1) Anlage 12
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15021
        (A) )
        (B) )
        punkt. Sie erfordert Achtung und Schutz desZeil, Martin FDP 14.02.2008
        Anlage 1
        Liste der entschuldigten Abgeordneten
        A
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        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Dr. Bartsch, Dietmar DIE LINKE 14.02.2008
        Bodewig, Kurt SPD 14.02.2008
        Burchardt, Ulla SPD 14.02.2008
        Erler, Gernot SPD 14.02.2008
        Faße, Annette SPD 14.02.2008
        Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 14.02.2008
        Jelpke, Ulla DIE LINKE 14.02.2008
        Kelber, Ulrich SPD 14.02.2008
        Klug, Astrid SPD 14.02.2008
        Kranz, Ernst SPD 14.02.2008
        Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        14.02.2008
        Möller, Kornelia DIE LINKE 14.02.2008
        Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        14.02.2008
        Nahles, Andrea SPD 14.02.2008
        Nitzsche, Henry fraktionslos 14.02.2008
        Paula, Heinz SPD 14.02.2008
        Pfeiffer, Sibylle CDU/CSU 14.02.2008
        Poß, Joachim SPD 14.02.2008
        Dr. Schui, Herbert DIE LINKE 14.02.2008
        Schultz (Everswinkel),
        Reinhard
        SPD 14.02.2008
        Schwabe, Frank SPD 14.02.2008
        Strothmann, Lena CDU/CSU 14.02.2008
        Wicklein, Andrea SPD 14.02.2008
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        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        nlage 2
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung:
        – Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des
        Stammzellgesetzes
        – Entwurf eines Gesetzes für eine menschen-
        freundliche Medizin – Gesetz zur Änderung
        des Stammzellgesetzes
        – Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des
        Gesetzes zur Sicherstellung des Embryonen-
        schutzes im Zusammenhang mit menschli-
        chen embryonalen Stammzellen (Stammzell-
        gesetz – StZG)
        – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
        Stammzellgesetzes
        – Antrag: Keine Änderung des Stichtages im
        Stammzellgesetz – Adulte Stammzellfor-
        schung fördern
        (Tagesordnungspunkt 4 a bis e)
        Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU): Bei der Diskussion
        m die embryonale Stammzellforschung stellt sich als
        oraussetzung für alle Entscheidungen die grundlegende
        thische Frage: Wann beginnt individuelles menschli-
        hes Leben? Die Antwort auf diese Frage entscheidet al-
        es Weitere, denn menschliches Leben unterliegt dem
        icht relativierbaren Schutz der Menschenwürde durch
        as Grundgesetz.
        Der wissenschaftliche Erkenntnisfortschritt hat das
        issen um den Zeitpunkt des Beginns individuellen
        enschlichen Lebens in den letzten Jahrzehnten immer
        eiter nach vorne verschoben. Für Laien war wohl der
        m wörtlichen Sinne augenfälligste Einschnitt die Ultra-
        challuntersuchung, die vorgeburtliches Leben und seine
        chutzbedürftigkeit jedem sichtbar gemacht hat.
        Heute vertreten Wissenschaftler unterschiedliche
        einungen zum Lebensbeginn, wobei mich nachdenk-
        ich macht, dass Mediziner den Beginn individuell
        enschlichen Lebens meist früher ansetzen als Biolo-
        en.
        Nach meiner Überzeugung müssen Lebensbeginn und
        amit Lebensschutz im Falle unterschiedlicher Defini-
        ionen eher früher als später angesetzt werden: In dubio
        ro vita. In dem im Dezember 2007 verabschiedeten er-
        euerten Grundsatzprogramm der CDU heißt es dazu zu-
        reffend:
        Die unantastbare Würde des Menschen als Ge-
        schöpf Gottes ist menschlicher Verfügung nicht zu-
        gänglich und ist zu schützen. Der Mensch ist immer
        Subjekt, er darf niemals Objekt sein. Die Würde des
        Menschen ist auch für die Bewertung bioethischer
        Herausforderungen Ausgangs- und Orientierungs-
        15022 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
        (A) )
        (B) )
        menschlichen Lebens in allen Phasen. Das noch
        nicht geborene Leben bedarf beginnend mit der
        Verschmelzung von Samen und Eizelle unseres be-
        sonderen Schutzes …
        Dieser Schutz der Menschenwürde darf nicht je nach
        vor- und nachgeburtlichem Lebensalter relativiert wer-
        den. Für diese Festlegung des Lebensbeginns ist uner-
        heblich, ob es sich um eine natürliche oder künstliche
        Befruchtung handelt. Es entstehen Embryonen als
        menschliches Leben mit unverwechselbarer Individuali-
        tät.
        Genau deshalb stellt das in Deutschland geltende
        Embryonenschutzgesetz verbrauchende Embryonenfor-
        schung unter Strafe und verbietet, dass menschlichen
        Embryonen etwas angetan wird, was ihre Lebensfähig-
        keit gefährdet. Folgerichtig ist es verboten, in Deutsch-
        land embryonale Stammzellen zu gewinnen, weil dies
        Tötung von Embryonen und damit individuellen
        menschlichen Lebens einschließt.
        Mir leuchtet nicht ein, wie der Import embryonaler
        Stammzellen nach Deutschland ethisch vertretbar sein
        soll, wenn zugleich deren Gewinnung in Deutschland
        aus ethischen Gründen verboten ist.
        Um diesen Widerspruch aufzulösen, werden Hilfs-
        argumente bemüht – immer wieder ist zum Beispiel von
        einer sogenannten Ethik des Heilens die Rede. Das Ziel
        eventueller Heilungschancen schwerer Krankheiten
        durch embryonale Stammzellforschung kann aber die
        Relativierung des Schutzes der Menschenwürde nicht
        rechtfertigen. Einmal abgesehen davon, dass es sich hier
        lediglich um eine bloße Hoffnung auf Heilungschancen
        durch embryonale Stammzellforschung handelt, würde
        selbst bei einer Gewissheit über sichere Heilungschan-
        cen, der Zweck der Krankheitsbekämpfung nicht das
        Mittel der Relativierung des Lebensschutzes rechtferti-
        gen. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel!
        Auch der Verweis auf die grundgesetzlich geschützte
        Forschungsfreiheit ist nicht überzeugend, denn diese
        Forschungsfreiheit gilt auch nach dem Grundgesetz na-
        türlich nicht absolut, sondern ist durch den Schutz der
        Menschenwürde eingeschränkt.
        Es gehört im Übrigen auch zur politischen Verantwor-
        tung, durch Vorgaben dem Forschungsdrang eine Rich-
        tung zu geben, etwa zugunsten der ethisch unbedenkli-
        chen adulten Stammzellforschung. Diejenigen aus der
        Wissenschaft, die vor Jahren diesen Weg verworfen und
        stattdessen embryonale Stammzellforschung in Deutsch-
        land gefordert haben, müssen sich vorhalten lassen, dass
        die erzielten Forschungsergebnisse der Vehemenz ihrer
        Argumentation nicht entsprechen. Jetzt wird die embryo-
        nale Stammzellforschung nicht mehr wie damals als Al-
        ternative zur adulten Stammzellforschung dargestellt,
        sondern man führt an, ohne den Vergleich mit der
        embryonalen Stammzellforschung sei die adulte Stamm-
        zellforschung nicht zum Erfolg zu führen. Solche funda-
        mentalen Begründungswechsel in kurzer Zeit erhöhen
        nicht die Glaubwürdigkeit der Argumentation.
        Dass von involvierten Forschern eine Liberalisierung
        des Importes embryonaler Stammzellen durch Strei-
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        hung des geltenden Stichtages gefordert wird, über-
        ascht in diesem Zusammenhang nicht. Es liegt nahe,
        ass von dort nach Ablauf eines neuen Stichtages auch
        ine abermalige Verschiebung gefordert würde. Schon
        er geltende Stichtag wurde als „einmalig“ definiert, wer
        ollte da glauben eine erneute Verschiebung würde „ein-
        alig“ bleiben.
        Schließlich wird embryonale Stammzellforschung in
        eutschland auch mit dem Argument gefordert, sie sei
        n anderen Ländern erlaubt und wir würden uns isolie-
        en, wenn wir uns nicht anpassten.
        Es gilt aber doch umgekehrt: Wo unsere Wertmaß-
        täbe international – noch – nicht gelten, haben wir die
        erpflichtung, internationale Rahmenbedingungen zu
        eeinflussen und nicht die Grundlagen unserer Werte-
        rdnung zur Disposition zu stellen. Wo der Einsatz für
        deutsche Interessen“ außenpolitischer Alltag ist, kön-
        en wir nicht beim Einsatz für unsere Grundwerte auf
        er internationalen Bühne die Segel streichen. Schließ-
        ich sind die Grundwerte unseres Grundgesetzes unser
        öchstes nationales Interesse.
        Deshalb unterstütze ich die zutreffende Forderung im
        rneuerten CDU-Grundsatzprogramm:
        Die Achtung der unantastbaren Würde des Men-
        schen hat für uns Vorrang vor der Freiheit der
        Forschung und der Sicherung von Wettbewerbsfä-
        higkeit. Wir wollen die Beibehaltung des konse-
        quenten Embryonenschutzes und wenden uns ge-
        gen verbrauchende Embryonenforschung. Dafür
        setzen wir uns auch auf europäischer und interna-
        tionaler Ebene ein.
        Aus all dem ergibt sich für mein Abstimmungsverhal-
        en, dass ich die Initiative unterstütze, die durch ein ge-
        erelles Verbot des Imports embryonaler Stammzellen
        ach Deutschland die embryonale Stammzellforschung
        ei uns ausschließt. Falls sich dafür keine Mehrheit im
        arlament finden lässt, werde ich mich für die Beibehal-
        ung des geltenden Stichtages und damit die größtmögli-
        he Einschränkung des Imports solcher Stammzellen
        insetzen. Einer Importerleichterung für embryonale
        tammellen durch Stichtagsverschiebung oder der Im-
        ortfreigabe durch die gänzliche Streichung eines Stich-
        ages kann ich aus den genannten grundsätzlichen Erwä-
        ungen nicht zustimmen.
        Anke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU): Im Jahr 2002
        urde für die deutsche Wissenschaft im Bereich der For-
        chung an embryonalen Stammzellen ein gesetzlicher
        ahmen geschaffen.
        Heute müssen wir feststellen, dass die Intention von
        amals, einen Interessenausgleich zu schaffen zwischen
        er unbedingten Bewahrung der menschlichen Würde
        nd dem Schutz auch des vorgeburtlichen Lebens und
        em Postulat einer möglichst freien wissenschaftlichen
        orschung im Dienste am Menschen durch die fort-
        chreitende Entwicklung, nicht mehr zeitgemäß ist.
        Grundsätzlich wichtig ist die Erkenntnis: Erstens.
        tammzellen sind keine Embryonen. Das heißt, die Dis-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15023
        (A) )
        (B) )
        kussion um den Schutz menschlichen Lebens spielt sich
        hier auf anderer Ebene ab. Zweitens. Die zur Gewinnung
        notwendigerweise zu zerstörenden Embryonen hätten
        auf Dauer keinen Bestand gehabt.
        Das Stammzellgesetz legt nämlich fest, dass nur Em-
        bryonen, die aus Anwendungen der In-Vitro-Fertilisa-
        tion „übriggeblieben“ sind und die nicht mehr zu einer
        Herbeiführung einer Schwangerschaft genommen wer-
        den, zur Gewinnung von Stammzellen genutzt werden.
        Die jetzige Diskussion zu nehmen, um mit fundamen-
        talistischen Eifer das Rad der Entwicklung wieder zu-
        rückdrehen zu wollen und den 2002 gefundenen Kom-
        promiss auszuhebeln, kann nicht ernsthaft in Erwägung
        gezogen werden.
        Daher ganz deutlich: Ein Antrag, der ein gesamtes
        Forschungsgebiet, nämlich dasjenige mit menschlichen
        embryonalen Stammzellen der deutschen Wissenschaft
        verschließen will, ist rational überhaupt nicht nachzu-
        vollziehen. Und es entspricht meines Erachtens nicht
        dem, was unser Grundgesetz in Art. 5 Abs. 3 zur Freiheit
        von Wissenschaft und Forschung festgeschrieben hat.
        Denn auch Forschungsfreiheit ist Ausdruck der mensch-
        lichen Würde.
        Die Behauptung, die Forschung mit human embryo-
        nalen Stammzellen sei nicht alternativlos, wird aus
        Fachkreisen mehrheitlich nicht mitgetragen. Die For-
        schung mit adulten Stammzellen ist keine Alternative,
        da sie nicht in dem Maße für die wichtige Grundlagen-
        forschung geeignet sind. Die Entwicklung von induziert
        pluripotenten Stammzellen aus der Haut ist ebenfalls
        noch keine Alternative. Und auf hoffnungsgetragene
        Spekulationen, was in Zukunft daraus werden könnte,
        kann ich mein Urteil nicht gründen.
        Es ist also irreführend, wenn behauptet wird, diese
        Forschung an humanen embryonalen Stammzellen sei
        verzichtbar. Richtig allerdings halte ich den Hinweis,
        dass angesichts des nicht abzuschätzenden Fortschritts
        der Forschung eine einmalige Verschiebung eines Stich-
        tags einer Selbsttäuschung oder vorschnellen Beruhi-
        gung ängstlicher Zögerer gleich kommt.
        Nur die Konsequenz, die ich darin sehe, ist doch deut-
        lich eine andere: Eine Stichtagsregelung ist sinnvoller-
        weise gänzlich aus dem Gesetz zu streichen.
        Auch über Kriminalisierung deutscher Wissenschaft-
        ler und deutscher Forschung auf diesem Gebiet kann es
        nüchtern betrachtet keine zwei Meinungen geben. Eine
        ethische Diskussion, die sicherlich auch weiterhin zu
        führen ist, hier mit dem Strafrecht zu sanktionieren, halte
        ich nicht für tragbar. Auch dies gehört daher zu strei-
        chen.
        Ich möchte schließen mit einem Zitat aus der Debatte,
        die wir 2002 hier geführt haben:
        Im Zweifel sollten wir die Freiheit der Forschung
        nicht durch gesetzliche Einzelregelung reglemen-
        tieren, sondern eher auf die gewissensstärkende
        Kraft eines ethischen Diskurses setzen.
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        Diese Überzeugung unseres heutigen Bundesinnen-
        inisters gilt meines Erachtens auch heute noch.
        Daher sehe ich keine sinnvolle Alternative zu dem
        ntrag „Gesetz für eine menschenfreundliche Medizin“
        nd bitte um Ihre Unterstützung.
        Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Der
        chutz der Embryonen ist im Embryonenschutzgesetz
        eregelt. Das ist so, das bleibt so, und das ist auch gut
        o!
        Heute reden wir in erster Lesung über die Frage, ob,
        nd wenn ja, in welchem Umfang, das Forschen mit
        mbryonalen Stammzellen in Deutschland erlaubt wer-
        en soll. Dazu muss man wissen: Keine einzige der
        eute etablierten Therapien mit adulten Stammzellen ba-
        iert auf Erkenntnissen der Forschung mit menschlichen
        mbryonalen Stammzellen. Keine einzige der gegenwär-
        ig laufenden klinischen Studien mit adulten Stammzel-
        en bezieht auch embryonale Stammzellen ein.
        Wer behauptet, Erkenntnisse der embryonalen
        tammzellforschung seien für den medizinischen Fort-
        chritt bei adulten Stammzellen unverzichtbar, ist den
        eleg dafür schuldig. Erkenntnisse sind in der Naturwis-
        enschaft nur publizierte reproduzierbare Ergebnisse,
        icht aber Hörensagen, Hypothesen, Hoffnungen oder
        pekulationen.
        Auch die Bundesregierung kennt keinerlei wissen-
        chaftliche Belege für diese Behauptung. Auf die schrift-
        iche Frage an die Bundesregierung „Welches sind aus
        icht der Bundesregierung die zehn wichtigsten Publika-
        ionen aus dem Bereich der Forschung an humanen
        mbryonalen Stammzellen (hES) seit 1998, die in Publi-
        ationen über klinische Studien oder therapieorientierten
        xperimentellen Arbeiten mit adulten Stammzellen am
        äufigsten als ausschlaggebend zitiert werden und die
        ussage stützen, Erkenntnisse aus der Grundlagenfor-
        chung, die an und über hES-Zellen gewonnen werden,
        eien sehr wesentlich für die Nutzbarmachung adulter
        tammzellen für künftige Therapien?“ antwortete der
        arlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel am
        . Februar 2008: „Zu dieser Frage liegen der Bundes-
        egierung keine Zitationsanalysen vor.“
        Angesichts der bisherigen therapeutischen Erfolglo-
        igkeit embryonaler Stammzellen und der Einsicht, dass
        mbryonale Stammzellen selbst nicht therapeutisch
        utzbar sind, muss in den Beratungen geklärt werden,
        elchem Zweck die Forschung an embryonalen Stamm-
        ellen dient. Geht es hierbei nur um wissenschaftliche
        orbeeren auf einem Fachgebiet, oder gibt es einen kon-
        ret zu erwartenden Nutzen für die Menschen?
        Würde es nicht ausreichen, an adulten Stammzellen
        u forschen? Warum muss ein Stichtag verschoben wer-
        en, wenn man bei der Stichtagsregelung bleibt? Welche
        egativen Auswirkungen hätte eine Verschiebung des
        tichtages? Diese und andere Fragen sind zu beraten und
        u klären.
        Ich freue mich auf einen interessanten Meinungs- und
        issensaustausch im Haus.
        15024 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
        (A) )
        (B) )
        Dr. Franz Josef Jung (CDU/CSU): Wie viele an-
        dere meiner Kolleginnen und Kollegen unterstütze ich
        den Gruppenantrag – Entwurf eines Gesetzes zur Ände-
        rung des Stammzellgesetzes – der Vorsitzenden der Ar-
        beitsgruppe Bildung und Forschung, Ilse Aigner, MdB
        der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der eine einmalige
        Verschiebung der Stichtagsregelung auf den 1. Mai 2007
        vorsieht.
        Das Stammzellgesetz wurde am 25. April 2002 mit
        einer breiten Mehrheit des Deutschen Bundestages be-
        schlossen. Damals wurde der Import von embryonalen
        Stammzellen auf Linien, die vor dem Stichtag 1. Januar
        2002 hergestellt worden sind, begrenzt. Ziel und Kern
        des Gesetzes war und ist es, zu verhindern, dass von
        Deutschland ein Anreiz zur Tötung von Embryonen
        durch die Entnahme von Stammzellen ausgeht. Mithin
        muss aber auch die Arbeit an ethisch hochwertigen For-
        schungsprojekten, insbesondere für die Entwicklung
        neuer Therapien, durch das Gesetz ermöglicht werden.
        Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG, hatte
        am 10. November 2006 eine ausführliche Stellungnahme
        zur Stammzellforschung vorgelegt, mit der sie die Erfah-
        rungen mit dem Stammzellgesetz von 2002 darlegt so-
        wie die Entwicklungen der letzten Jahre sowohl auf dem
        Gebiet der adulten wie auch der embryonalen Stammzel-
        len beschreibt.
        In dieser Stellungnahme wurde deutlich, dass deut-
        sche Forscher durch die ausschließliche Nutzbarkeit äl-
        terer Zelllinien zunehmend von internationalen Entwick-
        lungen abgeschnitten sind. Es wurde klargestellt, dass
        die bisher in Deutschland verwendeten und verwendba-
        ren Zellen nicht mehr den Ansprüchen der internationa-
        len Qualitätsstandards genügen. Gleichzeitig ist es aber
        eine Tatsache, dass die Stammzellforschung weltweit ein
        sehr dynamisches Gebiet ist und es rund 500 embryonale
        Stammzelllinien gibt, mit denen die internationale For-
        schung arbeitet. Durch den Stichtag im deutschen
        Stammzellgesetz können nach Deutschland nur Linien,
        die vor 2002 hergestellt wurden, importiert werden.
        Diese älteren Linien sind jedoch verunreinigt und zuneh-
        mend für die Forschung wertlos. Dadurch werden die für
        die deutsche Forschung so wichtigen internationalen Ko-
        operationen erschwert.
        Am 9. Mai 2007 hatte eine ergebnisoffene Anhörung
        des Deutschen Bundestages stattgefunden. Dabei wurde
        deutlich, dass auch die Wissenschaftler, vertreten durch
        die Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG, keine
        grundsätzliche Änderung des Embryonenschutzgesetzes
        anstreben.
        Bei den embryonalen Stammzellen handelt es sich nur
        um Zellen, die ohnehin nicht zum Leben gelangen. Da-
        her ist eine einmalige Verschiebung des Stichtages
        ethisch vertretbar.
        Auch in Zukunft sollen in Deutschland keine mensch-
        lichen Embryonen zu Forschungszwecken erzeugt und
        zerstört werden – dies ist der inhaltliche und ethische
        Kern des Stammzellgesetzes.
        Allerdings sind seit der Verabschiedung des Stamm-
        zellgesetzes mehrere hundert Stammzelllinien etabliert
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        orden, die teilweise unter den inzwischen standardi-
        ierten Bedingungen isoliert und kultiviert worden sind.
        ie einmalige Verschiebung ermöglicht unseren deut-
        chen Forschern – natürlich im Rahmen der gesetzlichen
        estimmungen –, diese Stammzelllinien zu nutzen.
        ollte der Stichtag nicht verschoben werden, wären die
        tammzelllinien für die deutsche Forschung verloren.
        Der Gruppenantrag erfüllt den Grundsatz der Verhält-
        ismäßigkeit, da die einmalige Verschiebung des Stichta-
        es auf den 1. Mai 2007 zum einen die Grundausrichtung
        es Gesetzes, dass von Deutschland keine Veranlassung
        ur Herstellung von menschlichen embryonalen Stamm-
        elllinien ausgehen darf, nicht verändert. Zum anderen
        erden wir auch unserer Verantwortung für die medizi-
        ische Forschung und der sich dadurch eröffnenden Hei-
        ungschancen gerecht.
        Zur Stammzellforschung gibt es in der CDU – wie ja
        brigens in den christlichen Kirchen auch – unterschied-
        iche Meinungen und ethische Bewertungen. Es gilt je-
        och, den hohen deutschen Standard beim Lebensschutz
        u erhalten, der auch in Zukunft durch das Embryonen-
        chutzgesetz garantiert wird.
        Die einmalige Verschiebung des Stichtages auf den
        . Mai 2007 kann dies leisten. Die Grundausrichtung des
        esetzes, dass von Deutschland keine Veranlassung zur
        erstellung von menschlichen embryonalen Stammzell-
        inien ausgehen darf, wird dadurch nicht verändert.
        eutschland bleibt damit ein praktisches, wirksames und
        ffektives Mittel zur Steuerung der humanen embryona-
        en Stammzellforschung erhalten.
        Monika Knoche (DIE LINKE): Mit überwältigender
        ehrheit wurde 2002 in diesem Haus kein Zweifel daran
        elassen, dass der menschliche Embryo Menschenwürde
        at, dass er nicht verfügbar ist. Hat, ja kann sich an die-
        er grundlegenden Menschenrechtsfrage in nur sechs
        ahren etwas ändern? Kann nach Maßgabe unserer Ver-
        assung nach Moral und Ethik in der Fortpflanzungsme-
        izin und Forschung die Antwort heute anders ausfallen?
        ch meine, nein.
        Das prinzipielle Instrumentalisierungsverbot des
        enschen, die Zweckfreiheit seiner Existenz, ganz egal
        ie und wo sich sein Leben zeigt, darf nicht zur Disposi-
        ion gestellt werden. Das Verbot fremdnütziger For-
        chung als Tabu ist für mich das wertvollste zivilisatori-
        che Gut, das wir aufgrund historischer Erfahrungen
        aben, weshalb wir sagen können: Die Forschungsfrei-
        eit ist von Verfassungsrang, sie findet ihre Grenze im
        orrang der Menschenwürde.
        Ich möchte es klar sagen: Der frühe Mensch, um den
        s hier geht, ist ohne Schwangerschaft und Geburt in die
        elt gebracht. Er ist erzeugt worden. Er ist nicht ge-
        eugt. Und weil er nicht durch den Körper einer Frau ge-
        chützt ist, machen Forscher ihn sich nutzbar, nützlich
        ür Zwecke, die nicht im Lebensinteresse des Embryos
        iegen. Er soll zum Ding, zur Sache erklärt werden, da-
        it man aus ihm ein Produkt machen kann. Erzeugt, um
        erstört zu werden. Damit ist die gewaltsame Beendi-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15025
        (A) )
        (B) )
        gung eines menschlichen Lebensprozesses zur Voraus-
        setzung für einen ganzen Forschungszweig geworden.
        Mir ist wichtig, zu sagen: Auch wenn sich der Em-
        bryo in seinem Entwicklungsstadium noch nicht als
        menschliches Gegenüber zeigt, so hat er doch die volle
        aus ihm selbst kommende Kraft, sich als Mensch zu ent-
        wickeln und genau die Person zu werden, die normaler-
        weise geboren wird. Es gibt aus meiner Sicht keine
        Möglichkeit, ihn von der Zugehörigkeit zur Menschheit
        auszuschließen. Wer sagt, der Embryo sei nur dann ein
        Mensch, wenn er die Gebärmutter erreicht und zu le-
        bensfähiger Reife gelangt, sieht über die Anthropologie
        und die Menschenrechtsphilosophie unserer Verfassung
        hinweg.
        Ich trete für die Unverfügbarkeit des menschlichen
        Embryos ein und sage dennoch Ja zur Stammzellfor-
        schung. Ein humanistisches Verständnis der Human-
        medizin schließt die Suche nach Therapiemöglichkeiten
        ein, die für körpereigenes Gewebe und das Geheimnis
        der Selbstheilungskräfte Forschung braucht. Mit der Re-
        programmierung und den Erfolgen der adulten Stamm-
        zellforschung beispielsweise sind vorzeigbare Erfolge
        vorhanden. Diese Wege sollten wir in Deutschland wei-
        ter beschreiten.
        Der Wissensgewinn und das Gerieren von neuen The-
        rapien sollen sich in den ethisch-moralischen Grenzen
        vollziehen, die durch das Stammzellgesetz von 2002 ge-
        zogen sind. Nicht diejenige ist forschungsfreundlich, die
        der Forschung gibt, was sie verlangt, und die gesetzge-
        berischen Nachschub liefert, wann immer er eingefor-
        dert wird.
        Wer heute eine Veränderung oder gar Aufhebung der
        Stichtagsregelung vornehmen will, sagt nichts anderes,
        als dass er in die Embryonenerzeugung für Forschungs-
        zwecke einwilligt. Das ist nicht im Geiste des sogenann-
        ten Kompromisses von 2002. Denn die Initiatorinnen
        und Initiatoren haben die Einführung des Stichtags damit
        begründet, dass zum Zweck der Forschung kein einziger
        weiterer Embryo zerstört werden soll. Und niemand
        kann heute ernsthaft in Abrede stellen, dass bei weltwei-
        ten Begehrlichkeiten der Forschung Frauen zu Eizelllie-
        ferantinnen gemacht werden. Ihre Fruchtbarkeit wird in
        den Dienst fremdnütziger Forschung gestellt.
        Mit der embryonalen Stammzellforschung ist eine
        neue Menschenrechtsfrage und eine neue Frauenfrage
        aufgekommen, wie es sie in der Menschheitsgeschichte
        nie gab. Ich plädiere für die Beibehaltung der Rechts-
        lage.
        Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Auf dem Felde der
        Bioethik fällt es der Politik schwer, stringente und gänz-
        lich widerspruchsfreie Entscheidungen zu treffen. Ein
        besonders eklatantes Beispiel moralischer Inkonsistenz
        stellt der Stichtagsbeschluss des Deutschen Bundestages
        aus dem Jahre 2002 dar: Eine embryonale Stammzelle,
        die vor dem l. Januar 2002 im Ausland gewonnen wurde,
        darf seither in Deutschland zu Forschungszwecken be-
        nutzt werden. Es wäre eine seltsame Moral, welche die
        Nutzung und damit Vernichtung solcher Stammzellen
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        ollkommen unterschiedlich bewertet, je nachdem, in
        elchem Staat oder zu welchem Zeitpunkt sie entstan-
        en sind.
        Die dem Kompromiss aus dem Jahre 2002 zugrunde
        iegende Frage, ob menschliches Leben bereits mit der
        erschmelzung von Ei- und Samenzelle beginnt, ent-
        ieht sich einer letztgültigen naturwissenschaftlichen Er-
        enntnis. Auch die Bibel gibt uns auf diese Frage unmit-
        elbar keine Antwort. Ich beneide deshalb alle Kollegen
        n diesem Hause, die sich sicher sind, wann der Beginn
        enschlichen Lebens anzusetzen ist. Ich verfüge über
        ine solche Gewissheit leider nicht.
        Seit wir aber aus der Genetik wissen, dass für die
        enschliche Entwicklung das Erbgut von Mutter und
        ater entscheidend ist, steht fest, dass der Verschmel-
        ungsakt beider Zellen eine wichtige Zäsur in dieser Ent-
        icklung ist. Es spricht somit einiges dafür, dass unsere
        ntwicklung „als Mensch“ und nicht nur „zum Men-
        chen“ bereits mit dieser Verschmelzung einsetzt. Bleibt
        uch eine gewisse Unsicherheit, so kann ich diese für
        ich nur nach der Klugheitsregel „in dubio pro vita“
        uflösen, wonach im Zweifelsfalle von dem jeweils frü-
        eren Beginn des menschlichen Lebens auszugehen ist.
        Der Gesetzgeber tut gut daran, sich dieser Klugheits-
        egel zu unterwerfen. Er hat es auch bereits getan, als er
        990 im Embryonenschutzgesetz alle menschlichen Em-
        ryonen unter den Schutz des Strafrechts gestellt hat,
        uch dann, wenn sie im Reagenzglas gezeugt worden
        ind. Das Embryonenschutzgesetz steht in einem rechts-
        olitisch äußerst unbefriedigenden Widerspruch zu der
        rlaubnis des Stammzellenimportes. Wenn der Gesetz-
        eber bei seiner Prämisse des Jahres 1990 bleibt – oder
        u ihr zurückkehren will –, dass embryonales menschli-
        hes Leben den Schutz der Rechtsordnung verdient, so
        st die Freigabe von Embryonen zur Forschung damit
        nvereinbar.
        Menschliches Leben stellt immer einen Zweck an
        ich dar. Ein Embryo, der zu Forschungszwecken „ver-
        raucht“ wird, wird dagegen zu einem bloßen Instru-
        ent, zu einem Objekt der Forschung herabgewürdigt.
        age Heilungsversprechen, die sich bislang zudem in
        einem Falle konkretisiert, geschweige denn realisiert
        aben, können diese Verzweckung menschlichen Lebens
        icht rechtfertigen.
        Die derzeit vorangetriebene Verschiebung des Stich-
        ages bestätigt auf traurige Weise die Befürchtungen des
        ahres 2002. Eine Stichtagsregelung taugt nicht zur Ein-
        ämmung der Embryonenforschung. Eine nunmehrige
        erschiebung, obwohl keines der vollmundigen Thera-
        ieversprechen bislang eingelöst wurde, könnte Forscher
        m Ausland darauf spekulieren lassen, dass sie kein ein-
        aliger Vorgang bleiben wird.
        Außerhalb der Stammzellendebatte mögen sich noch
        xistenziellere Fragen der Lebensethik stellen. Diese
        ebatte ist allerdings deshalb wichtig, weil ethische Ero-
        ionen immer an den Rändern unseres Lebens einsetzen.
        m Lebensanfang und am Lebensende zeigt sich, wel-
        he Bedeutung wir dem Leben in unserer Rechts- und
        esellschaftsordnung insgesamt geben. Deshalb ist es
        15026 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
        (A) )
        (B) )
        richtig, das Drängen nach einer Stichtagsverschiebung
        zum Anlass zu nehmen, den umfassenden Embryonen-
        schutz in Deutschland wiederherzustellen und auf die
        Forschung an embryonalen Stammzellen zu verzichten.
        Ingbert Liebing (CDU/CSU): Seit dem 1. Juli 2002
        gilt das Stammzellgesetz. Es erlaubt – unter strengen Be-
        dingungen – den Import und die Verwendung embryona-
        ler Stammzellen zu Forschungszwecken. Eine dieser Be-
        dingungen lautet, dass nur embryonale Stammzellen
        nach Deutschland importiert werden dürfen, die vor dem
        1. Januar 2002 gewonnen wurden (Stichtagsregelung).
        Aus der Sicht des Jahres 2008 sind diese Bedingun-
        gen veraltet. Inzwischen gelten viele dieser Stammzellli-
        nien als nicht mehr für die Forschung geeignet. Forscher
        bemängeln, diese Zellen seien zu alt und führten zu Feh-
        lern in den Versuchen. Zudem wird die deutsche For-
        schung mit dem aktuellen Gesetz zunehmend internatio-
        nal isoliert. Deshalb beraten wir heute in einer großen
        Debatte über Chancen und Risiken einer Lockerung der
        Regelungen und die Anpassung des Gesetzes an verän-
        derte äußere Rahmenbedingungen. Diese Angelegenheit
        ist von großer Bedeutung für viele Menschen, die bis-
        lang nicht wirksam behandelt werden können, und die
        biomedizinische Forschung am Standort Deutschland.
        Nach reiflicher Überlegung und Abwägung aller Für
        und Wider habe ich mich entschlossen, mich dem Antrag
        mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes für eine men-
        schenfreundliche Medizin – Gesetz zur Änderung des
        Stammzellgesetzes“ anzuschließen, der vor allem von
        Katherina Reiche, Ulrike Flach und Rolf Stöckel erar-
        beitet wurde. Mit diesem Antrag verbindet sich die über-
        parteiliche Initiative, deutschen Wissenschaftlern Zu-
        gang zu allen vorhandenen Stammzelllinien in der Welt
        zu verschaffen und die Forschungsfreiheit von ihrer
        „willkürlichen Fesselung“ (Zitat Katherina Reiche) zu
        befreien. Dabei geht es um die vorhandenen Stammzell-
        linien – nicht um das gezielte Erzeugen von Stammzell-
        linien für Zwecke der Forschung. Das entsprechende
        Verbot im deutschen Recht steht für mich nicht zur Dis-
        position. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der
        Stichtag im Stammzellgesetz gestrichen wird und somit
        die entsprechende Forschung an embryonalen Stamm-
        zellen dauerhaft freigegeben wird. Eine Verschiebung
        des Stichtages wird aus meiner Sicht in fünf Jahren wie-
        der zu ähnlichen Problemen führen. In diesem Punkt ist
        unser Antrag konsequent und ehrlich. Ferner tritt dieser
        Antrag dafür ein, dass zukünftig Strafandrohungen ge-
        gen deutsche Wissenschaftler bei Beteiligung an Koope-
        rationsprojekten mit ausländischen Kollegen unterblei-
        ben.
        Es ist ausdrücklich nicht mein Ziel, die Substanz des
        Gesetzes aufheben. Importiert werden dürfen auch wei-
        terhin nur Zellen, die es bereits gibt; auch in Zukunft
        wird kein Embryo für die Forschung in Deutschland ge-
        zeugt und getötet. Der Staat hat die Verantwortung zur
        Bewahrung menschlichen Lebens, das gebietet unser
        Grundgesetz. Daraus ergibt sich für mich auch die
        Pflicht, die Erforschung medizinischer Therapien zu er-
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        öglichen. Von der Forschung an embryonalen Stamm-
        ellen erhoffen wir uns Fortschritte bei der Entschlüsse-
        ung menschlicher Krankheiten und der Linderung
        enschlichen Leidens.
        Niemand hier im Saal wird abstreiten können, dass
        ie deutsche Forschung bisher verantwortungsbewusst
        it dem 2002 verabschiedeten Gesetzeskompromiss
        mgegangen ist.
        Schlussendlich streben wir einen Forschungsstand an,
        n dem wir keine Stammzellen mehr brauchen. Bis es
        oweit ist, möchte ich mich zum Ende meines Beitrages
        iner Forderung meiner Kollegin Ulrike Flach anschlie-
        en: Sie plädiert für eine „Ethik des Heilens“. Dabei
        öchte ich einen Gegensatz zwischen einer „Ethik des
        eilens“ und einer „Ethik des Lebensschutzes“ nicht
        elten lassen. Auch das Heilen von Krankheiten dient
        em Schutz des Lebens. In diesem Sinne halte ich die
        utzung von Chancen medizinischer Forschung, die
        thische Schranken akzeptiert, nicht nur für akzeptabel,
        ondern auch für geboten.
        Philipp Mißfelder (CDU/CSU): In großem Respekt
        or der Debatte um die Forschung mit embryonalen
        tammzellen und unter Abwägung aller Argumente habe
        ch mich entschieden, zu den Erstunterzeichnern des Ge-
        etzentwurfes von Hubert Hüppe zu gehören, der ein
        ollständiges Verbot der Forschung mit embryonalen
        tammzellen vorsieht. Dabei waren zwei wesentliche
        ründe ausschlaggebend: Die großen Erfolge der letzten
        ahre bei der Forschung mit adulten Stammzellen und
        ie Überlegung, dass es ohne die Tötung von Embryo-
        en keine Forschung mit menschlichen embryonalen
        tammzellen geben kann. Letzteres widerspricht jedoch
        ach meiner Auffassung der Unantastbarkeit der Men-
        chenwürde, die zu den Grundkoordinaten der beiden
        nionsparteien CDU und CSU gehört.
        Demnach haben nach unserer Auffassung Menschen
        ie gleiche unantastbare Würde, unabhängig von ihrer
        erschiedenartigkeit, ihrer einzigartigen Prägung durch
        rbanlagen und ihrer Lebensumstände, ihrem Ge-
        chlecht, ihrer Rasse, ihren Überzeugungen, ihrer Ge-
        undheit und ihrer Leistungsfähigkeit. Dabei beginnt für
        ns das menschliche Leben und dessen Schutzwürdig-
        eit mit der Vereinigung von Samen und Eizelle. Der
        ensch wird nicht zum Menschen, sondern er ist es von
        nfang an. Diese Auffassung von der universalen Men-
        chenwürde vom Zeitpunkt der Verschmelzung von Sa-
        en und Eizelle an halte ich für nicht verhandelbar und
        nterstütze deshalb das vollständige Verbot der For-
        chung mit embryonalen Stammzellen.
        Gerade junge Menschen sind bei diesem Thema auf-
        erksam: In einer repräsentativen Umfrage von Januar
        008 ist empirisch eindeutig belegt, dass sich 61 Prozent
        er Menschen in Deutschland gegen eine Forschung an
        tammzellen aus Embryonen aussprechen. Bei der
        üngsten erfassten Altersgruppe dieser Umfrage, der
        wischen 14 und 29 Jahren, sind sogar 67,4 Prozent der
        einung, dass ausschließlich an adulten Stammzellen
        nd an umprogrammierten Zellen geforscht werden
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15027
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        sollte. Es ist damit eindeutig, dass es die Mehrheit mei-
        ner Generation mit der Würde des Menschen für unver-
        einbar hält, dass Embryonen zu Forschungszwecken ge-
        tötet werden. Dies belegen auch die Befunde der letzten
        Shell-Studie aus dem Jahr 2006, in der den Jugendlichen
        eine stabile Werteorientierung und eine große Sensibili-
        tät in Fragen von Ethik und Moral bescheinigt wurde.
        Seit Jahren beschäftigt sich auch die Junge Union in-
        tensiv mit der Frage der Stammzellforschung. So hat
        sich die Junge Union Deutschlands auf ihrem Deutsch-
        landtag vom 19. bis 21. Oktober 2007 sehr ernsthaft mit
        der Frage einer Verschiebung oder Aufhebung der gel-
        tenden Stichtagsregelung (1. Januar 2002) befasst. Vom
        höchsten Gremium der Jungen Union wurde dabei der
        Beschluss gefasst, dass der geltende Stichtag unter kei-
        nen Umständen infrage gestellt werden darf und dass
        vielmehr die Forschung an adulten Stammzellen sowohl
        aus moralischer als auch aus medizinischer Sicht die zu-
        kunftsweisende Alternative ist. Der gemeinsame Nach-
        wuchsverband von CDU und CSU lehnt die Forschung
        an embryonalen Stammzellen damit unmissverständlich
        ab. Diese Haltung wird breit unterstützt, wie auch die
        Unterschrift des bayerischen Vorsitzenden der Jungen
        Union, meines Kollegen Stefan Müller, unter den Ge-
        setzentwurf von Hubert Hüppe zeigt.
        Wir sollten uns bei der Suche nach neuen Behand-
        lungsmethoden vielmehr auf die gerade bei uns in
        Deutschland vielversprechende Forschung mit adulten
        Stammzellen konzentrieren. Hier sind wir führend, und
        hier können wir in Deutschland Spitzenforschung si-
        chern. Deshalb unterstützt die Bundesregierung diese
        Forschung auch mit umfangreichen Forschungsgeldern.
        Denn es ist die erfolgversprechendere Forschung:
        Weltweit gibt es nicht eine einzige klinische Studie mit
        embryonalen Stammzellen am Menschen, ebenso wenig
        wie eine Therapie. In der ethisch unproblematischen
        Medizin mit adulten Stammzellen, die beispielsweise
        aus dem Blut Erwachsener gewonnen werden können,
        gibt es hingegen zahlreiche Heilungserfolge. So gelang
        es vor wenigen Monaten dem Düsseldorfer Medizinpro-
        fessor Bodo Strauer, Herzinfarktpatienten mit adulten
        Stammzellen zu heilen. Diese Erfolge weisen in die rich-
        tige Richtung, ohne auch nur im Ansatz ethische und
        moralische Schwierigkeiten aufzuwerfen. Das ist der
        Weg der Forschung, auf den wir uns konzentrieren soll-
        ten.
        Die Transplantation adulter Stammzellen des Kno-
        chenmarks ist dabei seit Jahrzehnten lebensrettende kli-
        nische Praxis, der auch tausende deutsche Patienten ihr
        Leben verdanken. Dafür erhielt der amerikanische
        Hämatologe Edward Donnall Thomas den Medizin-
        Nobelpreis. Aus adulten Stammzellen der Haarwurzel
        wird seit Jahren klinisch einsetzbarer patienteneigener
        Hautersatz gezüchtet. Diese Beispiele will ich gar nicht
        noch weiter ausführen, möchte aber noch einmal beto-
        nen, dass dies nachweisbar die Wege der Forschung
        sind, die bisher die größten Erfolge gebracht haben und
        die die realistische Perspektive bieten, schwere und bis-
        her unheilbare Krankheiten zu therapieren. Und hierfür
        werden keine Embryonen verbraucht.
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        Dr. Marlies Volkmer (SPD): Als Verfechterin eines
        ompromisses – als solche rede ich – geht man gewis-
        ermaßen auch mit sich selbst einen Kompromiss ein:
        iemand ist „von Hause aus“ Anhänger einer Lösung,
        ie per se inkonsistent ist, ja sein muss. So werden sicher
        inige Befürworter der Stichtagsverschiebung ausführen,
        ass ihnen eine restriktivere Lösung eigentlich mehr am
        erzen läge. Anderen – ich schließe mich hier mit ein –
        ird der Kompromiss eigentlich nicht weit genug gehen.
        ber im Interesse eines höheren Ziels, das ich erläutern
        erde, werden sowohl die einen wie die anderen ihre
        edenken zurückstellen – wie auch schon 2002.
        Wenn man einem Kompromiss zustimmt, gibt man
        lso indirekt zu, dass man den einen oder anderen Zwei-
        el hegt. So zweifle ich unter anderem an den ethischen
        aßstäben, die dem Stammzellgesetz zugrunde liegen:
        inerseits ist in Deutschland die Gewinnung embryona-
        er Stammzellen verboten. Andererseits darf mit impor-
        ierten Stammzellen – wenn bestimmte Voraussetzungen
        rfüllt sind – gearbeitet werden. Die Frage ist bis heute
        icht beantwortet worden, warum ein im Ausland ver-
        ichteter Embryo anders beurteilt wird als einer in
        eutschland.
        Wenn aber die Vernichtung von überzähligen Embryo-
        en aus der künstlichen Befruchtung Grundlage für For-
        chung ist, dann muss doch sichergestellt werden, dass
        afür strenge rechtliche Rahmenbedingungen vorhanden
        ind. Die im Ausland hergestellten embryonalen Stamm-
        ellen müssen aber lediglich vor dem Stichtag und in
        bereinstimmung mit der Rechtslage im jeweiligen
        and hergestellt worden sein. Wer garantiert für die
        ualität nach unseren Maßstäben?
        Ist die Frage unzulässig, ob die Herstellung embryo-
        aler Stammzellen in Deutschland nicht strenger über-
        acht werden könnte als in manch anderem Land? Aber
        iese Debatte führt heute zu weit. Wir haben über die
        nderung des Stammzellgesetzes zu befinden, nicht
        ber die Änderung des Embryonenschutzgesetzes. Heute
        eht es darum, einen ethisch fundierten Kompromiss zu
        inden zwischen Forschungsfreiheit und der Hoffnung
        uf Heilung einerseits und dem Embryonenschutz ande-
        erseits.
        Seit das Stammzellgesetz 2002 verabschiedet wurde,
        at sich in der internationalen Forschung viel getan. Eine
        berprüfung der fünf Jahre alten Regelungen erscheint
        ngemessen. Von den Stammzelllinien, die vor dem
        . Januar 2002 gewonnen wurden, sind heute wegen ge-
        etischer Instabilität und Kontaminierung mit tierischen
        rodukten nur noch wenige einzusetzen, Ein vergrößer-
        er Pool von einsatzfähigen Zelllinien auch in Deutsch-
        and ist nach Meinung vieler Forscher notwendig, damit
        eutschland in diesem Forschungsbereich nicht abge-
        ängt wird. Eine Verschiebung des Stichtages auf den
        . Mai 2007 wird der ursprünglichen Intention des
        tammzellgesetzes gerecht.
        Heute geht es genau wie damals um die Frage, ob in
        er Forschung embryonale Stammzellen verwendet wer-
        en dürfen. Unter strengen Auflagen ja, lautete 2002 der
        ompromiss, insbesondere darf von Deutschland aus
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        keinerlei Aktivität für eine verbrauchende Embryonen-
        forschung ausgehen. Das ist bei diesem Kompromiss der
        Fall.
        Es gibt aus heutiger Sicht keinen Grund, eine embryo-
        nale Stammzelle, die vor dem 1. Januar 2002 gewonnen
        wurde, ethisch anders zu beurteilen als eine von vor dem
        1. Mai 2007.
        Es besteht die Hoffnung, dass die Stammzellmedizin
        eines Tages ohne Embryonen auskommen wird. Wir
        brauchen aber heute eine fundierte Grundlagenforschung
        auch mit embryonalen Stammzellen, um Mechanismen
        der Reprogrammierung sowie der Entstehung und Hei-
        lung von Krankheiten zu erkennen. Auf Basis einer sol-
        chen hochwertigen Forschung werden wir – hoffentlich –
        den Durchbruch bei den adulten Stammzellen erleben.
        Lassen Sie mich noch ein Wort als Ärztin sagen: Der-
        zeit sind wir noch weit davon entfernt, dass Stammzellen
        in der Therapie von Krankheiten wie Alzheimer und Par-
        kinson eingesetzt werden können. Der Kompromiss ver-
        baut aber auch nicht die Perspektive: die Entwicklung
        therapeutischer Optionen. Heilung ist ein wichtiges Ziel
        von Forschung. Politik hat die Verantwortung, erfolgver-
        sprechende Wege, die zu größeren Heilungschancen füh-
        ren, nicht von vornherein auszuschließen. Und um es
        ganz klar zu sagen: Deutschland kann sich nicht vom Er-
        trag der weltweiten Stammzellforschung abschotten.
        Wenn in Chicago oder Tokio auf der Grundlage em-
        bryonaler Stammzellforschung neue Therapien entwi-
        ckelt werden, dann werden wir aus ethischen Gründen
        deutschen Patienten diese Heilungschancen nicht ver-
        wehren können. Deswegen ist es richtig, dass auch in
        Deutschland die Forschung mit embryonalen Stammzel-
        len unter strengen Auflagen möglich ist und nicht unnö-
        tig erschwert wird. Bitte stimmen Sie der Verschiebung
        der Stichtagsregelung zu.
        Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Die For-
        schung an und mit embryonalen Stammzellen ist mit
        großen Hoffnungen und Erwartungen verbunden, aber
        gleichzeitig auch mit großen Befürchtungen hinsichtlich
        der Verletzung der Würde des Menschen, der ethischen
        Maßstäbe, die eine humane Gesellschaft zusammenhal-
        ten und die Grundlage der Menschenrechte und der Ach-
        tung menschlichen Lebens sind, für die wir weltweit
        eintreten. Seit fast sechs Jahren können Wissenschaftle-
        rinnen und Wissenschaftler in Deutschland an und mit
        embryonalen Stammzellen forschen – eingeschränkt und
        unter strengen Auflagen. Die Wissenschaft lockte mit
        vielfältigen Heilungsversprechen, was die Mehrheit im
        Deutschen Bundestag im Jahr 2002 veranlasste, ein Ge-
        setz zu verabschieden, das die Forschung mit importier-
        ten Zelllinien möglich machte. Es sei diese Forschung
        wichtig, bahnbrechend, unabdingbar, ja gar heilbringend
        für die Menschen, hieß es. Heute ringen wir im Parla-
        ment wieder um verantwortliche Lösungen in diesen
        schwierigen Fragen der Bioethik im Spannungsfeld zwi-
        schen Heilungsversprechen, Forschungsfreiheit, Men-
        schenwürde und Schutz des menschlichen Lebens.
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        Wäre die Forschung mit embryonalen Stammzellen
        thisch unbedenklich, so müsste man heute nur bedau-
        rnd mit den Schultern zucken oder auch den Verlust der
        eflossenen Fördergelder beklagen. Denn bisher konnten
        eine Durchbrüche erzielt werden, alle Ankündigungen
        rwiesen sich als haltlos, Erfolge sind nicht in Sicht, und
        leichzeitig ist die Forschung an und mit embryonalen
        tammzellen ethisch überaus bedenklich.
        Alle noch so schönen und oft vernebelnden Formulie-
        ungen können eine Tatsache nicht verleugnen: Um für
        ie Forschung embryonale Stammzellen zu gewinnen,
        üssen menschliche Embryonen, muss menschliches
        eben zerstört werden. Kann es für dieses Töten eine
        echtfertigung geben? „Die Würde des Menschen ist
        nantastbar“, dieser Satz steht überdeutlich am Beginn
        er Grundrechte im deutschen Grundgesetz. So schwie-
        ig es im Einzelnen sein mag, die „Würde des Men-
        chen“ und ein mögliches Antasten dieser zu definieren,
        ines steht fest: Vernutzen wir menschliches Leben oder
        erwerfen es gar, um damit Forschungs-, Heilungs- oder
        ndere Zwecke zu verfolgen, so verletzen wir die Men-
        chenwürde.
        Art. 1 des Grundgesetzes steht nicht umsonst am An-
        ang unserer Verfassung, er ist oberster Verfassungs-
        rundsatz! Warum steht er dort? Die Mütter und Väter
        es Grundgesetzes haben nach der menschenverachten-
        en Ära des Nationalsozialismus festgelegt, dass sich al-
        es staatliche Handeln zukünftig daran messen lassen
        uss, ob die Menschenwürde unangetastet bleibt. Sie
        ind sogar noch weiter gegangen: „Sie zu achten und zu
        chützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“,
        eißt es im zweiten Satz des Art. 1. Der Staat muss also
        ktiv werden, wachsam bleiben gegenüber möglichen
        ürdeverletzungen, gegensteuern.
        Mancher wendet hier ein, dass die Würde von Kran-
        en verletzt werde, wenn man nicht alles für deren Ge-
        esung tue. Das ist richtig, aber es gibt auch Grenzen,
        o andere Rechtsgüter verletzt werden. Darin werden
        ie mir sofort zustimmen, wenn ich beispielsweise von
        ersuchen an geborenen Menschen spreche. Es gibt also
        renzen, darin sind wir uns einig. Auch ich wünsche
        ir, dass Krankheit, Leiden und Schmerzen gelindert
        erden. Wer tut das nicht? Gerade in diesem Zeitalter
        er rasanten Entwicklungen, Fortschritte, neuer Erkennt-
        isse stehen wir oft fassungslos vor Verfall, Schmerz
        nd Tod. Das darf aber nicht dazu verleiten, den Schutz
        er Würde des Menschen und die Achtung vor dem
        enschlichen Leben, auch vor dem noch nicht gebore-
        en menschlichen Leben, über Bord zu werfen. Wenn
        ie Hoffnung auf Forschungserfolge oder der jeweilige
        orschungsstand darüber bestimmen sollen, ob Stamm-
        ellen eines getöteten menschlichen Embryos für For-
        chungszwecke genutzt werden dürfen oder nicht, ob
        tichtage für den Import von Stammzellen festgelegt
        erden oder nicht, ob solche Stichtage verschoben wer-
        en oder nicht, dann wird die Menschenwürde zu einem
        eränderbaren Gut. Eine solche Relativierung der Men-
        chenwürde wird auf Dauer nicht ohne Auswirkungen
        leiben auf den grundsätzlichen Umgang einer Gesell-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15029
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        schaft mit menschlichem Leben, sowohl von Anfang an
        als auch was das Ende menschlichen Lebens anbelangt.
        Stattdessen sollten die ethisch unbedenklichen Alter-
        nativen noch stärker gefördert werden: zum Beispiel die
        Forschung an adulten Stammzellen. Und wenn wir
        schon so sehr auf die Heilungsaussichten achten: Adulte
        Stammzellen werden schon seit vielen Jahren erfolgreich
        therapeutisch eingesetzt. Sie retten Leben und heilen!
        Lassen Sie uns gemeinsam diese erfolgreiche und
        ethisch unbedenkliche Forschung stärken und nicht auf
        ethisch prekäre und bis heute erfolglose Alternativen set-
        zen!
        Ich bin überzeugt: Noch mehr als im Jahr 2002 spre-
        chen heute alle guten Gründe dafür, dass wir die ethisch
        höchst problematische Forschung an und mit embryona-
        len Stammzellen verbieten. Deutschland ist und kann
        erst recht in Zukunft Forschungsstandort Nummer eins
        in Sachen adulte Stammzellen sein. Ich sehe nicht die
        Gefahr, dass wir uns weltweit in der Forschung isolieren,
        sondern ich sehe die Chance, dass wir in dieser ethisch
        schwierigen Frage weltweit beispielgebend sind.
        Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): „Die Würde des
        Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen
        ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Diese
        schlichten Sätze haben die Väter des Grundgesetzes an
        seinen Beginn gestellt. Sie formulierten damit die
        oberste Schutzverpflichtung unserer staatlichen Ord-
        nung. Diese Würde kommt dem Menschen zu, als unmit-
        telbare Folge seiner Geschöpflichkeit und seiner Gottes-
        ebendbildlichkeit – von Anfang an und bis zum Ende
        seines irdischen Daseins. Sie ist unserer Verfügbarkeit
        entzogen.
        Mit dem Beschluss des Stammzellgesetzes durch den
        Deutschen Bundestag 2002 wurde die Büchse der Pan-
        dora geöffnet. Die Verfechter der Festlegung eines Stich-
        tages oder gar völliger Freigabe warben vor allem mit
        der Aussicht auf Heilung schwerer Krankheiten, wie
        Parkinson oder Alzheimer. Unter dem Stichwort „Organ-
        ersatzbildung“ schien der Menschheitstraum nach Über-
        windung allen Leides und ewigen Lebens auf.
        Die Argumentation von damals folgt bekannten Mus-
        tern, die heutige ebenso: Wieso soll der in-vitro gezeugte
        Embryo besser geschützt werden als der Embryo im
        Mutterleib, dem durch die Abtreibungspraxis in
        Deutschland der Schutz weitgehend versagt wird? Wenn
        wir schon das Entstehen überzähliger Embryos im Rah-
        men künstlicher Befruchtung zulassen, wieso führen wir
        sie dann nicht noch einer „nützlichen Verwendung“ zu,
        wenn ihr Leben doch ohnehin schon verwirkt ist?
        Schließlich das Heilsversprechen: Wie kann man an-
        gesichts des Leides heute nicht behandelbarer schwerer
        Erkrankungen dem Mitmenschen die nahe Hilfe verwei-
        gern, wo doch nur eine kleine Grenzverschiebung erfor-
        derlich ist, um den Durchbruch zu erreichen? Andere tun
        es doch auch, wie kann man da so hartherzig sein?
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        Ich sage Ihnen heute voraus: Der einmaligen Ver-
        chiebung des einmaligen Stichtages werden weitere fol-
        en. Wer einmal der Verzwecklichung der menschlichen
        erson zustimmt, gibt das kategoriale Argument aus der
        and.
        Wir sollten die Diskussion umgekehrt führen: Wie
        önnen wir endlich einen umfassenden Schutz des
        enschlichen Lebens, gerade in den besonders schutz-
        ürdigen Phasen des Werdens und Vergehens, verbes-
        ern und garantieren? Ist es richtig, überzählige Embryo-
        en im Rahmen der künstlichen Befruchtung entstehen
        u lassen in der sicheren Voraussicht, sie später zu ver-
        erfen? – Welch ein schrecklicher Ausdruck im Zusam-
        enhang mit menschlichem Leben! – Dürfen wir bei
        ränataler und Präimplantationsdiagnostik unterscheiden
        n wertes und unwertes Leben? Wie begegnen wir den
        egehrlichkeiten, am Ende unseres irdischen Daseins
        ine Grenze zu ziehen, ab der dem alten oder kranken
        enschen der Schutz der staatlichen Ordnung entzogen
        ird? Wie schärfen wir das Bewusstsein, dass bei allen
        egensreichen Fortschritten der Wissenschaft, der Medi-
        in im Besonderen, Freude und Leid, Gesundheit und
        rankheit, Werden und Vergehen existenziell zum
        enschlichen Leben gehören?
        Ich rede keinesfalls einem schlichten Fatalismus oder
        inem dumpfen Wissenschaftsskeptizismus das Wort.
        ber ich plädiere für Selbstbescheidung: Wir dürfen
        icht alles, was wir können. Diesen Satz wird jeder
        eichthin unterschreiben, schließlich ist es unsere tägli-
        he Aufgabe, durch Normsetzung erwünschtes von uner-
        ünschtem Tun oder Unterlassen zu scheiden und die
        inhaltung des Erwünschten nicht selten durch Straf-
        ndrohung zu erzwingen. Nach meiner festen Überzeu-
        ung bewegen wir uns bei der heute zu behandelnden
        rundfrage menschlicher Existenz in einem Bereich, der
        nserer Freiheit zur Normsetzung entzogen ist. Wir kön-
        en hier lediglich in Worte fassen, was naturrechtlich
        orgegeben ist. Unsere staatliche Ordnung lebt von Vo-
        aussetzungen, die sie nicht selber gelegt hat. Lassen Sie
        s mich als Christ durch einen Rückgriff auf ein bibli-
        ches Bild ausdrücken: Wir dürfen die Früchte des „Bau-
        es der Erkenntnis“ nicht verzehren gleich, wer sie ge-
        rntet hat oder in wessen Garten der Baum steht.
        Die Würde des Menschen ist unantastbar. Die Ver-
        wecklichung menschlicher Embryonen zur Gewinnung
        mbryonaler Stammzellen ist mit dieser zentralen Vor-
        abe des Grundgesetzes und dem christlichen Sittenge-
        etz nicht vereinbar. Der Zweck heiligt nicht die Mittel.
        it dem geltenden Stammzellgesetz wird die Tötung
        enschlicher Embryonen akzeptiert, solange diese im
        usland und vor dem 1. Januar 2002 geschehen ist. Wir
        ollten die heutige Diskussion nutzen, um diesen Wider-
        pruch zu beenden.
        Meine lieben Kollegen, wir müssen in diesem Gesetz-
        ebungsverfahren eine eindeutige Antwort geben: Das
        mfassende Verbot, menschliche embryonale Stammzel-
        en einzuführen, und damit keine Forschung mit
        enschlichen embryonalen Stammzellen in Deutsch-
        and!
        15030 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
        (A) )
        (B) )
        Anlage 3
        Zu Protokoll gegebene Rede
        zur Beratung des Antrags: Beratungsqualität
        für Erwerbslose verbessern – Personal der
        Grundsicherungsträger qualifizieren und ihm
        Zukunftsperspektiven geben (Tagesordnungs-
        punkt 12)
        Dirk Niebel (FDP): Vor der Hartz-IV-Reform wur-
        den Leistungsempfänger in einer komplizierten Parallel-
        welt von Arbeits- und Sozialämtern hin- und hergescho-
        ben. Wir haben zugestimmt, dass diese Doppelstrukturen
        abgeschafft werden, um die Effektivität bei der Vermitt-
        lung in Beschäftigung zu erhöhen und Kosten zu sparen.
        Bei der politischen Umsetzung ist allerdings mit den Ar-
        beitsgemeinschaften ein weiteres bürokratisches Mons-
        ter herausgekommen. Wer hat denn geglaubt, dass die
        Einrichtung einer weiteren, zusätzlichen Behörde aus
        zwei bestehenden in ihrer Verwaltung billiger wird,
        wenn die zwei anderen bestehen bleiben?
        Statt die Betreuung der Arbeitslosen in alleiniger Ver-
        antwortung einer Behörde zu organisieren, wurde sie in
        Arbeitsagenturen, Arbeitsgemeinschaften und Kommu-
        nen, also in drei unterschiedlichen Behördenstrukturen
        angesiedelt und damit das größtmögliche Chaos ange-
        richtet. Die schwarz-rote Regierung hat den Kopf in den
        Sand gesteckt und abgewartet, bis das Bundesverfas-
        sungsgericht die nötigen Fakten schafft. Es hat die Ar-
        beitsgemeinschaften als verfassungswidrig eingestuft.
        Jetzt ist ein klarer Schnitt nötig und möglich.
        Die Alternativen dürfen nicht zu einem Bundessozial-
        amt führen. Der Bundesarbeitsminister hat sein neues
        Konzept in den alten Denkstrukturen gestern vorgestellt.
        Er träumt jetzt von sogenannten kooperativen Job-
        centern. Aber solchen neuen Behörden unter dem Dach
        und der Kontrolle der zentralistisch organisierten Arbeits-
        agenturen wird es nicht gelingen, die Chancen für Ar-
        beitsuchende zu verbessern.
        Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes be-
        steht jetzt die historische Chance, die Bundesagentur für
        Arbeit aufzulösen und die Aufgaben neu zu ordnen. Wir
        ordern, dass die Betreuung und Beratung aller Arbeit-
        suchenden in kommunalen Jobcentern in eigener Verant-
        wortung erfolgt. Die finanzielle Ausstattung ist als Bud-
        get im Grundgesetz festzuschreiben. Die Gewährung
        aller Leistungen aus einer Hand machen langwierige Ab-
        stimmungsprozesse mit den Arbeitsagenturen überflüs-
        sig und erlauben individuelle, flexible und unbürokrati-
        sche Lösungen für die Betroffenen. Die doppelten
        Verwaltungsstrukturen müssen endlich abgeschafft wer-
        den.
        Gleichzeitig können die Prinzipien der Arbeitslosen-
        versicherung über die Einführung von Pflicht- und
        Wahltarifen gestärkt werden. Über Wahltarife könnten
        dann auch eine längere Bezugsdauer von Arbeitslosen-
        geld oder gegen niedrigere Beiträge Karenztage verein-
        bart werden.
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        Jedes Amt ist nur so gut wie die Leitung und die Mit-
        rbeiter. In den Zeitungen hat man in dieser Woche wie-
        er nachlesen können, dass Arbeitslose trotz eines Ange-
        otes keine Arbeit aufnehmen wollen, weil es sich
        inanziell nicht lohnt. Arbeiten lohnt sich nicht, wenn
        an ohne Arbeit die gleiche oder sogar eine bessere Le-
        enssituation erreicht. Deshalb muss jemand, der arbei-
        et, mehr haben als jemand, der nicht arbeitet. Hier ist
        uch die politische Ebene gefordert, nicht nur die Ver-
        altungsebene.
        Für Langzeitarbeitslose ist jede legale Arbeit zumut-
        ar. Es ist Aufgabe der Arbeitsvermittler, Arbeitslose in
        eschäftigung zu vermitteln und ihre Integration in den
        rsten Arbeitsmarkt zu betreiben und nicht in eine sub-
        entionierte Beschäftigung. Eine Studie des IAB hat auf-
        ezeigt, dass 1-Euro-Jobs nur selten zu einer neuen
        telle führen. Mit den jungen Menschen unter 25 Jahren
        ird eine Personengruppe überproportional gefördert,
        on denen viele das gar nicht nötig haben, aber während
        er Maßnahme auch weniger Zeit für Bewerbungen ha-
        en.
        Wir müssen jetzt darüber diskutieren, wer und was
        en Arbeitslosen am besten hilft, eine neue Stelle zu fin-
        en. Je näher und engagierter die Fallmanager und Ver-
        ittler am regionalen Arbeitsmarkt sind, desto größer
        ind die Chancen der Betroffenen. Davon profitieren
        ann auch die Arbeitslosen, die aufgrund zusätzlicher
        ersönlicher Probleme schwer vermittelbar sind. Zudem
        önnen regional oder lokal begrenzt auch leichter neue
        ege bei der Arbeitsuche ausprobiert werden.
        Statt wie die SPD über sogenannte gute Arbeit zu
        chwadronieren, müssen Arbeitslose verstärkt zur Ar-
        eitsaufnahme und zur Integration in den Arbeitsmarkt
        otiviert werden. Das geht vorwiegend über finanzielle
        nreize. Wenn den Arbeitnehmern durch niedrigere
        teuern und Abgaben mehr netto vom selbstverdienten
        eld bliebe, wäre auch der Anreiz größer, Arbeit aufzu-
        ehmen. Dieses Ziel wird auch vom Bürgergeldkonzept
        er FDP unterstützt. Es erhöht die Anreize zur Arbeits-
        ufnahme vor allem im gering qualifizierten Bereich.
        Die Einführung der Grundsicherung für Arbeit-
        uchende war richtig. Aber die Ziele wurden bisher nicht
        rreicht. Arbeitsrechtliche und tarifpolitische Regelun-
        en wurden nicht wie notwendig modernisiert. Deshalb
        ind auch für Langzeitarbeitslose kaum neue Arbeits-
        lätze verfügbar. Die verbliebenen werden darüber hi-
        aus durch eine flächendeckende Einführung von Min-
        estlöhnen gefährdet.
        Der Jobmotor Zeitarbeit, der maßgeblich am Auf-
        chwung bei den Sozialversicherungspflichtigen Ar-
        eitsplätzen beteiligt war, wird durch die Einführung
        on Mindestlöhnen abgewürgt, abgesehen davon, dass
        ier wie beim Postmindestlohn das Arbeitnehmerentsen-
        egesetz wieder einmal missbraucht werden soll, um ei-
        en innerdeutschen, brancheninternen Wettbewerb zu
        erhindern. Die FDP lehnt Mindestlöhne ab, weil sie Ar-
        eitsplätze vernichten oder in die Schwarzarbeit treiben.
        eitarbeit ist gerade für Geringqualifizierte und Lang-
        eitarbeitslose eine Brücke in den Arbeitsmarkt. Deren
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15031
        (A) )
        (B) )
        Chancen auf Beschäftigung werden weiter beeinträch-
        tigt.
        Arbeit ist immer noch zu teuer, weil die Steuern und
        Sozialabgaben weiter steigen. Und die notwendigen Re-
        formen im Arbeits- und Tarifrecht, die zu mehr Einstel-
        lungen motivieren, stehen bei der schwarz-roten Koali-
        tion nicht mehr auf der Agenda.
        Anlage 4
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
        Berichts: Nichtkommerzielle klinische Studien
        in Deutschland voranbringen (Tagesordnungs-
        punkt 13)
        Michael Kretschmer (CDU/CSU): Die Situation
        von nichtkommerziellen klinischen Studien, von Stu-
        dien, die also unabhängig von der pharmazeutischen In-
        dustrie durchgeführt werden, brennt der medizinischen
        Wissenschaft seit Jahren auf den Nägeln. Als Folge der
        12. und 14. Novelle des Arzneimittelgesetzes hat sich
        für die Wissenschaft der administrative und finanzielle
        Aufwand dieser Studien enorm verschärft.
        Ziel der Novellen war es, die Sicherheit und Qualität
        klinischer Studien zu verbessern. Das begrüßen wir auch
        ausdrücklich. Jedoch hat sich gezeigt, dass die Anforde-
        rungen für nichtkommerzielle klinische Studien teil-
        weise unangemessen hoch sind. Das gilt insbesondere
        dann, wenn bereits zugelassene und in ihrem Wirkungs-
        spektrum bekannte Arzneimittel untersucht werden.
        Ich habe im vergangenen Jahr eine ganze Reihe von
        Gesprächen mit Wissenschaftlern geführt und viele Zu-
        schriften zum Thema nichtkommerzielle Studien erhal-
        ten. Der gestiegene Verwaltungsaufwand und die im-
        mensen Kosten machen es der Forschung zunehmend
        schwer, neue nichtkommerzielle Studien zu initiieren
        und umzusetzen.
        Für den Forschungs- und Gesundheitsstandort
        Deutschland ist das ein großer Verlust. Gerade die vom
        wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse geleiteten und
        industrieunabhängigen Studien verfügen oft über eine
        sehr hohe Qualität und großen Nutzen für die Patienten.
        Die Studien tragen nachweislich zu einer hochwertigen
        medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten
        bei und sind Treiber des Fortschritts in der medizini-
        schen Behandlung.
        Oftmals haben diese Studien zum Ziel, eine Therapie
        zu optimieren, Therapien zu vergleichen oder einen Bei-
        trag zur Qualitätssicherung in der Behandlung zu leisten.
        Dank solcher Studien ist es beispielsweise gelungen, in
        der Onkologie ein standardisiertes Toxizitätsmonitoring
        zu etablieren. Dieses trägt dazu bei, die Rate der schwer-
        wiegenden behandlungsbedingten Nebenwirkungen
        kontinuierlich zu überwachen und flächendeckend zu re-
        duzieren. Das ist ein echter Zugewinn an Lebensqualität
        für die Kranken.
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        Andere Studien verfolgen das Ziel, die Dosierung von
        edikamenten zu verbessern. Auch davon profitieren
        atienten direkt. Zugleich aber hilft es der Solidarge-
        einschaft, weil weniger Ressourcen für eine bessere,
        chonendere und effizientere Behandlung ausgegeben
        erden müssen.
        Es liegt also im Interesse von uns allen, dafür zu sor-
        en, dass die Wissenschaft auch künftig in der Lage ist,
        ichtkommerzielle Studien in Deutschland umzusetzen.
        tellvertretend für viele zustimmende Zuschriften
        öchte ich aus einem Brief zitieren, den der For-
        chungsausschuss von der Deutschen Morbus Crohn
        ereinigung erhalten hat. Dort heißt es: „Im Interesse
        er Menschen mit chronisch entzündlichen Darmerkran-
        ungen und aller chronisch Kranken bitten wir Sie, die-
        em Antrag zuzustimmen und seine Umsetzung durch
        ie Bundesregierung engagiert zu begleiten.“
        Ich will das gerne tun.
        Unser gemeinsames Ziel muss es sein, bei gleichblei-
        ender Patientensicherheit die Anforderungen an nicht-
        ommerzielle klinische Studien besser damit in Einklang
        u bringen, was die Wissenschaft finanziell, administra-
        iv und personell leisten kann. An einem Rücklauf dieser
        tudien kann keinem gelegen sein. Das Bundesfor-
        chungsministerium ist das Problem bereits angegangen
        nd hat im Dezember 2006 Experten zu einem Work-
        hop zusammengerufen. Die Wissenschaft hat dort eine
        eihe Verbesserungsvorschläge gemacht, die zum Teil
        uch Eingang in unseren Antrag gefunden haben.
        Jetzt liegt der Ball im Feld des Bundesgesundheitsmi-
        isteriums, das nun aufgerufen ist, die Vorschläge zu
        rüfen und an Vereinfachungen, im nationalen wie auch
        m europäischen Kontext, mitzuwirken. Neben Vereinfa-
        hungen in der Bürokratie, etwa bei Melde- und Doku-
        entationspflichten (ich will die Details jetzt nicht nen-
        en, sie sind dem Antrag zu entnehmen) müssen wir
        emeinsam daran arbeiten, Deutschland als Standort der
        linischen Forschung besser aufzustellen.
        Ärzte, die sich der klinischen Forschung widmen, ha-
        en heute mehrere Nachteile gegenüber ihren Kollegen
        n der Patientenversorgung. Klinische Forscher verdie-
        en in der Regel weniger. Gerade der neue Tarifvertrag
        at diese Situation verschärft; leider ist dieser Aspekt in
        en Tarifverhandlungen von Ärzteseite nicht themati-
        iert worden, sondern kam erst nachträglich auf den
        isch. Zudem fehlt es an einer systematischen Ausbil-
        ung zum forschenden Mediziner, wie sie im Ausland
        blich ist. Auch gibt es zu wenige Karriereanreize für
        orschende Mediziner. Das Interesse an einer For-
        chungskarriere muss schon im Medizinstudium gelegt
        erden. Hier sind nicht nur der Bund, sondern auch die
        undesländer, die Ärztekammern und die Universitäten
        it guten Ideen gefragt.
        Mehr Anerkennung für die klinische Forschung muss
        ich aber auch bei den Kostenträgern durchsetzen. Da
        ichtkommerzielle klinische Studien essenziell für eine
        ochwertige Behandlung sind, müssen auch die Kosten-
        räger an ihrer Finanzierung beteiligt werden.
        15032 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
        (A) )
        (B) )
        Das Bundesforschungsministerium fördert bereits ge-
        meinsam mit der DFG klinische Studien mit 20 Millio-
        nen Euro jährlich. Zusätzlich werden vom BMBF
        „Langzeitstudien in der Gesundheitsforschung“ geför-
        dert, die nichtkommerzielle klinische Studien mit einem
        langen Untersuchungszeitraum unterstützen.
        Aber der wissenschaftliche Fortschritt der Medizin
        lässt sich nicht allein aus Forschungsgeldern bestreiten.
        Auch die Kassen haben die Pflicht zur Qualitätssiche-
        rung. § 135 a SGB V verpflichtet die Leistungserbringer
        zur „Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der
        von ihnen erbrachten Leistung“. Dies ist ohne Forschung
        nur schwer zu erreichen. Die „Task Force Pharma zur
        Verbesserung der Standortbedingungen und der Innova-
        tionsmöglichkeiten der pharmazeutischen Industrie in
        Deutschland“ unter Vorsitz des Bundesgesundheitsmi-
        nisteriums hat bereits 2005 empfohlen, eine Beteiligung
        der Kostenträger im Gesundheitswesen an der Finanzie-
        rung der versorgungsorientierten Forschung zu errei-
        chen.
        Die Kassen erklären ihr fehlendes Engagement oft
        mit einer unklaren Rechtslage. Das Bundesgesundheits-
        ministerium sollte hier endlich Klarheit schaffen, dass
        sich aus den Regelungen von SGB V kein generelles
        Forschungsverbot für die Kostenträger im Gesundheits-
        wesen ableiten lässt. Vielmehr ist Forschung, die der
        Verbesserung der Versorgung dient, ausdrücklich im
        Sinne der Krankenkassen und eines effizienten Mittel-
        einsatzes der gesetzlichen Krankenversicherung.
        Nur wer kurzsichtig ist, verliert über den Kosten der
        Forschung deren Nutzen aus dem Blick. Wer den Weit-
        blick behält, der weiß, dass Therapieoptimierung häufig
        sogar beim Sparen hilft.
        In diesem Sinne: Streifen wir der klinischen For-
        schung in Deutschland endlich ihre Fesseln ab! Es steckt
        viel Potenzial in ihr – wir müssen es nur freisetzen.
        Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU): Im Grundsatz-
        programm der Union, das wir im Dezember vergange-
        nen Jahres in Hannover beschlossen haben, bringen wir
        unsere positive Einstellung und Wertschätzung von Wis-
        senschaft und Forschung zum Ausdruck. Eine unserer
        Kernaussagen lautet dort:
        Wissenschaft und Forschung entscheiden über den
        materiellen und immateriellen Wohlstand einer Ge-
        sellschaft und tragen zur Bewältigung der großen
        Herausforderungen der wachsenden Weltbevölke-
        rung bei.
        Ausdrücklich nennen wir als eines unserer Ziele: Wir
        werden Forschung in Deutschland von bürokratischen
        Fesseln befreien.
        Der heute zur Debatte und Abstimmung stehende An-
        trag zur Förderung der nichtkommerziellen klinischen
        Studien in Deutschland weist eindeutig in diese Rich-
        tung. Die medizinische Forschung und der daraus resul-
        tierende medizinische Fortschritt gehören zu den we-
        sentlichen Grundlagen unseres Lebens, dafür dass sich
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        nsere Chancen, ein hohes Alter bei guter Gesundheit zu
        rreichen, enorm verbessert haben. Auf kaum einem an-
        eren Fachgebiet profitieren die Menschen so unmittel-
        ar vom Fortschritt, von neuen Entdeckungen und Ent-
        icklungen wie in der Medizin.
        Forschung und Innovationen aus Deutschland sind
        eltweit anerkannt. Dies gilt gerade auch für den Be-
        eich der Medizin und des Gesundheitswesens. Die hier
        usammengetragenen Forderungen und Anregungen ge-
        en uns in der Gesundheitspolitik einen ambitionierten
        eitfaden zur Steigerung der Effektivität in der klini-
        chen Forschung an die Hand. Wenn wir unsere interna-
        ionale Spitzenposition in der Medizin halten wollen,
        üssen wir unsere Ressourcen besser nutzen. Wir kön-
        en uns unnötigen Ballast in der Dokumentation, dop-
        elte Überprüfungen und weitere organisatorische und
        ürokratische Hemmnisse nicht mehr leisten.
        Gerade der therapieoptimierende Ansatz dieser Stu-
        ien ist von erheblichem Nutzen für die betroffenen
        atienten und führt nicht zuletzt auch zu niedrigeren
        osten. Hier ist die durch das WSG ermöglichte Finan-
        ierung – zumindest die Kofinanzierung – durch Kosten-
        bernahme der Arzneikosten durch die gesetzliche Kran-
        enversicherung ein Schritt in die richtige Richtung.
        benso ist es erforderlich, dass die Versorgungskosten
        er Patientinnen und Patienten im abrechenbaren und er-
        tattungsfähigen Bereich von den Krankenkassen über-
        ommen werden und nur der studienbedingte Mehrauf-
        and von der die Studie tragenden Einrichtung zu tragen
        st.
        Darüber hinaus müssen eine weitere Beteiligung öf-
        entlicher Finanzmittel und eine Einbeziehung der Kos-
        enträger im Gesundheitswesen geprüft werden, die Frei-
        tellung und Ausbildung des wissenschaftlich-ärztlichen
        ersonals gefördert werden und der Austausch zwischen
        orschung und Wissenschaft und angewandter medizini-
        cher Tätigkeit unbürokratisch organisiert werden.
        Wir haben eine erfolgreiche Tradition in der medizini-
        chen Forschung. Wir wollen sie fortführen, um die me-
        izinische Versorgung, die Heilung von Krankheiten und
        ie Vorsorge zu sichern und zu verbessern. Es ist unsere
        ufgabe, das heißt die Aufgabe der Politik, dafür zu sor-
        en, dass unsere Wissenschaftler gute Arbeitsbedingun-
        en vorfinden und beste Voraussetzungen dafür haben,
        pitzenergebnisse zu erzielen.
        Für uns ist nicht nur ganz klar, dass wir unnötige bü-
        okratische Hürden abbauen und zugleich auch alle sinn-
        ollen Maßnahmen ergreifen, um die Bedingungen für
        ie nichtkommerzielle klinische Forschung zu verbes-
        ern. Wir können auch davon ausgehen, dass das Ge-
        undheitswesen im Zuge der demografischen Entwick-
        ung bei uns wie in anderen europäischen und
        ußereuropäischen Ländern expandiert. Der medizini-
        che Fortschritt führt dazu, dass der Gesundheitsbereich
        ich zu einem der weltweiten Wachstumsmärkte entwi-
        kelt.
        Dies müssen wir von politischer Seite unterstützen,
        icht nur durch die Bereitstellung ausreichender finan-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15033
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        zieller Mittel, sondern ebenso durch schlanke, transpa-
        rente organisatorische Rahmenbedingungen. Wir müssen
        endlich die Scheu überwinden, den Gesundheitsbereich
        allein unter sozialen, sondern auch unter wirtschaftli-
        chen Aspekten zu betrachten. Wir müssen das öffentli-
        che Bewusstsein dafür stärken, dass soziale und wirt-
        schaftliche Interessen keineswegs Gegensätze sind.
        René Röspel (SPD): Klinische Studien sind ein
        existenzieller Bestandteil der modernen Gesundheitsfor-
        schung. Sie tragen maßgeblich dazu bei, dass unser Wis-
        sen über die Entstehung und den Verlauf von Krankhei-
        ten wächst. Erst die Überprüfung von therapeutischen
        sowie diagnostischen Verfahren in einem kontrollierten
        Umfeld schafft die Voraussetzungen für eine fundierte
        Bewertung etwa von Arzneimitteln.
        Grundsätzliches Ziel des von den Koalitionsfraktio-
        nen der SPD und der CDU/CSU eingebrachten Antrages
        ist es, Studien aus dem wissenschaftsinternen Bereich zu
        fördern, die nicht etwa im Rahmen einer Arzneimittelzu-
        lassungsprüfung durchgeführt werden sollen, jedoch
        neue Erkenntnisse generieren könnten. So kann hier
        durch staatliche Finanzierungshilfen Wissen entstehen,
        welches allein durch die Aktivitäten der Pharmaindustrie
        nicht entstehen würde.
        Der Bereich der nichtkommerziellen klinischen Stu-
        dien ist ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit einer
        staatlichen Grundlagenforschung. Es gibt nun einmal be-
        stimmte Forschungsfelder, die durch Unternehmen nicht
        bearbeitet werden, da hier keine Gewinne erwartet wer-
        den. Diese Bereiche werden dann auch noch zu selten
        etwa an Universitäten beforscht, da etwa die Kosten zu
        hoch sind. Hier muss der Bundestag Hilfe bereitstellen,
        damit mehr nichtkommerzielle klinische Studien in
        Deutschland durchgeführt werden können.
        Zwar werden schon seit Jahren nichtkommerzielle
        klinische Studien durchgeführt. Durch Verbesserungen
        im Zuge der 12. und 14. AMG-Novelle haben wir bereits
        vor einiger Zeit die Anforderungen an Sicherheit und
        Qualität dieser Studien angepasst.
        Im Rahmen des Antrages wurde versucht, den immer
        sehr schwierigen Ausgleich zwischen der Vermeidung
        von überflüssiger Bürokratie und notwendigem Proban-
        denschutz zu schaffen. Grundsätzlich gilt, dass der
        Schutz der Probanden aus Sicht unserer Fraktion immer
        Vorrang haben muss. Wir haben daher in unseren Antrag
        die Forderung nach der Etablierung eines standardisier-
        ten, vereinfachten Meldesystems für Nebenwirkungen
        aufgenommen.
        Als Forschungspolitiker interessieren mich selbstver-
        ständlich insbesondere die forschungs- und wissen-
        schaftspolitischen Aspekte von nichtkommerziellen kli-
        nischen Studien.
        An erster Stelle denke ich hierbei an das nächste Ge-
        sundheitsforschungsprogramm der Bundesregierung.
        Diesbezüglich fordert unser Antrag, dass man die krank-
        heits- und patientenorientierte Forschung weiter stärken
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        uss. Auch sollen Förderinstrumente entwickelt wer-
        en, um eine Anschubfinanzierung für nichtkommer-
        ielle klinische Studien bereitzustellen. Ich bin mir sicher,
        ass die zuständigen Bundesministerien unsere Anre-
        ungen aufnehmen werden und bei der Ausgestaltung
        es Programms diese Forderungen entsprechend in die
        rojektgestaltung einfließen lassen werden.
        Auch sage ich ganz klar, dass wir die Ausbildung von
        edizinischem Personal verbessern müssen, damit jene
        eichter Studien durchführen können. Hierzu zählt auch
        ie Möglichkeit, Personal für die Durchführung von kli-
        ischen Studien freizustellen. Denkbar wäre auch, dass
        an Erfahrungen in der Durchführung von klinischen
        tudien positiv bei der Bewertung zum Beispiel von Be-
        erberinnen und Bewerbern etwa bei Stellenausschrei-
        ungen berücksichtigen könnte. Oder aber man bindet
        ewisse finanzielle Anreize an Erfahrungen mit klini-
        chen Studien. Hier sind selbstverständlich nicht in ers-
        er Linie die Politik, sondern die Arbeitgeber gefordert.
        Wir wollen, dass die Ausbildung für klinische For-
        cher und für das beteiligte Personal ausgebaut und qua-
        itativ verbessert wird. Die Investitionen, die man hier
        ätigt, werden unserer Gesellschaft und hier insbeson-
        ere den Patientinnen und Patienten auf viele Jahre hi-
        aus zugutekommen. Langfristig könnte es sogar sein,
        ass die Verbesserung der klinischen Forschung zur
        angfristigen Finanzierbarkeit unseres Gesundheitswe-
        ens beitragen wird.
        Damit überhaupt nichtkommerzielle klinische Studien
        urchgeführt werden, muss es natürlich finanzielle An-
        eize geben. Hierzu zählt auch, dass man die gesetzli-
        hen – aber auch die privaten – Krankenkassen darauf
        inweist, dass sie durch die Ergebnisse nichtkommer-
        ieller klinischer Studien Vorteile haben. Neben der ver-
        esserten Versorgung ihrer Versicherten sind hier auch
        ragen der Versorgungseffizienz sowie der Qualität der
        ersorgung relevant. Alle Krankenkassen sollten sich
        aher fragen lassen, ob sie nicht – in welcher konkreten
        orm auch immer – einen Beitrag zur Verbesserung der
        linischen Forschung leisten können.
        Neben den finanziellen Anreizen gibt es auch diverse
        öglichkeiten, um auf organisatorischer Ebene die
        urchführung von nichtkommerziellen klinischen Stu-
        ien zu erleichtern. Diesbezüglich ist es notwendig, dass
        n Deutschland ein nationales Register aufgebaut wird,
        n dem alle national durchgeführten klinischen Studien
        inheitlich registriert werden. Wir brauchen eine größere
        ransparenz über laufende, abgebrochene und abge-
        chlossene Studien. Ich freue mich sehr darüber, dass das
        undesministerium für Bildung und Forschung im Sep-
        ember 2007 angekündigt hat, mit insgesamt 2,2 Millio-
        en Euro über zunächst vier Jahre den Aufbau eines natio-
        alen Registers an der Universität Freiburg zu fördern.
        Register sind selbstverständlich insbesondere dann
        ehr nützlich, wenn der Zugang zu ihnen nicht durch un-
        ötige Bürokratie behindert wird. Daher fordern wir in
        nserem Antrag, dass der öffentliche Zugang zu nationa-
        15034 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
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        len und europäischen Registern für klinische Studien er-
        leichtert wird.
        Wir haben erkannt, dass wir die Rahmenbedingungen
        insbesondere für nichtkommerzielle klinische Studien
        weiter verbessern müssen. Wir wollen mir unserem An-
        trag einen Beitrag zu diesem Prozess leisten. Das Bun-
        desministerium und auch die Deutsche Forschungsge-
        meinschaft leisten hier schon seit Jahren einen wichtigen
        Beitrag. Wir als Parlament werden unseren Teil dazu
        beitragen, die Rahmenbedingungen für die Gesundheits-
        forschung in Deutschland konsequent weiterzuentwi-
        ckeln und zu verbessern.
        In diesem Zusammenhang freue ich mich sehr da-
        rüber, dass die FDP im federführenden Ausschuss für
        Bildung und Forschung unseren Antrag mit unterstützt
        hat und sich die Vertreter der Linken und der Grünen bei
        der Abstimmung lediglich enthalten haben. Dies zeigt:
        Auch die Oppositionsfraktionen erkennen unser Bemü-
        hen an, die Durchführung nichtkommerzieller klinischer
        Studien in Deutschland zu erleichtern.
        Dr. Marlies Volkmer (SPD): Nichtkommerzielle kli-
        nische Studien sind Studien, die nicht von der pharma-
        zeutischen Industrie initiiert werden, sondern von Uni-
        versitätskliniken oder sonstigen Krankenhäusern und
        Versorgungseinrichtungen. Die nichtkommerzielle For-
        schung ist in besonderem Maße Grundlage für eine qua-
        litätsgesicherte medizinische Versorgung: Es werden un-
        ter anderem etablierte diagnostische und therapeutische
        Methoden auf ihre Wirksamkeit, Nebenwirkungen und
        Leistungsfähigkeit überprüft. Im Rahmen von klinischen
        Prüfungen wird zum Beispiel auch bei seltenen Erkran-
        kungen untersucht, ob eine Arzneimitteltherapie wirk-
        sam ist, außerhalb der Indikation, für die der Hersteller
        die Zulassung beantragt und erhalten hat. Der größte Teil
        dieser Studien wird über Drittmittel und öffentliche Gel-
        der finanziert. Es ist richtig, dass wir als Gesetzgeber uns
        mit den Rahmenbedingungen für diese Studien beschäf-
        tigen.
        Der Antrag enthält sehr viele Maßnahmen, die ich lei-
        der aufgrund der begrenzten Zeit nicht alle einzeln wür-
        digen kann. Ich werde mich nur auf zwei zentrale Punkte
        beschränken.
        Ein Punkt ist die Aufforderung, ein nationales Regis-
        ter zu etablieren, in dem alle durchgeführten Studien zu
        Beginn einheitlich registriert werden. Die Gründe für ab-
        gebrochene Studien und die Ergebnisse abgeschlossener
        Studien sind zu erheben, Das Bundesforschungsministe-
        rium unterstützt bereits den Aufbau eines Registers an
        der Universität Freiburg, den es selbstverständlich weiter
        zu befördern gilt. Der Schwerpunkt der Formulierung im
        Antrag liegt allerdings auf dem Wörtchen „alle“: Alle
        Studien sollen dort registriert werden. Die Gewähr aber,
        dass wirklich jede Studie registriert wird, hat man nur,
        wenn es eine gesetzliche Pflicht dazu gibt. Keine Ethik-
        kommission wird ihr Votum von der Registrierung der
        Studie abhängig machen, wenn es vom Gesetz nicht ver-
        langt wird.
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        Es ist richtig, dass es für den Bereich der Nichtarznei-
        ittelstudien keine Rechtsgrundlage gibt, auf der man
        ine bundesweite Lösung aufbauen könnte. Das sollte
        ns aber nicht davon abhalten, da eine Pflicht einzufüh-
        en, wo wir Bundesgesetze erlassen können, nämlich im
        rzneimittelbereich. Ich denke auch nicht, dass dadurch
        ie Registrierung der Nichtarzneimittelstudien leiden
        ürde. Im Gegenteil könnte eine gesetzliche Regelung
        m einen Bereich für den anderen Bereich einen Stan-
        ard setzen.
        Letztlich kann es nicht sein, dass wir große Summen
        ufbringen für die Einrichtung eines Registers, wenn
        icht sichergestellt ist, dass es auch vollständig ist. Un-
        ollständige Register nützen nur sehr bedingt. Unter an-
        erem kann ein solches Register keine sicheren Angaben
        arüber machen, ob eine Prüfung an einem anderen Ort
        ereits durchgeführt wurde. Überflüssige Forschung am
        enschen ist unethisch und muss vermieden werden.
        Wir wollen auch, dass der öffentliche Zugang zu na-
        ionalen und europäischen Registern für klinische Stu-
        ien erleichtert wird und bürokratische Hemmnisse ab-
        ebaut werden. Ärzte und Patienten sollen das Recht
        aben, sich über klinische Studien zu informieren.
        Der zweite Punkt, auf den ich näher eingehen möchte,
        st die Aufforderung, Daten aus Studien mit Krebspa-
        ienten in die entsprechenden klinischen Krebsregister
        ufzunehmen. Klinische Krebsregister zielen darauf ab,
        ie Behandlung von Tumorerkrankungen zu verbessern.
        amit klinische Register wirklich gute Ergebnisse lie-
        ern können, müssen die Erkrankungen der jeweiligen
        herapieeinrichtung vollzählig erfasst werden.
        Es gäbe noch vieles anzumerken. Nur so viel: Unbe-
        ührt von unserem Antrag bleibt die Verpflichtung nicht-
        ommerzieller Sponsoren, hochqualitative Studien vor-
        ulegen: hinsichtlich der Studiendesigns und der
        atientensicherheit, aber auch hinsichtlich der vorzule-
        enden Unterlagen. Wenn dies gegeben ist und die For-
        erungen unseres Antrags umgesetzt wurden, kann
        eutschland sich als Standort für international wettbe-
        erbsfähige klinische Forschungsvorhaben weiterent-
        ickeln. Das ist wichtig für eine qualitätsgesicherte me-
        izinische Versorgung der Bevölkerung.
        Cornelia Pieper (FDP): In dem Antrag der Koali-
        ion – den meine Fraktion im Übrigen unterstützt –
        rängt die Bundesregierung darauf, den bereits unter
        chwarz-Gelb begonnenen Weg der Förderung der
        ichtkommerziellen klinischen Studien konsequent fort-
        usetzen.
        Das Bundesministerium für Bildung und Forschung,
        MBF, und die Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG,
        auen seit Jahren ihre Förderprogramme für klinische
        tudien aus. Das allein reicht aber nicht. Es müssen auch
        ie Rahmenbedingungen stimmen. Klinische Studien
        ind – und da sind wir uns alle einig – unverzichtbar, um
        orschungsergebnisse für die Weiterentwicklung von
        rävention, Diagnose und Therapie in die Anwendung
        berführen zu können. Erst wenn gesicherte Erkennt-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15035
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        nisse vorliegen, kann ihr Einsatz beim Patienten verant-
        wortet werden. Mithilfe der bisherigen und künftiger
        Förderprogramme werden sogenannte wissenschaftsini-
        tiierte, nichtkommerzielle klinische Studien finanziert.
        Es wird die Durchführung wissenschaftlich hochrangi-
        ger, multizentrischer Studien unterstützt, durch die das
        Know-how an deutschen Universitätskliniken für die
        Planung und Durchführung klinischer Studien auf inter-
        nationales Niveau gehoben und breit etabliert werden.
        Doch leider werden auf der anderen Seite erhebliche
        Hürden errichtet.
        Der uns vorliegende Antrag zeigt sehr anschaulich,
        wo wir heute stehen und welche Hemmnisse für nicht-
        kommerzielle klinische Studien bestehen, die häufig der
        Therapieoptimierung bzw. dem Therapievergleich die-
        nen. Ja, es existieren in Deutschland erhebliche bürokra-
        tische und finanzielle Hürden für die Wissenschaft. Für
        nichtkommerzielle klinische Studien ist es nicht einfach,
        all die Anforderungen zu erfüllen. Ich spreche hier be-
        wusst die 12. und 14. Novelle des Arzneimittelgesetzes
        an, durch die die Rahmenbedingungen auch für diese Art
        von Studien noch einmal verschärft worden sind. Wir
        müssen gemeinsam daran arbeiten, die Bedingungen für
        die klinischen Studien zu erleichtern, ohne die Qualität
        der Durchführung zu beeinträchtigen. Das heißt, wir
        müssen den bürokratischen Aufwand in vertretbaren
        Grenzen halten und zum Beispiel Fristen im Rahmen der
        Beantragungen und Registrierungen so gestalten, dass
        sie auch eine Klinik erfüllen kann, die nicht jeden Tag
        solche Studien durchführt. Wir müssen uns darum küm-
        mern, dass der Versicherungsschutz nicht zu einem un-
        überwindbaren Hindernis wird. Und wir müssen dafür
        sorgen, dass die Forschung in Form der klinischen Stu-
        dien gefördert wird.
        Der Antrag ist ein erster Ansatz auf dem Weg, den
        Standort Deutschland für die klinische Forschung wei-
        terzuentwickeln.
        Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Der Antrag soll die
        nichtkommerzielle Forschung in Deutschland stärken,
        die von der Wissenschaft selbst initiiert wird. Diese Ar-
        beiten dienen vor allem der Qualitätssteigerung der Pa-
        tientenversorgung und der Qualifizierung des gesamten
        Gesundheitssystems. Diese grundsätzlichen Ziele des
        Antrags teilt die Linke. Leider jedoch bleiben viele Vor-
        schläge halbherzig und damit hinter den Erwartungen
        zurück. Fragen der Kostenerstattungen, Strukturverände-
        rungen und präziser Verantwortungsübernahme werden
        nicht konsequent und konkret abgearbeitet.
        Alle Beteiligten wissen, dass die Einführung von Fall-
        pauschalen im stationären Bereich des Gesundheitswe-
        sens und geringere Zuführungen für Forschung und
        Lehre aus Länderhaushalten den Universitätsklinika die
        Finanzierung nichtkommerzieller klinischer Studien er-
        heblich erschwert haben.
        Einnahmeverluste ergeben sich auch infolge von
        Hochschulstrukturreformen. Universitätsklinika mit ih-
        ren spezifischen Aufgabenstellungen – von der Kranken-
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        ersorgung über Forschung bis hin zur Lehre – sind in
        inen für sie unfairen Wettbewerb gestoßen worden. Die
        assen dürfen nicht, Bund und Länder wollen die Kos-
        en nicht tragen. An dieses Grundproblem geht der An-
        rag gar nicht heran. Rechtsformänderungen und die
        usgliederung bzw. Privatisierung profitabler Bereiche
        omplizieren die Finanzsituation zusätzlich. Die vom
        undesministerium ausgelobten 20 Millionen Euro für
        ichtkommerzielle Studien sind daher der berühmte
        ropfen auf den heißen Stein. Denn was nützt es, die Re-
        genzien zu bezahlen, wenn mittlerweile ganze For-
        chungslabore geschlossen werden müssen? Es kann
        lso nicht wundern, wenn im europäischen Vergleich
        eutschland nur wenige nichtkommerzielle Studien vor-
        eisen kann.
        Nur was sich rechnet, darf an den Universitäten noch
        eforscht werden. Längst gilt das Primat der Drittmittel-
        inwerbung als Maßstab forschender Größe. Unter die-
        em Diktat kann eine freie Forschung nicht mehr statt-
        inden. Nicht die vermeintliche Überbürokratisierung,
        ondern die Kommerzialisierung der klinischen For-
        chung ist das Haupthindernis für eine stärker pharma-
        nabhängige Forschung.
        Schon jetzt ist die Verengung der Forschung und der
        ördermittel auf lukrative Bereiche der Medizintechnik
        der Blockbuster verordnungsstarker, aber zweifelhafter
        nnovationen enorm. Klinische Forschung aber muss
        reit angelegt sein, im Interesse der Gesundheit aller und
        ines guten Gesundheitssystems. Dass wir einen Mangel
        n industrieunabhängiger Expertise haben, dass Dritt-
        ittel aus der Wirtschaft massiven Einfluss auf die klini-
        che Forschung nehmen, zeigt aktuell die Klage des
        hefs der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Andreas
        öhler. Er moniert, dass Forscher auf Druck der
        harmabranche ihre Zusagen, Studien für das IQWiG zu
        rarbeiten, zurückgezogen haben. Kaum noch ein For-
        cher steht nicht auf Gehaltslisten der Unternehmen.
        Die Linke will der Gefahr entgegenwirken, dass ins-
        esondere die Pharmaindustrie bereits auf die Ausrich-
        ung der Grundlagenforschung Einfluss nehmen kann.
        ir fordern eine Umschichtung der Forschungsmittel
        us der Pharma-Initiative, für die die Bundesregierung in
        en nächsten Jahren insgesamt 800 Millionen Euro für
        ie Subventionierung bereits renditestarker Pharmafir-
        en aufwenden will. Damit sollten zum Beispiel ent-
        prechende Programme des Bundes und der Deutschen
        orschungsgemeinschaft für nichtkommerzielle For-
        chung aufgestockt werden.
        Das gesamte Finanzierungssystem von Krankenver-
        orgung und Wissenschaft muss dem Mehraufwand von
        niversitätsklinika Rechnung tragen. Diese haben näm-
        ich den Auftrag, neben Maximalversorgung und Hoch-
        eistungsmedizin Forschung und Lehre zu sichern. Auch
        us unserer Sicht erscheint es allemal sinnvoll, zu über-
        rüfen, ob und wie weitere Kostenträger in die Finanzie-
        ung einzubinden sind. Denkbar wäre in der Tat ein
        onds, der sich anteilig an den Werbeausgaben von
        harmafirmen bemisst. Immerhin beträgt der Anteil von
        arketingausgaben am Gesamtumsatz von Pharmakon-
        15036 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
        (A) )
        (B) )
        zernen durchschnittlich circa 40 Prozent, während For-
        schungsausgaben bei 10 Prozent liegen. Weitere Einzah-
        ler könnten gesetzliche Krankenversicherungen und der
        Staat sein. Vor diesem Hintergrund würden dann Forde-
        rungen dieses Antrages nach mehr Ausbildung und Frei-
        stellung von Personal für Forschungen und Mitarbeit in
        Ethikkommissionen realistisch zu diskutieren sein.
        Der Antrag befürwortet Kassenerstattungen für inner-
        halb einer Studie eingesetzte Arzneimittel. Die Gefahr
        besteht, dass auf die Versicherten damit immense Kosten
        zukommen und lediglich die Industrie einen echten Nut-
        zen daraus ziehen kann.
        Ebenso wenig macht der Antrag Vorschläge, wie und
        durch wen Kosten im ambulanten Bereich zu schultern
        sind.
        Letztlich sind Genehmigungsverfahren, wie gefor-
        dert, ständig zu überprüfen und, wo sinnvoll, auch zu
        vereinfachen. Zuerst aber sollten keine Gebühren für
        nichtkommerzielle Studien erhoben werden. Dafür
        müssten Ressourcen von Behörden aufgestockt und
        nicht etwa Normen aufgeweicht werden. Das würde der
        Akzeptanz nichtkommerzieller Studien schaden, weil
        sich damit ihre bisher geschätzte wissenschaftliche Qua-
        lität infrage stellen würde. Genau diese gilt es jedoch zu
        sichern.
        Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        NEN): Wir sprechen heute über einen Antrag der Regie-
        rungsfraktionen, der ein wichtiges Thema behandelt,
        aber leider keinen echten Fortschritt bringt. Auch wenn
        der Antrag im Titel behauptet, es gehe um alle Arten von
        nichtkommerziellen klinischen Studien, so greift er doch
        ausschließlich die Arzneimittelforschung auf. Gerade
        dies ist der Bereich der klinischen Forschung, wo Rege-
        lungen im Interesse des Probandenschutzes existieren.
        Viel relevanter wäre es, sich dem fehlenden Probanden-
        schutz in der Nichtarzneimittelforschung zu widmen.
        Doch nun zum Gegenstand des Koalitionsantrages.
        Die Regelung nicht kommerzieller klinischer Arzneimit-
        telstudien liegt an der Schnittstelle der Bereiche For-
        schung und Gesundheit. Zentrale Regelungen finden
        sich im auf EU-Richtlinien basierenden Arzneimittelge-
        setz samt zugehöriger Verordnungen. Bei der 12. Arznei-
        mittelgesetznovelle unter Rot-Grün wurden umfassende
        Neuerungen für Arzneimittelstudien verabschiedet. Da-
        bei wurde ausführlich über nichtkommerzielle Therapie-
        optimierungsstudien diskutiert und der maximale Spiel-
        raum innerhalb der EU-Richtlinie ausgelotet. Die
        gefundenen Regelungen waren ein Kompromiss zwi-
        schen den Bedürfnissen der Forschenden und den Inte-
        ressen der Probandinnen und Probanden. Als positiver
        Nebeneffekt wurde von verschiedener Seite angebracht,
        dass durch die neuen Regelungen auch wissenschaftlich
        eher fragwürdigen Studien ein Riegel vorgeschoben
        würde. Das ist ein Wert an sich, weil er Probandinnen
        und Probanden geschont hat und durch ein höheres Be-
        gründungsniveau auch das Forschungsniveau angehoben
        hat. Ein Grundproblem dieses Antrags und seiner Forde-
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        ung nach Erleichterungen für nichtkommerzielle Arz-
        eimittelstudien ist, dass er keinen Lösungsvorschlag für
        as zentrale Problem bietet: die notwendige eindeutige
        nd klare Abgrenzung zwischen kommerziellen und
        ichtkommerziellen Studien.
        Nun noch zwei konkrete Beispiele aus dem Antrag:
        lle, die sich mit klinischen Studien befassen, wissen,
        ass der Aspekt der Versicherung der Probandinnen und
        robanden ein neuralgischer ist. Die Union erkennt das
        usdrücklich an, die SPD nennt in der Ausschussbera-
        ung sogar einen Lösungsvorschlag. Aber wie üblich
        ann sich die Koalition nicht einigen, und so bleibt es
        uch in dem Bereich, in dem die Regelungskompetenz
        es Bundes eindeutig ist, bei einer vagen Absichtserklä-
        ung. Sie fordern, „die Einrichtung einer Arbeitsgruppe
        it der Versicherungswirtschaft und der Wissenschaft zu
        rüfen, um einen Katalog von Risikoklassen der Proban-
        enversicherung zu erstellen, nach dem zukünftige Versi-
        herungsbeiträge abgestuft entrichtet werden könnten.“
        s geht also darum, dass erst einmal geprüft wird, ob sich
        ie Beteiligten zusammensetzen können – ehrlicherweise
        st vielleicht eher zu prüfen, ob die das wollen –, um dann
        ber Risikokriterien zu reden, nach denen Versicherungs-
        eiträge ausgestaltet werden können. Statt der Bundesre-
        ierung klare Arbeitsaufträge zu erteilen, schiebt die Ko-
        lition den Ball den beiden Parteien zu, die diametral
        nterschiedliche Interessen haben. Sieht so politische
        estaltung aus? Da hilft kein weiterer Stuhlkreis des Mi-
        isteriums mit der Wirtschaft, da müssen mit Fachleuten
        riterien entwickelt werden, und dann muss politisch
        ntschieden werden. Und genau hier, bei der Versiche-
        ungsfrage, kann sich die Bundesregierung nicht hinter
        er Kompetenzfrage verstecken: Das Versicherungsrecht
        st Bundesrecht. Hier muss nachgelegt werden. Denn an
        inen Placeboeffekt, dass die Versicherungswirtschaft
        ich allein aufgrund einer Arbeitsgruppe bewegen wird,
        laubt die Koalition doch selbst nicht!
        Mein zweites Beispiel für die Hasenfüßigkeit des An-
        rags ist die wachsweiche Forderung zum Register. Wir
        ind uns doch einig, dass abgestimmte und auf dem
        euesten Stand basierende Forschung nur dann möglich
        st, wenn es ein, möglichst in internationale Strukturen
        ingebundenes, nationales Register über alle in Deutsch-
        and durchgeführten klinischen Studien gibt. Nur dann
        issen die Forschenden, was die Fragestellungen und
        rgebnisse, aber eben auch die Nebenwirkungen sowohl
        er laufenden als auch der abgeschlossenen und abge-
        rochenen Studien sind. Aber statt entsprechende gesetz-
        iche Regelungen vorzuschlagen, äußern Sie demütig
        ine Bitte an die Bundesregierung. Wer ist hier eigent-
        ich der Gesetzgeber? Ich dachte, es sei die Koalition
        nd sie habe auch Einfluss auf das Regierungshandeln –
        ber dieser Antrag lässt nur den Schluss zu, dass dies
        icht der Fall ist. Unser Fazit: Wir lehnen den Antrag ab,
        eil sich der Antrag der Koalition darauf beschränkt, die
        undesregierung sehr abstrakt zum Handeln aufzufor-
        ern. Der Antrag hat den Charakter eines reinen „Tätig-
        eitsnachweises“ gegenüber den Forscherinnen und For-
        chern. Wirklich weiterbringende Ergebnisse sind nicht
        u erwarten.
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15037
        (A) )
        (B) )
        Anlage 5
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung:
        – Beschlussempfehlung und Bericht: Für eine
        Initiative der Bundesregierung mit dem Ziel
        einer humanitären, kohärenten und nachhal-
        tigen Ausrichtung der europäischen Flücht-
        lingspolitik
        – Antrag: Die deutsche Ratspräsidentschaft
        für eine grundlegende Wende der europäi-
        schen Migrations- und Flüchtlingspolitik
        nutzen
        (Tagesordnungspunkt 14)
        Reinhard Grindel (CDU/CSU): Die Anträge der
        Grünen und der Linken beziehen sich auf Erwartungen
        zur europäischen Flüchtlingspolitik im Rahmen der
        deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die ersichtlich be-
        reits längere Zeit hinter uns liegt. Deswegen kann ich bei
        dieser Gelegenheit festhalten: Die deutsche EU-Ratsprä-
        sidentschaft war, insbesondere was die Fragen der
        Flüchtlingspolitik und der inneren Sicherheit angeht,
        sehr erfolgreich, gerade weil wir die Anträge der Oppo-
        sition nicht berücksichtigt haben. Herzlichen Glück-
        wunsch an das Bundesinnenministerium.
        Wenn man die Anträge heute liest, stellt man fest, das
        auch andere EU-Staaten – übrigens unabhängig davon,
        ob dort Sozialisten oder Konservative regieren – gerade
        nicht die Politik betreiben, die Grüne und Linke für
        Deutschland fordern.
        Ob Spanien, Italien, Griechenland oder Malta, alle
        diese Länder haben – bei Beachtung der europäischen
        und internationalen Menschenrechts-Konventionen – die
        Grenzsicherung verstärkt. Sie haben begriffen, dass man
        keine falschen Pull-Effekte aussenden darf. Sie haben
        klar erkannt, dass eine Politik, die die Zuwanderung
        nicht steuert, am Ende nur Schleppern und Schleusern
        nutzt. Wir können das Flüchtlingselend in Afrika oder
        anderen Regionen der Welt nur vor Ort, aber nicht auf
        dem Boden der Europäischen Union lösen.
        Alle Länder haben eine konsequente Rückführungs-
        politik betrieben, wie wir das in Deutschland angesichts
        der großen Zuströme von Rumänen und Bulgaren Mitte
        der 90er-Jahre gemacht haben. Nur eine konsequente
        Rückführung kann vor Ort in Afrika oder Asien Schlep-
        pern oder Schleusern das Handwerk legen, weil es sich
        herumspricht, dass es keinen Sinn macht, zum Teil
        Zehntausende von Dollar auszugeben und dann in Le-
        bensgefahr im Mittelmeer oder vor den Kanarischen In-
        seln zu geraten oder nach kurzer Zeit bereits wieder in
        das Heimatland abgeschoben zu werden.
        Wir haben im Rahmen von FRONTEX solidarisch
        den Mittelmeeranrainern geholfen, illegale Migration zu
        unterbinden und die EU-Außengrenzen zu sichern, und
        wir haben auch den besonders belasteten Transitländern
        humanitäre Hilfe und organisatorische Unterstützung ge-
        währt. Ich will eines klar betonen: Gerade angesichts des
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        mmer größer werdenden Schengen-Raums gibt es zu ei-
        er lückenlosen und effizienten Grenzsicherung keine
        lternative.
        Diese Erkenntnis hat sich jetzt – man möchte sagen:
        ndlich – auch bei der Brüsseler EU-Kommission
        urchgesetzt. Die EU-Kommission hat jetzt ein Maß-
        ahmenpaket gegen die illegale Migration vorgelegt:
        in sogenanntes Entry-Exit-System, das nicht nur alle
        inreisenden, sondern erstmals auch ausreisende Besu-
        her an den Grenzübergängen registrieren soll. Damit
        erden wir insbesondere das Problem der Overstayer
        esser lösen können, also die Feststellung von Perso-
        en, die zwar ein reguläres Visum haben, sich jedoch
        änger als erlaubt im Schengen-Raum aufhalten und
        omöglich während ihres Aufenthalts auch andere
        eisezwecke verfolgen. Es sollen erstmals auch Fin-
        erabdrücke und Fotos von allen Visumantragstellern
        emacht werden. Damit können wir den Visummiss-
        rauch entschieden bekämpfen.
        Zweitens soll es für alle Besucher der EU eine elek-
        ronische Reisegenehmigung geben, auch wenn diese
        ein Visum benötigen. Dies spielt vor allem bei Ländern
        ie Spanien bei der illegalen Zuwanderung aus Latein-
        merika eine Rolle. Und drittens soll EUROSUR ein eu-
        opäisches Überwachungssystem etabliert werden, das
        lle nationalen Radarschirme, Infrarotkameras und Sa-
        ellitensysteme organisatorisch zusammenfügt, um eine
        ückenlose Überwachung der EU-Außengrenzen zu ge-
        ährleisten.
        Und wer jetzt davon redet, dass sich Europa weiter
        bschottet, dass es eine Festung Europa gibt, dem kann
        an nur entgegenhalten: Nein, in Wahrheit geht es da-
        um, mit der Verhinderung der illegalen Zuwanderung
        ben auch Tote unter den Bootsflüchtlingen im Mittel-
        eer zu verhindern. Wer nichts tut, der macht sich mit-
        chuldig daran, dass Schleusern und Schleppern nicht
        ndlich das Handwerk gelegt wird.
        Wir müssen die Steuerung der Zuwanderung in einen
        rößeren und aktuellen Zusammenhang stellen. Ich bin
        utiefst davon überzeugt, dass wir noch riesige Aufga-
        en bei der Integration der bereits in der EU lebenden
        usländer zu bewältigen haben. Man spürt das in diesen
        agen vor dem Hintergrund der Kontroversen aus An-
        ass des Besuchs des türkischen Ministerpräsidenten
        rdogan bei uns im Land. Man kann das in Frankreich
        rleben angesichts der massiven Integrationsprobleme in
        en Vorstädten.
        Und auch im derzeit laufenden spanischen Wahl-
        ampf ist die Frage der Steuerung der Zuwanderung ein
        entrales Thema, weil sich die Lage auf dem Arbeits-
        arkt in Spanien gerade bei niedrig qualifizierten Tätig-
        eiten gewaltig verändert hat und jetzt angesichts einer
        achsenden Konkurrenz zwischen einheimischen Ar-
        eitskräften und den legalisierten Zuwanderern Integra-
        ionsprobleme immer stärker aufbrechen.
        Wir haben als Union ganz bewusst gesagt: Unser
        and ist ein Integrationsland und kein Einwanderungs-
        and. Einwanderungsländer zeichnen sich dadurch aus,
        ass sie streng an den Interessen des Aufnahmelandes
        15038 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
        (A) )
        (B) )
        orientiert die Zuwanderung steuern. Das haben wir in
        Deutschland; das haben die Franzosen oder Spanier
        nicht getan. Wir haben eine unbegrenzte Zuwanderung
        mit massiven Integrationsproblemen als Folge daraus er-
        lebt. Ich kann nur dazu aufrufen: Lasst uns jetzt konse-
        quent die Integrationsprobleme in unserem Land und in
        Europa beseitigen, und lasst uns nicht durch weitere un-
        gesteuerte Zuwanderung den Integrationsprozess von
        vornherein gefährden.
        Wir halten auch nichts davon, jetzt in Europa eine
        umfassende Arbeitsmigration zu ermöglichen. Das muss
        jeder einzelne Mitgliedstaat im Lichte der spezifischen
        Situation des jeweiligen nationalen Arbeitsmarktes
        selbst entscheiden. Wir in Deutschland haben ausrei-
        chende gesetzliche Grundlagen, um vom Wissenschaft-
        ler über den qualifizierten Facharbeiter bis hin zur
        Pflegekraft oder dem Spargelstecher ausländische Ar-
        beitskräfte in unser Land zu holen, wenn der heimische
        Arbeitsmarkt die Besetzung der jeweiligen Stelle nicht
        ermöglicht. Wir müssen jetzt erst einmal abwarten, wie
        sich die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit zugunsten der
        zehn neuen Beitrittsländer auswirken wird, die wir 2009
        oder spätestens 2011 aufnehmen werden.
        Ich gehöre übrigens nicht zu jenen, die sagen: Ihr habt
        die Entwicklung in Deutschland verschlafen. Die wirk-
        lich guten Arbeitnehmer sind jetzt alle in Großbritannien
        oder in den Niederlanden. Allein wegen der räumlichen
        Nähe zu Polen oder Tschechien werden viele qualifi-
        zierte Arbeitnehmer auch aus anderen EU-Staaten nach
        Deutschland weiterwandern und hier nach Arbeit su-
        chen. Diesen Prozess gilt es erst einmal abzuwarten.
        Und im Verhältnis zu afrikanischen Staaten darf man
        auch das Problem des sogenannten Brain Drain nicht
        übersehen. Die Entwicklung vieler afrikanischer Staaten
        würde erheblich belastet, würden wir die besten Kräfte
        aus diesen Ländern nach Europa abziehen. Deshalb kann
        man allenfalls über eine zirkuläre Migration nachden-
        ken, bei der eine Rückkehr der ausländischen Arbeits-
        kräfte in ihre ursprünglichen Heimatländer auch mit ei-
        ner Verbesserung der wirtschaftlichen Lage vor Ort
        verbunden wird. Weil diese Menschen neben Devisen
        auch berufliche Qualifikationen mitbringen, die vor Ort
        für die Entwicklung dieser Länder förderlich sein kön-
        nen. Gleichzeitig könnte diese zirkuläre Migration in
        EU-Ländern, in denen die illegale Beschäftigung in ein-
        zelnen Wirtschaftszweigen ein großes Ausmaß hat, eine
        sinnvolle Alternative darstellen, die Zuwanderung auf
        den Arbeitsmarkt zu steuern.
        Eines muss aber völlig klar sein, und das gilt übrigens
        auch für die Blue-Card-Initiative von EU-Kommissar
        Frattini: Eine zirkuläre Migration ist nur in solchen Län-
        dern vertretbar, die über einen aufnahmefähigen Arbeits-
        markt verfügen. Und die Staaten in Afrika und Asien
        müssen sich im Rahmen von Partnerschaftsabkommen
        verpflichten, ihre Staatsangehörigen und möglicherweise
        auch Drittstaatler zurückzunehmen, sodass die Rückfüh-
        rung reibungsloser funktioniert als dies im Augenblick
        der Fall ist.
        Ein wenig fassungslos reagiert man dann auf die For-
        derung der Linken nach einem neuen Visakodex. Der
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        rundsatz „Reisefreiheit vor Sicherheit“ wird wieder
        us der Kiste geholt, als ob es einen Visa-Untersu-
        hungsausschuss nicht gegeben hätte. Ich bleibe dabei:
        ir müssen Menschenhandel und Zwangsprostitution
        onsequent bekämpfen und dürfen dem durch ein laxe
        isapolitik nicht Vorschub leisten.
        Ich will nochmals betonen: Die Grenzschutzbehörden
        er EU-Mitgliedstaaten wissen um ihre Verantwortung.
        ie retten in Seenot geratene Flüchtlinge und handeln
        em Völkerrecht entsprechend. Ermittlungen gegen ein-
        elne Seeleute haben ihren Grund nicht in einer unsiche-
        en Rechtsgrundlage, sondern in dem Versuch vieler EU-
        taaten, die Schleuserkriminalität entschieden zu be-
        ämpfen und deshalb allen Verdachtsmomenten ent-
        chieden nachzugehen.
        Im Übrigen ist nach wie vor der viel wichtigere Weg
        llegaler Migranten der Landweg. Hier muss – ich wie-
        erhole das – gerade nach der Schengen-Erweiterung
        on unseren Grenzschutz- und Polizeibehörden noch
        ehr getan werden, um illegale Zuwanderung zu unter-
        inden. Ich will in diesem Zusammenhang auf die mas-
        iv gewachsene Zahl von Asylbewerbern verweisen. Wir
        aben mehr als eine Verdoppelung der Zugangszahlen
        ei Asylsuchenden aus dem Irak. Dies birgt auch erheb-
        iche Gefahren für die innere Sicherheit.
        Wir brauchen eine europäische Flüchtlingspolitik mit
        ugenmaß. Wir brauchen eine Politik, die Integration
        rmöglicht und den Zusammenhalt in unserer Gesell-
        chaft nicht gefährdet. Wir brauchen deshalb eine konse-
        uente Steuerung der Zuwanderung, und dies schließt
        ie Sicherung unserer Außengrenzen in Europa ebenso
        in wie die unverzügliche Rückführung illegaler Mi-
        ranten.
        Rüdiger Veit (SPD): Der Schutz von Flüchtlingen ist
        ine wichtige europäische Aufgabe. Seitdem die EU vor
        unmehr bald zehn Jahren die Kompetenz erhalten hat,
        en Umgang mit Flüchtlingen gemeinsam zu gestalten,
        at sie einiges erreicht. Wir haben gemeinsame euro-
        äische Standards für das Verfahren, für die Frage, wer
        in Flüchtling ist und welche Rechte er hat, für die Auf-
        ahmebedingungen, und wir haben ein gemeinsames
        uständigkeitssystem – um nur einige Eckpfeiler zu nen-
        en. Auch hat die EU mit der Grenzschutzagentur
        RONTEX ein Mittel geschaffen, um die europäischen
        ußengrenzen in gemeinsamer Anstrengung zu sichern.
        Auf welche Weise sollen die bisherigen Bemühungen
        ortgesetzt werden? Diese Frage wird in den Anträgen,
        ber die wir heute diskutieren, aufgeworfen. Sie betref-
        en die grundsätzliche Ausrichtung der europäischen Mi-
        rations- und Flüchtlingspolitik, geben aber nicht in al-
        en Punkten die richtigen Antworten.
        Insbesondere aber ist der eigentliche Anlass der An-
        räge nicht mehr gegeben. Sie sind darauf gerichtet, dass
        ie Bundesregierung im Rahmen ihrer Ratspräsident-
        chaft Initiativen zur Verbesserung des Flüchtlingsschut-
        es ergreifen möge. Damit enthalten sie einen Appell,
        er ins Leere geht: Die deutsche Ratspräsidentschaft en-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15039
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        dete bekanntlich am 30. Juni 2007. Schon deshalb sind
        die Anträge aus formalen Gründen abzulehnen.
        Diese Ablehnung darf indes nicht darüber hinweg
        täuschen, dass die Anträge in ihrem Grundanliegen in
        die richtige Richtung weisen. Ihnen beiden liegt das Be-
        kenntnis zu völkerrechtlichen Garantien zugrunde, ins-
        besondere zum Gebot des Non-Refoulment aus der Gen-
        fer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen
        Menschenrechtskonvention (EMRK). Damit erinnern sie
        uns zu Recht an elementare Verpflichtungen – Verpflich-
        tungen übrigens, die die EU selbst im Haager Programm
        und im EG-Vertrag zum Maßstab ihrer Politik erhoben
        hat.
        Die Ablehnung darf ebenso wenig darüber hinweg-
        täuschen, dass es einen anderen aktuellen Anlass gibt,
        die in den Anträgen angesprochenen Themen zu erör-
        tern. Im vergangenen Juni hat die Kommission ein
        „Grünbuch Asyl“ herausgegeben, das erst nach Veröf-
        fentlichung der hier diskutierten Anträge erschienen ist.
        Nachdem die erste Stufe der Harmonisierung abge-
        schlossen ist, hat die Kommission darin Vorschläge ge-
        macht, wie die zweite Stufe gestaltet werden könnte. Auf
        dieser Grundlage hat sie bereits für 2008 mehrere Recht-
        setzungsinitiativen angekündigt. Sie alle betreffen die-
        selbe Frage: Was können, was müssen wir in Zukunft
        besser machen?
        Ich möchte einige der Probleme aufgreifen, die in den
        Anträgen angesprochen sind, und darlegen, welche Vor-
        schläge die Kommission hierzu gemacht hat.
        Lassen Sie mich zunächst etwas zur Verbesserung der
        bestehenden Instrumente sagen. Im Antrag von Bünd-
        nis 90/Die Grünen wird die Richtlinie für Aufnahmebe-
        dingungen angesprochen. Auch die Kommission hat die-
        ses wichtige Instrument aufgegriffen und strebt eine
        noch stärkere Angleichung an, damit Asylsuchende in
        allen Staaten gleich behandelt werden. Vor allem aber
        hat sie in einer auf das Grünbuch folgenden Evaluation
        kritisiert, dass die Behandlung besonders schutzbedürfti-
        ger Gruppen, also Minderjähriger, Folteropfer und Trau-
        matisierter in vielen Staaten nicht ausreichend umgesetzt
        ist. Dies sollten wir zum Anlass nehmen, die Umsetzung
        in Deutschland kritisch zu betrachten. Auch nach dem
        Richtlinienumsetzungsgesetz des vergangenen Sommers
        bleiben Lücken bestehen. Insbesondere müssen wir erör-
        tern, wo in der Behandlung von Minderjährigen, von
        Folteropfern und von Traumatisierten nachgebessert
        werden muss.
        Der Antrag der Linken thematisiert ausdrücklich das
        Konzept der sicheren Dritt- bzw. Herkunftsstaaten. Auch
        die Kommission hat dies getan und dazu aufgefordert,
        Inhalt und Mehrwert dieses Konzeptes neu zu bewerten.
        Damit hat sie – mit noch offenem Ausgang – die Kritik
        aufgegriffen, die UNHCR und NGOs wiederholt geäu-
        ßert haben. Mit Recht: Wir müssen nicht nur kritisch
        evaluieren, ob das Konzept die Gefahr von Kettenab-
        schiebungen in sich birgt, wir müssen auch die Frage
        stellen, ob es überhaupt praktikabel ist. Die einzigen
        Nicht-EU-Staaten, die als sichere Drittstaaten gelten,
        sind Norwegen, Island und die Schweiz, Staaten also,
        die bereits jetzt oder, im Falle der Schweiz, ab Ende
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        008 am Dublin-II-System beteiligt sind. Darüber hi-
        aus konnte eine Einigung im Rat auf eine gemeinsame
        iste von Staaten, die den Anforderungen der Verfah-
        ensrichtlinie genügt, bislang nicht erzielt werden.
        Lassen Sie mich weiterhin etwas zur europäischen
        renzschutzagentur FRONTEX sagen. Der Antrag der
        inken fordert die Einstellung der Unterstützung von
        RONTEX Dies teile ich nicht. Die Kontrolle der Au-
        engrenzen ist seit dem Amsterdamer Vertrag eine ge-
        einsame europäische Aufgabe. Unser Ziel kann nicht
        ie Revidierung europäischen Primärrechts sein, unser
        iel muss seine Umsetzung sein. Zu dieser Umsetzung
        ählt, dass die Aufgaben von FRONTEX in Überein-
        timmung mit dem Non-Refoulment-Gebot wahrgenom-
        en werden müssen.
        Auch die Kommission hat im Grünbuch folgende
        rage aufgeworfen: Wie kann sichergestellt werden,
        ass bei Grenzschutzmaßnahmen zur Bekämpfung der
        llegalen Einwanderung der Zugang schutzbedürftiger
        ersonen zum Asylverfahren nicht beeinträchtigt wird?
        ier ist noch einiges zu klären. So hat die Bundesregie-
        ung noch vor zwei Jahren auf eine kleine Anfrage ge-
        ntwortet, das Gebot des Non-Refoulment der GFK
        elte erst bei territorialem Gebietskontakt. Finden die
        xterritorialen Maßnahmen von FRONTEX also in ei-
        em rechtsfreien Raum statt? Der UNHCR, das Deut-
        che Institut für Menschenrechte und mehrere NGOs
        ommen in aktuellen Stellungnahmen zum gegenteili-
        en Ergebnis – mit guten Argumenten. Sie sehen, hier
        esteht auch bei uns erheblicher Diskussionsbedarf.
        Lassen Sie mich abschließend etwas dazu sagen, dass
        ich beide Anträge positiv auf das Konzept des Resettle-
        ent beziehen. Worum handelt es sich hierbei? Es geht
        m eine Idee, bei der in Zusammenarbeit mit dem
        NHCR Verfahren entwickelt werden sollen, mit denen
        esonders schutzbedürftige Personen von EU-Ländern
        reiwillig aufgenommen werden. Die Kommission be-
        ennt sich im Grünbuch zum Resettlement als wichti-
        em Teil der externen Dimension der EU-Asylpolitik.
        ie Diskussion in Deutschland über Resettlement wird
        erade wieder neu belebt. Nehmen wir die Haltung der
        ommission zum Anlass, das Konzept offen zu bewer-
        en.
        Aus den oben genannten Gründen plädiere ich für die
        blehnung der Anträge. Gleichzeitig aber plädiere ich
        afür, über die in ihnen angesprochenen Themen weiter
        u diskutieren. Die zweite Stufe der Asylrechtsharmoni-
        ierung steht an. Setzen wir uns gemeinsam dafür ein, sie
        m Sinne derer zu gestalten, die den Schutz Europas
        ringend benötigen.
        Florian Toncar (FDP): Mit erschütternder Regelmä-
        igkeit erreichen uns dramatische Nachrichten von
        lüchtlingen, die auf dem Weg nach Europa im Mittel-
        eer und vor den Kanarischen Inseln Schiffbruch erlei-
        en und umkommen. Die Hoffnung auf Verbesserung
        er eigenen wirtschaftlichen Lage treibt viele Personen,
        esonders junge, dazu, eine von Strapazen gekennzeich-
        ete Reise aus ihrer Heimat durch Transitländer in der
        ahel-Zone bis nach Nordafrika zu unternehmen, um
        15040 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
        (A) )
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        von dort aus die Seereise in die EU anzutreten. Auf ih-
        rem langen Weg sind diese Menschen oft korrupten Be-
        amten ausgeliefert und müssen sich für den Transfer
        über das Meer nach Europa in die Hände von skrupello-
        sen Menschenschleppern begeben. Um der Verhaftung
        zu entgehen, zwingen diese Seelenverkäufer die Flücht-
        linge regelmäßig, noch vor Erreichen der europäischen
        Küste ins Meer zu springen und die restliche Strecke
        zum rettenden Land schwimmend zurückzulegen. Für
        viele Flüchtlinge endet diese letzte Etappe tödlich. In an-
        deren Fällen erweisen sich die Boote schon während
        Überfahrt als nicht seetüchtig, sodass die Menschen an
        Bord Schiffbruch erleiden.
        Dieses immer wiederkehrende Leid fordert Europa
        heraus, eine humane Lösung für die Flüchtlingsproble-
        matik an den EU-Außengrenzen zu finden. Dabei ist
        klar, dass die EU-Staaten gemeinsam handeln müssen,
        denn viele Flüchtlinge steuern nach ihrer Ankunft in
        Spanien oder Italien die nördlichen EU-Staaten an. Aus
        diesem Grund ist ein gemeinsames europäisches Kon-
        zept sinnvoll, das auch die Europäische Grenzschutz-
        agentur FRONTEX einbezieht und das eine gerechte
        Verteilung der entstehenden Lasten innerhalb der EU
        vorsieht.
        Der menschenwürdige Umgang mit den Flüchtlingen
        an den EU-Außengrenzen allein kann langfristig jedoch
        keine Abhilfe bei der Bewältigung des Flüchtlingspro-
        blems schaffen. Hier müssen neue Ansätze gefunden
        werden, um die Zusammenarbeit der EU mit den Tran-
        sitstaaten im Sinne einer Migrationseindämmung zu ver-
        bessern. Ein Konzept, das nur auf die bessere Sicherung
        der europäischen Küsten baut, setzt zu spät an. Deswe-
        gen muss die EU ihre Zusammenarbeit mit den Transit-
        staaten Nordafrikas und der Sahel-Zone intensivieren.
        Langfristig wird der Flüchtlingsproblematik nur bei-
        zukommen sein, wenn der Migrationsdruck in den Her-
        kunftsstaaten entschärft wird. Dazu müssen sich die
        Entwicklungsperspektiven für junge Menschen deut-
        lich verbessern. Bei alledem darf Europa seine eigenen
        Interessen nicht vernachlässigen, sondern muss eine ge-
        steuerte Zuwanderung zulassen, die sich an den wirt-
        schaftlichen Bedürfnissen in der EU orientiert. Davon
        unberührt muss es Menschen weiterhin möglich bleiben,
        in Europa ungehindert Schutz zu suchen und zu finden,
        um politischer Verfolgung in ihrer Heimat zu entfliehen.
        Der vorliegende Antrag der Grünen weist in vielen
        Ansätzen in die richtige Richtung. So werden klare Re-
        geln gefordert, die es Kapitänen erlauben, schiffbrüchige
        Flüchtlinge zu retten und diese in der EU sicher an Land
        zu setzen, ohne sich der Beihilfe zur illegalen Migration
        schuldig zu machen. Das Gebot der Lebensrettung aus
        Seenot darf nicht durch die Furcht vor etwaigen straf-
        rechtlichen Konsequenzen ausgehebelt werden. Ebenso
        sinnvoll ist die Forderung nach einer Vernetzung der na-
        tionalen Seenotrettungsdienste und FRONTEX. Wenn
        die Grünen sich für die Schaffung eines ausgewogenen
        asyl- und migrationspolitischen Gesamtkonzepts einset-
        zen, ist dies zu begrüßen. Hier besteht in der EU ein
        Nachholbedarf.
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        Leider gibt der Antrag auf andere wesentliche Fragen
        eine Antwort. So blenden die Grünen die Intensivie-
        ung der Zusammenarbeit der EU mit Drittländern wie
        twa Marokko aus. Auch gibt der Antrag keinen Auf-
        chluss auf die Frage, wie dem Migrationsdruck bereits
        n den Herkunftsländern entgegengewirkt werden kann.
        ierzu wäre eine spürbare Verbesserung der Lebensum-
        tände notwendig, damit junge Menschen ihre Hoffnun-
        en nicht auf eine gefährliche Odyssee ins Ungewisse
        etzen. Die EU muss potenzielle Wirtschaftsmigranten
        ereits in den Herkunftsländern über die teils lebensbe-
        rohlichen Risiken aufklären, denen sie sich auf ihrem
        igrationsweg aussetzen würden. Daneben müssen
        iese Menschen bereits vor Reiseantritt erfahren, wie
        art die Realität illegal eingewanderter Migranten in Eu-
        opa allzu oft ist. In diesem Licht werden junge Men-
        chen eher dazu zu bewegen sein, ihre Energie eher in
        en Fortschritt ihres eigenen Landes zu investieren als
        hr vermeintliches Glück im fernen Europa zu suchen.
        ezielte Aufklärungskampagnen in einigen Staaten
        estafrikas haben hier ermutigende Resultate erbracht.
        Die Schlüsselfrage, wie die wirtschaftliche Situation
        n den Herkunftsländern entspannt werden kann, damit
        enschen sich nicht dazu gezwungen sehen, ihre Hei-
        at zu verlassen, bleibt leider unbeantwortet. Auch
        enn der Antrag einige sinnvolle Elemente enthält,
        reift er zu kurz. Daher wird die FDP mit Enthaltung vo-
        ieren.
        Dagegen leistet die Fraktion Die Linke mit ihrem An-
        rag einen vollkommen unzureichenden Beitrag zur De-
        atte um eine europäische Flüchtlingspolitik. In polemi-
        chem Duktus werden pauschale Schuldzuweisungen an
        ie EU gerichtet, ohne praktikable Lösungen zu den
        omplizierten Sachfragen aufzuzeigen. So kann keine
        ede davon sein, dass die EU Migranten lediglich als In-
        trumente behandele. Wenn die Linken die Einstellung
        er Zusammenarbeit mit der Europäischen Grenz-
        chutzagentur FRONTEX fordern, zeugt dies von feh-
        endem Realitätssinn.
        Zahlreiche andere Forderungen sind dazu geeignet,
        ine starke Zunahme der unkontrollierten Zuwanderung
        u befördern. Dabei nehmen die Linken weder Rück-
        icht auf die Interessen der EU noch auf die wirtschaftli-
        he Entwicklung in den Herkunftsstaaten, die dann mit
        inem massiven Braindrain konfrontiert wären. Im Sinne
        iner positiven Entwicklung in den Herkunftsländern ist
        ieser Ansatz völlig verfehlt. In überzogen einseitiger
        anier werden holzschnittartige Forderungen aufge-
        tellt, die an den eigentlichen Ursachen der Flüchtlings-
        roblematik vorbeigehen. Daher lehnt die FDP diesen
        ntrag der Linken entschieden ab.
        Aus liberaler Sicht muss die EU ein gemeinsames
        onzept zur Bewältigung der Migrationsproblematik
        ntwerfen. Dabei muss gewährleistet werden, dass Men-
        chen, die in ihrer Heimat politischer Verfolgung ausge-
        etzt wurden, in der EU weiterhin ungehindert Schutz
        uchen und finden können. Um die Auswüchse irregulä-
        er Migration zu entschärfen, muss eine verbesserte Zu-
        ammenarbeit mit den Transitstaaten gesucht werden.
        ie Wurzel des Problems besteht aber im bestehenden
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15041
        (A) )
        (B) )
        Migrationsdruck in den Herkunftsstaaten. Nur die Ver-
        besserung der Lebensperspektive junger Leute dort kann
        das Problem langfristig lösen. Hier müssen die deutsche
        und europäische Entwicklungszusammenarbeit anset-
        zen. Nebenbei bemerkt: Es hat sich gezeigt, dass diejeni-
        gen Entwicklungsländer am erfolgreichsten sind, die so-
        wohl rechtsstaatliche Grundsätze achten als auch ihre
        Wirtschaft für den internationalen Handel öffnen und so
        die Globalisierung nutzen. Beides sind Grundpfeiler li-
        beraler Politik.
        Deutschland und die EU haben ein Interesse daran,
        Wege für eine gesteuerte Migration zu eröffnen. Die
        FDP hat dazu für Deutschland ein Zuwanderungskon-
        zept mit einem Punktesystem vorgestellt, das sowohl
        den Bedürfnissen von Zuwanderern als auch den wirt-
        schaftlichen Interessen Deutschlands Rechnung trägt.
        Damit weist die FDP den Weg zu einer ausgewogen Zu-
        wanderungspolitik.
        Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Auch wenn die
        deutsche EU-Ratspräsidentschaft vorbei ist, das Thema
        Flüchtlingsschutz behält seine traurige Aktualität.
        Der Begriff „Schutz“ wird nach wie vor nur als
        „Schutz“ der Außengrenzen verstanden – statt Flücht-
        lingsschutz Grenzschutz. Statt Fluchtursachen werden
        Flüchtlinge bekämpft. Priorität hat der Kampf gegen die
        illegale Einwanderung.
        Mehr Grenzschutz, mehr Rückübernahmeabkommen
        und mehr gemeinsame Abschiebungen bilden die
        Schlüsselelemente deutscher EU-Migrationspolitik.
        Das europäische Asylsystem gleicht einer Schutzlot-
        terie. Gerade das Dublin-System ist Grundstein für ein
        unfaires und einseitiges EU-Asylsystem: Solange die
        Anerkennungspraxis in der EU enorm unterschiedlich
        ist, widerspricht das Dublin-System eklatant dem
        Grundsatz eines möglichst effektiven Flüchtlingsschut-
        zes. Denn unzähligen Flüchtlingen in der EU wird völlig
        willkürlich ein Schutz verwehrt, obwohl sie ihn in einem
        anderen EU-Land erhalten würden.
        Für Flüchtlinge aus Tschetschenien entscheidet bei-
        spielsweise die Frage, ob sie in Warschau oder in Wien
        ihr Asylverfahren durchlaufen müssen, über Schutzsta-
        tus oder weitgehende Rechtlosigkeit.
        Und so wurden in den ersten Tagen nach der Grenz-
        öffnung im deutsch-polnischen Grenzraum vermehrt
        Flüchtlinge aus Tschetschenien aufgegriffen. Menschen
        aus dieser Bürgerkriegsregion haben nämlich in Polen
        gar keine Chance auf Asyl, in Deutschland eine kleine
        Chance und die besten Aussichten, wenn sie es nach Dä-
        nemark oder Österreich schaffen.
        Natürlich suchen Flüchtlinge ihren Zufluchtsstaat
        nicht vordergründig nach der jeweiligen Gesetzgebung
        und Anerkennungsquote aus. Das würde auch Kennt-
        nisse voraussetzen, die die Betroffenen im Regelfall
        nicht haben. Es sind vor allem familiäre Kontakte, Mi-
        grationsnetzwerke, Sprachkenntnisse usw., die bei der
        Wahl des Zufluchtlandes eine entscheidende Rolle spie-
        len.
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        Aber das Dublin-System verhindert systematisch,
        ass diese individuellen Gesichtspunkte überhaupt be-
        ücksichtigt werden können. Und da muss man sich
        icht wundern, wenn Menschen mit gutem Recht versu-
        hen, menschenrechtswidrige Systeme und Grenzen zu
        berwinden! Erst recht gilt das in Bezug auf Länder wie
        olen oder Griechenland, die von der EU zwar mit per-
        ekter elektronischer und sonstiger Ausstattung zur
        renzabwehr und Migrationskontrolle ausgestattet wer-
        en, bei denen es aber zugleich zum Beispiel bei den
        ufnahmebedingungen erhebliche Mängel gibt.
        Nach der Logik der Dubliner Regelungen werden
        lüchtlinge, wie die angesprochenen Tschetschenen, und
        atürlich Flüchtlinge generell nach Polen zurückge-
        chickt. Von dort droht ihnen wiederum die Rückschie-
        ung nach Weißrussland und von dort weiter zurück
        ach Russland.
        Das heißt: Das Dublin-System begünstigt, was die
        enfer Flüchtlingskonvention genau verhindern wollte:
        ie Kettenabschiebung von Flüchtlingen bis zurück in
        hren Herkunftsstaat.
        Ein weiteres Beispiel für solche Kettenabschiebungen
        ind die irakischen Flüchtlinge, die über Griechenland
        uf europäisches Territorium gelangt sind. In Norwegen
        urde nun entschieden, dass keine Flüchtlinge nach
        riechenland mehr zurückgeschoben werden dürfen,
        eil ihnen die Kettenabschiebung droht.
        Am Beispiel Griechenland wird die Fehlkonstruktion
        es europäischen Asylsystems offensichtlich. Die Staa-
        en an den Außengrenzen der EU werden allein gelassen.
        ogenannte Hilfe erhalten sie zwar durch die EU-Grenz-
        chutzagentur FRONTEX, aber nicht bei der Aufnahme,
        ondern nur bei der völkerrechtswidrigen Zurückwei-
        ung der Flüchtlinge auf hoher See.
        Meine Fraktion wird dem Antrag der Grünen nicht
        ustimmen, weil wir den dort vertretenen Ansatz für zu
        urz gegriffen halten. Fast alle Forderungen sind zwar
        erechtigt, zum Beispiel, dass das Gebot der Nichtzu-
        ückweisung auch bei Aufgriffen auf hoher See gelten
        uss. Aber die Art und Weise, in der die Grenzschutz-
        gentur FRONTEX von den Grünen als hilfreicher Sa-
        ariter dargestellt wird, dem es um die Seenotrettung
        on Bootsflüchtlingen geht, halten wir für naiv und weit
        n der Realität vorbeigehend.
        Der Antrag gerät an vielen Stellen in Gefahr, mit einer
        lühenden Menschenrechtsrhetorik und wirkungslosen
        llgemein-Appellen das System der Abschottung und
        ie Praxis der Abweisung in naiver Weise zu legitimie-
        en. So sollen Menschen frühzeitig in Flüchtlinge und ir-
        eguläre Migrantinnen und Migranten aufgeteilt werden.
        Wir wenden uns gegen den herrschenden EU-Migra-
        ions- und Flüchtlingsansatz, der zentral auf Abschot-
        ung und „Auslese“ im nationalstaatlichen Eigeninte-
        esse und Externalisierung des Flüchtlingsschutzes
        asiert.
        Abgelehnt wird von uns auch die maßlose Datener-
        assung von Drittstaatsangehörigen und das Modell der
        zirkulären Migration“. Dabei handelt es sich aus-
        15042 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
        (A) )
        (B) )
        schließlich um die zeitlich begrenzte legale Erwerbstä-
        tigkeit im puren Eigeninteresse der Nationalstaaten. Op-
        fer wären im Gegenzug die Flüchtlinge. Mit der Abwehr
        von Flüchtlingen soll Platz für die künftig erwünschten
        und benötigten Migrantinnen und Migranten geschafft
        werden.
        Dazu bedarf es aber einer grundlegend neu ausgerich-
        teten europäischen Migrations-, Flüchtlings- und Inte-
        grationspolitik.
        Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Wöchentlich hören wir Schreckensmeldungen von ge-
        kenterten Flüchtlingsbooten, von im Mittelmeer oder im
        Atlantik ertrunkenen Flüchtlingen. Ich war im letzten
        Jahr zweimal an der EU-Südgrenze: in Marokko, in Spa-
        nien und auf den kanarischen Inseln. Einmal gemeinsam
        mit Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen. Ich
        denke, alle die einmal vor Ort waren, können bestätigen:
        Die Situation der Flüchtlinge ist dramatisch. Vor diesem
        Hintergrund hat meine Fraktion bereits Ende 2006 einen
        umfassenden Antrag vorgelegt. Unser Ziel war und ist
        es, endlich eine humanitäre, kohärente und nachhaltige
        Ausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik zu er-
        reichen.
        Wenn ich mir nun in der Beschlussempfehlung des In-
        nenausschusses die Begründung von CDU/CSU und
        SPD zur Ablehnung unseres Antrags anschaue, muss ich
        sagen: Meine Damen und Herren, sie handeln zynisch!
        Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, schrei-
        ben dort, sie wollen „durch Schutz der Außengrenzen,
        konsequente Rückführungsaktionen und Hilfe vor Ort
        die illegale, ungesteuerte Migration zum Erliegen brin-
        gen“.
        Wo leben Sie denn eigentlich, wenn Sie glauben:
        „Wir ziehen um uns herum Mauern hoch und dann ver-
        sucht schon niemand mehr, zu uns zu kommen“? Wo le-
        ben Sie denn eigentlich, wenn Sie glauben, die Men-
        schen würden sich auf den riskanten, gefährlichen Weg
        in die EU machen, nur weil die Außengrenzen der Euro-
        päischen Union so einladend frei zu überwinden seien?
        Wenn Sie einmal mit Flüchtlingen gesprochen haben,
        wenn Sie mitbekommen, aus welchen Lebensumständen
        in ihren Heimatländern sie fliehen, dann würden Sie
        nicht so tun, als könnte mit einer Abschottungspolitik
        diese Migrationsbewegung „zum Erliegen“ gebracht
        werden. Außerdem wissen wir doch längst, dass künftig
        der voranschreitende Klimawandel ein weiterer Faktor
        dafür sein wird, dass es ein Mehr an sogenanntem „Mi-
        grationsdruck“ in Afrika und in anderen Teilen der Welt
        geben wird. Ich bin entsetzt darüber, wie Sie hier unser
        wichtiges Anliegen abtun, und dies angesichts so vieler
        Toter, die wir jedes Jahr neu zu beklagen haben!
        Und noch eines ist mir aufgefallen in ihrer Begrün-
        dung: „Deutschland verhalte sich nicht passiv“ ist da zu
        lesen. Das mag sein. Aber „aktiv“ verhält sich die Bun-
        desregierung ganz bestimmt auch nicht. Offensichtlich
        ist Ihnen dies bereits selbst aufgefallen. Dabei wäre
        mehr Aktivität, mehr Engagement für Flüchtlinge sei-
        tens der Bundesregierung dringend geboten.
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        Lassen Sie mich nur an den erschütternden Fall vom
        ai letzten Jahres erinnern, als 27 gekenterte Boots-
        lüchtlinge drei Tage auf dem Meer vor der Küste Maltas
        usharren mussten, bevor sie schließlich von der italieni-
        chen Marine geborgen wurden. Hintergrund dafür wa-
        en Streitereien zwischen Malta und Libyen über see-
        echtliche Fragen und die Tatsache, dass sich Malta von
        en übrigen Mitgliedstaaten der EU schlicht im Stich ge-
        assen fühlte. Echte Konsequenzen aus diesem Vorfall
        at bislang leider niemand gezogen. Dabei geschah diese
        atastrophe doch während der ach so erfolgreichen
        eutschen EU-Ratspräsidentschaft. Wenn es um das Ret-
        en von Menschenleben geht, war die deutsche Präsi-
        entschaft leider alles andere als erfolgreich.
        Lassen Sie mich auch daran erinnern, dass es während
        er deutschen EU-Ratspräsidentschaft einen Vorstoß von
        roßbritannien, den Niederlanden und Schweden für
        ine gemeinsame Aufnahme von irakischen Kriegs-
        lüchtlingen gab. Auch diesen wichtigen Vorschlag zum
        chutz von Flüchtlingen ließ Deutschland ins Leere lau-
        en.
        Es gibt unzählige Beispiele mehr, die zeigen, dass die
        undesregierung nicht aktiv ist, wenn es um den Schutz
        on Flüchtlingen und eine gemeinsame europäische
        lüchtlingspolitik geht. Im Gegenteil: Sie steht auf der
        remse, auch wenn es um Weg der legalen Zuwande-
        ung in die EU geht.
        Zugegeben, die Bundesregierung unterstützt die Pläne
        er EU-Kommission für mehr zirkuläre und temporäre
        igration – und diese Vorschläge sind zumindest im
        rundsatz durchaus sinnvoll. Gleichzeitig macht sie
        ber deutlich, dass sie an einer dauerhaften Migration
        ein Interesse hat. Die Bundesregierung fällt damit zu-
        ück in die alte Gastarbeiterlogik, den Irrglauben, man
        önnte Menschen für ein paar Jahre zum Arbeiten ins
        and holen und ihnen dann einfach wieder den Stuhl vor
        ie Tür stellen. Aus alten Fehlern sollte man eigentlich
        ernen. Zumindest Bundesinnenminister Wolfgang
        chäuble scheint der Ansicht zu sein, alte Fehler sollte
        an ständig wiederholen.
        Sehr geehrte Damen und Herren von der Koalition,
        ie betreiben hier eine falsche Politik: Sie setzen falsche
        chwerpunkte, Sie unterstützen die immer weiterge-
        ende Abschottung Europas nach außen und Sie schlie-
        en gleichzeitig die Augen vor der Situation der Flücht-
        inge und vor dem realen Problem Schwarzarbeit in der
        U.
        Gestern hat EU-Kommissar Franco Frattini ein „EU-
        renzschutzpaket“ vorgestellt. Die Bewertung in den
        edien ist weitgehend einhellig: „Europa schottet sich
        b“. Die Vertreter von Flüchtlingsorganisationen haben
        ehr zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass damit
        n den Grenzen Europas technologisch aufgerüstet wer-
        en soll, ohne dass Menschen in Not der Zugang zu ei-
        em Asylverfahren erleichtert wird.
        Ich fürchte, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis
        uch hier die Bundesregierung ihre volle Unterstützung
        ignalisieren wird. Von Innenminister Schäuble mag da
        ichts anderes zu erwarten sein. Doch wenigstens von
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15043
        (A) )
        (B) )
        den Kollegen der SPD würde ich mir wünschen, dass sie
        die Empörung einiger ihrer sozialdemokratischen Kolle-
        gen im Europäischen Parlament über eine solche Politik
        hören und teilen würden. Schließlich geht es um Men-
        schenleben.
        Die Bundesregierung hat ihre Hausaufgaben in Sa-
        chen europäische Migrations- und Flüchtlingspolitik
        nicht gemacht. Die Chancen, die mit der deutschen EU-
        Ratspräsidentschaft 2007 verbunden waren, hat sie nicht
        genutzt. Wir haben mit unserem Antrag konkrete Vor-
        schläge für eine humanitäre, kohärente und nachhaltige
        Ausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik ge-
        macht. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu unserem
        Antrag, im Sinne des Schutzes von Menschenleben.
        Anlage 6
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
        Modernisierung der Aufsichtsstruktur der Bun-
        desanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
        (Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetz) (Zu-
        satztagesordnungspunkt 5)
        Leo Dautzenberg (CDU/CSU): In der morgigen Fi-
        nanzmarktdebatte werden wir intensiv über die notwen-
        digen Konsequenzen aus der US-Hypothekenkrise dis-
        kutieren. Auch die Frage nach der Notwendigkeit einer
        optimierten Aufsicht über bestimmte Refinanzierungs-
        strukturen der Banken wird sich in diesem Zusammen-
        hang möglicherweise stellen.
        Getrennt von dieser wichtigen – allerdings mehr in-
        ternational als national zu führenden – Debatte ist das
        Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetz zu betrachten,
        das heute zur Verabschiedung ansteht. Mit dem
        Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetz setzen wir eine
        Maßnahme um, die wir uns bereits im Koalitionsvertrag
        vorgenommen haben.
        Basierend auf der fünfjährigen Erfahrung mit der
        Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin,
        als Allfinanzaufsicht passen wir ihre Organisationsstruk-
        tur an. Wir ersetzen die bisherige Präsidialstruktur der
        BaFin durch ein fünfköpfiges Direktorium, weil wir
        überzeugt davon sind, dass ein Direktorium den wach-
        senden Aufgaben einer Allfinanzaufsicht besser gerecht
        wird als eine Präsidialstruktur. Parallel zum Aufsichts-
        strukturmodernisierungsgesetz, das die Organisation der
        BaFin regelt, wird die neue Aufsichtsrichtlinie für bes-
        sere Arbeitsabläufe in der Bankenaufsicht sorgen. Die
        Kompetenzen von Bundesbank und BaFin in diesem Be-
        reich werden klarer definiert und eindeutig der einen
        oder anderen Institution zugewiesen. Auch dieses Ziel
        hatten wir uns bereits im Koalitionsvertrag gesteckt und
        als Hausaufgabe aus der Evaluation des Deutschen Insti-
        tuts für Wirtschaftsforschung, DIW, mitgenommen.
        Ich bin sehr froh, dass Bundesbank und BaFin hierzu
        nun vor zwei Wochen gemeinsam eine gute Lösung ge-
        funden haben. Ansonsten hätten wir als Gesetzgeber
        bzw. das BMF auf dem Erlasswege tätig werden müssen.
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        as ist dank der erzielten Einigung, die in der kommen-
        en Woche auch formal durch den Bundesbankvorstand
        estätigt werden wird, nun nicht mehr erforderlich.
        Doch kommen wir – bevor mir ein paar Worte zur
        ufsichtsrichtlinie erlaubt seien – zum Aufsichtsstruk-
        urmodernisierungsgesetz und der darin angelegten
        euen Organisationsstruktur der BaFin. Meine Fraktion
        st überzeugt davon, dass es aus mehreren Gründen rich-
        ig und wichtig ist, die bisherige Präsidialstruktur der
        aFin durch ein Kollegialmodell in Form eines Direkto-
        iums zu ersetzen.
        Erstens geht es um die Entlastung des Präsidenten
        on internen Verwaltungsaufgaben. Der Präsident ist zu-
        ehmend mehr eingebunden in die Vertretung der deut-
        chen Aufsicht in den europäischen und internationalen
        remien. Zweitens sollen die einzelnen Aufsichtssäulen
        estärkt und drittens insgesamt Entscheidungswege ver-
        ürzt und damit Arbeitsabläufe effizienter gestaltet wer-
        en.
        Diese Zielsetzungen erreichen wir, indem wir dem
        räsidenten vier Exekutivdirektoren zur Seite stellen: ei-
        en Direktor für die Bankenaufsicht, einen Direktor für
        ie Versicherungsaufsicht, einen Direktor für die Wert-
        apieraufsicht und einen Direktor für „Querschnittsauf-
        aben/Innere Verwaltung“. Im Regierungsentwurf lau-
        ete die Bezeichnung noch „Grundsatzfragen/Innere
        erwaltung“. Wir sind aber überzeugt davon, dass der
        egriff „Querschnittsaufgaben“ treffender ist. Denn der
        irektor für die innere Verwaltung wird vor allem dafür
        uständig sein, Synergieeffekte zwischen den einzelnen
        äulen voranzutreiben, das heißt, Querschnittsaufgaben
        u definieren. Die Grundsatzfragen – verstanden als
        estlegung der grundsätzlichen Ausrichtung der BaFin –
        erbleiben selbstverständlich beim Präsidenten.
        Damit die neue Führungsstruktur sich nicht nur im
        rganigramm wiederfindet, sondern tatsächlich zu einer
        erbesserten Effizienz der Arbeitsabläufe beiträgt, ist es
        ichtig, dass die Direktoren die Ressortverantwortung
        ür ihre Bereiche erhalten. Das stellt das Gesetz sicher,
        ndem es ihnen die Organisations-, Finanz- und Perso-
        alhoheit für den jeweiligen Geschäftsbereich erteilt.
        ie Richtlinienkompetenz, das heißt die Entscheidung
        ber die strategische Ausrichtung bzw. die Grundsatzfra-
        en der BaFin verbleibt hingegen beim Präsidenten –
        benso wie die gerichtliche und außergerichtliche Ver-
        retung der BaFin. Dazu gehört vor allem die Interessen-
        ertretung Deutschlands in den internationalen Gremien.
        Ebenso wichtig wie die Verteilung der einzelnen Ver-
        ntwortlichkeiten auf fünf Schultern ist für mich die Ver-
        reiterung der Legitimationsbasis von wichtigen Be-
        chlüssen. Laut Regierungsentwurf soll das Direktorium
        ls tatsächliches Kollegialmodell funktionieren. Das
        eißt, das Direktorium fasst seine Beschlüsse – bei-
        pielsweise über den Erlass von Verwaltungsvorschriften
        mit einfacher Mehrheit. Einzig bei Stimmengleichheit
        ibt die Stimme des Präsidenten den Ausschlag. Gerade
        ngesichts der komplexer werdenden Anforderungen an
        ie BaFin halte ich es für sachgerecht, dass wichtige
        ntscheidungen künftig nicht mehr von einem Präsiden-
        15044 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
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        ten alleine, sondern – nach eingehender Beratung – von
        einem fünfköpfigen Direktorium getroffen werden.
        Wie bei jeder Organisation, so wird auch der Erfolg
        der neuen Führungsstruktur der BaFin von den handeln-
        den Personen abhängen. Daher ist es unerlässlich. für die
        neuen Direktoriumsposten kompetentes Fachpersonal zu
        gewinnen. Dafür bedarf es einer angemessenen Bezah-
        lung. In der Union begrüßen wir es deshalb sehr, dass
        mit dem Gesetz die Besoldungsgruppe für die Direktori-
        umsmitglieder von B 6 auf B 8 angehoben wird.
        Abschließend bleibt mir zum Gesetzentwurf zu sagen,
        dass wir uns in den Koalitionsfraktionen im Beratungs-
        prozess für zwei kleine Änderungen entschieden haben:
        Die erste Änderung betrifft die bereits angesprochene
        Zuständigkeitsbeschreibung des Direktors für die innere
        Verwaltung. Hier ersetzen wir die Bezeichnung „Grund-
        satzfragen/Innere Verwaltung“ durch „Querschnittsauf-
        gaben/Innere Verwaltung“. Die zweite Änderung betrifft
        die Vertretung des Direktoriums im Verwaltungsrat. Mit
        der neuen Formulierung stellen wir sicher, dass sowohl
        der Präsident als auch die Direktoren eine Berichts-
        pflicht im Verwaltungsrat haben.
        Erlauben Sie mir nun noch einige Worte zur neuen
        Aufsichtsrichtlinie, auf die die Deutsche Bundesbank
        und die BaFin sich vor 14 Tagen verständigt haben und
        die nur noch der formalen Bestätigung durch den Vor-
        stand der Bundesbank bedarf. Ich begrüße die neue Auf-
        sichtsrichtlinie ausdrücklich. Sie setzt zentrale Forderun-
        gen meiner Fraktion um. Die Richtlinie ist dazu
        geeignet, Doppelarbeit von BaFin und Bundesbank zu
        reduzieren und damit den bürokratischen Aufwand für
        die beaufsichtigten Institute auf das notwendige Maß zu-
        rückzuführen. Das wird durch eine – eindeutiger als bis-
        lang formulierte – Kompetenzverteilung erreicht, die da
        lautet: Die BaFin ist zuständig für alle aufsichtsrechtli-
        chen Maßnahmen, die Bundesbank für die laufende
        Überwachung aller Institute. Damit hat die Bundesbank
        bei den bankgeschäftlichen Prüfungen den – von uns
        auch eingeforderten – Vorrang vor Wirtschaftsprüfern.
        Ebenso begrüßenswert wie die klare Aufgabentren-
        nung zwischen Bundesbank und BaFin ist die gemein-
        same Verantwortung, zu der sich beide Institutionen
        ebenso bekennen. Manifest wird diese gemeinsame Ver-
        antwortung zum Beispiel in der von beiden Institutionen
        gemeinsam vorzunehmenden Einordnung der Institute in
        systemrelevante Institute, Probleminstitute oder auf-
        sichtsintensive Institute.
        Abschließend darf ich sagen: Ich halte sowohl das
        Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetz als auch die
        neue Aufsichtsrichtlinie für gelungen. Doch sowohl für
        die neue Organisationsstruktur als auch für die neuen
        Regeln der Zusammenarbeit zwischen Bundesbank und
        BaFin gilt: Auf die gelebte Praxis kommt es an! In die-
        sem Sinne, werbe ich bei Ihnen, meine Damen und Her-
        ren, für die Zustimmung zum Gesetz. Bei den handeln-
        den Personen in Bundesbank und BaFin werbe ich dafür,
        die neuen Regeln positiv zu leben.
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        Nina Hauer (SPD): Wir haben im Frühjahr 2002 mit
        er Gründung der Bundesanstalt für Finanzdienstleis-
        ungsaufsicht, BaFin, eine völlig neue Aufsichtsstruktur
        ür den Finanzmarkt geschaffen. Die BaFin ist die zu-
        tändige Aufsicht für alle drei Finanzmarktsektoren, also
        ür das Versicherungswesen, den Wertpapierhandel und
        ür das Bankenwesen. Zuvor war für jeden dieser Berei-
        he ein eigenes Aufsichtsamt verantwortlich, und es
        and zu wenig Informationsaustausch zwischen den Äm-
        ern statt. Die SPD-geführte Bundesregierung war da-
        als der Meinung, dass diese historisch gewachsene
        ektorale Aufsichtsorganisation den Bedürfnissen unse-
        es Finanzplatzes nicht mehr gerecht wird. Schließlich
        ieten Versicherungen und Banken zunehmend ähnliche
        rodukte zum Beispiel für die Altersvorsorge an, und
        uch Finanzkonglomerate stellen neue Herausforderun-
        en an die Finanzaufsicht.
        Diese sogenannte Allfinanzaufsichtstruktur der BaFin
        ieht heute keiner mehr ernsthaft in Zweifel. Sie hat sich
        ewährt und zu einer höheren Expertise unserer Finanz-
        ufsicht in sektorübergreifenden Risiken und Entwick-
        ungen geführt. Schon 2002 war klar, dass – auch wenn
        ich die Allfinanzidee bewähren würde – die BaFin nach
        inigen Jahren der praktischen Erfahrung in ihrer Orga-
        isation evaluiert werden muss. Wer sich mit den Fi-
        anzmärkten beschäftigt, weiß, wie schnell sich dieser
        irtschaftssektor weiterentwickelt und die Aufsicht
        tändig neu herausfordert.
        Im Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetz organi-
        ieren wir die Leitung der BaFin neu. Die BaFin ist zu
        iner großen Behörde mit rund 1 700 Mitarbeitern ange-
        achsen – was aufgrund der wichtigen und umfassenden
        ufgaben, die sie bewältigt, auch nachvollziehbar ist.
        leichzeitig werden sehr viele der wesentlichen Regu-
        ierungsentscheidungen inzwischen in europäischen und
        nternationalen Gremien getroffen. Hier muss die Lei-
        ung der BaFin ebenfalls präsent sein und deutsche Auf-
        ichtsinteressen vertreten. Auch auf nationaler Ebene
        ind die Anforderungen an die Aufsicht erheblich gestie-
        en. Deshalb wollen wir den Präsidenten stärken, indem
        ir ihn von organisatorischen Aufgaben innerhalb der
        aFin entlasten und ihm die Konzentration auf Aufga-
        en im Ausland und auf Strategienfragen erleichtern.
        Künftig wird die BaFin von einem Kollegialorgan ge-
        eitet, in welchem neben dem Präsidenten vier Exekutiv-
        irektoren vertreten sind. Einer der Exekutivdirektoren
        bernimmt die Funktion des Vizepräsidenten. Die Zu-
        tändigkeiten und Aufgabenbereiche der Mitglieder des
        irektoriums werden im Organisationsstatut, das das Di-
        ektorium einstimmig verabschieden muss, festgelegt.
        rotz dieser Zuständigkeitsverteilung stehen aber die
        eitungsentscheidungen der BaFin unter der Gesamtver-
        ntwortung des Direktoriums. Mit dem Direktorium
        ird der sektorübergreifende Ansatz der Allfinanzauf-
        icht noch stärker betont, indem die für einzelne Sekto-
        en zuständigen Direktoren gemeinsam Entscheidungen
        reffen und vorausschauend auf Entwicklungen am Fi-
        anzmarkt reagieren. Auf diese Weise kann die BaFin
        en künftigen nationalen und internationalen Anforde-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15045
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        rungen sowie ihrer komplexeren inneren Verwaltung ge-
        recht werden.
        So wird es künftig zum Beispiel einen Exekutivdirek-
        tor geben, der für die innere Verwaltung dieser großen
        Behörde zuständig sein wird. Das ermöglicht dem Präsi-
        denten, sich auf die strategische Ausrichtung der Finanz-
        aufsicht zu konzentrieren, ihm obliegt sozusagen die
        Richtlinienkompetenz. Damit bestimmt der Präsident die
        nationale Ausrichtung der BaFin und deren Positionie-
        rung bei der überaus wichtigen Arbeit in internationalen
        Gremien. Im parlamentarischen Verfahren haben wir uns
        mit unserem Koalitionspartner geeinigt, diese hervorge-
        hobene Position des Präsidenten auch bei der Unterrich-
        tung des Verwaltungsrates zu zeigen: Es ist – nach unse-
        rer gesetzlichen Klarstellung – Aufgabe des Präsidenten,
        den Verwaltungsrat regelmäßig über die Geschäftsfüh-
        rung der Bundesanstalt zu unterrichten.
        Ich begrüße besonders, dass die künftigen eigenver-
        antwortlichen Exekutivdirektoren attraktiver besoldet
        werden. Wir wollen für diese Posten hochqualifizierte
        Aufseher gewinnen, die den herausfordernden Aufgaben
        gewachsen sind. Das ist übrigens auch der Wunsch der
        Marktteilnehmer, die sich überwiegend für die Beibehal-
        tung der vollständigen Finanzierung der Aufsicht durch
        die regulierten Unternehmen aussprechen und an einer
        „schwachen“ BaFin kein Interesse haben. Schließlich ist
        eine starke Aufsicht heute eine Grundvoraussetzung, um
        international als attraktiver Finanzplatz anerkannt zu
        werden. Die derzeitigen Turbulenzen auf dem Finanz-
        markt zeigen, dass wir für eine weiterhin schlagkräftige
        und mit umfassender Expertise ausgestattete Leitung für
        unsere Finanzaufsicht sorgen müssen. Dafür haben wir
        mit dem Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetz die
        Voraussetzungen geschaffen.
        Frank Schäffler (FPD): Die Bankenaufsicht ist der-
        zeit ein großes Gesprächsthema, aber leider im negati-
        ven Sinne. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-
        aufsicht, BaFin, kommt wie eine Feuerwehr des
        Finanzmarktes immer erst, wenn es schon lichterloh
        brennt, statt im Vorfeld Feuer zu verhindern. Nötig wäre
        in dieser Situation ein klares Konzept, wie die Aufsicht
        effizienter gestaltet werden kann.
        Vor einigen Monaten hat Bundesfinanzminister Peer
        Steinbrück auch angekündigt, nach einer „Reifezeit“ ent-
        sprechende Vorschläge machen zu wollen. Was stattdes-
        sen herausgekommen ist, ist nur der kleinste gemein-
        same Nenner, zu dem die Koalition in der Lage war.
        Immerhin wurde die im ursprünglichen Gesetzentwurf
        vorgesehene Entmachtung der Bundesbank nicht umge-
        setzt. Aber darüber hinaus haben Sie sich seitens der
        Koalition für ein „Weiter so“ entschieden. An das Kre-
        ditwesengesetz gehen Sie nicht heran. Die Aufsichts-
        richtlinie soll neu gefasst werden, eine entsprechende Ei-
        nigung zwischen BaFin und Bundesbank gibt es, aber
        den Inhalt haben Sie noch nicht veröffentlicht, sodass
        wir über diesen wesentlichen Punkt hier nicht diskutie-
        ren können.
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        Ihr Gesetzentwurf ist auch im Detail nicht stimmig,
        bwohl Sie sich nur auf die Leitungsstruktur konzentrie-
        en. So sprechen Sie von einer hervorgehobenen Stel-
        ung des Präsidenten, im Gesetz kommt diese aber nicht
        um Ausdruck; das hat auch die Anhörung deutlich ge-
        acht. Wichtige Fragen wie die nach der Haftung für
        ufsichtsversagen der BaFin und danach, wer künftig
        ür aufsichtsfremde Aufgaben zahlen soll, werden nicht
        eantwortet. Es ist aus rechtsstaatlicher Sicht inakzepta-
        el, dass der Staat Beamte auswählt und einstellt, dann
        ber Dritte im Falle von Fehlern zahlen müssen. In der
        ollfinanzierung der BaFin durch die Unternehmen liegt
        er Grund dafür, warum der BaFin ständig neue Aufga-
        en übertragen werden, die gar nichts mit der Banken-
        ufsicht zu tun haben. Die ständige Ausweitung der Auf-
        aben trägt aber nicht zur Effizienz der Aufsicht bei, im
        egenteil: Wer zu viel machen muss, der sieht am Ende
        en Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.
        Als Fazit ist festzuhalten, dass Sie seitens der Koali-
        ion mit diesem Gesetz nur den Korruptionsfall bei der
        aFin aufarbeiten, indem Sie den Präsidenten entmach-
        en, aber die Zukunftsprobleme der Bankenaufsicht nicht
        ösen. Wir brauchen eine effiziente Bankenaufsicht,
        üssen aber gleichzeitig unnötige Bürokratie abbauen.
        ier müssen Sie Ihre Hausaufgaben noch machen.
        Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Seit der ersten Le-
        ung im November letzten Jahres hat sich am Gesetzent-
        urf in den Beratungen durch den Finanzausschuss lei-
        er nicht eine Silbe verändert. Von daher widerlegt
        ieses Gesetz den vielzitierten Ausspruch, kein Gesetz
        ürde das Parlament verlassen, wie es eingebracht
        urde. Leider gibt es daher zum Aufsichtsstrukturmo-
        ernisierungsgesetz selbst auch nicht viel mehr zu sagen,
        ls ich bereits in unserer Kritik in der ersten Lesung ge-
        agt habe.
        Es ist und bleibt dabei, dass der Gesetzentwurf groß-
        purig mit der Äußerung beginnt, dass ein starker Fi-
        anzplatz eine starke Aufsicht erfordere, er dann aber
        raktisch nichts an der Substanz der Finanzaufsicht ver-
        ndert. Oder wollen die Kolleginnen und Kollegen der
        oalition ernsthaft behaupten, dass irgendein Akteur auf
        em Finanzmarkt dadurch stärker und restriktiver beauf-
        ichtigt wird, dass sie dem Präsidenten des Bundesamts
        ür Finanzdienstleistungsaufsicht vier Direktoren an die
        eite stellen? Anders als viele andere Gesetzentwürfe
        er Koalition leidet der vorliegende Entwurf daher nicht
        aran, dass er Schritte in die falsche Richtung tut, son-
        ern daran, dass er gar keinen Schritt tut.
        Von Ihrer ursprünglich großspurig angekündigten
        erbesserung der Finanzdienstleistungsaufsicht und des
        usammenspiels von Bundesbank und BaFin ist im Ge-
        etz nichts angekommen. Denn ein solches Direktorium
        st für sich nur soviel wert, wie es konkrete Instrumente
        n die Hand bekommt, um die Finanzmärkte auch zu be-
        ufsichtigen und wirksam zu kontrollieren. Mit Ihrem
        ntwurf fallen Sie selbst hinter die ohnehin sehr beschei-
        enen Reformziele des entsprechenden Eckpunktepa-
        iers des Bundesfinanzministers zurück, der seinerseits
        15046 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
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        nicht gerade für drakonische Finanzmarktregulierung
        bekannt ist.
        Seit der ersten Lesung im Dezember ist sich die Fach-
        welt nicht viel einiger geworden, wie weitreichend die
        Folgen der aktuellen Finanzkrise für die Konjunktur in
        Deutschland tatsächlich ist. Aber gerade jetzt, wo selbst
        die Hauptprotagonisten auf den internationalen Finanz-
        märkten, nämlich die Großbanken und die institutionel-
        len Investoren, unsicher geworden sind und ihre Ge-
        schäftspraxis kritisch in Zweifel ziehen, wäre der
        geeignete Moment, um sie politisch enger an die Leine
        der Regulierung zu legen. Die Bundesregierung be-
        schwört immer, die großen Finanzmarktakteure seien
        wegen der Globalisierung kaum mehr nationalstaatlich
        einzuhegen. Auch wenn wir dies nur teilweise unter-
        schreiben würden, wäre gerade jetzt wegen der Verunsi-
        cherung vieler anderer mächtiger Regierungen die
        Chance, substanzielle Schritte zu mehr Regulierung
        auch international anzupacken.
        Ihr Verhalten lässt deshalb nur einen Schluss zu:
        Nicht die vermeintliche Machtlosigkeit nationaler Poli-
        tik in Zeiten der Globalisierung ist der Grund für Ihr
        Nichthandeln. Nein, Sie wollen es genau so! Sie wollen
        die Spielräume der mächtigen Banken, Versicherungen
        und Fonds nicht beschneiden und sie wollen den Rei-
        chen und Superreichen, die wesentlich hinter diesen
        Institutionen stehen, kein Haar krümmen.
        Eine Sache hat sich seit der ersten Sitzung aber tat-
        sächlich geändert: Sie haben angekündigt, dass die Re-
        form der Führungsstruktur der BaFin nur der erste
        Schritt sei; weitere gesetzliche Schritte entsprechend
        dem Eckpunktepapier des BMF würden folgen. Faktisch
        hat das BMF in der Zwischenzeit die Kompetenzabgren-
        zung zwischen BaFin und Bundesbank am Gesetzgeber
        vorbei durch eine Aufsichtsrichtlinie geklärt und hat es
        offenbar nicht einmal für nötig gehalten, dies dem Fi-
        nanzausschuss überhaupt mitzuteilen.
        Nach allem, was wir bisher über diese Aufsichtsricht-
        linie wissen, sieht es so aus, dass eher die Bundesbank
        gestärkt aus der Rivalität mit der BaFin hervorgeht. Das
        bedauern wir sehr, denn als Linksfraktion würden wir
        zweifellos die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-
        aufsicht lieber gestärkt sehen als die Bundesbank. Auch
        an der Bafin ist sicherlich Kritik zu üben, aber diese be-
        sitzt immerhin einen Verwaltungsrat, in dem auch fünf
        Abgeordnete dieses Hauses vertreten sind. Somit ist, an-
        ders als bei der Bundesbank, wenigstens ein Minimum
        parlamentarische Kontrolle über die Finanzaufsicht ge-
        geben.
        Im Rahmen der morgigen Aussprache zur Finanz-
        marktkrise werden sie von uns im Übrigen noch eine
        Vielzahl von konkreten Vorschlägen hören, wie eine
        wirksame Aufsicht in Deutschland aussehen müsste und
        welche Regulierungen dafür gesetzlich verankert werden
        müssten.
        Nichtsdestotrotz, neben den richtigen Spielregeln
        braucht man starke Institutionen, die diese Regeln
        durchsetzen. Das erfordert eine starke und kompetente
        demokratische Aufsicht. Ihr Aufsichtsstrukturmoderni-
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        ierungsgesetz leistet in dieser Hinsicht einfach gar
        ichts.
        Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        iel des Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetzes soll
        ie Effizienzsteigerung der Bundesanstalt für Finanz-
        ienstleistungsaufsicht – kurz BaFin – sein.
        Für einen starken Finanzplatz braucht man eine starke
        ufsicht, da stimmen wir mit der Großen Koalition völ-
        ig überein. Auch muss eine Aufsichtsbehörde gut für
        ie internationale Zusammenarbeit mit den Partnerbe-
        örden aufgestellt sein. All das teilen wir. Wir sehen
        ber gravierende Defizite dieses Gesetzes und lehnen es
        eshalb auch ab.
        Deutschland ist mit seiner Allfinanzaufsicht auf dem
        ichtigen Weg. Die vorhandenen Probleme bei der Fi-
        anzaufsicht haben eher damit zu tun, dass dieser Weg
        isher noch nicht konsequent gegangen wurde. Um die
        rei Bereiche zusammenzuführen, bedarf es eines star-
        en Präsidenten an der Spitze, der über den Bereichen
        teht. Die ihm zur Seite stehenden Direktoren werden
        etzt mit dem Gesetz aufgewertet, aus einer präsidialen
        ird eine kollektive Führung. Wenn aber die Direktoren
        n ihrer Kompetenz gestärkt werden, dann wird der Prä-
        ident geschwächt, das kann nicht anders sein.
        Das halten wir für den ersten Fehler dieses Gesetzes.
        enn der Präsident muss gerade in diesen für die Finanz-
        ärkte äußerst unruhigen Zeiten ständig sehr schwierige
        ntscheidungen treffen und verantworten. Da schadet
        hm jede Schwächung. Auch bei seinen Kolleginnen und
        ollegen bei den andern Aufsichtsbehörden wird dieses
        ignal zu Irritationen und Unverständnis führen. Warum
        erade in einer solchen Phase eine Schwächung vorneh-
        en? Uns leuchtet das auch nicht ein.
        Vor allem aber leuchtet uns nicht ein, warum die Bun-
        esregierung und die sie tragenden Fraktionen nicht zu-
        rst an eine Reform der Inhalte der Aufsicht gehen und
        nschließend an eine dann möglicherweise notwendige
        euordnung der Leitungsstruktur. Die gegenwärtige Fi-
        anzmarktkrise hat eines besonders deutlich gemacht:
        ie BaFin hat zu wenige Möglichkeiten, präventiv zu
        andeln. Ob private oder öffentliche Banken – alle hät-
        en von einer schlagkräftigeren Aufsicht profitiert, die
        egenwärtige Krise hätte nicht solche Ausmaße anneh-
        en müssen.
        Die Bundesregierung hat es aber versäumt, vor einer
        eform eine schonungslose Analyse der Situation auf
        en Finanzmärkten und die Rolle der Aufsichtsstellen
        orzulegen. Erst danach würde eine Strukturreform Sinn
        achen. Dann wüssten wir, welche Rolle der Verbrau-
        herschutz beispielsweise zukünftig einnehmen sollte,
        m die Anlegerinnen und Anleger wirksam zu schützen,
        elche Personalausstattung die BaFin nötig hätte, um
        chlagkräftig und präventiv arbeiten zu können, und
        elche Struktur auch eine EU-weite Aufsichtsstruktur
        aben müsste. Wären diese Fragen geklärt, dann könnte
        an anfangen, die BaFin an den festgelegten Zielen neu
        uszurichten.
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15047
        (A) )
        (B) )
        Sie haben die organisatorische Neuordnung der Fi-
        nanzmarktaufsicht zunächst getrennt von sonstigen Fra-
        gen der Finanzaufsicht. Deswegen haben wir heute sozu-
        sagen ein Minigesetz vorab. Dann aber haben Sie es
        doch wieder verbunden mit der Frage der Neuaufteilung
        der Kompetenzen zwischen Bundesbank und BaFin. Die
        entsprechende Einigung lag uns Abgeordneten aller-
        dings nicht vor, als wir über die Strukturreform der
        BaFin gestern abschließend berieten und abstimmten.
        Dabei ist die Frage der Kompetenzverteilung zwischen
        den beiden Aufsichtsbehörden von zentraler Bedeutung
        für den Finanzplatz Deutschland und natürlich auch für
        die Zukunft der BaFin. Sonst wäre sie doch nicht so um-
        stritten gewesen – auch zwischen den beiden Koalitions-
        parteien.
        Einer hat sich hier auf jeden Fall zurückgelehnt: Fi-
        nanzminister Peer Steinbrück konnte sich aus der Aus-
        einandersetzung zwischen BaFin und Bundesbank raus-
        halten. Doch eine Lösung, auf die sich die beiden häufig
        konkurrierenden Institutionen einigen, ist noch nicht
        notwendigerweise eine gute Lösung für den Finanzplatz
        Deutschland. Und genau darauf hinzuarbeiten, wäre
        Aufgabe des Bundesfinanzministers gewesen. In der Sa-
        che ist die Einigung zwischen Bundesbank und BaFin
        fatal: Weiterhin werden Reibungsverluste die Arbeit der
        Aufsicht insgesamt unnötig behindern, werden unklare
        Aufteilungen von Zuständigkeiten dafür sorgen, dass
        gute Aufsichtsarbeit in Deutschland schwieriger ist als
        notwendig.
        Die Bundesregierung zäumt bei dieser Reform der
        Aufsichtsstruktur das Pferd von hinten auf. Sie stellt
        Struktur vor Inhalt und das in einer so sensiblen Phase
        wie der gegenwärtigen. Die große Koalition schwächt
        mit dem vorliegenden Gesetz den Präsidenten national
        und international, sie vertut die Chance, den Verbrau-
        cherschutz zu stärken, und sie versäumt es, die BaFin
        personell so auf die Höhe zu bringen, dass sie den immer
        umfangreicheren und komplexeren Aufgaben des gegen-
        wärtigen Finanzsystems gerecht werden kann.
        Auch für die Aufsichtsstruktur selbst haben uns die
        Sachverständigen im Ausschuss eine Reihe von guten
        Vorschlägen mitgegeben, die von der Koalition leider
        nicht aufgegriffen wurden. In besonderer Weise will ich
        in diesem Zusammenhang den Vorschlag einer systema-
        tischen Aufwertung und institutionellen Verankerung
        des Verbraucher- und Anlegerschutzes nennen. Eine
        Strukturreform der BaFin muss dieses grundlegende De-
        fizit der deutschen Aufsichtsarchitektur überwinden,
        dass niemand so richtig für den Schutz der Verbrauche-
        rinnen und Verbraucher da ist.
        Häufig liegen die Informationen bei der BaFin vor,
        dürfen aber nicht verwendet werden. Häufig führen Hin-
        weise auf Insiderhandel, Geldwäsche oder ähnliche Ka-
        pitalmarktdelikte nicht zu entsprechenden Verurteilun-
        gen, weil Deutschland hier institutionell nicht gut
        aufgestellt ist. Doch all das findet mit der heutigen Mini-
        reform nicht statt – eine verpasste Chance.
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        nlage 7
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu
        dem Beschluss des Rates vom 7. Juni 2007 über
        das System der Eigenmittel der Europäischen
        Gemeinschaften (Tagesordnungspunkt 15)
        Michael Stübgen (CDU/CSU): Am 7. Juni 2007 hat
        er Rat der Europäischen Union den Beschluss über das
        ystem der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaf-
        en angenommen, einschließlich der zu diesem Be-
        chluss abgegebenen Erklärungen. Der Beschluss soll an
        ie Stelle des Beschlusses des Rates der Europäischen
        nion vom 29. September 2000 über das System der Ei-
        enmittel der Europäischen Gemeinschaften treten und
        etzt die auf dem Europäischen Rat vom 15./16. Dezem-
        er 2005 beschlossenen Änderungen des Eigenmittelsys-
        ems um. Ziel ist es, eine fairere Lastenteilung innerhalb
        er Europäischen Union zu erreichen, damit kein Mit-
        liedstaat, gemessen an seinem relativen Wohlstand,
        berhöhte Haushaltsbelastungen zu tragen hat.
        Der neue Eigenmittelbeschluss ist, wie die früheren
        nsgesamt fünf Eigenmittelbeschlüsse auch, in nationa-
        es Recht umzusetzen. Die Umsetzung bestimmt sich
        ach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 59
        bs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Das klingt sehr rechts-
        echnisch, bedeutet aber nichts anderes, als dass es sich
        m ein Bundesgesetz handelt, mit dem Hoheitsrechte
        es Bundes auf die Europäische Union übertragen wer-
        en. Der Deutsche Bundestag und der Bundesrat, die das
        esetz ratifizieren, geben damit grünes Licht zum Fi-
        anzregime der Europäischen Union in den Jahren 2007
        is 2013, einschließlich der Einnahmen und Ausgaben
        ür den Bundeshaushalt, und natürlich auch zur finan-
        iellen Gewichtung und politischen Schwerpunktsetzung
        er Europäischen Union in den verschiedenen Haus-
        altsrubriken.
        Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen zu-
        ächst sagen, dass die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen
        undestag den vorliegenden Gesetzentwurf nachhaltig
        nterstützt. Grundlage des jetzigen Eigenmittelbeschlus-
        es ist der überaus erfolgreiche Europäische Rat vom De-
        ember 2005, bei dem wir uns alle an die großartige Rolle
        rinnern, die damals unsere gerade ins Amt gewählte
        undeskanzlerin Angela Merkel bei den Verhandlungen
        espielt hat. Sie hat es geschafft, ein monatelanges, quä-
        ndes Tauziehen und Feilschen um Geld und Geschenke
        nd schwere finanzpolitische Konflikte zwischen Franzo-
        en und Briten über die gemeinsame Agrarpolitik und den
        abatt für Großbritannien durch kluge Moderation und
        esichtswahrende Kompromissvorschläge zu beenden.
        ber nicht nur das: Beim Europäischen Rat in Brüssel im
        ezember 2005 ist es gelungen, dem Anliegen der sechs
        roßen Nettozahler der Union – Deutschland, Frankreich,
        ngland, Niederlande, Schweden und Österreich – ge-
        echt zu werden, den Finanzrahmen 2007 bis 2013 auf
        Prozent des Bruttonationaleinkommens zu begrenzen.
        ie Beschlüsse setzten damit ein Schreiben der sechs
        taats- und Regierungschefs dieser Staaten an den damali-
        en Kommissionspräsidenten Prodi um.
        15048 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
        (A) )
        (B) )
        Das politische Signal, das die Bundesregierung damit
        gegenüber der EU-Kommission gegeben hat und das die
        CDU/CSU-Fraktion bis heute nachhaltig unterstützt,
        lautet: Wir können in Europa das Geld nicht mit vollen
        Händen ausgeben, wenn wir auf der Ebene der National-
        staaten den Bürgern schmerzhafte Sparprogramme ab-
        verlangen müssen und ihnen Einkommensstagnation und
        höhere Steuern und Abgaben zumuten. Auch wenn die
        EU-Kommission dieses Signal zunächst nicht verstan-
        den hat und einen Finanzrahmen vorgelegt hat, der weit
        über die Begrenzung von 1 Prozent hinausging – statt
        840 Milliarden Euro 1025 Milliarden Euro oder
        1,22 Prozent EU-BNP – hat sich am Ende die Vernunft
        durchgesetzt. Heute profitieren wir davon. Der Finanz-
        rahmen wurde durch die Nachsteuerung in der soge-
        nannten Inter-Institutionellen Vereinbarung zwischen
        Kommission, Rat und Europäischem Parlament zwar auf
        864 Milliarden Euro erhöht – unter dem Strich zahlt die
        Bundesregierung jedoch durchschnittlich 1 Milliarde Euro
        pro Jahr weniger an die EU. Was ebenso wichtig ist: Die
        Belastungsungleichgewichte bei den Nettozahlern in Be-
        zug auf ihren BNP-Anteil wurden deutlich verringert.
        Auch wenn für Deutschland der Nettosaldo immer noch
        bei minus 0,4 Prozent liegt – der Abstand zu den übrigen
        Nettozahlern hat sich ausweislich einer Antwort der
        Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Frak-
        tion vom 8. Februar 2006 auf maximal 0,1 Prozent ver-
        ringert. So müssen Italien und Frankreich unter dem
        Strich heute deutlich mehr zum EU-Haushalt beisteuern,
        ihr Nettohaushalt hat sich deutlich erhöht und dem deut-
        schen Saldo angeglichen. Auch das ist ein positives Er-
        gebnis der Beschlüsse des Brüsseler Gipfels vom De-
        zember 2005 und sicher auch ein Beitrag, zu mehr
        Beitragsgerechtigkeit zu kommen.
        In diesem Zusammenhang müssen wir auch über den
        britischen Beitragsrabatt reden. Es war leider nicht ver-
        handelbar, für die Finanzperiode 2007 bis 2013 den briti-
        schen Beitragsrabatt abzuschaffen, den Margaret Thatcher
        beim Europäischen Rat in Fontainebleau 1984 mit der be-
        rühmten und damals durchaus begründeten Forderung
        „I want my money back!“ durchgesetzt hat. Der Briten-
        Rabatt wurde in seiner Systematik erhalten. Aber es ist
        gelungen, die Beitragskorrektur für Großbritannien
        schrittweise abzusenken, immerhin bis zu einem Betrag
        von 10,5 Milliarden Euro bis zum Jahr 2013. Dies war zu-
        gegeben nur ein kleiner Schritt, es war aber zugleich ein
        wichtiger Schritt, weil Großbritannien damit politisch an-
        erkannt hat, dass es durchaus bereit ist, über notwendige
        Korrekturen beim Rabatt zu verhandeln, wenn andere Un-
        gerechtigkeiten im Beitragssystem, etwa bei unverhältnis-
        mäßig hohen Vorteilen für andere Länder in der GAP,
        ebenfalls korrigiert werden. Für die anstehende Midterm-
        Review jedenfalls bietet sich hier durchaus ein Ansatz, die
        Beitragsgerechtigkeit im EU-Finanzsystem weiter zu ver-
        bessern und mehr Transparenz in das Dickicht der Son-
        dervorteile einzelner Mitgliedstaaten zu bringen. Was die
        Agrarpolitik anbelangt, so sage ich für die CDU/CSU-
        Fraktion ausdrücklich, dass wir es begrüßen, dass in der
        laufenden Periode ab 2010 die Ausgaben für die Rubrik 1
        der Finanziellen Vorausschau, also für nachhaltiges
        Wachstum, Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt,
        die Ausgaben für die Agrarpolitik erstmals übersteigen
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        erden und auch die Ausgaben für die Rubrik III – Unions-
        ürgerschaft, Freiheit, Sicherheit – sowie für die Rubrik IV
        EU-Außenpolitik – deutlich steigen – leider nur auf das
        iveau der Verwaltungsausgaben. Es bleibt also noch ei-
        iges zu tun. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die Eu-
        opäische Union zukünftig noch mehr leisten kann in die
        ereichen, die den Bürgern einen echten europäischen
        ehrwert bringen: Außenpolitik und gemeinsame Vertei-
        igung, Forschung und strategische Investitionsprojekte,
        icherheit und Terrorismusbekämpfung – und zwar ohne
        rneute Erhöhung der Obergrenzen für die Haushalte.
        nd wir werden auch dafür Sorge tragen müssen, dass die
        U-Kommission ihren Verpflichtungen zur Übersetzung
        uropäischer Rechtssetzungsvorhaben in die deutsche
        prache mit den vorhandenen Ressourcen nachkommt,
        eil ansonsten das Gerede von der aktiveren Mitwirkung
        er nationalen Parlamente an der europäischen Rechtset-
        ung schnell zur Makulatur wird. Wenn die Parlamente
        ie EU-Vorlagen ordentlich beraten sollen, was uns die
        ommission immer wieder erklärt, und dafür sendet sie
        em Deutschen Bundestag und den anderen nationalen
        arlamenten ihre Vorlagen seit dem September 2007 ja
        uch unmittelbar zu, dann müssen diese Dokumente auch
        deutscher Sprache vorgelegt werden – das ist jedenfalls
        ichtiger als im Monatsrhythmus neue Agenturen ins Le-
        en zu rufen, die sich weitgehend der politischen oder par-
        mentarischen Kontrolle entziehen und an deren Sinnhaf-
        gkeit man mit Fug und Recht zweifeln kann.
        Zum Eigenmittelbeschluss gehört auch – ich habe es
        ereits erwähnt – die sogenannte Midterm-Review, ge-
        auer gesagt: Die Midterm-Review hat die Einnahmen
        nd Ausgaben der Europäischen Union und die politi-
        che Ausrichtung und Schwerpunktsetzung der Finan-
        iellen Vorausschau einschließlich der finanziellen Aus-
        irkungen auf die Mitgliedstaaten, kurzum den
        igenmittelbeschluss selbst zum Gegenstand. Dabei ha-
        en wir gut verstanden, dass es nützlich sein kann, über
        ine Finanzreform der Europäischen Union nicht zu früh
        ffentlich nachzudenken, weil man damit unter Umstän-
        en die Ratifizierung des Vertrages von Lissabon gefähr-
        en könnte – was wir alle, die Linksfraktion ausgenom-
        en, im Deutschen Bundestag nicht wollen. Der Preis
        ines erneuten Scheiterns einer Vertragsreform wäre zu
        och. Aber ich will doch einige grundsätzliche Überle-
        ungen in unsere Debatte heute einbringen, die ja auch
        uf der Ebene der Kommission und im Europäischen
        arlament angestellt werden. Der ehemalige österreichi-
        che Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der auch beim
        uropäischen Rat im Dezember 2005 dabei war, hat im
        ergangenen Jahr in einer Veröffentlichung der Bertels-
        ann-Stiftung geschrieben: „Das aktuelle System der
        U-Finanzierung ist intransparent, komplex und unge-
        echt. Deshalb muss es verändert werden. Zudem
        raucht die Europäische Union mehr finanzielle Beweg-
        ichkeit, um ihren globalen Verpflichtungen nachkom-
        en zu können. Damit sie wieder über mehr finanzielle
        igenmittel verfügt, sollte eine EU-Steuer ernsthaft ge-
        rüft werden. Klar ist aber auch: Eine stärkere Belastung
        er Bürger ist ausgeschlossen.“ In der Analyse hat Herr
        chüssel völlig recht. Wer sich heute einmal anschaut
        ie unterschiedlich die EU-Mitgliedstaaten zur Finan-
        ierung des Briten-Rabattes beitragen – der Eigenmittel-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15049
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        beschluss gibt da zumindest für Fachleute ein wenig
        Orientierung – kann nur zu dem Ergebnis gelangen, dass
        die Berechnung das Ergebnis eines unsäglichen Gefeil-
        sches über mehrere Eigenmittelbeschlüsse hinweg gewe-
        sen ist. Und deshalb haben wir uns auch immer wieder
        fraktionsübergreifend dafür eingesetzt, dass der Rabatt
        abgeschafft wird. Aber das geht eben nur mit Zustim-
        mung der Briten. Wer im Übrigen glaubt, in einer neuen
        Eigenmittelquelle, ob sie nun aus der Besteuerung der
        globalen Finanztransfers oder des Flugbenzins oder aus
        einer europäischen Mehrwertsteuerabgabe gespeist
        würde, könnte der Streit vermieden werden, der irrt ge-
        waltig. Solche Überlegungen führen allenfalls dazu, dass
        das Projekt Europa für den Bürger teurer wird. Und die
        neue ZEW-Studie zur Reform des Eigenmittelsystems
        kommt zu dem Ergebnis, dass neue Steuern zu einer
        neuen Umverteilungswelle mit neuen Kompensations-
        zahlungen führen würden.
        Erinnern wir uns nur an die Vorschläge für den Fi-
        nanzrahmen 2007 bis 2013, welche die Kommission und
        das EP vorgelegt haben. Jede Lebenserfahrung spricht
        dagegen, dass in einem System wie der Europäischen
        Union die Bemessungsgrundlagen oder die Hebesätze
        für Steuern jemals abgesenkt werden oder nationale
        Steuern weniger werden, wenn Europa eigene Steuern
        kassiert. Deshalb tun wir gut daran, europäische Steuern
        abzulehnen. Wir tun auch gut daran, dass es dabei bleibt,
        dass sich die Europäische Union nicht verschulden darf.
        Wir ersparen der Union damit eine Glaubwürdigkeitsde-
        batte, wie wir sie seit Jahrzehnten in fast allen Mitglied-
        staaten haben. Die CDU/CSU-Fraktion will die Fehlent-
        wicklungen in den nationalen Haushalten nicht auf
        europäischer Ebene wiederholen: Es ist eben viel leich-
        ter Geld auszugeben, das man eigentlich gar nicht hat,
        als Geld in den öffentlichen Kassen zu sparen. Und da-
        her sagen wir: Wehret den Anfängen.
        Wir müssen auch darüber diskutieren, wie wir die Fi-
        nanzierung der Europäischen Union noch transparenter
        und gerechter ausgestalten können. Der Kollege Silber-
        horn hat hierzu vor einigen Wochen Leitlinien für die
        Midterm-Review vorgestellt, die ich für sehr überlegens-
        wert halte. Lassen Sie mich abschließend einige davon
        nennen. Die Ausgabenobergrenze des Finanzrahmens
        der EU sollte auch in Zukunft 1,0 Prozent des europäi-
        schen BNP nicht überschreiten, denn das Haushaltsvolu-
        men für diese Grenze wächst mit steigendem BNP ohne-
        hin mit. Beitragsgerechtigkeit und Transparenz müssen
        verbessert werden, indem alle Sondervergünstigungen
        und Rabatte, auch diejenigen zur Erleichterung der Zu-
        stimmung zum Finanzregime, abgeschafft werden. Die
        Sparsamkeit im Umgang mit EU-Geldern wird am ehes-
        ten erreicht, wenn die Selbstbeteiligung an den Ausga-
        ben gestärkt wird. Das bedeutet in der Strukturpolitik die
        Anhebung der Kofinanzierungssätze und in der Agrarpo-
        litik die Einführung der Kofinanzierung. Beide beugen
        Korruption und Kaskomentalität vor. Ein ausschließlich
        am Bruttonationaleinkommen orientierter EU-Beitrag,
        der einfach und transparent ist, wird auch von den Bür-
        gern als gerecht angesehen. Wenn es einen Korrekturme-
        chanismus für die Nettozahler geben soll, müssen alle
        Nettozahler in gerechter Weise daran partizipieren kön-
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        en. Wir müssen nicht nur die Einnahmeseite der Euro-
        äischen Union kritisch durchforsten, es ist auch erfor-
        erlich, auf der Ausgabenseite genauer zu prüfen,
        elche Aufgaben zwingend und unter strenger Beach-
        ung des Subsidiaritätsprinzips von der Europäischen
        nion übernommen werden und welche nicht. Edmund
        toiber hat immer wieder gemahnt, dass nicht jedes Pro-
        lem in Europa ein Problem für Europa ist. Wir sollten
        eshalb immer wieder die Frage stellen: Wo liegt der eu-
        opäische Mehrwert? Wer diese Frage ehrlich beantwor-
        et, kann mit der Subsidiarität eigentlich nie in Konflikt
        ommen. Es gibt aber im Vertrag von Lissabon zugleich
        ine formale Hilfestellung, denn dieser Vertrag definiert
        ie Kompetenzen der Europäischen Union deutlich
        chärfer, er gibt den nationalen Parlamenten mit der Sub-
        idiaritätsrüge und Subsidiaritätsklage neue Instrumente
        n die Hand. Es liegt an uns, diese Instrumente gegen-
        ber der Europäischen Union tatsächlich auch zu nutzen.
        ie Midterm-Review bietet hierzu ausreichend Gelegen-
        eit.
        Hans Eichel (SPD): Mit der Einigung über die finan-
        ielle Vorausschau 2007 bis 2013 haben wir in der Dis-
        ussion über das Eigenmittelsystem der Europäischen
        nion zwar eine Etappe beendet, am Ziel sind wir noch
        ange nicht. Im Gegenteil, die Diskussion ist heftig ent-
        rannt. Im Bewusstsein der Unzulänglichkeit der bishe-
        igen Beschlüsse zum Eigenmittelsystem haben die Re-
        ierungschefs eine umfangreiche Überprüfung des
        isherigen Systems beschlossen. Auch die Kommission
        st zu dieser Erkenntnis gelangt und hat deshalb eine De-
        atte angestoßen, die ohne Denk- und Redeverbote ge-
        ührt werden soll und muss. Denn die Zeit für eine
        eform ist reif, das gegenwärtige System veränderungs-
        edürftig.
        Die Frage ist nur: In welche Richtung soll die Reform
        ehen? Eine Reform innerhalb des bestehenden Systems
        der ein radikaler Umbruch? Um diese Frage zu klären,
        uss in erster Linie geklärt werden, inwiefern sich das
        igenmittelsystem in die Struktur- und Kohäsionspolitik
        nd deren Funktionalität in einer auf 27 Mitglieder ange-
        achsenen Union einpassen lässt. Folgende Punkte sind
        abei meines Erachtens unabdingbare Diskussions-
        rundlage: die Vereinfachung des Systems, die Beseiti-
        ung von Intransparenzen und Ungerechtigkeiten, die
        ritische Beleuchtung aller Rabatte, das Bewusstsein,
        ass Reformen bei Einnahmen und Ausgaben nicht un-
        edingt voneinander abhängig sind, und die Ablehnung
        iner zusätzlichen EU-Steuer.
        Lassen sie mich gerade zum letzten Punkt einige aus-
        ührliche Anmerkungen machen, die meine ablehnende
        osition untermauern: In föderalen Staaten existieren
        rei Verfahren, um mehrere Ebenen mit eigenständigen
        teuereinnahmen auszustatten: erstens das Verbundsys-
        em, zweitens das Zuschlagsystem und drittens das
        rennsystem. Die Verfahren unterscheiden sich darin,
        ie weit die Ebenen bei der Erzielung von Steuereinnah-
        en kooperieren.
        Im Verbundsystem teilen sich mehrere föderale Ebe-
        en das Aufkommen einer Steuer. Dies ist die weitestge-
        15050 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
        (A) )
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        hende Form der steuerpolitischen Kooperation der
        Ebenen. Auf die Europäische Union bezogen bedeutet
        dies, dass sie am nationalen Aufkommen einer Steuer
        oder am Gesamtsteueraufkommen beteiligt wird. Aller-
        dings scheidet dieses System schon aufgrund der Unter-
        schiede in den Steuertarifen und in der Abgrenzung der
        Bemessungsgrundlage von vornherein aus.
        In einem Zuschlagsystem erheben mehrere föderale
        Ebenen eine eigenständige Steuer mit gleicher Bemes-
        sungsgrundlage. Die Kooperation bezieht sich also nur
        auf die Bemessungsgrundlage, nicht auf den Steuertarif.
        Für die EU heißt das, dass die Union einen prozentualen
        Aufschlag auf eine in den Mitgliedstaaten vorhandene
        Bemessungsgrundlage als eigene Steuer erhebt. Voraus-
        setzung hierfür ist, dass die Bemessungsgrundlage voll-
        ständig harmonisiert ist. Andernfalls kommt es zu
        Ungleichbehandlungen zwischen den Bürgern unter-
        schiedlicher Mitgliedstaaten. Dies schränkt die Menge
        der infrage kommenden Steuern allerdings stark ein. Es
        bleiben lediglich die Mehrwertsteuer oder eine verein-
        heitlichte Unternehmensteuer.
        Die Mehrwertsteuer ist nicht hinlänglich konkreti-
        siert; das gilt insbesondere für die Anwendung des ermä-
        ßigten Steuersatzes. Die Bemühungen um eine harmoni-
        sierte Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer
        kommen nicht vom Fleck. Die Einkommensteuer ist un-
        geeignet; denn in vielen Mitgliedstaaten ist sie völlig un-
        terschiedlich ausgestaltet. Bei einem europäischen Zu-
        schlag auf die Mehrwertsteuern der Mitgliedstaaten wird
        im Gegensatz zu den jetzigen Mehrwertsteuer-Eigenmit-
        teln die harmonisierte Bemessungsgrundlage nicht zur
        Berechnung von Finanzbeiträgen der Mitgliedstaaten ge-
        nutzt, sondern die EU-Steuer würde dann als eine eigen-
        ständige Steuer erhoben.
        Darüber hinaus besteht beim Zuschlagssystem – im
        Gegensatz zum Verbundsystem – auch die Gefahr, dass
        der gleichzeitige, unkoordinierte Zugriff mehrerer Ebe-
        nen auf dieselbe Steuerbasis zu einer sogenannten Über-
        nutzung der Steuerbasis führt. Die addierte tarifliche
        Steuerbelastung von mitgliedstaatlicher und europäi-
        scher Ebene würde so hoch, dass die Ökonomie beein-
        trächtigt würde und massive legale und illegale Aus-
        weichreaktionen drohen. Im Extremfall sind diese
        Wirkungen so stark, dass dasselbe Steueraufkommen
        auch bei wesentlich geringeren Steuersätzen – und damit
        verbunden bei wesentlich größerer wirtschaftlicher Dy-
        namik und geringeren Ausweichreaktionen – erreicht
        werden könnte.
        Im steuerlichen Trennsystem erheben die föderalen
        Ebenen jeweils völlig eigenständige Steuern. Eine Ko-
        operation der Ebenen findet hier höchstens bezüglich der
        Steuerverwaltung statt. Daher ist eine Harmonisierung
        von Steuersätzen oder Bemessungsgrundlagen nicht er-
        forderlich. Konkret würde dies bedeuten, dass der Union
        die Kompetenz zur Erhebung einer eigenständigen euro-
        päischen Steuer, also zur Festlegung der Bemessungs-
        grundlage und des Steuersatzes, übertragen wird. Hier
        stellt sich nun die Gretchenfrage: Welche steuerliche Be-
        messungsgrundlage kommt für eine solche EU-Steuer in
        Betracht?
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        Wird sie zu eng gewählt, etwa im Rahmen einer euro-
        äischen Energie- oder CO2-Steuer oder einer europäi-
        chen Zinsbesteuerung, so trägt nur ein Teil der Steuer-
        flichtigen zur Finanzierung der EU bei. So würden
        utznießer von öffentlichen Gütern und diejenigen, die
        ür ihre Finanzierung aufkommen, gegeneinander ausge-
        pielt. Außerdem wäre die Union bei der Steuererhebung
        uf die Mitwirkung der nationalen Steuerbehörden ange-
        iesen. Denn der Aufbau einer eigenständigen europäi-
        chen Steuerverwaltung kann aus Kostengründen kein
        erantwortungsbewusster Europäer fordern. Ob diese ih-
        erseits ein Interesse an einer effizienten Steuerdurchset-
        ung hätten, bliebe abzuwarten. Also behielten nationale
        ffizienzunterschiede Relevanz. Sie könnten sich sogar,
        e nach gewählter Steuerbemessungsgrundlage, aufgrund
        on Anreizproblemen noch verstärken.
        Diese Probleme entstünden zum Beispiel bei einer eu-
        opäischen Körperschaftsteuer dadurch, dass die Mit-
        liedstaaten zwar die Kosten der Steuerprüfung bei den
        apitalgesellschaften übernähmen, aber jeden Euro, den
        ie Steuerbehörden durch die Prüfung zusätzlich verein-
        ahmten, als EU-Steuer an die europäische Ebene abfüh-
        en müssten. Nur soweit bei der Steuerprüfung auch zu-
        ätzliche Einnahmen für den Mitgliedstaat entstünden,
        ätte dieser auch ein Interesse an einer Durchsetzung des
        U-Steuerrechts.
        Halten wir also fest: Alle drei angesprochenen Ver-
        ahren sind im Rahmen der Europäischen Union äußerst
        roblematisch und unpraktikabel. Weiterhin bestehen für
        ine eigenständige europäische Steuer zwei weitere gra-
        ierende Gefahren:
        Erstens. Es ist zu befürchten, dass sich im System-
        bergang die Steuerbelastung insgesamt erhöht. Ange-
        ichts der Haushaltsprobleme in den meisten Mitglied-
        taaten ist es unwahrscheinlich, dass die Mitgliedstaaten
        hre Steuern im gleichen Ausmaß senken würden, wenn
        ie Finanzierung vom Eigenmittelsystem auf eine ei-
        enständige EU-Steuer umgestellt würde. Gerade im
        inblick auf die höchsten Zustimmungswerte seit über
        ehn Jahren bezüglich der EU-Akzeptanz in Deutsch-
        and – 67 Prozent sprachen sich letztens für die Mitglied-
        chaft aus –, will ich mir nicht ausmalen, was eine stär-
        ere Steuerbelastung hier ausrichten würde.
        Zweitens. Eine neue Gerechtigkeitsdebatte ent-
        tünde. Denn jede europäische Steuer würde zu Ver-
        chiebungen im Steueraufkommen zwischen den Mit-
        liedstaaten führen. Neue, harte Rabattdiskussionen
        ären die Folge. Daraus folgt: Es gibt kein gerechteres
        inanzierungssystem für die EU als die Anknüpfung an
        as Bruttonationaleinkommen der Mitgliedstaaten. Und
        s gibt kein einfacheres Verfahren als Zuweisungen aus
        en nationalen Haushalten auf BNE-Basis.
        Welche Folgen hat dies für den Reformprozess? Zu-
        ächst einmal bleibt festzuhalten, dass der Spielraum für
        ine Reform durch politische und ökonomische Sach-
        wänge, wie bereits ausgeführt, eng begrenzt ist. Trotz-
        em bestehen gute und realistische Chancen, die Finan-
        ierung der EU hinsichtlich eines effizienteren und
        ntegrationsverträglicheren Systems zu verbessern.
        ntsprechende Vorschläge hat das Zentrum für Europäi-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15051
        (A) )
        (B) )
        sche Wirtschaftsforschung (ZEW) unter der Leitung von
        Dr. Heinemann kürzlich in seiner Studie „Reformoptio-
        nen für das EU-Eigenmittelsystem“ für das Bundesmi-
        nisterium der Finanzen formuliert. Die Studie be-
        schränkt sich dabei im Wesentlichen auf drei Punkte:
        vollständiges Auslaufen der Mehrwertsteuer-Eigenmit-
        tel, Festlegung auf BNE-Eigenmittel als zentrale und
        langfristige Einnahmequelle der EU-Finanzierung, Ein-
        richtung eines verallgemeinerten, jedoch auf bestimmte
        Politikfelder beschränkten Korrekturmechanismus, des
        ABKM.
        Gerade durch das Instrument des ABKM wird eine
        Reform im Stil eines radikalen Umbruchs des Eigenmit-
        telssystems vermieden, aber auch eine Lösung präsen-
        tiert, die die gegenwärtigen unbestrittenen und gravie-
        renden Probleme mindestens abmildert, wenn nicht
        sogar vollständig löst. Durch den allgemeinen Ansatz
        des Korrekturmechanismus werden der Umfang und die
        Struktur der Korrekturzahlungen auf der Basis von ob-
        jektiven und messbaren Länderdaten festgesetzt. Da-
        rüber hinaus wird durch die Begrenzung des Korrektur-
        mechanismus auf bestimmte Politikfelder ein weiterer
        Vorteil ersichtlich: Man begrenzt die Korrektur auf jene
        Politikfelder, in denen die Verteilungseffekte nicht ak-
        zeptabel erscheinen.
        Durch diese maßvolle Reform bleiben gut funktionie-
        rende Elemente wie die beitragsbasierte Verbindung von
        nationalen Haushalten und dem EU-Haushalt bestehen.
        Gerade mit Blick auf eine auch im Bereich der EU drän-
        gender werdende Haushaltsdisziplin, ist eine Beibehal-
        tung dieser bewährten Regelung nur zu empfehlen. Inso-
        fern setzen wir auf eine maßvolle und praktikable
        Reform innerhalb des Systems. Lassen Sie uns Bewähr-
        tes erhalten und intransparente und ungerechte Regelun-
        gen gegen praktikable und gerechte Instrumente austau-
        schen. Eine gute Anleitung dazu hat uns das ZEW an die
        Hand gegeben.
        Michael Link (FDP): Heute, zwei Jahre und zwei
        Monate nachdem sich die europäischen Staats- und Re-
        gierungschefs am 15./16. Dezember 2005 endlich auf
        eine Finanzielle Vorausschau 2007 bis 2013 einigen
        konnten, beschäftigt sich der Bundestag mit der Umset-
        zung der rechtlichen Grundlagen.
        Ich betrachte diese heutige Debatte mit einem lachen-
        den und einem weinenden Auge. Lachend, weil das oft
        technisch anmutende Thema EU-Finanzen zumindest für
        kurze Zeit aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Wei-
        nend, da der Deutsche Bundestag erneut zwar de jure,
        nicht aber de facto sein traditionelles Haushaltrecht hin-
        sichtlich gerundeter 172,8 Milliarden Euro an deutschen
        Steuermitteln wahrnimmt. Diese Summe, rund 20 Pro-
        zent der 864 Milliarden Euro, macht den deutschen An-
        teil am Gesamtfinanzrahmen der EU 2007 bis 2013 aus.
        Als Abnick-Gremium für spätabendliche Koppelge-
        schäfte der Staats- und Regierungschefs auf Europäi-
        schen Räten müsste sich der Bundestag prinzipiell zu
        schade zu sein.
        Politisch ist ein Nein ausgeschlossen, da die Förder-
        periode 2007 bis 2013 bereits auf der Grundlage der ge-
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        roffenen Beschlüsse angelaufen ist. Die logische Konse-
        uenz und eine permanente Forderung der FDP: Der
        eutsche Bundestag muss sich in Zukunft beim Thema
        U-Haushalt frühzeitig in die Debatte einschalten und
        ie Bundesregierung inhaltlich mit dem Instrument der
        tellungnahme nach Art. 23 Abs. 3 GG bei haushalteri-
        chen Entscheidungen an die kurze Leine nehmen. Das
        ilt bei den mehrjährlichen finanziellen Vorausschauen
        brigens ebenso wie bei Fragen der jährlichen EU-Haus-
        alte.
        Insbesondere muss die Aufmerksamkeit des Bundes-
        ages jedoch der geplanten strategischen Neuausrichtung
        er EU-Einnahmen und Ausgaben gelten. Auf diese
        vollständige, weitreichende Überprüfung sämtlicher
        spekte der EU-Ausgaben und EU-Einnahmen“ hat man
        ich zu Recht verständigt, ohne Tabus. Denn mit dem
        orliegenden Eigenmittelbeschluss wurden zwar einige
        erbesserungen vorgenommen, die Ansprüche an ein ge-
        echtes, einfaches und sparsames Finanzierungssystem
        rfüllt der neue Eigenmittelbeschluss aber noch nicht.
        Dennoch sehen wir Liberale in dem neuen Eigenmit-
        elbeschluss Fortschritte, da er dem Ziel einer fairen
        astenteilung zwischen den Mitgliedstaaten einen
        chritt näher gekommen ist.
        Aus deutscher Sicht ist zu begrüßen, dass eine finan-
        ielle Entlastung für Deutschland von jährlich rund einer
        illiarde Euro gelungen ist. Neben Deutschland genie-
        en auch die Niederlande, Schweden, Österreich und vor
        llem Großbritannien als große Beitragszahler Rabatte
        uf der Einnahmenseite. Solange das Ausgabensystem
        berproportional einzelne Regionen und Berufsgruppen
        ubventioniert und nicht prioritär in Zukunftsbereiche
        it wirklichem europäischen Mehrwert wie der GASP,
        er Sicherung der EU-Außengrenzen sowie der trans-
        uropäischen Verkehrs- und Informationsnetze inves-
        iert, sind diese Kompensationszahlungen auf der Ein-
        ahmeseite noch nachvollziehbar.
        Leider ist mit der neuen Finanzperiode 2007 bis 2013
        ine substanzielle inhaltliche Neuausrichtung auf Berei-
        he, die allen – gemeinschaftlich! – zugutekommen,
        icht gelungen. Damit wurde erneut die Chance ver-
        asst, Synergieeffekte zu generieren. Denn auch mit der
        euen Finanziellen Vorausschau wird das Geld der Steu-
        rzahler in Dauersubventionen der Agrar- und Struktur-
        onds vergraben. Solange hier kein Umdenken stattfin-
        et, werden auch die hitzigen Nettozahlerdebatten und
        ie komplizierten Rabattverrechnungssysteme nicht be-
        eitigt werden. Von Transparenz für die Steuerzahler
        eine Spur!
        Bei der anstehenden Revision des EU-Finanzsystems
        etzen wir Liberalen uns deshalb für eine Umschichtung
        er Mittel in die genannten Zukunftsbereiche, eine natio-
        ale Ko-Finanzierung der Agrarförderung, 50/50, sowie
        in degressives Auslaufen der Struktur- und Kohäsions-
        onds ein. Als Liberale stehen wird zum Solidaritätsprin-
        ip. Wo Förderung aber zum Dauertatbestand und Sub-
        entionen nicht in erster Linie dazu verwandt werden,
        ich zukünftig davon unabhängig zu machen, da wird
        er Solidaritätsgedanke pervertiert. Deshalb muss sich
        15052 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
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        die EU-Regionalpolitik zukünftig noch viel stärker auf
        die wirklich bedürftigen Regionen konzentrieren.
        Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, eine ausgewogene
        Belastung der EU-Mitglieder, europäischer Mehrwert,
        vor allem aber keine zusätzlichen Belastungen der Bür-
        ger müssen oberste Maximen bei der Formulierung eines
        neuen Finanzierungssystems sein. Für die FDP gilt: Um-
        schichten statt Aufstocken.
        Außerdem gilt, allen europäischen Begehrlichkeiten
        nach einer EU-Steuer eine klare Abfuhr zu erteilen.
        Denn Aufkommensneutralität ist bei einem Übergang zu
        einem steuerfinanzierten System nicht sicherzustellen.
        Auch muss betont werden, dass die finanzpolitische Au-
        tonomie der EU aus Steuerzahlersicht kein Selbstzweck
        sein kann, sondern dass die europäischen Bürger ein
        Recht auf Budgeteffizienz und sparsamen Umgang mit
        den bereitgestellten Ressourcen haben.
        Aktuelle wissenschaftliche Studien – unter anderem
        vom ZEW und vom Institut der deutschen Wirtschaft –
        bestätigen, dass jegliche in die Debatte eingebrachten
        Steuerarten als Finanzierungsgrundlage für die EU gänz-
        lich ungeeignet sind; sei es aufgrund ihrer starken Kon-
        junkturabhängigkeit, aufgrund der immanenten Be-
        schneidung des Steuerwettbewerbs oder aufgrund der
        unvermeidbar damit verbundenen Wettbewerbsverzer-
        rungen.
        Die FDP präferiert deshalb ein Modell, das aus Trans-
        parenzgründen vollständig auf die Mehrwertsteuer-
        Eigenmittel verzichtet und als Finanzierungsquelle auf
        das Bruttonationaleinkommen setzt, da dies die ökono-
        mische Leistungsfähigkeit der Mitgliedstaaten am besten
        widerspiegelt.
        Damit verbunden ist eine klare Absage an eine EU-
        Steuer. Die deutliche Ablehnung einer EU-Steuer durch
        den bayerischen Europaminister Söder haben wir Libe-
        ralen deshalb gerne vernommen. Worte alleine reichen
        jedoch nicht aus. Während in München eine EU-Steuer
        zu Recht abgelehnt wird, stimmen die deutschen Kon-
        servativen in Straßburg den Plänen des Europaparlamen-
        tariers Lamassoure für ein zweistufiges Verfahren zur
        Einführung einer EU-Steuer zu, wie übrigens auch die
        Kollegen der SPD, die auf ihrem Hamburger Parteitag
        2007 hinsichtlich der EU-Finanzierung leider für den
        Aufbau einer eigenen Einnahmequelle der EU plädiert
        haben. Aber warum sollten sie nun gerade auf EU-Ebene
        anfangen, zu sparen und den Bürger zu entlasten, wenn
        sie dies noch nicht einmal zu Hause können?
        Alexander Ulrich (DIE LINKE): Die Bundesregie-
        rung ist stolz, dass sie weniger Geld nach Brüssel
        überweisen muss. Die EU-Finanzen sind jedoch keine
        Trendsportart Buchhaltung, sondern die Grundlage des
        wichtigsten Staatenverbunds der Welt. Daher lehnen wir
        den Gesetzentwurf der Bundesregierung ab.
        Die zunehmende Armut von 80 Millionen Menschen
        in der EU – dies entspricht allen Einwohnern der Bundes-
        republik – ist ein gesellschaftlicher Skandal. Die Armut,
        insbesondere von Kindern, wird zurückschlagen wie ein
        Bumerang. Die EU wird ohne eine Umkehr dieser Ent-
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        icklung an Legitimität und ökonomischer Bedeutung
        erlieren. Brüssel beansprucht über die sogenannte Me-
        hode der offenen Koordinierung Zuständigkeit in der
        rbeitsmarkt- und in der Rentenpolitik. Die EU kann und
        uss daher auch Verantwortung in der Sozialpolitik
        bernehmen.
        Die Kommission könnte etwa ein Sofortprogramm
        egen Armut anregen. Würde die EU ihren Etat nur auf
        Prozent der Wirtschaftsleistung steigern, könnte von
        iesem Geld jeder arme EU-Einwohner, also Menschen
        it weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkom-
        ens, monatlich 50 Euro als Soforthilfe erhalten. Damit
        ürde die Wirtschaft in der EU spürbar angekurbelt, und
        ie Menschen würden einmal erfahren, dass Europa auf
        hrer Seite steht.
        Natürlich wäre es noch besser, in Ländern wie
        eutschland würden angemessene Löhne bezahlt, und
        ie EU könnte sich auf wichtige Aufgaben, etwa in der
        orschung, konzentrieren. Ich möchte damit nur deutlich
        achen, dass ein kleiner Schritt im EU-Etat ein großer
        chritt für die Menschen sein kann. Natürlich kommt es
        arauf an, das Geld auch vernünftig einzusetzen. Die
        ehlende demokratische Kontrolle der EU ist der Grund,
        ass sich in Europa immer wieder die Interessen der
        onzerne und der Rüstungsindustrie durchsetzen.
        An eine sinnvolle wirtschaftspolitische Steuerung des
        uropäischen Währungsraums ist mit der gegenwärtigen
        inanzausstattung der EU gar nicht zu denken. Dies wird
        ich spätestens mit der drohenden Weltwirtschaftskrise
        ächen. Die Eigenmittelobergrenze von 1,24 Prozent der
        U-weiten Wirtschaftsleistung sowie von 1,31 Prozent
        ür Verpflichtungsermächtigungen wurde seit Mitte der
        990er-Jahre weder angepasst noch ausgeschöpft. Die
        atsächlichen Zahlungen betrugen seit 2000 weniger als
        Prozent der Wirtschaftsleistung.
        Selbstverständlich gibt es auch Einsparpotenziale,
        twa bei der teuren Unterhaltung zweier Parlamentssitze
        n Brüssel und Straßburg oder den Ausgaben für militäri-
        che Operationen der EU. Dies ändert jedoch nichts da-
        an, dass Europa mittelfristig über mindestens 3 Prozent
        eines Bruttoinlandsprodukts verfügen muss, um den wirt-
        chaftlichen, sozialen und kulturellen Zusammenhalt Eu-
        opas zu sichern.
        Der Klimawandel erfordert ein ökologisches Wirt-
        chaftswunder in Europa. Nachhaltiges Wachstum ist
        ine Priorität der Kommission. Dennoch steigen die Mit-
        el für die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit um
        2 Prozent, während die Ausgaben für Kohärenz nur um
        Prozent zunehmen. Die Mittel für die nachhaltige Be-
        irtschaftung natürlicher Ressourcen fallen gar um
        Prozent und werden zu einem erheblichen Teil in den
        usbau der Atomenergie fließen.
        Wir brauchen eine Verstetigung des Ausgabenpfads,
        amit sich die Wirtschaftsleistung antizyklisch den
        taatsausgaben anpasst und nicht umgekehrt. Grundsätz-
        ich sollte es den Mitgliedsländern überlassen sein, aus
        elchen Steuerarten sie den EU-Haushalt finanzieren.
        er Beitrag von Gewinn- und Vermögenseinkommen
        um Steueraufkommen hat in Deutschland dramatisch
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15053
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        abgenommen. Er lag 1970 bei 27 Prozent, der Anteil der
        Lohnsteuern lag damals bei nur 23,7 Prozent. Der Bei-
        trag der Gewinn- und Vermögenssteuern sank bis 2005
        auf 17,7 Prozent, und der Beitrag der Lohnsteuern stieg
        spiegelbildlich auf 32,2 Prozent. Den Löwenanteil finan-
        zieren also mittlerweile Arbeitnehmer und Verbraucher.
        Deutschland hat das Steuerdumping bei den Unter-
        nehmensteuern in der EU selbst entfacht. Bei den effek-
        tiven Unternehmensteuern liegen wir im unteren euro-
        päischen Mittelfeld, gemessen an der Größe unserer
        Volkswirtschaft liegen wir international sogar ganz weit
        unten. Das jüngste Beispiel ist Nicolas Sarkozy, der die
        französischen Proteste gegen seine Unternehmensteuer-
        reform mit dem Verweis auf die deutsche Steuererleich-
        terung rechtfertigte. Der Lohnsteuerstaat behindert die
        wirtschaftliche Entwicklung und ist sozial ungerecht.
        Die drei von der Kommission empfohlenen Säulen
        der EU-Eigenmittel sehen wir kritisch:
        Eine mehrwertsteuergestützte Säule würde aufgrund
        des unterschiedlichen Gewichts der Verbrauchsteuern
        nur neue Diskussionen um Rabatte entfachen.
        Ähnliches gilt für die Körperschaftsteuern. Hier gibt
        es sehr unterschiedliche Proportionen zwischen Perso-
        nen- und Kapitalgesellschaften, die eine gleichmäßige
        Belastung zwischen den Mitgliedsländern erschweren.
        Energiesteuern haben hingegen einen Lenkungs- und
        einen Aufkommenszweck. Immer wenn der Lenkungs-
        effekt, also die Verminderung des Energieverbrauchs,
        greift, müssten sie also erhöht werden.
        Wir plädieren daher für eine progressive EU-Steuer,
        die sich am Bruttosozialprodukt orientiert: Ein Mit-
        gliedsland, dessen Pro-Kopf-Einkommen um 20 Prozent
        über dem EU-Durchschnitt liegt, zahlt also einen um
        20 Prozent höheren Steuersatz; bei einem EU-Durch-
        schnittssatz von 2 Prozent wären das dann 2,4 Prozent.
        Diese Variante, die in der zweiten Hälfte der 1980er-
        Jahre von der spanischen Präsidentschaft vorgeschlagen
        wurde, hat den Vorteil, deutlich zum wirtschaftlichen
        und sozialen Zusammenhalt in der EU beizutragen. Sie
        würde auch den Vorteilen entsprechen, die ein Land wie
        Deutschland durch seine Exportüberschüsse in der EU
        genießt. Da die einkommensärmeren Länder von dieser
        Variante profitieren, wird es ihnen erleichtert, auf Steu-
        erdumping zu verzichten. Hierzu sollte die EU Mindest-
        steuersätze auf einer harmonisierten Bemessungsgrund-
        lage verabreden.
        Die Linke steht für Verbesserungen im Sinne der EU-
        Bürger. Ein Europa der Banken, der Konzerne und der
        Rüstungsindustrie ist mit uns nicht zu machen.
        Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        NEN): Die EU hat sich die Überprüfung ihres Haushalts
        auf die Fahnen geschrieben. Wir halten dies für eine gute
        Initiative und beteiligen uns an der Debatte, woher das
        Geld im EU-Haushalt in Zukunft kommen soll und wo-
        für wir das Geld ausgeben wollen.
        Das bisherige System ist ineffizient, undemokratisch
        und instabil und nicht gemacht für eine EU mit 27 Mit-
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        liedern. Zwar ist die Bereitschaft der Staats- und Regie-
        ungschefs, der EU auf Gipfeltreffen und in Sonntagsre-
        en neue Aufgaben zuzuweisen, groß. Die Initiativen
        eichen von Klimaschutz über eine gemeinsame Außen-
        nd Sicherheitspolitik bis hin zu einer gemeinsamen Mi-
        rationspolitik. Wenn es dann ums Geld geht, werden
        ie Töne leiser. Will die EU ihre Ziele jedoch verwirkli-
        hen und neue Aufgaben angehen, braucht sie einen sta-
        ilen Haushalt.
        Die Bundesregierung ist bisher nicht mit innovativen
        orschlägen aufgefallen. Ihr geht es in erster Linie da-
        um, ihre Mitgliedsbeiträge auf Euro und Cent herauszu-
        olen. Die Bundesregierung hat drei grundlegende Prin-
        ipien der EU nicht verstanden: erstens das Prinzip der
        olidarität, zweitens das Prinzip, nach dem sich die fi-
        anziellen Rückflüsse auch zum Beispiel im gesteigerten
        xportvolumen in die neuen Märkte Mittel- und Osteu-
        opas berechnen und drittens das Mehrwertprinzip. Der
        uropäische Mehrwert liegt nämlich auch in einem Mehr
        n politischer und ökonomischer Stabilität und Sicher-
        eit sowie in der Einsicht, dass die EU Aufgaben wie
        en Klimaschutz effizienter wahrnehmen kann, als es
        ie Mitgliedstaaten allein können.
        Wir wollen der EU ein ökologisches und solidarisches
        rofil geben. Damit wird die EU ihren Ansprüchen als
        limaschutzakteurin gerecht, und Klimaschutz wird zu
        inem Politikfeld mit europäischem Mehrwert, deutlich
        ichtbar und nachvollziehbar für die Bürgerinnen und
        ürger der EU. Der ökologische und solidarische Mehr-
        ert soll sich auch im Haushalt wiederfinden.
        Statt des Gerangels um die mehrjährigen Haushalts-
        läne und populistischer Nettozahlerdebatten braucht die
        U einen stabilen, transparenten und demokratischen
        aushalt. Wir wollen kontinuierliche Einnahmen statt
        efeilsche um Rabatte und sogenannte Korrekturmecha-
        ismen. Wie im privaten Haushalt gilt auch für die EU:
        ie Finanzen sind begrenzt, die Prioritäten müssen stim-
        en und das Geld muss effizient eingesetzt werden. Un-
        er Ziel ist eine neue stabile Einnahmequelle für die EU,
        ostenneutral für die Bürger und Bürgerinnen. Wir wol-
        en ein Finanzsystem, das nach dem Verursacherprinzip
        unktioniert. Denkbar wäre die Besteuerung von Treib-
        toffen, sodass die größten Klimaschädiger am tiefsten
        n die Tasche greifen müssen. Die Einnahmen sollten in
        limaschutzmaßnahmen investiert werden. Eine harmo-
        isierte Unternehmensteuer oder eine Börsenumsatz-
        teuer wären ebenfalls möglich. Im Sinne des Binnen-
        arkts ist es nur folgerichtig, Unternehmen EU-weit zu
        esteuern und die Einnahmen zum Beispiel in struktur-
        chwachen Regionen zu investieren.
        Angesichts globaler Herausforderungen wie Klima-
        andel, Wassermanagement, Ernährungssicherheit so-
        ie Erhalt der Biodiversität und der ländlichen Regionen
        st die Gemeinsame Agrarpolitik ein wichtiger Schlüs-
        el. Wir wollen die landwirtschaftlichen Direktzahlun-
        en neu legitimieren, Subventionen an gesellschaftliche
        eistungen der landwirtschaftlichen Betriebe koppeln
        ie Klima-, Natur-, Umwelt- und Tierschutz und Ar-
        eitsplatzsicherung und mit einem Klimabonus für be-
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        sonders klimafreundliche Bewirtschaftung, zum Beispiel
        durch ökologischen Landbau, Anreize schaffen.
        Der Vertrag von Lissabon gibt dem Europäischen Par-
        lament endlich das parlamentarische Grundrecht der
        Haushaltskontrolle. Damit kommen wir der demokrati-
        schen Legitimation ein gutes Stück näher und weg von
        den Kungeleien unter Staats- und Regierungschefs.
        Die anstehende Finanzreform bietet die Chance, mit
        einer Vision unserer politischen Prioritäten und stabilen
        Finanzen das Vertrauen der Bürger und Bürgerinnen in
        die EU zu stärken. Diese Chance sollten wir nutzen.
        Anlage 8
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
        Berichts: Für ein Europäisches Kartellamt (Ta-
        gesordnungspunkt 18)
        Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Gestatten Sie mir,
        dass ich die Gelegenheit nutze und meinen Ausführun-
        gen zum Antrag der Linken „Für ein europäisches Kar-
        tellamt“ ein paar grundsätzliche Erwägungen zum Deut-
        schen Kartellrecht voranstelle.
        Kaum ein Politiker hat diese Republik so nachhaltig
        geprägt wie Ludwig Erhard. Kaum ein Politiker wurde
        aber auch so wenig verstanden. Soziale Marktwirtschaft
        für Politikergenerationen nach ihm hieß „sozial“: Um-
        verteilung ohne Rücksicht auf Wirtschaft. Marktwirt-
        schaft hieß: Der Große frisst den Kleinen. Als Maßstab
        für kartellrechtliche Schranken wurden lediglich die Ver-
        braucherpreise gesehen. Übersehen wurde, was Konzen-
        trationsprozesse zum Beispiel im Handel für mittelstän-
        dische Strukturen vom Fachhändler bis zum Lieferanten
        heißen. Kartellrecht – in Deutschland wie in ganz Eu-
        ropa – muss gerade auch die Auswirkungen auf Zuliefe-
        rer ins Blickfeld nehmen. Nur dann ist die Erhard’sche
        Vision des „Wohlstands und der Teilhabe für alle“ als
        eine Zukunftsoption zu retten.
        In den neuen EU-Staaten vollziehen sich derzeit be-
        schleunigt die Konzentrationsprozesse, die wir bereits
        hinter uns haben. Ich meine, dass hier zuallererst die Na-
        tionalstaaten gefordert sind. Auch im Zeitalter der Glo-
        balisierung haben Märkte einen lokalen Bezug, sind
        räumlich abgrenzbar. Subsidiarität heißt dabei: Wenn
        man national marktbeschränkende Konzentrationen ver-
        hindert, sind europäische ausgeschlossen. Das heißt, die
        nationale Perspektive ist die entscheidende. Es muss ein
        deutsches Anliegen sein, die nationalen Kompetenzen zu
        sichern, gleichzeitig aber auch sicherzustellen, dass in
        den anderen europäischen Mitgliedstaaten analog ver-
        fahren und nach vergleichbaren Maßstäben marktbe-
        schränkende Konzentrationsprozesse kontrolliert wer-
        den.
        Umgekehrt sollten wir uns aber nicht Sand in die Au-
        gen streuen lassen. Es gibt da welche, die uns einreden:
        Wenn man den Markt nur groß genug wählt, dann
        herrscht Wettbewerb. Am Beispiel der Energieversorger
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        rläutert: Das Defizit in Deutschland ist nicht dadurch zu
        eheben, dass der Energiemarkt europäisch betrachtet
        ird.
        Das 2005 als Basis für die verstärkte Zusammenarbeit
        er nationalen Kartellbehörden gegründete Europäische
        etzwerk der Kartellbehörden, ECN, ist inzwischen an-
        rkannt und ermöglicht erfolgreich eine effektive Ko-
        peration. Die Linke fordert stattdessen einen neuen
        bersten europäischen Wettbewerbshüter, übersieht da-
        ei, dass Deutschland wie auch die Europäische Union
        ereits ein gut funktionierendes System der Wettbe-
        erbshüter haben.
        Im Hinblick auf internationale Sachverhalte gilt ge-
        äß § 130 II GWB bereits heute das Auswirkungsprin-
        ip. Demnach kann das Bundeskartellamt auch bei inter-
        ationalen Wettbewerbsverstößen tätig werden, wenn sie
        ich auf den deutschen Wirtschaftsraum auswirken.
        Auf europäischer Ebene ist die Kartellhoheit schon
        lleine deshalb nicht gut aufgehoben, da die europäische
        ommission in ihrer Entscheidungspraxis nicht nur al-
        ein dem Schutz des Wettbewerbsrechts verpflichtet ist,
        ondern auch industrie-, regional-, sozial-, beschäfti-
        ungs- und umweltpolitische Aspekte wahrnimmt. In
        er europäischen Kommission wird der Schutz des Wett-
        ewerbs also immer hinter anderen Zielen zurücktreten
        nd deshalb wohl immer weniger restriktiv gehandhabt
        ls durch das deutsche – unabhängige – Kartellamt.
        In Ihrer zweiten Forderung attackiert die Linke genau
        iese ehemals besonders hoch geschätzte Unabhängig-
        eit des Systems der Wettbewerbsaufsicht von der Poli-
        ik. Ihre Forderung, dass das europäische Kartellamt so-
        ohl eigeninitiativ als auch auf Initiative der nationalen
        arlamente sowie des Europäischen Parlaments tätig
        erden soll, würde zu einer Politisierung des Wettbe-
        erbsrechts führen. Ich lehne dies aus oben genannten
        ründen entschieden ab.
        Vor genau dieser Einflussnahme hat uns Ludwig Erhard
        och gewarnt. Wir müssen heute die Aufgabenteilung ver-
        idigen, in der der Gesetzgeber zwar die Grundlagen für
        ntscheidungen vorgibt, die Wettbewerbsbehörde jedoch
        nabhängig entscheidet. Eben diese Unabhängigkeit der
        ettbewerbshüter ist in jedem Fall zu wahren.
        Wir haben in Europa derzeit ein vom Einfluss einzel-
        er Mitgliedstaaten relativ unabhängiges System der
        ettbewerbsaufsicht. Entsprechend dem Subsidiaritäts-
        rinzip kooperieren die nationalen Kartellämter mit dem
        uropäischen Wettbewerbshüter sehr gut. Die Zuständig-
        eiten sind klar abgestimmt und angesichts der unter-
        chiedlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Mit-
        liedstaaten, halte ich es für mehr als wichtig, dass auch
        eiterhin die nationalen Kartellämter in der Hauptver-
        ntwortung stehen. Wir brauchen definitiv keine weitere
        uropäische Zentralinstitution, die die Wettbewerbspoli-
        ik der Mitgliedsländer bürger- und realitätsfern gestal-
        et. Das Ergebnis Ihres Antrags wäre aber genau dies:
        ine neue Behörde, die weite Kompetenzen an sich zie-
        en wird, um diese zu vereinheitlichen oder zu zentrali-
        ieren.
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15055
        (A) )
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        Die CDU/CSU tritt energisch an gegen einen solchen
        zusätzlichen Verwaltungsapparat ohne Mehrwert. Unse-
        rer Meinung nach führt der Weg zur Beschränkung der
        Marktmacht von Großkonzernen einzig und alleine über
        Wettbewerb, dessen Rahmen auf die nationalen Bedürf-
        nisse abgestimmt sein muss.
        Des Weiteren bitte ich Sie zu berücksichtigen, dass
        für einen funktionierenden Markt Preise Preise bleiben
        müssen. Angebot und Nachfrage bestimmen in einer
        Marktwirtschaft den Preis und nicht der Staat. Nur dann
        kommt es zur Markträumung. Schlagen Sie sich Ihre
        Vorstellungen von Sozialismus durch die Hintertür end-
        lich aus dem Kopf.
        Natürlich müssen wir die Rahmenbedingungen
        schaffen, damit sich Preise frei am Markt finden. Bei
        den Stromversorgern sind wir gerade dabei. Das heißt
        aber nicht zwingend, dass mehr Wettbewerb am Ende
        zu sinkenden Preisen führen wird, weil die von vielen
        Faktoren beeinflusst werden. Nur Monopol- bzw. Oli-
        gopolrenditen können ausgeschlossen werden. Beim
        Strompreis hatten wir übrigens bereits früher staatliche
        Preiskontrollen. Trotzdem sind die Preise gestiegen.
        Dass staatliche Preiskontrollen ein Einfallstor sind,
        belegen Ihre Forderungen nach Sozialtarifen für Strom.
        Da sind sich auf dem „Holzweg ins Uferlose“. Sozialpo-
        litik wird über staatliche Transfers gemacht. Sozialtarife
        für Strom: Warum nicht auch für Lebensmittel oder Me-
        dizin? Am Ende weiß niemand mehr, wer was bekommt.
        Am Ende sind diejenigen die Lackierten, die knapp mehr
        als das Arbeitslosengeld II mit harter Arbeit erwirtschaf-
        ten und von den Wohltaten nicht profitieren.
        Außerdem: Wie wollen wir einen solchen Eingriff ei-
        gentlich umsetzen? Wie wollen wir ihn rechtfertigen?
        Energieversorger können ihn gerne freiwillig anbieten.
        Das bleibt ihnen überlassen. Einen verordneten Sozialta-
        rif würden die Versorger übrigens doch wohl kaum aus
        ihren Gewinnen finanzieren. Sie würden ihn sich entwe-
        der von den nicht begünstigten Verbrauchern oder vom
        Staat erstatten lassen.
        Was wir in diesem Land sicher nicht brauchen, ist
        mehr Planwirtschaft. Deshalb: Ihr Lob für die Bemühun-
        gen unseres Bundeswirtschaftsministers Michael Glos,
        die Missbrauchsaufsicht im Energiesektor zu verschär-
        fen, nehmen wir dankend an, ihren Antrag für ein euro-
        päisches Kartellamt lehnen wir dankend ab.
        Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD): In Ihrem
        Antrag fordern die Kollegen der Linken die Bundesre-
        gierung auf, sich für die Einrichtung eines europäischen
        Kartellamtes einzusetzen. Die neue Institution solle die
        Kompetenzen der Generaldirektion Wettbewerb inner-
        halb der EU-Kommission übernehmen und für seine
        Aufgaben angemessen personell und rechtlich ausgestat-
        tet werden. Aufgabe des Amtes müsse es sein, Fusionen
        und Kartelle zu überwachen, zu unterbinden und den
        Missbrauch von Marktmacht bei der Preisbildung zu
        verhindern.
        Gewiss sind Zweifel angebracht, ob die europäische
        Wettbewerbsbehörde wirklich sachgerecht aufgestellt
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        st. Es drängt sich immer wieder der Eindruck auf, dass
        ier mehr nach politischen Maßstäben und eben nicht
        ach einheitlichen rechtlichen Maßstäben kontrolliert
        ird und Wettbewerbsregeln durchgesetzt werden. Was
        edoch die Linke plant, ist erst recht eine politisierte In-
        titution, die sowohl aus eigener Initiative als auch auf
        nitiative der nationalen Parlamente sowie des Europa-
        arlaments tätig werden können soll. Dies tragen wir
        icht mit. Wenn es denn ein Europäisches Kartellamt ge-
        en sollte, dann nur als politisch unabhängige Institu-
        ion.
        Unabhängig davon funktioniert das bestehende Sys-
        em durchaus nicht so schlecht, wie es die Linke dar-
        tellt. Die Kooperation zwischen der EU-Wettbewerbs-
        ehörde und den nationalen Behörden und Gerichten ist
        nstitutionalisiert und sorgt für eine einheitliche Anwen-
        ung des europäischen Wettbewerbsrechts. Und was die
        reismissbrauchsaufsicht für Strom und Gas angeht, so
        aben wir erst vor wenigen Monaten mit dem Gesetz ge-
        en Wettbewerbsbeschränkungen die Möglichkeiten der
        issbrauchsaufsicht deutlich verbessert.
        Wer mit seinen Strom- oder Erdgaspreisen mehr als
        0 Prozent über denen eines Wettbewerbers in einem
        ergleichbaren Markt liegt, muss sich gefallen lassen,
        ass das Kartellamt ihn überprüft. Die Mitwirkungs-
        flichten des betroffenen Unternehmens an dieser Über-
        rüfung werden innerhalb des Kartellverfahrens durch
        mkehr der Beweislast verstärkt. Mit diesen Regelungen
        aben wir die Missbrauchsaufsicht verbessert, aber keine
        enerelle Preisregulierung für Strom und Gas eingeführt.
        enn wir wollen, dass sich die Zahl der Marktteilnehmer
        eutlich vergrößert und dadurch mehr Wettbewerb ent-
        teht. Deswegen setzen wir in erster Linie auf die Her-
        tellung des diskriminierungsfreien Netzzugangs für
        eue Marktteilnehmer und die Einführung einer effizienz-
        rientierten Anreizregulierung. Deswegen fordern wir
        ie Öffnung und Verknüpfung der europäischen Gas- und
        tromnetze, damit europäischer Wettbewerb entsteht.
        Martin Zeil (FDP): Für Ludwig Erhard war das
        er-se-Kartellverbot ein Kernelement des deutschen
        ettbewerbsrechts, für das er leidenschaftlich gestritten
        at. Weniger leidenschaftlich agieren leider die schwarz-
        ote Bundesregierung und allen voran Bundeswirt-
        chaftsminister Glos, wenn es um die Frage der Stärkung
        es Wettbewerbs in Deutschland und der Europäischen
        nion geht. Gerade die Rahmenbedingungen für den eu-
        opäischen Wettbewerb und das europäische Wettbe-
        erbsrecht aber müssen kontinuierlich weiterentwickelt
        erden, auch um eine wettbewerbsfeindliche Neuinter-
        retation des Gemeinschaftsrechts wirkungsvoll zu ver-
        eiden. Es gibt die verhängnisvolle Tendenz, Begriffe
        ie Markt, Wettbewerb und Globalisierung zu missbrau-
        hen und Ängste zu schüren. Diese politisch erzeugte
        urcht vor dem „freien und unverfälschten Wettbewerb“
        at auf europäischer Ebene dazu geführt, dass die ent-
        prechende Passage aus dem Vertrag von Lissabon ge-
        trichen wurde.
        Ein erster Schritt wäre die Schaffung eines europäi-
        chen Kartellamts. Der Vorschlag der FDP zu diesem
        15056 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
        (A) )
        (B) )
        Thema liegt Ihnen vor, jetzt haben die Linken einen Vor-
        schlag präsentiert, über den wir heute debattieren. Die
        Bundesregierung wollte oder konnte hingegen weder in
        Deutschland noch auf europäischer Ebene Überzeu-
        gungsarbeit für ein ordnungspolitisch klares und recht-
        lich einwandfreies Wettbewerbsrecht, zu dem dann auch
        ein europäisches Kartellamt gehören würde, leisten.
        Stattdessen schaffen Sie gesetzliche Grundlagen wie
        beim Mindestlohn im Postsektor, von denen Sie selbst
        sagen, dass es Angelegenheit der Gerichte sei, die Aus-
        gestaltung dieses Gesetzes festzulegen. Damit schaffen
        Sie bei den betroffenen Unternehmen, die auch bereits
        investiert haben, in einem hohen Maß Rechtsunsicher-
        heit. Ein Blick auf die Wirtschaftspolitik der Bundesre-
        gierung, von der die Wirtschaftsweisen sagen, dass keine
        wirtschaftspolitische Strategie erkennbar sei und richtige
        und wegweisende Reformen konterkariert würden, zeigt,
        dass bei der schwarz-roten Koalition nachhaltige, ord-
        nungspolitische Zusammenhänge und ein wirksamer
        Wettbewerb sträflich vernachlässigt werden.
        Generell bleibt festzuhalten: Der Wettbewerb muss in
        diesem Land und in Europa auf allen Ebenen funktionie-
        ren: Wir brauchen endlich eine europäische Wettbe-
        werbspolitik. Wir müssen die Grundlage dafür schaffen,
        dass nationalen Regierungen die Möglichkeit genommen
        wird, auf ihren Heimatmärkten nationalen Unternehmen
        Fusionen zu gestatten, auch wenn damit massive Wettbe-
        werbsbeschränkungen verbunden sind. Dieses führt zu
        Handelsverzerrungen und damit zu weniger Wettbewerb
        und höheren Preisen, die am Ende die Verbraucher in
        den jeweiligen Ländern zu tragen haben. Deshalb wer-
        den wir uns für die Schaffung eines politisch unabhängi-
        gen europäischen Kartellamts einsetzen, welches dem
        Ziel eines Binnenmarkts mit freiem und unverfälschtem
        Wettbewerb verpflichtet ist und dabei auf ein ergebnisof-
        fenes Wettbewerbskonzept zum Schutz der Handlungs-
        freiheit der Marktteilnehmer und zur Sicherung einer
        wettbewerbsförderlichen Marktstruktur vertraut.
        Zu einem wirksamen Wettbewerbsschutz gehört als
        Ultima Ratio auch die Möglichkeit der Entflechtung von
        Unternehmen, die eine marktbeherrschende Stellung ein-
        nehmen. Diese Möglichkeit, die es im amerikanischen
        Kartellrecht seit Jahrzehnten gibt, muss auch ins deut-
        sche und ins europäische Kartellrecht übernommen wer-
        den. Die eigentumsrechtliche Entflechtung im Energie-
        sektor ist der Schlüssel zu mehr Wettbewerb und
        niedrigeren Verbraucherpreisen.
        Noch ein Wort zum dem Antrag der Linken: Ihr An-
        trag fordert die Einführung eines europäischen Kartell-
        amts bei gleichzeitiger Entmachtung bzw. Abschaffung
        der Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission.
        Das neu gegründete Kartellamt soll jedoch nicht der
        Wahrung und Ausweitung wettbewerblicher Prozesse
        verpflichtet sein. Ich zitiere: „Wo Wettbewerb mehr zer-
        stört als erschafft, ist es nicht angezeigt, ihn einzuführen
        oder zu verstärken.“ Gleichzeitig zeugt der Antrag von
        einer erheblichen institutionellen Skepsis gegenüber den
        heutigen EU-Wettbewerbsinstitutionen und deren Willen
        und Fähigkeit zur ordnungsgemäßen Wettbewerbs- und
        Marktmissbrauchsaufsicht. Dem Antrag der Linken liegt
        daher eine völlig falsche Betrachtungsweise zugrunde.
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        r führt zu weniger Wettbewerb, mehr Bürokratie und
        ehr staatlichem Dirigismus. Deshalb können wir die-
        em Antrag nicht zustimmen.
        Wir brauchen in Deutschland wie in Europa schlag-
        räftige Wettbewerbsbehörden. Wer die europäische In-
        egration will, muss auch ein Kartellamt auf europäi-
        cher Ebene wollen. Ein europäisches Kartellamt würde
        uch eine dringend erforderliche Stärkung des Wettbe-
        erbsgedankens innerhalb der EU bewirken. In der so-
        ialen Marktwirtschaft ist das Kernelement der wirk-
        ame Wettbewerb, und wir sind für eine Stärkung des
        artellrechts – bis hin zu einer Entflechtungsnorm –,
        nd wir sind für ein europäisches Kartellamt. Unsere
        raktion hat hierzu die entsprechenden Anträge vorge-
        egt. Es ist nun an der Bundesregierung und an Bundes-
        irtschaftsminister Glos sich in Zukunft nicht nur sym-
        olisch für die Stärkung des „freien und unverfälschten
        ettbewerbs“ auf der europäischen Ebene einzusetzen,
        ondern endlich zu handeln.
        Dr. Herbert Schui (DIE LINKE): Ein europäisches
        artellamt ist dringend notwendig. Die Unternehmens-
        onzentration in Europa nimmt weiterhin zu. Der Dämp-
        er bei den Fusionen und Übernahmen gegen Ende 2007
        st allein auf die Finanzkrise zurückzuführen. Für die
        ommenden Monate wird eher ein Verharren auf dem re-
        ativ hohen Niveau als ein weiterer Rückgang erwartet.
        st die Finanzkrise erst einmal überstanden, wird die
        ahl der Fusionen und Übernahmen wieder ansteigen, so
        ie sie es auch nach dem abrupten Ende des Fusions-
        ooms 2000 wieder tat.
        Die fortschreitende Konzentration hat weitreichende
        olgen: nicht zuletzt steigende Preise. Die Unternehmen
        ind zunehmend in der Lage, Preise jenseits der Wettbe-
        erbspreise durchzusetzen: zugunsten ihres Gewinns
        nd zulasten der Verbraucher.
        Die Europäische Zentralbank hingegen ist davon
        berzeugt, dass Inflation ein rein monetäres Phänomen
        st: Wenn die EZB ihr Inflationsziel verletzt sieht, hebt
        ie die Zinssätze an und drosselt so die Geldversorgung.
        ls Ergebnis dieser Politik flacht das Wirtschaftswachs-
        um ab. Die Stabilisierung des Preisniveaus durch Geld-
        olitik führt demnach zu einem niedrigen Wachstum und
        u einer höheren Arbeitslosigkeit. Von einem unmittel-
        aren Zusammenhang zwischen Geldversorgung und
        reisniveau kann allerdings nicht die Rede sein. Stabile
        reise sind lediglich ein Nebenprodukt der Geldpolitik.
        atsächlich wirkt die Geldpolitik in der folgenden Weise
        uf das Preisniveau: Eine Zunahme des Wirtschafts-
        achstums erhöht den Preiserhöhungsspielraum für die
        nternehmen. Die kontraktive Geldpolitik verringert das
        irtschaftswachstum und damit den Preiserhöhungs-
        pielraum. Nur in dieser Weise hat die Geldpolitik Erfolg
        ei der Stabilisierung des Geldwertes. Aus Gründen der
        eldwertstabilität wird also der Wirtschaftsaufschwung
        lach gehalten.
        Das europäische Kartellamt kann dazu beitragen, das
        reisniveau zu halten, ohne dabei das Wirtschaftswachs-
        um abzuflachen. Ein europäisches Kartellamt ist ebenso
        ie die Geldpolitik in der Lage, die Preiserhöhungs-
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        spielräume der Unternehmen einzuschränken: präven-
        tiv, indem es bei Fusionen und Übernahmen darauf ach-
        tet, dass Marktmacht nicht entsteht, und korrektiv, indem
        es den Missbrauch dieser Macht bei der Preissetzung
        verhindert. Das Ergebnis ist eine geringere Inflation
        ohne die bei der Geldpolitik der EZB entstehenden
        Wohlfahrtsverluste.
        Zu den Folgen steigender Konzentration gehört auch
        die Konzentration wirtschaftlicher Macht in den Händen
        weniger. Wirtschaftliche Macht strebt stets politische
        Macht an. Damit nicht mächtige Lobbyisten die Politik
        diktieren, muss der Konzentration wirtschaftlicher
        Macht Einhalt geboten werden. Die Generaldirektion
        Wettbewerb der Europäischen Kommission ist dazu
        nicht in der Lage, wie das aktuelle Beispiel des Regulie-
        rungsversuchs im Energiesektor zeigt.
        Eine entsprechende personelle und rechtliche Aus-
        stattung eines europäischen Kartellamts ist daher unver-
        zichtbar. Es muss in die Lage versetzt werden, sich mit
        marktbeherrschenden Unternehmen auseinanderzuset-
        zen. Zu beachten ist dabei, dass Wettbewerb stets immer
        nur ein Mittel zum Zweck ist und kein Ziel an sich.
        Wettbewerb kann unter Umständen ein Mittel zur Ver-
        besserung der volkswirtschaftlichen Allokation sein. Wo
        Wettbewerb mehr zerstört, als er erschafft, ist es nicht
        angezeigt, ihn einzuführen oder zu fördern.
        Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Mehr Wettbewerbskontrolle: Das ist wichtig. Deswegen
        müssen wir die Kartellbehörden stärken.
        Europäische Wirtschaftsstrukturen brauchen auch eine
        europäische Wettbewerbskontrolle, ein verlässliches und
        integriertes System regionaler, nationaler und europäi-
        scher Wettbewerbspolitik. Das befördern wir aber nicht
        durch bürokratische Schnellschüsse. Wir müssen ge-
        meinsame Leitlinien nationaler und internationaler Wett-
        bewerbspolitik und Grundsätze internationalen Wettbe-
        werbsrechtes entwickeln. Die Kompetenzen nationaler
        und internationaler wettbewerbspolitischer Institutionen
        müssten klar abgegrenzt werden. Und wir müssen die
        umfassenden Defizite der nationalen Wettbewerbskon-
        trolle beseitigen.
        Die Begründung des Antrages enthält eine äußerst eta-
        tistische und wettbewerbsfeindliche Sichtweise auf Preis-
        bildung und Preiskontrolle. Die Linksfraktion warnt hier
        sehr deutlich vor scheinbar zerstörerischen Folgen von
        Wettbewerb. Er sei günstigenfalls Mittel zum Zweck.
        Das ist am Thema vorbeigeschrieben: Lebensmittel,
        Energie, Telekommunikation, Bahn, Post – in all diesen
        Bereichen haben wir doch nicht das Problem, dass ein
        zerstörerischer Wettbewerb herrschen würde. Vielmehr
        dominieren frühere Monopolisten oder nur sehr wenige
        Wettbewerber. Sie haben den Markt weitgehend unter
        sich aufgeteilt. Das verhindert Wettbewerb, treibt die
        Preise in die Höhe und schadet den Verbraucherinnen
        und Verbrauchern. Gerade eine marktwirtschaftlich aus-
        gerichtete Wirtschaftspolitik, die auf Wettbewerb setzt,
        muss konsequent oligopolistische und monopolistische
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        trukturen bekämpfen. Deswegen brauchen wir starke
        artellbehörden.
        Wir wollen den Wettbewerb stärken. Dazu gehört eine
        reie Preisbildung, zu deren Voraussetzung die Auflö-
        ung von Monopolen oder Oligopolen gehört. Das ist gut
        ür die Verbraucher. Ein bunter Markt mit bunten Ange-
        oten führt zu sinkenden Preisen. Monopole und Oligo-
        ole sind immer Preistreiber.
        Eine Preiskontrolle auf europäischer Ebene, wie ihn
        ie Linksfraktion fordert, ist aber der falsche Ansatz. Es
        st nicht die Aufgabe des Staates, Preise zu setzen. Es ist
        eine Aufgabe, für Wettbewerb zu sorgen und Rahmen-
        edingungen für einen funktionierenden Markt zu set-
        en. Wenn der Markt sich selbst überlassen wird, setzt
        ich leicht das Recht des Stärkeren auf Kosten der Ange-
        otsvielfalt durch. Neue Anbieter müssen mit ihren gu-
        en Angeboten durchdringen können. Das muss funktio-
        ieren, aber dafür brauchen wir keinen Preisdirigismus.
        Wir müssen in Deutschland dringend für eine bessere
        usstattung der Kartellbehörden sorgen. Dem Bundes-
        artellamt fehlt es seit Jahren an Personalmitteln und
        usstattung – trotz steigender Ausgaben. In der Haus-
        altsdebatte haben Bündnis 90/Die Grünen beantragt,
        ier die Personalmittel um 1,2 Millionen Euro auf
        ,5 Millionen Euro aufzustocken. Wie im Vorjahr hat die
        roße Koalition diesen Antrag abgelehnt. Das ist fatal.
        em Amt fehlen bereits 28 Stellen, um seine Aufgabe
        ffizient erfüllen zu können. Wir müssen das Bundeskar-
        ellamt in die Lage zu versetzen, die Missbrauchsauf-
        icht zu verstärken. Und wir brauchen scharfe Instru-
        ente, um Wettbewerb auf den Märkten durchzusetzen,
        ie heute unter der Macht von Oligopolen leiden.
        Wir fordern die Bundesregierung auf: Bereiten Sie die
        msetzung der Eigentumsentflechtung ownership un-
        undling vor, nach dem die Übertragungsnetze vollstän-
        ig und damit auch eigentumsrechtlich von den restli-
        hen Geschäftsbereichen der Energiekonzerne getrennt
        ind! Geben Sie Ihren Widerstand gegen die entspre-
        henden Pläne der EU auf! Bündnis 90/Die Grünen for-
        ern, im Energiewirtschaftsgesetz festzuschreiben, dass
        nternehmen, die im Elektrizitäts- und Gasbereich eine
        er Funktionen Vertrieb, Erzeugung und Gewinnung
        usüben, nicht Eigentümer oder Miteigentümer oder Be-
        reiber eines Übertragungs- oder Fernleitungsnetzes sein
        ürfen.
        Wir wollen im Energiewirtschaftsgesetz festschrei-
        en, dass ein Energieunternehmen in marktbeherrschen-
        er Stellung gezwungen wird, so viele seiner Kraftwerke
        n unabhängige Dritte zu verkaufen, bis seine Marktdo-
        inanz beendet ist.
        Für den Lebensmittelbereich muss die Bundesregie-
        ung nachhaltige Konzepte entwickeln, wie der vertikale
        irtschaftliche Druck auf die Landwirte verhindert wer-
        en kann, Lebensmittel unter Erzeugungspreis an markt-
        ominierende Unternehmen abzugeben. Wir müssen die
        öglichkeiten des Bundeskartellamts weiter stärken,
        eine erfolgreiche Arbeit der Marktkontrolle im Lebens-
        ittelbereich intensiv fortzuführen und auszubauen.
        15058 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
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        Im Postbereich muss die steuerliche Bevorzugung der
        Deutschen Post AG gegenüber den Wettbewerbern end-
        lich beendet werden.
        Wir brauchen eine wettbewerbsorientierte Telekom-
        munikationspolitik. Es war ein Trauerspiel, dass die
        Bundesnetzagentur nur unter schärfsten Anfeindungen
        Gleichheit bei der Netznutzung durchsetzen konnte.
        Und bei der Bahn dürfen wir die Fehler aus anderen
        Bereichen nicht wiederholen, indem der Ex-Monopolist
        das Netz noch gratis dazubekommt. Auch hier ist die
        Trennung von Netz und Betrieb Voraussetzung für einen
        echten Wettbewerb.
        Eine klare antimonopolistische Politik ist Grundlage
        für erfolgreiches Wirtschaften. Nur so können wir die
        Potenziale ausschöpfen, die die Marktwirtschaft bietet.
        Und nur so können die mittelständischen Ideenträger,
        von denen wir in Deutschland viele haben, auf dem
        Markt auch endlich zum Zuge kommen.
        Anlage 9
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
        Berichts: Siebenunddreißigste Verordnung zur
        Durchführung des Bundes-Immissionsschutzge-
        setzes (Verordnung zur Absicherung von Luft-
        qualitätsanforderungen – 37. BimSchV) (Tages-
        ordnungspunkt 17)
        Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU): Die CDU/
        CSU-Bundestagsfraktion stimmt der 37. Verordnung zur
        Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu.
        Die Verordnung der Bundesregierung dient zur Absiche-
        rung von Luftqualitätsanforderungen und verfolgt als
        wesentliches Ziel die Senkung der NO2-Emissionsfrach-
        ten aus Feuerungsanlagen. Betroffen sind dabei einer-
        seits Großfeuerungs- und Gasturbinenanlagen, zum an-
        deren Anlagen zur Verbrennung und Mitverbrennung
        von Abfällen. Teilweise geht es dabei auch um Umset-
        zung europäischen Rechts. So legt die Richtlinie 96/62/
        EG über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqua-
        lität in Verbindung mit der Richtlinie 1999/30/EG unter
        anderem Luftqualitätswerte für Stickstoffoxide fest. Zu
        hohe weiträumige Hintergrundbelastungen führen teil-
        weise zusammen mit zusätzlichen lokalen Belastungen
        zur Überschreitung dieser Grenzwerte. Um eine dauer-
        hafte Einhaltung der Grenzwerte zu erreichen, ist die
        Verringerung der Hintergrundbelastung notwendig. Au-
        ßerdem ist die Emissionsminderung im Bereich der
        Stickoxide auch aufgrund der Überarbeitung der soge-
        nannten NEC-Richtlinie über nationale Emissions-
        höchstmengen erforderlich. Ziel ist die Absenkung der
        nationalen Emissionshöchstmengen.
        Somit werden wir mit den Maßnahmen sowohl unse-
        ren europäischen Verpflichtungen gerecht als auch unse-
        rem nationalen Interesse an der Reinhaltung der Luft und
        an einem hohen Schutzniveau im Bereich der Luftquali-
        tät im Interesse der Bürgerinnen und Bürger.
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        In den letzten Tagen wurden nun noch Änderungs-
        ünsche an uns herangetragen, mit denen mögliche Pro-
        leme bei der Einhaltung der Vorschriften für kleine
        asturbinen zur Strom- und Wärmeerzeugung sowie für
        en Einsatz als Antriebsmaschine angesprochen werden.
        iese Fragen werden sicherlich in dem sich nun an-
        chließenden Bundesratsverfahren ausführlich erörtert
        erden können. Soweit sich demnach ein Änderungsbe-
        arf noch ergeben sollte, ist die Union für eine Diskus-
        ion hierüber sicherlich offen.
        Ich will abschließend auf eine Argumentation in der
        egründung der Verordnung eingehen: Unter Buch-
        tabe a, Problem und Ziel, heißt es: „Vor dem Hinter-
        rund des Atomausstiegs ist der Einsatz fossiler Brenn-
        toffe unverzichtbar. Das gleichzeitige Bemühen um
        ine klimaneutrale Energieproduktion, insbesondere
        urch die Abscheidung und Speicherung von CO2, führt
        zumindest vorübergehend – durch den erhöhten Ein-
        atz fossiler Energieträger zu einem verstärkten Ausstoß
        on Luftschadstoffen.“ Ich will diese Formulierung zum
        nlass nehmen, eines klarzustellen: Meine Fraktion ist
        icht für einen Atomausstieg, der zu einer Erhöhung der
        O2-Emissionen führt.
        Detlef Müller (Chemnitz) (SPD): Das Bundeskabi-
        ett hat im August 2007 in Meseberg mit den 29 Eck-
        unkten das derzeit weltweit ambitionierteste Energie-
        nd Klimaprogramm beschlossen. Dazu hat das Kabinett
        m 5. Dezember 2007 ein erstes umfangreiches Paket mit
        4 Gesetzen und Verordnungen beschlossen, die jetzt zur
        arlamentarischen Beratung anstehen.
        Das Maßnahmenpaket zeigt uns die Möglichkeit auf,
        ie auch in Zukunft eine Energiepolitik, die auf Ver-
        orgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltver-
        räglichkeit basiert, möglich ist. Dazu gehört, dass die
        nergiewirtschaft und die Industrie verlässliche und
        ettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für ihre Inves-
        itionen haben. Gleichzeitig benötigen die Verbraucher
        osteneffiziente Lösungen und transparente, verlässli-
        he Rahmenbedingungen für ihre Konsum- und Inves-
        itionsentscheidungen. Die vorgelegten Rechtsetzungs-
        orhaben bieten diese Verlässlichkeit; sie definieren
        eweils für ihre Bereiche Ziele bis 2020 und unterlegen
        ies mit konkreten Maßnahmen.
        Das Wort, das sich wie ein roter Faden durch das
        KEP schlängelt, ist Energieeffizienz; im Maßnahmen-
        atalog ist unter dem Oberbegriff Energieeffizienz übri-
        ens auch die Novellierung der 37. Bundes-Immissions-
        chutzverordnung enthalten, über die wir hier heute im
        arlament debattieren. Genauer formuliert: Wir debattie-
        en über die 37.Verordnung zur Durchführung des Bun-
        es-Immissionsschutzgesetzes, die Verordnung zur Ab-
        icherung von Luftqualitätsanforderungen. Durch diese
        ovellierung werden ambitionierte Standards mit ehr-
        eizigen Grenzwerten für den Stickoxidausstoß neuer
        raftwerke und Müllverbrennungsanlagen festgelegt.
        amit wollen wir erreichen, dass neue Kraftwerke nicht
        ur effizienter, sondern auch sauberer als alte sind.
        urch die Vorgabe von Grenzwerten werden insbeson-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15059
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        dere die zukünftigen Betreiber von Kohlekraftwerken in
        die Pflicht genommen.
        Fakt ist aber, dass wir die geplanten sauberen Kohle-
        kraftwerke gerade vor dem Hintergrund des Atomaus-
        stieges, den wir als SPD-Fraktion nicht infrage stellen,
        benötigen. Wir können auf fossile Brennstoffe derzeit
        noch nicht verzichten. Effiziente Kohle- und Gaskraft-
        werke spielen unserer Meinung nach auch im Energie-
        mix der Zukunft eine wichtige Rolle. In den nächsten
        15 Jahren muss in Deutschland die Leistung von unge-
        fähr einem Drittel aller Kraftwerke erneuert werden:
        rund 40 000 Megawatt. Hier sind modernste Technolo-
        gien gefragt – erneuerbare Energien, hocheffiziente
        Kohle- oder Gaskraftwerke und zukünftig auch kohlen-
        dioxidfreie Kohlekraftwerke. Wir müssen deshalb mas-
        siv in die Erneuerung des Kraftwerksparks investieren,
        um alte gegen neue und effizientere Anlagen auszutau-
        schen.
        Nicht nur bei der Effizienz des Energieverbrauchs,
        sondern auch bei der Energieerzeugung – insbesondere
        der Stromerzeugung – müssen wir Fortschritte erzielen.
        Wenn wir im Jahr 2020 rund 25 Prozent des Stromver-
        brauchs aus erneuerbaren Energien decken, dann ist dies
        ein wichtiger Schritt – aber es bleiben 75 Prozent übrig
        für die fossilen Energien. Eine vollständige Energiever-
        sorgung nur aus erneuerbaren Energien ist bis 2020 tech-
        nisch kaum realisierbar oder finanziell nicht vertretbar.
        Deshalb brauchen wir Investitionen in hochmoderne,
        hocheffiziente Öl-, Gas- und Kohlekraftwerke. Wir können
        es uns nicht leisten, dass wertvolle Rohstoffe verschwendet
        werden, weil mit veralteten Technologien gearbeitet wird.
        Moderne Kohlekraftwerke mit Wirkungsgraden von über
        45 Prozent gewinnen nicht nur mehr Strom aus der gleichen
        Menge Brennstoff; sie sparen auch mehr als die Hälfte des
        Kohlendioxids gegenüber alten Anlagen ein und können
        die Grundlastversorgung mit Strom sichern. Insgesamt gibt
        es hier große Möglichkeiten für Innovationen und Beschäf-
        tigung, auch weil deutsche Firmen bei Kraftwerkstechnolo-
        gien führend auf dem Weltmarkt sind.
        Es ist klar, dass die Umsetzung der Eckpunkte für ein
        integriertes Energie- und Klimaprogramm die Wirtschaft
        vor neue Herausforderungen stellt. Immer noch führt der
        Einsatz fossiler Energieträger zu einem Ausstoß von
        Luftschadstoffen. Hier müssen und werden wir gegen-
        steuern. Wir wollen in Zukunft keinen neuen Wildwuchs
        von Kraftwerken und Müllverbrennungsanlagen mit al-
        ter Technik, sondern die bestmöglichen technischen An-
        lagen, weil uns die Umwelt, die Gesundheit und das
        Klima wichtig sind.
        Insbesondere Stickstoffoxide gelten als sehr gefährli-
        che Schadstoffe. Sie kommen vorwiegend in der Luft
        vor und stammen insbesondere aus Abgasen von Indus-
        trieanlagen, Kraft- und Fernheizwerken, von Gebäude-
        heizungen und Verkehrsabgasen. Den größten Anteil an
        der Emission von Stickstoffoxiden hat hier mit Abstand
        der Verkehr. Bei der Ausgestaltung von Grenzwerten für
        künftige Euro-Normen für Pkw und Lkw wird auf Stick-
        stoffoxide verstärkt geachtet werden müssen.
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        Die Novellierung der 37. Bundes-Immissionsschutz-
        erordnung nimmt jetzt auch die Betreiber von Indus-
        rieanlagen, von Kraft- und Feinheizwerken und Müll-
        erbrennungsanlagen verstärkt in die Pflicht. Ziel der
        ovelle ist es, frühzeitige Vorgaben von Rahmenbedin-
        ungen für die Planung neuer Anlagen, die ab 2013 in
        etrieb gehen, zu geben.
        Wie andere Luftschadstoffe wirken Stickstoffoxide
        chädlich auf die Atemwege. Eine erhöhte Empfindlich-
        eit gegenüber Atemwegsinfektionen und chronische
        ronchitis bei länger einwirkenden höheren Konzentra-
        ionen lassen sich nachweisen. In der Außenluft sind
        tickstoffoxide an der Bildung von Feinstaub und bo-
        ennahem Ozon beteiligt. Bei Pflanzen schädigen sie
        lattoberschichten und Nadeln. Der sogenannte saure
        egen, der Stickstoffoxide enthält, führt zur Versaue-
        ung von Böden und Gewässern. Karge Böden werden
        urch das zunehmende Nährstoffangebote überdüngt
        nd die an diese nährstoffarme Umgebung angepassten
        flanzen verdrängt.
        Stickstoffverbindungen sind leider wahre Verwand-
        ungskünstler: Sie sind sehr mobil und ineinander trans-
        ormierbar. Sie werden mit der Luft verbreitet, dringen
        ber Niederschläge in Böden und Gewässer ein und ge-
        angen von dort in die Meere. Inzwischen stören Stick-
        toffrückstände weiträumig natürliche Stoffkreisläufe
        nd Ökosystembeziehungen. Die Wandlungsfähigkeit
        acht Stickstoffverbindungen auch so problematisch.
        inderungsmaßnahmen in einem Umweltbereich kön-
        en unter Umständen dazu führen, Probleme in einen an-
        eren Bereich zu verschieben und sie noch zu verstär-
        en. Deshalb sind auch andere Verbindungen, zum
        eispiel Ammoniak und Schwefeldioxid, Bestandteil
        es sogenannten Göteborg-Protokolls, nach der engli-
        chen Bezeichnung „national emission ceilings“ auch als
        EC-Richtlinie bekannt.
        In der NEC-Richtlinie werden durch die EU die
        ährlichen nationalen Emissionshöchstmengen über
        lle Emissionsquellen eines Staates festgelegt, die von
        en Mitgliedstaaten einzuhalten sind. Nationale Emis-
        ionshöchstmengen begrenzen also den gesamten
        ährlichen Ausstoß eines Schadstoffes für einen Staat.
        ie NEC-Richtlinie lässt allerdings offen, mit wel-
        hen Maßnahmen die Mitgliedstaaten diese Werte ein-
        alten wollen. Neben der NEC-Richtlinie bildet die
        U-Luftqualitäts-Rahmenrichtlinie, die in Verbindung
        it der ersten Tochterrichtlinie Immissionsgrenzwerte
        nter anderem für Stickstoffoxide festlegt, die ab
        010 einzuhalten sind, die Grundlage für die Novel-
        ierung der 37. BlmschV.
        Lassen Sie mich zusammenfassen: Mit der Novellie-
        ung der 37. BlmschV soll dem verstärkten Schadstoff-
        usstoß insbesondere von Stickstoffoxiden entgegenge-
        irkt werden, damit Deutschland die Einhaltung der
        ationalen Emissionshöchstwerte innerhalb der NEC-
        ichtlinie einhalten kann. Gleichzeitig geben wir aber
        it dieser Novellierung zukünftigen Betreibern klare
        nd verlässliche Rahmenbedingungen, die sie erfüllen
        üssen, und sorgen damit für eine berechenbare und
        ertrauenswürdige Politik.
        15060 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
        (A) )
        (B) )
        Wir als SPD-Fraktion betrachten die Regelungen für
        notwendig und angemessen. Ich bitte Sie deshalb um
        Ihre Zustimmung.
        Michael Kauch (FDP): Im Umweltausschuss ent-
        brannte eine energiepolitische Debatte vor allem an dem
        Passus in der Gesetzesbegründung, in dem es heißt: „Vor
        dem Hintergrund des Atomausstiegs ist der Einsatz fos-
        siler Brennstoffe unverzichtbar“. Tatsächlich ist diese
        Schlussfolgerung nur konsequent. Wenn Bündnis 90/Die
        Grünen und Die Linke sowie Teile der SPD das nicht
        wahr haben wollen, dann verschließen sie sich der Reali-
        tät.
        Es ist schlichtweg unseriös zu behaupten, der Einsatz
        erneuerbarer Energien könne bereits mittelfristig Atom
        und Kohle ersetzen. Für die FDP steht fest: Zu einem
        breiten Energiemix der Zukunft wird auch auf absehbare
        Zeit die Kohle gehören.
        Die weitere Nutzung fossiler Brennstoffe wie Braun-
        und Steinkohle ist langfristig mit einer ambitionierten
        Klimaschutzpolitik aber nur dann in Einklang zu bringen,
        wenn wir Technologien zur Abscheidung und Einlage-
        rung von CO2 einsetzen. Die CO2-Abscheidung – CCS –
        ist nach Expertenaussagen ab 2020 eine machbare Option
        für den Klimaschutz. Mit CCS können wir Kohle und Gas
        für Jahrzehnte nutzen, ohne zusätzliche Treibhausgase in
        die Atmosphäre zu geben. Es ist eine Technologie, die ne-
        ben Energieeffizienz und erneuerbaren Energien in der
        Zukunft einen zusätzlichen Beitrag zum Klimaschutz
        leisten kann. Das bedeutet aber nach unserem jetzigen
        Wissen über diese Technik, dass mit der CO2-Abschei-
        dung niedrigere Wirkungsgrade und somit ein höherer
        Brennstoffeinsatz verbunden ist. Das ist aus ökologischer
        Sicht zumindest dann verantwortbar, wenn wir im Rah-
        men der immissionschutzrechtlichen Regelungen Vor-
        sorge treffen. Daher brauchen wir die vorliegende Ände-
        rung der 37. Bundes-Immissionschutzverordnung, um
        auch dauerhaft eine gute Luftqualität zu sichern.
        Die verschärfte Festlegung von Grenzwerten zum
        Ausstoß von Stickoxiden wird von der FDP-Bundestags-
        fraktion begrüßt. Die 37. BlmSchV enthält Regelungen
        zur Absenkung der Emissionsfrachten für Stickstoff-
        oxide und frühzeitige Vorgaben von Rahmenbedingun-
        gen für die Planung neuer Anlagen. Sie dient der Umset-
        zung von EU-Vorgaben und ergänzt darüber hinaus
        andere deutsche immissionsschutzrechtliche Verordnun-
        gen. Wir teilen die Intention dieser Verordnung, Klima-
        schutz und Immissionsschutz auf fortschrittlichstem
        technischem Niveau zur Akzeptanzsteigerung bei Neu-
        bauprojekten von Kraftwerken zu realisieren.
        Wir halten es für richtig, einem verstärkten Ausstoß
        von Stickstoffoxiden entgegenzuwirken. Auch zukünftig
        sollen steigende Anforderungen an die Luftqualität si-
        cher eingehalten werden. Betreiber von Anlagen, die ab
        2013 in Betrieb gehen, erhalten Rechts- und Planungssi-
        cherheit. Das sind richtige Maßnahmen. Nach unserer
        Kenntnis stellen diese Emissionswerte grundsätzlich
        kein Problem dar und können von Anlagen ab 2013 ein-
        gehalten werden. Allerdings werden die neuen Grenz-
        werte zusätzliche Investitionen erfordern.
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        Zu klären bleibt aber noch, wie die Verordnung
        echtssystematisch einzuordnen ist. Denn auch weiterhin
        erden die Konzentrationsgrenzwerte der geltenden
        3. Bundes-Immissionschutzverordnung für Großfeue-
        ungsanlagen bzw. der 17. BlmSchVfür Abfallverbren-
        ungsanlagen gelten. Es wäre daher zu überlegen, ob
        ämtliche anlagenbezogenen Grenzwerte in einer ge-
        einsamen Verordnung zusammengefasst werden kön-
        en. Diese Frage sollte noch auf den Fachebenen und
        ann gegebenenfalls in einem weiteren Verfahren poli-
        isch geklärt werden. Daran soll aber nun die materiell-
        echtliche Verbesserung der Luftreinhaltung jedoch nicht
        cheitern.
        In der Gesamtbeurteilung des Verordnungsentwurfes
        ommt die FDP-Bundestagsfraktion zu dem Schluss,
        ass zur Erreichung ambitionierter klima- und umwelt-
        olitischer Ziele die Verordnung notwendig und dazu
        uch geeignet ist. Wir stimmen dem Verordnungsent-
        urf daher zu.
        Lutz Heilmann (DIE LINKE): 19 neue Kohlekraft-
        erke sollen in Deutschland entstehen – mindestens.
        ie, die Bundesregierung, tun nichts dagegen. Im Ge-
        enteil, Sie befürworten sogar den Bau dieser Kraft-
        erke. Das ist Ihr klimapolitischer Offenbarungseid.
        as ist Ihr klimapolitischer GAU. Das Einzige, was Ih-
        en gegen die negativen Folgen einfällt, ist diese Verord-
        ung. Im Übrigen verteilen Sie kräftig Beruhigungspil-
        en. Stichwort Emissionshandel. Der funktioniert aber
        icht richtig. Stichwort CCS. Das Kohlendioxid wollen
        ie aus den Abgasen herausfiltern. Dann wollen Sie es
        ls Zeitbombe für zukünftige Generationen unter der
        rde entsorgen. Das Spiel kennen wir schon zur Genüge
        om Atommüll. Ich sage Ihnen: Mit uns nicht! Was noch
        us den Schornsteinen kommt, sind die Luftschadstoffe.
        ie belasten nicht das Klima, dafür aber die Gesundheit
        er Menschen. An vielen Standorten geplanter Kraft-
        erke haben sich ja nun erfreulicherweise Bürgerinitiati-
        en gebildet – wie zu besten Zeiten der Antiatombewe-
        ung. Diese werden wie in Mainz, Hamburg und
        nsdorf in ihrem Widerstand durch Ärzteinitiativen un-
        erstützt, die auf die Gesundheitsgefahren der Menschen
        urch die zusätzlichen Schadstoffe hinweisen. Was da
        us den Schornsteinen kommt, sind Kohlenmonoxid,
        tickoxide, Schwefeloxide, Schwermetalle – und auch
        rsen. Genau, das ist das Gift, das man eigentlich nur
        us Krimis kennt. All das kommt aus den Schornsteinen,
        bwohl die Grenzwerte eingehalten werden. Selbst wenn
        an also den Klimaschutz gedanklich kurz beiseite lässt,
        elbst dann ist diese Verordnung völlig unzureichend.
        enn statt für alle oben genannten Schadstoffe drasti-
        che Verschärfungen der Grenzwerte einzuführen, sollen
        ur für Stickoxide schärfere Grenzwerte eingeführt wer-
        en. Das bedeutet aber nichts anderes, als dass Sie die
        assive Gesundheitsgefährdung von Anwohnerinnen
        nd Anwohnern in Kauf nehmen. Nicht umsonst warnen
        rzteinitiativen vor einer extrem ansteigenden Fein-
        taubbelastung. In Hamburg-Moorburg sollen es jährlich
        ast 400 Tonnen sein. Über Umweltzonen brauchen wir
        ann gar nicht mehr zu reden. Ich sage Ihnen: Schärfere
        renzwerte nur für Stickoxide einzuführen, ist deswegen
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15061
        (A) )
        (B) )
        nicht nur unsinnig. Das ist schon fahrlässig. Und mit Ih-
        rer Begründung verhöhnen Sie den gesunden Menschen-
        verstand: Zwar hat Deutschland in der Tat Probleme, den
        von der EU bis 2010 geforderten Ausstoß von Stickoxi-
        den in Deutschland zu verringern. Ihre Verordnung greift
        aber erst ab 2013. Da fühlt sich jedes Schulkind veräp-
        pelt, so hanebüchen ist das.
        Zudem soll die entsprechende Richtlinie der EU noch
        im April verschärft werden. Dabei sollen für Feinstaub
        ebenfalls nationale Höchstwerte eingeführt werden. Da
        frage ich mich, ob Sie sich wirklich den Schutz der Ge-
        sundheit auf die Fahnen geschrieben haben. Wenn Sie
        Feinstaub bei dieser Verordnung außen vor lassen, dann
        schützen Sie jedenfalls nicht die Anwohnerinnen und
        Anwohner. Dann schützen Sie nur die Kraftwerksbetrei-
        ber! Das hat anscheinend Methode. Denn bestehende
        Anlagen werden von weiteren Auflagen komplett ver-
        schont. Gesetzlich vorgeschrieben ist aber, dass alle
        Kraftwerke und Fabriken mit den besten verfügbaren
        Techniken betrieben werden. Das wird von den Verwal-
        tungen im Vollzug allerdings sehr großzügig im Sinne
        der Industrie gehandhabt. Daran wollen Sie auch mit
        dem neuen Umweltgesetzbuch nichts ändern. Die ent-
        sprechenden Vorschriften lassen Sie so vage, wie sie
        jetzt schon sind. An der Luftverschmutzung und der Kli-
        mabelastung durch Kraftwerke und Industrieanlagen
        wird sich also nichts ändern. Von der Tragweite her noch
        problematischer ist, dass im Umweltgesetzbuch weiter-
        hin keine vernünftige Planrechtfertigung vorgesehen ist.
        Denn warum werden überhaupt so viele neue Kohle-
        kraftwerke geplant? Warum werden diverse Großheiz-
        kraftwerke mit Ersatzbrennstoffen geplant, obwohl wir
        schon längst massenhaft Müll importieren? Nur, weil Sie
        freiwillig die Hebel aus der Hand gegeben haben. Jeder
        kann hier beliebig viele Kohlekraftwerke oder sonstige
        Anlagen bauen. Ob das volkswirtschaftlich sinnvoll ist,
        ob das klimapolitisch schädlich ist – das ist für die Ge-
        nehmigung alles irrelevant. Diesen Gestaltungsspiel-
        raum müssen Sie von der Koalition der Exekutive end-
        lich wieder verschaffen. Dann können in Berlin und
        anderswo die Anträge für neue Kohlekraftwerke nämlich
        einfach abgelehnt werden. Dazu muss im Umweltgesetz-
        buch eine vernünftige Planrechtfertigung eingeführt
        werden. Die Antragsteller müssen darlegen, wozu ge-
        plante Kraftwerke gebraucht werden und wie sie mit den
        übergeordneten Klimazielen vereinbar sind. Dann wür-
        den uns viele falsche Weichenstellungen erspart bleiben.
        Wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier haben
        es in der Hand, Deutschland vor dem Weg zurück ins
        Kohlezeitalter des 18. Jahrhunderts zu bewahren. Lassen
        Sie uns diese Chance nutzen.
        Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Der vorliegende Verordnungsentwurf ist umweltpoli-
        tisch weniger als unambitioniert und klimapolitisch
        geradezu ein Skandal. Beachten Sie doch einmal die
        politische Botschaft dieser 37. Bundes-Immissions-
        schutzverordnung. Die Botschaft heißt: Weg frei für die
        Kohle. Im festen Vertrauen auf die noch nicht verfügbare
        Technologie CCS – ich frage mich, woher dieses Ver-
        trauen kommt angesichts der jüngsten Entwicklungen
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        um Beispiel der norwegischen Projekte –, im festen
        ertrauen auf dieses bisher durch nichts belegte Verspre-
        hen der Atom- und Kohlekonzerne wird ihnen im
        egenzug lediglich zur Auflage gemacht, ihre Stick-
        xidemissionen entsprechend den EU-Anforderungen zu
        egrenzen – von CO2-Emissionen ist in dieser zum Kli-
        aschutzpaket der Bundesregierung gehörenden Verord-
        ung gar nicht die Rede. Was die 37. BImSchV mit Kli-
        aschutz zu tun hat, erschließt sich mir nicht.
        Wenn die Bundesregierung es ernst meinte mit dem
        Bemühen um eine klimaneutrale Energieproduktion“,
        ann müsste sie den Weg gehen, den die Fraktion Bünd-
        is 90/Die Grünen im Energiekonzept 2.0 ausführlich
        argestellt hat: die Verminderung der CO2-Emissionen
        m 40 Prozent bis zum Jahr 2020, ohne den Atomaus-
        tieg infrage zu stellen und ohne den Neubau von Kohle-
        raftwerken. Der Fokus muss endlich vollständig auf die
        ffizienz und den Ausbau der erneuerbaren Energien ge-
        egt werden. Ihre ständige Streiterei in der Großen Ko-
        lition ob nun lieber Kohleausbau oder Durchlöcherung
        es Atomausstiegs, verstellt völlig den Blick auf das
        irklich Notwendige und Machbare.
        Einig sind Sie sich allerdings in Ihrem Setzen auf die
        onzerne, obwohl die logischerweise wenig Neigung
        eigen, den Klimaschutz als Ziel einer zukünftigen Ener-
        iewirtschaft akzeptieren zu wollen. Im Schulterschluss
        it den Energiekonzernen verhindern Sie so den Umbau
        nseres Energieversorgungssystems.
        So viel zur klimapolitischen Bedeutung der vorlie-
        enden Verordnung.
        Was den Umwelt- und Gesundheitsschutz betrifft, ist
        ie auch keine Offenbarung. Die geplanten Grenzwerte
        ür die Stickoxide sind alles andere als anspruchsvoll,
        nd von den besonders die Gesundheit gefährdenden
        täuben ist überhaupt nicht die Rede. Nach wie vor dür-
        en mit jedem Kubikmeter Abluft 20 Gramm Stäube
        mittiert werden, obwohl der Stand der Technik heute
        chon weniger als 10 Gramm erlaubt. Mit dem Koh-
        eausbau werden die Stäube also zunehmen. Wieder ein-
        al ein wunderbares Beispiel dafür, dass das, was von
        er einzelnen Bürgerin verlangt wird – Stichworte Die-
        elrußfilter und Umweltzonen –, von der Wirtschaft als
        umutung ferngehalten wird. So, meine Damen und
        erren von den Regierungsfraktionen, kriegen wir den
        esundheitsschutz nicht auf die Reihe.
        Und dann schauen Sie sich einmal den Zeitpunkt an,
        b dem die Verordnung gelten soll: Ende 2020. Alles,
        as vorher gebaut wird, ist gar nicht betroffen. Ein
        chelm, wer Böses dabei denkt! Herr Gabriel, Ihre Ge-
        chenke an die Kohlelobby sind seit dem NAP2 der be-
        onderen Beachtung wert. Hier haben wir das jüngste.
        lles was Sie mit dieser Verordnung tun, ist die Umset-
        ung der Mindestanforderung der EU zu den Stickoxid-
        missionen. Sie tun das unambitioniert, Sie vernachlässi-
        en den Gesundheitsschutz der Bevölkerung, und Sie
        ordern die Energiekonzerne geradezu auf, mit den Pla-
        ungen Ihrer Kohlekraftwerke weiter in die Offensive zu
        ehen.
        15062 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
        (A) )
        (B) )
        Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine Bemerkung
        zum beliebten Thema Bürokratie: Der Normenkontroll-
        rat hat keine Bedenken gegen den Verordnungsentwurf
        erhoben, da er mit zwei Informationspflichten für Unter-
        nehmen nur zu einer geringen finanziellen Belastung
        führte. Würde allerdings der Umweltminister sein unsin-
        niges Ansinnen, den Klimaschutz über den Ausbau der
        Kohle erreichen zu wollen, aufgeben und stattdessen
        konsequent den Weg der Effizienzsteigerung und der er-
        neuerbaren Energien gehen, dann würde neben dieser
        37. BImSchV noch eine Menge anderer Regelungen
        zum Schutz von Umwelt und Gesundheit überflüssig
        und damit tatsächlich Bürokratie abgebaut.
        Für mich und meine Fraktion ist diese Verordnung
        nicht zustimmungsfähig – sie dient dem Ausbau der
        Kohle und geht damit zulasten von Umwelt, Gesundheit
        und Klima.
        Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
        minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
        heit: Das Bundeskabinett hat letztes Jahr in Meseberg
        ein umfassendes Energie- und Klimaprogramm be-
        schlossen. Zur konsequenten Umsetzung dieser Be-
        schlüsse haben wir im Dezember ein nicht nur äußerst
        ambitioniertes, sondern auch historisches Klimapaket
        vorgelegt:
        Ambitioniert ist es deshalb, weil es 14 Gesetze und
        Verordnungen enthält, die auf einen effizienten Klima-
        schutz abzielen, der zugleich bezahlbar bleibt und mit
        der wirtschaftlichen Entwicklung Schritt hält.
        Historisch ist dieses Programm deshalb, weil es in der
        deutschen Klimapolitik und auch international einmalig
        ist. Es gibt kein vergleichbares Industrieland mit einem
        ähnlich ambitionierten und konkret ausgestalteten Pro-
        gramm.
        Als ein Mosaikstein zu dieser konkreten Ausgestal-
        tung gehört die Verordnung, die wir heute hier beraten:
        Was verbirgt sich hinter dem eher trockenen Arbeitstitel
        „37. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immis-
        sionsschutzgesetzes“? In dieser Verordnung geht es
        – vereinfacht gesagt – um saubere Kraftwerke und an-
        spruchsvolle Standards für deren Stickstoffoxidausstoß.
        Stickstoffoxide sind verantwortlich für den Sommer-
        smog, der die menschlichen Atemwege und die Vegeta-
        tion schädigt. Stickstoffoxide tragen zur Versauerung der
        Böden bei und schädigen insbesondere Wälder und Ge-
        wässer. Die Folgen sind eine Gefährdung des Grundwas-
        sers und der Artenvielfalt.
        Aufgrund der zu hohen Hintergrundbelastung durch
        Stickoxide hat die EU mit der Luftqualitäts-Rahmen-
        richtlinie Grenzwerte festgelegt, die bei zusätzlichen lo-
        kalen Belastungen überschritten werden können.
        Gleichzeitig wird unser Ziel einer klimaneutralen
        Energieproduktion zumindest vorübergehend zu einem
        höheren Einsatz fossiler Energieträger führen. Dies hätte
        einen erhöhten Ausstoß von Luftschadstoffen wie Stick-
        oxide zur Folge, wenn dem nicht die „Verordnung zur
        Absicherung von Luftqualitätsanforderungen“ entgegen-
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        irken würde. Deshalb ist die Verordnung im Energie-
        nd Klimaprogramm integriert.
        Ziel ist es also, neue Kraftwerke, die wir in Deutsch-
        and zur Erhaltung der Versorgungssicherheit brauchen,
        icht nur effizienter, sondern auch sauberer zu machen.
        as Gleiche gilt für Abfallverbrennungsanlagen, Ze-
        entwerke und Gasturbinen.
        Ein weiteres Ziel ist, angesichts steigender Anforde-
        ungen an die Luftqualität Betreibern von Anlagen, die
        b dem Jahr 2013 in Betrieb gehen sollen, bereits heute
        echtssicherheit und Planungssicherheit zu geben.
        leichzeitig versuchen wir den mit der Durchführung
        er Verordnung verbundenen Aufwand zu begrenzen: So
        erden zum Beispiel keine neuen Messverfahren einge-
        ührt. Zudem gehen die Bürokratiekosten infolge der
        erordnung gegen null.
        Mit dieser Verordnung halten wir also unser Verspre-
        hen ein, effizienten Klimaschutz voranzutreiben und
        leichzeitiger deutschen Wirtschaft, das heißt in diesem
        all vor allem der Energiewirtschaft, die hier erforderli-
        hen verlässlichen und wettbewerbsfähigen Rahmenbe-
        ingungen für ihre Investitionsentscheidungen zu geben.
        ir bleiben mit dieser Verordnung bei unserer klaren
        ichtschnur. Diese lautet: Versorgungssicherheit, Wirt-
        chaftlichkeit und Umweltverträglichkeit.
        nlage 10
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Arbeitslosengeld II
        unbürokratisch berechnen und auszahlen –
        Rechts- und Planungssicherheit für Leistungs-
        beziehende schaffen (Tagesordnungspunkt 19)
        Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Nachdem
        ich bereits in den vergangenen Wochen seit ihrem Ham-
        urger Parteitag die SPD mehr und mehr von ihrer gro-
        en Arbeitsmarktreform der Agenda 2010 verabschie-
        et hat, scheinen es ihr die Grünen mit diesem Antrag
        leichtun zu wollen. Da drängt sich dem interessierten
        ürger unweigerlich der Eindruck auf, als seien die
        artz-Reformen eine spontane Idee einzelner Sozialde-
        okraten gewesen und nicht das Werk der damaligen
        ot-grünen Bundesregierung. Wenn Sie etwas mehr Mut
        ätten, würden Sie sich vor Ihre Reform stellen und sie
        erteidigen und sie nicht mit derartigen Anträgen wie
        em heutigen scheibchenweise auseinandernehmen.
        Es ist unbestritten, dass bei einer so großen Reform,
        ie die des Arbeitsmarktes in den vergangenen vier Jah-
        en auch Probleme auftauchen, die im Vorfeld nicht ab-
        ehbar waren und die ganz unzweifelhaft der Korrektur
        edürfen. Auch als grundsätzlicher Befürworter dieser
        eform sehe ich an der einen oder anderen Stelle Opti-
        ierungsbedarf. Das darf allerdings nicht dazu führen,
        ass wir grundsätzliche Elemente infrage stellen und Tür
        nd Tor öffnen für zusätzliche Ausgaben. Nichts anderes
        un Sie von Bündnis 90/Die Grünen, auch wenn sie das
        anze nicht als Mehrausgaben, sondern als „soziokultu-
        elles Existenzminimum“ und „individuelle Bedarfsde-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15063
        (A) )
        (B) )
        ckung“ bezeichnen. Das alles hätten Sie doch schon vor
        Jahren zu Beginn der Reform haben können.
        Sie spielen das typische Spiel der Opposition, indem
        Sie mit wohlmeinenden Anträgen versuchen, auf Stim-
        menfang zu gehen, obwohl Sie genau wissen, dass eine
        Leistungsausweitung in diesem Bereich unwägbare
        Haushaltsrisiken in sich birgt. Früher hatten Sie mal ei-
        nen Haushaltsexperten, der Sie darauf hingewiesen
        hätte.
        Auch mir ist völlig klar, dass mit dem derzeitigen Re-
        gelsatz kein Leben in Wohlstand finanziert werden kann.
        Mir ist auch klar, dass es für die Betroffenen ein hohes
        Maß an Verzicht und Disziplin bedeutet, mit diesem
        Geld einen ganzen Monat auszukommen. Wir müssen
        uns aber klar machen, dass die Leistungen des SGB II
        nicht dazu dienen sollen, damit das ganze Leben zu fi-
        nanzieren. Die Idee der Grundsicherung ist die Überbrü-
        ckung einer Notlage für die Zeit, in der es den Menschen
        aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist, für ihren
        eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. Es ist eine Hilfe der
        Solidargemeinschaft für einen begrenzten Zeitraum, um
        wieder auf eigenen Beinen zu stehen.
        Das Arbeitslosengeld II ist keine rentengleiche Dau-
        erleistung für einen unbegrenzten Zeitraum. Wenn Sie in
        Ihrem Antrag Sonderbedarfe für Übergrößen verlangen,
        sollten Sie den Menschen auch ehrlich sagen, was Sie
        sonst noch als Sonderbedarf für angemessen halten und
        vor allem was nicht.
        Ich kann Ihnen auch gute Beispiele nennen, wofür wir
        zusätzlich Geld in die Hand nehmen sollten, um die
        Menschen in ihrem Alltag zu unterstützen. Und die Kol-
        legen der SPD und die der Linken könnten das sicherlich
        auch. Es wäre aber unredlich, sich dieser Diskussion an-
        zuschließen.
        Wenn Sie sich einen Wettlauf um die Verteilung zu-
        sätzlicher Steuergelder liefern wollen, können Sie das
        gern tun. Mir ist es wichtiger, den Menschen mit konkre-
        ten Angeboten auf eine Beschäftigung wieder eine sinn-
        volle Alternative zum ALG-II-Bezug zu geben. Der
        Aufschwung in Deutschland ist da und wir sollten ihn
        stützen, damit mehr Menschen von ihm profitieren, als
        bereits jetzt von ihm profitiert haben.
        Die Bundesregierung hat für das Jahr 2008 6,5 Mil-
        liarden Euro für Eingliederungsmittel bereitgestellt, um
        arbeitslose Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu in-
        tegrieren. Das ist trotz des deutlichen Rückgangs der Ar-
        beitslosigkeit dieselbe Summe, die wir auch im vergan-
        genen Jahr für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt
        haben. Wir sind der festen Überzeugung, dass trotz des
        deutlichen Rückgangs der Arbeitslosigkeit für die ver-
        bleibenden Arbeitslosen mehr unternommen werden
        muss, um auch sie wieder in Lohn und Brot zu bringen.
        Es ist der richtige Weg, das Geld der Steuerzahler einzu-
        setzen, weil es hier effektiv und nachhaltig Wirkung
        zeigt und nicht einseitig auf Konsum ausgerichtet ist.
        Die Kollegen von den Grünen bemängeln in ihrem An-
        trag, dass die „Verordnung zur Berechnung von Einkom-
        men sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen
        und Vermögen beim Arbeitslosengeld II“ die Jobcenter
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        it fragwürdigen bürokratischen Einzelfallprüfungen
        berfrachtet. Wenn Sie aber gleichzeitig in Ihrer An-
        ragsbegründung ein Bekenntnis zum Grundsatz pau-
        chalierter Leistungen bei gleichzeitiger Wahrung des
        nspruchs auf besonders gerechtfertigte Mehraufwen-
        ungen verlangen, dann frage ich mich, wie das zusam-
        enpassen soll. Sie können doch nicht allen Ernstes
        leichzeitig bürokratische Einzelfallprüfungen bemän-
        eln und auf der anderen Seite einen Anspruch auf indi-
        iduelle Mehraufwendungen fordern. Wer soll denn
        iese Ansprüche überprüfen, wenn nicht das Jobcenter?
        Ihr Antrag ist in einer Art und Weise in sich wider-
        prüchlich, dass er kaum der Befassung durch das Ple-
        um des Deutschen Bundestages wert ist. Sie werfen der
        undesregierung vor, sie würde sich mit dem derzeitigen
        nrechnungsverfahren systemwidrig vom Prinzip pau-
        chalierter Leistungen verabschieden, und fordern im
        elben Atemzug die individuelle Absicherung des sozio-
        ulturellen Existenzminimums. Unseriöser kann man
        ozialpolitik nicht betreiben. Sie hätten doch wenigstens
        onsequent bleiben und eine pauschale Erhöhung des
        egelsatzes ohne zusätzliche Mehrbedarfsprüfung for-
        ern können. Dann wären Sie sowohl Ihrem Ziel einer
        inanziellen Besserstellung der Arbeitslosengeld-II-Be-
        ieher gerecht geworden als auch dem Ziel der Vermei-
        ung unnötiger Bürokratie.
        In einer Sache sind Sie in Ihrem Antrag wenigstens
        onsequent geblieben, nämlich in der Offenbarung eines
        angelnden Verständnisses unserer Arbeitsverwaltung.
        n der Begründung zu Punkt drei monieren Sie, dass
        urch die derzeitige bürokratische Detailsteuerung für
        as eigentliche Ziel der Arbeitsmarktreform, nämlich
        er Integration von Arbeitslosen, immer weniger Res-
        ourcen blieben. Wie ich bereits erwähnt habe, haben
        ir die Ausgaben für die Arbeitsmarktintegration stabil
        ehalten, sodass pro Arbeitslosen sogar mehr Geld zur
        erfügung steht als vor einem Jahr. Zudem muss ich an
        ieser Stelle wohl darauf hinweisen, dass die Arbeitsver-
        altung in den Jobcentern in einen Leistungsbereich und
        inen Betreuungsbereich unterteilt ist, sodass sich eine
        ventuelle zusätzliche Belastung der Mitarbeiter des
        eistungsbereichs bei der Regelsatzberechnung nicht auf
        ie Jobvermittler auswirkt.
        Gerade diese Arbeitsteilung, die mit den Reformen
        m Arbeitsmarkt eingeführt wurde, diente doch dem
        weck, dass sich die Jobvermittler auf ihre eigentliche
        ufgabe konzentrieren und sie eben nicht mit den zeit-
        aubenden Verwaltungsaufgaben belastet werden sollten.
        Die Debatte, inwieweit der derzeitige Berechnungs-
        odus für die Regelsätze noch zeitgemäß ist, hat uns be-
        eits im vergangenen Jahr angesichts teils kräftiger
        reissteigerungen bei den Lebensmitteln beschäftigt. Bei
        ller berechtigten Kritik an der Einkommens-Verbrau-
        herstatistik, EVS, und insbesondere der Gewichtung
        inzelner Komponenten, gibt es aus meiner Sicht derzeit
        eine bessere als die jetzige Lösung. Bis 1989 wurde der
        ür die Führung eines menschenwürdigen Lebens not-
        endige Bedarf auf Grundlage eines von Experten zu-
        ammengestellten Warenkorbs bestimmt. Nach dem Be-
        chluss der Ministerpräsidenten erfolgte ab 1990 der
        15064 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
        (A) )
        (B) )
        Umstieg zum Statistikmodell, das heißt, der notwendige
        Bedarf orientiert sich an den tatsächlichen, statistisch er-
        mittelten Verbrauchsausgaben von Haushalten im unte-
        ren Einkommensbereich. Mit dieser Umstellung sind wir
        der Lebenswirklichkeit ein ganzes Stück näher gekom-
        men. Seinerzeit wurden noch bestimmte Abzüge vorge-
        nommen, die als „nicht regelsatzrelevant“ betrachtet
        wurden beispielsweise Nachhilfeunterricht, Musikunter-
        richt oder Haustiere. All das könnte man ohne große Be-
        gründungsschwierigkeiten wieder als individuell ge-
        rechtfertigte Mehraufwendung einführen. Dennoch tun
        wir das nicht, weil es ein Fass ohne Boden wäre, das vor
        den Steuerzahlern nicht zu rechtfertigen wäre.
        Mit dem Vorliegen der Ergebnisse der EVS 2008 ist
        der Verordnungsgeber gesetzlich verpflichtet, die Regel-
        satzbemessung zu überprüfen und gegebenenfalls wei-
        terzuentwickeln, § 28 Abs. 3 Satz 5 SGB XII. Bei dieser
        Gelegenheit kann es auch eine spezielle Überprüfung der
        Angemessenheit der geltenden Kinder-Regelsatz-Relati-
        onen – 60 Prozent bzw. 80 Prozent – geben. Das Ganze
        muss jedoch, um wirklich Planungssicherheit für die Be-
        troffenen zu schaffen, in ein Gesamtkonzept gebettet
        sein und darf sich nicht in der Aneinanderreihung von
        Einzelforderungen erschöpfen.
        Angelika Krüger-Leißner (SPD): Was mich an dem
        Antrag ärgert, ist, dass wichtige Sachverhalte schlicht
        und ergreifend falsch dargestellt werden. Behauptet
        wird, die Berücksichtigung von Sachleistungen wie die
        Verpflegung während eines Krankenhausaufenthaltes
        würde durch die Verordnung neu eingeführt. Richtig ist:
        Es hat sie auch vorher schon gegeben.
        Nach der bisher geltenden Regelung wäre sogar ein
        höherer Betrag anzurechnen gewesen, als dies seit dem
        1. Januar 2008 der Fall ist. Dieser höhere Betrag hätte je-
        doch den für Verpflegung enthaltenen Anteil beim
        Arbeitslosengeld II bzw. beim Sozialgeld überstiegen.
        Deshalb musste gehandelt werden.
        Neu ist aber nicht nur die Begrenzung der Anrech-
        nung. Wir haben zusätzlich eine Bagatellgrenze einge-
        führt. Vielen Menschen bleibt damit eine Anrechnung
        der Verpflegung im Krankenhaus auf ihr Arbeitslosen-
        geld II erspart.
        Konkret bedeutet dies: Wer vorher 347 Euro Arbeits-
        losengeld II erhalten hat, nun ins Krankenhaus muss und
        im Krankenhaus voll verpflegt wird, erhält fast drei Wo-
        chen lang das volle Arbeitslosengeld II weiter. Oder an-
        dersherum: Bei einer durchschnittlichen Dauer eines
        Krankenhausaufenthaltes von 8,5 Tagen wird es bei der
        weit überwiegenden Zahl der Arbeitsuchenden zu keiner
        Anrechnung der Verpflegung mehr kommen.
        Aber auch einen anderen Aspekt stellen Sie in ihrem
        Antrag falsch dar. Erst vor wenigen Wochen – noch vor
        dem Jahreswechsel – wurde ich darauf angesprochen,
        dass einzelne Träger kostenlose Schulmahlzeiten als
        Einkommen anrechnen würden. Dies war Praxis. Dies
        war deshalb nicht tragbar, weil so Hilfen für Kinder er-
        schwert oder gar unmöglich gemacht wurden.
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        Mit der geänderten Verordnung und der Einführung
        er Bagatellgrenze gehört diese Praxis der Vergangen-
        eit an. Kindern kann jetzt konkret und vor allem wirk-
        am geholfen werden. Es ist jetzt sichergestellt, dass ein
        ostenloses Mittagessen in der Schule oder im Kinder-
        arten nicht als zusätzliches Einkommen angerechnet
        ird. Das ist ein konkreter Beitrag, um Kinderarmut zu
        ekämpfen.
        Übrigens: Kinderarmut ist nicht nur fehlendes Ein-
        ommen. Armut ist generell ein Mangel an Teilhabe-
        nd Verwirklichungschancen. Deshalb ist es so wichtig,
        ass wir nicht nur die Transfers im Auge haben. Zentral
        st Bildung. Und damit meine ich Bildung von hoher
        ualität. Voraussetzung hierfür sind eine gute schulische
        nfrastruktur und Lernmittelfreiheit – aber auch Kinder-
        ärten. Das sind nur ein paar Beispiele. Diese machen
        ber deutlich, dass eine gemeinsame Anstrengung aller
        otwendig ist. Gefordert sind Bund, Länder und Kom-
        unen.
        Aber zurück zur Verordnung: Ich finde es gut, dass
        er Verordnungsgeber, das heißt das Bundesministerium
        ür Arbeit und Soziales, die Praxis genau beobachtet und
        egengesteuert hat. Ein solches Verfahren halte ich auch
        ür die Zukunft für richtig. Wir müssen uns genau an-
        chauen, wie die neue Verordnung wirkt. Dort, wo es er-
        ennbare Unzulänglichkeiten gibt, die auch praktischer
        nd nicht nur theoretischer Natur sind, müssen wir han-
        eln.
        Die Forderung nach einer Nichtanrechnung karitati-
        er Zuwendungen wie beispielsweise Lebensmittel- oder
        öbelspenden ist bereits erfüllt. Auch Zuwendungen
        er freien Wohlfahrtspflege, die dem gleichen Zweck
        ie das Arbeitslosengeld II dienen, sind nicht als Ein-
        ommen zu berücksichtigen.
        Daher eine Bitte an die Antragsteller: Wir können
        iele Missverständnisse vermeiden, wenn im Vorfeld in-
        ensiver recherchiert wird.
        Für viel gefährlicher halte ich jedoch die Debatte, die
        urch die beiden Artikel am Dienstag und am Mittwoch
        n der Bildzeitung angestoßen wurde. Die geschilderten
        allbeispiele mag es geben. Das ist nicht der Punkt. Es
        ntsteht jedoch der Eindruck, dass alle Arbeitsuchenden
        ich lieber auf die faule Haut legen würden, als zu arbei-
        en. Das ist nicht wahr. Wer zu den Menschen geht und
        it ihnen spricht, der erfährt etwas anderes.
        Die ganz überwiegende Mehrheit der Arbeitsuchen-
        en will einen Job. Dies hat nicht zuletzt der große Run
        uf die Arbeitsgelegenheiten gezeigt. Als die Grund-
        icherung für Arbeitsuchende 2005 eingeführt wurde,
        ar vielerorts die Zahl der Interessenten größer als die
        er Arbeitsgelegenheiten.
        Mir ist auch klar, warum das so ist. Arbeit bedeutet
        icht nur Einkommen, sondern auch Teilhabe an der Ge-
        ellschaft in jedweder Form. Viele persönliche Kontakte
        ind mit dem Arbeitsplatz verbunden. Für fast jeden be-
        eutet Arbeit auch Anerkennung und ist gut für das
        elbstwertgefühl. Viele Studien zeigen auf der anderen
        eite, dass lang andauernde Erwerbslosigkeit zu sozialer
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15065
        (A) )
        (B) )
        Isolation, zu Krankheit oder zum Zerbrechen der Familie
        führen kann.
        Man kann Arbeit nicht einfach darauf reduzieren, wie
        viel Euro mehr man in der Tasche hat.
        Gleichwohl müssen wir erkennen, dass bei der Höhe
        der Löhne oftmals vieles im Argen liegt. Sich für das Ar-
        beitslosengeld II zu entscheiden, statt arbeiten zu gehen,
        weil es sich nicht lohnt, darf es nicht geben. Das Lohn-
        abstandsgebot muss eingehalten werden. Hier müssen
        wir handeln. Deshalb setzen wir uns für Mindestlöhne
        ein.
        Darüber hinaus möchte ich betonen, dass jeder gehal-
        ten ist, seinen Lebensunterhalt so weit wie möglich
        selbst zu bestreiten. Die Gesetzeslage ist hier eindeutig.
        Der Eindruck, der in dieser Debatte oft vermittelt wird,
        ist falsch. Man kann nicht zwischen Arbeitslosengeld II
        und Arbeit frei wählen. Fördern und Fordern sind zwei
        Seiten ein und derselben Medaille.
        Einen weiteren Punkt halte ich für sehr wichtig. Um
        sicherzustellen, dass die Menschen, die arbeiten, mehr
        haben, als wenn sie nicht arbeiten, benötigen wir auch
        vernünftige Freibetragsregelungen. Menschen, die nur
        wenig verdienen, brauchen einen ordentlichen Freibe-
        trag. Ihnen kann man nichts wegnehmen. Man darf sie
        nicht im Stich lassen. Auch sie haben Werbungskosten.
        Ich wende mich gegen all diejenigen, die für eine Kür-
        zung plädieren und Menschen mit einem kleinen Ver-
        dienst bis 400 Euro den Hinzuverdienst nicht gönnen.
        Lassen Sie mich noch einmal zum Antrag der Grünen
        zurückkommen. Gefreut hat mich hier, dass Sie weiter
        zu der Entscheidung stehen, das Arbeitslosengeld II stär-
        ker zu pauschalieren, als dies früher in der Sozialhilfe
        der Fall war. Die Zusammenfassung vieler einmaliger
        Leistungen zu einem einheitlichen Zahlbetrag gibt den
        Menschen mehr Handlungsfreiheit. Sie müssen nicht
        mehr wie früher beim Sozialamt für jede Kleinigkeit als
        Bittsteller vorsprechen. Übrigens haben wir damit eine
        alte Forderung der Wohlfahrtsverbände erfüllt.
        Eine Anmerkung in diesem Zusammenhang: Die
        Höhe des Arbeitslosengeldes II genauso wie die Leistun-
        gen nach dem SGB XII muss nach einem verlässlichen
        und transparenten Verfahren bestimmt werden. Willkür-
        liche Entscheidungen haben hier keinen Platz. Beson-
        dere Anlässe wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer oder
        die Erhöhung der Preise für Milchprodukte geben Anlass
        zu der Frage, ob durch das Arbeitslosengeld II aktuell
        das Existenzminimum noch abgedeckt wird. Es ist daher
        zu begrüßen, dass Bundesminister Olaf Scholz das
        Thema aufgegriffen und eine Überprüfung eingeleitet
        hat.
        Damit sind wir auch wieder bei der Verordnung. Wir
        brauchen einen lernenden Gesetz- und Verordnungsge-
        ber. Das haben wir, und das ist auch gut so.
        Dirk Niebel (FDP): Wir haben seinerzeit der Einfüh-
        rung der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuge-
        stimmt, weil der bürokratische Aufwand bei der An-
        tragsbearbeitung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe
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        ingedämmt und Verwaltungskosten eingespart werden
        ollten. Auch drei Jahre nach der Einführung des
        rbeitslosengeldes II ist der Ansturm auf die Sozialge-
        ichte ungebrochen. Nach Angaben des Bundessozialge-
        ichts sind im letzten Jahr in der ersten Instanz 154 000
        lagen im Zusammenhang mit Hartz IV eingegangen.
        er Zuwachs liegt bei 32 Prozent gegenüber dem Vor-
        ahr; die Verfahren sind für die Betroffenen kostenfrei,
        ofern kein Rechtsanwalt eingeschaltet wird.
        Die meisten Fälle drehen sich um Bedarfsberechnung
        nd Fragen der Anrechnung von Einkommen und Ver-
        ögen. Aber auch die Überprüfung von angemessenen
        ohnungskosten und Sanktionen sind immer öfter Teil
        er Klageflut. Im Durchschnitt sind 30 Prozent aller Ver-
        ahren vor den Sozialgerichten ganz oder teilweise er-
        olgreich. Bei Hartz IV liegt die Erfolgsquote allerdings
        eutlich darunter; diese Verfahren kosten Zeit und Geld
        ller Beteiligten. Das Bundessozialgericht in Kassel
        atte Mitte des letzten Jahres sogar einen neuen Senat
        peziell für Hartz-Fälle eingerichtet, weil dort etwa jedes
        ünfte Revisionsverfahren landet. Die Gerichte geben in
        inzelfällen den Betroffenen Recht; in anderen machen
        ie die Ablehnung nachvollziehbar.
        Hartz IV hat für mehr Arbeitsplätze gesorgt: bei den
        rbeitsagenturen, bei den Kommunen und bei Gerich-
        en. Nur die, die schneller auf einen Arbeitsplatz vermit-
        elt werden und damit die Möglichkeit bekommen soll-
        en, zusätzlich zu den Leistungen selbst zu ihrem
        ebensunterhalt beizutragen, haben von diesem Be-
        chäftigungsprogramm bisher nicht profitiert.
        Die Reform galt als bahnbrechend; es gab Befürwor-
        er und Gegner, Gewinner und Verlierer. Aber nur wirk-
        ich Bedürftige sollen vom Staat unterstützt werden.
        chließlich werden die Transferleistungen von der Ge-
        einschaft der Bürgerinnen und Bürger finanziert. Seit
        anuar erhalten ALG-II-Empfänger 35 Prozent weniger
        eistungen, wenn sie im Krankenhaus oder in einer sta-
        ionären Rehabilitationsmaßnahme sind. Dies ist streitig
        nd wird kritisiert, weil man nicht die Möglichkeit hat,
        ahlzeiten ausfallen und sich das Geld auszahlen zu las-
        en.
        Wir brauchen für die Leistungsbezieher eine andere
        erspektive als mehr Anträge für mehr Leistung, näm-
        ich die Perspektive auf Beschäftigung. Wir brauchen
        uch für diejenigen, die die finanzielle Grundlage des
        eistungsbezuges ermöglichen, eine andere Perspektive.
        as sind die Menschen in der Mitte der Gesellschaft. Sie
        üssen entlastet statt immer weiter belastet werden. Die
        ragen sich zu Recht, warum der Aufschwung bei ihnen
        icht angekommen ist, wo der Abschwung schon in
        ichtweite geraten ist.
        Beim ALG II handelt es sich um ein steuerfinanzier-
        es soziokulturelles Existenzminimum, das auf der Basis
        er alle fünf Jahre stattfindenden Einkommens- und Ver-
        rauchsstichprobe ermittelt wird. Das Arbeitslosengeld
        oll und kann durch Hinzuverdienste aufgestockt wer-
        en. Das Bundessozialgericht hat im November 2006
        estgestellt, dass der monatliche Regelsatz nicht gegen
        as Grundgesetz verstößt.
        15066 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
        (A) )
        (B) )
        Arbeitslose sollten aktiviert und vermittelt statt mög-
        lichst lange alimentiert werden. Fördern und Fordern
        war als Begriffspaar in aller Munde. Diese Ziele wurden
        bisher nicht erreicht, weil die notwendigen Rahmenbe-
        dingungen nicht gesetzt wurden. Um mehr Arbeitsplätze
        zu schaffen, müssen Steuern und Abgaben gesenkt, Bü-
        rokratie abgebaut und arbeits- und tarifrechtliche Vor-
        schriften gelockert werden.
        Die pauschalierten Regelsätze geben den Menschen
        die Freiheit, ihr Geld so einzusetzen, wie sie es brau-
        chen. Die Situation für die betroffenen Leistungsemp-
        fänger hat sich aber bisher nicht wesentlich verbessert.
        Eine schnellere Vermittlung in Beschäftigung hat nicht
        stattgefunden. Das Personal ist mit Verwaltungs- statt
        Vermittlungsaufgaben befasst. Aber bisher wurden we-
        der neue Arbeitsplätze geschaffen, noch wurden die An-
        reize zur Arbeitsaufnahme attraktiv gesetzt. Statt der
        Einführung eines Niedriglohnsektors, der diesen Men-
        schen die Chance auf Beschäftigung gibt, werden wei-
        tere Arbeitsplätze durch die geplante Einführung von
        flächendeckenden Mindestlöhnen gefährdet. Sie ver-
        drängen Arbeitsplätze in die Schwarzarbeit und ver-
        schärfen dadurch die Lebenssituation von Langzeitar-
        beitslosen.
        Deshalb hat die FDP die Auflösung der Bundesagen-
        tur für Arbeit in ihrer jetzigen Form und die Neuordnung
        ihrer Aufgaben gefordert. Wir fordern den verantwor-
        tungsvollen Umgang mit den Mitteln der Beitrags- und
        Steuerzahler und die Anpassung an die Bedürfnisse der
        Arbeitslosen, Arbeitgeber und Arbeitsuchenden. Das
        Zuständigkeitschaos von Arbeitsagenturen, Kommunen
        und Arbeitsgemeinschaften muss beendet werden. Wir
        wollen, dass alle Arbeitslosen in kommunalen Job-
        centern betreut und beraten werden, weil die Kommunen
        besser auf individuelle Problemlagen und den regionalen
        Arbeitsmarkt reagieren können. Darin sehen wir uns
        auch durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes
        bestätigt, das im Dezember 2007 entschieden hat, dass
        die Errichtung von Arbeitsgemeinschaften gegen die
        Kompetenzordnung des Grundgesetzes verstößt. Die
        Bundesregierung hat drei Jahre Zeit, um für eine neue
        Ordnung zu sorgen.
        Ich hoffe sehr, dass die FDP von den Wählerinnen
        und Wählern beauftragt wird, an den entscheidenden
        Stellen eine liberale Richtung vorzugeben. Ich hoffe
        sehr, dass wir zu einem Systemwechsel beitragen kön-
        nen. Die FDP war die erste Partei, die ein Bürgergeld für
        Deutschland beschlossen hat. Im Gegensatz zu anderen
        wollen wir kein bedingungsloses Grundeinkommen,
        sondern ein bedarfsorientiertes Bürgergeld, ein Steuer-
        und Transfersystem aus einem Guss.
        Alle steuerfinanzierten Sozialtransferleistungen wer-
        den gebündelt, die Sozialbürokratie verschlankt und das
        Transferleistungssystem transparenter und fairer. Alle, die
        arbeitsfähig sind, bekommen das Bürgergeld über die Fi-
        nanzämter, die es als Negativsteuer berechnet. Diejenigen,
        die leistungsfähig sind, haben damit den klaren Anreiz,
        dass ihnen Arbeit ein höheres Netteinkommen einbringt.
        Die eigene Anstrengung zahlt sich – unabhängig von Fa-
        milienstand, Anzahl der Kinder und so weiter – aus. Das
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        LG II leistet das nicht, weil für alle Familien mit Kin-
        ern jeder selbst erarbeitete Cent über 1 500 Euro von den
        ransferleistungen abgezogen wird. Zusätzliche Anstren-
        ungen zahlen sich also nicht aus. Das ist nicht gerecht.
        ei unserem Bürgergeld-Konzept hat der arbeitende Ar-
        eitnehmer netto immer mehr als der, der nicht arbeitet.
        eder Erwerbsfähige bleibt verpflichtet, zumutbare Arbeit
        uch anzunehmen.
        Das Bürgergeld stellt ein Mindesteinkommen für je-
        en sicher, und zugleich schafft es zusätzliche Anreize,
        urch Arbeit ein höheres Nettoeinkommen zu erzielen.
        amit ist es gerechter und wirksamer als jede Mindest-
        ohnregelung. Das Bürgergeld muss individuell ausge-
        taltet werden, je nach Lebenssituation. Das Bürgergeld
        uss so berechnet werden, dass es bezahlbar bleibt und
        ine hinreichende Versorgung gewährleistet.
        Wir wissen, dass die Umsetzung unserer Forderung
        m politischen Wettbewerb sehr schwierig wird, aber wir
        ind bereit, uns dieser Aufgabe zu stellen.
        Katja Kipping (DIE LINKE): Im vorliegenden An-
        rag fordern die Grünen, die zum 1. Januar 2008 in Kraft
        etretene ALG-II-Verordnung zur Berechnung von Ein-
        ommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkom-
        en und Vermögen im Sinne des Grundsatzes pauscha-
        ierter Leistungen zu überarbeiten. Dabei soll gesichert
        erden, dass Verpflegungsleistungen bei stationären
        ufenthalten oder Teilverpflegungen in Kindertagesstät-
        en und Schulen grundsätzlich nicht auf die Regelleis-
        ung angerechnet werden dürfen. Sowohl die grundsätz-
        ichen Erwägungen als auch die konkreten Forderungen
        es Antrags werden von uns geteilt. Die Linke hat selbst
        n ihren eigenen Anträgen immer wieder ähnliche Forde-
        ungen erhoben. So haben wir bereits mehrfach die deut-
        iche Anhebung des Regelsatzes, die Berücksichtigung
        inder- und jugendspezifischer Bedarfe und kürzlich
        uch die Nichtanrechnung von Verpflegung bei stationä-
        em Aufenthalt auf die Regelleistung gefordert.
        Hier teilt meine Fraktion die Sicht der Grünen, dass
        ine solche Anrechnung – auch jenseits einer Bagatell-
        renze – dem Grundsatz der Pauschalierung wider-
        pricht. Gleichzeitig möchte ich die Interpretation des
        inisteriums, dass mit der Verordnung dem Votum des
        etitionsausschusses weitgehend entsprochen wurde
        diese Sichtweise können Sie gern in der Antwort auf
        nsere Kleine Anfrage zu Implikationen der neuen
        LG-II-Verordnung nachlesen – auf das Schärfste zu-
        ückweisen.
        Ebenfalls lehnen wir, wie die Grünen, eine Ermessens-
        ntscheidung durch die Grundsicherungsträger bei der
        berprüfung der Betriebsausgaben von Selbstständigen,
        ie ergänzendes ALG II beziehen, ab. Statt in Zukunft um
        den Bleistift und jede Druckerkartusche zu streiten so-
        ie noch mehr bürokratischen Aufwand zu erzeugen, sol-
        n sich die Jobcenter auf gute Beratung und Vermittlung
        onzentrieren.
        Mit den Grünen teilen wir schließlich auch die Be-
        ürchtung, dass die neue ALG-II-Verordnung von den
        eistungsbehörden dazu genutzt werden könnte, lokale
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15067
        (A) )
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        Unterstützungsmaßnahmen zur Abwendung sozialer
        Härten auf die Hilfeleistungen anzurechnen. Ich denke
        da beispielsweise an die sozialen Aktivitäten von Initia-
        tiven und Kommunen, die für eine preisgünstige Ver-
        pflegung in Schulen und Kindertagesstätten sorgen. Der-
        artige Leistungen könnten dann auf die ohnehin schon
        nicht bedarfsdeckende Regelleistung angerechnet wer-
        den. Folglich würde die Verelendung und Ausgrenzung
        von Kindern durch Hartz IV auf die Spitze getrieben,
        während die Regierung in Berlin wortreich die Kinder-
        armut beklagt. Hier ist dringend eine Klarstellung erfor-
        derlich.
        Ich kann es gar nicht oft genug sagen: Ebenso drin-
        gend erforderlich ist die im Antrag angemahnte Anhe-
        bung der Regelsätze. Dem Bundestag liegen hier zwei
        Anträge der Linken und der Grünen vor, die zügig be-
        schlossen werden könnten. Die Koalitionsfraktionen
        blockieren aber aufgrund des Wahlkampfs den Anhö-
        rungstermin. Nach den Wahlen in Hamburg werden sie
        Gelegenheit haben, den Wünschen der Bevölkerung
        nach mehr sozialer Gerechtigkeit zu entsprechen.
        Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nicht
        immer ist die Bundesregierung unentschlossen: Zum ers-
        ten Januar diesen Jahres ist eine Neufassung der „Ver-
        ordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur
        Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen
        beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld“ in Kraft getreten.
        Diese ALG-II-Verordnung verstößt gegen den Grundsatz
        pauschalierter Regelleistungen, gängelt die Leistungsbe-
        ziehenden im Detail und überzieht die Jobcenter mit zu-
        sätzlicher Bürokratie.
        Wie verhält es sich zum Beispiel, wenn ALG-II-Be-
        ziehende als Selbstständige ergänzendes Arbeitslosen-
        geld II erhalten? Sie können nunmehr nur noch solche
        Betriebsausgaben absetzen, die im Allgemeinen den Le-
        bensumständen eines ALG-II-Beziehenden entspre-
        chen. Die Fallmanager sollen bei Selbstständigen prüfen,
        welche „tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben“
        ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzu-
        setzen sind. Was sind denn „notwendige Ausgaben“? Ist
        der – steuerlich unproblematisch absetzbare – geleaste
        Mittelklassewagen eines Versicherungsvertreters noch
        notwendig im Sinne der Verordnung? Oder darf nun nur
        noch ein gebrauchtes Fahrzeug abgesetzt und abge-
        schrieben werden? Das heißt: Selbstständige, die sich
        am Existenzminimum bewegen, müssen sich jetzt mit
        ihrer Leistungsbehörde abstimmen, welche Betriebsaus-
        gaben tatsächlich notwendig sind. Vor dem 1. Januar 2008
        galt für die Leistungsbehörden als Maßstab zur Beurtei-
        lung der Notwendigkeit einer Ausgabe noch das Steuer-
        recht. Jetzt müssen Selbstständige, die in der Regel nur
        vorübergehend auf ALG II angewiesen sind, eine zusätz-
        liche Buchführung für den Fallmanager erstellen und im
        Zweifelsfall Investitionsentscheidungen mit ihrem Fall-
        manager abstimmen. Mit diesem Eingriff in die unter-
        nehmerische Handlungsfreiheit ist die Verordnung ein
        ausgezeichnetes Instrument zur Verhinderung von Exis-
        tenzgründungen.
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        Mit der Arbeitslosengeld-II-Verordnung bricht die
        undesregierung mit dem sinnvollen Prinzip der pau-
        chalierten Leistung. Im Unterschied zur früheren
        ozialhilfe ist mit dem Zweiten und Zwölften Buch So-
        ialgesetzbuch der Grundsatz pauschalierter Regelleis-
        ungen eingeführt worden, damit die Hilfebedürftigen
        utonom Konsumentscheidungen treffen können und
        icht für jede größere Anschaffung einen Antrag stellen
        üssen. Dies bedeutet, dass nicht in jeder Lebenslage
        innahmen und Ausgaben gegeneinander aufgerechnet
        erden. Wir erinnern uns als Sozialpolitiker noch alle an
        ie langwierigen und demütigenden Prozesse, die etwa
        bdachlose führen mussten, denen die Leistung mit der
        egründung gekürzt wurde, sie bräuchten zu Weihnach-
        en keinen Christbaum.
        Nun feiert diese überwunden geglaubte Scheinlogik
        bereifriger Sozialamtsleiter fröhliche Urständ im Bun-
        esministerium für Arbeit und Soziales: Künftig soll das
        ssen in Krankenhäusern und anderen stationären Ein-
        ichtungen zu 35 Prozent auf die Regelleistung ange-
        echnet werden, allerdings ohne dass die zusätzlichen
        usgaben für den Krankenhausaufenthalt Berücksichti-
        ung finden. Die eingeführte Bagatellgrenze von
        3 Euro ist ein Bestrafungsinstrument für die wirklich
        ranken Leistungsbezieher, nämlich für solche, die sich
        änger als drei Wochen in stationärer Unterbringung be-
        inden.
        Mit der Anrechnung von Verpflegung im Kranken-
        aus auf den Regelsatz ignoriert die Bundesregierung
        icht nur den damaligen politischen Willen des Gesetz-
        ebers im Jahr 2003, sondern auch die herrschende
        echtsprechung, die eine Anrechnungsmöglichkeit als
        eldwertes Einkommen grundsätzlich verneint. Die
        undesregierung ignoriert überdies die am 27. Oktober
        007 erfolgte einstimmige Zustimmung des Deutschen
        undestages zum Beschluss des Petitionsausschusses,
        rucksache 16/6618, der sich ausdrücklich gegen eine
        ürzung der Regelleistung bei einem Krankenhausauf-
        nthalt ausspricht. Und schließlich greift die Bundes-
        egierung mit dieser Regelung einem Urteil des Bundes-
        ozialgerichts vor, das noch in diesem Frühjahr erwartet
        ird.
        Tatsächlich steht die Verordnung juristisch auf töner-
        en Füßen. Die zum 1. Januar 2008 in Kraft getretene
        erordnung ist bereits vier Wochen später vom Sozial-
        ericht Berlin kassiert worden. Die Berliner Richter
        rteilen, dass die Bundesregierung mangels Ermächti-
        ungsgrundlage gar keine Verordnungsregelung zur An-
        echnung von Verpflegung im Krankenhaus als Einkom-
        en erlassen darf. Es bedarf hierzu einer gesetzlichen
        egelung, das heißt einer Änderung des SGB II. Da § 13
        r. 1 SGB II wörtlich festlegt, dass auf dem Verord-
        ungswege nur geregelt werden kann, welche Einnah-
        en nicht als Einkommen angerechnet werden dürfen,
        ann davon ausgegangen werden, dass die Sozialge-
        ichtsbarkeit sich in diesem Punkt einig ist. Hier stellt
        ich die Frage, warum der Verordnungsgeber handwerk-
        ich so schlecht arbeitet, dass die neue Arbeitslosengeld-
        I-Verordnung kurz nach Inkrafttreten zum Beschäfti-
        ungsprogramm für die Sozialgerichte wird. Wer hand-
        15068 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
        (A) )
        (B) )
        werklich eine derart schlechte Leistung abgibt, sollte
        sein Produkt wieder zurücknehmen.
        Überdies ist die Verordnung alles andere als ein Bei-
        trag zur Verwaltungsvereinfachung zur Entlastung der
        Jobcenter und Arbeitsgemeinschaften. Mit der Bundes-
        agentur für Arbeit wurde die ALG-II-Verordnung offen-
        bar nicht abgestimmt. Die Bundesagentur vermutet zu
        Recht, dass die Verordnung mehr (Bürokratie-)Kosten
        verursacht, als durch vermeintlichen Missbrauch einge-
        spart werden kann. Statt staatlicher Gängelung im Detail
        sollten die Selbstbestimmungsrechte der Betroffenen ge-
        stärkt und die Handlungsfreiheit der Jobcenter herge-
        stellt werden, damit diese ihrer eigentlichen Aufgabe
        nachgehen können: die Integration Langzeitarbeitsloser
        in den Arbeitsmarkt zu fördern.
        Anlage 11
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Das Erneuerbare-
        Energien-Gesetz darf nicht durch europäische
        Vorgaben für einen Zertifikatehandel unterlau-
        fen werden (Zusatztagesordnungspunkt 6)
        Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Das Thema
        erneuerbare Energien ist zurzeit in aller Munde. Es ver-
        geht kein Tag, an dem nicht in den Medien über die Kli-
        maschutzdebatte, Energiepolitik und die regenerativen
        Energien berichtet wird.
        Ende 2006 machten sowohl der Klimabericht des bri-
        tischen Regierungsberaters Sir Nicholas Stern als auch
        der Weltklimabericht der Vereinten Nationen deutlich,
        dass der Klimawandel zu den zentralen Herausforderun-
        gen unserer Zeit gehört.
        So führte der IPCC im dritten Teil des vierten Weltkli-
        maberichtes „Mitigation of Climate Change“ drastisch
        vor Augen, dass der weltweite Ausstoß von Treibhaus-
        gasen zwischen 1970 und 2004 um 70 Prozent zugenom-
        men hat. Fortschritte in der Energieeffizienz wurden
        durch die wachsende Weltbevölkerung und das stei-
        gende weltweite Einkommen größtenteils wieder zu-
        nichte gemacht. Sollte die derzeitige Entwicklung anhal-
        ten, könnte der Treibhausgasausstoß bis zum Jahr 2030
        gegenüber dem Jahr 2000 um 25 bis 90 Prozent zuneh-
        men.
        Klar ist, dass Deutschland und Europa sich der He-
        rausforderung des Klimawandels stellen müssen.
        Deutschland, mit seiner Expertise in vielen Bereichen
        der Produktions- und Energietechnik, kann und sollte
        den Klimawandel auch als Chance für einen großen In-
        novationsschub begreifen.
        Die Große Koalition hat dem Klimaschutz oberste
        Priorität eingeräumt. Die deutsche EU-Ratspräsident-
        schaft und die G-8-Präsidentschaft standen ganz unter
        dem Primat der internationalen Klimaschutzpolitik, in
        der Bundeskanzlerin Angela Merkel bemerkenswert am-
        bitionierte CO2-Reduktionsziele international durchset-
        zen konnte.
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        So hat der Europäische Rat auf seiner Frühjahrskon-
        erenz im März 2007 beschlossen, den Ausstoß der ge-
        ährlichen Treibhausgase im Vergleich zu 1990 um ein
        ünftel zu reduzieren. Sollten große nichteuropäische
        taaten diesem Beispiel folgen, will die EU die CO2-
        missionen bis 2020 sogar um 30 Prozent mindern. Der
        nteil von erneuerbaren Energien aus Sonne, Wasser,
        ind, Erdwärme und Biomasse am europäischen Ge-
        amtenergieverbrauch soll bis dahin mit 20 Prozent ver-
        reifacht werden. Die Energieeffizienz will die EU bis
        020 um 20 Prozent erhöhen.
        Mittelpunkt der deutschen Klimaschutzanstrengun-
        en ist zurzeit die Umsetzung dieser Beschlüsse. Das
        undeskabinett hatte im August 2007 die Eckpunkte für
        in „Energie- und Klimapaket“ beschlossen, welches
        ünktlich zur Weltklimakonferenz auf Bali am 5. De-
        ember als umfangreiches Paket der Bundesregierung
        it 14 Gesetzen und Verordnungen vorgelegt wurde. Ein
        weites kleineres Paket mit weiteren Rechtsetzungsvor-
        aben wird am 21. Mai dieses Jahres folgen.
        Mit dem Integrierten Energie- und Klimaprogramm,
        EKP, verdoppelt Deutschland seine Anstrengungen zum
        limaschutz. Zurzeit wurde eine Reduktion der Treib-
        ausgasemissionen um 18 Prozent gegenüber 1990
        rreicht; das Programm soll eine Reduktion um etwa
        6 Prozent erzielen. Damit ist ein großer Schritt hin zur
        rreichung des Klimaschutzziels von minus 40 Prozent
        is 2020 getan. Das Integrierte Energie- und Klimapro-
        ramm ist damit nicht nur in der Geschichte der deut-
        chen Klimapolitik, sondern auch international einmalig.
        Die EU-Kommission hat nun wieder ihrerseits am
        3. Januar 2008 ein umfassendes Maßnahmenpaket zur
        nergie- und Klimapolitik vorgestellt. Es zeigt den Weg
        uf, wie die Beschlüsse des Europäischen Rats vom
        ärz 2007 auf die Mitgliedstaaten heruntergebrochen
        mgesetzt werden können – nämlich den Anteil der re-
        enerativen Energien am Endenergieverbrauch in der
        U bis 2020 auf insgesamt 20 Prozent zu erhöhen. Für
        eutschland wurde eine nationale Quote von 18 Prozent
        is zum Jahr 2020 festgelegt.
        Im Zusammenhang mit der Quotenfestsetzung für
        inzelne Mitgliedstaaten wurde auch über die möglichst
        ffiziente Allokation der unterschiedlichen erneuerba-
        en Energien diskutiert. So macht die Überlegung, zum
        eispiel Windkraftanlagen vor allem an den windstarken
        üstenstandorten und Fotovoltaikanlagen vor allem im
        onnigen Südeuropa zu platzieren, durchaus Sinn. Ein
        nstrument, um dieses Ziel zu erreichen, könnte der Han-
        el mit Ökozertifikaten sein. Mit dem Zertifikatehandel
        ersucht die Kommission zudem dem Wunsch einiger
        itgliedstaaten nach zusätzlicher Flexibilität bei der
        ielerfüllung nachzukommen, was ebenfalls grundsätz-
        ich erstrebenswert ist.
        Dennoch ist die CDU/CSU-Fraktion im deutschen
        undestag strikt dagegen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt
        iesen Handel zu ermöglichen und begrüßt daher aus-
        rücklich den Genehmigungsvorbehalt der Mitgliedstaa-
        en, den das Kommissionspapier für den Handel von
        ertifikaten für erneuerbare Energien auf Unternehmens-
        bene vorsieht.
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15069
        (A) )
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        Einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung unserer Kli-
        maschutzziele im Strombereich leistet das Erneuerbare-
        Energien-Gesetz (EEG) mit der vorrangigen Einspei-
        sung und der Vergütungsregelung. Das EEG ist sogar ein
        besonders effizientes Instrument für einen zügigen Zu-
        bau von erneuerbaren Energien im internationalen Ver-
        gleich. Dies bescheinigt auch die EU-Kommission in ih-
        rem Papier „The support of electricity from renewable
        energy sources“, das am 7. Dezember 2005 veröffent-
        licht wurde. – Außerdem sind wir als Union entschieden
        der Auffassung, dass die Entscheidung über die Instru-
        mente zur Zielerreichung beim Ausbau der erneuerbaren
        Energien im Sinne der Subsidiarität bei den Mitglied-
        staaten selbst liegen muss.
        Die Folge eines völlig offenen Zertifikatehandels
        könnte es nämlich sein, dass aus Mitgliedstaaten mit in-
        effizienteren Förderstrukturen und uneffektiverem Aus-
        bau der erneuerbaren Energien auf deutsche Zertifikate
        zugegriffen und damit die Erfüllung des nationalen Aus-
        bauziels verfehlt würde; und das obwohl die deutschen
        Stromverbraucher mit ihrer EEG-Umlage den Ausbau in
        unserem Land finanzieren. Der so finanzierte Erfolg
        würde dann aber anderen Mitgliedstaaten zugerechnet
        und Deutschland würde bei Nichterreichen des Ziels
        möglicherweise auch noch mit Sanktionszahlungen
        rechnen müssen.
        Das allerdings würde das sehr erfolgreiche EEG und
        vergleichbare Regelungen in anderen EU-Mitgliedstaa-
        ten geradezu konterkarieren. Es würde den weiteren
        Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland be-
        drohen und letztendlich wäre auch fraglich, ob das
        20-Prozent-Ziel auf EU-Ebene insgesamt überhaupt er-
        reicht werden kann. Außerdem lassen die Ergebnisse
        von Gutachten annehmen, dass ein solches System zu
        weiteren hohen Belastungen für die europäischen Strom-
        verbraucher führen würde, die überhaupt keine positiven
        Effekte auf den Klimaschutz hätten.
        Deshalb hatte Deutschland sich im Vorfeld des Green
        Package erfolgreich gegen einen völlig offenen Zertifika-
        tehandel stark gemacht. Denn das EEG mit seiner Ein-
        speisevergütung ist sehr erfolgreich und hat sich über die
        Grenzen Deutschlands hinaus bewährt. Um es nicht zu
        gefährden, bitten wir die Bundesregierung, sich auch wei-
        terhin – bei den Beratungen des Green Package im Minis-
        terrat und im Hinblick auf die Diskussionen im Europäi-
        schen Parlament – für die individuelle Zielerreichung in
        den einzelnen Mitgliedstaaten einzusetzen. Das beinhal-
        tet, die Kommission und den Ministerrat davon zu über-
        zeugen, die Entscheidungsfreiheit der Mitgliedstaaten
        über geeignete Förderinstrumente zur Zielerfüllung nicht
        einzuschränken, keinen europaweiten virtuellen Zertifi-
        katehandel zur Förderung erneuerbarer Energien auf der
        Ebene der Unternehmen einzuführen, den Staaten die
        Möglichkeit zu geben, Zielüberfüllungen von Staaten mit
        Defiziten anderer Staaten auszugleichen.
        Es macht keinen Sinn, mitten im Rennen die Pferde
        zu wechseln. Das Erreichen unserer ehrgeizigen Ausbau-
        ziele wird unter Anwendung der bewährten Instrumente
        schon schwierig genug werden. Deshalb denken wir im
        Bundestag nicht über die komplette Umstellung des För-
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        ersystems nach, sondern sind jetzt dabei, das EEG noch
        ffizienter zu gestalten und die erneuerbaren Energien
        äher an den Markt zu führen.
        Das EEG ist ein Erfolgsmodell: es forciert effektiv
        en Ausbau erneuerbarer Energien und trägt zur Versor-
        ungssicherheit bei, es ist ein Jobmotor, es sorgt für effi-
        ienten Klimaschutz und schafft Innovationen in der
        irtschaft. Wir wollen es deshalb zur Erreichung der
        hrgeizigen Klimaschutzziele erfolgreich weiterentwi-
        keln.
        Dies kann aber nur gelingen, wenn sichergestellt ist,
        ass das Erfolgsmodell EEG nicht durch europäische
        orgaben unterlaufen wird. Deshalb bitten wir Sie, liebe
        olleginnen und Kollegen, um Unterstützung des Koali-
        ionsantrags.
        Dirk Becker (SPD): Die Bundesrepublik Deutsch-
        and hat durch die Bundesregierung und die Koalitions-
        raktionen von CDU/CSU und SPD umfangreiche Maß-
        ahmen zum Klimaschutz auf den Weg gebracht.
        intergrund ist die im internationalen und europäischen
        ontext eingegangene Verpflichtung, den nationalen
        usstoß an Treibhausgasen um 40 Prozent bis zum
        ahr 2020 zu reduzieren. Damit wird Deutschland den
        rößten nationalen Anteil innerhalb der EU leisten, da-
        it diese insgesamt ihre geplanten Minderungsziele er-
        eichen kann.
        Wir unterstützen die EU ausdrücklich in ihrem Bemü-
        en, die Energieeffizienz bis 2020 um 20 Prozent zu
        teigern, den Ausstoß der Treibhausgase EU-weit um
        0 Prozent zu reduzieren und den Anteil der erneuerba-
        en Energien auf mindestens 20 Prozent zu steigern. Ge-
        ade dem Ausbau der erneuerbaren Energien fällt dabei
        ine entscheidende Schlüsselrolle zu.
        Die SPD-Bundestagsfraktion verweist daher mit Stolz
        uf das unter Rot-Grün verabschiedete erfolgreiche
        EG. Mittlerweile ist unbestritten bewiesen, dass das
        EG das effizienteste und günstigste System zur Markt-
        inführung erneuerbarer Energien im Stromsektor ist. Es
        at sich deutlich gegenüber anderen Modellen bewährt,
        as weder auf EU-Ebene noch im nationalen Vergleich
        it anderen Modellen bestritten wird. Mehr als
        0 Länder haben daher mittlerweile das EEG für ihre
        ationale Strategie übernommen. Nicht zuletzt wegen die-
        er eindeutigen Erfolgsbilanz ist unser heutiger Koali-
        onspartner vom EEG-Kritiker zum Befürworter gewor-
        en. Dies bestätigt und freut uns natürlich besonders.
        Ebenso freut uns die Entwicklung des tatsächlichen
        EG-Anteils an der Stromerzeugung, die heute deutlich
        ber den ursprünglichen Prognosen liegt. Nur wenn die-
        es erfolgreiche deutsche Modell des EEG fortgeführt
        ird, kann Deutschland seinen Beitrag im Rahmen der
        uropäischen Minderungsziele erfüllen. Daher muss
        uch künftig die Entscheidungsfreiheit über geeignete
        örderinstrumente den Mitgliedstaaten überlassen blei-
        en. Das von der EU angedachte Zertifikatesystem hin-
        egen würde die Ausbauziele gefährden und die Kosten
        ür den Einsatz erneuerbarer Energien in die Höhe trei-
        15070 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
        (A) )
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        ben. Dies ist weder im europäischen noch im deutschen
        Interesse.
        Daher fordern wir die Bundesregierung auf, sich bei
        der Kommission und im Ministerrat, vor allem im Hin-
        blick auf die kommenden Schlussfolgerungen des EU-
        Frühjahrsgipfels zum Lissabon-Prozess, dafür einzuset-
        zen, dass im Sinne des Subsidiaritätsprinzips die Ent-
        scheidungsfreiheit der Mitgliedstaaten über geeignete
        Förderinstrumente zur Zielerfüllung nicht eingeschränkt
        wird, dass kein europaweiter virtueller Zertifikathandel
        zur Förderung erneuerbarer Energien auf der Ebene der
        Unternehmen eingeführt wird, da dieser ein untaugliches
        und den Ausbau erneuerbarer Energien gefährdendes In-
        strument wäre, dass den Staaten die Möglichkeit gege-
        ben wird, Zielüberfüllungen von Staaten mit Defiziten
        anderer Staaten auszugleichen, und bei der EU-Kommis-
        sion und den Mitgliedstaaten, insbesondere bei der slo-
        wenischen und französischen Ratspräsidentschaft, für
        diese Positionen zu werben.
        Michael Kauch (FDP): Umweltverträglichkeit, Wirt-
        schaftlichkeit und Versorgungssicherheit sind die Voraus-
        setzungen für eine nachhaltige Energieversorgung. Des-
        halb setzen auch die Freien Demokraten auf einen
        deutlich stärkeren Einsatz erneuerbarer Energiequellen in
        Deutschland und in Europa. Ja, dazu brauchen wir auch
        staatliche Fördermaßnahmen. Doch auch eine Förderpoli-
        tik erneuerbarer Energien muss sich an der Wirtschaftlich-
        keit messen lassen und mehr Wettbewerb als bislang zu-
        lassen. Für einen marktwirtschaftlichen, effizienten Weg
        zur Förderung der erneuerbaren Energien – dafür steht die
        FDP.
        Die Zielsetzungen des Europäischen Rates vom
        März 2007, wonach der Anteil erneuerbarer Energien
        bis 2020 auf 20 Prozent am Primärenergieverbrauch
        gesteigert werden soll, begrüßen und unterstützen wir
        ausdrücklich. Und – darin unterscheiden wir uns offen-
        sichtlich von den anderen Fraktionen im Bundestag –
        wir sehen in dem Vorschlag der Europäischen Kommis-
        sion Anfang dieses Jahres nicht zuerst einen Angriff
        auf das deutsche EEG, sondern vor allem eine Chance,
        auch andere Wege zur Förderung der erneuerbaren
        Energien in ganz Europa zu gehen.
        Ein Handel mit „Grünstrom-Zertifikaten“ würde be-
        deuten, dass die erneuerbaren Energien dort ausgebaut
        werden, wo es am wirtschaftlichsten ist. Wir stimmen
        Ihnen zu, dass es den Mitgliedstaaten überlassen bleiben
        soll, ob sie so einen Handel auch auf Unternehmens-
        ebene zulassen. Dafür spricht das Subsidiaritätsprinzip.
        Aber wir sagen anders als die Koalition: Auch Deutsch-
        land sollte sich in nationaler Entscheidung für den weite-
        ren Zubau bei den erneuerbaren Energien am Modell des
        Handels mit „Grünstrom-Zertifikaten“ orientieren – zu-
        mindest nach einer angemessenen Übergangsperiode.
        Die bisherige Ausrichtung des EEG, wodurch allein
        die Erzeugung von elektrischem Strom und dessen Ein-
        speisung in ein bestehendes Netz zu staatlich vorgegebe-
        nen Preisen und bei selektiver Förderung bestimmter
        Techniken gefördert wird, ist nicht sinnvoll; denn das
        EEG ist anfällig für das Lobby-Gezerre bei der Festle-
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        ung der Einspeisepreise. Und das EEG ist zwar empi-
        isch leistungsfähig beim Zubau von Kapazitäten, aber
        abei eben nicht effizient. Wenn die Koalition das be-
        auptet, dann hat sie die Gutachten der EU-Kommission
        ben nicht richtig gelesen. Man kann nicht einfach
        indstrom in Deutschland und Großbritannien verglei-
        hen und dann sagen, das EEG sei billiger. Was ist denn
        it den Preisen der anderen erneuerbaren Energien, die
        as EEG fördert? Hier wird doch zum Teil deutlich mehr
        om Verbraucher aufgewendet. Solch eine Rosinen-
        ickerei beim Vergleich der Effizienz von Systemen
        ann man nicht seriös machen.
        Die FDP plädiert nicht für ein reines Mengensteue-
        ungsmodell wie in Großbritannien, sondern für ein Mo-
        ell der differenzierten Mengensteuerung. Wir halten da-
        ei eine prinzipielle Fortsetzung der EEG-Förderung für
        ltanlagen für richtig. Für den Neubau wollen wir aber
        en Einstieg in den EU-weiten Handel mit „Grünstrom-
        ertifikaten“. Dabei sollten die Energieversorger in
        eutschland verpflichtet werden, bis 2020 im Stromsek-
        or für 30 Prozent ihrer verkauften Energiemenge Zerti-
        ikate nachzuweisen, um das Gesamtziel „20 Prozent er-
        euerbarer Energien am Primärenergieverbrauch“ zu
        rreichen. EEG-Mengen aus Bestandsanlagen sind da-
        auf anzurechnen.
        Die wichtigste Abweichung von der reinen Mengen-
        teuerung im FDP-Modell besteht aber in Folgendem:
        nnovative und vielversprechende Technologien, die auf-
        rund ihres Entwicklungsstandes im Markt noch nicht
        igenständig bestehen können, sollen aus unserer Sicht
        usätzlich steuerfinanzierte, zeitlich befristete und de-
        ressive Zuschüsse zu den Erlösen erhalten, die die Be-
        reiber im System der Mengensteuerung erwirtschaften.
        utznießer solcher Erlöszuschüsse wäre unter anderem.
        ie Fotovoltaik, da sie, von einem hohen Kostenniveau
        ommend, massive Kostensenkungsraten pro Jahr reali-
        iert. Eine solche Technologiepolitik sollte aber vom
        teuerzahler und nicht vom Stromverbraucher finanziert
        erden, denn den Nutzen für den Standort Deutschland
        aben nicht nur diejenigen, die einen hohen Stromver-
        rauch haben.
        Die Entscheidung der EU-Kommission zur Förderung
        er erneuerbaren Energien in Europa ist keine Gefahr für
        eutschland, sondern eine Chance. Wir sollten auch im
        ationalen Interesse diese Chance annehmen und nicht
        llein in Abwehrhaltung gegenüber der EU verfallen,
        ie es der vorliegende Antrag von Union und SPD vor-
        acht. Das EEG als heilige Kuh der deutschen Energie-
        olitik – die ideologische Lobhudelei aufs EEG im Fest-
        tellungsteil des Antrags, die ein Instrument quasi zum
        igenständigen Ziel erhebt, ist mit der FDP nicht zu ma-
        hen. Der Antrag ist im Übrigen völlig überholt; denn
        as, was Sie in Ihrem Antrag letztlich fordern, nämlich
        ie nationale Entscheidung über das Förderinstrument,
        at die EU-Kommission doch längst vorgesehen. Wir
        erden deshalb den unausgegorenen Schaufenster-An-
        rag der Koalition ablehnen.
        Hans-Kurt Hill (DIE LINKE): Das Erneuerbare-
        nergien-Gesetz ist ein Erfolgsmodell, das weltweit
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15071
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        Schule macht. Es ist ein Garant für die Erreichung der
        erforderlichen Klimaschutzziele und ersetzt knappes und
        teures Öl und Gas. Das EEG ist ein Beschäftigungsmo-
        tor und eine wirksame Friedensdividende. Denn um So-
        lar- und Windenergie wird kein Krieg geführt, während
        Öl und Atomenergie immer näher an militärische Ten-
        denzen heranrücken.
        Es gibt jedoch Hindernisse beim Ausbau der erneuer-
        baren Energien. Dabei meine ich nicht die FDP, die sich
        mit der ablehnenden Haltung gegenüber dem EEG be-
        reits ins Abseits befördert hat. Vielmehr schürt die kar-
        tellartige Energiewirtschaft Stimmung gegen die Zu-
        kunftsenergien. Da ist es doch erstaunlich, dass SPD-
        Umweltminister Gabriel der Kohlelobby das Wort redet
        und Herr Clement der Atomindustrie beispringt. Wofür
        stehen die Sozialdemokraten eigentlich? Ist ihnen nicht
        bewusst, dass sie mit den EEG-Verhinderern Tango tan-
        zen? Sie lassen sich besser von Frau Ypsilanti in Hessen
        beraten. Die sagt ganz klar: Keine neuen Kohlekraft-
        werke, raus aus der Atomkraft und 100 Prozent erneuer-
        bare Energien!
        Man muss festhalten, dass die Verhinderer unter den
        Energiebossen auf EU-Ebene fast einen Sieg davonge-
        tragen haben. Sie wollten das Erfolgsmodell EEG euro-
        paweit abschaffen und durch einen Zertifikatehandel er-
        setzen. Die Folge wäre ein Stillstand bei den
        erneuerbaren Energien gewesen. Denn wenn in jedem
        Land nur noch Unternehmen bestimmte Anteile erneuer-
        barer Energien europaweit handeln, wäre ein Technolo-
        gie-Dumping die Folge: Nur was billig ist und einfach
        zu realisieren, käme zum Zuge. Innovation, Weiterent-
        wicklung und kluge Netzintegration würden auf der
        Strecke bleiben. Darüber hinaus ist die Zertifikatelösung
        für die Stromkunden teurer als das EEG. Das zeigen die
        Beispiele in den Ländern, die mit diesem Modell leben
        müssen.
        Deshalb ist es richtig, mit dem vorliegenden Antrag
        im Bundestag die Reihen zu schließen – vielleicht auch
        mit Hilfe der Liberalen – und ein klares Signal an die
        EU-Kommission und die Energiebosse zu senden: Das
        EEG muss erhalten bleiben und als Erfolgsmodell EU-
        weit durchgesetzt werden. Deshalb wird die Linksfrak-
        tion dem Antrag zustimmen.
        An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass
        Die Linke deutlich höhere Anteile an erneuerbaren Ener-
        gien in Deutschland und Europa für machbar hält. Aus
        unserer Sicht ist auch eine stärkere Senkung des Klima-
        gasausstoßes erforderlich. Das haben wir an anderer
        Stelle deutlich gemacht. Auch halten wir einen Aus-
        tausch von erneuerbaren Energiemengen bei Übererfül-
        lung der einzelstaatlichen Ziele für falsch. Gleichwohl
        stellen wir uns hinter die Hauptforderung des Antrags:
        Kein Zertifikatehandel für erneuerbare Energien auf
        Kosten von Arbeitsplätzen und Innovation. Das EEG
        darf nicht durch die Energiekonzerne unterlaufen wer-
        den.
        Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat einen uner-
        wartet erfolgreichen Siegeszug hinter sich. Bei der Ver-
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        bschiedung im Jahre 2000 gab es vor allem Kritiker und
        weifler, ob das angepeilte Ziel von 12,5 Prozent Anteil
        rneuerbarer Energien an der Stromerzeugung bis 2010
        berhaupt erreichbar sei. Ende 2007 wurden allen Un-
        enrufen zum Trotz bereits 14,3 Prozent erreicht. Hätten
        ir 2000 auf die Gegner des EEGs gehört und ein Quo-
        en-Zertifikatssystem eingeführt, hätte dies zwei Konse-
        uenzen gehabt: Erstens. Der Ausbau der erneuerbaren
        nergien wäre ins Stocken gekommen. Und zweitens
        äre der Ausbau viel teurer gekommen. Deutschland
        utzt zehnmal mehr Windenergie als Großbritannien,
        nd das, obwohl in Großbritannien viel mehr Wind weht
        ls hierzulande und obwohl in Großbritannien fast dop-
        elt so viel für die Kilowattstunde Windstrom gezahlt
        ird.
        Deutschland hat mit dem EEG das weltweit bedeu-
        endste Innovationsprogramm. Nur mit diesem Förder-
        odell konnten Technologien wie die Fotovoltaik einen
        arkt entwickeln. Es gibt kein Quoten-Zertifikatsmo-
        ell, das der Fotovoltaik einen Markt gegeben hätte.
        eutschland ist heute nicht nur Weltmeister bei der Fo-
        ovoltaik. Hierzulande werden auch die niedrigsten
        reise für Fotovoltaikanlagen bezahlt. Dies hat sogar die
        nternationale Energieagentur bestätigt.
        Bestätigt wurde sowohl die Effektivität des Erneuer-
        are-Energien-Gesetzes als auch dessen Effizienz von
        er EU-Kommission. Das heißt die EU-Kommission ist
        ich vollkommen bewusst, dass mit diesem Instrument
        er Ausbau der erneuerbaren Energien besonders umfas-
        end und kostengünstig vorangetrieben wird. Umso un-
        erständlicher sind die Versuche von Teilen der EU-
        ommission, das EEG durch ein Fördermodell abzulö-
        en, das sich bislang nirgends auf der Welt bewährt hat.
        etrieben wird die EU-Kommission vor allem von der
        uropäischen konventionellen Energiewirtschaft, die
        ahr für Jahr mitansehen muss, wie erneuerbare Energien
        hren Atom- und Kohlekraftwerken Konkurrenz machen
        nd die Preise senken.
        Die Stromkonzerne wollen die erneuerbaren Energien
        it einem Quoten-Zertifikatssystem ähnlich in ihren
        errschaftsbereich übernehmen, wie dies den Mineral-
        lkonzernen mit den nationalen Quotensystemen für
        iokraftstoffe gelungen ist. Mehr noch: Die Energiekon-
        erne erhoffen sich Mitnahmeeffekte mit dem ineffizien-
        n Zertifikatssystem. Als Vorbild soll der Emissionshan-
        el dienen, der den Energiekonzernen Mitnahmeeffekte
        n mehrstelliger Milliardenhöhe ermöglicht hat, aber
        aktisch noch kein CO2 eingespart hat. Wissenschaftler
        chätzen die möglichen Mehrkosten eines Quoten-Zerti-
        ikatssystems auf etwa 100 Milliarden Euro im Vergleich
        u Stromeinspeisungssystemen. Kein Wunder, dass hier
        ie Lobbyisten scharren, damit dieser neuer Fettnapf ge-
        chaffen wird. Es fragt sich nur, wieso Teile der EU-
        ommission die Interessen der Stromkonzerne vertreten
        nstatt die der Bürger.
        Der Richtlinienentwurf sieht entgegen den Befürch-
        ungen keine Verpflichtung zu einem Quoten-Zertifikats-
        ystem vor. Dennoch enthält er eine Reihe von Ansätzen,
        ie in diese Richtung gehen. Mehr noch: Die EU-Kom-
        ission arbeitet im Hintergrund weiter in Richtung Quo-
        15072 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
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        ten-Zertifikatssystem. Umso wichtiger ist, dass die Re-
        gierungen hier dagegenhalten. Es ist daher von großer
        Bedeutung, dass der Deutsche Bundestag der Bundesre-
        gierung einen eindeutigen Auftrag gibt.
        Wir begrüßen daher den Antrag der Regierungsfrak-
        tionen, der genau dies tut, nämlich die Bundesregierung
        auf die Verteidigung des bewährten Erneuerbare-Ener-
        gien-Gesetzes festzulegen, und dazu auffordert, dass sie
        gegen ein europäisches Quoten-Zertifikatssystem an-
        geht. Der Antrag der Regierungsfraktionen findet daher
        unsere Zustimmung.
        Sicher, es gibt auch Punkte, wo wir uns mehr Mut in
        dem Antrag gewünscht hätten. So begrüßt der Antrag die
        Ziele der EU zur Einsparung von CO2 und zum Ausbau
        der erneuerbaren Energien. Wir sind uns sehr bewusst,
        dass diese Ziele mutlos und viel zu vorsichtig sind. Aber
        das deutsche Beispiel hat gezeigt, dass Ziele nachrangig
        sind, wenn das Instrument stimmt. Wenn die 20 Prozent
        für erneuerbare Energien europaweit deutlich vor 2020
        erreicht werden, ist das Ziel Makulatur. Erforderlich
        wäre hierfür allerdings die europaweite Einführung von
        Stromeinspeisungssystemen im Stromsektor. Die Bun-
        desregierung sollte sich genau dafür einsetzen. Damit
        könnte sie auch die Peinlichkeit ausgleichen, dass die
        Kanzlerin sich in der EU für ein 20-Prozent-Ziel für er-
        neuerbare Energien eingesetzt hat, ihre Minister aber
        später in Brüssel dafür kämpften und kämpfen, dass
        Deutschland lediglich 18 Prozent erreichen muss.
        Anlage 12
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
        Berichts: Arbeitsplatzabbau bei Airbus verhin-
        dern – Staatliche Sperrminorität bei EADS her-
        stellen (Tagesordnungspunkt 20)
        Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU): Die Luftfahrt-
        branche ist ein wesentlicher Stützpfeiler der deutschen
        Industrie und muss es auch bleiben. Sie ist eine hoch-
        innovative Zukunftsindustrie, die Wachstum und Arbeit
        garantiert: mit steigendem Branchenumsatz, der 2006
        fast 20 Milliarden Euro betrug; mit über 85 000 Mit-
        arbeitern und mit hohen Forschungsausgaben von durch-
        schnittlich rund 20 Prozent des Umsatzes.
        Das europäische Gemeinschaftsprojekt Airbus und
        seine Zulieferer- und Ausrüstungsindustrie sind hier die
        wichtigsten Akteure. Sie haben Deutschland und Europa
        zum Weltmarktführer im zivilen Luftfahrtbau gemacht.
        Rund 40 Prozent der Airbus-Produktion kommen aus
        Deutschland. 2007 konnte die EADS-Tochter Airbus
        wieder Rekordaufträge und -verkäufe verbuchen. Und
        doch ist die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Luft-
        fahrtindustrie noch lange kein Selbstläufer. Der Druck
        der internationalen Konkurrenz wächst.
        Zudem ist gerade Airbus, das Paradepferd der deut-
        schen und europäischen Luftfahrtindustrie, in den letzten
        zwei Jahren in Turbulenzen geraten und hat die Zuliefer-
        industrie in Mitleidenschaft gezogen. Managementfeh-
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        er, Finanzierungsprobleme durch Verzögerungen beim
        irbus 380 und Kostensteigerungen durch den starken
        uro machten das milliardenschwere Sanierungspro-
        ramm Power 8 notwendig, um der Konkurrenz von
        oeing standzuhalten und die Finanzierung neuer Air-
        us-Modelle zu sichern. Power 8 hat einen großen Um-
        trukturierungsprozess in der Airbus-Industrie in Gang
        esetzt. Davon sind besonders deutsche Produktions-
        tandorte und deutsche Arbeitsplätze betroffen. Europa-
        eit müssen rund 10 000 Airbus-Arbeitsplätze in der
        erwaltung abgebaut werden, davon allein 3 700 in
        eutschland. Die deutschen Werke Nordenham, Varel,
        ugsburg und Laupheim stehen zum Verkauf. Und die
        ahl der Zulieferbetriebe soll auf nur noch wenige Mo-
        ul- und Systemlieferanten reduziert werden.
        Verschärft wird das Problem für Deutschland durch
        ie EADS-interne Konkurrenz mit Frankreich. Eine an-
        altende Dollarschwäche könnte zudem in absehbarer
        eit dazu führen, dass EADS Teile der Airbus-Produk-
        ion in den Dollarraum, in die USA, verlagert. Das hätte
        eiteren Arbeitsplatzabbau in Deutschland zur Folge,
        or allem bei den Zulieferbetrieben. Die internationale
        ettbewerbsfähigkeit der stark fragmentierten, mittel-
        tändischen deutschen Ausrüster- und Werkstoffindus-
        rie würde dadurch zusätzlich geschwächt, und so würde
        er Luftfahrtstandort Deutschland insgesamt gefährdet.
        Handlungsbedarf besteht daher auch für die Politik.
        ir brauchen starke zukunftsfähige Standorte und zu-
        unftsfähige Arbeitsplätze in der Luftfahrtindustrie in
        eutschland. Wir brauchen ein stabiles deutsch-franzö-
        isches Gleichgewicht bei Airbus, damit deutsche Stand-
        rte und Zulieferunternehmen auch künftig bei Entwick-
        ung und Produktion entsprechend der bisherigen
        rbeitsteilung berücksichtigt werden. Dafür muss die
        olitik die Rahmenbedingungen setzen.
        Gleichzeitig müssen die Konzernstrukturen insgesamt
        eiter gestrafft und das Sanierungsprogramm Power 8
        um Erfolg geführt werden. Dafür ist jedoch allein das
        nternehmen zuständig.
        Der Antrag der Fraktion Die Linke wird diesen He-
        ausforderungen nicht gerecht. Die Forderungen gehen
        rstens in die falsche Richtung. Eine staatliche Sperr-
        inorität bei den deutschen Anteilen an EADS – also
        ine Entwicklung in Richtung Staatsfonds – oder gar
        ingriffe in die Firmenpolitik – wie die Verhinderung
        on Werksverkäufen – sind kontraproduktiv. Sie sind
        icht mit unserem Verständnis der Rolle des Staates in
        er Wirtschaftspolitik vereinbar. Sie können nicht die
        robleme bei Airbus oder beim Dollarkurs lösen. Sie
        önnen nicht die Wettbewerbsfähigkeit des Unterneh-
        ens stärken, und sie können keine Arbeitsplätze si-
        hern.
        Zweitens ist eine Sperrminorität aus rein rechtlichen
        ründen nicht möglich, denn EADS ist eine Aktienge-
        ellschaft nach niederländischem Recht, das keine Sperr-
        inoritäten kennt.
        Drittens ist der Antrag, der jetzt schon ein Jahr alt ist,
        berholt, denn vieles bei Airbus hat sich in der Zwi-
        chenzeit positiv entwickelt – auch dank der klugen Be-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15073
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        gleitung des Umstrukturierungsprozesses durch die Bun-
        desregierung.
        Die Umsetzung von Power 8 macht gute Fortschritte:
        Die notwendigen Einsparungen waren 2007 bei Airbus
        höher als erwartet.
        Airbus wird auch künftig wichtige Teile seines Kern-
        geschäfts in Deutschland ansiedeln. So kommt das Kom-
        petenzzentrum für Kabine und Rumpf nach Deutsch-
        land. Und der Bau der Familie A320 sowie die
        Auslieferung des A380 für Asien und Arabien erfolgen
        künftig komplett in Hamburg.
        Der Verkauf der Standorte Nordenham, Varel und
        Augsburg hat sich zwar verzögert. Wir begrüßen jedoch,
        dass sich nach langwierigen Verhandlungen jetzt eine
        deutsche Lösung abzeichnet. EADS hat die deutsche MT
        Aerospace – Tochter des Bremer Raumfahrtunterneh-
        mens OHB – als bevorzugten Bieter ausgewählt, nach-
        dem lange Zeit der amerikanische Boeing-Zulieferer
        Spirit Aero Systems als Favorit galt. Wenn alles nach
        Plan verläuft, können die Werke schon im Sommer über-
        geben und zu einem starken Industriepartner ausgebaut
        werden. Die Bundesregierung hat sich von Anfang an
        für eine deutsche Lösung eingesetzt. Sie wird Airbus,
        MT Aerospace und die Standorte im Rahmen geltender
        EU- und WTO-Regeln finanziell zusätzlich unterstützen,
        damit die Konsolidierung der Ausrüsterbranche erfolg-
        reich verläuft.
        Bis Ende März soll auch die Vorentscheidung über
        den Käufer des Werks in Laupheim fallen, für das nach
        letzten Berichten noch die Bieter Diehl und Käfer aus
        Deutschland sowie Zodiac (Frankreich) und PAIG
        (Schottland) im Rennen sind.
        Wir setzen auch bei der weiteren Umsetzung von
        Power 8 auf ein verantwortungsvolles Vorgehen von
        EADS und Airbus und auf eine Strategie, die langfristig
        auf die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet
        ist.
        Auch die Verbesserung der finanziellen, wirtschaftli-
        chen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die deut-
        sche Luftfahrtindustrie durch die Politik hat im letzten
        Jahr weitere Fortschritte gemacht. Sie steht auch künftig
        ganz oben auf unserer Agenda.
        Die Bundesregierung hat sich auf der Grundlage des
        bestehenden Aktionärspakts, mit der industriellen Füh-
        rerschaft von Daimler auf deutscher und von Lagardère
        auf französischer Seite, erfolgreich für ein stabiles
        deutsch-französisches Gleichgewicht bei EADS einge-
        setzt. Bereits im letzten Februar hat ein Bankenkonsor-
        tium, das zu 60 Prozent private Investoren und zu
        40 Prozent staatliche Investoren inklusive der KfW um-
        fasst, 7,5 Prozent der Daimler-Anteile am EADS-Akti-
        enpaket übernommen. Für diese Anteile hat sich der
        Bund zudem ein Vorkaufsrecht im Jahr 2010 gesichert.
        Die Stimmrechte bleiben bis dahin bei Daimler.
        Die derzeit laufenden sensiblen Verhandlungen zwi-
        schen Deutschland und Frankreich zur künftigen Aktio-
        närsstruktur und zum Schutz vor feindlichen Übernah-
        men sind ein wichtiger Schritt, um das Gleichgewicht
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        eider Staaten und die angemessene Beteiligung deut-
        cher Firmen auch künftig zu sichern. Wir unterstützen
        as Ziel der Bundesregierung, für den Übernahmeschutz
        ösungen auf Konzernebene zu finden und den staatli-
        hen Anteil beider Seiten im Aktionärspakt zu vermin-
        ern. Denn nur mit einer privaten Ausrichtung kann das
        nternehmen dauerhaft wettbewerbsfähig bleiben.
        Auch die Entscheidung von Angela Merkel und
        icolas Sarkozy, die Doppelspitze in der Führungsstruk-
        ur bei EADS Ende 2007 abzuschaffen, dient der
        alance. Mit Louis Gallois als EADS-Konzernchef,
        homas Enders als Chef von Airbus und Rüdiger Grube
        ls Chef des EADS-Verwaltungsrats wird zudem die
        anagement- und Entscheidungsstruktur verbessert und
        ehlentwicklungen vorgebeugt.
        Damit die Schlüsselindustrien der Luftfahrt in
        eutschland bleiben, muss sich die deutsche Werkstoff-
        nd Ausrüsterindustrie konsolidieren. Das bleibt Auf-
        abe der Industrie selbst. Die Bundesregierung unter-
        tützt diese Konsolidierung jedoch, indem sie konse-
        uent ihre Reformpolitik fortführt mit den Zielen:
        eniger Staat, mehr Wettbewerb. Die Aufgabe der Poli-
        ik heißt auch künftig: weniger Bürokratie, weniger
        teuern und Abgaben. Bei der Einsetzung des Normen-
        ontrollrats, der Unternehmensteuerreform 2007 und
        en bisher eingeleiteten Reformen in den sozialen Siche-
        ungssystemen und auf dem Arbeitsmarkt dürfen wir
        icht stehenbleiben.
        Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und die
        ettbewerbsfähigkeit zu stärken, sollten künftig auch
        ie Subventionen für die beiden größten Unternehmen
        er Luftfahrtindustrie zurückgefahren werden – und
        war auf beiden Seiten des Atlantiks. Das betrifft in
        uropa die Anschubfinanzierung, die sogenannte
        aunch Aid für Airbus in Form von rückzahlbaren Dar-
        ehen, und das betrifft in den USA die indirekten Sub-
        entionen für Boeing über Aufträge von Pentagon und
        ASA.
        Die Koalitionsfraktionen unterstützen die Bundes-
        egierung in dem Ziel, das derzeit laufende Streitverfah-
        en zwischen EU und USA über diese Subventionen vor
        er Welthandelsorganisation WTO möglichst bald zu
        lären und vorzugsweise eine Verhandlungslösung au-
        erhalb der WTO zu erreichen. Langfristig müssen sich
        U und USA auch über den Subventionsabbau bei Air-
        us und Boeing einigen. Zu überlegen ist dabei auch
        ine Umschichtung von Fördermitteln in die Technolo-
        ieentwicklung der Ausrüster- und Zulieferindustrie.
        ir müssen die staatliche Technologieförderung in der
        uftfahrtindustrie konsequent ausbauen, um gerade in
        eiten der Konsolidierung und des schnell wachsenden
        uftverkehrs den deutschen Unternehmen zu helfen,
        uch künftig die Technologieführerschaft auf dem Welt-
        arkt zu sichern.
        Das gilt besonders für den Umweltschutz. Der Luft-
        erkehr muss wesentlich umweltverträglicher werden.
        r ist bereits heute für rund 3 Prozent der weltweiten
        reibhausgasemissionen verantwortlich. Dieser Wert
        ird sich bei einem geschätzten Wachstum des Luftver-
        ehrs von jährlich 5 bis 7 Prozent schon bald vervielfa-
        15074 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
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        chen. Nur innovative anspruchsvolle Technik kann
        helfen, die Herausforderungen dieses Wachstums zu
        meistern, begrenzten Luftraum und begrenzte Flugplatz-
        kapazitäten optimal zu nutzen, die Umwelt zu schützen
        und die großen Wachstums- und Beschäftigungspoten-
        ziale dieser Branche für uns zu erschließen.
        Schärfere Umweltstandards bringen die Entwicklung
        umweltfreundlicher Technik erheblich voran. Wir begrü-
        ßen, dass sich die europäische Luftfahrtindustrie im
        Rahmen von ACARE 2020 schon 2002 selbst verpflich-
        tet hat, bis 2020 Flugzeugmodelle auf den Markt zu brin-
        gen, die nur noch halb soviel Treibstoff verbrauchen,
        50 Prozent weniger CO2 und 80 Prozent weniger Lach-
        gas-Emissionen ausstoßen und bei denen auch der Lärm-
        pegel bei Start und Landung um 50 Prozent niedriger
        liegt als heute.
        Einen weiteren Anreiz bietet das Ziel der EU, den
        Flugverkehr künftig in den Handel mit Emissionsrechten
        einzubeziehen. Ab 2012 soll nach den Plänen der Kom-
        mission und der EU-Umweltminister der Emissionshan-
        del für alle Fluglinien verbindlich sein, die in der EU
        starten und landen. Die USA und China wollen dies
        zwar anfechten, doch schärfere Umweltauflagen kom-
        men auf die Luftfahrtindustrie auf jeden Fall zu.
        Das macht neue Technologiesprünge notwendig. Die
        Zukunft des Flugzeugbaus liegt im Einsatz neuartiger,
        emissionsarmer und leichterer Antriebssysteme und in
        der Nutzung innovativer, sehr leichter und hochfester
        Materialien. Innovative Turbinen, Bauteile aus kohlen-
        stofffaserverstärktem Kohlenstoff und die neue Bau-
        weise der Doppelhülle werden das Flugzeug der Zukunft
        sauberer, leiser und um fast ein Drittel leichter machen
        als heute. Auch an völlig neuartigen Konstruktionsmo-
        dellen muss gearbeitet werden.
        Bei der Entwicklung des „Öko-Flugzeugs“ der Zu-
        kunft kann und muss die deutsche Luftfahrtindustrie ei-
        nen maßgeblichen Beitrag leisten. Wichtig ist, dass
        Deutschland besonders seine Kompetenz in Leichtbau-
        weisen, vor allem der Kohlefasertechnologie (CFK-
        Technologie) schnell ausbaut, denn der A350 und der
        A320 werden künftig überwiegend aus Kohlenfaserver-
        bundstoffen hergestellt. Durch das Kompetenzzentrum
        Rumpf und Kabine und die Alleinfertigung der A320-
        Familie sind wir hier in der Pflicht
        Wir unterstützen die entsprechenden Fördermaßnah-
        men der Bundesregierung, die bereits 1995 unter der
        Führung von Helmut Kohl das nationale Luftfahrtfor-
        schungsprogramm aufgelegt hat, um die Technologie-
        kompetenz des Luftfahrtstandorts Deutschland global zu
        stärken. Sie hat dieses Programm seitdem ständig wei-
        terentwickelt und erfolgreich an die neuen Herausforde-
        rungen angepasst.
        Das aktuelle vierte Luftfahrtforschungsprogramm
        LuFo IV – mit einem Budget von rund 600 Millionen
        Euro 2007 bis 2013 – ist auch Teil der Hightechstrategie.
        Es legt einen besonderen Schwerpunkt auf die Förde-
        rung klimafreundlicher Luftfahrttechnologien und mo-
        derner Bauweisen und auf den Aufbau leistungsfähiger
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        orschungsnetzwerke mit Partnern aus Großindustrie,
        lein- und mittelständischer Zuliefererindustrie und der
        issenschaft. Gleichzeitig forciert die Hightechstrategie
        ie Entwicklung umweltfreundlicher Flugzeug- und
        riebwerksprogramme und fördert die deutsche Teil-
        ahme an der aktuellen EU-Initiative „Clean Sky“, die
        eue Basistechnologien für ein nachhaltiges Luftver-
        ehrssystem hervorbringen soll.
        Steuerliche Anreize – bisher weitgehend tabu – könn-
        en ebenfalls die Entwicklung klimafreundlicher Tech-
        ologien voranbringen. So hat sich EADS-Chef Gallois
        nzwischen öffentlich dafür ausgesprochen, die Entwick-
        ung zum „Öko-Flugzeug“ zusätzlich durch eine stärkere
        esteuerung von Kerosin zu fördern, als „effiziente
        öglichkeit, um den Fortschritt anzustoßen“. Ebenso
        abe der hohe Ölpreis bereits gute Anreize gesetzt. Noch
        teht Louis Gallois allerdings mit dieser Meinung unter
        einen Kollegen alleine da.
        Die Chancen für den deutschen Luftfahrtstandort sind
        ut. Aber die Restrukturierung der deutschen Luftfahrt-
        ndustrie kann nur dann gelingen, unser Standort kann
        ur dann attraktiv und konkurrenzfähig bleiben, unsere
        rbeitsplätze in der Branche können wir nur dann nach-
        altig sichern, wenn wir den eingeschlagenen Weg kon-
        equent weiter verfolgen und vor allem an den Zielen
        esthalten: Weniger Staat – mehr Wettbewerb – zu-
        unftsweisende Technologieförderung.
        Die Koalitionsfraktionen haben dies in einem eigenen
        ntrag zur Unterstützung der deutschen Luftfahrtindus-
        rie deutlich gemacht. Branchenexperten haben uns in
        er Anhörung vom 8. Oktober 2007 in unseren Zielen
        estärkt und weitere Anregungen gegeben. Unser Antrag
        nd die Arbeit der Bundesregierung sind eine gute
        rundlage, um die Wettbewerbsfähigkeit von Airbus
        nd der Branche nachhaltig zu sichern. Auf die Hand-
        ungsempfehlungen aus dem angekündigten Bericht des
        undeswirtschaftsministeriums zur aktuellen Lage der
        eutschen Luftfahrtindustrie sind wir gespannt.
        Auf dieser Grundlage werden wir alles daran setzen,
        ie Rahmenbedingungen für die Branche weiter zu ver-
        essern: damit Deutschland ein Luftfahrtstandort erster
        lasse bleibt, damit Airbus ein erfolgreiches Aushänge-
        child deutscher und europäischer Luftfahrtindustrie
        leibt, damit neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze bei Air-
        us und seinen Industriepartnern in Deutschland entste-
        en.
        Dr. Ditmar Staffelt (SPD): Wir hatten bereits im
        ärz vergangenen Jahres die Gelegenheit, den Antrag
        er Linken zu diskutieren und abzulehnen. Gerne nehme
        ch die erneute Gelegenheit wahr, um ihn ein zweites
        al, einschließlich der Ausschussberatungen sogar ein
        rittes Mal abzulehnen.
        An den Forderungen der Linken, eine staatliche
        perrminorität bei EADS zu erlangen, hat sich ebenso
        enig geändert wie an meiner Haltung und der Haltung
        er SPD-Bundestagsfraktion zu dieser Frage. Was for-
        ert die Linke? Sie möchte die Bundesregierung ver-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15075
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        pflichten, gemeinsam mit anderen europäischen Regie-
        rungen eine staatliche Sperrminorität bei EADS zu
        schaffen. Dies soll gelingen, indem erstens die von
        Daimler-Chrysler abgestoßenen 7,5 Prozent Aktienan-
        teile vom Staat übernommen werden sollen. Zweitens
        soll die Übertragung der Stimmrechte öffentlicher An-
        teilseigner beendet werden. Und zuletzt soll der politi-
        sche Einfluss genutzt werden, um den Arbeitsplatzabbau
        zu verhindern sowie um die notwendige Rüstungskon-
        versions- und Klimaschutzpolitik umzusetzen.
        Die Linke unterstellt dem Daimler-Konzern mit ihrem
        Antrag, die Interessen des Unternehmens und voran die
        deutschen Interessen nicht angemessen bei EADS zu
        vertreten. Ich glaube hingegen, dass wir im Zusammen-
        hang mit Airbus/EADS eine ausgesprochen gute Bilanz
        vorzuweisen haben. Dies zeigt sich unter anderem beim
        Streit um die Doppelspitze, die Besetzung des Boards
        und Power 8.
        Zweifelsfrei hat es in der Vergangenheit Fehleinschät-
        zungen des Managements gegeben, insbesondere was
        die Wünsche der Kunden betrifft und was in diesem Zu-
        sammenhang die neuen technologischen Voraussetzun-
        gen an den Flugzeugen selbst betrifft. Was die Fehler der
        Vergangenheit betrifft, sei Folgendes gesagt: Nach unse-
        rem Besuch bei Boeing in Seattle und in Chicago haben
        wir gegenüber der Airbusführung die Herausforderung
        im Zusammenhang mit der Boeing 787 angesprochen.
        Leider stießen unsere Hinweise auf keine große Reso-
        nanz. Das mag daran gelegen haben, dass man sich auf
        die große Herausforderung des A380 konzentrierte und
        dachte, mit einer technisch wenig innovativen A350 den
        Wettbewerb mit der Boeing 787 bestehen zu können.
        Diese Rechnung des Managements ist nicht aufgegan-
        gen.
        Es nützt uns aber nichts, auf die Fehler der letzten
        Jahre zu verweisen. Wir wissen, die EADS hat noch
        nicht alle Stolpersteine für eine weitere unternehmeri-
        sche Erfolgsgeschichte aus dem Weg geräumt. Wir wis-
        sen aber auch, dass sich der Konzern auch ohne staatli-
        che Sperrminorität den Herausforderungen stellen kann.
        Im vergangenen Jahr hat EADS schmerzhafte, aber
        wichtige Schritte eingeleitet, um wieder in ruhigeres
        Fahrwasser zu gelangen. Zum Ersten wurde die Doppel-
        spitze abgeschafft. Trotz aller Befürchtungen ist es ge-
        lungen, das deutsch-französische Gleichgewicht im
        Konzern zu erhalten. Heute ist die deutsche Seite sowohl
        im Management als auch im Board gut vertreten. Zum
        Zweiten ist es gelungen, mit der Auswahl von MT Aero-
        space als bevorzugtem Bieter für die Airbus-Werke Nor-
        denham und Varel sowie das EADS-Werk Augsburg
        eine deutsche Lösung zu finden.
        Natürlich wäre es uns lieber, die Werke blieben im
        Konzern, und natürlich bleiben auch Zweifel, ob ein ver-
        hältnismäßig kleines Unternehmen wie die MT Aero-
        space die Werke integrieren kann. Doch auf der anderen
        Seite öffnet sich der deutschen Zulieferindustrie die
        Chance, sich neu zu ordnen. Bereits seit Jahren fordert
        der Bundesverband der deutschen Luftfahrtindustrie so-
        wie die Politik, Struktur- und Systemlieferanten in der
        Luftfahrtindustrie aufzubauen. Nur so können wir lang-
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        ristig im internationalen Wettbewerb mit den großen
        merikanischen, britischen und französischen Spielern
        ithalten. Dies sieht übrigens auch die IG Metall Küste
        benso.
        Zum Dritten ist es gelungen, Arbeitspakete für die
        eutsche Luft- und Raumfahrtindustrie zu sichern. Im
        ahmen von Power 8 wird eine weitere Fertigungslinie
        ür den A320 nach Hamburg kommen, und auch bei der
        350 soll Deutschland angemessen berücksichtigt wer-
        en. Unser Ziel muss es sein, die Arbeitsplätze, vor al-
        em aber die technologisch hochwertigen Arbeitsplätze
        n Deutschland, langfristig – zusammen mit den Ge-
        erkschaften – zu sichern. Bislang ist uns dies gelungen.
        Es ist eine sehr verkürzte Analyse der Probleme,
        enn es von der linken Seite heißt, Daimler und
        agardère wollen aus dem Unternehmen aussteigen und
        achen die Braut für Investoren hübsch, indem Entlas-
        ungen und strukturelle Veränderung durchgeführt wer-
        en. Das Unternehmen ist in einer sehr schwierigen
        age, weil es große Herausforderungen zu meistern hat.
        ielleicht sollten Sie sich einmal daran erinnern, dass es
        icht nur um den A380 geht, sondern auch um den
        400M, den Militärtransporter. Es geht um einen neuen
        350 und eine neue A320er-Familie. Nicht nur von der
        inanziellen Seite her, sondern auch was die Forschungs-
        nd Entwicklungskapazitäten angeht, ist die Herausfor-
        erung enorm. Dazu kommt, dass der schwache Dollar
        ADS enorm belastet.
        EADS/Airbus wäre ohne politische bzw. staatliche
        nterstützung nicht zu dem Unternehmen geworden, das
        s jetzt ist. Wir haben uns aus verschiedenen Gründen
        afür entschieden, einen großen Luft- und Raumfahrt-
        onzern in Europa aufzubauen: weil wir innovative Pro-
        ukte in Europa herstellen wollen, weil wir hochwertige
        rbeitsplätze schaffen wollen und weil wir die Bundes-
        ehr nach den Zeiten des Kalten Krieges für neue Auf-
        aben umrüsten mussten.
        Mit dem Luftfahrtforschungsprogramm haben wir da-
        ür Sorge getragen, die Großen und die Kleinen in der
        uftfahrtindustrie in die Lage zu versetzen, mit staatli-
        her Hilfe neue Technologien zu entwickeln, um damit
        eren Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Inzwi-
        chen sind fast 90 000 Menschen in der hiesigen Luft-
        nd Raumfahrtindustrie beschäftigt. Über die Hälfte da-
        on sind hochqualifizierte Arbeitsplätze. Gerade deshalb
        üssen wir die Luftfahrtindustrie fördern und als
        chlüsselindustrie erhalten. Dies schaffen wir nur, wenn
        as Flaggschiff EADS seinen Weg frei von staatlichen
        ängelungen wählen kann.
        Natürlich ist eines klar: Solange die EADS vom Staat
        nterstützung erhält, muss sie auch gesellschaftliche
        nd soziale Verantwortung tragen. Doch werden Unter-
        ehmensentscheidungen nicht besser, wenn sie politisch
        otiviert sind. Einfluss können wir im Übrigen auch
        usüben, ohne Shareholder zu sein. Es gibt sogar Situa-
        ionen, in denen man sagen muss: Bisweilen ist derje-
        ige, der andere Hilfen anbietet, sehr viel besser dran, in
        er Beeinflussung eines Unternehmens einen bestimm-
        en Weg zu gehen, als derjenige, der im Aufsichtsrat
        15076 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
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        sitzt. Die Linke sollte sich genau überlegen, ob ihr Weg
        der richtige ist. Ich glaube es nicht.
        Ulrike Flach (FDP): Es ist ja ganz auffällig, dass die
        Antragsteller selbst offenbar einsehen, dass ihr Antrag
        von der Zeit überholt ist, und deshalb selbst vorgeschla-
        gen haben, dass die Reden zu Protokoll gegeben werden
        sollen. Der Antrag ist aber nicht nur durch die Entwick-
        lung des Sanierungsprogramms Power 8 und der Ver-
        handlungen über den Verkauf von Produktionsstätten
        veraltet, sondern er offenbart auch veraltetes, rückwärts-
        gewandtes Denken. Die Linksfraktion setzt nämlich wie-
        der einmal auf den Staat als „Retter“ oder „Helfer“, wo
        es doch gerade bei Airbus und EADS der Staat ist, der
        für einen guten Teil der Probleme der Unternehmen ver-
        antwortlich ist. Zuviel staatliche Kontrolle und unfle-
        xible Unternehmensführung waren es doch, die das Un-
        ternehmen Airbus im Wettbewerb mit Boeing ins
        Hintertreffen gebracht haben. Sicher, es hat auch falsche
        Unternehmensentscheidungen gegeben, beispielsweise
        das zu lange Festhalten an veralteten Werkstoffen. Aber
        gerade hier ist doch der Staat völlig ungeeignet, die beste
        Technologie vorzugeben. Wir brauchen weniger Staat
        und nicht mehr.
        Die FDP lehnt eine Aufstockung der Aktien des Bun-
        des ebenso ab wie „Goldene Aktien“. Sie wollen einem
        Unternehmen, das geradezu symbolhaft auf Flügel der
        Freiheit angewiesen ist, Zügel anlegen. Das ist falsch.
        Und es ist schon erstaunlich, dass in dem Antrag zahlrei-
        che Probleme, die es ja wirklich im deutschen Flugzeug-
        bau gibt, nicht angesprochen werden, sei es die Schwä-
        che des Dollars oder die Subventionspolitik der USA –
        hier ist unser Einfluss gering. Aber es existiert auch der
        Fachkräftemangel, der beispielsweise dazu führt, dass
        ein Unternehmen wie Airbus Schwierigkeiten hat, zwei
        Projekte gleichzeitig vom Fachpersonal her anständig zu
        bestücken. Hier könnten Bund und Länder wirklich et-
        was tun, aber davon findet sich in Ihrem Antrag nichts.
        Wir wollen einen anderen Weg gehen. Wir sagen, der
        Staat sollte sich sowohl bei Airbus wie bei der EADS
        weiter aus dem Geschäft herausziehen und bis auf
        kleine, strategisch notwendige Bereiche im militärischen
        Sektor das Unternehmen weiter in private Hände überge-
        ben.
        Sie sehen den Staat – in diesem Fall den Bund – in ei-
        ner Vielzahl von Rollen: „Kreditgeber, Großabnehmer,
        Anteilseigner, Bereitsteller von Infrastruktur und Förde-
        rer der Forschung“ – das Wort Markt kommt bei Ihnen
        gar nicht vor. Und wozu soll der Staat seinen Einfluss
        denn nutzen? Auch das ist in Ihrem Antrag eine wirklich
        abenteuerliche Vorstellung, nämlich: Der politische Ein-
        fluss bei EADS soll genutzt werden, um aus einem Rüs-
        tungskonzern ein Unternehmen der „Konversions- und
        Klimaschutzpolitik“ zu machen. Da können wir ja in Zu-
        kunft Anträge der Linken erwarten, dass bei Aufklä-
        rungsflügen in Krisengebieten eine Klimaschutzabgabe
        zu zahlen ist oder Panzer nur mit Biodiesel betrieben
        werden. So weltfremd sind heute nicht einmal mehr die
        Grünen, denn auch die haben Ihren Antrag abgelehnt.
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        Die deutsche Luftfahrtindustrie steht in einem harten
        ettbewerb. Sie muss aus Sicht der FDP durch Qualität
        berzeugen, nicht durch zusätzliche Subventionen und
        chon gar nicht durch zusätzliche staatliche Aktienan-
        eile. Dazu gehört, dass Programme wie Power 8, die in
        er Tat harte Einschnitte bedeuten, ohne ständiges Rein-
        eden der Politik umgesetzt werden können. Dazu gehört
        uch, dass der Luftfahrtstandort Deutschland durch zügi-
        en Ausbau der Infrastruktur vorangebracht wird, und da
        aben wir die Linken in Hessen nicht an vorderster Front
        eim Ausbau des Frankfurter Flughafens gesehen. Es ist
        ben nicht glaubwürdig, wenn hier Herr Dr. Schui den
        taat als Bereitsteller von Infrastruktur sehen will, aber
        m konkreten Fall die Linkspartei den Bau neuer Start-
        ahnen ablehnt.
        Mehr Staat führt in dem schwierigen Markt der Luft-
        ahrtindustrie nicht zum Erfolg. Weniger Staat ist zwar
        uch nicht immer ein Garant für den Erfolg am Markt,
        ber zumindest eine bessere Variante.
        Dr. Herbert Schui (DIE LINKE): Der vorliegende
        ntrag fordert ein Vetorecht der Politik beim Airbus-
        utterkonzern EADS. Alle Fraktionen außer der Linken
        aben widersprochen und verlangt, der Einfluss der Poli-
        ik müsse sogar noch weiter zurückgedrängt werden.
        as bedeutet im vorliegenden Fall, die Geschäftspolitik
        on Airbus auf deutscher Seite dem Privatkonzern
        aimler anzuvertrauen. Das erscheint heute noch blau-
        ugiger als zu Beginn der Beratung. Damals hieß der
        onzern noch Daimler-Chrysler. Inzwischen ist offen-
        ichtlich, dass sich Daimler bei Chrysler verhoben hat.
        er amerikanische Autobauer wurde mit Milliardenver-
        ust an Cerberus weiterverkauft. Cerberus gehört zu je-
        en Finanzinvestoren, die Franz Müntefering als Heu-
        chrecken charakterisiert hat.
        Weniger Politik bedeutet Allmacht für Mehrheitsak-
        ionäre und Management. Die Auswüchse bei Airbus
        aren schon bei der ersten Beratung unseres Antrags be-
        annt, inzwischen sind weitere Details ans Licht gekom-
        en. Hunderte von Führungskräften sowie die Privat-
        onzerne Daimler-Chrysler und Lagardère haben in
        roßem Umfange Aktien verkauft, als die Probleme
        eim Modell A380 intern bereits bekannt, jedoch noch
        icht öffentlich waren. Erst danach stürzte der Aktien-
        urs ab. In Frankreich wird wegen Insiderhandels gegen
        as Top-Management ermittelt. Wir haben es also mit ei-
        em Management zu tun, das gegen das eigene Unter-
        ehmen spekuliert, während es durch Managementfehler
        ine Unternehmenskrise herbeiführt.
        Das dritte Problem, vor dem alle stehen, die keinen
        taatseinfluss bei Airbus wollen, ist schlicht: Es gibt
        eine privaten Investoren, die bereit sind, die Risiken
        es Großflugzeugbaus zu tragen. Bereits vor unserer
        iskussion war die Bundesregierung damit gescheitert,
        inen deutschen Privatinvestor für die Airbus-Anteile zu
        inden, die Daimler-Chrysler abgestoßen hat. Nun trifft
        irbus auf große Schwierigkeiten, seine Werke Augs-
        urg, Laupheim, Nordenham und Varel zu verkaufen.
        rei dieser Werke sollen an einen Familienbetrieb ver-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008 15077
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        kauft werden. Dieser mag vielleicht gut geführt sein, die-
        ses Volumen kann er nicht schultern. Deswegen wird ein
        Verkaufspreis von 150 Millionen Euro angestrebt, was
        intern als „Schnäppchenpreis“ bezeichnet wird. Die
        Bundesregierung will dem Betrieb dafür über die KfW
        bis zu 300 Millionen Euro zinsgünstige Darlehen ge-
        währen, rückzahlbar nur, wenn die Geschäfte gut laufen.
        Das Modell läuft also darauf hinaus, dass Private kaufen,
        aber der Staat bezahlt.
        Es gibt allerdings wirkliche Interessenten für EADS.
        Das sind zunächst ausländische Staatsfonds, etwa aus
        dem Nahen Osten und Russland. Die will die Bundesre-
        gierung draußen halten und erwägt nun plötzlich doch
        ein staatliches Veto im Sinne einer goldenen Aktie. Das
        ist eine interessante Wende; in der ersten Lesung des An-
        trags haben sich noch alle Fraktionen außer der Linken
        dagegen ausgesprochen. Es sollte jedoch zu denken ge-
        ben, dass andere Staaten an einer aktiven Beteiligung an
        der Flugzeugindustrie interessiert sind, während die
        Bundesregierung nur den Zugriff anderer Staaten unter-
        binden, nicht jedoch selbst Einfluss auf die Geschäftspo-
        litik von EADS ausüben möchte.
        Die zweite Interessentengruppe sind Finanzinvesto-
        ren. Es wird vermutet, dass Cerberus in Kürze mit dem
        Käufer der Airbuswerke ins Geschäft kommen wird. Fi-
        nanzinvestoren werden die Geschäftspolitik auf die
        Spitze treiben, welche Daimler-Chrysler und Lagardère
        bisher bei EADS betrieben haben: Investitionen ver-
        nachlässigen, Dividenden steigern, blinde Kürzungspro-
        gramme ankündigen – inzwischen ist von „Power 8
        plus“ die Rede, Auslagerung von Wertschöpfung, dafür
        Zukäufe im Rüstungsgeschäft in den USA, und der deut-
        sche Staat soll die Risikoabsicherung übernehmen.
        Im letzten Jahr hat Airbus mehr Flugzeugbestellun-
        gen erhalten und mehr Flugzeuge ausgeliefert als je zu-
        vor. Der Auftragsbestand bedeutet Vollauslastung für
        sechs Jahre. Unter diesen Umständen ist es keine leere
        Drohung, wenn die Gewerkschaften sich die Option von
        Streiks vorbehalten. Die Menschen verstehen nicht, wa-
        rum die Bundesregierung der Auslagerung von Wert-
        schöpfung bei Airbus zusehen möchte. Eine Alternative
        dazu ist eine wirksame staatliche Sperrminorität bei
        EADS. Dafür müssten Sie dem Antrag der Linken zu-
        stimmen.
        Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Es dürfte weltweit nicht viele Unternehmen geben, deren
        Auftragsbücher so dick gefüllt sind wie die von Airbus.
        Wer heute einen Airbus-Jet ausgeliefert bekommt, hat
        diesen schon vor Jahren bestellt. Da ist es nur schwer zu
        begreifen, wenn der Chef des Unternehmens die Lage
        des Flugzeugherstellers als „lebensbedrohlich“ be-
        schreibt und unter dem Namen „Power 8“ ein hartes Sa-
        nierungsprogramm auflegt, das nun sogar noch ver-
        schärft werden soll. Und doch: Airbus steckt tatsächlich
        in einer tiefen Krise.
        Es ist also durchaus angebracht, sich Überlegungen
        zu machen, wie dieser Krise begegnet werden soll. Die
        Linksfraktion schlägt eine Verstaatlichung von Airbus
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        or. Das ist genau der falsche Weg. Der derzeitige staat-
        iche Einfluss bei Airbus ist nicht zu niedrig, sondern zu
        och.
        Der staatliche Einfluss ist nicht nur für die teilweise
        enig rationale Standortpolitik, sondern vor allem auch
        ür die ineffizienten Führungsstrukturen verantwortlich.
        enn auf jeder Ebene bis hinauf zum Vorstandsvorsitz
        ationale Parallelstrukturen installiert werden, ist irgend-
        ann klar, dass die linke Hand nicht mehr weiß, was die
        echte tut. Zum Glück ist es zwischenzeitlich gelungen,
        umindest die Doppelspitze abzuschaffen.
        Die zentralen Probleme bei Airbus hat das Manage-
        ent zu verantworten. Dies betrifft nicht nur die Pannen
        nd Lieferverzögerungen beim A380, sondern auch die
        öllig unzureichende Absicherung gegen das Währungs-
        isiko. Firmen wie Porsche haben vorgemacht, wie sich
        uch bei steigendem Dollarkurs richtig gut Geld verdie-
        en lässt. Bei Airbus schlägt dagegen ein um 10 Cent ge-
        unkener Dollarkurs mit einer Milliarde weniger Gewinn
        u Buche.
        Für uns ist deshalb ganz besonders wichtig, dass die
        anierung nun nicht auf dem Rücken der Beschäftigten
        rfolgt. Diese leisten großartige Arbeit, und ihr Engage-
        ent ist auch weiterhin nötig; schließlich kommt Airbus
        it dem Bau bestellter Flugzeuge kaum hinterher.
        Deshalb muss es auch nach dem Verkauf der Werke in
        ordenham, Varel und Augsburg eine langfristige Per-
        pektive für die Standorte und die Beschäftigten geben.
        rotz des Verkaufs an die Bremer OHB wird sich erst
        och zeigen müssen, wie tragfähig die gefundene Lö-
        ung für die verkauften Standorte ist. Hinter der Bremer
        HB-Gruppe als Käufer steht vor allem der amerika-
        ische Finanzinvestor Cerberus, der nicht unbedingt für
        angfristige Engagements bekannt ist.
        Die Bundesregierung wollte aber unbedingt einen na-
        ionalen Zulieferer und hat ihn – auch dank dem großzü-
        igen Zuschuss von Steuergeldern – bekommen. Doch
        icht immer ist die nationale Lösung auch für die Be-
        chäftigten langfristig die beste Lösung. Ich hoffe, dass
        er Wunsch nach einer starken deutschen Zulieferindus-
        rie nicht die wirtschaftliche Vernunft außer Kraft gesetzt
        at.
        Wer die Arbeitsplätze dauerhaft sichern möchte,
        ollte nicht auf politische Einflussnahme sondern auf In-
        ovation, Material- und Energieeffizienz setzen. Des-
        alb muss in innovative zukunftsfähige Technologien in-
        estiert werden, allen voran in die Kohlefasertechnik.
        ch hoffe sehr, dass bei dem Verkauf auch verbindliche
        nvestitionszusagen vereinbart wurden. Wer die sichers-
        en, leisesten und verbrauchärmsten Flugzeuge baut, hat
        n der Zukunft die Nase am Flugzeughimmel vorn und
        raucht sich auch auf dem Boden keine Sorgen um sei-
        en Arbeitsplatz zu machen.
        Airbus hat die Unterstützung Frankreichs und
        eutschlands als Geburtshilfe gebraucht – keine Frage.
        och zwischenzeitlich ist der Flugzeughersteller längst
        lügge geworden. Was früher eine Hilfe war, ist heute ein
        roblem. Denn der staatliche Einfluss hat die kriseauslö-
        15078 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
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        senden Fehlentscheidungen des Managements zumin-
        dest begünstigt, indem er für die intransparenten Ma-
        nagementstrukturen mitverantwortlich war. Doch auch
        die neue, verschlankte Führungsstruktur braucht Eigen-
        ständigkeit, um zu funktionieren. Wenn ständig von
        staatlicher Seite dazwischengefunkt wird, ist nichts ge-
        wonnen. Es ist also mehr als kontraproduktiv, jetzt auch
        noch eine Ausweitung der staatlichen Einflussnahme zu
        fordern, wie die Linksfraktion dies tut. Kein Arbeitsplatz
        wird sicherer, wenn das Unternehmen von Politikern ge-
        leitet wird.
        Anstreben sollten wir das Gegenteil: Perspektivisch
        sollten sich Deutschland und Frankreich gleichermaßen
        zurückziehen. Zwar sollte die Balance zwischen den Län-
        dern gewahrt bleiben, aber eben auf einem viel niedrige-
        ren Niveau als heute. Angesichts der industriepolitischen
        Philosophie der Franzosen ist dies zugegebenermaßen ein
        Vorschlag, der einer Menge Überzeugungsarbeit bedarf.
        Doch die aktuelle Krise sollte der Bundesregierung genü-
        gend Argumente in die Hand geben, um jetzt mit den an-
        deren Partnerstaaten eine Problematisierung des Staats-
        einflusses zu beginnen.
        142. Sitzung
        Berlin, Donnerstag, den 14. Februar 2008
        Inhalt:
        Redetext
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 1
        Anlage 2
        Anlage 3
        Anlage 4
        Anlage 5
        Anlage 6
        Anlage 7
        Anlage 8
        Anlage 9
        Anlage 10
        Anlage 11
        Anlage 12