpfen. Deswegen brauchen wir starke artellbehörden. Wir wollen den Wettbewerb stärken. Dazu gehört eine reie Preisbildung, zu deren Voraussetzung die Auflö- ung von Monopolen oder Oligopolen gehört. Das ist gut ür die Verbraucher. Ein bunter Markt mit bunten Ange- oten führt zu sinkenden Preisen. Monopole und Oligo- ole sind immer Preistreiber. Eine Preiskontrolle auf europäischer Ebene, wie ihn ie Linksfraktion fordert, ist aber der falsche Ansatz. Es st nicht die Aufgabe des Staates, Preise zu setzen. Es ist eine Aufgabe, für Wettbewerb zu sorgen und Rahmen- edingungen für einen funktionierenden Markt zu set- en. Wenn der Markt sich selbst überlassen wird, setzt ich leicht das Recht des Stärkeren auf Kosten der Ange- otsvielfalt durch. Neue Anbieter müssen mit ihren gu- en Angeboten durchdringen können. Das muss funktio- ieren, aber dafür brauchen wir keinen Preisdirigismus. Wir müssen in Deutschland dringend für eine bessere usstattung der Kartellbehörden sorgen. Dem Bundes- artellamt fehlt es seit Jahren an Personalmitteln und usstattung – trotz steigender Ausgaben. In der Haus- altsdebatte haben Bündnis 90/Die Grünen beantragt, ier die Personalmittel um 1,2 Millionen Euro auf ,5 Millionen Euro aufzustocken. Wie im Vorjahr hat die roße Koalition diesen Antrag abgelehnt. Das ist fatal. em Amt fehlen bereits 28 Stellen, um seine Aufgabe ffizient erfüllen zu können. Wir müssen das Bundeskar- ellamt in die Lage zu versetzen, die Missbrauchsauf- icht zu verstärken. Und wir brauchen scharfe Instru- ente, um Wettbewerb auf den Märkten durchzusetzen, ie heute unter der Macht von Oligopolen leiden. Wir fordern die Bundesregierung auf: Bereiten Sie die msetzung der Eigentumsentflechtung ownership un- undling vor, nach dem die Übertragungsnetze vollstän- ig und damit auch eigentumsrechtlich von den restli- hen Geschäftsbereichen der Energiekonzerne getrennt ind! Geben Sie Ihren Widerstand gegen die entspre- henden Pläne der EU auf! Bündnis 90/Die Grünen for- ern, im Energiewirtschaftsgesetz festzuschreiben, dass nternehmen, die im Elektrizitäts- und Gasbereich eine er Funktionen Vertrieb, Erzeugung und Gewinnung usüben, nicht Eigentümer oder Miteigentümer oder Be- reiber eines Übertragungs- oder Fernleitungsnetzes sein ürfen. Wir wollen im Energiewirtschaftsgesetz festschrei- en, dass ein Energieunternehmen in marktbeherrschen- er Stellung gezwungen wird, so viele seiner Kraftwerke n unabhängige Dritte zu verkaufen, bis seine Marktdo- inanz beendet ist. Für den Lebensmittelbereich muss die Bundesregie- ung nachhaltige Konzepte entwickeln, wie der vertikale irtschaftliche Druck auf die Landwirte verhindert wer- en kann, Lebensmittel unter Erzeugungspreis an markt- ominierende Unternehmen abzugeben. Wir müssen die öglichkeiten des Bundeskartellamts weiter stärken, eine erfolgreiche Arbeit der Marktkontrolle im Lebens- ittelbereich intensiv fortzuführen und auszubauen. 15058 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) Im Postbereich muss die steuerliche Bevorzugung der Deutschen Post AG gegenüber den Wettbewerbern end- lich beendet werden. Wir brauchen eine wettbewerbsorientierte Telekom- munikationspolitik. Es war ein Trauerspiel, dass die Bundesnetzagentur nur unter schärfsten Anfeindungen Gleichheit bei der Netznutzung durchsetzen konnte. Und bei der Bahn dürfen wir die Fehler aus anderen Bereichen nicht wiederholen, indem der Ex-Monopolist das Netz noch gratis dazubekommt. Auch hier ist die Trennung von Netz und Betrieb Voraussetzung für einen echten Wettbewerb. Eine klare antimonopolistische Politik ist Grundlage für erfolgreiches Wirtschaften. Nur so können wir die Potenziale ausschöpfen, die die Marktwirtschaft bietet. Und nur so können die mittelständischen Ideenträger, von denen wir in Deutschland viele haben, auf dem Markt auch endlich zum Zuge kommen. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Siebenunddreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzge- setzes (Verordnung zur Absicherung von Luft- qualitätsanforderungen – 37. BimSchV) (Tages- ordnungspunkt 17) Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU): Die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion stimmt der 37. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu. Die Verordnung der Bundesregierung dient zur Absiche- rung von Luftqualitätsanforderungen und verfolgt als wesentliches Ziel die Senkung der NO2-Emissionsfrach- ten aus Feuerungsanlagen. Betroffen sind dabei einer- seits Großfeuerungs- und Gasturbinenanlagen, zum an- deren Anlagen zur Verbrennung und Mitverbrennung von Abfällen. Teilweise geht es dabei auch um Umset- zung europäischen Rechts. So legt die Richtlinie 96/62/ EG über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqua- lität in Verbindung mit der Richtlinie 1999/30/EG unter anderem Luftqualitätswerte für Stickstoffoxide fest. Zu hohe weiträumige Hintergrundbelastungen führen teil- weise zusammen mit zusätzlichen lokalen Belastungen zur Überschreitung dieser Grenzwerte. Um eine dauer- hafte Einhaltung der Grenzwerte zu erreichen, ist die Verringerung der Hintergrundbelastung notwendig. Au- ßerdem ist die Emissionsminderung im Bereich der Stickoxide auch aufgrund der Überarbeitung der soge- nannten NEC-Richtlinie über nationale Emissions- höchstmengen erforderlich. Ziel ist die Absenkung der nationalen Emissionshöchstmengen. Somit werden wir mit den Maßnahmen sowohl unse- ren europäischen Verpflichtungen gerecht als auch unse- rem nationalen Interesse an der Reinhaltung der Luft und an einem hohen Schutzniveau im Bereich der Luftquali- tät im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. w b G d D s w d s B s g s e d – s v A n C n p u a 1 p w s t E w t k c t v j d I k g s P r d s N g K D n D (C (D In den letzten Tagen wurden nun noch Änderungs- ünsche an uns herangetragen, mit denen mögliche Pro- leme bei der Einhaltung der Vorschriften für kleine asturbinen zur Strom- und Wärmeerzeugung sowie für en Einsatz als Antriebsmaschine angesprochen werden. iese Fragen werden sicherlich in dem sich nun an- chließenden Bundesratsverfahren ausführlich erörtert erden können. Soweit sich demnach ein Änderungsbe- arf noch ergeben sollte, ist die Union für eine Diskus- ion hierüber sicherlich offen. Ich will abschließend auf eine Argumentation in der egründung der Verordnung eingehen: Unter Buch- tabe a, Problem und Ziel, heißt es: „Vor dem Hinter- rund des Atomausstiegs ist der Einsatz fossiler Brenn- toffe unverzichtbar. Das gleichzeitige Bemühen um ine klimaneutrale Energieproduktion, insbesondere urch die Abscheidung und Speicherung von CO2, führt zumindest vorübergehend – durch den erhöhten Ein- atz fossiler Energieträger zu einem verstärkten Ausstoß on Luftschadstoffen.“ Ich will diese Formulierung zum nlass nehmen, eines klarzustellen: Meine Fraktion ist icht für einen Atomausstieg, der zu einer Erhöhung der O2-Emissionen führt. Detlef Müller (Chemnitz) (SPD): Das Bundeskabi- ett hat im August 2007 in Meseberg mit den 29 Eck- unkten das derzeit weltweit ambitionierteste Energie- nd Klimaprogramm beschlossen. Dazu hat das Kabinett m 5. Dezember 2007 ein erstes umfangreiches Paket mit 4 Gesetzen und Verordnungen beschlossen, die jetzt zur arlamentarischen Beratung anstehen. Das Maßnahmenpaket zeigt uns die Möglichkeit auf, ie auch in Zukunft eine Energiepolitik, die auf Ver- orgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltver- räglichkeit basiert, möglich ist. Dazu gehört, dass die nergiewirtschaft und die Industrie verlässliche und ettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für ihre Inves- itionen haben. Gleichzeitig benötigen die Verbraucher osteneffiziente Lösungen und transparente, verlässli- he Rahmenbedingungen für ihre Konsum- und Inves- itionsentscheidungen. Die vorgelegten Rechtsetzungs- orhaben bieten diese Verlässlichkeit; sie definieren eweils für ihre Bereiche Ziele bis 2020 und unterlegen ies mit konkreten Maßnahmen. Das Wort, das sich wie ein roter Faden durch das KEP schlängelt, ist Energieeffizienz; im Maßnahmen- atalog ist unter dem Oberbegriff Energieeffizienz übri- ens auch die Novellierung der 37. Bundes-Immissions- chutzverordnung enthalten, über die wir hier heute im arlament debattieren. Genauer formuliert: Wir debattie- en über die 37.Verordnung zur Durchführung des Bun- es-Immissionsschutzgesetzes, die Verordnung zur Ab- icherung von Luftqualitätsanforderungen. Durch diese ovellierung werden ambitionierte Standards mit ehr- eizigen Grenzwerten für den Stickoxidausstoß neuer raftwerke und Müllverbrennungsanlagen festgelegt. amit wollen wir erreichen, dass neue Kraftwerke nicht ur effizienter, sondern auch sauberer als alte sind. urch die Vorgabe von Grenzwerten werden insbeson- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15059 (A) ) (B) ) dere die zukünftigen Betreiber von Kohlekraftwerken in die Pflicht genommen. Fakt ist aber, dass wir die geplanten sauberen Kohle- kraftwerke gerade vor dem Hintergrund des Atomaus- stieges, den wir als SPD-Fraktion nicht infrage stellen, benötigen. Wir können auf fossile Brennstoffe derzeit noch nicht verzichten. Effiziente Kohle- und Gaskraft- werke spielen unserer Meinung nach auch im Energie- mix der Zukunft eine wichtige Rolle. In den nächsten 15 Jahren muss in Deutschland die Leistung von unge- fähr einem Drittel aller Kraftwerke erneuert werden: rund 40 000 Megawatt. Hier sind modernste Technolo- gien gefragt – erneuerbare Energien, hocheffiziente Kohle- oder Gaskraftwerke und zukünftig auch kohlen- dioxidfreie Kohlekraftwerke. Wir müssen deshalb mas- siv in die Erneuerung des Kraftwerksparks investieren, um alte gegen neue und effizientere Anlagen auszutau- schen. Nicht nur bei der Effizienz des Energieverbrauchs, sondern auch bei der Energieerzeugung – insbesondere der Stromerzeugung – müssen wir Fortschritte erzielen. Wenn wir im Jahr 2020 rund 25 Prozent des Stromver- brauchs aus erneuerbaren Energien decken, dann ist dies ein wichtiger Schritt – aber es bleiben 75 Prozent übrig für die fossilen Energien. Eine vollständige Energiever- sorgung nur aus erneuerbaren Energien ist bis 2020 tech- nisch kaum realisierbar oder finanziell nicht vertretbar. Deshalb brauchen wir Investitionen in hochmoderne, hocheffiziente Öl-, Gas- und Kohlekraftwerke. Wir können es uns nicht leisten, dass wertvolle Rohstoffe verschwendet werden, weil mit veralteten Technologien gearbeitet wird. Moderne Kohlekraftwerke mit Wirkungsgraden von über 45 Prozent gewinnen nicht nur mehr Strom aus der gleichen Menge Brennstoff; sie sparen auch mehr als die Hälfte des Kohlendioxids gegenüber alten Anlagen ein und können die Grundlastversorgung mit Strom sichern. Insgesamt gibt es hier große Möglichkeiten für Innovationen und Beschäf- tigung, auch weil deutsche Firmen bei Kraftwerkstechnolo- gien führend auf dem Weltmarkt sind. Es ist klar, dass die Umsetzung der Eckpunkte für ein integriertes Energie- und Klimaprogramm die Wirtschaft vor neue Herausforderungen stellt. Immer noch führt der Einsatz fossiler Energieträger zu einem Ausstoß von Luftschadstoffen. Hier müssen und werden wir gegen- steuern. Wir wollen in Zukunft keinen neuen Wildwuchs von Kraftwerken und Müllverbrennungsanlagen mit al- ter Technik, sondern die bestmöglichen technischen An- lagen, weil uns die Umwelt, die Gesundheit und das Klima wichtig sind. Insbesondere Stickstoffoxide gelten als sehr gefährli- che Schadstoffe. Sie kommen vorwiegend in der Luft vor und stammen insbesondere aus Abgasen von Indus- trieanlagen, Kraft- und Fernheizwerken, von Gebäude- heizungen und Verkehrsabgasen. Den größten Anteil an der Emission von Stickstoffoxiden hat hier mit Abstand der Verkehr. Bei der Ausgestaltung von Grenzwerten für künftige Euro-Normen für Pkw und Lkw wird auf Stick- stoffoxide verstärkt geachtet werden müssen. V t v N g B s k B t S d B R r d u P l f ü l s u m M n d k B d s N j a d s j D c h E m u 2 l r a w n R m u m v (C (D Die Novellierung der 37. Bundes-Immissionsschutz- erordnung nimmt jetzt auch die Betreiber von Indus- rieanlagen, von Kraft- und Feinheizwerken und Müll- erbrennungsanlagen verstärkt in die Pflicht. Ziel der ovelle ist es, frühzeitige Vorgaben von Rahmenbedin- ungen für die Planung neuer Anlagen, die ab 2013 in etrieb gehen, zu geben. Wie andere Luftschadstoffe wirken Stickstoffoxide chädlich auf die Atemwege. Eine erhöhte Empfindlich- eit gegenüber Atemwegsinfektionen und chronische ronchitis bei länger einwirkenden höheren Konzentra- ionen lassen sich nachweisen. In der Außenluft sind tickstoffoxide an der Bildung von Feinstaub und bo- ennahem Ozon beteiligt. Bei Pflanzen schädigen sie lattoberschichten und Nadeln. Der sogenannte saure egen, der Stickstoffoxide enthält, führt zur Versaue- ung von Böden und Gewässern. Karge Böden werden urch das zunehmende Nährstoffangebote überdüngt nd die an diese nährstoffarme Umgebung angepassten flanzen verdrängt. Stickstoffverbindungen sind leider wahre Verwand- ungskünstler: Sie sind sehr mobil und ineinander trans- ormierbar. Sie werden mit der Luft verbreitet, dringen ber Niederschläge in Böden und Gewässer ein und ge- angen von dort in die Meere. Inzwischen stören Stick- toffrückstände weiträumig natürliche Stoffkreisläufe nd Ökosystembeziehungen. Die Wandlungsfähigkeit acht Stickstoffverbindungen auch so problematisch. inderungsmaßnahmen in einem Umweltbereich kön- en unter Umständen dazu führen, Probleme in einen an- eren Bereich zu verschieben und sie noch zu verstär- en. Deshalb sind auch andere Verbindungen, zum eispiel Ammoniak und Schwefeldioxid, Bestandteil es sogenannten Göteborg-Protokolls, nach der engli- chen Bezeichnung „national emission ceilings“ auch als EC-Richtlinie bekannt. In der NEC-Richtlinie werden durch die EU die ährlichen nationalen Emissionshöchstmengen über lle Emissionsquellen eines Staates festgelegt, die von en Mitgliedstaaten einzuhalten sind. Nationale Emis- ionshöchstmengen begrenzen also den gesamten ährlichen Ausstoß eines Schadstoffes für einen Staat. ie NEC-Richtlinie lässt allerdings offen, mit wel- hen Maßnahmen die Mitgliedstaaten diese Werte ein- alten wollen. Neben der NEC-Richtlinie bildet die U-Luftqualitäts-Rahmenrichtlinie, die in Verbindung it der ersten Tochterrichtlinie Immissionsgrenzwerte nter anderem für Stickstoffoxide festlegt, die ab 010 einzuhalten sind, die Grundlage für die Novel- ierung der 37. BlmschV. Lassen Sie mich zusammenfassen: Mit der Novellie- ung der 37. BlmschV soll dem verstärkten Schadstoff- usstoß insbesondere von Stickstoffoxiden entgegenge- irkt werden, damit Deutschland die Einhaltung der ationalen Emissionshöchstwerte innerhalb der NEC- ichtlinie einhalten kann. Gleichzeitig geben wir aber it dieser Novellierung zukünftigen Betreibern klare nd verlässliche Rahmenbedingungen, die sie erfüllen üssen, und sorgen damit für eine berechenbare und ertrauenswürdige Politik. 15060 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) Wir als SPD-Fraktion betrachten die Regelungen für notwendig und angemessen. Ich bitte Sie deshalb um Ihre Zustimmung. Michael Kauch (FDP): Im Umweltausschuss ent- brannte eine energiepolitische Debatte vor allem an dem Passus in der Gesetzesbegründung, in dem es heißt: „Vor dem Hintergrund des Atomausstiegs ist der Einsatz fos- siler Brennstoffe unverzichtbar“. Tatsächlich ist diese Schlussfolgerung nur konsequent. Wenn Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke sowie Teile der SPD das nicht wahr haben wollen, dann verschließen sie sich der Reali- tät. Es ist schlichtweg unseriös zu behaupten, der Einsatz erneuerbarer Energien könne bereits mittelfristig Atom und Kohle ersetzen. Für die FDP steht fest: Zu einem breiten Energiemix der Zukunft wird auch auf absehbare Zeit die Kohle gehören. Die weitere Nutzung fossiler Brennstoffe wie Braun- und Steinkohle ist langfristig mit einer ambitionierten Klimaschutzpolitik aber nur dann in Einklang zu bringen, wenn wir Technologien zur Abscheidung und Einlage- rung von CO2 einsetzen. Die CO2-Abscheidung – CCS – ist nach Expertenaussagen ab 2020 eine machbare Option für den Klimaschutz. Mit CCS können wir Kohle und Gas für Jahrzehnte nutzen, ohne zusätzliche Treibhausgase in die Atmosphäre zu geben. Es ist eine Technologie, die ne- ben Energieeffizienz und erneuerbaren Energien in der Zukunft einen zusätzlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Das bedeutet aber nach unserem jetzigen Wissen über diese Technik, dass mit der CO2-Abschei- dung niedrigere Wirkungsgrade und somit ein höherer Brennstoffeinsatz verbunden ist. Das ist aus ökologischer Sicht zumindest dann verantwortbar, wenn wir im Rah- men der immissionschutzrechtlichen Regelungen Vor- sorge treffen. Daher brauchen wir die vorliegende Ände- rung der 37. Bundes-Immissionschutzverordnung, um auch dauerhaft eine gute Luftqualität zu sichern. Die verschärfte Festlegung von Grenzwerten zum Ausstoß von Stickoxiden wird von der FDP-Bundestags- fraktion begrüßt. Die 37. BlmSchV enthält Regelungen zur Absenkung der Emissionsfrachten für Stickstoff- oxide und frühzeitige Vorgaben von Rahmenbedingun- gen für die Planung neuer Anlagen. Sie dient der Umset- zung von EU-Vorgaben und ergänzt darüber hinaus andere deutsche immissionsschutzrechtliche Verordnun- gen. Wir teilen die Intention dieser Verordnung, Klima- schutz und Immissionsschutz auf fortschrittlichstem technischem Niveau zur Akzeptanzsteigerung bei Neu- bauprojekten von Kraftwerken zu realisieren. Wir halten es für richtig, einem verstärkten Ausstoß von Stickstoffoxiden entgegenzuwirken. Auch zukünftig sollen steigende Anforderungen an die Luftqualität si- cher eingehalten werden. Betreiber von Anlagen, die ab 2013 in Betrieb gehen, erhalten Rechts- und Planungssi- cherheit. Das sind richtige Maßnahmen. Nach unserer Kenntnis stellen diese Emissionswerte grundsätzlich kein Problem dar und können von Anlagen ab 2013 ein- gehalten werden. Allerdings werden die neuen Grenz- werte zusätzliche Investitionen erfordern. r w 1 r n s m n d t r s k d p a w w S g w D n n l n S a E v a D d w v g E t d a S A a o m s D s n d m u Ä s f d G (C (D Zu klären bleibt aber noch, wie die Verordnung echtssystematisch einzuordnen ist. Denn auch weiterhin erden die Konzentrationsgrenzwerte der geltenden 3. Bundes-Immissionschutzverordnung für Großfeue- ungsanlagen bzw. der 17. BlmSchVfür Abfallverbren- ungsanlagen gelten. Es wäre daher zu überlegen, ob ämtliche anlagenbezogenen Grenzwerte in einer ge- einsamen Verordnung zusammengefasst werden kön- en. Diese Frage sollte noch auf den Fachebenen und ann gegebenenfalls in einem weiteren Verfahren poli- isch geklärt werden. Daran soll aber nun die materiell- echtliche Verbesserung der Luftreinhaltung jedoch nicht cheitern. In der Gesamtbeurteilung des Verordnungsentwurfes ommt die FDP-Bundestagsfraktion zu dem Schluss, ass zur Erreichung ambitionierter klima- und umwelt- olitischer Ziele die Verordnung notwendig und dazu uch geeignet ist. Wir stimmen dem Verordnungsent- urf daher zu. Lutz Heilmann (DIE LINKE): 19 neue Kohlekraft- erke sollen in Deutschland entstehen – mindestens. ie, die Bundesregierung, tun nichts dagegen. Im Ge- enteil, Sie befürworten sogar den Bau dieser Kraft- erke. Das ist Ihr klimapolitischer Offenbarungseid. as ist Ihr klimapolitischer GAU. Das Einzige, was Ih- en gegen die negativen Folgen einfällt, ist diese Verord- ung. Im Übrigen verteilen Sie kräftig Beruhigungspil- en. Stichwort Emissionshandel. Der funktioniert aber icht richtig. Stichwort CCS. Das Kohlendioxid wollen ie aus den Abgasen herausfiltern. Dann wollen Sie es ls Zeitbombe für zukünftige Generationen unter der rde entsorgen. Das Spiel kennen wir schon zur Genüge om Atommüll. Ich sage Ihnen: Mit uns nicht! Was noch us den Schornsteinen kommt, sind die Luftschadstoffe. ie belasten nicht das Klima, dafür aber die Gesundheit er Menschen. An vielen Standorten geplanter Kraft- erke haben sich ja nun erfreulicherweise Bürgerinitiati- en gebildet – wie zu besten Zeiten der Antiatombewe- ung. Diese werden wie in Mainz, Hamburg und nsdorf in ihrem Widerstand durch Ärzteinitiativen un- erstützt, die auf die Gesundheitsgefahren der Menschen urch die zusätzlichen Schadstoffe hinweisen. Was da us den Schornsteinen kommt, sind Kohlenmonoxid, tickoxide, Schwefeloxide, Schwermetalle – und auch rsen. Genau, das ist das Gift, das man eigentlich nur us Krimis kennt. All das kommt aus den Schornsteinen, bwohl die Grenzwerte eingehalten werden. Selbst wenn an also den Klimaschutz gedanklich kurz beiseite lässt, elbst dann ist diese Verordnung völlig unzureichend. enn statt für alle oben genannten Schadstoffe drasti- che Verschärfungen der Grenzwerte einzuführen, sollen ur für Stickoxide schärfere Grenzwerte eingeführt wer- en. Das bedeutet aber nichts anderes, als dass Sie die assive Gesundheitsgefährdung von Anwohnerinnen nd Anwohnern in Kauf nehmen. Nicht umsonst warnen rzteinitiativen vor einer extrem ansteigenden Fein- taubbelastung. In Hamburg-Moorburg sollen es jährlich ast 400 Tonnen sein. Über Umweltzonen brauchen wir ann gar nicht mehr zu reden. Ich sage Ihnen: Schärfere renzwerte nur für Stickoxide einzuführen, ist deswegen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15061 (A) ) (B) ) nicht nur unsinnig. Das ist schon fahrlässig. Und mit Ih- rer Begründung verhöhnen Sie den gesunden Menschen- verstand: Zwar hat Deutschland in der Tat Probleme, den von der EU bis 2010 geforderten Ausstoß von Stickoxi- den in Deutschland zu verringern. Ihre Verordnung greift aber erst ab 2013. Da fühlt sich jedes Schulkind veräp- pelt, so hanebüchen ist das. Zudem soll die entsprechende Richtlinie der EU noch im April verschärft werden. Dabei sollen für Feinstaub ebenfalls nationale Höchstwerte eingeführt werden. Da frage ich mich, ob Sie sich wirklich den Schutz der Ge- sundheit auf die Fahnen geschrieben haben. Wenn Sie Feinstaub bei dieser Verordnung außen vor lassen, dann schützen Sie jedenfalls nicht die Anwohnerinnen und Anwohner. Dann schützen Sie nur die Kraftwerksbetrei- ber! Das hat anscheinend Methode. Denn bestehende Anlagen werden von weiteren Auflagen komplett ver- schont. Gesetzlich vorgeschrieben ist aber, dass alle Kraftwerke und Fabriken mit den besten verfügbaren Techniken betrieben werden. Das wird von den Verwal- tungen im Vollzug allerdings sehr großzügig im Sinne der Industrie gehandhabt. Daran wollen Sie auch mit dem neuen Umweltgesetzbuch nichts ändern. Die ent- sprechenden Vorschriften lassen Sie so vage, wie sie jetzt schon sind. An der Luftverschmutzung und der Kli- mabelastung durch Kraftwerke und Industrieanlagen wird sich also nichts ändern. Von der Tragweite her noch problematischer ist, dass im Umweltgesetzbuch weiter- hin keine vernünftige Planrechtfertigung vorgesehen ist. Denn warum werden überhaupt so viele neue Kohle- kraftwerke geplant? Warum werden diverse Großheiz- kraftwerke mit Ersatzbrennstoffen geplant, obwohl wir schon längst massenhaft Müll importieren? Nur, weil Sie freiwillig die Hebel aus der Hand gegeben haben. Jeder kann hier beliebig viele Kohlekraftwerke oder sonstige Anlagen bauen. Ob das volkswirtschaftlich sinnvoll ist, ob das klimapolitisch schädlich ist – das ist für die Ge- nehmigung alles irrelevant. Diesen Gestaltungsspiel- raum müssen Sie von der Koalition der Exekutive end- lich wieder verschaffen. Dann können in Berlin und anderswo die Anträge für neue Kohlekraftwerke nämlich einfach abgelehnt werden. Dazu muss im Umweltgesetz- buch eine vernünftige Planrechtfertigung eingeführt werden. Die Antragsteller müssen darlegen, wozu ge- plante Kraftwerke gebraucht werden und wie sie mit den übergeordneten Klimazielen vereinbar sind. Dann wür- den uns viele falsche Weichenstellungen erspart bleiben. Wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier haben es in der Hand, Deutschland vor dem Weg zurück ins Kohlezeitalter des 18. Jahrhunderts zu bewahren. Lassen Sie uns diese Chance nutzen. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der vorliegende Verordnungsentwurf ist umweltpoli- tisch weniger als unambitioniert und klimapolitisch geradezu ein Skandal. Beachten Sie doch einmal die politische Botschaft dieser 37. Bundes-Immissions- schutzverordnung. Die Botschaft heißt: Weg frei für die Kohle. Im festen Vertrauen auf die noch nicht verfügbare Technologie CCS – ich frage mich, woher dieses Ver- trauen kommt angesichts der jüngsten Entwicklungen z V c G o b m n m „ d n d u s k E l a d w K z g m u g s f u S f e s l m d s Z H G a w S s s A z e g f n g (C (D um Beispiel der norwegischen Projekte –, im festen ertrauen auf dieses bisher durch nichts belegte Verspre- hen der Atom- und Kohlekonzerne wird ihnen im egenzug lediglich zur Auflage gemacht, ihre Stick- xidemissionen entsprechend den EU-Anforderungen zu egrenzen – von CO2-Emissionen ist in dieser zum Kli- aschutzpaket der Bundesregierung gehörenden Verord- ung gar nicht die Rede. Was die 37. BImSchV mit Kli- aschutz zu tun hat, erschließt sich mir nicht. Wenn die Bundesregierung es ernst meinte mit dem Bemühen um eine klimaneutrale Energieproduktion“, ann müsste sie den Weg gehen, den die Fraktion Bünd- is 90/Die Grünen im Energiekonzept 2.0 ausführlich argestellt hat: die Verminderung der CO2-Emissionen m 40 Prozent bis zum Jahr 2020, ohne den Atomaus- tieg infrage zu stellen und ohne den Neubau von Kohle- raftwerken. Der Fokus muss endlich vollständig auf die ffizienz und den Ausbau der erneuerbaren Energien ge- egt werden. Ihre ständige Streiterei in der Großen Ko- lition ob nun lieber Kohleausbau oder Durchlöcherung es Atomausstiegs, verstellt völlig den Blick auf das irklich Notwendige und Machbare. Einig sind Sie sich allerdings in Ihrem Setzen auf die onzerne, obwohl die logischerweise wenig Neigung eigen, den Klimaschutz als Ziel einer zukünftigen Ener- iewirtschaft akzeptieren zu wollen. Im Schulterschluss it den Energiekonzernen verhindern Sie so den Umbau nseres Energieversorgungssystems. So viel zur klimapolitischen Bedeutung der vorlie- enden Verordnung. Was den Umwelt- und Gesundheitsschutz betrifft, ist ie auch keine Offenbarung. Die geplanten Grenzwerte ür die Stickoxide sind alles andere als anspruchsvoll, nd von den besonders die Gesundheit gefährdenden täuben ist überhaupt nicht die Rede. Nach wie vor dür- en mit jedem Kubikmeter Abluft 20 Gramm Stäube mittiert werden, obwohl der Stand der Technik heute chon weniger als 10 Gramm erlaubt. Mit dem Koh- eausbau werden die Stäube also zunehmen. Wieder ein- al ein wunderbares Beispiel dafür, dass das, was von er einzelnen Bürgerin verlangt wird – Stichworte Die- elrußfilter und Umweltzonen –, von der Wirtschaft als umutung ferngehalten wird. So, meine Damen und erren von den Regierungsfraktionen, kriegen wir den esundheitsschutz nicht auf die Reihe. Und dann schauen Sie sich einmal den Zeitpunkt an, b dem die Verordnung gelten soll: Ende 2020. Alles, as vorher gebaut wird, ist gar nicht betroffen. Ein chelm, wer Böses dabei denkt! Herr Gabriel, Ihre Ge- chenke an die Kohlelobby sind seit dem NAP2 der be- onderen Beachtung wert. Hier haben wir das jüngste. lles was Sie mit dieser Verordnung tun, ist die Umset- ung der Mindestanforderung der EU zu den Stickoxid- missionen. Sie tun das unambitioniert, Sie vernachlässi- en den Gesundheitsschutz der Bevölkerung, und Sie ordern die Energiekonzerne geradezu auf, mit den Pla- ungen Ihrer Kohlekraftwerke weiter in die Offensive zu ehen. 15062 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine Bemerkung zum beliebten Thema Bürokratie: Der Normenkontroll- rat hat keine Bedenken gegen den Verordnungsentwurf erhoben, da er mit zwei Informationspflichten für Unter- nehmen nur zu einer geringen finanziellen Belastung führte. Würde allerdings der Umweltminister sein unsin- niges Ansinnen, den Klimaschutz über den Ausbau der Kohle erreichen zu wollen, aufgeben und stattdessen konsequent den Weg der Effizienzsteigerung und der er- neuerbaren Energien gehen, dann würde neben dieser 37. BImSchV noch eine Menge anderer Regelungen zum Schutz von Umwelt und Gesundheit überflüssig und damit tatsächlich Bürokratie abgebaut. Für mich und meine Fraktion ist diese Verordnung nicht zustimmungsfähig – sie dient dem Ausbau der Kohle und geht damit zulasten von Umwelt, Gesundheit und Klima. Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- heit: Das Bundeskabinett hat letztes Jahr in Meseberg ein umfassendes Energie- und Klimaprogramm be- schlossen. Zur konsequenten Umsetzung dieser Be- schlüsse haben wir im Dezember ein nicht nur äußerst ambitioniertes, sondern auch historisches Klimapaket vorgelegt: Ambitioniert ist es deshalb, weil es 14 Gesetze und Verordnungen enthält, die auf einen effizienten Klima- schutz abzielen, der zugleich bezahlbar bleibt und mit der wirtschaftlichen Entwicklung Schritt hält. Historisch ist dieses Programm deshalb, weil es in der deutschen Klimapolitik und auch international einmalig ist. Es gibt kein vergleichbares Industrieland mit einem ähnlich ambitionierten und konkret ausgestalteten Pro- gramm. Als ein Mosaikstein zu dieser konkreten Ausgestal- tung gehört die Verordnung, die wir heute hier beraten: Was verbirgt sich hinter dem eher trockenen Arbeitstitel „37. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immis- sionsschutzgesetzes“? In dieser Verordnung geht es – vereinfacht gesagt – um saubere Kraftwerke und an- spruchsvolle Standards für deren Stickstoffoxidausstoß. Stickstoffoxide sind verantwortlich für den Sommer- smog, der die menschlichen Atemwege und die Vegeta- tion schädigt. Stickstoffoxide tragen zur Versauerung der Böden bei und schädigen insbesondere Wälder und Ge- wässer. Die Folgen sind eine Gefährdung des Grundwas- sers und der Artenvielfalt. Aufgrund der zu hohen Hintergrundbelastung durch Stickoxide hat die EU mit der Luftqualitäts-Rahmen- richtlinie Grenzwerte festgelegt, die bei zusätzlichen lo- kalen Belastungen überschritten werden können. Gleichzeitig wird unser Ziel einer klimaneutralen Energieproduktion zumindest vorübergehend zu einem höheren Einsatz fossiler Energieträger führen. Dies hätte einen erhöhten Ausstoß von Luftschadstoffen wie Stick- oxide zur Folge, wenn dem nicht die „Verordnung zur Absicherung von Luftqualitätsanforderungen“ entgegen- w u l n D m r a R G d w f V c g F c d W R s A s b ß d g B H m r h v d w r s b R m d u t G r (C (D irken würde. Deshalb ist die Verordnung im Energie- nd Klimaprogramm integriert. Ziel ist es also, neue Kraftwerke, die wir in Deutsch- and zur Erhaltung der Versorgungssicherheit brauchen, icht nur effizienter, sondern auch sauberer zu machen. as Gleiche gilt für Abfallverbrennungsanlagen, Ze- entwerke und Gasturbinen. Ein weiteres Ziel ist, angesichts steigender Anforde- ungen an die Luftqualität Betreibern von Anlagen, die b dem Jahr 2013 in Betrieb gehen sollen, bereits heute echtssicherheit und Planungssicherheit zu geben. leichzeitig versuchen wir den mit der Durchführung er Verordnung verbundenen Aufwand zu begrenzen: So erden zum Beispiel keine neuen Messverfahren einge- ührt. Zudem gehen die Bürokratiekosten infolge der erordnung gegen null. Mit dieser Verordnung halten wir also unser Verspre- hen ein, effizienten Klimaschutz voranzutreiben und leichzeitiger deutschen Wirtschaft, das heißt in diesem all vor allem der Energiewirtschaft, die hier erforderli- hen verlässlichen und wettbewerbsfähigen Rahmenbe- ingungen für ihre Investitionsentscheidungen zu geben. ir bleiben mit dieser Verordnung bei unserer klaren ichtschnur. Diese lautet: Versorgungssicherheit, Wirt- chaftlichkeit und Umweltverträglichkeit. nlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Arbeitslosengeld II unbürokratisch berechnen und auszahlen – Rechts- und Planungssicherheit für Leistungs- beziehende schaffen (Tagesordnungspunkt 19) Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Nachdem ich bereits in den vergangenen Wochen seit ihrem Ham- urger Parteitag die SPD mehr und mehr von ihrer gro- en Arbeitsmarktreform der Agenda 2010 verabschie- et hat, scheinen es ihr die Grünen mit diesem Antrag leichtun zu wollen. Da drängt sich dem interessierten ürger unweigerlich der Eindruck auf, als seien die artz-Reformen eine spontane Idee einzelner Sozialde- okraten gewesen und nicht das Werk der damaligen ot-grünen Bundesregierung. Wenn Sie etwas mehr Mut ätten, würden Sie sich vor Ihre Reform stellen und sie erteidigen und sie nicht mit derartigen Anträgen wie em heutigen scheibchenweise auseinandernehmen. Es ist unbestritten, dass bei einer so großen Reform, ie die des Arbeitsmarktes in den vergangenen vier Jah- en auch Probleme auftauchen, die im Vorfeld nicht ab- ehbar waren und die ganz unzweifelhaft der Korrektur edürfen. Auch als grundsätzlicher Befürworter dieser eform sehe ich an der einen oder anderen Stelle Opti- ierungsbedarf. Das darf allerdings nicht dazu führen, ass wir grundsätzliche Elemente infrage stellen und Tür nd Tor öffnen für zusätzliche Ausgaben. Nichts anderes un Sie von Bündnis 90/Die Grünen, auch wenn sie das anze nicht als Mehrausgaben, sondern als „soziokultu- elles Existenzminimum“ und „individuelle Bedarfsde- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15063 (A) ) (B) ) ckung“ bezeichnen. Das alles hätten Sie doch schon vor Jahren zu Beginn der Reform haben können. Sie spielen das typische Spiel der Opposition, indem Sie mit wohlmeinenden Anträgen versuchen, auf Stim- menfang zu gehen, obwohl Sie genau wissen, dass eine Leistungsausweitung in diesem Bereich unwägbare Haushaltsrisiken in sich birgt. Früher hatten Sie mal ei- nen Haushaltsexperten, der Sie darauf hingewiesen hätte. Auch mir ist völlig klar, dass mit dem derzeitigen Re- gelsatz kein Leben in Wohlstand finanziert werden kann. Mir ist auch klar, dass es für die Betroffenen ein hohes Maß an Verzicht und Disziplin bedeutet, mit diesem Geld einen ganzen Monat auszukommen. Wir müssen uns aber klar machen, dass die Leistungen des SGB II nicht dazu dienen sollen, damit das ganze Leben zu fi- nanzieren. Die Idee der Grundsicherung ist die Überbrü- ckung einer Notlage für die Zeit, in der es den Menschen aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist, für ihren eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. Es ist eine Hilfe der Solidargemeinschaft für einen begrenzten Zeitraum, um wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Das Arbeitslosengeld II ist keine rentengleiche Dau- erleistung für einen unbegrenzten Zeitraum. Wenn Sie in Ihrem Antrag Sonderbedarfe für Übergrößen verlangen, sollten Sie den Menschen auch ehrlich sagen, was Sie sonst noch als Sonderbedarf für angemessen halten und vor allem was nicht. Ich kann Ihnen auch gute Beispiele nennen, wofür wir zusätzlich Geld in die Hand nehmen sollten, um die Menschen in ihrem Alltag zu unterstützen. Und die Kol- legen der SPD und die der Linken könnten das sicherlich auch. Es wäre aber unredlich, sich dieser Diskussion an- zuschließen. Wenn Sie sich einen Wettlauf um die Verteilung zu- sätzlicher Steuergelder liefern wollen, können Sie das gern tun. Mir ist es wichtiger, den Menschen mit konkre- ten Angeboten auf eine Beschäftigung wieder eine sinn- volle Alternative zum ALG-II-Bezug zu geben. Der Aufschwung in Deutschland ist da und wir sollten ihn stützen, damit mehr Menschen von ihm profitieren, als bereits jetzt von ihm profitiert haben. Die Bundesregierung hat für das Jahr 2008 6,5 Mil- liarden Euro für Eingliederungsmittel bereitgestellt, um arbeitslose Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu in- tegrieren. Das ist trotz des deutlichen Rückgangs der Ar- beitslosigkeit dieselbe Summe, die wir auch im vergan- genen Jahr für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt haben. Wir sind der festen Überzeugung, dass trotz des deutlichen Rückgangs der Arbeitslosigkeit für die ver- bleibenden Arbeitslosen mehr unternommen werden muss, um auch sie wieder in Lohn und Brot zu bringen. Es ist der richtige Weg, das Geld der Steuerzahler einzu- setzen, weil es hier effektiv und nachhaltig Wirkung zeigt und nicht einseitig auf Konsum ausgerichtet ist. Die Kollegen von den Grünen bemängeln in ihrem An- trag, dass die „Verordnung zur Berechnung von Einkom- men sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II“ die Jobcenter m ü t s A d m g g v d s n B A s s k S k R d f z d k m I d d d s w g V d w e e L d a Z A r m r P a c e k f w s s (C (D it fragwürdigen bürokratischen Einzelfallprüfungen berfrachtet. Wenn Sie aber gleichzeitig in Ihrer An- ragsbegründung ein Bekenntnis zum Grundsatz pau- chalierter Leistungen bei gleichzeitiger Wahrung des nspruchs auf besonders gerechtfertigte Mehraufwen- ungen verlangen, dann frage ich mich, wie das zusam- enpassen soll. Sie können doch nicht allen Ernstes leichzeitig bürokratische Einzelfallprüfungen bemän- eln und auf der anderen Seite einen Anspruch auf indi- iduelle Mehraufwendungen fordern. Wer soll denn iese Ansprüche überprüfen, wenn nicht das Jobcenter? Ihr Antrag ist in einer Art und Weise in sich wider- prüchlich, dass er kaum der Befassung durch das Ple- um des Deutschen Bundestages wert ist. Sie werfen der undesregierung vor, sie würde sich mit dem derzeitigen nrechnungsverfahren systemwidrig vom Prinzip pau- chalierter Leistungen verabschieden, und fordern im elben Atemzug die individuelle Absicherung des sozio- ulturellen Existenzminimums. Unseriöser kann man ozialpolitik nicht betreiben. Sie hätten doch wenigstens onsequent bleiben und eine pauschale Erhöhung des egelsatzes ohne zusätzliche Mehrbedarfsprüfung for- ern können. Dann wären Sie sowohl Ihrem Ziel einer inanziellen Besserstellung der Arbeitslosengeld-II-Be- ieher gerecht geworden als auch dem Ziel der Vermei- ung unnötiger Bürokratie. In einer Sache sind Sie in Ihrem Antrag wenigstens onsequent geblieben, nämlich in der Offenbarung eines angelnden Verständnisses unserer Arbeitsverwaltung. n der Begründung zu Punkt drei monieren Sie, dass urch die derzeitige bürokratische Detailsteuerung für as eigentliche Ziel der Arbeitsmarktreform, nämlich er Integration von Arbeitslosen, immer weniger Res- ourcen blieben. Wie ich bereits erwähnt habe, haben ir die Ausgaben für die Arbeitsmarktintegration stabil ehalten, sodass pro Arbeitslosen sogar mehr Geld zur erfügung steht als vor einem Jahr. Zudem muss ich an ieser Stelle wohl darauf hinweisen, dass die Arbeitsver- altung in den Jobcentern in einen Leistungsbereich und inen Betreuungsbereich unterteilt ist, sodass sich eine ventuelle zusätzliche Belastung der Mitarbeiter des eistungsbereichs bei der Regelsatzberechnung nicht auf ie Jobvermittler auswirkt. Gerade diese Arbeitsteilung, die mit den Reformen m Arbeitsmarkt eingeführt wurde, diente doch dem weck, dass sich die Jobvermittler auf ihre eigentliche ufgabe konzentrieren und sie eben nicht mit den zeit- aubenden Verwaltungsaufgaben belastet werden sollten. Die Debatte, inwieweit der derzeitige Berechnungs- odus für die Regelsätze noch zeitgemäß ist, hat uns be- eits im vergangenen Jahr angesichts teils kräftiger reissteigerungen bei den Lebensmitteln beschäftigt. Bei ller berechtigten Kritik an der Einkommens-Verbrau- herstatistik, EVS, und insbesondere der Gewichtung inzelner Komponenten, gibt es aus meiner Sicht derzeit eine bessere als die jetzige Lösung. Bis 1989 wurde der ür die Führung eines menschenwürdigen Lebens not- endige Bedarf auf Grundlage eines von Experten zu- ammengestellten Warenkorbs bestimmt. Nach dem Be- chluss der Ministerpräsidenten erfolgte ab 1990 der 15064 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) Umstieg zum Statistikmodell, das heißt, der notwendige Bedarf orientiert sich an den tatsächlichen, statistisch er- mittelten Verbrauchsausgaben von Haushalten im unte- ren Einkommensbereich. Mit dieser Umstellung sind wir der Lebenswirklichkeit ein ganzes Stück näher gekom- men. Seinerzeit wurden noch bestimmte Abzüge vorge- nommen, die als „nicht regelsatzrelevant“ betrachtet wurden beispielsweise Nachhilfeunterricht, Musikunter- richt oder Haustiere. All das könnte man ohne große Be- gründungsschwierigkeiten wieder als individuell ge- rechtfertigte Mehraufwendung einführen. Dennoch tun wir das nicht, weil es ein Fass ohne Boden wäre, das vor den Steuerzahlern nicht zu rechtfertigen wäre. Mit dem Vorliegen der Ergebnisse der EVS 2008 ist der Verordnungsgeber gesetzlich verpflichtet, die Regel- satzbemessung zu überprüfen und gegebenenfalls wei- terzuentwickeln, § 28 Abs. 3 Satz 5 SGB XII. Bei dieser Gelegenheit kann es auch eine spezielle Überprüfung der Angemessenheit der geltenden Kinder-Regelsatz-Relati- onen – 60 Prozent bzw. 80 Prozent – geben. Das Ganze muss jedoch, um wirklich Planungssicherheit für die Be- troffenen zu schaffen, in ein Gesamtkonzept gebettet sein und darf sich nicht in der Aneinanderreihung von Einzelforderungen erschöpfen. Angelika Krüger-Leißner (SPD): Was mich an dem Antrag ärgert, ist, dass wichtige Sachverhalte schlicht und ergreifend falsch dargestellt werden. Behauptet wird, die Berücksichtigung von Sachleistungen wie die Verpflegung während eines Krankenhausaufenthaltes würde durch die Verordnung neu eingeführt. Richtig ist: Es hat sie auch vorher schon gegeben. Nach der bisher geltenden Regelung wäre sogar ein höherer Betrag anzurechnen gewesen, als dies seit dem 1. Januar 2008 der Fall ist. Dieser höhere Betrag hätte je- doch den für Verpflegung enthaltenen Anteil beim Arbeitslosengeld II bzw. beim Sozialgeld überstiegen. Deshalb musste gehandelt werden. Neu ist aber nicht nur die Begrenzung der Anrech- nung. Wir haben zusätzlich eine Bagatellgrenze einge- führt. Vielen Menschen bleibt damit eine Anrechnung der Verpflegung im Krankenhaus auf ihr Arbeitslosen- geld II erspart. Konkret bedeutet dies: Wer vorher 347 Euro Arbeits- losengeld II erhalten hat, nun ins Krankenhaus muss und im Krankenhaus voll verpflegt wird, erhält fast drei Wo- chen lang das volle Arbeitslosengeld II weiter. Oder an- dersherum: Bei einer durchschnittlichen Dauer eines Krankenhausaufenthaltes von 8,5 Tagen wird es bei der weit überwiegenden Zahl der Arbeitsuchenden zu keiner Anrechnung der Verpflegung mehr kommen. Aber auch einen anderen Aspekt stellen Sie in ihrem Antrag falsch dar. Erst vor wenigen Wochen – noch vor dem Jahreswechsel – wurde ich darauf angesprochen, dass einzelne Träger kostenlose Schulmahlzeiten als Einkommen anrechnen würden. Dies war Praxis. Dies war deshalb nicht tragbar, weil so Hilfen für Kinder er- schwert oder gar unmöglich gemacht wurden. d h s k g w b k u d i Q I g a n m d f g f s k u d v M d w k v t d i F e s t m d a s w d n s s d S S (C (D Mit der geänderten Verordnung und der Einführung er Bagatellgrenze gehört diese Praxis der Vergangen- eit an. Kindern kann jetzt konkret und vor allem wirk- am geholfen werden. Es ist jetzt sichergestellt, dass ein ostenloses Mittagessen in der Schule oder im Kinder- arten nicht als zusätzliches Einkommen angerechnet ird. Das ist ein konkreter Beitrag, um Kinderarmut zu ekämpfen. Übrigens: Kinderarmut ist nicht nur fehlendes Ein- ommen. Armut ist generell ein Mangel an Teilhabe- nd Verwirklichungschancen. Deshalb ist es so wichtig, ass wir nicht nur die Transfers im Auge haben. Zentral st Bildung. Und damit meine ich Bildung von hoher ualität. Voraussetzung hierfür sind eine gute schulische nfrastruktur und Lernmittelfreiheit – aber auch Kinder- ärten. Das sind nur ein paar Beispiele. Diese machen ber deutlich, dass eine gemeinsame Anstrengung aller otwendig ist. Gefordert sind Bund, Länder und Kom- unen. Aber zurück zur Verordnung: Ich finde es gut, dass er Verordnungsgeber, das heißt das Bundesministerium ür Arbeit und Soziales, die Praxis genau beobachtet und egengesteuert hat. Ein solches Verfahren halte ich auch ür die Zukunft für richtig. Wir müssen uns genau an- chauen, wie die neue Verordnung wirkt. Dort, wo es er- ennbare Unzulänglichkeiten gibt, die auch praktischer nd nicht nur theoretischer Natur sind, müssen wir han- eln. Die Forderung nach einer Nichtanrechnung karitati- er Zuwendungen wie beispielsweise Lebensmittel- oder öbelspenden ist bereits erfüllt. Auch Zuwendungen er freien Wohlfahrtspflege, die dem gleichen Zweck ie das Arbeitslosengeld II dienen, sind nicht als Ein- ommen zu berücksichtigen. Daher eine Bitte an die Antragsteller: Wir können iele Missverständnisse vermeiden, wenn im Vorfeld in- ensiver recherchiert wird. Für viel gefährlicher halte ich jedoch die Debatte, die urch die beiden Artikel am Dienstag und am Mittwoch n der Bildzeitung angestoßen wurde. Die geschilderten allbeispiele mag es geben. Das ist nicht der Punkt. Es ntsteht jedoch der Eindruck, dass alle Arbeitsuchenden ich lieber auf die faule Haut legen würden, als zu arbei- en. Das ist nicht wahr. Wer zu den Menschen geht und it ihnen spricht, der erfährt etwas anderes. Die ganz überwiegende Mehrheit der Arbeitsuchen- en will einen Job. Dies hat nicht zuletzt der große Run uf die Arbeitsgelegenheiten gezeigt. Als die Grund- icherung für Arbeitsuchende 2005 eingeführt wurde, ar vielerorts die Zahl der Interessenten größer als die er Arbeitsgelegenheiten. Mir ist auch klar, warum das so ist. Arbeit bedeutet icht nur Einkommen, sondern auch Teilhabe an der Ge- ellschaft in jedweder Form. Viele persönliche Kontakte ind mit dem Arbeitsplatz verbunden. Für fast jeden be- eutet Arbeit auch Anerkennung und ist gut für das elbstwertgefühl. Viele Studien zeigen auf der anderen eite, dass lang andauernde Erwerbslosigkeit zu sozialer Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15065 (A) ) (B) ) Isolation, zu Krankheit oder zum Zerbrechen der Familie führen kann. Man kann Arbeit nicht einfach darauf reduzieren, wie viel Euro mehr man in der Tasche hat. Gleichwohl müssen wir erkennen, dass bei der Höhe der Löhne oftmals vieles im Argen liegt. Sich für das Ar- beitslosengeld II zu entscheiden, statt arbeiten zu gehen, weil es sich nicht lohnt, darf es nicht geben. Das Lohn- abstandsgebot muss eingehalten werden. Hier müssen wir handeln. Deshalb setzen wir uns für Mindestlöhne ein. Darüber hinaus möchte ich betonen, dass jeder gehal- ten ist, seinen Lebensunterhalt so weit wie möglich selbst zu bestreiten. Die Gesetzeslage ist hier eindeutig. Der Eindruck, der in dieser Debatte oft vermittelt wird, ist falsch. Man kann nicht zwischen Arbeitslosengeld II und Arbeit frei wählen. Fördern und Fordern sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Einen weiteren Punkt halte ich für sehr wichtig. Um sicherzustellen, dass die Menschen, die arbeiten, mehr haben, als wenn sie nicht arbeiten, benötigen wir auch vernünftige Freibetragsregelungen. Menschen, die nur wenig verdienen, brauchen einen ordentlichen Freibe- trag. Ihnen kann man nichts wegnehmen. Man darf sie nicht im Stich lassen. Auch sie haben Werbungskosten. Ich wende mich gegen all diejenigen, die für eine Kür- zung plädieren und Menschen mit einem kleinen Ver- dienst bis 400 Euro den Hinzuverdienst nicht gönnen. Lassen Sie mich noch einmal zum Antrag der Grünen zurückkommen. Gefreut hat mich hier, dass Sie weiter zu der Entscheidung stehen, das Arbeitslosengeld II stär- ker zu pauschalieren, als dies früher in der Sozialhilfe der Fall war. Die Zusammenfassung vieler einmaliger Leistungen zu einem einheitlichen Zahlbetrag gibt den Menschen mehr Handlungsfreiheit. Sie müssen nicht mehr wie früher beim Sozialamt für jede Kleinigkeit als Bittsteller vorsprechen. Übrigens haben wir damit eine alte Forderung der Wohlfahrtsverbände erfüllt. Eine Anmerkung in diesem Zusammenhang: Die Höhe des Arbeitslosengeldes II genauso wie die Leistun- gen nach dem SGB XII muss nach einem verlässlichen und transparenten Verfahren bestimmt werden. Willkür- liche Entscheidungen haben hier keinen Platz. Beson- dere Anlässe wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer oder die Erhöhung der Preise für Milchprodukte geben Anlass zu der Frage, ob durch das Arbeitslosengeld II aktuell das Existenzminimum noch abgedeckt wird. Es ist daher zu begrüßen, dass Bundesminister Olaf Scholz das Thema aufgegriffen und eine Überprüfung eingeleitet hat. Damit sind wir auch wieder bei der Verordnung. Wir brauchen einen lernenden Gesetz- und Verordnungsge- ber. Das haben wir, und das ist auch gut so. Dirk Niebel (FDP): Wir haben seinerzeit der Einfüh- rung der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuge- stimmt, weil der bürokratische Aufwand bei der An- tragsbearbeitung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe e s A r r K D j s u m W d f f d a h s f E s A t t t L s t l S m J L t u M s P l a L D m f n S t d b s d f d (C (D ingedämmt und Verwaltungskosten eingespart werden ollten. Auch drei Jahre nach der Einführung des rbeitslosengeldes II ist der Ansturm auf die Sozialge- ichte ungebrochen. Nach Angaben des Bundessozialge- ichts sind im letzten Jahr in der ersten Instanz 154 000 lagen im Zusammenhang mit Hartz IV eingegangen. er Zuwachs liegt bei 32 Prozent gegenüber dem Vor- ahr; die Verfahren sind für die Betroffenen kostenfrei, ofern kein Rechtsanwalt eingeschaltet wird. Die meisten Fälle drehen sich um Bedarfsberechnung nd Fragen der Anrechnung von Einkommen und Ver- ögen. Aber auch die Überprüfung von angemessenen ohnungskosten und Sanktionen sind immer öfter Teil er Klageflut. Im Durchschnitt sind 30 Prozent aller Ver- ahren vor den Sozialgerichten ganz oder teilweise er- olgreich. Bei Hartz IV liegt die Erfolgsquote allerdings eutlich darunter; diese Verfahren kosten Zeit und Geld ller Beteiligten. Das Bundessozialgericht in Kassel atte Mitte des letzten Jahres sogar einen neuen Senat peziell für Hartz-Fälle eingerichtet, weil dort etwa jedes ünfte Revisionsverfahren landet. Die Gerichte geben in inzelfällen den Betroffenen Recht; in anderen machen ie die Ablehnung nachvollziehbar. Hartz IV hat für mehr Arbeitsplätze gesorgt: bei den rbeitsagenturen, bei den Kommunen und bei Gerich- en. Nur die, die schneller auf einen Arbeitsplatz vermit- elt werden und damit die Möglichkeit bekommen soll- en, zusätzlich zu den Leistungen selbst zu ihrem ebensunterhalt beizutragen, haben von diesem Be- chäftigungsprogramm bisher nicht profitiert. Die Reform galt als bahnbrechend; es gab Befürwor- er und Gegner, Gewinner und Verlierer. Aber nur wirk- ich Bedürftige sollen vom Staat unterstützt werden. chließlich werden die Transferleistungen von der Ge- einschaft der Bürgerinnen und Bürger finanziert. Seit anuar erhalten ALG-II-Empfänger 35 Prozent weniger eistungen, wenn sie im Krankenhaus oder in einer sta- ionären Rehabilitationsmaßnahme sind. Dies ist streitig nd wird kritisiert, weil man nicht die Möglichkeit hat, ahlzeiten ausfallen und sich das Geld auszahlen zu las- en. Wir brauchen für die Leistungsbezieher eine andere erspektive als mehr Anträge für mehr Leistung, näm- ich die Perspektive auf Beschäftigung. Wir brauchen uch für diejenigen, die die finanzielle Grundlage des eistungsbezuges ermöglichen, eine andere Perspektive. as sind die Menschen in der Mitte der Gesellschaft. Sie üssen entlastet statt immer weiter belastet werden. Die ragen sich zu Recht, warum der Aufschwung bei ihnen icht angekommen ist, wo der Abschwung schon in ichtweite geraten ist. Beim ALG II handelt es sich um ein steuerfinanzier- es soziokulturelles Existenzminimum, das auf der Basis er alle fünf Jahre stattfindenden Einkommens- und Ver- rauchsstichprobe ermittelt wird. Das Arbeitslosengeld oll und kann durch Hinzuverdienste aufgestockt wer- en. Das Bundessozialgericht hat im November 2006 estgestellt, dass der monatliche Regelsatz nicht gegen as Grundgesetz verstößt. 15066 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) Arbeitslose sollten aktiviert und vermittelt statt mög- lichst lange alimentiert werden. Fördern und Fordern war als Begriffspaar in aller Munde. Diese Ziele wurden bisher nicht erreicht, weil die notwendigen Rahmenbe- dingungen nicht gesetzt wurden. Um mehr Arbeitsplätze zu schaffen, müssen Steuern und Abgaben gesenkt, Bü- rokratie abgebaut und arbeits- und tarifrechtliche Vor- schriften gelockert werden. Die pauschalierten Regelsätze geben den Menschen die Freiheit, ihr Geld so einzusetzen, wie sie es brau- chen. Die Situation für die betroffenen Leistungsemp- fänger hat sich aber bisher nicht wesentlich verbessert. Eine schnellere Vermittlung in Beschäftigung hat nicht stattgefunden. Das Personal ist mit Verwaltungs- statt Vermittlungsaufgaben befasst. Aber bisher wurden we- der neue Arbeitsplätze geschaffen, noch wurden die An- reize zur Arbeitsaufnahme attraktiv gesetzt. Statt der Einführung eines Niedriglohnsektors, der diesen Men- schen die Chance auf Beschäftigung gibt, werden wei- tere Arbeitsplätze durch die geplante Einführung von flächendeckenden Mindestlöhnen gefährdet. Sie ver- drängen Arbeitsplätze in die Schwarzarbeit und ver- schärfen dadurch die Lebenssituation von Langzeitar- beitslosen. Deshalb hat die FDP die Auflösung der Bundesagen- tur für Arbeit in ihrer jetzigen Form und die Neuordnung ihrer Aufgaben gefordert. Wir fordern den verantwor- tungsvollen Umgang mit den Mitteln der Beitrags- und Steuerzahler und die Anpassung an die Bedürfnisse der Arbeitslosen, Arbeitgeber und Arbeitsuchenden. Das Zuständigkeitschaos von Arbeitsagenturen, Kommunen und Arbeitsgemeinschaften muss beendet werden. Wir wollen, dass alle Arbeitslosen in kommunalen Job- centern betreut und beraten werden, weil die Kommunen besser auf individuelle Problemlagen und den regionalen Arbeitsmarkt reagieren können. Darin sehen wir uns auch durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes bestätigt, das im Dezember 2007 entschieden hat, dass die Errichtung von Arbeitsgemeinschaften gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes verstößt. Die Bundesregierung hat drei Jahre Zeit, um für eine neue Ordnung zu sorgen. Ich hoffe sehr, dass die FDP von den Wählerinnen und Wählern beauftragt wird, an den entscheidenden Stellen eine liberale Richtung vorzugeben. Ich hoffe sehr, dass wir zu einem Systemwechsel beitragen kön- nen. Die FDP war die erste Partei, die ein Bürgergeld für Deutschland beschlossen hat. Im Gegensatz zu anderen wollen wir kein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern ein bedarfsorientiertes Bürgergeld, ein Steuer- und Transfersystem aus einem Guss. Alle steuerfinanzierten Sozialtransferleistungen wer- den gebündelt, die Sozialbürokratie verschlankt und das Transferleistungssystem transparenter und fairer. Alle, die arbeitsfähig sind, bekommen das Bürgergeld über die Fi- nanzämter, die es als Negativsteuer berechnet. Diejenigen, die leistungsfähig sind, haben damit den klaren Anreiz, dass ihnen Arbeit ein höheres Netteinkommen einbringt. Die eigene Anstrengung zahlt sich – unabhängig von Fa- milienstand, Anzahl der Kinder und so weiter – aus. Das A d T g B b J a d d D l s m e i s t g k m l w A t t l d i r l k a r e g s M P – u A r e Ü d je w le k f L (C (D LG II leistet das nicht, weil für alle Familien mit Kin- ern jeder selbst erarbeitete Cent über 1 500 Euro von den ransferleistungen abgezogen wird. Zusätzliche Anstren- ungen zahlen sich also nicht aus. Das ist nicht gerecht. ei unserem Bürgergeld-Konzept hat der arbeitende Ar- eitnehmer netto immer mehr als der, der nicht arbeitet. eder Erwerbsfähige bleibt verpflichtet, zumutbare Arbeit uch anzunehmen. Das Bürgergeld stellt ein Mindesteinkommen für je- en sicher, und zugleich schafft es zusätzliche Anreize, urch Arbeit ein höheres Nettoeinkommen zu erzielen. amit ist es gerechter und wirksamer als jede Mindest- ohnregelung. Das Bürgergeld muss individuell ausge- taltet werden, je nach Lebenssituation. Das Bürgergeld uss so berechnet werden, dass es bezahlbar bleibt und ine hinreichende Versorgung gewährleistet. Wir wissen, dass die Umsetzung unserer Forderung m politischen Wettbewerb sehr schwierig wird, aber wir ind bereit, uns dieser Aufgabe zu stellen. Katja Kipping (DIE LINKE): Im vorliegenden An- rag fordern die Grünen, die zum 1. Januar 2008 in Kraft etretene ALG-II-Verordnung zur Berechnung von Ein- ommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkom- en und Vermögen im Sinne des Grundsatzes pauscha- ierter Leistungen zu überarbeiten. Dabei soll gesichert erden, dass Verpflegungsleistungen bei stationären ufenthalten oder Teilverpflegungen in Kindertagesstät- en und Schulen grundsätzlich nicht auf die Regelleis- ung angerechnet werden dürfen. Sowohl die grundsätz- ichen Erwägungen als auch die konkreten Forderungen es Antrags werden von uns geteilt. Die Linke hat selbst n ihren eigenen Anträgen immer wieder ähnliche Forde- ungen erhoben. So haben wir bereits mehrfach die deut- iche Anhebung des Regelsatzes, die Berücksichtigung inder- und jugendspezifischer Bedarfe und kürzlich uch die Nichtanrechnung von Verpflegung bei stationä- em Aufenthalt auf die Regelleistung gefordert. Hier teilt meine Fraktion die Sicht der Grünen, dass ine solche Anrechnung – auch jenseits einer Bagatell- renze – dem Grundsatz der Pauschalierung wider- pricht. Gleichzeitig möchte ich die Interpretation des inisteriums, dass mit der Verordnung dem Votum des etitionsausschusses weitgehend entsprochen wurde diese Sichtweise können Sie gern in der Antwort auf nsere Kleine Anfrage zu Implikationen der neuen LG-II-Verordnung nachlesen – auf das Schärfste zu- ückweisen. Ebenfalls lehnen wir, wie die Grünen, eine Ermessens- ntscheidung durch die Grundsicherungsträger bei der berprüfung der Betriebsausgaben von Selbstständigen, ie ergänzendes ALG II beziehen, ab. Statt in Zukunft um den Bleistift und jede Druckerkartusche zu streiten so- ie noch mehr bürokratischen Aufwand zu erzeugen, sol- n sich die Jobcenter auf gute Beratung und Vermittlung onzentrieren. Mit den Grünen teilen wir schließlich auch die Be- ürchtung, dass die neue ALG-II-Verordnung von den eistungsbehörden dazu genutzt werden könnte, lokale Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15067 (A) ) (B) ) Unterstützungsmaßnahmen zur Abwendung sozialer Härten auf die Hilfeleistungen anzurechnen. Ich denke da beispielsweise an die sozialen Aktivitäten von Initia- tiven und Kommunen, die für eine preisgünstige Ver- pflegung in Schulen und Kindertagesstätten sorgen. Der- artige Leistungen könnten dann auf die ohnehin schon nicht bedarfsdeckende Regelleistung angerechnet wer- den. Folglich würde die Verelendung und Ausgrenzung von Kindern durch Hartz IV auf die Spitze getrieben, während die Regierung in Berlin wortreich die Kinder- armut beklagt. Hier ist dringend eine Klarstellung erfor- derlich. Ich kann es gar nicht oft genug sagen: Ebenso drin- gend erforderlich ist die im Antrag angemahnte Anhe- bung der Regelsätze. Dem Bundestag liegen hier zwei Anträge der Linken und der Grünen vor, die zügig be- schlossen werden könnten. Die Koalitionsfraktionen blockieren aber aufgrund des Wahlkampfs den Anhö- rungstermin. Nach den Wahlen in Hamburg werden sie Gelegenheit haben, den Wünschen der Bevölkerung nach mehr sozialer Gerechtigkeit zu entsprechen. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nicht immer ist die Bundesregierung unentschlossen: Zum ers- ten Januar diesen Jahres ist eine Neufassung der „Ver- ordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld“ in Kraft getreten. Diese ALG-II-Verordnung verstößt gegen den Grundsatz pauschalierter Regelleistungen, gängelt die Leistungsbe- ziehenden im Detail und überzieht die Jobcenter mit zu- sätzlicher Bürokratie. Wie verhält es sich zum Beispiel, wenn ALG-II-Be- ziehende als Selbstständige ergänzendes Arbeitslosen- geld II erhalten? Sie können nunmehr nur noch solche Betriebsausgaben absetzen, die im Allgemeinen den Le- bensumständen eines ALG-II-Beziehenden entspre- chen. Die Fallmanager sollen bei Selbstständigen prüfen, welche „tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben“ ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzu- setzen sind. Was sind denn „notwendige Ausgaben“? Ist der – steuerlich unproblematisch absetzbare – geleaste Mittelklassewagen eines Versicherungsvertreters noch notwendig im Sinne der Verordnung? Oder darf nun nur noch ein gebrauchtes Fahrzeug abgesetzt und abge- schrieben werden? Das heißt: Selbstständige, die sich am Existenzminimum bewegen, müssen sich jetzt mit ihrer Leistungsbehörde abstimmen, welche Betriebsaus- gaben tatsächlich notwendig sind. Vor dem 1. Januar 2008 galt für die Leistungsbehörden als Maßstab zur Beurtei- lung der Notwendigkeit einer Ausgabe noch das Steuer- recht. Jetzt müssen Selbstständige, die in der Regel nur vorübergehend auf ALG II angewiesen sind, eine zusätz- liche Buchführung für den Fallmanager erstellen und im Zweifelsfall Investitionsentscheidungen mit ihrem Fall- manager abstimmen. Mit diesem Eingriff in die unter- nehmerische Handlungsfreiheit ist die Verordnung ein ausgezeichnetes Instrument zur Verhinderung von Exis- tenzgründungen. B s S z t a n m E w d O B t ü d E r r A g 8 k l f h n g R g B 2 B D K e r s w n V g u g r m R N n m k r s l I g (C (D Mit der Arbeitslosengeld-II-Verordnung bricht die undesregierung mit dem sinnvollen Prinzip der pau- chalierten Leistung. Im Unterschied zur früheren ozialhilfe ist mit dem Zweiten und Zwölften Buch So- ialgesetzbuch der Grundsatz pauschalierter Regelleis- ungen eingeführt worden, damit die Hilfebedürftigen utonom Konsumentscheidungen treffen können und icht für jede größere Anschaffung einen Antrag stellen üssen. Dies bedeutet, dass nicht in jeder Lebenslage innahmen und Ausgaben gegeneinander aufgerechnet erden. Wir erinnern uns als Sozialpolitiker noch alle an ie langwierigen und demütigenden Prozesse, die etwa bdachlose führen mussten, denen die Leistung mit der egründung gekürzt wurde, sie bräuchten zu Weihnach- en keinen Christbaum. Nun feiert diese überwunden geglaubte Scheinlogik bereifriger Sozialamtsleiter fröhliche Urständ im Bun- esministerium für Arbeit und Soziales: Künftig soll das ssen in Krankenhäusern und anderen stationären Ein- ichtungen zu 35 Prozent auf die Regelleistung ange- echnet werden, allerdings ohne dass die zusätzlichen usgaben für den Krankenhausaufenthalt Berücksichti- ung finden. Die eingeführte Bagatellgrenze von 3 Euro ist ein Bestrafungsinstrument für die wirklich ranken Leistungsbezieher, nämlich für solche, die sich änger als drei Wochen in stationärer Unterbringung be- inden. Mit der Anrechnung von Verpflegung im Kranken- aus auf den Regelsatz ignoriert die Bundesregierung icht nur den damaligen politischen Willen des Gesetz- ebers im Jahr 2003, sondern auch die herrschende echtsprechung, die eine Anrechnungsmöglichkeit als eldwertes Einkommen grundsätzlich verneint. Die undesregierung ignoriert überdies die am 27. Oktober 007 erfolgte einstimmige Zustimmung des Deutschen undestages zum Beschluss des Petitionsausschusses, rucksache 16/6618, der sich ausdrücklich gegen eine ürzung der Regelleistung bei einem Krankenhausauf- nthalt ausspricht. Und schließlich greift die Bundes- egierung mit dieser Regelung einem Urteil des Bundes- ozialgerichts vor, das noch in diesem Frühjahr erwartet ird. Tatsächlich steht die Verordnung juristisch auf töner- en Füßen. Die zum 1. Januar 2008 in Kraft getretene erordnung ist bereits vier Wochen später vom Sozial- ericht Berlin kassiert worden. Die Berliner Richter rteilen, dass die Bundesregierung mangels Ermächti- ungsgrundlage gar keine Verordnungsregelung zur An- echnung von Verpflegung im Krankenhaus als Einkom- en erlassen darf. Es bedarf hierzu einer gesetzlichen egelung, das heißt einer Änderung des SGB II. Da § 13 r. 1 SGB II wörtlich festlegt, dass auf dem Verord- ungswege nur geregelt werden kann, welche Einnah- en nicht als Einkommen angerechnet werden dürfen, ann davon ausgegangen werden, dass die Sozialge- ichtsbarkeit sich in diesem Punkt einig ist. Hier stellt ich die Frage, warum der Verordnungsgeber handwerk- ich so schlecht arbeitet, dass die neue Arbeitslosengeld- I-Verordnung kurz nach Inkrafttreten zum Beschäfti- ungsprogramm für die Sozialgerichte wird. Wer hand- 15068 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) werklich eine derart schlechte Leistung abgibt, sollte sein Produkt wieder zurücknehmen. Überdies ist die Verordnung alles andere als ein Bei- trag zur Verwaltungsvereinfachung zur Entlastung der Jobcenter und Arbeitsgemeinschaften. Mit der Bundes- agentur für Arbeit wurde die ALG-II-Verordnung offen- bar nicht abgestimmt. Die Bundesagentur vermutet zu Recht, dass die Verordnung mehr (Bürokratie-)Kosten verursacht, als durch vermeintlichen Missbrauch einge- spart werden kann. Statt staatlicher Gängelung im Detail sollten die Selbstbestimmungsrechte der Betroffenen ge- stärkt und die Handlungsfreiheit der Jobcenter herge- stellt werden, damit diese ihrer eigentlichen Aufgabe nachgehen können: die Integration Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt zu fördern. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Das Erneuerbare- Energien-Gesetz darf nicht durch europäische Vorgaben für einen Zertifikatehandel unterlau- fen werden (Zusatztagesordnungspunkt 6) Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Das Thema erneuerbare Energien ist zurzeit in aller Munde. Es ver- geht kein Tag, an dem nicht in den Medien über die Kli- maschutzdebatte, Energiepolitik und die regenerativen Energien berichtet wird. Ende 2006 machten sowohl der Klimabericht des bri- tischen Regierungsberaters Sir Nicholas Stern als auch der Weltklimabericht der Vereinten Nationen deutlich, dass der Klimawandel zu den zentralen Herausforderun- gen unserer Zeit gehört. So führte der IPCC im dritten Teil des vierten Weltkli- maberichtes „Mitigation of Climate Change“ drastisch vor Augen, dass der weltweite Ausstoß von Treibhaus- gasen zwischen 1970 und 2004 um 70 Prozent zugenom- men hat. Fortschritte in der Energieeffizienz wurden durch die wachsende Weltbevölkerung und das stei- gende weltweite Einkommen größtenteils wieder zu- nichte gemacht. Sollte die derzeitige Entwicklung anhal- ten, könnte der Treibhausgasausstoß bis zum Jahr 2030 gegenüber dem Jahr 2000 um 25 bis 90 Prozent zuneh- men. Klar ist, dass Deutschland und Europa sich der He- rausforderung des Klimawandels stellen müssen. Deutschland, mit seiner Expertise in vielen Bereichen der Produktions- und Energietechnik, kann und sollte den Klimawandel auch als Chance für einen großen In- novationsschub begreifen. Die Große Koalition hat dem Klimaschutz oberste Priorität eingeräumt. Die deutsche EU-Ratspräsident- schaft und die G-8-Präsidentschaft standen ganz unter dem Primat der internationalen Klimaschutzpolitik, in der Bundeskanzlerin Angela Merkel bemerkenswert am- bitionierte CO2-Reduktionsziele international durchset- zen konnte. f f F S E A W s d 2 g B e p z m z h I K h e 3 E b g s 2 E a M u g E D b e e r B K s I d v M Z l B d d t Z e (C (D So hat der Europäische Rat auf seiner Frühjahrskon- erenz im März 2007 beschlossen, den Ausstoß der ge- ährlichen Treibhausgase im Vergleich zu 1990 um ein ünftel zu reduzieren. Sollten große nichteuropäische taaten diesem Beispiel folgen, will die EU die CO2- missionen bis 2020 sogar um 30 Prozent mindern. Der nteil von erneuerbaren Energien aus Sonne, Wasser, ind, Erdwärme und Biomasse am europäischen Ge- amtenergieverbrauch soll bis dahin mit 20 Prozent ver- reifacht werden. Die Energieeffizienz will die EU bis 020 um 20 Prozent erhöhen. Mittelpunkt der deutschen Klimaschutzanstrengun- en ist zurzeit die Umsetzung dieser Beschlüsse. Das undeskabinett hatte im August 2007 die Eckpunkte für in „Energie- und Klimapaket“ beschlossen, welches ünktlich zur Weltklimakonferenz auf Bali am 5. De- ember als umfangreiches Paket der Bundesregierung it 14 Gesetzen und Verordnungen vorgelegt wurde. Ein weites kleineres Paket mit weiteren Rechtsetzungsvor- aben wird am 21. Mai dieses Jahres folgen. Mit dem Integrierten Energie- und Klimaprogramm, EKP, verdoppelt Deutschland seine Anstrengungen zum limaschutz. Zurzeit wurde eine Reduktion der Treib- ausgasemissionen um 18 Prozent gegenüber 1990 rreicht; das Programm soll eine Reduktion um etwa 6 Prozent erzielen. Damit ist ein großer Schritt hin zur rreichung des Klimaschutzziels von minus 40 Prozent is 2020 getan. Das Integrierte Energie- und Klimapro- ramm ist damit nicht nur in der Geschichte der deut- chen Klimapolitik, sondern auch international einmalig. Die EU-Kommission hat nun wieder ihrerseits am 3. Januar 2008 ein umfassendes Maßnahmenpaket zur nergie- und Klimapolitik vorgestellt. Es zeigt den Weg uf, wie die Beschlüsse des Europäischen Rats vom ärz 2007 auf die Mitgliedstaaten heruntergebrochen mgesetzt werden können – nämlich den Anteil der re- enerativen Energien am Endenergieverbrauch in der U bis 2020 auf insgesamt 20 Prozent zu erhöhen. Für eutschland wurde eine nationale Quote von 18 Prozent is zum Jahr 2020 festgelegt. Im Zusammenhang mit der Quotenfestsetzung für inzelne Mitgliedstaaten wurde auch über die möglichst ffiziente Allokation der unterschiedlichen erneuerba- en Energien diskutiert. So macht die Überlegung, zum eispiel Windkraftanlagen vor allem an den windstarken üstenstandorten und Fotovoltaikanlagen vor allem im onnigen Südeuropa zu platzieren, durchaus Sinn. Ein nstrument, um dieses Ziel zu erreichen, könnte der Han- el mit Ökozertifikaten sein. Mit dem Zertifikatehandel ersucht die Kommission zudem dem Wunsch einiger itgliedstaaten nach zusätzlicher Flexibilität bei der ielerfüllung nachzukommen, was ebenfalls grundsätz- ich erstrebenswert ist. Dennoch ist die CDU/CSU-Fraktion im deutschen undestag strikt dagegen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt iesen Handel zu ermöglichen und begrüßt daher aus- rücklich den Genehmigungsvorbehalt der Mitgliedstaa- en, den das Kommissionspapier für den Handel von ertifikaten für erneuerbare Energien auf Unternehmens- bene vorsieht. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15069 (A) ) (B) ) Einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung unserer Kli- maschutzziele im Strombereich leistet das Erneuerbare- Energien-Gesetz (EEG) mit der vorrangigen Einspei- sung und der Vergütungsregelung. Das EEG ist sogar ein besonders effizientes Instrument für einen zügigen Zu- bau von erneuerbaren Energien im internationalen Ver- gleich. Dies bescheinigt auch die EU-Kommission in ih- rem Papier „The support of electricity from renewable energy sources“, das am 7. Dezember 2005 veröffent- licht wurde. – Außerdem sind wir als Union entschieden der Auffassung, dass die Entscheidung über die Instru- mente zur Zielerreichung beim Ausbau der erneuerbaren Energien im Sinne der Subsidiarität bei den Mitglied- staaten selbst liegen muss. Die Folge eines völlig offenen Zertifikatehandels könnte es nämlich sein, dass aus Mitgliedstaaten mit in- effizienteren Förderstrukturen und uneffektiverem Aus- bau der erneuerbaren Energien auf deutsche Zertifikate zugegriffen und damit die Erfüllung des nationalen Aus- bauziels verfehlt würde; und das obwohl die deutschen Stromverbraucher mit ihrer EEG-Umlage den Ausbau in unserem Land finanzieren. Der so finanzierte Erfolg würde dann aber anderen Mitgliedstaaten zugerechnet und Deutschland würde bei Nichterreichen des Ziels möglicherweise auch noch mit Sanktionszahlungen rechnen müssen. Das allerdings würde das sehr erfolgreiche EEG und vergleichbare Regelungen in anderen EU-Mitgliedstaa- ten geradezu konterkarieren. Es würde den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland be- drohen und letztendlich wäre auch fraglich, ob das 20-Prozent-Ziel auf EU-Ebene insgesamt überhaupt er- reicht werden kann. Außerdem lassen die Ergebnisse von Gutachten annehmen, dass ein solches System zu weiteren hohen Belastungen für die europäischen Strom- verbraucher führen würde, die überhaupt keine positiven Effekte auf den Klimaschutz hätten. Deshalb hatte Deutschland sich im Vorfeld des Green Package erfolgreich gegen einen völlig offenen Zertifika- tehandel stark gemacht. Denn das EEG mit seiner Ein- speisevergütung ist sehr erfolgreich und hat sich über die Grenzen Deutschlands hinaus bewährt. Um es nicht zu gefährden, bitten wir die Bundesregierung, sich auch wei- terhin – bei den Beratungen des Green Package im Minis- terrat und im Hinblick auf die Diskussionen im Europäi- schen Parlament – für die individuelle Zielerreichung in den einzelnen Mitgliedstaaten einzusetzen. Das beinhal- tet, die Kommission und den Ministerrat davon zu über- zeugen, die Entscheidungsfreiheit der Mitgliedstaaten über geeignete Förderinstrumente zur Zielerfüllung nicht einzuschränken, keinen europaweiten virtuellen Zertifi- katehandel zur Förderung erneuerbarer Energien auf der Ebene der Unternehmen einzuführen, den Staaten die Möglichkeit zu geben, Zielüberfüllungen von Staaten mit Defiziten anderer Staaten auszugleichen. Es macht keinen Sinn, mitten im Rennen die Pferde zu wechseln. Das Erreichen unserer ehrgeizigen Ausbau- ziele wird unter Anwendung der bewährten Instrumente schon schwierig genug werden. Deshalb denken wir im Bundestag nicht über die komplette Umstellung des För- d e n d g z W e c d V K t l f n H K A J g m r h s 3 r r e a E E e h w m 4 n s ti d E ü s w e a F b g f (C (D ersystems nach, sondern sind jetzt dabei, das EEG noch ffizienter zu gestalten und die erneuerbaren Energien äher an den Markt zu führen. Das EEG ist ein Erfolgsmodell: es forciert effektiv en Ausbau erneuerbarer Energien und trägt zur Versor- ungssicherheit bei, es ist ein Jobmotor, es sorgt für effi- ienten Klimaschutz und schafft Innovationen in der irtschaft. Wir wollen es deshalb zur Erreichung der hrgeizigen Klimaschutzziele erfolgreich weiterentwi- keln. Dies kann aber nur gelingen, wenn sichergestellt ist, ass das Erfolgsmodell EEG nicht durch europäische orgaben unterlaufen wird. Deshalb bitten wir Sie, liebe olleginnen und Kollegen, um Unterstützung des Koali- ionsantrags. Dirk Becker (SPD): Die Bundesrepublik Deutsch- and hat durch die Bundesregierung und die Koalitions- raktionen von CDU/CSU und SPD umfangreiche Maß- ahmen zum Klimaschutz auf den Weg gebracht. intergrund ist die im internationalen und europäischen ontext eingegangene Verpflichtung, den nationalen usstoß an Treibhausgasen um 40 Prozent bis zum ahr 2020 zu reduzieren. Damit wird Deutschland den rößten nationalen Anteil innerhalb der EU leisten, da- it diese insgesamt ihre geplanten Minderungsziele er- eichen kann. Wir unterstützen die EU ausdrücklich in ihrem Bemü- en, die Energieeffizienz bis 2020 um 20 Prozent zu teigern, den Ausstoß der Treibhausgase EU-weit um 0 Prozent zu reduzieren und den Anteil der erneuerba- en Energien auf mindestens 20 Prozent zu steigern. Ge- ade dem Ausbau der erneuerbaren Energien fällt dabei ine entscheidende Schlüsselrolle zu. Die SPD-Bundestagsfraktion verweist daher mit Stolz uf das unter Rot-Grün verabschiedete erfolgreiche EG. Mittlerweile ist unbestritten bewiesen, dass das EG das effizienteste und günstigste System zur Markt- inführung erneuerbarer Energien im Stromsektor ist. Es at sich deutlich gegenüber anderen Modellen bewährt, as weder auf EU-Ebene noch im nationalen Vergleich it anderen Modellen bestritten wird. Mehr als 0 Länder haben daher mittlerweile das EEG für ihre ationale Strategie übernommen. Nicht zuletzt wegen die- er eindeutigen Erfolgsbilanz ist unser heutiger Koali- onspartner vom EEG-Kritiker zum Befürworter gewor- en. Dies bestätigt und freut uns natürlich besonders. Ebenso freut uns die Entwicklung des tatsächlichen EG-Anteils an der Stromerzeugung, die heute deutlich ber den ursprünglichen Prognosen liegt. Nur wenn die- es erfolgreiche deutsche Modell des EEG fortgeführt ird, kann Deutschland seinen Beitrag im Rahmen der uropäischen Minderungsziele erfüllen. Daher muss uch künftig die Entscheidungsfreiheit über geeignete örderinstrumente den Mitgliedstaaten überlassen blei- en. Das von der EU angedachte Zertifikatesystem hin- egen würde die Ausbauziele gefährden und die Kosten ür den Einsatz erneuerbarer Energien in die Höhe trei- 15070 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) ben. Dies ist weder im europäischen noch im deutschen Interesse. Daher fordern wir die Bundesregierung auf, sich bei der Kommission und im Ministerrat, vor allem im Hin- blick auf die kommenden Schlussfolgerungen des EU- Frühjahrsgipfels zum Lissabon-Prozess, dafür einzuset- zen, dass im Sinne des Subsidiaritätsprinzips die Ent- scheidungsfreiheit der Mitgliedstaaten über geeignete Förderinstrumente zur Zielerfüllung nicht eingeschränkt wird, dass kein europaweiter virtueller Zertifikathandel zur Förderung erneuerbarer Energien auf der Ebene der Unternehmen eingeführt wird, da dieser ein untaugliches und den Ausbau erneuerbarer Energien gefährdendes In- strument wäre, dass den Staaten die Möglichkeit gege- ben wird, Zielüberfüllungen von Staaten mit Defiziten anderer Staaten auszugleichen, und bei der EU-Kommis- sion und den Mitgliedstaaten, insbesondere bei der slo- wenischen und französischen Ratspräsidentschaft, für diese Positionen zu werben. Michael Kauch (FDP): Umweltverträglichkeit, Wirt- schaftlichkeit und Versorgungssicherheit sind die Voraus- setzungen für eine nachhaltige Energieversorgung. Des- halb setzen auch die Freien Demokraten auf einen deutlich stärkeren Einsatz erneuerbarer Energiequellen in Deutschland und in Europa. Ja, dazu brauchen wir auch staatliche Fördermaßnahmen. Doch auch eine Förderpoli- tik erneuerbarer Energien muss sich an der Wirtschaftlich- keit messen lassen und mehr Wettbewerb als bislang zu- lassen. Für einen marktwirtschaftlichen, effizienten Weg zur Förderung der erneuerbaren Energien – dafür steht die FDP. Die Zielsetzungen des Europäischen Rates vom März 2007, wonach der Anteil erneuerbarer Energien bis 2020 auf 20 Prozent am Primärenergieverbrauch gesteigert werden soll, begrüßen und unterstützen wir ausdrücklich. Und – darin unterscheiden wir uns offen- sichtlich von den anderen Fraktionen im Bundestag – wir sehen in dem Vorschlag der Europäischen Kommis- sion Anfang dieses Jahres nicht zuerst einen Angriff auf das deutsche EEG, sondern vor allem eine Chance, auch andere Wege zur Förderung der erneuerbaren Energien in ganz Europa zu gehen. Ein Handel mit „Grünstrom-Zertifikaten“ würde be- deuten, dass die erneuerbaren Energien dort ausgebaut werden, wo es am wirtschaftlichsten ist. Wir stimmen Ihnen zu, dass es den Mitgliedstaaten überlassen bleiben soll, ob sie so einen Handel auch auf Unternehmens- ebene zulassen. Dafür spricht das Subsidiaritätsprinzip. Aber wir sagen anders als die Koalition: Auch Deutsch- land sollte sich in nationaler Entscheidung für den weite- ren Zubau bei den erneuerbaren Energien am Modell des Handels mit „Grünstrom-Zertifikaten“ orientieren – zu- mindest nach einer angemessenen Übergangsperiode. Die bisherige Ausrichtung des EEG, wodurch allein die Erzeugung von elektrischem Strom und dessen Ein- speisung in ein bestehendes Netz zu staatlich vorgegebe- nen Preisen und bei selektiver Förderung bestimmter Techniken gefördert wird, ist nicht sinnvoll; denn das EEG ist anfällig für das Lobby-Gezerre bei der Festle- g r d h e W c m d v p k r d b A d Z D t f n e r s I g e z g t N d k s S w h b d D n a w m p s e c d d h w t E (C (D ung der Einspeisepreise. Und das EEG ist zwar empi- isch leistungsfähig beim Zubau von Kapazitäten, aber abei eben nicht effizient. Wenn die Koalition das be- auptet, dann hat sie die Gutachten der EU-Kommission ben nicht richtig gelesen. Man kann nicht einfach indstrom in Deutschland und Großbritannien verglei- hen und dann sagen, das EEG sei billiger. Was ist denn it den Preisen der anderen erneuerbaren Energien, die as EEG fördert? Hier wird doch zum Teil deutlich mehr om Verbraucher aufgewendet. Solch eine Rosinen- ickerei beim Vergleich der Effizienz von Systemen ann man nicht seriös machen. Die FDP plädiert nicht für ein reines Mengensteue- ungsmodell wie in Großbritannien, sondern für ein Mo- ell der differenzierten Mengensteuerung. Wir halten da- ei eine prinzipielle Fortsetzung der EEG-Förderung für ltanlagen für richtig. Für den Neubau wollen wir aber en Einstieg in den EU-weiten Handel mit „Grünstrom- ertifikaten“. Dabei sollten die Energieversorger in eutschland verpflichtet werden, bis 2020 im Stromsek- or für 30 Prozent ihrer verkauften Energiemenge Zerti- ikate nachzuweisen, um das Gesamtziel „20 Prozent er- euerbarer Energien am Primärenergieverbrauch“ zu rreichen. EEG-Mengen aus Bestandsanlagen sind da- auf anzurechnen. Die wichtigste Abweichung von der reinen Mengen- teuerung im FDP-Modell besteht aber in Folgendem: nnovative und vielversprechende Technologien, die auf- rund ihres Entwicklungsstandes im Markt noch nicht igenständig bestehen können, sollen aus unserer Sicht usätzlich steuerfinanzierte, zeitlich befristete und de- ressive Zuschüsse zu den Erlösen erhalten, die die Be- reiber im System der Mengensteuerung erwirtschaften. utznießer solcher Erlöszuschüsse wäre unter anderem. ie Fotovoltaik, da sie, von einem hohen Kostenniveau ommend, massive Kostensenkungsraten pro Jahr reali- iert. Eine solche Technologiepolitik sollte aber vom teuerzahler und nicht vom Stromverbraucher finanziert erden, denn den Nutzen für den Standort Deutschland aben nicht nur diejenigen, die einen hohen Stromver- rauch haben. Die Entscheidung der EU-Kommission zur Förderung er erneuerbaren Energien in Europa ist keine Gefahr für eutschland, sondern eine Chance. Wir sollten auch im ationalen Interesse diese Chance annehmen und nicht llein in Abwehrhaltung gegenüber der EU verfallen, ie es der vorliegende Antrag von Union und SPD vor- acht. Das EEG als heilige Kuh der deutschen Energie- olitik – die ideologische Lobhudelei aufs EEG im Fest- tellungsteil des Antrags, die ein Instrument quasi zum igenständigen Ziel erhebt, ist mit der FDP nicht zu ma- hen. Der Antrag ist im Übrigen völlig überholt; denn as, was Sie in Ihrem Antrag letztlich fordern, nämlich ie nationale Entscheidung über das Förderinstrument, at die EU-Kommission doch längst vorgesehen. Wir erden deshalb den unausgegorenen Schaufenster-An- rag der Koalition ablehnen. Hans-Kurt Hill (DIE LINKE): Das Erneuerbare- nergien-Gesetz ist ein Erfolgsmodell, das weltweit Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15071 (A) ) (B) ) Schule macht. Es ist ein Garant für die Erreichung der erforderlichen Klimaschutzziele und ersetzt knappes und teures Öl und Gas. Das EEG ist ein Beschäftigungsmo- tor und eine wirksame Friedensdividende. Denn um So- lar- und Windenergie wird kein Krieg geführt, während Öl und Atomenergie immer näher an militärische Ten- denzen heranrücken. Es gibt jedoch Hindernisse beim Ausbau der erneuer- baren Energien. Dabei meine ich nicht die FDP, die sich mit der ablehnenden Haltung gegenüber dem EEG be- reits ins Abseits befördert hat. Vielmehr schürt die kar- tellartige Energiewirtschaft Stimmung gegen die Zu- kunftsenergien. Da ist es doch erstaunlich, dass SPD- Umweltminister Gabriel der Kohlelobby das Wort redet und Herr Clement der Atomindustrie beispringt. Wofür stehen die Sozialdemokraten eigentlich? Ist ihnen nicht bewusst, dass sie mit den EEG-Verhinderern Tango tan- zen? Sie lassen sich besser von Frau Ypsilanti in Hessen beraten. Die sagt ganz klar: Keine neuen Kohlekraft- werke, raus aus der Atomkraft und 100 Prozent erneuer- bare Energien! Man muss festhalten, dass die Verhinderer unter den Energiebossen auf EU-Ebene fast einen Sieg davonge- tragen haben. Sie wollten das Erfolgsmodell EEG euro- paweit abschaffen und durch einen Zertifikatehandel er- setzen. Die Folge wäre ein Stillstand bei den erneuerbaren Energien gewesen. Denn wenn in jedem Land nur noch Unternehmen bestimmte Anteile erneuer- barer Energien europaweit handeln, wäre ein Technolo- gie-Dumping die Folge: Nur was billig ist und einfach zu realisieren, käme zum Zuge. Innovation, Weiterent- wicklung und kluge Netzintegration würden auf der Strecke bleiben. Darüber hinaus ist die Zertifikatelösung für die Stromkunden teurer als das EEG. Das zeigen die Beispiele in den Ländern, die mit diesem Modell leben müssen. Deshalb ist es richtig, mit dem vorliegenden Antrag im Bundestag die Reihen zu schließen – vielleicht auch mit Hilfe der Liberalen – und ein klares Signal an die EU-Kommission und die Energiebosse zu senden: Das EEG muss erhalten bleiben und als Erfolgsmodell EU- weit durchgesetzt werden. Deshalb wird die Linksfrak- tion dem Antrag zustimmen. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass Die Linke deutlich höhere Anteile an erneuerbaren Ener- gien in Deutschland und Europa für machbar hält. Aus unserer Sicht ist auch eine stärkere Senkung des Klima- gasausstoßes erforderlich. Das haben wir an anderer Stelle deutlich gemacht. Auch halten wir einen Aus- tausch von erneuerbaren Energiemengen bei Übererfül- lung der einzelstaatlichen Ziele für falsch. Gleichwohl stellen wir uns hinter die Hauptforderung des Antrags: Kein Zertifikatehandel für erneuerbare Energien auf Kosten von Arbeitsplätzen und Innovation. Das EEG darf nicht durch die Energiekonzerne unterlaufen wer- den. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat einen uner- wartet erfolgreichen Siegeszug hinter sich. Bei der Ver- a Z e ü k w t q E w n u a p w t m M d D t P I b d s d s v K s G e J i u m H ö B z te d i f s f z d s K a t s d m (C (D bschiedung im Jahre 2000 gab es vor allem Kritiker und weifler, ob das angepeilte Ziel von 12,5 Prozent Anteil rneuerbarer Energien an der Stromerzeugung bis 2010 berhaupt erreichbar sei. Ende 2007 wurden allen Un- enrufen zum Trotz bereits 14,3 Prozent erreicht. Hätten ir 2000 auf die Gegner des EEGs gehört und ein Quo- en-Zertifikatssystem eingeführt, hätte dies zwei Konse- uenzen gehabt: Erstens. Der Ausbau der erneuerbaren nergien wäre ins Stocken gekommen. Und zweitens äre der Ausbau viel teurer gekommen. Deutschland utzt zehnmal mehr Windenergie als Großbritannien, nd das, obwohl in Großbritannien viel mehr Wind weht ls hierzulande und obwohl in Großbritannien fast dop- elt so viel für die Kilowattstunde Windstrom gezahlt ird. Deutschland hat mit dem EEG das weltweit bedeu- endste Innovationsprogramm. Nur mit diesem Förder- odell konnten Technologien wie die Fotovoltaik einen arkt entwickeln. Es gibt kein Quoten-Zertifikatsmo- ell, das der Fotovoltaik einen Markt gegeben hätte. eutschland ist heute nicht nur Weltmeister bei der Fo- ovoltaik. Hierzulande werden auch die niedrigsten reise für Fotovoltaikanlagen bezahlt. Dies hat sogar die nternationale Energieagentur bestätigt. Bestätigt wurde sowohl die Effektivität des Erneuer- are-Energien-Gesetzes als auch dessen Effizienz von er EU-Kommission. Das heißt die EU-Kommission ist ich vollkommen bewusst, dass mit diesem Instrument er Ausbau der erneuerbaren Energien besonders umfas- end und kostengünstig vorangetrieben wird. Umso un- erständlicher sind die Versuche von Teilen der EU- ommission, das EEG durch ein Fördermodell abzulö- en, das sich bislang nirgends auf der Welt bewährt hat. etrieben wird die EU-Kommission vor allem von der uropäischen konventionellen Energiewirtschaft, die ahr für Jahr mitansehen muss, wie erneuerbare Energien hren Atom- und Kohlekraftwerken Konkurrenz machen nd die Preise senken. Die Stromkonzerne wollen die erneuerbaren Energien it einem Quoten-Zertifikatssystem ähnlich in ihren errschaftsbereich übernehmen, wie dies den Mineral- lkonzernen mit den nationalen Quotensystemen für iokraftstoffe gelungen ist. Mehr noch: Die Energiekon- erne erhoffen sich Mitnahmeeffekte mit dem ineffizien- n Zertifikatssystem. Als Vorbild soll der Emissionshan- el dienen, der den Energiekonzernen Mitnahmeeffekte n mehrstelliger Milliardenhöhe ermöglicht hat, aber aktisch noch kein CO2 eingespart hat. Wissenschaftler chätzen die möglichen Mehrkosten eines Quoten-Zerti- ikatssystems auf etwa 100 Milliarden Euro im Vergleich u Stromeinspeisungssystemen. Kein Wunder, dass hier ie Lobbyisten scharren, damit dieser neuer Fettnapf ge- chaffen wird. Es fragt sich nur, wieso Teile der EU- ommission die Interessen der Stromkonzerne vertreten nstatt die der Bürger. Der Richtlinienentwurf sieht entgegen den Befürch- ungen keine Verpflichtung zu einem Quoten-Zertifikats- ystem vor. Dennoch enthält er eine Reihe von Ansätzen, ie in diese Richtung gehen. Mehr noch: Die EU-Kom- ission arbeitet im Hintergrund weiter in Richtung Quo- 15072 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) ten-Zertifikatssystem. Umso wichtiger ist, dass die Re- gierungen hier dagegenhalten. Es ist daher von großer Bedeutung, dass der Deutsche Bundestag der Bundesre- gierung einen eindeutigen Auftrag gibt. Wir begrüßen daher den Antrag der Regierungsfrak- tionen, der genau dies tut, nämlich die Bundesregierung auf die Verteidigung des bewährten Erneuerbare-Ener- gien-Gesetzes festzulegen, und dazu auffordert, dass sie gegen ein europäisches Quoten-Zertifikatssystem an- geht. Der Antrag der Regierungsfraktionen findet daher unsere Zustimmung. Sicher, es gibt auch Punkte, wo wir uns mehr Mut in dem Antrag gewünscht hätten. So begrüßt der Antrag die Ziele der EU zur Einsparung von CO2 und zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir sind uns sehr bewusst, dass diese Ziele mutlos und viel zu vorsichtig sind. Aber das deutsche Beispiel hat gezeigt, dass Ziele nachrangig sind, wenn das Instrument stimmt. Wenn die 20 Prozent für erneuerbare Energien europaweit deutlich vor 2020 erreicht werden, ist das Ziel Makulatur. Erforderlich wäre hierfür allerdings die europaweite Einführung von Stromeinspeisungssystemen im Stromsektor. Die Bun- desregierung sollte sich genau dafür einsetzen. Damit könnte sie auch die Peinlichkeit ausgleichen, dass die Kanzlerin sich in der EU für ein 20-Prozent-Ziel für er- neuerbare Energien eingesetzt hat, ihre Minister aber später in Brüssel dafür kämpften und kämpfen, dass Deutschland lediglich 18 Prozent erreichen muss. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Arbeitsplatzabbau bei Airbus verhin- dern – Staatliche Sperrminorität bei EADS her- stellen (Tagesordnungspunkt 20) Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU): Die Luftfahrt- branche ist ein wesentlicher Stützpfeiler der deutschen Industrie und muss es auch bleiben. Sie ist eine hoch- innovative Zukunftsindustrie, die Wachstum und Arbeit garantiert: mit steigendem Branchenumsatz, der 2006 fast 20 Milliarden Euro betrug; mit über 85 000 Mit- arbeitern und mit hohen Forschungsausgaben von durch- schnittlich rund 20 Prozent des Umsatzes. Das europäische Gemeinschaftsprojekt Airbus und seine Zulieferer- und Ausrüstungsindustrie sind hier die wichtigsten Akteure. Sie haben Deutschland und Europa zum Weltmarktführer im zivilen Luftfahrtbau gemacht. Rund 40 Prozent der Airbus-Produktion kommen aus Deutschland. 2007 konnte die EADS-Tochter Airbus wieder Rekordaufträge und -verkäufe verbuchen. Und doch ist die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Luft- fahrtindustrie noch lange kein Selbstläufer. Der Druck der internationalen Konkurrenz wächst. Zudem ist gerade Airbus, das Paradepferd der deut- schen und europäischen Luftfahrtindustrie, in den letzten zwei Jahren in Turbulenzen geraten und hat die Zuliefer- industrie in Mitleidenschaft gezogen. Managementfeh- l A E g B b s g s w V D A Z d d h Z t w v W s t d W k D s o l A P w z U r e m e E v n d P k m c G s m ü s (C (D er, Finanzierungsprobleme durch Verzögerungen beim irbus 380 und Kostensteigerungen durch den starken uro machten das milliardenschwere Sanierungspro- ramm Power 8 notwendig, um der Konkurrenz von oeing standzuhalten und die Finanzierung neuer Air- us-Modelle zu sichern. Power 8 hat einen großen Um- trukturierungsprozess in der Airbus-Industrie in Gang esetzt. Davon sind besonders deutsche Produktions- tandorte und deutsche Arbeitsplätze betroffen. Europa- eit müssen rund 10 000 Airbus-Arbeitsplätze in der erwaltung abgebaut werden, davon allein 3 700 in eutschland. Die deutschen Werke Nordenham, Varel, ugsburg und Laupheim stehen zum Verkauf. Und die ahl der Zulieferbetriebe soll auf nur noch wenige Mo- ul- und Systemlieferanten reduziert werden. Verschärft wird das Problem für Deutschland durch ie EADS-interne Konkurrenz mit Frankreich. Eine an- altende Dollarschwäche könnte zudem in absehbarer eit dazu führen, dass EADS Teile der Airbus-Produk- ion in den Dollarraum, in die USA, verlagert. Das hätte eiteren Arbeitsplatzabbau in Deutschland zur Folge, or allem bei den Zulieferbetrieben. Die internationale ettbewerbsfähigkeit der stark fragmentierten, mittel- tändischen deutschen Ausrüster- und Werkstoffindus- rie würde dadurch zusätzlich geschwächt, und so würde er Luftfahrtstandort Deutschland insgesamt gefährdet. Handlungsbedarf besteht daher auch für die Politik. ir brauchen starke zukunftsfähige Standorte und zu- unftsfähige Arbeitsplätze in der Luftfahrtindustrie in eutschland. Wir brauchen ein stabiles deutsch-franzö- isches Gleichgewicht bei Airbus, damit deutsche Stand- rte und Zulieferunternehmen auch künftig bei Entwick- ung und Produktion entsprechend der bisherigen rbeitsteilung berücksichtigt werden. Dafür muss die olitik die Rahmenbedingungen setzen. Gleichzeitig müssen die Konzernstrukturen insgesamt eiter gestrafft und das Sanierungsprogramm Power 8 um Erfolg geführt werden. Dafür ist jedoch allein das nternehmen zuständig. Der Antrag der Fraktion Die Linke wird diesen He- ausforderungen nicht gerecht. Die Forderungen gehen rstens in die falsche Richtung. Eine staatliche Sperr- inorität bei den deutschen Anteilen an EADS – also ine Entwicklung in Richtung Staatsfonds – oder gar ingriffe in die Firmenpolitik – wie die Verhinderung on Werksverkäufen – sind kontraproduktiv. Sie sind icht mit unserem Verständnis der Rolle des Staates in er Wirtschaftspolitik vereinbar. Sie können nicht die robleme bei Airbus oder beim Dollarkurs lösen. Sie önnen nicht die Wettbewerbsfähigkeit des Unterneh- ens stärken, und sie können keine Arbeitsplätze si- hern. Zweitens ist eine Sperrminorität aus rein rechtlichen ründen nicht möglich, denn EADS ist eine Aktienge- ellschaft nach niederländischem Recht, das keine Sperr- inoritäten kennt. Drittens ist der Antrag, der jetzt schon ein Jahr alt ist, berholt, denn vieles bei Airbus hat sich in der Zwi- chenzeit positiv entwickelt – auch dank der klugen Be- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15073 (A) ) (B) ) gleitung des Umstrukturierungsprozesses durch die Bun- desregierung. Die Umsetzung von Power 8 macht gute Fortschritte: Die notwendigen Einsparungen waren 2007 bei Airbus höher als erwartet. Airbus wird auch künftig wichtige Teile seines Kern- geschäfts in Deutschland ansiedeln. So kommt das Kom- petenzzentrum für Kabine und Rumpf nach Deutsch- land. Und der Bau der Familie A320 sowie die Auslieferung des A380 für Asien und Arabien erfolgen künftig komplett in Hamburg. Der Verkauf der Standorte Nordenham, Varel und Augsburg hat sich zwar verzögert. Wir begrüßen jedoch, dass sich nach langwierigen Verhandlungen jetzt eine deutsche Lösung abzeichnet. EADS hat die deutsche MT Aerospace – Tochter des Bremer Raumfahrtunterneh- mens OHB – als bevorzugten Bieter ausgewählt, nach- dem lange Zeit der amerikanische Boeing-Zulieferer Spirit Aero Systems als Favorit galt. Wenn alles nach Plan verläuft, können die Werke schon im Sommer über- geben und zu einem starken Industriepartner ausgebaut werden. Die Bundesregierung hat sich von Anfang an für eine deutsche Lösung eingesetzt. Sie wird Airbus, MT Aerospace und die Standorte im Rahmen geltender EU- und WTO-Regeln finanziell zusätzlich unterstützen, damit die Konsolidierung der Ausrüsterbranche erfolg- reich verläuft. Bis Ende März soll auch die Vorentscheidung über den Käufer des Werks in Laupheim fallen, für das nach letzten Berichten noch die Bieter Diehl und Käfer aus Deutschland sowie Zodiac (Frankreich) und PAIG (Schottland) im Rennen sind. Wir setzen auch bei der weiteren Umsetzung von Power 8 auf ein verantwortungsvolles Vorgehen von EADS und Airbus und auf eine Strategie, die langfristig auf die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet ist. Auch die Verbesserung der finanziellen, wirtschaftli- chen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die deut- sche Luftfahrtindustrie durch die Politik hat im letzten Jahr weitere Fortschritte gemacht. Sie steht auch künftig ganz oben auf unserer Agenda. Die Bundesregierung hat sich auf der Grundlage des bestehenden Aktionärspakts, mit der industriellen Füh- rerschaft von Daimler auf deutscher und von Lagardère auf französischer Seite, erfolgreich für ein stabiles deutsch-französisches Gleichgewicht bei EADS einge- setzt. Bereits im letzten Februar hat ein Bankenkonsor- tium, das zu 60 Prozent private Investoren und zu 40 Prozent staatliche Investoren inklusive der KfW um- fasst, 7,5 Prozent der Daimler-Anteile am EADS-Akti- enpaket übernommen. Für diese Anteile hat sich der Bund zudem ein Vorkaufsrecht im Jahr 2010 gesichert. Die Stimmrechte bleiben bis dahin bei Daimler. Die derzeit laufenden sensiblen Verhandlungen zwi- schen Deutschland und Frankreich zur künftigen Aktio- närsstruktur und zum Schutz vor feindlichen Übernah- men sind ein wichtiger Schritt, um das Gleichgewicht b s d L c d U N t B T a M F D u g s q w t S k d r n W d d z E L l v N r r d k ß E b e g W L Z L a m v E T w k (C (D eider Staaten und die angemessene Beteiligung deut- cher Firmen auch künftig zu sichern. Wir unterstützen as Ziel der Bundesregierung, für den Übernahmeschutz ösungen auf Konzernebene zu finden und den staatli- hen Anteil beider Seiten im Aktionärspakt zu vermin- ern. Denn nur mit einer privaten Ausrichtung kann das nternehmen dauerhaft wettbewerbsfähig bleiben. Auch die Entscheidung von Angela Merkel und icolas Sarkozy, die Doppelspitze in der Führungsstruk- ur bei EADS Ende 2007 abzuschaffen, dient der alance. Mit Louis Gallois als EADS-Konzernchef, homas Enders als Chef von Airbus und Rüdiger Grube ls Chef des EADS-Verwaltungsrats wird zudem die anagement- und Entscheidungsstruktur verbessert und ehlentwicklungen vorgebeugt. Damit die Schlüsselindustrien der Luftfahrt in eutschland bleiben, muss sich die deutsche Werkstoff- nd Ausrüsterindustrie konsolidieren. Das bleibt Auf- abe der Industrie selbst. Die Bundesregierung unter- tützt diese Konsolidierung jedoch, indem sie konse- uent ihre Reformpolitik fortführt mit den Zielen: eniger Staat, mehr Wettbewerb. Die Aufgabe der Poli- ik heißt auch künftig: weniger Bürokratie, weniger teuern und Abgaben. Bei der Einsetzung des Normen- ontrollrats, der Unternehmensteuerreform 2007 und en bisher eingeleiteten Reformen in den sozialen Siche- ungssystemen und auf dem Arbeitsmarkt dürfen wir icht stehenbleiben. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und die ettbewerbsfähigkeit zu stärken, sollten künftig auch ie Subventionen für die beiden größten Unternehmen er Luftfahrtindustrie zurückgefahren werden – und war auf beiden Seiten des Atlantiks. Das betrifft in uropa die Anschubfinanzierung, die sogenannte aunch Aid für Airbus in Form von rückzahlbaren Dar- ehen, und das betrifft in den USA die indirekten Sub- entionen für Boeing über Aufträge von Pentagon und ASA. Die Koalitionsfraktionen unterstützen die Bundes- egierung in dem Ziel, das derzeit laufende Streitverfah- en zwischen EU und USA über diese Subventionen vor er Welthandelsorganisation WTO möglichst bald zu lären und vorzugsweise eine Verhandlungslösung au- erhalb der WTO zu erreichen. Langfristig müssen sich U und USA auch über den Subventionsabbau bei Air- us und Boeing einigen. Zu überlegen ist dabei auch ine Umschichtung von Fördermitteln in die Technolo- ieentwicklung der Ausrüster- und Zulieferindustrie. ir müssen die staatliche Technologieförderung in der uftfahrtindustrie konsequent ausbauen, um gerade in eiten der Konsolidierung und des schnell wachsenden uftverkehrs den deutschen Unternehmen zu helfen, uch künftig die Technologieführerschaft auf dem Welt- arkt zu sichern. Das gilt besonders für den Umweltschutz. Der Luft- erkehr muss wesentlich umweltverträglicher werden. r ist bereits heute für rund 3 Prozent der weltweiten reibhausgasemissionen verantwortlich. Dieser Wert ird sich bei einem geschätzten Wachstum des Luftver- ehrs von jährlich 5 bis 7 Prozent schon bald vervielfa- 15074 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) chen. Nur innovative anspruchsvolle Technik kann helfen, die Herausforderungen dieses Wachstums zu meistern, begrenzten Luftraum und begrenzte Flugplatz- kapazitäten optimal zu nutzen, die Umwelt zu schützen und die großen Wachstums- und Beschäftigungspoten- ziale dieser Branche für uns zu erschließen. Schärfere Umweltstandards bringen die Entwicklung umweltfreundlicher Technik erheblich voran. Wir begrü- ßen, dass sich die europäische Luftfahrtindustrie im Rahmen von ACARE 2020 schon 2002 selbst verpflich- tet hat, bis 2020 Flugzeugmodelle auf den Markt zu brin- gen, die nur noch halb soviel Treibstoff verbrauchen, 50 Prozent weniger CO2 und 80 Prozent weniger Lach- gas-Emissionen ausstoßen und bei denen auch der Lärm- pegel bei Start und Landung um 50 Prozent niedriger liegt als heute. Einen weiteren Anreiz bietet das Ziel der EU, den Flugverkehr künftig in den Handel mit Emissionsrechten einzubeziehen. Ab 2012 soll nach den Plänen der Kom- mission und der EU-Umweltminister der Emissionshan- del für alle Fluglinien verbindlich sein, die in der EU starten und landen. Die USA und China wollen dies zwar anfechten, doch schärfere Umweltauflagen kom- men auf die Luftfahrtindustrie auf jeden Fall zu. Das macht neue Technologiesprünge notwendig. Die Zukunft des Flugzeugbaus liegt im Einsatz neuartiger, emissionsarmer und leichterer Antriebssysteme und in der Nutzung innovativer, sehr leichter und hochfester Materialien. Innovative Turbinen, Bauteile aus kohlen- stofffaserverstärktem Kohlenstoff und die neue Bau- weise der Doppelhülle werden das Flugzeug der Zukunft sauberer, leiser und um fast ein Drittel leichter machen als heute. Auch an völlig neuartigen Konstruktionsmo- dellen muss gearbeitet werden. Bei der Entwicklung des „Öko-Flugzeugs“ der Zu- kunft kann und muss die deutsche Luftfahrtindustrie ei- nen maßgeblichen Beitrag leisten. Wichtig ist, dass Deutschland besonders seine Kompetenz in Leichtbau- weisen, vor allem der Kohlefasertechnologie (CFK- Technologie) schnell ausbaut, denn der A350 und der A320 werden künftig überwiegend aus Kohlenfaserver- bundstoffen hergestellt. Durch das Kompetenzzentrum Rumpf und Kabine und die Alleinfertigung der A320- Familie sind wir hier in der Pflicht Wir unterstützen die entsprechenden Fördermaßnah- men der Bundesregierung, die bereits 1995 unter der Führung von Helmut Kohl das nationale Luftfahrtfor- schungsprogramm aufgelegt hat, um die Technologie- kompetenz des Luftfahrtstandorts Deutschland global zu stärken. Sie hat dieses Programm seitdem ständig wei- terentwickelt und erfolgreich an die neuen Herausforde- rungen angepasst. Das aktuelle vierte Luftfahrtforschungsprogramm LuFo IV – mit einem Budget von rund 600 Millionen Euro 2007 bis 2013 – ist auch Teil der Hightechstrategie. Es legt einen besonderen Schwerpunkt auf die Förde- rung klimafreundlicher Luftfahrttechnologien und mo- derner Bauweisen und auf den Aufbau leistungsfähiger F k W d T n n k t n i l B M h s s g i n A h s f k A t d b u G u l B d d b K s b b h M d i M d S w d d (C (D orschungsnetzwerke mit Partnern aus Großindustrie, lein- und mittelständischer Zuliefererindustrie und der issenschaft. Gleichzeitig forciert die Hightechstrategie ie Entwicklung umweltfreundlicher Flugzeug- und riebwerksprogramme und fördert die deutsche Teil- ahme an der aktuellen EU-Initiative „Clean Sky“, die eue Basistechnologien für ein nachhaltiges Luftver- ehrssystem hervorbringen soll. Steuerliche Anreize – bisher weitgehend tabu – könn- en ebenfalls die Entwicklung klimafreundlicher Tech- ologien voranbringen. So hat sich EADS-Chef Gallois nzwischen öffentlich dafür ausgesprochen, die Entwick- ung zum „Öko-Flugzeug“ zusätzlich durch eine stärkere esteuerung von Kerosin zu fördern, als „effiziente öglichkeit, um den Fortschritt anzustoßen“. Ebenso abe der hohe Ölpreis bereits gute Anreize gesetzt. Noch teht Louis Gallois allerdings mit dieser Meinung unter einen Kollegen alleine da. Die Chancen für den deutschen Luftfahrtstandort sind ut. Aber die Restrukturierung der deutschen Luftfahrt- ndustrie kann nur dann gelingen, unser Standort kann ur dann attraktiv und konkurrenzfähig bleiben, unsere rbeitsplätze in der Branche können wir nur dann nach- altig sichern, wenn wir den eingeschlagenen Weg kon- equent weiter verfolgen und vor allem an den Zielen esthalten: Weniger Staat – mehr Wettbewerb – zu- unftsweisende Technologieförderung. Die Koalitionsfraktionen haben dies in einem eigenen ntrag zur Unterstützung der deutschen Luftfahrtindus- rie deutlich gemacht. Branchenexperten haben uns in er Anhörung vom 8. Oktober 2007 in unseren Zielen estärkt und weitere Anregungen gegeben. Unser Antrag nd die Arbeit der Bundesregierung sind eine gute rundlage, um die Wettbewerbsfähigkeit von Airbus nd der Branche nachhaltig zu sichern. Auf die Hand- ungsempfehlungen aus dem angekündigten Bericht des undeswirtschaftsministeriums zur aktuellen Lage der eutschen Luftfahrtindustrie sind wir gespannt. Auf dieser Grundlage werden wir alles daran setzen, ie Rahmenbedingungen für die Branche weiter zu ver- essern: damit Deutschland ein Luftfahrtstandort erster lasse bleibt, damit Airbus ein erfolgreiches Aushänge- child deutscher und europäischer Luftfahrtindustrie leibt, damit neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze bei Air- us und seinen Industriepartnern in Deutschland entste- en. Dr. Ditmar Staffelt (SPD): Wir hatten bereits im ärz vergangenen Jahres die Gelegenheit, den Antrag er Linken zu diskutieren und abzulehnen. Gerne nehme ch die erneute Gelegenheit wahr, um ihn ein zweites al, einschließlich der Ausschussberatungen sogar ein rittes Mal abzulehnen. An den Forderungen der Linken, eine staatliche perrminorität bei EADS zu erlangen, hat sich ebenso enig geändert wie an meiner Haltung und der Haltung er SPD-Bundestagsfraktion zu dieser Frage. Was for- ert die Linke? Sie möchte die Bundesregierung ver- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15075 (A) ) (B) ) pflichten, gemeinsam mit anderen europäischen Regie- rungen eine staatliche Sperrminorität bei EADS zu schaffen. Dies soll gelingen, indem erstens die von Daimler-Chrysler abgestoßenen 7,5 Prozent Aktienan- teile vom Staat übernommen werden sollen. Zweitens soll die Übertragung der Stimmrechte öffentlicher An- teilseigner beendet werden. Und zuletzt soll der politi- sche Einfluss genutzt werden, um den Arbeitsplatzabbau zu verhindern sowie um die notwendige Rüstungskon- versions- und Klimaschutzpolitik umzusetzen. Die Linke unterstellt dem Daimler-Konzern mit ihrem Antrag, die Interessen des Unternehmens und voran die deutschen Interessen nicht angemessen bei EADS zu vertreten. Ich glaube hingegen, dass wir im Zusammen- hang mit Airbus/EADS eine ausgesprochen gute Bilanz vorzuweisen haben. Dies zeigt sich unter anderem beim Streit um die Doppelspitze, die Besetzung des Boards und Power 8. Zweifelsfrei hat es in der Vergangenheit Fehleinschät- zungen des Managements gegeben, insbesondere was die Wünsche der Kunden betrifft und was in diesem Zu- sammenhang die neuen technologischen Voraussetzun- gen an den Flugzeugen selbst betrifft. Was die Fehler der Vergangenheit betrifft, sei Folgendes gesagt: Nach unse- rem Besuch bei Boeing in Seattle und in Chicago haben wir gegenüber der Airbusführung die Herausforderung im Zusammenhang mit der Boeing 787 angesprochen. Leider stießen unsere Hinweise auf keine große Reso- nanz. Das mag daran gelegen haben, dass man sich auf die große Herausforderung des A380 konzentrierte und dachte, mit einer technisch wenig innovativen A350 den Wettbewerb mit der Boeing 787 bestehen zu können. Diese Rechnung des Managements ist nicht aufgegan- gen. Es nützt uns aber nichts, auf die Fehler der letzten Jahre zu verweisen. Wir wissen, die EADS hat noch nicht alle Stolpersteine für eine weitere unternehmeri- sche Erfolgsgeschichte aus dem Weg geräumt. Wir wis- sen aber auch, dass sich der Konzern auch ohne staatli- che Sperrminorität den Herausforderungen stellen kann. Im vergangenen Jahr hat EADS schmerzhafte, aber wichtige Schritte eingeleitet, um wieder in ruhigeres Fahrwasser zu gelangen. Zum Ersten wurde die Doppel- spitze abgeschafft. Trotz aller Befürchtungen ist es ge- lungen, das deutsch-französische Gleichgewicht im Konzern zu erhalten. Heute ist die deutsche Seite sowohl im Management als auch im Board gut vertreten. Zum Zweiten ist es gelungen, mit der Auswahl von MT Aero- space als bevorzugtem Bieter für die Airbus-Werke Nor- denham und Varel sowie das EADS-Werk Augsburg eine deutsche Lösung zu finden. Natürlich wäre es uns lieber, die Werke blieben im Konzern, und natürlich bleiben auch Zweifel, ob ein ver- hältnismäßig kleines Unternehmen wie die MT Aero- space die Werke integrieren kann. Doch auf der anderen Seite öffnet sich der deutschen Zulieferindustrie die Chance, sich neu zu ordnen. Bereits seit Jahren fordert der Bundesverband der deutschen Luftfahrtindustrie so- wie die Politik, Struktur- und Systemlieferanten in der Luftfahrtindustrie aufzubauen. Nur so können wir lang- f a m e d R f A d l i w w L m s d L V n A A f u d E U e d k d A w g f L c d s u v m S d G U u n m a t n d t (C (D ristig im internationalen Wettbewerb mit den großen merikanischen, britischen und französischen Spielern ithalten. Dies sieht übrigens auch die IG Metall Küste benso. Zum Dritten ist es gelungen, Arbeitspakete für die eutsche Luft- und Raumfahrtindustrie zu sichern. Im ahmen von Power 8 wird eine weitere Fertigungslinie ür den A320 nach Hamburg kommen, und auch bei der 350 soll Deutschland angemessen berücksichtigt wer- en. Unser Ziel muss es sein, die Arbeitsplätze, vor al- em aber die technologisch hochwertigen Arbeitsplätze n Deutschland, langfristig – zusammen mit den Ge- erkschaften – zu sichern. Bislang ist uns dies gelungen. Es ist eine sehr verkürzte Analyse der Probleme, enn es von der linken Seite heißt, Daimler und agardère wollen aus dem Unternehmen aussteigen und achen die Braut für Investoren hübsch, indem Entlas- ungen und strukturelle Veränderung durchgeführt wer- en. Das Unternehmen ist in einer sehr schwierigen age, weil es große Herausforderungen zu meistern hat. ielleicht sollten Sie sich einmal daran erinnern, dass es icht nur um den A380 geht, sondern auch um den 400M, den Militärtransporter. Es geht um einen neuen 350 und eine neue A320er-Familie. Nicht nur von der inanziellen Seite her, sondern auch was die Forschungs- nd Entwicklungskapazitäten angeht, ist die Herausfor- erung enorm. Dazu kommt, dass der schwache Dollar ADS enorm belastet. EADS/Airbus wäre ohne politische bzw. staatliche nterstützung nicht zu dem Unternehmen geworden, das s jetzt ist. Wir haben uns aus verschiedenen Gründen afür entschieden, einen großen Luft- und Raumfahrt- onzern in Europa aufzubauen: weil wir innovative Pro- ukte in Europa herstellen wollen, weil wir hochwertige rbeitsplätze schaffen wollen und weil wir die Bundes- ehr nach den Zeiten des Kalten Krieges für neue Auf- aben umrüsten mussten. Mit dem Luftfahrtforschungsprogramm haben wir da- ür Sorge getragen, die Großen und die Kleinen in der uftfahrtindustrie in die Lage zu versetzen, mit staatli- her Hilfe neue Technologien zu entwickeln, um damit eren Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Inzwi- chen sind fast 90 000 Menschen in der hiesigen Luft- nd Raumfahrtindustrie beschäftigt. Über die Hälfte da- on sind hochqualifizierte Arbeitsplätze. Gerade deshalb üssen wir die Luftfahrtindustrie fördern und als chlüsselindustrie erhalten. Dies schaffen wir nur, wenn as Flaggschiff EADS seinen Weg frei von staatlichen ängelungen wählen kann. Natürlich ist eines klar: Solange die EADS vom Staat nterstützung erhält, muss sie auch gesellschaftliche nd soziale Verantwortung tragen. Doch werden Unter- ehmensentscheidungen nicht besser, wenn sie politisch otiviert sind. Einfluss können wir im Übrigen auch usüben, ohne Shareholder zu sein. Es gibt sogar Situa- ionen, in denen man sagen muss: Bisweilen ist derje- ige, der andere Hilfen anbietet, sehr viel besser dran, in er Beeinflussung eines Unternehmens einen bestimm- en Weg zu gehen, als derjenige, der im Aufsichtsrat 15076 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) ) (B) ) sitzt. Die Linke sollte sich genau überlegen, ob ihr Weg der richtige ist. Ich glaube es nicht. Ulrike Flach (FDP): Es ist ja ganz auffällig, dass die Antragsteller selbst offenbar einsehen, dass ihr Antrag von der Zeit überholt ist, und deshalb selbst vorgeschla- gen haben, dass die Reden zu Protokoll gegeben werden sollen. Der Antrag ist aber nicht nur durch die Entwick- lung des Sanierungsprogramms Power 8 und der Ver- handlungen über den Verkauf von Produktionsstätten veraltet, sondern er offenbart auch veraltetes, rückwärts- gewandtes Denken. Die Linksfraktion setzt nämlich wie- der einmal auf den Staat als „Retter“ oder „Helfer“, wo es doch gerade bei Airbus und EADS der Staat ist, der für einen guten Teil der Probleme der Unternehmen ver- antwortlich ist. Zuviel staatliche Kontrolle und unfle- xible Unternehmensführung waren es doch, die das Un- ternehmen Airbus im Wettbewerb mit Boeing ins Hintertreffen gebracht haben. Sicher, es hat auch falsche Unternehmensentscheidungen gegeben, beispielsweise das zu lange Festhalten an veralteten Werkstoffen. Aber gerade hier ist doch der Staat völlig ungeeignet, die beste Technologie vorzugeben. Wir brauchen weniger Staat und nicht mehr. Die FDP lehnt eine Aufstockung der Aktien des Bun- des ebenso ab wie „Goldene Aktien“. Sie wollen einem Unternehmen, das geradezu symbolhaft auf Flügel der Freiheit angewiesen ist, Zügel anlegen. Das ist falsch. Und es ist schon erstaunlich, dass in dem Antrag zahlrei- che Probleme, die es ja wirklich im deutschen Flugzeug- bau gibt, nicht angesprochen werden, sei es die Schwä- che des Dollars oder die Subventionspolitik der USA – hier ist unser Einfluss gering. Aber es existiert auch der Fachkräftemangel, der beispielsweise dazu führt, dass ein Unternehmen wie Airbus Schwierigkeiten hat, zwei Projekte gleichzeitig vom Fachpersonal her anständig zu bestücken. Hier könnten Bund und Länder wirklich et- was tun, aber davon findet sich in Ihrem Antrag nichts. Wir wollen einen anderen Weg gehen. Wir sagen, der Staat sollte sich sowohl bei Airbus wie bei der EADS weiter aus dem Geschäft herausziehen und bis auf kleine, strategisch notwendige Bereiche im militärischen Sektor das Unternehmen weiter in private Hände überge- ben. Sie sehen den Staat – in diesem Fall den Bund – in ei- ner Vielzahl von Rollen: „Kreditgeber, Großabnehmer, Anteilseigner, Bereitsteller von Infrastruktur und Förde- rer der Forschung“ – das Wort Markt kommt bei Ihnen gar nicht vor. Und wozu soll der Staat seinen Einfluss denn nutzen? Auch das ist in Ihrem Antrag eine wirklich abenteuerliche Vorstellung, nämlich: Der politische Ein- fluss bei EADS soll genutzt werden, um aus einem Rüs- tungskonzern ein Unternehmen der „Konversions- und Klimaschutzpolitik“ zu machen. Da können wir ja in Zu- kunft Anträge der Linken erwarten, dass bei Aufklä- rungsflügen in Krisengebieten eine Klimaschutzabgabe zu zahlen ist oder Panzer nur mit Biodiesel betrieben werden. So weltfremd sind heute nicht einmal mehr die Grünen, denn auch die haben Ihren Antrag abgelehnt. W ü s t d r a g h b e S i b f a a A M h t D v D ä K s D l n s t w k m k g b n k d n n e S k d D e f A b D (C (D Die deutsche Luftfahrtindustrie steht in einem harten ettbewerb. Sie muss aus Sicht der FDP durch Qualität berzeugen, nicht durch zusätzliche Subventionen und chon gar nicht durch zusätzliche staatliche Aktienan- eile. Dazu gehört, dass Programme wie Power 8, die in er Tat harte Einschnitte bedeuten, ohne ständiges Rein- eden der Politik umgesetzt werden können. Dazu gehört uch, dass der Luftfahrtstandort Deutschland durch zügi- en Ausbau der Infrastruktur vorangebracht wird, und da aben wir die Linken in Hessen nicht an vorderster Front eim Ausbau des Frankfurter Flughafens gesehen. Es ist ben nicht glaubwürdig, wenn hier Herr Dr. Schui den taat als Bereitsteller von Infrastruktur sehen will, aber m konkreten Fall die Linkspartei den Bau neuer Start- ahnen ablehnt. Mehr Staat führt in dem schwierigen Markt der Luft- ahrtindustrie nicht zum Erfolg. Weniger Staat ist zwar uch nicht immer ein Garant für den Erfolg am Markt, ber zumindest eine bessere Variante. Dr. Herbert Schui (DIE LINKE): Der vorliegende ntrag fordert ein Vetorecht der Politik beim Airbus- utterkonzern EADS. Alle Fraktionen außer der Linken aben widersprochen und verlangt, der Einfluss der Poli- ik müsse sogar noch weiter zurückgedrängt werden. as bedeutet im vorliegenden Fall, die Geschäftspolitik on Airbus auf deutscher Seite dem Privatkonzern aimler anzuvertrauen. Das erscheint heute noch blau- ugiger als zu Beginn der Beratung. Damals hieß der onzern noch Daimler-Chrysler. Inzwischen ist offen- ichtlich, dass sich Daimler bei Chrysler verhoben hat. er amerikanische Autobauer wurde mit Milliardenver- ust an Cerberus weiterverkauft. Cerberus gehört zu je- en Finanzinvestoren, die Franz Müntefering als Heu- chrecken charakterisiert hat. Weniger Politik bedeutet Allmacht für Mehrheitsak- ionäre und Management. Die Auswüchse bei Airbus aren schon bei der ersten Beratung unseres Antrags be- annt, inzwischen sind weitere Details ans Licht gekom- en. Hunderte von Führungskräften sowie die Privat- onzerne Daimler-Chrysler und Lagardère haben in roßem Umfange Aktien verkauft, als die Probleme eim Modell A380 intern bereits bekannt, jedoch noch icht öffentlich waren. Erst danach stürzte der Aktien- urs ab. In Frankreich wird wegen Insiderhandels gegen as Top-Management ermittelt. Wir haben es also mit ei- em Management zu tun, das gegen das eigene Unter- ehmen spekuliert, während es durch Managementfehler ine Unternehmenskrise herbeiführt. Das dritte Problem, vor dem alle stehen, die keinen taatseinfluss bei Airbus wollen, ist schlicht: Es gibt eine privaten Investoren, die bereit sind, die Risiken es Großflugzeugbaus zu tragen. Bereits vor unserer iskussion war die Bundesregierung damit gescheitert, inen deutschen Privatinvestor für die Airbus-Anteile zu inden, die Daimler-Chrysler abgestoßen hat. Nun trifft irbus auf große Schwierigkeiten, seine Werke Augs- urg, Laupheim, Nordenham und Varel zu verkaufen. rei dieser Werke sollen an einen Familienbetrieb ver- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15077 (A) ) (B) ) kauft werden. Dieser mag vielleicht gut geführt sein, die- ses Volumen kann er nicht schultern. Deswegen wird ein Verkaufspreis von 150 Millionen Euro angestrebt, was intern als „Schnäppchenpreis“ bezeichnet wird. Die Bundesregierung will dem Betrieb dafür über die KfW bis zu 300 Millionen Euro zinsgünstige Darlehen ge- währen, rückzahlbar nur, wenn die Geschäfte gut laufen. Das Modell läuft also darauf hinaus, dass Private kaufen, aber der Staat bezahlt. Es gibt allerdings wirkliche Interessenten für EADS. Das sind zunächst ausländische Staatsfonds, etwa aus dem Nahen Osten und Russland. Die will die Bundesre- gierung draußen halten und erwägt nun plötzlich doch ein staatliches Veto im Sinne einer goldenen Aktie. Das ist eine interessante Wende; in der ersten Lesung des An- trags haben sich noch alle Fraktionen außer der Linken dagegen ausgesprochen. Es sollte jedoch zu denken ge- ben, dass andere Staaten an einer aktiven Beteiligung an der Flugzeugindustrie interessiert sind, während die Bundesregierung nur den Zugriff anderer Staaten unter- binden, nicht jedoch selbst Einfluss auf die Geschäftspo- litik von EADS ausüben möchte. Die zweite Interessentengruppe sind Finanzinvesto- ren. Es wird vermutet, dass Cerberus in Kürze mit dem Käufer der Airbuswerke ins Geschäft kommen wird. Fi- nanzinvestoren werden die Geschäftspolitik auf die Spitze treiben, welche Daimler-Chrysler und Lagardère bisher bei EADS betrieben haben: Investitionen ver- nachlässigen, Dividenden steigern, blinde Kürzungspro- gramme ankündigen – inzwischen ist von „Power 8 plus“ die Rede, Auslagerung von Wertschöpfung, dafür Zukäufe im Rüstungsgeschäft in den USA, und der deut- sche Staat soll die Risikoabsicherung übernehmen. Im letzten Jahr hat Airbus mehr Flugzeugbestellun- gen erhalten und mehr Flugzeuge ausgeliefert als je zu- vor. Der Auftragsbestand bedeutet Vollauslastung für sechs Jahre. Unter diesen Umständen ist es keine leere Drohung, wenn die Gewerkschaften sich die Option von Streiks vorbehalten. Die Menschen verstehen nicht, wa- rum die Bundesregierung der Auslagerung von Wert- schöpfung bei Airbus zusehen möchte. Eine Alternative dazu ist eine wirksame staatliche Sperrminorität bei EADS. Dafür müssten Sie dem Antrag der Linken zu- stimmen. Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es dürfte weltweit nicht viele Unternehmen geben, deren Auftragsbücher so dick gefüllt sind wie die von Airbus. Wer heute einen Airbus-Jet ausgeliefert bekommt, hat diesen schon vor Jahren bestellt. Da ist es nur schwer zu begreifen, wenn der Chef des Unternehmens die Lage des Flugzeugherstellers als „lebensbedrohlich“ be- schreibt und unter dem Namen „Power 8“ ein hartes Sa- nierungsprogramm auflegt, das nun sogar noch ver- schärft werden soll. Und doch: Airbus steckt tatsächlich in einer tiefen Krise. Es ist also durchaus angebracht, sich Überlegungen zu machen, wie dieser Krise begegnet werden soll. Die Linksfraktion schlägt eine Verstaatlichung von Airbus v l h w f W n w r z m u v r a n s z S e m m N s T n s O n l t g n s d t h s n h v I I t i b n D D f P (C (D or. Das ist genau der falsche Weg. Der derzeitige staat- iche Einfluss bei Airbus ist nicht zu niedrig, sondern zu och. Der staatliche Einfluss ist nicht nur für die teilweise enig rationale Standortpolitik, sondern vor allem auch ür die ineffizienten Führungsstrukturen verantwortlich. enn auf jeder Ebene bis hinauf zum Vorstandsvorsitz ationale Parallelstrukturen installiert werden, ist irgend- ann klar, dass die linke Hand nicht mehr weiß, was die echte tut. Zum Glück ist es zwischenzeitlich gelungen, umindest die Doppelspitze abzuschaffen. Die zentralen Probleme bei Airbus hat das Manage- ent zu verantworten. Dies betrifft nicht nur die Pannen nd Lieferverzögerungen beim A380, sondern auch die öllig unzureichende Absicherung gegen das Währungs- isiko. Firmen wie Porsche haben vorgemacht, wie sich uch bei steigendem Dollarkurs richtig gut Geld verdie- en lässt. Bei Airbus schlägt dagegen ein um 10 Cent ge- unkener Dollarkurs mit einer Milliarde weniger Gewinn u Buche. Für uns ist deshalb ganz besonders wichtig, dass die anierung nun nicht auf dem Rücken der Beschäftigten rfolgt. Diese leisten großartige Arbeit, und ihr Engage- ent ist auch weiterhin nötig; schließlich kommt Airbus it dem Bau bestellter Flugzeuge kaum hinterher. Deshalb muss es auch nach dem Verkauf der Werke in ordenham, Varel und Augsburg eine langfristige Per- pektive für die Standorte und die Beschäftigten geben. rotz des Verkaufs an die Bremer OHB wird sich erst och zeigen müssen, wie tragfähig die gefundene Lö- ung für die verkauften Standorte ist. Hinter der Bremer HB-Gruppe als Käufer steht vor allem der amerika- ische Finanzinvestor Cerberus, der nicht unbedingt für angfristige Engagements bekannt ist. Die Bundesregierung wollte aber unbedingt einen na- ionalen Zulieferer und hat ihn – auch dank dem großzü- igen Zuschuss von Steuergeldern – bekommen. Doch icht immer ist die nationale Lösung auch für die Be- chäftigten langfristig die beste Lösung. Ich hoffe, dass er Wunsch nach einer starken deutschen Zulieferindus- rie nicht die wirtschaftliche Vernunft außer Kraft gesetzt at. Wer die Arbeitsplätze dauerhaft sichern möchte, ollte nicht auf politische Einflussnahme sondern auf In- ovation, Material- und Energieeffizienz setzen. Des- alb muss in innovative zukunftsfähige Technologien in- estiert werden, allen voran in die Kohlefasertechnik. ch hoffe sehr, dass bei dem Verkauf auch verbindliche nvestitionszusagen vereinbart wurden. Wer die sichers- en, leisesten und verbrauchärmsten Flugzeuge baut, hat n der Zukunft die Nase am Flugzeughimmel vorn und raucht sich auch auf dem Boden keine Sorgen um sei- en Arbeitsplatz zu machen. Airbus hat die Unterstützung Frankreichs und eutschlands als Geburtshilfe gebraucht – keine Frage. och zwischenzeitlich ist der Flugzeughersteller längst lügge geworden. Was früher eine Hilfe war, ist heute ein roblem. Denn der staatliche Einfluss hat die kriseauslö- 15078 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 (A) (C) (B) (D) senden Fehlentscheidungen des Managements zumin- dest begünstigt, indem er für die intransparenten Ma- nagementstrukturen mitverantwortlich war. Doch auch die neue, verschlankte Führungsstruktur braucht Eigen- ständigkeit, um zu funktionieren. Wenn ständig von staatlicher Seite dazwischengefunkt wird, ist nichts ge- wonnen. Es ist also mehr als kontraproduktiv, jetzt auch noch eine Ausweitung der staatlichen Einflussnahme zu fordern, wie die Linksfraktion dies tut. Kein Arbeitsplatz wird sicherer, wenn das Unternehmen von Politikern ge- leitet wird. Anstreben sollten wir das Gegenteil: Perspektivisch sollten sich Deutschland und Frankreich gleichermaßen zurückziehen. Zwar sollte die Balance zwischen den Län- dern gewahrt bleiben, aber eben auf einem viel niedrige- ren Niveau als heute. Angesichts der industriepolitischen Philosophie der Franzosen ist dies zugegebenermaßen ein Vorschlag, der einer Menge Überzeugungsarbeit bedarf. Doch die aktuelle Krise sollte der Bundesregierung genü- gend Argumente in die Hand geben, um jetzt mit den an- deren Partnerstaaten eine Problematisierung des Staats- einflusses zu beginnen. 142. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1614200000

Die Sitzung ist eröffnet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie
herzlich, wünsche uns allen einen guten Morgen sowie
für den heutigen Tag und insbesondere die unmittelbar
folgende Debatte besonders gute und intensive Beratun-
gen.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich ei-
nige Mitteilungen zu machen. Der Kollege Dr. Klaus
Lippold begeht heute seinen 65. Geburtstag. Dazu gra-
tuliere ich im Namen des ganzen Hauses herzlich.


(Beifall)


Dieses beachtliche Ereignis haben in den vergangenen
Tagen noch vier weitere Kollegen feiern können, und
zwar der Kollege Wolfgang Spanier am 30. Januar, der
Kollege Paul Friedhoff am 2. Februar, der Kollege
Ernst Hinsken am 5. Februar und der Kollege
Dr. Hakki Keskin am 12. Februar. Auch ihnen gelten
unsere herzlichen Glückwünsche.


(Beifall)


Schließlich möchte ich darauf hinweisen, dass der Kol-
lege Clemens Bollen ebenfalls am 12. Februar seinen
60. Geburtstag gefeiert hat. Auch ihm gelten meine herz-

Redet
lichen Glückwünsche.


(Beifall)


Es gibt eine interfraktionelle Vereinbarung, die ver-
bundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste
aufgeführten Punkte zu erweitern:

ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der
FDP:

Aussage der Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel am 28. November 2007 „Der Auf-
schwung kommt bei den Menschen an“ und
die wirkliche Situation in Deutschland

(siehe 141. Sitzung)


ZP 2 Weitere Überweisungen im vereinfa
fahren (Ergänzung zu TOP 29)


(C (D ung 14. Februar 2008 0 Uhr a)

Gehring, Winfried Nachtwei, Grietje Bettin, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Wehrpflichtige in Studium und Ausbildung
vollständig vor Einberufung schützen

– Drucksache 16/8044 –
Überweisungsvorschlag:
Verteidigungsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried
Hermann, Fritz Kuhn, Dr. Anton Hofreiter, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Keine Bahnprivatisierung am Parlament vorbei

– Drucksache 16/8046 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Rechtsausschuss
Haushaltsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

ext
ZP 3 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE
LINKE:

Haltung der Bundesregierung zu einer räum-
lichen und personellen Ausweitung des Bun-
deswehreinsatzes in Afghanistan

ZP 4 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)

Trittin, Winfried Nachtwei, Kerstin Müller

(Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Für einen sicherheitspolitischen Kurswechsel
anistan – Nebeneinander von ISAF
F beenden

sachen 16/5587, 16/6497 –

chten Ver-

in Afgh
und OE

– Druck






(A) )



(B) )


Präsident Dr. Norbert Lammert
Berichterstattung:
Abgeordnete Bernd Schmidbauer
Gert Weisskirchen (Wiesloch)

Dr. Werner Hoyer
Dr. Norman Paech
Jürgen Trittin

ZP 5 Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Modernisierung der Aufsichtsstruktur der
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf-
sicht (Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetz)


– Drucksache 16/7078 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzaus-
schusses (7. Ausschuss)


– Drucksache 16/8083 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Leo Dautzenberg
Nina Hauer
Frank Schäffler

ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Marie-
Luise Dött, Katherina Reiche (Potsdam), Michael
Brand, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dirk
Becker, Marco Bülow, Dr. Axel Berg, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz darf nicht
durch europäische Vorgaben für einen Zertifi-
katehandel unterlaufen werden

– Drucksache 16/8047 –

ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus
Löning, Michael Link (Heilbronn), Florian
Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP

Gerichtliche und parlamentarische Kontrolle
von EU-Agenturen

– Drucksache 16/8049 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, so-
weit erforderlich, abgewichen werden.

Darüber hinaus ist vorgesehen, den Tagesordnungs-
punkt 8 morgen nach dem Tagesordnungspunkt 23 auf-
zurufen. Der Tagesordnungspunkt 24 soll zusammen mit
dem Tagesordnungspunkt 22 beraten werden. Die Tages-
ordnungspunkte 15 und 16 sowie 17 und 18 werden je-
weils getauscht. Der Tagesordnungspunkt 21 wird abge-
setzt.

Schließlich mache ich auf eine nachträgliche Aus-
schussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste auf-
merksam:

Der in der 133. Sitzung des Deutschen Bundestages
überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätz-
lich dem Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwick-

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(C (D ung en: Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken – Drucksache 16/7438 – überwiesen: Finanzausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ich frage, ob irgendjemand mit den vorgesehenen eränderungen nicht einverstanden ist. – Das ist offenundig nicht der Fall. Dann haben wir das gemeinsam so eschlossen. Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 e auf: a)

Röspel, Ilse Aigner, Jörg Tauss und weiteren Ab-
geordneten eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Änderung des Stammzellgesetzes

– Drucksache 16/7981 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit

b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Ulrike
Flach, Rolf Stöckel, Katherina Reiche (Potsdam)

und weiteren Abgeordneten eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes für eine menschenfreund-
liche Medizin – Gesetz zur Änderung des
Stammzellgesetzes

– Drucksache 16/7982 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit

c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Hubert
Hüppe, Marie-Luise Dött, Maria Eichhorn und
weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs
eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes
zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im
Zusammenhang mit menschlichen embryona-
len Stammzellen (Stammzellgesetz – StZG)


– Drucksache 16/7983 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit

d) Erste Beratung des von den Abgeordneten Priska
Hinz (Herborn), Julia Klöckner, Dr. Herta
Däubler-Gmelin und weiteren Abgeordneten ein-






(A) )



(B) )


Präsident Dr. Norbert Lammert
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung des Stammzellgesetzes
– Drucksache 16/7984 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Priska
Hinz (Herborn), Julia Klöckner, Dr. Herta
Däubler-Gmelin und weiterer Abgeordneter

Keine Änderung des Stichtages im Stammzell-
gesetz – Adulte Stammzellforschung fördern
– Drucksache 16/7985 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit

Nach einer Vereinbarung zwischen den Fraktionen
sind für die Aussprache drei Stunden vorgesehen. Diese
Zeit soll im Wesentlichen nach dem Stärkeverhältnis der
Unterzeichner der unterschiedlichen Anträge verteilt
werden. Die Parlamentarischen Geschäftsführer haben
sich darauf verständigt, dass aufgrund der großen An-
zahl der Redewünsche und der nur begrenzt zur Verfü-
gung stehenden Zeit für die Aussprache die Reden der
Kolleginnen und Kollegen, deren Redewunsch nicht be-
rücksichtigt werden kann, zu Protokoll gegeben werden
können. Ich vermute, dass es auch dazu Einvernehmen
gibt. – Das ist der Fall. Dann verfahren wir genau so.

Diejenigen, die die Debatte an den Bildschirmen ver-
folgen, weise ich darauf hin, dass im Unterschied zu dem
in diesem Haus sonst üblichen Verfahren keine Frak-
tionszugehörigkeiten angezeigt werden. Das mag den ei-
nen oder anderen zunächst irritieren, erklärt sich aber
aus der Debattenlage; denn wir verhandeln nicht über
Gesetzesinitiativen oder Anträge von Fraktionen, son-
dern über Anträge, die quer durch das Haus Unterstüt-
zung von Mitgliedern der einen wie der anderen Fraktion
gefunden haben, sodass eine Diskussionslage deutlich
wird – das wird sich in der Debatte gleich ganz sicher
herausstellen –, die mit den Fraktionszugehörigkeiten
nicht in unmittelbarem Zusammenhang steht.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst dem Kollegen René Röspel. – Bitte schön, Sie ha-
ben das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Ilse Aigner [CDU/CSU])



René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1614200100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Vor sechs Jahren haben wir an dieser Stelle eine
grundsätzliche Debatte über die Forschung mit embryo-
nalen Stammzellen geführt. Vorangegangen war der An-
trag eines Forschers an die Deutsche Forschungsgemein-
schaft, sich den Import embryonaler Stammzelllinien
aus dem Ausland finanzieren zu lassen. Es gab damals in

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(C (D eutschland keine Rechtslage, wie damit zu verfahren st. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat den Anrag so lange zurückgestellt, bis die Politik ein Votum azu abgeben konnte. Wir haben viele Monate, fast anderthalb Jahre, in der ffentlichkeit, in den Medien, in der Politik und im Par ament sehr intensiv darüber diskutiert. Die Enqueteommission hat im November 2001 einen sehr umfas enden und auch heute noch lesenswerten Bericht zur tammzellforschung abgegeben. Der Nationale Ethikrat olgte wenige Wochen später. Wir haben damals sehr iele Fragen aufgeworfen: Ab wann beginnt das enschliche Leben? Ist der Embryo schon vom ersten ag an Träger der Menschenwürde? Wie geht man mit tammzelllinien um, die ohne unser Zutun – aber auch, hne dass wir es hätten verhindern können – im Ausland us Embryonen hergestellt worden sind? Wie stark kann orschungsfreiheit eingeschränkt werden? Wir haben weder als Enquete-Kommission noch in en Debatten allgemeingültige Antworten finden könen; das wäre bei dieser ethischen Frage auch nicht mögich gewesen. Aber wir haben für die Grundsatzentscheiung, die alle Mitglieder dieses Hauses für sich allein nd ihrem Gewissen verpflichtet am 30. Januar haben reffen müssen, Entscheidungshilfen geben können. Die bergroße Mehrheit hat damals entschieden: Für deutche Forschung soll kein Embryo zerstört werden. argot von Renesse, eine ehemalige Kollegin, drückte s damals so aus: nicht in Deutschland und auch nicht im usland. Es sollte von Deutschland aus kein Anreiz an as Ausland gehen, dies zu tun. Aber deutsche Forscher sollten – das war der Grundatzbeschluss 2002 – unter bestimmten Bedingungen it bereits existierenden Stammzelllinien arbeiten dür en. Diese Grundsatzentscheidung führte zum Stammellgesetz, das wir im April 2002 beschlossen haben und as den sogenannten Stichtag enthält, das heißt, vor dem . Januar 2002 im Ausland hergestellte embryonale tammzelllinien durften und dürfen nach Deutschland mportiert werden. Auch wenn ich persönlich bei der rundsatzentscheidung 2002 gegen den Import ge timmt habe, so habe ich den Kompromiss, das Stammellgesetz, im April 2002 mitgetragen, und zwar aus guer Überzeugung. Er ist möglicherweise ein ethisch nicht undertprozentig konsequenter Kompromiss – wir haben s auch nie als Kompromiss bezeichnet, sondern als Mitelweg –, aber er war ein guter politischer und guter geellschaftlicher Kompromiss. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


enn er hat die lange Debatte, die vorher stattfand, be-
riedet. Dieser Rechtsfrieden hat auch seinen Wert. Ich
in froh, dass es sechs Jahre lang gut vonstatten gegan-
en ist.

Heute und in den nächsten Wochen geht es darum, ob
ieser Kompromiss, dieser Mittelweg, Bestand hat, ob er
uf Dauer in den nächsten Jahren lebensfähig bleibt.
azu gehört nicht nur die Einhaltung der ethischen






(A) )



(B) )


René Röspel
Grenzlinien, die wir 2002 gezogen haben, sondern eben
auch die Einhaltung des Versprechens an die Forschung,
mit Stammzellen arbeiten zu können. Genau das ist der
Punkt, über den wir heute und in den nächsten Wochen
diskutieren werden.

Während der Grundsatzdebatte 2002 sind wir davon
ausgegangen – das stand auch so im Enquete-Bericht –,
dass weltweit etwa 60 Stammzelllinien existieren. Mitt-
lerweile wissen wir: Heute sind für deutsche Forscher
21 Stammzelllinien verfügbar. Ich würde mir wünschen,
dass die deutschen Forscher mit diesen Stammzelllinien
noch viele Jahre arbeiten könnten; wer je mit Zellkultu-
ren gearbeitet hat, weiß aber, dass sie sich verändern.
Nach meiner Einschätzung ist absehbar, dass mindestens
ein Teil dieser Stammzellen, die es heute noch für deut-
sche Forscher gibt, nicht mehr für die intendierten For-
schungszwecke zu gebrauchen sein werden.

Im Antrag der Kolleginnen und Kollegen Hinz,
Klöckner, Hüppe und anderer wird diese Position bestä-
tigt. Ich zitiere:

Probleme, die durch die Kultivierung von mensch-
lichen embryonalen Stammzellen entstehen wie ge-
netische/epigenetische Veränderungen, treten bei
allen menschlichen embryonalen Stammzellkultu-
ren auf.

Embryonale Stammzellen sind im Allgemeinen in-
stabil. Um über genetisch/epigenetisch stabile Kul-
turen zu verfügen, müssen diese regelmäßig ersetzt,
also immer wieder neue Embryonen getötet wer-
den.

Weiter unten heißt es:

… da auch neue embryonale Stammzelllinien durch
die Kultivierung genetische/epigenetische Verände-
rungen aufweisen und damit unbrauchbar werden.

Ich sage: Das gilt natürlich erst recht für die 21 bestehen-
den Stammzelllinien. Auch sie werden sich verändern,
und zwar nachhaltig. Neue Embryonen zu töten, wie es
in dem Zitat zum Ausdruck kommt, wäre mit den im
Jahre 2002 vereinbarten ethischen Grundlinien nicht
vereinbar. Ich glaube, dafür gäbe es auch in diesem
Hause keine Mehrheit.

Ist denn der Ersatz oder die Ergänzung der bestehen-
den Stammzelllinien möglich, ohne diese Grenzlinien zu
überschreiten? Wie unserem Gesetzentwurf zu entneh-
men ist, meinen wir: Ja, das ist möglich, nämlich mit ei-
ner einmaligen Verschiebung des Stichtags auf den
1. Mai 2007. Dann würde es dabei bleiben, dass erstens
für deutsche Forschung kein Embryo zerstört wird und
dass wir dadurch zweitens dem Ausland keinen Anreiz
geben, dies zu tun. Denn es ist nicht anzunehmen, dass
bis zum 1. Mai 2007 irgendjemand im Ausland damit
gerechnet hätte, für Deutschland Stammzelllinien produ-
zieren zu können.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass laut DFG welt-
weit mittlerweile etwa 500 Stammzelllinien beschrieben
und anders, besser, etablierter und stabiler in Kultur ge-
halten sind, als es die von vor sechs Jahren waren. Viel-
leicht werden für deutsche Forscher in einiger Zeit

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(C (D 00 oder noch mehr Stammzelllinien verfügbar sein. as würde für viele Jahre guter Forschung reichen. Meine Damen und Herren, im Jahre 2002 haben wir us meiner Sicht einen guten Weg eingeschlagen. Die ot-grüne Bundesregierung hat den ethisch unproblemaischen Weg der adulten Stammzellforschung deutlich reiter angelegt und darin investiert. Frau Bundesminiserin Schavan hat sogar noch eine Schippe draufgelegt. ie setzt diesen Kurs hervorragend fort. Beispielsweise at sie ein Programm zur Reprogrammierung von tammzellen zur Förderung ausgeschrieben. Das ist ein ielversprechender Bereich. Wir haben in der letzten Zeit viel von den Arbeiten es japanischen Forschers Yamanaka gehört. Er hat es atsächlich geschafft, normale Hautzellen des Menschen o weit zurückzuprogrammieren bzw. in einen Zustand urückzuversetzen, der fast dem einer embryonalen tammzelle gleicht. Daran wird das große Potenzial eutlich, das sich aus der Entwicklung anderer Zellkulurarten ergibt. Das ist ein ethisch unproblematischer eg – so scheint es zumindest. Das ist nämlich nur dann er Fall, wenn diese Hautzellen tatsächlich nicht zu emryonalen Stammzellen zurückentwickelt werden, die lleskönner sind. Um das zu verhindern und die Grenze einzuziehen, ass diese Hautzellen nicht so weit zurückentwickelt erden, dass sie wieder zu embryonalen Stammzellen erden, braucht man zum Vergleich sicherlich embryoale Stammzellen. Denn man muss der Frage nachgeen: Wann weisen diese Hautzellen die typischen Chaakteristika einer Stammzelle auf? Möglicherweise bzw. ermutlich betont der japanische Forscher Yamanaka, essen erklärtes Ziel es ist, dazu beizutragen, dass zuünftig auf embryonale Stammzellforschung verzichtet erden kann, dass aus seiner Sicht in nächster Zukunft och nicht auf embryonale Stammzellforschung verzichet werden kann. Meine Damen und Herren, die Unterstützer unseres esetzentwurfes kommen aus durchaus unterschiedli hen Richtungen. Frau Aigner und ich haben im ahr 2002 gegen den Import gestimmt, Kollege Tauss nd Kollegin Reimann dafür. Es gab sicherlich einige, ie damals noch weiter hätten gehen wollen und gehen önnen. Wir haben uns zusammengefunden, weil wir ein emeinsames Interesse verfolgen: Wir wollen den Komromiss, besser gesagt den Mittelweg von 2002 am Leen erhalten und fortführen. Die anderen Vorschläge, die gemacht werden – die mbryonale Stammzellforschung ganz zu verbieten oder en Stichtag abzuschaffen –, würden das sofortige Ende ieses Kompromisses bedeuten. Den Stichtag unveränert beizubehalten, wie es in einem anderen vorliegenen Antrag vorgesehen ist – ich habe ausgeführt, dass ie Zahl der Stammzelllinien sinken wird –, würde zu eiem Austrocknen dieses Kompromisses führen und hätte ein schleichendes oder vielleicht sogar schnelles Ende ur Folge. Das wäre falsch. René Röspel Mit der einmaligen Verschiebung des Stichtages wollen wir den erfolgreichen Mittelweg weiter beschreiten. Wir wollen keine Embryonen zum Zweck der deutschen Forschung zur Verfügung stellen und dem Ausland keinen Anreiz geben, das für die deutsche Forschung zu tun. Wir wollen aber gewährleisten, dass deutsche Wissenschaftler in den nächsten Jahren genug Arbeit haben. Ich lade Sie ein, den erfolgreichen Weg dieses Kompromisses, der Rechtsfrieden im Land gebracht hat, mit uns weiterzugehen. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der LINKEN)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)





(A) )


(B) )



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1614200200

Ich erteile das Wort der Kollegin Priska Hinz.

Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits
seit über einem Jahr gibt es massive Forderungen, vor al-
lem aus der Forschung, die Politik solle das Stammzell-
gesetz ändern. Herr Röspel hat Ihnen mitgeteilt, dass es
vor sechs Jahren nach schwieriger Abwägung zu einer
großen Mehrheit in diesem Haus dafür kam, einen Mit-
telweg zu beschreiten und ein Stammzellgesetz zu be-
schließen, das den Embryonenschutz hochhält, aber
gleichzeitig die embryonale Stammzellforschung unter
eng bestimmten Bedingungen zulässt.

Das wichtigste Argument für dieses Stammzellgesetz
war und ist der geltende Stichtag. Dazu kommen die Al-
ternativlosigkeit der embryonalen Stammzellforschung
und die Hochrangigkeit der Forschungsziele. Bereits da-
mals haben viele Mitglieder dieses Hauses diesen Kom-
promiss für zu weit gehend erachtet, weil sie der Mei-
nung waren: Wenn man einmal die Tür aufgemacht hat,
landet man auf einer Rutschbahn, bei der nicht abzuse-
hen ist, wohin sie führt.

Ich glaube, gerade aus diesem Grund müssen wir be-
sondere Anforderungen stellen, wenn wir heute darüber
nachdenken, was sich in diesen sechs Jahren eigentlich
verändert hat und ob diese Veränderungen tatsächlich zu
einer Änderung des Stammzellgesetzes führen müssen.
Schauen wir uns das einmal an – auch mit einem Blick
auf das, was andere Länder tun –: Gibt es denn neue
ethische Erkenntnisse? Aus meiner Sicht nicht. Denn das
vielfach vorgebrachte Argument der Ethik des Heilens
ist zwar eine wichtige Leitlinie; aber die embryonale
Stammzellforschung kann heute wie 2002 keine dem
Embryonenschutz gleichwertige Hochrangigkeit oder
gar therapeutischen Erfolge für sich beanspruchen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Weltweit glauben immer weniger Wissenschaftler daran,
irgendwann einmal eine Zellersatztherapie entwickeln
zu können.

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(C (D Stattdessen haben sich die Forschungsziele geändert: mbryonale Stammzellen werden inzwischen für die toische Überprüfung von Medikamenten benutzt. Natürich ist das eine wichtige Sache. Aber Hand aufs Herz: ind Medikamentenprüfungen wirklich der Grund, wesalb das Stammzellgesetz eingeführt wurde? Ist die emryonale Stammzellforschung zur Medikamentenüberrüfung wirklich ein hochrangiges Forschungsziel und lternativlos? Wir sagen: Nein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)


Gibt es neue wissenschaftliche Erkenntnisse? Natür-
ich, die gibt es. Die Forschung entwickelt sich ständig
eiter, führt zu neuen Erkenntnissen. Das gilt natürlich

uch für die Stammzellforschung. Aber man muss doch
ehen: Seit 2002 basieren die meisten Publikationen – das
ilt weltweit – auf der Forschung an Stammzelllinien,
ie vor 2002 gewonnen wurden. Das heißt, in Deutsch-
and ist Grundlagenforschung nach wie vor sehr wohl

öglich. Auch aus diesem Grund brauchen wir keine
nderung des Gesetzes.

Natürlich sind Verunreinigungen ein Problem, aber
icht nur bei den alten Stammzelllinien, Herr Röspel.


(René Röspel [SPD]: Das habe ich nie gesagt!)


uch die neuen Stammzelllinien sind verunreinigt. Es
ibt weltweit nur zwei Linien, die xenofrei sind. Diese
ind allerdings nicht standardisiert nach den sogenannten
MP-Richtlinien; um jetzt mal Fachchinesisch zu spre-

hen. Das heißt, den Ansprüchen der DFG genügen
iese beiden Linien nicht. Auch das muss man in dieser
ebatte wissen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Ich glaube deswegen nicht, dass wir, nur weil die For-
cher sagen, sie brauchten neue Stammzelllinien, den
ompromiss aufkündigen sollten. Die bedeutsamste
rage ist doch: Haben die bisherigen Forschungsarbeiten
ewiesen, dass die embryonale Stammzellforschung im
inblick auf eine Therapie überhaupt Fortschritte
acht? Nein, das ist weder in Deutschland noch in den
ändern der Fall, in denen eine andere Gesetzgebung
ilt und in denen es weder einen Stichtag noch sonstige
roße Restriktionen gibt. Das heißt, der Wunsch, dass
an mit embryonaler Stammzellforschung schwere
rankheiten heilen kann, bleibt bis heute ein Wunsch.

Da die Grundlagenforschung möglich ist, man aber
as Ziel, das mit dem Stammzellgesetz verfolgt wird,
ämlich Heilserwartungen zu erfüllen, nicht erreicht hat,
ann man nicht sagen, dass die Forschungsziele so hoch-
angig sind, dass man den Stichtag zur Disposition stel-
en kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)







(A) )



(B) )


Priska Hinz (Herborn)

Uns, die wir gegen die Verschiebung des Stichtages
sind, wird oft Fortschrittsfeindlichkeit oder sogar Wis-
senschaftsfeindlichkeit unterstellt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich muss sagen: Das ärgert mich. Es gibt nämlich keine
wissenschaftlichen Beweise für den Glauben, dass die
Nutzung neuer embryonaler Stammzellen zu mehr Hei-
lungschancen führt. Es gibt keinen seriösen Wissen-
schaftler, der bereits sagen könnte, dass klinische Versu-
che in irgendeiner Form in absehbarer Zeit möglich sind.
Dafür ist die Tumorgefahr zu groß.

In Deutschland und weltweit werden demgegenüber
große Schritte in der sogenannten alternativen Stamm-
zellforschung, der adulten Stammzellforschung, ge-
macht. Wir sind nicht wissenschaftsfeindlich. Wir wol-
len die Forschung stützen und fördern, die tatsächlich
Aussicht auf Erfolg hat, nämlich die adulte Stammzell-
forschung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)


Die Reprogrammierung von Hautzellen oder das Ge-
winnen von Stammzellen aus Nabelschnurblut und Ho-
den – all diese Forschritte hat es in den letzten sechs Jah-
ren gegeben. Auch von daher muss man sich überlegen,
ob die embryonale Stammzellforschung unter den heuti-
gen Gesichtspunkten wirklich alternativlos ist und ob
man – ich sage es einmal so – den Stichtag verschieben
muss, nur weil Stammzelllinien instabil werden. Auch
die neuen Linien, die seit 2002 gewonnen wurden, sind
instabil. Das ist immanent. Wenn es Entwicklungen hin
zu einer anderen, besseren und ethisch unbedenklicheren
Forschung gibt, dann sollte man sich wirklich überlegen,
ob man nicht diesen Weg geht und fördert und das Bis-
herige auf dem Level belässt, auf dem es sich jetzt befin-
det. Grundlagenforschung ja, etwas anderes brauchen
wir aber nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Meine Damen und Herren, es gibt auch noch ein an-
deres Argument, das uns immer wieder vorgehalten
wird: Die Stichtagsverschiebung sei notwendig, weil wir
jetzt neue Linien brauchen, um später ganz darauf ver-
zichten zu können – das allein finde ich schon eine frag-
würdige Vorstellung –, und wir bräuchten die neuen Li-
nien für die vergleichende Forschung.

Herr Röspel hat eben auf den Yamanaka-Erfolg bei
der Reprogrammierung von Hautzellen hingewiesen.
Der Forscher Yamanaka hat für die vergleichende For-
schung aber Stammzelllinien von 1998 genutzt, das
heißt, Stammzelllinien, die auch bei uns in Gebrauch
sind und zugelassen werden können. Allein auf die Ver-
mutung hin, es könnte irgendwann einmal eine verglei-
chende Forschung notwendig sein, für die man bisher
zugelassene Stammzelllinien nicht mehr brauchen kann,
sollte man einen gesellschaftlich gefundenen Kompro-
miss, eine ethische Grenzziehung nicht einfach opfern.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Ich will kurz noch einen anderen Punkt ansprechen.
s geht darum, was sich entwickelt, wenn es bei der em-
ryonalen Stammzellforschung keine Restriktionen und
amit auch keine Entschleunigung des Prozesses gibt.
panien und Großbritannien gehen in den Bereichen der
tammzellforschung und der Fortpflanzungsmedizin
leich vor. Weil die Stammzellforscher sagen, sie könn-
en die tiefgekühlten Embryonen nicht mehr benutzen,
enn sie aufgetaut sind, da dann die Qualität nicht mehr

o gut sei, werden Frauen dazu überredet, angehalten
nd teilweise auch bezahlt, dass sie bei der Fortpflan-
ungsmedizin entweder ihre Embryonen oder sogar Ei-
ellen direkt für die Stammzellforschung spenden.
eine Damen und Herren, dies ist die Folge, wenn keine

ntschleunigung stattfindet, wenn es keine Restriktionen
ibt. So werden nicht nur Frauenkörper, sondern auch
mbryos zur Ware degradiert. Hier sehe ich die Notwen-
igkeit einer Grenzziehung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD und der Abg. Monika Knoche [DIE LINKE])


Zum Schluss weise ich noch kurz darauf hin, dass der
laube daran, man könne es bei einer einmaligen Ver-

chiebung des Stichtags belassen, ein Trugschluss ist.
chon die einmalige Verschiebung des Stichtags ist ein
ngriff auf das Herzstück des Stammzellgesetzes. Selbst
ie Forscherinnen und Forscher, die heute dankbar wä-
en, wenn es eine einmalige Verschiebung gäbe, sagen
hnen ganz deutlich, dass sie sich damit nicht zufrieden-
eben. Sie sagen heute schon, sie brauchen weitere Ver-
chiebungen. Wenn Sie mit ihnen unter vier Augen re-
en, sagen sie: Wir wollen überhaupt kein
tammzellgesetz, wir wollen die Freigabe aller Stamm-
elllinien, wir wollen sie im Lande selber herstellen.


(René Röspel [SPD]: Gibt es aber nicht!)


as sollte man wissen, wenn man sich in diese Debatte
egibt.

Wir wollen nicht, dass der Stichtag zur Wanderdüne
ird. Wir wollen, dass die ethische Grenzziehung bleibt.
s ist notwendig, sich noch einmal zu vergewissern, was

n der Debatte im Jahre 2002 denen gesagt wurde, die
einten, der Damm mit einer Stichtagsregelung sei viel-

eicht nicht hoch genug.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1614200300

Frau Kollegin, bitte kommen Sie zum Schluss.

Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Letzter Satz! – Dort wurde gesagt: Das Parlament soll

och bitte selbstbewusst sein und an sich glauben; es soll
avon ausgehen, dass die von ihm geschaffene Grenzzie-
ung hält. Diese Aussage von damals sollten wir beher-
igen und daher diese Grenzziehung beibehalten.

Danke schön.






(A) )



(B) )


Priska Hinz (Herborn)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1614200400

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulrike Flach.


(Beifall bei der FDP)



Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1614200500

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

gen! Wir führen hier heute eine forschungspolitische De-
batte, die mehr als eine forschungspolitische Debatte ist.
Sie ist eine Debatte, die in diesem Lande mit vielen
Hoffnungen verknüpft ist, und zwar Hoffnungen auf
zwei Seiten: Zum einen sind es die Hoffnungen der For-
scher – ich bin sehr froh, dass wir heute eine ganze
Reihe von namhaften Forschern unter uns haben; ich
denke beispielsweise auch an namhafte Krebsforscher,
die uns alle angeschrieben haben –, die wollen, dass sie
mit Forschern auf der ganzen Welt gleichgestellt werden.
Zum anderen sind es die Hoffnungen von Menschen, die
an schweren Krankheiten leiden: MS – hier hat Sie ein
Schreiben der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft
erreicht –, Parkinson, Diabetes. Die Menschen, die mit
diesen schweren Krankheiten tagtäglich leben und die
pflegende Angehörige haben, setzen natürlich Hoffnun-
gen in eine solche Debatte. Sie alle wissen, dass wir eine
Lösung – an dieser Stelle bin ich völlig bei Ihnen, Frau
Hinz – weder heute noch morgen anbieten können. Aber
wir müssen ihnen die Möglichkeit geben, in diese Thera-
pien hineinzukommen. Es geht um Grundlagenfor-
schung mit dem erklärten Ziel, wirklich zu einer Thera-
pie kommen zu können.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


In der Tat ist die Stammzellforschung in den letzten
Jahren enorm vorangekommen, sowohl im embryonalen
– das sagen wir ausdrücklich – als auch im adulten
Stammzellbereich. Wir, die inzwischen 100 Unterzeich-
ner des Entwurfs eines Gesetzes für eine menschen-
freundliche Medizin, möchten hier gar nicht die ver-
schiedenen Formen der Stammzellforschung gegenei-
nander aufrechnen. Für uns sage ich ausdrücklich: Wir
brauchen beides. Das sagen uns übrigens auch die Wis-
senschaftler, darunter viele, die zum Beispiel mit Nabel-
schnurblut forschen und gerne von den Gegnern der em-
bryonalen Stammzellforschung zitiert werden.

Gerade in diesen Tagen hat der Düsseldorfer Forscher
Peter Wernet, der mit Stammzellen aus Nabelschnurblut
arbeitet, erklärt:

Nur wenn ich meine Ergebnisse mit denen der em-
bryonalen Stammzellen vergleiche, weiß ich, ob ich
auf dem richtigen Weg bin.

Darum geht es, meine Damen und Herren.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU und der SPD sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])


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(C (D Deshalb haben wir uns immer dafür ausgesprochen, eide Forschungszweige zu fördern. Wir – sowohl wir ls Liberale, die wir uns seit vielen Jahren für die embrynale Stammzellforschung einsetzen, als auch viele anere Kollegen in diesem Hause – tun dies finanziell und ental. Der Deutsche Bundestag hat in den letzten Jah en Millionenbeträge für beide Forschungszweige ausgeeben. Wir werden dabei von Patientenorganisationen wie er Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft begleitet, ie sich klar für unseren Antrag ausgesprochen haben. ie wollen diesen Antrag – ich zitiere –, „um die Hoffungen der vielen tausend MS-Erkrankten in unserem and verantwortungsbewusst in die Entscheidungsfinung einzubeziehen“. Es geht um Chancen und Hoffungen. Wir wissen, dass eine Chance noch keinen Erolg und eine Hoffnung keine Gewissheit bedeutet. Aber ie Politik muss aus unserer Sicht Chancen und Hoffungen eröffnen, statt sie zu verbauen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU und der SPD sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])


Unser Antrag geht einen klaren und eindeutigen Weg.
ir wollen den Stichtag 1. Januar 2002 für den Import

mbryonaler Stammzellen abschaffen, und wir wollen
einen neuen Stichtag setzen. Das heißt nicht – auch das
etonen wir –, dass wir jegliche Forschung freigeben. Je-
er Import- und Forschungsantrag soll wie bisher – das
st nämlich bereits der Fall – vom Robert-Koch-Institut
ls Genehmigungsbehörde intensiv geprüft und entschie-
en werden. Hochrangigkeit der Forschung, Alternativ-
osigkeit der Nutzung embryonaler Stammzellen und
thische Abwägung – all dies bleibt im Einzelfall erhal-
en. Diese Praxis hat sich bewährt. Sie ist Garantie dafür,
ass es in diesem Land keine Grauzone und keine Wild-
estmethoden gibt, wie es uns die Gegner der Stamm-

ellforschung 2002 mit auf den Weg gegeben haben. Wir
ind ein streng regulierter Staat, in dem diese Forschung
n hohen ethischen Maßstäben gemessen wird.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU und der SPD)


Die Stichtagsregelung allerdings hat sich nicht be-
ährt. In diesem Punkt sind wir anderer Meinung als die
ollegen um René Röspel. Der Umstand, dass aus
eutschland kein Anreiz zur Etablierung neuer Zellli-
ien gegeben werden sollte, hat entgegen der erklärten
bsicht der damaligen Befürworter nämlich nicht dazu
eführt, dass weltweit weniger Stammzelllinien entstan-
en sind. Er hat aber dazu geführt, dass deutsche Wissen-
chaftler keinen Zugang zu den neuesten Linien haben
nd mit Zellen arbeiten müssen, die Alterserscheinungen
ie Mutationen aufweisen und durch tierische Viren ver-
nreinigt sind. Deshalb können – wie die Max-Planck-
esellschaft zu Recht sagt – die anstehenden biologi-

chen und medizinischen Fragen nicht beantwortet wer-
en.

Zwar können bestimmte Fragen der Grundlagenfor-
chung mit den alten Linien beantwortet werden – das
ezweifelt niemand –, aber eine Therapie wird damit nie






(A) )



(B) )


Ulrike Flach
möglich sein. Außerdem – das ist für mich als Liberale
besonders wichtig – wird vor dem Hintergrund der sich
im Laufe der Zeit immer weiter verschlechternden Qua-
lität der Zellen das hohe Gut der Forschungsfreiheit
nach Art. 5 des Grundgesetzes, die nur in besonderen
Ausnahmefällen vom Gesetzgeber eingeschränkt werden
darf, immer mehr gefährdet.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU und der SPD)


Hinzu kommt, dass auch die Mitwirkung an Projekten
im Ausland mit Stammzelllinien, die nach dem Stichtag
etabliert wurden, strafbar ist. Diese Entwicklung haben
wir schon immer für falsch gehalten. Die Regelung
wurde damals als Kompromiss in das Gesetz aufgenom-
men. Ich erinnere diejenigen daran, die damals dabei wa-
ren, dass wir schon damals darauf hingewiesen haben,
dass dies falsch ist. Dadurch kriminalisieren wir unsere
Forscher selbst dann, wenn sie mit EU-Mitteln EU-weit
forschen. Das müssen wir ändern. Ich bin sehr froh, zu-
mindest in allen ernstzunehmenden Anträgen und Ge-
setzentwürfen zu erkennen, dass in diesem Punkt die
Strafbarkeit beseitigt werden soll.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU und der SPD sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])


Aus den Ausführungen von Herrn Röspel ist deutlich
geworden, dass es auf diesem sehr schwierigen ethi-
schen Feld nicht nur eine Lösung gibt. Wiederum reicht
für uns eine Verschiebung des Stichtages nicht aus,
weil sie nach unserer Meinung auf einem ethisch sehr
schwankenden Fundament steht. Entweder ist Forschung
moralisch, oder sie ist es nicht. Entweder können wir sie
rechtfertigen, oder wir können sie nicht rechtfertigen.
Wir müssen uns entscheiden. Ein Kompromiss kann
nicht der Weg auf einem so schwierigen ethischen Feld
sein. Das führt uns in dieser Forschungslandschaft nicht
zu einem schlüssigen Ergebnis.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Eine Verschiebung ist aber auch eine Mogelpackung
in rechtlicher Hinsicht; denn die Forschungsfreiheit wird
weiterhin eingeschränkt. Als Stichtag ist der 1. Mai 2007
vorgesehen. Dieser ist völlig willkürlich. Die Entschei-
dung, in diesem Land frei zu forschen, wird politischen
Prämissen unterworfen. Lieber Kollege Röspel, es ist
nicht sehr glaubwürdig, wenn Sie sagen, dies solle ein
einmaliger Nachschlag sein.


(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Wodarg [SPD])


Was tun Sie denn, wenn es in zwei Jahren Stammzellli-
nien gibt, mit denen wir viel weiter kommen können. Sa-
gen Sie dann den Menschen, jetzt könnten wir nicht
mehr verschieben, weil wir im Jahre 2008 gesagt hätten,
wir würden nur einmal einen Nachschlag gewähren?


(René Röspel [SPD]: Können Sie in die Zukunft sehen, Frau Flach?)


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(C (D ch finde, das ist der große Pferdefuß einer Verschieung. Aus diesem Grunde stimmen wir dem nicht zu. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU und der SPD)


Auch unter den Unterzeichnern unseres Antrags gibt
s viele, die christliche Werte in den Mittelpunkt ihrer
berzeugung stellen. Im katholischen Spanien, im angli-
anischen England und im protestantischen Skandina-
ien gelten zurzeit weniger restriktive Regelungen als
ei uns. In England haben sich Erzbischöfe für die For-
chung an embryonalen Stammzellen ausgesprochen. In
panien gibt es die liberalsten Regelungen in Europa.
hristliches Bekenntnis und Abschaffung des Stichtages
assen aus unserer Sicht zusammen. Wir, die 100 Unter-
eichner des Antrages auf Abschaffung des Stichtages,
ekennen uns eindeutig zur Ethik des Heilens.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU und der SPD)


ltpräsident Herzog hat einmal gesagt, er könne es nicht
erantworten, einem kranken Kind sagen zu müssen,
ass wir nicht alles täten, um ein Mittel gegen seine
rankheit zu finden. Sowohl die christliche Nächsten-

iebe als auch die ärztliche Pflicht gebieten es, alle Chan-
en auszuloten. Das wollen wir.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU und der SPD)


Für mich als Forschungs- und Technologiepolitikerin
st auch das Argument des Forschungsstandortes
eutschland wichtig. Ich möchte eben nicht, dass un-

ere Wissenschaftler dauerhaft ins Ausland getrieben
erden. Ich möchte auch keinen Patiententourismus. Ich
öchte nicht, dass Menschen, denen in Deutschland

icht geholfen werden kann, gesagt wird: Dann geht
och ins Ausland; dort hat man inzwischen etwas gefun-
en, und zwar mit Methoden, die bei uns nicht zulässig
ind.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU und der SPD – René Röspel [SPD]: Das ist Zukunftsmusik!)


ber für viele von uns ist der Forschungsstandort nach-
angig. Es geht – das möchte ich an dieser Stelle beto-
en – um den besten Weg, kranken Menschen eines Ta-
es zu helfen, nicht heute und nicht morgen, Frau Hinz.
as sind keine falschen Heilsversprechungen. Aber For-

chung hat nun einmal das Ziel, Menschen langfristig zu
elfen.


(René Röspel [SPD]: Forschung hat auch einen Selbstzweck!)


as sage ich Ihnen als ehemalige Vorsitzende des Aus-
chusses für Bildung und Forschung und damit als in-
ime Kennerin der Forschungsszene in diesem Lande.

Lassen Sie mich abschließend feststellen: Wir alle ha-
en uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Viele
ollegen haben bereits unterschrieben. Ich freue mich,
ass dieses Thema so großes Interesse in diesem Plenum
ervorruft. Wir appellieren an Sie: Treffen Sie eine Ent-
cheidung gegen einen Kompromiss! Geben Sie diesem






(A) )



(B) )


Ulrike Flach
Land die Chance, etwas auf einem Forschungsgebiet zu
tun, welches rasante Fortschritte macht und überall auf
der Welt als eines der innovativsten und zukunftsträch-
tigsten Forschungsgebiete angesehen wird! Geben Sie
Ihrem Herzen einen Stoß und stimmen Sie für unseren
Antrag!


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU und der SPD sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1614200600

Das Wort erhält nun der Kollege Hubert Hüppe.


Hubert Hüppe (CDU):
Rede ID: ID1614200700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor sechs

Jahren haben 266 Kolleginnen und Kollegen gegen ei-
nen Import von embryonalen Stammzellen nach
Deutschland gestimmt. Wir bringen heute wieder einen
solchen Antrag ein, weil wir glauben, dass es wichtig ist,
zu zeigen, dass es Kolleginnen und Kollegen in diesem
Hause gibt, die glauben, dass das große Problem darin
besteht, dass menschliches Leben für Forschungszwecke
getötet wird. Wenn man die Argumentation von damals
mit der von heute vergleicht, muss man sagen, dass die
Gründe, gegen diese Forschung zu sein, heute stärker
sind, als es noch vor sechs Jahren der Fall war.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Forschung an menschlichen Embryonen und die
Schaffung von embryonalen Stammzellen setzen voraus,
dass menschliche Embryonen getötet werden. Wenn der
menschliche Embryo nicht lebendig wäre, dann würde er
sich nie zu dem Blastozystenstadium entwickeln, in dem
er dann zur Stammzellgewinnung getötet wird. Es ist
völlig unbestreitbar – deswegen haben wir hier im Deut-
schen Bundestag vor Jahren mit großer Mehrheit ein
Embryonenschutzgesetz verabschiedet –, dass es sich
hierbei um individuelles menschliches Leben handelt. In
dieser Phase – es ist nicht die befruchtete Eizelle, wie
manchmal gesagt wird –, nach fünf, sechs Tagen, kann
sich dieser Embryo nicht mehr teilen. Es können keine
eineiigen Zwillinge mehr entstehen. Es ist völlig klar,
welche Erbanlagen er hat, und es wird sogar fein säuber-
lich registriert, welches Geschlecht der Embryo hat. Bei
den letzten embryonalen Stammzelllinien, deren Import
nach Deutschland gerade noch im Januar genehmigt
worden ist, kann man erkennen, dass eine Zelllinie von
einem männlichen Embryo stammt, die andere Zelllinie
von einem weiblichen Embryo. Man kann also nicht sa-
gen, dass das irgendeine Zellmasse ist, irgendein Müll,
der bei der Reproduktion übrigbleibt, sondern es handelt
sich um menschliches Leben. Wir haben Probleme da-
mit, dass dieses menschliche Leben allein für For-
schungszwecke getötet wird.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


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(C (D us meiner Sicht spielt es auch keine Rolle, ob diese enschen überzählig sind. Die Frage, ob jemand über ählig werden kann und deswegen die Menschenwürde erletzt werden kann, überhaupt zu stellen, ist für mich ar nicht nachvollziehbar. Es ist übrigens auch egal, wie ieser Mensch entstanden ist. Es ist doch nicht die Frage, ie ein Mensch entsteht – übrigens auch nicht, wenn das lonen funktionieren würde –, sondern ob ein Mensch ntstanden ist. Und wenn er Mensch ist, dann hat er die olle Menschenwürde. Das ist Verfassungsgrundsatz, o steht es in den Gerichtsurteilen des Bundesverfasungsgerichts. Da, wo menschliches Leben existiert, ommt ihm Menschenwürde zu. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir können nach zehn Jahren Bilanz ziehen. Seit
998 gibt es embryonale Stammzellforschung. Ich
öchte etwas als Behindertenbeauftragter meiner Frak-

ion, was die meisten Kolleginnen und Kollegen wissen,
agen. Ich kenne keinen Behindertenverband, zumindest
einen Betroffenen-Verband, der dafür ist, diese For-
chung in Deutschland zu erweitern oder diese For-
chung noch weiter zu öffnen.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Richtig!)


as gilt im Übrigen auch für die MS-Kranken. Frau
lach, ich habe angerufen und mich erkundigt. Es waren
icht die Betroffenen, nicht die Selbsthilfeleute, die die-
en Brief geschrieben haben, sondern es war der Ärzte-
nd Forschungsbeirat. Ich habe gestern telefoniert und
efragt, ob ein Betroffener oder ein Angehöriger unter
enen gewesen sei, die diesen Brief unterschrieben ha-
en. Das war nicht der Fall.

Auf der anderen Seite haben Sie einen Brief von der
ebenshilfe für sogenannte geistig Behinderte bekom-
en. Ich mag den Begriff „geistig Behinderte“ nicht.
iese haben an uns appelliert, die Stammzellforschung
icht weiter zu öffnen, und zwar deswegen, weil sie
ngst haben, dass dann noch stärker als bisher der
chutz der Menschenwürde gegen die Forschungsfrei-
eit abgewogen wird. Die Menschenwürde kann nicht
egen die Forschungsfreiheit abgewogen werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird ja argumen-
iert, dass durch die Forschung viele geheilt werden kön-
en. Dazu ist zu sagen: Vor einigen Monaten fand die
ebatte über das Gewebegesetz statt. Wir haben – übri-
ens mit der Unterstützung der Gesundheitsministerin –
ntgegen dem ersten Entwurf zum Schluss festgestellt:
ingriffe an nicht Einwilligungsfähigen dürfen nicht
tattfinden, wenn sie nicht ihnen selbst helfen.

Jeder kann sich vorstellen, dass vielleicht Medika-
ente für Alzheimerkranke entwickelt werden könnten,
enn man Medikamentenversuche mit Alzheimerpatien-

en oder sogenannten geistig Behinderten machen
ürde. Aber wir tun es nicht, weil unserer Auffassung






(A) )



(B) )


Hubert Hüppe
nach das Individuum im Mittelpunkt steht und wir keine
Forschung an Menschen wollen, in die der Betroffene
nicht selber einwilligen kann. Ansonsten wäre das ein
Verstoß gegen die Menschenwürde. Nicht umsonst ist
die Menschenwürde in Art. 1 der Verfassung verankert,
das Lebensrecht in Art. 2 und die Forschungsfreiheit in
Art. 5. Die Menschenwürde ist nicht abstufbar; daran
sollten wir auch nichts ändern.

Es wird gesagt: Wir setzen auf Therapien. Aber wa-
rum hat es denn dann innerhalb von zehn Jahren nicht
eine Therapie gegeben? Warum hat es noch nicht einmal
eine klinische Studie gegeben? Ich habe noch einmal
nachgeschaut: Das größte Register über klinische Stu-
dien mit Stammzellen gibt es beim NIH in den USA. In
diesem Register werden über 1 700 Studien mit Stamm-
zellen aufgeführt – nicht eine einzige mit embryonalen
Stammzellen, aber sehr viele mit adulten Stammzellen
und Cord Blood, also Stammzellen aus dem Nabel-
schnurblut.

Wenn wir den Menschen helfen und sie heilen wollen,
dann sollten wir uns doch dort engagieren, wo Hilfe
wirklich möglich ist. Das gilt nicht nur für die For-
schung, sondern auch für die Anwendung. Es wäre viel
sinnvoller, die Zeit, in der wir über diesen kleinen For-
schungsbereich sprechen, für die Kranken und Behinder-
ten aufzuwenden, die heute in Einrichtungen wie Pflege-
heimen leben und dort Probleme haben und auf Therapie
und Pflege warten. Ich glaube, damit wäre ihnen mehr
geholfen als mit Heilungsversprechen, die jedenfalls bis-
her nicht gehalten werden konnten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


Ich halte es für etwas schwierig, es dauerhaft bei nur
einem Nachschlag zu belassen, wie jetzt gesagt wird.
Diejenigen – zu denen ich und übrigens auch der Kol-
lege Röspel gehörten –, die damals gesagt haben, dass
sie gegen einen Import von embryonalen Stammzellen
sind, haben das wie folgt begründet: Wenn wir die Tür
einmal ein Stück weit aufmachen, dann wird sofort die
nächste Diskussion darüber beginnen, ob die Tür nicht
ganz aufgemacht werden oder der Stichtag wieder ver-
schoben werden soll.

Meine Damen und Herren, lieber Kollege Röspel,
nehmen Sie es mir nicht übel, aber die Zuversicht, dass
man sich dieses Mal daran hält, den nächsten Stichtag
ganz bestimmt nicht zu verschieben, nimmt bei mir eher
ab.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – René Röspel [SPD]: Aber damals habe ich recht gehabt! Jetzt kann ich auch wieder recht haben!)


Frau Flach, Sie haben argumentiert – und das kam
auch von René Röspel –, wir brauchen diese Stammzel-
len – über Therapie redet hoffentlich niemand; denn es
gibt keine Therapie mit embryonalen Stammzellen –, um
sie mit den adulten oder den iPS-Zellen, also den repro-
grammierten Zellen, zu vergleichen.


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(C (D Das ist ja immer wieder gesagt worden. – Ich habe die undesregierung gefragt – die Antwort liegt seit Freitag etzter Woche vor –, welche Studien an adulten Stammellen sie nennen könnte, deren Erkenntnisse letztlich uf dem Vergleich mit Erkenntnissen aus der Forschung it embryonalen Stammzellen basierten. Die Antwort es Ministeriums war, dass leider keine solchen Studien orliegen. Wer so argumentiert, der muss zumindest den Beweis rbringen, dass es wirklich so ist. Wenn es nicht so ist, ann sollte man dieses Argument nicht gebrauchen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. René Röspel [SPD])


(Ulrike Flach [FDP]: So ist es!)


Kollege Röspel, es steht in Ihrem Antrag, dass Sie
uch deswegen eine Stichtagsverschiebung anstreben,
eil es jetzt weniger Stammzelllinien gebe, als es zum
eitpunkt der Debatte in 2002 der Fall war. Auch das
abe ich die Bundesregierung gefragt. Das Ergebnis
ar: An dem Tag unserer Debatte gab es eine einzige
tammzelllinie, die für den Import verfügbar war. Im
ktober 2002 waren es 16, 2004 waren es 17, und heute

ind es 21.

Meine Damen und Herren, wenn die Forscher for-
chen wollen – sie sind noch bei der Grundlagenfor-
chung –, können sie es jetzt machen. Es gab noch nie so
iele Stammzelllinien, die zur Verfügung stehen, wie
eute, und deswegen brauchen wir keine Verschiebung.
ir brauchen schon gar keine Abschaffung des Stich-

ages. Es gibt keine Argumente dafür. Es gibt vor allen
ingen keine Argumente, menschliches Leben für For-

chungszwecke zu töten.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1614200800

Das Wort erhält nun die Kollegin Ilse Aigner.


Ilse Aigner (CSU):
Rede ID: ID1614200900

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

en und Kollegen! Es gibt die Sorge, dass der Lebens-
chutz mit einer Änderung des Stammzellgesetzes beein-
rächtigt werden könnte. Deshalb will ich als Erstes auf
ines hinweisen: In keinem der Anträge ist eine Ände-
ung des Embryonenschutzgesetzes vorgesehen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso stellen Sie dann einen Antrag?)


urch dieses Gesetz sind in Deutschland die Herstellung
on Embryonen zu Forschungszwecken, die Forschung
n Embryonen sowie die Herstellung von Stammzell-
inien unter Strafe verboten – und das soll auch so blei-
en!






(A) )



(B) )


Ilse Aigner
Das zur Debatte stehende Stammzellgesetz regelt den
Import von Stammzelllinien, die im Ausland hergestellt
wurden. Jeder Antrag muss folgende Kriterien erfüllen:

Die Forschung kann nur mit embryonalen Stammzel-
len durchgeführt werden, wenn es keine Alternativen
gibt. Das heißt, es müssen alle Möglichkeiten, mit adul-
ten und tierischen embryonalen Stammzellen zu for-
schen, ausgeschöpft sein.

Die Stammzelllinien müssen aus einem Embryo ge-
wonnen worden sein, der ursprünglich für die künstliche
Befruchtung erzeugt wurde und für diese endgültig nicht
mehr verwendet werden kann.

Ein wichtiger Bestandteil des Gesetzes war der Stich-
tag. Er lag in der Vergangenheit, also vor der damaligen
Debatte. So konnte sichergestellt werden, dass nur
Stammzellen verwendet werden, die schon zum Zeit-
punkt der Gesetzgebung vorhanden waren. Damals gab
es weltweit etwa 70 Stammzelllinien. Heute sind es etwa
500 Stammzelllinien, ohne einen Anreiz aus Deutsch-
land.

Durch eine einmalige Verschiebung des Stichtages,
der wieder in der Vergangenheit liegt, wird kein einziger
Embryo angetastet und wird auch weiterhin kein Anreiz
zur Gewinnung von neuen Stammzelllinien entstehen;
denn es gibt keinen Automatismus für eine weitere An-
passung. Die Entscheidung wird immer in der Hand des
Bundestages liegen.

Warum wollen die Forscher eigentlich auch an
embryonalen Stammzellen forschen, wo doch bereits
Therapien mit adulten Stammzellen möglich sind?
Adulte Stammzellen können sich eben nicht – im Gegen-
satz zu embryonalen Stammzellen – in alle Zelltypen des
Körpers differenzieren. Deshalb erhofft man sich von
der Forschung an embryonalen Stammzellen langfristig
Therapien für bisher nicht heilbare Krankheiten. Aber
man verspricht sich eben auch grundlegende Erkennt-
nisse über die Entwicklung von Zellen. Eine Erkenntnis
konnte daraus gewonnen werden: wie normale Hautzel-
len reprogrammiert werden können. Sie ähneln stark
embryonalen Stammzellen. Man bezeichnet sie als indu-
zierte pluripotente Stammzellen.

Diejenigen Forscher, die dies bewiesen haben, gehö-
ren zu den weltweit führenden Köpfen der embryonalen
Stammzellforschung.


(Beifall der Abg. Peter Hintze [CDU/CSU] und Jörg Tauss [SPD])


Auch sie mussten auf das Wissen aus der embryonalen
Stammzellforschung zurückgreifen. James Thomson, ei-
ner der Forscher, bestätigte dies wie folgt:


(iPShergestellt werden können, wenn es zuvor nicht 10 Jahre humaner embryonaler Stammzellforschung gegeben hätte. Bisher wurde allerdings nur die prinzipielle Machbarkeit der Reprogrammierung bewiesen. Um zu verstehen, ob und in welchem Maße induzierte pluripotente Stammzellen den embryonalen Stammzellen tatsächlich g d d v n f – s i g w h A z z u s m s W t g g w m r H s d g m t d B D m w S m (C (D leichen, werden jetzt auch Stammzelllinien benötigt, ie unter standardisierten Bedingungen hergestellt wuren. Diese gibt es eben erst seit 2006. Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass Vergleiche on induzierten pluripotenten Stammzellen und embryoalen Stammzellen überhaupt zu belastbaren Aussagen ühren können. Diese Art von Zellen könnten vielleicht und dann weltweit – die embryonalen Stammzellen eretzen. Jetzt können sie es noch nicht. Die Hoffnung auf Ersatz für embryonale Stammzellen st für mich ein gewichtiger Grund dafür, einer einmalien Verschiebung des Stichtages zuzustimmen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir können, ie von einigen vorgeschlagen, die Forschung an besteenden Stammzelllinien in Deutschland ganz verbieten. ber die weltweite Herstellung embryonaler Stamm elllinien und die Forschung mit embryonalen Stammelllinien weltweit können wir nicht verbieten – ob es ns gefällt oder ob es uns nicht gefällt. Damit stellen ich für uns folgende Fragen: Wie gehen wir eigentlich it dem Wissen um, das im Ausland durch die For chung mit diesen Linien entsteht und publiziert wird? erden wir unseren Forschern verbieten, diese Publika ionen zu lesen? Darf dieses Wissen für den Erkenntnisewinn auch bei der adulten Stammzellforschung enutzt werden? Sollten doch einmal Anwendungen, in elcher Form auch immer, entstehen: Darf und kann an diese dann den Menschen in Deutschland verweh en? Diese Fragen muss jeder von uns selbst beantworten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


(Beifall des Abg. René Röspel [SPD])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1614201000

Die Kollegin Julia Klöckner ist die nächste Rednerin.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Julia Klöckner (CDU):
Rede ID: ID1614201100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

offnung und Hilfe sind gerade für kranke Menschen
ehr, sehr wichtig. Aber wer Hilfe verspricht, der muss
iese auch bieten können. Unhaltbare Heilsversprechun-
en sind meines Erachtens sehr, sehr unlauter.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Seit Jahren wird so getan, als könne die Forschung
it embryonalen Stammzellen ganz neue Erfolge garan-

ieren. Genau das war 2002 auch der Grund dafür, dass
ie embryonale Stammzellforschung unter gewissen
edingungen in Deutschland überhaupt erlaubt wurde.
ie ganz konkreten Versprechen, die die Forscher da-
als selbst gaben, haben sich aber nicht einmal ansatz-
eise bewahrheitet. Im Gegenteil, wissenschaftliche
tudien zeigen, dass embryonale Stammzellen ein extre-
es Tumorrisiko besitzen. Man sollte deshalb nicht so






(A) )



(B) )


Julia Klöckner
tun, als hänge das Glück aller Patienten von der For-
schung mit embryonalen Stammzellen ab.

Wer das Stammzellgesetz ändern will, braucht meiner
Meinung nach sehr gute Gründe.

Ein oft vorgetragenes Argument lautet, die aktuellen
Zelllinien seien verunreinigt. Für mich ist das wenig
überzeugend. Gerade erst im Januar wurde eine weitere
Importgenehmigung erteilt. Sie wäre wohl kaum bean-
tragt worden, wenn man den Zellen nicht das nötige
Potenzial zusprechen würde.

Als weiteres Argument wird angeführt, man brauche
die embryonale Stammzellforschung zum Vergleich für
die adulte. Trotz dieser Behauptung finden sich bei den
adulten Stammzellforschern keine Beispiele, die dies
konkret belegen. Das gilt selbst für die zitierten Wissen-
schaftler Thomson und Yamanaka. Der Vergleich für die
Reprogrammierung wurde mit alten Stammzelllinien ge-
macht. Das hätte auch in Deutschland geschehen kön-
nen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die adulte Stammzellforschung ist älter und auch
viel weiter. Deutschland gehört auf dem Gebiet der
ethisch unproblematischen adulten Stammzellforschung
zu den international führenden Nationen. Wir haben be-
reits Therapien in der Anwendung, die den Menschen
helfen, und darum geht es.

Mit dem Kompromiss von 2002 wurde ein Import
unter strengen Auflagen möglich. Dies hing genau mit
den enormen Heilsversprechungen zusammen. Wir sind
heute aber schlauer. Der einmalige Unschuldsbonus von
damals ist vergeben. Ich habe die Sorge, dass wir einen
Stichtag auf Rollen bekommen würden. Der Kern des
Kompromisses von 2002 war aber just dieser Stichtag.

Irgendwann könnten auch die neuen, sogenannten fri-
schen Stammzelllinien verbraucht sein. Was wäre dann,
liebe Kolleginnen und Kollegen? Bestimmen wir dann
einfach wieder einen neuen Stichtag?


(René Röspel [SPD]: Dann entscheidet das Parlament!)


Durch die Verschiebung des Datums nimmt man meiner
Meinung nach in Kauf, dass mehr Embryonen nachge-
fragt, also zerstört werden. Wenn der Stichtag einmal
verschoben wird, gibt es keinen Grund mehr, der dage-
gen spricht, ihn wieder und wieder und immer wieder zu
verschieben. Das kommt einer Abschaffung gleich.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. René Röspel [SPD])


Es ist nur eine Frage der Zeit – wenn man nur lange ge-
nug wartet –, bis ein zukünftiges Datum in der Vergan-
genheit liegt und sich dann wiederum für eine neue
Stichtagsregelung eignet. Wir dürfen nicht einen Domi-
noeffekt auslösen. Deshalb bin ich ganz klar gegen eine
Stichtagsverschiebung und für die Beibehaltung des
Kompromisses von damals.

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(C (D Immer wieder betonen die Forscher, die Stammzellinien seien keine Embryonen mehr. Das stimmt, die tammzelllinien sind keine Embryonen mehr, aber sie aren es vor der Zerstörung ihres Lebens. Es geht also m die Voraussetzungen dieses Stichtages. Der Embryo ird nicht mehr als Zweck an sich, sondern nur als bloes Mittel behandelt. Aber der menschliche Embryo entickelt sich nicht etwa aus einem untermenschlichen tadium plötzlich zum Menschen, und es gibt in diesem blauf auch keine Zäsur, von der sich sagen ließe: Just enau hier entsteht etwas völlig Neues. Deshalb geht es um die Grundsatzentscheidung, welhen moralischen Preis die hypothetische medizinische ehandlung von Krankheiten haben darf. Ich meine, die erstörung wäre eindeutig ein zu hoher Preis für die verprochene Heilung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Monika Knoche [DIE LINKE])


ch meine auch, das jeweils schützenswerte menschliche
eben darf nicht nach den aktuellen Erfordernissen der
iowissenschaften fortlaufend neu definiert werden.
enschliches Leben ist um des Lebens willen zu schüt-

en und nicht vor dem Hintergrund der Nutzbarma-
hung. Der Wert und die Würde des menschlichen Le-
ens leiten sich nicht davon ab, wie hoch die
berlebenschancen oder die Nutzbarmachungsmöglich-
eiten sind.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Monika Knoche [DIE LINKE])


Ich habe Sorge, sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-
en, dass wir immer und immer wieder von Fall zu Fall
m Bundestag darüber entscheiden werden, unter wel-
hen Bedingungen menschliches Leben weniger wert ist
ls andere erstrebenswerte Güter.


(René Röspel [SPD]: Ist doch besser, als wenn andere als der Bundestag entscheiden!)


n einer solchen Gesellschaft, wo je nach Interessenlage
arüber entschieden wird, was wert ist oder nicht wert
st, zu leben, möchte ich persönlich nicht leben. For-
chungsfreiheit darf niemals unter Preisgabe der Men-
chenwürde ermöglicht werden. Deshalb sage ich: Be-
enke das Ende – im Zweifel für das Leben!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Monika Knoche [DIE LINKE])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1614201200

Das Wort erhält nun die Kollegin Katherina Reiche.


Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1614201300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

preche hier für den Antrag, mit dem die Stichtagsrege-
ung ersatzlos aufgehoben und unseren Medizinern die
nterstützung für ihre verantwortungsvolle Forschung
egeben werden soll, die sie brauchen. Noch nie haben
iologen und Mediziner in so kurzer Zeit so viel Neues






(A) )



(B) )


Katherina Reiche (Potsdam)

über die Grundlagen des Lebens und über die Möglich-
keiten, dieses Wissen anzuwenden, gelernt. Über kein
Forschungsfeld wird so intensiv diskutiert wie über die
Stammzellforschung. Sie ist eines der vielverspre-
chendsten Forschungsfelder der Biomedizin. Deshalb
sollten wir ernst nehmen, was uns die Deutsche For-
schungsgemeinschaft, die Selbstorganisation der gesam-
ten deutschen Hochschulwissenschaft, sagt. Sie bittet
uns nämlich, den Zugang zu neuen reinen Stammzell-
linien zu ermöglichen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Worum geht es? Im Jahre 2001 hat der Deutsche Bun-
destag entschieden, die embryonale Stammzellfor-
schung in Deutschland mit großen Einschränkungen
zuzulassen. Doch zeigt sich im Rückblick, dass das Ge-
setz mit starken sachfremden Einschränkungen arbeitet.
Die geltende Regelung stellt eine Forschungsbremse dar.
Diese Forschungsbremse müssen wir lösen. Der Ent-
wurf, den wir heute vorlegen, sieht das Minimum dessen
vor, was an Veränderungen passieren muss, um dem Le-
bensrecht kranker Menschen und der Freiheit der For-
schung den Raum zu geben, den das Grundgesetz aus-
drücklich schützt. Die Einschränkungen des aktuellen
Gesetzes stellen eine folgenschwere Behinderung der
medizinischen Forschung sowie eine grundgesetzwid-
rige Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit dar.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, jetzt aber!)


Der entscheidende Unterschied zur Situation 2001 ist,
dass die Wissenschaft heute in großer Breite sagt, dass
die Forschung mit embryonalen Stammzelllinien unver-
zichtbar ist, um adulte Stammzellen zu verstehen. Auch
für die adulte Stammzellforschung werden die Erkennt-
nisse der embryonalen Stammzellforschung gebraucht.
Frau Kollegin Flach hat Zitate genannt; ich könnte diese
Liste weiterführen.

Auch die induzierten pluripotenten Stammzellen,
über die die Forscher Thomson und Yamanaka vor kur-
zem publiziert haben, sind nur mit der Erkenntnis aus
der vorangegangenen embryonalen Stammzellfor-
schung möglich gewesen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Die für deutsche Forscher verfügbaren embryonalen
Stammzelllinien sind alt, mit Viren verseucht und haben
viele der Eigenschaften verloren, an denen geforscht
werden muss, die gebraucht werden. Für weitergehende
Forschungsarbeiten oder gar therapeutische Ansätze sind
sie in jedem Fall unbrauchbar. Damit ist deutschen For-
schern nicht nur eine Teilnahme am internationalen For-
schungsgeschehen verwehrt – es sei denn, sie verlassen
Deutschland –; vielmehr läuft das Gesetz nun auf ein
Forschungsverbot hinaus, da neuere, standardisierte
Stammzelllinien für deutsche Forscher unerreichbar
sind.

Das Stammzellgesetz droht damit in die Verfassungs-
widrigkeit zu gleiten, wenn es nicht schon von Anfang

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(C (D n verfassungswidrig war. Denn die in Art. 5 Abs. 3 rundgesetz gewährte Forschungsfreiheit darf gar icht durch ein einfaches Gesetz eingeschränkt werden. ur die Kollision mit anderen Grundrechten würde eine olche Einschränkung zulassen. Beim Import von tammzelllinien ist eine solche Kollision aber auch mit rößter Mühe nicht zu konstruieren. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Nun, nach fünf Jahren, ist der Vorwurf der Verfas-
ungswidrigkeit sehr ernst zu nehmen; denn der Aus-
chluss deutscher Forscher von einer Forschung an
tammzelllinien und eben nicht an befruchteten Eizellen
elbst kommt einem Forschungsverbot gleich. Dabei ist
iese dynamische Grundlagenforschung erst am Anfang.
er Vorwurf von Stammzellkritikern an die Forscher, es
ebe noch keine Therapie, ist geradezu absurd. Die er-
olgreiche Grundlagenforschung ist ja gerade Vorausset-
ung für die Entwicklung von Therapien – ohne Grund-
agenforschung keine Therapie.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Stammzellen sind auch für die Forschung gedacht,
m neue Medikamente zu erproben und so auf den Ver-
uch am Tier oder am Menschen verzichten zu können.
ber das sind Forschungsmöglichkeiten, die sich unse-

en Forschern momentan verschließen. Wir müssen in
erantwortung für kranke Menschen, die leiden und hof-

en, und in Verantwortung für unsere Wissenschaftler,
ie mit Sorgfalt, Seriosität und hohem Verantwortungs-
ewusstsein ihrer Arbeit nachgehen, den Weg für eine
ochrangige Forschung eröffnen und sie unterstützen.
eshalb bitte ich Sie, der Streichung des Stichtags und
er Streichung der Strafandrohung Ihre Zustimmung zu
eben.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1614201400

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Konrad Schily.


Dr. Konrad Schily (FDP):
Rede ID: ID1614201500

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren!

rau Reiche hat es gerade gesagt: Die Würde des Men-
chen ist unantastbar. Wissenschaft und Kunst sind frei. –
ann kommt ein wichtiger Nachsatz: Das entbindet
icht von der Treue zur Verfassung.

Wir haben es mit einem Spannungsbogen zu tun, den
rau Flach beschrieben hat. Auf der einen Seite stehen
ie Wissenschaftsfreiheit und die Tatsache, dass wir über
ie Welt Aufklärung haben wollen. Alle Heilsverspre-
hen, dass dabei etwas herauskommen könnte, mögen
ine Rolle spielen; aber sie sind nicht bestimmend. Es ist
ie Freiheit der Grundlagenforschung, die die Wissen-
chaft fruchtbar gemacht hat und die zu den Erfolgen ge-
ührt hat, die wir heute vorweisen können. Das ist die
ine abendländische Linie.






(A) )



(B) )


Dr. Konrad Schily
Die andere ist, dass die Technik und Wissenschaft,
vor denen wir alle bewundernd stehen, uns immer mehr
Ehrfurcht vor der – lassen Sie es mich ruhig so sagen –
Weisheit der vor uns ausgebreiteten Schöpfung empfin-
den lassen. Diese abendländische Entwicklung hat Kant
in dem Satz zusammengefasst, dass der Mensch nie Mit-
tel nur, sondern immer auch Zweck sein muss. Darin
gründet sich die Menschenwürde; sie ist unantastbar.

Ungeachtet dessen, ob wir mittels eines bestimmten
Weges helfen können: Wir dürfen diese Menschenwürde
nicht antasten. Es gibt keinen Grund – beispielsweise ein
ökonomisches Versprechen –, menschliches Leben zu
zerstören. Wann der Mensch zum Menschen wird, ist
biologisch nicht festzustellen und aus dem Materialis-
mus nicht abzuleiten. Es ist eine ethische, soziokulturelle
Feststellung. Deswegen wird diese Frage in unterschied-
lichen Kulturen verschieden beantwortet.


(Rolf Stöckel [SPD]: So ist es! Und wir sagen es eigentlich auch!)


– Ja, wir sagen es eigentlich auch.

In dem Moment, wo die Anlage zum Mensch gegeben
ist – das ist beim Embryo der Fall –, besteht das Recht
auf Menschenwürde. Es gibt darüber sehr viele Bespre-
chungen, die sich mit den Konsequenzen aus dieser Fest-
stellung beschäftigen. Es gibt nicht nur eine Möglich-
keit. Wie gesagt: Es gibt nicht nur das Versprechen, zu
ergründen, was die Welt im Innersten zusammenhält, um
daraus die Heilung abzuleiten, sondern es gibt zwei
Möglichkeiten:

Die erste Möglichkeit ist, die Forschung freizugeben.
Das ist eine klare und eindeutige – man kann auch sa-
gen: fortschrittliche – Meinung. Dann verzichten wir
aber auf die Menschenwürde. Wir würden damit die
Auffassung vertreten, dass Freiheit unteilbar ist, dass sie
gilt und dass sie uns in die Zukunft führen wird.

Die zweite Möglichkeit ist, dass die Entwicklung auf
diesem Gebiet uns nicht von der Treue zur Verfassung
entbindet und dass wir uns zur Menschenwürde und
dazu bekennen, dass menschliches Leben niemals in ir-
gendeiner Form zum Mittel gemacht werden darf und
dass der Mensch in sich Zweck bleibt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Ich denke, wir werden versuchen – das liegt ja in der
Natur der Politik –, Kompromisse zu machen. Wir wer-
den sagen: Mit dem ersten Stichtag hat es nicht geklappt,
vielleicht klappt es mit dem nächsten. In diesem polaren
Spannungsfeld – Frau Flach und Herr Hüppe haben es
anhand der entsprechenden Anträge dargestellt – gibt es
aber keinen Kompromiss. Wir müssen uns schon ent-
scheiden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Ich plädiere für die Menschenwürde. Wir werden den
Fortschritt auch damit erreichen.

Vielen Dank.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1614201600

Das Wort erhält nun der Kollege Jörg Tauss.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1614201700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

ch glaube, die Debatte zeigt, dass wir – wie auch schon
ei der letzten Debatte, als wir das Stammzellgesetz ver-
bschiedet haben – mit großem Ernst und mit großem
espekt voreinander diskutieren. Deswegen habe ich die
itte, Frau Kollegin Klöckner und Herr Kollege Schily,
ass Sie denen, die hier in der Tat um einen Kompromiss
ingen und einen anderen Vorschlag unterbreiten – das
ind über 300 Kolleginnen und Kollegen in diesem
ause –, auch nicht ansatzweise etwas Ähnliches wie

in gestörtes Verhältnis zur Menschenwürde unterstel-
en. Das halte ich für nicht akzeptabel, und das sollte
uch nicht Gegenstand der Auseinandersetzung sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)


Ich hätte die herzliche Bitte, dass im weiteren Verlauf
er Debatte auch auf den Kampfbegriff des Heilsver-
prechens verzichtet wird.


(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


in solches Heilsversprechen gibt es von keinem seriö-
en Wissenschaftler in diesem Land. Wer gestern im
orschungsausschuss war – wir werden zu diesem
hema eine Anhörung durchführen, an der teilzunehmen
lle Kolleginnen und Kollegen eingeladen sind, und da-
ach fragen –, hat erkennen können: Alle Wissenschaft-
erinnen und Wissenschaftler, die sich seriös mit diesen
ragen beschäftigen – das geschieht hier im Lande –, sa-
en uns: Wir sind sehr weit weg von einem medizini-
chen Erfolg. Wir befinden uns im Bereich der Grundla-
enforschung, und Heilsversprechen erfolgen nicht. –
iesen Begriff sollten wir deshalb im weiteren Verlauf
er Debatte aufgeben; denn dies trägt zur Sachlichkeit
ei.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der LINKEN)


Kollege Röspel hat zu Beginn der Debatte darauf hin-
ewiesen, dass er aus einer etwas anderen Richtung
ommt. Ich komme eher aus der Richtung, die die Kolle-
in Flach vertritt. Kollege Schily, wir haben in der Tat
eschaut – das halte ich für gut und richtig; das ist ange-
essen für dieses Parlament –, wie wir angesichts der

nterschiedlichen Positionen einen Kompromiss finden
önnen. Das ist unsere Aufgabe hier. Dieser Aufgabe
ill ich nachkommen.

Ein Punkt ist heute noch kaum angesprochen worden:
as ist der strafrechtliche Bereich, bei dem schon da-
als erkennbar war, dass er gewisse Probleme aufwer-

en wird. Dieser Punkt ist heute weniger umstritten. Des-






(A) )



(B) )


Jörg Tauss
wegen glaube ich, dass wir an diesem Punkt auf einem
guten Weg sind.

Frau Kollegin Hinz, wir waren sogar so fair, Sie auf
einen Fehler in Ihrem Antrag hinzuweisen; denn Sie hät-
ten, wenn man den Originaltext ansieht, sogar die Straf-
barkeitsschwelle abgeschwächt. Dazu haben wir Ihnen
noch gesagt: Wenn ihr das tut, ist das gar nicht in eurem
Sinne. – Ich glaube, auch das gehört zu einem kollegia-
len Umgang untereinander. Das tun wir auch.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Der Stichtag ist der eigentliche Streitpunkt. Da be-
steht immer die Frage: Warum eigentlich eine Stichtags-
verschiebung? Haben wir dann nicht – das hat die Kolle-
gin Klöckner gesagt; das ist ein ernstes Argument – eine
Art Wanderdüne und ständig zu verändernde Stichtage?
Ich bin nicht so vermessen, zu sagen, was künftige Parla-
mente an dieser Stelle tun werden. Ein Parlament wäre
hier sogar frei, zu sagen: Wir schaffen das Stammzellge-
setz völlig ab. Es wäre sogar, wenn die entsprechenden
Mehrheiten da sind, so frei, zu sagen: Wir schaffen das
Embryonenschutzgesetz ab.

Dies ist keine Position, die hier jemand vertritt. Viel-
mehr haben wir auf der Basis des Embryonenschutzge-
setzes das Stammzellgesetz geschaffen. Wir stellen fest
– Kollege Röspel hat darauf hingewiesen –, dass die da-
maligen Grundlagen insofern nicht mehr bestehen, als
eine ausreichende Zahl von Stammzelllinien für die
Forschung nicht mehr vorhanden ist. Aus diesem
Grunde wollen wir jetzt eine Änderung vornehmen,
wenn eine entsprechende Mehrheit zustande kommt;
denn wir wollen die Forschung, die wir damals vorgese-
hen haben, auch künftig ermöglichen.

Frau Hinz fragte: Haben die bisherigen Forschungen
etwas bewiesen? Sie sagte Nein. All denjenigen, die ei-
nen Erfolg anzweifeln, kann ich nur empfehlen, in dem
entsprechenden Protokoll des Forschungsausschusses
nachzulesen: Es ist ganz klar gesagt worden, dass die
Forschung an adulten Stammzellen in einem logischen
Zusammenhang mit der Forschung an menschlichen
embryonalen Stammzellen steht, dass die Forschung an
menschlichen embryonalen Stammzellen eine Grundla-
genforschung auch im Hinblick auf die Forschung an
adulten Stammzellen ist. Wer dies bestreitet, begibt sich
in eine absolut gegenteilige Darstellung dessen, was die
gesamte deutsche Wissenschaft hierzu seriös vorträgt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)


Wir haben im Laufe dieser Diskussion sehr viele
emotionale Briefe bekommen. Den von der Lebenshilfe
habe ich ein bisschen bedauert, weil er Heilsversprechen
und Ähnliches zum Gegenstand hatte. Aber ich warne
die Kollegen Hüppe und Schily – auch in ihrem Sinne –
davor, ihren Weg, den sie gehen wollen, weiterzugehen.
Die USA haben es bewiesen: Herr Bush, der US-ameri-
kanische Präsident, hat ein ganz klares Veto gegen die
Forschung an embryonalen Stammzelllinien eingelegt.
Was war die Folge? Er hat kein nationales Gesetz
geschaffen. Sogar ein Parteifreund von ihm, Herr
Schwarzenegger, ist ausgeschert und hat in Kalifornien

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(C (D ine eigenständige gesetzliche Regelung geschaffen, mit er Folge, dass für die Forschung an embryonalen tammzellen 3 Milliarden US-Dollar im Wesentlichen icht so strikt gesetzlich reguliert, wie wir es hier kenen, fließen. Allein im Januar dieses Jahres wurden 60 Millionen US-Dollar zusätzlich freigegeben. Das ist ein Argument dafür, Herr Kollege Schily, verntwortungsbewusst mit diesem Thema umzugehen und ine ethische Grundlage für die Forschung an embryonaen Stammzellen zu legen. Mit dem Kompromissantrag, en ich Sie zu unterstützen bitte, haben wir genau dies rmöglicht. Ich bedanke mich herzlich bei allen Kolleinnen und Kollegen, die daran mitgewirkt haben und it uns diesen Antrag vorgelegt haben. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1614201800

Das Wort erhält nun die Kollegin Dr. Däubler-

melin.


Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Rede ID: ID1614201900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

rage, wie die an und für sich sehr positiv zu bewertende
uche nach einem Kompromiss in diesem Fall aussehen
ann, wird, lieber Kollege Tauss, dadurch erschwert,
ass es um Grundsatzfragen geht. Da muss in der Tat,
ofern ein Kompromiss überhaupt möglich ist, sehr sorg-
ältig hingeschaut werden. Deswegen bin ich sehr dank-
ar, wenn wir uns nicht gegenseitig irgendwelche Dinge
nterstellen. Wir haben in diesen Fragen unterschiedli-
he Meinungen. Ich glaube, diese Meinungen müssen
ehr offen auf den Tisch gelegt werden, ohne dass der
ine, der eine bestimmte Meinung vertritt, dem jeweils
nderen gleich die moralische Keule übers Haupt haut.
as gilt übrigens hin wie her.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich spreche mich hier sehr klar dafür aus, den Stich-
ag nicht zu verschieben. Ich will das begründen. Viel-
eicht fange ich mit dem an, was wir vor sechs Jahren ge-
acht haben. Damals ging es im Wesentlichen um zwei
unkte: Zum Ersten ging es um die Frage, ob man den
orschungspolitischen Ansatz der Forschung an mensch-
ichen Embryonen braucht, und zum Zweiten darum, ob
as ethisch vertretbar ist. Die ethische Vertretbarkeit
pielt weit über die verfassungsrechtliche Frage hinaus
ine gesellschaftspolitisch zentrale Rolle, weil damit die
rage verbunden ist, ob man den menschlichen Embryo,
er, wie wir alle wissen, das Gebilde ist, in dem, wie
an heute sagen würde, das vollständige Programm ei-

es neuen Menschen vorhanden ist, zu Forschungszwe-
ken wie ein Objekt benutzen bzw. gebrauchen darf.
iejenigen, die damals wie ich gegen den Kompromiss
estimmt haben, haben sehr klar gesagt: Man darf das
icht, und zwar, weil das absolute Gebot der Menschen-
ürde vollständig und immer dagegen steht.






(A) )



(B) )


Dr. Herta Däubler-Gmelin
Damals wussten wir noch nicht, dass der erfolgver-
sprechende Ansatz auf der Forschung an adulten
Stammzellen liegen würde. Liebe Frau Flach, wir wis-
sen sehr wohl, dass viele Menschen hoffen, dass mithilfe
der neuen Methoden schreckliche Krankheiten gelindert
oder geheilt werden können. Damals wussten wir das
noch nicht, dass die Hoffnung bei der Forschung an
adulten Stammzellen liegt. Heute haben wir viele zusätz-
liche Informationen. Wir wissen heute ganz genau, dass
die Forschung mit adulten Stammzellen mehr Hoffnun-
gen bietet. Ich glaube deshalb, dass wir festhalten soll-
ten, dass das so ist – selbstverständlich, ohne Heilsver-
sprechen zu machen. Das gibt dann aber keinen Grund
für die Stichtagsverschiebung.

Noch einmal zurück zu dem Kompromiss von da-
mals. Viele von uns, die damals gegen den Kompromiss
gestimmt haben, haben sich mit dem Kompromiss letzt-
endlich abgefunden. Warum? Wir waren der Auffassung,
dass man mit diesem Kompromiss zwar in die ethische
Grauzone und damit in die gesellschaftspolitisch be-
denkliche Grauzone hineingegangen ist, dass eine
einmalige Stichtagsregelung das aber noch erträglich
macht.

Heute gibt es weniger Argumente für die embryonale
Stammzellforschung. Die ethische Grauzone indes
bleibt. Warum soll dann der Stichtag verschoben wer-
den? Ich sage das so deutlich, weil Sie daraus vielleicht
erkennen, dass uns viel weniger persönliche Vorbehalte
oder Misstrauen gegenüber der Forschung daran hin-
dern, der Verschiebung des Stichtages zuzustimmen,
sondern eher die schädliche Tendenz zur immer weiteren
Relativierung in einer Grundsatzfrage ohne Not. Das ist
genau der Punkt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will deswegen noch einmal dafür werben, sich ge-
nau zu überlegen, wie man sich entscheidet. Es kann
manchmal ärgerlich sein, wenn einem vorgeworfen
wird, das Festhalten an dem, was wir haben, sei durch
Denkverbote oder Bequemlichkeit diktiert. Das ist es
nicht, sondern das ist ganz klar das Ergebnis einer Ab-
wägung zwischen einer Relativierung in Grundsatzfra-
gen, die wir nicht wollen, und der Möglichkeit, positive
Ansätze für Heilen und Helfen tatsächlich zu nutzen.
Diese Möglichkeiten liegen aber in der Forschung an
adulten Stammzellen und nicht in der Nutzung menschli-
cher Embryonen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1614202000

Die Kollegin Renate Schmidt ist die nächste Redne-

rin.

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(C (D Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! ch stimme Konrad Schily ausdrücklich zu. Es gibt in ieser Frage in meinen Augen nur zwei Möglichkeiten: ntweder derartige Forschung ganz zu verbieten oder sie m Rahmen der von uns festgesetzten Regelungen ganz uzulassen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Renate Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1614202100

Ich stimme auch Herta Däubler-Gmelin zu, die gesagt
at, dass es Fragen gibt, die Kompromissen unzugäng-
ich sind. Ich glaube, in dieser Frage ist ein Kompromiss
ngeheuer schwierig. Ich unterstütze den Entwurf eines
esetzes für eine menschenfreundliche Medizin und
abe mir als gläubige Christin, der an ihrer evangeli-
chen Kirche etwas liegt, die Entscheidung nicht leicht
emacht. Ich bin sowohl Bischof Huber als auch Kardi-
al Lehmann für ihre Stellungnahmen dankbar – auch
enn ich daraus andere Schlussfolgerungen ziehe –,
eil sie mir bei meiner Entscheidungsfindung geholfen
aben.

Bevor ich zu unserem Gesetzentwurf komme, möchte
ch meine Position zur Frage menschlichen Lebens,
erdenden, ungeborenen Lebens beschreiben, weil ich
laube, dass das in diesen Zusammenhang gehört. Wir
üssen uns einmal fragen: Wie halten wir es denn insge-

amt mit dem Schutz menschlichen Lebens vor der Ge-
urt? Ich bin für einen sehr viel vorsichtigeren Umgang
nd für viel mehr Beratung bei der Pränataldiagnostik,
m das Recht auf Nichtwissen von Eltern zu gewährleis-
en.


(Beifall der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Genauso bin ich der Meinung, dass wir in Deutsch-
and Präimplantationsdiagnostik zur Überprüfung
chwerster Schäden einer befruchteten Eizelle zulassen
ollten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)


ch kann nicht nachvollziehen, dass diese verboten, eine
pätere Abtreibung des schwer geschädigten Embryos
ber zugelassen ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


ch hoffe – hier vertrete ich nahezu eine Einzelmeinung
n meiner Fraktion –, dass wir zu Regelungen kommen
erden, die Spätabtreibungen reduzieren, auch wenn es

ährlich – ich sage das in Anführungszeichen – nur ei-
ige hundert Fälle sein mögen.

Genauso bin ich überzeugt, dass die Stichtagsregelun-
en für die Stammzellenforschung ganz entfallen sollten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)


s ist überhaupt keine Frage: Natürlich ist eine befruch-
ete Eizelle im ersten Entwicklungsstadium menschli-
hes Leben, und zwar vollkommen unabhängig davon,






(A) )



(B) )


Renate Schmidt (Nürnberg)

ob sie in Deutschland oder in einem anderen Land dieser
Erde und bis zu welchem Stichtag sie entstanden ist.
Aber ist diese befruchtete Eizelle werdendes, ungebore-
nes Leben? Nein, ihr fehlt eine wesentliche Qualität, um
das werden zu können, nämlich das Einnisten in die Ge-
bärmutter.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)


Nur ein Bruchteil der befruchteten Eizellen führt zu ei-
ner Schwangerschaft. Die größere Zahl nistet sich nicht
ein; die Frau merkt davon nichts. Beim Einsetzen einer
Spirale geschieht genau dasselbe.

Was geschieht mit sogenannten überzähligen
Embryonen, die bei künstlicher Befruchtung nicht mehr
benötigt werden? Haben diese einen anderen menschli-
chen Wert als aus dem Ausland eingeführte embryonale
Stammzellen? Erhalten wir uns unsere Moral, unsere
ethischen Prinzipien und unsere forschungspolitische
Unschuld dadurch, dass deutsche Steuergelder in For-
schungsvorhaben der EU ohne jedwede Stichtagsrege-
lungen fließen?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)


Nein, diese Unschuld haben wir längst verloren, und
zwar beginnend mit dem Zulassen künstlicher Befruch-
tung. In meinen Augen versuchen wir, das mit unzuläng-
lichen Mitteln zu verbrämen.

Kardinal Lehmann hat in seiner Stellungnahme ge-
schrieben, dass man beim Vorliegen mehrerer Alternati-
ven die sicherere Variante, also in dubio pro vita, wählen
sollte. Bischof Huber hat in einem Interview geäußert,
die evangelische Kirche habe immer gefragt, was kon-
kret dem Menschen und dem Leben dienen kann. Ich
möchte mit meiner Unterstützung des Entwurfs eines
Gesetzes für eine menschenfreundliche Medizin pro vita
entscheiden. Ich möchte damit den Menschen und dem
Leben dienen, den Chancen der Menschen mit multipler
Sklerose, mit Alzheimer oder Diabetes. Ich betone das
Wort „Chancen“. Ich möchte erreichen, dass nichts un-
versucht bleibt, von geeigneten Organspendern weniger
abhängig zu werden, wohl wissend, dass dies noch Zu-
kunftsmusik ist und vielleicht auch bleiben wird.

Natürlich dürfen wir keine verfrühten Hoffnungen
wecken. Vielleicht – wirklich nur vielleicht – brauchen
wir in absehbarer Zeit keine embryonalen Stammzellen
mehr, um die genannten Ziele zu erreichen. Vielleicht
führt auch kein einziger dieser Wege zu diesen Zielen.
Dieses Noch-nicht-wissen-Können gehört zum Wesen
der Forschung.

Trotz aller Zweifel steht für mich daher fest: Nicht zu
versuchen, den aussichtsreichen Weg der Forschung mit
embryonalen Stammzellen zu gehen, wäre in meinen
Augen nicht „pro vita“, würde nicht den Menschen und
dem Leben dienen. Deshalb bin ich davon überzeugt,
dass wir diesen Weg gehen müssen, und zwar ohne
Stichtagsregelung.

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(C (D (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1614202200

Das Wort erhält nun der Kollege Thomas Rachel.


Thomas Rachel (CDU):
Rede ID: ID1614202300

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

en! Im Jahre 2002 habe ich zu den Mitinitiatoren des
amaligen Stammzellgesetzes gehört. In den heute zur
iskussion stehenden Vorlagen werden ebenso wie in-
erhalb der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen,
eligionsgemeinschaften und christlichen Kirchen ganz
erschiedene Positionen vertreten. Dies zeigt vor allem
ines: Es gibt bei diesem Thema keinen einfachen und
icht nur einen Weg, weder rechtlich noch ethisch noch
hristlich.

Den gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmen zur
eantwortung dieser Frage stellt unser Grundgesetz dar.
aher werden sich diejenigen, die ein Rollback und da-
it ein Forschungsverbot fordern, fragen lassen müssen,
ie sie zu folgender Tatsache stehen:

Ein vollständiges Verbot, das auch die weltweit be-
reits vorhandenen ES-Zell-Linien umfasst, ist ver-
fassungsrechtlich nicht begründbar.

ies ist ein wörtliches Zitat aus der Begründung zum
tammzellgesetz.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Worum ging es 2002? Im Kern ging es um zwei An-
iegen. Erstens wollten wir im Sinne der grundgesetzlich
arantierten Forschungsfreiheit die Grundlagenfor-
chung ermöglichen. Zweitens wollten wir durch einen
esten, in der Vergangenheit liegenden Stichtag aus-
chließen, dass von Deutschland ein Anreiz ausgeht,
ass im Ausland Embryonen zerstört werden. Sagen wir
s doch ruhig: Diese Ziele hat das Stammzellgesetz zu-
ächst erreicht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Inwiefern hat sich die Lage seit 2002 verändert? Die
issenschaft betont in breitem Konsens, dass mit den

ufgrund des Gesetzes verfügbaren Stammzelllinien eine
onkurrenz- und vor allem kooperationsfähige For-
chung nur noch sehr eingeschränkt möglich ist; denn
iese Stammzelllinien sind teils kontaminiert, teils gene-
isch verändert und nicht standardisiert.


(Jörg Tauss [SPD]: Ich sage nur: Patente!)


Adulte Stammzellen sind wichtig, aber sie können
mbryonale Stammzellen nicht ersetzen; denn sie kön-
en nicht langfristig vermehrt werden, und sie können
ich nicht zu allen Körperzellen entwickeln. An dieser
telle möchte ich eine Bemerkung zur Behauptung von
dB Hüppe machen, die er vorhin aufgestellt hat, als es

m Zusammenhang mit der Antwort des Forschungsmi-
isteriums auf seine Anfrage um den Vergleich von adul-
en und embryonalen Stammzellen ging: Die Behaup-
ung, die vorhin geäußert wurde, ist falsch. Richtig ist,






(A) )



(B) )


Thomas Rachel
dass sich die Forschung an adulten und die Forschung an
embryonalen Stammzellen gegenseitig beeinflussen.


(Ulrike Flach [FDP]: Richtig!)


Das ist nichts Theoretisches, sondern findet statt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Zurzeit werden in Deutschland mehrere vom Robert-
Koch-Institut genehmigte Forschungsprojekte zum di-
rekten Vergleich von humanen embryonalen Stammzel-
len und adulten Stammzellen durchgeführt. So wird bei-
spielsweise am MDC in Berlin das Potenzial von
Nabelschnurblutzellen und embryonalen Stammzellen
bei der Generierung von Leberzellen untersucht. Das ist
also bereits Praxis.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie der Abg. Dr. Carola Reimann [SPD] und der Abg. Ilse Aigner [CDU/CSU])


Forscher wie Yamanaka und Thomson werden für die
Ergebnisse ihrer Forschung im Bereich der Reprogram-
mierung von Körperzellen, zu sogenannten induzierten
pluripotenten Stammzellen, übrigens auch von denjeni-
gen gefeiert, die keine Forschung mit embryonalen
Stammzellen in Deutschland wollen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1614202400

Herr Kollege Rachel, gestatten Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Hüppe?


Thomas Rachel (CDU):
Rede ID: ID1614202500

Bitte.


Hubert Hüppe (CDU):
Rede ID: ID1614202600

Herr Kollege Rachel, da die Antwort der Bundesre-

gierung auch von Ihnen unterschrieben worden ist, habe
ich folgende Frage: Können Sie mir eine Arbeit nennen,
die im Rahmen der Forschung an adulten Stammzellen
zum Erfolg führte bzw. eine klinische Studie zur Folge
hatte, die tatsächlich nur deswegen durchgeführt werden
konnte, weil Ergebnisse der embryonalen Stammzellfor-
schung vorlagen? Können Sie mir eine solche Arbeit
nennen?


Thomas Rachel (CDU):
Rede ID: ID1614202700

Herr Kollege Hüppe, in Ihrer Anfrage an die Bundes-

regierung haben Sie nach einer Bewertung erschienener
Publikationen gefragt. Die Antwort des Ministeriums
lautete, dass es Ihnen dazu keine Zitationsanalyse vorle-
gen kann, da zum Stichwort „stem-cells“ knapp
20 000 Publikationen vorliegen und das genau ausge-
wertet werden müsste.

Faktum ist, dass es in dieser Hinsicht bereits verglei-
chende Studien in Deutschland gibt. Außerdem sagen
die Forscher selber, dass sie die Erfolge bei der Repro-
grammierung den Erkenntnissen aus der Forschung an
humanen embryonalen Stammzellen verdanken. Das hat
Thomson erst im Dezember letzten Jahres gegenüber der
New York Times erklärt. Die Forscher selbst haben es
also belegt.

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(C (D (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


homson hat sogar gesagt, dass weder seine noch die Er-
ebnisse in Japan ohne die Ergebnisse der letzten zehn
ahre Forschung an embryonalen Stammzellen möglich
ewesen wären.

Thomson hat nachgewiesen, dass die Reprogram-
ierung grundsätzlich machbar ist. Man kann auch sa-

en, er hat den Proof of Principle erbracht. Das ist toll.
ür die nun anstehenden Detailanalysen, ob die iPS-Zel-
n und die humanen embryonalen Stammzellen identisch

ind oder sich, wie Schöler sagt, in über 1 000 Genen un-
rscheiden, sind die Forscher auf neue embryonale
tammzelllinien angewiesen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


ames Adjaye, der hier in Berlin am Max-Planck-Institut
n der Reprogrammierung von Stammzellen forscht, hat
esagt: Wir können es schaffen, reprogrammierte Zellen
ür die Medizin nutzbar zu machen; dazu benötigen wir
ber dringend brauchbare neue embryonale Stammzel-
en.

Meine Damen und Herren, eine Position, bei der aus-
chließlich Prinzipien verteidigt werden, wird ethisch
ur schwer überzeugen können. Wer die Forschung an
tammzellen in Deutschland verbieten will, muss erklä-
en, wie er mit den Ergebnissen umgehen will, die For-
cher in anderen Ländern erzielen. Entweder werden
iese Ergebnisse den kranken Menschen in Deutschland
orenthalten, oder er wird sich zumindest mit dem Vor-
urf der Inkonsequenz auseinandersetzen müssen.

Wir sind gefordert, zu überprüfen, ob der Geist des
amaligen Kompromisses durch das geltende Stamm-
ellgesetz noch hinreichend verwirklicht wird, ob in
eutschland nach wie vor hochwertige Forschung an

mbryonalen Stammzellen möglich ist oder dies bald nur
och auf dem Papier steht. Durch die Verschiebung des
tichtages auf einen neuen, ebenfalls in der Vergangen-
eit liegenden Zeitpunkt würde es den Forschern ermög-
icht, auf neue Stammzelllinien zurückzugreifen. Diese
elllinien – um nichts anderes geht es – sind bereits vor-
anden. Das heißt, kein einziger Embryo wird bei einer
erschiebung des Stichtages auch nur berührt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Eine theoretisch denkbare Änderung in der Zukunft
leibt – das ist uns wichtig – dem Gesetzgeber vorbehal-
n. Wenn also einige im Moment eine ethische Wan-
erdüne malen, sprechen sie letztlich den Mitgliedern
ukünftiger Bundestage ein verantwortliches und mo-
alisches Urteil ab.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Patrick Meinhardt [FDP])


Die Mutmaßung, dass im Ausland extra für die For-
chung in Deutschland Embryonen zerstört würden, ist,
orsichtig formuliert, gewagt. Wer die deutsche Nabel-
chau ein Stück verlässt, stellt fest, dass 98 Prozent der
ntsprechenden Publikationen im Ausland entstehen.






(A) )



(B) )


Thomas Rachel
Wir – Bund und DFG – geben innerhalb von fünf Jahren
knapp 4 Millionen Euro für die embryonale Stammzell-
forschung aus. Allein der Bundesstaat Kalifornien stellt
in einem Jahr 300 Millionen US-Dollar zur Verfügung.
Diese Größenverhältnisse sagen alles.

Kurz und gut: Mit dem von uns vorgestellten Antrag
kann der Ausgleich zwischen den verschiedenen Positio-
nen von 2002 in verantwortlicher Weise fortgeführt wer-
den.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir tragen mit ihm den veränderten Bedingungen in der
Wissenschaft Rechnung; zugleich wird kein einziger
Embryo berührt. Eine Verschiebung des Stichtages ent-
wertet den damaligen Kompromiss nicht. Im Gegenteil,
sie gibt ihm den Wert zurück, den er 2002 hatte.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Patrick Meinhardt [FDP])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1614202800

Der Kollege Hans-Michael Goldmann ist der nächste

Redner.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1614202900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich
sehr froh darüber bin, dass unsere Diskussion trotz der
Bandbreite der Positionen – sie reicht von der Position
Herrn Schilys und meiner Kollegin Frau Flach bis zur
Position anderer – eine weit höhere Qualität aufweist als
das, was ich in den letzten Tagen im Fernsehen sah. Da
wurde in einem Bericht aus Berlin ein armes Kind vor-
gestellt, mit lauter Schläuchen an seinem Körper. Dane-
ben stand ein ratloser Mediziner, der suggerierte: Wenn
doch nur die embryonale Stammzellforschung möglich
wäre; dann könnte ich diesem Kind helfen. Als ich ges-
tern Abend nach Berlin zurückfuhr, sprach ein Journalist
im Radio davon, dass es sich doch nur um einen Zellhau-
fen handele und dass man Tilman Riemenschneider ja
auch kein altes Holz zur Verfügung gestellt habe, um
seine Kunstwerke zu erstellen.


(René Röspel [SPD]: Unglaublich!)


Ich denke, es geht hier um eine ganz grundsätzliche
Auseinandersetzung darüber, wie wir es mit den ethi-
schen Werten in unserer Gesellschaft halten. Es geht hier
nicht darum – auch für mich ganz persönlich nicht –,
seine Position als Katholik deutlich zu machen. Es geht
hier nicht darum, über die Bibel zu reden, sondern es
geht darum, zu fragen, was die Grundbausteine unserer
Gesellschaft sind, welchen Stellenwert wir dem Leben
geben und wie das Leben in unserem Grundgesetz defi-
niert ist: Es existiert von Anfang an.

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(C (D Ich bin mit der Aussage einverstanden, dass der tichtag ein Kompromissstichtag ist. Wir haben es aber n allen Bereichen, in denen sehr wesentliche Entscheiungen getroffen werden, mit Stichtagen zu tun. Ob Sie ie Präimplantationsdiagnostik durchführen lassen wolen, ob Sie eine Abtreibung machen lassen wollen oder üssen – auch dann haben Sie es mit Stichtagen zu tun. eswegen bin ich der Meinung, dass der Kompromiss insichtlich des alten Stichtages trägt. Diese Regelung raucht keinen neuen Geist, wie es Herr Rachel eben um Ausdruck gebracht hat. Es besteht meiner Meinung ach auch nicht die Gefahr, dass es beim Thema Stichtag u einer Entwicklung gleich einer Wanderdüne kommt. ir müssen abklopfen – deswegen bin ich auch froh, ass es zu diesem Thema noch eine Anhörung geben ird –, ob der alte Stichtag für die gegebenen Erforderisse ausreichend ist. Ich will noch etwas sagen: Ich bin ein bisschen beroffen darüber, dass man zwischen der Ethik des Heiens und – in Anführungsstrichen – der Notwendigkeit es Tötens abwägen will. Ich glaube, das kann man nicht iteinander abwägen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


s muss immer Vorfahrt für das Leben gelten. Das ist
eine konfessionelle Position, sondern eine grundgesetz-
iche Position. Sie gilt nicht nur am Anfang des Lebens,
ondern auch am Ende des Lebens.

Wir müssen uns sehr genau darüber unterhalten – das
erden wir im Rahmen der Anhörung auch noch tun –,
b wir mit der Chance der embryonalen Stammzellen-
orschung weitergekommen sind. Ich glaube, man muss
ehr kritisch hinterfragen, wie die Tumorneigung von
mbryonalen Stammzellen außerhalb des menschlichen
örpers aussieht. Nehmen wir hier nicht einen sehr ho-
en ethischen Preis in Kauf, um vermeintliche Erfolge
u erzielen? Ist das zu rechtfertigen? Ich melde hier er-
ebliche Zweifel an; denn gerade die Entwicklungen der
etzten Zeit haben gezeigt, dass uns die Erfolge mit der
dulten Stammzellenforschung wesentlich weiterge-
racht haben.

Es betrübt mich schon, wenn manchmal durchklingt,
ass der eine oder andere Antrag vielleicht nicht ganz so
ertvoll sei. Ich finde sie alle sehr wertvoll, weil sie eine
ichtige Grundlage sind, um Dinge zu entwickeln. Jeder
on Ihnen wird persönliche Erfahrungen gemacht haben,
öglicherweise mit dem Vater, der elendig an Krebs ge-

torben ist. Ich glaube, man sollte die Werthaltigkeit der
nträge nicht infrage stellen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe mich positioniert und gesagt, dass ich den
ompromiss für klug und notwendig halte. Wir sollten
icht an ihm rütteln.

Ich möchte noch einen Gedanken anfügen, der
anchmal ein bisschen zu kurz kommt und den man si-






(A) )



(B) )


Hans-Michael Goldmann
cherlich kritisch sehen sollte. Ich fand es sehr interes-
sant, dass in den Umfragen, die mir zur Kenntnis ge-
bracht worden sind, Frauen eine wesentlich kritischere
Haltung gegenüber der embryonalen Stammzellenfor-
schung einnehmen als Männer. Wir sollten auch einmal
hinterfragen, wie die Forscherlandschaft in diesem Be-
reich ausgestaltet ist. Ich fand auch die Feststellung sehr
interessant, dass junge Menschen gerade in letzter Zeit
eine stärker ablehnende Haltung gegenüber der embryo-
nalen Stammzellenforschung einnehmen. Ich meine,
auch das sollten wir im Rahmen der Anhörung und der
weiteren Erörterung dieser Problematik in unsere Über-
legungen einbeziehen.

Ich hoffe, dass wir wieder einen guten Kompromiss
finden werden, durch den unsere Gesellschaft vorange-
bracht wird und der von unserer Gesellschaft getragen
wird.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1614203000

Das Wort erhält der Kollege Michael Kretschmer.


Michael Kretschmer (CDU):
Rede ID: ID1614203100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser

Debatte ist viel von Angst die Rede, einer Angst, die aus
dem Unbehagen herrührt, mit den Stammzellforschungs-
projekten könnte leichtfertig umgegangen werden. Da-
her stelle ich zunächst einmal fest, dass jedes der weni-
gen Projekte, die in Deutschland genehmigt worden
sind, nach sehr strengen fachlichen und vor allem ethi-
schen Maßstäben bewertet wurde. Ich trete dem Ein-
druck entgegen, die deutschen Forscher gingen mit die-
sem Thema leichtfertig um und seien sich der ethischen
Bedeutung dieses Themas nicht bewusst.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Vielmehr täten wir als Deutscher Bundestag gut daran,
egal wie wir zu diesem Thema stehen, der deutschen
Wissenschaft zu vertrauen und das Vertrauen in sie zu
nähren und zu betonen; denn auf diese Leute, über die
wir hier heute oftmals mit dem Anflug reden, es könnte
sich bei ihnen um leichtfertige Gesellen handeln, sind
wir ansonsten stolz. Ihnen haben wir gerade im medizi-
nischen Bereich in den letzten Jahren unheimlich viel zu
verdanken, und wir unterstützen und feiern sie bei vielen
Anlässen. Aus diesem Grund haben sie zunächst einmal
unser Vertrauen und unsere Achtung verdient.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Meine Damen und Herren, es wird in der Diskussion,
aber auch in der heutigen Debatte im Deutschen Bundes-
tag vieles miteinander vermengt. Wir reden nicht über
das Embryonenschutzgesetz, weil wir uns alle, wie ich
denke, darüber einig sind, dass in Deutschland keine
Stammzelllinien hergestellt werden sollen und dass wir

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(C (D as Embryonenschutzgesetz nicht ändern wollen. Vielehr sagen wir ganz deutlich: Das ist für uns ein Wert, er Bestand hat. Es geht einzig und allein darum, tammzelllinien, die im Ausland hergestellt wurden, uch in Deutschland zu verwenden. Deswegen kann man uch nicht von einem Dammbruch oder von einer ethichen Wanderdüne reden. Solche Kampfbegriffe tun dieer Diskussion nicht gut. Von Deutschland wird kein Anreiz ausgehen, Stammelllinien herzustellen oder Embryonen zu töten. eutschland steht eher in der Gefahr, eine Entwicklung u verpassen und sich aus ihr zu verabschieden, als elbst treibende Kraft oder Motor zu sein. Wir haben geade gehört, dass in Kalifornien allein von der Privatirtschaft 300 Millionen Euro ausgegeben werden; in eutschland reicht die Deutsche Forschungsgemein chaft 13 Millionen Euro für alle einschlägigen Forchungsbereiche aus, wovon nur 3 Prozent für embryoale Stammzellen bestimmt sind. Alles andere wird für ie Forschung mit tierischen oder adulten Stammzellen usgegeben. Aus diesem Grund sage ich noch einmal anz deutlich: Deutschland ist bei diesem Thema nicht er Nabel der Welt, weder was die ethischen Standards ngeht – viele Länder, die wie Spanien und Großbritanien ebenfalls unserem Kulturkreis angehören, gehen anz anders damit um; man muss auch einmal darüber achdenken, warum andere zu anderen Ergebnissen ommen – noch was die Funktion als treibende Kraft aneht. Es muss uns doch bedenklich stimmen, wenn ein and wie die Bundesrepublik Deutschland mit hohen thischen Standards und einer bedeutenden Wissenschaft n diesem Thema nicht mehr mitwirkt. um einen können wir keine ethischen Standards im usland mitbestimmen, wenn wir nicht mehr daran teilaben; zum anderen werden wir, wenn es am Ende tatächlich zu Ergebnissen kommt, an ihnen nicht teilhaen. Meine Damen und Herren, ich kann nur davor arnen, dass Geisteswissenschaftler oder Ingenieure, die itglieder dieses Parlaments sind und sicherlich auch roße wissenschaftliche Leistungen erbringen, über die rage urteilen, ob Forschung an embryonalen Stammzel en eine Chance haben soll oder nicht und ob wir lieber uf adulte Stammzellen setzen sollen. Dies müssen wir och den Wissenschaftlern überlassen, darüber kann och nicht die Politik entscheiden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei der FDP)


(Jörg van Essen [FDP]: Sehr richtig!)


Stammzellforschung ist zutiefst Grundlagenfor-
chung, und man kann nie im Voraus wissen, was dabei
erauskommt. Wir reden nicht über Auftragsforschung.
ie müssen sich stets klarmachen, dass kein Nobelpreis-

räger einen Preis für das bekommen hat, was er vor-
atte, sondern nur für tatsächlich gewonnene Erkennt-
isse. So ist es auch bei diesem Thema. Aus diesem
rund plädiere ich klar dafür, dass wir uns an dieser For-

chung beteiligen. Wir brauchen diesen Stichtag nicht.






(A) )



(B) )


Michael Kretschmer
Die Zulassungsverfahren bieten uns andere Möglichkei-
ten, unsere ethischen Standards, die, wie ich denke, un-
umstritten sind, einzuhalten. Wir sollten uns aus diesem
Feld nicht zurückziehen. Wenn es irgendwann einmal zu
Ergebnissen kommt, können wir die Möglichkeiten zur
Heilung niemandem in Deutschland verwehren; das soll-
ten wir auch nicht tun.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1614203200

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Carola

Reimann.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Carola Reimann (SPD):
Rede ID: ID1614203300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Schon im Herbst 2006 hat die Deutsche For-
schungsgemeinschaft mit großer öffentlicher Resonanz
auf die sich verschlechternden Rahmenbedingungen für
die Stammzellforschung in Deutschland aufmerksam ge-
macht. Die DFG legte seinerzeit dar, dass die derzeit gel-
tenden Regelungen zur Stichtags- und Strafbarkeitsrege-
lung deutsche Forscher von der Arbeit an neuen,
qualitativ hochwertigen Stammzelllinien de facto aus-
schließen. In einer großen öffentlichen Anhörung des
Bildungs- und Forschungsausschusses – unter Beteili-
gung der Gesundheitspolitiker – im Mai 2007 wurde
diese Sichtweise weitgehend bestätigt. Die Mehrheit der
dort gehörten Sachverständigen zeigte einen dringenden
Handlungsbedarf bei der Stichtags- und Strafbarkeitsre-
gelung auf.


(Beifall der Abg. Ulrike Flach [FDP])


Schließlich fand im September 2007 eine Veranstaltung
zum fünfjährigen Bestehen der Zentralen Ethik-Kom-
mission für Stammzellenforschung statt.

Die beim Robert-Koch-Institut angesiedelte interdis-
ziplinäre Kommission, die wir erstmals mit Inkrafttreten
des Stammzellgesetzes eingesetzt haben, bewertet die
ethische Vertretbarkeit von Forschungsvorhaben mit em-
bryonalen Stammzellen und gibt dann gegenüber der
Genehmigungsbehörde eine entsprechende Stellung-
nahme ab. Die ethische Vertretbarkeit ist an Vorprüfun-
gen gebunden. Hochrangigkeit und Alternativlosigkeit
– das ist heute Morgen schon angesprochen worden –
müssen dargelegt werden. Damit verfügt Deutschland
über extrem hohe Prüf- und Zulassungsstandards, die
sonst so nirgends in der Welt zu finden sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Bis zum Herbst 2007 – inzwischen ist ein weiteres
Vorhaben dazugekommen – wurden 25 Vorhaben nach
strenger Prüfung genehmigt, allerdings bei einer sinken-
den Zahl von Anträgen. An dieser Stelle ist festzustellen,
dass die Zentrale Ethik-Kommission hier eine ausge-
sprochen verantwortungsvolle und gute Arbeit geleistet
hat. Dafür möchte ich mich beim Vorsitzenden, Profes-

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(C (D or Siep – stellvertretend für alle Mitglieder –, für die ehr gute Arbeit bedanken, die sie geleistet haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Dies gilt im Übrigen auch für die deutschen Forscher.
ein Vorredner hat bereits darauf hingewiesen, dass sie

eit 2002 sehr verantwortungsvoll mit den zur Verfügung
tehenden Möglichkeiten umgegangen sind.

Bei der Veranstaltung anlässlich des fünfjährigen Be-
tehens der Zentralen Ethik-Kommission wurde eines
berdeutlich: Die Antragsentwicklung – und zwar nicht
ualitativ, sondern quantitativ – gibt entschieden Anlass
ur Sorge. Es muss etwas geschehen, um den beim
tammzellgesetz gefundenen Kompromiss weiterhin mit
eben zu füllen.

Vor diesem Hintergrund haben wir uns entschlossen,
ine Initiative auf den Weg zu bringen, den Stichtag
inmalig zu verschieben. Durch eine einmalige Ver-
chiebung – das ist hier schon angeklungen – erhalten
eutsche Forschergruppen die Möglichkeit, mit
00 hochwertigen und unter standardisierten Bedingun-
en hergestellten Zelllinien zu arbeiten.

Mit der einmaligen Verschiebung des Stichtags setzen
ir den gefundenen Mittelweg von 2002 fort, der dazu
eigetragen hat, den strengen Maßstab des Embryonen-
chutzgesetzes zu erhalten. Ich weise noch einmal aus-
rücklich darauf hin, dass auch der von uns gewählte
eue Stichtag in der Vergangenheit liegt. So ist sicherge-
tellt – das war eines der zentralen Ziele des Stammzell-
esetzes und sollte es auch bleiben –, dass von Deutsch-
and keinerlei Anreize ausgehen, sogenannte überzählige
mbryonen für Forschungszwecke zu verbrauchen.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])


ine Verschiebung des Stichtags auf den 1. Mai 2007 ge-
ährdet die Grundintention des Stammzellgesetzes in
einer Weise, sondern erhält diesen Mittelweg.

Besonders diejenigen, die eine Stichtagsverschie-
ung rigoros ablehnen, müssen sich fragen lassen, wie in
ukunft die wichtige Forschung mit adulten Stammzel-

en vorankommen soll. Hier wird immer wieder überse-
en, dass die jüngsten Erfolge bei der Umwandlung von
dulten Körperzellen in pluripotente Stammzellen – die
ogenannte induzierte Pluripotenz – ohne die jahrelange
mbryonale Stammzellforschung nicht möglich gewesen
äre.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ir können auch in nächster Zukunft nicht auf die For-
chung an embryonalen Stammzellen verzichten; denn
ie ist – darüber wurde intensiv diskutiert – für Referenz-
zw. Vergleichsmöglichkeiten notwendig. Dabei geht es
icht unbedingt um vergleichende Studien, sondern da-
um, Wissen über Differenzierungsvorgänge zu erlan-
en. Dieses Wissen wird in beiden Bereichen genutzt,
nd zwar wechselseitig.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)







(A) )



(B) )


Dr. Carola Reimann
Der damalige vermittelnde Weg konnte nur zustande
kommen, weil die Vertreter einer größeren Forschungs-
freiheit und die Befürworter eines umfassenden Lebens-
schutzes ihre weiter gehenden Überzeugungen zuguns-
ten eines tragfähigen und gangbaren Kompromisses
zurückgestellt haben. Auch die Initiatoren des heutigen
Kompromissvorschlages sind von unterschiedlichen Po-
sitionen gekommen, um sich nach gründlicher Abwä-
gung der Argumente auf den nun vorliegenden Vor-
schlag einer einmaligen Stichtagsverschiebung zu
verständigen. Deshalb denke ich, dass wir mit dem Ge-
setzentwurf einen vermittelnden Vorschlag vorlegen, den
viele Kolleginnen und Kollegen mittragen können.

Wir erhalten damit die Substanz des gefundenen Mit-
telweges. Was wollten denn die Väter und Mütter des
Stammzellgesetzes? – Ich begrüße in diesem Zusam-
menhang Margot von Renesse und Wolf-Michael
Catenhusen auf der Zuschauertribüne. – Wir wollten
doch einen Ausgleich zwischen Lebensschutz auf der ei-
nen Seite und Freiheit der Forschung und dem berechtig-
ten Interesse kranker Menschen an neuen Therapiemög-
lichkeiten auf der anderen Seite. Wir setzen das mit dem
vermittelnden Vorschlag in Verantwortung fort und er-
möglichen, dass dieser Weg begehbar bleibt und nicht
nur auf dem Papier besteht.

Ich danke.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1614203400

Das Wort erhält nun der Kollege Volker Kauder.


Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1614203500

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wir haben in Europa zwei große Traditionen.
Die erste große Tradition ist die Forschungstradition.
Mit dieser Forschungstradition haben wir unglaublich
viel für die Welt und die Menschen bewegt. Wir haben
Ergebnisse erzielt, die die Menschen zum Staunen ge-
bracht haben. Wir haben Ergebnisse erzielt, die junge
Menschen dazu bewogen haben, sich den Naturwissen-
schaften zu widmen. Diese große Forschungstradition ist
ungebrochen. Deshalb ist es völlig richtig, wenn die
Bundesregierung und insbesondere die Forschungsmi-
nisterin, aber auch wir in der EU die Forschung in ganz
besonderer Weise fördern und unterstützen. Wir müssen
als Deutscher Bundestag alles daran setzen, dass die
Bundesregierung und insbesondere die Forschungsmi-
nisterin das Ziel erreichen können, die Forschung in Eu-
ropa voranzubringen.

Wir haben eine zweite große Tradition, die ihren ers-
ten Höhepunkt in der Aufklärung hatte. Wir sind uns
darüber bewusst geworden, dass der Mensch nicht ein-
fach als naturwissenschaftliches Produkt, sondern auch
als geistiges Wesen in der Welt ist. Der Mensch hat sich
immer gefragt, ob es Grenzen seines Handelns gibt oder
ob er alles, was er kann, auch wirklich darf. Die Qualität
des Menschen zeichnet aus, dass er sich fragt, welche
Konsequenz sein Handeln hat, dass er nicht nur auf For-
schung und Innovation schaut. Diese zweite große Tradi-

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(C (D ionslinie besagt, dass der Mensch nicht alles darf, was r kann. Unbestritten war und ist, dass der Mensch nie um Objekt werden darf, dass er nie verzweckt werden arf, sondern dass er in seiner Menschenwürde immer ls Ebenbild Gottes betrachtet werden muss. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Heute führen wir eine Diskussion darüber, was Tech-
ik, Innovation und Wissenschaft können. Ich will gar
icht bestreiten, dass es da Möglichkeiten gibt, wenn-
leich all diejenigen, die von den großen Möglichkeiten
er embryonalen Stammzellen sprechen, den Beweis da-
ür noch schuldig geblieben sind und noch keine Ant-
ort auf die Frage haben, was passiert, wenn Fehlent-
icklungen stattfinden. Aber diese Frage will ich gar
icht weiter vertiefen.

Ich glaube vielmehr, dass die ganz entscheidende
rage, die gestellt werden muss, lautet: Wann beginnt
enschliches Leben?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ie Antwort auf diese Frage entscheidet darüber, was
ch mit den Zellen machen darf und was nicht. Da es da-
über unterschiedliche Auffassungen gibt, haben wir
eute eine Debatte, die losgelöst von Fraktionsvorgaben
st. Jeder ist seinem Gewissen verantwortlich. Es ist völ-
ig richtig, dass die Frage, wann menschliches Leben
eginnt, eine Frage der Definition ist. Sie wird in ver-
chiedenen Kulturen und von verschiedenen Religionen
nterschiedlich beantwortet. Der Respekt vor diesen Re-
igionen gebietet es mir, mich mit dieser Frage auseinan-
erzusetzen. Ich komme zu einer für mich ganz eindeuti-
en und klaren Position, und die heißt: Da ich nicht
undertprozentig weiß – das ist eine Definitionsfrage,
nd eine Definition hängt natürlich immer von denen ab,
ie die Definition geben –, wann menschliches Leben
eginnt, bin ich in Respekt vor der Würde des Menschen
nd der Ebenbildlichkeit Gottes der Auffassung, den
ermin zum frühestmöglichen Zeitpunkt anzusetzen
nd nicht zum spätestmöglichen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ch komme zu der Überzeugung, dass die Ei- und die Sa-
enzelle das eine sind, aber dass mit der Verbindung

on Ei- und Samenzelle etwas ganz Neuartiges entsteht,
twas, mit dem sich der Start des Lebens verbindet und
it dem Leben weitergeht. Jeder, der diese Position

icht vertritt, muss mir sagen, wann Leben beginnt.

Ich glaube, die entscheidende Frage heute – die müs-
en sich alle vorlegen – ist nicht, ob der Stichtag ver-
choben werden soll oder nicht, sondern entscheidend
st: Wenn ich dem Embryo menschliche Lebensqualität
ugestehe, dann verbietet sich Forschung an ihm, und
ann darf ich auch nicht aus der Dritten Welt oder von
onst wo die Zellen herholen. Da kann ich nur sagen,
as der Moraltheologe Eberhard Schockenhoff und an-






(A) )



(B) )


Volker Kauder
dere sagen: Das fortgesetzte Rechnen mit fremdem,
nicht selbst begangenem Unrecht erschüttert die eigene
moralische Glaubwürdigkeit.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Weil ich zu der Überzeugung komme, dass der Start
des menschlichen Lebens unwiderruflich mit der Ver-
schmelzung von Ei- und Samenzelle beginnt, was wir im
Übrigen auch im Embryonenschutzgesetz formuliert ha-
ben, bin ich der Auffassung, dass wir an den Embryonen
nicht forschen dürfen. Deswegen bin ich gegen eine Ver-
schiebung des Stichtages.


(Jörg Tauss [SPD]: Wir reden von Stammzellen!)


Der Kollege Jochen Borchert hat im Jahr 2002 genau das
formuliert, was heute eintritt: Es wird nicht beim Stich-
tag bleiben, er wird verschoben werden. –


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage Ihnen: Es wird auch nicht bei diesem Stichtag
bleiben. Es gibt nämlich nur die Alternative: Wenn der
Embryo menschliches Leben ist, dann nein, und wenn er
es nicht ist, dann brauche ich auch keinen Stichtag; dann
stellen sich die Fragen ganz neu.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich werbe für klare Positionen, und ich werbe dafür, dass
wir den Embryo als den Startschuss des menschlichen
Lebens betrachten, sodass niemand mehr sagen kann,
dass das menschliche Leben später beginnt. Allein der
frühestmögliche Zeitpunkt hilft, menschliches Leben zu
schützen.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614203600

Das Wort hat nun Kollegin Cornelia Pieper.


(Beifall bei der FDP)



Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1614203700

Sehr geehrter Präsident! Meine Damen und Herren!

Lieber Herr Kauder, nachdem Sie die Debatte mit der
Frage, wann menschliches Leben beginnt, fortgesetzt ha-
ben, möchte ich an dieser Stelle auch namens der FDP-
Fraktion an eine andere wichtige Debatte ethischer Kul-
tur erinnern, nämlich an die Debatte zum Schwanger-
schaftsrecht mit der Fristenlösung. Auch damals haben
wir uns verantwortungsbewusst der Frage gestellt: Wann
beginnt menschliches Leben? Wir haben aus meiner
Sicht sehr verantwortungsbewusst zwischen dem Schutz
des ungeborenen Lebens und dem Selbstbestimmungs-

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(C (D echt von Frauen abgewogen. Ich meine, dass die ösung, die wir gefunden haben, nämlich eine Fristenlöung mit einer Beratungspflicht, eine sehr verantworungsbewusste Lösung war, die man mit dieser Debatte eute nicht wieder infrage stellen sollte, Herr Kauder, ie Sie es getan haben. Wir müssen uns bewusst machen, dass es in der Deatte, die wir heute zum Stammzellgesetz führen, soohl um den Schutz des ungeborenen Lebens als auch m die Unversehrtheit des Lebens geht, also um die thik des Heilens. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte ganz bewusst an die Worte der Kanzlerin
n ihrer ersten Regierungserklärung erinnern – daran er-
nnere ich mich immer sehr gerne.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!)


ie wissen, was kommt: „mehr Freiheit wagen!“

Ich zitiere die Kanzlerin:

Wir müssen auf die Freiheit der Entwicklungsmög-
lichkeiten in der Nano-, Bio- und Informationstech-
nologie setzen.

Der Staat darf nicht glauben, er wisse selber, was da
am besten zu tun sei, sondern wir müssen die Be-
gutachtung durch die Wissenschaftsorganisationen
in den Vordergrund rücken.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Ulrike Flach [FDP]: Da hat sie recht!)


So, wie es die Kanzlerin damals formuliert hat, will
ch es heute auch tun. Ich finde es nicht richtig, dass wir
n der Debatte heute – in einigen Beiträgen kam das ein
isschen zum Vorschein – den Wissenschaftlerinnen und
issenschaftlern nicht verantwortungsbewusstes Han-

eln unterstellen. Denn auch sie diskutieren natürlich
thische Fragen. Wir alle wissen doch, dass selbst in der
entralen Ethik-Kommission für Stammzellenfor-
chung namhafte Stammzellenforscher mitarbeiten und
nter strengen ethischen Auflagen Entscheidungen für
orschungsprojekte mit embryonalen Stammzellen tref-
en.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deshalb möchte ich heute die Leopoldina, die älteste
kademie der Naturwissenschaften – ich gratuliere Frau
chavan noch einmal zu der Entscheidung, die Leopol-
ina zur Nationalen Akademie der Wissenschaften zu
achen –, zitieren. Die Leopoldina hat in ihrer Stellung-

ahme zur Stammzellenforschung erklärt:

Es ist wissenschaftlich trotz wiederholter anderer
Aussagen aus Politik und Medien allgemein aner-
kannt, dass beim derzeitigen Kenntnisstand die
ethisch unbedenklichen adulten Stammzellen die
humanen embryonalen Stammzellen auch im Sta-
dium der Forschungsentwicklung nicht ersetzen
können. Dies ist in zahlreichen Studien zur Regene-






(A) )



(B) )


Cornelia Pieper
ration von Herzgewebe mit Knochenmarkstamm-
zellen gezeigt worden.

Professor Steinhoff, ein Ihnen bekannter Stammzel-
lenforscher aus Rostock, der sich mit der Regeneration
von Zellgewebe des Herzens befasst, hat es in einer An-
hörung, die wir im Mai vergangenen Jahres durchgeführt
haben, vor dem Forschungsausschuss folgendermaßen
formuliert:

Die wissenschaftliche Untersuchung von Stamm-
zellen ist Lebensforschung, und zwar von der ersten
Sekunde des Lebens bis zur letzten Sekunde, und
da kann man Stammzellen nicht trennen in embryo-
nal, fötal oder adult. Sie alle können nicht ohne
Stammzellenerhalt leben. … Deshalb können wir
aus Sicht der Klinik und der adulten Stammzellfor-
schung nicht auf die embryonale Stammzellfor-
schung verzichten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, das ist der Punkt. Aus
meiner Sicht ist es auch wichtig, in diesem Zusammen-
hang noch einmal die Ethik des Heilens in den Vorder-
grund zu stellen. Wozu machen wir denn Forschung?
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen
doch nicht aus Selbstzweck. Wir machen Forschung im
Dienste des Menschen, zum Wohle der Menschen.
Dank der Forschung ist es heute beispielsweise schon
möglich, viele Krebsarten zu bekämpfen. Aber als die
Grundlagenforschung in diesem Bereich begonnen hat,
war sie natürlich ergebnisoffen. So ist es auch heute bei
der Stammzellforschung. Wenn sich Chancen auf Hei-
lung eröffnen könnten, dann dürfen wir uns dem doch
nicht versperren.

Herr Hüppe, Sie haben gesagt, dass einige Verbände
– Sie haben die Behindertenverbände angesprochen – zu
Recht nicht wollen, dass mit embryonalen Stammzellen
geforscht wird. Aber man kann doch nicht gleichzeitig
anderen Menschen, die für sich persönlich entscheiden,
dass sie geheilt werden möchten, Therapien verwehren,
die irgendwann zur Verfügung stehen.

Ich zitiere das Grundgesetz:

Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Un-
versehrtheit.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber doch nicht auf Kosten anderer!)


Diesem Grundrecht fühlen wir uns verpflichtet.

Es sind für mich auch Zweifel angebracht, ob das be-
stehende Stammzellgesetz in der Tat dem Grundrecht
auf Forschungsfreiheit standhält; Frau Reiche hat es
schon angesprochen. Auch eine Verschiebung des Stich-
tages wird dieses Dilemma nicht lösen. Das hat auch
Herr Professor Schöler, einer der weltweit bekanntesten
Stammzellforscher, in der letzten Anhörung im For-
schungsausschuss zum Ausdruck gebracht.

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(C (D „Deutsche Stammzellforscher können international ur noch schwer mithalten“, sagt Hans-Peter Schreiber, eiter des Novartis-Ethikrates. Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen. Ich glaube, dass wir gut daran tun, gerade am For chungsstandort Deutschland Zeichen zu setzen, uns icht einer Entwicklung zu versperren, die unter ethichen Prinzipien gut ist und die aus meiner Sicht auch otwendig ist, um den Standort Deutschland weiterhin n der Spitze zu halten, vor allen Dingen um Menschen u helfen, die schwer krank sind. Deswegen votiere ich ür den Fall des Stichtages, und ich votiere vor allen ingen für die Entkriminalisierung der Forscher in die em Land. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614203800
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1614203900


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614204000

Das Wort hat nun Eberhard Gienger.


Eberhard Gienger (CDU):
Rede ID: ID1614204100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit

er Biotechnologie verbinden sich wie in fast keinem an-
eren Forschungsgebiet große gesellschaftliche Hoff-
ungen. Aber diese Hoffnungen werden auch begleitet
on Ängsten und Sorgen. Vielen Menschen wird „un-
eimlich“. Sie fragen sich: Sind denn die Forscher die
euen Zauberlehrlinge des Lebens? Sie fürchten ethische
ammbrüche, die unsere Gesellschaft verändern könn-

en.

Die Menschen erwarten von der Politik aber zu Recht,
ass sie die Rahmenbedingungen so setzt, dass neue
echnologien zum Positiven genutzt werden können.
ie Diskussion um die Stammzellforschung hat eine be-

ondere Dimension, besonders für Abgeordnete, die sich
m christlichen Menschenbild orientieren.

Als Forschungspolitiker stehe ich hier wie viele an-
ere Mitglieder dieses Hohen Hauses vor der enormen
erausforderung, unsere klare Position zum Lebens-

chutz verantwortlich in Einklang zu bringen mit den
erechtigten Interessen der Forschung. Mit dem Antrag
ur einmaligen Verschiebung des Stichtages glauben wir
inen guten Weg gefunden zu haben, mit dem wir die
ubstanz des 2002 erlangten Kompromisses fortschrei-
en und erhalten können. Aus forschungspolitischer
icht geht es mir dabei in erster Linie um die Vereinbar-
eit von Lebensschutz und Verpflichtung zum Heilen;
um anderen geht es mir darum, die rechtlichen Rah-
enbedingungen dafür zu setzen, dass geforscht werden

ann. Zugegeben, das ist keine einfache Aufgabe. Die
eisten von uns befinden sich hier in einem Dilemma.

Als vor fast sechs Jahren das Stammzellgesetz verab-
chiedet wurde, ist den deutschen Forschern erlaubt wor-
en, mit humanen embryonalen Stammzellen zu arbei-






(A) )



(B) )


Eberhard Gienger
ten, ohne jedoch Anreize für die Tötung von Embryonen
zu geben. Das muss auch so bleiben.

Mit der Stichtagverschiebung zum 1. Mai 2007 haben
wir einen Kompromiss gefunden, dem sich die Forscher,
ein großer Teil der evangelischen Kirche und auch viele
Katholiken dieses Hohen Hauses anschließen können.
Ein Stichtag ist ein wirksames Instrument, um zu verhin-
dern, dass von Deutschland ein Anreiz ausgeht, Embryo-
nen für die Herstellung von Stammzelllinien zu töten.
Einen solchen Anreiz wollen wir definitiv nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir lehnen deshalb die gänzliche Aufhebung des
Stichtages entschieden ab. Eine Aufhebung ist auch
nicht nötig, da wir eine erfolgreiche Reprogrammierung
von menschlichen Hautzellen zu Zellen mit embryona-
len Eigenschaften demnächst erwarten dürfen. Deswe-
gen können wir davon ausgehen, dass wir in absehbarer
Zeit auch auf embryonale Stammzellen verzichten kön-
nen. Doch bis es so weit ist, müssen Forscher die repro-
grammierten embryonalen Stammzellen miteinander
vergleichen können.

Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass auf For-
schungsarbeiten mit humanen embryonalen Stammzel-
len derzeit nicht verzichtet werden kann. Grund-
lagenkenntnisse für mögliche spätere therapeutische
Ansätze können zum Teil nur in parallelen Arbeiten an
adulten sowie an embryonalen Stammzellen gewonnen
werden. Professor Ho, der nur an adulten Stammzellen
arbeitet, hat hier in einer Anhörung vor einigen Monaten
gesagt: Ohne die Kenntnisse der embryonalen Stamm-
zellen hätte ich es nicht so weit gebracht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir wollen demzufolge der Forschungsfreiheit und auch
dem Interesse der kranken Menschen an der Entwick-
lung neuer Therapien angemessen Rechnung tragen.

Uns ist es wichtig, dass die Grundausrichtung des be-
stehenden Gesetzes nicht verändert wird. Es geht um die
Anpassung an neue wissenschaftliche Erkenntnisse
und Herausforderungen.

Wir befinden uns unausweichlich in einem Dilemma.
Die Werteorientierung für uns heißt: Lebensschutz. Aber
dies beinhaltet auch die Verantwortung für die gebore-
nen Menschen und deren Lebenswürde. Diese Verant-
wortung verpflichtet uns, Krankheiten zu bekämpfen
und Heilungschancen zu nutzen. Eine einmalige Ver-
schiebung des Stichtags ist aus meiner Sicht nicht nur
eine verantwortbare Lösung; sie ist aus meiner Sicht eine
gute Lösung. Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zu
folgen.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614204200

Nun hat Fritz Kuhn das Wort.

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(C (D Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Präsi ent! Für mich ist eine vernünftige und kluge Definition essen, was ein Embryo ist, der Satz: Ein Embryo ist ein ukünftiges Kind zukünftiger Eltern. – Er kann – desween bin ich gegen eine Stichtagsverschiebung – nicht als ohstoff oder als Zellmaterial angesehen werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1614204300

Jürgen Habermas hat in einer wichtigen Schrift zur
rage der Bioethik einmal gesagt, dass die Instrumenta-

isierung des vorpersonalen Lebens unser gattungsethi-
ches Selbstverständnis – wie wir uns in unserer Kultur
it den Traditionen, die wir haben, definieren – aufs
piel setzen würde, also das, was wir in unserer Kultur
nter Menschsein verstehen. Deswegen sage ich: Bei all-
em, was die Tür dazu öffnet, aus dem Embryo einen
ohstoff für Heilungsprozesse zu machen, haben wir

s mit einer gefährlichen Fragestellung zu tun; über die
renzen haben wir ernsthaft zu diskutieren.

Wir diskutieren – Herr Kauder hat es vorhin darge-
tellt – in einer Welt der naturwissenschaftlichen Zweck-
ittel-Relation, aber auch in einer moralischen Welt der

thik. Es gibt in der Ethik seit langem, seit David
ume, einen Grundsatz, der lautet: Du darfst keinen na-

uralistischen Fehlschluss begehen. – Es ist unzulässig,
n ethischen Diskussionen aus dem Sein auf das Sollen
u schließen.


(Beifall beim BÜNDNISS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Weil es faktisch Ungerechtigkeit gibt, dürfen wir Unge-
echtigkeit akzeptieren“, das wäre ein Beispiel für einen
aturalistischen Fehlschluss.

Das heißt übrigens auch: Aus einem prognostizierten
ein – mit Stammzellenforschung heilen wir jetzt noch
nheilbare Krankheiten; das ist ja eine Hoffnung oder
in vages Versprechen – darf nicht abgeleitet werden,
as wir heute tun müssen. Wenn wir dies anfangen – an
ieser Stelle schaue ich Frau Kollegin Flach an –, hebeln
ir systematisch alle ethischen, moralischen Diskussio-
en aus. Dann gibt es nämlich nichts anderes mehr. Aus
er Möglichkeit, die übrigens in allem steckt, dieses oder
enes zu tun, müssen wir dann, moralisch gezwungen,
ieses oder jenes zulassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)


er dies macht, hebelt die Ethik aus und verlässt syste-
atisch die Spannung zwischen Kausalität und morali-

cher Verantwortung – das sind die zwei Welten, die
ollege Kauder angeführt hat –, indem er die Ethik nicht
ehr entsprechend zur Geltung bringt.

Deswegen: Vorsicht vor dieser Argumentation: „Wir
üssen, weil es das Ausland macht, weil die Hoffnung

aran hängt“! Diese Argumentation ist – ich will es den
ollegen nicht persönlich unterstellen –


(Jörg Tauss [SPD]: Tun Sie aber!)







(A) )



(B) )


Fritz Kuhn
in logischer Konsequenz durchdacht meines Erachtens
eine Kapitulation vor der ethischen Grundfrage, und
die heißt seit Kant: Was dürfen wir tun? Die muss mit ei-
gener Vernunft und darf nicht nur mit Verweis darauf,
was andere tun, beantwortet werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)


Ich will jetzt noch etwas zum Thema Kompromiss
sagen; da war ich doch ein bisschen erstaunt. Herr Kol-
lege Röspel, was wir im Jahr 2002 beschlossen haben,
war, fand ich, ein Kompromiss und nicht ein Mittelweg.
Ich war erstaunt über den Begriff Mittelweg. Ich sage Ih-
nen: Es war deswegen ein Kompromiss, weil er für beide
Seiten – die Lösung war ja der Stichtag – Zumutungen
bedeutet hat. Für viele von uns war dieser Kompromiss
eine Zumutung, aber wir haben gesagt: Obwohl wir eine
eindeutige Auffassung von der Bedeutung von Embryos
haben, machen wir bei der Festlegung eines einmaligen
Stichtages mit, weil wir das Argument, mit der Gewäh-
rung von Forschungsfreiheit in diesem Bereich könne
man möglicherweise Heilmethoden für bisher unheilbare
Krankheiten entwickeln, gewertet und gewichtet haben.

Ihr Vorschlag, den Stichtag „einmalig“ zu verschie-
ben, stellt für uns ein Abrücken von diesem Kompromiss
dar. Ich fühle mich sogar ein wenig betrogen, nachdem
ich 2002 den Kompromiss mitgetragen habe. Ich will Ih-
nen das erläutern: Damals war der Kontext, dass die Ver-
fechter der embryonalen Stammzellforschung doch sehr
stark argumentiert haben, dass sie gute Hinweise hätten,
dass durch entsprechende therapeutische Eingriffe bisher
unheilbare Krankheiten geheilt werden könnten.


(Widerspruch des Abg. René Röspel [SPD])


Dieses Argument ist in den letzten sieben Jahren sehr
stark in den Hintergrund getreten. Wenn man jetzt aus
den gleichen Gründen sagt, man müsse den Stichtag
weiter nach hinten verschieben, dann nimmt man das,
was sich in der Zwischenzeit getan und gezeigt hat, nicht
besonders ernst.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Herr Röspel, wir wollen fair diskutieren. Ich will Ih-
nen nichts unterstellen.


(Jörg Tauss [SPD]: Darum bitte ich!)


Man muss aber auch schon streiten und Auseinanderset-
zungen ertragen können. Alle wissen doch – Sie sind ja
auch Politiker –, welches Signal wir, wenn wir jetzt ei-
nen neuen Stichtag festlegen, an das Ausland und die
ganze Forschungscommunity senden. Das Signal ist ein-
deutig:


(René Röspel [SPD]: Dass es jetzt eine andere Situation ist!)


Immer dann, wenn neue Argumente – jetzt übrigens
schwächere als damals – ins Feld geführt und breit über
die Medien transportiert werden, hat man eine ausrei-

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(C (D hende Begründung für die Festlegung eines neuen tichtages. Deswegen sage ich: Wer sich dafür einsetzt, dass wir inen neuen Stichtag beschließen, der gibt damit einen auerauftrag für weitere Stichtagsverschiebungen auf. ch finde, das sollten wir nicht tun. Das war nicht die eschäftsgrundlage für den Kompromiss des Jahres 002. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614204400

Das Wort hat nun Thomas Oppermann.


Thomas Oppermann (SPD):
Rede ID: ID1614204500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kant ist

eute in unserer Debatte mehrfach und auch zu Recht zi-
iert worden, so von Herrn Schily und von Herrn Kauder.
uch mein Vorredner Kuhn hat es versucht. Kant hat in

einer Kritik der reinen Vernunft die richtigen Fragen für
nsere Debatte formuliert. Sie lauten: „Was kann ich
issen?“, „Was soll ich tun?“ und „Was darf ich hof-

en?“.

Die Stammzellforschung hat zunächst einmal etwas
it Wissen zu tun. Es handelt sich nicht um eine Thera-

ieforschung. Es geht darum, die grundlegende Funk-
ionsweise von Zellen, von Zellveränderungen und von
enschlichem Leben herauszufinden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)


evor wir zu Heilmethoden und Therapien kommen,
üssen wir erst einmal die Wissensbasis dafür erarbei-

en, müssen wir durch Forschung erst einmal das not-
endige Wissen dafür erlangen. Deshalb geht die Kritik,
ie hier teilweise formuliert worden ist, dass nach so und
o vielen Jahren noch keine Therapien entwickelt wur-
en, das alles daher nichts gebracht habe und man jetzt
uf adulte Stammzellen zurückgreifen müsse, völlig an
er Sache vorbei.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)


Stammzellforschung ist Grundlagenforschung.
rundlagenforschung ist zunächst einmal die Erweite-

ung des Wissens, also die Verschiebung der Grenzen
enschlichen Wissens, Schritt um Schritt. Aber medizi-

ische Grundlagenforschung von heute hilft auch den
rkrankten von morgen und übermorgen. Übrigens ver-
anken wir die medizinischen Heilbehandlungsmöglich-
eiten, die wir heute genießen, der Grundlagenforschung
on vor 50 oder 100 Jahren. Deshalb ist die Frage, wie
ir mit vielversprechenden, mit aussichtsreichen For-

chungsansätzen bei der embryonalen Stammzellfor-
chung umgehen, auch eine Frage, an der sich die Mög-
ichkeiten entscheiden, die künftige Generationen haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und der LINKEN)







(A) )



(B) )


Thomas Oppermann
Meine Damen und Herren, was sollen wir tun? Sollen
wir am Stichtag festhalten, sollen wir ihn verschieben,
oder sollen wir ihn ganz aufgeben? Ich plädiere konse-
quenterweise dafür, ihn ganz aufzuheben. Die deutsche
Stichtagsregelung mit dem Stichtag 1. Januar 2002 hat
ganz offenkundig und ganz erkennbar keinen Einfluss
auf die Nutzung von Embryonen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Auch ohne Veranlassung oder Anreizwirkung aus
Deutschland sind in den letzten Jahren weltweit rund
500 embryonale Stammzelllinien etabliert worden.
Wenn die deutschen Forscher durch eine Verschiebung
oder Aufhebung des Stichtages jetzt Zugang zu diesen
neuen, hochwertigen Stammzelllinien bekommen, dann
können sie den Anschluss an die internationale For-
schung gewinnen. Aber vermutlich müssten wir schon in
wenigen Jahren den Stichtag erneut verschieben, weil
dann noch bessere Linien zur Verfügung stehen. Ich rate
davon ab.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Ich finde es im Übrigen ohnehin hochproblematisch,
dass wir einerseits den Import von überzähligen auslän-
dischen Embryonen erlauben, gleichzeitig aber die Ver-
wendung überzähliger inländischer Embryonen unter
Strafe stellen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)


Das ist für mich ein schwerer Wertungswiderspruch. Ich
kenne keinen einzigen Grund, warum inländische Em-
bryonen schutzwürdiger sein sollten als ausländische
Embryonen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)


Das Argument, mit den adulten Stammzellen könnten
die gleichen Erfolge erzielt werden, ist nicht redlich. Es
ist schon darauf hingewiesen worden: Die embryonale
Stammzellforschung ist notwendige Grundlagenfor-
schung, um die Funktionsweise von adulten Stammzel-
len präzise verstehen zu können. Wenn wir adulte
Stammzellen für die Therapie wollen, dann brauchen wir
gerade deshalb mehr Forschung mit embryonalen
Stammzellen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Was dürfen wir hoffen, meine Damen und Herren?
Durch verantwortbare Forschung mit embryonalen
Stammzellen können wir neue, grundlegende Erkennt-
nisse über die Entwicklung, die Degeneration und die
Regeneration von menschlichen Zellen gewinnen. Das
könnte für die Lebensqualität, die Gesundheit und die
Lebenschancen künftiger Generationen eine ganz we-
sentliche Verbesserung sein. Dafür zu arbeiten, haben
wir als aufgeklärte Menschen das Recht, aber auch die
Pflicht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)


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(C (D Das Wort hat Brigitte Zypries. Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle en! Wenn wir heute über die Änderung des Stammzellesetzes diskutieren, dann sind drei Aspekte, mit denen ir es zu tun haben, von sehr großer Bedeutung: Erstens eht es um die Grenzen der Wissenschaft, sowohl verassungsrechtlich als auch ethisch. Nicht alles, was an iomedizin heute oder künftig möglich ist, wollen oder önnen wir zulassen. Zweitens geht es neben dem mediinischen Fortschritt um die Chancen, schwere Krankeiten künftig besser zu heilen und dadurch menschlihes Leben zu retten. Drittens geht es um den orschungsstandort Deutschland und die vom Grundgeetz garantierte Freiheit der Forschung. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614204600
Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1614204700

s geht darum, ob unsere Wissenschaftler auch in Zu-
unft international konkurrenzfähig bleiben können.

Das Stammzellgesetz von 2002 sah einen vernünfti-
en Ausgleich zwischen allen Belangen – den Belangen
er Medizin, der Forschung und des Schutzes embryona-
en Lebens – vor. Heute, sechs Jahre später, müssen wir
eststellen, dass das geltende Recht diesen Ausgleich
icht mehr hinreichend gewährleistet. Die bisherige
tichtagsregelung schränkt die Forschungsmöglichkei-

en für die heutige Zeit zu stark ein. Die Stammzelllinien
us der Zeit vor dem Stichtag reichen quantitativ und
ualitativ nicht mehr aus. Deshalb meine ich: Wir brau-
hen eine Änderung des Gesetzes. Ich meine auch, dass
ine Verschiebung des Stichtages verfassungsrechtlich
inwandfrei und in der Sache richtig ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Für mich ist klar, dass auch der Embryo in der Petri-
chale kein beliebiger Zellhaufen ist. Er ist menschli-
hes Leben, und unser Grundgesetz verlangt ausdrück-
ich, Leben zu schützen. Dafür, wie wir das tun, gibt uns
ie Verfassung allerdings einen Spielraum. Wir sind ver-
flichtet, diesen Spielraum zu nutzen, und zwar verant-
ortungsvoll.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


ur so können wir auch anderen Verfassungsgütern oder
nderen Facetten der staatlichen Schutzpflicht Geltung
erschaffen, zum Beispiel der Forschungsfreiheit oder
er Verpflichtung des Staates, die Menschen bestmög-
ich vor Krankheiten zu schützen.

Mit dem Embryonenschutzgesetz und der neuen
tichtagsregelung im Stammzellgesetz gelingt uns ein
ernünftiger Ausgleich zwischen diesen verschiedenen
erfassungsgütern. Das Embryonenschutzgesetz verbie-

et die Tötung von Embryonen zur Gewinnung von
tammzellen. Dabei bleibt es. Dieses Verbot steht nicht
ur Disposition.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Brigitte Zypries
Wenn wir jetzt den Stichtag einmalig verschieben,
dann erlauben wir der Forschung, mit Stammzellen zu
arbeiten, die bereits vor dem Stichtag bestanden. Wir
schützen zugleich das embryonale Leben, weil von
Deutschland auch künftig kein Anreiz ausgeht, Embryo-
nen zur Gewinnung von neuen Stammzellen zu töten.

Die Verschiebung des Stichtages ist eine gute und
verfassungsrechtlich vernünftige Lösung. Wir sichern
damit eine weitere Stammzellforschung in Deutschland,
und wir schaffen die Grundlage für Verbesserungen etwa
in der Transplantationsmedizin und in der Krebsbe-
kämpfung. Schließlich begründen wir damit die zusätzli-
che Hoffnung, dass gerade diese Forschung dazu führt,
dass die Wissenschaft auf die Nutzung embryonaler
Stammzellen schon bald völlig verzichten kann.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614204800

Das Wort hat nun Maria Eichhorn.


Maria Eichhorn (CSU):
Rede ID: ID1614204900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

menschliche Würde ist unantastbar. Dies gilt für mich
vom Beginn bis zum Ende des menschlichen Lebens.
Deshalb habe ich im Jahr 2002 zusammen mit weiteren
262 Kolleginnen und Kollegen gegen den Import embryo-
naler Stammzellen und gegen die Stichtagsregelung ge-
stimmt. Die Kernargumente von 2002 gelten heute ge-
nauso wie vor sechs Jahren. Diese Grundüberzeugung
kommt im Gesetzentwurf Hüppe zum Ausdruck. Wir,
die 52 Unterzeichner, wollen deutlich machen, dass eine
Forschung mit menschlichen Embryonen auch heute
ethisch nicht zu vertreten ist.

Die Forschung an menschlichen embryonalen
Stammzellen setzt die Tötung von Embryonen voraus.
Deshalb lautet die Schlüsselfrage, der wir uns immer
wieder stellen müssen: Wann entsteht menschliches Le-
ben? Natürlich gibt es unterschiedliche Positionen. Aber
man muss für sich selbst eine Entscheidung treffen. So-
lange nichts anderes bewiesen wird, ist für mich klar:
Menschliches Leben beginnt mit der Zeugung. Von die-
sem Augenblick an entwickelt sich ein eigenständiger
Mensch mit all seinen Anlagen und Fähigkeiten. Damit
beginnt die Entwicklung dieses einen unverwechselba-
ren Menschen. Nach meiner vollen Überzeugung muss
das Leben bereits ab diesem Zeitpunkt geschützt wer-
den.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Jede andere Bestimmung des Zeitpunkts für den Be-
ginn des vollen Schutzes menschlichen Lebens ist will-
kürlich. Würden wir dem Menschen nicht von Anfang
an in jedem Stadium die volle Würde zuerkennen, so kä-
men wir schnell in Gefahr, auch am Ende des Lebens bei
Krankheit oder Gebrechlichkeit diese Zuerkennung der
menschlichen Würde infrage zu stellen.

Der Lebensschutz verträgt keine Relativierung. For-
schung an embryonalen Stammzellen ist ethisch bedenk-
lich, weil für ihre Herstellung die Tötung menschlicher

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(C (D mbryonen erforderlich ist. Der Zweck heiligt nicht die ittel. ie Verheißungen der Forschung rechtfertigen nicht, ass menschliches Leben getötet wird. Das gilt auch für ie sogenannten überzähligen Embryonen. Das Recht uf Leben und körperliche Unversehrtheit steht nach einer festen Überzeugung höher als die Forschungs reiheit. Liebe Kolleginnen, uns Frauen kommt in den Fortflanzungstechnologien und in der Embryonenforschung ine Schlüsselrolle zu. Die embryonale Stammzellforchung basiert auf der Verfügbarkeit von Eizelle und mbryo. Das führt dazu, dass Frauen in einigen Ländern egen Bezahlung dazu animiert werden, Eizellen für die orschung zu liefern. Damit werden wir Frauen zu Rohtofflieferanten. Hier wird Menschenwürde verletzt. ott sei Dank gibt es das bei uns nicht. Aber nur wenn ir die ethischen Grundsätze bewahren, wird das bei uns o bleiben. In den letzten Jahren wurden pluripotente adulte tammzellen entdeckt, die sich in Zellen unterschiedliher Gewebe entwickeln, für deren Gewinnung weder mbryonen noch Eizellen von Frauen benötigt werden nd die nach Aussagen der Wissenschaftler nicht von mbryonalen Stammzellen zu unterscheiden sind. Die orschung an adulten Stammzellen entspricht den orstellungen der Mehrheit der deutschen Bevölkerung, or allem denen der Frauen. Aus einer Umfrage von Infratest im Januar dieses ahres geht hervor, dass sich 61 Prozent der Gesamtbeölkerung, aber 70 Prozent der Frauen für die adulte und egen die embryonale Stammzellforschung aussprechen. 5 Prozent der deutschen Frauen wollen darüber hinaus, ass in Deutschland keine menschlichen Embryonen zu orschungszwecken erzeugt und zerstört werden. Das ollte uns nachdenklich machen. Deutschland nimmt schon heute in der adulten tammzellforschung einen internationalen Spitzenplatz in. Dieser muss weiter ausgebaut werden. Forschung an dulten Stammzellen ist nicht nur ethisch unbedenklich, ondern auch therapeutisch aussichtsreicher; das ist eute schon mehrmals gesagt worden. Wenn wir uns auf iese Forschung konzentrieren und unseren Einsatz daür verstärken, liegt dies im Interesse der Patienten und m Interesse von Forschung und Medizin. Es muss dazu ein einziger Embryo getötet werden. Gehen wir diesen Weg, liebe Kolleginnen und Kolleen. Denn der Schutz des menschlichen Lebens hat öchste Priorität. Das Wort hat nun Petra Sitte. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Behut same Novellierung des Stammzellgesetzes ist die Fortschreibung des Stammzellkompromisses“, haben René Röspel und andere ihren Antrag überschrieben. In der Tat gibt dieser Antrag wie auch der von Frau Flach und anderen eingebrachte Gesetzentwurf der medizinischen Stammzellforschung in Deutschland eine Perspektive. Beide Richtungen belassen es trotz Stichtagsveränderung bei den weltweit strengsten Auflagen zur öffentlichen Kontrolle und gegen eine Kommerzialisierbarkeit dieser Forschung. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und der FDP)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614205000

(Beifall bei der LINKEN)





(A) )


(B) )

Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614205100

Es handelt sich daher nicht um eine Ausweitung der
Stammzellforschung, wie immer wieder zu hören ist;
vielmehr geht es um die Suche nach neuen Hei-
lungschancen, ergänzend zu herkömmlichen Therapien.
Das heißt, die Stammzellforschung wird fortgesetzt. Am
Ende eines zugegebenermaßen langen Forschungsweges
soll eine auf den einzelnen Patienten oder die einzelne
Patientin zugeschnittene Behandlung von solchen
Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer oder des
Herzinfarktes stehen. Solange diese Forschungen nicht
umfassend geschehen sind, diese Chancen nicht seriös
erforscht worden sind, könnte ich persönlich niemandem
erklären, weshalb die medizinische Stammzellforschung
in Deutschland erheblich eingeschränkt wird.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und der FDP)


Darauf liefe aber eine Beibehaltung des alten Stichtages,
wie in dem von Frau Hinz und anderen eingebrachten
Gesetzentwurf gefordert, hinaus. In dem von Herrn
Hüppe und anderen eingebrachten Gesetzentwurf wird
diese Forschung faktisch verboten.

Nun wird gesagt, die Stammzellforschung solle sich
auf alternative, ethisch unbedenkliche Methoden der Ge-
winnung von Stammzellen konzentrieren. Es wird auf
adulte Stammzellen oder auf reprogrammierte adulte
Stammzellen verwiesen. Auch ich glaube, dass darin
langfristig die Zukunft von Stammzelltherapien liegt. Ob
die Erwartungen zu erfüllen sind, ist aber nicht ohne ver-
gleichende Forschung an embryonalen Stammzellen
einzuschätzen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und der FDP)


Dabei könnten die weltweit etwa 500 vorhandenen
embryonalen Stammzelllinien helfen. Bliebe es beim al-
ten Stichtag, wären – das ist schon mehrfach gesagt
worden – für die deutsche Forschung eben nur 21 ver-
unreinigte Linien nutzbar. Die so erzielten Ergebnisse
sind – das wird klar belegt; das hat sich auch in der An-
hörung gezeigt – unter Umständen verfälscht. Ich ver-
weise allein auf die Schädigungen von Chromosomen.

Mit einer Stichtagsverschiebung ließen sich For-
schungen aus anderen Ländern zu besonderen Risiken
aller Stammzelltypen, insbesondere das Problem der Tu-
morbildung, vergleichen und ergänzen. Wenn nun einge-

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(C (D andt wird, dass die embryonale Stammzellforschung och keine klinischen Anwendungen hervorgebracht at, dann ist das zweifelsohne richtig. Das hat hier auch iemand behauptet. Medizinische Forschungen sind nun inmal so komplex, dass in bestimmten Feldern über ahrzehnte geforscht wird. Das zeigt der Kampf gegen ids. Ich will einfach einmal einwerfen, dass die Mediamentenentwicklung im Durchschnitt 10 bis 15 Jahre auert. Menschliche embryonale und reprogrammierte ellen werden frühestens in 15 Jahren klinische Bedeu ung erlangen, sagen seriöse Stammzellforscher. Die Zulässigkeit medizinischer Stammzellforschung tand und steht im Zentrum bioethischer Debatten; denn ie Zellentnahme führte bislang – es gibt, wie gesagt, uch andere Methoden – zum Verlust von Embryonen. ch meine, der Schutz vorgeburtlichen Lebens und der enschenwürde einerseits sowie die Hoffnung auf Heiung und die Forschungsfreiheit andererseits müssen imer wieder aufs Neue miteinander in Einklang gebracht erden. Es gibt weder einfache Antworten im Umgang it menschlichem Leben noch gibt es einen Königsweg u einer neuen Therapie. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. René Röspel [SPD])


Unsere Rechtsordnung schützt den Embryo in Abhän-
igkeit von seiner vorgeburtlichen Entwicklungsphase.
as Selbstbestimmungsrecht der Mutter geht unter Um-

tänden dem Lebensrecht des Embryos bzw. Fötus vor.
leichwohl wird ein drei Tage alter achtzelliger Embryo

m Reagenzglas absolut geschützt, obwohl ihm erst mit
einer Einnistung in die Gebärmutter die reale Chance
uf Menschwerdung eröffnet wird.

Selbstverständlich bedarf es des strengen Schutzes.
erstörung und Verzweckung des Embryos verhindert
as Embryonenschutzgesetz. Dabei bleibt es auch nach
iner Stichtagsverschiebung. Das Stammzellgesetz voll-
ieht aber insoweit eine ethische Abwägung, als es aus-
ahmsweise für ethisch hochstehende Ziele die Einfuhr
nd Forschung an bestehenden Stammzelllinien aus dem
usland erlaubt.

Die Befürchtungen von 2002, dass Deutschland den
eg uferloser Embryonenforschung geht, haben sich

icht erfüllt.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und der FDP sowie der Abg. Ilse Aigner [CDU/CSU])


aran haben verantwortungsbewusste Wissenschaftle-
innen und Wissenschaftler, ein transparentes Genehmi-
ungsverfahren und die Zentrale Ethik-Kommission für
tammzellforschung einen erheblichen Anteil. Ethisch
mstrittene Forschung bedarf öffentlicher Kontrolle und
örderung. Schließlich ist Transparenz das beste Mittel
egen Missbrauch und Kommerzialisierung.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und der FDP sowie der Abg. Ilse Aigner [CDU/CSU])


Abschließend: Ich finde, das Bemühen um neue The-
apien für kranke Menschen ist ein wichtiges und ein






(A) )


)

Dr. Petra Sitte
ethisch hochstehendes Ziel. Auch diese Menschen haben
ein Recht auf Schutz ihrer körperlichen Unversehrtheit
und ihrer Würde. Deswegen stimme ich für eine Ver-
schiebung des Stichtages. Das ist eine behutsame und
ethisch verantwortbare Lösung.

Danke schön.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD sowie der Abg. Ilse Aigner [CDU/ CSU])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614205200

Wie vereinbart, erhält jetzt Monika Knoche das Wort

zu einer Kurzintervention.


Monika Knoche (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614205300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Da-

men! Ich melde mich zu einer Kurzintervention, um
deutlich zu machen, dass ich mich sehr geärgert habe.
Ich möchte mein Unverständnis über das Verhalten eini-
ger Antragstellerinnen und Antragsteller in diesem
Hause äußern. Sie haben sich zu Gruppenanträgen zu-
sammengefunden, um das breite Spektrum der Meinun-
gen zu diesem sehr wichtigen Thema, das in allen Frak-
tionen, auch in der Fraktion Die Linke vorhanden ist,
zum Ausdruck zu bringen.

Es ist nicht möglich gewesen, uns als in dieser Frage
engagierte Linke – auch ich habe sehr intensiv an der
Thematik zum Jahr 2002 gearbeitet – auf die Liste der
Initiatorinnen und Initiatoren dieser Gruppenanträge zu
setzen. Das ist Frau Petra Sitte mit ihrer Position ge-
nauso ergangen wie mir.

Im Ergebnis bedeutet das, dass es der Fraktion der
Linken heute nicht möglich ist, hier in diesem Haus die
Breite der Auffassungen darzustellen. Das halte ich an-
gesichts der Bedeutung dieser Thematik für vollkommen
unangemessen,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD)


und das ist in dieser Debatte nicht wiedergutzumachen.
Ich hoffe sehr, dass wir im Verlaufe des Beratungsver-
fahrens ernsthaft die Chance haben, dass sich die Kolle-
gialität und das parlamentarische Gebaren wieder dahin
gehend einpendeln, wie es ehedem war.

Eine Position – ich und sehr viele Mitglieder meiner
Fraktion vertreten diese – lautet, dass es hier um die
grundlegende Frage des Verbotes der Instrumentali-
sierung menschlichen Lebens geht, dass es darum geht,
dass wir Grenzen ziehen müssen gegenüber den Begehr-
lichkeiten einer Forschung, die auf der künstlichen Er-
zeugung und Zerstörung menschlichen Lebens aufbaut.
Im Sinne einer Entwicklung einer humanistischen Hu-
manmedizin müssen die Voraussetzungen für Forschung
und für eventuelle therapeutische Anwendungen den
Prinzipien der Menschenwürde und des Lebensschutzes
gerecht werden. Wir haben in unserer Verfassung das
Verbot der fremdnützigen Forschung als eine wichtige
zivilisatorische Errungenschaft festgehalten. An diesen
Prinzipien müssen wir uns messen. Es kann nicht ange-

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(C (D en, dass das Parlament, das eine so wesentliche Entcheidung bereits getroffen hat, heute von ständig neuen orderungen der Forschung überhäuft wird und seine rundsätze und Prinzipien infrage stellen muss. Deshalb bitte ich die Öffentlichkeit um Verständnis afür, dass es der Fraktion der Linken in der Gänze heute icht möglich war, an dieser Debatte teilzunehmen. Es ag nicht an uns. Sie können gewiss sein, dass wir alle nstrumente nutzen, um die Breite unserer Auffassungen er Öffentlichkeit zur Kenntnis zu geben. Meine Damen und Herren, damit in der Öffentlichkeit ein falscher Eindruck entsteht, will ich ausdrücklich saen: Erstens sind Vertreter der Fraktion Die Linke, wenn ch es richtig gesehen habe, bei allen Vorlagen als Untereichner bzw. Antragsteller dabei. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614205400

weitens. Es war vereinbart worden, dass es hier nicht
m Fraktionsmeinungen geht, sondern um individuelle
einungen,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


ewissensüberzeugungen, die dargestellt werden, die
ich nicht nach Fraktionen richten. Ich möchte das nur
larstellen; alles andere ist der Diskussion zugänglich.

Nun erteile ich Wolfgang Wodarg das Wort.


Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Rede ID: ID1614205500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das An-

iegen, jetzt neue Regeln aufzustellen und den Stichtag
u verschieben, wurde nicht von den Patienten vorge-
racht. Es kommt von Forschern in Deutschland, die
ine bestimmte Forschungsrichtung gefahren haben, die
ich darauf verlassen und öffentliche Gelder für ihre For-
chung bekommen haben. Diese Forscher sind auf dem
olzweg. Sie kommen nicht in die Nähe dessen, was sie
en Menschen und uns hier im Hause versprochen ha-
en. Sie haben uns versprochen, dass das, was sie tun, zu
rößeren Heilungschancen führen wird und dass daraus
herapien entwickelt werden können.

Man wollte menschliche Embryonen klonen, um Zel-
en zu erhalten, die nicht abgestoßen, sondern vom
örper des Patienten akzeptiert werden. Das ist ein ganz
roßer Umweg, für den sehr viele Embryonen und sehr
iele Eizellen benötigt werden. Das ist so abwegig, dass
an noch nicht einmal an klinische Versuche denken

ann; auch die Tumorgefahr ist hierbei sehr groß. Das ist
lso ein völliger Holzweg in Bezug auf Therapien. Das
st hier heute ganz häufig angeklungen.

Jetzt lautet das Argument: Aber wir müssen das, was
ir tun, mit dem, was andere tun, vergleichen. Wir brau-

hen das. – Wieso eigentlich? Wieso ist das der Stan-
ard, der verglichen werden muss? Das ist nichts weiter

(B)







(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Wodarg
als der Versuch, mit etwas in der Diskussion zu bleiben,
das überholt ist und nicht benötigt wird; die Forschung
ist bereits fortgeschritten.

Wir haben im Bereich embryonaler Stammzellen na-
türlich ganz interessante Erkenntnisse erlangt. Aus
embryonalen Stammzellen, die aus Tieren gewonnen
worden sind, haben wir international über Programmie-
rung und Reprogrammierung grundsätzliche Erkennt-
nisse gewinnen können. Aber für das, was wir jetzt un-
terstützen und woran wir weiterarbeiten wollen, nämlich
dass es irgendwann einmal Therapien gibt, dass Hei-
lungschancen für Menschen geschaffen werden, brau-
chen wir die embryonale Stammzellforschung nicht. Das
ist das letzte Zucken derjenigen, die in der Sackgasse
sind. Das Ganze ist wissenschaftlich nicht notwendig.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn wir dem zustimmten, würden wir etwas aufgeben,
das wir kaum wiedergutmachen können. Wir haben
durch unseren Kompromiss schon viel aufgegeben.

Ernst-Wolfgang Böckenförde, ehemaliger Richter am
Bundesverfassungsgericht, hat einmal etwas resigniert
gesagt: „Die Würde des Menschen war unantastbar.“
Wir haben das Prinzip der Unantastbarkeit der Würde
des Menschen und dieses gegenseitige Versprechen der
Menschen relativiert. Denn wir haben gesagt: Es gibt
auch solche Fälle, in denen man Menschen töten darf
– dass es sich hierbei um Menschen handelt, ist unstrit-
tig –, weil der höhere Zweck, anderen Menschen zu hel-
fen, dies rechtfertigt.

Diesen Kompromiss, der sehr strittig war, sind wir
eingegangen. Der Deutsche Bundestag hat sich vor einer
konsequenten Haltung gedrückt. Wir haben gesagt: Da
das in der Vergangenheit passiert ist, können wir das
nicht „reparieren“. Da wir aber nicht die Augen vor den
Ergebnissen verschließen wollen, werden wir die Ergeb-
nisse, die erzielt wurden, nutzen. Das haben wir getan,
und zwar mit großen Bauchschmerzen. Das gilt insbe-
sondere für diejenigen in diesem Hause, die einander
achten und davon ausgehen, dass auch diejenigen, die
eine andere Position vertreten, gute Argumente haben.
Wir haben das getan, weil wir die Regeln für dieses Land
aufstellen müssen.

Jeder in diesem Hause muss aber wissen, dass der
Grund für die damals unterschiedlichen Sichtweisen da-
durch nicht vom Tisch ist. Er ist weiterhin vorhanden.
Wenn wir den Stichtag jetzt verschieben, dann heißt das,
dass wir uns auf eine völlig andere, auf eine sehr utilita-
ristische, also von Nutzenerwägungen geprägte Ebene
begeben. Dann muss man tatsächlich fragen: Was soll
das nutzen? Am Anfang meiner Rede habe ich bereits
gesagt: Es nutzt nichts.

Jetzt geht es darum, ob wir uns dafür entscheiden,
embryonale Stammzellen zu „vernutzen“ und damit in-
direkt immer wieder einen Anreiz zu schaffen, dass an-
derswo auf der Welt – natürlich nicht bei uns; wir sind
ganz sauber – für uns aus Embryonen, die getötet wer-
den, Stammzellen gewonnen werden. Die Argumente,
die für diese Entscheidung sprechen, sind schlechter als

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(C (D ie Gegenargumente. Heute gibt es weniger gute ründe, die dafür sprechen, als es bei der letzten Debatte u diesem Thema vor einigen Jahren der Fall war. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich stehe zu unserem Kompromiss, weil ich dieses
aus achte und weil ich denke, dass wir Rechtssicher-
eit brauchen. Die Menschen müssen wissen, worauf sie
ich verlassen können, und sie müssen uns ernst nehmen.
ch denke, wenn wir den Stichtag verschieben, dann
erden uns die Bürger und die Forscher nicht mehr ernst
ehmen können.

Deshalb bitte ich Sie alle: Lassen Sie uns zu dem gu-
en Kompromiss, den wir gefunden haben, stehen. Wir
ürfen die Basis unseres Zusammenlebens nicht aus
utzenerwägungen relativieren oder sogar aufgeben.
as können und dürfen wir nicht machen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614205600

Das Wort hat nun Patrick Meinhardt.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)



Patrick Meinhardt (FDP):
Rede ID: ID1614205700

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen

nd Kollegen! In Anbetracht der bisherigen Debatten-
eiträge kann ich feststellen: Meiner Meinung nach ist
eute ein besonderer Tag der Parlamentskultur. Im Laufe
ieser auch für mich sehr bewegenden Debatte über die
ukunft der Stammzellforschung haben sich überra-
chend neue Überzeugungsgemeinschaften gebildet, und
war jenseits von Fraktions- und Koalitionsgrenzen und
iesseits von Ethik und Forschungsfreiheit. Deswegen
önnen wir Parlamentarier wirklich stolz darauf sein,
ass wir diese ernste Debatte mit so großem Respekt und
o großer Achtung vor der Meinung des anderen führen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU und der SPD)


Ein wesentliches Ziel der heute zur Beratung anste-
enden Vorlagen besteht darin, die Rechtsunsicherheit,
ie für im Rahmen internationaler Forschungsverbünde
ätige deutsche Forscher entstanden ist, zu beenden.
iese Rechtsunsicherheit muss durch eine Klarstellung

m Stammzellgesetz, durch die die Wirkung des Geset-
es nur auf das Inland beschränkt wird, beseitigt werden.
uch wenn dieser Aspekt in der öffentlichen Debatte
islang nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, ist
r für die Forschungsgemeinschaft von nachhaltiger Be-
eutung. Wir sind es unseren Forschern schuldig, für
echtssicherheit zu sorgen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in einer
elt, in der es grausame Krankheiten gibt, die wir mit-

ilfe der Stammzellforschung bekämpfen können und
üssen, ist eine sinnvolle Forschungspolitik wichtig.






(A) )



(B) )


Patrick Meinhardt
Wir müssen sie aber immer wieder unter ethischen Ge-
sichtspunkten hinterfragen. Als Abgeordneter und als
bekennender Christ muss ich mir immer wieder die
Frage stellen, welche Entscheidung ich mit meinem Ge-
wissen vereinbaren kann. Ich füge ganz bewusst hinzu:
Wir werden zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen
kommen, auch wenn wir von ein und demselben ethi-
schen Fundament ausgehen; diese Demut gehört zur
heutigen Debatte hinzu.

Die Bewahrung der Schöpfung Mensch ist sicherlich
der oberste Maßstab. Dies beinhaltet aber auch und ge-
rade die Ethik des Heilens. Genau wie der EKD-Rats-
vorsitzende, Bischof Huber, sehe ich die Forschung an
embryonalen Stammzellen als eine Gratwanderung, die
mit einer einmaligen Verschiebung des Stichtages auf
den 1. Mai 2007 nur zeitlich begrenzt vertretbar ist. Die
EKD spricht in diesem Zusammenhang von einem scho-
nenden Ausgleich der beiden so essenziellen Grund-
werte des Lebensschutzes und der Forschungsfreiheit.

Ich habe großen Respekt vor denjenigen, die sagen,
dass der Schutz der Würde des Menschen sie zu einem
Nein zur embryonalen Stammzellforschung kommen
lässt. Ich habe aber auch großes Verständnis für diejeni-
gen, die von hier aus, wenige Hundert Meter von der
Charité entfernt, dem Ort der biologischen und medizini-
schen Zellrevolution, wie es im Spiegel von dieser
Woche zu lesen ist, der Forschung noch mehr Möglich-
keiten einräumen wollen. Umso mehr müssen wir im
Rahmen einer verantwortungsvollen Forschungspolitik
Alternativen fördern.

Bei der Forschung an adulten Stammzellen befin-
det sich Deutschland im internationalen Vergleich auf ei-
nem hohen Niveau. Dies sollte uns dazu motivieren,
noch besser zu werden. Durch den kürzlich erfolgten
Durchbruch bei der Reprogrammierung von Hautzellen
eröffnet sich möglicherweise ein neuer Weg. Trotzdem
muss der veränderten Sachlage Rechnung getragen wer-
den, dass zurzeit nur noch immer schlechter verwend-
bare Stammzelllinien für die so wichtige Forschung zur
Verfügung stehen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die gesetzlichen
Regelungen dürfen nicht so restriktiv ausfallen, dass die
Forschung ins Ausland geht und später eimmal Heilmit-
tel gegen Querschnittslähmung, Krebs und Aids, die auf
Ergebnissen genau dieser Forschung beruhen, aus dem
Ausland eingeführt werden, um hier Menschen zu retten.

Deshalb müssen wir konsequent entscheiden: Chan-
cen, die sich durch die Forschung ergeben, müssen ge-
nutzt werden; sie müssen der Menschheit zugänglich ge-
macht werden. Wir als Gesetzgeber haben aber die
Verpflichtung, hierfür einen klaren Gestaltungsrahmen
zu setzen. Solch eine klare Haltung des Parlamentes auf
der Grundlage des Beschlusses von 2002 ist deswegen
sicherlich ein ethisch vertretbarer Weg. Oder um es mit
Professor Klaus Tanner von der Universität Halle-Wit-
tenberg zu sagen:

Parlamentarische Kompromissbildung ist in solch
einer Situation kein schwächliches Kapitulieren,

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(C (D sondern Ausdruck des Ethos der parlamentarischen Demokratie. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die einmalige
tichtagsverlegung ist solch ein parlamentarischer Kom-
romiss, ist solch eine Gratwanderung, solch ein scho-
ender Ausgleich. Die heutige Diskussion verlangt je-
em von uns ab, dass er mit sich um die bestmögliche
ntscheidung ringt. In dem Wissen darum, dass wir mit
ieser Entscheidung immer auch Schuld auf uns laden,
ietet diese Vorlage die Chance, den wichtigen Bogen
wischen der Ethik des Heilens und der Ethik des Le-
ens zu spannen. Deutschland verträgt solch eine ethisch
undamentierte Forschungsfreiheit.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU und der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614205800

Das Wort hat nun Michael Brand.


Michael Brand (CDU):
Rede ID: ID1614205900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine Rede fällt mir heute nicht leicht und ich bitte Sie

m einen kurzen Moment der Aufmerksamkeit für eine
ersönliche Schilderung. Ich nehme an dieser besonde-
en Debatte vor dem Hintergrund besonderer Umstände
eil, wie sie vielen von uns sicherlich bekannt oder selbst
chon begegnet sind.

Nach dieser Debatte werde ich mich nach Hause zu
einer Familie begeben, um meinen krebskranken
chwiegervater in seiner letzten Lebensphase zu beglei-

en. Gestern Abend war der Pfarrer da und hat den Ro-
enkranz gebetet. Meine Frau hat mir gestern Abend am
elefon nochmals gesagt, dass ich hier heute meinen
eitrag zu dieser so wichtigen Debatte leisten soll.

So will ich mich auf die Kernpunkte unserer Debatte
eschränken. Ich wollte diese persönliche Bemerkung
ber deswegen machen, weil mir in den letzten Wochen
ei den Diskussionen viele begegnet sind, die gesagt ha-
en – Herr Tauss, es ist so, dass die Diskussion so ge-
ührt wurde –: Na ja, die einen sind für das Heilen zu-
tändig und die anderen wissen nicht, wovon sie reden.

Mein Vater ist vor fast acht Monaten nach vielen Ope-
ationen an einem Herzleiden gestorben. Im Jahre 1973,
einem Geburtsjahr, ist er kurz nach meiner Geburt an
rebs erkrankt. Ich habe jetzt erlebt, dass mein Schwie-
ervater alles versucht hat, bis hin zum Krebsfor-
chungszentrum in Heidelberg. Wir alle stehen vor der
rage, was zu tun ist, um die Chancen auf Heilung zu
erbessern. Wie gehen wir diesen Weg zur Heilung der
enschen, ohne das zentrale Gebot des Schutzes der
ürde und des Lebens der Menschen zu verletzen?

Ich habe auch deswegen diese persönliche Bemer-
ung gemacht, liebe Frau Kollegin Flach, weil schon im
itel des Gesetzentwurfes, den Sie unterzeichnet haben,






(A) )



(B) )


Michael Brand
„für eine menschenfreundliche Medizin“ steht. Ich will
Ihnen das nicht ersparen: Ich finde es sehr anmaßend, in
der Diskussion so zu argumentieren. Deswegen will ich
es Ihnen auch nicht ersparen, so zu antworten.

Sie haben davon gesprochen, dass Sie den Kranken-
haustourismus verhindern wollen. Mit diesem Argument
müssten Sie hinsichtlich der Sterbehilfe genauso sagen:
Bevor auf deutschen Parkplätzen Medikamente verab-
reicht werden, lassen wir die Sterbehilfe zu. Ich sage Ih-
nen dazu nur: Hilfe; denn ich glaube, es muss Grenzen
geben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Ja, deswegen machen wir das Gesetz!)


Wir verzeichnen in Deutschland und weltweit beacht-
liche Erfolge in der Forschung mit adulten Stammzellen,
zum Beispiel bei Herztherapien, Leukämie, Leberkrebs
und anderen schweren Krankheiten. Da dies nicht allen
hilft, wünscht man sich gerade in der konkreten Situa-
tion mehr Hilfe und hofft man auf mehr Fortschritte. Al-
lerdings stimme ich Kollegin Schmidt, Kollegen Schily,
Kollegen Hüppe und auch Volker Kauder ausdrücklich
zu: Manche Entscheidung entzieht sich eben einem wie
auch immer gewünschten Kompromiss.

Meine Überzeugung ist klar: Wir können eine weitere
Aufweichung der Grenzen bei der Stammzellfor-
schung nicht verantworten.


(Jörg Tauss [SPD]: Welche Aufweichung?)


Lieber Herr Kollege Meinhardt: Bei allem Leid, bei aller
Standortdebatte und auch bei mancher Diskriminierung
ethischer Überzeugungen können wir eines nicht zulas-
sen, nämlich die Tötung menschlichen Lebens. Das ist
einfach nicht hinnehmbar.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. René Röspel [SPD])


Für mich persönlich heißt ethischer Standard, dass
dies unabdingbar ist. Das bedeutet, dass ich bei dieser
Gewissensfrage nicht anders kann, als gegen den Ge-
setzentwurf für die embryonale Stammzellforschung zu
stimmen; denn die Nutzung der embryonalen Stammzel-
len setzt nun einmal das Töten von Menschen voraus.
Vor diesem Fakt kann sich niemand drücken, kein For-
scher, kein Politiker und auch kein anderer Mensch.


(Rolf Stöckel [SPD]: Das ist Ihre Auffassung!)


Der Verweis auf andere Länder, andere ethische
Sichtweisen und andere Traditionen hilft hier nicht wei-
ter. Wir alle haben uns die Frage zu stellen, ob die ein-
malige, ausnahmsweise vorgenommene Setzung eines
Stichtages aus dem Jahr 2002 gerechtfertigt oder relativ
ist. Bleiben wir bei den Standards in den gesetzten Gren-
zen oder durchbrechen wir diese Grenzen?

Dass der Mensch und seine Würde unter dem beson-
deren Schutz unserer Verfassung stehen, ist ein großarti-
ges und in vielen Ländern nicht selbstverständliches, ho-
hes Gut. Das dürfen wir nicht gefährden, auch nicht
Schritt für Schritt. Alle Wissenschaft und alle Forschung

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(C (D ind zu Recht frei, aber sie stehen unter diesem Vorbealt. Heute geht es um die Frage, wer hier diese Grundechte bei einer kleinen Frage mit großer Wirkung vereidigt. Ich glaube – das zeigt auch die große Ablehnung ur Stammzellenforschung bei jungen Menschen –, dass ir ein hohes Risiko eingingen, wenn wir uns bei konreten einzelnen Forschungsvorhaben nicht an die weit ezogenen, aber strikt einzuhaltenden Grenzen unserer erfassung halten. Ich möchte Sie alle deshalb aufrufen, die Büchse der andora nicht weiter zu öffnen. Ich wende mich vor al em an die Zweifler, also an diejenigen, die sich noch ragen, ob der Stichtag dieses eine Mal noch einmal verchoben werden kann. Und ich stelle die zentrale Frage: laubt irgendjemand hier im Saal ernsthaft daran, dass ir diese zweite Verschiebung nach dem Prinzip „Aufeschoben ist nicht aufgehoben“ beschließen und später ie Schleuse wieder schließen können? Es muss niemand meine persönliche Einstellung zum chutz des menschlichen Lebens teilen, aber eines ist in ieser Debatte doch ganz wichtig: Wenn wir heute der erschiebung zustimmen, dann ist es vorbei; denn dann ird eine Grenze überschritten, die nicht mehr zu schlieen ist. ach aller Erfahrung wird sie dann immer weiter verchoben. Ich möchte Sie daher herzlich bitten: Tun wir das icht. Lassen wir uns nicht dazu bringen, aus durchaus berzeugend erscheinenden Gründen einen schweren ehler zu begehen, den wir nicht mehr ungeschehen mahen können. Wir müssen mehr als bisher tun, um die erolgreiche Forschung an adulten Stammzellen, Alternatien mit Nabelschnurblut und vieles andere zu raschen rgebnissen zu bringen. Es ist und bleibt bitter, dem Tod und dem Leid ausgeetzt zu sein und manchmal einfach machtlos davorzutehen. Dennoch bitte ich Sie an diesem besonderen Tag: eben wir nicht die Grenzen auf, bleiben wir bei den rundfragen menschlichen Lebens wachsam, tun wir itte nicht alles, was uns technisch möglich ist, weil wir ehr als die Würde und die Achtung vor dem menschli hen Leben verlieren könnten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Richtig!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614206000

Das Wort hat nun Horst Seehofer.


Horst Seehofer (CSU):
Rede ID: ID1614206100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Ich werde mich mit einigen Wertungswidersprü-
hen beschäftigen, die mich bewegen, seit ich Gesund-
eitspolitik betreibe.






(A) )



(B) )


Horst Seehofer
Ich habe heute niemanden gehört, der dafür eingetreten
wäre, dass menschliche Embryonen zu Forschungszwe-
cken produziert werden. Vielmehr geht es ausschließlich
um den Fall, wie wir Stammzellen behandeln, die aus
Embryonen gewonnen werden, die für eine Schwanger-
schaft produziert wurden, dafür aber nicht benötigt wer-
den. Das ist ein ganz wichtiger Punkt;


(Jörg Tauss [SPD]: Ja!)


denn damit müssen wir alle die Frage beantworten,
wieso wir keine öffentliche Debatte über die Tatsache
führen, dass solche überzähligen Embryonen zum Tod
verurteilt werden, wenn sie für die Schwangerschaft
nicht gebraucht werden, wohl aber eine Debatte über
eine Forschung an Stammzellen aus solchen Embryo-
nen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Man darf sie töten, aber nicht Forschung betreiben!)


– Ja, die Tötung ist möglich, nicht aber die Forschung.
Dies ist ein gewaltiger Wertungswiderspruch.

Daher stelle ich, der ich für eine Verschiebung des
Stichtags eintrete, jedenfalls für meine Person fest: Es
geht nicht um eine Änderung des Embryonenschutzge-
setzes – das ist ganz wichtig –, es geht nicht um die Pro-
duktion von Embryonen zu Forschungszwecken, und die
Forschungsfreiheit erhält keinen Vorrang vor der Men-
schenwürde. Diese eindeutige Lage kann niemand be-
zweifeln.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Auch für diejenigen, die für den Stichtag oder seine Ver-
schiebung eintreten, steht die Achtung der Menschen-
würde an vorderster Stelle.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Mich bewegt dieses Thema der Wertungswidersprü-
che so stark, weil im Grunde nur eine gesellschaftliche
Kraft, die katholische Kirche, in diesem Punkt in sich
schlüssig argumentiert, nämlich von der künstlichen Be-
fruchtung bis zur Forschung an Stammzellen überflüssi-
ger Embryonen. Alle anderen beschäftigen sich nicht mit
diesem Wertungswiderspruch, dass Embryonen getötet
werden, wenn sie für die Schwangerschaft nicht ge-
braucht werden, aber bei der Forschung sehr wohl wie-
der in den Mittelpunkt der ethischen Betrachtung treten.


(Rolf Stöckel [SPD]: Das stimmt!)


Wir müssen uns diesen Spiegel in vielen Bereichen
selbst vorhalten. Wir haben ethische Regeln für die
Transplantation, die uns aber nicht daran hindern, täglich
in Deutschland Organe zu implantieren, die in Europa
nach ganz anderen ethischen Regeln gewonnen worden
sind. Wir haben ethische Regeln für die Präimplanta-
tionsdiagnostik, die uns überhaupt nicht daran hindern,
täglich in der deutschen Medizin im Ausland gewonnene
Erkenntnisse der Präimplantationsdiagnostik anzuwen-
den. Wir haben ethische Regeln für Blutspenden und die

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(C (D roduktion von Blutprodukten, was uns überhaupt nicht aran hindert, Blutprodukte, die nach ganz anderen ethichen Regeln zum Beispiel in Amerika gewonnen woren sind, in Deutschland tagtäglich einzusetzen, weil wir onst unsere Versorgung nicht sicherstellen könnten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Das ist die Wahrheit!)


Auf diesen Punkt wollte ich hinweisen, weil es hier
icht um die Frage geht, ob man Embryonen für For-
chungszwecke produziert, sondern ausschließlich da-
um, ob man aus überzähligen Embryonen Stammzellen
ür die Forschung gewinnen darf. Deswegen ist die
hese einfach falsch, dass Leben zerstört werde, um for-
chen zu können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Meine Damen und Herren, wer sich in der Medizin
uskennt, kommt an der Realität nicht vorbei. Da bin ich
her auf der Seite der Mehrheitsmeinung bei der FDP.
ie Stammzellforschung ist eines der am ehesten zu-
unftsträchtigen und vielversprechenden Felder der
iomedizin. Damit verbinde ich ausdrücklich kein
eilsversprechen. Aber es gehört zum Wesen der
rundlagenforschung, dass man das Ergebnis nicht vor-
ersagen kann. Wenn wir erreichen wollen, dass heute
och nicht beherrschbare oder nicht heilbare Krankhei-
en überwunden werden können, dann brauchen wir die
rundlagenforschung an embryonalen Stammzellen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


nsofern werden wir einen Prozess erleben, der die
oraussetzung dafür ist, dass heute noch nicht be-
errschbare Krankheiten überwunden werden können.

Jetzt komme ich zu dem entscheidenden Punkt, wa-
um ich für eine Verlegung des Stichtags bin – in Ame-
ika wurde die gleiche Debatte geführt –: Ohne einen
tichtag bestünde in der Tat die Gefahr, dass im Zuge
er künstlichen Befruchtung überzählige Embryonen
roduziert würden, um umfangreicheres Material für
orschungszwecke zu erhalten. Deshalb ist ein Stichtag
otwendig, der in der Vergangenheit liegt, damit die Ge-
ahr, dass wegen der Forschung im Zuge der künstlichen
efruchtung überzählige Embryonen entstehen, vermie-
en wird.

Ich selbst bin zu dem Ergebnis gekommen, dass es
icht um einen blinden Fortschrittsglauben geht; es geht
ielmehr um eine sorgfältige Güterabwägung. Ich
laube, dass diejenigen, die für eine Verlegung des
tichtags eintreten, für sich in Anspruch nehmen kön-
en, für einen ethisch verantwortlichen Fortschritt einzu-
reten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614206200

Das Wort hat nun Norbert Geis.






(A) )



(B) )


Norbert Geis (CSU):
Rede ID: ID1614206300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich stimme mit Horst Seehofer darin überein,
dass die Freiheit der Forschung nicht unbegrenzt sein
kann. Auch wenn Art. 5 des Grundgesetzes keinen Ge-
setzesvorbehalt kennt, gilt für die Forschung eine imma-
nente Schranke, wenn ein höheres Rechtsgut der For-
schung entgegensteht. Das sind immer das Leben und
die Würde des Menschen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Insofern stellt sich die Frage, ob der Embryo Würde
und ein Recht auf Leben hat.

Ich stimme mit den meisten in diesem Hause auch da-
rin überein, dass der Embryo von Anfang an ein Mensch
ist. Denn wir alle haben als Embryo angefangen. Das ist
der Beginn unseres Lebens. Wenn dies so ist, dann gilt
der Grundsatz, dass der Embryo von Anfang an – nach
Verschmelzung von Ei und Samenzelle – Würde und das
Recht auf Leben hat. Deshalb ist der Staat verpflichtet,
dieses Grundrecht gegen die Forschung zu schützen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Das gilt auch vor der Nidation. Die Nidation ist die
Voraussetzung für den Fortgang des Lebens. Diese Vo-
raussetzungen gelten aber auch für den geborenen Men-
schen. Es gibt immer wieder Momente, in denen es da-
rauf ankommt, dass ein Hindernis beiseitegeschoben
wird, damit das Leben seinen Fortgang nehmen kann.
Die Nidation ist nichts anderes. Sie ist kein neuer soge-
nannter qualitativer Sprung; vielmehr ist der Mensch
auch vor der Nidation ein Mensch. Ich glaube, dass man
auch diese Überlegung anstellen muss.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hinzu kommt ein weiterer Punkt. Horst Seehofer hat
eben ausgeführt, dass bei der Konservierung der soge-
nannten – so würde ich es lieber ausdrücken – überzäh-
ligen Embryonen eine Tötung erfolgt. Das ist nicht der
Fall. Embryonen, die konserviert werden, werden nicht
getötet. Sonst müssten sie schließlich nicht konserviert
werden. Sie sterben aber, wenn die Konservierung been-
det wird.


(Jörg Tauss [SPD]: Ja!)


Aber das ist etwas anderes.


(Jörg Tauss [SPD]: Jetzt wird es semantisch!)


– Lieber Herr Tauss, lassen Sie mich ausreden! Ich habe
Sie auch nicht gestört. Wir haben eine hervorragende
Debatte geführt, und ich möchte, dass wir in Ruhe wei-
terreden können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nach meiner Auffassung ist es etwas anderes, jeman-
den sterben zu lassen, als ihn zu töten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D as ist ein wesentlicher Unterschied. Deswegen ist die ben getroffene Folgerung nicht richtig, dass bei der onservierung eine Tötung erfolgt, der „überzählige“ mbryo aber nicht getötet werden darf, wenn es um Forchung geht. Dann wird er aber getötet. Der sogenannte berzählige Embryo wird dann zu Forschungszwecken etötet. Um den Embryo zu schützen, haben wir aber das mbryonenschutzgesetz, das offensichtlich auch nieand aufheben will. In Deutschland darf kein Embryo etötet werden, um daraus Stammzellen zu gewinnen. iesen Grundsatz wollen wir beibehalten. Das ist in der iskussion nicht ganz deutlich zum Ausdruck gekomen. Nun kommt ein weiterer Punkt. Die aus dem getöteen Embryo gewonnene Stammzelle ist mit dem mbryo nicht identisch; das muss man anerkennen. Sie at deshalb keinen unmittelbaren Anspruch auf Schutz es Lebens und der Würde. Aber sie steht in einem enen Verhältnis zum Embryo. Sie war Embryo, bevor der mbryo getötet wurde, um sie zu gewinnen. Deswegen irkt das Recht auf Leben – das wissen wir seit der Mehisto-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus inem anderen Zusammenhang –, der Anspruch auf ürde gewissermaßen über den Tod des Embryos hi aus und erstreckt sich auch auf die embryonale Stammelle. Deswegen tun wir uns so schwer und haben einen tichtag eingeführt. Von Deutschland soll kein Anreiz usgehen, Embryonen im Ausland zu töten, um daraus tammzellen zu gewinnen. Dies haben wir 2002 so bechlossen. Richtiger wäre die Auffassung von Hubert üppe, der sagt: Auch dann darf es keine Forschung an tammzellen geben. Das ist konsequent. Darauf haben er Kollege Schily und andere hingewiesen. Man kann igentlich nur Ja oder Nein sagen; denn wenn man davon usgeht, dass auch die Stammzelle Würde hat, weil sie om Embryo stammt, dann darf man daran eigentlich icht forschen. Wir haben aber den Kompromiss aus dem Jahre 2002 u achten; davon müssen wir ausgehen. Nun geht es daum, ob wir den Stichtag, den wir eingeführt haben, dait kein Embryo im Ausland getötet wird, um in eutschland an Stammzellen zu forschen, verschieben. ch schließe mich hier all den Argumenten an, die von olker Kauder in sehr eindrucksvoller Weise vorgetraen wurden. Wenn wir den Stichtag aufgeben, werden ir im Ausland nicht mehr ernst genommen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


on Deutschland wird dann der Anreiz ausgehen, im
usland Embryonen zu töten, um Stammzelllinien nach
eutschland einzuführen.


(Jörg Tauss [SPD]: Nein!)


Diese Befürchtung muss man haben, Herr Tauss. Sie
iegt auf der Hand.


(Jörg Tauss [SPD]: Nein!)


Wir werden nicht mehr ernst genommen werden. Au-
erhalb Deutschlands wird man sagen: Die Deutschen






(A) )



(B) )


Norbert Geis
meinen es mit ihrem Stammzellgesetz nicht ganz so
ernst, genauso wenig wie mit ihrem Embryonenschutz-
gesetz. Diesen bösen Anschein dürfen wir nicht erwe-
cken. Deswegen müssen wir uns diesen Überlegungen
widersetzen und am vorhandenen Stichtag festhalten.

Danke schön.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614206400

Das Wort hat nun Kerstin Griese.


Kerstin Griese (SPD):
Rede ID: ID1614206500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

richte mich bei meiner Entscheidung zugunsten eines
Gesetzentwurfs nach meinen ethischen, christlichen
Grundwerten. Viele in diesem Parlament tun das, kom-
men aber zu unterschiedlichen Entscheidungen. Ich
glaube, das muss in dieser Debatte möglich sein.


(Beifall der Abg. Ulrike Flach [FDP])


Genauso wie bei den Patientenverfügungen muss man
anerkennen, dass man aufgrund christlicher Grundüber-
zeugungen zu unterschiedlichen Entscheidungen kom-
men kann.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Mir ist es wichtig, was meine Kirche zu diesem
Thema sagt. Es ist aber gut, dass es eine Vielfalt in den
Positionen der christlichen Kirchen in dieser Frage gibt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Ulrike Flach [FDP])


Ich bedanke mich ausdrücklich bei der katholischen und
der evangelischen Kirche für viele Stellungnahmen und
Ausführungen. Es ist richtig und wichtig, dass sie sich in
die Diskussion über ethische Grundwerte einschalten.
Ich will aber auch deutlich sagen: Gleichzeitig müssen
die Kirchen Raum für die Gewissensverantwortung je-
des einzelnen Christen und jeder einzelnen Christin in
diesem Parlament und darüber hinaus geben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte sagen, welche Grundsätze mir aus ethi-
scher Verantwortung wichtig sind, welche Argumente
mich bewogen haben, den Gesetzentwurf von Herrn
Röspel und anderen auf eine einmalige Stichtagsver-
schiebung zu unterstützen. Wir müssen eine klare Rege-
lung finden. Ich weiß nicht, warum hier so negativ über
den Kompromiss gesprochen wird. Ich glaube, das gel-
tende Stammzellgesetz stellt eine klare Regelung dar, die
deutlich macht, dass keine Embryonen zur Gewinnung
von Stammzellen zerstört werden. Das wird im Ausland
sehr ernst genommen, weil es eine klare Regelung ist,
eine deutlichere als in vielen anderen Ländern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir müssen eine Regelung finden, die es uns ermög-
licht, Heilungschancen zu nutzen, wenn es solche – das

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(C (D ann noch niemand wissen – in Zukunft gibt. Bischof uber, der EKD-Ratsvorsitzende, ist heute schon häufier zitiert worden. Er hat sich für die einmalige Verchiebung des Stichtages mit dem Argument ausgeprochen: Starre Argumentationen können Lösungen uch verhindern. Ich glaube, das ist ein sehr kluges Arument. Er hat weiter gesagt, es sei gerade im Sinne des ebensschutzes, den Stichtag nicht abzuschaffen, sonern einen Weg zu finden, das Stammzellgesetz von 002 fortzuschreiben. Deshalb habe ich mich für die erschiebung des Stichtages ausgesprochen, und ich will anz deutlich sagen: Das ist eine klare, eine sehr strenge, ine sehr restriktive Regelung, die sehr viel restriktiver ls die Regelungen in allen anderen Ländern der Welt t. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])


Es sind besonders drei Argumente, die mich bewogen
aben, für diese Haltung zu plädieren. Erstens. Der For-
chung ist immanent, dass man das Ergebnis vorher
icht kennt.


(Jörg Tauss [SPD]: Ja!)


as ist eine Binsenweisheit, aber es liegt in der Natur
er Forschung, dass man vorher nicht weiß, was dabei
erauskommt. Ob die embryonale Stammzellforschung
un wirklich ergebnislos ist, wie heute einige sagten und
u wissen meinen,


(Rolf Stöckel [SPD]: Das ist falsch!)


önnen wir nicht sagen. Das muss und wird die For-
chung ergeben.


(Beifall der Abg. Ulrike Flach [FDP])


eshalb müssen wir die Forschung mit adulten Stamm-
ellen – das tun wir auch – stärken. Genau das brauchen
ir. Wir sollten uns hier und heute nicht anmaßen, schon

u wissen, dass embryonale Stammzellforschung keine
rgebnisse zeitigen und dass es keine Heilungschancen
eben wird. Deshalb sage ich noch einmal: Der For-
chung ist immanent, dass man das Ergebnis vorher
icht kennt. Deshalb muss man sie ermöglichen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Mein zweites Argument. Die strengen ethischen Re-
eln, die das deutsche Stammzellgesetz vorsieht, können
ur erhalten bleiben, wenn dieses Gesetz weiterentwi-
kelt wird, wenn wir der einmaligen Verschiebung zu-
timmen; denn – ich habe es schon gesagt – im interna-
ionalen Vergleich sind diese Regelungen sehr restriktiv.
s gibt keine Zerstörung von Embryonen zum Zwecke
er Forschung in Deutschland, und es gibt auch keinen
nreiz im Ausland zur Zerstörung von Embryonen für
ie Forschung in Deutschland, weil wir diese klaren Re-
elungen haben. Der Gesetzentwurf des Kollegen
öspel und anderer schreibt diese Regelungen fort.

Mein drittes Argument. Wir sind keine Insel in
eutschland, und wir können auch keine Insellösung

inden. Was passiert denn, wenn mithilfe der embryona-
en Stammzellforschung in anderen Ländern Erkennt-
isse gewonnen werden, mit denen auch bei uns in






(A) )



(B) )


Kerstin Griese
Deutschland Menschen geheilt werden könnten? Wie
gehen wir mit solchen Ergebnissen um? Muss dann ein
Arzt oder eine Ärztin sagen: Aus ethischer Verantwor-
tung wende ich diese Ergebnisse nicht an?


(Jörg Tauss [SPD]: Ja, das ist das Problem!)


Ich glaube, Grundlage von Ethik ist, Mitleid haben zu
können. Eine Ethik ohne Mitleid gibt es nicht, hat mir
Margot von Renesse gestern für diese Debatte mit auf
den Weg gegeben. Mitleid ist ein Teil von Ethik. Man
muss sich um Menschen kümmern wollen, Menschen
heilen wollen. Auch das ist Ethik. Wir können uns nicht
wie auf einer Insel vor dem verschließen, was im Rest
der Welt geschieht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Ulrike Flach [FDP])


Mich haben besonders diese drei Gründe bewogen,
für eine Verschiebung des Stichtages zu stimmen, übri-
gens im Sinne der Menschenwürde – das nehme ich aus-
drücklich auch für mich und die anderen, die diesen Ge-
setzentwurf unterschrieben haben, in Anspruch –, im
Sinne ethischer Grundlagen, die wir nicht nur auf dem
Papier stehen haben wollen, sondern die wir anwenden
und die wir tatsächlich bei uns leben wollen. In diesem
Sinne bitte ich um Zustimmung.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614206600

Kollegin Marlies Volkmer hat ihre Rede zu Protokoll

gegeben. Deswegen erteile ich jetzt Peter Hintze das
Wort.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1614206700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In

dieser Debatte eint uns die Überzeugung, dass der
Schutz des Lebens des Menschen den rechtlichen und
moralischen Kern unserer Zivilisation darstellt.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Ich möchte uns bitten, dass wir in dieser Debatte nicht
in falsche Alternativen geraten, wenn es um die Men-
schenwürde, wenn es um den Schutz des menschlichen
Lebens und wenn es um die Heilung der Menschen geht.
Die von Immanuel Kant bis Volker Kauder


(Zurufe von der SPD: Oh! – Jörg Tauss [SPD]: Das ist ein großer Bogen! Wir wollen den Kant nicht ärgern!)


geäußerte These unterstütze ich – ich werde es gleich er-
läutern – nachdrücklich, nämlich dass es Grenzen des
Handelns geben muss. Ich unterstütze nachdrücklich die
These, dass kein noch so hoher medizinischer Zweck
eine Verzweckung des Menschen gestatten würde. Das
ist überhaupt nicht die Alternative, über die wir hier re-
den.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)


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(C (D Wir sagen, der rechtliche und moralische Kern unseer Zivilisation ist der Lebensschutz. Wer kümmert sich enn in Deutschland und in der Welt mehr um den chutz des Lebens als unsere Ärzte, als die Biologen und issenschaftler in der medizinischen Forschung? Die edizin ist von ihrer Natur her Lebensschutz. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)


Die Mediziner, die um diesen Lebensschutz ringen,
itten uns in großer Einhelligkeit – übrigens ein interes-
anter Unterschied im Vergleich zu 2001 – darum: Gebt
ns diese Möglichkeit auf dem hoffnungsvollsten Feld
er Medizin, nämlich dem der regenerativen Medizin!
ebt uns die Möglichkeit, dem Menschen in seinem Le-
en zu helfen!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)


Kollege Schily und Kollege Kauder haben gesagt,
ass man dazu eine Entscheidung treffen muss. Die Ent-
cheidung hängt natürlich mit unserem Menschenbild
usammen. Ich glaube, auch darin sind wir uns wieder
inig.

Volker Kauder hat die Frage aufgeworfen, wann
enschliches Leben beginnt. Er hat die Theorie vom

rühestmöglichen Zeitpunkt angesprochen. Dieser Theo-
ie kann man zustimmen. Aber ich finde, wenn man den
eginn des menschlichen Lebens auf diese biologische
um das harte Wort „biologistisch“ zu vermeiden –
eise definieren will, dann muss man auch der Logik

echt geben. Menschliches Leben kann doch wohl frü-
estens dort beginnen, wo bei weiterer Entwicklung
uch ein Mensch entsteht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Ulrike Flach [FDP])


Die Vorverlegung dieses Zeitpunktes ist meiner An-
icht nach logisch ausgeschlossen. Wenn man sich auf
ine solche biologische Definition einlassen will, dann
ntsteht der Mensch, wenn sich die befruchtete Eizelle
m Mutterleib einnistet. Dann entsteht ein Mensch.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Ulrike Flach [FDP] – René Röspel [SPD]: Das stimmt!)


Wenn wir nach dem frühesten Zeitpunkt fragen, dann
aben wir ihn damit bestimmt.

Jetzt will ich ein ethisches Urteil sprechen: Für mich
at ein kranker Mensch, um dessen Heilung es geht, in
er Tat einen höheren Stellenwert als die sehr achtens-
erte biologische Substanz, aus der ein Mensch entste-
en kann. Ich bin der Meinung, damit muss man würde-
oll umgehen. Aber für mich hat ein kranker Mensch
orrang vor einer befruchteten Eizelle, die wir tiefge-
ühlt in einem Stahlbehälter im Labor der Reproduk-
ionsmedizin aufbewahren. Übrigens fragt niemand, ob
as der Menschenwürde entspricht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)







(A) )



(B) )


Peter Hintze
Wer diesen Unterschied nicht macht, wer meint, eine
befruchtete mikroskopisch kleine Eizelle in der Petri-
schale ist vom gleichen Wert wie ein kranker Mensch,
dem geholfen werden muss, wer lieber den kranken
Menschen sterben lässt,


(Widerspruch des Abg. Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


als diese gespendete überzählige Eizelle zur Verfügung
zur stellen, der kann natürlich sagen: Ich bin konsequent.
Das ist ganz klar. Aber Konsequenz hat Menschen schon
oft sehr geschadet. Ich bin für eine menschenfreundliche
Konsequenz. Und die menschenfreundliche Konsequenz
lautet: Wenn uns die Medizin in Deutschland, die Men-
schen, die für den Lebensschutz arbeiten und um ihn
kämpfen, darum bitten, dann sollten wir diese Möglich-
keit rechtlich auch erschließen, unabhängig von der
Frage, ob das unser Grundgesetz nicht sowieso gebietet.

Lassen Sie mich einen letzten Gedanken zum Wissen-
schaftsverständnis anführen. Wer Wissenschaft so ver-
steht, dass Forschung dort erlaubt ist, wo die Forscher
von vornherein das therapeutische Endergebnis garantie-
ren, der hat Wissenschaft nicht verstanden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)


Der Charakter der Wissenschaft ist ihre Offenheit.
Daraus erwachsen Ergebnisse, und zwar erstaunliche Er-
gebnisse, die den Menschen sehr helfen. Ich möchte,
dass unsere verantwortlichen Forscher dieses Recht be-
kommen.

Deswegen bin ich für die Abschaffung der entwürdi-
genden Kriminalisierung und Strafandrohung. Deshalb
bin ich dafür, dass wir den Stichtag aufheben und es bei
den anderen guten Regelungen belassen, die sicherstel-
len sollen, dass wir einer Ethik des Heilens Rechnung
tragen. Das können wir durch unsere Beschlussfassung
in diesem Parlament.

Ich danke Ihnen sehr.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614206800

Das Wort hat nun Steffen Reiche.


Steffen Reiche (SPD):
Rede ID: ID1614206900

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Wir sollten und wollen einen Kompromiss finden.
Wir finden uns gespalten in fünf Beschlussvorschläge –
so viele Gruppen wie Fraktionen. Kompromiss heißt, zu-
zusagen, sich der Entscheidung eines Schlichters zu beu-
gen. Schlichter kann hier nur der Gesetzgeber als Gan-
zes, also der Bundestag sein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Durch einen Kompromiss wird niemand kompromit-
tiert.

Unser Gesetzentwurf beinhaltet einen Kompromiss
zwischen divergierenden, gut begründeten Positionen,

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(C (D ndem eine einmalige Verschiebung des Stichtages und ie Begrenzung der Reichweite der Strafandrohung auf as Inland beschlossen werden sollen. Ja, die Positionen tehen unvermittelbar im Raum; aber gerade deswegen st ein Kompromiss notwendig. Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland at unseren Vorschlag im vergangenen November – aners als ein Jahr zuvor – im Wesentlichen als tragfähien, glaubwürdigen Kompromiss angesehen. Also gab s auch hier keine Änderungen bei den ethischen Grundagen, wohl aber bei der daraus entwickelten Position. Wir schreiben hier einen schon einmal erzielten Komromiss einmalig fort. So wie damals sichert er eine alance zwischen Embryonenschutz und Forschungs reiheit. Mir sind folgende Argumente besonders wichig: Wir fördern mit europäischem Geld aus guten, mit der ehrheit des Europäischen Parlaments beschlossenen ründen auch die embryonale Stammzellenforschung. enn mit deutschem Fördergeld gefördert wird, was eutsche Forscher in Deutschland nicht dürfen, ist das icht konsequent. Die Debatte, die wir heute führen, ist eine zu Recht äufig geführte, und sie wird auch nach diesem Bechluss geführt werden und werden müssen. Seinerzeit, itte Juni 2006, als es um die Fortschreibung des EU orschungsrahmenprogramms ging, entzündete sich ie Debatte im Europäischen Parlament genau an der rage, ob dieses Förderprogramm eben auch die Forchung unter Verwendung menschlicher Stammzellen, owohl adulter wie embryonaler, ermöglichen soll. Erebnis der Diskussion war auch hier ein vernünftiger ompromiss: Ja, die EU fördert diese Forschung, aber ur nach Maßgabe des Inhalts des wissenschaftlichen orschlags, nach den rechtlichen Rahmenbedingungen es betreffenden Mitgliedstaats und unter Einhaltung trenger, EU-weit geltender Genehmigungsund Überachungsvorschriften. Mit der einmaligen Verschiebung ermöglichen wir die eit langem und mit Nachdruck geforderte europäische nd internationale Forschungskooperation. Noch ist ie deutsche Forschung auf diesem Gebiet gefragt. tehen deutschen Forschern mit einem Beschluss der inmaligen Stichtagsverschiebung statt 21 dann rund 60 der im neuen Stammzellregister geführten Zelllinien ur Forschung zur Verfügung, wird in den nächsten Jahen klar werden, welcher Weg um der Menschen willen eiter verfolgt werden sollte: der der adulten oder auch er der embryonalen Stammzellenforschung. Damit diese Frage endlich beantwortet werden kann, ollte eine der weltweit erfolgreichsten Forschungslandchaften, nämlich die deutsche, diese derzeit global beareitete Frage mit klären können. Lebensschutz ist uns on der Verfassung aufgetragen, von der Zeugung bis um Tod. Aber wie wir Leben schützen, dafür gibt uns ie Verfassung einen Freiraum. Mit der Regelung über ie Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruches oder ie erlaubte Nutzung der Spirale ist in Deutschland dieer Raum genutzt worden. Steffen Reiche Die deutsche medizinische Forschung darf sich nicht selbst von einer medizinischen Entwicklung innerhalb der westlichen Wertegemeinschaft abschneiden. Das ist in der Begründung der Gesetzesinitiative zur ersatzlosen Streichung der Stichtagsregelung richtig erkannt worden. Unser Kompromiss der einmaligen Verschiebung des Stichtags fügt dem aber ein entscheidendes Detail hinzu: Wir müssen sowohl mit unseren Forschungsfortschritten als auch mit den berechtigten ethischen Vorbehalten argumentieren dürfen. Verbleibt es bei der jetzigen Situation, ist es nur eine Frage der Zeit, bis man deutschen Stammzellforschern nicht mehr zuhört. Aber käme es zur ersatzlosen Stichtagsabschaffung, würden wir die Möglichkeit, aus ethischen Gründen Widerspruch zu erheben, gänzlich abschaffen. Damit liegt der vernünftige Kompromiss auf der Hand. Das Wort hat nun Annette Schavan. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Entscheidung, die der Deutsche Bundestag nach Abschluss seiner Beratungen zur Stammzellgesetzgebung zu treffen hat, ist nicht nur für Deutschland bedeutsam. Von ihr gehen auch Signale an die internationale Wissenschaftswelt aus. Forschung ist international vernetzt. Unser Wertefundament endet nicht an nationalen Grenzen, sondern ist Teil einer europäischen Wertetradition. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)





(A) )


(B) )


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614207000
Dr. Annette Schavan (CDU):
Rede ID: ID1614207100

Die besondere Stellung des Menschen als Indivi-
duum, die Überzeugung von der Würde eines jeden
Menschen und davon, den grundlegenden Wert des Le-
bensschutzes zu achten, sind nicht Sondermoral, sondern
kulturelles Fundament für die Forschung in dieser Tradi-
tion – in Deutschland und in Europa.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Genau davon sind das Stammzellgesetz und das
Embryonenschutzgesetz geprägt, das Embryonenschutz-
gesetz aus dem Jahr 1990, das Stammzellgesetz aus dem
Jahr 2002.

Wissenschaft und Politik in Deutschland haben bei
der Frage der Stammzellforschung einen weitreichenden
Konsens erzielt – quer durch die Fraktionen, im Dialog
zwischen Wissenschaft und Politik. Nenne man mir ein
Land der Welt, in dem der Konsens so groß ist wie in
Deutschland und in dem das Fundament im Blick auf
den Schutz des Lebens und die Heilung von Krankheiten
so stabil ist wie in Deutschland!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Das haben gerade die Debatten der vergangenen Mo-
nate gezeigt: Niemand will die grenzenlose Forschung.
Niemand stellt das Embryonenschutzgesetz in Frage.

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(C (D issenschaft und Politik führen seit Monaten einen rnsthaften Dialog, der auch für andere Länder beispielebend ist. Das Signal, das vom Stammzellgesetz in Deutschland islang ausgeht und nach meiner Überzeugung auch in ukunft ausgehen soll, lautet: Erstens. Es darf keine Hertellung von menschlichen Embryonen zum Zweck er Forschung geben. Zweitens. Es darf von Deutsch and kein Anreiz zum Verbrauch von Embryonen für ie Forschung ausgehen. Der Import von embryonalen Stammzelllinien, geonnen aus menschlichen Embryonen, darf nur im Ausahmefall und für einen streng definierten Korridor der orschung erfolgen. Seit Inkrafttreten des Stammzellgeetzes wurden 25 Anträge bewilligt. In jedem Antrag uss dargelegt werden, dass keine Alternative zu dem eg existiert, der beantragt wird. Der damalige Justizminister Klaus Kinkel schrieb 990 im Vorwort zum Embryonenschutzgesetz: Das mbryonenschutzgesetz ist im europäischen Vergleich ie umfassendste Regelung der mit der Fortpflanzungsedizin zusammenhängenden strafrechtlichen Fragen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


(Jörg Tauss [SPD]: Und das wird geprüft!)


uch das sollten wir also sagen: Nirgends sonst in
uropa ist eine so klare Regelung sämtlicher strafrechtli-
her Fragen erfolgt.

Die Stammzellgesetzgebung in Deutschland gilt bis
eute als eine der restriktivsten Regelungen; ich sage: als
ine der verantwortungsbewusstesten Regelungen über-
aupt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Beide Gesetze haben dazu beigetragen – davon bin
ch überzeugt –, dass man sich in Deutschland erfolg-
eich auf solche Stammzellforschung konzentriert hat,
ie vor allem ethisch unbedenkliche Alternativen
sprich: Quellen für die Gewinnung embryonaler
tammzelllinien – sucht. Glaube niemand, irgendwann
rauche man embryonale Stammzelllinien nicht mehr!
atürlich werden sie gebraucht. Die Frage ist nur, woher
ir diese Stammzelllinien gewinnen. Deshalb sind die
euen Durchbrüche so wichtig für die Zukunft dieser
orschung, die die Basis der regenerativen Medizin,
er Medizin im 21. Jahrhundert sein wird.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wenn ich immer höre, man solle jetzt endlich mehr
ür adulte Stammzellforschung tun, muss ich noch ein-
al eine Zahl nennen: 97 Prozent der Mittel sowohl des
inisteriums wie der Deutschen Forschungsgemein-

chaft sind in Alternativen, also in Forschung mit tieri-
chen und adulten Stammzellen, geflossen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Ja, 97 Prozent!)







(A) )



(B) )


Dr. Annette Schavan
Um noch eine Zahl zu nennen: Im gesamten Zeitraum
seit Anfang 2000 hat das Forschungsministerium
49 Millionen Euro ausgegeben. Allein der neue Förder-
schwerpunkt „Wege der Reprogrammierung“, den ich im
letzten Jahr verkündet habe, wird jährlich mit bis zu
10 Millionen Euro dotiert sein. Ich habe erklärt: Am
Geld wird es nicht liegen. Was notwendig ist, wird finan-
ziert werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Noch vor fünf Jahren, noch vor drei Jahren glaubte
niemand, dass Reprogrammierung möglich ist. Das hat
in der damaligen Debatte keine Rolle gespielt. Genau
hier setzt das Dilemma im Blick auf die ethische Bewer-
tung ein, in dem wir jetzt stehen. Ich sage noch einmal
sehr deutlich – das kann einem ethisch passen oder nicht;
mir passt es auch nicht hundertprozentig –: Zu morali-
scher Integrität gehört auch, dass ich nicht einfach igno-
riere, was mir nicht passt. Ich muss auch zur Kenntnis
nehmen, dass Reprogrammierung ohne embryonale
Stammzellforschung nicht funktionieren kann und das
alles, was Yamanaka und Thomson gemacht haben, auf
Erkenntnisse aus der embryonalen Stammzellforschung
angewiesen ist. Wir wüssten sonst – so hat es ein Berli-
ner Forscher gestern gesagt – nicht einmal, wann aus ei-
ner Hautzelle eine embryonale Stammzelle geworden ist.
Diese Tatsachen können forschungspolitisch nicht igno-
riert werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)


Natürlich, Frau Hinz, hat diese Forschergruppe mit
sogenannten alten Stammzelllinien gearbeitet. Aber je-
der in der Forschung weiß, dass sich an den Durchbruch,
der jetzt erreicht wurde, gleichsam eine Überprüfungs-
phase anschließt. In dieser Überprüfungsphase ist es not-
wendig, wenn es denn je um die Entwicklung von
Therapien gehen soll, auf qualitativ einwandfreie
Stammzelllinien zurückgreifen zu können.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)


Ich komme zum Ende, Herr Präsident; ich sehe das
Blinklicht. – Mit den vor 2002 gewonnenen Stammzell-
linien lässt sich forschen. Ja, das bezweifelt niemand.
Aber um die neuen Wege der Reprogrammierung zum
Erfolg zu bringen, um also das zu erreichen, was wir
wollen, nämlich ethisch unbedenkliche Quellen für
Stammzellen, ist der Rückgriff auf qualitativ bessere
und neuere Stammzelllinien notwendig. Die Forschung
in diesem Feld braucht Überprüfung, wenn ich Alternati-
ven will, wenn ich also will, dass Deutschland zu einem
Motor für die Entwicklung ethisch unbedenklicher Al-
ternativen wird. Aus diesem Grunde halte ich die Verle-
gung des Stichtages für verantwortbar. Was wir damit
ermöglichen, bedeutet nach meiner festen Überzeugung
weder Dammbruch noch grenzenlose Forschung. Wir
sorgen damit nicht für eine Liberalisierung des Gesetzes,
sondern für eine Weiterentwicklung, die der Intention
des Gesetzes von 2002 entspricht.

Vielen Dank.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614207200

Folgende Kolleginnen und Kollegen haben ihre Re-

en zu Protokoll gegeben: Jung, Krings, Willsch, Eisel,
eiß (Emmendingen), Fischer (Karlsruhe), Mißfelder,

iebing, Eymer (Lübeck), Knoche und Volkmer.1)

Damit schließe ich die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf

en Drucksachen 16/7981, 16/7982, 16/7983, 16/7984
nd 16/7985 an die in der Tagesordnung aufgeführten
usschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstan-
en? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so
eschlossen.

Nach dieser intensiven Debatte, meine lieben Kolle-
innen und Kollegen, kommen wir nun zu einem ande-
en Tagesordnungspunkt, dem Tagesordnungspunkt 5:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll,
Dr. Axel Troost, Dr. Herbert Schui, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion DIE LINKE
Ermäßigung des Mehrwertsteuersatzes für
Produkte und Dienstleistungen für Kinder auf
7 Prozent
– Drucksachen 16/4485, 16/6732 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Manfred Kolbe
Dr. Barbara Höll

Ich weise darauf hin, dass wir über die Beschlussemp-
ehlung später namentlich abstimmen werden.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
iderspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin Lydia

estrich, SPD-Fraktion, das Wort.


Lydia Westrich (SPD):
Rede ID: ID1614207300

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich warte vielleicht

och ein bisschen, bis sich die Unruhe etwas gelegt hat.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614207400

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie dieser De-

atte nicht mehr folgen wollen, dann bitte ich Sie, Ihre
espräche außerhalb fortzusetzen.


Lydia Westrich (SPD):
Rede ID: ID1614207500

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Kinderarmut

u bekämpfen ist ein Ziel, dem sich das ganze Hohe
aus verschrieben hat. Die Quote der in Armut lebenden
amilien in Deutschland ist viel zu hoch. Natürlich ist
as materielle Wohl der Kinder nicht allein ausschlagge-
end für ihr glückliches und gesundes Aufwachsen. Was
azu nötig ist, können wir von Staats wegen nicht beein-

Anlage 2






(A) )



(B) )


Lydia Westrich
flussen. Aber immer mehr Familien sind nur deshalb,
weil sie Kinder haben, auf Grundsicherung angewiesen.
Bei Familien mit mehreren Kindern steigt das Armuts-
risiko. Diese Armut beeinträchtigt natürlich die Mög-
lichkeiten sozialer, gesundheitlicher und auch kultu-
reller Entwicklung der Kinder. Das nehmen wir als
Regierungsfraktionen nicht einfach hin.

Zug um Zug rücken wir – die Koalitionsfraktionen,
Bundesregierung, Länder und Kommunen, aber auch
viele gesellschaftliche Partnerorganisationen – diesem
Problem zu Leibe. Das Ganztagsschulprogramm, der
Kinderzuschlag, die Wohngelderhöhung, die BAföG-Er-
höhung, die Mehrgenerationenhäuser, der Ausbau der
Kinderbetreuung sind ganz wichtige Bausteine, die wir
bereits auf den Weg gebracht haben.


(Beifall bei der SPD)


Deren Ergebnisse werden sich in Kürze zeigen.

Nur ein kleines Beispiel: Durch die durch unser Pro-
gramm ermöglichte Einrichtung der Ganztagsschule ist
es in meiner Region, in der Regionalen Schule Wallhal-
ben, gelungen, fast alle Kinder wenigstens mit Haupt-
oder Realschulabschluss ins Leben zu entlassen. Die in-
dividuellen Fördermöglichkeiten ersetzten teure Nach-
hilfestunden und eröffneten den Kindern neue Welten.
Das ist wirkungsvolle Armutsbekämpfung.

Was liegt uns heute vor? Ein Antrag, der vorspiegelt,
die große Sorge der Kinderarmut durch ein paar Drehun-
gen an diversen Schräubchen beheben zu können. Das
ist angesichts dieser Aufgabe mehr als unredlich.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der LINKEN: Na, na, na!)


Sie, meine Damen und Herren von der linken Seite, be-
nutzen die Not der betroffenen Familien, um hier wieder
einmal eine ganz große Show abzuziehen.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Genau so ist es!)


Ihr Antrag „Ermäßigung des Mehrwertsteuersatzes für
Produkte und Dienstleistungen für Kinder auf 7 Prozent“
ist jetzt bald ein Jahr alt. Inzwischen sollten Sie, eventu-
ell belehrt von Exfinanzminister Oskar Lafontaine, ge-
lernt haben, dass wir alle hier, auch Sie, dieser Forde-
rung nicht entsprechen können, weil sie EU-rechtswidrig
ist, sehen wir einmal davon ab, wie sinnvoll eine solche
Maßnahme wäre. Gegen Polen wurde jetzt wegen sol-
cher Maßnahmen von Brüssel ein Vertragsverletzungs-
verfahren eingeleitet.

Über diese offenkundige EU-Rechtswidrigkeit las-
sen Sie auch noch namentlich abstimmen. Da sieht man
einmal, wie Sie zu Europa stehen. Bei dieser Farce fällt
es zumindest auch denjenigen leicht, dagegen zu stim-
men, die aufgrund des Tenors Ihres Antrags vielleicht
noch damit geliebäugelt haben. Sie führen mit dieser
Maßnahme doch nur vor, wie wichtig Ihnen die Be-
kämpfung der Kinderarmut in Wirklichkeit ist. Es macht
mich zornig, wie Sie die Nöte und Sorgen unserer Bür-
gerinnen und Bürger instrumentalisieren.

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(C (D Vor drei Wochen fast um dieselbe Zeit hat Herr Gysi n diesem Rednerpult Vorschläge gemacht, wie er Kinerarmut bekämpfen würde, leidenschaftlich und lauttark, wie er ist. Am Schluss seiner Rede erklärte er, dass lles leicht über Steuererhöhungen – er sprach von 20 Milliarden Euro jährlich – zu finanzieren sei. Und orüber reden wir heute, drei Wochen später, aufgrund eines Antrags? Nicht über mehr, sondern über weniger teuern. Das Merkwürdigste dabei ist, dass jeder weiß, ass dieses Geld kaum den Familien zugutekommen ird, die es brauchen. Sie stopfen es den Unternehmen n den Rachen, die Sie sonst immer mit mehr Steuern beegen wollen. (Widerspruch bei der LINKEN – Zuruf von der LINKEN: Merkwürdige Logik!)


Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, einen Ver-
leich der Preise für Kinderkleider in mehreren Län-
ern anzustellen. Das war schwierig; denn selbst in
eutschland gibt es häufig unterschiedliche Preise in
en einzelnen Regionen. Aber ich habe es doch ge-
chafft. Zum Beispiel ein Babylangarmshirt von dersel-
en Firma kostet in Österreich 3,19 Euro, in Tschechien
ermäßigter Steuersatz – 3,74 Euro, in Deutschland
,99 Euro, in Großbritannien 3 Pfund, also mehr als
Euro. Ungefähr das Gleiche gilt für Pampers und ande-

es. In Großbritannien ist Kinderkleidung ganz von der
ehrwertsteuer befreit; dennoch war das Shirt dort am

euersten. Wer hat in dem Fall den Profit?


(Widerspruch bei der LINKEN)


ußerdem ist die Kinderarmut in dem von Ihnen als Bei-
piel genommenen Großbritannien noch weit höher als
n Deutschland. Was wollen Sie also mit diesem Antrag
ewirken?


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Manfred Kolbe [CDU/CSU])


ch nehme an, dass Sie sich schon vor dem Verfassen des
ntrags über die tatsächlichen Verhältnisse schlau ge-
acht haben. Also wissen Sie, dass das ein reiner Schau-

ensterantrag ist. So einen Umgang haben die Familien
irklich nicht verdient.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Falls die EU-Kommission die Babywindeln in den
atalog der ermäßigten Steuersätze aufnimmt, was wir
ann natürlich auch tun, können wir allein an diesem
eispiel studieren, wie sich die Preise entwickeln wer-
en. Dass das am Ende dem Verbraucher nutzt, be-
weifle ich sehr.

Stimmten wir aber Ihrem Antrag zu, hätten wir zuver-
ässig hohe Steuerausfälle. Um das zu erkennen, brauche
h mir nur die Schreiben auf meinem Tisch anzuschauen:
ie deutschen Freizeitparks sind familienfreundlich, Mi-
eralwässer und Medikamente für Kinder ebenso. Wie
ieht es mit der Bahn aus? Auch Bahnfahren ist familien-
reundlich. Nette Familienrestaurants gibt es ebenfalls.
ehr viele würden vorgeben, Produkte für Kinder herzu-
tellen bzw. Dienstleistungen für Kinder zu erbringen.
in Milliardenloch würde so entstehen. Zusätzlich er-






(A) )



(B) )


Lydia Westrich
wartet uns ein teures Vertragsverletzungsverfahren aus
Brüssel. Die von Herrn Gysi anvisierten 120 Milliarden
Euro Steuererhöhung würden also nicht ausreichen. Da
müssten Sie kräftig noch etwas drauflegen. Ihr Antrag ist
wirklich ein schlechter Witz, obwohl niemand bei die-
sem Thema lachen kann.

Mit einer Minderung der Umsatzsteuer, meine Damen
und Herren von der Linken, entziehen Sie Bund, Län-
dern und Gemeinden das Geld, das gebraucht wird, um
all das zu finanzieren, was Familien zugute kommt. Ich
nenne beispielsweise beitragsfreie Kindergärten, Kin-
derpsychologen und Gesamtschulen, wie sie in Rhein-
land-Pfalz – von den Eltern gefordert und vom Land
gefördert – auch in ländlichen Gebieten wohnortnah ent-
stehen.

Der von Ihnen zitierte Christoph Butterwegge analy-
siert, dass sich Kinderarmut in der Regel auf Mütterarmut
zurückführen lässt. Er sieht den Schlüssel zur Verringe-
rung dieser Armut in einer höheren Erwerbsbeteiligung
von Frauen. Mütter sollen Geld verdienen, so schreibt er.
Wenn ich Ihren Kronzeugen ernst nehme, dann komme
ich zu dem Schluss: Wir brauchen eine nachhaltige Ver-
besserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Wir können ein höheres Kindergeld beschließen so-
wie Ganztagsschulen, Kinderbetreuung und anderes ein-
führen. Wie die rot-grüne Koalition wird auch die Große
Koalition die Familienförderung weiterentwickeln.
Das Wichtigste ist aber, dass die Zahl der Arbeitslosen
sinkt. Denn Arbeitslosigkeit macht arm – nicht nur Müt-
ter, sondern auch Väter. Schauen wir einmal auf den
rheinland-pfälzischen Arbeitsmarkt. In keinem Jahr
konnte in Rheinland-Pfalz die Arbeitslosigkeit so deut-
lich abgebaut werden wie im Jahr 2007. Der Abbau hat
alle Personengruppen erreicht: Frauen, Männer, Jugend-
liche und auch viele Bezieher von Arbeitslosengeld II.
Natürlich ist das dem konjunkturellen Aufschwung ge-
schuldet, aber auch unseren Arbeitsmarktreformen. Das
ist eine nachhaltige Bekämpfung der Armut.

Die Mindestlöhne, die wir auf den Weg gebracht ha-
ben, ziehen Familien auch aus der Armut. Auf diesem
Weg werden wir weitermachen. Ich bin davon über-
zeugt, dass der Armuts- und Reichtumsbericht ganz an-
ders ausschauen wird, wenn wir es geschafft haben,
Mindestlöhne flächendeckend durchzusetzen, sodass
Menschen, die arbeiten, nicht noch zusätzlich Unterstüt-
zung vom Staat brauchen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir werden es schaffen – allerdings nicht mit Ihren
Forderungen nach immensen Steuererhöhungen, meine
Damen und Herren von der Linken. Denn dadurch ver-
schwinden die Arbeitsplätze so schnell, wie sie entstan-
den sind.


(Zurufe von der LINKEN: Oh!)


Da Sie die 120 Milliarden Euro Mehreinnahmen für die
Kinder ausgeben wollen, bleibt für einen öffentlich un-
terstützten Arbeitsmarkt nichts übrig, es sei denn, Sie
würden noch etwas oben drauflegen. Mit Ihren Plänen
stürzen Sie die Familien geradezu in Armut.

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(C (D Ich komme zurück zur Mehrwertsteuer, die für die urchsetzung so vieler Ziele einschließlich der Verminerung der Schuldenlast der öffentlichen Haushalte betimmt ist. Dieses Ziel dürfen wir nicht aus den Augen erlieren, gerade wenn wir uns mit dem Thema Kinder eschäftigen. Die Liste der Dinge, die dem ermäßigten Mehrwertteuersatz unterliegen, ist zugegebenermaßen kaum och nachvollziehbar. Sie ist in vielen Jahren gewachsen nd verändert worden. Neu hinzugekommen sind nun ie Bergbahnen. Ich wünsche mir zum Beispiel die Aufahme der Kunstfotografie. Die Begehrlichkeit von allen eiten, in das verwirrende System der ermäßigten Steursätze aufgenommen zu werden, nimmt zu. Wir Finanzolitiker werden uns diese Liste in Kürze genauer anchauen müssen. Herr Wissing, Kaviar ist übrigens nicht it dem ermäßigten Steuersatz belegt, wie Sie das imer behaupten. (Dr. Volker Wissing [FDP]: Aber Gänsestopfleber und Trüffel!)


Man kann immer etwas finden. – Wir werden uns diese
iste, wie gesagt, genauer anschauen müssen, um eine
inie zu finden. Diese Linie könnte zum Beispiel sein,

eibliches und geistiges Wohl durch einen ermäßigten
ehrwertsteuersatz zu unterstützen und alles andere

em normalen Steuersatz zu unterwerfen.

Das wird eine sehr spannende Diskussion, auf die ich
ich schon jetzt freue. Aber heute bitte ich Sie, liebe
olleginnen und Kollegen, diesen Antrag abzulehnen,
eil er die Familien benutzt, ihnen aber in keiner Weise
utzt.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1614207600

Das Wort hat nun Kollege Volker Wissing, FDP-Frak-

ion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Volker Wissing (FDP):
Rede ID: ID1614207700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine Damen und Herren von der Linken, Ihr Antrag

cheint zwar jetzt auf Ablehnung zu stoßen. Aber ich
ann Ihnen sagen: Sie haben auch Befürworter, zum Bei-
piel jemanden im Bundeskanzleramt. Dort gibt es eine
roße Fürsprecherin Ihres Antrages. Staatsministerin
aria Böhmer hat dazu Folgendes gesagt – ich zitiere

ie –: Das ist ein „zielgerichteter Vorschlag für eine fa-
ilienfreundliche Steuerpolitik“.


(Beifall bei der LINKEN)


ie sehen, es geht wie Kraut und Rüben durcheinander.
ie haben im Bundeskanzleramt auch noch andere Für-
precher. Die Bundeskanzlerin selbst hat gesagt, sie
önne nicht ausschließen, dass mittelfristig der ermä-
igte Steuersatz für die meisten Kinderprodukte gelten
olle.






(A) )



(B) )


Dr. Volker Wissing
Nun werden Sie, meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen von der Union, sagen: Diese Aussagen sind schon
zwei Jahre alt. Zwei Jahre sind natürlich eine lange Zeit
für eine Regierungsfraktion. Damals wurden viele Steu-
ersenkungsversprechungen gemacht, und am Ende
wurde kräftig erhöht; das wissen wir alle. Die Erinne-
rungslücke, was die Wahlversprechen in der Steuer- und
Finanzpolitik angeht, ist bei den Regierungsfraktionen
schon beängstigend.

2005 haben Sie den ermäßigten Umsatzsteuersatz für
Kinderartikel gefordert, und 2007 haben Sie noch einmal
3 Prozentpunkte auf den vollen Umsatzsteuersatz drauf-
geschlagen.


(Beifall bei der FDP und der LINKEN)


Statt für Kinderartikel einen Steuersatz von 7 Prozent
einzuführen, besteht für die Bürgerinnen und Bürger
heute ein Steuersatz von 19 Prozent. Das heißt, statt ei-
ner Halbierung haben wir jetzt fast eine Verdreifachung
dessen, was Frau Böhmer damals beschworen hat.

Eines kann man jedenfalls sagen: Die Erhöhung der
Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte ist eine Antifami-
lienpolitik, die Sie von der SPD mitgetragen haben. Die
Bürgerinnen und Bürger haben auch Ihre Mehrwertsteu-
erlügen nicht vergessen. Es hieß, die Merkel-Steuer
werde teuer. Mit der SPD wurde es dann noch viel teu-
rer. So war das in Deutschland.

Diese Steuererhöhungspolitik, die Sie von der Gro-
ßen Koalition in den letzten Jahren massiv betrieben ha-
ben, hat die Familien erheblich belastet. Sie zahlen
heute jährlich im Schnitt 1 600 Euro mehr an den Fiskus.
Dieses Geld fehlt für die Kinder, fehlt den Familien. Das
ist für sie ein sehr ernstes Thema. Deswegen kann ich
nachvollziehen, dass Sie von der SPD jetzt so ernst
schauen. Bei vielen Familien in Deutschland wurde
durch Ihre Politik wirklich existenziell abkassiert. Da
hilft es auch nichts, wenn Sie dann Feigenblättchen in
die Welt setzen, zum Beispiel das Elterngeld und all das
andere Gute, das Sie tun wollen. Wenn man erst bei den
Leuten abkassiert und sich hinterher bei den Familien als
Gönner aufspielt, dann ist das schon an der Grenze des-
sen, was man den Menschen zumuten kann.


(Beifall bei der FDP – Lydia Westrich [SPD]: Sie aber auch!)


Sie haben die Eigenheimzulage gestrichen, Sie haben
die Pendlerpauschale gekürzt, Sie haben den Sparerfrei-
betrag gekürzt, Sie haben die Mehrwertsteuer erhöht und
damit tief in die Taschen der Familien gegriffen. Sie ha-
ben den Familien in Deutschland sehr viel genommen,
und Sie nehmen ihnen sehr viel. Sie sind nicht in der
Lage, ihnen auch nur ansatzweise etwas Adäquates zu-
rückzugeben; auch das muss an dieser Stelle gesagt wer-
den.

Die Forderung der Linken nach Einführung des ermä-
ßigten Mehrwertsteuersatzes für Kinderprodukte ist von
der Zielsetzung her verständlich. Wir alle wollen etwas
für Familien tun. Es war einmal die erklärte Absicht des
Gesetzgebers, bei der Mehrwertsteuer ein System zu
schaffen, das die Artikel des täglichen Bedarfs ver-

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(C (D ünstigen soll. Es gibt in diesem Haus niemanden, der estreitet, dass dieses Ziel verfehlt worden ist. Das Bundesministerium der Finanzen vertritt sogar ie Auffassung – wir hatten da einmal nachgefragt –, ass die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes einer inneren Logik folge – das ist schon bemerkensert –, sondern vielmehr – so sagt das BMF – Ausdruck er Durchsetzungsfähigkeit verschiedener Lobbyisten nd anderer Interessengruppen sei. Nun hat das Bundesinanzministerium im Oktober 2006 den ermäßigten msatzsteuersatz für getrocknete Schweineohren geährt. Für Kinderartikel gilt aber nach wie vor der volle atz. Da sieht man: Beim BMF haben sich die Lobbyis en für getrocknete Schweineohren durchsetzen können. ür Kinder, in der Familienpolitik wurde bisher wenig etan. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Da gibt es starke Lobbygruppen für Sessellifte und
eilbahnen, die bei der Bundesregierung offene Ohren
inden und sich durchsetzen können. Es ist eine Sache,
enn Lobbyisten und Interessengruppen ihre Anliegen
ertreten. Es ist aber eine andere Sache, wenn deren
ünsche dann mir nichts, dir nichts den Weg in das Ge-

etz finden. Es spricht nicht gerade für die politische
tandhaftigkeit der Bundesregierung, wenn sie es nicht
inmal schafft, den Interessenvertretern für getrocknete
chweineohren Paroli zu bieten. Es ist nicht Aufgabe der
undesregierung, Lobbygruppen zu vertreten. Aufgabe
er Bundesregierung ist vielmehr, ein Steuerrecht zu
chaffen, das den berechtigten Belangen der Gesellschaft
nd – wie wir immer betonen – einer guten Familienpo-
itik gerecht wird.

Es wäre ein Signal gewesen, wenn Sie, statt stupide
ie Mehrwertsteuer zu erhöhen, die Chance genutzt hät-
en, unser Mehrwertsteuersystem umfassend zu refor-
ieren. Das ist zwar ein großes Projekt, es wäre aber an-

emessen gewesen, wenn die Große Koalition das in
ngriff genommen hätte. Wenn Sie gebetsmühlenartig

agen: „Das geht alles nicht, wegen Europa!“, frage ich
ich: Wer ist denn Europa?


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)


ie Bundesregierung tut immer so, als hätten wir damit
ar nichts zu tun. Um Gottes willen! Erheben Sie doch
inmal Ihre Stimme und sagen Sie in Europa, was für
eutschland richtig, wichtig und gut ist. Wir können uns
on den anderen doch nicht immer sagen lassen, dass
as nicht geht. Nein, damit flüchten Sie sich aus der Ver-
ntwortung, und das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.


(Beifall bei der FDP und der LINKEN)


er den ermäßigten Umsatzsteuersatz für Sessellifte
nd Bergbahnen einführen kann, der kann sich in ande-
en Bereichen nicht einfach mit dem Verweis auf Europa
erweigern.

Immerhin gab es schon einmal eine Initiative der
PD. Sie wollten das schon einmal überarbeiten, damals
nter Finanzminister Eichel. Jetzt werden Sie sagen: Die






(A) )



(B) )


Dr. Volker Wissing
FDP war damals nicht begeistert. Natürlich nicht! Weil
Sie nur einseitig anheben wollten. Sie haben sich keine
Gedanken darüber gemacht, ob man in anderen Berei-
chen, zum Beispiel bei Trüffel und Gänsestopfleber, von
der Subventionierung wegkommen müsste, weil sie kei-
nen Sinn macht, Frau Kollegin Westrich. Das haben Sie
damals einfach ausgelassen.

Wenn man schon eine Reform macht, sollte es auch
eine vernünftige sein, dann sollte es nicht nur ein biss-
chen sein, dann sollte man nicht nur die Kassen ein biss-
chen auffüllen, wie Sie immer denken, sondern dann
muss man etwas machen, das das System strukturell ver-
bessert. Deswegen sagt die FDP gebetsmühlenartig im-
mer wieder im Finanzausschuss: Wir brauchen die
Selbstbefassung. Wir müssen jetzt an die Überarbeitung
des Mehrwertsteuersystems ran. Es ist höchste Zeit.

Ich kann Sie an dieser Stelle nur wieder auffordern:
Lassen Sie uns das gemeinsam angehen. Das ist eine
wichtige Aufgabe. Man sollte nicht immer nur sagen:
Europa! Europa! Wir können nicht! Wir wollen nicht! –
Ich glaube, es gibt viel zu tun: In Deutschland gibt es un-
terschiedliche Mehrwertsteuersätze für Dill und Basili-
kum. Bei Lorbeer kommt es darauf an, ob er frisch oder
getrocknet ist. Weihnachtskränze haben je nach Feuch-
tigkeitsgehalt der Tannen unterschiedliche Mehrwert-
steuersätze. Was ist denn das für ein Steuersystem? Da
kann man doch hier nicht einfach sagen: Das lassen wir
einfach so! Europa! Ich finde, wir müssen uns dieses
Themas dringend annehmen. Wir sollten uns diesem
Thema nicht immer verweigern und sagen, dass das
nicht geht. Lassen Sie uns die Selbstbefassung machen.

Zu dem Antrag der Linken: Sie brauchen eine ver-
nünftige, systematische Vorstellung des Ganzen. Einfach
hinzugehen und Symbolpolitik in die Welt zu blasen, das
hilft doch auch keinem. Sie sprechen von „Waren und
Dienstleistungen für Kinder“. Wie das abgegrenzt und
praxisgerecht ausgestaltet werden soll, sagen Sie aber
nicht. Nehmen Sie beispielsweise ein Kinderschnitzel in
einem Restaurant. Jetzt kommt ein Erwachsener und isst
ein Kinderschnitzel. Was machen wir denn jetzt? Sagen
wir dann: Es kommt darauf an. Wir können Ihnen den
Mehrwertsteuersatz und den genauen Preis erst beim
Abrechnen mitteilen, erst, nachdem wir Ihr Alter festge-
stellt haben.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Du kannst auch zwei Kinderschnitzel essen!)


Sie müssen schon einen Vorschlag vorlegen, der hieb-
und stichfest und europatauglich ist.


(Beifall bei der FDP)


Die Chance, die dieser Finanzausschuss und dieses
Parlament haben, sollten wir nutzen. Wir sollten aber
keine Symbolpolitik machen, weil das Thema viel zu
ernst ist. Da hat Frau Westrich recht. Wenn wir das ma-
chen wollen, lassen Sie es uns gemeinsam tun. Bei einer
vernünftigen Überarbeitung des Systems ist die FDP an
Ihrer Seite. Ich sage Ihnen aber eines voraus – Stichwort:
Steuererhöhungen –: Wenn Sie meinen, Sie könnten mit
einer Systemüberarbeitung wieder abkassieren, so wie
damals, dann haben Sie uns als Gegner.

Vielen Dank.

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(C (D Nächster Redner ist der Kollege Manfred Kolbe für ie CDU/CSU-Fraktion. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten amen und Herren! Der Antrag der Fraktion Die Linke, en Mehrwertsteuersatz für Produkte und Dienstleistunen für Kinder auf 7 Prozent zu ermäßigen, ist der klasische Fall eines Rohrkrepierers: Eine im Kern gut geeinte Absicht wird durch schlechte handwerkliche usführung kaputtgemacht. Das ist Ihr Rohrkrepierer. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist eine politische Pirouette!)


(Beifall bei der FDP)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1614207800

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Manfred Kolbe (CDU):
Rede ID: ID1614207900

In der Sache hat sich auch die Union mittelfristig das
iel gesetzt, wie jüngst wieder in der Hamburger Erklä-

ung vom 11. Februar betont wurde, zu prüfen, ob auf ty-
ische Kleinkind- und Kinderprodukte des täglichen Be-
arfs künftig nur noch der ermäßigte Mehrwertsteuersatz
ngewendet werden kann. Familien und Kinder stehen
m Mittelpunkt der Politik dieser Koalition.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN)


Der heute zur Abstimmung stehende Antrag ist hand-
erklich schlicht und ergreifend Murks. Das hätte Ihnen
er ehemalige Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine
igentlich erklären können. Ich sehe ihn nicht. Er ist
icht da. Das ist schon bezeichnend. Sie ziehen hier
twas hoch, Sie beantragen eine namentliche Abstim-
ung, und dann kommt einer Ihrer Fraktionsvorsitzen-

en nicht. Das zeigt doch den Showcharakter dieses
ntrags.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wo ist Ihr Fraktionsvorsitzender? – Gegenruf des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wir haben keinen Antrag gestellt!)


Ihr Antrag ist schlicht und ergreifend schlampig for-
uliert. Warum ist er handwerklicher Murks? Der
ntrag übersieht zunächst, dass eine ganze Reihe von
rtikeln für Kinder bereits jetzt dem ermäßigten Mehr-
ertsteuersatz unterliegt: Nahrungsmittel, Milchpro-
ukte, Süßigkeiten, Schokolade – das ist nicht ganz
nwesentlich – und Bücher einschließlich Malbücher
erden schon heute ermäßigt besteuert.

Was sollen denn dann die weiteren Waren und
ienstleistungen für Kinder sein? Sollen darunter gene-

ell Musik-CDs, Videofilme, Videospiele, Gameboys,
P3-Player, iPods nano und andere teilweise kostspie-

ige Elektronik fallen, die sowohl Kinder als auch Er-
achsene benutzen, ja oder nein? Sie werden wahr-

cheinlich Nein sagen. Sollen darunter auch hochwertige
uppen, Modellautos, Modelleisenbahnen, Modellflug-
euge, teure Markenkleidung und Ähnliches fallen?
ancher erwachsene Sammler oder erwachsene Konsu-






(A) )



(B) )


Manfred Kolbe
ment würde sich darüber freuen. Der Zielrichtung Ihres
Antrags würde das aber wahrscheinlich nicht gerecht
werden.

Meine Damen und Herren von der Linken, der Teufel
liegt wie immer im Detail. Der kurze und knappe Rat
meiner Fraktion lautet: Ziehen Sie diesen schlampigen
Antrag zurück und sitzen Sie nach. Damit dienen Sie
auch den Kindern.

Dieser Antrag ist typisch für Ihre Fraktion: immer al-
les fordern, aber nichts in die Realität umsetzen.


(Zuruf von der LINKEN: Warten Sie einmal ab!)


Das ist auch typisch für Ihre scheinheilige Strategie und
für Ihre Spitzenleute. Unter Ihnen befinden sich zwei
Personen, Oskar Lafontaine und Gregor Gysi, die einmal
hohe Staatsämter in dieser Republik bekleidet haben. Da
hätten sie manches ändern können, aber sie haben es
nicht getan. Ich gehöre wahrhaftig nicht zu denen, die
bedauern, dass sie es nicht getan haben. Sie haben ir-
gendwann den Bettel hingeschmissen und sich lieber der
Polemik im Bundestag hingegeben. Genau das ist die
Scheinheiligkeit Ihrer Strategie.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN)


Dafür ist auch dieser Antrag typisch.

Sie übersehen weiter – Kollege Wissing hat es schon
ausgeführt –, dass dieser Antrag schlicht und ergreifend
europarechtswidrig ist.


(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Das hat Kollege Wissing nicht ausgeführt!)


Auch Sie haben Europaabgeordnete. Über eine habe ich
neulich etwas in der Zeitung gelesen. Herr Gysi, viel-
leicht treffen Sie sich einmal mit Frau Wagenknecht zum
Hummeressen in Brüssel und lassen sich das erklären.


(Zuruf von der LINKEN: Oh!)


Sie brauchen auch keine Angst zu haben, dass Sie dabei
fotografiert werden.


(Widerspruch bei der LINKEN)


Frau Wagenknecht löscht diese Bilder dann eigenhändig
auch von fremden Kameras.

Die am 1. Januar 2007 in Kraft getretene Mehrwert-
steuersystemrichtlinie bildet heute die rechtliche Grund-
lage für das harmonisierte Mehrwertsteuerrecht in
Europa. Gemäß Art. 98 Abs. 1 können Mitgliedstaaten
einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden, aber
eben nur auf Gegenstände, die sich in Anhang III befin-
den. Schaut man sich einmal das Verzeichnis in An-
hang III an, so findet man eben nicht – ich bedauere
das – Kinderwindeln, Kinderkleidung oder Spielsachen.
Man mag dies bedauern, aber es ist so. Eine Möglichkeit
zur Änderung haben wir zurzeit nicht.

Mein Vorredner hat bereits zu Recht ausgeführt, dass
Europa nicht irgendein Fremdkörper ist, sondern wir Teil
der Europäischen Union sind und Gestaltungsmöglich-
keiten haben. Wir begrüßen es deshalb, dass die Euro-

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(C (D äische Union im letzten Jahr zu der Auffassung gelangt st, dass die derzeitige Struktur der Mehrwertsteuersätze, nsbesondere der ermäßigten Mehrwertsteuersätze, verinfacht werden muss, da die derzeitige Regelung zu omplex sei. Die Kommission möchte neue gemeinsame orschriften entwickeln, die nach 2010 Anwendung finen sollen. Hierbei wird die Koalition den Bundesinanzminister, der dafür die Verhandlungen in Brüssel ührt, mit Tatkraft unterstützen. Die Kinder stehen dabei ür uns ganz im Zentrum der Bemühungen. Auch wir – das kann ich für meine Fraktion sagen – ollen die Liste der dem ermäßigten Steuersatz unterlieenden Gegenstände gemäß der Anlage zu § 12 Umsatzteuergesetz überarbeiten. Brauchen wir tatsächlich eine olche ellenlange, detailverliebte Kasuistik, die regelmäig eine Fundgrube für Büttenredner im Karneval dartellt, um die Regelungswut des Steuergesetzgebers anuprangern? Ich zitiere die Nummer 22 dieser Liste: em ermäßigten Steuersatz unterliegen: Johnnisbrot und Zuckerrüben, frisch oder getrocknet, auch gemahlen; Steine und Kerne von Früchten sowie andere pflanzliche Waren (einschließlich nichtgerösteter Zichorienwurzeln was auch immer das ist – der Varietät Cichorium intybus sativum)

sächlich zur menschlichen Ernährung verwendeten
Art, … ausgenommen Algen, Tange und Zucker-
rohr.

lles klar, oder? Ich könnte auch aus dem Schreiben des
MF zum Thema Schweineohren zitieren. Hier besteht

n der Tat Reformbedarf.

Noch schwerwiegender als solche Kuriosa wiegen die
eilweise krassen Wertungswidersprüche, die in dieser
iste enthalten sind. Warum werden Musik-CDs niedri-
er besteuert als Babywindeln?


(Frank Schäffler [FDP]: Wer regiert denn dieses Land?)


arum wird Tierfutter niedriger besteuert als Arzneimit-
el besteuert werden? Warum werden Hummer und Trüf-
el niedriger besteuert als Mineralwasser besteuert wird?

Ich glaube, es besteht sicherlich ein gewisser Konsens
n diesem Hause, dass eine breit angelegte Diskussion
ber das Thema „Ermäßigte Mehrwertsteuersätze“ ge-
ührt werden muss. Allerdings sollten die Vorarbeiten
er Europäischen Kommission abgewartet werden. Wir
ollen eine europäische Regelung. Deutschland darf
ier keinen nationalen Alleingang wagen. Die Vorarbei-
en der Europäischen Kommission und die uns vorlie-
enden Berichte des Bundesfinanzministeriums bilden
abei die Grundlage. Unser Ziel ist, zu prüfen, ob es
öglich ist, dass auch typische Kleinkind- und Kinder-

rodukte des täglichen Bedarfs lediglich mit dem ermä-
igten Mehrwertsteuersatz belastet werden.

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, was
ir uns auf keinen Fall vorwerfen lassen werden: dass
ir Kinder politisch benachteiligen. Die Bundesregie-

ung mit der Bundeskanzlerin und der Bundesfamilien-






(A) )



(B) )


Manfred Kolbe
ministerin an ihrer Spitze hat die Familienpolitik ganz
oben auf die politische Agenda gesetzt und dem auch Ta-
ten folgen lassen:

Erstens. Mit dem Elterngeld haben wir Vätern und
Müttern im ersten Lebensjahr ihres Kindes gezielt das
Einkommen gesichert, damit sich die Eltern für ihr Neu-
geborenes Zeit nehmen können.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja, ja! Aber nicht nur! Für Arbeitslosengeld-II-Bezieher haben Sie es halbiert! Und für Studenten auch!)


Auch die große Gruppe der Alleinerziehenden profitiert
davon, Frau Schewe-Gerigk.

Zweitens. Der beschlossene Ausbau des Betreuungs-
angebots für unter Dreijährige sorgt für echte Wahlfrei-
heit. Bis 2013 wollen wir in Deutschland für 35 Prozent
der Kinder unter drei Jahren ein Betreuungsangebot in
Tagespflege oder Kinderkrippen schaffen. Im Anschluss
daran werden wir ein Betreuungsgeld für Eltern einfüh-
ren, die ihre Kinder vom vollendeten ersten bis dritten
Lebensjahr zu Hause betreuen und keinen Platz in einer
Kindertagesstätte beanspruchen.

Drittens. Die Koalition wird im Herbst dieses Jahres
entscheiden, ob wir das Kindergeld erhöhen oder nicht.

Abschließend: Auch wir wollen im Rahmen der euro-
päischen Vorgaben und unserer haushaltspolitischen
Möglichkeiten typische Kleinkind- und Kinderprodukte
des täglichen Bedarfs künftig nur noch mit dem ermä-
ßigtem Mehrwertsteuersatz belasten. Den heutigen An-
trag der Fraktion Die Linke lehnen wir aber ab, da er
dazu wegen seiner fachlichen Mängel nicht geeignet ist.

Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1614208000

Das Wort hat nun der Kollege Dr. Gregor Gysi für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614208100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Kolbe, ich verstehe gar nicht, warum Sie sich darüber
aufregen, dass einer unserer Fraktionsvorsitzenden fehlt.
Wir haben immerhin zwei. Ihrer ist nicht da, von der Re-
gierung ist keiner da.


(Hildegard Müller, Staatsministerin: Wie bitte? Was soll das denn heißen?)


Ich weiß gar nicht, was Sie hier herummeckern. Das Pro-
blem, das mir an dieser Debatte auffällt, ist: Manche
Abgeordnete werden, wenn sie über den Schutz von
Embryonen diskutieren, sehr leidenschaftlich. Wenn es
aber um die bereits geborenen Kinder geht, dann fehlt
ihr Interesse plötzlich.

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(C (D (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Wir haben es hier mit einem sehr ernsten Thema zu
un. Denn in Deutschland, einem der reichsten Länder
er Erde, leben 2,6 Millionen Kinder in Armut.


(Frank Schäffler [FDP]: Und all das nur, weil Sie nicht an der Macht sind!)


as können wir uns nicht leisten. Ganz egal, ob man
itglied der CSU oder der Linken ist: Das ist nicht hin-

ehmbar. Das müsste der ganze Bundestag beschließen.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Ursache der Kinderarmut ist immer die Armut der
ltern. Also muss man dort ansetzen und die Strukturen
erändern. Da Sie uns immer vorwerfen, wir würden
ahlkampf machen, muss ich Ihnen sagen: Das, was wir

erade bei der Union erleben, ist in jeder Hinsicht klassi-
cher Wahlkampf. Das werde ich Ihnen auch belegen.

Frau Westrich, Sie haben argumentiert, indem Sie auf
as EU-Recht hingewiesen haben. Dazu muss ich Ihnen
agen: Das finde ich wirklich unakzeptabel. Denn wenn
an von EU-Recht spricht, tut man immer so, als sei

ieses Recht göttlich gegeben. Darf ich Sie daran erin-
ern, dass auf EU-Ebene nichts ohne Zustimmung der
eutschen Bundesregierung beschlossen wurde?


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


elbstverständlich sind wir berechtigt, auf europäischer
bene Veränderungen herbeizuführen.

Dass Sie das Handwerkliche an unserem Antrag kriti-
ieren, finde ich völlig falsch. In unserem Antrag steht:
ie Bundesregierung wird aufgefordert, das Umsatz-

teuergesetz so zu ändern, dass solche Produkte aufge-
ommen werden können. – Wenn der Bundestag das
eschlösse, könnten die Bundesregierung und der Bun-
estag anschließend beraten, welche Produkte aufge-
ommen werden, wie wir vorgehen und was am EU-
echt verändert werden muss. Wenn der Bundestag un-

eren Antrag mehrheitlich annimmt – wenn er es denn
äte, er macht es leider nicht –, drückt er seinen Willen
us, dass die Bundesregierung diesbezüglich aktiv wird.
as ist handwerklich völlig sauber.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


enn wir alles einzeln aufgeschrieben hätten, hätten Sie
ber das Handwerkliche meckern können. Doch in die-
em Falle ist Ihr Vorwurf falsch.

Hinzu kommt: Wie schnell haben Sie die Mehrwert-
teuer gleich um 3 Prozentpunkte, von 16 auf 19 Pro-
ent, erhöht! Wieso haben Sie, wenn Sie das schon ma-
hen, im Ausgleich nicht wenigstens die Mehrwertsteuer
ür bestimmte Produkte gesenkt? Warum haben Sie sich
afür bei der EU nicht entsprechend eingesetzt? Die Si-
uation ist doch grotesk: Bei Nahrungsmitteln sind es
Prozent, bei Zeitungen, Büchern, Kultur, öffentlichem






(A) )



(B) )


Dr. Gregor Gysi
Nahverkehr sind es 7 Prozent, bei Tiernahrung und Tier-
medikamenten sind es 7 Prozent. Sie müssen einmal er-
klären, wieso jemand auf das Antibiotikum für seinen
Hund nur 7 Prozent Mehrwertsteuer zahlen muss, auf ein
Antibiotikum für sich selbst hingegen 19 Prozent!


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Dieser Logik kann ich nicht folgen.

Kinderkleidung – das ist selbstverständlich – muss für
jedes Jahr neu angeschafft werden, also viel häufiger als
bei Erwachsenen, und auf jedes Kleidungsstück sind
19 Prozent Mehrwertsteuer zu zahlen. Kommen Sie mir
jetzt nicht mit Beispielen, wo es nicht angebracht wäre,
wenn der Mehrwertsteuersatz ermäßigt würde! Darüber
können wir diskutieren, wenn der Bundestag beschlos-
sen hat, die Mehrwertsteuer auf Produkte für Kinder zu
ermäßigen. Dann können wir das Produkt für Produkt
durchgehen.


(Zuruf von der FDP: Das wollen wir ja tun!)


Bayern ist spitze: Bayern sorgt dafür, dass Seilbahn-
fahrten künftig nur noch mit 7 Prozent besteuert werden.
Im Hinblick auf Kinderkleidung gab es keinen solchen
Antrag aus Bayern; das möchte ich an dieser Stelle ein-
mal feststellen.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Kommen wir einmal zu dem Affentheater, das wir
hier in letzter Zeit erleben. Im Wahlkampf in Hamburg
wird erklärt, das Kindergeld muss erhöht werden. Der
Bundesfinanzminister äußert sich dazu, das sei der völlig
falsche Weg, er sei strikt dagegen, das Kindergeld zu er-
höhen. Einen Tag später denkt Herr Beck laut darüber
nach, das Geld je zur Hälfte in eine Erhöhung des Kin-
dergeldes und in Schulessen zu investieren. Dann hört
man wieder nichts. Dann beschließt die CDU die Ham-
burger Erklärung, zufällig in Hamburg; ich glaube, da
sind Wahlen. In dieser Hamburger Erklärung steht, an-
ders als Sie es heute zitiert haben:

Zahlreiche wichtige Kinderartikel unterliegen
schon heute dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz.
Wir wollen auch unter dem Gesichtspunkt der Fi-
nanzierbarkeit prüfen, wo in Zukunft grundsätzlich
der untere Mehrwertsteuersatz angewendet werden
kann. Ziel ist, typische Kleinkind- und Kinderpro-
dukte des täglichen Bedarfs hierunter zu fassen.

Nicht vor zwei Jahren – jetzt, im Jahre 2008, ist das be-
schlossen worden. Da muss ich Herrn Beck recht geben,
der hierzu sagt: Es ist nicht glaubwürdig, was die Union
da macht. – Denn heute wird sie genau gegen das stim-
men, was sie in ihrer Hamburger Erklärung gefordert
hat; das wollen wir den Hamburgerinnen und Hambur-
gern und der Öffentlichkeit zeigen.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Wenn Sie Ihre Hamburger Erklärung ernst nehmen, müs-
sen Sie heute unserem Antrag zustimmen. Sonst ist das
eine typische Wahlkampferklärung, die nicht in Ordnung

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(C (D st. Wie gesagt: Das Ganze ist ein ziemliches Affentheaer. Noch etwas. Sie sagen, alles ist abhängig von dem, as im Existenzminimumbericht steht. Dieser Bericht, er im September vorgelegt werden soll, bindet Sie; da ind Sie gar nicht frei in Ihrer Entscheidung. Das Bunesverfassungsgericht hat klipp und klar gesagt: Das xistenzminimum ist für jedes Kind zu gewährleisten. ie kommen gar nicht umhin, die Ergebnisse dieses Beichts zu berücksichtigen. Andernfalls würden Sie sich n eine grundgesetzwidrige Situation begeben, was dann ntsprechende Folgen hätte. Die CDU/CSU spricht davon, das Kindergeld um 0 Euro erhöhen zu wollen. Die SPD will die Hälfte – das ären dann 5 Euro – sowie den gleichen Betrag für chulessen. So kommen wir nicht weiter, so überwinden ir die Armut von 2,6 Millionen Kindern in Deutsch and nicht. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


edes sechste Kind in Deutschland kann sich Klassen-
ahrten nicht leisten, hat kein Taschengeld, kann sich die

itgliedschaft im Sportverein nicht leisten und geht in
uppenküchen. Wenn Sie sich einmal die Gesichter der
inder, die in Suppenküchen gehen, anschauen – das
ätte ich gerne Herrn Koch gesagt –, dann wissen Sie,
o Frust und Gewaltbereitschaft entstehen.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Die warten alle auf 7 Prozent Mehrwertsteuer!)


enn wir das nicht überwinden, haben wir es später mit
och viel schlimmeren Folgen zu tun.


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Was ist Ihr Konzept?)


Sie haben recht: Die 7 Prozent Mehrwertsteuer sind
ur der erste Schritt. Wir fordern ja mehr; wir können
ur nicht immer alles zur Abstimmung stellen. So for-
ern wir, das Kindergeld von 154 Euro auf 200 Euro zu
rhöhen. Doch dazu sind Sie nicht bereit. Wir fordern
arüber hinaus, den Kinderzuschlag für Hartz-IV-Bezie-
erinnen und Hartz-IV-Bezieher von maximal 140 Euro
ür unter 14-Jährige auf 200 Euro und für über 14-Jäh-
ige auf 270 Euro zu erhöhen.


(Zurufe von der SPD)


ir sagen: Die entsprechenden Regelsätze für Kinder
on Hartz-IV-Empfängern müssen von 207 Euro bzw.
76 Euro auf 300 Euro erhöht werden. Damit könnte
an die Kinderarmut überwinden.

Sie alle fragen, wovon man das bezahlen soll. Wir sa-
en: Wir brauchen Steuergerechtigkeit. An einer Tatsa-
he kommen Sie, die Sie hier so lange über die
20 Milliarden Euro gesprochen haben, nicht vorbei:
ie durchschnittliche Steuer- und Abgabenquote in
eutschland liegt bei 35,6 Prozent, während der Durch-

chnitt aller 27 Mitgliedsländer der EU bei 40,8 Prozent
iegt. Als stärkstes ökonomisches Land der EU liegen






(A) )



(B) )


Dr. Gregor Gysi
wir also um über 5 Prozentpunkte unter dem Durch-
schnitt.


(Lydia Westrich [SPD]: Warum sind denn neue Arbeitsplätze entstanden?)


Damit meinen wir nicht die Mehrwertsteuer und auch
nicht die Einkommensteuer – schon gar nicht die der
Empfänger unterer Einkommen und auch nicht die der
Empfänger durchschnittlicher Einkommen. Damit mei-
nen wir eine gerechte Besteuerung der Empfänger hoher
Einkommen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1614208200

Herr Kollege, ich muss Sie auf die Redezeit aufmerk-

sam machen.


Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614208300

Ja. – Wir meinen eine Vermögensteuer, eine Börsenum-

satzsteuer, eine Luxussteuer und eine Veräußerungserlös-
steuer. Auf all das verzichten Sie.


(Frank Schäffler [FDP]: Weil das Schwachsinn ist!)


Andere Länder haben sie aber. Wenn wir darauf nicht
verzichten würden und Steuergerechtigkeit hätten, dann
könnten wir die Kinderarmut überwinden.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1614208400

Nächster Redner ist nun der Kollege Dr. Gerhard

Schick für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach
der Rede von Herrn Gysi könnte man meinen, dass alle,
die diesem Antrag nicht zustimmen, völlig unsozial sind,
noch nie eine Suppenküche gesehen haben und sich mit
dem Problem der Kinderarmut nicht auseinandersetzen
wollen. Ich glaube, diesen Eindruck muss man ganz
deutlich zurückweisen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Sie schlagen die Ermäßigung des Mehrwertsteuersat-
zes vor. Ich rede nicht über andere Vorschläge, die wir
teilweise durchaus richtig finden. Wir selber haben den
Antrag gestellt, die Regelsätze endlich an das Existenz-
minimum anzupassen, damit die Kostensteigerungen,
die unter anderem durch die Mehrwertsteuererhöhung
entstanden sind, durch entsprechende Einkommenserhö-
hungen für die Menschen gemildert werden. Natürlich
kann man hier über einiges reden, aber heute steht die
Ermäßigung des Mehrwertsteuersatzes für Kinderpro-
dukte zur Debatte.


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


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(C (D Sie würde natürlich überhaupt nichts zur Bekämpung der Kinderarmut beitragen, die Sie hier gerade nhand einer Reihe von Bildern geschildert haben. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


öglicherweise würde das Symptom der Kinderarmut
ufgrund der Verbilligung einzelner Produkte ein wenig
elindert werden – aber wohl noch nicht einmal das.

Herr Gysi, auf das Gegenargument von Frau
estrich, dass sich die Reduzierung der Mehrwertsteuer

uf die Preise nicht auswirken würde – das ist das zen-
rale Kernargument, und ich sage auch für meine Frak-
ion, dass die Reduzierung bei den Menschen nicht an-
ommt –, sind Sie gar nicht eingegangen. Daran erkennt
an, dass Ihr Antrag nicht wirklich begründet ist. Es

ommt bei den Kindern nicht an. Deswegen lehnen wir
en Vorschlag auch ab.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir müssen uns mit der Kinderarmut beschäftigen.
Millionen Kinder leben unter der Armutsschwelle.
uch im aktuellen Aufschwung steigt diese Zahl. Dies
ilt auch für Baden-Württemberg, ein Bundesland, des-
en ökonomische Zahlen häufig überdurchschnittlich
ind. Mit einem Plus von 13 Prozent stehen wir sogar am
beren Rand dieses Zuwachses. Man sieht eindeutig,
ass ein Handlungsbedarf vorhanden ist. Diesem dürfen
ir uns nicht entziehen.

Deswegen ist es richtig, dass wir über die Kindergeld-
rhöhung sprechen und uns fragen, wie wir die Infra-
truktur verbessern und es verhindern können, dass El-
ern, insbesondere alleinerziehende Eltern, so stark von
rmut betroffen sind. Das sind richtige Fragen, denen
ir uns mit einer Reihe von Vorschlägen stellen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte hier jetzt aber nicht zu allen Aspekten der
inderpolitik sprechen, vielmehr möchte ich Sie noch

inmal darauf hinweisen, was wir im Steuersystem ma-
hen und wo das richtig angesiedelt ist. Ich möchte für
eine Fraktion ganz deutlich sagen, dass wir das Mehr-
ertsteuersystem nicht für die zentrale Stelle halten, an
er wir Sozialpolitik idealerweise betreiben sollten. Die
mpirische Evidenz, dass das irgendetwas bringt, ist ein-
ach nicht gegeben. Durch den Bericht der Bundesregie-
ung wurde uns das noch einmal sehr deutlich gemacht.
arin sind wir alle uns ja auch einig.

Nun kommen wir aber zu folgendem Punkt: Wenn die
undesregierung feststellt, dass das Mehrwertsteuer-

ystem jeder Logik widerspricht und es im Wesentlichen
uf Lobbyeinflüsse zurückzuführen ist, wo wir Ausnah-
en machen und wo nicht, dann müssen wir jetzt einmal

twas tun. Ich halte den Vorschlag der Oppositionsfrak-
ionen, einmal richtig an dieses Thema heranzugehen,
ür geeignet, hier System hineinzubringen. Daher würde
ch mich freuen, wenn die weiteren Rednerinnen und
edner von der Großen Koalition uns einen Vorschlag
achten, wie wir darangehen wollen. Wir haben vorge-

chlagen, das im Rahmen der Selbstbefassung im Aus-






(A) )



(B) )


Dr. Gerhard Schick
schuss hinter verschlossenen Türen zu machen, gegebe-
nenfalls auch in Form eines Berichterstattergesprächs,
damit wir uns diesem Thema in Ruhe nähern können.

Allerdings hat Herr Wissing hier zu Recht deutlich
gemacht, dass die Große Koalition damit ihre Schwierig-
keiten hat: Ihre Leute werben in Hamburg und im Saar-
land damit, dass sie die Ermäßigung wollen; gleichwohl
werden sie hier mit Nein stimmen. Auch das Beispiel der
Sessellifte widerspricht jeder Systematik. Dies zeigt das
Ausmaß des Problems, das wir nur gemeinsam angehen
können. Unsere Fraktion ist bereit, an einer besseren
Systematik des Mehrwertsteuerrechts mitzuwirken. Dies
werden wir aber nur tun können, wenn Sie von der Gro-
ßen Koalition endlich zu einem ernsthaften Prozess der
Verbesserung und Vereinfachung unseres Mehrwertsteu-
ersystems Ja sagen. Darauf warten wir, und ich fordere
die nachfolgenden Redner der Koalition auf, hierzu Stel-
lung zu nehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gabriele Frechen [SPD]: Darauf können Sie sich verlassen!)


Aber die FDP muss noch eine Voraussetzung schaf-
fen, wenn wir ernsthaft an dieses Thema herangehen
wollen. Wenn Sie in dem Graben bleiben und überall
dort, wo ungerechtfertigte Erleichterungen, Subventio-
nen und Vergünstigungen abgebaut werden, mit der gro-
ßen Steuererhöhungskeule ausholen – ich erinnere nur
daran, wie die Debatte lief, als wir damals Verbesse-
rungsvorschläge vorgelegt hatten –, dann werden wir
nicht vorankommen. Im Endeffekt ist es doch egal, ob
man an dieser oder an einer anderen Stelle die Steuer er-
höht, wenn man einen Konsolidierungsbedarf hat. Wenn
Sie wirklich an die Systematik heranwollen, dann müs-
sen Sie diese Systematik in den Vordergrund stellen und
dürfen nicht in erster Linie darauf abstellen, dass Steuern
erhöht würden.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ortwin Runde [SPD])


Deswegen fordere ich Sie auf, konstruktiv mitzuma-
chen und nicht wieder in den Fehler zurückzufallen, so-
fort „Steuererhöhung“ zu schreien. Dann haben wir die
Chance, zu mehr Systematik bei der Mehrwertsteuer zu
kommen. Außerdem könnten wir dann dort, wo es sinn-
voll ist, nämlich im Bereich der Transferleistungen und
der Infrastruktur, wirklich etwas für Kinder in diesem
Lande tun. Wir müssen Kinderarmut dort bekämpfen,
wo es tatsächlich etwas bringt, also nicht so, wie es die
Linke heute vorschlägt.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1614208500

Für die SPD-Fraktion erteile ich nun das Wort der

Kollegin Gabriele Frechen.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ollegen! Herr Dr. Schick hat eben etwas aufgegriffen, as ich mir auch dachte, als ich Herrn Dr. Wissing hörte: gal, was es ist, und wenn es die getrockneten Schweieohren sind, (Dr. Volker Wissing [FDP]: Die mögen Sie besonders, nicht?)

Gabriele Frechen (SPD):
Rede ID: ID1614208600

ällt etwas aus dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz he-
aus, ist Herr Dr. Wissing der Erste, der auf den Barrika-
en steht und brüllt: Haltet den Dieb, Steuererhöhungen!
as ist unredlich, Herr Dr. Wissing, einfach unredlich.


(Beifall bei der SPD)


Herr Dr. Gysi hat relativ wenig zum Antrag seiner
raktion gesprochen, sondern eher allgemeine Ausfüh-
ungen gemacht, was ich auch nachvollziehen kann.
ber er hat behauptet, in dem Antrag werde die Bundes-

egierung aufgefordert, die Voraussetzungen für eine
nderung des Umsatzsteuergesetzes zu schaffen. Nein,
err Dr. Gysi, in dem Antrag steht, dass Sie das Umsatz-

teuergesetz ändern wollen, unabhängig davon, ob es
U-rechtlich zulässig ist. Sie wollen also sehenden Au-
es in ein Vertragsverletzungsverfahren hineinlaufen.
der bereiten Sie Spiegeleier zu, indem Sie zuerst das Ei

uf den Herd kloppen und dann die Pfanne daraufstel-
en? Ich mache es umgekehrt, und so sollten wir eigent-
ich auch Gesetze machen.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)


n der heutigen Diskussion habe ich schon mehrfach be-
erkt, dass Ihnen der Hang zur Logik abgeht. Zu den
eispielen von Frau Westrich haben Sie auch gesagt, da-
inter stecke keine Logik. Alle Kolleginnen und Kolle-
en konnten sie verstehen, nur Sie merkwürdigerweise
icht.

Aber lassen Sie mich ein ähnliches Beispiel anführen;
enn ich habe mich wirklich mit Ihrem Antrag auseinan-
ergesetzt. Auch wenn er nur wenige Zeilen hat, hat er
rdentlich Zeit gekostet.


(Zuruf von der LINKEN)


Sie nicht. Das habe ich auch nicht vermutet.

Ich habe im Internet gestöbert und eine Plattform ent-
eckt, auf der sich Eltern austauschen können. Dort habe
ch Folgendes gefunden:

Ich habe heute Windeln gekauft, aber kann es wirk-
lich sein, dass dieselben Windeln in unterschiedli-
chen Geschäften einen Preisunterschied von mehr
als 5 Euro haben? Zuerst war ich bei A:

ch kann Ihnen zwar die Marke nennen, aber ich will
eine Reklame machen.

… eine Packung … mit 56 Windeln 13,99 Euro.
Das war mir viel zu teuer, also zu B …, da kostete
dieselbe Packung 10,99 Euro, gut, dachte ich, sind
ja 3 Euro! Zur Sicherheit bin ich dann noch mal
zu C … in der Hoffnung, vielleicht noch 50 Cent






(A) )



(B) )


Gabriele Frechen
oder so zu sparen, da kostete genau dieselbe Pa-
ckung … auch mit 56 Stück nur 8,45 Euro.

Die Preisdifferenz beträgt 5,54 Euro bzw. 40 Prozent.

Die Nachbarländer erleben dasselbe. In Österreich hat
die Tiroler Arbeiterkammer festgestellt, dass Windel-
preise um bis zu 50 Prozent variieren. Sind Sie wirklich
der Meinung, dass das am Steuersatz liegt?


(Zuruf von der SPD: Herr Gysi kauft keine Windeln! Davon hat er keine Ahnung!)


Meinen Sie im Ernst, der Mutter wäre ihre Windelrallye
erspart geblieben, wenn der Steuersatz nur 7 Prozent be-
tragen würde? Das wage ich zu bezweifeln.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1614208700

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Dr. Gysi?


Gabriele Frechen (SPD):
Rede ID: ID1614208800

Ja.


Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614208900

Frau Kollegin, ich habe eine Frage, weil Sie wie Ihre

Vorredner behaupten, dass eine Mehrwertsteuersen-
kung nicht bei den Kundinnen und Kunden ankäme.
Erstens haben wir aber erlebt, dass eine Mehrwertsteuer-
erhöhung um 3 Prozentpunkte bei allen Kundinnen und
Kunden ankommt.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Darf ich zweitens aus Ihrer Bemerkung schließen, dass
Sie sämtliche Unternehmer für Gauner dergestalt
halten, –


Gabriele Frechen (SPD):
Rede ID: ID1614209000

Nicht durchgehend.


Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614209100

– dass sie bei einer Mehrwertsteuersenkung um

12 Prozentpunkte anschließend eine Preissteigerung um
12 Prozentpunkte durchführen? Ist das wirklich Ihre
Einstellung? Eine so negative Einstellung habe ich nicht
gegenüber den Unternehmerinnen und Unternehmern in
Deutschland.


(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der SPD und der CDU/CSU – Otto Bernhardt [CDU/CSU]: Scheinheilig!)



Gabriele Frechen (SPD):
Rede ID: ID1614209200

Ich bin bestimmt kein misstrauischer Mensch, aber

ich glaube nicht, dass Steuersenkung gleichbedeutend
mit Preissenkung ist. Denn wie das Beispiel der Mutter,
die sich auf den Weg durch die Geschäfte machte, zeigt,
folgt die Preisfindung bei Babykleidung, Babyfläsch-
chen, Babyschnullern und Babywindeln offensichtlich
ganz anderen Gesetzmäßigkeiten als dem Mehrwertsteu-

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(C (D rsatz. Sonst würden sich nicht solche Preisunterschiede rgeben. (Beifall bei der SPD – Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Das ist einfach Blödsinn!)


Deshalb bin ich sicher, dass es mit der in Ihrem An-
rag vorgeschlagenen Lösung zwei Gewinner gäbe: zum
inen die Händler, die die Preise, wie gesagt, nach ande-
en Kriterien festlegen, und zum anderen die Hersteller
die internationalen Konzerne –, die auch gerne ein
tück von dem Kuchen abhaben wollen. Ich weiß nicht,
b es die Intention Ihres Antrags war, Steuersenkungen
ugunsten der betroffenen Unternehmen durchzuführen.
akt ist, dass ihr Antrag diese Wirkung hätte. Die Fami-

ien hätten nichts davon. Das ist reine Augenwischerei.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Wenn Sie von Kindern sprechen, dann fallen immer
ur Begriffe wie Kostenfaktor, Armutsrisiko und
chlechte Lebensbedingungen für die Eltern. Dass Kin-
er einen Wert an sich darstellen, habe ich von Ihnen
och kein einziges Mal gehört.


(Widerspruch bei der LINKEN)


as schmerzt mich; denn Kinder möchten genau das
ein, was sie sind: weder ein Armutsrisiko noch ein Kos-
enfaktor, sondern ganz einfach Kinder.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich bin, wie gesagt, kein misstrauischer Mensch. Des-
alb gehe ich davon aus, dass sich hinter dem Antrag an-
atzweise das Anliegen verbirgt, dass es Familien mit
indern bessergehen soll. Dieses Anliegen teilt sicher-

ich jeder hier und die SPD-Fraktion ganz besonders.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1614209300

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

ollegin Bulling-Schröter?


Gabriele Frechen (SPD):
Rede ID: ID1614209400

Ja.


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614209500

Danke schön, Frau Kollegin Frechen. – Ich möchte

uf den ermäßigten Mehrwertsteuersatz eingehen. Ich
abe Ihrer Rede entnommen, dass Sie alles, was wir
orschlagen, für nicht sehr zielführend halten. Ich
omme aus Bayern. Der VdK Bayern sammelt zurzeit
nterschriften für eine Halbierung des Mehrwertsteuer-

atzes für apothekenpflichtige Medikamente. Wenn ich
ich richtig erinnere, sind inzwischen 800 000 bis
000 000 Unterschriften zusammengekommen. Die
orsitzende des VdK Bayern ist Mitglied Ihrer Partei.

ch möchte gerne wissen, ob Sie die hier geforderte Sen-
ung des Mehrwertsteuersatzes ebenfalls für unsinnig
alten. In der Vergangenheit haben Sie unseren Antrag
bgelehnt, während Mitglieder Ihrer Partei nun in Bay-
rn Unterschriften dafür sammeln.






(A) )



(B) )


Gabriele Frechen (SPD):
Rede ID: ID1614209600

Frau Kollegin, ich würde dem VdK Bayern eine ähn-

liche Antwort geben wie in der heutigen Diskussion.
Wenn Sie sich den Preisverfall bei Medikamenten nach
der Gesundheitsreform, wonach die preiswertesten unter
gleichwertigen Medikamenten genommen werden müs-
sen, anschauen, dann müssen auch Sie sehen, dass der
Mehrwertsteuersatz ganz sicher nicht das entscheidende
Kriterium bei der Preisfindung bei Medikamenten ist.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Eduard Oswald [CDU/CSU] – Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Aber ein Kriterium!)


– Das will ich gar nicht abstreiten.

Ich will nicht abstreiten, dass neben den Vorteilen für
Händler und Hersteller von Babyartikeln vielleicht ein
Erfolg für die Familien erzielt würde. Aber Copenhagen
Economics und das Bundesfinanzministerium sind über-
einstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass es deut-
lich bessere Mittel gibt als einen ermäßigten Mehrwert-
steuersatz, um Familien zu entlasten. Ich habe mich
natürlich gefragt, welche Produkte und Dienstleistun-
gen Sie in Ihrem Antrag meinen und wie das praktisch
aussehen könnte; denn ich nehme Sie ernst. Soll künftig
auf Bleistifte ein Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent-
punkten erhoben werden, wenn Kinder sie benutzen, und
ein Mehrwertsteuersatz von 19 Prozentpunkten, wenn
ich als Erwachsene sie benutze? Wie groß darf eine
Jeans sein, um eine Kindergröße zu haben? Die Turn-
schuhe meines 13-jährigen Neffen passen mir ebenfalls.
Das alles können also keine Kriterien sein. Nehmen wir
das Alter als Beispiel. Die Eltern müssten den Kinder-
ausweis vorzeigen, um nachzuweisen, dass sie noch Kin-
der im Sinne des Umsatzsteuerrechtes haben. Das ist
doch ein Stück aus Absurdistan. Das kann doch nicht
ernst gemeint sein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1614209700

Frau Kollegin, der Kollege Pronold hat den Wunsch,

eine Zwischenfrage zu stellen. Gestatten Sie?


Gabriele Frechen (SPD):
Rede ID: ID1614209800

Ja.


Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1614209900

Liebe Kollegin Frechen, es geht um die Frage, ob eine

Mehrwertsteuersenkung an die Verbraucher weitergege-
ben wird. Nehmen wir als Beispiel Fast-Food-Restau-
rants. Wenn man das Essen mitnimmt, wird ein ermä-
ßigter Mehrwertsteuersatz erhoben. Wenn man das
Essen im Lokal verzehrt, wird der volle Mehrwertsteuer-
satz erhoben. Ist Ihnen bekannt, ob die Preise unter-
schiedlich sind, ob der Hamburger billiger ist, wenn man
ihn mitnimmt?


Gabriele Frechen (SPD):
Rede ID: ID1614210000

Vielen Dank für Ihre Frage, Herr Kollege Pronold.

Das ist ein geeignetes Beispiel dafür, dass die unter-

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(C (D chiedlichen Mehrwertsteuersätze bei der Preisfindung eine Rolle spielen. Ich kaufe ab und zu einen Döner auf die Faust“ – ich weiß natürlich nicht, ob auch Sie on der Linken das machen – oder bestelle mir eine izza. Ob ich die Pizza in der Pizzeria esse oder ob ich ie mitnehme, sie kostet immer gleich viel. Dabei wird m ersten Fall ein Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent nd im anderen Fall ein Mehrwertsteuersatz von Prozent erhoben. Die Weitergabe einer Mehrwertsteu rsenkung an den Kunden findet also nicht statt. So viel azu. Die eben schon erwähnte Studie von Copenhagen conomics oder auch der Bericht des Bundesfinanzinisteriums besagen, dass es zielführendere Hilfen ibt. Es gibt vieles, was deutlich besser ist, um Familien u helfen, und das sind direkte Hilfen. Wer wirklich rnsthaft Familien entlasten will, der muss erst einmal afür sorgen, dass die Menschen von ihrer Arbeit auch eben können. Deshalb stehen wir zu Mindestlöhnen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Sie haben hier den Mindestlohn abgelehnt!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


enn das Familieneinkommen nicht ausreicht, gibt es
en Anspruch auf Kinderzuschläge, die weiter ausgebaut
erden. Damit Eltern in Ruhe arbeiten gehen können,
ibt der Bund viel Geld für die Tagesbetreuung von Kin-
ern ab dem ersten Lebensjahr aus. Das ist für uns
irekte Hilfe für Familien. Was mir noch wichtig ist,
ind Einschulungspakete, kostenloses Mittagessen in der
ffenen Ganztagsschule oder in den Kindertagesstätten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


er mir jetzt entgegenhält, das sei Ländersache und da-
it habe der Bund nichts zu tun, dem kann ich nur sa-

en, dass er den Gong noch nicht gehört hat. Wer heute
och nicht kapiert hat, dass Familienpolitik, dass die
este Politik für unsere Kinder eine gesamtgesellschaft-
iche Aufgabe auf allen staatlichen Ebenen ist, der lernt
s nie mehr.


(Beifall bei der SPD – Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Dann lernen Sie und fangen Sie mit Hartz IV an!)


Ich glaube, Kompetenzgerangel oder Schmollecken
uf den verschiedenen Ebenen helfen da überhaupt
icht. Was am allerwenigsten hilft, sind populistische
inzelmaßnahmen, wie sie von Ihnen heute gefordert
urden. Diese stärken vielleicht das Ego des einen oder

nderen Machos bei Ihnen, aber den Familien hilft das
anz bestimmt nicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1614210100

Nun darf ich Sie um Aufmerksamkeit für den letzten

edner in dieser Debatte bitten. Es ist der Kollege Otto
ernhardt für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Otto Bernhardt (CDU):
Rede ID: ID1614210200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die Umsetzung der Forderung im Antrag der
Linken würde 1,5 Milliarden Euro kosten. Ich glaube,
Sie stimmen mir zu, dass man mit diesem Betrag Besse-
res für die Kinder in unserem Lande tun kann.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Natürlich ist es populär, so etwas zu fordern. Aber ich
finde, wenn man so etwas fordert, sollte man der Fair-
ness halber auch sagen, was das kostet. Bei der gesamten
Debatte über den ermäßigten Mehrwertsteuersatz bzw.
den normalen Mehrwertsteuersatz dürfen wir eines nicht
aus dem Auge verlieren: Jede Maßnahme zur Ausdeh-
nung des ermäßigten Steuersatzes auf weitere Produkte
führt zur Verringerung des Steueraufkommens. Dann
stehen wir vor der Frage, ob wir den generellen Steuer-
satz erhöhen.

Ich will das einmal an der Größenordnung der
Mehrwertsteuer klarmachen. Das Gesamtaufkommen
liegt bei etwa 175 Milliarden Euro, und damit ist die
Mehrwertsteuer für die öffentliche Hand eine der wich-
tigsten Einnahmen überhaupt. Ich will darauf verweisen,
dass 85 Prozent aller Güter und Dienstleistungen mit
dem normalen Steuersatz von 19 Prozent und 15 Prozent
mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert werden.


(Zuruf von der FDP: Der ist immer noch zu hoch!)


75 Prozent der Produkte, die den ermäßigten Steuersatz
haben, entfallen auf Lebensmittel. Wenn wir keinen er-
mäßigten Steuersatz hätten, sondern alle Produkte mit
19 Prozent besteuern würden, dann hätten wir ein zu-
sätzliches Aufkommen von 18 Milliarden Euro. Das
bedeutet, dass wir den Steuersatz generell um 2,5 Pro-
zentpunkte reduzieren könnten, um zum gleichen Steuer-
aufkommen zu kommen.

Nun wissen Sie, dass die Mehrwertsteuer in der heuti-
gen Form ziemlich genau vor 40 Jahren eingeführt
wurde. Damals gab es den Übergang von der generellen
Umsatzsteuer zur Mehrwertsteuer. Damals gab es eine
sehr intensive Diskussion über die Frage, für welche
Produkte ein ermäßigter Steuersatz gelten soll und für
welche nicht. Das EU-Recht eröffnet den Ländern übri-
gens sogar die Möglichkeit, zwei ermäßigte Steuersätze
anzuwenden. Viele Länder machen davon Gebrauch –
wir nicht.

Natürlich sind die Maßstäbe, nach denen man heute
Grundlebensmittel von anderen Lebensmitteln ab-
grenzt, heute andere als noch vor 40 Jahren. Das zeigt
ein extremes Beispiel: Vor 40 Jahren – niemand von uns
war damals schon im Bundestag – hielt man zum Bei-
spiel Wasser nicht für ein lebensnotwendiges Gut. Es
wurde mit 19 Prozent besteuert. Wir alle erhalten jedes
Jahr immer wieder Schreiben mit der Bitte, doch dieses
Produkt, das immer wichtiger wird, endlich nur noch mit
7 Prozent zu besteuern.


(Zuruf von der FDP: Es ist genau anders herum!)


Ich will Ihnen einmal sagen, was das kosten würde:
Wir hätten Mindereinnahmen von 300 Millionen Euro,

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(C (D enn die Besteuerung von Wasser auf 7 Prozent gesenkt ürde. Dieses Beispiel – und auch andere Beispiele, die eine Vorredner angeführt haben – zeigt, dass das Sys em überprüfungsbedüftig ist. eder, der das leugnet, kann sich mit dem Thema nicht eschäftigt haben. Sobald man eine Detaildiskussion führt, macht jeder orschläge dazu, bei welchen Produkten der Steuersatz ringend auf 7 Prozent gesenkt werden muss. Aber es ommen keine Anträge und Vorschläge, welche Proukte höher besteuert werden sollen – außer vielleicht atzenfutter. Aber mit den 10 Millionen Euro, die sich araus ergeben würden, kann das System nicht verändert erden. Deshalb glaube ich, es ist richtig, dass wir uns diesem hema ausführlich widmen – das wird ja auch im rundsatz von allen Fraktionen gefordert – und nicht mit osinenpickerei beginnen. Ich sage an dieser Stelle uch, vor welcher Problematik wir stehen: Es gibt zwei ereiche, die heute schon angesprochen worden sind, ei denen vieles dafür spricht – auch mit Blick auf den nternationalen Vergleich –, einen ermäßigten Steuersatz nzuwenden. Der eine Bereich ist die Gastronomie, der ndere die Medizin. Ich nenne die Größenordnungen, m die es dabei geht: Wenn wir die Produkte bzw. ienstleistungen in diesen beiden Bereichen – und viele ordern das ja von uns – in Zukunft mit 7 Prozent besteurn, dann ergibt sich ein Steuerausfall von rund Milliarden Euro. Im Gegenzug müssten wir den gene ellen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf 20 Prozent rhöhen. Ich finde es fair, wenn wir in unseren Diskussioen vor Ort darauf hinweisen. Ich sage mit allem Nachdruck: Ich finde den Antrag er Linken – mein Kollege Kolbe hat es bereits gesagt –, ür einen Bereich 1,5 Milliarden Euro einzusetzen, wenn an nicht einmal weiß, wie viel davon wirklich bei den indern ankommt, im Grunde erbärmlich. Jeder, der ich intensiv mit diesem Thema beschäftigt – einige Voredner haben das gemacht –, wird schnell zu dem Ergebis kommen, dass das vor dem Hintergrund der EU-Reelungen schwierig umzusetzen ist. Sicherlich können ir auf EU-Ebene etwas verändern, aber das geht nur in ahren und nicht in Monaten, um das klar zu sagen. Vor iesem Hintergrund möchte ich auch noch das Stichwort er gesamten Abgrenzungsproblematik nennen. Wir von der Koalition werden Ihren Antrag aus dieen Gründen ablehnen und dem Beschluss des Finanzusschusses zustimmen. Wir werden unsere Politik insesondere der Stärkung der Situation der jungen eneration und der Kinder fortsetzen. Ein wichtiger Bei rag, vielleicht der wichtigste, ist es, an dem Ziel der Stailisierung und Sanierung der öffentlichen Finanzen onsequent weiterzuarbeiten. Denn alle Schulden, die ir heute machen, müssen unsere Kinder und Enkelkiner nicht nur verzinsen, sondern auch zurückzahlen. Wir leiben bei unserer soliden Finanzpolitik nd lassen uns bei einer Politik für die Kinder durch nieanden überbieten, insbesondere nicht durch die Ein Otto Bernhardt malhascher von der linken Seite. Wir bleiben bei unserer soliden Politik für die Kinder in Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)





(A) )


(B) )



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1614210300

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Finanzausschusses zu dem An-
trag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Ermäßigung
des Mehrwertsteuersatzes für Produkte und Dienstleistun-
gen für Kinder auf 7 Prozent“. Der Ausschuss empfiehlt
in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/6732,
den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/4485
abzulehnen. Die Fraktion Die Linke verlangt namentli-
che Abstimmung. Ich bitte nun die Schriftführerinnen
und Schriftführer, ihre Plätze einzunehmen. – Sind alle
Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich er-
öffne die Abstimmung.

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.
Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen
später bekannt gegeben.1)

Ich würde gern die Beratungen fortsetzen. Wir haben
noch eine ganze Reihe von Abstimmungen zu bewälti-
gen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, Ihre
Gespräche vor dem Saal zu führen. Diejenigen, die an
den weiteren Beratungen und Abstimmungen teilneh-
men wollen, bitte ich, die Plätze einzunehmen.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 29 a bis 29 c
sowie die Zusatzpunkte 2 a und 2 b auf:

29 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung wehrrechtlicher und anderer Vor-

(Wehrrechtsänderungsgesetz 2007 – WehrRÄndG 2007)


– Drucksache 16/7955 –
Überweisungsvorschlag:
Verteidigungsausschuss (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia
Pieper, Uwe Barth, Patrick Meinhardt, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Wissenschaftsjahr der Mathematik 2008 als
Chance begreifen

– Drucksache 16/7535 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

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d1) Ergebnis Seite 14939 D

(C (D c)

Döring, Horst Friedrich (Bayreuth), Ernst
Burgbacher, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDP

Wiedereinführung der Zwölf-Tage-Regelung
in Europa unterstützen

– Drucksache 16/7861 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Tourismus

P 2 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kai
Gehring, Winfried Nachtwei, Grietje Bettin, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Wehrpflichtige in Studium und Ausbildung
vollständig vor Einberufung schützen

– Drucksache 16/8044 –
Überweisungsvorschlag:
Verteidigungsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried
Hermann, Fritz Kuhn, Dr. Anton Hofreiter, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Keine Bahnprivatisierung am Parlament vor-
bei

– Drucksache 16/8046 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Rechtsausschuss
Haushaltsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

Es handelt sich dabei um Überweisungen im verein-
achten Verfahren ohne Debatte.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
ie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
berweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
all. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 30 a bis 30 m auf.
abei geht es um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu
enen keine Aussprache vorgesehen ist.

Tagesordnungspunkt 30 a:

Beratung des Antrags der Bundesregierung

Ausnahme von dem Verbot der Zugehörigkeit
zu einem Aufsichtsrat für Mitglieder der Bun-
desregierung

– Drucksache 16/7975 –

Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer ist dagegen? –
nthaltungen? – Dann ist der Antrag mit den Stimmen
es ganzen Hauses angenommen.






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Tagesordnungspunkt 30 b:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Bereinigung von Bundesrecht im Zustän-
digkeitsbereich des Bundesministeriums der
Finanzen und zur Änderung des Münzgesetzes

– Drucksache 16/7616 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzaus-
schusses (7. Ausschuss)


– Drucksache 16/8082 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Leo Dautzenberg
Martin Gerster

Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 16/8082, den Gesetzent-
wurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/7616 in
der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim-
men wollen, um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? –
Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der
FDP-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie in der zwei-
ten Beratung angenommen.

Tagesordnungspunkt 30 c:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)

Wolfgang Gehrcke, Monika Knoche, Dr. Norman
Paech, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

70. Jahrestag der Gründung der Internationa-
len Brigaden in Spanien – Würdigung des
Kampfes deutscher Freiwilliger an der Seite
der Spanischen Republik für ein antifaschisti-
sches und demokratisches Europa

– Drucksachen 16/2679, 16/3828 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Manfred Grund
Niels Annen
Harald Leibrecht
Wolfgang Gehrcke
Jürgen Trittin

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 16/3828, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 16/2679 abzulehnen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer ist dage-
gen? – Enthaltungen? – Wie ist das bei den Grünen?


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Enthaltung!)


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(C (D nthaltung der ganzen Fraktion? (Zustimmung der Abg. Undine Kurth [Quedlinburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


ann ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der
oalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Enthal-

ung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Gegen-
timmen der Fraktion Die Linke angenommen.

Tagesordnungspunkt 30 d:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)

Wolfgang Gehrcke, Dr. Norman Paech, Monika
Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Den Friedensprozess im Nahen Osten wieder
aufnehmen

– Drucksachen 16/3802, 16/4588 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Joachim Hörster
Gert Weisskirchen (Wiesloch)

Dr. Werner Hoyer
Dr. Norman Paech
Kerstin Müller (Köln)


Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
ung auf Drucksache 16/4588, den Antrag der Fraktion
ie Linke auf Drucksache 16/3802 abzulehnen. Wer

timmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer ist dage-
en? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist
it den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der FDP-
raktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei
egenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen.

Tagesordnungspunkt 30 e:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Patrick Döring, Horst
Friedrich (Bayreuth), Joachim Günther (Plauen),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Rollende Supermärkte von fahrpersonalrecht-
lichen Vorschriften ausnehmen

– Drucksachen 16/6639, 16/7844 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Wilhelm Josef Sebastian

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
ung auf Drucksache 16/7844, den Antrag der Fraktion
er FDP auf Drucksache 16/6639 für erledigt zu erklä-
en. Gleichwohl müssen wir über die Beschlussempfeh-
ung abstimmen. Wer stimmt also für die Beschlussemp-
ehlung? – Ist jemand dagegen? – Enthaltungen? – Dann
st die Beschlussempfehlung einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt 30 f:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz






(A) (C)



(B) )


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt

und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu der
Verordnung der Bundesregierung

Verordnung zum Schutz des Klimas vor Ver-

Tagesordnungspunkt 30 j:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)

änderungen durch den Eintrag bestimmter

(Chemikalien-Klimaschutzverordnung – ChemKlimaschutzV –)


– Drucksachen 16/7604, 16/7793 Nr. 2.1, 16/7941 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Ingbert Liebing
Frank Schwabe
Michael Kauch
Eva Bulling-Schröter
Sylvia Kotting-Uhl

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 16/7941, der Verordnung auf
Drucksache 16/7604 zuzustimmen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer ist dagegen? – Enthaltun-
gen? – Die Beschlussempfehlung ist damit mit den Stim-
men der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei
Enthaltung der Fraktionen des Bündnisses 90/Die Grü-
nen und der Linken angenommen.

Nun kommen wir zu den Beschlussempfehlungen des
Petitionsausschusses.

Tagesordnungspunkt 30 g:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 345 zu Petitionen

– Drucksache 16/7847 –

Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltun-
gen? – Die Sammelübersicht 345 ist damit mit den Stim-
men des ganzen Hauses angenommen.

Tagesordnungspunkt 30 h:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 346 zu Petitionen

– Drucksache 16/7848 –

Wer stimmt dafür? – Ist jemand dagegen? – Enthal-
tungen? – Dann ist auch die Sammelübersicht 346 mit
den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.

Tagesordnungspunkt 30 i:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 347 zu Petitionen

– Drucksache 16/7849 –

Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltun-
gen? – Die Sammelübersicht 347 ist mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Ge-
genstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.

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(D Sammelübersicht 348 zu Petitionen – Drucksache 16/7850 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltunen? – Sammelübersicht 348 ist mit den Stimmen des anzen Hauses angenommen. Tagesordnungspunkt 30 k: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 349 zu Petitionen – Drucksache 16/7851 – Wer stimmt dafür? – Dagegen? – Enthaltungen? – Die ammelübersicht 349 ist mit den Stimmen der Koali ionsfraktionen, der Fraktion Die Linke und der Fraktion er FDP bei Gegenstimmen der Fraktion Bündnis 90/ ie Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 30 l: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 350 zu Petitionen – Drucksache 16/7852 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltunen? – Die Sammelübersicht 350 ist damit mit den Stimen der Koalitionsfraktionen, der Fraktion der FDP und er Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Gegenstimmen er Fraktion Die Linke angenommen. Tagesordnungspunkt 30 m: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 351 zu Petitionen – Drucksache 16/7853 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltunen? – Sammelübersicht 351 ist mit den Stimmen der oalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion gegen die timmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion ündnis 90/Die Grünen angenommen. Bevor ich die Aktuelle Stunde aufrufe, darf ich Ihnen as von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermitelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die eschlussempfehlung des Finanzausschusses zum An rag der Fraktion Die Linke „Ermäßigung des Mehrwertteuersatzes für Produkte und Dienstleistungen für inder auf 7 Prozent“ bekannt geben: Abgegebene Stimen 566. Mit Ja haben gestimmt 514, mit Nein haben estimmt 50, Enthaltungen 2. Die Beschlussempfehlung st damit angenommen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 566; davon ja: 514 nein: 50 enthalten: 2 Ja CDU/CSU Ilse Aigner Peter Albach Peter Altmaier Thomas Bareiß Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Cajus Caesar Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Dr. Stephan Eisel Anke Eymer Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer Dirk Fischer Axel E. Fischer (Karlsruhe Land)





(A) )


(B) )


(Reutlingen)


(Bönstrup)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Ralf Göbel

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Guttenberg
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olger Haibach
erda Hasselfeldt
rsula Heinen
ichael Hennrich

ürgen Herrmann
ernd Heynemann
rnst Hinsken
eter Hintze
obert Hochbaum
laus Hofbauer
ranz-Josef Holzenkamp
oachim Hörster
nette Hübinger
ubert Hüppe
usanne Jaffke-Witt
r. Peter Jahr
r. Hans-Heinrich Jordan
r. Franz Josef Jung
ndreas Jung (Konstanz)

artholomäus Kalb
ans-Werner Kammer
teffen Kampeter
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ernhard Kaster

(VillingenSchwenningen)


olker Kauder
ckart von Klaeden
ürgen Klimke
ulia Klöckner
ens Koeppen
ristina Köhler (Wiesbaden)

anfred Kolbe
orbert Königshofen
r. Rolf Koschorrek
artmut Koschyk
homas Kossendey
ichael Kretschmer
unther Krichbaum
r. Günter Krings
r. Martina Krogmann
r. Hermann Kues
r. Karl A. Lamers

(Heidelberg)

ndreas G. Lämmel
r. Norbert Lammert
elmut Lamp
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r. Max Lehmer
aul Lehrieder
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r. Klaus W. Lippold
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r. Michael Luther
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(Braunschweig)


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ernward Müller (Gera)

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r. Joachim Pfeiffer
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r. Norbert Röttgen
r. Christian Ruck
lbert Rupprecht (Weiden)

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nita Schäfer (Saalstadt)

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r. Wolfgang Schäuble
r. Annette Schavan
r. Andreas Scheuer
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hristian Freiherr von Stetten
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Carl-Christian Dressel lvira Drobinski-Weiß arrelt Duin etlef Dzembritzki ebastian Edathy iegmund Ehrmann etra Ernstberger Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Peter Friedrich Sigmar Gabriel Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Renate Gradistanac Angelika Graf Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann Nina Hauer Hubertus Heil Dr. Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Petra Hinz Gerd Höfer Iris Hoffmann Frank Hofmann Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Johannes Jung Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h. c. Susanne Kastner Christian Kleiminger Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Nicolette Kressl Volker Kröning Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange Dr. Karl Lauterbach Waltraud Lehn Helga Lopez G D L C K H M P U D U M D M G F D T H J C D F D M S M G D W S R D K M O M A A D M O D U S R H C O O S E D R R W D J D D A L R C D J D abriele Lösekrug-Möller irk Manzewski othar Mark aren Marks atja Mast ilde Mattheis arkus Meckel etra Merkel lrike Merten r. Matthias Miersch rsula Mogg arko Mühlstein etlef Müller ichael Müller esine Multhaupt ranz Müntefering r. Rolf Mützenich homas Oppermann olger Ortel ohannes Pflug hristoph Pries r. Wilhelm Priesmeier lorian Pronold r. Sascha Raabe echthild Rawert teffen Reiche aik Reichel erold Reichenbach r. Carola Reimann alter Riester önke Rix ené Röspel r. 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Wolfgang Wodarg altraud Wolff eidi Wright ta Zapf anfred Zöllmer rigitte Zypries DP ens Ackermann r. Karl Addicks aniel Bahr we Barth ainer Brüderle ngelika Brunkhorst rnst Burgbacher atrick Döring echthild Dyckmans örg van Essen lrike Flach tto Fricke aul K. Friedhoff orst Friedrich r. Edmund Peter Geisen r. Wolfgang Gerhardt ans-Michael Goldmann iriam Gruß oachim Günther r. Christel Happach-Kasan einz-Peter Haustein irgit Homburger r. Werner Hoyer ichael Kauch r. Heinrich L. Kolb ellmut Königshaus udrun Kopp ürgen Koppelin einz Lanfermann ibylle Laurischk arald Leibrecht na Lenke abine LeutheusserSchnarrenberger arkus Löning orst Meierhofer atrick Meinhardt an Mücke urkhardt Müller-Sönksen D H D C G J F D M D D C F C D D D H B D K M V C B G A E D D H K K A B B W P P U D B T U S F R M U M A N J W O B C K E C Ir D R S D (C (D irk Niebel ans-Joachim Otto etlef Parr ornelia Pieper isela Piltz örg Rohde rank Schäffler r. Konrad Schily arina Schuster r. Hermann Otto Solms r. Rainer Stinner arl-Ludwig Thiele lorian Toncar hristoph Waitz r. Guido Westerwelle r. Claudia Winterstein r. Volker Wissing artfrid Wolff ÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN erstin Andreae arieluise Beck olker Beck ornelia Behm irgitt Bender rietje Bettin lexander Bonde kin Deligöz r. Thea Dückert r. Uschi Eid ans-Josef Fell ai Gehring atrin Göring-Eckardt nja Hajduk ritta Haßelmann ettina Herlitzius infried Hermann eter Hettlich riska Hinz lrike Höfken r. Anton Hofreiter ärbel Höhn hilo Hoppe te Koczy ylvia Kotting-Uhl ritz Kuhn enate Künast arkus Kurth ndine Kurth onika Lazar nna Lührmann icole Maisch erzy Montag infried Nachtwei mid Nouripour rigitte Pothmer laudia Roth rista Sager lisabeth Scharfenberg hristine Scheel mingard Schewe-Gerigk r. Gerhard Schick ainder Steenblock ilke Stokar von Neuforn r. Wolfgang StrengmannKuhn Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt regierung hat zwar schnell dementiert, aber sofort auch gesagt, spätestens im Herbst würden die Karten neu gemischt. Das heißt, es wird neu über das Mandat geredet. Woche darüber hier im Bundestag abstimmen lassen. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Gert Weisskirchen Heute lesen wir in den Agen nen Koalitionsgipfel geben s schon vorher über eine Aufsto kontingents reden wolle. Das wollen die schnelle Eingreiftr mehr Militärausbilder, Sie woll Schutz der Bundeswehreinrich Aufbauteams. Das alles ist mit nicht zu machen. Vergessen w – auch das ist am vergangenen worden – der NATO, dass die engagieren und mit mehr Trup bänden vertreten sein soll, hält hat es deutlich gesagt: Wir werd ten, darunter auch Deutschland in Bukarest im April dringend turmeldungen, dass es eiolle, wo man vielleicht ckung des Bundeswehrliegt in Ihrer Logik. Sie uppe stellen, Sie wollen en mehr Personal für den tungen, Sie wollen mehr dem bisherigen Aufwand ir eines nicht: Der Druck Wochenende deutlich geBundeswehr sich stärker pen und mehr Kampfveran. Die US-Botschafterin en alle unsere Verbünde, auf dem NATO-Gipfel bitten, mit uns Soldat für m s k H w d B w d [Wiesloch] [SPD]: Können Zumindest hören wir jetzt üsse ehrlicher geführt werden. ätze, und man müsse auch m önnte es martialisch ausdrüc eimatfront ist eröffnet. (Gert Weisskirchen [Wie Gott, ach G Ich wage allerdings zu bez ird, mittels verschärfter PR-A er Afghanistan-Mission zu üb undesbürger sind gegen eine ehr an Kampfeinsätzen im Sü er Befragten wollen das Bunde Sie doch!)


(Hildesheim)





(A) )


(B) )


(Wackernheim)


(Tuchenbach)


(Wiesloch)


(Wolmirstedt)


(Frankfurt)





(A) )


(B) )


von Ihnen, die Debatte
Ja, es gehe um Kampfein-
it Toten rechnen. – Man
ken: Der Kampf an der

sloch] [SPD]: Ach
ott!)

weifeln, ob es gelingen
rbeit die Deutschen von

erzeugen. 84 Prozent der
Beteiligung der Bundes-
den. Weit über die Hälfte
swehrengagement grund-
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Jürgen Trittin
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler

Nein

DIE LINKE

Hüseyin-Kenan Aydin
Karin Binder
Dr. Lothar Bisky
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Sevim Dağdelen

Dr. Diether Dehm
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Lutz Heilmann
Hans-Kurt Hill
Cornelia Hirsch
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Monika Knoche
Jan Korte

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Ich rufe nun den Zusatzpunkt 3 auf:

Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE

Haltung der Bundesregierung zu einer räum-
lichen und personellen Ausweitung des Bun-
deswehreinsatzes in Afghanistan

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner das Wort dem Kollegen Paul Schäfer für die Fraktion
Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Paul Schäfer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614210400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit ver-

gangenem Wochenende wissen wir zumindest eines: Die
Schlagzahl, mit der über eine Verstärkung des Bundes-
wehreinsatzes in Afghanistan geredet wird, erhöht sich
beträchtlich. Kaum hatte man die Stellung der schnellen
Eingreiftruppe im Norden zugesagt, wurde darüber dis-
kutiert, dass das Kontingent aufgestockt und eventuell
das Einsatzgebiet erweitert werden müsse. Die Bundes-

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(C (D atrin Kunert skar Lafontaine ichael Leutert lla Lötzer r. Gesine Lötzsch lrich Maurer orothée Menzner ersten Naumann olfgang Nešković r. Norman Paech etra Pau odo Ramelow lke Reinke aul Schäfer olker Schneider r. Ilja Seifert r. Petra Sitte Frank Spieth Dr. Kirsten Tackmann Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann fraktionslos Gert Winkelmeier Enthaltung CDU/CSU Uda Carmen Freia Heller Volkmar Uwe Vogel oldat, Euro für Dollar gleichzuziehen. Das ist die eineutige Ansage. Für uns steht fest: Die deutsche Beteiliung an den Kriegshandlungen in Afghanistan wird umangreicher und intensiver. Genau das lehnen wir als inke entschieden ab. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Rainer Arnold [SPD]: Sie lehnen doch alles ab!)


(Saarbrücken)


Die Intensivierung ergibt sich allein schon durch die
tellung der schnellen Eingreiftruppe. Das ist eine neue
ualität des deutschen Militäreinsatzes. Da geht es nicht
orrangig um Routinepatrouillen, sondern es geht um
ie militärische Bekämpfung des Gegners, um Einsätze
it militärischer Gewalt, um offensive Militäroperatio-

en. Die Erfahrungen der Norweger, die bisher diese
uick Reaction Force gestellt haben, belegen: Dabei
eht es um Einsätze, bei denen man nicht zimperlich zu
erke geht. Ich füge hinzu: Das, was dort im Rahmen

er Operation Harekate Yolo gemacht worden ist, ist mit
en bisherigen deutschen Einsatzregeln nicht in Über-
instimmung zu bringen. Deshalb werden wir nächste






(A) )



(B) )


Paul Schäfer (Köln)

sätzlich beendet sehen. Das bekommen Sie nicht weg,
und das ist auch gut so.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Sie haben ja selber Zweifel am Erfolg Ihrer Öffentlich-
keitskampagne. Warum sonst die Überlegungen, die
Mandatsverlängerungen nicht im Herbst 2009, sondern
Monate später zu vollziehen?

Wir, die Linke, werden uns dieser Manipulation ent-
schieden widersetzen. Die Bevölkerung muss die Mög-
lichkeit haben, bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr
auch darüber zu entscheiden, ob die Bundeswehr in Af-
ghanistan bleiben soll oder nicht.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg [CDU/CSU]: Kann sie ja!)


Es gibt zwei Gründe, warum es eine so große Mehr-
heit der Deutschen gegen diesen Einsatz gibt:


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und warum gibt es die große Mehrheit in der nordafghanischen Bevölkerung für diesen Einsatz? Bitte auch dazu eine Antwort! Nicht nur das rausfiltern, was einem gefällt!)


Erstens, lieber Kollege Nachtwei, fürchten die Men-
schen, dass wir uns in Dinge verstricken, in die wir uns
vor dem Hintergrund unserer Geschichte im letzten Jahr-
hundert nicht verstricken sollten. Sie sehen die Bilder
von Abu Ghureib, sie hören, dass in afghanischen Ge-
fängnissen auch misshandelt und gefoltert wird, und kei-
ner hier kann definitiv ausschließen, dass gezielt getötet
wird, was völkerrechtswidrig ist. Deshalb ist es, glaube
ich, richtig, dass die Leute nicht wollen, dass wir uns an
so etwas beteiligen, auch nicht mittelbar.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Der zweite Punkt. Man merkt: Auf diesem Kriegs-
schauplatz läuft so viel schief, dass dieser Einsatz nicht
zu einem guten Ende gebracht werden kann. Die briti-
sche Außenministerin hat jetzt gesagt, Afghanistan
drohe ein „failed state“ zu werden. Bisher waren diese
gescheiterten Staaten eher ein Anlass, um zu intervenie-
ren, um die Dinge in Ordnung zu bringen. Jetzt sind sie-
ben Jahre Militärintervention offensichtlich der Grund
für einen „failed state“. Man muss darüber nachdenken,
was dieser Auflösungsprozess mit der US- und NATO-
geführten Militärmission zu tun hat.

Das sind die Gründe, warum auch wir meinen, dass
der Militäreinsatz so schnell als möglich beendet und die
Truppen zurückgezogen werden sollten. Sie gehen statt-
dessen in die entgegengesetzte Richtung und weiter in
die Sackgasse hinein. Andersherum wird es richtig:
Truppenabzug, Vervielfachung der zivilen Aufbauhilfe
und Verstärkung des diplomatischen Prozesses, um zu
einem stabilen Waffenstillstand im Land zu kommen.
Das ist der Weg, um die Taliban wirkungsvoll zu be-

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(C (D ämpfen und um dem Land zu einer eigenständigen, deokratischen Entwicklung zu verhelfen. In diese Rich ung und nicht in die andere müssen wir gehen. Dieser rrweg muss unverzüglich beendet werden. Danke. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1614210500

Nächster Redner ist nun der Kollege Eckart von

laeden für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1614210600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle-

en! Was unterscheidet die Linkspartei von einem
uhn? Das Huhn begackert das Ei erst, wenn es gelegt

st. Die Linkspartei nutzt eine Pressemeldung vom Wo-
henende, die schon längst dementiert wurde, um für den
onnerstag eine Aktuelle Stunde zu beantragen.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: So schnell sind wir!)


as zeigt: Es geht hier nicht um Afghanistan, sondern
m Innenpolitik, nämlich um die Bürgerschaftswahlen
n Hamburg.


(Beifall des Abg. Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg [CDU/CSU])


an versucht, die Sorgen unserer Bevölkerung zu in-
trumentalisieren. Dieses Spiel kennen wir von der
inkspartei schon seit einiger Zeit.

Ganz besonders deutlich wurde das im vergangenen
ommer, als ein deutscher Ingenieur in Afghanistan ent-
ührt wurde. Das Auswärtige Amt wies danach darauf
in, dass die Entführung einen rein kriminellen Hinter-
rund hatte und den Zweck verfolgte, Lösegeld zu er-
ressen. Gleichzeitig haben aber zwei versucht, dieses
erbrechen für politische Zwecke zu missbrauchen. Der
ine war der Sprecher der Taliban in Afghanistan, und
er andere war der Sprecher der Linkspartei, Gregor
ysi, in Deutschland.


(Widerspruch bei der LINKEN – Zuruf von der LINKEN: Unverschämt!)


eide haben dieselbe Forderung aufgestellt, nämlich
ach einem sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Af-
hanistan.

Dabei wissen wir alle, dass die Tragödie in Afghanis-
an mit dem Einmarsch der Roten Armee begonnen hat.

ir wissen auch, dass die einzige Partei, die diesen Ein-
arsch frenetisch begrüßt hat, die umbenannte Links-

artei gewesen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der LINKEN – Zuruf von der LINKEN: Noch blöder kann man nicht argumentieren!)







(A) )



(B) )


Eckart von Klaeden
Furchtbare Juristen wie Professor Paech, der heute für
die Linkspartei im Auswärtigen Ausschuss sitzt, haben
damals diesen Einmarsch gerechtfertigt. Heute wollen
sie nichts mehr davon wissen.

Aber nicht die Geisteshaltung der Linkspartei, son-
dern die Verhältnisse haben sich – übrigens gegen ihren
Willen – durch die demokratische Revolution von 1989
geändert. Vor dem Fall der Mauer hat die umbenannte
Linkspartei mit arabischen Terrorgruppen und Terror-
staaten sowie der RAF kooperiert. Man hat den Genos-
sen von der RAF in der DDR Unterschlupf gewährt.


(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Sagen Sie doch mal etwas zum Tagesordnungspunkt!)


– Ich komme jetzt dazu.


(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Ach, wie schön!)


Heute wirbt Herr Professor Paech mit weicher Stimme
im Auswärtigen Ausschuss für Verständnis für Terror-
gruppen und Mörderbanden wie die Hamas oder die
FARC.


(Zuruf von der CDU/CSU: Pfui!)


Die Verhältnisse haben sich geändert, aber „der Schoß
ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“.


(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Was hat denn Franz Josef Strauß zu Pinochet gesagt?)


Auch wenn ein Misserfolg der Bundeswehr und der
NATO im Rahmen des ISAF-Mandats in Ihr politisches
Kalkül passen würde: Die Fakten in Afghanistan spre-
chen eine andere Sprache. Ich möchte in diesem Zusam-
menhang aus einer Studie der FU Berlin zitieren,


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Die Sie doch selbst bestellt haben!)


über die die FAZ am 6. Februar berichtet hat.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: So ein dubioser Verein!)


– Die FU Berlin ist ein dubioser Verein? Ich möchte,
dass dieser Zwischenruf von Herrn Gehrcke in das Pro-
tokoll aufgenommen wird.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Gerne!)


Die FAZ schreibt, dass 2 034 Haushalte in Nordafgha-
nistan von der FU Berlin befragt worden sind. Weiter
heißt es:

76 Prozent der Befragten gaben an, dass sich die Si-
cherheitslage in den vergangenen zwei Jahren stark
verbessert habe, 23 Prozent sagten, sie habe sich
etwas verbessert. Nur 0,6 Prozent äußerten, die
Sicherheitslage habe sich in dieser Zeit verschlech-
tert.

Zur Verbesserung haben in der Wahrnehmung der
Afghanen im Norden des Landes

– also dort, wo wir die Verantwortung im Rahmen eines
Mandats tragen, von dem Sie meinen, dass wir es unmit-
telbar beenden sollten –

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(C (D vor allem die Soldaten aus dem Westen beigetragen. 80 Prozent der Befragten glauben demnach, ihre Präsenz habe positive Effekte auf die Sicherheitslage. Die FAZ führt weiter zutreffend aus, dass Sicherheit ls Voraussetzung für den Erfolg der Friedensmission eim zivilen Aufbau nicht wegzudenken sei. Deswegen tehen wir zu unserem Einsatz in Afghanistan und zu unerem dortigen Engagement. Wir stehen für das Konzept er vernetzten Sicherheit, weil es keine Entwicklung hne Sicherheit, aber auch keine Sicherheit ohne Enticklung geben kann. Wir stehen zu der regionalen Auf eilung der Verantwortung in Afghanistan und für unsere erantwortung im Norden. Und: Wir stehen zu der Soliaritätsklausel im Mandat des Bundestages. Wir lassen nsere Verbündeten in ganz Afghanistan nicht im Stich. Vieles liegt noch vor uns, und vieles muss besser geacht werden. Aber wir alle wissen doch, dass die bis er glücklicherweise vereitelten Anschläge in Deutschand alle im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet orbereitet worden sind und dass bis heute mehr deutche Staatsbürger durch den islamistischen Terror getorben sind als durch die Anschläge der RAF. Desween dient unser Einsatz in Afghanistan nicht nur dem fghanischen Volk, sondern vor allem unserer eigenen icherheit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1614210700

Nun hat das Wort die Kollegin Birgit Homburger für

ie FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1614210800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

n der öffentlichen Debatte, die derzeit über den Afgha-
istan-Einsatz geführt wird, geht es wieder überwiegend
m militärische Fragen. Ich finde, dies greift zu kurz.
ies reicht nicht; wir brauchen einen Gesamtansatz. Wir
üssen vor allen Dingen versuchen, den Menschen in
eutschland zu vermitteln, warum die Bundeswehr in
fghanistan eingesetzt ist.

Ich sage hier in aller Deutlichkeit – darauf hat mein
orredner schon hingewiesen –: Wir sind dort, um die
fghanische Regierung und das afghanische Volk beim
ufbau zu unterstützen, um eine selbsttragende Sicher-
eit in Afghanistan zu erreichen. Aber wir sind auch
ort, weil wir wissen: Wenn wir Afghanistan jetzt alleine
assen würden, dann würde von dort aus wieder eine ter-
oristische Bedrohung ausgehen, ganz abgesehen von
er destabilisierenden Wirkung, die dies auf Pakistan
ätte, mit unabsehbaren Folgen auch für uns hier. Des-
alb stehen wir zu diesem Einsatz.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)







(A) )



(B) )


Birgit Homburger
Ich möchte einige Bemerkungen an die Bundesregie-
rung richten: Herr Bundesverteidigungsminister, Sie
bzw. die Bundesregierung haben gerade erst eine Aus-
weitung des Einsatzes im Rahmen des bestehenden
Mandats beschlossen. Die Bundeswehr wird ab Sommer
dieses Jahres die schnelle Eingreiftruppe im Norden Af-
ghanistans stellen. Ich sage deutlich, dass diese Diskus-
sion für die FDP-Fraktion noch nicht abgeschlossen ist.
Wir möchten von Ihnen wissen, ob die Ausstattung und
Ausrüstung, die der Truppe zur Verfügung gestellt wer-
den, tatsächlich ausreichend sind. Wir haben hier Zwei-
fel. Dies bezieht sich auf die gepanzerten Fahrzeuge, die
Fernmeldeausrüstung, den Lufttransport, die Mörser-
trupps und die Fliegerleittrupps. Darauf sind Sie, Herr
Minister, bisher eine Antwort schuldig geblieben. Die
Bundesregierung kann zwar im Rahmen des bestehen-
den Mandats über diesen Einsatz entscheiden. Auch wir
sagen ganz eindeutig: Die schnelle Eingreiftruppe im
Norden des Landes ist absolut notwendig. Aber sie ist
nur verantwortbar, wenn die Bundeswehr die nötige
Ausrüstung und Ausstattung erhält. Da erwarten wir von
Ihnen, Herr Minister, klare Antworten; wir erwarten,
dass Sie dafür sorgen, dass das passiert.


(Beifall bei der FDP)


Die Ausweitung ist noch nicht einmal umgesetzt,
schon folgt die nächste Diskussion über noch mehr Mili-
tär. Deswegen möchte ich an dieser Stelle für meine
Fraktion sehr deutlich festhalten: Mit immer mehr Sol-
daten allein wird der Erfolg in Afghanistan nicht zu er-
reichen sein.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Will ja auch niemand!)


Ich möchte Auskunft über die fragliche Ausweitung der
Mandatsobergrenze, über die seit dem Wochenende dis-
kutiert wird, haben, wozu Ihr Generalinspekteur, Herr
Minister, öffentlich mitteilt, er werde Ihnen eine Aus-
weitung der Obergrenze vorschlagen. Wir möchten wis-
sen, was es mit der Erweiterung des Einsatzes von der
Nordregion gen Westen zu tun hat. Hören Sie endlich
mit der Geheimniskrämerei auf und sagen Sie dem Deut-
schen Bundestag, was Sie planen!

Herr Jung, es ist eben nicht so, wie Sie sagen. Dass es
ein Mandat gibt, an das Sie sich halten müssen, das ist
insoweit richtig. Dass dann der Deutsche Bundestag ent-
scheidet, auch das ist richtig. Aber Sie, Herr Minister,
müssen vorlegen. Sie wissen genau, dass wir im Deut-
schen Bundestag nur Ja oder Nein zu einem Mandat sa-
gen können. Das heißt, Sie sind auskunftspflichtig. Was
wir von Ihnen hierzu hören, ist schlicht und ergreifend
ausweichend. Es sind Ausreden, und es ist Verschleie-
rung. Hören Sie endlich auf damit und spielen Sie mit
offenen Karten! Denn Sie werden den Deutschen Bun-
destag am Ende brauchen.

Ich sage Ihnen: Gerüchte schaden. Sie heizen die Dis-
kussion an,


(Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/ CSU]: Und wer setzt sie in die Welt?)


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(C (D erunsichern die Truppe und befördern die Skepsis in er Bevölkerung. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie uns ndlich klar und deutlich sagen, was die Bundesregieung plant. (Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/ CSU]: Wer macht denn die Gerüchte?)


Ich möchte hier noch einmal ansprechen, dass wir für
fghanistan ein Gesamtkonzept brauchen. Der Wieder-

ufbau und der Aufbau staatlicher Strukturen bei Militär
nd Polizei müssen im Zentrum dieses Konzeptes ste-
en. Als Bundesregierung haben Sie Verantwortung
bernommen und klare Zusagen gemacht. Wir erwarten,
ass diese klaren Zusagen jetzt auch eingehalten werden.
ir erwarten, dass beim Wiederaufbau mehr passiert.
ir erwarten, dass bei der Militärausbildung mehr pas-

iert. Und wir erwarten vor allen Dingen, dass Sie bei
er Polizeiausbildung, bei der es immer noch furchtbar
nd erbärmlich läuft, bei der nichts vorwärtsgeht, mehr
un.


(Beifall bei der FDP)


Eine bessere Koordinierung aller Maßnahmen ist not-
endig, und zwar NATO-weit. Das klappt aber noch
icht einmal bei den Ressorts der Bundesregierung. Sie
prechen von vernetzter Sicherheit. Ja, das ist das, was
ir brauchen. Wir brauchen vernetzte Sicherheit. Sorgen
ie aber bitte dafür, dass das keine Leerformel bleibt,
ondern mit Leben erfüllt wird! Das erwarten wir von Ih-
en, bevor Sie schon wieder über mehr Soldaten reden.


(Beifall bei der FDP)


Zum Schluss sage ich: Wir sehen die öffentliche Dis-
ussion in der NATO mit Sorge. Ich denke, dass auf dem
ipfel in Bukarest ein Gesamtkonzept beschlossen wer-
en muss, das von allen getragen wird. Es muss in politi-
cher, ökonomischer und militärischer Hinsicht ein Ge-
amtkonzept geben. Das ist absolut zwingend. Die
ffentliche Diskussion innerhalb der NATO muss aufhö-
en; das schadet uns. Wenn diese Diskussion weiterhin
eführt wird, wird das in Afghanistan negative Effekte
ervorrufen. Dieses Gesamtkonzept muss die NATO auf
em Gipfel in Bukarest Anfang April leisten, damit sie
n den nächsten, wie ich finde, ziemlich entscheidenden

onaten in Afghanistan geschlossen auftreten kann.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Detlef Dzembritzki [SPD])



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1614210900

Nächster Redner ist nun der Kollege Walter Kolbow

ür die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Eckart von Klaeden [CDU/CSU])



Walter Kolbow (SPD):
Rede ID: ID1614211000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ch denke, es ist richtig, auch in dieser Aktuellen Stunde
arauf hinzuweisen, dass Soldatinnen und Soldaten un-
erer Bundeswehr, aber auch zivile Mitarbeiterinnen und






(A) )



(B) )


Walter Kolbow
Mitarbeiter den Menschen in Afghanistan in einem über-
aus harten Winter helfen, den Familien Unterstützung
zuteilwerden lassen und Menschenleben retten, womit
sie sich auch in einem humanen Einsatz befinden.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Genauso richtig ist es, darauf hinzuweisen, dass das
afghanische Parlament nach der Pause, die es im Winter
zwangsläufig eingelegt hat, wieder mit den Tagungen
begonnen hat und Präsident Karzai, aber auch der Unter-
haussprecher Qanuni, den wir hier bald erwarten dürfen
und mit dem wir hier sprechen werden, im afghanischen
Parlament die Erfolge, aber auch die Defizite der ISAF-
Mission und der zivilen Anstrengungen angesprochen
haben.

Ich denke, es ist wichtig, dass wir nicht vergessen, un-
sere Leistungen darzustellen. Die Bundesregierung tut
das Gott sei Dank nicht. Lassen Sie mich an dieser Stelle
die Bemerkung einschieben, dass das auch auf der Mün-
chener Sicherheitskonferenz geschehen ist. Die Bericht-
erstattung, die für Aufregung gesorgt hat, muss zurecht-
gerückt werden. Das geschieht auch dadurch, dass im
afghanischen Parlament die verbesserte Selbstversor-
gung mit Lebensmitteln, die Förderung der Zivilgesell-
schaft und der Medien, der Ausbau des Bildungs- und
Gesundheitsbereichs sowie die Gewährleistung der
Frauenrechte als Erfolg bezeichnet werden. Unsere af-
ghanischen parlamentarischen Kollegen sagen aber
auch, dass es Rückschläge gegeben hat, vor allem im Si-
cherheitsbereich. Sie sprechen auch die weiteren terro-
ristischen Gefahren, die Drogensituation und die Kor-
ruption an.

Ich denke, es ist richtig, an dieser Stelle darauf hinzu-
weisen, dass wir im Afghanistan Compact die Gesamt-
strategie der internationalen Gemeinschaft für Afghanis-
tan festgelegt haben und die Bundesregierung die
deutschen Ziele für Afghanistan im Rahmen dieser Ge-
samtstrategie im Einvernehmen mit dem Parlament fest-
gelegt hat. In der Verlautbarung unserer Regierung, die
wir alle kennen, heißt es: Beibehaltung der Bundeswehr-
präsenz im internationalen Rahmen so lange, bis die af-
ghanischen Kräfte selbst für die Sicherheit sorgen kön-
nen; Werben im Kreise der Bündnispartner um noch
konsequentere Vermeidung ziviler Opfer.

Wir sind nicht nur im Norden Anhänger der Strategie
„Frei verhandeln, statt freikämpfen“, sondern auch drau-
ßen im Lande. Denn die zivile Strategie, die des Sicher-
heitskonzepts nicht entbehren darf, ist die Voraussetzung
dafür, dass die Gesamtstrategie des Afghanistan Com-
pact und unsere nationale Zielrichtung in der internatio-
nalen Gemeinschaft gelingen. Das bedeutet eben auch
eine aktive Vermittlung der Notwendigkeit des Einsatzes
in der deutschen Öffentlichkeit. Ich würde mich sehr
freuen, wenn die deutschen Medien mehr darauf abstel-
len würden, was geleistet wird, und nicht nur darauf, was
noch fehlt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Natürlich fehlt etwas.

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(C (D Ich denke, dass die Ausfächerung der Präsenz im orden durch Bildung von mehreren zivil-militärischen egionalen Beraterteams eine Ergänzung der aktuellen trategie, die mehr als sinnvoll ist, darstellt. Die Verdreiachung der Bemühungen für die Ausbildung der afghaischen Armee ist ein wesentlicher Bestandteil der Weierentwicklung; Weiterentwicklung muss in einem ynamischen Mandatsprozess enthalten sein. Wir haben lare Festlegungen getroffen. Diese Festlegungen gelten. un ist es an der Bundesregierung, mit den nationalen nd internationalen Partnern abzustimmen, wie ein Manat weiterentwickelt werden muss oder kann. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Was heißt das konkret?)


Das heißt konkret, dass wir auf den NATO-Gipfel ge-
en und mit unseren internationalen Partnern abstim-
en, was möglicherweise fortentwickelt werden muss;

enn am 13. Oktober dieses Jahres läuft das jetzige
SAF-Mandat aus.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)


Das ist im Übrigen bei jedem anderen Mandat, über
as der Deutsche Bundestag beschließt, auch der Fall.
ei der internationalen Afghanistan-Konferenz, deren
inberufung wir hier im Parlament stark gewollt haben
nd der wir als Bestandsaufnahme- und Evaluierungs-
inrichtung für die internationale Gemeinschaft eine
roße Bedeutung geben, werden für die mögliche Fort-
ntwicklung eines Mandates Outputs gegeben. Es ist
ann Sache der Bundesregierung, dies dem Parlament
orzulegen. Dann ist es Sache des Parlaments, dies zu
eurteilen. Wenn dieser Fall eintritt, dann werden wir
ine Beurteilung vornehmen, und zwar im Rahmen un-
eres Selbstverständnisses, das die Rednerinnen und
edner von der Koalition, aber auch von der Opposition
ich nenne Frau Homburger – hier dargestellt haben.

Das ist auch Grundlage dafür, innerhalb der interna-
ionalen Gemeinschaft zu bestehen und die Defizite, die
ir haben, auf der Basis von tatsächlichen Fortschritten

u beheben, um in Afghanistan zum Erfolg zu kommen.
afür werben wir auch in dieser Aktuellen Stunde trotz

hrer vordergründig taktischen Anberaumung durch die
raktion der Linken.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1614211100

Nun hat das Wort der Kollege Jürgen Trittin für die

raktion Bündnis 90/Die Grünen.


Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1614211200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine

orbemerkung zu Ihnen, Kollege Schäfer: Afghanistan
st nicht erst in den letzten sieben Jahren zu einem
failed state“ geworden. Afghanistan war ein „failed
tate“, seit Russland und die USA dort den Kalten Krieg
eiß gemacht haben. Es war ein „failed state“, als der
ürgerkrieg tobte. Es war ein „failed state“, als die Tali-
an dort ihre Terrorherrschaft errichtet haben. Die






(A) )



(B) )


Jürgen Trittin
Afghanen aus der Situation des „failed state“ zu holen,
ist der Ansatz der Vereinten Nationen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das ist nicht einfach. Es gibt Rückschläge, es gibt
Widersprüche; es gibt Fehler. Man kann auch über un-
abhängige und seriöse Untersuchungen sagen, dass sie
von einem dubiosen Verein durchgeführt wurden. Ich
halte die FU und den entsprechenden Forschungsbe-
reich dort für das Gegenteil. Man kann das alles ma-
chen. Aber man muss doch auch einmal zur Kenntnis
nehmen, dass von den Menschen, die aufgrund der Tat-
sache, dass Afghanistan ein „failed state“ ist, ins Aus-
land geflohen sind, mittlerweile 4,7 Millionen Men-
schen zurückgekehrt sind, dort bauen und dort ihre
Zukunft sehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das kann man nicht einfach unter den Tisch fallen las-
sen.

Jetzt komme ich zur Bundesregierung. Sie stellt sich
immer besonders pfiffig dabei an, ihre Afghanistan-Poli-
tik zu verteidigen.


(Zuruf von der FDP: Die aktuelle?)


– Ich rede von der aktuellen Bundesregierung. Von wel-
cher sonst? –


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Aha! Die vorherige war also nicht pfiffig!)


Was ist denn am letzten Wochenende passiert? Wir alle
konnten in den Zeitungen lesen, Herr Jung plane, die
deutschen Truppen, um die Amerikaner zu beschwichti-
gen, um 1 000 Leute aufzustocken, das Einsatzgebiet im
Norden und im Westen Afghanistans zu erweitern und
das Ganze so zu stricken, dass der Deutsche Bundestag
nach Möglichkeit nicht mehr vor der nächsten Bundes-
tagswahl mit diesem unangenehmen Thema befasst
wird. Soll ich Ihnen einmal sagen, was das ist?


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Eine Ente!)


Beim Kollegen Lafontaine war die Freude natürlich
groß; denn wenn man dieses Thema so anfasst, dann
wird doch völlig klar, dass man nicht zur eigenen Politik
steht. Das ist besonders peinlich, wenn man dann auf der
Münchener Sicherheitskonferenz danach gefragt wird
und darauf, weil man in Gedanken offensichtlich schon
beim Amt des hessischen Ministerpräsidenten ist, keine
Antwort weiß


(Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/ CSU]: Wirklich billig! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Lachhaft!)


und wenn dann Vertreter der Oppositionsfraktionen – in
diesem Fall war es der Vorsitzende der Partei von Frau
Homburger – die deutsche Position darstellen bzw. klar-
stellen müssen.

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(C (D (Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/ CSU]: Nein! Nicht die deutsche Position! Nur die der Opposition!)


ch sage Ihnen: Mit dieser Haltung tun Sie uns im Aus-
and keinen Gefallen. Vor allen Dingen tun Sie uns dann
einen Gefallen, wenn Sie die Bundesrepublik weiterhin
nter Wert verkaufen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Trittin muss Verteidigungsminister werden!)


Haben wir es eigentlich nötig, uns in dieser Debatte
on den USA in die Ecke drängen zu lassen? Das geht so
eit, dass es heißt, auch wir hätten mehr als 20 Tote zu
eklagen gehabt. Das ist eine Herangehensweise, die
icht von Selbstbewusstsein zeugt. Das ist nur peinlich.
atsache ist doch: Der größte Legitimationsverlust des

nternationalen Einsatzes in Afghanistan war der ohne
ölkerrechtliche Begründung durchgeführte Krieg der
merikaner im Irak. Dadurch wurden die Bemühungen
m den Aufbau Afghanistans massiv zurückgeworfen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN und des Abg. Dr. Werner Hoyer [FDP])


Da es in dieser Debatte auch um Caveats, also um
orbehalte, geht, weise ich Sie darauf hin: Den größten
aveat im Zusammenhang mit dem Einsatz in Afghanis-

an haben nicht die Deutschen, die Dänen oder die Nor-
eger. Den größten Caveat haben die USA. Sie haben
is heute massive Vorbehalte dagegen, die Truppen, die
ie im Rahmen von OEF einsetzen, dem Kommando, der
insatzdoktrin und den Einsatzregeln von ISAF zu un-

erstellen. Das ist meiner Meinung nach der größte Ca-
eat. Ich finde, in Anbetracht dessen sollte man auch mit
uten Verbündeten und Freunden einmal Klartext reden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hüseyin-Kenan Aydin [DIE LINKE])


Als der amerikanische Verteidigungsminister Robert
ates in München gesagt hat, es bedürfe in Afghanistan

ndlich einer zivilen Koordinierung, und als er dann auf
ie Europäer gezeigt hat, hätte ich mir von einem deut-
chen Verteidigungsminister, von einem deutschen Au-
enminister folgende Antwort gewünscht:


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Oh! Da übt wohl schon einer!)


ie Amerikaner und die Briten, die Tom Koenigs so
ange gemobbt haben, bis er vorzeitig aus dem Amt ge-
chieden ist, die aber bis zum heutigen Tag nicht in der
age waren, einen Nachfolger zu stellen, sind die letz-

en, von denen wir uns über Koordination bei der zivilen
ilfe belehren lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich füge eine letzte Bemerkung hinzu: Derjenige, den
ie Amerikaner und die Briten gerne im Amt des UN-
ondergesandten in Afghanistan gesehen hätten, hat ih-
en etwas ins Stammbuch geschrieben. Paddy Ashdown,
er abgelehnte Bewerber, hat gesagt: Mehr Truppen hel-






(A) )



(B) )


Jürgen Trittin
fen nicht. Wir brauchen mehr Hilfe zur Selbsthilfe. Wir
brauchen mehr Zivilität. Wir brauchen einen Strategie-
wechsel.

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung sagt,
dass sie für einen Strategiewechsel ist. Sie hat aber nicht
einmal auf einer öffentlichen Konferenz den Mores in
der Hose, um offensiv für diesen Strategiewechsel zu
streiten. Das sind im Hinblick auf den kommenden
NATO-Gipfel in Bukarest sehr schlechte Nachrichten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1614211300

Nächster Redner ist nun der Kollege Bernd

Schmidbauer für die CDU/CSU-Fraktion.


Bernd Schmidbauer (CDU):
Rede ID: ID1614211400

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Wir haben ja erlebt, wie in den letzten Ta-
gen Enten durch die Presse geeiert sind und jeder, der die
Argumente gebraucht hat, draufgehüpft ist.


(Heiterkeit – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch ein schönes Bild!)


Aber ernsthaft: Wir sind doch der Meinung, dass un-
ser Engagement vor vielen Jahren gerechtfertigt war,
weil wir den Sumpf des Terrors in Afghanistan austrock-
nen wollen. Die Bundeskanzlerin hat im Hinblick auf
München und im Hinblick auf die Debatten, dass der
eine oder andere 1 000 Soldaten zusätzlich schicken soll,
zu Recht gesagt, dass unser Mandat, das wir erst vor we-
nigen Monaten verabschiedet haben, bis Oktober gilt
und dass daran nichts geändert wird. So ist das nun ein-
mal mit einem Mandat: Es wird im Deutschen Bundes-
tag verabschiedet und bringt dann entsprechende Ter-
mine mit sich.

Wir können nun für die Zeit ab Oktober neu überle-
gen. In der Zwischenzeit sollten wir aber aufpassen,
nicht Verteufelung zugunsten der Taliban zu betreiben.
Die verfolgen schließlich aufmerksam, was hier erzählt
und verabschiedet wird. Auch die Nord-Süd-Debatte
und das Herausstellen von Egoismen sind kleinkariert.
Wir alle sollten uns bemühen, in Solidarität mit diesem
Bündnis die Argumente, die erwägenswert sind, auszu-
tauschen.

Frau Homburger spielt ja seit vielen Debatten auf die-
sem Instrument und hat sich im zweiten Teil ihrer Rede
der Bundesregierung zugewandt. Selbstverständlich
muss kritisch hinterfragt werden, wie es mit der Ausrüs-
tung unserer Soldaten in Afghanistan aussieht. Darüber,
was Experten zur Frage der Hubschrauber sagen, lese
ich mehr in englischsprachigen Zeitungen als bei uns.
Wir würden ja gerne Hubschrauber liefern; aber wir ha-
ben keine solchen Hubschrauber. Es gibt auch Ideen,
Munition auszuleihen. Frau Homburger, es wäre gut,
wenn wir uns in der nächsten Zeit Antworten geben lie-
ßen zum Einsatz, zur Ausbildung, zur Sicherheit unserer
Soldaten. Ich habe bisher nur gehört, was uns der Vertei-
digungsminister im Ausschuss darüber berichtet hat. Ich
kann das nachvollziehen. Ich kann aber auch nachvoll-
ziehen, dass wir vor der Entscheidung stehen, zusätzli-

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(C (D he Ausrüstung zu beschaffen, die im Hinblick auf Notilfe, auch im Süden, nötig ist. In der Öffentlichkeit wird war immer so getan, als würden wir uns über eine betimmte Demarkationslinie – aus welchen Gründen auch mmer – nicht hinauswagen. Aber dem ist nicht so. Wir elfen aus im Süden: mit Transportmaschinen, mit Funkufklärung, mit Flugzeugaufklärung insgesamt. Wir haen einen Gesamtansatz. Natürlich gibt es Bereiche, in denen die Situation deaströs ist, bei der Polizeiausbildung zum Beispiel. eute Morgen konnten wir wieder – bei Marmelade und urst – lesen, dass sich alles positiv entwickelt habe. in Dreck hat sich hier positiv entwickelt! Die Situation urde Monat für Monat schlechter. (Beifall des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich will aber festhalten, dass der deutsche Beitrag her-
orragend war, dass wir hervorragende Polizisten in Ka-
ul hatten.


(Beifall des Abg. Detlef Dzembritzki [SPD] – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur keine aus Bayern!)


lötzlich aber gab es die Idee, die Situation zu europäi-
ieren. Damit fing es an. Den 27 Ländern war es nicht
öglich, 18 Polizisten dorthin zu entsenden, weil die Di-

ision nicht aufging. Dann hat man festgestellt, dass man
ndere Überlegungen anstellen muss.

Die Situation verschlechtert sich; es ist derzeit nicht
bzusehen, wie wir sie verbessern können. Ich habe vor-
eschlagen, gemeinsam einen Teil der Ausbildung in
eutschland durchzuführen. Geschockt hat mich, dass
ir daraufhin vorgehalten wurde, das gehe nicht, weil

as ein Kulturschock für die Polizisten aus Afghanistan
äre. Mit dieser Argumentation kommen wir nicht wei-

er. Wir können doch Spezialisten ausbilden, die ihrer-
eits als Multiplikatoren vor Ort andere Polizisten aus-
ilden. Wenn das alle europäischen Länder tun – und
eien es nur die, die unsere Ansicht teilen –, kommt eine
rkleckliche Anzahl zustande.


(Beifall des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das Problem war ja, dass die Anzahl der Polizisten
icht dividierbar war, dass manche Länder 0,7 Polizisten
ätten stellen müssen. Aber das war wohl nicht der
rund. Ich hoffe, Herr Trittin, dass die kommende Kon-

erenz in Paris im Sommer nicht eine erneute Ausrede
ird, mit Leerformeln,


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


it der Forderung nach neuen Strategien, nach einer Ge-
amtstrategie, sondern dass das, was in London vorgege-
en wurde, erfüllt wird. Dann hätten wir einen großen
chritt gemacht. Dazu gehört auch, der Regierung in Ka-
ul zu sagen, dass sie ihren Beitrag leisten muss.

Ich habe an sich keine große Freude daran, weil wir
issen, dass dort immer noch ein Korruptionssystem be-

ördert wird, dass wir die Einsetzung des Ausschusses






(A) )



(B) )


Bernd Schmidbauer
nicht erreichen und andere Dinge mehr. In Kabul wird
Vorschub geleistet für Gerüchte in Zeitungsartikeln und
Presseberichten.

Ich glaube, man kann nicht alles mit PR machen. Eine
PR-Geschichte, die sich nicht auszahlen würde, wäre,
bei der Erteilung des Mandats hier im Parlament zu ma-
nipulieren, nur weil ein Wahlkampf ansteht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Freunde, ich sage Ihnen allen: Wir stehen zu die-
sem Einsatz, also können wir auch Wahlen bestehen.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


Wir müssen doch nicht auf diejenigen hereinfallen, die
vor Populismus strotzen und meinen, man müsse das
zwei Monate lang verschweigen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was bringt das denn? Glaubt denn einer, dass wir um Af-
ghanistan einen Zaun ziehen können und damit die De-
batte in der Öffentlichkeit beendet ist? Nein, unser En-
gagement für diese Aufgabe, Terror auszutrocknen, ist
glaubwürdig. Diejenigen, die nicht mitziehen, dürfen
sich nicht beschweren, wenn der Terror weitergeht und
wir es nicht schaffen, die zweite und dritte Generation
des Terrors in Afghanistan zu bekämpfen und auszurot-
ten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1614211500

Nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke ist nun

die Kollegin Heike Hänsel.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr von Klaeden, ich möchte zunächst einmal zu den Vergleichen kommen, die Sie hier gezogen haben und die absolut unzulässig sind. Dass Sie uns und insbesondere Herrn Gysi mit faschistischen Tendenzen beleidigen – „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ –, möchte ich im Namen unserer Fraktion ganz klar zurückweisen. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Lesen Sie die Zeitung?)

Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614211600

Bezüglich der Einschätzung der Sicherheitslage im
Norden habe ich jetzt eine Frage an Sie: Lesen Sie auch
die regelmäßigen Berichte der Bundeswehr über den si-
gnifikanten Anstieg der Zahl der Anschläge im Norden?
Wenn Sie nach Afghanistan fahren, werden Sie stark ge-
schützt. Sie machen Blitzbesuche; Frau Merkel kündigt

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(C (D hren Besuch nicht einmal an. Aus dem Entwicklungsusschuss waren zwei Leute im Norden Afghanistans; ie wurden ebenfalls stark geschützt, die Begleiter waren chwerbewaffnet. Wir vom Entwicklungsausschuss ollten bereits zweimal nach Afghanistan fahren. Das urde aus Sicherheitsgründen abgesagt. Trotzdem spre hen Sie von einer Sicherheitslage im Norden Afghanisans, die für die Menschen erträglich ist. Das kann ich ier nur ganz klar zurückweisen. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


ach sieben Jahren Militärpräsenz wird die Sicherheits-
age für die Menschen in dieser Region immer schlech-
er.

Zur Instrumentalisierung der Politik und der Soldaten
nd Soldatinnen. Sie instrumentalisieren die Soldaten
nd Soldatinnen, um von einer fehlenden Politik abzu-
enken. Sie haben keine politische Lösung für Afghanis-
an. Ihnen geht es um Bündnistreue. Wie Herr Lamers
prechen auch Sie von der Glaubwürdigkeit der NATO,
ie dort auf dem Spiel steht. Deswegen sind dort Solda-
en und Soldatinnen, die kämpfen. Das ist für mich eine
nstrumentalisierung der Leben von Soldaten und Solda-
innen, da wir hier nicht fähig sind, politische Lösungen
ür dieses Land zu entwickeln.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Herr von Klaeden, ich möchte Ihnen auch noch etwas
ezüglich Ihres Gedächtnisses sagen. Sie sprachen von
er Sowjetunion. Wer hat denn in den 80er-Jahren die
aliban, die Mudschaheddin und pakistanische Söldner
ystematisch finanziert, ausgebildet und ausgerüstet?
as war die US-Regierung.


(Beifall bei der LINKEN)


ie werden jetzt auch von deutschen Soldaten bekämpft.
er hat diese Kräfte über Jahrzehnte stark gemacht?


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Trittin hat das doch richtig auf den Punkt gebracht!)


etzt muss das Bündnis in Afghanistan gegen diese
räfte kämpfen – das ist der Zynismus der Politik –,
ährend wir hier im Parlament sitzen. Man spricht hier
och nicht einmal von Kämpfen. In diesem Land, in Af-
hanistan wird Krieg geführt – das wird hier mit keinem
ort erwähnt –, und die Bundeswehr ist dabei. Die Süd-

eutsche Zeitung hat am 7. Februar 2008 sehr gut geti-
elt: „Kämpfen, aber nicht darüber reden“. – Wir müssen
arüber reden und uns fragen lassen – vor allem Sie –,
b Sie das vor dem Hintergrund der Situation in Afgha-
istan verantworten können.

Aus entwicklungspolitischer Sicht – ich bin ja Ent-
icklungspolitikerin – kann ich nur sagen: Nach diesen

ieben Jahren ist die Lebenssituation der Menschen kata-
trophal. Wir müssen uns auch fragen lassen, wohin sehr
iele Gelder dieser Entwicklungshilfe fließen.Wir müs-
en auch über die Korruption der dortigen Regierung
prechen: Welches System wird dort eigentlich von






(A) )



(B) )


Heike Hänsel
ISAF aufrechterhalten? Mit welchen Kräften kooperie-
ren sie dort, mit demokratischen Kräften oder mit War-
lords und Drogenbaronen, die im Parlament sitzen? Über
60 Prozent der Abgeordneten in Afghanistan haben mili-
tärischen oder Drogenhintergrund; dies müssen wir doch
einmal ansprechen.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


In 10, 20 Jahren werden sie diese Kräfte bekämpfen
müssen, etwa die Nordallianz, die systematisch aufge-
baut wird, weil sie mit dem Westen kooperiert.

Das ist die Situation in Afghanistan, die auch mit ei-
ner Unglaubwürdigkeit den Menschen gegenüber ein-
hergeht. Fragen Sie doch einmal in Ihrer FU-Umfrage
nach der Akzeptanz und Glaubwürdigkeit der Regierung
in Afghanistan.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist nicht meine Umfrage! Freie Universität!)


Die Menschen vertrauen dieser Regierung nicht mehr,
weil sich ihre Lebenssituation nicht verbessert.

In diesem Zusammenhang begrüße ich eine mutige
Frau, die auf der Besuchertribüne sitzt: die afghanische
Parlamentarierin Malalai Joya.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Sie hat am Montag den Human Rights Award von
„Cinema for Peace“ bekommen, weil sie genau das the-
matisiert, was ich hier anspreche: die schreckliche Situa-
tion für Frauen und die insgesamt schreckliche Men-
schenrechtssituation in diesem Land. Sie spricht von
Kollegen im Parlament, die Kriegsverbrecher sind. Sie
spricht von – –


(Rainer Arnold [SPD]: Ist sie der Meinung, die deutschen Soldaten sollten heimgehen?)


Können Sie hier bitte einmal für Ruhe sorgen?


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Beantworten Sie doch mal die Frage! Sie instrumentalisieren sie! Sie missbrauchen sie für Ihre Propaganda!)


Sie spricht von der schrecklichen Situation. Sie hat
genau das gesagt: Sie sind Opfer zwischen US-feindli-
chen Fundamentalisten und US-freundlichen Fundamen-
talisten.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Will sie, dass die Bundeswehr abzieht?)


Das ist keine Zukunft für Afghanistan.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Wir wollen, dass diese demokratischen Kräfte unter-
stützt werden, Herr von Klaeden. Aber Frau Joya konnte
nicht einmal im Auswärtigen Ausschuss reden, obwohl
wir darum gebeten hatten. Seit Monaten bemühen wir
uns darum, dass sie in das Netzwerk „Parlamentarier

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(C (D chützen Parlamentarier“ aufgenommen wird. Es gibt eitens des Auswärtigen Amtes immer neue Verzögerunen. Wenn solche Menschen, die mutig die Zukunft Afhanistans repräsentieren, weil sie den Mund aufmahen, nicht einmal hier in Deutschland unterstützt erden, dann brauchen Sie von Demokratisierung in Afhanistan gar nicht mehr zu reden. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: Es gibt dort nur Parlamentarierinnen, weil wir da sind!)


Wir brauchen einen Politikwechsel in Afghanistan. In
einen Augen ist die Bundeswehr Teil des Problems

nd nicht der Lösung. Wir müssen langfristig auf demo-
ratische Kräfte in Afghanistan setzen. Dazu gehören
alalai Joya und viele mutige Journalisten, die jetzt To-

esstrafen ausgesetzt sind, weil sie die Fundamentalisten
ritisieren. Wo ist da die Bundesregierung, wo ist ISAF?
erden diese Menschen geschützt? Da passiert nichts.
eswegen brauchen wir einen Politikwechsel. Ich be-
anke mich noch einmal ausdrücklich, dass es so mutige
enschen wie Malalai Joya gibt. Sie sollte sogar an der
usreise gehindert werden. Ich hoffe, dass wir uns alle
afür einsetzen, dass solche Menschen in Afghanistan
tärker geschützt werden.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Von wem geschützt?)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1614211700

Für die Bundesregierung erteile ich nun das Wort

errn Staatminister Günter Gloser.


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1614211800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Sehr verehrte Frau Kollegin, in den letzten
ochen und Monaten gab es eine Reihe von Begegnun-

en zwischen Parlamentarierinnen und Parlamentariern,
n denen auch Gäste aus Afghanistan teilnahmen. Dort
aben Frauen vorgetragen und deutlich gemacht, dass
hnen heute vieles möglich sei, was sie vorher nicht hät-
en tun können. Dies konnte nur dadurch gelingen, dass
oldaten in Afghanistan sind.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


ie haben davon gesprochen, dass ein Zugang zur Ge-
undheitsversorgung, zur Wasserversorgung und zu Bil-
ung vorhanden sei. Wir blenden die Probleme in keiner
eise aus; aber wir sollten auch dokumentieren – dies

aben mehrere Rednerinnen und Redner bereits gesagt –,
as in dieser Zeit erreicht worden ist.

Ich komme auf die in den letzten Wochen – insbeson-
ere im Vorfeld des NATO-Verteidigungsministertref-
ens in Vilnius und der Münchener Sicherheitskonferenz –
icherlich etwas aufgeregte Debatte über das interna-
ionale militärische Engagement in Afghanistan zurück.
ie USA und andere NATO-Partner – deren Einsatz im






(A) )



(B) )


Staatsminister Günter Gloser
Süden Afghanistans ist unstreitig – haben in unterschied-
licher Form in den letzten Tagen und Wochen die gleiche
Botschaft an ihre NATO-Partner, auch an Deutschland,
gerichtet: Bitte verstärkt erneut euer Engagement in Af-
ghanistan und engagiert euch insbesondere im Süden
Afghanistans. – Für die Bundesregierung stelle ich ganz
klar fest: Sie hat stets die Position vertreten, dass Fragen
der Truppengenerierung im Rahmen der NATO zu
beraten sind. Kollege Kolbow hat darauf bereits hinge-
wiesen. Das geschah dann auch beim NATO-Verteidi-
gungsministertreffen letzte Woche in Vilnius in einer
partnerschaftlichen Atmosphäre. Dabei wiederholten die
USA, Kanada, die Niederlande und Großbritannien ihre
Appelle, wobei sie aber nicht die einzelnen Staaten, son-
dern die NATO insgesamt angesprochen haben.

Wir haben in dieser Debatte deutlich darauf hingewie-
sen – dabei beziehe ich mich auf die Beiträge von Frau
Homburger oder Herrn Trittin –, dass es nicht ständig
nur darum gehen kann, mehr Truppen zu entsenden;
vielmehr hängt in Afghanistan viel von einer verbesser-
ten Vernetzung der Bemühungen der verschiedenen Ak-
teure um den Wiederaufbau und die Schaffung von Si-
cherheit ab. In Vilnius sowie am Rande der Münchner
Sicherheitskonferenz hat die Bundesregierung vor allem
eines sehr deutlich gemacht: Wir brauchen uns mit unse-
rem Engagement in Afghanistan nicht zu verstecken.


(Beifall bei der SPD)


Denn mit derzeit 3 300 tatsächlich eingesetzten Soldaten
bei einer Obergrenze des ISAF-Mandats von 3 500 Sol-
daten stellt Deutschland das drittgrößte ISAF-Kontin-
gent. Mit der Übernahme des regionalen Wiederaufbau-
teams in Kunduz im Herbst 2003 und im Herbst 2004
auch in Faizabad haben wir als erste – das unterstreiche
ich – den Regionalisierungsansatz von ISAF vollzogen.

Wir wissen, dass der Wiederaufbau Afghanistans ein
sehr komplexes Unterfangen ist, in dem die einzelnen
Bereiche eng miteinander verknüpft sind. Wir haben von
Anfang an einen umfassenden zivil-militärischen Ansatz
verfolgt, der zwar von einigen NATO-Partnern anfangs
kritisch hinterfragt wurde; er hat sich jedoch als richtig
herausgestellt. Es gibt keinen Grund für die Behauptung,
dass dieser Beitrag nicht ausreichend sei. Ich finde, er ist
vorbildlich, nachhaltig und im internationalen Vergleich
überdurchschnittlich.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich möchte an dieser Stelle etwas ansprechen, das bei
einem Besuch der Gebirgsjägerbrigade in Bad Reichen-
hall vor einer Woche deutlich geworden ist und wider-
legt, was Sie in Ihren Ausführungen gesagt haben, näm-
lich dass Soldaten, die Auslandseinsätze auf dem
Balkan, aber auch in Afghanistan hatten, festgestellt ha-
ben: Je mehr wir am Wiederaufbau beteiligt sind und je
mehr sichtbare Projekte des zivilen Aufbaus wir schaf-
fen, desto größer ist die Akzeptanz. Diese sichtbaren Er-
folge bedeuten nicht nur Sicherheit für die afghanische
Bevölkerung, sondern auch Sicherheit und Schutz für
die dort eingesetzten Soldatinnen und Soldaten. – Dies

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(C (D at jemand geschildert, der das vor Ort hautnah miterlebt at. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben einen klaren Fokus auf den Norden Afgha-
istans. Wir sind dorthin gegangen und haben den Auf-
rag nach besten Kräften erledigt, und wir kommen unse-
er Verantwortung dort auch weiter nach, was sich auch
n der Übernahme der Quick Reaction Force des Regio-
alkommandos Nord, das bisher von Norwegen gestellt
urde, ab dem zweiten Halbjahr 2008 widerspiegelt.

Wir haben unsere Haushaltsmittel für die Ausbildung
er afghanischen Armee und der Polizei signifikant er-
öht. Aber auch für den Gesamterfolg der Mission ent-
iehen wir uns keinesfalls der Verantwortung. Wir – auch
as unterstreiche ich – leisten mit den Aufklärungsflü-
en unserer Tornados in ganz Afghanistan einen wichti-
en und von unseren Partnern vor Ort hochgeschätzten
eitrag für den Erfolg von ISAF. Unsere Partner wissen
ber auch, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten in
otsituationen helfen werden und dies bereits jetzt bei-

pielsweise mit Lufttransportunterstützung und Fernmel-
epersonal tun. Solche Solidarität in Notsituationen ist
ach Vorgaben des Bundestagsmandats zeitlich und im
mfang befristet möglich, wenn dies für den Erfolg der
esamtmission unabweisbar ist.

Dies alles zeigt, dass die Bundesregierung zum beste-
enden ISAF-Mandat steht. Wir können und werden un-
eren im Bündnis übernommenen Aufgaben im Rahmen
es bestehenden Mandates nachkommen. Für Spekula-
ionen, wie ein zukünftiges Mandat aussehen kann, ist es
och zu früh. Hierzu müssen wir weitere Entwicklungen
n Afghanistan, aber auch innerhalb des Bündnisses ab-
arten. Es ist ein sehr wichtiger Schritt, dass voraus-

ichtlich im Juni eine internationale Afghanistan-Konfe-
enz in Paris stattfinden wird. Auf dieser Konferenz soll
ie bisherige Arbeit im Rahmen des Afghanistan-Com-
act im Rahmen einer Art Halbzeitbilanz kritisch über-
rüft werden. Die Ergebnisse dieser Konferenz werden
ann ebenfalls in die von Ihnen angemahnte Debatte
ber unser weiteres Afghanistan-Engagement einfließen.

Es gibt also derzeit innerhalb der Bundesregierung
och keinerlei Festlegungen oder Positionierung zu die-
en Fragen. Das gilt auch im Hinblick auf die Mandats-
auer.

Bundesminister Frank-Walter Steinmeier hat darauf
ingewiesen – diesen Punkt hat bereits Herr Schäfer an-
esprochen –, dass das Ende des ISAF-Mandats in den
ktober 2009 und damit voraussichtlich in den Zeitraum
ach der Bundestagswahl und möglicherweise vor der
eukonstituierung von Bundestag und Bundesregierung

allen wird. Es wäre sinnvoll, einem neuen Kabinett und
inem neuen Bundestag die Möglichkeit zu geben, die
ntscheidung über die Fortsetzung des ISAF-Engage-
ents zu treffen. Nichts anderes wurde gesagt.

Genauso wie bei allen anderen vorangegangenen Ent-
cheidungen über ein Mandat oder über eine Mandats-
erlängerung wird sich die Bundesregierung an das be-
ährte Verfahren halten. Sie wird für eine Abstimmung






(A) )



(B) )


Staatsminister Günter Gloser
mit den NATO-Partnern sorgen und das Parlament recht-
zeitig unterrichten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1614211900

Nun hat das Wort der Kollege Hans Raidel für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Hans Raidel (CSU):
Rede ID: ID1614212000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich begrüße die afghanische Kollegin sehr herz-
lich und darf feststellen: Wenn es nach der Politik der
Linken gegangen wäre, hätte die verehrte Kollegin über-
haupt keine Chance, hier zu sein. Das muss hier klar und
deutlich zum Ausdruck gebracht werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie malen den Teufel an die Wand und betätigen sich
dann als Teufelsaustreiber. Das ist keine hervorragende
Politik, weil sie mehr vernebelt als versachlicht. Ich
meine, dass wir mehr Sachlichkeit bei diesem Thema
brauchen, um die Fakten richtig beurteilen zu können.

Verehrte Frau Kollegin Homburger, es gibt keine Ge-
heimniskrämerei. Die Auseinandersetzungen werden
nicht ständig im Bundestag ausgetragen, wohl aber in
den Ausschüssen.


(Birgit Homburger [FDP]: Da wurde gestern auch nichts gesagt!)


– Sie haben nicht richtig zugehört oder es nicht richtig
verstanden. Dafür kann aber der Minister nichts. Wir alle
haben kapiert, worum es geht. Wir sind ausreichend in-
formiert. Wenn Sie sich nicht ausreichend informiert
fühlen, ist das nicht unser Problem, sondern Ihr persönli-
ches.

Wir fühlen uns in der Sache ausreichend informiert.
In jeder Ausschusssitzung wird über die hier zur Debatte
stehenden Themen diskutiert. Der Minister ist für alle
Fragen zugänglich, und das Haus ist für alle Fragen of-
fen. Es gibt keine Geheimniskrämerei. Ich bin sehr dank-
bar, dass wir hier immer wieder vor der deutschen Öf-
fentlichkeit diskutieren; denn so wird deutlich, wie sehr
uns dieses Thema berührt, wie wichtig es ist und wie
sehr der Einsatz in Afghanistan im deutschen Interesse
liegt. Meine Vorredner haben darauf bereits ausreichend
hingewiesen.

Mittlerweile ist das deutsche Konzept zu einem nach-
ahmenswerten Modell für alle anderen Nationen gewor-
den. Auch die NATO nimmt dieses Konzept immer mehr
an. Das von uns verfolgte Konzept sieht vor, den Terro-
rismus auszugrenzen und ihm den Boden zu entziehen.
Hier sind Erfolge zu verzeichnen. Wir setzen aber nicht
nur auf die militärische Karte, sondern gleichermaßen
auf Nation-Building, den Aufbau einer zivilen Verwal-
tung und Good Governance. Es wurde unterstellt, wir

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(C (D erschwiegen, dass es sich um kritische Einsätze, um ampfeinsätze handle. Natürlich gilt: Wer helfen und chützen will, muss in einer solchen Situation kämpfen önnen und kämpfen wollen, wenn es darauf ankommt, nd zwar mit der notwendigen Ausrüstung und Ausbilung. Dazu sind sicherlich kritische Fragen teilweise anebracht. Wir müssen nun unseren Blick auf das neue NATOonzept richten. Das Gipfeltreffen der NATO in Buka est bietet dazu eine gute Chance. Natürlich muss die ATO mehr Wert darauf legen, dass die kollektiven An trengungen verbessert werden und dass neben dem miitärischen Engagement das zivile stärker zum Tragen ommt. Ich bin der Meinung, dass immer mehr Militär icht das richtige Konzept ist. Im Übrigen kann man mit erlustdebatten über tatsächlich geübte Solidarität nicht inwegtäuschen, wenngleich wir die Sorgen der anderen ationen durchaus verstehen. Dieses einheitliche Konzept muss natürlich auch die nterschiedlichen ethnischen Gruppen in diesem Zusamenhang berücksichtigen. Afghanistan ist groß, ver chiedene Stämme mit verschiedenen Kulturen leben ort. Wenn wir zum Beispiel zu einem Rotationsmodell ämen und wir den Norden verlassen und in andere Reionen gehen würden, dann würde vieles, was dort aufebaut worden ist, genau wegen dieser Fragen wieder ufs Spiel gesetzt werden, und wir würden uns eines groen Vorteils begeben. Deswegen sollte unser Einsatzschwerpunkt im Noren beibehalten werden. Wir sollten unsere Aufgabe dort eiter beispielhaft lösen. Wir sollten innerhalb der ATO darauf drängen, dass dieses Konzept weiter ver einert und auf ganz Afghanistan ausgedehnt wird. Wir ollten die Einzelfragen einschließlich des Drogenanaus neu bewerten und neue Instrumente zur Bekämpung entwickeln. Der Wiederaufbau ist notwendig, und ie Regierungs-, Polizeiund die Verwaltungsstrukturen üssen verbessert werden. Wir wissen, dass wir gerade m zivilen Bereich mehr Defizite als im militärischen ereich haben. Wir müssen dafür werben, dass hier achhaltige Verbesserungen eintreten. Herr Kollege, würden Sie bitte zum Ende kommen? Gerne. – Ich bin für den Regionalansatz. Wir müssen ie Nachbarstaaten einbeziehen; denn es kann nicht sein, ass die NATO die Aufgaben allein bewältigt und die achbarstaaten danebenstehen und nur über den Zaun licken. Insgesamt – ein letzter Satz sei mir gestattet – bin ich er Meinung, dass wir trotz aller Probleme gerade mit em deutschen Beitrag auf dem richtigen Weg sind. Wir ollten aus eigenen Interessen diesen Beitrag verstärken. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614212100
Hans Raidel (CSU):
Rede ID: ID1614212200






(A) )



(B) )


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614212300

Ich gebe das Wort dem Kollegen Rainer Arnold,

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1614212400

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Natürlich ist es das parlamentarische Recht der Linken,
inzwischen jede Woche eine Aktuelle Stunde zum
Thema Afghanistan zu beantragen. Ob das zeitökono-
misch ist, ist eine ganz andere Frage; denn Sie erzählen
jede Woche genau dasselbe.


(Widerspruch bei der LINKEN)


– Hören Sie erst einmal zu! – Sie bleiben bei Ihrer übli-
chen Oberflächlichkeit und bei der Verdrehung von Tat-
sachen. Frau Kollegin Hänsel, Sie befinden sich, wenn
es um Polemik geht, auf Augenhöhe mit Ihren Herren
Lafontaine und Gysi.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie sprachen die Kollegin des afghanischen Parlamentes
an, die dort oben sitzt, sagen eines aber nicht: Ohne den
Petersberg-Prozess, den Deutschland maßgeblich ini-
tiiert hat, ohne Afghanistan Compact und ohne die An-
strengungen der Vereinten Nationen zum zivilen, politi-
schen und Sicherheitsaufbau des Landes gäbe es diese
Kollegin nicht im Parlament, weil es dann kein demo-
kratisches Parlament in Afghanistan gäbe.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie fordern, die Parlamentarier in Afghanistan müssten
geschützt werden.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Die wären nicht am Leben, wenn die NATO nicht da wäre!)


Sie sollten sich einmal Gedanken darüber machen, ob
freundliche Worte und Ideologie Schutz für die Men-
schen in Afghanistan sind oder ob es nicht auch be-
stimmter robuster polizeilicher und militärischer Fähig-
keiten bedarf. Sie machen einen Fehler und erzählen der
deutschen Öffentlichkeit Falsches. Sie wollen den Men-
schen bei uns einreden, dort gehe es um Krieg zwischen
den Talibanterroristen und den internationalen Truppen.
Das ist falsch. Es geht zunächst um einen Krieg der Ter-
roristen gegen die Menschen in Afghanistan,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der Linken: Wer bombardiert denn eine Hochzeitsgesellschaft?)


gegen den Lehrer, der Mädchen ausbildet, gegen die
Krankenschwester, die Fortschritt bringt, gegen den
Straßenbauarbeiter, der die Brücke saniert, und gegen
die Familien, die auf dem Marktplatz von Talibanbom-
ben in die Luft gesprengt werden. Wenn man dies sieht,
dann merkt man sehr schnell: Um die Menschen in
Afghanistan kümmern Sie sich nicht wirklich.

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(C (D (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Insofern ist es wirklich schade, dass Sie Ihre Reise
icht machen konnten. Gerade die Linken müssen nach
fghanistan und sich die Situation dort anschauen.


(Beifall bei der SPD)


nd die Herren Lafontaine und Gysi sollten, bevor sie
arüber reden, erst einmal nach Afghanistan fahren und
ort hören und sehen. Das könnte vielleicht, wenn man
utwillig ist, hilfreich sein.

Warum nun führen wir die heutige Debatte? Herr
ates, der amerikanische Verteidigungsminister, hat in

inem recht. Er sagte nämlich: In Deutschland sind diese
ebatten immer etwas zu aufgeregt. – Ich glaube, es gibt
afür in der Tat überhaupt keinen Grund. Die Frage der
usweitung hinsichtlich der Regionen oder des Um-

angs können wir in Deutschland solide und gelassen
iskutieren, aber nicht, indem Parlamentarier über Zah-
en philosophieren, sondern indem wir uns ins Gedächt-
is rufen, welche Aufgaben wir in Afghanistan gemein-
am bewältigen wollen. Es gibt die neue Komponente
er schnellen Eingreiftruppe. Letzte Woche hat die Re-
ierung der NATO zugesagt. Aber man sollte der Regie-
ung schon noch ein bisschen Zeit geben, um auszurech-
en, wie sich das in der Feinplanung abbildet. Eine
oche ist dafür sicherlich zu kurz.

Wir wollen im Deutschen Bundestag miteinander,
ass mehr Ausbildungsleistung für die afghanische Ar-
ee erbracht wird. Gestern konnten wir lesen, dass sich

ei der ANA sehr viel Positives bewegt. Die Soldaten
erden jetzt gut bezahlt und haben langfristige Perspek-

iven, bei der Armee zu bleiben. Das ist schon eine sehr
ute Entwicklung. Wir müssen allerdings dazusagen:
ei der Polizei muss man dasselbe erreichen. Dieser
rozess muss quantitativ besser werden. Alle deutschen
nnenminister sind aufgerufen, in diesem Bereich ihre
erantwortung wahrzunehmen.


(Beifall bei der SPD)


Wir wollen in Afghanistan sicherlich unsere Erkennt-
isse umsetzen. Einer der wichtigen Punkte ist: Es ge-
ügt auf Dauer nicht, wenn die PRTs, die Wiederaufbau-
eams, nur in den Städten ihre Arbeit machen und nur bei
atrouillen hinauskommen. Nein, das Konzept der klei-
en, dezentralen PATs, der Ableger der großen PRTs, ist
ichtig, und es muss implementiert werden. Jetzt muss
uch im Norden von Afghanistan eine Phase erreicht
erden, in der auch die Menschen in den abgelegenen
älern, in den ländlichen Regionen sehen, warum die
taatengemeinschaft da ist, nämlich um ihre Lebensbe-
ingungen zu verbessern. Deshalb brauchen wir die
ATs.

Wenn man bedenkt, dass in Kunduz über Monate ins-
esamt 36 Raketen eingeschlagen sind, die nicht nur die
eutschen Soldaten bedrohen, sondern auch die Fami-
ien, die auf dem Markt einkaufen, dann liegt es doch auf
er Hand, dass die Bundeswehr darüber nachdenkt, auf
elche Art und Weise sie im Umfeld von Kunduz, wo






(A) )



(B) )


Rainer Arnold
die Raketen abgeschossen werden, Präsenz zeigt, damit
dies verhindert wird.

Die Aufgaben liegen also auf der Hand. Sie basieren
inhaltlich zu 100 Prozent auf dem Mandat. Wenn die
Bundeswehr schließlich meint, sie braucht dazu mehr
Personal, dann ist es Sache des Verteidigungsministers,


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Aha!)


der deutschen Öffentlichkeit und dem Deutschen Bun-
destag zu einem geeigneten Zeitpunkt die Planungen
vorzutragen. Dieser Prozess verdient überhaupt keine
Aufregung.

Noch in Kürze ein zweiter Punkt, weil Sie auch die
regionale Komponente angesprochen haben.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614212500

Nein, Herr Kollege, das geht auch nicht in Kürze.


(Heiterkeit)


Ihre Redezeit ist abgelaufen.


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1614212600

In der deutschen Debatte ist klar geworden: Bundes-

tag, Regierung und dankenswerterweise auch die verant-
wortungsvollen Oppositionsparteien haben, was den
Einsatz im Süden betrifft, den amerikanischen Partnern
mit guten Gründen gesagt, was wir nicht tun werden.
Dabei wird es auch für die Zukunft bleiben. Ansonsten
gilt: Wir tun in Afghanistan das, was notwendig ist, und
halten immer die Balance zwischen dem, was wir poli-
tisch und gegenüber den Soldaten verantworten können
und wollen. So wird es auch bleiben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614212700

Das Wort hat der Kollege Ruprecht Polenz für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1614212800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich will mit drei Zahlen anfangen: Etwa 60 Prozent der
deutschen Bevölkerung sind für einen möglichst schnel-
len Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Drei Vier-
tel des Deutschen Bundestages haben diesem Einsatz zu-
gestimmt und ihn für ein weiteres Jahr mandatiert.
80 Prozent der Bevölkerung von Afghanistan sind der
Meinung, dass die ausländischen Soldaten bleiben müs-
sen, weil sonst nicht für ihre Sicherheit gesorgt ist.

Nun debattieren wir hier im Deutschen Bundestag.
Deshalb ist es notwendig, dass wir uns einmal etwas in-
tensiver mit der Haltung und den Gründen auseinander-
setzen, die zu dieser Einschätzung in der deutschen Be-
völkerung führen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen in Ihren
Veranstaltungen geht und was Sie ihrer Post entnehmen.
Ich glaube, es gibt zwei tiefer liegende Gründe für die
Skepsis gegenüber dem Einsatz. Darauf müssen wir zu-
erst reagieren, ehe wir über konkrete Einzelheiten des

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(C (D insatzes sprechen können: Was klappt? Was klappt icht? Wie weit sind wir? Wohin wollen wir? Aus meiner Sicht sind es vor allen Dingen die Kriegseneration oder diejenigen, die in der unmittelbaren achkriegszeit groß geworden sind, die aus dem Zweiten eltkrieg zu Recht die Lektion gelernt haben: Das war in Verbrechen, und das darf nie wieder passieren. Aber ie haben daraus auch eine zweite Lektion gelernt – ich alte sie für falsch –, die lautet: Wir Deutsche sollten uns der Zukunft besser heraushalten; dann machen wir auch ichts verkehrt. Mit dieser Haltung haben wir zu kämpfen. ie Linke bedient diese Haltung. Herr Schäfer hat vorhin avon gesprochen: Wir sollten uns nicht in Dinge verstriken. Das gibt genau diese Haltung wieder. Lassen Sie es ich einmal so formulieren: Aus dem deutschen Überfall us Polen erwächst für das heutige Deutschland kein echt auf unterlassene Hilfeleistung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as Gegenteil ist richtig.

Die Forderung, sich herauszuhalten, knüpft an eine
weite, urmenschliche Erfahrung an: Wenn man selbst
inem anderen nichts Böses tut, dann passiert einem um-
ekehrt in der Regel auch nichts. Im unmittelbaren per-
önlichen Umfeld macht hoffentlich jeder diese Erfah-
ung. Aber schon in der Gesellschaft allgemein trifft
iese Erfahrung nicht mehr zu, wie wir wissen; sonst
rauchten wir keine Polizei. International gesehen, ist
iese Erfahrung erst recht weder historisch noch aktuell
e richtig gewesen.

Was den Terrorismus betrifft, müssen wir doch wis-
en: Der Terrorismus lebt von der Unschuld der Opfer.
as heißt, die Strategie, sich gegenüber Terroristen he-

auszuhalten, funktioniert nicht. Auch hier bedient die
inke diese Haltung, indem sie quasi Ursache und Wir-
ung umkehrt und der deutschen Bevölkerung sugge-
iert: Weil wir uns engagieren, sind wir nunmehr gefähr-
et.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist aber so!)


Der 11. September wurde von Leuten geplant und
urchgeführt, die alle über Wochen und Monate in Trai-
ingscamps der al-Qaida in Afghanistan waren. Schon
orher, Ende der 90er-Jahre, waren die Bombenan-
chläge auf die amerikanischen Botschaften in Afrika
on afghanischem Territorium ausgegangen. Es gab in
er Zwischenzeit die Anschläge in Madrid, London,
stanbul, Amsterdam, Paris, Glasgow, Bali und Djerba.
iese Anschläge haben stattgefunden – ausgeübt von al-
aida. Allein das begründet schon, dass wir alles tun
üssen, damit Afghanistan nicht wieder eine sichere Zu-

lucht für die al-Qaida-Mitglieder wird, etwa wenn die
aliban den Süden Afghanistans oder das ganze Land
ieder in ihre Hand bekämen, wie es in den 90er-Jahren
er Fall war.

Was wir aber gar nicht so wahrnehmen, was hier auch
inmal vorgetragen werden muss und was eben auch be-






(A) )



(B) )


Ruprecht Polenz
gründet, dass wir wegen unserer eigenen Sicherheit in
Afghanistan sind, sind die vielen Anschläge, die glückli-
cherweise rechtzeitig entdeckt und vereitelt worden sind.
Es gab sehr konkrete Pläne der al-Qaida, eine ganze
Reihe von Flugzeugen über dem Atlantik gleichzeitig
explodieren zu lassen, in der Londoner U-Bahn An-
schläge mit Rizin zu verüben, in der Metro in Paris che-
mische Waffen einzusetzen, mit Autobomben Anschläge
in England, Belgien und Deutschland zu verursachen
und Bombenanschläge auf Hochgeschwindigkeitszüge
in Deutschland und Spanien durchzuführen. Außerdem
war geplant, in Dänemark zwei Anschläge auszuüben.
Dort wurden in Häusern Anleitungen zum Bomben-
bauen und die erforderlichen Materialien gefunden.
Glücklicherweise konnten sie vereitelt werden. Gerade
vor kurzem sind in Barcelona 14 Verdächtige festgenom-
men worden, die Selbstmordattentate gegen Transport-
systeme in Spanien, Portugal, Frankreich, Großbritan-
nien und Deutschland geplant haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Streben nach
Autarkie ist im Zeitalter der Globalisierung eine falsche
politische Zielsetzung. Das gilt für die Ernährung, für
die Energie und erst recht für die Sicherheit.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aus diesem Grunde haben wir auch eine Bündnisver-
pflichtung; denn nur darin können wir unsere Sicherheit
schützen. Ohne Frieden in Afghanistan gibt es keine Si-
cherheit für Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614212900

Nächster Redner ist der Kollege Detlef Dzembritzki,

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Eckart von Klaeden [CDU/CSU])



Detlef Dzembritzki (SPD):
Rede ID: ID1614213000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kollege Polenz, Ihren richtigen Aufzählungen
möchte ich gern noch etwas hinzufügen. Das Unbehagen
in der Bundesrepublik über den Afghanistan-Einsatz
hing zum Teil auch damit zusammen, dass hier der Ein-
druck war: Die Menschen in Afghanistan sind mit dem,
was dort geschieht, nicht einverstanden. – Umso überra-
schender war es für viele, als dann durch Untersuchun-
gen, zum Beispiel initiiert von kanadischen Zeitungen
und Universitäten oder in Deutschland von der ARD und
jetzt von der Freien Universität, endlich belastbare
Ergebnisse dazu vorlagen, wie dieser Einsatz in Afgha-
nistan selbst gesehen wird, nämlich mit großer Zufrie-
denheit, mit Zustimmung. Dass man manche Dinge dif-
ferenziert betrachten muss, dass es Situationen gab, wo
man mit dem Fortgang der Dinge eben nicht zufrieden
war, ist unbestreitbar. Deswegen werden wir auch weiter
diskutieren, wie wir im Zweifel besser werden können.

Wir diskutieren in unserem Parlament. Wir sind aber
in eine internationale Gemeinschaft, in ein multilaterales
Staatenbündnis eingebunden. Wir betonen zum Beispiel,

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(C (D ass wir ein Stückchen stolz darauf sind, den Parlaentsvorbehalt zu haben. Wir müssen uns aber auch mit en Erwartungen und den Vorstellungen unserer Partner useinandersetzen. Ich finde ausgesprochen interessant das will ich heute in die Diskussion einbringen –, dass ie kanadische Regierung eine Sonderkommission unter ederführung des ehemaligen Außenministers Manley ingesetzt hat, um sich mit der Frage zu beschäftigen, as aus kanadischer Sicht, aus Bündnissicht eigentlich otwendig wäre, um in Afghanistan voranzukommen. Interessant ist zum Beispiel, dass auch in diesem Beicht als Erstes festgestellt wird: Wir glauben, dass ein tärkeres Gewicht auf Diplomatie, Wiederaufbau und ührungsaufgaben der Rolle Kanadas in Afghanistan esser entspricht, während die militärische Mission sich unehmend auf die Schulung der afghanischen Sichereitskräfte konzentrieren sollte. Weiter wird gesagt, im Hinblick auf Afghanistan und ie Akteure in der Region sei eine stärkere und diszipliiertere diplomatische Position geltend zu machen. Insesondere soll Kanada mit den wichtigsten Verbündeten uf dem folgenden Punkt bestehen: frühzeitige Ernenung eines hochrangigen Zivilvertreters des UN-Genealsekretärs, um in Bezug auf die zivilen und militärichen Bemühungen in Afghanistan mehr Kohärenz zu rreichen. Kollege Trittin, Sie haben dazu einiges gesagt, as ich unterstreichen kann. Aber wie oft haben wir im undestag – ich kann das jedenfalls für mich in An pruch nehmen – diese internationale Kohärenz schon efordert? Damit ist ein ganz wichtiger Punkt angesprohen worden. Die Kommission empfiehlt weiter die baldige Festleung der NATO auf einen umfassenden politisch-militäischen Handlungsplan mit dem Ziel, auf Sicherheitsfraen und Ungleichgewichte einzugehen. Hier sei, heißt s, besonders ein höherer Truppenbestand zur Verbesseung der Sicherheit und zur schnelleren Ausbildung und usrüstung der afghanischen Sicherheitskräfte notwenig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich empfehle Ihnen ie Lektüre dieses Berichts, weil wir uns dieser Arguentation nicht entziehen können. Wir müssen uns mit nseren Partnern zusammensetzen und mit ihnen daüber diskutieren, selbst wenn diese Kommission der egierung in Kanada vorschlägt, auf jeden Fall das andat im Süden über 2009 hinaus fortzusetzen, aller ings mit der Erwartung, dass die NATO – es wird nicht in bestimmter Bündnispartner genannt – oder andere erbündete darüber nachdenken, wie eine Verstärkung ür die kanadischen Kräfte in diesem Bereich möglich st. Wenn wir uns diesem Diskussionsprozess darüber, ie wir mehr Kohärenz und eine gemeinsame Strategie inbekommen, entziehen, würden wir einen entscheienden Fehler machen. Hier wurde immer wieder die Polizeiausbildung anesprochen, weil wir da hohe Verantwortung haben. Zur nneren Sicherheit gehört natürlich vorrangig die Polizei, Detlef Dzembritzki aber auch – ich sage das immer dazu – die Justiz. Wenn man sich da umschaut, ist man noch erschrockener. Es liegen objektive Zahlen vor. Ich will mich jetzt nicht darüber auslassen, dass wir durchaus Qualität geliefert haben, aber eben nicht in der notwendigen Quantität. Nur Folgendes: Derzeit sind zum Beispiel von den 195 Experten, die EUPOL stellen soll, 83 da. – 81. Um die zwei wollen wir uns nicht streiten. – Ich will noch etwas darlegen, damit wir einmal die Dimension erkennen und uns klarmachen, wo wir uns eigentlich bewegen und welche Erwartungen wir haben dürfen. Ich habe die heutige Meldung einmal in einen Zusammenhang mit der Mission, die die Europäische Union im Kosovo mit einbringen will, um dort zu helfen, gebracht. Kosovo entspricht in etwa der Größe eines deutschen Landkreises mit 100 Kilometer Durchmesser. Allein der Norden Afghanistans, den wir zu betreuen haben, umfasst einen Raum, der vom Bodensee bis nach Flensburg reichen würde. Im Kosovo wollen wir 1 400 Polizisten, 250 Richter sowie 200 Beamte verteilt über die Provinz einsetzen. Diese Zahlen sollte man sich einmal vergegenwärtigen. Angesichts dessen muss man doch zugespitzt fragen: Was machen wir eigentlich in Afghanistan? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der SPD)





(A) )


(B) )


(Birgit Homburger [FDP]: 81!)


Jetzt ist der Parlamentarische Staatssekretär des In-
nenministeriums schon wieder weg. Wir ringen im Aus-
wärtigen Ausschuss seit Monaten darum, dass der Innen-
minister einmal kommt und mit uns über die Frage der
Polizeiausbildung diskutiert.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614213100

Herr Kollege Dzembritzki, ich darf Sie an Ihre Rede-

zeit erinnern. Sie ist deutlich überschritten.


Detlef Dzembritzki (SPD):
Rede ID: ID1614213200

Das ist einerseits freundlich, andererseits schade.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614213300

Trotzdem muss ich Sie an Ihre Redezeit erinnern.


Detlef Dzembritzki (SPD):
Rede ID: ID1614213400

Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir

hier in aller Kooperation und kollegialer Zusammen-
arbeit international wie national unsere Schulaufgaben
zu machen haben; denn die Erwartungen an uns sind
hoch. Diese können wir mit den von Ihnen immer wieder
angestoßenen Diskussionen nicht erfüllen. Diplomatie
ist – so haben Sie Ihre Rede geschlossen, Herr Schäfer;
in diesem Punkt sind wir uns ja einig – notwendig. Aber
ohne Sicherheit wird das nicht machbar sein.

Vielen Dank.

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(C (D (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614213500

Das Wort hat der Kollege Gert Winkelmeier.


Gert Winkelmeier (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614213600

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

erne würde ich an dieser Stelle sagen können: Was
ange währt, ist endlich gut geworden. – Doch davon
ind wir in Afghanistan meilenweit entfernt.

Der Senlis Council, der ja nicht gerade linker Um-
riebe verdächtig ist, hat schon vor einem Jahr davor ge-
arnt, dass die NATO mit ihrer Strategie der militäri-

chen Aufstandsbekämpfung „Freunde verliert und sich
einde macht“. Heute, nach einem Jahr des „Weiter so!“,
ommt Senlis zu dem vernichtenden Urteil, dass diese
ontraproduktive Strategie die Regierung Karzai an den
and des Abgrunds gebracht hat und sich die Aufständi-

chen im Süden festgesetzt haben. Karzai sagte im Inter-
iew mit der Welt am 30. Januar dieses Jahres, dass wei-
ere Truppen nicht die richtige Antwort seien. Die
ignifikant gestiegene Zahl der Anschlägt gibt ihm dabei
echt.

Anderen, auch hier in Deutschland, ist dies offen-
ichtlich nicht klar. Die Stiftung Wissenschaft und Poli-
ik, die auch von den Steuern der 70 Prozent Kriegs-
egner finanziert wird, trommelt seit Monaten für die
mstellung des deutschen Konzeptes von CIMIC auf
ufstandsbekämpfung. Die von der Großindustrie ge-

ponserte Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Quatsch!)


orderte am 4. Februar: „Volles Engagement in Afgha-
istan!“. In wessen Interesse wohl? Ein Schelm, wer Bö-
es dabei denkt.

Die Kollegen der SPD reden öffentlich der Aufsto-
kung des Bundeswehrkontingentes und einer Erweite-
ung des deutschen Kommandobereiches das Wort. Wo
oll das denn enden? Soll das bei den 400 000 Soldaten
nden, die General McNeill für eine erfolgreiche Auf-
tandsbekämpfung für nötig hält? Nein, wir brauchen
ielmehr eine schonungslose Bilanz, die dann in ein
olitisches Gesamtkonzept münden muss. Dabei muss
er Schwerpunkt auf die zivile Aufbauhilfe gelegt wer-
en, wie Norwegen dies gerade vorgemacht hat und wie
ies auch 78 Prozent der kanadischen Bevölkerung for-
ern.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Mir ist völlig unbegreiflich, wie sich die Bundesregie-
ung diese eskalierende Ausweitungsdebatte aufzwingen
assen konnte. Immer nur zu reagieren, ist miserables po-
itisches Management. Anstatt proaktiv für das eigene,
ls richtig erkannte Konzept zu werben und den Verbün-
eten klare Signale zu geben, hat sie seit Jahren scheib-
henweise dem Druck derer nachgegeben, die sich
ffensichtlich in Afghanistan auf Dauer militärisch fest-






(A) )



(B) )


Gert Winkelmeier
setzen wollen. Britische und US-Politiker sprechen von
Jahrzehnten, die der Einsatz noch dauern werde. Davor
kann man doch nicht die Augen verschließen. Das ist die
Spaltung der NATO. Die Gefahrenquelle liegt nicht zwi-
schen Nord und Süd. Seit Rumsfeld wissen Sie auch:
Freund ist, wer gerade zur Hand ist, um US-Interessen
zu unterstützen. 1993 waren die Taliban Freund; ab 2000
hatte der Mohr seine Schuldigkeit getan. Für die Wahlen
2009 in Afghanistan wird bereits jetzt ein Karzai-Nach-
folger aufgebaut; das pfeifen sogar die Spatzen in
Washington von den Dächern.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614213700

Herr Winkelmeier, Ihre Redezeit ist zu Ende.


Gert Winkelmeier (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614213800

Ich komme zum Ende; letzter Satz. – Wie kann man

nur eine Politik von einem derartig opportunistischen
Verbündeten abhängig machen? In Afghanistan wird ein
neokolonialer Krieg geführt. Steigen Sie aus, bevor es zu
spät ist!

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614213900

Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Gert

Weisskirchen, SPD-Fraktion.


Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1614214000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Afghanistan ist ein Land, von dem wir alle hoffen – ich
denke, dass wir in diesem Punkt übereinstimmen –, dass
es so schnell als möglich aus den Wirren des Krieges
und der gewalttätigen Auseinandersetzungen herausfin-
det. Wenn das so ist, dann müssen wir uns überlegen:
Was ist der nächste richtige Schritt, den wir gehen müs-
sen?

Der richtige Schritt ist meiner Meinung nach, in Be-
zug auf die Situation in diesem Land ehrlich zu sein. Das
Land ist in vielen Punkten von Gewalt geprägt. Es gibt
nach wie vor kriegerische Gruppen, Banden, Kriminelle,
die versuchen, das Land auszubeuten, Territorien zu be-
setzen, Grenzen nicht anzuerkennen. Das kann man bei-
spielsweise an der nicht bestimmten Grenze zwischen
Afghanistan und Pakistan sehr plastisch sehen.

Wenn das die Situation ist, wenn dieses Land und die
Gewählten dieses Landes, sei es der Präsident, sei es das
Parlament, zugleich der Meinung sind, dass Afghanistan
der Hilfe bedarf, und insbesondere wenn und solange die
Vereinten Nationen ein Mandat bereitstellen, damit die-
sem Lande geholfen werden kann, dürfen wir uns dem
Hilferuf aus diesem Lande nicht entziehen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist der entscheidende Punkt, der uns von allen unter-
scheidet, die einfach über das hinweggehen, was die
Weltgemeinschaft will. Sie will, dass wir diesem Lande

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(C (D elfen. Dieser Aufforderung, dieser Bitte des Welticherheitsrats müssen wir uns stellen. Es muss immer wieder neu darüber debattiert werden, ie die Mandate aussehen. Der zentrale Punkt dabei ist: ie kann durch Mandate, also durch Produktion von Si herheit, bewirkt werden, dass die Menschen die eigene ntwicklung selbst gestalten können? Ich greife einmal einen Punkt aus dem Afghanistan ompact – in dem sich ja 51 Staaten dieser Erde im Jauar 2006 verpflichtet haben, diesem Land zu helfen – eraus: Minenräumung. Dieser Punkt ist jetzt erledigt, nd zwar deshalb, weil wir alle, die internationale Staaengemeinschaft, gemeinsam dazu beigetragen haben, ass die Minen in diesem Lande geräumt werden konnen. Das ist eine Verpflichtung, die wir übernommen haen, und wir haben diese Verpflichtung erfüllt. Ich wünche mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, besonders on der Linken, dass wir jetzt versuchen, in der Sache as abzuarbeiten, was der Afghanistan Compact von uns emeinsam verlangt. Ich nenne ein zweites Beispiel. In dem Compact steht, ass wir im Rahmen der sozialen Entwicklung des Lanes mithelfen, dass am Ende 60 Prozent aller Mädchen nd Jungen gemeinsam in die Primarschule gehen könen, davon hoffentlich über die Hälfte – das ist das Ziel – ädchen. Wir sind noch nicht an diesem Punkt ange angt. Es ist noch nicht gelungen, dass über 60 Prozent ller Jungen und Mädchen in die Primarschule können. as ist aber, verdammt noch mal, eine Aufgabe, der wir ns gemeinsam stellen können! Das ist doch eine Aufabe, bei der wir gemeinsam unsere Kraft zusammenehmen können, um im Rahmen der Entwicklungspoliik mitzuhelfen, diesen jungen Menschen eine Zukunft u geben und die Möglichkeit zu eröffnen, ihr eigenes and selbst in die Hand zu nehmen! Das ist ein wichtier Punkt des Afghanistan Compact. Auch ein anderer Punkt hat etwas mit Sicherheit zu un – ich will jetzt nicht auf die Armee zu sprechen komen; die Zahlen hierzu sind bekannt –: der Aufbau der olizei. Darunter versteht man nicht Verkehrspolizei in nserem Sinne. Es handelt sich um Polizeikräfte wie twa die Guardia Civil in Spanien oder die Gendarmerie n Frankreich. Auch an dieser Stelle ist es wirklich zwinend erforderlich, dass wir unsere Anstrengungen vertärken. Ich bitte um Entschuldigung, dass ich auch diesen unkt anspreche – leider ist niemand aus dem Innenmiisterium mehr anwesend –: Wir warten im Auswärtigen usschuss schon seit Monaten darauf, dass der Innenmiister zu uns kommt und mit uns über diesen Punkt deattiert. Wie lange will er eigentlich noch warten? Die ahlen, die wir heute früh erfahren haben – der Kollege chmidbauer hat darüber gesprochen –, sind verheerend. ir haben gegenwärtig 18 deutsche Polizeibeamte in fghanistan, in einem Land, das Sicherheit braucht. Wir aben uns sogar dazu verpflichtet, mitzuhelfen, eine Poizei aufzubauen. Aber wir waren bisher nur in der Lage, 8 deutsche Polizeibeamte dorthin zu schicken. Gert Weisskirchen Die Aufgabe, die wir uns selbst gestellt haben, müssen wir erfüllen. So können wir Afghanistan am besten helfen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD)





(A) )


(B) )



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614214100

Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Menschenrechte und
Humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu der Unter-
richtung durch die Bundesregierung

EU-Jahresbericht 2007 zur Menschenrechts-
lage
Ratsdok. 13288/07

– Drucksachen 16/7070 Nr. A.7, 16/8031 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Holger Haibach
Christoph Strässer
Burkhardt Müller-Sönksen
Michael Leutert
Volker Beck (Köln)


Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Ich gebe das Wort dem Kollegen Christoph Strässer,
SPD-Fraktion.


Christoph Strässer (SPD):
Rede ID: ID1614214200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Es ist mittlerweile gute Tra-
dition geworden, dass der Deutsche Bundestag zu wich-
tigen menschenrechtlichen Publikationen der Europäi-
schen Union Stellung bezieht. Der 9. Jahresbericht der
EU über die Menschenrechte erstreckt sich über den
Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 30. Juni 2007.

Am 21. Juni 2007 haben wir in diesem Hause über
den 8. Jahresbericht debattiert. Ich habe in dieser De-
batte die Bundesregierung, die zu jenem Zeitpunkt noch
die Ratspräsidentschaft innehatte, gebeten, alles daran-
zusetzen, die bereits seit langem textlich existierende
Grundrechtecharta verbindlich zu machen. Als Abge-
ordneter einer Koalitionsfraktion kann ich nun feststel-
len – das kann man nicht jeden Tag sagen –: Die Bun-
desregierung ist diesem Wunsch in vollem Umfang
nachgekommen.


(Beifall des Abg. Dr. Carl-Christian Dressel [SPD])


Mit der feierlichen Verkündung des Grundlagenver-
trages vom 12. Dezember 2007 ist auch die Grund-
rechtecharta endlich für fast alle Staaten der EU verbind-
lich geworden. Damit sind all die widerlegt, die die
Europäische Union immer noch als ein bürgerfernes,
ausschließlich den Interessen des Großkapitals ver-
pflichtetes und waffenstarrendes Monster diffamieren.

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(C (D Das Gegenteil ist richtig: Zum ersten Mal gibt es auf iesem Kontinent, der jahrhundertelang und noch bis um Ende des vergangenen Jahrhunderts von totalitären, emokratieund rechtsstaatsfeindlichen Systemen gerägt war, ein verbindliches Wertesystem für die in der U zusammengefasste Staatengemeinschaft. Dies ist ein ertesystem, das geprägt ist von den Grundwerten der llgemeinen Erklärung der Menschenrechte, von der enschenwürde, von der Rechtsund Sozialstaatlich eit. Vor allem: Es gibt Millionen von Menschen die Mögichkeit, zum ersten Mal diese Rechte geltend zu mahen, insbesondere hinsichtlich der Verletzung von Geeinschaftsrecht. Ich denke, dies ist ein großer Erfolg ür die Vervollständigung des Menschenrechtsschutzsysems in Europa. Es ist ein Fortschritt für alle Menschen, ie in den Staaten der EU leben, und damit ein großer rfolg für die deutsche und europäische Menschen echtspolitik. Deshalb geht mein herzlicher Dank an die undesregierung für ihre Bemühungen, die an dieser telle sehr erfolgreich agiert hat. Insgesamt lässt der Bericht erkennen, dass der Umang der Tätigkeit der EU im Bereich der Menschenechte zugenommen hat. Die Instrumente zur Förderung on Demokratie und Menschenrechten wurden weiterentickelt. Insbesondere die Entwicklung der fünf Leitlinien er EU zu den Menschenrechten – zur Todesstrafe, zur olter, zu Kindern und bewaffneten Konflikten, zu Menchenrechtsdialogen und zu den Menschenrechtsverteiigern – war ein wichtiger Schritt zu einer zielgerichteen und kohärenten Menschenrechtspolitik der EU. Positiv ist hervorzuheben, dass auf Initiative des deutchen EU-Ratsvorsitzes hin Leitlinien zur Förderung der echte des Kindes erarbeitet und im Dezember 2007 erabschiedet wurden. Ich wünsche mir im Rahmen der chaffung eines zweiten Zusatzprotokolls zur Kinderechtskonvention einen Fortgang in den Gesprächen, die egenwärtig begonnen haben, um so ein Individualbechwerderecht analog zu anderen UN-Pakten einzufühen. Auch da sollten wir die Bundesregierung in ihrem emühen unterstützen. Soviel ich weiß, gibt es unter den essorts keine großen Meinungsunterschiede. Es wäre ut, wenn wir in einem Jahr auch hier Erfolg vermelden önnten. Wir begrüßen besonders, dass die EU in ihren Strateien verstärkt menschenrechtliche Aspekte in allen Poliikfeldern mitberücksichtigt. So wurden im Berichtszeitaum Menschenrechtsfragen systematischer in die reffen im Rahmen politischer Dialoge und in andere ochrangige Treffen zwischen der EU und Drittländern inbezogen. Wir treten schon lange für ein konsequentes ich muss diesen Begriff, der nicht der deutschen Parlaentssprache entspricht, leider aufgreifen – Humanights-Mainstreaming in allen kohärenten Politikbereihen ein. Das bedeutet, dass wir die Menschenrechte in ämtlichen Politikfeldern – seien sie international, seien ie auf Deutschland ausgerichtet – umsetzen wollen. Die nstitutionalisierung des Ausschusses für Menschenechte und Humanitäre Hilfe hier in diesem Hohen ause hatte zum Ziel – das darf man, glaube ich, selbst Christoph Strässer bewusst sagen –, die Menschenrechtspolitik als Querschnittsaufgabe zu verstehen und den Menschenrechten in allen Politikbereichen ein Sprachrohr zu verschaffen. Wir begrüßen es, wenn sich dieser Gedanke immer stärker auch auf europäischer Ebene durchsetzt. Es wäre sicherlich nicht verkehrt, wenn es in der nächsten Legislaturperiode des Europäischen Parlamentes nicht mehr nur einen Unterausschuss, sondern einen Vollausschuss für Menschenrechte gäbe, damit wir auf dieser Ebene einen adäquaten Gesprächspartner für die weitere Arbeit haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





(A) )


(B) )


Wir haben zu bewerten, dass insbesondere in zwei Po-
litikbereichen die Arbeit auch institutionell vorangegan-
gen ist. Ich erwähne in aller Kürze den Menschenrechtsrat
der Vereinten Nationen. Dass sich diese Institution be-
stimmte Strukturen und Verhandlungsmöglichkeiten ge-
geben hat, ist deshalb gelungen, weil insbesondere die
Europäische Union dort mit einer Stimme gesprochen
hat. Wir haben Verfahrensregeln verabschiedet, die gut
sind und auf deren Basis man arbeiten kann. Ich glaube,
es könnte gelingen, den Menschenrechtsrat endlich zu
einem wirklichen Instrument der Menschenrechtspolitik
weltweit zu machen. Auch dafür lohnen sich alle An-
strengungen.

Ein zweiter Erfolg inhaltlicher Art – auch daran ha-
ben die EU, die Bundesregierung und wir in diesem
Parlament sehr massiv Anteil gehabt – ist die Resolu-
tion der Generalversammlung der Vereinten Nationen
zur Ächtung der Todesstrafe, der sich über 190 Staaten
angeschlossen haben. Dies ist ein sehr wirksames Zei-
chen – auch wenn sie nicht verbindlich ist –, das letzte
menschenunwürdige Strafsystem endlich abzuschaffen,
und zwar überall auf der Welt, in China wie in den Verei-
nigten Staaten und überall dort, wo die Todesstrafe noch
existiert. Hier gilt es in der Tat, noch einige Arbeit zu
leisten.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Man kann allerdings nicht über diesen Bericht disku-
tieren, ohne an bestimmten Stellen ein wenig Selbstkri-
tik zu üben. Es ist sicherlich richtig: Die EU ist eine
wichtige politische, rechtliche und moralische Instanz.
Ihre Glaubwürdigkeit leidet, wenn wir an uns selbst an-
dere Maßstäbe anlegen als an andere Staaten. Wir müs-
sen deshalb die Außen- und die Innenpolitik noch stärker
miteinander verzahnen. Wir müssen erkennen, dass die
Außen- und die Innenpolitik verschiedene Seiten einer
Medaille sind. Das heißt, nach innen wie nach außen
glaubwürdig zu arbeiten, ist ein wesentliches Ziel der
Politik, die wir in Europa verfolgen müssen.

Das bezieht sich unter anderem auf den Umgang mit
Flüchtlingen. Es kann nicht sein, dass wir die Menschen-
rechtssituation in vielen Ländern dieser Erde aufs
Schärfste kritisieren und sagen, dass die Menschen dort
unter unwürdigen Bedingungen leben, es aber zulassen,
dass der geringe Teil der Menschen, der überhaupt noch
nach Deutschland kommt, Probleme hat, hier ein Auf-

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(C (D nthaltsrecht zu bekommen. Auch hier sollten wir eine laubwürdige Politik betreiben; (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


nsonsten wird all das, was wir gemeinsam auf den Prüf-
tand stellen wollen, unglaubwürdig. An dieser Stelle
üssen wir nacharbeiten und besser werden, und dann

ekommen wir in Europa eine vernünftige Menschen-
echtspolitik hin.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614214300

Ich gebe das Wort dem Kollegen Burkhardt Müller-

önksen, FDP-Fraktion.


Burkhardt Müller-Sönksen (FDP):
Rede ID: ID1614214400

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

egen! Sehr geehrter Herr Kollege Strässer, ich bin sehr
ngetan davon, dass Sie ein wenig Selbstkritik geäußert
aben. Als Opposition wollen wir diese Selbstkritik ein
enig ausdifferenzieren.

Einig sind wir mit Ihnen, dass der EU-Jahres-
ericht 2007 zur Menschenrechtslage zeigt, dass die EU
in immer aktiverer Akteur der internationalen Men-
chenrechtspolitik geworden ist. Allerdings bedeutet das
icht, dass die EU auch zu einem einflussreicheren, das
eißt effektiveren Akteur der Menschenrechtspolitik ge-
orden ist; denn Anspruch und Wirklichkeit klaffen in
er EU-Menschenrechtspolitik an vielen Stellen leider
och allzu deutlich auseinander.


(Beifall bei der FDP)


in einheitlicher Kurs ist nicht erkennbar. Die EU ist
eshalb noch ein gutes Stück weg von dem selbstge-
teckten Ziel, ein starker und vor allem effektiver Akteur
ür die Durchsetzung von Menschenrechten zu sein.

Die EU könnte gerade in diesem Bereich weltweit
iel mehr bewegen, wenn sie nach außen mit einer
timme sprechen würde. Wenn es Drittstaaten gelingt,
inzelne EU-Mitgliedstaaten oder Gruppen von ihnen
egeneinander auszuspielen, dann bleibt der Einfluss der
U meist gering. Das Beispiel Russland zeigt das allzu
eutlich.

Ein weiteres Problem der EU-Menschenrechtspolitik
st ihre Glaubwürdigkeit. Dieses Problem haben Sie ge-
ade schon angesprochen. Glaubwürdigkeit lässt sich nur
adurch herstellen, dass ein und dieselben Maßstäbe für
lle gelten. So sollte etwa die Menschenrechtslage in
taaten, die mit der EU eng zusammenarbeiten, keines-
alls beschönigt werden. Das gilt ganz besondere für die
uropäische Nachbarschaftspolitik.

Von großer Bedeutung für die Verbesserung der EU-
enschenrechtspolitik ist der Ende 2007 unterzeichnete
eformvertrag von Lissabon. Nach seinem Inkrafttreten
ird der Menschenrechtspolitik der EU mit dem Hohen
epräsentanten für Außen- und Sicherheitspolitik ein






(A) )



(B) )


Burkhardt Müller-Sönksen
Gesicht gegeben. Das wird nicht nur die öffentliche
Wahrnehmbarkeit der EU-Menschenrechtspolitik stär-
ken, sondern auch die Einflussmöglichkeiten. Ebenso
wichtig ist, dass die europäische Grundrechtecharta
durch den EU-Reformvertrag nun endlich Rechtsver-
bindlichkeit erlangt und damit den Grundrechtsschutz
der EU-Bürger deutlich stärkt. Nicht zuletzt wird die EU
durch den Reformvertrag endlich auch eine eigene
Rechtspersönlichkeit erhalten und dadurch der Europäi-
schen Menschenrechtskonvention beitreten können.

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hat am Zustan-
dekommen des Lissabonner Reformvertrages einen
maßgeblichen Anteil gehabt. Das muss und darf ich hier
sagen und anerkennen.


(Beifall bei der FDP und der SPD)


Genauso deutlich muss ich aber auch die Punkte benen-
nen, bei denen die deutsche Ratspräsidentschaft eine
eher unrühmliche Rolle bei der Gestaltung der EU-Men-
schenrechtspolitik gespielt hat. Meines Erachtens ist das
eklatanteste Beispiel dafür die Lockerung der EU-Sank-
tionen gegen Usbekistan, die nach dem blutigen Massa-
ker von Andischan im Mai 2005 verhängt worden wa-
ren.


(Beifall des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Die Lockerung der Sanktionen ist maßgeblich auf-
grund des Betreibens der Bundesregierung zustande ge-
kommen. Sie erfolgte, ohne dass sich die kritische Men-
schenrechtssituation in Usbekistan auch nur ansatzweise
zum Besseren entwickelt hat. Auch die bei der Verhän-
gung der EU-Sanktionen geforderte internationale und
unabhängige Untersuchungskommission zum Massaker
von Andischan hat es bisher nicht gegeben. Stattdessen
war für die Bundesregierung allein die Andeutung der
usbekischen Führung, einen Menschenrechtsdialog mit
der EU führen zu wollen, ausreichend, um die Satzungen
zu lockern.

Den Direktor von Human Rights Watch, Kenneth
Roth, veranlasste dieses Verhalten kürzlich in einem In-
terview zu folgender Bemerkung, der ich mich an-
schließe:

Wir finden, die Bundesregierung setzt zu sehr auf
Dialog, selbst wenn diese Dialoge inhaltsleer sind.
Wir wünschen uns ein härteres Herangehen mit kla-
ren Maßstäben.

Diesem Standpunkt von Human Rights Watch kann ich
mich an dieser Stelle inhaltlich voll anschließen.

Ein weiterer menschenrechtlicher Sündenfall der
deutschen Ratspräsidentschaft war die Zustimmung zur
Errichtung der EU-Grundrechteagentur. Wofür ist sie ei-
gentlich da? Es ist nach wie vor zweifelhaft, welchen
Nutzen diese Agentur für die Bürger Europas tatsächlich
bringen soll. Es steht zu befürchten, dass diese Agentur
in Bereiche des europäischen Grundrechtsschutzes vor-
dringt, die durch den Europarat bereits sehr gut abge-
deckt werden; der Kollege Strässer hat das positiv er-
wähnt. Zwischen beiden Organisationen fehlt eine klare
Arbeitsteilung – sie müsste auch von diesem Haus defi-

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(C (D iert werden –, sodass die Doppelung schon vorprogramiert ist. Ab 2013 soll die Agentur über ein jährliches udget in Höhe von sage und schreibe 24 Millionen Euro erfügen. Ich weiß, dass das für dieses Haus ein kleiner etrag ist. Dieses Geld wäre aber beim Europarat, insbe ondere beim Europäischen Gerichtshof für Menschenechte, weitaus besser angelegt. Denn gerade der Geichtshof leistet im Bereich des Menschenrechtsschutzes ervorragende Arbeit, bedarf aber dringend einer Veresserung seiner Finanzausstattung. tatt den Gerichtshof zu unterstützen, hat die Bundesegierung mit der Zustimmung zur Errichtung der rundrechteagentur einen weiteren teuren Fall von genturinflation auf europäischer Ebene angeregt und eschaffen. Meine Fraktion lehnt aus den dargelegten Gründen ie viel zu unkritische Stellungnahme der Fraktion der PD – ich gehe davon aus, dass sich die CDU/CSU dem benfalls relativ unkritisch anschließen wird – zum ahresbericht zur Menschenrechtslage ab. Es ist offenichtlich, dass in dieser Stellungnahme vor allem die enschenrechtliche Bilanz der deutschen Ratspräsident chaft in ein gutes Licht gerückt werden soll. Hier geht s jedoch nicht nur um Licht, sondern auch um eine anze Menge Schatten. Wir werden uns schon bald wieder an dieser Stelle it der Menschenrechtspolitik der Bundesregierung im ahmen der EU-Ratspräsidentschaft befassen. Dies wird uf Grundlage einer Großen Anfrage geschehen, welche eine Fraktion an die Bundesregierung gerichtet hat. it den Antworten der Bundesregierung werden wir kri isch umgehen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP – Christoph Strässer [SPD]: Sie wollten doch Kritik an der Opposition üben! Das hatten Sie angekündigt!)


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614214500

Ich gebe das Wort der Kollegin Erika Steinbach,

DU/CSU-Fraktion.


Erika Steinbach-Hermann (Plos):
Rede ID: ID1614214600

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

egen! Der aktuelle Jahresbericht der Europäischen
nion zur Menschenrechtslage dokumentiert deren
ngagement in diesem Bereich. Kaum ein Aspekt ist da-
ei ausgeblendet. Die Palette reicht von der Beobach-
ung der Menschenrechtslage in China oder Usbekistan
ber die Generalthemen Todesstrafe, Religions- und
laubensfreiheit sowie Menschenhandel bis hin zum
chutz der indigenen Völker.

Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen wird
benso dargestellt wie der Internationale Strafgerichts-
of. Ein gravierender Mangel aber ist das Fehlen des
uropäischen Menschenrechtsgerichtshofes. Er kommt
chlicht und ergreifend nicht im Bericht vor. Ich denke,
as ist ein Versehen. Ich habe ihn jedenfalls nicht gefun-






(A) )



(B) )


Erika Steinbach
den. Leider lassen sich insgesamt aus dem Bericht keine
vertieften Erkenntnisse herauslesen. Die Darstellung
bleibt weitgehend an der Oberfläche; in einigen Berei-
chen ist sie leider zu optimistisch.

Das lässt sich am Abschnitt zur Türkei exemplarisch
belegen. Die Menschenrechtsentwicklung dieses Lan-
des wird in dem Bericht grundsätzlich positiv bewertet,
wie der Einleitungssatz belegt, der lautet:

Der Reformprozess wurde fortgesetzt und die frü-
heren Reformen haben weiterhin zu positiven Er-
gebnissen vor Ort geführt.

Das ist schlicht falsch.


(Widerspruch bei der SPD)


Seit Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der Tür-
kei stagnieren die Reformen, und vieles, was auf dem
Papier inzwischen an Reformen beschlossen wurde, ist
bis heute leider pure Makulatur. Die Bilanz des Europäi-
schen Menschenrechtsgerichtshofes spricht eine deutli-
che Sprache. Im vorigen Jahr wurde die Türkei am
häufigsten von allen Ländern wegen Menschenrechts-
verletzungen verurteilt. Mit 319 Neuverurteilungen führt
Ankara die traurige Liste an. Erst mit großem Abstand
folgt Russland.

Ein erheblicher Anteil der gegen die Türkei gerichte-
ten Urteile betraf die Unterdrückung der kurdischen Be-
völkerung. „Assimilation ist ein Verbrechen gegen die
Menschlichkeit“, kritisierte der türkische Regierungs-
chef Erdogan. Dazu sage ich ganz deutlich: Er sollte
vom radikalen türkischen Vorgehen gegen die alteinge-
sessene kurdische Minderheit in seinem Lande nicht auf
die Situation in Deutschland schließen. Ich habe den
Eindruck, dass die hier lebenden Türken und türkisch-
stämmigen Deutschen viel weiter sind, als die Verant-
wortlichen in Ankara es bemerken. In Deutschland gibt
es den breiten politischen Willen, niemanden auszugren-
zen, sondern alle einzubeziehen.

In der Türkei allerdings – das muss man sagen – fin-
det seit Jahrzehnten eine Zwangsturkisierung statt. In
keinem europäischen Land werden nach Erkenntnissen
der Gesellschaft für bedrohte Völker – ich glaube, Sie
alle haben die Presseerklärung von Tilman Zülch be-
kommen – Sprachen und Kulturen der Minderheiten im
Namen der dominierenden Staatsnation so massiv unter-
drückt und verfolgt wie in der kleinasiatischen Heimat
des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan.

Erdogan fordert, hier bei uns türkische Universitäten
und Schulen für die in den letzten Jahrzehnten hergezo-
genen Türken zu errichten.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt verlassen Sie aber wirklich das Thema! Bei Ihnen ist es wie bei der Linksfraktion! Die Linken kommen am Ende immer bei Hartz IV an, Sie beim EU-Beitritt der Türkei!)


In der Türkei gibt es keine einzige kurdische Schule für
diesen seit Jahrhunderten dort lebenden und alteingeses-
senen Bevölkerungsteil. In der Türkei werden kurdische

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(C (D ublikationen verboten oder drastisch behindert. Die ressefreiheit scheint für Erdogan ohnehin eher lästig zu ein; diesen Eindruck gewinnt man, wenn man seine akuellen Äußerungen dazu liest. Christliche Minderheiten befinden sich in der Türkei n einem mehr oder weniger rechtlosen Zustand. Wer ber den Genozid an Armeniern, Assyrern und haldäern zu laut nachdenkt, der gerät bis heute unter assiven Druck. Die Mörder von Hrant Dink sind imer noch nicht verurteilt, und wichtige Beweise sind lei er verschwunden. Nach Erfahrungen von Amnesty Inernational wird in der Türkei nach wie vor gefoltert; einer Meinung nach hat Europa dieses Thema voreilig on der diplomatischen Agenda genommen. Ich muss deutlich sagen: Der bizarre Wahlkampfaufritt des türkischen Regierungschefs in Köln war nicht ur vor diesem Hintergrund eine Frechheit. Herr rdogan sollte mit den Bürgern seines Landes mensch ich umgehen. Er sollte ihnen Pressefreiheit und Reliionsfreiheit zugestehen. Er sollte die Folter endlich icht nur auf dem Papier abschaffen, sondern auch in der ealität. Eines ist mir wichtig: Wir werden uns auch nach dieem abstrusen Auftritt von Herrn Erdogan in unserem illen zu einem guten und menschlichen Miteinander in nserem Land nicht beirren lassen. Dazu muss jeder das eine beitragen. Zu guter Letzt: Trotz der Informationsmängel gibt der orliegende Bericht zur Menschenrechtslage im Großen nd Ganzen einen Überblick über all das, was die Euroäische Union in Menschenrechtsfragen tut. Dadurch ird dieses Thema befördert. Wo nötig, werden wir achhaken, entweder im Ausschuss oder im Plenum. enn das sind wir denen schuldig, die in ihrer Men chenwürde und ihren Menschenrechten verletzt sind. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614214700

Das Wort hat der Kollege Michael Leutert, Fraktion

ie Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Michael Leutert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614214800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ch nehme erstaunt zur Kenntnis, dass ich heute nicht al-
eine bin, wenn es darum geht, Kritik zu üben.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie bitte? Was soll das denn heißen?)


ch möchte explizit im Namen meiner Fraktion begrün-
en, warum wir den EU-Jahresbericht 2007 zur Men-
chenrechtslage nicht mit Freude und erst recht nicht zu-
timmend zur Kenntnis nehmen können.

Von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern ist schon
ngesprochen worden, dass darin etliche Gesichtspunkte






(A) )



(B) )


Michael Leutert
von Menschenrechtsverletzungen zu differenziert darge-
stellt werden, während andere Aspekte ausgeblendet
oder ganze Komplexe verschwiegen werden.

Die Beispiele liegen auf der Hand. An der Situation in
Russland und China wird in diesem Bericht viel Kritik
geübt. Das begrüßen wir ausdrücklich; die Kanzlerin hat
sich in dieser Frage auch im Rahmen der deutschen EU-
Ratspräsidentschaft sehr stark hervorgetan. Was die
USA betrifft, wird im Abschnitt zum Thema Todesstrafe
aber lediglich darauf hingewiesen, dass die Todesstrafe
auch in den USA existiert. Im Abschnitt zum Thema
Folter werden die USA überhaupt nicht erwähnt. Bei der
Terrorismus- und Menschenrechtsbekämpfung – –


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Nicht ganz! Leider knapp daneben, Herr Kollege! – Heiterkeit)


– Das war ein Freud’scher Versprecher, der bei diesem
Bericht allerdings naheliegend ist. – Beim Thema „Ter-
rorismusbekämpfung und Menschenrechte“ spielt sie
nur noch eine untergeordnete Rolle.

Ich möchte eine Stelle des Berichts zitieren – es geht
um die EU-Menschenrechtspolitik und die Vereinigten
Staaten von Amerika –:

Die EU äußerte ihre Bedenken gegen die fortge-
setzte Anwendung der Todesstrafe in den USA und
bekräftigte ihre Haltung, dass alle Maßnahmen zur
Terrorismusbekämpfung im Einklang mit den inter-
nationalen Menschenrechtsvorschriften stehen müs-
sen.

Mehr wird dazu nicht gesagt. Dabei handelt es sich um
einen 200 Seiten starken Bericht. Dieses Thema, das uns
am meisten interessiert – im Deutschen Bundestag be-
schäftigt sich übrigens auch ein Untersuchungsausschuss
mit dem Thema „Menschenrechte und Terrorismusbe-
kämpfung“ –, wird auf zwei Seiten behandelt; das ent-
spricht gerade einmal 1 Prozent des gesamten Berichts.

In diesem 200 Seiten umfassenden Bericht steht da-
rüber hinaus:

Wir werden den laufenden Dialog über die für unse-
ren gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus
relevanten völkerrechtlichen Grundsätze, der zu ei-
nem besseren Verständnis unseres jeweiligen
Rechtsrahmens geführt hat und zur Zusammen-
arbeit bei der Terrorismusbekämpfung beitragen
sollte, fortführen und vertiefen.

Nichts weiter! Keine Kritik, keine Analyse und keine
Konsequenzen! Wir sprechen hier angeblich von einem
unserer Verbündeten. Wir sprechen aber auch von einem
Land, in dem die Todesstrafe existiert. Wir sprechen von
dem Land, in dem die Todesstrafe weltweit am fünfthäu-
figsten angewendet wird. Wir sprechen von einem Land,
das Guantánamo eingerichtet hat. Wir sprechen von ei-
nem Land, das fremde Staatsbürger – auch europäische –
entführt, von CIA-Flügen. Wir sprechen von Verschlep-
pung und von den Black Sites.

Das kommt in diesem Bericht zu kurz. Völlig ausge-
blendet wird, dass sich in Untersuchungsausschüssen,

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(C (D ls es um die Behandlung der Aktivitäten deutscher Beörden bei der Bekämpfung des Terrorismus ging, geeigt hat, dass die Bundesregierung an Aufklärung kein nteresse hat, dass deutsche Beamte an Befragungen mitewirkt haben, ohne auf die offenkundige Misshandlung zw. Folter des Befragten zu reagieren. Diese Frage geht uns etwas an, und Amnesty hat in er Bewertung dieses Berichtes klare Worte gefunden. ir brauchen eine stärkere menschenrechtliche Kon rolle der Geheimdienste, zum Beispiel durch einen enschenrechtsbeauftragten in der Sicherheitsrunde im anzleramt. Diesem Vorschlag müssten sich eigentlich lle anschließen können. Doch solange in diesen Berichen Dinge, von denen man meinen könnte, dass sie bloß änder außerhalb der EU betreffen, ausgeblendet weren, so lange können wir diese Berichte nicht zustimend zur Kenntnis nehmen. Ich möchte wie der Kollege Strässer darauf hinweien, dass auch die Flüchtlingsproblematik eine völlig unergeordnete Rolle spielt. Es wird nicht angesprochen, ass Tausende von Flüchtlingen, die von Afrika über das ittelmeer zu uns zu kommen versuchen, dabei umkomen und die wenigen, die hier ankommen, keine Mög ichkeit haben, einen Asylantrag zu stellen. All das wird icht angesprochen. Es wird zwar angesprochen, dass ir die Richtlinien für den Export von Gerätschaften, die ür Folter und unmenschliche Behandlung geeignet sind, erschärfen müssen. Aber es wird nicht darauf hingeiesen, dass Mitgliedstaaten der EU gegen die Richt inien verstoßen. Daraus müssen Konsequenzen gezogen erden. Ich möchte an dieser Stelle betonen: Solange wir in enschenrechtsfragen mit dem Finger auf andere zei en, aber nicht über unsere eigenen Defizite sprechen, so ange untergraben wir unsere Glaubwürdigkeit. Damit abe nicht nur ich ein Problem, auch der Kollege trässer hat das angesprochen. Ich kann auch auf Veröfentlichungen von Amnesty International verweisen. Wir üssen anfangen, auch Menschenrechtsverletzungen, ie bei uns passieren, zu kritisieren. Wenn wir das nicht un, werden wir das Fundament des Wertesystems, das in uropa nach Jahren der Diktatur aufgebaut worden ist, ntergraben, was den Menschenrechten sicherlich nicht örderlich ist. Wir würden die Tür dazu öffnen, dass enschenrechtsverletzungen wieder an der Tagesordung sind. Danke. Das Wort hat der Kollege Volker Beck, Bündnis 90/ ie Grünen. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei enschenrechtsdebatten muss man leider den Eindruck ekommen, eine Wiederholung zu sehen. Die CDU/ SU-Fraktion kommt wieder dabei heraus, dass sie ei Volker Beck nen EU-Beitritt der Türkei ablehnt, und der Linksfraktion fällt wieder nur ein, Amerika zu kritisieren. (Michael Leutert [DIE LINKE]: Ich habe auch von China und Russland gesprochen!)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614214900
Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1614215000




(A) )


(B) )


Konsequente Menschenrechtspolitik muss in der Tat
Menschenrechtsverletzungen, egal wo sie auftreten, mit
der gleichen Elle, den Menschenrechtspakten, messen.
Das muss für Kuba, für China, für Russland und für die
USA gelten, aber auch für uns selber.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich habe das Gefühl, dass es bei einigen Fraktionen in
dieser Hinsicht eine einseitige Fokussierung gibt. Das tut
der Glaubwürdigkeit unserer Menschenrechtspolitik und
unserer Außenpolitik nicht gut.

Guantánamo – das ist zu Recht angesprochen worden –
ist die Achillesferse des Westens, wenn er international
die Achtung der Menschenrechte anmahnt. Wohin wir
auch kommen, sei es Usbekistan, sei es Turkmenistan,
sei es Russland, überall wird uns Guantánamo vorgehal-
ten. Das schwächt die Menschenrechtsarbeit weltweit,
ganz abgesehen davon, dass Guantánamo für sich ge-
nommen ein Skandal ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD])


Deshalb ist es richtig, dass wir darauf hinweisen und in
diesem Zusammenhang unseren amerikanischen Freun-
den gegenüber Druck machen. Es darf aber nicht bei
wohlfeilen Erklärungen am Redepult bleiben. Konkrete
Taten und Angebote müssen folgen. In Guantánamo sitzt
eine ganze Reihe von Gefangenen ein, von denen die
Amerikaner sagen, dass sie unschuldig sind. Wir können
sie aber nicht in ihre Herkunftsländer zurückführen. Dies
gilt zum Beispiel für Uiguren aus China. Kein Land der
Welt ist bereit, sie aufzunehmen. Ich finde, wer
Guantánamo schließen will, der muss einen Teil der Ver-
antwortung übernehmen, indem er einige dieser unschul-
digen Gefangenen aufnimmt. Sonst ist das alles leeres
Geschwätz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Meine Damen und Herren, es wurde hier viel Weih-
rauch in Richtung Bundesregierung in die Luft gelassen.
Ich meine, angesichts der Menschenrechtspolitik im
Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft ist das leider nicht
ganz angemessen.


(Christoph Strässer [SPD]: Grundrechtecharta!)


– Gut, hinsichtlich der Grundrechtecharta sind wir uns
alle einig. Das war allerdings auch nicht das alleinige
Verdienst der Bundesregierung. Hier sollten wir als
Deutsche doch einmal ein bisschen bescheiden sein. Da-
ran haben auch noch andere in Europa mitgewirkt.

Der Kollege hat vorhin schon das Thema Usbekistan
angesprochen. Es ist in der Tat kein Ruhmesblatt, dass
Deutschland in Brüssel als Lobbyist dafür eingetreten ist,
dass das Sanktionsregime gegenüber Usbekistan gelockert

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(C (D urde, ohne dass die internationalen Bedingungen von sbekistan erfüllt wurden – nicht eine der drei –, weil wir eutschen in Termes einen Militärflughafen unterhalten nd deshalb meinen, uns mit ihnen gut stellen zu müssen. Wir waren mit dem Ausschuss in dem Land. Wir prechen mit dem Botschafter und wissen, wie diese eute ticken. Es beeindruckt sie gar nicht, wenn man erst ie Backen aufbläst und sich dann trollt, wenn sie nicht leich nachgeben. Das ist bei diesen autoritären Regien eine Mentalitätsfrage. Für Leute, die sich so verhal en, haben sie nur Verachtung übrig. Deshalb werden sie ie Menschenrechte auf diese Art und Weise nicht besser espektieren. Nächster Punkt zum Thema Ratspräsidentschaft. Es ibt natürlich immer noch die Malaise, dass Sie bei Ihem Programm damals das Menschenrechtskapitel veressen haben. Insofern war es vielleicht auch nicht ganz ufällig, dass dieses „Ruhmesblatt“, was ich gerade ziiert habe, auf Ihr Konto geht. Der Bericht, den die EU vorgelegt hat, ist durchaus esser, als manche Reden es glauben machen. Frau Kolegin Steinbach, die Fundstelle zu der von Ihnen verissten Passage zum Europäischen Gerichtshof für enschenrechte ist die Mitte der Seite 131 des Jahresbe ichts. Sie ist nicht versteckt, sondern sie steht im Fließtext nter „Europarat“, wo sie auch hingehört. – Dort wird zu echt ein wichtiges Kapitel angesprochen, das wir mit er Russischen Föderation besprechen müssen – auch ach den Präsidentenwahlen wieder. Das 14. Zusatzprookoll muss endlich unterzeichnet werden, weil das der ntscheidende Grund dafür ist, weshalb der Europäische erichtshof für Menschenrechte in nutzloser Arbeit er äuft und die Menschen kein schnelles Urteil erhalten, ondern ewig darauf warten müssen, was den Russen anz recht ist. Dem müssen wir natürlich entgegenwiren. Die FDP hat in diesem Haus wieder mit dem Ausspieen der EU-Grundrechteagentur gegen den Europäischen erichtshof für Menschenrechte begonnen. In der Tat: inerseits müssen wir die Verfahren des Europäischen erichtshof für Menschenrechte durch das Zusatzprotooll schneller und effizienter machen, und andererseits üssen wir etwas mehr Geld investieren und zusätzliche ichterstellen schaffen, damit dort besser gearbeitet weren kann, weil der Mangel von der Türkei und von Russand besonders ausgenutzt wird. (Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Genau das haben wir gesagt!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Erika Steinbach [CDU/CSU]: Gut versteckt!)


Der EU-Grundrechteagentur wurde aber eine ganz
ndere Aufgabenstellung hinsichtlich der Länder der Eu-
opäischen Union erteilt. Eine Einzelfallbeschwerde
etzt immer voraus, dass man den nationalen Rechtsweg
om Amtsgericht bis zum Bundesverfassungsgericht
urchlaufen und danach den Europäischen Gerichtshof
ür Menschenrechte angerufen hat. Jede nationale recht-






(A) )



(B) )


Volker Beck (Köln)

liche Remedur muss ausgeschöpft sein. Von der EU-
Grundrechteagentur müssen Missstände auch dann ange-
packt werden, wenn sie allgemeiner sozialer Natur sind
und wenn sich die Menschen vielleicht gar nicht auf den
Rechtsweg begeben. Als Beispiele nenne ich die skanda-
löse Situation der Roma in Europa, die auch in dem Be-
richt angesprochen wird, und die Homophobie in Europa
und besonders in Polen. Das zweite Thema wird die EU-
Grundrechteagentur in diesem Jahr zuerst anpacken.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614215100

Herr Kollege Beck, Ihre Redezeit ist überschritten.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1614215200

Bei bestimmten Problemfeldern hinsichtlich der Men-

schenrechte kann man die soziale Situation aufgreifen
und für die europäische Politik entsprechende Maßnah-
menkataloge jenseits des Rechtlichen entwickeln und
vorschlagen.

Deshalb hat in diesem Bereich alles seine Funktion,
wodurch die Menschenrechte, wenn es sinnvoll gemacht
wird, in Europa weiter vorangebracht werden.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614215300

Ich gebe der Kollegin Dr. Herta Däubler-Gmelin das

Wort.


Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Rede ID: ID1614215400

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Der neunte Menschenrechtsbericht aus dem
Jahr 2007 zeigt in der Tat, dass wir in Europa in der
Menschenrechtspolitik gute Schritte vorankommen. Hier
kann man die deutsche Präsidentschaft wirklich loben:
Sie hat sehr erfolgreich Schwerpunkte gesetzt. Neben al-
lem, was schon gesagt wurde, zeigt er auch, dass wir auf
einem guten Wege hin zu einer gemeinsamen Menschen-
rechtspolitik sind, die auf einheitlichen inhaltlichen
Grundlagen beruht. Auf dem Weg dorthin heißt aber,
dass es noch vieles zu tun gibt. Bevor ich mich dem zu-
wenden werde, will ich nochmals darstellen, warum wir
die Gemeinsamkeit dieser einheitlichen Grundlagen in
der Menschenrechtspolitik als so wichtig ansehen.

Menschenrechte sind nach unserer Auffassung kein
Beruhigungsmittel für ethisch Hochstehende oder für
Sonntagsprediger, sondern die essenziellen, unverzicht-
baren Pfeiler für jede friedliche und zukunftsfähige
menschliche Ordnung. Dies gilt für uns selber in unse-
rem Lande, aber natürlich auch für die Europäische
Union, die sich mit Nachdruck und in erheblichem
Tempo aus dem Bereich der Wirtschaft in den Bereich
der Politik fortentwickelt. Dies bedeutet aber, wenn man
es ganz pragmatisch anspricht, dass Menschenrechtsfra-
gen eben keine in einer besonderen Schublade aufzube-
wahrenden Fragen sind, sondern dass sie als Quer-
schnittsfragen in jeden Sachbereich der Politik
nachprüfbar Eingang finden müssen. Auch dies gilt für

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(C (D ie Bundesrepublik Deutschland ebenso wie für die Euopäische Union. Was gut war an der EU-Menschenrechtspolitik, ist um Teil schon angesprochen worden. Eine gemeinsame nd einheitliche Menschenrechtshaltung hat es im Menchenrechtsrat der Vereinten Nationen in dem ersten kriischen Jahr gegeben, als es darum ging, die neuen Intrumente sowie das, was man aus dem alten Bestand och an Zusätzlichem präzisierend übernimmt, für die ukunft fortzuentwickeln. Gut war auch die Initiative um Moratorium bei der Todesstrafe. Wir können in Euopa und gerade auch in dem Bereich, den Frau teinbach angesprochen hat, dem Europa des Europaates, gute Erfahrungen vorweisen, weil wir sehen, dass ie Veränderungen hinsichtlich der Todesstrafe in den euen Mitgliedstaaten des Europarats und zum Teil auch er Europäischen Union eben nicht zu den befürchteten erwerfungen oder gar zu einer Zunahme von Schwerstriminalität geführt haben. Aber es gibt natürlich auch etliche Punkte, bei denen ir noch mehr Gemeinsamkeit und mehr inhaltliche bereinstimmung brauchen und sich diese in der Praxis ewähren müssen. Das ist zum einen die mehrfach angeprochene Zusammenarbeit zwischen Europäischer nion und Europarat. Dies betrifft die Menschenrechts gentur, weil wir Doppelarbeit nicht wollen; darüber haen wir hier schon ausführlich geredet. Dies betrifft im ereich des Europarats aber auch den Europäischen Ge ichtshof für Menschenrechte. Hier ist es mir außerrdentlich wichtig, dass die Europäische Union, die für iesen Gerichtshof ja nicht zuständig ist, wenigstens bei hren Mitgliedstaaten dafür sorgt, dass sie ein zuverläsiges Menschenrechtsschutzsystem auf nationaler Ebene aben. Dies würde nämlich dazu führen, dass die hemungslose Überlastung des Europäischen Gerichtshofs ür Menschenrechte wenigstens zum Teil vermieden ird. Das betrifft nicht nur die Russen, sondern eben uch – lassen Sie es mich einfach sagen – unsere italieischen Freunde. Hinsichtlich des Internationalen Strafgerichtshofs haen wir auch noch einen Nachholbedarf, und zwar nicht ur bei den neuen Mitgliedstaaten des Europarates. uch die Tschechische Republik ist noch nicht Mitglied es Internationalen Strafgerichtshofs. Hier müssen wir m Zuge der Gemeinsamkeit und der einheitlichen Menchenrechtsgrundlage dafür sorgen, dass die Verfolgung chlimmster Menschheitsverbrechen durch den Internaionalen Strafgerichtshof wenigstens als gemeinsames thisches und juristisches Minimum für alle Staaten der uropäischen Union gilt. Gut ist es auch, dass die Europäische Union im Beeich der europäischen Nachbarschaftspolitik den Menchenrechten einen größeren Raum einräumen wird. So teht es in dem Bericht. Dass dies in der Praxis ganz chwer durchzuhalten sein wird, wird uns allen sehr eutlich, wenn wir an den Nahen Osten mit seinen unndlich schwierigen Konflikten zwischen Israel und Paästina denken. Wir werden, wie gesagt, im Bereich der Dr. Herta Däubler-Gmelin Nachbarschaftspolitik darauf achten müssen, dass Menschenrechte nicht nur auf dem Papier bestehen. Wichtig ist, dass es im Zusammenhang mit der UN mit Gemeinsamkeit und Klarheit weitergeht. Ich verweise dabei auf das Zusatzprotokoll zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, bei dem es um die Individualbeschwerde geht, die für die Verankerung des Bewusstseins für Menschenrechte bei den Bürgerinnen und Bürgern in dieser Rechtsund Kulturgemeinschaft sehr wichtig ist. Wichtig ist, dass diese Initiative, die auch von deutscher Seite einheitlich und stark unterstützt wird, auf einer gesamteuropäischen Grundlage stärker vorangetrieben werden kann. Lassen Sie mich noch auf die gemeinsame Flüchtlingspolitik eingehen, die auch eine Rolle gespielt hat. Es ist ein Skandal, was sich derzeit bei unseren Freunden in Griechenland abspielt. Das hat zwei Aspekte, und zwar einen europäischen, dem in einer besseren Zusammenarbeit Rechnung getragen werden muss, und einen nationalen, nämlich dass man Flüchtlinge nicht mehr dorthin schicken kann, solange sich die Verhältnisse nicht verbessern. Da wir gut daran tun, nicht nur die Balken im Auge der anderen zu sehen, sondern auch bei uns selber weise ich darauf hin, dass auch bei uns im Rahmen der europäischen Flüchtlingspolitik Verbesserungen zum Beispiel im Umgang mit Flüchtlingen, die Opfer von Folter und traumatisiert sind, notwendig sind. Was den Schutz der Menschenrechte bei der Bekämpfung des Terrorismus angeht – er ist schon angesprochen worden –, können wir eine Menge tun. Dabei geht es um konkrete Maßnahmen, die nicht nur die CIA-Flüge betreffen, sondern zum Beispiel auch die Möglichkeit, sich auf europäischer Ebene gegen die unberechtigte Aufnahme in sogenannte Terrorlisten zu wehren. Damit will ich die Aufzählung von Beispielen beenden. Ich könnte sie zwar fortsetzen, aber ich bin sicher, dass das segensreiche Instrument des Berichts zur Menschenrechtslage dafür sorgen wird, dass wir auch im nächsten Jahr eine Menge zu tun haben werden. Im Bereich der Menschenrechtspolitik der EU gibt es noch viel zu tun. Herzlichen Dank. Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Holger Haibach, CDU/CSU-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt keinen Kontinent und kein Land auf dieser Welt, wo es keine Menschenrechtsverletzungen gibt. Das gilt auch für die Europäische Union, die Vereinigten Staaten von Amerika und für jedes andere Land. b W f i s D m K n n f o u e d d d w s r t A U D d n S z d s U u t R r d c g S g U s s h F r r d g i S (C (D Derjenige aber, der wie der Kollege Leutert in der Deatte so undifferenziert angreift, tut, glaube ich, der ahrung der Menschenrechte genauso wenig einen Ge allen wie diejenigen, die Menschenrechtsverletzungen nnerhalb der Grenzen der Europäischen Union verchweigen. Ich finde, Sie sind unredlich, wenn Sie die inge so angehen. Ich finde es auch nicht richtig, dass Sie eine renomierte Organisation wie Amnesty International zum ronzeugen Ihrer Aussagen machen. Es gibt nämlich eien Unterschied: Die Berichte von Amnesty Internatioal sind sehr differenziert und gehen in genauen Abstuungen darauf ein, ob zum Beispiel Folter systematisch der – was auch schlimm ist – gelegentlich vorkommt nd ob sie staatlicherseits angeordnet wird oder durch inzelne Dienststellen erfolgt. Der Unterschied zwischen er Europäischen Union und anderen Ländern ist nicht er, dass es das bei uns nicht gibt. Der Unterschied ist, ass es bei uns nicht staatlich angeordnet wird und dass ir Rechtswege haben, über die sich Menschen be chweren können. Das gilt für Deutschland, für die Euopäische Union und – auch wenn Sie es nur schwer erragen können – auch für die Vereinigten Staaten von merika; dort in besonderem Maße. (Michael Leutert [DIE LINKE]: Der Präsident hat gerade wieder sein Veto eingelegt!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der SPD)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614215500

(Beifall bei der CDU/CSU)

Holger Haibach (CDU):
Rede ID: ID1614215600

In vielen Ländern – nicht nur in der Europäischen
nion, sondern auch in den USA – ist derzeit eine vitale
ebatte im Gange über die Frage, was im Kampf gegen
en Terrorismus erlaubt ist und was nicht. Der amerika-
ische Präsident hat sein Veto gegen den Beschluss des
enates eingelegt, das Waterboarding bei CIA-Einsätzen
u verbieten. Aber dass diese Diskussion stattfindet und
ass es einen obersten Gerichtshof gibt, bei dem Men-
chen Beschwerde einlegen können, unterscheidet die
SA und die Europäische Union von Ländern wie China
nd zum Teil auch von Ländern wie Russland, Usbekis-
an und viele andere, die in dieser Debatte schon eine
olle gespielt haben. Ich bleibe dabei: Ich finde es un-

edlich, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Damit wird
en Menschenrechten kein großer Gefallen getan.


(Beifall des Abg. Christoph Strässer [SPD])


Des Weiteren möchte ich die Fokussierung anspre-
hen. Der Kollege Beck, der leider nicht mehr da ist, hat
esagt, es würden immer nur die USA genannt. Erika
teinbach hat die Türkei angesprochen. Die Türkei will
enauso wie andere Staaten Mitglied der Europäischen
nion werden. Ein Mitglied der Europäischen Union hat

ich aber gewissen Regeln zu unterwerfen und zum Bei-
piel die Kopenhagener Kriterien zu erfüllen. Dazu ge-
ört die Einhaltung der Menschenrechte. Wenn in einem
ortschrittsbericht festgestellt wird, dass die Menschen-
echte nicht eingehalten werden, dass es in manchen Be-
eichen sogar Rückschritte bei der Umsetzung gibt, dann
arf man das in dieser Debatte in aller Deutlichkeit sa-
en. Das heißt nicht, dass es in anderen Ländern besser
st. Aber es ist jedenfalls ein Fakt, den wir an dieser
telle festhalten dürfen und festhalten müssen.






(A) )



(B) )


Holger Haibach
Wenn sich die oberste Organisation der Aleviten in
Deutschland zur Sache meldet und sagt, Herr Erdogan
übersehe bei seiner Kritik an der Situation in Deutsch-
land, dass in der Türkei im Zusammenhang mit den Ale-
viten sehr viel Schlimmeres passiere, dann ist das keine
Kritik der CDU/CSU-Fraktion, sondern die Kritik einer
betroffenen Religionsgruppe, die deutlich macht, dass
zwar Menschenrechte nicht gegeneinander abgewogen
werden können, dass wir aber darüber reden müssen, wie
es religiösen Minderheiten zum Beispiel in der Türkei
geht. Auch das muss in dieser Debatte deutlich gemacht
werden.


(Beifall der Abg. Erika Steinbach [CDU/ CSU])


Ich möchte auf den EU-Jahresbericht 2007 zur Men-
schenrechtslage zurückkommen. Ich finde es sehr gut,
dass der Kollege Beck ihn offensichtlich von vorne bis
hinten durchgelesen und tatsächlich die Stelle gefunden
hat, an der der Europäische Gerichtshof für Menschen-
rechte erwähnt wird. Ich finde es ebenfalls bemerkens-
wert, dass der Europarat als nach meiner Meinung wich-
tigstes Korrespondenzgremium der Europäischen Union
auf einer halben bis dreiviertel Seite abgehandelt wird.
Das zeigt, welche Bedeutung die Europäische Union
dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und
dem Europarat beimisst und welcher Wille zur Zusam-
menarbeit an der einen oder anderen Stelle herrscht.

Wir alle haben uns darüber gesorgt, dass die Einrich-
tung einer Europäischen Grundrechteagentur vor allem
in der Zusammenarbeit mit dem Europäischen Gerichts-
hof zu Problemen führt. Aber, Herr Kollege Müller-
Sönksen, wir sollten unsere eigenen Erfolge nicht
schlechtreden. Es ist das Verdienst dieser Bundesregie-
rung, dass das Mandat dieser Agentur und ihre perso-
nelle Ausstattung deutlich eingeschränkt wurden und
dass deutlich gemacht wurde, dass es eine klare Struktu-
rierung der Zusammenarbeit zwischen Europäischem
Gerichtshof auf der einen Seite und Agentur auf der an-
deren Seite geben muss. Die Tatsache, dass der Europa-
rat inzwischen durch Berater gewissen Einfluss darauf
nehmen kann, was in der Agentur geschieht, stellt einen
Fortschritt dar. Sicherlich haben wir uns noch etwas an-
deres gewünscht. Aber wir sollten unseren eigenen Er-
folg – das ist ein Erfolg des Bundestages; wir haben das
auf die Tagesordnung gesetzt – nicht schlechtreden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Herr Kollege Beck hat gesagt, es sei ein Problem, dass
immer erst der nationale Rechtsweg ausgeschöpft werden
müsse, bis der Europäische Gerichtshof für Menschen-
rechte angerufen werden könne. Ich finde, das hat seinen
guten Grund. Viele der 80 000 bis 100 000 unbearbeiteten
Fälle, die in Straßburg liegen, sind von vornherein nicht
zulassungsfähig, weil sie unbegründet sind oder weil sie
nicht dorthin gehören. Das hat etwas damit zu tun, dass
es Länder gibt, in denen der nationale Rechtsweg nicht
funktioniert; das wissen wir. Bestimmte Mitgliedstaaten
des Europarates haben den nationalen Rechtsweg so or-
ganisiert, dass er offensichtlich nicht funktioniert und

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(C (D ass die Justiz nicht unabhängig, frei und fair handeln nd urteilen kann. Das müssen wir benennen. Aber zurst muss immer der nationale Rechtsweg eingeschlagen erden; das ist das Primat. Sonst überfordern wir den uropäischen Gerichtshof. Wir haben uns auf unseren orschlag im Rechtsausschuss des Europarates darauf eeinigt, dass es für die Länder, in denen der Rechtsweg icht funktioniert, bestimmte Klauseln geben soll. Aber as muss die Ausnahme und darf nicht die Regel sein. Insgesamt hat die Bundesregierung während ihrer albjährigen Präsidentschaft unter schwierigen Bedinungen hervorragende Arbeit geleistet. Es gibt vieles, as wir verbessern müssen, es gibt vieles, woran wir areiten müssen. Aber das ist anderen Präsidentschaften orbehalten. Ich bin der Überzeugung, dass die Bundesegierung und auch dieser Deutsche Bundestag ihren eitrag dazu leisten werden. Herzlichen Dank. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Auschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe auf rucksache 16/8031 zu der Unterrichtung durch die undesregierung über den EU-Jahresbericht 2007 zur enschenrechtslage. Der Ausschuss empfiehlt, in Kennt is der Unterrichtung eine Entschließung anzunehmen. er stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer timmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempehlung ist mit den Stimmen der SPD und der CDU/CSU ei Gegenstimmen der FDP und der Fraktion Die Linke nd bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ngenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 7 a und 7 b auf: a)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614215700
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ent-
schuldung mittelloser Personen, zur Stärkung
der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der
Insolvenzfestigkeit von Lizenzen

– Drucksache 16/7416 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Gesundheit

b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung und
Vereinfachung der Aufsicht in Insolvenzver-
fahren (GAVI)


– Drucksache 16/7251 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
öre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Bundes-
ministerin der Justiz, Brigitte Zypries.


Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1614215800

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wenn eine Rechts-
materie wenige Jahre nach ihrer Verabschiedung schon
wieder auf der Tagesordnung steht, dann kann das ver-
schiedene Ursachen haben. Beim Insolvenzrecht ist die
Ursache der Zuspruch, den das geltende Recht erfahren
hat. Die Länder sehen sich in einer Weise belastet, dass
sie uns aufgefordert haben, das Verfahren zu überdenken
und Vorschläge zu machen, wie man vor allen Dingen
die Durchführung des Verfahrens für die Länder kosten-
günstiger gestalten kann. Das war der Anlass dafür, dass
wir darüber zunächst in einer Arbeitsgruppe des Bundes
und der Länder nachgedacht haben. Dann aber haben wir
einen eigenen Vorschlag gemacht, um den Gedanken des
Sozialstaats noch mehr zu betonen.

Viele Menschen nutzen die Verbraucherinsolvenz in
diesem Lande, und auch die Restschuldbefreiung wird in
einem hohen Maße nachgefragt. Wir würden uns wün-
schen, es wären weniger Menschen, die dieses Angebot
nachfragen. Im vergangenen Jahr waren es rund 105 000.
Nun kann man sagen, dass es schlecht ist, dass es so
viele sind. Die gute Nachricht aber ist, dass unser
Rechtssystem überhaupt verschuldeten Individualperso-
nen eine Möglichkeit gibt, sich wieder zu entschulden.
Ich glaube, dass das eine wirklich gute Möglichkeit für
jeden ist, noch einmal von vorne anzufangen und den
Neustart zu wagen.

Die Praxis zeigt nun allerdings, dass das bisherige
Verfahren, das generell bei allen gilt, egal ob sie Geld in
der Zukunft zu erwarten haben oder nicht, doch sehr ver-
waltungsaufwendig ist, insbesondere wenn ein Schuld-
ner mittellos ist und man weiß, dass es aller Voraussicht
nach keine signifikanten Einnahmen in den nächsten
Jahren geben wird. Dann macht die Eröffnung eines In-
solvenzverfahrens in der jetzigen Struktur – das muss
man dazu sagen – keinen Sinn. Es ist nämlich jetzt so,
dass es öffentliche Bekanntmachungen gibt, dass es Zu-
stellungen gibt, dass Termine einzuhalten sind, dass Ter-
mine nachgehalten werden müssen, dass der Treuhänder
bestellt wird und dass man regelmäßig nachforschen
muss, ob Geld eingegangen ist oder nicht. All das verur-
sacht Kosten, die man sparen kann, weil, wie gesagt, oh-
nehin nicht davon ausgegangen werden kann, dass Geld
in signifikanter Höhe eingehen wird. Das heißt also, die
Justiz könnte das Geld, das sie im Moment ausgibt, um
das Verfahren zu kontrollieren und zu gestalten, sehr viel
sinnvoller verwenden, zum Beispiel indem sie mit den
Sozialministerien der Länder gemeinsam die Schuldner-
beratungsstellen besser ausstattet und finanziert,


(Beifall bei der SPD)


um Prävention zu ermöglichen; denn es ist so wie in an-
deren Verfahren auch: Prävention ist immer besser, als
hinterher die Folgen bereinigen zu müssen.

Wir schlagen mit unserer Reform vor, dass wir künf-
tig auf ein Insolvenzverfahren verzichten, wenn die

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(C (D asse nicht einmal ausreicht, um die Kosten dieses Inolvenzverfahrens zu decken. In solchen Fällen soll es ünftig aus dem Stadium des Eröffnungsverfahrens diekt in das Restschuldbefreiungsverfahren gehen. Wir ollen in diesen Fällen einen vorläufigen Treuhänder insetzen. Ob das in jedem Fall zwingend erfolgen muss der ob andere Varianten sinnvoller sind, werden wir im aufe des Verfahrens zu diskutieren haben. (Beifall der Abg. Dirk Manzewski [SPD] und Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Auf alle Fälle, Herr Manzewski, kann ein vorläufiger
reuhänder den Schuldner unterstützen. Das dient natür-

ich auch dem Interesse der Gläubiger. Denn die Gläubi-
er wollen ja Gewissheit über die wirtschaftliche Situa-
ion des Schuldners haben. Dabei kann ein vorläufiger
reuhänder sehr hilfreich sein.

Der Stärkung der Gläubigerposition dient auch der
weite Schwerpunkt dieses Gesetzentwurfs. Ich will
anz offen sagen, dass wir die öffentlich-rechtlichen
läubiger im Blick haben, also die Sozialversicherungs-

räger und die Finanzämter. Sie treffen heute bisweilen
ohe Forderungsausfälle, unter denen letztlich alle Steu-
rzahler und Versicherten zu leiden haben. Allerdings
darauf lege ich aus gegebenem Anlass Wert – sieht

ieser Gesetzentwurf keine Sonderregelung für eine be-
timmte Gläubigergruppe vor; denn die neuen Vorschrif-
en sollen allen Gläubigern zugute kommen. Wir beach-
en also hierbei den Grundsatz der Gleichbehandlung
anz genau. Die Position der Gläubiger im Verfahren
ird verbessert. Ich denke, damit ist dann auch die alte
nd leidige Debatte um eine Einschränkung der Insol-
enzanfechtung erledigt.

Der dritte Regelungsgegenstand, den wir vorsehen, ist
ie Insolvenzfestigkeit von Lizenzen. Nach der Insol-
enzordnung ist das bislang nicht geregelt. Das kann für
enjenigen, der eine Lizenz hat, schwerwiegende Folgen
aben. Stellen Sie sich vor, ein Unternehmen erwirbt
ine Patentlizenz und entwickelt auf Grundlage dieser
izenz mit einem großen finanziellen Aufwand erfolg-

eiche Produkte. Dann wird aber der Lizenzgeber insol-
ent, und der Verwalter kündigt den Lizenzvertrag. Nun
assiert das Gleiche wie bei einem Bauklötzchenturm:
enn auf einmal unten ein Stein herausgezogen wird,

richt der ganze Turm zusammen. Das ist eine schwie-
ige Situation. Deswegen wollen wir die Insolvenzfestig-
eit von Lizenzen einführen, eine Regelung, die es in
en Vereinigten Staaten und Japan längst gibt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)


ch meine, auch mit Blick auf die globale Wettbewerbs-
ähigkeit der deutschen Wirtschaft sollte das ein Ge-
ichtspunkt sein.

Der Vorschlag, den wir vorgelegt haben, ist ein ver-
ünftiger Kompromiss zwischen den verschiedenen In-
eressen. Ich weiß natürlich, dass keineswegs alle der
uffassung sind, dass man eine solche Regelung aufneh-
en sollte.

Meine Damen und Herren, wir werden in den Bera-
ungen, die dem Hause bevorstehen, auch den Gesetzent-






(A) )



(B) )


Bundesministerin Brigitte Zypries
wurf des Bundesrates anschauen, der in diesem Zusam-
menhang vorgelegt wurde. Auch er enthält manches
Bedenkenswerte. Ich denke beispielsweise an die Idee
eines vorläufigen Gläubigerausschusses. Mit diesem
vorläufigen Gläubigerausschuss hängt auch die Frage
zusammen, wie viel Einfluss die Gläubiger auf die Aus-
wahl des Insolvenzverwalters bekommen sollen. Eine
falsche Personalauswahl kann erhebliche Folgen haben.
Deswegen ist die Überlegung richtig, den Gläubigern
dabei mehr Kompetenzen und Mitsprache einzuräumen
als bisher.

Das ist allerdings erst der Anfang einer größeren De-
batte. Ich meine, dass wir diese Debatte im Sinne einer
vernünftigen Weiterentwicklung des Insolvenzrechtes
führen sollten. Das ist ein Rechtsgebiet, auf dem wir im-
mer einmal wieder Veränderungen vornehmen müssen.
Ich danke Ihnen bereits im Vorgriff auf die Debatte; denn
die Beratungen zu diesem Gesetzentwurf werden sicher-
lich wieder mit der hinreichenden Sachkunde des Hau-
ses, aber auch unter Beiziehung auswärtiger Sachver-
ständiger geführt werden können.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614215900

Ich erteile der Kollegin Sabine Leutheusser-

Schnarrenberger von der FDP-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der FDP)



Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Rede ID: ID1614216000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Wenn wir heute erneut in kurzer
Folge über das Insolvenzrecht beraten, dann hat das zum
einen die von Ihnen, Frau Ministerin, dargelegten
Gründe. Es ist notwendig, sich mit der Ausgestaltung ge-
wisser Verfahren zu befassen. Aber zu Beginn dieser De-
batte muss einfach noch einmal ein Hinweis auf einen
Vorgang im Deutschen Bundestag im November letzten
Jahres gegeben werden.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wie wir alle uns erinnern, fand da die zweite und dritte
Beratung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Vierten
Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze statt. Der
Rechtsausschuss war nicht beteiligt.


(Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Wohlweislich!)


Es wurde genau diejenige Regelung beschlossen, die im
Rechtsausschuss alle Fraktionen einvernehmlich abge-
lehnt hatten. Das war ein Vorgehen im Parlament, das
gerade uns als Rechtspolitiker nicht so gefreut hat. Mit
dem vorgelegten Gesetzentwurf und den anstehenden
Beratungen besteht jetzt die Gelegenheit, noch einmal zu
überlegen, inwieweit wir zu Korrekturen kommen kön-
nen, natürlich immer unter Beteiligung aller, die da
gerne mitreden möchten. Das, was hier im November
geschehen ist, war kein gelungener Vorgang.

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(C (D Jetzt, da wir uns mit dieser Vorlage und mit insolvenzechtlichen Themen befassen, haben wir es mit einem erreulicheren Vorgang zu tun. Ich darf für die FDP-Frakion sagen, dass wir in dem vorliegenden Gesetzentwurf om Grundsatz her viele positive Ansätze sehen. Das beinnt mit dem Entschuldungsverfahren. Vielleicht ist es hnen auch so ergangen, dass Sie – nach dem, was man uch aus den Ländern gehört hatte – Befürchtungen haten, dass möglicherweise fiskalpolitische Interessen und berlegungen der Länder, die selbstverständlich berech igt sind, hier überwiegen und dass damit rechtsstaatlihe Standards Schwierigkeiten haben, sich zu behaupen. Jetzt liegt ein Entwurf vor, der eine systemimmanente nsolvenzrechtliche Entschuldungslösung klar erkennen ässt. Wir begrüßen nach diesen Debatten die Richtung, ie eingeschlagen wird. Frau Ministerin, Sie haben zu echt gesagt: In den Beratungen im Bundestag wird sich eigen, ob das, was jetzt vorliegt, auch so beschlossen ird. Denn die aus dem Hut gezauberte Figur des vor äufigen Treuhänders bedarf mit Sicherheit noch einmal er genauen Betrachtung. Diese Figur ist ja ein Superensch. Was er alles machen soll: nicht nur Formulare usfüllen, sondern auch Anfechtungstatbestände prüfen, armittelsichtungen durchführen, Kosten prüfen, Be ichte erstatten usw., und das für eine Grundvergütung on 250 Euro. Ob das alles der bisherigen Rechtsprehung entspricht und ob es Bestand haben wird, müssen ir – zumindest was die Vergütungsregelung für Treuänder angeht – mit Sicherheit prüfen. Dazu gibt es chon eine Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Es ist auch zu hinterfragen, ob ein obligatorischer orläufiger Treuhänder auch der endgültig bestellte reuhänder sein soll. Wir sollten in Ruhe auch noch einal der Frage nachgehen, ob das mit der Unabhängig eit des Verwalters in Einklang zu bringen ist. Eine Kostenbeteiligung des Schuldners in maßvollem mfang halten wir sehr wohl für angebracht. Denn wir ind schon der Meinung, dass man dem Schuldner vor ugen führen soll, dass er das Ergebnis einer Entschulung – das ist schon eine Rechtswohltat, die wir auch ollen – nicht zum Nulltarif bekommt. Allerdings er cheint es uns sinnvoll, zu prüfen, ob man die Kosteneteiligung an der Pfändungsfreigrenze oder an der iedrigeren Grenze der Beratungsbzw. Prozesskostenilfeberechtigung festmacht. Auch das ist ein Gegentand für die Sachverständigenanhörung im Rechtsauschuss zu einigen Punkten, die wir alle, wie ich glaube, eantragen und durchführen wollen. Der zweite Schwerpunkt des Gesetzentwurfs betrifft ie Stärkung der Gläubigerrechte; Frau Ministerin, Sie aben das angeführt. Jetzt möchte ich einen Bogen zu em schlagen, was ich ganz zu Anfang bemerkt habe. ier geht es natürlich wieder um Finanzverwaltung und ozialkassen. Ich kann mich gut an die Debatten erinern, die wir geführt haben, als uns schon einmal ein ntsprechender Entwurf vorlag. Es ging darum, wie es it diesen so erheblichen Verlusten tatsächlich ist, die da rlitten werden. Wir hatten im Rechtsausschuss zu Recht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger eine etwas vorsichtigere Bewertung und Betrachtungsweise, als andere sie bei diesem Punkt an den Tag legen. Das, was jetzt vorliegt, wird doch eher als bei früheren Versuchen dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung gerecht. Wir müssen jetzt aber sehr wohl sehen, wie das zu dem passt, was im Vierten Buch Sozialgesetzbuch beschlossen worden ist und wie weit wir hier möglicherweise zu Korrekturen kommen können. Kurz noch zum dritten Regelungskomplex, der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen. Das ist eine notwendige Regelung. Insofern teilen wir die Einschätzung, die mit der Vorlage dieses Entwurfs zum Ausdruck kommt. So wie die Regelung jetzt angelegt ist, kann sie grundsätzlich geeignet sein, denke ich, einen angemessenen Ausgleich der Interessen aller Beteiligten herbeizuführen. Ob man sie noch praxisgerechter formulieren kann – wir alle haben schon entsprechende Vorschläge vonseiten derer bekommen, die damit umzugehen haben –, werden wir mit Sicherheit noch in Ruhe zu beraten haben. Zu der Überlegung: „Soll man das alles im materiellen Recht verankern?“ muss ich sagen: Das wäre natürlich der ganz große Wurf. Aber mit den Regelungen, gerade auch des neuen § 108 a Insolvenzordnung, ist hier der richtige Ansatz gewählt worden. Ein letztes Wort zur Bundesratsinitiative, die mit zur Beratung ansteht: Dass der Grundansatz nachvollziehbar ist, sage ich hier deutlich. Auf keinen Fall dürfen wir aber in die Richtung gehen – wir haben uns ja gerade mit dem Normenkontrollrat befasst –, durch Klein-Klein neue bürokratische Hemmnisse aufzubauen. Eine Pflichtversicherung muss nicht immer der richtige Schritt sein. Was das für die Versicherungswirtschaft und überhaupt an Kostenbelastung bedeutet, bedarf bestimmt noch einer intensiven Prüfung. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


(Joachim Stünker [SPD]: Sehr gut!)





(A) )


(B) )



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614216100

Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Günter Krings,

CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1614216200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren Kollegen! Gestatten Sie mir, mit einem negativen
Faktum anzufangen. Wir haben – nach einer Studie des
Unternehmens Creditreform – im letzten Jahr einen trau-
rigen Rekord verzeichnen müssen, nämlich den Rekord
von 109 000 Verbraucherinsolvenzen. Die Schallmauer
von 100 000 wurde zum ersten Mal durchbrochen – trotz
guter Konjunkturdaten in unserem Land. Obwohl die
Zahl der Unternehmensinsolvenzen im gleichen Zeit-
raum um etwa 10 Prozent zurückgegangen ist, war bei
den Verbraucherinsolvenzen ein Anstieg um 18 Prozent
zu verzeichnen. Wir erleben in diesen Monaten also:
Verbraucherinsolvenzen sind zunehmend ein Massen-
phänomen.

Die Einführung des Instruments der Verbraucherin-
solvenz war seinerzeit richtig. Bevor es dieses Instru-

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(C (D ent gab, traf Überschuldung den Privatmann mitunter ärter als eine Freiheitsstrafe. Während ein Straftäter ach Verbüßung einer Strafhaft von vorn beginnen kann, ar mancher Privatschuldner de facto lebenslang in eine Schulden verstrickt. An sich ist es eine gute Nachicht, wenn ein neues Rechtsinstitut in so hohem Maße ngenommen wird. Von einem Erfolg oder einem Erolgsmodell will ich allerdings insofern nicht sprechen, ls sich hinter jeder einzelnen Verbraucherinsolvenz eine otsituation, ein Schicksal verbirgt. Hier meint ein Priatmann oder eine Privatfrau: Es gibt keinen anderen usweg mehr; ich muss in die Verbraucherinsolvenz geen. Diese Verfahren waren in den 90er-Jahren eigentlich ür Privatschuldner entwickelt worden, bei denen – daon ging man aus – noch etwas zu holen ist und verteilt erden kann. Es hat sich inzwischen herausgestellt, dass as in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht zutrifft. ie Hauptschuldnergruppe ist die der sogenannten völlig ittellosen Schuldner. Das sind immerhin gut 80 Pro ent. Dabei sind die durchschnittlichen Verfahrenskosten das wurde eben schon dargestellt – immens. Sie liegen ei etwa 2 300 Euro – und das für ein Verfahren, bei dem m Ende doch so gut wie keine Tilgung oder gar keine ilgung von Schulden steht. Diese Geldverschwendung ollen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf unterinden. In dem Gesetzentwurf der Bundesregierung wird desalb ein vereinfachtes Entschuldungsverfahren für die ittellosen Schuldner vorgeschlagen; das geltende Ver ahren nach der Insolvenzordnung wird fortentwickelt, infacher und billiger gemacht. So weit, so gut der Anatz der Bundesregierung, dem wir ausdrücklich beiflichten. Bei einigen konkreten Vorschlägen – das ist siherlich nicht überraschend – müssen wir aber darauf chten, dass wir nicht alte Probleme dadurch lösen, dass ir neue Schwierigkeiten schaffen. Ich will drei Beispiele für diesen Bereich der Verbrauherinsolvenz nennen: Erstens. Problematisch ist insbesondere – das hat die ollegin Leutheusser-Schnarrenberger schon angespro hen – das Instrument des vorläufigen Treuhänders, ein anz neues Element im Entschuldungsverfahren. Die Fiur des Treuhänders ist deswegen problematisch, weil icht ganz klar ist, welche Aufgaben er im Einzelnen abecken soll. Er soll beim Ausfüllen der Formulare helfen das haben Sie angesprochen –; er soll bei der Abgabe iner eidesstattlichen Versicherung helfen und vor allem ber deren Folgen aufklären; er soll prüfen, ob die Verahrenskosten gedeckt werden können; er soll Barmittel, ie vielleicht noch vorhanden sind, sichern. Das ist nur in kleiner Ausschnitt aus seinem Aufgabenbereich. Die iste ließe sich fortsetzen. Brauchen wir also einen vorläufigen Treuhänder mit o einem breiten Aufgabenspektrum? In etwa 80 Prozent er Verfahren brauchen wir ihn garantiert nicht. Dieser ert entspricht in etwa der Zahl der Fälle, wo heute chon bei den Gerichten vollständige Unterlagen eingeen. Das heißt, in diesen Fällen kann der Richter heute chon ohne Hilfe Dritter anhand der Unterlagen ent Dr. Günter Krings scheiden, ob der Schuldner zahlungsunfähig ist und ob er die Verfahrenskosten aufbringen kann. Die Treuhändergebühren würden in vier von fünf Fällen also unnötige Kosten für die Staatskasse verursachen. Auch in den übrigen Fällen gibt es eine Alternative zu dem vorläufigen Treuhänder, nämlich den guten alten Sachverständigen. Ich bin daher froh, dass sich die Bundesregierung hier als lernfähig und offen erwiesen hat und in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates die Pflicht zur Bestellung eines vorläufigen Treuhänders ausdrücklich zur Disposition gestellt hat. Ich glaube, das ist ein guter Ansatz, auf dessen Grundlage wir im Gesetzgebungsverfahren ins Gespräch kommen können. Ich will einen zweiten Punkt nennen: Bereits im Vorfeld dieser Debatte ist viel darüber diskutiert worden, ob auch dem mittellosen Schuldner ein eigener Beitrag abverlangt werden kann, durch den dann zumindest die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens teilweise gedeckt werden können. Ich meine, man kann diesen Beitrag abverlangen, man muss es auch. Sicherlich – das sollte man nicht verniedlichen – wird es manchen Schuldner sehr schmerzen, auch nur kleinste Beiträge beizusteuern. Dennoch sollten wir das Signal geben, dass es keine Entschuldung zum Nulltarif gibt. Dem Schuldner sollte nämlich schon vor Augen gehalten werden, dass für den Ausweg aus seiner Misere, den ihm unsere Rechtsordnung ermöglicht, andere, nämlich die Gläubiger, Verzicht üben müssen. Dritte müssen verzichten, damit er in den Genuss der Befreiung von Schulden kommen kann. Eine bessere Lebensperspektive für den Schuldner wird erkauft durch Verluste bei Dritten. Im Gegenzug muss dann auch der Schuldner, wie ich finde, einen zumutbaren Beitrag leisten. Für die Union gilt: Dies ist eine Frage der Gerechtigkeit im Insolvenzverfahren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)





(A) )


(B) )


(Zuruf von der LINKEN: So ist es!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ein dritter Punkt: die Wohlverhaltensperiode. Im ge-
meinsamen Entwurf der Bund-Länder-Kommission – das
wissen Sie, Frau Ministerin – war von einer Wohlverhal-
tensperiode von acht Jahren bei mittellosen Schuldnern
die Rede. Ich empfinde, ohne mich da festlegen zu wol-
len, sehr viel Sympathie für diesen Vorschlag. Schließ-
lich ist einem Gläubiger nur schwer verständlich zu ma-
chen, dass ein Schuldner nach heutigem Recht immer
die gleichen sechs Jahre auf den Schuldenerlass warten
muss, egal, ob er noch Vermögen hat, das eben verwertet
werden kann, oder ob er völlig mittellos ist und rein gar
nichts von seinen Schulden abtragen kann. Für die Gläu-
biger macht das sehr wohl einen Unterschied. Als
Rechtspolitiker sind wir berufen, auch die Interessen der
Gläubiger zu beachten. Schließlich ist eine solche sche-
matische Gleichbehandlung letztlich Gift für die Zah-

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(C (D ungsmoral und auch für den Gedanken der Eigenverantortung in unserem Lande. Meine sehr verehrten Damen und Herren, war in der rfassung im Titel des vorliegenden Gesetzentwurfs nur och von der „Entschuldung mittelloser Personen“ die ede, ist nun noch zusätzlich das Stichwort „Insolvenz estigkeit von Lizenzen“ hinzugekommen. Endlich finet damit eine alte Unionsforderung Aufnahme in das nsolvenzrecht. ir erinnern uns: Vor etwa anderthalb Jahren, bei der etzten Novellierung des Urheberrechtes, wollten wir das chon einfügen und durchsetzen. Wir hätten die Novelle um damaligen Zeitpunkt sogar fast scheitern lassen zw. aufgehalten. Sie, Frau Ministerin, haben aber daals zugesichert, zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen ntsprechenden Vorschlag vorzulegen. Das haben Sie etan. Dafür bedanke ich mich. Damit ist unsere Fordeung von damals erfüllt worden, und das Ministerium hat nser Vertrauen darauf, dass es bei der nächsten Geleenheit die Insolvenzfestigkeit der Lizenzen vorschlagen ürde, nicht enttäuscht. Herzlichen Dank dafür! Warum ist das so wichtig? Die bisherige Rechtslage st für den Lizenznehmer riskant. Geht der Lizenzgeber n die Insolvenz, so hat nach heutigem Recht der Insolenzverwalter ein uneingeschränktes Wahlrecht; es liegt lso in seiner Hand, ob er den Lizenzvertrag weiterhin rfüllt oder ob er ihn einfach kündigt. Dieses Wahlrecht st auch deshalb hochproblematisch, weil das Interesse es Insolvenzverwalters qua Amt gerade nicht unbedingt uf die Erfüllung des Lizenzvertrages gerichtet ist, sonern auf bestmögliche Verwertung des Schuldnervermöens. Dies kann für den Lizenznehmer fatale Folgen haen. Ich will hier ein praktisches Beispiel nennen. Nehmen ir die Pharmaindustrie. Kaum ein Medikament kann eute noch entwickelt werden, ohne dass für seine Wirktoffe erst einmal Lizenzen eingekauft werden müssen, uf deren Grundlage man dann weiterforschen muss, um in Medikament auf den Markt zu bringen. Der Weg zur arktreife ist ein steiniger. Im Schnitt dauert er zwölf ahre und kostet über 500 Millionen Euro. Stellen wir ns also vor, die Entwicklung ist in vollem Gange, und m zehnten Jahr geht einer der Lizenzgeber – das sind ja n der Regel mehrere – in die Insolvenz, und der Lizenzerwalter kündigt diesen Lizenzvertrag. Aufgrund der chäden, die den Entwicklern zum Beispiel von Medikaenten in gigantischer Höhe drohen können, haben an ere Forschernationen, so die USA und Japan, längst ine Insolvenzfestigkeit der Patentlizenzen eingeführt. eutschland tut gut daran, diesem Beispiel nun zu folen. Diese Vorschrift ist wichtig für den Innovationstandort Deutschland. Gerade deshalb – diese Anmerkung gestatten Sie mir – üssen wir aufpassen, dass wir bei der genauen Ausge taltung in § 108 a diese neue Rechtssicherheit nicht Dr. Günter Krings gleich wieder verwässern. Zu reden sein wird hier noch über den Satz 3. Wenn der Insolvenzverwalter hier einen Nachschlag vom Lizenznehmer fordern kann, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen vereinbarter und marktgerechter Vergütung besteht, dann droht das zu einer Einladung an den Insolvenzverwalter zu werden, im Zweifel immer von einem Missverhältnis auszugehen und die Hand aufzuhalten. Über die Ausgestaltung dieser Vorschrift werden wir uns noch unterhalten. Ich will einen weiteren Aspekt ansprechen, und zwar die Behandlung insbesondere der öffentlich-rechtlichen Gläubiger. Es ist ja eine nicht enden wollende Geschichte, bei der wir in der Rechtspolitik, Exekutive und Legislative, eigentlich in relativ großer Eintracht gegen Begehrlichkeiten der Fiskalpolitik und auch der Sozialpolitik recht gut zusammengestanden haben. Mit den jetzt vorgeschlagenen Änderungen in § 14 und § 55 der Insolvenzordnung kommen wir – nicht nur, aber de facto vor allem – den öffentlich-rechtlichen Gläubigern, dem Fiskus und der Sozialversicherung, entgegen. Allerdings tun wir das – auch da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu, Frau Ministerin – in einer Form, die die Systematik der Insolvenzordnung beibehält, also nicht durchbricht. Wir haben uns also gegenüber den unmoralischen Angeboten, die uns seitens der Finanzund der Sozialpolitik gemacht worden sind, verschlossen gezeigt. Und wir führen eine Änderung ein, die innerhalb des jetzigen Systems der Insolvenzordnung bleibt. Insbesondere die Änderung in § 14 der Insolvenzordnung dürfte zukünftig die – speziell klingende, aber sehr praktische – Problematik der Stapelanträge zum Verschwinden bringen. Was verbirgt sich dahinter? Vor allem die Sozialversicherungen sind heute oft gezwungen, einen Insolvenzantrag zurückzunehmen, weil ihre Forderungen im letzten Moment noch beglichen werden. Das heißt, der Schuldner hat die letzten Euros zusammengekratzt, um sich einen Moment lang Luft zu verschaffen. Allerdings wird in der Regel schon im nächsten Quartal mangels Zahlung der nächste Antrag fällig. Die Änderung gibt den Insolvenzgerichten nun die Möglichkeit, trotz Begleichung einer Forderung den Antrag aufrechtzuerhalten und zu prüfen, ob es sich nur um eine kurzfristige Zahlungsschwierigkeit handelt – dann braucht man nicht in die Insolvenz zu gehen – oder um eine strukturelle Krise, die schon alsbald wieder zu einem neuen Antrag führen wird. Wir tragen gerade damit einem ganz wichtigen Grundgedanken des heutigen Insolvenzrechts Rechnung: Die Insolvenz soll nämlich als Chance der Restrukturierung eines Unternehmens angesehen werden. Deswegen bringt es überhaupt nichts, ein Insolvenzverfahren um jeden Preis hinauszuzögern. Diese Erkenntnis müssen wir, glaube ich, noch in den Köpfen vieler Kollegen aus anderen Ausschüssen verankern. Im Gegenteil, die Chancen für eine Rettung in neuer Struktur nehmen für jedes Unternehmen zu, wenn der Antrag frühzeitig erfolgt und das Insolvenzverfahren zügig betrieben wird. Deswegen ist die Möglichkeit der Insolvenzrichter, auch nach Zahlung in letzter Minute ein Insolvenzverfahren einzuleiten, im Interesse nicht nur der Gläubiger, son d a n a w u a z n 1 a I t E l A H S a f d ü d w W r d e d T s l g h p m v l c e v D f s p e n n w p S f (C (D ern auch des Unternehmers und vor allem seiner Mitrbeiter. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dirk Manzewski [SPD])


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte
och eine Anmerkung dazu machen, welche Zahlungs-
usfälle den öffentlich-rechtlichen Gläubigern denn nun
irklich drohen. Fiskus und Parafiskus malten hier in
nseren Besprechungen in den letzten Monaten geradezu
pokalyptische Szenarien an die Wand. Alleine die So-
ialversicherungsträger sprachen in der Begründung des
euen Gesetzes zum Pfändungsschutz von mehreren
00 Millionen Euro Zahlungsausfällen. Das scheint mir
llerdings deutlich übertrieben. Ich will eine Statistik des
nstituts für Freie Berufe aus dem Jahr 2005 dagegenhal-
en: Hier spricht man von insgesamt knapp 80 Millionen
uro. Es kommt allerdings noch besser: Diesen 80 Mil-

ionen Euro Miese stehen noch gezahlte Beiträge und
bgaben nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in
öhe von geschätzten 134 Millionen Euro gegenüber.
umma summarum ergibt sich nach dieser Rechnung
lso ein Plus von knapp 55 Millionen Euro. Die Be-
ürchtungen von Fiskus und Parafiskus, insbesondere
es Sozialministeriums, scheinen mir also doch stark
bertrieben zu sein.

Alles in allem ist es ein gelungener Gesetzentwurf,
er in Teilen sicherlich noch verbesserungsbedürftig ist,
eshalb es richtig ist, dass wir – das ist jedenfalls mein
unsch – im Rechtsausschuss eine Anhörung durchfüh-

en werden. Auch der parallel beratene Gesetzentwurf
es Bundesrates gehört in diese Anhörung. Mit ihm gibt
s etwas weniger Schwierigkeiten. Er berührt aber mit
er Aufsicht über die Insolvenzverwalter das wichtige
hema der Qualität der Insolvenzverwaltung. Wir müs-
en erreichen, dass wichtige Insolvenzen nicht ins Aus-
and abwandern, dass, wenn es um die Restrukturierung
rößerer Unternehmen geht, nach deutschem Recht ver-
andelt wird und dass man nicht, wie es heute teilweise
assiert, ins ausländische Recht flieht.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir im Rah-
en der Anhörung auch das leidige Thema der Leasing-

erträge und ihrer Behandlung im Insolvenzfalle aus der
etzten Novelle noch einmal aufgreifen und die entspre-
henden Erfahrungen abfragen. Denn hier sind offenbar
rhebliche Auswirkungen in der Praxis zu verzeichnen.

Ich komme zu meiner Schlussbemerkung. Das Insol-
enzrecht erweckt den Eindruck einer Dauerbaustelle.
as hängt auch damit zusammen, dass es mittlerweile

ast zehn Jahre alt ist und Regelungsdefizite in der Praxis
ichtbar werden. Es ist eines der jüngsten Kodifikations-
rojekte des deutschen Rechtsstaates. Alles in allem ist
s eine Erfolgsgeschichte, die beweist, dass Kodifikatio-
en auch heute noch möglich sind. Wir brauchen uns
icht immer auf Detailgesetze zu beschränken, sondern
ir sind durchaus in der Lage, moderne Kodifikations-
rojekte auf den Weg zu bringen.

Im Insolvenzrecht gibt es viel Licht und ein wenig
chatten. Wir werden gemeinsam im Rechtsausschuss
ür noch mehr Licht sorgen. Ich bedanke mich beim Jus-






(A) )



(B) )


Dr. Günter Krings
tizministerium und auch beim Bundesrat und freue mich
auf die Beratung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614216300

Das Wort hat der Kollege Wolfgang Nešković, Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1614216400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Zu begrüßen ist, dass im vorgeleg-
ten Entwurf einem Ansatz der Bund-Länder-Arbeits-
gruppe – das wurde ja schon gesagt – nicht gefolgt wird,
wonach die Restschuldbefreiung weitgehend aus dem
Insolvenzrecht herausgelöst werden sollte. Denn es ist
allein das Insolvenzrecht mit seinem umfassenden Voll-
streckungsschutz für den Schuldner und seiner Gesamt-
wirkung gegenüber allen Gläubigern, das geeignet ist,
die Schuldbefreiung allseits interessengerecht zu behan-
deln.

Über sechs lange Jahre ist der Schuldner auf einen
umfassenden Vollstreckungsschutz angewiesen, den er
nur in einem geordneten Verfahren unter Mithilfe eines
Treuhändlers erhält. Außerdem muss das lohnenswerte
Ergebnis einer durchgehaltenen Entschuldung dann auch
gegenüber allen vorhandenen Gläubigern wirken. In die-
ser Perspektive liegt die Motivation für den Schuldner
zum Durchhalten.

In der insolvenzrechtlichen Ausgestaltung des Ver-
fahrens und in dem Grundsatz der Gläubigergleichbe-
handlung liegen Gründe für die Akzeptanz der Entschul-
dung durch die Gläubiger. Denn so muss niemand
befürchten, dass er zu kurz oder zu spät kommt. In die-
sen wichtigen Punkten macht der vorgelegte Entwurf
keine Fehler.

Die Verschlimmbesserungen liegen jedoch an anderer
Stelle. Die Entwurfsverfasser sagen, es ginge ihnen da-
rum, die Entschuldung mittelloser Personen von einem
ebenso nutzlosen wie kostenaufwendigen Insolvenzver-
fahren zu befreien. Dieses Ziel teilen wir; darum geht es
uns ebenfalls.

Nötig war dazu lediglich zweierlei: Zum einen musste
ermöglicht werden, dass die Vermögensverhältnisse im
Antragsverfahren durch das Insolvenzgericht sorgsam
geprüft werden können. Zum anderen musste mittellosen
Personen auch ohne Insolvenzverfahren eine Entschul-
dung im Rahmen des Insolvenzrechts ermöglicht wer-
den. Damit erschöpft sich aber das Notwendige im Ent-
wurf, und es beginnt das völlig Unnötige und auch sozial
Ungerechte.

Sozial ungerecht ist es, vom mittellosen Schuldner zu
verlangen, er möge Mittel aufbringen, um das Entschul-
dungsverfahren überhaupt in Gang zu setzen und es in
Gang zu halten. Für die Verfahrenseröffnung schuldet er
aus der leeren Tasche 25 Euro. Jährlich schuldet er dann

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(C (D us derselben leeren Tasche 100 Euro Mindestbeteiliung für die Arbeit des Treuhändlers. Sozial ungerecht ist es darüber hinaus, die anwaltliche egleitung von mittellosen Schuldnern in das weite Eressen des Gerichts zu stellen und darüber hinaus Pro esskostenhilfe auszuschließen. In der Gesetzesbegrünung heißt es dazu lakonisch-unbarmherzig: Das bedeutet, dass der Schuldner in der Regel seinen Prozessbevollmächtigten selbst bezahlen muss. nd das bei einem Mittellosen! Es hat schon etwas Zwanghaftes, dass es dieser Reierung einfach nicht gelingen will, irgendein Justizeförmchen vorzulegen, ohne gleichzeitig für neue soiale Härten zu sorgen. Es fehlen dieser Regierung das oziale Herz und das soziale Gewissen. as Justizministerium scheint der Auffassung zu sein, eine Arbeit erst dann richtig getan zu haben, wenn es leichzeitig den Sozialstaat und den Justizgewährungsnspruch lädiert. Ein Mensch, der in seinem Leben an em Punkt ist, dass er eine Restschuldbefreiung anstrebt, st oft froh, wenn er noch das Porto für die Gerichtspost nd die Kosten für die Bahnfahrt zum Gerichtsstandort ufbringen kann. (Joachim Stünker [SPD]: Sie haben keine Ahnung von der Wirklichkeit!)


(Beifall bei der LINKEN)


a gibt es keine übersehenen Eckchen in der Brieftasche
it 25 Euro für alle Fälle. Da gibt es auch keine

00 Euro jährlich, die über das Jahr nicht schon dringend
ebraucht werden. Ihr Zuruf macht es deutlich: Können
ie sich einen solchen Menschen und eine solche Situa-

ion überhaupt vorstellen?

Für die Linke sage ich Ihnen: Wenn man überhaupt
ine Kostenbeteiligung will, dann hat sich diese Kosten-
eteiligung zwingend an den Pfändungsschutzvorschrif-
en zu orientieren. Ich möchte Ihnen empfehlen, nicht
ur Ihr soziales Gewissen, sondern auch Ihren juristi-
chen Ehrgeiz zu beleben, und verweise zum Beispiel auf
ie einschlägigen Kommentierungen zu den §§ 811 ff. der
ivilprozessordnung. Bei Zöller könnten Sie zum Bei-
piel nachlesen:

Konkretisiert sind mit diesem Schutz Artikel 1
Grundgesetz

die Menschenwürde –

… und Artikel 2 Grundgesetz … Verwirklicht ist
damit der Schutzgedanke des Sozialstaatsprinzips.

Bei Musielak, in einem anderen Kommentar zur Zi-
ilprozessordnung, heißt es: Deshalb

bewahren die Pfändungsverbote … den Schuldner
davor, durch staatliche Zwangsvollstreckung das zu
verlieren, was er zu einer „angemessenen, beschei-
denen Lebens- und Haushaltsführung“ benötigt.

Nun besehen Sie sich einmal die Logik Ihres Entwur-
es: Dort soll der mittellose Schuldner mit Mitteln, die
er Pfändung entzogen wären, für ein Verfahren mitbe-






(A) )



(B) )


Wolfgang NeškoviæWolfgang Nešković
zahlen, das unter anderem bezweckt, ebendiesen Pfän-
dungsschutz herbeizuführen. Das ist nicht nur widersinnig
und sozialstaatswidrig, das ist für mich auch schlichtweg
unanständig.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614216500

Ich gebe das Wort dem Kollegen Jerzy Montag,

Bündnis 90/Die Grünen.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1614216600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben letzte Woche vom Statistischen Bundesamt
die Insolvenzzahlen übermittelt bekommen; dies ist
schon angesprochen worden. Ich habe sie zwar etwas an-
ders gelesen; aber wir brauchen uns über diese Zahlen
nicht zu streiten. Denn in der Tendenz ergibt sich folgen-
des Bild: Bei den Unternehmensinsolvenzen haben wir
einen Rückgang von ungefähr 15 Prozent zu verzeich-
nen; das ist sehr erfreulich. Aber auch in der Phase eines
wirtschaftlichen Aufschwungs gibt es von 2006 auf 2007
einen Anstieg der Zahl der Verbraucherinsolvenzen. Ich
habe in den Unterlagen eine Zahl von 9 Prozent gelesen.
Wir können noch verifizieren, welche Zahl stimmt.

Das bedeutet aber, dass wir in der Pflicht sind, uns
insbesondere mit der Verbraucherinsolvenz weiter zu be-
schäftigen. Ich will es an dieser Stelle klar sagen: Auf
der Grundlage der Reform von 1994, die wir erreicht ha-
ben und die wir eigentlich nicht konterkarieren sollten,
sollten wir schauen, dass wir Änderungen vornehmen,
die den Betroffenen auf beiden Seiten – auf der Schuld-
ner- und auf der Gläubigerseite – das Leben erleichtern,
und sollten nicht Geld in einem unnötigen, hochkompli-
zierten Verfahren verschleudern. Insofern sind in den
Gesetzentwürfen, die wir jetzt vorliegen haben, gute Ele-
mente enthalten, die wir begrüßen.

In der Kürze der Zeit will ich gleich auf die kritischen
Punkte zu sprechen kommen. Über den vorläufigen
Treuhänder ist bereits gesprochen worden. Ich teile die
Kritik, zumindest die Kritik daran, dass eine Notwendig-
keit besteht, ihn in allen Fällen einzusetzen. Das ist ein
bürokratischer Vorgang, den ich nicht begreifen kann.

In der Beratungshilfe wird ein Betrag von 60 Euro für
den Anwalt festgesetzt. Dies ist eine Herabsetzung der
Gebühren. Ich begreife überhaupt nicht, warum das sein
soll. Ich kenne kaum einen Anwalt, der bereit wäre, da-
für tätig zu werden. Das muss verbessert werden.

Hinsichtlich der Frage der Kostenbeteiligung völlig
Mittelloser an dem Insolvenzverfahren will ich nicht die
große Münze werfen, die Sie, Herr Kollege Nešković,
hier geworfen haben.


(Zuruf des Abg. Wolfgang Nešković [DIE LINKE])


Ich will nur sagen: Ich halte das, was Sie, Herr Kollege
Krings, hier positiv bewerten, für ein kleinliches Erzie-
hungsmoment. Ich erinnere Sie an die gestrige Sitzung
des Rechtsausschusses. Ein Kollege aus Ihrer Fraktion
hat darin mit Verve zum Ausdruck gebracht, dass wir

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(C (D ns davor hüten sollten, gesetzliche Regelungen zu chaffen, die der Volkserziehung dienen. Sie wollen 5 Euro von völlig Mittellosen; das ist eine Kleinigkeit, (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Für mich sind 25 Euro noch viel Geld!)


ie für das Verfahren überhaupt keine Vorzüge mit sich
ringt. Wir halten das für überflüssig und sinnlos und
lädieren dafür, dass man das lässt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wer den Pfennig nicht ehrt, …!)


Auch die Wohlverhaltensperiode sollte überprüft wer-
en. Sie wollen sogar acht Jahre. Wir sollten einmal
chauen, wie die anderen Staaten der Europäischen
nion das geregelt haben. Nach den mir vorliegenden
ahlen beträgt die Wohlverhaltensperiode in den euro-
äischen Staaten, die um uns herum liegen, zwischen
rei und fünf Jahre.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sie müssen einmal differenzieren!)


enn dem so ist, empfehle ich, dass wir uns vom letzten
latz wenigstens auf einen mittleren Platz vorarbeiten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Frau Ministerin Zypries, Sie haben erfreulicherweise
avon gesprochen, dass die Schuldnerberatung mehr
eld bekommen muss. Leider steht das in Ihrem Gesetz-

ntwurf so nicht drin. Auf Seite 29 Ihres Entwurfs steht
ur, dass die öffentlichen Mittel zur Förderung der
chuldnerberatung zunehmend zurückgefahren werden;
hne ein Wort der Kritik. Das haben Sie hier nachgelie-
ert. Dafür bedanke ich mich. Die Kritik hätte aber etwas
larer ausfallen müssen.

Ich will zum Schluss noch auf ein Ärgernis zu spre-
hen kommen, auf das Kolleginnen und Kollegen schon
ingegangen sind. Ich muss Ihnen sagen: Ich wundere
ich wirklich über das Maß der Heimtücke, das offen-

ichtlich in den Reihen der Bundesregierung und zwi-
chen den Ministerien herrscht. Das Maß der Heimtücke
ird deutlich, wenn man sich Folgendes verdeutlicht: Im

ahre 2006 hatten wir hier einen Gesetzentwurf Ihres
auses zu diskutieren, nämlich den „Entwurf eines Ge-

etzes zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge und zur
npassung des Rechts der Insolvenzanfechtung“. Ihr
aus hat vorgeschlagen, den Grundsatz der Gläubiger-
leichheit mit dem § 28 e SGB IV aufzuheben. Darüber
urde im Plenum öffentlich diskutiert. Wir haben im
echtsausschuss eine Sachverständigenanhörung dazu
urchgeführt. Wir haben uns über alle Fraktionsgrenzen
inweg darauf geeinigt, dass wir das nicht wollen, weil
as falsch ist. Wir haben dies dem Plenum empfohlen.
as Plenum ist dem einstimmig gefolgt. Damit hätte die
ache vom Tisch sein sollen.

Bereits einige Monate später hat das Finanzministe-
ium aber, ohne Sie zu fragen oder zu informieren, im
ahressteuergesetz 2006 diese Vorschrift wieder dem
arlament zugeleitet. In letzter Sekunde haben die






(A) )



(B) )


Jerzy Montag
Rechtspolitiker dies bemerkt und dafür gesorgt, dass das
rausgestrichen worden ist.

Nunmehr einige Monate später unterbreitet das Ar-
beits- und Sozialministerium in einem Gesetzentwurf
zur Änderung des Sozialgesetzbuchs dem Parlament
wiederum diesen Vorschlag. Der Rechtsausschuss wird
nicht beteiligt. In der ersten Lesung werden alle Reden
zu Protokoll gegeben, eine Beratung im Ausschuss für
Arbeit und Soziales findet nicht statt, und die zweite und
dritte Lesung finden ohne Debatte statt. Auf so heimtü-
ckische Art und Weise ist es bestimmten Kreisen tat-
sächlich gelungen, diesen Paragrafen wirklich ins Ge-
setzbuch zu bringen.


(Mechthild Dyckmans [FDP]: Sehr richtig!)


Wir sollten dafür sorgen, dass er da wieder rauskommt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614216700

Kollege Montag, Sie haben richtigerweise angemerkt,

dass die Zeit kurz ist. Jetzt ist sie aber überschritten.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1614216800

Ein letzter Satz. – Wir sollten insbesondere deswegen

dafür sorgen, weil der Kollege Schaaf von der SPD in
seiner zu Protokoll gegebenen Rede ausgeführt hat – ich
habe die zu Protokoll gegebenen Reden nachgelesen –,
dass er daran denkt, dass seitens der Sozialpolitiker in ei-
ner nächsten Stufe noch mehr Ausnahmen von der Gläu-
bigergleichheit vorgesehen werden sollen. Da müssen
wir aufpassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Da haben Sie recht!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614216900

Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Dirk

Manzewski das Wort.


Dirk Manzewski (SPD):
Rede ID: ID1614217000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

zahlreiche Freunde der Rechtspolitik! Wir debattieren
hier heute in erster Lesung verschiedene Aspekte des In-
solvenzrechts. Soweit es um die Neuregelung zum Ver-
braucherinsolvenzverfahren geht, ist es meiner Meinung
nach völlig richtig, sich die Frage zu stellen, ob es für
das nach einhelliger Auffassung viel zu aufwendige und
kostenintensive bisherige Restschuldbefreiungsverfah-
ren für mittellose und masselose Fälle nicht einen einfa-
cheren und vor allem kostengünstigeren Weg gibt, zumal
in diesen Fällen – das ist schon gesagt worden – die
Gläubiger ohnehin meist nicht mit einer Befriedigung
rechnen können.

Wir werden uns allerdings darüber unterhalten müs-
sen, ob der hierzu eingeschlagene Weg tatsächlich in al-
len Bereichen der richtige ist. Dass die missbräuchliche
Inanspruchnahme der Restschuldbefreiung zum Beispiel
bei offenkundigem Vorliegen eines Versagungsgrundes,

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(C (D ei unredlichen Schuldnern oder bei mangelnder Mitwirungspflicht erschwert werden soll, finde ich richtig. Ich habe aber – genau wie einige Kollegen – zum Beipiel Probleme mit der Person des sogenannten vorläufien Treuhänders, der nach dem Regierungsentwurf die entrale Figur des Entschuldungsverfahrens sein soll. unächst einmal stelle ich mir die Frage, warum dieser reuhänder eigentlich obligatorisch für jedes Verfahren estellt werden soll. Bei einfach gelagerten Fällen macht as meiner Auffassung nach relativ wenig Sinn, zumal ie Vorarbeiten in der Regel schon von den Schuldnerbeatungsstellen gemacht worden sind. Ich teile da die uffassung des Kollegen Krings; ich meine, die Kosten önnte man einsparen. Ist der Sachverhalt wiederum omplizierter, wird man sich die Frage stellen müssen, b der hierfür angesetzte Kostensatz für einen Fachmann atsächlich auskömmlich ist. Auch hier habe ich Bedenen. Noch ein Wort in diesem Zusammenhang zu den chuldnerberatungsstellen. Abgesehen davon, dass ich ie Abgrenzung des Tätigkeitsfelds von Schuldnerberaungsstelle und Treuhänder nicht ganz zu erkennen mag, oll den Schuldnerberatungsstellen nach der Begründung es Gesetzentwurfes eine größere Bedeutung im angeachten Verfahren zukommen. Hintergrund hierfür ist, ass der außergerichtliche Vergleich gestärkt und das un vorgerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren icht mehr vom Richter, sondern vom Schuldner selbst nd – als eine Möglichkeit – den ihn unterstützenden chuldnerberatungsstellen betrieben werden soll. Das kann aber nur funktionieren, wenn die Schuldnereratungsstellen quantitativ und qualitativ so ausgestatet sind, dass sie dem gerecht werden können. Bereits erzeit gibt es aber insoweit Anzeichen für Probleme, enn schon jetzt müssen Schuldner häufig monatelang uf einen Termin bei ihrer Schuldnerberatungsstelle waren. Man muss es deutlich sagen: Man kann nicht einereits die Justiz aus der Verantwortung nehmen, ohne anererseits das Alternativverfahren zu sichern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE])


Wir werden uns auch darüber unterhalten müssen – da-
über ist hier schon debattiert worden –, ob es in Ord-
ung ist, den Schuldner an den Kosten des Verfahrens zu
eteiligen. Einerseits halte ich das für richtig, um den
chuldner zur Mitwirkung anzuhalten und deutlich zu
achen, dass eine Entschuldung keine Larifariveranstal-

ung ist. Denn wir dürfen ja nicht vergessen, dass ein
chuldner unter Umständen um einen vier-, fünf-, sechs-
der sogar höherstelligen Betrag entlastet wird. Hierbei
st zu beachten, dass es Personen gibt, die auf diesen Be-
rägen sitzen bleiben. Andererseits ist es nicht richtig,
enn es in der Gesetzesbegründung lapidar heißt, dass

r diese Beteiligung ohne große Mühe aufbringen kann.
enn für jemanden, der nichts hat, sind 4 Prozent seines
inkommens nicht wenig, zumal diese Menschen ja ge-

ade wegen ihrer ausweglosen finanziellen Situation das
nsolvenzverfahren betreiben.






(A) )



(B) )


Dirk Manzewski
Lassen Sie mich zum nächsten Aspekt kommen. So-
weit durch das Gesetz Lizenzverträge insolvenzfest ge-
macht werden sollen, Kollege Krings, habe ich damit er-
hebliche Probleme.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich kann zwar durchaus nachvollziehen, dass sich zum
Beispiel die Pharmaindustrie dies wünscht, weil sie auf-
grund von hohen Investitionen gerne auf die Gültigkeit
der Lizenzverträge vertrauen würde. Aber diese Begrün-
dung kann im Grunde genommen für jeden noch nicht
erfüllten Vertrag gelten, der mit dem Schuldner ge-
schlossen worden ist. Negative wirtschaftliche Auswir-
kungen sind leider die typischen Folgen von Insolvenzen
und treffen alle Vertragspartner. Um es noch einmal
deutlicher zu machen: Mit jeder Bevorzugung von Gläu-
bigern werden andere Gläubiger benachteiligt.


(Beifall des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das hat man alles gewusst und auch so gewollt, als
man mit der Insolvenzordnung die alte Konkursordnung
abgelöst hat. Das Ziel war damals die Gläubigergleich-
behandlung. Ich meine, diese hat sich bislang bewährt.
Wir haben derzeit ein in sich schlüssiges Insolvenzver-
fahren, um das uns viele in der Welt beneiden. Durch
jede Ausnahmeregelung werden wir dieses aufweichen
und komplizierter machen. Wenn erst einmal die Strin-
genz verlorengegangen ist, dann werden wir irgendwann
ein Gesetz haben, das genauso undurchsichtig und un-
übersichtlich ist wie zum Beispiel das Urheberrecht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Schon jetzt haben Lobbyverbände übrigens weitere Be-
gehrlichkeiten angemeldet. Liebe Kolleginnen und Kol-
legen, ich kann nur raten: Wehret den Anfängen!

Zum nächsten Punkt. Im Zusammenhang mit dem
vorletzten Jahressteuergesetz haben wir uns auch Gedan-
ken darüber gemacht, wie wir das Insolvenzverfahren ef-
fektiver gestalten können. Ich bin froh, dass einige der
hierbei entwickelten Lösungsansätze tatsächlich Ein-
gang in den Gesetzentwurf gefunden haben. Ausgangs-
punkt war die Erkenntnis – auch darauf hat Kollege
Krings zu Recht hingewiesen –: Je früher ein Insolvenz-
fall erkannt wird, desto größer sind die Chancen auf Sa-
nierung des Unternehmens und desto geringer fällt in der
Regel der Schaden aus.

Ich finde es daher richtig, dass zum einen versucht
werden soll, die sogenannten Stapelanträge zu vermei-
den, damit der Insolvenzantrag nicht immer gleich bei
Zahlung der entscheidenden Forderung quasi erlischt,
selbst wenn der Insolvenzgrund – das ist das Entschei-
dende – weiterhin vorliegt. Das hat in der Vergangenheit
nämlich dazu geführt, dass bei eigentlich abzusehenden
neuen Forderungsausfällen immer wieder neue Anträge
gestellt werden mussten und die Chancen, dem betroffe-
nen Unternehmen wirklich zu helfen, immer geringer
wurden.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: So ist es!)


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(C (D um anderen sollen diejenigen, die einen Insolvenzanrag hätten stellen müssen, dies aber nicht rechtzeitig gean haben, nun stärker in die Verantwortung genommen erden. Um die Effizienz der Insolvenzverfahren zu steigern, ehe ich persönlich bei der Auswahl der Insolvenzveralter durch das Gericht noch ein erhebliches Potenzial. ierzu liegen einige Lösungsvorschläge vor, die bislang eider noch keinen Eingang in den Gesetzentwurf gefunen haben. Ich hoffe aber, dass sich daran noch etwas änert. Soweit der Bundesrat die Aufsicht der Insolvenzveralter verbessern möchte, halte ich die vorgeschlagenen aßnahmen eigentlich für nicht notwendig und in eini en Bereichen sogar für nicht praktikabel; das sage ich anz deutlich. Im Hinblick auf die Forderung nach einer erufshaftpflichtversicherung für Insolvenzverwalter eile ich die Auffassung der Bundesregierung, dass diese ersicherung in der Regel ohnehin vorhanden ist, dass ie aber insbesondere bei vorsätzlichen Schädigungsandlungen – das ist ganz wichtig – überhaupt nicht weierhelfen dürfte. Ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren, ie Sie sehen, erwartet uns ein interessantes Gesetzgeungsverfahren. Ich jedenfalls würde mich freuen, wenn ie sich daran aktiv und vor allen Dingen, Kollege ešković, konstruktiv beteiligen würden. Ich danke Ihnen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Das ist bei mir auf jeden Fall gewährleistet!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614217100

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzent-
ürfe auf den Drucksachen 16/7416 und 16/7251 an die

n der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
chlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das
st nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so be-
chlossen.

Ich rufe den Zusatzpunkt 4 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)

Trittin, Winfried Nachtwei, Kerstin Müller

(Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Für einen sicherheitspolitischen Kurswechsel
in Afghanistan – Nebeneinander von ISAF
und OEF beenden

– Drucksachen 16/5587, 16/6497 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Bernd Schmidbauer
Gert Weisskirchen (Wiesloch)







(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Petra Pau
Dr. Werner Hoyer
Dr. Norman Paech
Jürgen Trittin

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Gert Weisskirchen für die SPD-Fraktion.


Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1614217200

Liebe Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen!

Ich glaube, es wäre viel wichtiger, über andere Themen
zu debattieren als darüber, ob bzw. inwieweit die Man-
datsstrukturen im Hinblick auf den Einsatz in Afghanis-
tan verändert werden sollten.

Ich nenne Ihnen ein einfaches Beispiel, das uns selbst
betrifft. Ich fände es sehr gut, wenn der Vorschlag von
Detlef Dzembritzki, eine deutsch-afghanische Parlamen-
tariergruppe einzurichten, endlich realisiert werden
könnte; ich bitte das Präsidium, darüber nachzudenken.
Ich halte diesen Vorschlag für sehr wichtig. Denn es
wäre klug, mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem
gewählten Parlament in Afghanistan enge Arbeitsbezie-
hungen aufzubauen, damit wir voneinander lernen und
erfahren können, wie das, was wir im Rahmen unserer
Mandate tun, von den Kolleginnen und Kollegen im af-
ghanischen Parlament wahrgenommen wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir müssen mit ihnen an gemeinsamen Projekten ar-
beiten und uns fragen: Entspricht das, was wir laut Af-
ghanistan Compact machen, ihren Interessen? Können
sie die sogenannte Counterinsurgency-Strategie akzep-
tieren, oder lehnen sie sie ab? Ich finde, dass ein solches
offenes und freies Gespräch zwischen Abgeordneten un-
terschiedlicher Parlamente immer weiterhilft. Warum
machen wir das nicht? Wir debattieren heute darüber, ob
ISAF und OEF – in welcher Weise auch immer – von-
einander getrennt werden. Das mag ein sehr wichtiges
Thema sein; aber diese praktischen Dinge der direkten
Zusammenarbeit zwischen Abgeordneten bzw. zwischen
Regierungen sind viel wichtiger und praxisnäher.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Regierung scheint es nicht wichtig zu sein: Auf der Regierungsbank sitzt ja kaum einer!)


Durch so etwas würden wir den Menschen in Afghanis-
tan mehr helfen. Ich würde mir wünschen, dass wir uns
damit befassen und nicht mit einem solchen, doch sehr
theoretischen Antrag.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Theoretisch? – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hochpraktisch!)


– Ja. Aber Winni, du weißt doch genauso gut wie wir:
Wenn man Mandatsstrukturen ändern will, kann man das
natürlich auf dem parlamentarischen Weg machen. Viel
wichtiger ist aber, dass wir diese Mandate auf den Prüf-

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(C (D tand stellen, schauen, was davon sinnvoll ist und was ntwickelt werden muss. Dann können wir bewerten, elche Schlussfolgerungen wir daraus ziehen müssen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Regierung muss machen, was das Parlament sagt!)


Nehmen wir das Beispiel OEF. Die Soldatinnen und
oldaten, die wir mit unseren Mandaten beauftragt ha-
en, nehmen gar nicht an OEF teil, seit Monaten nicht.
as würde es also bedeuten, wenn man jetzt apodiktisch

nd überfallartig „Weg mit OEF!“ sagte?


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht nicht um uns! Die Regierung soll sich dafür einsetzen, dass die nicht mehr da operieren!)


as würde uns nicht weiterbringen. Denn die Probleme,
ieber Kollege Trittin, die wir gemeinsam zu lösen ha-
en, liegen auf ganz anderen Ebenen. Könnte es nicht
ein – ich stelle einmal die Frage an uns selbst –, dass,
enn wir bestimmte Anteile aus der Mandatsstruktur
ähmen, wenn wir OEF vollständig herausnähmen,
SAF militärisch aufgestockt werden müsste?


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In unserem Antrag steht ein bisschen mehr dazu drin!)


ch stelle einfach einmal diese Frage. Ich meine, wir
üssen nach den Aufgaben, nach den Funktionen fra-

en. Dann können wir uns überlegen, wie die Mandate
ussehen müssen.

Der Parteitag der SPD hat beschlossen, dass wir ver-
uchen sollten, den Anteil von OEF Schritt für Schritt
bzubauen, dass wir uns Wege überlegen sollten, wie
an beispielsweise die Ausbildungsanteile, die andere
änder bei OEF haben, in das ISAF-Mandat überführen
ann. Das halte ich für einen klugen Gedanken.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Amerikaner haben nichts dagegen! Die Bundesregierung muss es nur sagen!)


as würde natürlich bedeuten, dass die merkwürdige,
ür uns fremde Struktur der Befehlszusammenhänge bei
EF – im Unterschied zu ISAF – herausgenommen wer-
en könnte. Das ist ein Punkt, der in Ihrem Antrag eine
roße Rolle spielt und der richtig ist.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein ganz vernünftiger Antrag, nicht?)


Solche Dinge muss man tun: nach den Funktionen
ragen und danach, wie sie verändert werden müssen,
amit das Ziel besser erreicht werden kann. Wir wissen
och alle: Wir können die Taliban allein mit militäri-
chen Mitteln nicht überwinden. Wir brauchen andere,
eue, politische Instrumente, um Afghanistan dabei zu
elfen, einen eigenständigen Weg in eine selbstbe-
timmte Freiheit zu gehen. Wenn das unser gemeinsames
iel ist, dann sollten wir uns bitte schön nicht auf solche
ublikumsheischenden Anträge kaprizieren.






(A) )



(B) )


Gert Weisskirchen (Wiesloch)


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man merkt schon: Sie finden den Antrag eigentlich gut, Sie dürfen es aber nicht!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614217300

Kollege Weisskirchen, ich störe Sie ungern bei Ihrem

Gespräch mit den Kollegen Trittin und Nachtwei; aber
Sie müssen es an anderer Stelle fortsetzen. Ihre Redezeit
ist überschritten.


Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1614217400

Liebe Frau Präsidentin, danke für den Hinweis. – Wir

sollten stattdessen dafür sorgen, dass die Probleme ge-
meinsam besser gelöst werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614217500

Das Wort hat der Kollege Dr. Werner Hoyer für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1614217600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es ist schon ein genialer Schlag der Parlamentsorganisa-
tion, dass wir uns anderthalb Stunden nach einer Aktuel-
len Stunde mit dem gleichen Thema befassen, wenn
auch unter einem anderen Gesichtspunkt. Ich finde das
bedauerlich.

Die meisten Kollegen, die vorhin gesprochen haben,
sind jetzt nicht da. Jetzt machen wir eine Neuauflage.
Deswegen konzentriere ich mich zunächst auf das, was
in dem Antrag steht.

Herr Kollege Weisskirchen, ich habe dem im Auswär-
tigen Ausschuss widersprochen, aber nicht, weil ich das
für völlig hirnrissig halte. Man muss nämlich schon sa-
gen: Bei dem, was jetzt von der Bundeswehr mit über-
nommen werden muss – Quick Reaction Force –, kommt
es sehr auf die präzise Definition des Auftrages an, um
nicht unmittelbar in die OEF hineinzurutschen.


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Richtig!)


Hier zeigt sich, dass die Dinge sehr nahe beieinander
liegen und dass es im Sinne einer einheitlichen Opera-
tionsführung durchaus auch gute Argumente dafür gibt,
das zusammenzuführen. Ich will das nicht von vornhe-
rein vom Tisch wischen, ich glaube nur, dass wir gegen-
wärtig ein anderes Problem haben und deshalb mit die-
sem Antrag jetzt zu kurz springen. Ich glaube aber, dass
wir irgendwann darauf zurückkommen werden.

Wir haben in München bei der großen verpassten
Chance an diesem Wochenende festgestellt,


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wahr!)


dass wir alle im Bündnis und darüber hinaus ganz offen-
sichtlich keine gemeinsame Strategie für Afghanistan
haben. Angesichts der Länge dieser Auseinanderset-

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(C (D ung, die wir in Afghanistan beobachten, ist das schon in bisschen verwunderlich. Man versteht unter einer Strategie ein längerfristig usgerichtetes planvolles Anstreben einer vorteilhaften age oder eines Zieles. – Von Clausewitz könnte das och schöner sagen, aber das ist der Kern dessen, worum s geht. Man muss sagen, dass uns weder durch den Afhanistan Compact – zumindest in der Ausprägung, in er er jetzt entwickelt wurde – noch durch die Vereinten ationen noch durch die NATO die Zieldefinition an die and gegeben wurde, anhand derer wir die Zielerrei hung messen können. Ich halte es deswegen für eine iemliche Bankrotterklärung, dass wir auch in München orwiegend wieder über militärische Forderungen, über ontingentzahlen und über Zahlen von Toten geredet nd dies aufgerechnet haben. Das kann es nicht sein. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es kann nicht sein, dass wir Deutschen den anderen zu-
indest unterschwellig den Vorwurf machen, dass sie

icht ein solches Konzept wie wir haben, was wir für
berlegen halten, weil wir vernetzte Sicherheit organisie-
en wollen – das heißt, die militärischen Anstrengungen
ollen mit den polizeilichen, den justiziellen, den adminis-
ativen und den kommunalpolitischen Anstrengungen
ystematisch verbunden werden; weiß der Himmel, wel-
hen Anstrengungen noch –, um dem dann in der Realität
elber nicht gerecht zu werden.

Ich freue mich immer über den Begriff „vernetzte Si-
herheit“. Ich glaube, dass die Staatssekretäre der ver-
chiedenen Häuser das Thema mit den besten Absichten
iskutieren, wenn sie zusammenkommen. Wenn das
ann aber auf die ganz konkrete Arbeit auf der mittleren
nd unteren Ebene heruntergebrochen wird, dann ge-
chieht das nicht.


(Beifall des Abg. Dr. Rainer Stinner [FDP])


eswegen ist zum Beispiel die Bilanz hinsichtlich der
olizeiarbeit so ernüchternd.


(Dr. Rainer Stinner [FDP]: So ist es!)


Uns Obleuten des Innen- und des Auswärtigen Aus-
chusses wurde heute Morgen seitens der zuständigen
taatssekretäre vom AA und vom BMI eine Information
u diesem Thema gegeben. Ich muss Ihnen ganz ehrlich
agen: Ich bin dort ernüchterter herausgekommen, als
ch hineingegangen bin.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Sie waren heute Morgen schon nüchtern!)


Ich war da schon nüchtern; das kann ich Ihnen sagen.

Wir müssen bei diesen Themen den Quantensprung
chaffen und mit unseren Partnern im Bündnis auch Ver-
inbarungen darüber treffen. Ich finde es absurd, dass
ns der Generalsekretär der NATO sagt, dass die NATO
eine Entwicklungsagentur ist und nicht dem Auftrag
achkommen kann, dem gerecht zu werden, was man
infach folglich als schlichte Logik bezeichnen kann:
enn das Erreichen des militärischen Ziels, des Erfolges






(A) )



(B) )


Dr. Werner Hoyer
unserer militärischen Anstrengungen, davon abhängt,
dass wir auch mit unseren zivilen Anstrengungen Erfolg
haben, dann muss man das Anstreben der zivilen Ziele
koordinieren. Genau dafür hat unser Bündnis, die
NATO, kein Konzept. Wer sich dabei auf den Afghanis-
tan Compact verlässt, der wird verlassen sein. Danach
wird nämlich wieder nur eine Pledging-Konferenz
durchgeführt, es wird viel Geld gezahlt, und es werden
tolle Ideen diskutiert. Nach den Erfahrungen mit dem
Afghanistan Compact werden wir aber keinen entschei-
denden Schritt vorangehen.

Wir müssen das im Rahmen der NATO weiter disku-
tieren. In diesem Rahmen darf es dann auch keine Be-
rührungsängste zwischen den verschiedenen militäri-
schen und zivilen Autoritäten geben.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614217700

Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Jürgen

Herrmann das Wort.


Jürgen Herrmann (CDU):
Rede ID: ID1614217800

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Meine Damen und Herren! Wie Herr Hoyer eben
festgestellt hat, diskutieren wir das Thema Afghanistan
bereits zum zweiten Mal. Das ist sicherlich auch Aus-
druck dafür, wie wichtig dieses Thema in der jetzigen
Zeit ist und wie sehr es uns auch in Zukunft beschäftigen
wird. Es ist notwendig, dass wir deutlich machen, wel-
che Auswirkungen das Thema Afghanistan für Deutsch-
land hat. Wir müssen in den Diskussionen verdeutlichen,
was es bedeutet, wenn wir auf terroristische Anschläge
vorbereitet sein müssen, die eben aus diesem Bereich
kommen. Dabei sollten wir aber darauf achten, dass wir
bei dieser Diskussion auch die Menschen in diesem
Land mitnehmen. Ich kritisiere es zutiefst, dass wir heute
davon ausgehen müssen, dass mehr als 50 Prozent der
Bürgerinnen und Bürger unseres Landes mit dem Ein-
satz der Bundeswehr in Afghanistan nicht einverstanden
sind. Da hat Politik versagt. Wir müssen deutlicher er-
klären, warum wir in Afghanistan sind und welche Ziele
wir dort verfolgen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn wir über den Einsatz sprechen, müssen wir
auch die guten Ergebnisse der Arbeit der Bundeswehr
betonen, die insbesondere im Norden des Landes geleis-
tet wird. Dies ist nicht immer gelungen. Aber die Dis-
kussion in den letzten zwei Wochen hat dazu geführt,
dass wir endlich aus der Defensive herausgekommen
sind und die Erfolge nach außen tragen konnten, die die
Bundeswehr im Norden des Landes zu verzeichnen hat.
Es dürfen nicht immer nur die negativen Dinge heraus-
gestellt werden, meine Damen und Herren. Es gibt vie-
les, wozu wir Ja sagen und wo wir Erfolge aufweisen
können. Auch Franz Josef Jung hat dies auf der Münche-
ner Sicherheitskonferenz bei der Tagung der Verteidi-

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(C (D ungsminister verdeutlicht. Ich bin froh, dass die Parteinvertreter, die auf dem Münchener Gipfel dabei waren, iese Haltung unterstrichen haben. Das ist vor allem im inblick auf die Außenwirkung wichtig. Ich komme mit einem an die Fraktion Die Linke geichteten Einwurf auf die Diskussion zurück, die wir orhin zu diesem Thema hatten. Ich glaube nicht, dass hr Ansatz dazu beiträgt, dass wir Sicherheit in Afghaistan bekommen. Wir haben eben schon gehört, dass ie Parlamentarierin aus Afghanistan, die heute hier zu esuch gewesen ist, niemals die Chance erhalten hätte, ier zu sein, wenn wir wie Sie nur auf zivile Aufbauareit gesetzt hätten. Sicherheit bedingt in diesem Fall uch militärisches Vorgehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


In Afghanistan sind wir mit zwei Mandaten vertreten,
um einen bei OEF mit einem sehr geringen Einsatz,
orauf der Kollege Weisskirchen eben schon hingewie-

en hat. In letzter Zeit sind wir dort überhaupt nicht mehr
it Spezialeinheiten vertreten, umso mehr aber bei der

SAF-Truppe, bei der zurzeit circa 3 300 deutsche Sol-
aten Dienst tun. Beide Mandate – dies sollte man an
ieser Stelle auch noch einmal erwähnen – sind mit gro-
er Mehrheit in diesem Hause bestätigt und verlängert
orden. Das ist ein wichtiges Zeichen insbesondere für
ie Soldatinnen und Soldaten, die fern der Heimat ihren
ienst für die Bundesrepublik leisten.

Ich bin schon verwundert, dass wir von dem Thema,
uf das Sie in Ihrem Antrag abzielen, in den letzten Tagen
on Ihnen nichts gehört haben. Herr Trittin hat das Thema
er Trennung von OEF und ISAF oder der Aufhebung des
EF-Mandats am heutigen Tage angesprochen. Auf der
ünchener Sicherheitskonferenz aber – zumindest ist es
ir dort nicht aufgefallen – und im Verteidigungsaus-

chuss, obwohl wir am Mittwoch darüber knapp zwei
tunden lang diskutiert haben, ist dieses Thema nicht auf-
egriffen worden. Nichtsdestotrotz macht Ihr Antrag, den
ir wie schon in den Ausschüssen ablehnen, weil er ein-

ach nicht weit genug trägt, in einigen Punkten nachdenk-
ch. In der Tat ist einiges zu hinterfragen. Ich denke hier
twa an die zivilen Opfer bei einer OEF-Bodenoffensive.
as ist schlimm, und man darf das nicht verharmlosen.
leichzeitig muss man aber darauf hinweisen, dass wir es

ufgrund der internationalen Intervention im letzten Jahr
rreicht haben, dass die Zahl dieser Vorfälle deutlich zu-
ückgegangen ist.


(Zuruf des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Doch, Herr Trittin, das ist so. Man muss auch einmal hin-
rfragen, warum es zu solchen Kollateralschäden – das ist

in schlimmes Wort für menschliches Leid – kommt. Sie
aben es in Ihrem Antrag richtig dargestellt: Die Terroris-
n, die Taliban, benutzen die afghanischen Bürgerinnen
nd Bürger, um sich unter sie zu mischen und von dort aus
re Aktionen zu starten. Das sind schlicht und ergreifend
riegsverbrechen, die wir bekämpfen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)







(A) )



(B) )


Jürgen Herrmann
Ich glaube nicht, dass OEF und ISAF unkoordiniert
nebeneinander herlaufen. Es gibt Absprachen, und die
internen Fragen werden miteinander geklärt. Die Kritik
an den OEF-Kräften kann man zwar zur Kenntnis neh-
men, aber ich frage Sie – die Frage wurde schon ange-
sprochen –, wie es weitergehen soll, wenn wir den OEF-
Beitrag beenden. Wer übernimmt dann die Kernaufga-
ben in Afghanistan? Denn die terroristischen Strukturen,
die es dort nach wie vor gibt, müssen bekämpft werden.
Das wäre wohl die Aufgabe von ISAF. Etwas anderes
wäre der Sache sicherlich nicht zuträglich. Denn – auch
das muss ehrlicherweise festgestellt werden – wer kann
schon unterscheiden, wer in Afghanistan welche Aktion
durchführt? Die Einheimischen werden dies nicht kön-
nen, und selbst Militärbeobachter werden sich schwer
tun mit der Zuordnung, wer dort welche Aufgabe wahr-
nimmt.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Umso schlimmer!)


Wir müssen weiter gehende Ansätze in der Politik ge-
nerell finden. Das ist nicht leicht. Man muss dabei so-
wohl den zivilen als auch den militärischen Bereich im
Blick behalten. Beides gehört zusammen. Der Begriff
„vernetzte Sicherheit“ ist sehr dehnbar, Herr Hoyer. Das
gilt ohne Wenn und Aber. Die Bundesrepublik hat aber
– damit sollten wir nicht hinter dem Berg halten – mit ih-
ren Ansätzen insbesondere im Norden – Umfragen der
Freien Universität Berlin belegen eindeutig, dass wir
dort erfolgreich sind – erreicht, dass sich die Menschen
sicher fühlen. Ich glaube, das sollten wir in den Vorder-
grund stellen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614217900

Kollege Herrmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage

des Kollegen Trittin?


Jürgen Herrmann (CDU):
Rede ID: ID1614218000

Ja, bitte.


Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1614218100

Herr Kollege Herrmann, würden Sie mir erstens ange-

sichts der Tatsache, dass jüngst zehn afghanische Poli-
zisten – es waren keine Zivilpersonen – in einer markier-
ten Polizeistation Opfer eines OEF-Einsatzes geworden
sind, zustimmen, dass dies keine wirkliche Verbesserung
der Situation darstellt? Würden Sie es zweitens nicht
auch als problematisch ansehen, dass die afghanische
Bevölkerung – wie Sie zu Recht festgestellt haben –
nicht zwischen den Operationen von OEF und ISAF un-
terscheiden kann, aber Operationen stattfinden, von de-
nen die für diese Region zuständigen ISAF-Komman-
deure nichts wissen? Ist dies nicht auch und gerade für
die Erfolgsträchtigkeit von ISAF ein Problem?


Jürgen Herrmann (CDU):
Rede ID: ID1614218200

Erstens. Ich glaube, Anschläge bzw. Unfälle, wie Sie

sie dargestellt haben –


(Inge Höger [DIE LINKE]: Kollateralschäden!)



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(C (D wenn Sie von Kollateralschäden sprechen, dann werde ch diesen Begriff aufgreifen; ich wollte ihn eigentlich icht verwenden, aber wenn das Ihre Sprachregelung ist, ann werde ich sie übernehmen –, werden sich auch in ukunft, glaube ich, nicht verhindern lassen. Egal wie orsichtig ein Einsatz erfolgt, wird es sicherlich in allen insatzszenarien durch Friendly Fire immer wieder zu ersonenschäden kommen. Wenn dort Aktionen parallel erlaufen, die nicht abgestimmt sind, dann sollte dies da gebe ich Ihnen recht, Herr Trittin – abgestellt wer en. Aber Sie werden es auch innerhalb einer einzigen ission nicht verhindern können, dass es solche Fehl chläge gibt. Daran muss gearbeitet werden, und ich bin er festen Überzeugung, dass sich das mit entsprechenen Absprachen auch bewerkstelligen lässt. Wir müssen also, wie gesagt, einen Ansatz finden, ie es in Afghanistan weitergehen soll, und zwar zum inen auf der militärischen Seite, um Stabilität zu schafen, und zum anderen beim zivilen Wiederaufbau. Trotz llem sollten wir den Begriff der vernetzten Sicherheit m Blick behalten. Eine wichtige Frage ist aber, wie wir das in ein Geamtkonzept für Afghanistan umsetzen können. Das ist m Norden mit unserem Konzept der PRTs möglich, die ervorragend und sehr effektiv arbeiten. Im Süden ist ielleicht eine andere Strategie notwendig. Wir sind in en nächsten Konferenzen aufgefordert, eine gemeiname Strategie zu finden, was nicht ganz leicht sein ird. Das gebe ich ohne Weiteres zu. Wir sollten aber ie Fähigkeiten, die die NGOs und die GOs gemeinsam ufbringen, dazu nutzen, die Effektivität deutlich zu eröhen. Sollte uns das nicht gelingen, dann werden wir uch in Zukunft vor Probleme gestellt, die wir nicht so chnell abstellen können. Wir sind gefordert – das ist das Entscheidende –, in ukunft eine gute und stabile Regierung in Afghanistan u ermöglichen. Daher ist es notwendig, die nächste Paramentswahl – das wird ein Knackpunkt bei der weiteren rbeit in Afghanistan werden – zu unterstützen. Wir üssen aber auch die in Afghanistan massiv vorhandene orruption beenden. Ein wirtschaftlicher Aufschwung, ber auch die generelle Sicherheit im Land müssen geährleistet sein. (Beifall des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


Erste Erfolge sind zu verzeichnen – das wurde schon
rwähnt –, zum Beispiel im Bildungssystem. Aber ich
ebe den Kritikern durchaus recht: Das ist noch nicht
usreichend. Wir müssen deutlich mehr tun. Wo sind in
ukunft Ansatzpunkte? Auf dem kommenden Gipfel in
ukarest muss man seitens der NATO davon abgehen,
ur noch über Truppenstärken zu sprechen. Vielmehr
uss man sich Gedanken darüber machen, wie sich die
ATO in ein besseres Licht setzen kann und wie man ef-

ektiver arbeiten kann. Auf der angekündigten Afghanis-
an-Konferenz in Paris werden die Uhren neu gestellt
erden müssen, wenn wir wesentlich mehr Erfolg in Af-
hanistan haben wollen.






(A) )



(B) )


Jürgen Herrmann
Mit unseren PRTs, wie wir sie im Norden Afghanis-
tans eingerichtet haben, werden wir Erfolg haben. Mein
Dank geht daher an alle Soldatinnen und Soldaten, die
tagtäglich schwere Arbeit insbesondere im Einsatzgebiet
in Afghanistan leisten. Das ist nicht hoch genug zu be-
werten. Ohne ihren Einsatz wären wir bei weitem noch
nicht so weit, wie wir es heute sind.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614218300

Das Wort hat der Kollege Wolfgang Gehrcke für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614218400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Mich treibt immer die Hoffnung um, dass die von uns
geführten Debatten nicht ganz vergebens sind und dass
man vielleicht das eine oder andere Argument des ande-
ren aufnimmt, prüft und abwägt. Ich finde, heute sind
bemerkenswerte Erkenntnisfortschritte festzustellen. Ich
finde es völlig richtig, was Kollege Hoyer gesagt hat:
Die NATO hat keine gemeinsame Strategie. Das ist nicht
mehr zu leugnen. Das sollten wir öffentlich sagen. Wir
ziehen sicherlich unterschiedliche Schlussfolgerungen
daraus. Ich finde es auch richtig, was Kollege
Weisskirchen gesagt hat: Der Krieg ist militärisch nicht
zu gewinnen. Das kann ich nur unterstreichen. Sagen Sie
das aber auch der Bevölkerung, und zwar laut und deut-
lich!


(Beifall bei der LINKEN)


Sie ziehen wahrscheinlich eine andere Schlussfolgerung
daraus. Ich finde es richtig, dass der Vertreter der Bun-
desregierung im Auswärtigen Ausschuss gesagt hat, dass
sich die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert
hat. Auch das ist nicht zu leugnen. Angesichts der Tatsa-
che, dass sich die Sicherheitslage verschlechtert hat
– nur damit lässt sich der Einsatz von mehr Militär be-
gründen –, dass der Krieg militärisch nicht zu gewinnen
ist und dass es keine gemeinsame NATO-Strategie gibt,
muss man darüber nachdenken, ob nicht andere Strate-
gien – solche sind bislang nicht angewandt worden –
vernünftiger und erfolgsträchtiger wären.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich will den Antrag der Grünen vor Vereinnahmung
schützen. Ich vereinnahme ihn nicht; denn er ist konträr
zu meiner Position. Das will ich nicht verschweigen.
Aber die Grünen haben gar nicht beantragt, OEF zu be-
enden. Sie haben nur beantragt, sie mit ISAF zusammen-
zulegen. Das ist etwas ganz anderes. Kollege Nachtwei,
wenn ich euren Antrag überschreiben müsste, dann
würde ich die Überschrift „Krieg effektiver und besser
führen“ wählen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)


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(C (D ein Ziel ist aber, den Krieg zu beenden; denn ohne eien Rückzug aus Afghanistan wird kein Prozess der naionalen Versöhnung in Gang zu bringen sein. In diesem ernpunkt unterscheiden wir uns. Vieles, was euer Antrag enthält, ist bereits gängige raxis oder wird zunehmend gängige Praxis. Vieles, was EF übernommen hatte, wird nun von ISAF erledigt. Es st völlig klar: Die ISAF-Einsätze sind Kampfeinsätze. as leugnet niemand mehr. ISAF führt Krieg in Afghaistan und bestreitet die Kämpfe dort. Daher kann man as durchaus zusammenlegen. Aber damit hat sich der harakter von ISAF grundsätzlich verändert. Man muss ie Folgen einer solchen Strategie ansprechen. Ich vertehe den Hintergrund eures Antrages. Der Druck bei uch Grünen wächst. Ihr schafft es nicht mehr, auf eurem arteitag eure Politik zu vermitteln. Deswegen müsst ihr in bisschen Puderzucker darüber streuen. Das wird auf auer nicht helfen. hr werdet eines nicht aus den Augen verlieren können und die Frage hat hier keiner beantwortet –: Sind denn 6 Prozent der deutschen Bevölkerung so doof, dass sie icht begreifen, dass die Truppen dort bleiben müssen, der sind 86 Prozent der Bevölkerung klüger als die ehrheit hier im Parlament? (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


ch behaupte, Letzteres ist der Fall.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wieso 86 Prozent?)


Das sind die bisherigen Angaben. – Es kann Ihnen
uch nicht verborgen geblieben sein, dass Sie in der
riedensbewegung nicht mehr auch nur ein müdes Lä-
heln auslösen; vielmehr hat die Friedensbewegung mit
ieser Politik der Grünen nichts zu tun, und sie will da-
it nichts zu tun haben. Das entwickelt politischen
ruck.


(Zuruf des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


ir haben noch keine Chance gehabt, ein Konzept des
ückzuges politisch griffig zu machen, weil die Losung

mmer mehr Soldaten und nicht weniger Soldaten ist.


(Beifall bei der LINKEN)


ir können beweisen, dass Ihr Konzept nicht den Erfolg
ringt, den Sie wollen. Wir können gute Argumente
ringen, warum eine politische Kurswende sinnvoller
ür die Menschen in Afghanistan wäre.

Noch ein letzter Satz: Ich prophezeie Ihnen hier, dass
ie in regelmäßigen Abständen immer mehr Truppen für
fghanistan beantragen werden und beantragen müssen.
ollege Gloser hat das schon sehr deutlich gesagt. Es
ird Runde für Runde weitergehen, und es werden mehr
oldaten gefordert werden. Mehr Soldaten bedeuten
ber weniger Sicherheit und mehr Opfer. Der Friedens-
chluss wird immer schwieriger. Deswegen muss man






(A) )



(B) )


Wolfgang Gehrcke
eine Kurswende vornehmen. Das erreicht ihr mit eurem
Antrag aber nicht.

Danke sehr.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614218500

Das Wort hat der Kollege Winfried Nachtwei für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1614218600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In der Öffentlichkeit wird das Thema Afghanistan viel
zu viel und oft fast nur unter Militärgesichtspunkten dis-
kutiert. Ausschlaggebend ist doch Folgendes: Wenn es in
Afghanistan vorangehen soll, dann muss es mit der poli-
tischen Konfliktlösung vorangehen. Ich merke auch jetzt
wieder, dass die meisten völlig übereinstimmen. Das
wird auch immer wieder hier im Haus betont. Allerdings
sollten wir über diese richtige Feststellung nicht den
heiklen Militärfragen ausweichen. Das ist meine Erfah-
rung, auch bei den Debatten zu „Enduring Freedom“.
Die Mehrheit spricht lieber über ISAF und über die He-
rausforderungen des Aufbaus, aber nicht über „Enduring
Freedom“, welches eine ganz besonders problematische
Operation ist.

Hier muss man näher hinschauen. Die Bundesregie-
rung leistet dazu nichts. Seit Jahren leistet sie nichts hin-
sichtlich genauerer Information und praktisch nichts,
was Stellungnahmen betrifft. Deshalb muss man selbst
versuchen, an Informationen zu kommen. Ich male hier
kein Schwarz-Weiß-Bild. Ich weiß sehr wohl, dass
„Enduring Freedom“ inzwischen auch große und nützli-
che Ausbildungsanteile hat. Was aber ist der Kern dabei?
Der Kern ist etwas anderes. Bei genauerem Hinsehen
stellt sich für uns tatsächlich heraus, dass diese Opera-
tion in keiner Weise mehr zu rechtfertigen ist. Sie ist in-
zwischen ausgesprochen schädlich für den ganzen Auf-
bauprozess. Sie ist weiterhin eine ausdrücklich national
geführte Operation der USA. Sie steht damit im Wider-
spruch zum Unterstützungsansatz der Staatengemein-
schaft für die afghanische Regierung,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und sie ist eigentlich auch ein Affront gegen die Bünd-
nisloyalität, die in den letzten Wochen so stark von der
Bundesrepublik gefordert wurde. Eine solche Separat-
operation hat doch mit Bündnisloyalität absolut nichts zu
tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der harte Kern von „Enduring Freedom“ sind mehr
als tausend Spezialsoldaten, und diese sind Speerspitze
einer offensiven Bekämpfung des Aufstands und Terrors
der Taliban. Sie sind praktischer Ausdruck des „War
against Terrorism“. Sie sind damit Ausdruck der illusio-
nären Vorstellung, man könnte eine solche Art von Auf-
standsbewegung militärisch besiegen. Das ist eine Illu-
sion. Auch hierbei zeigt sich wieder: Die USA bringen

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(C (D ine beispiellose militärtechnologische Überlegenheit um Ausdruck. (Zuruf von der CDU/CSU: Aber es geht doch nicht um einen Aufstand!)


tändig werden taktische Siege gemeldet. In Wirklich-
eit müssen wir aber feststellen, dass der Einfluss der
aliban am Boden immer mehr zunimmt und dass dabei

mmer mehr Köpfe und Herzen der Menschen verloren
ehen. Diese Art der Kriegsführung ist auch unter Ver-
ündeten im Süden umstritten. Allerdings wird sie im
ahmen der NATO praktisch nicht thematisiert. Die
undesregierung darf sich nicht länger damit begnügen,
uf die eigenen unbestreitbaren Erfolge im Norden zu
erweisen. Sie muss diese Strategiedebatte in der NATO
ffensiv führen, damit es zu einem Strategiewechsel
ommt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Wir sind doch daran!)


Es reicht auch nicht, dass sich die Bundesrepublik
icht mehr an dieser Operation beteiligt – das ist ja das
indeste –, sondern die Bundesregierung muss sich da-

ür einsetzen, dass diese Separatoperation insgesamt ein-
estellt wird – sie ist, wie sich beim näheren Hinsehen
erausgestellt hat, ein Irrweg – und dass Ausbildungen
nd sicherheitspolitische Unterstützungen in Afghanis-
an nur noch unter dem Dach von ISAF und eindeutig im
ahmen von Völkerrecht und Menschenrecht stattfin-
en. Wenn dieses nicht geschieht, dann ist absehbar, dass
ie Eskalation gerade im Süden weitergeht und auch den
och relativ sicheren Norden nicht unbeschadet lässt.
eshalb: Aufbauoffensive einerseits, Strategiewechsel

ndererseits. Beides gehört untrennbar zusammen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614218700

Herr Kollege Nachtwei, kommen Sie bitte zum

chluss!


Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1614218800

Ich habe Sie gehört und höre sofort auf.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614218900

Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Dr. Sascha

aabe das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1614219000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen

nd Kollegen! Wenn ich mit Menschen in Deutschland
ber den Afghanistan-Einsatz diskutiere, dann werde ich
ls entwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
ft gefragt: Warum zieht ihr eure Soldaten nicht ab und
teckt die dafür vorgesehenen Mittel zusätzlich in den

iederaufbau und die Entwicklungszusammenarbeit?


(Beifall der Abg. Katrin Kunert [DIE LINKE])







(A) )



(B) )


Dr. Sascha Raabe
So ähnlich argumentiert ja auch die Linkspartei bzw. der
Kollege Gehrcke.

Als Parlamentarier und Entwicklungspolitiker, der
Verantwortung trägt und der natürlich wie alle Kollegin-
nen und Kollegen äußerst ungern und immer mit einem
Unwohlsein das Leben von Soldaten im Ausland ris-
kiert, muss ich auch die Frage stellen: Kann ich es ver-
antworten, Entwicklungshelfer von unseren staatlichen
Organisationen, aber auch von Nichtregierungsorganisa-
tionen, die wir finanziell unterstützen, mit dem Wissen
nach Afghanistan zu schicken, dass sie voraussichtlich
mit ihrem Leben dafür bezahlen müssen, wenn sie dort
ohne Schutz tätig sind?

Man muss diese Diskussion ehrlich miteinander füh-
ren. Wer sagt, dass die deutschen Truppen und das US-
amerikanische Militär aus dem Nordosten Afghanistans
abziehen sollen, der muss dazu sagen, dass das bedeuten
würde, dass wir von heute auf morgen alle Entwick-
lungshelfer abziehen müssten und dass all das gefährdet
wird, was wir in den letzten Jahren erreicht haben: Wir
haben 3 500 Schulen aufgebaut, und jetzt können 6 Mil-
lionen Schülerinnen und Schüler in die Schule gehen;
wir haben 2,5 Millionen Menschen mit Strom und fast
1 Million Menschen mit Trinkwasser versorgt. All das
würde gefährdet; denn wenn die US-Amerikaner und die
Deutschen Afghanistan verlassen, dann werden die Tali-
ban – anzunehmen, dass das anders wäre, ist ein großer
Trugschluss – nicht sagen: Schön, es werden weiter
Schulen gebaut, und die Frauen können sich weiterhin
am Leben beteiligen. – Ganz im Gegenteil: Die Taliban
sind doch gegen diese Ziele, die wir mit der Entwick-
lungszusammenarbeit erreichen wollen. Sie wollen doch
gar nicht, dass alle Menschen, also auch Frauen, ein An-
recht auf selbstbestimmte Bildung und freie Meinungs-
äußerung haben. Deswegen ist es den Menschen gegen-
über, denen wir helfen wollen, verantwortungslos, so zu
argumentieren wie die Linkspartei.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Die Wahrnehmung der Regierungsarbeit ist natürlich
in jedem Land unterschiedlich. Wenn man die Menschen
und Parteien in Deutschland über die Arbeit der Regie-
rung und die Lage in Deutschland befragen würde, ergä-
ben sich ganz verschiedene Bilder. Auch in Afghanistan
gibt es natürlich verschiedene Meinungen. Aber Sie von
der Linkspartei zitieren immer nur eine afghanische Ab-
geordnete als Kronzeugin. Im Rahmen einer Untersu-
chung der Freien Universität Berlin wurden die Men-
schen im Nordosten Afghanistans gefragt, wie sich aus
Ihrer Sicht die Sicherheitslage in Afghanistan verbessert
habe. 99 Prozent der Befragten sagen, dass sich die Si-
cherheitslage durch die ausländischen Truppen, insbe-
sondere durch die Präsenz der Deutschen, verbessert hat.
Zwei Drittel der Menschen, die dort leben – es wurde
nur nach den letzten zwei Jahren gefragt –, gaben an,
dass sie gespürt haben, dass sich ihre Lebenssituation
durch Straßenbau und Trinkwasserversorgung konkret
verbessert hat. Immerhin in der Hälfte aller Gemeinden,

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(C (D ie über die letzten zwei Jahre befragt wurden, haben die enschen gesagt: Bei uns können die Kinder jetzt wie er in die Schule gehen. Wir haben gesehen, dass eutschland Schulen bei uns baut und dass Entwick ungsorganisationen uns helfen. – Diese Menschen finen das also sehr positiv. Herr Gehrcke, Sie müssen den Kollegen eisskirchen richtig zitieren. Er hat nicht gesagt, dass er Krieg militärisch nicht zu führen ist, sondern er hat esagt: Der Krieg ist nicht allein militärisch zu führen. a hat Herr Weisskirchen recht. Dieser Unterschied ist ichtig. Das, was wir mit den Mitteln der Entwicklungs usammenarbeit dort machen – wir geben Eltern die öglichkeit, ihre Kinder in die Schule zu schicken, so ass sie nicht in die Koranschulen der Islamisten, der Taiban, gehen müssen –, ist der beste Schutz, die beste rävention davor, dass Menschen sich diesen Terroristen nschließen. Wir brauchen eben beides: Entwicklungsusammenarbeit und militärische Absicherung. Es muss die Möglichkeit geben, dass unsere Entwickungshelferinnen und Entwicklungshelfer diese Arbeit eisten. Wenn das der Fall ist, werden wir relativ schnell, n einigen Jahren, unsere Soldaten abziehen können. Die fghanen wünschen sich nichts mehr als das: Die Afhanen wollen selbst mit eigener Polizei, mit eigenem ilitär, mit ihren eigenen Möglichkeiten und mit ihren igenen Lehrerinnen und Lehrern, die wir ebenfalls ausilden, ihr Land gestalten. Sicherlich ist es deshalb wichig, dass wir ihnen dabei helfen. Ich sage zum Schluss: Wir sollten allen Entwickungshelferinnen und Entwicklungshelfern genauso wie nseren Soldaten dafür danken, dass sie diese Arbeit mahen. Wir sollten sie nicht gegeneinander ausspielen. Ich laube, dass unser Engagement in diesem Sinne gut ist. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614219100

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Auswärti-
en Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/
ie Grünen mit dem Titel „Für einen sicherheitspoliti-

chen Kurswechsel in Afghanistan – Nebeneinander von
SAF und OEF beenden“. Der Ausschuss empfiehlt in
einer Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/6497,
en Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
rucksache 16/5587 abzulehnen. Wer stimmt für diese
eschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es
nthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
timmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion, der
DP-Fraktion, der Fraktion Die Linke gegen die Stim-
en der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Petra Pau
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Das Instrument der Wahlbeobachtungen
durch die OSZE darf nicht geschwächt wer-
den – ODIHR muss handlungsfähig und unab-
hängig bleiben

– Drucksache 16/8048 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Markus Meckel für die SPD-Fraktion.


Markus Meckel (SPD):
Rede ID: ID1614219200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wir wollen in dieser Debatte deutlich machen,
dass Wahlbeobachtung ein zentrales und wichtiges In-
strument ist zur Stärkung von Demokratien, insbeson-
dere in solchen Ländern, in denen Demokratie noch eine
Aufgabe ist und in denen es wichtig ist, Prozesse zur De-
mokratie hin entsprechend zu unterstützen.


(Beifall des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD], des Abg. Markus Löning [FDP] und der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wahlbeobachtung soll Vertrauen in demokratische In-
stitutionen stärken, durch Transparenz und durch Kon-
trolle. Wie wir alle wissen, wird in manchen Ländern – ich
selber habe in einem solchen Land gelebt, in der DDR –
manches Wahl genannt, was keine Wahl ist. Aus dieser
Erfahrung heraus gab es 1990, das heißt in den Zeiten
der großen Umbrüche in Europa, die Initiative, für Wahl-
beobachtungen eine eigene Institution zu schaffen. Diese
Initiative kam – nicht ganz zufällig – aus Polen. Sie ging
von dem ersten nichtkommunistischen Ministerpräsiden-
ten, Tadeusz Mazowiecki, aus. Er hat damals nach War-
schau eingeladen.

Ich war damals, in dieser kurzen Umbruchzeit, als
Außenminister der DDR an den dortigen Diskussionen
beteiligt. Es ging darum, wie Wahlbeobachtungen statt-
finden und wo die entsprechenden Institutionen angesie-
delt werden sollten. Ich glaube, dass es ein ganz wesent-
licher Schritt war, dass in jener Umbruchzeit damals
diese Initiative gestartet wurde. Heute können wir sagen:
ODIHR ist ein Erfolg. ODIHR ist ein europäischer
Erfolg. ODIHR ist ein Erfolg für die Demokratie in
Europa.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Erfolg dieser Institution – ich beschränke mich in
meiner Aussage ganz klar auf diese Institution, die wir in
Warschau haben – hängt ganz wesentlich an ihrer Unab-
hängigkeit; dies ist auch im Antrag mit Recht sehr deut-
lich ausgesprochen worden. Die Mitgliedstaaten der
OSZE und andere Institutionen sollen keine Möglichkeit
haben, unmittelbar auf die Beschreibung des Wahlergeb-

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(C (D isses einzuwirken. – Das ist das eine, was für die Zuunft unbedingt festgehalten werden muss. Das Zweite, was hier festgehalten werden muss: Es edarf der langfristigen Wahlbeobachtung. Viele Kolleen, gerade auch von uns, die wir uns mit diesem Thema eschäftigen, haben in der Vergangenheit an Wahleobachtungen teilgenommen, an solchen durch die SZE, durch den Europarat, durch die NATO-Versamm ung oder durch andere parlamentarische Versammlunen. Es ist wichtig, dass wir als Parlamentarier an solhen Wahlbeobachtungen teilnehmen. Jeder, der dies etan hat, weiß, dass die Anreise kurz vorher und das Ereben am Wahltag – kurz danach reist man wieder ab – azu dienen, dem, was durch Langzeitbeobachtung festestellt wurde, Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit zu erschaffen. Diejenigen, die Langzeitbeobachtung vor rt machen, haben die eigentliche Erfahrung. Das ist der ern wirklicher Wahlbeobachtung. (Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir brauchen eine langfristige Wahlbeobachtung. Es
uss beobachtet werden, wie die Kandidatenaufstellung

äuft, wie der Zugang zu den Medien ist, ob die Bürger
m Vorfeld das Recht haben, wirklich freie Wahlen vor-
ubereiten, sodass sie wissen, welche Kandidaten es
ibt, was bzw. wen sie wählen können. Diese Differen-
ierung ist dringend notwendig. Sie ist mit einer Kurz-
eitbeobachtung nicht zu leisten.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In diesen Kontext gehört auch die Zahl der Wahl-
eobachter. Eine Beschränkung, wie manche sie vor-
chlagen, ist kontraproduktiv. Das Ergebnis wäre eine
ahlbeobachtung, die nicht wirklich offen ist und die

ie Dinge nicht entsprechend untersuchen kann. Sie
ührte zu einer Legitimation von Wahlen, die eben nicht
air abgelaufen sind, was das ganze Instrument diskredi-
ieren würde.

Wir brauchen sogar noch einen Fortschritt gegenüber
em, was bisher ist. Wahlbeobachter sollten für die Zeit,
n der sie diese Tätigkeit ausüben, den Diplomatenstatus
rhalten. Dieser Status ist wichtig für die Akzeptanz im
and. In einem Land, in dem man lieber verhindern
ürde, dass die Wahlbeobachtung allzu intensiv wird,
ürde so ein Schutz für die Wahlbeobachter geschaffen.


(Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In jüngster Zeit sind von Russland und anderen Län-
ern leider Versuche unternommen worden, die Balance,
ie wir gerade erreicht haben, zu zerstören, indem man
ie Unabhängigkeit verhindert. Der Ministerrat sollte
ntscheiden, Staatengruppen innerhalb der OSZE sollten
influss gewinnen, damit ein politischer Streit über die
ewertung einer Wahl stattfinden kann. Solchen Versu-
hen müssen wir widerstehen. Eher sind die Instrumente
u schärfen, als dass wir politischen Einfluss zulassen
ürfen.






(A) )



(B) )


Markus Meckel

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Markus Löning [FDP])


Leider hat es in der Vergangenheit so manche Diskus-
sion und Spannung zwischen der Parlamentarischen Ver-
sammlung der OSZE und ODIHR gegeben. Ich glaube,
dass solche Spannungen ausgesprochen kontraproduktiv
sind


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Richtig!)


und wir als Parlamentarier in aller Klarheit den Wert von
ODIHR wie eine Perle hochhalten sollten; denn die
Kernkriterien von wirklicher Wahlbeobachtung sind
Langfristigkeit, Transparenz und Unabhängigkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Diese Kriterien sollten wir als Parlamentarier unterstüt-
zen und öffentlich immer wieder ihren Wert deutlich ma-
chen.

Das heißt, Versuche von Parlamentariern, parallel zu
den Berichten von ODIHR eigene Berichte zu schreiben,
sind kontraproduktiv und helfen uns nicht. Vielmehr
schaden sie unserem Image. Von gemeinsamer unabhän-
giger Wahlbeobachtung kann dann nämlich keine Rede
mehr sein. Ich halte es deshalb für ausgesprochen wich-
tig, dass diese Kriterien beibehalten werden und wir als
deutsche Parlamentarier uns gemeinsam innerhalb der
Parlamentarischen Versammlung dafür einsetzen, die-
sen Streit zu beenden, und zwar so, dass die genannten
Kriterien nicht angetastet werden.

Ein letztes Wort zu früheren Wahlbeobachtungen. Mir
bereitete es große Sorge, wie etwa die Wahlbeobachtung
in Georgien vonstatten gegangen ist. Wenn Wahlbe-
obachter, seien es auch Parlamentarier, bei der Vorstel-
lung von Kandidaten auftreten und sehr deutlich ma-
chen, dass sie für einen bestimmten Kandidaten
besondere freundschaftliche Gefühle hegen, dann wird
damit die Neutralität der Wahlbeobachtung, die dringend
nötig ist, verletzt. Dies schadet der gemeinsamen Wahl-
beobachtung. Ich denke, dass wir darauf achten müssen,
dass die Neutralität strikt gewahrt wird. Es muss immer
der Grundsatz gelten: Wir als Parlamentarier nehmen an
Wahlbeobachtung teil, um die professionelle Wahlbe-
obachtung von ODIHR entsprechend zu unterstützen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich bedaure sehr, dass keine Beobachtung bei den
jetzt anstehenden Wahlen in Russland möglich ist. Ich
begrüße aber, dass ODIHR seinen Prinzipien treu geblie-
ben ist und deutlich gemacht hat, dass man sich nicht er-
pressen lässt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)


Wenn es nur einer sehr begrenzten Zahl von Wahlbe-
obachtern von russischer Seite gestattet wird, einige we-
nige Tage vor der Wahl nach Russland zu reisen, wird
die Wahlbeobachtung konterkariert – faktisch mit dem
Ziel, eine Legitimation für eine nicht fair durchgeführte
Wahl zu bekommen. Das können wir nicht zulassen und

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(C (D üssen in dieser Frage ODIHR den Rücken stärken. Ich offe sehr, dass wir dies hier gemeinsam tun. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614219300

Das Wort hat der Kollege Markus Löning für die

DP-Fraktion.


Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1614219400

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Wir

ussten heute Morgen den Spott des lupenreinen Auto-
raten Wladimir Putin zur Kenntnis nehmen, der über
ine Agentur verbreitet hat,

die OSZE verzichte in einigen Ländern auf die Ent-
sendung von Wahlbeobachtern, damit diese zu
Hause ihren Frauen das Kochen der russischen
Kohlsuppe … beibringen könnten.

as ist eine politische Sichtweise gegenüber Wahlbe-
bachtung, die absolut inakzeptabel ist.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


as ist eine Herangehensweise, die die Axt an die Wur-
el der OSZE legt.

Die OSZE basiert auf Zusammenarbeit und Ver-
rauen. Wer die OSZE und ihre Wahlbeobachtungsmis-
ionen in dieser Art und Weise verspottet, zeigt, wes
eistes Kind er ist und was er von Wahlbeobachtung
nd von Demokratie hält. Es steht nämlich dem Präsi-
enten von Russland, das ja Mitglied der OSZE ist, nicht
u, sich so zu äußern. Er muss sich auch die Frage gefal-
en lassen, welche Wirkung das auf andere Länder hat,
enn er in so spöttischem Ton über die OSZE spricht.
ies stellt die verbale Materialisierung dessen dar, was
ir bei dem Drama der Beobachtung der Duma-Wahlen

rlebt haben. Sie, Herr Meckel, haben gerade in Bezug
uf die Präsidentschaftswahlen geschildert, wie Russ-
and hier versucht, sich einen schlanken Fuß zu machen
nd die Wahlbeobachtung durch Hinhaltetaktiken und
nmögliche Auflagen zu verhindern und letzten Endes
en anderen Ländern dafür die Schuld in die Schuhe zu
chieben. Das ist nicht akzeptabel. ODIHR ist ein abso-
ut wichtiges Mittel für die Vertrauensbildung und die
usammenarbeit in Europa. Vertrauen braucht Transpa-

enz, und Wahlbeobachtung durch die ODIHR schafft
ransparenz und dadurch Vertrauen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich etwas zum Thema Langfristbeobach-
ung sagen, weil das hier in Bezug auf Russland eine
roße Rolle gespielt hat. Jeder von uns hat selber schon
ahlkampf geführt und weiß, dass die korrekte Durch-

ührung im Wahllokal selbstverständlich von entschei-
ender Bedeutung ist, dass wichtig ist, dass dort nicht
etrogen wird. Aber jeder von uns weiß genauso gut,






(A) )



(B) )


Markus Löning
dass es auch auf die vier bis acht Wochen vorher an-
kommt und auf die Fragen: Welchen Zugang zu den Me-
dien habe ich? Wie kann ich für meine Position Wahl-
kampf betreiben und auf mich aufmerksam machen?
Habe ich Zugang zu den Bürgern? Habe ich Zugang zu
den Medien? Kann ich mich in den öffentlichen Medien
darstellen? Oder ist diese Darstellung auf die eine oder
andere Staatspartei beschränkt, wie wir das in Russland
erlebt haben? – Es ist von höchster Wichtigkeit, dass die
Langzeitbeobachtung durch ODIHR weiter fortgesetzt
wird. Anders werden wir keine Neutralität und keine
echte Darstellung dessen bekommen, was in den Wahl-
kämpfen wirklich geschieht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich an der Stelle einen Satz einflechten,
Herr Meckel, weil Sie Georgien angesprochen haben:
Ich kann Ihnen da nur voll beipflichten. Das, was ich
dazu gelesen habe, geht nicht; das will ich auch für die
Delegation des Europarates sagen. Wir demontieren un-
sere eigenen Instrumente, wenn wir dort die falschen
Leute hinschicken und sich diese so verhalten, wie Sie es
gerade hier geschildert haben. Auch wir haben die
Pflicht, darauf zu achten, dass Europarat und OSZE die
richtigen Leute dort hinschicken und ordentlich be-
obachten lassen.


(Beifall des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


Meine Damen und Herren, wir senden mit diesem
Antrag ein klares Signal für eine vernünftige Fortfüh-
rung der Arbeit von ODIHR, für eine Stärkung und die
Unabhängigkeit von ODIHR aus. Wir können nicht wol-
len, dass die Minister sich im Ministerrat über die politi-
sche Bewertung einer Wahl unterhalten. Die Wahlbe-
obachtung muss unabhängig erfolgen. Es ist essenziell,
dass die ODIHR, auch in der Bewertung, ihren
unabhängigen Status behält. Ich glaube, dass es ein gu-
tes, ein starkes Signal des Deutschen Bundestages in
Richtung Russland ist, wenn wir das mit vier Fraktionen
gemeinsam beschließen. Ich hoffe, dass die Bundesre-
gierung sich dem anschließt und dieses Signal des Deut-
schen Bundestages auch im OSZE-Ministerrat weiter-
gibt.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614219500

Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Eckart

von Klaeden das Wort.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1614219600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle-

gen! In unserem interfraktionellen Antrag fordern wir
die Kolleginnen und Kollegen in der russischen Staats-
duma auf, sich dafür einzusetzen, dass die Zahl interna-
tionaler Wahlbeobachter bei kommenden Wahlen in

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(C (D ussland wieder deutlich erhöht wird. Das bezieht sich or allem auf die bevorstehenden Präsidentschaftswahen am 2. März. Aber aufgrund des Verhaltens der russichen Regierung muss diese Aufforderung leider als obolet betrachtet werden. Eine ähnliche Situation, wie wir sie jetzt vor den Präidentschaftswahlen erleben, haben wir vor zwei Monaen schon einmal erlebt, als es um die Duma-Wahlen geangen war. Auch jetzt hat die russische Regierung ieder die Beobachtung des Wahlkampfes in den letzten ochen vor dem Wahltermin unmöglich gemacht und ie Anzahl der Wahlbeobachter reduziert. Deswegen war s eine konsequente und richtige Entscheidung sowohl es für Wahlbeobachtungen zuständigen OSZE-Büros ür demokratische Institutionen und Menschenrechte, bgekürzt ODIHR, als auch der Parlamentarischen Verammlung der OSZE, die jeweils geplanten Missionen bzusagen. Das russische Verhalten ist insbesondere vor dem intergrund bedauerlich, dass Russland im Jahre 1994 en Beschluss der OSZE unterstützt hatte, ODIHR eine rößere Rolle bei der Beobachtung von Wahlen einzuäumen, und mit dieser Entscheidung auch eine Selbsterpflichtung eingegangen ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir sprechen hier und auch in der deutschen Öffent-
ichkeit viel über die Frage, wie wir unser Verhältnis zu
ussland gestalten sollen. Ich will ganz deutlich sagen:
ie sich Russland im Rahmen der OSZE und im Euro-

arat verhält, ist ein Lackmustest dafür, wie europa-
reundlich Russland ist und ob Russland ein guter Nach-
ar sein will.


(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Unter der Bezeichnung „Organisation für Sicherheit
nd Zusammenarbeit in Europa“ wurde am 1. Januar
995 die „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit
n Europa“ institutionalisiert. Die KSZE leistete einen
ichtigen und nicht wegzudenkenden Beitrag zum Frie-
en in Europa. Die Konferenz war die einzige Organisa-
ion, die über die Blöcke hinweg Mitgliedstaaten der
ATO, des Warschauer Paktes sowie neun weitere neu-

rale und blockfreie Staaten Europas zusammenführte.

In der Schlussakte von Helsinki aus dem Jahre 1975
urden drei Themenbereiche, die sogenannten Körbe,

estgelegt: erstens militärisch-politische Fragen, zweitens
ragen der wirtschaftlichen Kooperation sowie drittens
ie menschliche Dimension, das heißt die Verpflichtung
ur Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten.
abei stand die Idee, dass es in Europa nur eine gemein-

ame und nicht eine zweigeteilte Sicherheit geben kann,
Mittelpunkt. Deswegen ist diese Idee im Rahmen der

SZE nach wie vor wichtig und aktuell. Wer sich diesem
edanken verpflichtet fühlt, der muss sich im Rahmen
ieser Organisation auch konstruktiv verhalten.





)


(B) )


Eckart von Klaeden
Immer wieder gingen von den KSZE-Treffen wich-
tige Impulse aus. Die Schlussakte von Helsinki aus dem
Jahre 1975 habe ich schon genannt. Aber auch die
Charta von Paris aus dem Jahre 1990 und die Europäi-
sche Sicherheitscharta von Istanbul aus dem Jahre 1999
sind wichtige und bedeutende Dokumente dieses europäi-
schen Friedens- und Entspannungsprozesses.

In der Charta von Paris verpflichteten sich die KSZE-
Staaten, „die Demokratie als die einzige Regierungsform
unserer Nationen aufzubauen, zu festigen und zu stär-
ken“. Demokratie wurde definiert als auf den Volkswil-
len gegründet,

der seinen Ausdruck in regelmäßigen, freien und
gerechten Wahlen findet. Demokratie beruht auf
Achtung vor der menschlichen Person und Recht-
staatlichkeit. Demokratie ist der beste Schutz für
freie Meinungsäußerung, Toleranz gegenüber allen
gesellschaftlichen Gruppen und Chancengleichheit
für alle.

Menschenrechte und Grundfreiheiten wurden als allen
Menschen von Geburt an eigen bezeichnet. Sie seien un-
veräußerlich und durch das Recht gewährleistet.

Die Festlegung dieser gemeinsamen Standards war
ein Meilenstein in der Geschichte des Nachkriegseuro-
pas. Doch leider war dem in der Pariser Charta angekün-
digten Zeitalter der Demokratie, des Friedens und der
Freiheit keine allzu lange Dauer beschieden. Nur wenige
Jahre später brachen alte Divergenzen wieder auf, die
leider nie vollständig ausgeräumt waren. Russland
wollte zu den Erklärungen der Schlussakte von Helsinki
zurückkehren und damit die „alten Reviere“ wiederbele-
ben, während die meisten anderen OSZE-Staaten mit der
Entwicklung nach dem Ende des Kalten Krieges aus gu-
ten Gründen zufrieden waren und sind.

Der Kern dieses Konflikts in der OSZE zwischen den
westlichen Staaten und Amerika sowie der Mehrheit der
früher zur Sowjetunion gehörenden Staaten einerseits
und Russland andererseits besteht in der unterschied-
lichen Interpretation der Konvention. Während der Wes-
ten und die genannten Staaten die KSZE/OSZE-Doku-
mente als Basis für die Verbreitung von gemeinsamen
Werten betrachten, sieht Russland darin eine Auseinan-
dersetzung um geopolitische Einflusssphären. Es stellt
sich daher die Frage, wie vor diesem unterschiedlichen
Hintergrund weiter vorzugehen ist.

Russland behauptet, am Bestand der OSZE weiterhin
ein Interesse zu haben. Diese Aussage muss man ange-
sichts des russischen Verhaltens der letzten Monate aller-
dings in Zweifel ziehen. Auch für Moskau gelten die
Selbstverpflichtungen im Rahmen der OSZE. Die OSZE
ist eben nicht nur eine Plattform, die man zur Durchset-
zung der eigenen Interessen benutzt. Sie ist ein Forum,
in dem alle 56 Mitgliedstaaten gleichrangig und gleich-
berechtigt Fragen diskutieren können, aber auch Ent-
scheidungen treffen müssen.

Dass Beschlüsse einstimmig gefasst werden müssen,
macht die Arbeit der Organisation allerdings nicht einfa-
cher. Wichtig ist jedoch, dass die OSZE glaubwürdig
bleibt und an ihren Prinzipien festhält. Das gilt im Übri-

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(C (D en auch für die Parlamentarische Versammlung der SZE, die das Ziel verfolgt, die parlamentarische Betei igung an den OSZE-Aktivitäten zu begleiten und zu förern. Eine enge Zusammenarbeit zwischen den beiden oranisatorisch völlig unabhängig arbeitenden Institutioen ist daher nicht nur wünschenswert, sondern auch otwendig. Es ist somit nur folgerichtig, dass sich nun ach ODIHR auch die OSZE-PV entschlossen hat, keine eobachter zu den russischen Präsidentschaftswahlen zu ntsenden, wie sie dies noch zur Duma-Wahl getan hatte. ollen wir die Werte und die Interessen, die dem Ge anken der OSZE zugrunde liegen, hochhalten und verreiten, so müssen deren Institutionen an einem Strang iehen. Gegenseitige Eitelkeiten sind hier absolut fehl m Platze. Damit würde man nur das Geschäft derjenien betreiben, die einen Keil zwischen diese beiden Einichtungen treiben wollen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Eine ähnliche Entwicklung wie in der OSZE ist be-
auerlicherweise im Europarat festzustellen. Sichtbar
urde das erst vor einigen Wochen bei der anstehenden
ahl des neuen Präsidenten der Parlamentarischen Ver-

ammlung des Europarates. Gemäß dem ungeschriebe-
en Gesetz der Rotation zwischen den fünf politischen
ruppierungen hätte der Vorsitzende eigentlich von
ussland gestellt werden müssen.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Von der bürgerlichen Gruppe, nicht von Russland!)


Von der bürgerlichen Gruppe, die dann wiederum den
epräsentanten von Putins Partei „Einiges Russland“
orgeschlagen hatte. – Die anderen Gruppierungen hiel-
en aber eine solche Wahl zu Recht mit den Prinzipien
es Europarates für unvereinbar.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Mit dem Ansehen der vorgeschlagenen Person!)


Exakt; davon habe ich ja gesprochen, Frau Kollegin.

Zu wenig entspricht die politische Situation in Russ-
and – dabei nehme ich nicht nur Bezug auf die keines-
egs fair verlaufenen Duma-Wahlen, sondern auch auf
ie düstere Lage in Tschetschenien, die zunehmende
inschränkung der Bürger- und Freiheitsrechte, die Gän-
elung unabhängiger Journalisten und die Behandlung
on Vertretern ausländischer Institutionen, zum Beispiel
es British Council usw. – den Standards des Europara-
es. Hinzu kommt: Das russische Parlament hat bis heute
as Abkommen zur Abschaffung der Todesstrafe nicht
atifiziert, obwohl Russland seit 1996 Mitglied des Euro-
arates ist und damit für Russland der Beitritt zur Euro-
äischen Menschenrechtskonvention sowie ihrer Zusatz-
rotokolle verbindlich ist.

Bedauerlicherweise blockiert Russland auch die Re-
orm des Europäischen Gerichtshofes für Menschen-
echte, weil Moskau nicht das 14. Zusatzprotokoll ratifi-
iert, das eine Reform des Gerichtshofes so möglich

(A)







(A) )



(B) )


Eckart von Klaeden
machen würde, dass er tatsächlich seiner Aufgabe wie-
der nachkommen und sich auf die wesentlichen Fälle
konzentrieren kann.

Abschließend will ich betonen: Es gibt in der Frage
unseres Verhältnisses zu Russland, in der Energiesicher-
heit, bei Pipelineprojekten, in der Raketenabwehr und
der Nachbarschaftspolitik, sicherlich Punkte, über die
man streiten kann und bei denen wir in diesem Haus un-
terschiedlicher Ansicht sind. Dass uns die OSZE und der
Europarat wichtig sind, steht aber außer Zweifel und ist
der Lackmustest für die Europafreundlichkeit und die
Frage, ob Russland ein guter Nachbar in Europa sein
will.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614219700

Das Wort hat die Kollegin Monika Knoche für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Monika Knoche (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614219800

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren und

Damen! Mit der Gründung der KSZE vor 30 Jahren wa-
ren die Vereinbarung über vertrauensbildende Maßnah-
men im militärischen Bereich und die gegenseitige Zusi-
cherung der territorialen Integrität verbunden, aber auch
– daran erinnere ich mich gut und gern – die große Hoff-
nung auf Anerkennung der Menschenrechte durch die
damalige Sowjetunion. Der Geist von Helsinki gab Zu-
versicht, dass ein gewisses Maß an Demokratie, Weltof-
fenheit sowie an kulturellen und politischen Freiheiten
auch innerhalb des Warschauer Vertragsstaatenbündnis-
ses möglich werden könnte. Es ist schade, dass man mit
Blick auf das Russland von heute diese Leistung von
Breschnew damals wenig sieht.


(Dr. Stephan Eisel [CDU/CSU]: Leistung von Breschnew? Das war doch keine Leistung von Breschnew! Das ist Geschichtsklitterung!)


Es ist aber auch schade, dass das heutige Russland sei-
nem historischen Anteil an dieser wichtigen Tradition so
wenig Beachtung schenkt.

Die OSZE wurde zum Begleiter des Transformations-
prozesses, zum Wahlbeobachter in ehemaligen Sowjetre-
publiken. Heute stellen wir fest, dass, wenn es um die
Beurteilung des demokratischen Prozesses geht, viel zu
sehr danach gefragt wird, wie stark die Westausrichtung
und die Öffnung zur NATO sind und wie erfolgreich die
orangenen Revolutionen waren. Das wird quasi als De-
mokratiesiegel bewertet. Das kritisieren wir, die Linken.


(Dr. Stephan Eisel [CDU/CSU]: Wie frei sind die Wahlen, ist die Frage!)


Die Absage der Wahlbeobachtung der OSZE anzulas-
ten, wie Russland das derzeit tut, kann die Zustimmung
der Linken nicht finden.

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(C (D (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Na, immerhin! – Dr. Stephan Eisel [CDU/CSU]: Vielleicht kritisieren Sie es auch!)


ie Präsidentenwahlen in Russland werden stattfinden,
hne dass die Bürgerinnen und Bürger eine wirkliche
ahlmöglichkeit haben. Dass der Wahlprozess demo-

ratischen Standards entsprechen oder genügen würde,
ehauptet noch nicht einmal die KP Russlands. Der zu
rwartende Wahlsieg von Medwedew wird aber kaum
uf Wahlmanipulation, sondern wohl doch auf überwäl-
igende Zustimmung für Putin und seinen Kandidaten
urückzuführen sein.


(Dr. Stephan Eisel [CDU/CSU]: Bei der Medienmanipulation vorher! – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Manipulation war vorher!)


Man möchte meinen, dass es im Eigeninteresse Russ-
ands läge, das Büro für demokratische Institutionen und

enschenrechte der OSZE zu stärken. Angesichts be-
timmter Bedrohungen, denen sich Russland durch
ATO-Ausdehnung und Raketenstationierungen zurzeit

usgesetzt sieht, versteht man durchaus, dass es Stärke
emonstrieren will.


(Dr. Stephan Eisel [CDU/CSU]: Jetzt rechtfertigen Sie das auch noch!)


ie OSZE darf aber nicht Schaden nehmen. Wir halten
ie rigide Haltung Russlands in der Frage der Wahlbeob-
chtung für nicht angebracht.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


In Ihrem Antrag wird – ein wenig versteckt – Russ-
and aber doch in gewisser Art und Weise angegriffen.
s wird behauptet, die Kernelemente der KSZE/OSZE-
ereinbarung würden von Russland nicht mehr verfolgt.
einer Ansicht nach wird zu stark betont, dass sich
ussland außerhalb dieses Bekenntnisses stellt. Auch
ie Worte von Herrn von Klaeden waren ziemlich ge-
agt. Er hat sich weit vorgewagt, was die Beurteilung
er zukünftigen Zusammenarbeit zwischen Europa und
ussland angeht. Ich darf sein Wort „Lackmustest“ in
rinnerung rufen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Ist das falsch?)


ch weiß nicht, ob das mit der Politik der strategischen
artnerschaft, die Außenminister Steinmeier betreibt, in
inklang zu bringen ist. Vielleicht sollten Sie sich ein-
al abstimmen, wie Sie sich zu Russland äußern wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sind Sie meiner Meinung oder seiner?)


Sie bilanzieren die Fehlleistungen der OSZE-Wahlbe-
bachter in Georgien nicht wirklich.


(Dr. Stephan Eisel [CDU/CSU]: Das ist doch klar angesprochen worden!)







(A) )



(B) )


Monika Knoche
Ich könnte hier einen Kollegen der CDU zitieren: Die
OSZE musste mit ihrer Einschätzung, dass Saakaschwili
dort demokratisch gewählt wurde, zurückrudern.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das stimmt auch nicht! Das ist auch nicht wahr! – Uta Zapf [SPD]: Das Gegenteil war der Fall!)


Wie dem auch sei, Sie hätten bei der Formulierung Ih-
res gemeinsamen Antrages meines Erachtens etwas
mehr maßhalten sollen. So richtig die Forderungen an
und für sich sind und so autoritär die Gesten Russlands
sind, so reflexartig reagieren Sie in alter Manier auf die
aufstrebende Macht Russland.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Deshalb können wir dem Antrag so nicht zustimmen,
wenngleich wir das Anliegen nachdrücklich unterstüt-
zen, dass das Instrument der Wahlbeobachtung durch die
OSZE zu stärken ist, und auch wir der Auffassung sind,
dass die Aktivitäten Russlands dem nicht helfen.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614219900

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die

Kollegin Marieluise Beck das Wort.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich möchte unseren Blick einen Moment von
der Frage abwenden, wie es Russland mit der Demokra-
tie hält, und ihn stattdessen zurücklenken auf die Institu-
tionen OSZE-Parlamentarierversammlung und ODIHR,
diese Perle, wie der Kollege Meckel sie genannt hat. Wir
Parlamentarier haben uns bei der Aufgabe, diese beiden
Organisationen zusammenzuhalten, was eine Gratwan-
derung ist, manchmal nicht ausreichend gut verhalten.


(Markus Meckel [SPD]: Leider ja!)


Im Vorfeld der Duma-Wahlen gab es eine klare Ent-
scheidung von ODIHR, nachdem den Wahlbeobachtern
in Russland die für eine Langfristbeobachtung und -be-
wertung notwendige Zeit nicht gegeben worden war.
Dann gab es vonseiten der Parlamentarischen Versamm-
lung leider eine abweichende Entscheidung, die in der
Konsequenz bedeutet: Russland konnte mit dem Prinzip
„divide et impera“ durchkommen und sagen: Ihr Kurz-
zeitbeobachter, die ihr am Samstag einfliegt, wunderbar
geführte Wahlkabinen und frische Räume seht und am
Montagmorgen wieder abfliegt, könnt gern einmal einen
oberflächlichen Blick nehmen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Potemkinsche Wahllokale!)


Euch lassen wir gern kommen.

Aber die, die wirklich in die Tiefe schauen, sind nicht
willkommen. Da, Frau Kollegin Knoche, entscheidet
sich die Frage, ob Wahlen fair und frei sind. Tiefe heißt

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(C (D ämlich Medienzugang. Können die Kandidaten überaupt an die Öffentlichkeit gehen? Können Parteien berhaupt registriert werden? Gibt es die freie Presse? ibt es das Recht auf das freie Wort? All das können wir arlamentarier als Kurzzeitbeobachter nicht bewerten. as kann in der Tat in professioneller Weise nur das DIHR-Büro in Warschau mit einem harten Benchmaring-System und mit gut ausgebildeten Mitarbeitern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Unsere Aufgabe als Parlamentarier ist, dass wir unse-
en parlamentarischen Vertretern und ODIHR sehr deut-
ich die Sicherheit vermitteln, dass wir nicht damit ein-
erstanden sind, wenn Entscheidungen dieser beiden
eilorgane, der Parlamentarischen Versammlung und
DIHR, auseinanderfallen. Denn wir wissen, dass selbst

n dieser Institution Mitglieder sind, die sie nach dem
rinzip „divide et impera“ von innen aushöhlen wollen.
ch glaube, jetzt ist sehr klar geworden, worum es in der
ergangenheit ging.

Mit der OSZE waren große Hoffnungen auf eine
locküberwindung verbunden. Sie hat unendlich viele
chwächungen und Kränkungen hinnehmen müssen. Ich
enke nur an das Ausscheiden unseres Kollegen Duve
ls Medienbeauftragter. Er hat resigniert, weil die
urchsetzungsfähigkeit der OSZE sehr begrenzt ist. Sie

st begrenzt, weil sie ausschließlich mit Dialog und Kon-
ens arbeitet. Das erfordert eine unendliche Geduld und
ähigkeit. Die Durchsetzungsmittel sind die Kraft der
ahrheit, die Macht der Moral, der Ethik und der Glaub-
ürdigkeit. Deswegen müssen wir mit diesem Instru-
ent sehr sorgsam umgehen.

Glaubwürdigkeit bedeutet niemals Einäugigkeit.
laubwürdigkeit bedeutet, sich nicht verführen zu las-

en, parteilich zu sein, und weiterhin um die Standards
u ringen, auf die wir uns alle gemeinsam verpflichtet
aben, und dann die beim Wort zu nehmen, die Teil der
nstitutionen sind, aber die Standards nicht erfüllen.

Schönen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614220000

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
raktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/
ie Grünen auf Drucksache 16/8048 mit dem Titel „Das

nstrument der Wahlbeobachtungen durch die OSZE
arf nicht geschwächt werden – ODIHR muss hand-
ungsfähig und unabhängig bleiben“. Wer stimmt für
iesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? –


(Dr. Stephan Eisel [CDU/CSU], an DIE LINKE gewandt: Dagegen? Das gibt es ja wohl nicht! – Gegenruf der Abg. Monika Knoche [DIE LINKE]: Warum arbeiten Sie nie mit uns zusammen? Was hindert Sie daran?)







(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Petra Pau
Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen
der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion, der FDP-Fraktion
und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen einige
Stimmen der Fraktion Die Linke und bei Enthaltung ei-
niger Mitglieder der Fraktion Die Linke angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten
Gisela Piltz, Ina Lenke, Patrick Döring, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Lage der Kommunen in der Bundesrepublik
Deutschland

– Drucksachen 16/1457, 16/5032 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion der FDP sechs Minuten erhalten soll. – Ich höre
zu dieser Vereinbarung keinen Widerspruch. Dann ist so
beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Gisela Piltz für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1614220100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Kommunen sind das Fundament unseres Staates.
Hier wurzelt die Demokratie. Hier findet das Leben der
Menschen jeden Tag statt. Hier arbeiten sie, hier gründen
sie Familien, und hier verbringen sie ihren Lebensabend.
Kommunen sind aber auch das Fundament von Bürger-
tum und Gesellschaft, etwas, auf das wir alle Wert legen.
Hier sind die Menschen ehrenamtlich engagiert, hier
werden Kunst und Kultur geschaffen, und hier ist bür-
gerschaftliche Hilfe aktuell.

Leider bereitet uns die Situation der Kommunen seit
Jahren große Sorgen. Die Folgen spüren Sie alle jeden
Tag in Ihren Städten und Gemeinden. In Schulen und
Kindergärten tropft es hinein, Büchereien und Schwimm-
bäder werden geschlossen, die Straßen sind holprig und
vieles andere. Das heißt – das ist jedem von uns klar –:
Den Kommunen fehlt vielerorts der finanzielle Hand-
lungsspielraum, um ihren Aufgaben noch nachkommen
zu können.


(Beifall bei der FDP)


Wo selbst für das Nötigste das Geld fehlt, fehlen erst
recht die Mittel, um die Grundlage für die Zukunft zu
schaffen. Das wäre die Aufgabe der Gemeinden; sie
können sie aber nicht erfüllen. Das allein wäre aus mei-
ner Sicht schon Grund genug dafür, dass sich der Deut-
sche Bundestag mit der Lage der Kommunen beschäf-
tigt. Was aber hat die Große Koalition gemacht, als wir
einen entsprechenden Antrag gestellt haben? Sie hat ihn
abgelehnt. Die Kommunen waren Ihnen offensichtlich
egal.


(Maik Reichel [SPD]: Quatsch!)


Wir haben deshalb eine Große Anfrage gestellt – die
Bundesregierung hat übrigens sehr lange gebraucht, um
sie zu beantworten –, über die wir hier und heute debat-

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(C (D ieren. Ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, ass die kommunalpolitischen Sprecher der Koalitionsraktionen heute nicht zu diesem Thema sprechen; as finde ich interessant. Vielleicht haben Sie die Mögichkeit, uns über die Gründe aufzuklären. Ich persönlich inde das enttäuschend, weil ich gedacht habe, dass dieenigen, die sich in der Großen Koalition mit Kommualpolitik beschäftigen, zu diesem Thema Stellung nehen. (Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Wir haben nun einmal sehr viel Kompetenz!)


(Zuruf von der CDU/CSU: Aber sie sind da!)


enn ich das einmal so sagen darf: Was den Bundestag
ngeht, heißt das für die Kommunen in den nächsten
wei Jahren nichts Gutes.


(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Katrin Kunert [DIE LINKE])


Die nächsten Probleme sind bereits am Horizont zu
ehen. Der demografische Wandel wird die Kommunen
n unterschiedlichem Ausmaß treffen. Keine Kommune
ird davon unbeeinflusst bleiben. Die Herausforderun-
en stellen sich schon jetzt; denn Städte, Gemeinden und
ommunen zu verändern, das ist nicht von heute auf
orgen möglich. Schon heute ist abzusehen, dass vom

emografischen Wandel in besonderem Maße die Kom-
unen in den neuen Bundesländern betroffen sein wer-

en.

Bis zum Jahre 2050 wird die Gesamtbevölkerung
eutschlands auf circa 68,5 Millionen Bürger sinken.
rei von vier deutschen Kreisstädten werden bereits im

ahr 2020 weniger Einwohner haben als jetzt. Noch stär-
er fällt diese Entwicklung außerhalb der Städte aus. Zu-
leich wird der Anteil der Personen, die aktiv am Ar-
eitsleben teilnehmen, immer geringer. Auch das wird
ie Kommunen und Städte vor große Probleme stellen
nd insbesondere Städte und Regionen in strukturschwa-
hen Gebieten treffen. Diese Trends dürften sich durch
ie zunehmende Abwanderung noch verstärken. Die
ommunen müssen gewappnet sein, um diese Heraus-

orderungen bewältigen zu können. Dabei muss jede
ommune selbst entscheiden, was sie tut. Wir können
en Kommunen keine Ratschläge erteilen. Eines können
ir allerdings tun: Wir können für ausreichende finanzi-

lle Handlungsspielräume sorgen;


(Beifall bei der FDP)


enn die finanzielle Situation der Kommunen ist nach
ie vor dramatisch.

Die Bundesregierung hat auf unsere Große Anfrage
eantwortet, dass die Kassenkredite weiter steigen. Da-
ei handelt es sich im Grunde genommen um die eigent-
iche Verschuldung der Gemeinden. Es ist eben nicht so,
ie Sie es gerne darstellen, dass es den Gemeinden bes-

er als Bund oder Land geht. Wenn ich mir die Situation
n den Kommunen vor Augen führe, frage ich mich, wo
ie zu Hause sind. Denn den meisten Kommunen geht es
icht besser als Bund oder Land.






(A) )



(B) )


Gisela Piltz
Damit die Kommunen aus der Schuldenfalle heraus-
kommen können, haben wir vorgeschlagen, die Gewer-
besteuer abzuschaffen und sie durch eine sichere Basis
zu ersetzen. Sie haben das immer wieder abgelehnt. Im
Rahmen Ihrer vermeintlichen Steuerreform haben Sie ei-
nen Vorschlag gemacht, der den Kommunen letztlich
mehr schadet als nutzt. Ihre Entscheidung, Mieten in Zu-
kunft anders zu behandeln,


(Ina Lenke [FDP]: Genau!)


wird mittelfristig zur Folge haben, dass viele mittelstän-
dische Betriebe die Innenstädte verlassen. Das ist nicht
im Sinne des Erfinders. Letztlich werden die Einnahmen
aus der Gewerbesteuer sinken.

Kurzfristig werden die Kommunen ein weiteres gro-
ßes Problem bekommen. Dabei geht es um ein Thema,
mit dem wir uns in dieser Woche an vielen Stellen be-
schäftigen: die Bankenkrise.


(Markus Löning [FDP]: Die Krise der öffentlichen Banken!)


Da die Sparkassen geringere Einnahmen erzielen, zahlen
sie weniger Gewerbesteuer. Dieses Problem wird auf die
Kommunen zukommen.


(Klaus Hofbauer [CDU/CSU]: Hier, Frau Kollegin, haben Sie recht!)


Ich kann nicht erkennen, dass Sie etwas unternehmen,
um dieses Problem zu lösen.

Im Rahmen der Föderalismusreform I haben wir be-
schlossen, das Aufgabenübertragungsverbot im Grund-
gesetz zu verankern. Wir fordern, dass diese Regelung
zurückgenommen wird; denn wir haben festgestellt, dass
sie sich nicht bewährt hat. Dieses Verbot gilt entgegen
dem, was uns versprochen wurde, nicht für bestehende
Leistungsgesetze. Zum Beispiel hat der Bundestag – ha-
ben Sie – beschlossen, die Weihnachtsbeihilfe zu erhö-
hen. Wer bezahlt das? Die Kommunen. Das sind beste-
hende Leistungen, die Sie mal eben ausweiten. Das ist
nicht das, was uns in den Anhörungen versprochen wor-
den ist. Deshalb werden wir uns bei der Föderalismusre-
form II dafür einsetzen, dass das Konnexitätsprinzip im
Grundgesetz verankert wird.

Das wäre auch in Ihrem Sinne. Sie suchen ja im Mo-
ment nach Hilfskonstruktionen, weil es keine Aufgaben
mehr gibt, die Sie an die Kommunen übertragen können.
Ich nenne nur die Kinderbetreuung. Wir werden genau
darauf achten, dass sich Frau von der Leyen nicht mit et-
was brüstet, was letztendlich die Kommunen bezahlen
müssen. So kann man mit den Kommunen nicht umge-
hen.


(Beifall bei der FDP – Ingbert Liebing [CDU/ CSU]: 4 Milliarden Euro Bundesmittel!)


Die Kommunen können vieles besser, weil sie näher
am Bürger sind. Das zeigt sich zum Beispiel an der Ar-
beit der Optionskommunen. Nach dem Urteil des Bun-
desverfassungsgerichtes werden wir uns dafür einsetzen,
dass diese Aufgabe kommunalisiert wird.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


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(C (D ir sind sehr gespannt, wie die Große Koalition das ieht. Wir wissen, dass es hier große Unterschiede gibt. Wir sind jedenfalls der Ansicht, dass kommunale elbstverwaltung keine leere Worthülse mehr sein darf. ir müssen uns im Deutschen Bundestag öfter mit die em Thema beschäftigen. Selbstverwaltung heißt aus unerer Sicht Freiheit und Verantwortung. Die Verantworung wollen und können die Kommunen übernehmen; ie Freiheit dazu müssen wir ihnen geben. Vielen Dank. Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär hristoph Bergner. D Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau ollegin Piltz! Zunächst einmal zur Behandlung der roßen Anfrage, die bereits am 10. Mai 2006 einge eicht wurde. Die 165 Einzelfragen spiegeln das breite pektrum der kommunalen Arbeit wider: Finanzlage, irtschaftsfragen, demografischer Wandel, Ehrenamt, tädtebau, Kultur und Sport, Integration, Familienpolitik nd anderes mehr. An der Beantwortung dieser Großen Anfrage waren ast alle Ressorts der Bundesregierung aktiv beteiligt. ch finde, derjenige, der die Antwort fair beurteilt, muss eststellen, dass wir uns bemüht haben, auf die Fragen ur Lage der Kommunen in sorgfältiger Weise Antwort u geben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Maik Reichel [SPD])


(Beifall bei der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614220200

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1614220300

In dieser Antwort bekennt sich die Bundesregierung
u einer kommunalfreundlichen Politik,


(Zuruf von der CDU/CSU: Die Regierung war noch nie so kommunalfreundlich wie jetzt!)


ie der nach Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz garantierten
elbstverwaltung Rechnung trägt, nämlich dem Recht,

alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft
… in eigener Verantwortung zu regeln.

ieser Grundsatz zieht sich durch die Antwort der Bun-
esregierung.

Frau Kollegin Piltz, wenn Sie die Situation beurteilen
ollen, brauchen Sie nur die Ausgangslage – die Lage,
ie Sie in der Vorbemerkung zu Ihrer Großen Anfrage
utreffend geschildert haben – mit der Lage zum Zeit-
unkt der Beantwortung – das war der Mai 2007 – bzw.
it der Lage zum jetzigen Zeitpunkt zu vergleichen.
ann werden Sie feststellen, dass es bei dem Problem,
as Sie angesprochen haben, der Finanzlage der Kom-
unen, eine Entwicklung gibt, deren positive Tendenz

uch aus der Perspektive der Opposition nicht geleugnet
erden kann.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Dr. Christoph Bergner
Erinnern wir uns: Sie haben in der Vorbemerkung zu
Ihrer Großen Anfrage zu Recht strukturelle Defizite an-
gemahnt: die Höhe der Kassenkredite, die insgesamt ne-
gative Finanzierungsbilanz der kommunalen Haushalte.
Wenn Sie die jüngsten Zahlen, die uns vorliegen – das ist
die Gemeinschaftsprognose der kommunalen Spitzen-
verbände, die der Deutsche Städtetag am 29. Januar auf
einer Pressekonferenz vorgestellt hat –, zu Rate ziehen,
so können Sie feststellen, dass die kommunalen Haus-
halte im Jahr 2007 einen Finanzierungsüberschuss von
insgesamt 6,4 Milliarden Euro hatten.


(Frank Schäffler [FDP]: Einmal IKB!)


Wie gesagt: Zu dem Zeitpunkt, als Sie Ihre Große An-
frage gestellt haben, hatten wir noch ein dickes Minus
im Gesamtsaldo. Für 2008 erwarten die kommunalen
Spitzenverbände weitere Milliardenüberschüsse. Die In-
vestitionsausgaben der Kommunen haben im Jahr 2007
um 7,3 Prozent zugenommen. Für das Jahr 2008 erwar-
ten die kommunalen Spitzenverbände einen Anstieg der
Investitionsausgaben der Kommunen von 6,6 Prozent.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Maik Reichel [SPD])


Verehrte Frau Kollegin Piltz, ich nenne die Zahlen
nicht, weil ich den Eindruck erwecken will, als sei die
Situation völlig problemlos. Wir wissen, dass sich hinter
diesen Zahlen ein sehr vielfältiges und sehr differenzier-
tes Bild verbirgt. Wir wissen auch – das Urteil des Bun-
desverfassungsgerichts ist von Ihnen erwähnt worden –,
dass sich für die Kommunalpolitik und für die Bundes-
politik immer wieder neue Aufgaben mit kommunalpoli-
tischen Auswirkungen stellen.

Eines sollten Sie bei der Betrachtung der Antwort der
Bundesregierung auf die Große Anfrage aber fairerweise
feststellen: Die Handlungsspielräume der Kommunen
haben sich während der Regierung von Angela Merkel
in dieser Wahlperiode nachweisbar verbessert.


(Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das lag wahrscheinlich an Angela Merkel! Leute, Leute, so einfach macht man sich das!)


Diese Entwicklung dürfen wir bei allen Problemen, die
niemand leugnen sollte, nicht ignorieren.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614220400

Das Wort hat die Kollegin Katrin Kunert für die Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Kunert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614220500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe kommunale Mandatsträger der Zukunft in Ingol-
stadt und Umgebung!


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D it Verlaub, Herr Dr. Bergner: Die Bundesregierung alt sich die Welt, wie sie ihr gefällt. (Frank Schäffler [FDP]: Das ist eine PippiLangstrumpf-Politik!)


efragt man die Bundesregierung zur Entwicklung und
u den Problemen im Land, dann bekommt man Ant-
orten, die in der Schule ein „Ungenügend“ wert wären.


(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Nun mal nicht so oberlehrerhaft!)


In Ihrer Antwort auf die Große Anfrage machen Sie
urch Ihre Grundsatzpositionen sehr deutlich, dass Sie
uch in Zukunft kein verlässlicher Partner mehr für die
ommunen sein werden. Einige Minister und Abgeord-
etenkollegen unterstreichen auf wichtigen kommunal-
olitischen Veranstaltungen ihre Verbundenheit mit den
ommunen. Wenn es aber hier im Bundestag darum
eht, sich für die Kommunen einzusetzen, dann spielt
iese Verbundenheit keine Rolle mehr.


(Beifall bei der LINKEN – Iris Gleicke [SPD]: Das halten sogar PDS-Bürgermeister für Quatsch!)


Ich will Ihnen das an drei Beispielen erläutern. Erstes
tichwort: verbindliches Mitwirkungsrecht der Kommu-
en durch ihre Spitzenverbände bei Gesetzgebungsver-
ahren. In der Antwort der Bundesregierung wird der ge-
amte kommunalpolitische Katalog der Leistungen
bgehandelt. Auf diese Weise wird die Bedeutung der
eistungen der Kommunen unterstrichen.


(Frank Schäffler [FDP]: Das war eine gute Anfrage!)


as Leben findet in den Kommunen statt. Schon aus die-
em Grund wäre also eine stärkere Einbeziehung der
ommunen in die Gesetzgebungsverfahren berechtigt.


(Beifall bei der LINKEN)


Wovor hat die Bundesregierung Angst? Hat sie Angst
or öffentlichen Debatten über ihre Politik und deren
olgen


(Zuruf von der CDU/CSU: Davor hat die Linke Angst, nicht die Bundesregierung!)


der davor, dass ihre Gesetzentwürfe eventuell besser
erden würden? – Wenn Sie Redezeit haben, dann nut-

en Sie sie bitte nachher dafür. –


(Beifall bei der LINKEN – Iris Gleicke [SPD]: An dem Parlamentarismus hat nicht jeder Spaß!)


ie Linke fordert: Nutzen Sie die Föderalismusreform II
nd verankern Sie ein verbindliches Mitwirkungsrecht
er Kommunen im Grundgesetz.

Zweites Stichwort: Finanzausstattung der Kommu-
en. Auf die Frage, welche Möglichkeiten die Bundesre-
ierung zur Verbesserung der Einnahmemöglichkeiten
ür die Kommunen sieht, antwortet sie:






(A) )



(B) )


Katrin Kunert
… eine von den Kommunen immer wieder gefor-
derte Mittelumverteilung von Bund und Ländern
auf die kommunale Ebene scheidet … aus …

Wenn man in Betracht zieht, dass der Anteil der Kom-
munen am Gesamtsteueraufkommen circa 14 Prozent
beträgt, und wenn man die Leistungen berücksichtigt,
die in den Kommunen erbracht werden, dann muss die-
ser Anteil aus unserer Sicht auf 40 Prozent erhöht wer-
den.


(Beifall bei der LINKEN)


Die skandinavischen Länder machen es uns vor; denn
dort liegt der Anteil zwischen 40 und 60 Prozent.

Nun schwärmen viele hier im Hause von den spru-
delnden Gewerbesteuereinnahmen. In einigen Städten
und Gemeinden ist das bestimmt auch so. Man muss
aber feststellen, dass es auch Kommunen gibt, in denen
schon früher kaum Gewerbesteuerzahler lebten und in
denen auch heute kaum welche leben. Die Schere zwi-
schen armen und reichen Kommunen geht immer weiter
auseinander. Außerdem sind die Sozialausgaben seit der
Einführung von Hartz IV stetig gestiegen. Dies können
Sie nicht vom Tisch wischen.


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Problem, das
aus unserer Sicht völlig vernachlässigt wird, sind die
Landkreise. Außer der Kreisumlage, die – höflich ausge-
drückt – sehr unsolidarisch gegenüber den kreisangehö-
rigen Städten und Gemeinden ist, haben sie keine eigene
Einnahmequelle. Der Krug der finanziellen Belastung
wird also nur weitergereicht. Deshalb brauchen auch die
Landkreise einen eigenen Anteil am Gesamtsteuerauf-
kommen. Darüber müssen wir hier reden.

Hinsichtlich der Investitionen antwortet die Bundes-
regierung buchhalterisch mit Tabellen, ohne eine Wer-
tung vorzunehmen. Sie sagt kein Wort zu Entwicklungen
und Aussichten, und es gibt erst recht kein Eingeständ-
nis, dass durch die Mehrwertsteuererhöhung auf 19 Pro-
zent automatisch auch Bauleistungen und Sachsubven-
tionen verteuert wurden.

Die Linke fordert ein kommunales Investitionspro-
gramm des Bundes für strukturschwache Regionen, um
die Kommunen im Investitionsbereich nachhaltig zu
unterstützen. So manches Sonderprogramm der Ministe-
rien wäre nicht nötig, wenn generell bessere Investi-
tionsmöglichkeiten für die Kommunen geschaffen wür-
den.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Stephan Eisel [CDU/ CSU]: Und wie wird das finanziert?)


Drittes Stichwort: Aufgabenübertragung. In einer
Sammelantwort zu den finanziellen Mehrbelastungen
der Kommunen durch Einführung neuer Sozialhilfeleis-
tungen erkennt die Bundesregierung die Kosten für
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
nicht als zusätzlich an. Das ist falsch. Der Bund hat die
Grundsicherung im Alter den Kommunen 2003 als neue
Aufgabe übertragen, und es gab ganz klare Verabredun-
gen zu deren Finanzierung. Die Kosten haben sich seit-

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(C (D em mehr als verdoppelt. Die Ursachen hierfür liegen nter anderem in gravierenden Einschnitten in die Renenund Sozialversicherungssysteme. Die Linke fordert uch hier, dass sich der Bund mit mindestens 20 Prozent n den Kosten der Grundsicherung im Alter beteiligt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, haben Sie sich chon einmal gefragt, warum bei Kommunalwahlen die ahlbeteiligung immer nur bei etwa 30 Prozent liegt? ie Menschen vor Ort merken, dass kommunale Manatsträger zunehmend weniger zu entscheiden haben. Kollegin Kunert, Sie müssen jetzt bitte zum Schluss ommen. Wenn nämlich kein Geld für Kultur und Sport zur erfügung steht, dann ist kommunale Selbstverwaltung e facto nicht mehr möglich. Schönen Dank. Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Maik Reichel as Wort. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ollegen! Wir beschäftigen uns heute nicht zum ersten al mit der Lage der Kommunen. Die FDP hat bereits ehrere Anträge zu diesem Thema gestellt, und wir ha en mehrfach in diesem Hause darüber diskutiert. Wir aben uns diesem Thema nicht verweigert; denn die ommunen sind – das steht auch für unsere Fraktion fest – in wichtiges Glied unserer verfassungsmäßigen Organiation. Dies sind die Kommunen nicht nur, weil es in rt. 28 und an anderer Stelle unseres Grundgesetzes teht, sondern auch deswegen, weil sie die eigentlichen ittler zum Bürger sind, wie heute schon festgestellt urde. Politik kommt eben bei den Bürgerinnen und ürgern direkt und konkret an. Viele von uns kommen us der Kommunalpolitik oder sind noch kommunalpoliisch tätig. Dies ist aus den Reden hervorgegangen, und as ist auch bei mir der Fall. Kommunen leisten viel für die allgemeine Daseinsorsorge. Feuerwehr, Kultur, Sport, das Ehrenamt in seier gesamten Breite und Integration sind nur einige weige kommunale Aufgaben. Deshalb ist es immer ichtig und notwendig, sich mit den Kommunen zu be assen, und zwar auf allen Ebenen, also auch hier im eutschen Bundestag. Sie, liebe Kolleginnen und Kolleen der FDP-Fraktion, haben sich die Mühe gemacht, 65 Fragen in zehn inhaltlichen Kapiteln zu stellen, und ie Bundesregierung hat – hier gebe ich dem Herrn taatssekretär recht – diese Fragen mit noch größerer orgfalt beantwortet. Maik Reichel Wenn wir dieses umfangreiche Papier mit insgesamt 168 Seiten richtig studieren und bewerten, erkennen wir die verbesserte Gesamtlage der Kommunen, auch wenn davon nicht alle Kommunen profitieren und nicht alle Probleme in diesem Papier gelöst werden. In der mir verbleibenden Redezeit habe ich allerdings nicht die Möglichkeit, auf alle Schwerpunkte Ihrer Fragen einzugehen. Die Finanzen sind wohl immer eines der schwerwiegendsten Themen, die nicht nur die Kommunen drücken. Aber wie sieht es denn nun hinsichtlich der Finanzsituation der Kommunen aus? Sie haben es angesprochen, Frau Kollegin Piltz: Eine der wichtigsten Einnahmequellen bildet noch immer die Gewerbesteuer, die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, gern abgeschafft sähen. (Frank Schäffler [FDP]: Stimmt! – Ina Lenke [FDP]: Ersetzt!)


(Beifall bei der LINKEN)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614220600
Katrin Kunert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614220700

(Beifall bei der LINKEN)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614220800
Maik Reichel (SPD):
Rede ID: ID1614220900




(A) )


(B) )


– Ja, aber ohne genau zu sagen, wie es denn aussehen
sollte. – Im Jahr vor Ihrer Großen Anfrage, also noch in
der 15. Legislaturperiode, haben Sie in einem Antrag da-
von gesprochen, dass die Gewerbesteuer eine „unzuver-
lässige Einnahmequelle“ für die Städte und Gemeinden
sei, für eine seriöse Haushaltsplanung ungeeignet. Die
Zahlen sprechen aber andere Worte. Über 38 Milliarden
Euro Einnahmen aus der Gewerbesteuer waren 2006 zu
verzeichnen, im vergangenen Jahr mit leichtem Zu-
wachs. Mit Ihrer Einwilligung, Frau Präsidentin, zitiere
ich aus einer Mitteilung des Bundesfinanzministeriums
vom 31. Januar dieses Jahres:

In den ersten neun Monaten

– gemeint ist das Jahr 2007 –

nahm allein der Anteil der Kommunen an den Ge-
werbesteuereinnahmen um 5,2 Prozent auf 23,4 Mil-
liarden Euro zu –


(Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär: So sieht es aus!)


so viel, wie im gesamten Jahr 2002 für Bund, Län-
der und Kommunen gemeinsam anfiel.

Die Finanzierungssalden sind – der Staatssekretär hat es
bereits erwähnt – bereits seit 2006 wieder mit 3 Milliar-
den Euro im Plus. 2003 waren es noch minus 8,4 Mil-
liarden Euro.

Höhere Gewerbesteuereinnahmen kommen sicher-
lich nicht allen Gemeinden zugute. Meine Kommune ist
davon betroffen, und zwar mit einem stetigen und er-
freulich hohen Anstieg seit 2005. Es fällt mir sichtlich
schwer, mir vorzustellen – das geht auch anderen so –,
wie eine so hohe Summe zu ersetzen wäre, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen von der FDP.


(Ina Lenke [FDP]: Dann lesen Sie unsere Anträge!)


Allein durch die Beteiligung über die Gewerbesteuer-
umlage würden beträchtliche Einnahmen beim Bund und
auch bei den Ländern wegbrechen.

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(C (D Mit den höheren Gewerbesteuereinnahmen der verangenen Jahre ist aber nicht jedes Problem gelöst. Die estaltungsspielräume sind teilweise immer noch eng. icht jede Gemeinde profitiert in gleichem Maße von em Anstieg der Gewerbesteuereinnahmen. Die unterchiedlichen Entwicklungen in den Kommunen sind ein rund dafür. Die kommunale Selbstverwaltung ist ein hoch zu chätzendes Gut. Aber hier – das sage ich deutlich – ommen auch die Länder ins Spiel. Diese müssen eine usgleichsfunktion erfüllen. Das Grundgesetz kennt, ie Sie wissen, nur den Bund und die Länder; die Komunen sind ein Teil der Länder. Aus diesem Grund fällt en Ländern eine besondere Aufgabe hinsichtlich der emeinden zu. Dies sollte – gerade wenn es um die inanzierung der Kommunen geht – nicht vergessen erden, wenn man einseitig auf den Bund schaut. Die FDP ist in drei Ländern in der Regierung vertreen – es kann schon bald eine vierte hinzukommen, wenn ie sich entsprechend entscheiden – (Gisela Piltz [FDP]: In Hamburg arbeiten wir noch daran!)


nd kann dort ihre kommunalfreundliche Politik direkt
nd konkret unter Beweis stellen. Ich selbst kenne das
och aus der Zeit zwischen 2002 und 2006, als es in mei-
em Heimatland Sachsen-Anhalt einen FDP-Finanzmi-
ister gab


(Frank Schäffler [FDP]: Das war ein guter Mann!)


ja, das war ein guter Mann –, der den Kommunen teil-
eise sozusagen das Weiße aus den Augen gedrückt
atte.

Liebe Kollegin Piltz, werfen wir noch einen Blick in
in anderes Land, das Sie sehr gut kennen, nämlich
ordrhein-Westfalen, wo ein FDP-Innenminister mit am
abinettstisch sitzt.


(Gisela Piltz [FDP]: Das ist auch ein guter Mann! – Gegenruf des Abg. Rüdiger Veit [SPD]: Na, na, na!)


ie FDP hätte dort die Möglichkeit, die Kommunen im
emühen um die Sanierung der Haushalte deutlich zu
nterstützen,


(Ina Lenke [FDP]: Das machen wir auch!)


ber Fehlanzeige. Mein Kollege Bernd Scheelen würde
icherlich noch einiges hinzufügen, was ich nur kurz und
napp ansprechen würde.


(Gisela Piltz [FDP]: Bernd Scheelen sagt immer, den Kommunen gehe es gut!)


ch will nur einige Stichpunkte nennen: die Übertragung
on Landesaufgaben auf die Kommunen ohne Finanz-
usgleich, Stichwort Umweltverwaltung. Sie sprachen
orhin vom Konnexitätsprinzip, das Sie gerne im Grund-
esetz verankern würden. Auf Landesebene ist das
chon möglich.






(A) )



(B) )


Maik Reichel
Weitere Stichworte sind die Verschiebung von weite-
ren Lasten auf die Kommunen seit 2006 in Ihrem Land
und die Kürzung der finanziellen Zuweisung durch neue
Berechnungsgrundlagen für das GFG. Der Anteil der
Grunderwerbsteuer wurde bei der Berechnung für die
Kommunen herausgenommen. Fazit ist, dass den Kom-
munen in Ihrem Land 2007 165 Millionen Euro weniger
zur Verfügung stehen.

Bei der Krankenhausfinanzierung wurde der Kommu-
nalanteil von 20 Prozent auf 40 Prozent erhöht. Die Mit-
tel für Städtebauförderung wurden rückgeführt. 2006 er-
folgte eine Änderung des Kindergartengesetzes zulasten
der Träger. So geht es weiter. Ich denke zum Beispiel
auch an die 1 Milliarde Euro, die Sie noch für die Jahre
2006 und 2007 zurückzahlen müssen.


(Gisela Piltz [FDP]: Ich glaube, NordrheinWestfalen ist für Sie ein bisschen zu weit, oder?)


– Sie wissen, worüber ich rede und was Sie Ihren Kom-
munen noch schuldig sind. Kollege Scheelen würde
wohl gerade in Ihrem Fall noch einiges hinzuzufügen,
weil Sie vom Bund noch vieles fordern, was Sie in den
Ländern ausführen könnten, in denen Sie in der Regie-
rung sind.

Ich komme noch einmal auf die Bundesebene zurück,
und zwar zunächst auf die Städtebauförderung des Bun-
des. Seit 1998 ist die dafür bereitgestellte Summe von
etwa 307 Millionen Euro auf 546 Millionen Euro, also
auf über eine halbe Milliarde Euro, in 2006 gestiegen.
Neben dem Programm „Stadtumbau Ost“ verzeichnet
auch das Programm „Stadtumbau West“ steigende Zu-
schüsse durch den Bund. Auch das ist wichtig, wenn es
um die kommunalen Investitionen geht, die Sie ange-
sprochen haben. Die Kommunen tätigen mit 60 Prozent
die meisten Investitionen der öffentlichen Hand, auch
wenn das Investitionsvolumen nicht mehr so hoch ist
wie vor zehn Jahren und früher.

Ein weiteres Thema, das mir neben vielen anderen am
Herzen liegt, ist das Ehrenamt, das auch bereits ange-
sprochen wurde. Das ist vor allen Dingen in den Kom-
munen stark ausgeprägt, weil es vor Ort sehr gut wirkt.
Der Bund hat in den vergangenen Jahren viel Gutes auf
den Weg gebracht: Übungsleiterpauschale, Erhöhung der
Steuerbefreiung von Aufwandspauschalen, das Projekt
„Hilfe für Helfer“ und Mehrgenerationenhäuser. Auch
dazu hat Ihnen die Regierung Antwort gegeben. Dabei
sind wir von Bundesseite noch nicht am Ende. Das gilt
sicherlich auch für die Länder und Kommunen. Wir ste-
hen also nicht am Anfang.

Ich denke in diesem Zusammenhang zum Beispiel an
die Kameradinnen und Kameraden der freiwilligen Feu-
erwehr und des Technischen Hilfswerks, die unendlich
viel und sehr Kräftezehrendes tun, um zu helfen, zu
schützen, zu retten, zu löschen und zu bergen. Dafür
brauchen wir aber das gesamtgesellschaftliche Bekennt-
nis von Bund, Ländern und Kommunen sowie der Zivil-
gesellschaft. Ein herzliches Dankeschön an alle, die dort
ehrenamtlich tätig sind.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


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(C (D Allen in Sport und Kultur sowie in sozialen, kirchlihen und sonstigen Bereichen ehrenamtlich Tätigen sage ch: Wir brauchen euch und unterstützen euch. – Es ist ichtig, dass wir den Worten Taten folgen lassen. Dies erden wir in den nächsten Jahren auch tun, egal in wel her Regierung wir sind. Ich bedanke mich recht herzlich. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die ollegin Britta Haßelmann das Wort. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ch beginne mit dem Positiven und Verbindenden. Siherlich besteht weitgehend Einigkeit in den Fraktionen arüber, dass wir viele politische Herausforderungen hne die kommunale Ebene nicht bewältigen können. as gilt für nachhaltiges Wirtschaften ebenso wie für so iale Sicherheit und den demografischen Wandel. Wir rauchen aus meiner Sicht eine föderale Kraftanstrenung, um die Politikfähigkeit der Kommunen zu stärken. amit hört die Einigkeit aber auf; denn in der öderalismusreform II sehen Sie die Rolle der Kommuen nicht ausreichend berücksichtigt. Eine nüchterne Bestandsaufnahme wäre als erster chritt notwendig. Sie ist auch in der Antwort der Bunesregierung vorgesehen. Herr Staatssekretär, anders als ie, der Sie in Ihren Reden nur darüber philosophieren, ie gut es den Kommunen mittlerweile geht, ist der lick dort – das ist wohltuend – etwas differenzierter. hre Botschaft ist eindeutig: Da die Kommunen enorme ehreinnahmen haben, geht es allen Kommunen in eutschland gut. Ich bin froh, dass der Deutsche Städte ag weiter ist. Selbst Herr Ude beklagt, dass die Schere wischen armen und reichen Städten und Gemeinden mmer weiter auseinandergeht. Mit dieser Herausfordeung sollten Sie sich einmal befassen. Die Bundesregierung stellt fest, dass die kommunalen nvestitionen seit 1992 um 40 Prozent gesunken sind. ie beschreibt einen sprunghaften Anstieg der Kassenredite. Das ist keine Erfindung der Grünen, sondern die ussage der Bundesregierung. Sie rechnet vor, dass sich ie Kosten der Grundsicherung im Alter in zwei Jahren ehr als verdoppelt haben. Das alles ist richtig. Herr taatssekretär, einer nüchternen Bestandsaufnahme uss aber auch zielgerichtetes politisches Handeln fol en. Sie müssen sagen, was geschehen soll, was Sie voraben. Aber hier haben Sie wenig anzubieten. So zeichet sich ab, dass die Kommunen nicht länger um ,5 Milliarden Euro jährlich entlastet werden sollen. Sie ürzen den Zuschuss für die Kosten der Unterkunft. Sie nteressieren sich nicht dafür, ob die Länder die eingeparten Mittel beim Wohngeld an die Kommunen weierleiten. All denjenigen, die gestern nicht in der Fragetunde waren, rate ich: Sehen Sie sich die Ausführung es Finanzstaatssekretärs dazu an! Die gestiegenen Kos Britta Haßelmann ten bei der Grundsicherung im Alter werden zu einem rein kommunalen Problem erklärt. Der Höhepunkt Ihrer Antwort ist allerdings der Ratschlag an die Städte und Gemeinden, Vermögen zu veräußern und Privatisierungen vorzunehmen. Die Botschaft lautet also: Tafelsilber verkaufen und Notprivatisierungen vornehmen. Das ist genau die Politik, die aus meiner Sicht Städte und Gemeinden eher ruiniert denn stärkt. Union und SPD haben seit Jahren vor Ort vieles falsch gemacht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Rüdiger Veit [SPD])


(Beifall bei der SPD)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614221000
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1614221100

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) )


(B) )


Es zeigt sich, dass Ihnen ein politischer Kompass und
eine klare Linie in der kommunalen Daseinsvorsorge
völlig fehlen, einer Daseinsvorsorge, die demokratische
Kontrolle vor privaten Profit, aber auch fiskalische Ver-
nunft vor blinde Ideologie stellt. So praktizieren Sie von
der FDP, Frau Piltz, das gerade in NRW. Ich erinnere an
das, was Sie vorhaben und was Sie in Bezug auf die
Kommunalwirtschaft bisher eingeleitet haben.

Eine föderale Umschichtung von Finanzmitteln zu-
gunsten der Kommunen schließen Sie in Ihrer Antwort
interessanterweise völlig aus. Dabei sind es die Kommu-
nen, die jetzt, wo wir über die Föderalismusreform II be-
raten, ein klares Signal brauchen und für die wir etwas
tun müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich komme aus NRW,


(Zuruf von der CDU/CSU: Ein schönes Land mit einer guten Regierung!)


einem Land mit hochverschuldeten Kommunen, deren
Realität eine andere als die des Staatssekretärs ist. Ich
dekliniere Ihnen einmal durch, was es heißt, Prioritäten
zu setzen: Kürzen wir bei der Wirtschaftsförderung oder
kürzen wir bei den Ausgaben für Theater und Kultur?
Schließen wir ein Schwimmbad oder was tun wir sonst?


(Zuruf von der CDU/CSU: Wer hat denn die Schulden hinterlassen? Das sind rot-grüne Schulden!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614221200

Kollegin Haßelmann, das können wir jetzt nicht mehr

zu Ende deklinieren.


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1614221300

Frau Präsidentin, ich komme sofort zum Schluss. –

Das ist die politische Realität vieler Kommunen. Das
wissen Sie, und deshalb jaulen Sie jetzt so auf.

In Richtung FDP will ich sagen: Jemand, der in Nord-
rhein-Westfalen eine so kommunalfeindliche Politik be-
treibt wie die FDP


(Widerspruch bei der FDP)


– Frau Piltz, warten Sie! –, sollte nicht auf die Idee kom-
men, die Konnexität als Lösung vorzuschlagen.

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(C (D Kollegin Haßelmann, die Debatte zu NRW müssen ie woanders führen. Ich bitte Sie, jetzt wirklich zum chluss zu kommen. Zwei Ihrer Ausführungsgesetze in NRW verstoßen egen das Konnexitätsgesetz, und Sie haben in Nordhein-Westfalen Klagen am Hals, weil Sie als Regierung agegen verstoßen. Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Klaus ofbauer das Wort. Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und erren! Ich als Bayer möchte mich nicht in den inneren treit einmischen, möchte aber feststellen, dass wir der DP-Fraktion sehr dankbar sind, dass sie diese Große nfrage eingereicht hat, eil wir auf diese Art und Weise erneut darstellen könen, welche hervorragende Arbeit unsere Bundesregieung und die Große Koalition für die Kommunen leisten. Es ist noch nie so gut für die Kommunen gearbeitet orden. Meine Damen und Herren von der FDP-Frak ion, wenn Sie in Ihrer Großen Anfrage unter anderem eststellen, dass die Lage der Kommunen besorgniserreend ist, dann muss ich Sie fragen: Wo leben Sie denn igentlich? Dass es Unterschiede gibt, wollen wir gar icht bestreiten, aber insgesamt hat sich die Situation der ommunen verbessert. Ich möchte klar und deutlich eststellen: Die Große Koalition und insbesondere die DU/CSU-Fraktion sind ein verlässlicher Partner der ommunen. Ich glaube, das können wir sagen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614221400
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1614221500

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614221600
Klaus Hofbauer (CSU):
Rede ID: ID1614221700

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die finanzielle Situation hat sich auch schon deshalb
erbessert, weil es dieser Bundesregierung gelungen ist,
ie Arbeitsmarktsituation in Deutschland zu verbessern.
enn wir heute über 1 Million weniger Arbeitslose und

ast 800 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
ehr haben, dann spüren die Kommunen das. Zurzeit
erden in den Kommunen die Haushalte beraten. Wenn
an selber dabei ist und sieht, wie sich die Situation bei

er Einkommensteuer verbessert – von der Gewerbe-
teuer möchte ich gar nicht reden –, dann weiß man, dass
ich diese Politik für unsere Kommunen auszahlt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte klar und deutlich sagen: Mit der
öderalismusreform I sind klare Akzente für die Kom-
unen gesetzt worden. Das Durchreichen ist nicht mehr
öglich. Wir haben uns sehr kommunalfreundlich ver-






(A) )



(B) )


Klaus Hofbauer
halten, und wir sollten diesen Weg fortsetzen. Ich könnte
eine ganze Menge von Beispielen aufzählen, die zeigen,
was diese Koalition für die Kommunen getan hat. So
wurden bei der Unternehmensteuerreform die Kommu-
nen nicht belastet.


(Zuruf von der FDP: Aber die Unternehmen!)


Ich darf an die Vereinfachung des Bebauungsplanverfah-
rens erinnern, das der Kollege Götz in hervorragender
Form gestaltet hat. Die Gestaltungsmöglichkeiten und
Entscheidungsspielräume in den Kommunen sind ge-
stärkt worden. Wir reden von Subsidiarität nicht nur,
sondern wir setzen sie auch um.

Der Kollege der SPD-Fraktion hat es schon gesagt:
Die Programme Stadtumbau West und Stadtumbau Ost
wurden gestärkt. Das alles passiert doch in den Kommu-
nen. Das ist, glaube ich, auch gut so. Die Kommunen
werden beim Ausbau der Kinderbetreuung unterstützt,
und auch beim Gebäudesanierungsprogramm ist einiges
für die Kommunen getan worden.

Erlauben Sie mir auch eine Bemerkung zur europäi-
schen und nationalen Strukturpolitik. Diese Mittel gehen
doch an die Kommunen. Es gibt Fördermittel für die Un-
ternehmen, die Erschließung von Industriegebieten wird
gefördert. Vor Ort werden Netzwerke gebildet. Ich
glaube, das ist von entscheidender Bedeutung.

Als einen weiteren Punkt der Leistungen der Großen
Koalition möchte ich in diesem Zusammenhang den EU-
Vertrag ansprechen. Auf europäischer Ebene ist es zum
Beispiel gelungen, im EU-Reformvertrag von Lissabon
die kommunalen Rechte in der Europäischen Union zu
stärken. Das Recht auf kommunale Selbstverwaltung
wird darin ausdrücklich betont. Es ist auch ein Verdienst
unserer Bundeskanzlerin gewesen, dass dieses Recht im
Reformvertrag mit aufgenommen wurde. Wir wollen
eine durchgängige Politik von der europäischen Ebene
bis hinunter zu den Kommunen machen.

Die FDP-Fraktion hat zu Recht das Thema „Mitwir-
kung der kommunalen Spitzenverbände“ angesprochen.
Das ist für mich ein ganz entscheidender Punkt. Dabei
geht es nicht nur dann um ein Mitspracherecht, wenn
Gesetze verabschiedet werden.


(Zuruf von der FDP: Sie hätten ja die Förderalismusreform II machen können!)


Auch in der Praxis werden die kommunalen Spitzenver-
bände gehört. Die Fraktionen hören die Spitzenverbände
doch an. Lieber Peter Götz, wir sind ja permanent in un-
serer AG Kommunalpolitik beisammen. Ohne Anhörung
der kommunalen Spitzenverbände wird doch nichts ent-
schieden, was sich in den Kommunen auswirkt. Sie dür-
fen nicht bloß theoretische Forderungen stellen, sondern
Sie müssen auch die praktische Politik beurteilen. Die
Fraktionen der Großen Koalition arbeiten in diesem Be-
reich in hervorragender Art und Weise.

Erlauben Sie mir auch eine Bemerkung zum kommu-
nalen Finanzausgleich in Bayern. Ich sage klar und deut-
lich: In Bayern wird über den kommunalen Finanzaus-
gleich nicht ohne die kommunalen Spitzenverbände

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(C (D ntschieden. Die Spitzenverbände werden nicht nur geört und reden mit, sondern sie entscheiden auch mit. as ist eine kommunalfreundliche Politik, die sich vom und über die Länder weiter nach unten durchzieht. (Gisela Piltz [FDP]: Aber im Bund dürfen sie ja nicht mitentscheiden!)


Wir entscheiden ja nicht unmittelbar über Mittel für
ie Kommunen, sondern im Rahmen des kommunalen
inanzausgleiches. Wir haben die Länder auch gestärkt.
n den Ländern können die Kommunen mitentscheiden.
o ist es jedenfalls bei uns in Bayern. Wenn das bei Ih-
en nicht funktioniert, dann dürfen Sie das nicht mir
um Vorwurf machen.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch um Berlin! Wir reden über Bundespolitik! Wir sind hier doch nicht in Bayern!)


Natürlich reden wir über Bundespolitik. Aber Kommu-
alpolitik spielt sich nicht alleine in der Bundeshaupt-
tadt ab, sondern auch in den Ländern und Kommunen.
iese Durchgängigkeit, die wir von der CDU/CSU als
roße Partei praktizieren, gibt es in anderen Parteien
ielleicht gar nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte
um Schluss noch einmal klar und deutlich feststellen:
ie Kommunen spielen eine große Rolle in unserer ge-

amten Arbeit. Die Kommunen sind eine wichtige Säule
er gesamten Zusammenarbeit. Ich kann nur zusammen-
assend feststellen: Die Große Koalition, insbesondere
ie CDU/CSU-Fraktion, ist ein verlässlicher Partner der
ommunen. Das werden wir auch bleiben.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614221800

Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 11 a bis 11 c auf.

a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)

CSU und der SPD

Ermäßigung der Visumgebühr für Bürgerin-
nen und Bürger aus Belarus

– Drucksachen 16/5909, 16/7170 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Manfred Grund
Uta Zapf
Harald Leibrecht
Wolfgang Gehrcke
Marieluise Beck (Bremen)


b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Aus Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner schuss)





(A) )


(B) )

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Demokratiebewegung in Belarus unterstützen

– Drucksachen 16/1977, 16/3709 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Eckart von Klaeden
Gert Weisskirchen (Wiesloch)

Dr. Werner Hoyer
Kerstin Müller (Köln)

Dr. Norman Paech

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)

Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln),
Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der
Abgeordneten Michael Link (Heilbronn), Harald
Leibrecht, Jens Ackermann, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der FDP

Ermäßigung der Visumgebühr für Menschen
aus Belarus

– Drucksachen 16/5905, 16/7188 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Manfred Grund
Uta Zapf
Harald Leibrecht
Wolfgang Gehrcke
Marieluise Beck (Bremen)


Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich gebe das Wort der Kollegin Uta Zapf, SPD-Frak-
tion.


Uta Zapf (SPD):
Rede ID: ID1614221900

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Uns liegen drei Anträge vor; zwei davon – die
Anträge zur Visumvergabe – sind bis auf den letzten
Satz praktisch wortgleich. Der letzte Satz des einen An-
trags ist nicht umsetzbar, weil er gegen europäisches
Recht verstößt. Deshalb werden wir – leider nicht ge-
meinsam – dem Antrag der Koalition zustimmen. Der
dritte Antrag ist ein uraltes Relikt vom Juni 2006 und
wird wahrscheinlich im Bermudadreieck verschwinden.
Ich finde, der Antrag ist nicht einmal abstimmungsfähig,
weil wir uns mittlerweile ganz anders mit dem Problem
auseinandersetzen müssen.


(Johannes Pflug [SPD]: Der ist für das Bermudadreieck bestimmt!)


Es geht um Erleichterungen bei der Visumerteilung.
Wir möchten, dass bestimmten Gruppen – jungen Men-
schen, Studenten, Künstlern, Journalisten, Menschen-
rechtlern und Wissenschaftlern – ermöglicht wird, ins
europäische Ausland zu reisen, ohne dass hohe Kosten
für ein Schengen-Visum anfallen;

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


enn wer nur sein eigenes Land kennt und keine Mög-
ichkeit zur Orientierung im restlichen Europa hat, der
ird kein richtiges Bild der Welt gewinnen. Darüber ha-
en wir auch im Zusammenhang mit den Balkanstaaten
iskutiert.

Wir wollen mehr Menschen die Möglichkeit geben,
uropa kennenzulernen. Kennenlernen bedeutet auch
ialog; Europa bietet Belarus diesen Dialog an, und

war im Rahmen der Nachbarschaftspolitik. Im Novem-
er 2006 ist den Belarussen ein Papier vorgelegt worden.
ieses Papier bietet ihnen eine Verbesserung der Le-
ensbedingungen, eine Erleichterung der Reisebedin-
ungen, die Unterstützung der ökonomischen Entwick-
ung, Hilfe bei der Entwicklung des Gesundheitswesens,
nterstützung bei sozialen Problemen, bei Bildung und
usbildung, bei der Reform der Administration, beim
ufbau von Rechtsstaatlichkeit, bei Transport und Ener-
ie und bei der Umweltpolitik an. Dies birgt für Belarus
ine enorme Chance zur Integration in europaweite Ko-
perationsnetze. Finanzhilfen aus Programmen der Eu-
opäischen Union würden möglich werden.

Die volle Einbindung in das Nachbarschaftskonzept
cheitert allerdings an den mangelnden Reformen in
elarus und an dem repressiven Regime, das seinen Bür-
ern und Bürgerinnen die grundlegenden bürgerlichen
echte und Freiheiten der Akte von Helsinki verwehrt.
eshalb fordert das Papier freie und demokratische
ahlen, Meinungs- und Informationsfreiheit, freie Me-

ien, Rechtsstaatlichkeit, Koalitionsfreiheit für Gewerk-
chaften und Parteien und ungehinderte politische Betä-
igung.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


er Jahresbericht 2008 von Human Rights Watch stellt
est, dass staatliche Autoritäten in Belarus oppositionelle
ktivitäten praktisch unmöglich machen.

Eine weitere Bedingung für die volle Einbindung, die
ie Europäische Union, zuletzt auch Javier Solana, ge-
tellt hat, ist die Freilassung von politischen Gefange-
en. Ich möchte ausdrücklich erwähnen: Ich empfinde es
ls eine erfreuliche, positive Geste, dass seit November
007 eine Reihe politischer Gefangener vorzeitig aus der
aft entlassen worden ist. Wir hoffen, dass weitere Ge-

angene entlassen werden und dass es zu keinen weiteren
erhaftungen und Verurteilungen kommen wird. Wir
ollten an dieser Stelle ausdrücklich fordern, dass auch
lexander Kosulin und Andrej Klimov entlassen wer-
en.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ies wäre ein wichtiger und gewichtiger Schritt.

Europa streckt Belarus in der Tat die Hand entgegen.
ie Erklärung der slowenischen Präsidentschaft vom
7. Januar 2008 wiederholt das Angebot, Belarus in die
achbarschaftspolitik einzubinden. Ich hoffe, dass Bela-

us diese Hand ergreift; vielleicht kommt es ja so. Es






(A) )



(B) )


Uta Zapf
gibt ein paar positive Zeichen, und die sollten wir auch
als positiv zur Kenntnis nehmen.

Gerade heute war in den Tickermeldungen zu lesen,
dass nun endlich die EU-Delegation in Minsk genehmigt
ist und das Büro eröffnet werden kann. Der neue OSZE-
Botschafter ist im Minsker Büro angekommen, ohne
dass es darum große Auseinandersetzungen gegeben hat.
Der Besuch des Außenministers Martynow auf der Si-
cherheitskonferenz und die anschließenden Gespräche in
Berlin haben durchaus die Dialogbereitschaft des Landes
signalisiert. Martynow hat gesagt: It takes two to tango. –
Richtig, aber im Moment ist das, was zwischen Europa
und Belarus stattfindet, eher ein Cha-Cha-Cha oder et-
was in der Art der Echternacher Springprozession.


(Beifall des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD] – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jedenfalls nicht besonders sinnlich!)


Belarus muss seine Interessen analysieren. Ich habe
den Eindruck, dass es im Moment dabei ist. Warum?
Weil es wirtschaftlich ein Erfordernis ist, die Zusam-
menarbeit mit Europa zu verstärken. Der Handel mit
Europa wächst, während der Handel mit Russland
schrumpft. Die Probleme mit Öl und Erdgas sind uns al-
len bekannt.

Prodemokratische Reformen würden für Belarus den
Zugang zu ökonomischer Entwicklung und Kooperation
ermöglichen, zur Verbesserung der Lebensbedingungen
auf vielen Feldern und zum Durchbrechen seiner selbst-
gewählten Isolation führen. Ich glaube, dass die Parla-
mentswahl, die im September 2008 stattfindet – wir hat-
ten gerade die Diskussion um die Wahlbeobachtungen –,
ein Lackmustest für den Willen der Belarussen ist, sich
den Bedingungen, die wir ihnen abverlangen, anzupas-
sen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich finde es sehr positiv, dass Frau Yermoshina, die für
die Wahlen in Belarus zuständig ist, ODIHR und die
OSZE bereits zur Wahlbeobachtung eingeladen hat, und
zwar mit dem Hinweis, man wolle es besser machen als
in Russland, nämlich eine volle Wahlbeobachtung er-
möglichen.

Auch die Bundesrepublik ist Belarus immer verbun-
den gewesen. Sie hat sehr frühzeitig diplomatische Be-
ziehungen aufgenommen, eine deutsch-belarussische
Parlamentariergruppe gebildet und das Minsk-Forum,
das jetzt zum zehnten Mal stattgefunden hat, als ein Dia-
logforum etabliert. Das sollten wir auch nutzen und uns
daran beteiligen. Die Beteiligung war in letzter Zeit sehr
erfreulich.

Die Zusammenarbeit mit der OSZE und der Parla-
mentarischen Versammlung der OSZE ist manchmal et-
was konfliktbehaftet. So kann das Büro in Minsk eigent-
lich eher Projekte im Wirtschafts- und Umweltbereich,
also im dritten Korb, durchführen. Die Projekte im Be-
reich der Menschenrechte sind schwierig. Auch die Wor-

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(C (D ing Group on Belarus – ich bin deren Vorsitzende –, die benfalls einen Dialog mit den Belarussen führen will, at Schwierigkeiten gehabt. Wir werden noch einen Anauf unternehmen. Vielleicht dauert es diesmal nicht drei der vier Jahre, bis das nächste erfolgreiche Seminar tattfinden kann. Kolleginnen und Kollegen, Deutschland streckt benso wie die EU Belarus die Hände entgegen. Der eute vorliegende Antrag zur Visumgebührenerleichteung ist ein Mosaikstein in diesem Prozess. Er ist auch ine Aufforderung zum Dialog, eine Aufforderung zum anz. Aber diesmal bitte Tango! (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614222000

Ich gebe das Wort dem Kollegen Michael Link, FDP-

raktion.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Michael Link (FDP):
Rede ID: ID1614222100

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe

rau Zapf, es ist etwas schwierig, die Analogien zum
anzen fortzusetzen. Wenn überhaupt, würde ich an eine
isbärenpolka denken; die könnte man mit Lukaschenko
och vollführen.


(Ute Kumpf [SPD]: Flocke und Knut zusammen! Wunderbar! Super!)


agen wir es einmal so: Wir sollten uns zunächst einmal
n das halten, was tatsächlich auf dem Tisch liegt.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Die Männer drücken sich immer vor dem Tanzen! Deshalb wird es nichts!)


uf dem Tisch liegen heute drei Anträge. Aber Sie ha-
en natürlich recht: Natürlich steht der zweite, der etwas
ltere Antrag, heute nur der Vollständigkeit halber auf
er Tagesordnung. Wichtiger sind die Anträge zur der
eduzierung der Visumgebühren.

Die jetzige Debatte ist genauso wie die OSZE-De-
atte von vorhin besonders aktuell geworden, weil Herr
ukaschenko vor wenigen Wochen angekündigt hat,
ass er im September dieses Jahres in Belarus Parla-
entswahlen abhalten lassen wolle. Dabei hat er großzü-

ig angekündigt, dass er Wahlbeobachter einladen will,
nd zwar „so viele, wie die internationalen Organisatio-
en für sinnvoll halten“. Danke, Herr Lukaschenko, für
ie Einladung! Wir werden Sie beim Wort nehmen, und
war insbesondere Ihre Aussage: „so viele, wie die inter-
ationalen Organisationen für sinnvoll halten“.

Wir wundern uns natürlich schon, dass er nicht
leichzeitig seine Unterschrift unter den russisch-
dschikisch-weißrussisch-armenisch-kirgisischen Antrag
n die OSZE, die Zahl der Wahlbeobachter auf 50 zu re-
uzieren, zurückzieht. Das passt nicht zusammen, wie so
ieles beim Genossen Lukaschenko nicht zusammen-
asst. Praxis und Theorie fallen völlig auseinander. Das






(A) )



(B) )


Michael Link (Heilbronn)

ist nicht nur in diesem Punkt der Fall, sondern trifft ins-
gesamt auf seinen Umgang mit den Idealen der OSZE
zu, die er als OSZE-Teilnehmerstaat unterschrieben hat,
aber dennoch verletzt. Journalisten, Studenten und Op-
positionelle werden verhaftet und körperlich misshan-
delt. Vor allem die sogenannten Wahlen vom März 2006
sind uns in lebhafter Erinnerung. Aus all diesen Gründen
nehmen wir gerne die Einladung zur Wahlbeobachtung
im September an.

Insbesondere vergessen wir nicht – Frau Zapf hat völ-
lig recht – den Fall Kosulin. Kosulin steht aber zugleich
für viele Namenlose, die wir hier gar nicht erwähnen
können und von denen wir oft gar nichts wissen. Des-
halb vergessen wir, wenn wir an den Fall Kosulin erin-
nern, nicht die vielen anderen; er steht stellvertretend für
die vielen anderen.


(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der weißrussische Präsident unternimmt alles, um
seine Macht zu zementieren, und lässt sich dabei offen-
sichtlich von anderen „lupenreinen Demokraten“ leiten.
Er hat offensichtlich ein mittelasiatisches Demokratie-
ideal, wenn er sich an den von Islam Karimow, aber na-
türlich auch an den von Wladimir Putin gelenkten Wah-
len orientiert. Nicht nur in diesem Punkt gibt es Pro-
bleme in Belarus.

Belarus hat auch – das ist gerade für Außenpolitiker
ein echtes Problem – besondere Beziehungen zu Staaten
wie Simbabwe, Iran und Nordkorea.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Fehlt noch Venezuela!)


Man braucht nicht einmal den Begriff von den Schur-
kenstaaten zu verwenden, um zu sehen, was hier vor sich
geht.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Gleich und gleich gesellt sich gern!)


– Genau, gleich und gleich gesellt sich gern. Das be-
schreibt das, was hier vor sich geht. – Auch deshalb
kann uns Belarus nicht egal sein.

Selbst innenpolitisch geht Belarus weiter in Richtung
starker autoritärer Staat. Als Beispiel nenne ich nur die
neu gegründete „Belaja Rus“-Organisation, die dem Pu-
tinschen Ideal dieser sehr nationalistischen Massenorga-
nisation „Naschi“ nacheifert. Auch insofern gibt es neue,
besorgniserregende Entwicklungen in Belarus.

Ganz aktuell ist auch – das muss man erwähnen – die
am 5. Februar vollstreckte Todesstrafe. Da hilft alles
nichts, auch nicht, wenn Lukaschenko sagt, das seien
Banditen und Gewaltverbrecher gewesen. Nein, Kolle-
ginnen und Kollegen, die Todesstrafe darf in Europa kei-
nen Platz haben.


(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aus all diesen Gründen, den außenpolitischen, den in-
nenpolitischen, und zur Bewahrung unserer europäi-

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(C (D chen Ideale müssen wir uns um Belarus kümmern, nicht eil wir in dieses Land hineinregieren wollen, sondern eil dieses Land die gemeinsamen europäischen Ideale, ie es in der OSZE selbst unterschrieben hat, mit Füßen ritt. Deshalb müssen wir, Kolleginnen und Kollegen, die ivilgesellschaftlichen Kräfte in Belarus unterstützen. eshalb müssen wir versuchen, diejenigen zu fördern, ie im Lande etwas ändern wollen. Das tun wir am Besen dadurch, dass wir ihnen die Einreise in die Bundesreublik Deutschland erleichtern. Angesichts der selbstgeählten Isolation von Belarus ist das wahrscheinlich die achhaltigste, die am einfachsten einsetzbare und auch ie friedlichste Waffe, die uns zur Verfügung steht, um m autoritären Staat Belarus etwas zu ändern. Die Antragsteller von FDP und Bündnis 90/Die Grüen – ein Vertreter von den Grünen wird ja gleich noch eden – begrüßen es, dass auch die Koalitionsfraktionen inen entsprechenden Antrag gestellt haben. Wir finden ber, Sie sind dabei sehr kurz gesprungen, und Ihre Ausage, das, was wir fordern, sei europarechtlich nicht haltar, entspricht nicht unserer Rechtsauffassung. Selbst enn dem so wäre, wäre doch die Frage: Wie können ir es gemeinsam schaffen, das europarechtlich hinzuekommen? Denn es muss doch unser gemeinsames Ziel ein, dass mehr junge Leute bei uns grundsätzlich ohne isumgebühren einreisen dürfen. Die Gefahr, dass dabei inzelne Problemfälle mit einreisen, ist doch viel geriner als die Gefahr, dass Belarus insgesamt ein Problemall bleibt, wenn wir weiterhin nur Lippenbekenntnisse bgeben. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der FDP und der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614222200

Nächster Redner ist der Kollege Manfred Grund,

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1614222300

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Bevor ich auf die heute zu beratenden Anträge
äher eingehe, möchte ich etwas zur aktuellen Entwick-
ung in Belarus sagen. Es ist zwar schon gesagt worden,
ber ich möchte das gern wiederholen, weil es für uns
ichtig ist. In den letzten Wochen sind einige politische
äftlinge aus belarussischen Gefängnissen entlassen
orden. Darunter waren zwei Aktivisten der belarussi-

chen Jugendbewegung, Artur Finkevich und Zmitser
ashkevich, für deren Freilassung sich auch Kollegen

us diesem Hause ganz besonders eingesetzt haben. Wir
egrüßen, dass es zu diesen Freilassungen gekommen
st, und hoffen, dass auch andere, von denen hier schon
ie Rede war, demnächst aus belarussischen Gefängnis-
en entlassen werden können.






(A) )



(B) )


Manfred Grund

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Belarus hat damit einen Schritt in die richtige Rich-
tung getan. Wir sollten dies anerkennen, gerade weil wir
weitere Schritte erwarten. Damit wird aber auch die
Frage aufgeworfen, welche Strategie und vor allem wel-
chen Umgang wir mit dem Regime in Belarus pflegen
wollen und welche Form der Kontakte und gegebenen-
falls eines Dialoges wir wählen sollten.

Darüber müssen wir grundsätzlich nachdenken, und
zwar nicht etwa deshalb, weil wir jetzt unsererseits ein
Entgegenkommen zeigen sollten, sondern weil mit der
Frage, ob und wie wir mit den Vertretern des Regimes
reden oder nicht reden, auch unsere Chancen verbunden
sind – sie können dadurch erhöht oder auch geschmälert
werden –, unsere Intentionen zu vermitteln.

Selbstverständlich muss unsere Unterstützung auch
weiterhin uneingeschränkt den demokratischen Kräften
gelten. Wenn wir zugleich aber die Kontakte gegenüber
dem Regime strikt einschränken, birgt das die Gefahr,
dieses in seiner repressiven Politik noch zu bestärken.

Wir haben auch deshalb Anlass, über die Vermittlung
unserer Ziele nachzudenken. Umso weniger Grund ha-
ben wir jedoch, unsere Ziele selbst infrage zu stellen. In
dieser Hinsicht muss klargestellt werden, dass die Vo-
raussetzungen für politische Konzessionen an Belarus
durch die jetzt erlassenen Haftstrafen noch nicht erfüllt
sind.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das Regime von Präsident Lukaschenko ist nach wie
vor das autoritärste in Europa. Die Meinungsfreiheit
wird unterdrückt. Unabhängige Medien existieren nicht.
Die Zivilgesellschaft hat kaum Entfaltungs- und Ent-
wicklungsspielraum. Nichtregierungsorganisationen un-
terliegen staatlicher Kontrolle oder werden verboten.
Das Regime versucht, sich nach außen abzuschotten,
und rechtfertigt dies mit antiwestlicher Propaganda.

Einen Eindruck von pluralistischen, demokratischen
und rechtsstaatlichen Verhältnissen können die Bürger
von Belarus nur im Ausland erlangen. Umso wichtiger
ist es, dass gerade junge Belarussen die Chance erhalten,
Reisen in die Europäische Union zu unternehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Die Erfahrungen, die sie dabei gewinnen, werden über
die Zukunft ihres Landes mitbestimmen. Dies ist auch
eine Frage von Sicherheit und Stabilität an den heutigen
Außengrenzen der Europäischen Union. Aus diesem
Grund liegt die Eröffnung von Reisemöglichkeiten vor
allem für junge Belarussen auch im Interesse Deutsch-
lands.

Hinzu kommt ein weiteres Motiv, das ich nicht uner-
wähnt lassen möchte. Es betrifft die Besuchs-, Erho-
lungs- und Behandlungsmöglichkeiten für Tschernobyl-
Kinder in Deutschland.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



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(C (D Vielen Dank für den Beifall; denn kaum ein anderes uropäisches Land bemüht sich derart intensiv um die olgen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl bei Kinern und Heranwachsenden wie unser Land. – Diese schernobyl-Kinder und ihre Betreuer werden bislang on Gebühren befreit, und daran soll sich auch in Zuunft nichts ändern. ie bisherige Visapolitik hat unserem Interesse Rechung getragen. So wurden 2006, gemessen an der Einohnerzahl Belarus’, dreimal so viele Schengen-Visa er eilt wie zum Beispiel in der Ukraine. Allerdings – auch as ist heute Gegenstand der Beratung – wurden zu Beinn des Jahres 2007 die Gebühren für Schengen-Visa on 35 auf 60 Euro deutlich erhöht. Gemessen am urchschnittlichen Monatseinkommen in Belarus ist dies ine erhebliche Hürde. Die beiden Anträge, die wir heute eraten, zielen darauf ab, diese Hürde abzusenken. Mit anderen Ländern Osteuropas wurden oder werden isaerleichterungsabkommen geschlossen, die entsprehende Gebührenermäßigungen vorsehen. Mit Belarus st eine solche Vereinbarung auf absehbare Zeit wahrcheinlich nicht zu erreichen. (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist die entscheidende Frage! Da kriegen Sie gleich eine Antwort von mir!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


ür uns stellt sich damit die Frage, ob wir eine Abschot-
ung von Belarus nicht unfreiwillig unterstützen, wenn
ir in diesem Fall nicht auch zu einseitigen Schritten in
er Lage sind.

Die vorliegenden Anträge sollen eine Antwort auf
iese Problematik geben.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sehr gut!)


hre Formulierungen sind über weite Strecken deckungs-
leich, weil sie das Ergebnis interfraktioneller Abstim-
ungen sind. In der grundsätzlichen Intention stimmen

eide Anträge überein. Wenn wir dem Antrag der Frak-
ionen des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP trotz-
em nicht zustimmen können, so hat dies rechtliche,
uroparechtliche Gründe.


(Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber keine inhaltlichen!)


Maßgeblich ist hier nun einmal das Schengen-Recht.
eide Anträge nehmen deshalb Bezug auf eine Entschei-
ung des Ministerrats, der Gebührenermäßigungen zu-
ässt, dabei aber ausdrücklich von Einzelfällen spricht.
in Einzelfall ist aber sicher nicht eine generelle Gebüh-

enermäßigung für ganze Personengruppen. Genau das
ieht aber der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und
DP vor. Insbesondere ist vorgesehen, die Visumgebühr
rundsätzlich zu ermäßigen, wenn Antragsteller nur über
in geringes Einkommen verfügen.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Vernünftige Idee!)







(A) )



(B) )


Manfred Grund
Was Sie fordern, ist eine pauschale Einzelfallrege-
lung. Doch das ist ein Widerspruch in sich und mit dem
Schengen-Recht einfach nicht vereinbar. Daran ändert
auch die Vergabepraxis anderer EU-Staaten nichts. Mög-
licherweise kommt das noch zur Sprache. Deshalb müs-
sen wir Ihrem Antrag die Zustimmung versagen. Kol-
lege Link, ich glaube nicht, dass wir zu kurz gesprungen
sind. Denn die Möglichkeiten, die wir zusätzlich eröff-
nen, bedeuten einen Schritt nach vorne. Zugleich legen
wir einen eigenen Antrag vor, der die gemeinsam abge-
stimmten Formulierungen aufgreift, die Forderungen je-
doch an die bestehende Rechtslage anpasst.

Aus dem Antrag haben wir erstens die Forderung he-
rausgenommen, pauschal die Gebühren für alle Personen
mit niedrigem Einkommen zu ermäßigen. Widersprüch-
lich ist zweitens die Formulierung, nach der alle unter
26-Jährigen, Künstler und Mitglieder von Menschen-
rechtsorganisationen im Einzelfall von Gebühren befreit
werden sollen. Dies haben wir in unserem Antrag durch
die in unseren Augen rechtskonforme Aufforderung er-
setzt, solche Personen besonders zu berücksichtigen.
Drittens haben wir auch die Angehörigen kirchlicher Or-
ganisationen mit einbezogen. Ich glaube aber, dies wäre
kein strittiger Punkt unter uns gewesen.

Wir sind uns einig in dem Ziel, großzügige Gebühren-
erlasse zu gewährleisten. Aber wir müssen dabei Formu-
lierungen finden, die rechtlich Bestand haben. Unser An-
trag erfüllt beide Vorgaben. Ich verbinde damit nicht nur
die Erwartung, dass die Menschen in Belarus weiterhin
wie bisher die Möglichkeit haben, unser Land und die
anderen europäischen Länder zu besuchen, sondern auch
die Hoffnung, dass sie von dieser Möglichkeit zahlreich
Gebrauch machen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614222400

Das Wort hat der Kollege Wolfgang Gehrcke, Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614222500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich finde es nur vernünftig, dass man Visumgebühren
senkt und dann, wenn man kann, gänzlich darauf ver-
zichtet, um die Begegnung insbesondere mit jungen
Menschen – in diesem Fall aus Belarus, aber auch aus
anderen Ländern – möglich zu machen. Deswegen wer-
den wir dem Antrag der FDP und der Grünen zustim-
men. Denn ich halte es für ausgesprochen gut, dass in
diesem Antrag bestimmte Personengruppen genannt
werden, die man besonders dazu einlädt, Gäste zu sein.
Ich halte es auch nicht für unvernünftig, darauf aufmerk-
sam zu machen, dass Geringverdienende eine größere
Hilfe erwarten können. Das ist der Vorteil an diesem An-
trag. Dass das einmal ausgesprochen wird, ist doch nur
vernünftig.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D An diesem Beispiel sieht man aber auch – das hat ich schon ein bisschen geärgert –, dass solche inter raktionellen Anträge eine Fraktion aus dem Dialog ausrenzen und gar nicht erst mit einbeziehen. Das gechieht nach dem Motto: Wir wollen eure Meinung gar icht wissen. – Wir sollten angesichts dessen, dass man n diesem Parlament von Dialog redet, den Umgang unereinander in dieser Art und Weise irgendwann einmal berwinden. (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das hatte mit dem höchstbekannten Beitrag der Kollegin Knoche zu Belarus zu tun!)


azu gibt es dann auch die Reaktion, dass man sagt:
enn ihr uns so kommt, dann können wir auch einmal

egenhalten. – Nehmen Sie dies zur Kenntnis. In der Sa-
he sind wir uns einig; wir werden dem Antrag der FDP
nd der Grünen zustimmen.

Ich möchte Sie bitten, an diesem Beispiel einmal zwei
inge zu durchdenken. Für mich steht außer Frage, dass

s sich bei dem Regime Lukaschenko um ein autoritäres
egime handelt, das mit den Bürgerrechten im eigenen
and sträflich umgeht. Verunsichern wir solche Regime
her, wenn wir mehr Kontakte schaffen, uns selber öff-
en und einen lebendigen Dialog führen, oder glauben
ir eher, mit Sanktionen unsererseits gegen solche Re-
ime das richtige Mittel gefunden zu haben, um Verän-
erungen herbeizuführen? Da plädiere ich für Öffnung,
ür Dialogfähigkeit, für Gespräche miteinander. Gesprä-
he miteinander zu führen, heißt immer, dass man die
treitigen Punkte klar und deutlich von Aug zu Aug
um das einmal so zu formulieren – ansprechen muss.

Ich erlebe es viel zu oft – im Rahmen der Außenpoli-
ik ist man ja hin und wieder mit Kollegen aus den ver-
chiedenen Fraktionen in anderen Teilen der Welt unter-
egs –, dass Kollegen, die hier sehr markige Reden
alten, dann, wenn man im Ausland um einen runden
isch herumsitzt, doch keine harte Kante zeigen. Dann
ommt immer nur: „Wir sind solidarisch“, „Wir sind
reundlich“, „Wir wollen einen guten Umgang miteinan-
er haben“. Ich frage mich manchmal: Sind die Linken
ie Einzigen – wir sind es mit Sicherheit nicht –, die
uch in Gesprächen mit anderen das, was wir hier sagen,
nsprechen?


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Was wird denn jetzt für ein Mythos gebastelt?)


Ich habe Sie nicht angeschaut, Herr von Klaeden. Aber
ch hätte gerne in diese Richtung gesehen. Ich schaue
etzt einmal absichtlich zur anderen Seite. Es weiß ja je-
er, was damit gemeint war.

Allzu viel von dem, was hier im Parlament gesagt
ird, wird in Gesprächen mit den Partnern aus anderen
ändern nicht angesprochen bzw. nicht klar genug ange-
prochen. Das halte ich für einen Nachteil; denn sie le-
en sowieso, worüber hier diskutiert wird. Außerdem
uss man, wenn man eine Auseinandersetzung führt,

iese mit eigenen Positionen führen.






(A) )



(B) )


Wolfgang Gehrcke
Man kann den Fall Belarus zum Ausgangspunkt ma-
chen, um darüber nachzudenken, ob eine Politik der Iso-
lierung, also eine Politik der Sanktionen, Veränderungen
besser fördert oder ob eine Politik der Öffnung, des le-
bendigen Dialoges nicht sehr viel vernünftiger ist und zu
Veränderungen führen kann. Das ist zumindest meine
Erfahrung.

Dann habe ich eine letzte Bitte – dann ist meine Rede-
zeit zu diesem Tagesordnungspunkt zu Ende –: Ich
glaube, das kann man nur machen, wenn man allen ge-
genüber gleiche Standards an den Tag legt. Ich habe ein-
mal verglichen, wie scharf wir uns bei Wahlen mit Bela-
rus auseinandergesetzt haben und wie weniger scharf wir
mit Georgien umgegangen sind. Wenn andere das Ge-
fühl haben, dass unterschiedliche Standards angewandt
werden, dann ist man selber nicht glaubwürdig. Bitte
durchdenken Sie auch das einmal. Wenn dieses Gefühl
aufkommt, haben wir weniger Chancen, als wenn man
mit allen gleichermaßen umgeht.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614222600

Ich gebe das Wort der Kollegin Marieluise Beck,

Bündnis 90/Die Grünen.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Vor etwa einem Jahr sind der Kollege Pofalla
und ich nach Belarus gefahren und haben dort gelernt,
dass die Franzosen allen jungen Belarussen unter
25 Jahren die Visumgebühren vollständig erlassen, weil
sie das Interesse haben, dass möglichst viel Austausch
stattfindet, Bewegung da ist und gerade die nächste Ge-
neration westliche Werte wie Freiheit, Demokratie, Le-
bendigkeit und kulturelles Leben kennenlernt. Wir fan-
den, dass das eine gute Idee ist. Wir haben verabredet,
dass wir das in Deutschland auch machen.

Ab da begannen zehnmonatige, zähe Verhandlungen
zwischen den Koalitionsparteien, dem Auswärtigen
Amt, den Innenpolitikern und ich weiß nicht wem sonst
noch. Herausgekommen ist ein Antrag. Die FDP und wir
Grünen haben den Text eingebracht, der von den Koali-
tionären wortgleich übernommen worden ist. An der
Stelle, wo es Ernst wird, wo es darum geht, dass das Par-
lament eine Vorgabe macht – nach dem Motto: wir wol-
len, dass von unter 25-Jährigen keine Gebühren und von
Beziehern geringer Einkommen ermäßigte Gebühren ge-
nommen werden –, hat man die Sache weggedrückt und
eine Empfehlung gemacht. Damit ist faktisch nicht mehr
übrig geblieben als die Entscheidungs- und Ermessens-
freiheit, die die Konsulate schon derzeit haben.

Nun haben wir eben gehört, dass das Ganze angeblich
nicht gehe. Das würde bedeuten, dass Frankreich als
Schengen-Staat gegen das Schengen-Abkommen ver-
stößt.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Ja!)


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(C (D ch habe noch nicht gehört, dass sie dafür gerügt worden ind. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Wir wollen sie auch lieber nicht anklagen! – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Können Sie ja jetzt einmal machen!)


Man könnte ja einmal fragen, ob Frankreich in ir-
endeiner Art und Weise sanktioniert werden müsste.

Der zweite Aspekt sind die Visumerleichterungen ins-
esamt. Wir alle haben am 21. Dezember die Erweite-
ung des Schengen-Raumes gefeiert. Es ist ja wunderbar,
ass er sich nach Osten ausdehnt. Diese Medaille hat
ber eine zweite Seite: An der Grenze zu den Menschen
n Weißrussland ist eine Mauer hochgezogen worden.
as ist dramatisch. Früher gab es einen kleinen Grenz-
erkehr. Für 5 Euro bekam man ein Visum. Jetzt müssen
ie Menschen aus Belarus Schengen-Visa für 60 Euro
ro Visum beantragen. Das heißt: Wir sperren die Men-
chen von unserer Seite aus ein, behaupten aber, wir
ollten alles tun, um Dialog, Freiheit und Auseinander-

etzung zu ermöglichen und die zivilgesellschaftlichen
räfte zu stärken, die versuchen, gegenüber dem Re-
ime Lukaschenko etwas Neues aufzubauen. Das ist ein
iderspruch in sich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Nun wird hier behauptet, dass Belarus im Gegensatz
u anderen GUS-Staaten die Absenkung der Visumge-
ühren auf 35 Euro nicht beantragt hat. Das ist aber
achweislich falsch. Wie die Bundesregierung in ihrer
ntwort auf eine Kleine Anfrage, die uns gestern zuge-
angen ist, zugibt, hat Belarus in den Jahren 2004 und
007 die Ermäßigung der Visumgebühren auf 35 Euro
eantragt. Von der Europäischen Union ist das aber ab-
elehnt worden. Jetzt wird es spannend: Was passiert in
er Europäischen Union? Sie sagt: Belarus ist kein de-
okratischer Staat, also müssen wir ihn sanktionieren,

lso reduzieren wir die Visumgebühren nicht. Damit
rifft die Europäische Union aber genau die Falschen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


as ist eine so irrwitzige Politik, dass man sich wünscht,
ass das Auswärtige Amt und die Bundesregierung da-
egen intervenieren. Das haben sie aber nicht vor, wie in
er Antwort auf unsere Kleine Anfrage nachzulesen ist.

Liebe Kollegen, lieber Kollege Grund, ich weiß, dass
ie absolut guten Willens sind. Frau Zapf, es gibt da et-
as zu tun. Die Europäische Union geht von einer idioti-

chen Logik aus. Sie meint zwar, dass sie das Regime
rifft, aber sie trifft die kleinen Leute. Das ist ein Unsinn,
en wir nicht mittragen können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)







(A) )



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Marieluise Beck (Bremen)

Krempeln Sie also die Ärmel hoch und seien Sie so
mutig wie Frankreich. Setzen Sie sich innerhalb der EU
dafür ein, dass die Gebühren reduziert werden, wie es
bei der Ukraine und anderen Staaten der Fall ist. Lassen
Sie uns weiterhin im Auge behalten, ob sich Belarus
wirklich bewegt. Nächste Woche steht der Prozess gegen
fünf junge Menschen von der Malady-Front an. Der
Staatsanwalt hat eine zweijährige Haftstrafe beantragt,
nur weil sie Mitglied einer nicht registrierten Organisa-
tion sind. Herr Klimov und Herr Kasulin sind bereits er-
wähnt worden; es gibt noch viele andere.

Es gibt noch sehr viel zu tun, ehe wir das Gefühl ha-
ben können, dass es in Belarus ein winziges Zeichen des
Frühlings gibt. Wir alle wünschen uns das. Die falschen
Menschen dafür zu bestrafen, dass sie in ihrem Land ein
autoritäres Regime haben, das passt nun wirklich nicht
zu unserer Logik und unseren demokratischen Vorstel-
lungen.

Schönen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614222700

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Auswärti-
gen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD mit dem Titel „Ermäßigung der
Visumgebühr für Bürgerinnen und Bürger aus Belarus“.
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 16/7170, den Antrag der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD auf Drucksache 16/5909 anzuneh-
men. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit
den Stimmen von SPD, CDU/CSU und FDP bei Gegen-
stimmen der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die
Linke angenommen.

Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses
zu dem Antrag der Fraktionen der FDP und Bündnis 90/
Die Grünen mit dem Titel „Demokratiebewegung in
Belarus unterstützen“. Der Ausschuss empfiehlt in sei-
ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3709, den
Antrag der Fraktionen der FDP und Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 16/1977 abzulehnen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-
men der Koalition bei Gegenstimmen der Opposition an-
genommen.

Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses
zu dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen
und FDP mit dem Titel „Ermäßigung der Visumgebühr
für Menschen aus Belarus“. Der Ausschuss empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/7188,
den Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und
FDP auf Drucksache 16/5905 abzulehnen. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Die Beschlussempfehlung ist ebenfalls mit den Stimmen

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(C (D er Koalition bei Gegenstimmen der Opposition angeommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Katja Kipping, Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Beratungsqualität für Erwerbslose verbessern – Personal der Grundsicherungsträger qualifizieren und ihm Zukunftsperspektiven geben – Drucksache 16/8045 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales Finanzausschuss Haushaltsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die raktion Die Linke fünf Minuten erhalten soll. – Ich öre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollein Katja Kipping, Fraktion Die Linke. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im letz en Jahr ist die Zahl der Sanktionen in den Jobcentern m 60 Prozent gestiegen. Das bedeutet, dass der ohnehin iedrige Hartz-IV-Regelsatz um mindestens 30 Prozent ekürzt wird bis hin zur kompletten Streichung. Nach ussage einer Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit iegt das daran, dass – jetzt zitiere ich – die Ämter zuehmend professioneller arbeiten. Das nenne ich ein ehr eigenartiges Verständnis von Professionalität, das n der Spitze der Bundesagentur herrscht. Dieses Vertändnis von Professionalität würde bedeuten, die Arbeit er Jobcenter bestünde darin, Erwerbslose besonders art abzustrafen. Dieses Verständnis von Professionalität ann ich nicht teilen. Denn ich meine: Die Aufgabe der obcenter besteht nicht im Bestrafen, sondern darin, Areitsuchenden zu helfen. Da gibt es noch viel zu tun. Zum Beispiel mangelt es in vielen Jobcentern an einer ualifizierten Unterstützung von Menschen mit Behinerungen. Vor einigen Wochen kam in meine Sprechtunde eine behinderte Frau mit Rückenproblemen, in er Sprache der Behörde: mit einer anerkannten Teilrwerbsunfähigkeit. Trotz ihrer Behinderung wurde iese Frau in eine Wäscherei vermittelt, wo sie schwer eben und tragen musste. So sieht doch keine sinnvolle rbeitsvermittlung aus. Glauben Sie nicht, dass das ein inzelfall ist! Deswegen fordern wir, die Linke, eine geielte Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeier in den Jobcentern gerade für die Probleme von Menchen mit Behinderungen. Katja Kipping Zu einer professionellen Beratung der Jobcenter würde auch gehören, dass die Menschen umfassend über ihre Rechte aufgeklärt werden. Doch viel zu oft wird in den Jobcentern die Inanspruchnahme der Rechte nicht befördert, sondern sogar noch behindert. Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus einer Fallsammlung einer Fraueninitiative vortragen. Einer schwangeren Alleinerziehenden wird nach ihrer Ausbildung gekündigt. Sie ist also auf Arbeitslosengeld II angewiesen. Sie möchte in eine kleine Zweizimmerwohnung in die Nähe einer Kindertagesstätte umziehen, damit sie sich nach der Geburt wieder auf Jobsuche begeben kann. Frau Kollegin, der Kollege Straubinger hätte gerne eine Zwischenfrage gestellt. Mit Vergnügen. Frau Kollegin Kipping, Sie haben gerade gefordert, dass im Interesse der Beratung der Erwerbslosen besser qualifiziert werden muss. Soll diese Beratung dann so praktiziert werden, wie es jüngst in einer ZDF-Sendung zum Ausdruck kam: dass Beratungsstellen, die Ihrer Partei nahestehen, den Betroffenen zum Missbrauch der Sozialleistungen (Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Hört! Hört! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wie bitte? Das darf ja wohl nicht wahr sein!)


(Beifall bei der LINKEN)

Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614222800

(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)





(A) )


(B) )

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614222900
Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614223000
Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1614223100

bzw. zum Abschluss von Scheinverträgen geraten haben,
um auf diesem Wege sicherzustellen, dass sie soziale
Unterstützung erhalten?


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Unerhört, so etwas!)



Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614223200

Herr Straubinger, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie

mir Gelegenheit geben, außerhalb meiner Redezeit auf
dieses Thema einzugehen. Denn hinter all dem steht ein
elementares Problem, dem wir uns stellen müssen.


(Ute Kumpf [SPD]: Aber eine Lösung haben auch Sie nicht!)


Die Leute bekommen in den Argen überhaupt keine qua-
lifizierte Beratung, sodass sie darauf angewiesen sind,
sich bei anderen Stellen zu informieren. In ihrer Not su-
chen sie nach Unterstützung. Die Fälle, die Sie genannt
haben, zeigen doch, wie wichtig es ist, unabhängige Be-
ratungsstellen mit qualifiziertem Personal zu unterstüt-
zen.


(Ute Kumpf [SPD]: Frau Kipping, Sie müssen wohl erst einmal Ihre eigenen Leute qualifizieren!)


Ich möchte noch ein Zweites sagen – ich bin Ihnen
sehr dankbar, dass Sie darauf hingewiesen haben –:
Wenn es um ein Gesetz geht, das so schlecht ist wie die-

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(C (D es, und wenn gerade von Ihrer Partei eine Ideologie verolgt wird, die darauf abzielt, dass Erwerbslose mit Füen getreten werden, ist unser Platz an der Seite der rwerbslosen. In diesem Fall unterstützen wir sie. Das ebe ich gerne zu. (Beifall bei der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Sind Sie für Rechtsbruch?)


Herr Straubinger, wenn Sie gestatten, würde ich jetzt
erne meine Rede fortsetzen.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Sie haben gerade erklärt, dass Sie für Rechtsbruch sind! Das reicht!)


Ich glaube, dass sehr häufig Rechtsbruch stattfindet,
erade dann, wenn es um die Rechte derjenigen geht, die
esonders wenig haben. Diesen Leuten muss man hel-
en, damit sie ihre Rechte durchsetzen können.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Kubanisches Recht wird da vielleicht gebrochen!)


Zurück zu dem Beispiel, das ich angeführt habe. Die
chwangere Frau, von der ich sprach, wollte in eine
leine Wohnung neben einer Kita ziehen, um ihre Jobsu-
he nach der Geburt fortsetzen zu können. Eigentlich
üsste man meinen, dass ein Amt einen solchen Umzug

ach besten Kräften unterstützt. Doch anstatt Unterstüt-
ung zu erfahren, hat diese Frau von einem Mitarbeiter
es Jobcenters zu hören bekommen, sie hätte doch ab-
reiben können, dann wäre sie nach ihrer Ausbildung
bernommen worden. Meine Damen und Herren, das ist
erhöhnung und Beleidigung von Menschen, die ein
echt auf Unterstützung haben.

Nun können Sie einwenden, die Bundesregierung
ürfe nicht für die Fehler einzelner Mitarbeiterinnen und
itarbeiter in Haft genommen werden. Ich allerdings
eine, dass sie für den Einspardruck, der auf jedem ein-

elnen Mitarbeiter lastet, mitverantwortlich ist. Deswe-
en darf sich die Bundesregierung nicht hinter den Be-
chäftigten der Jobcenter verstecken.

Wie sieht es denn in der Praxis aus? Die regionalen
obcenter müssen mit der Spitze der Bundesagentur für
rbeit eine Leistungsvereinbarung treffen. Dadurch ver-
flichten sich die regionalen Jobcenter zu Einsparungen,
nd zwar um mindestens 8 Prozent.


(Abg. Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


enau dieser Vorgang wird von der Bundesregierung ab-
esegnet. Das, meine Damen und Herren, muss sich än-
ern.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Frau Kollegin, das wäre jetzt der geeignete Zeitpunkt, um zum Ende zu kommen!)


Ich habe noch eine Minute Redezeit, die ich gerne
utzen würde, um die Zwischenfrage zu beantworten.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Hören Sie lieber auf!)







(A) )



(B) )


Katja Kipping
Da sie aber nicht zugelassen wird, kann ich nicht auf
Ihre Frage eingehen.

Ich fasse zusammen: Ich habe zwei Beispiele ge-
nannt, die verdeutlicht haben, dass die Qualität der Bera-
tung in den Argen, in den staatlichen bzw. amtlichen
Stellen, deutlich verbessert werden muss. Dazu unter-
breiten wir Ihnen eine ganze Reihe von Vorschlägen.

Ich möchte drei unserer Vorschläge erwähnen:

Erstens. Wir müssen sicherstellen, dass es einen aus-
reichenden Personalstamm von Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern gibt, die nicht befristet, sondern unbefristet
beschäftigt sind.

Zweitens. Die Trennung in zwei Regelkreise, nach
dem Sozialgesetzbuch II und nach dem Sozialgesetz-
buch III, muss beendet werden. Bei der Vermittlung von
Erwerbslosen darf es kein Zweiklassensystem geben.

Drittens. Wir müssen unabhängige Beratung, die von
unten gewachsen und aus der Selbstorganisation und
Selbstvernetzung der Erwerbslosen entstanden ist, unter-
stützen. Da in den letzten Tagen das Wort von der koope-
rativen Arge, die sich der Minister wünscht, die Runde
machte, sage ich Ihnen: Meine Fraktion streitet für Ar-
gen, in denen eine wirkliche Kooperation mit den Er-
werbslosen praktiziert wird, und zwar eine Kooperation
auf Augenhöhe.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Kipping, ich dachte, Sie sagen noch: Hartz IV muss weg!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614223300

Frau Kollegin Kipping, ich habe die Zwischenfrage

deshalb nicht zugelassen, weil die Kollegin Pothmer
noch zu diesem Tagesordnungspunkt sprechen wird.

Das Wort hat der Kollege Karl Schiewerling, CDU/
CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1614223400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Kollegin Kipping, um es vorwegzunehmen: Die
Antwort, die Sie auf die Frage des Kollegen Straubinger
gegeben haben, war im doppelten Sinne entlarvend. Sie
haben zu Rechtsbruch aufgerufen.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Ja! – Jörg Rohde [FDP]: Unfassbar!)


Sie heißen diesen Rechtsbruch gut, solange er den Men-
schen dient. Dahinter steht ein Menschenbild, demzu-
folge es nur darauf ankommt, jemanden als Benachtei-
ligten zu definieren, und dann kommt – im Falle Ihrer
Person – Robina Hood und kämpft für die Entrechteten,
die im schwarzen Wald leben, und sagt: Leute, wir tun
alles, wir brechen Recht, um euch zu schützen. Ein
höchst spannendes Bild! Sie sollten lieber zusehen, dass

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(C (D ie Leute aus dem Wald herausfinden, damit sie eine erspektive für eine ordentliche Zukunft bekommen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Kaum eine Sitzungswoche vergeht, ohne dass der
eutsche Bundestag über Detailregelungen des SGB II
iskutiert. Mit der Grundsicherung für Arbeitsuchende
lassen Sie mich das noch einmal in aller Deutlichkeit

agen, weil es immer wieder angesprochen wird – ist
005 eine völlig neue Regelung eingeführt worden, bei
er die Prinzipien von Fordern und Fördern gelten, mit
em Ziel, die Menschen wieder in Erwerbsarbeit zu
ringen, damit sie sich ihren Lebensunterhalt mit ihrer
igenen Hände Arbeit verdienen können. Das ist die ar-
eitsmarktpolitische Komponente dieses Gesetzes.
leichzeitig hat dieses Gesetz einen sozialpolitischen
eil: die Grundsicherung aus der alten Sozialhilfe. Das
acht das Neue aus.

Genau daraus – das will ich nicht verheimlichen – er-
eben sich an der einen oder anderen Stelle Probleme.
enn nämlich Personen mit mehreren Kindern in einer
edarfsgemeinschaft leben, erhalten sie so viel Leistun-
en nach dem SGB II, dass es manchem schwer einsich-
ig zu machen ist, dass es, selbst wenn er aufstocken
uss, selbst wenn er nicht wesentlich mehr hat als vor-

er, in jedem Falle besser ist, eine Erwerbsarbeit aufzu-
ehmen, schon deswegen, weil man leichter wieder eine
eguläre Beschäftigung findet.

Wir tun bei dieser Diskussion immer so, als sei das
GB II ein statisches Gebilde und als bliebe, wer einmal
rin ist im dunklen Wald, für immer dort. Das ist aber
icht der Fall. Es gibt gewaltige Bewegungen in diesem
ereich. Zwar gibt es Menschen, die reingehen; aber es
ommen deutlich mehr heraus. Dank der Konjunktur ha-
en wir deutlich weniger Arbeitslose als in der Zeit vor
005, bevor das SGB II geschaffen wurde.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einen weiteren
unkt ansprechen. Wir haben zurzeit 3,66 Millionen Ar-
eitslose. Eigentlich müssten wir noch die dazuzählen,
ie in der Zeit vor 2005 in der alten Sozialhilfe waren. In
er heutigen Arbeitslosenzahl sind nämlich diejenigen,
ie früher in der Sozialhilfe steckten, enthalten. Wenn
an also die Arbeitslosenzahl von heute mit der von frü-

er vergleicht, fällt die Bilanz noch deutlich günstiger
us.

Ich glaube, das Zweite Buch Sozialgesetzbuch ist und
leibt ein lernendes System. Das betrifft natürlich beson-
ers diejenigen – jetzt komme ich auf den Antrag der
inken zu sprechen –, die unmittelbar mit den von Lang-
eitarbeitslosigkeit betroffenen Menschen zu tun haben:
as sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ar-
eitsgemeinschaften und Optionskommunen. Die Be-
auptung in Ihrem Antrag, die Einführung des Arbeitslo-
engeldes II habe zu einer „Spaltung der Erwerbslosen“
eführt, ist falsch und in seiner Diktion verräterisch, und
war deswegen, weil Sie so tun, als ob Sie es bei den Ar-
eitslosen mit einem Block zu tun hätten und alle dieje-
igen, die sich differenziert um sie kümmern, Spalter
ären. Das ist eine Denkweise, das ist eine Herange-






(A) )



(B) )


Karl Schiewerling
hensweise des Kalten Krieges. Ich dachte, die hätten wir
überwunden. Ihren Antrag unter diesem Gesichtspunkt
zu lesen, ist höchst spannend; dann wird einem deutlich,
welche Intention Sie haben.

Meine Damen und Herren, die Erwerbslosen bewegen
sich in unterschiedlichen Rechtskreisen. Erwerbslose in
unterschiedlichen Situationen müssen auch unterschied-
liche Antworten bekommen. An die Berater, die im Be-
reich des Arbeitslosengeldes I arbeiten, werden andere
Anforderungen gestellt als an die Berater, die im Bereich
des Arbeitslosengeldes II arbeiten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Die im Bereich des Arbeitslosengeldes II Tätigen
müssen verschiedene Probleme beachten. Sie brauchen
Kompetenzen für die Bereiche Verschuldung, Suchtbe-
ratung, Jugendhilfe und Wohnungshilfe. Dies müssen sie
in Hilfeplänen zusammenbringen, die sie dem Einzelnen
angedeihen lassen, der über einen längeren Zeitraum
– viele Jahre lang – keinem Erwerb mehr nachgegangen
ist. Ich will Ihnen in aller Deutlichkeit sagen – und das
müssen wir auch hier im Haus akzeptieren –: Das erfor-
dert eine andere Herangehensweise.

Der im Antrag unterschwellig geäußerte Vorwurf,
qualifiziertes Personal finde man nur unter den Mitarbei-
tern, die im Bereich des SGB III, also im Bereich des
Arbeitslosengeldes I arbeiten, weise ich ausdrücklich zu-
rück. Dieser Vorwurf ist falsch und für all diejenigen dif-
famierend, die sich seit vielen Jahren in diese Dinge ein-
arbeiten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Herr Schiewerling, reden Sie doch nicht alles gesund! Sie kennen doch die Probleme!)


Richtig ist sicherlich, dass es 2005 beim Beginn der
Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe
Anfangsschwierigkeiten gegeben hat. Das lag primär da-
ran, dass viele Mitarbeiter übernommen wurden, die vor-
her im Bereich der Sozialhilfe tätig waren. Diese hatten
zunächst keine Erfahrung im Bereich der Berufsberatung
und der Berufsvermittlung. Sicherlich arbeitete man in
den Kommunen mental auch anders als in der Bundes-
agentur für Arbeit. Ich sage Ihnen aber: Durch meine
vielen Besuche in den Argen habe ich festgestellt, dass
sich hier vieles zu einem Guten gewendet hat. Die Mitar-
beiterinnen und Mitarbeiter, die in den Arbeitsgemein-
schaften tätig sind, sind gut und geben sich alle erdenkli-
che Mühe, den Menschen weiterzuhelfen.

Ich finde es ebenfalls frappierend, dass in Ihrem An-
trag detailliert beschrieben ist, wie die Argen und die
Optionskommunen die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter
zu organisieren haben, so als müsste der Bund vorschrei-
ben, wie die Weiterbildung vor Ort erfolgt. Das wissen
die Leute vor Ort wesentlich besser. Wir brauchen kei-
nen Gleichschritt von der Bundesebene hinunter bis in

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(C (D ie letzte Arge zu verordnen. Sie sollen ihre Verantworung vor Ort wahrnehmen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Richtig ist, dass seit der Einführung der Grundsiche-
ung viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ar-
eitsgemeinschaften nur befristete Verträge erhalten ha-
en. Daran hat sich viel verändert. Im letzten
aushaltsjahr haben wir 4 000 neue Stellen geschaffen.
ür dieses Jahr sind 3 000 weitere Dauerstellen vorgese-
en. Gemäß einem Haushaltsvermerk ist vorgesehen,
ass dort bis 2010 weitere 5 000 Kräfte tätig werden.

Auch hier erwähne ich allerdings wieder, dass wir es
it einem System zu tun haben, das in Bewegung ist.
ie Langzeitarbeitslosigkeit wird abgebaut. Deswegen
rauchen wir auch nicht alle Mitarbeiter an den alten
tellen. Dank der guten Konjunktur und des Abbaus der
rbeitslosigkeit gehen wir mittlerweile auch an die ver-
ärtete Langzeitarbeitslosigkeit heran. Hier müssen wir
it anderer Kraft und Intensität arbeiten, um auch den

avon betroffenen Menschen eine Perspektive zu geben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben 3,66 Millionen Arbeitslose. 625 000 Men-
chen haben im letzten Jahr eine Beschäftigung gefun-
en. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Be-
chäftigten ist auf 27,4 Millionen angestiegen. Die Zahl
er offenen Stellen – das halte ich für wesentlich – ist
om letzten Monat bis jetzt um 131 000 gestiegen. Das
alte ich für ein wichtiges Indiz und ein hoffnungsvolles
eichen. Es gibt 933 000 offene Stellen, die wir besetzen
önnen.

Ich wünsche mir für die Zukunft mehr Mut vor Ort
nd mehr Eigenverantwortung. Das bedeutet aber auch,
ass der Bund akzeptieren muss, dass vor Ort bei allem
uten Willen auch einmal Fehlentscheidungen getroffen
erden können. Das müssen auch der Bundesrechnungs-
of und die internen Prüfer in Rechnung stellen. Ich
öchte gerne, dass die Sachbearbeiter vor Ort angstfrei

ine Entscheidung treffen können, ohne dass ihnen mög-
icherweise jedes Mal gesagt wird, dass sie einen Fehler
emacht haben, und ohne dass sie zitiert werden. Jeder,
er das nicht darf und der keine Initiativen ergreifen
ann, hat hinterher keine Lust mehr, Eigeninitiative zu
eigen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich komme zum Schluss. Wenn das deutsche Recht
nd die Europagesetze dagegen sprechen und wenn die
ötige Flexibilität nicht gegeben ist, dann müssen wir
berprüfen, inwieweit wir im Gesetzgebungsverfahren
ehr Flexibilität ermöglichen können. Ich glaube näm-

ich, dass wir ohne diesen Ansatzpunkt die eigentlichen
robleme nicht lösen werden.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614223500

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.






(A) )



(B) )


Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1614223600

Ich komme zum Schluss. – Gleichzeitig sind wir da-

bei – das ist keine Frage –, aus der Entscheidung des
Verfassungsgerichts vom 20. Dezember die Konsequen-
zen zu ziehen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ei-
nen letzten Satz sagen: Von welcher Motivation auch im-
mer getragen, schnelle Entscheidungen dürfen nicht wie-
der unter Macht- und Zuständigkeitsgesichtspunkten zu
Ergebnissen führen, die den Menschen nicht dienen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614223700

Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich der Kol-

legin Kipping.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh nein! – Muss das sein?)



Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614223800

Es ist soeben behauptet worden, in unserem Antrag

sei die Rede davon, dass man nur im Rahmen von
SGB III qualifizierte Mitarbeiter findet. Diese Unterstel-
lung muss ich zurückweisen; dies ergibt sich einfach
nicht aus dem Text unseres Antrags. Im Gegenteil, unser
Antrag spricht zum einen das Problem an, dass es von
den arbeitsmarktrechtlichen Instrumenten her zwei Re-
gelkreise gibt, die wir auflösen wollen. Das ist keine ab-
surde Forderung, sondern das ist eine Forderung, die in
Gewerkschaften, Sozialverbänden usw. breit diskutiert
wird. Zum anderen geht es uns in unserem Antrag eben
nicht darum, mit dem Finger auf die einzelnen Mitarbei-
ter zu zeigen, wenn bei der Beratung Mängel auftreten,
sondern darum, die Lösung der strukturellen Probleme
anzugehen. Wir dürfen hier nicht bloß so schön von
Angstfreiheit reden, sondern müssen den Beschäftigten
die Sicherheit geben, Beratung im Interesse der Betrof-
fenen anstatt unter dem Dogma des Einspardrucks
durchführen zu können.

Danke.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614223900

Herr Kollege Schiewerling.


Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1614224000

Frau Kollegin Kipping, Sie sprechen in Ihrem Antrag

dezidiert davon, dass es unterschiedliche Beratungsqua-
lifikationen und -qualitäten gibt, und Sie sprechen in Ih-
rem Antrag bewusst von Spaltung. Sie weisen darauf
hin, dass es unterschiedliche Beratungen im Bereich
SGB II und SGB III gibt. Das steht in Ihrem Antrag; ich
habe ihn tatsächlich gründlich gelesen. Aber dies ist eine
Position, die so nicht durchzuhalten ist. Ich weiß, dass
Fachleute es für eine Achillesferse der Arbeitsmarktpoli-
tik halten, dass es im Bereich SGB III und SGB II unter-
schiedliche Beratungen gibt. Dies mag man so sehen.
Aber ich sage Ihnen, dass man auch mit einer Achilles-
ferse, die nicht verwundet ist, gut laufen kann. Daher

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(C (D erden wir weiterhin die detaillierte und auf die Prolemgruppen abgestimmte Beratung durchführen. Ich glaube nicht, dass dies das eigentlich Anliegen Ihes Antrags war. Ihr Antrag lief eher darauf hinaus, eine ualifikation so zu gestalten, dass nur die Mitarbeiter ualifiziert sind, die die Menschen, die Sie als Ihr Wäherpotenzial im Blick haben, so beraten, dass sie im Sysem weiter gut leben können. Das ist nicht unsere Intenion. Der Kollege Dirk Niebel, FDP-Fraktion, hat seine ede zu Protokoll gegeben.1)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614224100
atja Mast von der SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD – Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Das ist ja ein Ding, Herr Kolb hat Sprechverbot! – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wo ist Herr Kolb?)



Katja Mast (SPD):
Rede ID: ID1614224200

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

ie hier sind, um Gesetze zu verabschieden, die auch
ingehalten werden sollen! Das ist wieder einmal ein ty-
ischer Antrag der sogenannten Linken: Erfolge beim
bbau der Arbeitslosigkeit kleinreden, skandalisieren
nd dann auch noch einen Antrag vorlegen, der mit
chneller Hand gestrickt ist. Keine Überraschung also!


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Natürlich sind wir beim Abbau der Langzeitarbeitslo-

igkeit noch nicht am Ziel. Dies behauptet auch nie-
and. Wir haben einiges erreicht. Allein, dass wir es tat-

ächlich geschafft haben – Kollege Schiewerling hat es
ben gerade gesagt –, Langzeitarbeitslosigkeit zu verrin-
ern, ist ein Erfolg. Die sogenannte Sockelarbeitslosig-
eit ging von 2006 auf 2007 um 192 000 Langzeitar-
eitslose zurück. Das sind stolze 16 Prozent.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber nicht Thema des Antrags!)


ür jeden Einzelnen heißt das, morgens wieder aufzuste-
en, einen Job zu haben, dazuzugehören und Anerken-
ung zu bekommen – 192 000-mal.


(Beifall bei der SPD)

as reicht nicht, aber es zu verschweigen wird
92 000 Menschen nicht gerecht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wodurch wurde der Abbau der Langzeitarbeitslosig-

eit erreicht? Erstens. Seit den Reformen am Arbeits-
arkt und der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und
ozialhilfe 2005 haben sich die Bundesagentur für Ar-
eit und die Kommunen in den Argen Schritt für Schritt
erbessert.


(Jörg Rohde [FDP]: Auch in den Optionskommunen!)


Anlage 3






(A) )



(B) )


Katja Mast
Der Start verlief holprig – das wissen wir alle –, aber
nachdem sich alle zusammengerauft hatten, waren es die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihren Leistungen,
die die Angebote für Langzeitarbeitslose zur Aktivie-
rung gesteuert haben. Allein im Jahr 2007 befand sich
jeder fünfte zu aktivierende Arbeitslosengeld-II-Emp-
fänger in einer Eingliederungsmaßnahme; 2005 war es
nur jeder achte.

Zweitens. Auch die Angebotsmöglichkeiten, Lang-
zeitarbeitslosen wieder einen Job zu vermitteln, sind
treffsicherer geworden. Dazu hat unser jüngst in Kraft
getretenes Gesetz zu den Jobperspektiven beigetragen.
Aber auch die Zahl der Förderungen im Bereich der be-
ruflichen Weiterbildung – auch der beruflichen Weiter-
bildung von Menschen mit Behinderungen – hat stark
zugenommen.

Drittens. Die weiteren Leistungen, die oft ergänzend
und auf den Einzelfall abgestimmt erbracht werden, sind
2007 immens gestiegen. Als wichtige Schritte sind bei-
spielsweise die verbesserte Schuldnerberatung, die psy-
chosoziale Betreuung, das Einstiegsgeld und die Sucht-
beratung zu nennen.

Viertens. Fakt ist auch, dass wir besonders für Ju-
gendliche sehr viel erreicht und sie überdurchschnittlich
gefördert haben. Denken Sie nur an den neuen Qualifi-
zierungskombilohn oder die Einstiegsqualifizierung.

Keine Frage: Wir können noch besser werden. Aber
Sie sollten nicht immer so eine miese Stimmung verbrei-
ten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Bei der Stellenbefristung der Mitarbeiter der Argen
muss zunächst einmal der Istzustand festgehalten wer-
den. Selbstverständlich ist es unser Ziel, möglichst vie-
len Beschäftigten eine verlässliche Perspektive zu bie-
ten. Zeitverträge haben nur dort ihre Berechtigung, wo
dies für die Flexibilität vor Ort notwendig ist. Bei den
festen Stellen gehen wir Jahr für Jahr einen Schritt wei-
ter. 2007 standen 4 000 Stellen zusätzlich zur Verfügung.
2008 werden es weitere 3 000 sein. Das reicht zwar
nicht, aber es zu verschweigen, wird 7 000 Menschen
nicht gerecht.

Tun Sie bitte nicht immer so, als hätten wir es bei den
Mitarbeitern in den Jobcentern mit Amateuren zu tun!
Jeder Einzelne hat viel erreicht und verdient nicht nur
unseren Respekt, sondern auch unser Vertrauen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Sie sind qualifiziert, und es ist Aufgabe der Träger vor
Ort, zu entscheiden, wie sie ihre Mitarbeiter aufgrund
der spezifischen Bedürfnisse weiter qualifizieren. Was
im internationalen, großstädtischen Mannheim mit vie-
len Migranten richtig ist, muss in Isny im Allgäu noch
lange nicht richtig sein. Die Akteure vor Ort wissen
schon selbst, was zu tun ist.

Übrigens sollten Sie die Entscheidung des Bundes-
verfassungsgerichts nicht als nebensächlich abtun. Denn
danach ist die Zusammenarbeit in den Argen nicht mit

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(C (D er Verfassung vereinbar. Der Übergang muss bis 2010 rfolgen. Wir brauchen Planungssicherheit und haben diese für ie Leistungen der Arbeitslosengeldempfänger bereits ewährleistet. Auch das ist das Verdienst der engagierten itarbeiter in den Argen und der Bundesagentur. Wir rauchen aber auch Planungssicherheit für die qualifiierten Mitarbeiter der Argen. Sie wollen wissen, wohin ie Reise geht. Klar ist: Je länger der Zeitraum der Unsiherheiten nach der Entscheidung des Bundesverfasungsgerichts anhält, desto stärker werden die Mitarbeier und insbesondere auch die Hilfeempfänger – im brigen auch durch solche Anträge – verunsichert. (Widerspruch der Abg. Katja Kipping [DIE LINKE])


(Jörg Rohde [FDP]: Option für alle!)


e länger die Debatte dauert, desto weniger Planungssi-
herheit gibt es.

Deshalb kann es nur eine Lösung geben, die ohne eine
rneute Gesetzesänderung auskommt. Wir wollen keine
ituation wie 2003, als ein endloses Vermittlungsverfah-
en zwischen Bundesrat und Bundestag sowie Städten
nd Landkreisen alle – nicht zu vergessen die Mitarbei-
er der Bundesagentur für Arbeit – über das erträgliche

aß hinaus belastet hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Fazit ist: Politische Polarisierung nutzt nicht den
angzeitarbeitslosen, sondern nur den Demagogen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


eder eine reine Bundeslösung noch eine vollständige
ommunalisierung der Arbeitsvermittlung ist sinnvoll.


(Rolf Stöckel [SPD]: Das geht doch gar nicht!)


Die Arbeitsvermittlung muss in den Händen des Bun-
es liegen. Eine Kommunalisierung des Risikos Arbeits-
osigkeit kann ich mir nicht vorstellen. Die Solidarität
wischen wirtschaftlich schwachen und starken Kom-
unen wollen wir nicht zerstören. Im Rahmen der Ar-

eitsmarktpolitik findet schon heute der stärkste Finanz-
usgleich zwischen den Kommunen statt. Jene mit
öherer Arbeitslosigkeit, die von Krisen stärker betrof-
en sind, bekommen mehr. Nimmt man nur die Ausga-
en für die Grundsicherung, dann stellt man fest, dass es
m 35 Milliarden Euro geht. Wollen wir zurück zum
lickenteppich der alten Sozialhilfe? Das lehnt zum
lück die Mehrheit der Städte und Kommunen ab. Eine
ommunalisierung bedeutet einen neuen Finanzaus-
leich zwischen Bund und Ländern sowie endlose Ver-
andlungen zwischen den Ebenen. Das ist das genaue
egenteil von Planungssicherheit. Doch darum allein
eht es nicht. Für die Überwindung der Hürde einer
rundgesetzänderung gibt es ebenfalls keine Mehrheit.


(Jörg Rohde [FDP]: Das ist das Problem!)


Unser Bundesarbeitsminister Olaf Scholz hat in die-
er Situation das einzig Sinnvolle gemacht. Er hat zügig
inen ersten Vorschlag für ein neues kooperatives Job-






(A) )



(B) )


Katja Mast
center vorgelegt. Das sorgt für Planungssicherheit. Auf
der Basis einer freiwilligen Kooperationsvereinbarung
arbeiten Kommunen und die Agentur für Arbeit weiter-
hin zusammen. Alles kann wie bisher unter einem Dach
erfolgen. Die geleistete Aufbauarbeit war nicht umsonst.
Die Arbeitsvermittlung bleibt beim Bund. Die örtliche
Ebene spielt eine tragende Rolle. Das ist gut und richtig.
Nur so können Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik rei-
bungsfrei und in hoher Qualität betrieben werden.

Konkret heißt das, die Zusammenarbeit von Kommu-
nen und der Agentur für Arbeit wird fortentwickelt. Die
Arbeitsuchenden haben möglichst eine Anlaufstelle so-
wie eine abgestimmte Bescheiderteilung und Auszah-
lung. Im Kooperationsausschuss arbeiten Kommunen
und Agentur zusammen. Dort wird das Arbeitsmarkt-
und Integrationsprogramm für Langzeitarbeitslose vor
Ort festgelegt. Die Entscheidungen über die lokale Ar-
beitsmarktpolitik, die Gestaltung der Geschäftsprozesse,
die Kommunikation und die Abstimmung mit den Han-
delnden vor Ort erfolgen dezentral. Es wird nicht vorge-
geben, was gemacht wird. Leitlinien sind vereinbarte
Ziele.

Jedes Jobcenter ist nur so gut wie seine Mitarbeiter.
Die kommunalen Beschäftigten in den Argen, die schon
heute Aufgaben der Agentur für Arbeit erledigen, erhal-
ten daher ein Beschäftigungsangebot der Bundesagentur
für Arbeit. Auch die Kompetenz der kommunalen Ge-
schäftsführer der Argen muss erhalten bleiben. Sie wer-
den ebenfalls ein Weiterbeschäftigungsangebot erhalten.
Die Mitarbeiter haben eine verlässliche Perspektive.

Ich hätte mir hierzu mehr von Ihrem Antrag erwartet.
Er bietet keine Überraschung, auch nicht am Valentins-
tag.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614224300

Ich gebe das Wort der Kollegin Brigitte Pothmer,

Bündnis 90/Die Grünen.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1614224400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau

Kipping, sind Sie sicher und wissen Sie ganz genau, dass
ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin eines Jobcenters
zu einer schwangeren Frau gesagt hat, sie hätte doch ab-
treiben können?


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Ja!)


– Dann sagen Sie uns bitte, um welches Jobcenter es sich
handelt. Ich bin sehr dafür, dass wir dem nachgehen. Ich
finde es ungeheuerlich, wenn so etwas stattgefunden hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Wenn Sie sich aber auf Hörensagen verlassen haben,
ohne es nachzuprüfen, dann finde ich das gleichfalls un-
geheuerlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


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(C (D enn auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines obcenters sind Menschen und haben ein Anrecht daauf, vor Verleumdungen geschützt zu werden. Ich bitte ie, hier nachzuarbeiten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Falls das, was Sie sagen, stimmt, sind wir alle aufge-
ordert, alles zu tun, damit das für den betreffenden Mit-
rbeiter oder die betreffende Mitarbeiterin nicht ohne
olgen bleibt.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614224500

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

ollegin Kipping?


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1614224600

Ja.


Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614224700

Um auf Ihre direkte Ansprache mit einer Frage zu

ntworten – ich kann Ihnen jetzt nur in dieser Form ant-
orten –: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass
as von mir genannte Beispiel aus einer Fallzusammen-
tellung einer Rechtsanwältin stammt, die eine sehr an-
rkannte Fraueninitiative berät und die sich mit der Bitte
n mich gewandt hat, Öffentlichkeit für solche Probleme
erzustellen? Aber diese Rechtsanwältin hat im Interesse
hrer Mandantin und in Rücksprache mit ihrer Mandan-
in den Namen anonymisiert. Es handelt sich aber um
ine ordentliche, offizielle Zusammenstellung.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1614224800

Frau Kipping, ich bin bereit, das zur Kenntnis zu neh-

en. Aber dann wird es umso eher möglich sein, min-
estens herauszubekommen, um welches Jobcenter es
ich handelt.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!)


ch bin gerne bereit, mit dieser Rechtsanwältin Kontakt
ufzunehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


as kann diese Rechtsanwältin nur wollen; denn das
iel der Rechtsanwältin kann doch nur sein, dass solche
issstände – um das ganz deutlich zu sagen – abgestellt
erden. Frau Kipping, ich erwarte von Ihnen, dass ich
azu Material bekomme.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


ch verspreche Ihnen meinerseits, dass ich das nicht auf
ich beruhen lassen werde. – Ich danke Ihnen.

Lassen Sie mich jetzt kurz zu dem Antrag kommen.
ch will doch sagen, Frau Mast, Herr Schiewerling: Es
st nicht ganz falsch, was in diesem Antrag steht. Da
ützt auch kein Gesundbeten. Sie kennen doch alle eine






(A) )



(B) )


Brigitte Pothmer
ganze Reihe von Beispielen, die zeigen, dass die Bera-
tungsqualität in den Jobcentern zu wünschen übrig lässt.


(Widerspruch der Abg. Ute Kumpf [SPD])


Wir wissen seit langem, dass der Schlüssel, den wir den
Menschen versprochen haben, als dieses Gesetz gemacht
wurde, nämlich dass ein Berater bzw. eine Beraterin nur
eine bestimmte Anzahl von Klienten zu betreuen und zu
beraten hat, bei weitem noch nicht eingehalten wird.


(Katja Mast [SPD]: In der Bibel steht: Wer ohne Fehl ist, der werfe den ersten Stein!)


Insoweit gibt es da tatsächlich Handlungsbedarf. Das
Verhältnis zwischen Fordern und Fördern ist seit Regie-
rungsantritt dieser Großen Koalition leider nicht besser
geworden; im Gegenteil: Sie haben die Schraube des
Forderns angezogen, und das Fördern haben Sie ver-
nachlässigt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das hat etwas mit der Personalsituation in den Job-
centern zu tun. Wenn diejenigen, die Arbeitslose beraten
sollen, selber permanent um ihren Job fürchten müssen,
weil sie einen befristeten Arbeitsvertrag haben, dann ist
das eine ungute Situation, die sich selbstverständlich auf
die Beratungsqualität auswirkt. Ein Viertel aller Be-
schäftigten der Argen arbeitet nach wie vor auf befriste-
ten Stellen. Die Fluktuationsrate – die ist ein Hinweis
darauf, wie es in einem Laden läuft – liegt bei 20 Pro-
zent. Dass es Handlungsbedarf gibt, die Situation zu ver-
bessern, werden Sie nicht leugnen können.

Ich will kurz auf das eingehen, was Frau Mast gesagt
hat. Die Situation in den Jobcentern ist nach der Ent-
scheidung des Bundesverfassungsgerichts natürlich
nicht besser geworden. Die Verunsicherung ist noch grö-
ßer geworden. Da ist die Befristung von Stellen richtig
Gift.

Frau Mast, Sie sagen, der Vorschlag von Olaf Scholz
habe zur Folge, dass dort Sicherheit eintritt. Sagen Sie
einmal, Frau Mast, lesen Sie eigentlich keine Zeitung?
Erstens. Dieser Vorschlag ist vor allem eines: Er ist in
Wirklichkeit eine astreine Bundeslösung. Wer kooperie-
ren will, der darf, und es wird ihm nicht verboten.


(Jörg Rohde [FDP]: So ist es!)


Aber da, wo es Schwierigkeiten gibt – und dafür gibt es
eine Menge Beispiele –, wird das natürlich so überhaupt
nicht funktionieren. Zweitens. Nichts, aber auch gar
nichts deutet darauf hin, dass diese Lösung Wirklichkeit
werden wird; denn Ihr Koalitionspartner hat doch schon
lautstark verkündet, dass er auf keinen Fall mitziehen
wird.

Mit anderen Worten: Die Unsicherheit bei den Mitar-
beiterinnen und Mitarbeitern der Jobcenter ist keines-
wegs vom Tisch. Da kann ich nur sagen: Da sind befris-
tete Jobs und hohe Fluktuationsraten Gift für die
Beschäftigten und damit leider auch für die, die sie bera-
ten sollen.

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1)

(C (D Ich danke Ihnen. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf rucksache 16/8045 an die in der Tagesordnung aufge ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einerstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung o beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Kretschmer, Ilse Aigner, Katherina Reiche (Potsdam)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614224900
der CDU/CSU sowie der Abgeordneten René
Röspel, Jörg Tauss, Nicolette Kressl, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Nichtkommerzielle klinische Studien in
Deutschland voranbringen
– Drucksachen 16/6775, 16/8061 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Kretschmer
René Röspel
Patrick Meinhardt
Dr. Petra Sitte
Priska Hinz (Herborn)


Die Kollegen Michael Kretschmer, Dr. Rolf
oschorrek, René Röspel und die Kolleginnen
r. Marlies Volkmer, Cornelia Pieper, Dr. Petra Sitte und
riska Hinz haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.1)

Wir kommen deshalb zur Abstimmung. Der Aus-
chuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
chätzung empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
rucksache 16/8061, den Antrag der Fraktionen der
DU/CSU und der SPD auf Drucksache 16/6775 anzu-
ehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
er stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist

ie Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Fraktio-
en der SPD, der CDU/CSU und der FDP bei Gegen-
timmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und
timmenthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Innenausschusses (4. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Josef Philip
Winkler, Omid Nouripour, Claudia Roth

(Augsburg) und der Fraktion BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN

Für eine Initiative der Bundesregierung mit
dem Ziel einer humanitären, kohärenten

Anlage 4






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
und nachhaltigen Ausrichtung der europäi-
schen Flüchtlingspolitik

– zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke,
Petra Pau, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion DIE LINKE

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft für
eine grundlegende Wende der europäischen
Migrations- und Flüchtlingspolitik nutzen

– Drucksachen 16/3541, 16/5109, 16/6910 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Reinhard Grindel
Rüdiger Veit
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)

Ulla Jelpke
Josef Philip Winkler

Es ist vereinbart, dass die Reden der folgenden Kolle-
ginnen und Kollegen zu Protokoll gegeben werden:
Reinhard Grindel, Rüdiger Veit, Florian Toncar, Sevim
Dağdelen und Omid Nouripour.1)

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Innenaus-
schusses auf Drucksache 16/6910. Der Ausschuss emp-
fiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung die Ableh-
nung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf Drucksache 16/3541. Wer stimmt für die Beschluss-
empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltun-
gen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen
der Fraktionen Die Linke, der SPD, der CDU/CSU bei
Stimmenthaltung der Fraktion FDP und gegen die Stim-
men der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.

Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des
Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/5109.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Die Be-
schlussempfehlung ist mit den Stimmen der Fraktionen
der SPD, der CDU/CSU und der FDP bei Gegenstimmen
der Fraktion Die Linke und Stimmenthaltung der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.

Ich rufe den Zusatzpunkt 5 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Modernisierung der Aufsichtsstruktur der
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf-

(Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetz)


– Drucksache 16/7078 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzaus-
schusses (7. Ausschuss)


– Drucksache 16/8083 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Leo Dautzenberg
Nina Hauer
Frank Schäffler

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1) Anlage 5 2)

(C (D Es ist vereinbart, die Reden der folgenden Kolleginen und Kollegen zu Protokoll zu geben: Leo autzenberg, Nina Hauer, Frank Schäffler, Dr. Axel roost, Dr. Gerhard Schick.2)


Wir kommen zur Abstimmung. Der Finanzausschuss
mpfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
he 16/8083, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
uf Drucksache 16/7078 in der Ausschussfassung anzu-
ehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
er Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand-
eichen. – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? –
er Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den
timmen der Fraktionen der SPD und der CDU/CSU ge-
en die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
nd bei Stimmenthaltung der Fraktionen Die Linke und
er FDP angenommen.

Dritte Beratung

nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetz zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer

timmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Der Gesetz-
ntwurf ist damit in dritter Beratung mit demselben
timmergebnis wie in zweiter Beratung angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth),
Jan Mücke, Patrick Döring, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der FDP

Mehr Park- und Stellplätze für Lkw auf Bun-
desautobahnen

– Drucksachen 16/5278, 16/7146 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Renate Blank

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
einen Widerspruch.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parla-
entarische Staatssekretär Achim Großmann.

A
Achim Großmann (SPD):
Rede ID: ID1614225000


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
it seiner zentralen Lage ist Deutschland das größte

ransitland in Europa. Das zeigt sich auch in der Infra-
truktur: Wir haben ein Netz von 12 600 Kilometern
undesautobahn aufgebaut.

Was ist in den letzten Jahren passiert, und was wird in
en kommenden Jahren passieren? Es gibt neue Entwick-
ngen in den Logistik- und Produktionsketten – Stich-
ort „Just-in-Time“ und „Just-in-Sequence“ –, es gibt
ie EU-Osterweiterung. Der Güterverkehr auf den Bun-
esautobahnen nimmt zu, die Zahl der Lkw nimmt zu.
m Jahr 2007 wurden zudem neue Lenk- und Ruhezeiten

Anlage 6






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Achim Großmann
eingeführt. Das bedeutet, dass wir mehr Rast- und Park-
plätze für Lkw und Lkw-Fahrer brauchen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Das hat etwas mit Verkehrssicherheit zu tun: Wir müssen
dafür sorgen, dass die Lkw-Fahrer ihre Ruhezeiten ein-
halten können, weil das zu mehr Sicherheit auch für den
gesamten Pkw-Verkehr führt.


(Willi Brase [SPD]: Sehr richtig!)


Derzeit gibt es an den Autobahnen ungefähr 430 be-
wirtschaftete und 1 520 unbewirtschaftete Rastanlagen.
Dort stehen 21 000 Parkplätze für Lkw zur Verfügung.
Zudem stehen an den Autohöfen 18 500 Parkplätze zur
Verfügung. Derzeit sind dies also ungefähr 39 500 Park-
plätze; das ist schon eine ganze Menge. Wir wissen den-
noch, dass das nicht ausreicht. Die Gründe dafür habe
ich eben genannt.

Bereits in den 90er-Jahren wurde ein mit 250 Millio-
nen Euro unterlegtes Zehnjahresprogramm für den Bau
neuer Parkplätze aufgelegt. Wir haben dieses Programm
fortgeschrieben: Seit 2005 stehen für die darauffolgen-
den Jahre insgesamt 250 Millionen Euro – 25 Millionen
Euro pro Jahr – zur Verfügung. Der Haushaltsausschuss
hat mit Unterstützung des Finanzministers die Tranche
für 2008 von 25 Millionen Euro auf 35 Millionen Euro
aufgestockt. Das heißt, wir können in diesem Jahr noch
mehr Rastanlagen ausbauen.

Eine weitere positive Entscheidung ist getroffen wor-
den: Wir werden nicht nur die bewirtschafteten, sondern
auch die unbewirtschafteten Rastanlagen ausbauen.
Grund dafür ist das Verhalten vieler Lkw-Fahrer: Wäh-
rend ein Teil der Lkw-Fahrer gerne Raststätten anfährt,
weil sie die dortigen Einrichtungen in Anspruch nehmen
wollen, ist ein anderer Teil mit einem Parkplatz auf den
unbewirtschafteten Rastplätzen sehr zufrieden, weil sie
im Grunde genommen alles an Bord haben und sich
selbst verpflegen können.

Was ist nun geplant? Was ist in der Mache? Derzeit
sind 125 Neu- und Ausbaumaßnahmen in Planung. Da-
bei sollen rund 11 000 zusätzliche Parkplätze auf den
Rastanlagen des Bundes entstehen. Damit erhöht sich
die Zahl um über 50 Prozent; das kann sich sehen lassen.

Um der entsprechenden Kritik der Opposition zu be-
gegnen – wir werden sie gleich hören –, möchte ich bei
dieser Gelegenheit daran erinnern, welches Verfahren
wir zu bewältigen haben. Die Planung ist gemäß der fö-
deralen Struktur unseres Landes Aufgabe der Länder.
Das heißt, wir können nur das bauen, was in den Län-
dern geplant wird. Damit wir das, was von den Ländern
kommt, schnell abarbeiten können, haben wir eine Pro-
jektgruppe eingerichtet, die auch die Aufgabe hat, wei-
tere Innovationen – beispielsweise den Einsatz von Tele-
matiksystemen, die den Lkw-Fahrern signalisieren, wo
freier Parkraum zur Verfügung steht – voranzubringen.
Wir setzen also auch hier auf Innovationen.

Im Moment müssen viele Lkw-Fahrer ihre Pause auf
Rastplätzen verbringen, die der Autobahn zugewandt
sind. Dort kommt man, wenn man schlafen will,

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(C (D chlichtweg nicht zur Ruhe. Deshalb versuchen wir, enn Rastanlagen neuoder umgebaut werden, dafür zu orgen, dass die Stellplätze für Lkw-Fahrer hinten angeegt werden, damit die Fahrer etwas mehr Ruhe haben. ank einer Initiative unseres Hauses, die vom Parlament ankbar aufgenommen und vom Finanzministerium unerstützt worden ist, haben wir ab 2008 erstmals die Geegenheit, Lärmschutzwände zwischen der Fahrbahn und en Rastplätzen zu bauen. ir bringen damit eine weitere Innovation voran. Bis etzt gab es Lärmschutz für Wohngebäude; jetzt gibt es inen Lärmschutz, der mit Arbeitsschutz zu tun hat. ch glaube, das ist ganz wichtig. Sie sehen also: Wir sind abei, den vorliegenden Mangel an Parkplätzen auszuleichen. Ich komme zu einem letzten Appell an die Kolleginen und Kollegen. Es werden heute wieder Reden gehalen, in denen es heißt: Wir brauchen mehr Parkplätze. iele Kolleginnen und Kollegen kommen aber zu mir nd sagen, dass sie einen Ausbau des Rastplatzes in ihem Wahlkreis nicht wollen. Wir müssen dafür werben, ass die Widerstände in den Regionen weniger werden, nd wir müssen deutlich machen, dass Verkehrssichereit für Lkw-Fahrer und damit auch für Pkw-Fahrer unerzichtbar ist. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Richtig!)


(Patrick Döring [FDP]: Das stimmt!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614225100

Für die FDP-Fraktion gebe ich das Wort dem Kolle-

en Horst Friedrich.


Horst Friedrich (FDP):
Rede ID: ID1614225200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

err Staatssekretär, Sie haben vieles Richtige gesagt. Al-
erdings hat man den Eindruck: Die Osterweiterung, die
unahme des Lkw-Verkehrs, die nicht ausreichenden
arkplätze, alles das ist über Nacht und völlig überra-
chend gekommen. Die Auswirkungen der gesetzlichen
aßnahmen, der Verschärfung der Lenk- und Ruhezei-

en, die Konsequenzen aus dem Einsatz von digitalen
achografen, die Zunahme des Verkehrs waren langfris-

ig vorhersehbar und prognostizierbar. Wir haben recht-
eitig darauf aufmerksam gemacht, dass die ausgewiese-
en Parkplätze an der Autobahn bei weitem nicht
usreichen, wenn die von Ihnen beschlossenen gesetzli-
hen Vorgaben, die unter Sicherheitsgesichtspunkten
ichtig sind, erfüllt werden sollen. Diese Vorgaben müs-
en auch sozial abgefedert werden.

Das Problem hat sich noch dadurch verschärft, dass
utohöfe, die außerhalb des Systems an der Autobahn

rrichtet worden sind und kurzfristig für eine gewisse
ntspannung sorgen konnten, jetzt zum Teil dazu über-






(A) )



(B) )


Horst Friedrich (Bayreuth)

gehen, ihre Parkplätze zu bemauten, was dazu führt, dass
man auf die Systeme an der Autobahn zurückkommt.
Wer nachts mit offenen Augen durch die Gegend fährt
oder sich einmal, wie ich es getan habe, die Zeit nimmt,
mit der Verkehrspolizei nachts unterwegs zu sein, wird
feststellen, dass Lkws an allen möglichen und auch un-
möglichen Stellen parken, teilweise bis in die Fahrbahn
der Autobahn hinein, weil sie keinen anderen Platz mehr
finden.

Das schwächste Glied in der Kette ist der Lkw-Fahrer.
Den haben Sie völlig alleingelassen.


(Beifall bei der FDP)


Er hat nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Wenn
seine Lenkzeit abgelaufen ist und er halten muss, aber an
der Stelle keinen Parkplatz findet, kann er entweder ste-
hen bleiben – dann hat er ein Problem mit der Polizei,
weil er dort nicht halten darf – oder weiterfahren; dann
hat er ein Problem mit den nachgeordneten Behörden,
weil er die Lenkzeit überschreitet. Nach der Verschär-
fung der Bestimmungen zu den Lenk- und Ruhezeiten
– insbesondere ist hier die maximale Lenkzeit von
56 Stunden in der Woche zu nennen – kann nicht sicher-
gestellt werden – das ist völlig offensichtlich –, dass je-
der, der im Fernverkehr unterwegs ist, immer seinen
Zielort, also sein Zuhause oder seinen Arbeitsplatz, er-
reicht. Sie zwingen die Lkw-Fahrer geradezu, ihre neun
Stunden Ruhezeit auf Rastanlagen zu verbringen – in al-
ler Regel unter aus meiner Sicht nicht gerade hervorra-
genden hygienischen Bedingungen.

Das Ganze wird noch dadurch begleitet, dass man die
Spesensätze für Kraftfahrer und die Absetzbarkeit der-
selben für die Unternehmer noch stärker begrenzt hat.
Das alles trägt nicht dazu bei, dass ein Kraftfahrer mit
großer Verve Umsatz auf Rastanlagen macht.

Ein Konflikt ist in der Tat wegen der Länder nicht ge-
löst worden – da stimme ich Ihnen völlig zu, Herr
Großmann –, nämlich die Zuständigkeit für die Errich-
tung von Parkplätzen. Es wäre aus unserer Sicht sehr
viel sinnvoller – einen entsprechenden Antrag haben wir
damals in Zusammenhang mit der Privatisierung von
Tank & Rast gestellt –, wenn die ganze Anlage von einer
Hand geplant werden könnte. Es ist ein völliger Ana-
chronismus, dass der Bund als Eigentümer des Grundes
in aller Regel mit Tank & Rast als Erbauerin und Betrei-
berin der Anlage noch das jeweilige Land braucht, um
die Parkplätze zu errichten.


(Beifall bei der FDP)


Das kann in aller Regel nicht funktionieren. Das ist am
Egoismus der Länder gescheitert. Das sollte man ändern.

Die FDP hat mit ihrem Antrag, der immerhin schon
vom Mai letzten Jahres stammt, wenigstens erreicht,
dass das Thema diskutiert worden ist. Nun werden Sie
sagen: Es ist alles in trockenen Tüchern; wir haben das
Ganze erledigt. Okay, wir alle freuen uns darüber, dass
es im Verkehrshaushalt mehr Geld gibt. Wenn ein Teil
des Programms dazu führt, dass an den Autobahnen
mehr Parkplätze entstehen, sollte uns das nur recht sein.

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(C (D Das Problem aber wird sein, lieber Herr Staatssekreär: Wie zügig kann das Ganze umgesetzt? Wir zweifeln aran, dass das bei 11 Millionen Lkw-Fahrten täglich 1 000 Parkplätze – das ist der Istzustand – ausreichen. b der Zielwert von 32 000 irgendwann den zusätzli hen Zuwachs auf den Autobahnen überhaupt abdeckt, st mit Sicherheit mit einem Fragezeichen zu versehen – anz zu schweigen davon, dass Sie die Planfeststellungserfahren durchführen und auch das Problem, das Sie chon angesprochen haben, bewältigen müssen, damit berhaupt gebaut werden kann. Die Zeit muss auch noch azugerechnet werden. Der eigentliche Hauptvorwurf, den wir Ihnen mahen, lautet: Sie wussten lange Zeit vorher, dass die Reelungen für die Lenkund Ruhezeiten verschärft weren. Ihnen liegen schon lange Zeit Prognosen vor, aus enen hervorgeht, dass der Verkehr zunimmt. Sie haben ange Zeit vorher gewusst, dass die EU-Osterweiterung ommt. Es ist seit langer Zeit völlig klar, dass Deutschand dadurch immer mehr zu einem Haupttransitland ird. Aber erst als das Kind in den Brunnen gefallen ar, begann das Nachdenken, dass man für die Lkwahrer, um ihnen die Einhaltung der verschärften Sichereitsvorschriften zu ermöglichen, noch weitere Parklätze schaffen muss. Aus unserer Sicht ist es problematisch, in welcher eitlichen Reihenfolge all dies abgelaufen ist. Wir sind un gespannt, wie Sie Ihr Programm umsetzen. Wir weren Sie in dieser Hinsicht weiterhin kritisch beobachten. Ich gebe das Wort der Kollegin Renate Blank, CDU/ SU-Fraktion. Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Kolle en von der FDP, es ist schon das gute Recht der Opposiion, über einen Tagesordnungspunkt zu diskutieren und as Angebot, die Reden zu Protokoll zu geben, auszuchlagen. So reden wir jetzt vor einer riesigen Öffentichkeit. (Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Die suchen alle noch einen Parkplatz!)


(Beifall bei der FDP)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614225300

(Beifall bei der CDU/CSU)

Renate Blank (CSU):
Rede ID: ID1614225400

Es besteht natürlich die Notwendigkeit, das Thema zu
eachten. Ich glaube, schon dadurch, dass im Verkehrs-
aushalt 10 Millionen Euro mehr für die Schaffung von
arkplätzen an Autobahnen zur Verfügung stehen wer-
en, wird es ernst genommen. Das Anliegen, Herr Kol-
ege Friedrich, ist also berechtigt; aber man kann Geld
ur einmal ausgeben.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Was heißt das denn?)


Gerade die FDP fordert aber in vielen verschiedenen
nträgen immer etwas Neues. Ich denke da zum Bei-

piel an Forderungen, Geld für die Sanierung von Eisen-
ahnbrücken zur Verfügung zu stellen usw. Irgendwann






(A) )



(B) )


Renate Blank
müssen Sie sich einmal entscheiden, wofür Sie das vor-
handene Geld ausgeben wollen. Wir besitzen keine
Geldvermehrungsmaschine.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Im Antrag steht ein Finanzierungsvorschlag! Den haben Sie abgelehnt!)


– Gut.

Nun zu dem Antrag der FDP, Kollege Friedrich. Ich
habe ihn extra dabei.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Ich auch!)


Der Titel lautet: „Mehr Park- und Stellplätze für Lkw auf
Bundesautobahnen“.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Grünen würden sich wahrscheinlich darüber freuen,
wenn die Parkplätze auf den Autobahnen und nicht an
den Autobahnen errichtet würden. Wir wollen aber keine
Parkplätze auf den Autobahnen, sondern an den Auto-
bahnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Dementsprechend sollte man auch auf richtige Wortwahl
achten.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wir beschreiben die Situation richtig! Die Masse steht auf der Autobahn!)


– Gut, aber man steht dann nicht auf Parkplätzen, son-
dern im Stau.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: In dem Fall schon!)


Dieser löst sich dann ja auch irgendwann auf.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Die meisten Autofahrer sind doch eingeschlafen!)


Auch das Thema Sicherheit, Herr Kollege Friedrich,
ist natürlich ein wichtiges Thema. Es wurde ja schon er-
wähnt – damit komme ich wieder zum Antrag –, dass
aufgrund der Parksituation die Sicherheit durch par-
kende Lkws gefährdet wird und es auch schon zu Unfäl-
len gekommen ist. Das ist bedauerlicherweise der Fall.
Nun frage ich mich: Wenn die von der FDP so stark fa-
vorisierten Gigaliner zugelassen werden, wo sollen die
dann noch parken?


(Willi Brase [SPD]: Auf den Autobahnen!)


– Vielleicht auf den Autobahnen. – Hier ergibt sich also
ein gewisses Problem. Man muss sich also, wenn man
etwas anleiert und kritisiert, dass zu wenig Parkplätze da
sind, schon vorher überlegen, wie das Ganze weitergeht.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Dann wären ja insgesamt weniger unterwegs! Man muss das durchdenken, bevor man kritisiert!)


Wir geben ja zu, dass 21 000 Parkplätze zu wenig
sind. Es ist aber nicht so, dass nur die FDP darauf hinge-

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(C (D iesen hat. Es gab auch – vielleicht erinnern Sie sich och daran, Kolleginnen und Kollegen – eine Große Anrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu der Situaion auf den Autobahnraststätten. (Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Vor Übernahme der Regierungsverantwortung oder danach?)


Sie stammt aus dem Jahre 2004 und ist 2005 beantwor-
et worden.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Habe ich ja gesagt: Vor Übernahme der Regierungsverantwortung!)


a ist die ganze Situation eindeutig beschrieben worden.
s konnten leider keine Konsequenzen mehr gezogen
erden.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Jetzt könnt ihr doch entscheiden!)


Kollege Friedrich, wir könnten auch gemeinsam dazu
eitragen und dafür werben – Staatssekretär Großmann
at das ja erwähnt –, dass die Akzeptanz für den Ausbau
on Autobahnraststätten und -parkplätzen bei den Bür-
erinnen und Bürgern wächst. Allein in Mittelfranken
ibt es zwei entsprechende Fälle von Bürgereingaben;
ie kennen beide, Herr Staatssekretär. Im einen Fall
onnte deswegen keine ausreichend große Anlage ge-
aut werden, und im anderen Fall wurde der Bau einer
nlage sogar ganz verhindert. Hier müssen wir etwas
nternehmen, im Interesse nicht nur der Lkw-Fahrer,
ondern zum Beispiel auch der Caravan- und Pkw-Fah-
er, die einen Rastplatz anfahren wollen.

Warum muss eigentlich immer der Bund die Rastanla-
en bauen? Es gibt private Autohöfe, und es muss auch
aum für private Investoren geben.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: An der Autobahn oder außerhalb?)


Außerhalb. – Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Unlängst
at ein US-Rastplatz- und Mineralölmulti – ich sage den
amen jetzt nicht – ein Grundstück an der A 7 bei
gestorf-Evendorf, 50 Kilometer vor Hamburg, gekauft.
uf der Fläche von zwölf Fußballfeldern soll dort die

rste europäische Travel-Plaza des Unternehmens mit
00 Lkw-Stellplätzen, Restaurant und Kasino entstehen.
ch gehe davon aus, dass dieser Mineralölmulti dort auch
einen eigenen Sprit verkaufen wird.

Dieser US-Mischkonzern, zu dessen Kerngeschäft
ehr als 170 Lkw-Autohöfe in den USA und Kanada

ehören, will – so ist auch den Medien zu entnehmen –
uf dem europäischen Markt Fuß fassen. Der Konzern
lant den Bau von 8 bis 10 Lkw-Rastanlagen der Super-
ative in Deutschland, Österreich, der Schweiz und
olen.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Einen in Deutschland und den Rest woanders!)


Es gibt natürlich Befürchtungen, dass sich das Unter-
ehmen über den Preiswettbewerb Marktmacht ver-
chafft. Diese Befürchtungen sind durchaus ernst zu






(A) )



(B) )


Renate Blank
nehmen; denn die deutschen Autohof- und Raststätten-
pächter sind durchweg Mittelstandsbetriebe. Dafür ha-
ben wir bei der Privatisierung mit gesorgt.

Meine Bitte an das Bundesverkehrsministerium ist,
dass man diese Dinge einmal genau prüft.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das ist doch etwas anderes!)


– Natürlich ist das etwas anderes, Kollege Friedrich. –
Denn ich bin der Überzeugung, dass man bei Autohöfen
und Rastanlagen, die an oder auch jenseits der Auto-
bahn, in der Nähe von Abfahrten, entstehen, durchaus
private Investoren einspannen könnte, um dem Ganzen
etwas mehr Schwung zu geben


(Patrick Döring [FDP]: Ja, aber das passiert doch gerade!)


und mehr Lkw- und Pkw-Parkplätze zur Verfügung stel-
len zu können.

Im Übrigen, Herr Staatssekretär, warten wir auf den
Bericht, den Sie dem Verkehrsausschuss vorlegen wol-
len. Ich gehe davon aus, dass in diesem Bericht die be-
sonders gravierenden Punkte dargestellt werden. Dann
kann, eventuell auch unter Einsatz von privaten Investo-
ren, gehandelt werden.

Den Antrag der FDP werden wir, weil er teilweise
überholt ist und sich als Schaufensterantrag herausge-
stellt hat, ablehnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614225500

Das Wort hat die Kollegin Dorothée Menzner, Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dorothee Menzner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1614225600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Erneut debattieren wir über eine Fleißarbeit der FDP in
Sachen Verkehrspolitik. Auf den ersten Blick sieht das
alles ganz gut aus; bei näherem Hinsehen allerdings ent-
puppt sich das Ganze streckenweise als Nebelkerze.

Uns soll hier die Medizin „mehr Autobahnpark-
plätze“ verordnet werden. Dass die Autobahn leidet,
dass es zu viel Verkehr und zu wenig Stellplätze auf den
Autobahnen gibt, wissen wir alle. Aber es gibt auch eine
Statistik, die ein Bild zu dieser Krankheit liefert. 1991
wurden im Güterverkehr 246 Milliarden Tonnenkilome-
ter auf der Straße erbracht. Im Bahnverkehr waren es
82 Milliarden, ein Drittel. 2006 rollten auf den Straßen
432 Milliarden Tonnenkilometer, und die Bahn brachte
es auf 107 Milliarden – nur noch ein Viertel. Der Anteil
der Bahn hat sich also verringert.

Mehr Lkw-Fahrten bedeuten natürlich mehr Bedarf
an Parkplätzen. Wir haben eben schon über die zu Recht
verschärften Lenk- und Ruhezeiten geredet. Kein
Mensch will, dass diese Ruhezeiten auf Standstreifen
verbracht werden. Da haben wir eine Fürsorgepflicht im

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(C (D ahmen des Arbeitsschutzes und müssen uns den besteenden Problemen stellen. Staatssekretär Großmann hat bereits vorhin auf die erolgte Mittelaufstockung hingewiesen. Aber ein Herumoktern am Parkplatzbau hat nun einmal Nebenwirkunen. Kommunen und Anwohner sind berechtigterweise icht unbedingt begeistert, wenn Land am Autobahnrand eiter für Verkehr geopfert werden soll, selbst wenn sie insehen, dass diese Stellplätze unter Umständen nötig ind – aber bitte nicht bei ihnen vor der Haustür! Das ales ist nur ein Laborieren an Symptomen. 1994 wurde eine Bahnreform auf den Weg gebracht. eitdem wird fraktionsübergreifend postuliert: Mehr erkehr auf die Schiene! Die Zahlen sprechen aber eine ndere Sprache. (Patrick Döring [FDP]: Sie sind doch gegen zusätzliche Schienenkapazitäten in Niedersachsen!)


(Beifall bei der LINKEN)


er Anteil der Gütertransporte auf der Straße ist um
5 Prozent gewachsen, der auf der Schiene jedoch nur
m 30 Prozent. Die Lkw-Flut wächst, die Straßen sind
erstopft. Aber mehr Parkplätze lösen das Problem
icht.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir müssen auch die Kapazitäten von Tankstellen
nd von Rastplätzen erhöhen. Aber nachdem Tank &
ast, die ehemalige Gesellschaft für Nebenbetriebe an
utobahnen, privatisiert worden ist, werden die Betrei-
er einen Teufel tun, ihre Anlagen zu erweitern; denn
as könnte ihren Profit schmälern.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das müssen sie ja gar nicht! Das ist doch das Problem!)


Es ist aber sehr wohl nötig, weil der Ausbau der Park-
lätze allein nur ein Teil der Medizin ist.

Es war ein Fehler, Tank & Rast zu verhökern. Das
ird hier deutlich. Genauso wird es ein Fehler sein,
enn man die Bahn kapitalprivatisiert.


(Beifall der Abg. Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


ine Bahn, die Profitinteressen unterliegt, wird nicht da-
ür sorgen, dass die Verkehrsprobleme gelöst werden,
ondern sie wird nur noch das machen, was ihr selber
rofit verspricht.

Wir brauchen die Eisenbahn, um die Autobahnen
irksam von dem zu entlasten, was auf der Schiene bes-

er aufgehoben ist. Das würde den Bedarf an Parkplät-
en und damit die Kosten für den Steuerzahler mindern.
nsgesamt würde ein verringerter Straßenverkehr oder
umindest einer, der nicht mehr so ungebremst wächst,
er Umwelt und dem Menschen zugutekommen.


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb gilt: Fürsorgepflicht für Lkw-Fahrer geht
ollkommen in Ordnung. Wir wissen alle, wie übel die
rbeitsbedingungen für viele dieser Menschen sind. Es






(A) )



(B) )


Dorothée Menzner
werden teilweise Löhne gezahlt, die jeder Beschreibung
spotten. Daher haben wir natürlich Verständnis dafür,
dass mehr Parkplätze benötigt werden – aber bitte nur an
den Strecken, an denen es wirklich nötig ist. Da geht der
Antrag der FDP zu weit. Deswegen können wir ihm
keine Zustimmung geben.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614225700

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Anton Hofreiter,

Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Renate, Deine Rede war amüsant; sie
hat mir in weiten Teilen gefallen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es ist immer wieder lustig, dir zuzuhören.

Wir haben ein reales Problem, nämlich eine teilweise
Überlastung der Autobahnen. Das wurde bereits er-
wähnt. Es gibt Sicherheitsprobleme, wenn die Stand-
streifen genutzt werden usw. Darüber brauchen wir uns
nicht groß zu streiten.

Es stellt sich die Frage, wie man diese Probleme am
geschicktesten löst. Man könnte beispielsweise die Au-
tobahnen ausbauen. Aber dafür ist kein Geld vorhanden.
Inzwischen gibt es auch Ideen, wie man diese Probleme
auf technische Weise lösen kann. Man kann zum Bei-
spiel durch den Einsatz der Telematik die vorhandene In-
frastruktur weitaus besser auslasten. Man kann – auch
das ist schon gesagt worden – auf Autohöfe ausweichen.

Bezeichnend ist aber, wie das Bundesverkehrsminis-
terium mit dem Problem des stark wachsenden Güterver-
kehrs umgeht. Wir wissen seit vielen Jahren, dass die
vorhandenen Bahntrassen und die Autobahnen nicht aus-
reichen. Aber was macht das Ministerium? Es laboriert
herum – manches hat der Staatssekretär dargestellt –,
duckt sich weg und gibt keine Antworten beispielsweise
im Zusammenhang mit dem Hafenhinterlandverkehr. Es
weiß nicht genau, wie es mit dem Problem umgehen
soll. Wir sind Exportweltmeister und Transitland. Was
passiert? Es wird nichts Vernünftiges in die Wege gelei-
tet. Man baut an dieser und jener Stelle. Man belastet die
Bürger, aber man hat kein Entlastungs- und Umsteue-
rungskonzept.

Wunderschön sieht man das am Beispiel des Güter-
verkehrs. Der Güterverkehr auf der Schiene müsste ei-
gentlich stark wachsen. Aber was passiert? Inzwischen
gibt es einen Stau auf der Schiene. Warum haben wir
diesen Stau auf der Schiene? Weil die entsprechenden
Maßnahmen nicht ergriffen worden sind.

Eigentlich gäbe es ein schönes Konzept zur Entlas-
tung der Bürger


(Patrick Döring [FDP]: Sind die Grünen in Niedersachsen jetzt für die Y-Trasse?)


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(C (D urch die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf ie Schiene. Aber was passiert? Man hält sich bei lustien, unsinnigen Projekten auf, wie zum Beispiel bei der -Trasse, wie hier zugerufen wurde. Vor kurzem war im nfrastrukturausschuss ein Professor, der uns die Situaion dargestellt hat. Das Ergebnis war – dies haben auch ndere Teilnehmer zugestanden –, dass die Y-Trasse kein inziges Problem löst. (Enak Ferlemann [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1614225800
Das wissen wir ei-
entlich auch; sie löst kein einziges Problem. Aber mit
er Planung sind wir schon sehr weit; jetzt machen wir
infach weiter, weil wir nichts Besseres wissen. – Das
eißt, Sie haben keine Lösungen. Sie belasten die Bür-
er; Sie belasten die Lkw-Fahrer. Auch der Antrag der
DP hilft uns nicht groß weiter.

Wie soll es weitergehen? Wir hätten eine Lösung: ei-
en vernünftigen Ausbau der Schiene – –


(Patrick Döring [FDP]: Dagegen sind Sie gerade in Niedersachsen!)


Einen vernünftigen Ausbau der Schiene!


(Heidi Wright [SPD]: Genau!)


as sollten Sie wissen. Schienen irgendwohin zu bauen,
o sie kein Problem lösen, darum geht es nicht. Das hat
ie Verkehrswissenschaft ganz klar bestätigt.

Deshalb noch einmal: Wir sind für einen vernünftigen
usbau der Schiene, für die Verlagerung des Verkehrs

uf die Schiene und den Einsatz moderner Technik, wie
um Beispiel für das Parken mithilfe der Telematik. Da,
o es unbedingt nötig ist, muss ausgebaut werden. Es
uss Rücksicht auf die Bürger genommen werden. Mit

ll dem hätten wir ein Gesamtkonzept.

Aber, wie gesagt, was macht das Bundesverkehrsmi-
isterium? Schienenverkehrsträgerübergreifende Pla-
ungen – Fehlanzeige! Die Straße wird einzeln geplant;
ie Schiene wird einzeln geplant; die Häfen werden ein-
eln geplant. Wer ist das Opfer des Ganzen? Opfer ist
er Bürger durch Lärmbelastung und Schadstoffe. Opfer
st die Umwelt. Opfer sind die Lkw-Fahrer, die davon
etroffen sind. Opfer ist die Wirtschaft. Opfer sind die
pediteure, die nicht mehr sauber planen können. Was
oll das Ganze?

Die Lösung ist ganz einfach: Wir brauchen endlich
in Verkehrsministerium, das vernünftig planen kann.
der sagen wir es ganz einfach: Wir brauchen dringend

inen anderen Verkehrsminister.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614225900

Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin

ita Schwarzelühr-Sutter, SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)







(A) )



(B) )


Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD):
Rede ID: ID1614226000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Hofreiter, wir brauchen eine vernünftige Planung.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Echt? Das denken Sie aber ziemlich allein!)


Ich denke, das Ministerium hat sich mit dem Masterplan
Logistik auf einen guten Weg gemacht; denn damit er-
hält die Lösung dieser Probleme genau den Stellenwert,
den sie verdient – auch heute Abend.

Herr Friedrich, der Bedarf, den Sie hier so salopp er-
mittelt haben, ist doch Kaffeesatzleserei.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das sind Zahlen des Verkehrsministeriums und keine Kaffeesatzleserei!)


Ich finde es schon wichtig, dass die Mittel, die man ein-
setzt, effizient verwandt werden. Dazu braucht man erst
einmal die Feststellung des Istzustandes und eine Be-
darfsermittlung. Man plant nicht einfach so ins Grüne.


(Beifall des Abg. Uwe Beckmeyer [SPD])


Im Übrigen haben wir mit dem Modal Split einen sehr
guten Erfolg. Mehr Güterverkehr wird über die Schiene
abgewickelt; das sollten wir festhalten. Natürlich wird
auch in Zukunft der Güterverkehr auf der Straße von Be-
deutung sein, und natürlich brauchen wir aufgrund der
neuen Lenk- und Ruhezeiten für unsere Lkw-Fahrer
mehr Parkplätze.

Vorhin wurde gesagt: Wir haben 21 000 Parkplätze,
und zwar nicht auf der Autobahn, sondern an der Auto-
bahn. Wenn man etwas abseits der Autobahn fährt, stellt
man fest, dass es eine Menge Autohöfe gibt. Diese stel-
len 20 000 Stellplätze zur Verfügung. Der eine oder an-
dere Autohof wäre froh, würden Lkws dort tatsächlich
parken. Aber am liebsten parkt man natürlich fast auf der
Autobahn.

Vor diesem Hintergrund ist der Schwerpunkt der zu-
ständigen Arbeitsgruppe richtig gesetzt. Man muss die
Mittel effizient einplanen. Man muss die Baumaßnah-
men koordinieren. Es wurde schon angesprochen: Die
Länder sind für die Planung mit zuständig. Einige haben
sich schon auf den Weg gemacht. Niedersachsen plant,
wenn ich es richtig in Erinnerung habe, 2 000 zusätzli-
che Stellplätze. Das Ganze läuft also richtig gut an.

Auch in der Telematik gibt es einen Ansatz. Dies ist
der richtige Weg. Der Lkw-Fahrer weiß damit genau, wo
es freie Plätze gibt und wie er seine Lenk- und Ruhezei-
ten einhalten kann. Im Übrigen gibt es an der A 3 bei
Montabaur einen Modellversuch, ein sogenanntes Ko-
lonnenparken, zu dem man sich anmeldet. Anschließend
sagt man, wann man wieder startet. Das Ganze wird
dann so arrangiert, dass möglichst wenig Rangierfläche
benötigt wird und ein zügiges Abfahren möglich ist.
Auch das ist ein kleiner, aber sinnvoller Beitrag.

Herr Friedrich, es ist wieder einmal typisch: Sie un-
terhalten sich und hören gar nicht zu, was die Redner sa-

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(C (D en. Darum sind Sie auch nie ausgeschlafen. Nehmen ie sich einmal ein Beispiel an einem Lkw-Fahrer. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Für Sie bin ich immer noch ausgeschlafen genug!)


Darüber wollen wir uns nicht streiten.

Wir kennen die Ausgangssituation. Dem Ministerium
ann nicht vorgeworfen werden, dass es erst jetzt han-
elt. Seit 1995 gibt es das Ausbauprogramm, das um
ehn Jahre verlängert wird. Die Mittel wurden aufge-
tockt. Ich denke, die Arbeitsgruppe und der Masterplan
ogistik sind die richtigen Ansätze. Wir sind ausgeschla-

en und bringen das zu einem guten Ende.

Danke.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Ein Masterplan, den keiner kennt, der löst das Problem!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1614226100

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
chusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem
ntrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Mehr Park-
nd Stellplätze für Lkw auf Bundesautobahnen“. Der
usschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
rucksache 16/7146, den Antrag der Fraktion der FDP

uf Drucksache 16/5278 abzulehnen. Wer stimmt für
iese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
nthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
timmen der Koalition bei Enthaltung von Bündnis 90/
ie Grünen und der Fraktion Die Linke bei Gegenstim-
en der Fraktion der FDP angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Be-
schluss des Rates vom 7. Juni 2007 über das
System der Eigenmittel der Europäischen Ge-
meinschaften

– Drucksache 16/7686 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)

Haushaltsausschuss
Finanzausschuss

Es ist vereinbart, dass die Reden der folgenden Kolle-
innen und Kollegen zu Protokoll gegeben werden:
ichael Stübgen, Hans Eichel, Michael Link, Alexander
lrich und Rainder Steenblock.1)

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
urfs auf Drucksache 16/7686 an die in der Tagesord-
ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen, wobei die
orlage federführend beim Ausschuss für die Angele-
enheiten der Europäischen Union beraten werden soll.
ibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht
er Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Anlage 7






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-
nologie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abge-
ordneten Dr. Herbert Schui, Werner Dreibus,
Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE

Für ein Europäisches Kartellamt

– Drucksachen 16/5360, 16/7239 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Joachim Pfeiffer

Die Kollegen Dr. Georg Nüßlein, Reinhard Schultz,
Martin Zeil, Dr. Herbert Schui und Kerstin Andreae ha-
ben ihre Reden zu Protokoll gegeben.1)

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie empfiehlt in seiner Be-
schlussempfehlung auf Drucksache 16/7239, den Antrag
der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/5360 abzu-
lehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU
und FDP bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen
und Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angenom-
men.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu der
Verordnung der Bundesregierung

Siebenunddreißigste Verordnung zur Durch-
führung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes

(Verordnung zur Absicherung von Luftqualitätsanforderungen – 37. BImSchV)


– Drucksachen 16/7605, 16/7793 Nr. 2.2, 16/7942 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Jung (Konstanz)

Detlef Müller (Chemnitz)

Michael Kauch
Lutz Heilmann
Sylvia Kotting-Uhl

Es ist vereinbart, dass die Reden der folgenden Kolle-
ginnen und Kollegen zu Protokoll gegeben werden:
Andreas Jung, Detlef Müller, Michael Kauch, Lutz
Heilmann, Sylvia Kotting-Uhl sowie der Parlamentari-
schen Staatssekretärin Astrid Klug.2)

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 16/7942, der Verordnung auf
Drucksache 16/7605 zuzustimmen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-

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1) Anlage 8
2) Anlage 9

3)

4)

(C (D en von SPD, CDU/CSU und FDP bei Gegenstimmen on Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der Frakion Die Linke angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus Kurth, Brigitte Pothmer, Irmingard ScheweGerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Arbeitslosengeld II unbürokratisch berechnen und auszahlen – Rechtsund Planungssicherheit für Leistungsbeziehende schaffen – Drucksache 16/7838 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales Die Kollegen Stefan Müller, Angelika Krügereißner, Dirk Niebel, Katja Kipping und Markus Kurth aben ihre Reden zu Protokoll gegeben.3)


Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/7838 an den Ausschuss für Arbeit und
oziales vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? –
as ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlos-

en.

Ich rufe den Zusatzpunkt 6 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Marie-
Luise Dött, Katherina Reiche (Potsdam), Michael
Brand, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dirk
Becker, Marco Bülow, Dr. Axel Berg, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz darf nicht
durch europäische Vorgaben für einen Zertifi-
katehandel unterlaufen werden

– Drucksache 16/8047 –

Die Kolleginnen und Kollegen Dr. Maria Flachsbarth,
irk Becker, Michael Kauch, Hans-Kurt Hill und Hans-

osef Fell haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.4)

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
raktionen der CDU/CSU und der SPD auf Druck-
ache 16/8047 mit dem Titel „Das Erneuerbare-Ener-
ien-Gesetz darf nicht durch europäische Vorgaben für
inen Zertifikatehandel unterlaufen werden“. Wer
timmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Der
ntrag ist bei Gegenstimmen der FDP mit den Stimmen
es Rests des Hauses angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-
nologie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abge-
ordneten Dr. Herbert Schui, Dr. Barbara Höll,

Anlage 10
Anlage 11






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

Werner Dreibus, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE

Arbeitsplatzabbau bei Airbus verhindern –
Staatliche Sperrminorität bei EADS herstellen

– Drucksachen 16/4308, 16/4879 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Ditmar Staffelt

Die Kollegen Dr. Heinz Riesenhuber, Dr. Ditmar
Staffelt, die Kolleginnen Ulrike Flach und Dr. Thea
Dückert sowie der Kollege Dr. Herbert Schui haben ihre
Reden zu Protokoll gegeben.1)

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie empfiehlt in seiner Be-

schlussempfehlung auf Drucksache 16/4879, den Antrag
der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/4308 abzu-
lehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen des ganzen Hauses bei
Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen.

Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord-
nung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Freitag, den 15. Februar 2008,
9 Uhr, ein.

Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen und
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern noch einen schönen
Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.