Protokoll:
16115

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 16

  • date_rangeSitzungsnummer: 115

  • date_rangeDatum: 20. September 2007

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 22:25 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/115 nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .11797 C 11803 A Begrüßung des Vorsitzenden des Großen Staatskhurals der Mongolei, Herrn Professor Lundeejantsan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: a) Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Inter- nationalen Sicherheitsunterstützungs- truppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. De- zember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Gert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . 11798 B 11805 B 11807 A 11807 B 11807 C 11808 C 11809 D 11810 D 11811 C 11812 A 11813 A 11813 D Deutscher B Stenografisch 115. Sitz Berlin, Donnerstag, den I n h a l Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Dr. Wolfgang Schäuble und Petra Merkel (Berlin) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl der Abgeordneten Dirk Fischer (Ham- burg) und Dr. h. c. Wolfgang Thierse als Mitglieder der Jury des internationalen Ar- chitektenwettbewerbs für das Humboldt- Forum und der Abgeordneten Renate Blank und Petra Weis als stellvertretende Mitglie- der der Jury des internationalen Architek- tenwettbewerbs für das Humboldt-Forum Wahl des Abgeordneten Dr. Carl-Christian Dressel als stellvertretendes Mitglied im Bei- rat der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisen- bahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- b D D D 11797 A 11797 B 11797 B 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. September undestag er Bericht ung 20. September 2007 t : 2006 und 1707 (2007) vom 19. Septem- ber 2007 des Sicherheitsrates der Ver- einten Nationen (Drucksache 16/6460) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Jürgen Trittin, Winfried Nachtwei, Kerstin Müller (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: ISAF und OEF parlamentarisch ge- meinsam behandeln (Drucksache 16/6325) . . . . . . . . . . . . . . . r. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Werner Hoyer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Franz Josef Jung, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11798 B 11798 C 11798 D 11800 B 11801 C Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 11814 C 11815 B II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 Andreas Weigel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernd Siebert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Anja Hajduk, Alexander Bonde, Anna Lührmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Sicherung der Handlungsfähig- keit von Haushaltspolitik in der Zukunft (Drucksache 16/5955) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Anja Hajduk, Alexander Bonde, Anna Lührmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Be- gleitgesetzes zum Gesetz zur Sicherung der Handlungsfähigkeit von Haushalts- politik in der Zukunft (Zukunftshaus- haltsgesetz-Begleitgesetz) (Drucksache 16/5954) . . . . . . . . . . . . . . . . Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) . . . . . . Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Kröning (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Georg Fahrenschon (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 32: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Protokoll vom 28. Okto- ber 1993 zur Änderung des Europäi- schen Übereinkommens vom 30. Sep- tember 1957 über die internationale Be- förderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) (Drucksache 16/6121) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Neuordnung der Ressortfor- schung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Drucksache 16/6124) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Pflanzenschutzgesetzes und des BVL- Gesetzes (Drucksache 16/6386) . . . . . . . . . . . . . . . . d e f g Z a b T a b 11816 B 11817 B 11818 C 11818 C 11818 D 11820 A 11822 B 11823 D 11825 C 11827 B 11828 D 11829 C 11829 D 11829 D ) Antrag der Abgeordneten Harald Leibrecht, Dr. Werner Hoyer, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Den Gemeinsamen Standpunkt der EU zu Birma/Myan- mar stärken (Drucksache 16/5608) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Cornelia Behm, Alexander Bonde, Hans-Josef Fell, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Pro- gramm „Energiewende in Gewächshäu- sern“ auflegen (Drucksache 16/5969) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag des Präsidenten des Bundesrech- nungshofes: Rechnung des Bundesrech- nungshofes für das Haushaltsjahr 2006 – Einzelplan 20 – (Drucksache 16/6129) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Herbert Schui, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Initiative Frankreichs aufgrei- fen – EADS durch Kapitalerhöhung stärken und staatliche Sperrminorität sicherstellen (Drucksache 16/6395) . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 2: ) Antrag der Abgeordneten Ina Lenke, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Steuerklasse V abschaffen – Lohnsteuerabzug neu ordnen (Drucksache 16/6396) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Grietje Bettin, Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Fehlende Ver- braucherschutzregeln und Rechtsun- sicherheiten im Telemediengesetz besei- tigen (Drucksache 16/6394) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 33: ) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz vor Gefähr- dung der Sicherheit der Bundesrepu- blik Deutschland durch das Verbreiten von hochwertigen Erdfernerkundungs- daten (Satellitendatensicherheitsgesetz – SatDSiG) (Drucksachen 16/4763, 16/6438) . . . . . . . ) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäi- schen Parlaments und des Rates über 11829 D 11830 A 11830 A 11830 B 11830 B 11830 B 11830 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 III die Anerkennung von Berufsqualifika- tionen der Heilberufe (Drucksachen 16/5385, 16/6458) . . . . . . . c) Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (Drucksachen 16/5725, 16/6439) . . . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie zu dem Antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Birgit Homburger, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Mehr Wettbe- werb im Schornsteinfegerwesen (Drucksachen 16/3344, 16/4601) . . . . . . . e)–k) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 262, 263, 264, 265, 266, 267 und 268 zu Petitionen (Drucksachen 16/6348, 16/6349, 16/6350, 16/6351, 16/6352, 16/6353, 16/6354) . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Äußerungen des Bundesinnenministers zu angeblich be- vorstehenden atomaren Anschlägen durch Terroristen in Deutschland und seine Er- munterung für die verbleibende Zeit Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fritz Rudolf Körper (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . Klaus Uwe Benneter (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Ralf Göbel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend b A S A E 11830 D 11831 A 11831 B 11831 C 11832 A 11833 C 11835 A 11836 B 11837 C 11838 C 11839 C 11840 D 11842 A 11843 C 11844 C 11845 C – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Fünfter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland Potenziale des Alters in Wirtschaft und Gesellschaft – Der Beitrag älte- rer Menschen zum Zusammenhalt der Generationen und Stellungnahme der Bundesre- gierung – zu dem Entschließungsantrag der Ab- geordneten Sibylle Laurischk, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fünfter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland Potentiale des Alters in Wirtschaft und Gesellschaft – Der Beitrag älte- rer Menschen zum Zusammenhalt der Generationen und Stellungnahme der Bundesre- gierung – zu dem Antrag der Abgeordneten Britta Haßelmann, Grietje Bettin, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Das neue Bild vom Alter – Vielfalt und Potenziale anerkennen (Drucksachen 16/2190, 16/4219, 16/4163, 16/6366) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Karin Binder, Dr. Lothar Bisky, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Ein- setzung einer Enquete-Kommission „Ethik, Recht und Finanzierung des Wohnens mit Assistenz (Heim- Enquete)“ – zu dem Antrag der Abgeordneten Jörn Wunderlich, Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Heimbericht im Bundestag diskutieren – Miss- stände offenlegen und bekämpfen (Drucksachen 16/1267, 16/3696, 16/6075) ntje Blumenthal (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . ibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . ngelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . lke Reinke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 11846 D 11847 B 11847 C 11848 D 11850 C 11852 B IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Spanier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Grübel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: Bericht des Petitionsausschusses: Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahr 2006 (Drucksache 16/6270) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kersten Naumann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Clemens Bollen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Günter Baumann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . . Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: a) Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Elke Hoff, Dr. Rainer Stinner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Zukunftsfähigkeit der Bundes- wehr herstellen – Wehrpflicht aussetzen (Drucksache 16/393) . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Kai Gehring, Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wehr- pflicht überwinden – Freiwilligenar- mee aufbauen (Drucksache 16/6393) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Herrmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Herrmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . . Ursula Mogg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . K D T E e M z ( ( A M D D J K T B F o D u w ( S F M D C N E T a b 11853 B 11854 D 11856 A 11856 C 11858 B 11858 D 11860 B 11860 C 11862 C 11863 C 11864 C 11865 D 11867 B 11868 D 11870 A 11871 A 11872 B 11873 B 11873 C 11873 C 11875 A 11876 D 11877 B 11877 D 11879 A 11880 B urt J. Rossmanith (CDU/CSU) . . . . . . . . . . r. Hans-Peter Bartels (SPD) . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 8: rste Beratung des von der Bundesregierung ingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur odernisierung des GmbH-Rechts und ur Bekämpfung von Missbräuchen MoMiG) Drucksache 16/6140) . . . . . . . . . . . . . . . . . . lfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . echthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . r. Jürgen Gehb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . r. Herbert Schui (DIE LINKE) . . . . . . . . . . erzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . laus Uwe Benneter (SPD) . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 9: eschlussempfehlung und Bericht des inanzausschusses zu dem Antrag der Abge- rdneten Dr. Gregor Gysi, Dr. Barbara Höll, r. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter nd der Fraktion DIE LINKE: Steuerflucht irksam bekämpfen Drucksachen 16/2524, 16/5673) . . . . . . . . . . imone Violka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . rank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . anfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . r. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Simone Violka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . hristine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . amentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . rgebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 10: ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Jah- ressteuergesetzes 2008 (JStG 2008) (Drucksache 16/6290) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Fraktion DIE LINKE: Ent- fernungspauschale vollständig anerken- 11881 B 11882 D 11884 B 11884 C 11885 D 11887 A 11889 A 11890 D 11891 D 11893 A 11894 B 11894 C 11895 A 11896 B 11897 B 11898 C 11899 A 11899 D 11900 B 11901 A 11903 C 11901 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 V nen – Verfassungsmäßigkeit und Steu- ergerechtigkeit herstellen (Drucksache 16/6374) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Werner Dreibus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Heimliche Steuererhöhun- gen vermeiden – Inflation im Steuer- recht berücksichtigen (Drucksache 16/6037) . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Frechen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Olav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung – zu dem Antrag der Abgeordneten Dorothée Menzner, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Einfüh- rung eines generellen Tempolimits von 130 Stundenkilometern auf Bundesau- tobahnen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Peter Hettlich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Einführung eines generellen Tem- polimits von 120 km/h auf deutschen Autobahnen (Drucksachen 16/5145, 16/5420, 16/5950) . . Jörg Vogelsänger (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Lutz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vorbereitung eines registerge- stützten Zensus einschließlich einer Ge- bäude- und Wohnungszählung 2011 (Zen- susvorbereitungsgesetz 2011 – ZensVorbG 2011) (Drucksachen 16/5525, 16/6455) . . . . . . . . . . K G M J S T a b D N D R H T a b c 11901 B 11901 B 11901 C 11905 B 11907 A 11908 D 11910 A 11910 B 11911 A 11911 B 11912 B 11913 C 11915 B 11916 C 11917 D ristina Köhler (Wiesbaden) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . isela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aik Reichel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . an Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . ilke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 13: ) Antrag der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Dr. Hermann Otto Solms, Hans-Michael Goldmann, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Rein-Biokraftstoffe von Besteue- rung bis 2009 befreien und den Bericht zur Steuerbegünstigung für Biokraft- und Bioheizstoffe umgehend vorlegen (Drucksache 16/5133) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Hans-Kurt Hill, Eva Bulling-Schröter, Lutz Heilmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Stufenbesteuerung und Quotenpflicht bei Biokraftstoffen zu- rücknehmen – Nachhaltigkeitskriterien umgehend einführen (Drucksache 16/5679) . . . . . . . . . . . . . . . r. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . . orbert Schindler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . einhard Schultz (Everswinkel) (SPD) . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . ans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 14: ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Aufhebung des Hochschulrah- mengesetzes (Drucksache 16/6122) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Dr. Petra Sitte, Volker Schneider (Saar- brücken), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Hochschulrah- mengesetz beibehalten (Drucksache 16/4626) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Krista Sager, Britta Haßelmann, Priska Hinz (Herborn) und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Studentische Mobilität durch bundeseinheitliche 11918 A 11919 C 11920 C 11922 A 11923 B 11924 B 11924 C 11924 D 11926 A 11926 C 11928 A 11929 A 11929 D 11931 A 11932 A 11932 A VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 Mindeststandards bei Hochschulzulas- sung und -abschlüssen sicherstellen (Drucksache 16/5759) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Uwe Barth, Patrick Meinhardt, Cornelia Pieper, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Aufhe- bung des Hochschulrahmengesetzes zur Stärkung autonomer Hochschulen nutzen (Drucksache 16/6397) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Beschlussempfehlung und Bericht des Innen- ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Petra Pau, Ulla Jelpke, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus erstellen (Drucksachen 16/4201, 16/5824) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Modernisierung der Rahmenbe- dingungen für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG) (Drucksache 16/6311) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaf- ten (UBGG) (Drucksache 16/3229) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: a) Antrag der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Volker Beck (Köln), Monika Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rücknahme der Ermächtigung zur Strafverfolgung von Journalisten wegen Verstoßes gegen Geheimhaltungsvor- schriften gemäß § 353 b des Strafgesetz- buches (Drucksache 16/6326) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Fraktion der FDP: Ermäch- tigung zur Strafverfolgung von Journa- listen gemäß § 353 b Abs. 4 StGB im Zusammenhang mit dem 1. Untersu- chungsausschuss der 16. Wahlperiode zurücknehmen (Drucksache 16/6217) . . . . . . . . . . . . . . . . H D D S H S T A J ( t A B t F g ( T a b T E e z z ( i 11932 B 11932 B 11932 C 11932 D 11933 A 11933 B 11933 B ans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Carl-Christian Dressel (SPD) . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Max Stadler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . iegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 18: ntrag der Abgeordneten Klaus Brähmig, ürgen Klimke, Dr. Hans-Peter Friedrich Hof), weiterer Abgeordneter und der Frak- ion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten nnette Faße, Niels Annen, Dr. Hans-Peter artels, weiterer Abgeordneter und der Frak- ion der SPD: Kreuzfahrttourismus und ährtourismus in Deutschland voranbrin- en Drucksache 16/5957) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 19: ) Antrag der Abgeordneten Omid Nouripour, Silke Stokar von Neuforn, Wolfgang Wieland, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das Schengen-Informations- system im europäischen Raum der Frei- heit, der Sicherheit und des Rechts transparent und bürgerrechtsfreund- lich gestalten (Drucksache 16/5966) . . . . . . . . . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Zugriff von Geheim- diensten auf das Schengener Informa- tionssystem der zweiten Generation verhindern (Drucksachen 16/3619, 16/4270) . . . . . . . agesordnungspunkt 20: rste Beratung des von der Bundesregierung ingebrachten Entwurfs eines Dritten Geset- es zur Änderung des Bundespolizeigeset- es Drucksache 16/6292) . . . . . . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit 11933 C 11934 C 11934 D 11936 C 11937 C 11939 B 11939 D 11940 B 11940 C 11940 D 11941 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 VII Zusatztagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundespolizeigesetzes und anderer Gesetze (Drucksache 16/6291) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierschutz- gesetzes (Drucksache 16/6309) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes (Drucksache 16/6233) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Regierungskonferenz zur Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäi- schen Union und Unterrichtung der Bun- desregierung entsprechend Ziffer VI der Vereinbarung zwischen Deutschem Bun- destag und der Bundesregierung über die Zusammenarbeit in Angelegenheiten der Europäischen Union (Drucksache 16/6399) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . . Markus Löning (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . Kurt Bodewig (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Stübgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Geset- zes zur Änderung des Personalanpassungs- gesetzes (Drucksache 16/6123) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . A Z – – – – ( g D U C K A A Z d N s K G C S M A Z – – ( K D N F D C 11941 A 11941 B 11941 C 11941 C 11942 A 11943 B 11943 D 11944 C 11945 C 11947 B 11948 A 11949 A 11949 B 11949 D 11950 A 11951 A nlage 2 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes Antrag: Hochschulrahmengesetz beibehal- ten Antrag: Studentische Mobilität durch bun- deseinheitliche Mindeststandards bei Hochschulzulassung und -abschlüssen si- cherstellen Antrag: Aufhebung des Hochschulrah- mengesetzes zur Stärkung autonomer Hochschulen nutzen Tagesordnungspunkt 14 a bis c und Zusatzta- esordnungspunkt 4) r. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . we Barth (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . ai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ndreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 3 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung er Beschlussempfehlung und des Berichts: ationalen Aktionsplan gegen Rassismus er- tellen (Tagesordnungspunkt 15) ristina Köhler (Wiesbaden) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . abriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . hristian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . evim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . onika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 4 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Modernisie- rung der Rahmenbedingungen für Kapital- beteiligungen (MoRaKG) Entwurf eines Gesetzes zur Weiterent- wicklung des Gesetzes über Unterneh- mensbeteiligungsgesellschaften (UBGG) Tagesordnungspunkt 16 a und b) laus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . r. Hans-Ulrich Krüger (SPD) . . . . . . . . . . . ina Hauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . rank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . hristine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11951 C 11954 B 11955 A 11955 D 11956 D 11958 A 11959 A 11960 B 11961 A 11962 A 11962 D 11964 A 11964 D 11965 C 11966 A 11966 D VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Rücknahme der Ermächtigung zur Straf- verfolgung von Journalisten wegen Ver- stoßes gegen Geheimhaltungsvorschriften Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Ände- rung des Bundespolizeigesetzes – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundespolizeigesetzes und anderer Ge- gemäß § 353 b des Strafgesetzbuches – Ermächtigung zur Strafverfolgung von Journalisten gemäß § 353 b Abs. 4 StGB im Zusammenhang mit dem 1. Untersu- chungsausschuss der 16. Wahlperiode zu- rücknehmen (Tagesordnungspunkt 17 a und b) Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Gert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Kreuzfahrttourismus und Fähr- tourismus in Deutschland voranbringen (Ta- gesordnungspunkt 18) Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Annette Faße (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Antrag: Das Schengen-Informationssys- tem im europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts transparent und bürgerrechtsfreundlich gestalten – Beschlussempfehlung und Bericht: Zu- griff von Geheimdiensten auf das Schen- gener Informationssystem der zweiten Ge- neration verhindern (Tagesordnungspunkt 19 a und b) Günter Baumann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ( n R W G P S G A Z – – ( D D H B U A Z d r o E R B I W 11967 D 11968 D 11969 B 11970 D 11971 B 11971 D 11973 A 11973 C 11975 B 11976 A 11976 D 11978 B setze Tagesordnungspunkt 20 und Zusatztagesord- ungspunkt 5) alf Göbel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . isela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . etra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . ilke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . . nlage 9 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Entwurf eines Erstes Gesetzes zur Ände- rung des Tierschutzgesetzes Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes Tagesordnungspunkt 21 a und b) r. Peter Jahr (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . r. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . ans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . odo Ramelow (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . ndine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 10 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Ände- ung des Personalanpassungsgesetzes (Tages- rdnungspunkt 23) rnst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olf Kramer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . irgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . nge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . infried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11979 B 11981 B 11982 B 11983 B 11983 D 11984 C 11985 A 11987 A 11988 B 11989 A 11991 A 11991 C 11992 D 11993 C 11994 C 11994 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11797 (A) ) (B) ) 115. Sitz Berlin, Donnerstag, den Beginn: 9.0
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    Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11951 (A) ) (B) ) zu schaffen. Hochschulen finden, strukturiert und mit Sicherheit für einen gleichwertigen Abschluss ihr Studium absolvieren, wird nicht darauf verzichten können und dürfen, hierfür die notwendigen hochschulübergreifenden Regelungen Strothmann, Lena CDU/CSU 20.09.2007 Dr. Tabillion, Rainer SPD 20.09.2007 Wellmann, Karl-Georg CDU/CSU 20.09.2007 Anlage 1 Liste der entschuldigt * ** A f H A i n S t ü g Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adam, Ulrich CDU/CSU 20.09.2007** Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.09.2007 Bätzing, Sabine SPD 20.09.2007 Bulling-Schröter, Eva DIE LINKE 20.09.2007 Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.09.2007 Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.09.2007 Ernst, Klaus DIE LINKE 20.09.2007 Friedhoff, Paul K. FDP 20.09.2007 Gröhe, Hermann CDU/CSU 20.09.2007 Hill, Hans-Kurt DIE LINKE 20.09.2007 Dr. Hofreiter, Anton BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.09.2007 Kauch, Michael FDP 20.09.2007 Kressl, Nicolette SPD 20.09.2007 Lämmel, Andreas G. CDU/CSU 20.09.2007 Merz, Friedrich CDU/CSU 20.09.2007 Dr. Paech, Norman DIE LINKE 20.09.2007 Pflug, Johannes SPD 20.09.2007** Rachel, Thomas CDU/CSU 20.09.2007 Rawert, Mechthild SPD 20.09.2007 Rupprecht (Tuchenbach), Marlene SPD 20.09.2007* Schmidt (Aachen), Ulla SPD 20.09.2007 W W W A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht en Abgeordneten für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates für die Teilnahme an den Sitzungen der Westeuropäischen Union nlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes – Antrag: Hochschulrahmengesetz beibehal- ten – Antrag: Studentische Mobilität durch bun- deseinheitliche Mindeststandards bei Hoch- schulzulassung und -abschlüssen sicherstel- len – Antrag: Aufhebung des Hochschulrahmen- gesetzes zur Stärkung autonomer Hochschu- len nutzen (Tagesordnungspunkt 14 a bis c und Zusatz- tagesordnungspunkt 4) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Um allen Fan- arenträgern der absoluten Autonomie und Freiheit von ochschulen eine grundsätzliche Bemerkung schon am nfang entgegenzustellen: Freiheit ohne Regeln endet m Chaos. Das gilt auch für das Hochschulwesen. Auto- omie der einzelnen Hochschulen ohne gemeinsame tandards und abgestimmte Abläufe führt zu Kleinstaa- erei, Intransparenz und Bürokratie. Gerade wer möchte, dass Studenten gut und schnell ber das Hochschulangebot informiert werden können, erecht und möglichst unbürokratisch den Weg in die ieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 20.09.2007 olf (Frankfurt), Margareta BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.09.2007 underlich, Jörn DIE LINKE 20.09.2007 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 11952 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) Solche Regelungen dienen letztlich auch dem Ausbau von Wissenschaft und Lehre auf hohem Niveau in Quan- tität wie Qualität. Sie waren Grundlage für den Wissen- schaftsaufwuchs und Hochschulzuwachs, den wir in den 60er- und 70er-Jahren in Deutschland erlebt haben und für den wir in diesem Jahrzehnt einen neuen Aufbruch organisieren müssen. Das Hochschulrahmenrecht, über dessen Aufhebung wir hier heute im Parlament diskutieren sollten, hat hieran übrigens einen auch in der Hochschulgeschichte unzweifelhaft nachgewiesenen bedeutenden Anteil. Es stand Pate für den großen Hochschulaufbruch der 70er- Jahre, der in Deutschland mit der sozialliberalen Regie- rungszeit von Willy Brandt und Helmut Schmidt einher- ging. Das Hochschulrahmenrecht war im Übrigen auch das Tor zu späteren bundesweiten Studienreformen, die viele jetzt bereits als selbstverständlich ansehen. Ohne Hoch- schulrahmenrecht keine Öffnung zu den Bachelor- und Master-Studiengängen, die in Deutschland jetzt breit an- erkannt sind und den Bologna-Prozess hin zu einem eu- ropäischen Hochschulraum mit beschreiben. Allerdings werden wir konstatieren müssen, dass eine solche stimulierende Funktion des Hochschulrechts auf Bundesebene für die Zukunft sicherlich nicht mehr der- art intensiv zu erwarten sein wird, wie es in der Vergan- genheit der Fall war. Denn mit den Verfassungsgerichts- urteilen über die sogenannte Erforderlichkeitsklausel und deren Rückwirkung auf letzte wegweisende Bundes- verfassungsgerichtsentscheidungen wie das Verbot der Studiengebühren und die Einführung von Junior-Profes- suren, mit der politischen Debatte um die Rückführung von Rahmenrechten hin zu klaren Entscheidungskompe- tenzen beim Bund einerseits und Ländern andererseits und schließlich mit der Föderalismusreform und ihrer Einigung darauf, dem Bund nur noch wenige Hoch- schulkompetenzen zu belassen, zeichnet sich ab, dass es zu gravierenden Veränderungen in der Hochschulzustän- digkeit und im Hochschulrecht zwischen Bund und Län- dern kommt. Dass Autonomie der Hochschule und Differenzierung der Hochschullandschaft nicht ohne Regeln für die Zu- kunft auskommt, wird grundsätzlich begründet in Aussa- gen wie der des Präsidenten des Deutschen Hochschul- verbandes, Dr. Bernhard Kempen, der ausdrücklich davor warnt, dass der Wettbewerbsföderalismus in seiner extremen Form auch eine Verschlechterung der Lage für die Hochschulen und für die Studierenden wie Lehren- den und Forschenden mit sich bringen könne. Kempen fordert, den Wettbewerb vor allem in der Wissenschaft selbst stattfinden zu lassen, wo es ihn auch immer schon gegeben hätte, ihn aber nicht auch noch auf die Institu- tionen und ein marktwirtschaftliches Konkurrenzmodell zwischen den Hochschulen in Deutschland zu verlagern. Dass Freiheit zum Forschen und Lehren und Freiheit des Studiums auch im Interesse der Studierenden Regeln braucht, ist in letzter Zeit vor allem thematisiert worden in Bezug auf die wachsende Belastung der Studierenden durch die Unterschiede zwischen den Hochschulen, was Studiengebühren angeht, aber auch Fragen der Zulas- s s g d g e u u d D d B d D r g H d b d k d H e d R m s B R w K d d k b d i s d A b f d d l h N w A m n e h (C (D ung, des NC, der Hochschulorganisation, der Ab- chlüsse und der Studienverläufe. Nicht zuletzt der Zu- ang zur Hochschule stellt sich noch sehr unterschiedlich ar und verlangt danach, dass es Regeln gegen das Chaos ibt, das mit einem falschen Verständnis von Autonomie inhergehen könnte. Ich möchte erinnern an die bemerkenswerte Analyse nd die Ausführungen, die Jan-Martin Wiarda in der Zeit nter der Überschrift „Phantom im Hörsaal“ über das rohende Chaos bei der Vergabe von Studienplätzen in eutschland gemacht hat. Es ist eben manchmal so, dass ie vermeintlich größten Anti-Bürokraten besonders viel ürokratie, soziale Ungerechtigkeit und Belastungen für ie Einzelnen in ihrem Wahn von Entstaatlichung und eregulierung schaffen. Nicht umsonst hat deshalb auch die SPD im Verfah- en der Föderalismusreform darauf gedrungen, dass bei rundsätzlicher Aufgabe des Rahmenrechtes speziell im ochschulbereich der Bund Kompetenzen in der Frage er Abschlüsse und der Zulassung an den Hochschulen ehält und diese Sachgebiete als Teil der konkurrieren- en Gesetzgebung von der Bundesebene aus mit lösen ann. Nicht umsonst sind die Länder schon vorauseilend arangegangen, mit Blick auf die Veränderungen im ochschulrahmenrecht über einen Staatsvertrag zu einer benso genauen, komplizierten wie aufwendigen und da- urch auch in vielen Punkten studentenunfreundlichen egelung dieser Materie zu kommen. Wenn die Bundesregierung über die Bundesbildungs- inisterin ein solches Aufhebungsgesetz zum Hoch- chulrahmenrecht bereits zum jetzigen Zeitpunkt in den undestag einbringt, auch wenn das Auslaufen dieser echtsgrundlage erst zum 1. Oktober 2008 erfolgen ürde, so ist das für die sozialdemokratische Seite der oalitionsregierung nur ein erster Auftakt und nicht die efinitive Entscheidung, wie in der Gesamtmaterie für ie Zukunft verfahren werden soll. Von der sozialdemo- ratischen Seite haben wir jedenfalls vehement darauf estanden und auch durchsetzen können, dass parallel zu er Beratung dieses Aufhebungsgesetzes eine Beratung m zuständigen Bildungs- und Forschungsausschuss tattfinden soll, um mit Sachkundigen aus den verschie- ensten Bereichen die Implikationen des vorgelegten ufhebungsgesetzes von der Immanenz der Gesetzge- ung her, aber auch von den möglichen Vorstellungen ür gesetzgeberische Aktivitäten in den Kompetenzen, ie der Bund weiterhin im Hochschulbereich hat, und er Gesamteinschätzung, wie Hochschulfragen recht- ich in Deutschland behandelt werden sollten, anzuge- en. Wir freuen uns, dass diese Anhörung bereits für den ovember im zuständigen Fachausschuss vereinbart orden ist. Für die SPD-Bundestagsfraktion werden bei dieser nhörung drei sachliche Fragen im Vordergrund stehen: Erstens. Der Stand der Umsetzung des Hochschulrah- enrechts in den Ländern ist weiterhin unbeleuchtet und icht hinreichend dargestellt. Ohne diese Information ist ine belastbare Abschätzung der Auswirkungen der Auf- ebung des Hochschulrahmenrechtes nicht zu leisten, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11953 (A) ) (B) ) etwa im Hinblick auf ein weitgehendes Auseinanderlau- fen der Rechtslagen in den Ländern. Zweitens. Weiterhin zu klären ist die Frage nach un- verzichtbaren Ersatzregelungen für einzelne Vorschrif- ten des HRG. Auch wenn die arbeitsrechtlichen Fragen vorab geklärt werden konnten, so ist diese Frage auch hinsichtlich der dienst- und beamtenrechtlichen Vor- schriften bisher nicht hinreichend beantwortet. Drittens. Schließlich ist die Annahme des Gesetzent- wurfes ausdrücklich zu überprüfen, dass auf bundesge- setzliche Regelungen zu Zulassungen und Abschlüssen verzichtet werden kann. Hier bleibt intensiv nachzufra- gen, ob die offensichtlichen Problemlagen durch den Weg hinreichend abgedeckt werden können, der bisher von den Ländern in ihrer Zuständigkeit im Hochschulbe- reich mitgegangen worden ist. Konkret: In Bezug auf das Recht und die Pflicht der Gesetzgeber, sei es Bund oder seien es die Länder, bei der Zulassung bleibt zu fragen: Hat der im Juli 2006 geschlossene Staatsvertrag zwi- schen den Ländern die Qualität, die von den Studieren- den wie von den Hochschulen erwartet werden kann, in Bezug auf ein alle Hochschulen und alle Studierenden einschließendes, klar gegliedertes und effizient organi- siertes Zulassungsverfahren? Sind tatsächlich auch alle Hochschulen in dieses Sys- tem einbezogen oder wird mit einem falschen Verständ- nis von Hochschulautonomie zugelassen, dass ein sol- ches Verfahren, wie es zwischen den Ländern per Staatsvertrag abgestimmt worden ist, unterhöhlt werden kann? Bleibt tatsächlich die Homogenität und Gleichwertig- keit in Deutschland im Verfahren der Hochschulzulas- sung gewahrt, oder tut sich ein Feld von unterschiedli- chen Kosten und Regelungen auf, das am Ende auf dem Rücken der Studierenden abgewickelt wird? Auch was die Abschlüsse angeht, werden intensive Nachfragen und Klärungen notwendig sein: Was folgt aus dem möglichen Wegfall des § 9 HRG in Bezug auf die ländergemeinsamen Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Master-Studien- gängen und -Abschlüssen? Halten die Beschlüsse der KMK, die weder Gesetz noch Staatsvertrag sind, der An- forderung einer verlässlichen Koordinierung und Orien- tierung stand? Bedarf es einer einheitlichen Festlegung von der Bun- desseite aus oder über einen Staatsvertrag in Bezug auf eine Anpassung und Veränderung der Studienzeiten der Bachelor- und Master-Studiengänge im Lichte von Ziel- setzungen, die mit einem Aufwuchs bei den Auslands- studien für jeden Studenten und mit einer Integration von Studienphasen und Praxisphasen verbunden sind? Ist die Akkreditierung von Studiengängen so geregelt, dass nicht am Ende in einzelnen Ländern außerhalb der Akkreditierung stehende Studieneinrichtungen Abschlüsse vergeben, die aus der Mindestanforderung für die Quali- tät von Studienabschlüssen herausfallen? Der aktuelle § A d G F s B k t s G b d H s n n s s t s d s l f g u A a o s n e c t z b l G c n d w a s S A s d ü V v H f s (C (D 70 des HRG regelt immerhin Mindeststandards für die nerkennung und Gleichbehandlung nichtstaatlicher Bil- ungseinrichtungen. In der Folge einer zunehmenden ründung von nichtstaatlichen Hochschulen wird die rage der Sicherung von Qualitätsstandards bei den Ab- chlüssen und der Gleichwertigkeit von Abschlüssen von edeutung sein. Schließlich wird im Rahmen der Anhörung auch zu lären sein, was die Vereinbarung in unserem Koali- ionsvertrag wirklich bedeutet, das heißt, dass die Zulas- ung zu Fachhochschulen und Universitäten auf der rundlage einer erfolgreich abgeschlossenen Berufsaus- ildung im Hochschulrecht grundsätzlich geöffnet wer- en soll. Hier wird zu klären sein, ob dieser Teil des ochschulzugangs durch die Föderalismusreform tat- ächlich ausgeschlossen ist. Denn diejenigen, die aus ei- er qualifizierten und qualifizierenden Berufstätigkeit ach einer erfolgreichen Berufsausbildung den Hoch- chulzugang suchen, berühren damit ja keineswegs chulische Abschlüsse, wie sie nach dem Begründungs- ext der Föderalismusreform den Ländern vorbehalten ind. Ganz im Gegenteil kommen sie ausdrücklich über en nichtschulischen, sondern den berufsbildenden Ab- chluss oder die Berufstätigkeit, die eben nicht in der al- einigen Zuständigkeit der Länder liegt. Wenn sich herausstellen sollte, dass dieser Weg ver- assungsmäßig und von der Praktikabilität her nicht angbar ist, muss jedenfalls im Rahmen der Anhörung nd der weiteren Arbeit am Hochschulrecht infolge der ufhebung des HRG intensiv geprüft werden, welche nderen Wege es denn geben kann, diese überfällige ko- rdinierende Leistung zu erbringen, dass gerade Men- chen aus der Berufsausbildung und der Berufstätigkeit icht im Dschungel der „autonomen“ Bestimmungen der inzelnen Hochschulen in den 16 Bundesländern ste- kenbleiben. Dies dürfen und können wir uns nicht leis- en. Es wäre eine Versündigung an den Bildungspoten- ialen gerade von aktiven und um Bildungsaufstieg emühten Menschen in unserem Land. Was auf den ersten Blick deshalb als vor allem recht- iche Frage erscheinen könnte, wenn man konkret den esetzestext des Aufhebungsgesetzes durchsieht, entwi- kelt sich im Zusammenhang dieser Fragestellung zu ei- er hochpolitischen Diskussion, die wir jedenfalls von er sozialdemokratischen Seite aus intensiv aufnehmen ollen. Wir wollen dies deshalb umso mehr tun, als es uf jeden Fall darum geht, Aufklärung und Bewusst- einsbildung auch in Bezug auf die Problemlagen der tudierenden und Hochschulen zu schaffen, die mit dem uslaufen des HRG keineswegs gelöst sind, sondern ich im Gegenteil bereits jetzt als massive Probleme für ie Zukunft abzeichnen. Es geht auch darum, fraktions- bergreifend die Bereitschaft zu wecken, sich nicht im erfahren zu verlieren, sondern sich um die Substanz on Hochschulzulassung, Hochschulabschlüssen und ochschulqualität zu bemühen. Zu den vorgelegten Anträgen der drei Oppositions- raktionen müssen deshalb ein paar Hinweise erlaubt ein: 11954 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) Dass die FDP ganz entgegen ihrer positiven Tradition als Bildungs- und Hochschulpartei der sozialliberalen Zeiten sich einmal mehr reduziert auf die reine Wettbe- werbsbetrachtung, spricht nicht für das moderne Hoch- schulverständnis der Liberalen. Sie sind hier ganz schön auf den Hund gekommen. Wenn die Grünen in ihren längeren Ausführungen am Ende auch die Forderung stellen, dass der Bundestag die Bundesregierung auffordern soll, gemeinsam mit den Ländern und in Abstimmung mit dem Deutschen Bun- destag umgehend Verhandlungen über Staatsverträge aufzunehmen, so bleibt nur die nüchterne Feststellung, dass der Bund in keinem Fall an Staatsverträgen beteiligt ist. Denn das Wesen von Staatsverträgen ist, dass sie zwischen den Ländern ausgehandelt werden, ohne Bund und ohne Bundesregierung. Gleichwohl wollen wir gerne anerkennen, dass Staatsverträge ein alternativer Weg sein können, um die notwendige Ordnung im Hoch- schulwesen auch für die Zukunft des Europäischen Hochschulrahmens mit zu schaffen. Die Linkspartei schließlich weiß in ihrem Antrag schon, was sie konkret will, nämlich ein eigenes Bundes- gesetz, das die Hochschulzulassung und Studienab- schlüsse bundesweit einheitlich regelt. Für die Sozialde- mokraten darf ich Ihnen sagen, dass wir vor diesem letztendlichen, absoluten Wissen, das andere schon ha- ben, vor einer abschließenden Entscheidung noch mehr wissen wollen. Deshalb bereiten wir die Anhörung in- tensiv vor. Deshalb wird es noch zu intensiven Klärun- gen mit Experten aus den Hochschulen, den Studenten und dem Hochschulmanagementbereich kommen müs- sen. Deshalb sind auch die Verhältnisse in den Bundes- ländern und die bisherige Regelungsqualität genauer zu untersuchen. Entgegen den Gewissheiten der drei kleinen Opposi- tionsparteien müssen wir deshalb feststellen, dass mit der Einbringung des Aufhebungsgesetzes zum HRG, um es als Schachspieler auszudrücken, die Partie erst eröff- net wird und es noch vollkommen offen ist, welches Ge- samtkonzept am Ende der Zukunft der Studierenden und der Hochschulen am besten entspricht. Uwe Barth (FDP): Wir Liberalen begrüßen den Be- schluss der Bundesregierung, das HRG endgültig aufzu- heben. Dass dies aus unserer Perspektive eine längst überfällige Maßnahme war, versteht sich – schließlich hat die FDP immer wieder gefordert, den bürokratischen Wust zugunsten von mehr Freiraum und mehr Autono- mie für die Hochschulen abzubauen. Auf Länderebene leisten wir unseren Beitrag. So hat die FDP in Nord- rhein-Westfalen ein Hochschulfreiheitsgesetz auf den Weg gebracht, ein Gesetz, das diesen Namen auch tat- sächlich verdient hat. Bildungsministerin Dr. Schavan gibt eine „Politik der Freiheit und Autonomie für die Hochschulen“ als Parole aus und – das ist bemerkenswert – unterlegt diese Lo- sung mit ersten konkreten Schritten. Das HRG soll weg! Die Zielrichtung passt und wir unterstützen dieses Vor- haben voll und ganz. g v g d d d s d m A m H v t s K l u H S l M v v w d t s P h H g K E V o g e H r H b a e s H w t s f s n g d e (C (D Tatsächlich kann die Ministerin unsere Unterstützung ut gebrauchen. Denn offensichtlich, so lässt sich der taz om gestrigen Tage, 19. September 2007, entnehmen, erät Frau Schavan unter „friendly fire“. Aus den Reihen er SPD wurde verlautbart, dass man „der Aufhebung es HRG nicht zustimmen wird“. Es scheint, als wollten ie Sozialdemokraten die Fesseln des deutschen Hoch- chulwesens nicht lösen – das Korsett anbehalten, das ie Schwachbrüstigkeit der deutschen Universitäten zu aßgeblichen Teilen mit verursachte. Das HRG hat keine Funktion. Es gründete auf der nnahme, alle Hochschulen seien gleich. Die Sozialde- okratin Edelgard Bulmahn hat diese Illusion der omogenität des Hochschulsystems – möglicherweise öllig unbeabsichtigt – zerstört. Mit der Exzellenzinitia- ive ist ein Prozess auf den Weg gebracht worden, der ich weder anhalten noch stoppen lässt. Da können die ollegen der SPD noch so zetern und klagen. Aber mitt- erweile treten ja sogar SPD-Wissenschaftsminister nverhohlen für den offenen Wettbewerb zwischen ochschulen ein und unterstützen das Kräftemessen in achen wissenschaftlicher Exzellenz. Von der Vorstel- ung, man könne mittels staatlicher Regelungen den assenbetrieb unterfinanzierter Universitäten lenken, erabschieden sich immer mehr Verantwortliche. Das erstaubte Denken der 70er-Jahre schwindet und die issenschaftspolitischen Ansätze sind, vielleicht auch en Vergleichsstudien geschuldet, moderner und interna- ionaler geworden. Dennoch gibt es auch Beharrungseffekte, und diese ollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden. rofessor Dr. Zöllner, der derzeitige KMK-Vorsitzende, at sich dafür ausgesprochen, den durch den Wegfall des RG entstandenen Freiraum durch neue Länderregelun- en zu füllen. Er sieht auch, laut seiner Antwort auf eine leine Anfrage im Berliner Senat, keinen Anlass, den ntscheidungsspielraum der Hochschulen in seinem erantwortungsbereich zu stärken. Es ist sehr fraglich, b diese Haltung den Berliner Universitäten langfristig ut bekommen wird. Deswegen ist es so dringend notwendig, auf Länder- bene für die Stärkung und für mehr Autonomie der ochschulen zu werben. Die Regierung geht zwar einen ichtigen Schritt mit ihrem Entwurf zur Aufhebung des RG. Doch wenn sie will, dass am Ende ein Mehrwert ei den Hochschulen ankommt, muss sie auch die Ver- ntwortlichen davon überzeugen. Es kann und darf nicht infach hingenommen werden, dass einzelne Wissen- chaftsminister die Hochschulen in Feudalmanier wie intersassen behandeln. Das ist nicht zeitgemäß. Des- egen hat die FDP-Bundestagsfraktion hierzu einen An- rag eingebracht, um dessen Unterstützung wir bitten. Die Linke und die Grünen wollen sich über den Vor- toß der Regierung bzw. CDU minus SPD nicht recht reuen. Die Vorstellung, dass der Staat die Zügel loslas- en könnte, trübt die Stimmung. Die Grünen fordern ei- en Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern – der ottlob kaum zu realisieren wäre. Da kann man dem Fö- eralismus tatsächlich einmal fast dankbar sein. Denn in solches bürokratisches Monstrum würde mehr Hür- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11955 (A) ) (B) ) den, Hindernisse und Probleme schaffen. Zudem wird in dem Antrag die Vorstellung erzeugt, mit einem solchen Vertragswerk könnten die „Segnungen“ des HRG kom- pensiert werden. Hat das HRG wirklich zur Mobilität beigetragen? Nein! Hat es tatsächlich eine Vergleichbar- keit der Hochschulen geschaffen? Nein! Hat es für gleichwertige Abschlüsse gesorgt? Niemals! Das HRG war lediglich eine Konstruktion, mittels derer die Illu- sion der Gleichheit aufrechterhalten wurde. Nun werden wir uns aber hoffentlich bald von der sozialromantischen Weichzeichnerei verabschieden und der Realität ins Auge blicken. Die FDP ist davon überzeugt, dass Deutschlands Hochschulen im internationalen Spitzenfeld mithalten könnten – sofern man ihnen dazu die richtigen Rahmen- bedingungen bietet. Die Abschaffung des HRG ist ein erster, richtiger Schritt. Darauf müssen selbstverständ- lich zahlreiche andere folgen. Zunächst müssen Sie aber, Frau Ministerin, Überzeugungsarbeit leisten! Werben Sie für den notwendigen Freiraum, für Hochschulauto- nomie, für Wettbewerb! Dann haben Sie uns an Ihrer Seite. Cornelia Hirsch (DIE LINKE): Die Linke lehnt die von der Bundesregierung vorgeschlagene Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes ab. Wir halten diesen Schritt für überflüssig und inhaltlich für falsch. Deshalb begrüßen wir es, dass sich inzwischen auch innerhalb der Koalition Widerstand gegen das Vorhaben regt. Die Bundesregierung begründet ihre Initiative zur Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes mit der in 2006 beschlossenen Föderalismusreform. Dieses Argu- ment ist nicht überzeugend. Aus der Föderalismusreform ergibt sich keinerlei Notwendigkeit, das Hochschulrah- mengesetz aufzuheben. Aus unserer Sicht gibt es eigent- lich nur Gründe, die dafür sprechen, das Gesetz in Kraft zu belassen. Nur so können all die Grundsätze, die nach der Föderalismusreform weiterhin auf Bundesebene ge- regelt werden können bzw. zu denen auf der Ebene der Länder noch keine alternativen Regelungen verabschie- det wurden, weiter Bestand haben. Falls das vorliegende Gesetz jedoch verabschiedet würde, hätte dies zur Folge, dass erstens einzelne Länder quasi gezwungen wären, ihre Hochschulgesetze zu überarbeiten, und zweitens der Bildungsflickenteppich weitergesponnen wird. Zweitens soll laut Bundesregierung durch die Aufhe- bung des Hochschulrahmengesetzes „ein Signal gegeben werden, die Hochschulen zugunsten von mehr Wettbe- werb aus der staatlichen Detailsteuerung zu entlassen“. Bisher war es doch gerade andersherum: Der Bund steckte einen groben Rahmen ab, und die Länder füllten diesen gegebenenfalls mit Details. Sie fordern mit Ihrem Entwurf geradezu zur Kleinstaaterei auf. Außerdem will die Bundesregierung mit der Gesetzesinitiative eine „Politik der Freiheit und Autonomie“ für die Hochschu- len erreichen. Die Erfahrungen der letzten Jahre machen deutlich, dass die vermeintliche Freiheit in der Praxis meistens Unvergleichbarkeit und Chaos bedeutet und vor allem die soziale Ungleichheit zwischen den Bun- desländern und neuerdings sogar zwischen Hochschulen v r p b g S e z r n d w d S A q z s r a g d B A s w e w i d t M l k l a D m S d h s l d g S t f e K r r b D (C (D erschärft. Damit steht der Vorschlag, das Hochschul- ahmengesetz abzuschaffen, im Widerspruch zu einer rogressiven Hochschulpolitik. Lassen Sie mich zwei Beispiele nennen, um dies zu elegen: Erstens sollten wir uns den Bologna-Prozess enauer ansehen. Begründet wurde die Umstellung der tudiengänge auf die Bachelor- und Masterstruktur in rster Linie mit dem Ziel, eine bessere Vergleichbarkeit u erreichen und die Mobilität zu erhöhen. Inzwischen edet die Bildungsministerin ganz offen davon, dass man ach Wegen suchen muss, wie sich Mobilität trotz der urch den Bologna-Prozess geschaffenen Hürden ge- ährleisten lässt. Kürzere Studienzeiten und engere Stu- ienpläne trugen nämlich gerade nicht dazu bei, dass tudierende häufiger ihren Studienort wechseln oder ein uslandsstudium absolvieren. Ein zweites Beispiel ist das Ziel, die Studierenden- uote auf mindestens 40 Prozent eines Altersjahrganges u erhöhen, wie das die Große Koalition anstrebt. Wir ind uns hier sicherlich einig, dass dieses Ziel nur er- eicht werden kann, wenn die Studienplatzkapazitäten usgebaut werden. Erst gestern haben wir uns in der Fra- estunde danach erkundigt, wie viele ausfinanzierte Stu- ienplätze zurzeit in Deutschland vorhanden sind. Die undesregierung sah sich nicht in der Lage, hierauf eine ntwort zu geben. Für die Linke ist es schlicht ein Rät- el, wie ohne jedes Wissen darüber sinnvoll und bundes- eit koordiniert ein Ausbau von Studienplatzkapazitäten rfolgen soll. Dieses Beispiel verdeutlicht eindrucksvoll, ie wichtig hier eine bundeseinheitliche Koordination st. Die Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes ist eshalb der falsche Schritt. Die Linke fordert eine Poli- ik in die entgegengesetzte Richtung. Wir müssen nach öglichkeiten suchen, wie der Bund mehr gesamtstaat- iche Verantwortung für die Hochschulen wahrnehmen ann. Die Linke fordert die Bundesregierung auf, end- ich ein Gesetz vorzulegen, das bundesweit den Zugang n die Hochschulen und die Hochschulabschlüsse regelt. ie Kompetenz hierfür ist dem Bund mit der Föderalis- usreform zugefallen. Nun muss sich Frau Ministerin chavan dieser Herausforderung auch stellen, anstatt en Bund weiter aus der Regelung der Hochschulpolitik erauszunehmen. Ich fasse zusammen: Mit der Aufhebung des Hoch- chulrahmengesetzes würden bundeseinheitliche Rege- ungen ohne Not außer Kraft gesetzt. Eine Verschärfung er ohnehin schon bestehenden Ungleichheit und man- elnde Vergleichbarkeit wären die logische Folge. chließlich wären die meisten Landesparlamente genö- igt, ihre Hochschulgesetze zu überarbeiten. Die Linke ordert die Bundesregierung deshalb auf, ihren Gesetz- ntwurf zurückzuziehen. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ind ist in den Brunnen gefallen: Seit der Föderalismus- eform I kann der Bund den Studierenden nicht mehr echtssicher garantieren, dass sie in Deutschland pro- lemlos von einer Uni zur anderen wechseln können. ie abweichungssichere Bundeskompetenz dafür haben 11956 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) Sie gegen unseren grünen Widerstand mit der Verfas- sungsreform vom Tisch gewischt. Da das Kind mit der Föderalismusreform I jetzt im Brunnen liegt, können wir heute nur noch über „Erste-Hilfe-Notlösungen“ diskutie- ren. Auch unser grüner Vorschlag eines Staatsvertrags zwischen Bund und Ländern ist – das sage ich ganz of- fen – kein perfektes Instrument. Aber wir glauben, dass es in der jetzigen Situation das beste Angebot an die Stu- dienberechtigten, Studierenden und Absolventen dar- stellt. Ihr Vorgehen, Frau Schavan, überzeugt dabei am we- nigsten: Sie geben mit dem Hochschulrahmengesetz auch die Restkompetenz des Bundes für Hochschulzu- lassung und -abschlüsse auf. Sie unternehmen noch nicht einmal mehr den Versuch, einen bundesweiten Hoch- schulraum mit Mobilitätsgarantie zu erhalten. Dies kommt geradezu einer Aufforderung an die Länder gleich, ihr eigenes Süppchen zu kochen, und ist deswe- gen ein fatales Signal an Studienberechtigte, Studierende und Absolventen. Ihr Hauptargument, das HRG-Aus bringe weniger Bürokratie und mehr Hochschulautono- mie, ist dürftig und nicht fachgerecht. Denn das HRG enthält – anders als die Landeshochschulgesetze – gar keine Detailvorschriften für die Hochschulen, sondern setzt einen wichtigen einheitlichen Orientierungsrahmen für die Länder. Mit Ihrem Argument, in einem europäi- schen Hochschulraum sei das HRG verzichtbar, geben Sie sämtliche Gestaltungskompetenz und Einheitlichkeit im inländischen Hochschulraum auf. Der Studienort- wechsel im Inland darf aber nicht schwieriger werden als ins europäische Ausland. Sonst konterkarieren Sie die Bologna-Ziele in Europa mit hochschulpolitischer Kleinstaaterei in Deutschland. Die ersatzlose Streichung des HRG halten wir daher für falsch, kontraproduktiv und zudem völlig übereilt. Sie wird die Mobilität von Studierenden verschlechtern, weil bundeseinheitliche Regeln wegfallen und Regelungslücken in den Bundes- ländern entstehen. Zu einer pauschalen und gedankenlosen Abschaffung des HRG – erwartungsgemäß brav beklatscht von der FDP – gibt es drei Alternativen: Erstens. Sie erhalten die Teile des Rahmengesetzes, die explizit bundeseinheitliche Zulassungsregeln, die länderübergreifende Gleichwertigkeit von Prüfungsleis- tungen und Studienabschlüssen sowie die Möglichkeit des Hochschulwechsels einfordern. Trotz des formalen Abweichungsrechts der Länder entsteht so eine norma- tive und im besten Fall dauerhafte Bindungswirkung, weil der Bund zumindest symbolisch das Ziel bundes- einheitlicher Mindeststandards aufrechterhält. Zweitens. Sie schaffen ein neues Bundesgesetz, wie es – in unterschiedlicher Akzentuierung – SPD und Linke fordern. Auch hiermit würde der Bund das hohe Gut bundesweiter Regelungen zu Hochschulzulassung und -abschlüssen hervorheben. Allerdings erlaubt das Grundgesetz Bundesregelungen eben nur noch zu genau dieser Materie. Ein umfassendes Wünsch-dir-was-Ge- setz, von dem die Linke träumt, ist verfassungsrechtlich also gar nicht möglich. Und es würde sogar dazu beitra- gen, den nationalen Hochschulraum zu zerfleddern. D K a a r i z d e f A b l G E h l n s v S E S r M w i d t z K d f b U „ f b f D d v s s b M d e ü d H (C (D enn ein umfangreiches Bundesgesetz, das nicht im onsens mit den Ländern entsteht, fördert geradezu eine bweichende Gesetzgebung der Länder. Gut gemeint ist lso nicht gut gemacht, sondern leider fachfremd und ealitätsfern. Die dritte Option, die uns zur Verfügung steht und wir n unserem Antrag vorschlagen, ist ein Staatsvertrag wischen allen Ländern und dem Bund. Uns ist bewusst, ass die demokratische Beteiligung der Parlamente bei inem Staatsvertrag nicht optimal ist, aber über die Rati- izierung in allen Parlamenten nicht aufgegeben wird. ber wir halten einen Staatsvertrag dennoch für das este aller Instrumente in der unbefriedigenden födera- en Kompetenzkonstellation. Denn: In einem Staatsvertrag sind wir nicht auf die engen renzen der Bundeskompetenz beschränkt. Das heißt im invernehmen mit den Ländern können wir bundesein- eitliche Regelungen zum Hochschulzugang für beruf- ich Qualifizierte ohne Abitur verankern. Und wir kön- en gemeinsam – über die Vorschläge der KMK hinaus – innvolle Eckpunkte für die dringend erforderliche und on uns mehrfach eingeforderte bundesweite Service- telle zum Bewerbungsmanagement definieren. Diese inrichtung kann ineffiziente Mehrfachbewerbungen für tudienberechtigte und Hochschulen wirksam minimie- en. Zudem hat ein Staatsvertrag mit bundeseinheitlichen indeststandards die höchste Haltbarkeit und Bindungs- irkung. Ein gemeinsam erarbeiteter Staatsvertrag wirkt n der unbefriedigenden Verfassungssituation ganz an- ers und verbindlicher als ein nicht-zustimmungspflich- iges Bundesgesetz. Deshalb plädieren wir Grüne für einen Staatsvertrag wischen Bund und Ländern, um den unverzichtbaren ernbereich länderübergreifenden Hochschulrechts zu efinieren. Dass die SPD nun ein neues Hochschulrahmengesetz ordert, zeigt mir, dass sich die Großkoalitionäre auch ei diesem hochschulpolitischen Thema nicht einig sind. nd wenn mittlerweile selbst die KMK erwägt, einen unabdingbar notwendigen Kernbereich länderübergrei- ender Regelungsmaterie“ in der Hochschulpolitik zu eschreiben – wie die Antwort auf unsere Kleine An- rage belegt –, dann rate ich den Koalitionspartnern, eine enkpause einzulegen, und hoffe, dass sich in der Union ie Vernunft durchsetzt. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam in der – auch on uns eingeforderten – Expertenanhörung die ver- chiedenen Optionen erörtern und am Ende in der chwierigen Lage nach der Föderalismusreform I zum estmöglichen Ergebnis für die Studierenden und ihre obilität sowie für die Hochschulen gelangen. Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bun- esministerin für Bildung und Forschung: Der Gesetz- ntwurf zur Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes, ber den wir heute beraten, ist Ausdruck einer Politik er Freiheit und Autonomie für die Hochschulen. Unsere ochschulen brauchen diese Freiheit, um ihre Stärken Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11957 (A) ) (B) ) auszubauen, flexibel auf neue Herausforderungen zu reagieren und im Wettbewerb ein differenziertes Profil entwickeln zu können. Mit der Aufhebung des HRG unterstützt der Bund die Länder darin, die Hochschulen aus der staatlichen De- tailsteuerung zu entlassen. Die Länder sind deshalb auf- gefordert, ihre neu gewonnenen Spielräume an die Hochschulen weiterzugeben. Dies geschieht inzwischen in immer mehr Ländern. Was noch vor wenigen Jahren in meiner Heimatstadt Darmstadt mit der Vorlage des bundesweit ersten Autonomiegesetzes für die Techni- sche Universität Modellcharakter hatte, ist nun flächen- deckend zum Vorbild für die Hochschulpolitik gewor- den. Die Rahmengesetzgebung war eine gute und richtige Idee zu ihrer Zeit. Sie hat sich aber heute überlebt und wurde deshalb zu Recht mit der Föderalismusreform im vergangenen Jahr aufgegeben. Heute geht es bei der politischen Gestaltung des Wis- senschaftssystems darum, Anreize zu setzen, Wettbe- werb zu ermöglichen und die Gestaltungsspielräume vor Ort zu stärken. Kurz gesagt: Es geht nicht um Steuerung über Detailregelungen und Verwaltung, sondern um Mo- dernisierung der Hochschulen durch Freiheit und Auto- nomie. Bund und Länder nehmen ihre gemeinsame Verant- wortung für eine zukunftsfähige Entwicklung der Hoch- schulen durch neue Steuerungsinstrumente wahr. Ge- meinsame Ziele und der feste Wille, diese Ziele zu erreichen, können erheblich mehr bewirken als gesetzli- che Regelungen. Beleg dafür sind die Exzellenzinitiative und der Hochschulpakt. Die Exzellenzinitiative hat eine ungeheure Dynamik in der deutschen Hochschullandschaft ausgelöst. Nicht nur die im Rahmen dieser Initiative erfolgreichen Hoch- schulen überlegen sich zukunftsweisende Strategien zum Ausbau der eigenen Stärken. Auch viele der übrigen Hochschulen setzen auf innovative Konzepte und strate- gische Partnerschaften, um in Forschung und Lehre zu international sichtbaren Leuchttürmen zu werden. Eine weitere Stärkung der Forschung an den Hoch- schulen erfolgt im Rahmen des Hochschulpakts. Mit ei- ner Programmpauschale für erfolgreiche Forschungsvor- haben, die sich im Wettbewerb um Fördermittel der DFG durchsetzen, erhalten die Hochschulen mehr Gestal- tungsspielräume außerhalb ihrer Grundfinanzierung. Für dieses Instrument, das gerade in die Breite der Hoch- schulforschung wirkt, stellt der Bund bis 2010 mehr als 700 Millionen Euro bereit. Der Hochschulpakt verfolgt aber vor allem das Ziel, mehr jungen Menschen ein Studium zu ermöglichen. Bund und Länder schaffen in den nächsten Jahren ge- meinsam die Voraussetzungen für die Aufnahme von mehr als 90 000 zusätzlichen Studienanfängern. Alleine der Bund nimmt hierfür bis zum Jahr 2010 rund 565 Millionen Euro in die Hand. Damit geben Bund und Länder einer wachsenden Zahl junger Menschen die Chance für eine akademische Qualifizierung und begeg- n g r A d m n g L h l g G n s B L i v i V l Z d s B w w a d g R a g z D a b t P V w a H l l v l A d n F (C (D en zugleich einem sich abzeichnenden Fachkräfteman- el. Für Befürchtungen, die Aufhebung des Hochschul- ahmengesetzes führe zu Regelungslücken, besteht kein nlass. Die Vorgaben des HRG wurden vollständig in en Hochschulgesetzen der Länder umgesetzt. Das un- ittelbar geltende Hochschulrecht ergibt sich schon jetzt icht aus dem HRG, sondern aus den Landeshochschul- esetzen. Die Aussage, die Abschaffung des HRG werde die änder zu weitreichenden Änderungen ihrer Landes- ochschulgesetze zwingen, entbehrt daher jeder Grund- age. Erforderlich sind allenfalls redaktionelle Änderun- en von Paragrafen, die das HRG unmittelbar zitieren. efahren für Vergleichbarkeit und Mobilität sind damit icht verbunden. Dies gilt auch und vor allem für die Bereiche Hoch- chulzulassung und Hochschulabschlüsse. In beiden ereichen gibt es übereinstimmende Regelungen der änder, sodass insbesondere die Mobilität von Studien- nteressenten und Studierenden, aber auch die der Absol- entinnen und Absolventen gesichert ist. So haben die Länder auf Basis der HRG-Regelungen m vergangenen Jahr einen neuen Staatsvertrag über die ergabe von Studienplätzen vereinbart und landesrecht- iche Regelungen erlassen, auf deren Grundlage das VS-Verfahren seit dem Wintersemester 2006/2007 urchgeführt wird. Auch die Regelungen zu den Hoch- chulabschlüssen, die das HRG etwa zur Umsetzung der ologna-Ziele enthält, sind in Landesrecht umgesetzt orden. Solange sich im Bereich des Landesrechts keine Ent- icklungen abzeichnen, die nachteilige Auswirkungen uf die nationale und internationale Mobilität von Stu- ierenden und Hochschulabsolventen befürchten lassen, ibt es auch keinen Bedarf für neue bundesrechtliche egelungen zu Hochschulzulassung oder Hochschul- bschlüssen. Erlauben Sie mir an dieser Stelle ein paar Bemerkun- en zur Frage des Hochschulzugangs beruflich Qualifi- ierter. Es ist erklärtes Ziel der Bundesregierung, die urchlässigkeit insbesondere zwischen beruflicher und kademischer Ausbildung zu verbessern. Wir sind hierzu ereits mit den Ländern im Gespräch. Auch der Innova- ionskreis berufliche Bildung, dem unter anderem KMK- räsident Professor Zöllner angehört, hat sich klar für erbesserungen in diesem Bereich ausgesprochen. Es äre jedoch ein Missverständnis, wenn man mit Blick uf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die ochschulzulassung nun eine bundesgesetzliche Rege- ung für den Hochschulzugang, etwa von beruflich Qua- ifizierten, fordern wollte. Eine solche Regelung wird on der Gesetzgebungskompetenz des Bundes ausdrück- ich nicht erfasst. Ein Blick in die Begründung des neuen rt. 74 Abs. 1 Nr. 33 des Grundgesetzes genügt, um iese klare Kompetenzzuweisung festzustellen. Die Aufhebung des HRG hat weder Regelungslücken och eine Gefährdung von studentischer Mobilität zur olge. Sie ist vielmehr ein deutliches Signal für mehr 11958 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) Autonomie. Unsere Hochschulen brauchen diese Frei- heit, um ihre Leistungsfähigkeit im weltweiten Wettbe- werb auszubauen. Davon profitieren Wirtschaft und Wissenschaft, Studierende und Forscher gleichermaßen. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Nationalen Aktionsplan gegen Rassis- mus erstellen (Tagesordnungspunkt 15) Kristina Köhler (Wiesbaden) (CDU/CSU): Zum Na- tionalen Aktionsplan gegen Rassismus habe ich für die CDU/CSU-Fraktion schon in der ersten Lesung des vor- liegenden Antrages am 22. März dieses Jahres hier im Plenum alles Relevante gesagt. Die Bundesregierung wird ihrer Verpflichtung aus der Weltkonferenz 2001 in Durban nachkommen. Die Arbeit am Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, NAP, ist weit fortgeschritten. Er ist in den betroffenen Ressorts abgestimmt und wird nun mit den Vertretern der Zivilge- sellschaft diskutiert werden. Somit wird die Arbeit am NAP noch in diesem Jahr beendet sein. Die Bundesregierung braucht sich hier nichts vorwer- fen zu lassen, erst Recht nicht bei der Frage der Einbin- dung der Zivilgesellschaft. Wer die Schlussdokumente der Durbaner UN-Weltkonferenz liest und die Entwick- lung des NAP nachvollzieht, der weiß, dass die Bundes- regierung diese Einbindung sogar über das dort gefor- derte Maß betrieben hat. Es ist auch Humbug, zu behaupten, Deutschland sei eines der letzten Länder, die noch keinen NAP haben. Richtig ist vielmehr, dass wir bei den Ersten sein wer- den, die bei den Vereinten Nationen einen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus hinterlegen. Wenn man fair ist, muss man auch sagen, dass die Bundesregierung schon im Jahr 2002 den Vereinten Nationen einen Be- richt über die Rechtsextremismusbekämpfung übersandt hat, der nichts anderes als bereits ein Kern-NAP war. Der Nationale Aktionsplan gegen Rassismus wird die geplanten Maßnahmen und Aktivitäten der Bundesregie- rung zur Rassismusbekämpfung zusammenfassen. Ich würde aber nicht erwarten, dass irgendein Neonazi beim Erscheinen des NAP vor lauter Schreck zum Demokra- ten wird. Dieser Antrag der Linken klingt gerade so, als reduziere sich die Bekämpfung von Rassismus und Extremismus auf den NAP. Wir alle hier wissen, dass das Unsinn ist. Dass das Thema NAP hier so schnell zu aller Zufrie- denheit abgehandelt werden kann, gibt mir die Chance, noch einmal für die CDU/CSU-Fraktion ein paar grund- sätzliche Anmerkungen zur Extremismus- und Rassis- musbekämpfung in Deutschland zu machen. Genau genommen geht es um fünf Leitsätze der Extremismus- bekämpfung, die uns offensichtlich von den anderen Fraktionen unterscheiden. F u k d e z d p c d w s i M u s g u k w k o d M n k m g a m d f b d o u n s A a s S i U e w r a e e d u k (C (D Erstens. Wir führen einen Kampf gegen jegliche orm des Extremismus, also gegen alle diejenigen, die nsere freiheitlich-demokratische Grundordnung be- ämpfen. Dies umfasst deshalb sowohl den Rechts- und en Linksextremismus als auch den Islamismus. Es ist ine großer Fehler, die gegenseitigen Abhängigkeiten wischen den Extremismusbereichen zu ignorieren. Von er linksextremen Propaganda gegen den Sozialstaat rofitiert zurzeit etwa auch die NPD in gehörigem Maße. Zweitens. Wir führen auch einen Kampf gegen jegli- he Form des Rassismus, und das heißt, ohne Ansehen er Ethnie von Opfer und Täter. Wenn rassistische Ge- alt gegen Deutsche ignoriert wird, ist dies genauso chlimm, wie wenn rassistische Gewalt gegen Ausländer gnoriert wird. Es ist deshalb richtig, wenn Politik und edien Rassismus gegen Ausländer offensiv benennen nd dagegen vorgehen. Aber es ist falsch und es ist Was- er auf die Mühlen der Rechtsextremisten, wenn zu- leich Rassismus gegen Deutsche weiterhin ignoriert nd verharmlost wird. Drittens. Der Kampf gegen die einen Extremisten ann nicht zusammen mit anderen Extremisten geführt erden. Insbesondere in der Rechtsextremismusbe- ämpfung werden leider immer wieder linksextreme der auch islamistische Organisationen unterstützt. Mit em Belzebub treibt man jedoch nicht den Teufel aus. an kann die freiheitlich-demokratische Grundordnung icht zusammen mit den Feinden der freiheitlich-demo- ratischen Grundordnung verteidigen. Viertens. Wir kämpfen gegen den Rechtsextremis- us, nicht gegen „Rechts“. Die CDU/CSU stellt sich ge- en den Generalverdacht, alles was „Rechts“ sei, sei uch rechtsextremistisch. Wer glaubt, unter dem Deck- antel des legitimen und notwendigen „Kampfes gegen en Rechtsextremismus“ einen „Kampf gegen Rechts“ ühren zu können, der wird uns nicht an seiner Seite ha- en. Rechte und konservative Einstellungen sind Teil es demokratischen Spektrums, egal ob man sie mag der nicht. Die Grenze zwischen rechten Einstellungen nd rechtsextremistischen Einstellungen ist klar defi- iert: Es ist das Verhältnis zur freiheitlich-demokrati- chen Grundordnung und zur Menschenwürde. Fünftens. Gegen blinden Hass muss man sehenden uges kämpfen. Übertreibungen sind genauso Wasser uf die Mühlen der Rechtsextremisten wie Verharmlo- ungen. Pauschale und vorschnelle Urteile über ganze tädte und Gemeinden führen ebenso in die Irre, wie es n die Irre führt, die Augen vor rechtsextremistischen mtrieben zu verschließen. Man kann den Rechts- xtremisten jedoch keinen größeren Gefallen tun, als enn eine Tat von Medien und Politik vorschnell als echtsextrem klassifiziert werden, es sich im Nachhinein ber herausstellt, dass die Tat tatsächlich keinen rechts- xtremistischen Hintergrund hatte. Diese fünf Leitsätze lassen sich zusammenfassen in inem Wort: konsequent. Die CDU/CSU wird weiterhin afür einstehen, dass die Bekämpfung von Rassismus nd Extremismus in Deutschland eine konsequente Be- ämpfung sein wird. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11959 (A) ) (B) ) Gabriele Fograscher (SPD): Heute diskutieren wir die Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Linksfraktion, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, einen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus vorzulegen. Rassismus ist eine Form der Fremdenfeindlichkeit, die sich auf tatsächliche oder behauptete Rassenunter- schiede stützt. Rassisten behaupten, dass Menschen sich nicht nur in ihren biologischen Merkmalen, zum Bei- spiel Hautfarbe, unterscheiden, sondern dass ihr gesam- tes Wesen von ihrer „Rassezugehörigkeit“ geprägt sei. Damit verbunden ist stets der Glaube, die „eigene Rasse“ sei höherwertig. Deshalb sei es in Ordnung, be- stimmte Menschen zu benachteiligen, zu unterdrücken und im Extremfall sogar zu vernichten. Auf der Weltkonferenz der Vereinten Nationen gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlich- keit und damit zusammenhängende Intoleranz im Sep- tember 2001 in Durban hat sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, einen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus zu erarbeiten. Für meine Fraktion stelle ich fest, dass dieser Natio- nale Aktionsplan richtig und wichtig ist. Verzögerungen bei der Arbeit am Nationalen Aktionsplan gegen Rassis- mus sind weder der rot-grünen noch der jetzigen Bun- desregierung zuzuschreiben. Sie begründen sich darin, dass sich die Nichtregierungsorganisationen bei der Ar- beit in der „Durban Follow-Up AG“ überworfen hatten. Dieses Problem ist inzwischen gelöst. Auch war es Ziel der Bundesregierung und der sie tra- genden Fraktionen, die Umsetzung der EU-Antirassis- mus-Richtlinie als zentralen Bestandteil des Nationalen Aktionsplans zu integrieren. Die Umsetzung der EU- Richtlinie ist durch das Allgemeine Gleichstellungsge- setz geschehen. Inzwischen ist die Bundesregierung auf einem guten Weg, den Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus noch in diesem Jahr vorzulegen und somit den Ver- pflichtungen aus dem Schlussdokument von Durban nachzukommen. Die Themenschwerpunkte sind: Mi- granten, Flüchtlinge, Menschenhandel, Bildung und Menschenrechtserziehung, Diskriminierung am Arbeits- markt und Zugang zu diesem, soziale Ausgrenzung, Minderheiten, Maßnahmen gegen Gewalt, Menschen mit Behinderung. Weder die Bundesregierung noch die Vorgängerregie- rungen warten auf die Erstellung des Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus, um auf diesem Gebiet aktiv zu werden. Deshalb unterstützt und initiiert die Bundesregierung zahlreiche Initiativen und Maßnahmen gegen Rassismus in den unterschiedlichsten Ressorts. Eine umfassende gesetzliche Maßnahme ist das 2006 beschlossene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Es enthält unter anderem das Ziel, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, ei- ner Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. E i k k A W g s t F f m d M f f u s c d G e S b m W R u d D d l d s g i T z k d r v s m D f a 2 m F M b (C (D Das „Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen xtremismus und Gewalt“, gegründet durch das Bundes- nnen- und das Bundesjustizministerium, soll die demo- ratischen Werte in unserem Land fördern, um ein stär- eres Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger für chtung und Garantie demokratischer Regeln wie der ürde des Menschen, Toleranz, Meinungs- und Reli- ionsfreiheit zu bewirken. Es bündelt alle Kräfte, die ich gegen rassistische, fremdenfeindliche und antisemi- ische Bestrebungen wenden. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, rauen und Jugend fördert mit dem Programm „Jugend ür Vielfalt und Toleranz“ Initiativen gegen Rechtsextre- ismus und Fremdenfeindlichkeit. Zusätzlich gibt es as Programm „Förderung von Beratungsnetzwerken – obile Intervention gegen Rechtsextremismus“. Das Programm „Xenos – Leben und Arbeit in Viel- alt“, das zu Teilen aus dem Europäischen Sozialfonds inanziert wird, wird vom Bundesministerium für Arbeit nd Soziales verwaltet und umgesetzt. Es werden insbe- ondere Jugendliche und junge Erwachsene angespro- hen, die durch fremdenfeindliches Denken und Han- eln auffallen oder sich dafür anfällig zeigen. egenseitiges Verständnis soll gefördert werden. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt- ntwicklung setzt sich mit dem Programm „Soziale tadt“ gegen Rassismus ein. Es geht um Zusammenle- en, Nachbarschaft und Integration, aber auch um The- en wie einen sozialen Arbeitsmarkt, demografischen andel, lokale Demokratie und den Kampf gegen echtsextremismus. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung nterstützt den Wettbewerb „Demokratisch Handeln“, er seit 1989 für alle allgemeinbildenden Schulen in eutschland ausgeschrieben wird. Der Wettbewerb will emokratische Haltung und demokratische Kultur im ge- ebten Alltag von Schule und Jugendarbeit stärken. In er Begegnung mit anderen sollen Fragen und Probleme ichtbar und ein Korridor zu politischer Verantwortung eöffnet werden. Das Forum gegen Rassismus, dessen Geschäftsstelle m BMI angesiedelt ist, fungiert als nationaler runder isch im Sinne der Grundsätze der Europäischen Stelle ur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlich- eit. Es umfasst mittlerweile rund 80 Organisationen, arunter 60 bundesweit bzw. überregional tätige Nicht- egierungsorganisationen, die sich für die Überwindung on Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt ein- etzen. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hat sich – auch it Blick auf die besondere historische Verpflichtung eutschlands – entschieden, die europaweite Bekämp- ung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wieder uf die politische Agenda zu setzen. Sie wird die seit 005 auf Eis liegenden Verhandlungen über den Rah- enbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus und remdenfeindlichkeit wieder aufnehmen. Ziel ist, eine indestharmonisierung der Vorschriften über die Straf- arkeit des Verbreitens von rassistischen und fremden- 11960 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) feindlichen Äußerungen zu erreichen. Es geht zum Bei- spiel um die öffentliche Aufstachelung zu Gewalt und Hass oder das Leugnen oder Verharmlosen von Völker- mord aus rassistischen oder fremdenfeindlichen Moti- ven. Die Bundeszentrale für politische Bildung stellt zahl- reiches Informationsmaterial über Rassismus, Rechtsex- tremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zur Verfügung. Die Bundeszentrale für politische Bil- dung unterstützt alle interessierten Bürgerinnen und Bür- ger dabei, sich mit diesen Themen zu befassen. Ihre Auf- gabe ist es, Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das demokratische Bewusstsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stärken. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellt ebenfalls Informations- und Aufklärungsmaterial zur Verfügung, bietet Ausstellungen wie „Die braune Falle“ an, infor- miert, analysiert und beobachtet. Auch die Sammlung mit nachrichtendienstlichen Mitteln ist unverzichtbar. Zudem werden Aussteiger aus der Szene unterstützt, und es sind Telefonhotlines für Ausstiegswillige geschaltet. Dies sind einige Beispiele für Maßnahmen der Bun- desregierung gegen Rassismus und Fremdenfeindlich- keit. Sie zeigen das große Engagement des Bundes, der dies als Querschnittsaufgabe begreift. Mangelndes Inte- resse an der Bekämpfung rassistischer Diskriminierung kann man der Bundesregierung und den sie tragenden Fraktionen somit nicht vorwerfen, so wie es die Links- fraktion in ihrem Antrag tut. Und, ich wiederhole es, ein Nationaler Aktionsplan gegen Rassismus wird das Problem allein nicht lösen. Dazu bedarf es mehr. Neben den Maßnahmen der Bun- desregierung braucht es aber auch das Engagement der Länder und Kommunen sowie eine starke Zivilgesell- schaft. Abschließend lässt sich festhalten: Die Bundesregie- rung wird ihren Verpflichtungen aus der Weltkonferenz in Durban nachkommen. Ein Nationaler Aktionsplan ge- gen Rassismus wird in Zusammenarbeit mit dem „Fo- rum für Rassismus“ erstellt und bis Ende dieses Jahres vorliegen. Deshalb lehnen wir den Antrag der Linksfrak- tion ab und stimmen der Beschlussempfehlung zu. Christian Ahrendt (FDP): Die Forderung nach ei- nem nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, den die Linke mit dem heute zur Debatte stehenden Antrag ver- folgt, geht in die richtige Richtung. Die FDP-Fraktion wird den Antrag gleichwohl ablehnen. Er kommt schlicht ein Jahr zu spät. Wir haben schon im vergangenen Jahr von der Bun- desregierung ein konkretes und tragfähiges Konzept zur Bekämpfung von Extremismus und Fremdenfeindlich- keit eingefordert. Es soll jetzt aber nicht das Jahr Verspä- tung bemängelt werden. Wirklich zu kritisieren ist, dass die Bundesregierung es bis heute nicht vermocht hat, ein tragfähiges nationales Konzept gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit vorzulegen. S W R m f z e i R b H w d s i s W j g D n g A s d g m A r h w M – A d m e Z g b b p u g d l (C (D Die Berichterstattung über rassistisch motivierte traftaten nimmt zu. Erst vor wenigen Tagen war in der elt zu lesen, dass ein Familienvater aus Ghana auf dem ückweg von seiner Arbeitsstelle von drei Rechtsextre- isten durch Barmbeck gehetzt wurde. Trotz lauter Hil- erufe hielt kein Autofahrer an, um die Verfolgungsjagd u beenden. Die Hetzjagd fand erst ein Ende, nachdem in Anwohner dem Familienvater zu Hilfe eilte. Solche und ähnlich Berichte lesen wir landauf, landab n den verschiedenen Tageszeitungen. Es spielt keine olle, ob die Tatorte fremdenfeindlicher Übergriffe im aden-württembergischen Langenau, im norddeutschen amburg oder im sächsischen Mügeln liegen. Gleich- ohl kann man sich nicht ganz des Eindrucks erwähren, ass mit zweierlei Maß gemessen wird: Die Aufmerk- amkeit und die Gewichtung fremdfeindlicher Straftaten n den neuen Bundesländern erfährt eine andere ungleich chwerere Gewichtung als vergleichbare Vorfälle im esten der Republik. In diesem Zusammenhang gibt es a dann auch noch die relativ dumme Bemerkung von so- enannten No-go-Areas in den neuen Bundesländern. iese ebenso undifferenzierten Blickwinkel führen nicht ur zu falschen Stigmatisierungen, sie verstellen zu- leich den Blick auf das eigentliche Problem. Entscheidend sind vielmehr drei Aspekte: Erstens: Die rassistisch motivierten Straftaten gegen usländer und Migranten nehmen zu. Zweitens: Fremdenfeindlichkeit ist kein Problem ge- ellschaftlicher Randbereiche, sondern ist latent vorhan- en und in der Mitte der Gesellschaft verankert. Drittens – dieser Aspekt wird in der Diskussion auch ern übersehen –: Es gibt bei uns auch eine rassistisch otivierte Fremdenfeindlichkeit, die sich auf einen ntisemitismus islamischer Prägung stützt. Es liegt ge- ade einmal ein Jahr zurück, dass ein jüdisches Mädchen ier in Berlin unter Polizeischutz zur Schule eskortiert erden musste, weil ein Streit mit einer islamischen itschülerin eskaliert war. Im Spiegel ist hierzu zu lesen ich zitiere –: Rechtsextreme Jugendliche und junge Muslime kultivieren einen Hass, der in Deutschland jahr- zehntelang für undenkbar gehalten wurde: Sie ma- chen Jagd auf jüdische Mitschüler. Politische Ap- pelle verhallen an vielen Schulen ungehört. ngesichts dieser Entwicklung und der Vielschichtigkeit es Problems, mit dem wir es hier zu tun haben, ist es ir unverständlich, warum die Bundesregierung sich mit inem nationalen Konzept gegen Rassismus derart viel eit lässt. Der Aktionsplan sollte im ersten Halbjahr 2007 vor- elegt werden. Er liegt nicht vor. Ob die Ankündigung, is Ende des Jahres die Arbeiten abgeschlossen zu ha- en, erfüllt wird, bleibt angesichts der insgesamt schlep- enden Lösung dieser Aufgabe abzuwarten. Es soll nicht nerwähnt bleiben: Die Verpflichtung für die Bundesre- ierung stammt aus dem Jahr 2001. Ich bin der Meinung, ass die zurückliegenden sechs Jahre einen ausreichend angen Zeitraum darstellen, um die übernommene Auf- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11961 (A) ) (B) ) gabe, einen nationalen Plan gegen Rassismus zu erstel- len, zu bewältigen. Die dargestellte Entwicklung unterstreicht die Dring- lichkeit dieser Aufgabe, zumal sich nach der Vorlage dieses Plans eine Diskussion mit den Nichtregierungsor- ganisationen anschließen soll, also noch einmal Zeit ins Land geht, bevor ein verbindlicher Plan vorliegt. Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Laut Bericht der eu- ropäischen Agentur zum Schutz der Grundrechte hat die Zahl rassistisch motivierter Gewalttaten im Jahr 2006 in acht von elf beobachteten Staaten der EU zugenommen – mit dabei die Bundesrepublik Deutschland. Im Vergleich zum Vorjahr nahmen rassistische Gewalttaten um 14 Prozent zu. Doch noch immer wird versucht, das Pro- blem zu leugnen oder zu relativieren. Wenn Einsicht der beste Weg zur Besserung ist, sehe ich skeptisch in die Zukunft. Denn diesem Land fehlt es an Politikerinnen und Politikern, die willens sind, das Kind beim Namen zu nennen. Da werden in einer Kleinstadt acht Inder von mehre- ren Dutzend Menschen attackiert und über den Markt- platz gejagt. Getreu dem Motto „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf“ fällt einigen Politikern nichts Besse- res ein, als jedweden Zusammenhang mit Nazis zu be- streiten. Der sächsische Ministerpräsident Milbradt erklärt, dass es keine Hetzjagd in Mügeln, sondern eine Hetz- jagd auf Mügeln gegeben habe. Der Bundesinnenminis- ter Wolfgang Schäuble stellt gleich den ganzen Übergriff infrage, wenn er sagt: „Wir müssen ein bisschen aufpas- sen, dass wir noch die Fähigkeit haben, auch hinzu- schauen, ob denn wirklich was gewesen ist.“ Der Bürgermeister von Mügeln versicherte, es gebe in seiner Stadt keinen Rechtsextremismus. Aber wird das Ganze dadurch besser, wenn sich bewahrheiten würde, dass die Täter keine organisierten Nazis gewesen sind, sondern ganz normale Bürger, die ihrer rassistischen Ge- sinnung freien Lauf gelassen haben? Wohl kaum! Und genau das ist das Problem der Bun- desregierung. Nach wie vor wollen sie nicht begreifen, dass zwar jeder Nazi Rassist ist, aber nicht jeder Rassist automatisch auch Nazi. Die Bekämpfung des sogenann- ten Rechtsextremismus ersetzt deshalb nicht einmal an- satzweise die Bekämpfung von Rassismus. Ein Nationaler Aktionsplan müsste ein solches strate- gisches Vorgehen im Rahmen eines Gesamtkonzeptes beinhalten. Aber genau davor drückt sich die Bundesre- gierung. Zur Erinnerung: 2001 verpflichtete sie sich in Durban zur Erarbeitung eines Aktionsplans gegen Ras- sismus. Mit der Bewerbung um einen Sitz im UN-Men- schenrechtsrat im April 2006 kündigte sie die Vorlage im Laufe des Jahres 2006 an. Frau Köhler sprach dann in der ersten Lesung im März 2007 davon, dass der Ent- wurf im ersten Halbjahr 2007 vorliegen werde. Dann kündigte im Juni 2007 Staatssekretär Altmaier an, den Aktionsplan bis Ende dieses Jahres unter Beteili- gung der NGOs fertigzustellen und an die UN zu schi- c B T e s u h d M d s i w g N s s i s n c d p z R B h n v m t d s e e d D M R Z w e m t a v r u K i g k a B s (C (D ken. Aber bis heute liegt kein Entwurf vor. Wenn die undesregierung diesmal trotzdem an ihrer aktuellsten erminierung festhält, lässt dies befürchten, dass sie in inem Hauruck-Verfahren die Beratung mit der Zivilge- ellschaft durchführen wird. Genau dies wollten wir mit nserem Antrag, den Sie im Innenausschuss abgelehnt aben, verhindern. Zeit für eine tatsächliche Auseinan- ersetzung um Inhalte, konkrete Maßnahmen und einem onitoringverfahren wird dabei keine bleiben. Während ie Bundesregierung Jahre hat verstreichen lassen, müs- en die dann beteiligten Organisationen in kürzester Zeit hre Vorstellungen dazu erarbeiten. Für Änderungen ird da wohl kaum Zeit bleiben, wobei diese auch kaum ewünscht sein dürften. Schließlich brauchen Sie die ichtregierungsorganisationen lediglich als demokrati- ches Feigenblatt zum Abnicken. An diesem Dilemma sind allerdings auch die Grünen owie die FDP mitverantwortlich. Die Grünen haben es n der Zeit ihrer Regierungsbeteiligung sträflichst ver- äumt, diesen Aktionsplan selbst vorzulegen. Anstatt un aber dieses Versagen wiedergutzumachen, versu- hen die Grünen, dieses zu kaschieren. Gemeinsam mit er FDP haben sie unserem Antrag nicht zugestimmt. Stattdessen soll nach Ansicht der Grünen der Aktions- lan die Programme gegen Rechtsextremismus ergän- en. Aber eigentlich müsste die Bekämpfung des echtsextremismus als aggressivste Form des Rassismus estandteil des Engagements gegen Rassismus sein. Da- er kann ein solcher Aktionsplan nicht lediglich aus ei- er Zusammenfassung von bereits bestehenden Initiati- en und Programmen gegen rechts bestehen. Und solange es keinen solchen Aktionsplan gibt, acht es auch kaum Sinn, wenn die Integrationsbeauf- ragte Maria Böhmer einen „Pakt für Demokratie“ auf en Weg bringen will, der Bürgermeister verpflichten oll, regelmäßig zu berichten, was sie gegen Rechts- xtremismus unternommen haben. Dazu bedarf es zum inen überhaupt erst einmal eines Problembewusstseins er politischen Verantwortungsträgerinnen und -träger. ass wir davon noch weit entfernt sind, zeigt gerade ügeln, aber auch nicht zuletzt die einseitige Sicht auf assismus und Nazismus als ostdeutschem Problem. um anderen macht ein solcher Vorschlag nur Sinn, enn sich die lokalen und kommunalen Aktivitäten in inen kohärenten Ansatz zur Bekämpfung von Rassis- us einfügen lassen. Denn die Bekämpfung des institu- ionellen Rassismus beispielsweise im Bildungssystem, uf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt ist kaum allein on den Kommunen zu lösen. Wer Menschen, die seit Jahrzehnten in der Bundes- epublik leben oder hier geboren sind, wie Bürgerinnen nd Bürger zweiter Klasse behandelt, sie für soziale onflikte in der Gesellschaft verantwortlich macht und hnen per se sexistische und fundamentalistische Haltun- en unterstellt oder sie als „terroristische“ Bedrohung riminalisiert, trägt entscheidend zum Rassismus bei. Soll Rassismus, von wem auch immer und gegen wen uch immer, tatsächlich bekämpft werden, muss die undesregierung ihre „Vorbildwirkung“ durch eine ent- prechend antirassistische Politik wahrnehmen. Die 11962 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) Grundlage dafür muss ein Konzept sein, das sich sowohl dem institutionellen als auch dem individuellen Rassis- mus stellt. Genau das hat die Bundesregierung 2001 zu- gesagt und nicht mehr und nicht weniger fordern wir ein. In der ersten Lesung unseres Antrags am 22. März 2007 hatte ich bereits konstatiert, dass es den Vorwurf gibt, dass die Koalition nichts Substanzielles im Kampf gegen den Rassismus zu bieten hat. In diesem Zusam- menhang bleibt mir nur noch die Wiederholung des Zitats des britischen Soziologen Stuart Hill: „Wenn man in einer Gesellschaft ohne antirassistische Politik lebt, ist man dazu verurteilt, in einer rassistischen Gesellschaft zu leben.“ Also sparen Sie sich in Zukunft Ihre Pseudo- betroffenheit, wenn es wieder zu rassistischen Übergrif- fen kommt. Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein Nationaler Aktionsplan würde unterstreichen, dass der Rassismusbekämpfung bundesweite Bedeutung zu- kommt. Das ist wichtig, denn leider reagiert Deutschland sehr aktionistisch auf rechtsextrem motivierte Vorfälle. Der häufigste strategische Fehler ist, dass man erst aktiv wird, wenn ein solches Ereignis bevorsteht oder eine Straftat begangen wurde. Viele der Gegenaktionen er- weisen sich nach kurzer Zeit als „Sturm im Wasserglas“ und schlafen wieder ein. Die Nazis gehen deutschland- weit wie international mittlerweile langfristig und ver- netzt vor. Dem müssen wir mit eigenen Konzepten ent- gegentreten. Außerdem hat sich die Bundesrepublik in Durban zur Erstellung eines Nationalen Aktionsplans verpflichtet und muss nun dazu stehen. Über diese Notwenigkeit be- steht meiner Wahrnehmung nach auch Einigkeit in die- sem Haus. Dissens tut sich erst auf, wenn wir über die konkrete Umsetzung sprechen. Ein Nationaler Aktionsplan gegen Rassismus muss nicht bei null beginnen, sondern kann auf Bestehendes aufbauen. Wir haben viele Bundesgesetze, um rechte Straftaten zu ahnden oder Naziaufmärsche zu erschwe- ren. Es gibt aktive Initiativen, die öffentlich immer wie- der Zeichen gegen Nazis setzen. Viele Bürgerinnen und Bürger wollen sich engagieren. Notwendig sind bessere Aufklärung über vorhandene Möglichkeiten, stärkere Vernetzung von Aktivitäten und Ausweitung der Angebote. Es gibt zu wenige Anlauf- stellen für betroffene Eltern, deren Kinder in die Nazi- Szene gerutscht sind. Naziaussteiger bekommen oft keine Hilfe, sondern werden vom Verfassungsschutz nur als Informationsquellen ausgenutzt und dann sich selbst überlassen. Lehrern fehlen Fortbildungen zur inhaltli- chen Auseinandersetzung mit Nazis in den Schulklassen. Strukturen, die in solchen Bereichen Angebote schaffen, müssen durch einen Nationalen Aktionsplan gestärkt und vermehrt werden. Für nicht sinnvoll halten wir hingegen ein neues Gre- mium, wie es im Antrag der Linksfraktion gefordert wird. Das schafft zusätzliche Kosten und mehr Bürokra- tie. Stattdessen brauchen bestehende Gremien, in denen zivilgesellschaftliche Akteure beteiligt sind, mehr Unter- s t r T b n d f t d t S m A b i e d d A h z n s b g w W V l B N f A v n k T t l d D (C (D tützung. Bereits unter Rot-Grün gab es hierzu Konsulta- ionen mit NGOs; daran kann die jetzige Bundesregie- ung anknüpfen. Das „Bündnis für Demokratie und oleranz“ sowie das „Forum gegen Rassismus“ können ei der Umsetzung eines Nationalen Aktionsplans ge- utzt und gegebenenfalls weiter ausgebaut werden. Ich halte die Strategie, etwas Neues zu schaffen und as Bewährte nicht zu unterstützen, für falsch. Wichtig ür uns Grüne bleibt vor allem die Förderung von Initia- iven vor Ort. Ich fordere Nachbesserungen an den Bun- esprogrammen. Besonders wichtig ist ein direktes An- ragsrecht für freie Träger, da sie aufgrund ihrer achkompetenz die Gefahren früh erkennen. Den Kom- unen, die momentan als Einzige Förderung für lokale ktionspläne beantragen dürfen, fehlt oft dieser Ein- lick. Ein weiterer Punkt: Viele Bundesländer haben noch mmer kein eigenes Landesprogramm gegen Rechts- xtremismus aufgelegt. Es ist nicht akzeptabel, dass iese Länder die finanzielle Verantwortung einfach auf en Bund abschieben. Das Erstellen eines Nationalen ktionsplans muss als Chance genutzt werden, eine ein- eitliche und vernetzte Förderstrategie in Deutschland u erarbeiten. Alle demokratischen Parteien sollten ei- en Konsens finden, der nicht jährlich auf dem Prüfstand teht, sondern langfristige Strategien ermöglicht. Das ist esonders wichtig, wenn wir auf rassistische Einstellun- en in der Bevölkerung einwirken wollen. Hier dürfen ir von der Kindheit bis ins Alter nicht lockerlassen, um erte wie Toleranz, Weltoffenheit, Menschenwürde und ielfalt in der Gesellschaft zu verankern. Die Bundesregierung hat angekündigt, einen Nationa- en Aktionsplan noch in diesem Jahr vorzulegen, den undestag einzubeziehen und Stellungnahmen der GOs zu berücksichtigen. Wir werden aufmerksam ver- olgen, ob diese Zusagen eingehalten werden. nlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteili- gungen (MoRaKG) – Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwick- lung des Gesetzes über Unternehmensbetei- ligungsgesellschaften (UBGG) (Tagesordnungspunkt 16 a und b) Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Im Koalitions- ertrag haben CDU und SPD vereinbart, moderne, inter- ational attraktive Rahmenbedingungen für Wagnis- apital zu schaffen. Damit wollen wir besonders junge echnologieunternehmen, wie beispielsweise im Bio- echnologie- und Pharma-Bereich, fördern. In Deutsch- and hat sich in den letzten Jahren eine starke und leben- ige Landschaft dieser Hightech-Firmen entwickelt. iese Unternehmen sind wichtig für die deutsche Markt- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11963 (A) ) (B) ) führerschaft in Zukunftsmärkten und Spitzentechnolo- gien. Die Wettbewerbsfähigkeit in der globalisierten Wissensgesellschaft wird gesichert und so der Grund- stein für mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze gelegt. Das geplante Gesetz ist also ein wichtiger Bestandteil der Hightechförderung der großen Koalition. Neue Produkte in jungen Unternehmen sollen unter- stützt werden. Gerade in der wichtigen Frühphase herrscht in diesen Firmen oft Kapitalknappheit. Dem soll mit dieser Förderung und den verbesserten Rahmenbe- dingungen abgeholfen werden. Dazu sollen die steuerli- chen Rahmenbedingungen für Investoren und Unterneh- men der Wagniskapitalbranche verbessert werden. Bei Wagniskapitalgebern handelt es sich nach wie vor um die wichtigsten Geldgeber für junge Unternehmen. Ge- nau für diese müssen wir Anreize zu mehr Investitionen schaffen. Nur so investieren sie auch in deutsche Unter- nehmen. Mit solch einer Förderung kann und soll Deutschland in einer globalisierten Welt entschieden besser positioniert werden. In der Allgemeinheit wird immer wieder polemisch von den „Heuschrecken“ gesprochen. Genau die wollen wir ja nicht fördern. Wir fordern doch gerade eine klare Abgrenzung der Hedgefonds von den Private-Equity- und Venture-Capital-Firmen, die die jungen Hightech- Firmen unterstützen wollen. Für diese Unterstützung muss allerdings auch erst mal entsprechendes Wagnis- kapital mobilisiert werden. Aus unserer Sicht sind fol- gende Anforderungen mindestens notwendig – eine kleine Auswahl: Erstens wollen wir eine transparente Besteuerung von Beteiligungsfonds, also die Steuerfreiheit auf Fonds- ebene. Der Anleger selbst wird ganz normal besteuert, wie bei jedem anderen Fonds. Steuerausfälle sind hier nicht zu befürchten. Zweitens: Für junge Technologieunternehmen ist be- sonders der Verlustvortrag ganz entscheidend. Wir wol- len eine Ausnahme von der jetzigen Verlustverrechnung. Nur so lassen sich die hohen Anfangsinvestitionen der Gründungsphase für Forschung und Entwicklung und die noch fehlenden Gewinne verschmerzen. Nur so kön- nen die gerade geschaffenen neuen Arbeitsplätze gesi- chert werden! Daher dürfen diese Verlustvorträge auch bei Mehrheitsübertragungen dieser Firmen nicht verlo- ren gehen. Drittens wollen wir eine Beibehaltung der steuerli- chen Begünstigung der Erfolgsbeteiligung der Wagnis- kapitalmanager auf Fondsebene – der sogenannte Carried Interest. Sie ist – trotz vielfachen starken Pro- tests – notwendig. Sie motiviert die Manager, die jungen Technologieunternehmen nach vorn zu bringen. Die räumliche Nähe des Fondsmanagement zu den Port- foliounternehmen ist ganz entscheidend für deren wirt- schaftlichen Erfolg. Und genau das steigert auch die At- traktivität des Finanzplatzes Deutschland. Trotzdem tun sich doch einige sehr schwer mit so ei- ner Förderung, wie man es auch den ersten Eckpunkten des BMF entnehmen konnte. Sie wirkten halbherzig und die beschriebenen angeblichen Steuerausfälle von 15 bis 2 g r d t w a s a w W z f l a r s w 2 d n s n d e v t i 5 g v s s J A D b E E s 5 s z d e g t g F H h t (C (D 0 Milliarden Euro abschreckend. Viele gewinnbrin- ende Vorschläge von Gutachten wurden leider nicht be- ücksichtigt. Nach einigen Gesprächen haben wir dann eutliche Verbesserungen erzielt. Insbesondere die Kri- erien für Investitionen von Wagniskapitalbeteiligungen aren zu restriktiv. Die Begrenzung des Eigenkapitals uf 500 000 Euro war vollkommen unzureichend. For- chungsintensive, innovative Unternehmen wären damit us dem Förderungsbereich größtenteils ausgeschlossen orden. Aber nicht nur die Gründungsphase, sondern auch die achstumsphase muss gestützt werden. Die Abgren- ungskriterien für die Zielunternehmen sollen nun wie olgt sein: maximal zehn Jahre alt und maximal 20 Mil- ionen Euro Eigenkapital. Meines Erachtens wäre aber uch zu prüfen, ob die Altersbegrenzung von zehn Jah- en überhaupt das richtige Kriterium ist. Ist es nicht bes- er, nach Mindestaufwendungen für Forschung und Ent- icklung zu fragen? Hier könnte ich mir einen Satz von 5 Prozent gut vorstellen. Auch die transparente Besteuerung konnten wir urchsetzen, also die Besteuerung auf Anlegerseite und icht im Fonds. Dazu werden diese Beteiligungsgesell- chaften als vermögensverwaltend eingestuft. Eine gute Nachricht auch für private Geldgeber: Im euen Einkommensteuergesetz erhöht sich ihr Freibetrag eutlich von circa 9 000 Euro auf 20 000 Euro. So wird ine Beteiligung an Hightech-Firmen in Zukunft attrakti- er. Ich sehe aber noch weitere Verbesserungsmöglichkei- en: Die Höhe der Mindesttranchen für eine Investition n einen Wagniskapitalfonds – momentan liegt sie bei 0 000 Euro – sollte weiter herabgesetzt werden oder anz wegfallen. Nur so können wir eine große Anzahl on Privatinvestoren für die Investition in diese vielver- prechenden Unternehmen gewinnen. Lassen Sie mich noch etwas zu den Verlustvorträgen agen: Zwar ist nun eine Mindesthaltedauer von vier ahren notwendig. Erst nach deren Ablauf können die nteile an der Zielgesellschaft verkauft werden können. och der Verlustvortrag wird gewahrt und bleibt auch ei einer späteren Weiterveräußerung – die sogenannte inbeziehung des Nacherwerbs – an Dritte erhalten. ine Steuerbegünstigung des Carried Interest bleibt be- tehen, allerdings erfolgt eine Absenkung von bisher 0 auf 40 Prozent. Dies entspricht zwar nicht unserer ur- prünglichen Forderung, war aber eine Notwendigkeit ur Gegenfinanzierung. Unter dem Strich werden durch iese Maßnahmen die Wagniskapitalgesellschaften steu- rlich in Höhe von 465 Millionen Euro entlastet! Keine Frage, die Förderung hätte für die Union weit- ehender sein können. Doch mit dem Wagniskapitalbe- eiligungsgesetz haben wir einen ersten, richtigen Schritt etan und notwendige Rahmenbedingungen und eine örderung geschaffen, dass junge, kapitalintensive ightech-Unternehmen mithilfe von Geldgebern nach- altig die Gewinnzone erreichen können. In einem wei- eren Schritt soll auch die Zukunft des breiten Mittel- 11964 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) stands mithilfe von Beteiligungskapital gewährleistet werden. Hierzu sollen die Regelungen des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungen flexibilisiert und an neue Entwicklungen angepasst werden. In einem letzten Schritt sollen im Rahmen eines Risikobegrenzungsgeset- zes die Rechte von Unternehmen im Umgang mit Finanzinvestoren gestärkt werden. Wir sind auf dem richtigen Weg. Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD): Die Konjunktur in Deutschland ist auf einem guten Weg, die Arbeitslosig- keit sinkt, und die Bedingungen für Unternehmen am hervorragenden Standort Deutschland sind auch dank unserer Unternehmensteuerreform attraktiv ausgestaltet worden. Aber auf diesem politischen Erfolg ruhen wir uns nicht aus, im Gegenteil. Ziel unserer umsichtigen Politik ist es, mit dafür zu sorgen, dass in Deutschland hochmo- tivierte junge Start-up-Unternehmen die Chance erhal- ten, ihr Know-how umzusetzen und weiterzuentwickeln. Hierzu müssen wir alle politischen Möglichkeiten nut- zen, den Standort Deutschland auch für geeignete Kapi- talgeber attraktiv zu gestalten. Gerade im Bereich der Wagniskapitalfinanzierung haben wir in den letzten Jah- ren einen Rückgang zu verzeichnen, welchen wir schon aus ökonomischer Sicht ins Gegenteil umkehren müs- sen. Denn gerade kleine und mittlere junge Unterneh- men benötigen Kapital. Wir wissen doch, welches enorme Leistungspotenzial und welches innovative Den- ken in den Köpfen unserer jungen Unternehmergenera- tion steckt, vor allem im IT- und Hochtechnologiebe- reich. Die Entwicklung einer Idee bis zur Marktreife kostet aber viel Geld und erfordert oft eine Menge Perso- nal. Die Bereitstellung von benötigtem Kapital stellt diese Unternehmen natürlich – wie überall in der Welt – häufig vor erhebliche Probleme, da finanzielle Eigenmit- tel und Sicherheiten fehlen. In diesem Zusammenhang ist natürlich auch die staat- liche Förderung solcher Unternehmen ein Schwerpunkt unserer Politik, aber letztendlich sind häufig nur private Kapitalgeber in der Lage, diesen Unternehmen die erfor- derlichen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Dies zu unterstützen und zu fördern, ist eben auch ein Kapitel unserer erfolgreichen und effektiven Finanzpoli- tik. Wir bringen heute in erster Lesung den Entwurf eines „Gesetzes zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen“ ein, der ein neues Wagniskapi- tal-Beteiligungsgesetz formuliert. Ziel ist eine gezielte Förderung von Kapitalbeteiligungen in junge und mittel- ständische Unternehmen, vor allem – wie bereits er- wähnt – in der IT- und Hochtechnologie-Branche. Hier- bei ist es uns außerordentlich wichtig, einen Kreis förderungswürdiger Unternehmen zu definieren, um Missbrauchs- und Mitnahmetatbestände zu vermeiden. So werden nur Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften gefördert, die ihre Mittel in nichtbörsenorientierte junge Unternehmen mit einem Alter von höchstens zehn Jahren und ein Eigenkapital von maximal 20 Millionen Euro in- vestieren. Darüber hinaus muss – damit sichergestellt w s b b V K e e d A t V ü t k A i E s v v z g B w W d V F f n g g e E A s m f A t s w u m n c w S B G (C (D ird, dass eine Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaft chwerpunktmäßig in förderungswürdige Wagniskapital- eteiligungen investiert – der Anteil der Wagniskapital- eteiligungen am Gesamtwert des von ihr verwalteten ermögens mindestens 70 Prozent betragen. Damit wir den größtmöglichen Schutz vor unseriösen apitalgebern, die nur die Rendite im Kopf haben und ventuell mit unlauteren Mitteln steuerliche Förderung rhalten wollen, gewährleisten, bedürfen die investieren- en Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften zudem der nerkennung der Bundesanstalt für Finanzdienstleis- ungsaufsicht (BaFin), die die im Gesetz formulierten oraussetzungen prüfen, anerkennen und vor allem berwachen soll. Da wir wissen, dass Wagniskapitalbe- eiligungsgesellschaften zudem manchmal mit nicht kal- ulierbaren Risiken behaftet sind, ist es auch unsere ufgabe, vor allem Kleinanleger zu schützen. Deshalb st vorgesehen, eine Mindesteinlage in Höhe von 50 000 uro einzuführen. Alles in allem schaffen wir mit dem vorliegenden Ge- etz zweierlei: Zum einen – wie gesagt – die Förderung on jungen aufstrebenden Unternehmen und die damit erbundene Schaffung von neuen Arbeitsplätzen. Und um anderen bieten wir attraktive steuerliche Förderun- en von Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften, zum eispiel bei entsprechenden Voraussetzungen die Ge- erbesteuerfreiheit. Mit diesem Gesetz, welches wir in den kommenden ochen noch intensiv beraten werden, schaffen wir es, en Standort Deutschland weiter attraktiv zu gestalten. on daher ist es richtig und notwendig, durch gezielte örderung die lokale Ansiedlung von Wagniskapital- onds zu unterstützen. Parallel zum vorliegenden Gesetz werden wir in den ächsten Wochen auch intensiv ein Risikobegrenzungs- esetz diskutieren, welches unerwünschten Entwicklun- en in Bereichen, in denen Finanzinvestoren tätig sind, ntgegenwirken wird. Aktuelle Signale aus den USA und ngland zeigen die Notwendigkeit solcher Überlegungen. uch werden damit Befürchtungen, Wagniskapitalgesell- chaften könnten – der Rendite zuliebe – junge Unterneh- en an den Meistbietenden „verhökern“, ausgeräumt. Letztendlich ist dies wiederum ein Beitrag unserer ef- ektiven und verbraucherfreundlichen finanzpolitischen rbeit. Nina Hauer (SPD): Insbesondere junge und innova- ive Unternehmen bringen unsere Wirtschaft voran. Sie ind es, die für zukunftsfähige Produkte, Wirtschafts- achstum und neue Arbeitsplätze sorgen. Daher darf es ns nicht gleichgültig sein, dass Unternehmensgründer it einer innovativen Geschäftsidee oftmals keine Fi- anzierung für deren Umsetzung finden. Mit öffentli- hen Geldern allein ist diesem Missstand nicht Herr zu erden. Wir müssen auch privates Kapital für diese tart-up-Unternehmen mobilisieren. Viele Hoffnungen ruhten in den letzten Jahren auf der eteiligungsbranche, den sogenannten Private-Equity- esellschaften, die Jahr um Jahr Rekordzuflüsse an Ka- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11965 (A) ) (B) ) pital verzeichneten. Doch dieses Kapital kam selten bei jungen Unternehmen an, sondern wurde von den Pri- vate-Equity-Gesellschaften fast ausschließlich in eta- blierte Unternehmen investiert. Die Zahlen sprechen für sich: Nur 6,5 Prozent der Private-Equity-Investitionen erfolgten im Jahr 2006 in Unternehmensgründungen, und das trotz der erfreulich guten Wirtschaftskonjunktur. Meine Fraktion begrüßt daher den Schritt des Bun- desfinanzministers im vorliegenden Entwurf eines Wag- niskapitalbeteiligungsgesetzes den Kapitalzufluss an junge und innovative Unternehmen zu fördern. Es ist auch gerechtfertigt, dass das Gesetz nicht Unterneh- mensbeteiligungen generell fördert, sondern sich auf diejenigen Unternehmen beschränkt, für die der Markt alleine nicht ausreichend Kapital zur Verfügung stellen will. Der vorliegende Gesetzesentwurf fördert Wagnis- kapital und nicht Private-Equity-Investitionen generell – und das ist gut so. Nur wenn es das Kerngeschäft einer Private-Equity- Gesellschaft ist, jungen Unternehmen Wagniskapital be- reitzustellen, kann sie künftig von einer transparenten Besteuerung, einer vereinfachten Mantelkaufregelung und der Möglichkeit zu Verlustvorträgen profitieren. Eine generelle Förderung von Private-Equity wäre nicht vertretbar. Steuervorteile für die Branche würden zulas- ten des allgemeinen Steueraufkommens gehen und müssten daher durch einen volkswirtschaftlichen Nutzen gerechtfertigt sein. Dieser ist für mich nicht erkennbar. Wir werden mit gezielten Regelungen in diesem Ge- setz dafür sorgen, dass Unternehmensgründer, die mit Mut und Innovationsbereitschaft Risiken eingehen, auf gute Rahmenbedingungen und einige Erleichterungen auf ihrer Wegstrecke treffen. Wir setzen Anreize für Pri- vate-Equity-Gesellschaften, sich dem Bereich des Wag- niskapitals zu widmen, indem wir die Tätigkeit solcher Gesellschaften als vermögensverwaltend einstufen und damit ihre Einkünfte gewerbesteuerfrei gestalten. Ver- lustvorträge bleiben im Umfang der in der Zielgesell- schaft vorhandenen stillen Reserven erhalten, auch wenn die Anteile von der Gesellschaft an einen Dritten weiter- veräußert werden. Auch die sogenannten Business An- gels wollen wir in ihrem Engagement für junge Unter- nehmen unterstützen. Ihr Freibetrag wird von 9 060 Euro auf 20 000 Euro erhöht. Die Kosten für diese Fördermaßnahmen halten wir mit der geplanten Gegenfinanzierung in Grenzen. Wir schränken die Steuervorteile des Carried Interest, also der Beteiligung der Managementgesellschaft am Gewinn eines Private-Equity-Fonds, ein. Der steuerfreie Anteil dieses Carried Interest wird von 50 auf 40 Prozent der Vergütungen abgesenkt. Neben der gezielten Wagniskapitalförderung wird durch den Gesetzentwurf die Mittelstandsfinanzierung vereinfacht. Rechtsformabhängige Beschränkungen für die Kapitalanlage entfallen, und Entwicklungen bei ei- genkapitalähnlichen Finanzierungsformen werden be- rücksichtigt. In Zukunft ist es auch zulässig, sich an Of- fenen Handelsgesellschaften, Gesellschaften des bürgerlichen Rechts sowie an Gesellschaften vergleich- barer ausländischer Rechtsformen zu beteiligen. a n s N p d c F K F s D ü z r d v e K g c e f g n z E t R F z b e d S K l s w m n v K z g t d m s E s f S (C (D Gute und wegweisende Geschäftsideen dürfen nicht n fehlender Finanzierung scheitern. Den Gesetzentwurf ehmen wir daher positiv entgegen; wir werden ihn orgfältig und intensiv beraten. Der volkswirtschaftliche utzen, insbesondere die Entstehung neuer Arbeits- lätze, rechtfertigt auch steuerliche Sonderregelungen, ie im Rahmen bleiben. Frank Schäffler (FDP): „Die Private-Equity-Bran- he übernimmt damit eine wichtige volkswirtschaftliche unktion bei der Vermittlung von Kapitalangebot und apitalnachfrage. Nach einer Untersuchung der riedrich-Ebert-Stiftung legen Finanzinvestoren inzwi- chen mehr als 30 Milliarden Euro in Deutschland an. ie mit diesem Geld finanzierten Unternehmen bieten ber 800 000 Arbeitsplätze und tragen mit rund 7 Pro- ent zum Bruttoinlandsprodukt bei.“ Diese vollkommen ichtige Einschätzung stammt aus der Antwort der Bun- esregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion om November letzten Jahres. Der uns nun vorliegende Gesetzentwurf ist dagegen in Dokument des Scheiterns. Die Koalition hatte im oalitionsvertrag vereinbart, das Unternehmensbeteili- ungsgesetz in ein Private-Equity-Gesetz fortzuentwi- keln. Doch dazu ist sie nicht in der Lage. Das ist bedau- rlich, denn privates Beteiligungskapital ist gerade auch ür den deutschen Mittelstand wichtig. Die Zahlen bele- en dies: Mehr als drei Viertel der finanzierten Unter- ehmen haben weniger als 100 Beschäftigte, und 72 Pro- ent haben einen Umsatz von weniger als 10 Millionen uro. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf geht die Koali- ion in die falsche Richtung. Sie schreibt die bestehende echtsunsicherheit für einen Großteil der Branche fort. ür den Bereich des Wagniskapitals sieht sie – unter ahlreichen Voraussetzungen – Verbesserungen vor. Sie egründet die Beschränkung mit sonst drohenden Steu- rausfällen, doch tatsächlich droht uns jetzt die Abwan- erung zahlreicher Unternehmen, die dann erst recht zu teuerausfällen führt. Doch auch das gibt es bei der oalition nicht, ohne dass gleich die bittere Pille mitge- iefert wird. Die Eckpunkte eines Risikobegrenzungsge- etzes hat sie gleich mitbeschlossen. Und da sie den Ent- urf dafür noch nicht fertiggestellt hat, diskutiert sie unter weiter, welche staatlichen Markteingriffe sie och vornehmen kann. Gerade diese Woche wurde noch orgeschlagen, die Erschwerung des Verkaufs fauler redite zum Gegenstand des Risikobegrenzungsgesetzes u machen. Das Risikobegrenzungsgesetz ist – wie die esamte Politik der Koalition – durchdrungen von einem iefen Misstrauen gegenüber Investoren und gegenüber em Markt an sich. Was wir brauchen, sind aber nicht ehr staatliche Eingriffe, sondern mehr Marktwirt- chaft. Die Koalition stellt sich eine Büste von Ludwig rhard ins Wirtschaftsministerium, aber in der prakti- chen Politik ist sie ganz weit von ihm entfernt. Liebe Kollegen der Koalition, ich kann Sie nur auf- ordern: Lassen Sie das Risikobegrenzungsgesetz in der chublade und legen Sie den vorliegenden MoRaKG- 11966 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) Entwurf gleich mit dazu. Lesen Sie noch einmal Ihren Koalitionsvertrag und fangen Sie dann ganz neu an. Was wir für unseren Finanzplatz brauchen, ist ein echtes Private-Equity-Gesetz. Dabei geht es auch ganz konkret um die Interessen des deutschen Mittelstandes. Die Unternehmensnachfolge wird in unserem Land zu einem wachsenden Problem. Nach einer Studie der Deutschen Bank sind 70 000 Familienunternehmen mit fast 700 000 Beschäftigten von einer anstehenden Über- gabe betroffen. Nicht einmal jedes zweite Unternehmen wird familienintern übergeben. Davon sind nicht nur die Unternehmen selbst betroffen, sondern die ungelösten Nachfolgeschwierigkeiten gefährden auch zahlreiche Arbeitsplätze. Hier kann die Private-Equity-Branche mit ihrem Kapital und ihrem Know-how helfen. Wir müssen die Chancen von Private Equity sehen und nutzen, ge- rade im Interesse des deutschen Mittelstandes. Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Mit dem Entwurf ei- nes Gesetzes zur Modernisierung der Rahmenbedingun- gen für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG) hat die Bundes- regierung neben der erst kürzlich verabschiedeten Unternehmensteuerreform 2008 ein weiteres Projekt nach dem Motto „Wer da hat, dem wird gegeben“ in An- griff genommen. Begünstigte dieses Vorhabens werden große Teile der Private-Equity-Branche und ihre Manager sowie die Fondsanleger sein. Dabei geht es konkret um die folgen- den Punkte: Erstens um die gewerbesteuerliche Behand- lung der Fondsgesellschaften selbst, die im Juristen- deutsch als Beteiligungsgesellschaften bezeichnet werden. Zweitens geht es um die einkommensteuerliche Behandlung der Gewinnbeteiligung von Fondsmanagern. Drittens gibt die Begründung des Gesetzentwurfes vor, sogenannte Business Angel, also erfahrene Unternehmer- persönlichkeiten …, die sich mit Kapital und Know-how unmittelbar in junge Unternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft einbringen, steuerlich fördern zu wol- len. Lassen Sie mich auf einige Aspekte der ersten beiden Punkte eingehen: Sie wollen eine besondere Unterform des Private-Equity-Fonds schaffen, nämlich die Wagnis- kapitalbeteiligungsgesellschaft. Fonds, die deren Krite- rien entsprechen, sollen künftig generell von der Gewer- besteuer befreit werden, indem sie pauschal als vermögensverwaltend eingestuft werden können. Da mit Wagniskapital jenes Kapital bezeichnet wird, das in junge und technologieorientierte Unternehmen investiert wird, erweckt das Finanzministerium den Eindruck, dass Steuerprivilegien hier am Besten zu rechtfertigen sind, da die jeweiligen Zielunternehmen nach der ursprüngli- chen Planung nicht mehr als 500 000 Euro an Eigenkapi- tal hätten haben dürfen. Maßgeblich auf Druck der CDU wurde diese Grenze aber zwischenzeitlich um das 40-fa- che auf 20 Millionen Euro erhöht. Der IG Metall geht das zu weit, sie schreibt, dass da- mit auch sehr große mittelständische oder sogar Großun- ternehmen gefördert würden. Von den 3,5 Millionen deutschen KMU-Unternehmen im KfW-Mittelstandspa- nel – KMU: Unternehmen mit einem Jahresumsatz unter 5 g h f r h w B H g n G „ F F g R w s k L O l t 4 g G E g e s l u n D d r s u r t r k h 4 L g p i h n d h U G (C (D 00 Millionen Euro – verfüge kein einziges über ein Ei- enkapital von 20 Millionen Euro. Dem habe ich nichts inzuzufügen. Ihre Steuerpläne sind ein Steuergeschenk ür Private-Equity-Fonds und keine zielgenaue Förde- ung von innovativen Betrieben. Lassen Sie mich zum zweiten Punkt kommen, die er- öhte Gewinnbeteiligung von Managern vermögensver- altender Fonds. Diese ist auf Betreiben von SPD, ündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU seit 2004 zur älfte steuerfrei. Damit diese Privilegierung der Privile- ien nicht allzu offensichtlich ins Auge springt, bezeich- en die Protagonisten dieser Steuerbefreiung die erhöhte ewinnbeteiligung gerne mit dem englischen Begriff carried interest“. Darunter ist die Beteiligung von ondsmanagern, die selbst Anteile am verwalteten onds halten, am erzielten Gewinn dieses Fondsvermö- ens zu verstehen. Diese Gewinnbeteiligung von in der egel circa 20 Prozent kommt erst dann zur Auszahlung, enn die Gesellschafter ihr eingezahltes Kapital voll- tändig zurückerhalten haben. Hier sagt Die Linke ganz lar: Dieses Steuerprivileg passt nicht in die heutige andschaft, wo von immer mehr Menschen steuerliche pfer verlangt werden. Dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zufolge sol- en die Steuermindereinnahmen, mit denen bei Inkraft- reten des MoRaKG zu rechnen ist, den Betrag von 65 Millionen Euro jährlich nicht übersteigen. Laut An- aben der Bundesregierung kommen allein auf die emeinden Mindereinnahmen aus Gewerbesteuer und inkommensteuer in den Jahren 2009 bis 2012 von ins- esamt 520 Millionen Euro zu. Nur 2008 kommt es zu iner Erhöhung bei den Anteilen aus der Einkommen- teuer von 2 Millionen. Auch in Anbetracht der aktuel- en Finanzsituation der meisten Kommunen ist das für ns nicht hinnehmbar. Die Bundestagsfraktion Die Linke, hat mit einer Klei- en Anfrage diese Berechnung und die entsprechende atengrundlage hinterfragt. Dabei stellte sich heraus, ass die Bundesregierung weder über Informationen da- über verfügt, in welchem Umfang die bereits heute be- tehenden Steuerprivilegien der Private-Equity-Branche nd ihrer Manager das Staatssäckel belasten, noch da- über, mit welchen Ausfällen bei den einzelnen geplan- en Maßnahmen in Zukunft zu rechnen ist. Auch existie- en keinerlei Schätzungen darüber, wie viele Fonds ünftig versuchen werden, den Kriterien der Steuerfrei- eit zu entsprechen. Damit können die verlautbarten 65 Millionen Euro Steuermindereinnahmen getrost als uftnummer qualifiziert werden. Das ist weder eine ziel- enaue Wirtschaftspolitik, noch eine seriöse Haushalts- olitik. Dazu sagt Die Linke klar Nein. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es st erfreulich, dass nach monatelangem Koalitionshick- ack zwischen Bundeswirtschaftsminister und Bundesfi- anzminister jetzt endlich ein Gesetzentwurf vorliegt, er zumindest das Ziel hat, Wagniskapital besser zu be- andeln. Das ist auch bitter notwendig. Denn mit der nternehmensteuerreform hat die Große Koalition das egenteil getan: Die Bedingungen für Investitionen und Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11967 (A) ) (B) ) Innovationen hier am Standort wurden systematisch ver- schlechtert: schlechtere Abschreibungsbedingungen, Diskriminierung von Eigenkapitalinvestitionen, be- schleunigter Wegfall von Verlustvorträgen und eine hochkomplexe Besteuerung von Funktionsverlagerun- gen. Es werden genau diejenigen bestraft, die aktiv in- vestieren und Risiken übernehmen. Investitionen mit re- lativ risikoarmen Fremdkapital wurden dagegen steuerlich begünstigt. Verkehrte Welt sollte man denken! Denn Innovationen sind die Triebfedern für nachhaltiges Wachstum und damit für Wertschöpfung und zukunftsfä- hige Arbeitsplätze. Unser Standort braucht mehr Unternehmen, die hier- zulande forschen und in die Entwicklung und Vermark- tung ihrer Produkte investieren. Wir Grünen hatten die Regierung deshalb schon im März aufgefordert, die In- novationsfähigkeit des Standortes zu stärken und Wag- niskapital zu fördern. Die von der Regierung jetzt vorge- legten Vorschläge bleiben weit hinter ihrem Anspruch zurück. Damit die Geldströme privater Investoren in Hochtechnologiegründungen und in junge innovative Unternehmen gelenkt werden, muss der Gesetzentwurf der Bundesregierung deshalb noch deutlich nachgebes- sert werden! Als Allererstes stechen die willkürlich gewählten För- derkriterien ins Auge. Warum ist ein Unternehmen inno- vativ und damit förderwürdig, nur weil es unter zehn Jahre alt ist und weniger als 20 Millionen Euro Eigenka- pital besitzt? Das sind keine zielgenauen Kriterien für Innovationsfähigkeit! Die Förderung muss an der tat- sächlichen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an- knüpfen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, schauen Sie in unseren grünen Antrag, da finden Sie das beste Rezept dafür, sich näm- lich an den direkten Ausgaben für Forschung und Ent- wicklung relativ zum Umsatz zu orientieren. Das ist ziel- orientiert und damit viel erfolgversprechender als die starre Abgrenzung im Gesetzentwurf der Bundesregie- rung. Äußerst merkwürdig ist es aber auch, wenn diese Bundesregierung schon wieder ein Gesetz vorlegt, ohne dass sie überhaupt weiß, welche finanziellen Auswir- kungen verschiedene Maßnahmen haben könnten. Ex- emplarisch dafür, wie dass BMF im Nebel stochert, ist das Zahlenwirrwarr um die transparente Besteuerung. Einmal schreibt Peer Steinbrück an die TU-München, dass die transparente Besteuerung aller Private-Equity- Fonds zu gigantischen Steuerausfällen von 15 bis 20 Mil- liarden Euro führen würde. Dann behauptet die Parla- mentarische Staatssekretärin Barbara Hendricks auf meine Nachfrage hin, dass es „nur“ 12,5 Milliarden Euro kosten würde. Ein doch erheblicher Unterschied von sage und schreibe 7,5 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Nach Regierungsangaben kostet die ganze Unterneh- mensteuerreform mit angeblich nur 5 Millionen Euro ja schon deutlich weniger. Es ist schon skandalös, mit wel- chen Zahlen hier durch die Gegend geworfen wird. Und schließlich fehlen im Gesetzentwurf der Bundes- regierung auch noch einige ganz wichtige Maßnahmen, um den Standort Deutschland als Innovationsstandort w d t m f J v t s w ß c a g w g v s k m d B n t S e K m o A r w M D f d c E (C (D irklich attraktiv zu machen. Auch hier empfehle ich er Koalition die intensive Lektüre unseres grünen An- rags! Wir Grünen fordern: Die Mindestbesteuerung darf für it Wagniskapital finanzierte Unternehmen nicht grei- en! Gerade im Hochtechnologiebereich muss viele ahre verlustreich investiert werden, bevor ein innovati- es Unternehmen Gewinne macht. Verluste dieser Un- ernehmen sollen deshalb zeitlich und in der Höhe unbe- chränkt vorgetragen und mit Gewinnen verrechnet erden können. Auch die Mantelkaufregelung der Gro- en Koalition ist hier viel zu eng gefasst. Fünf Jahre rei- hen zum Beispiel in der Biotechnologie längst nicht us, um Anfangsverluste auszugleichen. Wir Grünen fordern außerdem: Die Nachteile der Ab- eltungsteuer für Wagniskapitalgeber müssen beseitigt erden! Die von der Großen Koalition beschlossene Ab- eltungsteuer benachteiligt eigenkapitalfinanzierte In- estitionen. Kreditzinsen werden nur mit 25 Prozent be- teuert; Dividenden und Veräußerungsgewinne tragen ünftig eine Steuerlast von fast 50 Prozent. Diese Diskri- inierung eigenkapitalfinanzierter Investitionen wird ie inländischen Wagnisfinanzierungsquellen, wie zum eispiel Investitionen von Business-Angels, austrock- en. Dividenden und private Veräußerungsgewinne dürf- en deshalb nach unserer Auffassung nur mit dem halben teuersatz der Abgeltungsteuer belegt werden. Wir brauchen international wettbewerbsfähige Steu- rn für Wagniskapitalgeber. Ich rate deshalb der Großen oalition: Gehen Sie noch einmal in sich und überneh- en Sie unsere Vorschläge, damit der Innovationsstand- rt Deutschland den Anschluss behalten kann. nlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Rücknahme der Ermächtigung zur Strafver- folgung von Journalisten wegen Verstoßes gegen Geheimhaltungsvorschriften gemäß § 353 b des Strafgesetzbuches – Ermächtigung zur Strafverfolgung von Journalisten gemäß § 353 b Abs. 4 StGB im Zusammenhang mit dem 1. Untersuchungs- ausschuss der 16. Wahlperiode zurückneh- men (Tagesordnungspunkt 17 a und b) Wolfgang Nešković (DIE LINKE): Eine funktionie- ende freiheitlich-demokratische Gesellschaft erkennen ir nicht daran, dass es innerhalb der Exekutive nie issstände gäbe und Rechtsbrüche niemals vorkämen. as anzunehmen, wäre naiv. Sondern wir erkennen eine unktionierende freiheitlich-demokratische Gesellschaft aran, dass wir von diesen Missständen und Rechtsbrü- hen wenigstens hinterher in der Zeitung lesen können. s ist also die Transparenz der Politik für eine demokra- 11968 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) tische Öffentlichkeit, die ganz wesentlich zum Funktio- nieren der Demokratie als solche beiträgt. Es ist die verfassungsrechtliche Funktion der Vierten Gewalt, für diese Transparenz zu sorgen. Wer sie dabei stören oder verängstigen möchte, hat entweder die De- mokratie nicht begriffen oder ist schlicht kein Demokrat. Als der Präsident des Deutschen Bundestages – gegen die Stimmen meiner Fraktion und die der Grünen – seine Ermächtigung für die Strafverfolgung wegen der Verlet- zung von Dienstgeheimnissen erteilte, missachtete er die Funktion der Vierten Gewalt. Er missachtete zugleich die ihm obliegenden Pflichten. Als Bundestagspräsident ist Herr Lammert zur Neutralität verpflichtet und darf sich deshalb nicht – einseitig – in den Dienst der Regie- rungsfraktionen stellen. Da die Ermächtigung zur Strafverfolgung keine Ver- pflichtung darstellt, sondern in seinem freien Ermessen steht, musste er als Präsident des gesamten Bundestages auch die politische Haltung der Opposition in seine Er- messensentscheidung mit einbeziehen. Alle drei Opposi- tionsfraktionen hatten sich gegen eine Strafverfolgung von Journalisten ausgesprochen. Dies hat Herr Lammert pflichtwidrig unberücksichtigt gelassen und damit ein- seitig die politischen Interessen der ihm verbundenen Regierungsfraktionen wahrgenommen. Außerdem hat er in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau am 1. September erklärt, dass er von den Einstellungen der von ihm ermöglichten staatsanwaltschaftlichen Ermitt- lungen nicht überrascht gewesen wäre. Damit hat Herr Lammert sehenden Auges die ohnehin knappen staats- anwaltschaftlichen Arbeitsressourcen für die parteipoli- tischen Zwecke der Regierungsfraktionen missbraucht – weil er schon zu Beginn wusste, dass am Ende der Er- mittlungen die Verfahren eingestellt werden würden. Dazu kommt, dass nicht die geringsten Anhaltspunkte für einen Geheimnisverrat durch Abgeordnete vorlagen. Herr Lammert hätte vielmehr berücksichtigen müssen, dass mehr als einhundert Personen zu den fraglichen In- formationen Zugang hatten. Und es gab für ihn einen ganz einfachen Weg, herauszufinden, wo unter diesen einhundert Personen das fragliche Leck sich vermutlich befindet und wo mit Sicherheit nicht. Dazu hätte der Bundestagspräsident nur seinen Fraktionskollegen Siegfried Kauder ernst nehmen müssen. Dieser hatte nämlich in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Un- tersuchungsausschusses laut Spiegel-online vom 3. Au- gust öffentlich erklärt: Man konnte über eingestufte Akten in der Presse mehr lesen, als wir im Ausschuss vorliegen hatten. Richtig verstanden bedeutet diese Aussage: Die Presse hatte mehr Informationen als die Ausschussmit- glieder – folglich kommen die Abgeordneten als Täter nicht in Betracht. Das hätte für den Bundestagspräsiden- ten bedeutet, keine Ermächtigung auszusprechen. Er hat es dennoch getan und damit seine Fürsorgepflicht gegen- über dem Abgeordneten verletzt. Als Herr Lammert sich demnach entschloss, die Fak- ten außer Acht zu lassen, seine Pflichten zu ignorieren und trotz der eigenen negativen Erwartung im Hinblick a e d c S w ti d h s g n S G m g d t A d g g h S g S B w s e f B h S L s U – g d t h 2 w c e s z I a K (C (D uf den Ausgang der Ermittlungen die Ermächtigung zu rteilen, hätte er diese wenigstens auf die Abgeordneten es Bundestages begrenzen müssen. Denn es ist eine Sa- he, wenn ein Präsident die eigenen Schützlinge im tich lässt, und es ist eine andere, noch ärgere Sache, enn er dabei zusätzlich noch Dritte hineinzieht. In den vorliegenden Anträgen der anderen Opposi- onsparteien auf Teilrücknahme der Ermächtigung – was ie Presse angeht – sieht meine Fraktion insoweit einen alben Ausweg aus dem ganzen Irrweg. Hälftig ist die- er Ausweg, weil der Antrag nur die konkrete Ermächti- ung des Präsidenten im aktuellen Fall betrifft. Wir mei- en, dass grundsätzlich sichergestellt werden muss, dass trafverfolgungen wegen Anstiftung oder Beihilfe zum eheimnisverrat unterbleiben, wenn es um die Wahrneh- ung der in Art. 5 Grundgesetz geschützten Befugnisse eht. Dazu haben wir einen Gesetzentwurf eingebracht, er zweifelsfrei die Straffreiheit von Journalisten sichert. Wir werden heute den Anträgen der anderen Opposi- ionsparteien deshalb zustimmen, weil auch ein halber usweg immerhin in die richtige Richtung führt. Wenn Sie heute – anders als meine Fraktion – gegen ie Anträge der Grünen und der FDP stimmen, dann zei- en Sie damit, dass sie an der rechtlich möglichen Be- renzung der Ermächtigung ausschließlich auf die Ge- eimnisträger gar nicht interessiert sind. Dann zeigen ie, dass Sie – entgegen allen öffentlichen Beteuerungen – erade die Strafverfolgung von Journalisten anstreben. ie stimmen damit zugleich für eine Verunsicherung und edrängung der vierten Gewalt, auf deren Selbstbe- usstsein und Entschlossenheit die demokratische Ge- ellschaft jedoch angewiesen ist. Gert Winkelmeier (fraktionslos): Eigentlich ist es rschreckend, dass wir Abgeordnete hier für die Presse- reiheit streiten müssen und dabei eigene Kollegen des undestages gegen uns haben. Fakt ist, dass der rang- öchste Parlamentarier selbst die Ermächtigung zur trafverfolgung auch gegen Journalisten erteilte. Es macht also nicht den Anschein, als hätte Herr ammert aus dem Cicero-Urteil gelernt. Zumindest cheinen Teile der Regierungsfraktionen nichts aus dem rteil des Bundesverfassungsgerichts gelernt zu haben. Wir, als Parlamentarier, müssen der Öffentlichkeit und insbesondere den Journalistinnen und Journalisten – laubhaft deutlich machen, dass wir die Entscheidung es obersten deutschen Gerichts ernst nehmen. Ansons- en machen wir uns an einem Angriff auf die Pressefrei- eit mitschuldig. Ich erinnere daran, dass Deutschland schon im Jahr 006 im Ranking der Reporter ohne Grenzen in der Be- ertung der Pressefreiheit auf einen – wenig ruhmrei- hen – 23. Rang zurückgefallen ist. So etwas darf sich ine Demokratie nicht leisten. Im vorliegenden Fall lässt ich die Tatsache der Strafverfolgung gegen Journalisten war noch relativ leicht korrigieren. Der langfristige mageschaden für unsere demokratische Verfasstheit ber kann nur abgewendet werden, wenn die Politik das orrektiv der Presse weiterhin als hohes Gut pflegt. Herr Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11969 (A) ) (B) ) Bundestagspräsident, nehmen Sie die Ermächtigung zur Strafverfolgung zurück, sofern sie Journalisten betrifft! Aber Sie haben ja bereits gesagt, dass Sie eine solche Ermächtigung immer wieder erteilen würden. Von Ein- sicht in einen Fehler zeugt dies nicht. An anderer Stelle haben Sie dagegen durchaus Weit- sicht bewiesen, wenn Sie fordern, dass die Einstufung von Dokumenten als „geheim“ sorgsamer gehandhabt wird. Sie wünschen sich „auch gelegentlich mehr Selbst- bewusstsein des Parlaments“. Das sollten Sie aber vor allem Ihren Kolleginnen und Kollegen in den Regie- rungsfraktionen ins Stammbuch schreiben, die oft genug in strammer Koalitionsdisziplin brav der Regierung hin- terherlaufen. Die Geheimniskrämerei der Bundesregierung gegen- über den Parlamentariern geht eindeutig zu weit. Hier muss sich etwas grundlegend ändern, wenn man sich nicht der Lächerlichkeit preisgeben will. Wenn es nicht so ein ernstes Thema wäre – „die Transparenz der De- mokratie und der Politik“ –, müsste man glauben, Sie führten eine Posse auf: Zeitungsartikel, die der ganzen Republik zugängig waren, werden als „geheim“ einge- stuft. Entweder gibt sich da jemand gar keine oder aber entschieden zu viel Mühe. Es darf auf keinen Fall so weitergehen. Das Ganze hätte zudem einen angenehmen Nebenef- fekt: Würden künftig nur noch vereinzelt Dokumente als „geheim“ eingestuft, müsste man auch deutlich weniger Angst vor einem „Geheimnisverrat“ haben. Dann wäre es wohl auch nicht mehr vonnöten, Ermittlungen gegen Journalisten anzustrengen, die selbst ja keine Geheim- nisträger sind und eigentlich nur ihrer Arbeit nachgehen. Im Sinne der Pressefreiheit wäre dies eine begrüßens- werte Entwicklung. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Kreuzfahrttouris- mus und Fährtourismus in Deutschland voran- bringen (Tagesordnungspunkt 18) Jürgen Klimke (CDU/CSU): Stellen Sie sich ein Hotel am Meer vor, mit Meerblick auf beiden Seiten, mit allem Komfort, mit Pools, Salons, Geschäften – und das Beste: Das Hotel setzt sich in Bewegung und bringt Sie zu den schönsten Orten der Welt, die Sie auf Ausflügen verlassen können, ohne ihre Koffer ein- und auspacken zu müssen. Das alles bietet eine Kreuzfahrt. Es liegt auf der Hand, dass eine Schiffsreise als Inbegriff des kom- fortablen und luxuriösen Reisens gilt. Kreuzfahrten hatten eigentlich nur einen Nachteil: Für die meisten Menschen waren diese Reisen uner- schwinglich. Doch das hat sich inzwischen grundlegend geändert. Mehr als 705 000 Deutsche unternahmen im vergangenen Jahr eine Kreuzfahrt, ein Plus von mehr als 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dieser Trend hält nun schon seit vielen Jahren an, so hat sich der mit H b g K R l r I b b s f d d I d L v h p d d n D t d W L a m d r w m d t d w B N D Z „ e n O h n t S m z d U p h B g (C (D ochseekreuzfahrten erzielte Umsatz in den letzten sie- en Jahren mehr als verdoppelt und ereichte im vergan- enen Jahr bereits 1,36 Milliarden Euro. Damit ist reuzfahrttourismus ein wichtiger Tourismusbereich für eisebüros, Reiseveranstalter, Reedereien – aber natür- ich auch für deutsche Werften und Schiffszulieferer. Ge- ade in Norddeutschland werden durch den Bau und die nstandsetzung von Kreuzfahrtschiffen tausende Ar- eitsplätze gesichert. Allein die Meyer-Werft in Papen- urg sichert 2 400 Arbeitsplätze und bildet 270 Men- chen aus. Bis 2012 sind allein zehn Schiffsübergaben ür Kreuzfahrtschiffe von 250 bis 330 Meter Länge urch die Werft vorgesehen. 1 800 Zulieferfirmen und amit etwa 10 000 externe Arbeitskräfte sorgen für den nnenausbau der Kreuzfahrtschiffe. Schiffszulieferer fin- en sich dabei nicht nur im Norden, sondern im ganzen and, so dass auch Regionen im Süden Deutschlands om Kreuzfahrtboom profitieren. Über die Arbeitsplätze in Werften und bei Zulieferern inaus sichert der Kreuzfahrttourismus auch Arbeits- lätze in Restaurants, bei Dienstleistern, im Einzelhan- el sowie bei Busunternehmen, die die Passagiere von en Terminals zu den Sehenswürdigkeiten ins Landesin- ere bringen. Maßgeblich für diese Entwicklung ist, dass eutschland sich auch mit seinen Häfen und dem attrak- iven Hinterland zu einer immer beliebteren Kreuzfahrt- estination entwickelt. Die Kreuzfahrtterminals in arnemünde, Bremerhaven, Cuxhaven, Kiel, Saßnitz, übeck und Hamburg werden von immer mehr Schiffen ngelaufen. Damit tragen sie zum Wachstum des Touris- us in Norddeutschland bei und sorgen zudem dafür, ass Tagesbesucher von Schiffen als Übernachtungstou- isten wiederkommen. Gründe für diese positive Ent- icklung sind nicht nur in der Attraktivität des Touris- usstandorts Deutschland zu suchen, sondern auch arin, dass Nordsee und vor allem Ostsee sich zu attrak- iven Destinationen für Seereisen entwickelt haben, wie ie Passagierzahlen eindrucksvoll belegen. Diese Ent- icklung wollen wir dadurch fortschreiben, dass die undesregierung gemeinsam mit den Regierungen der ordsee- und Ostseeanrainer Maßnahmen trifft, um die estinationen Nordsee und Ostsee weiter zu stärken. iel sollte jeweils eine Dachmarke sein, zum Beispiel Baltic Sea“ für den Ostseeraum. Denn nur durch eine ngere internationale Kooperation beim Marketing kön- en die Schönheiten und die touristischen Angebote der stsee- und Nordseeregion in Südeuropa sowie außer- alb Europas bekannt gemacht werden. Ich freue mich, dass die Erfordernisse eines professio- ellen Marketings inzwischen auch bei den Terminalbe- reibern erkannt wurden: So haben sich die deutschen eehäfen entschlossen, auf der weltgrößten Kreuzfahrt- esse der Welt, der Seatrade in Miami, gemeinsam auf- utreten und ihre Kräfte zu bündeln. Damit ist eine For- erung erfüllt worden, die wir als Tourismuspolitiker der nion schon vor längerer Zeit aufgestellt hatten. Diese ositive Entwicklung wollen wir weiter forcieren und ierfür leistet der vorliegende Antrag einen sehr guten eitrag: Wir setzen uns dafür ein, dass die land- und seeseiti- en Zufahrten zu den deutschen Häfen auch unter touris- 11970 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) tischen Belangen weiter ausgebaut werden. Auf der Landseite treten wir vor allem für bessere Bahnanbin- dungen der Kreuzfahrtterminals ein. Es ist nicht zufrie- denstellend, wenn Kreuzfahrtterminal und Bahnhof an verschiedenen Enden der Stadt liegen, wenn Bahnhöfe in der Nähe von Terminals nur über veraltete Infrastruk- tur verfügen und an den Fahrkartenautomaten der Bahn garantiert kein Ausländer ohne Hilfe eine Fahrkarte er- werben kann. Ebenfalls erforderlich sind weitere Marketingaktivitä- ten für den Kreuzfahrtstandort Deutschland durch die Deutsche Zentrale für Tourismus. Wir sehen es weiterhin als nicht zielführend an, dass derzeit nur ein Kreuzfahrtschiff unter deutscher Flagge fährt. Wenn demnächst fast eine Million Deutsche auf Hochseekreuzfahrt gehen, dann wollen sie das auch auf deutschen Schiffen tun. Dazu müssen die Bedingungen aber stimmen. Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf, Gespräche mit Reedereien und Veranstaltern da- rüber zu führen, wie mehr Kreuzfahrtschiffe unter deut- sche Flagge gebracht werden können. Weitere Forderungen betreffen den Sicherheitskodex ISPS, wo es durch unterschiedliche Handhabung zu Wettbewerbsverzerrungen kommt. Wir treten hier für Harmonisierungen auf EU-Ebene ein. Ähnliches gilt auch für Umsatzsteuern für Lieferungen an Bord, die derzeit nur anfallen, wenn die Kreuzfahrt in bestimmten Ländern startet. So ist zum Beispiel Deutschland gegen- über Großbritannien oder Dänemark benachteiligt, weil bei einer dort begonnenen Kreuzfahrt keine Steuern für Lieferungen an Bord zu zahlen sind. Wenn man den Kreuzfahrttourismus betrachtet, rich- tet sich der Fokus vor allem meist auf Hochseekreuz- fahrten. Dabei wird vergessen, dass auch Flusskreuz- fahrten immer beliebter werden. Mit einem erzielten Umsatz von 365 Millionen Euro und einer Passagierzahl von etwa 310 000 trägt die Wachstumsbranche Fluss- kreuzfahrten erheblich zum positiven Ergebnis der Kreuzfahrtbranche bei. Auch hier sind deutsche Werften und Zulieferer durch den Bau von Schiffen am Wachs- tum beteiligt. Auch deutsche Flüsse und Wasserstraßen, wie Donau, Rhein, Mosel, Elbe, Havel, Oder, Main und Weser und die sie verbindenden Kanäle sind beliebte Destinationen für Flusskreuzfahrten. Flusskreuzfahrten sind – anders als Hochseekreuz- fahrten – abhängig von der ganzjährigen durchgängigen Befahrbarkeit von Wasserstraßen. Hier hat es insbeson- dere an der Elbe in den vergangenen Jahren Probleme durch Niedrigwasser gegeben, so dass die Potenziale dieses attraktiven Wasserweges noch bei weitem nicht ausgeschöpft sind. Deshalb halten wir es für notwendig, dass bei der baulichen Gestaltung der Binnenwasserstra- ßen auch deren touristische Bedeutung für Flusskreuz- fahrten sowie für Wassertourismus insgesamt berück- sichtigt wird. Auch einheitliche Standards bei der Informationspolitik über nautische Besonderheiten könnten dazu beitragen, Flusskreuzfahrten noch weiter zu erleichtern. r n m f L u d F t d w F n m d d r t e H F c s d d W W l t t f P a A v z W E m v s w s 2 W T g s g a w M (C (D Wichtig ist auch, dass die grenzübergreifende Befah- ung der mit Deutschland über Flusssysteme verbunde- en Staaten erleichtert wird, damit die Potenziale opti- al genutzt werden können. Das kann durch den Einsatz ür die Instandhaltung der Binnenwasserstraßen anderer änder ebenso geschehen wie durch erleichterte Zoll- nd Visabestimmngen, die gerade den Schiffsverkehr an er Donau erleichtern würden. Lassen Sie mich am Ende noch auf den Aspekt des ährtourismus eingehen, der ebenfalls in unserem An- rag eine Rolle spielt. Fährtourismus wird in seiner Be- eutung unterschätzt: Mehr als 12 Millionen Passagiere erden jährlich in deutschen Fährhäfen abgefertigt. ährtouristen stellen ein wichtiges Tourismussegment icht nur für die norddeutschen Urlaubsregionen dar. So- it kann ein gezieltes Marketing in den Einzugsregionen er Fährverbindungen in Skandinavien für eine über- urchschnittliche Nachfragesteigerung für Deutschland- eisen sorgen. Mit Marktforschung und kreativen Marke- ingkooperationen lässt sich mit geringen Mitteln ein rheblicher Mehrwert erzielen. So werben Berlin und amburg mit einer Broschüre auf den Schiffen der irma Scandlines in schwedischer und dänischer Spra- he gemeinsam um Gäste. Der Erfolg, dessen bin ich mir icher, wird nicht lange auf sich warten lassen. Hochseekreuzfahrten, Flusskreuzfahrten aber auch ie Fährschifffahrt leisten einen wichtigen Beitrag für en Deutschlandtourismus aber auch für die deutsche irtschaft insgesamt. Mit unserem Antrag haben wir die eichen dafür gestellt, dass sich die positive Entwick- ung in diesen Bereichen weiter fortsetzen wird. Annette Faße (SPD): Kreuzfahrten sind in. Dies be- rifft Hochseekreuzfahrten genauso wie Flusskreuzfahr- en. Deutschland ist weiterhin das beliebteste Reiseziel ür Flusskreuzfahrten. Der Bauboom bei Hochseekreuzfahrtschiffen und assagierschiffen hält an. 2006 wurden weltweit mehr ls 60 Fähren und Passagierschiffe ausgeliefert, und der uftragsbestand stieg auf weitere 72 neue Schiffe. Da- on profitiert die deutsche Werft- und Zulieferindustrie um Beispiel in Rostock und Papenburg. „Gläserne erften“ ziehen Besucher an. Überführungen auf der ms sind zu touristischen Events geworden. Der Umsatz it Hochseekreuzfahrten hat sich seit 1999 mehr als erdoppelt und ist gegenüber 2005 um 11,2 Prozent ge- tiegen. Im Bereich der Flusskreuzfahrten ist die Ent- icklung insgesamt ähnlich positiv. Die Anzahl der Pas- agiere im Gesamtkreuzfahrtmarkt überstieg im Jahre 006 erstmals 1 Million. Die Fährschifffahrt und Fährtouristik liegt in diesem achstumstrend, da diese Schiffe nicht mehr nur als ransportmittel, sondern vermehrt für Minikreuzfahrten enutzt werden. Über 6 000 Reisen finden auf Fracht- chiffen statt. In allen Bereichen bestehen weiterhin sehr ute Wachstumserwartungen. Dieser Entwicklung trägt uch die Wissenschaft Rechnung. So gibt es den welt- eit ersten Bachelor-Studiengang „Cruise Industry anagement“ seit vier Jahren in Bremerhaven. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11971 (A) ) (B) ) Der Antrag hat zum Ziel, den Kreuzfahrt- und Fähr- tourismus zu unterstützen und zu fördern und damit ver- bundene Arbeitsplätze im seemännischen und touristi- schen Bereich zu sichern. Ziel muss es sein, vorrangig deutsche und europäische Beschäftigte an Bord zu haben. Dazu gehört die weitere Harmonisierung von si- cherheits-, arbeits- und steuerrechtlichen Voraussetzun- gen und Einreisebestimmungen. Werften, Zulieferer, Gaststätten und touristische Verkehrs- und Dienstleis- tungsunternehmen sollen vom Wachstum der Branche profitieren können; Arbeitsplätze sollen nicht nur gesi- chert, sondern in allen Bereichen zusätzlich geschaffen werden können. Es gilt, die große wirtschaftliche Bedeutung des Kreuzfahrt- und Fährtourismus in der Öffentlichkeit of- fensiver darzustellen. Gegenüber der Deutschen Zentrale für Tourismus, der DZT, soll angeregt werden, dass Deutschland noch intensiver als Kreuzfahrtsdestination vermarktet wird. Die Belange des Kreuz- und Fährtou- rismus müssen beim Ausbau der land- und seeseitigen Zufahrten der Häfen Berücksichtigung finden. Auf EU- Ebene soll dafür eingetreten werden, dass der internatio- nale Sicherheitskodex ISPS in seiner Handhabung har- monisiert wird. Die Vereinfachung und Harmonisierung von arbeits- und steuerrechtlichen Voraussetzungen sowie Ein- und Ausreisebestimmungen für grenzüber- schreitende Flusskreuzfahrten muss vorangetrieben wer- den. Die Bemühungen zur Vermeidung von Schiffsemis- sionen sowie zur Normung von Stromanschlüssen für die Stromversorgung von Land sollen unterstützt wer- den. Ein geplantes Modellprojekt in Lübeck zeigt den richtigen Weg auf. Mit der Deutschen Bahn gilt es Ge- spräche aufzunehmen, um eine bessere Anbindung der Kreuzfahrtterminals zu gewährleisten und um die Bedie- nung der Fahrkartenautomaten durch ausländische Gäste zu erleichtern. Der Prüfauftrag für die Rückflaggung von Kreuzfahrtschiffen muss konsequent umgesetzt werden. Dafür gilt es die Bedingungen zu definierten, unter de- nen eine Rückflaggung unter deutscher Flagge möglich wäre. Ich werde alle Kolleginnen und Kollegen animieren, Urlaub auf dem Wasser zu genießen. Wunderbare Rou- ten auf großen und kleinen Schiffen, große attraktive Städte, kleine beschauliche Orte, große Ozeane und kleine Flusslandschaften werden Sie begeistern. Jens Ackermann (FDP): Kreuzfahrten faszinieren die Menschen seit eh und je. Gerade in Norddeutschland gibt es eine hohe Affinität zu Kreuzfahrtschiffen. Dies sieht man jedes Mal, wenn die „Queen Mary II“ in den Hamburger Hafen einfährt: Menschenaufläufe und Volksfeststimmung. Diese Faszination wirkt sich schließ- lich auch auf die Buchung von Kreuzfahrten aus. Denn viele hegen den Traum, einmal eine Kreuzfahrt zu erle- ben. Viele erfüllen sich den Traum im Kleinen in den schönen Regionen Deutschlands, der Nord- und Ostsee oder den Flüssen. In meinem Heimatland Sachsen-Anhalt gehören Fährfahrten nicht nur zum Transport über die Saale oder die Unstrut, sondern sind kleine Highlights von Tagestouristen. Der Ostseeraum profitiert ganz be- sonders vom Kreuzfahrttourismus. Hafenstädte sind Z d d O i K W A D m B f K b d w b U t n h d l g m E I F i W a l F r T d A d n g v d f k H s T B k w d t W o h (C (D ielorte der Urlauber. Und nicht nur der Tourismus, auch er Bau von Kreuzfahrtschiffen verschafft zum Beispiel er Meyer Werft in Papenburg oder den Werften an der stsee Gewinne. Der hier vorliegende Antrag von CDU/CSU und SPD st aber ein typischer Antrag, wie wir ihn von der Großen oalition kennen: schwammig und unkonkret. Es ist ein unschkatalog, enthält aber so gut wie keine konkreten nsätze, die man von Regierungspolitik erwarten sollte. ie Bundesregierung wird aufgefordert, mal hier oder al da Gespräche zu führen: mal mit der Deutschen ahn AG, mal mit den deutschen Reedereien und Kreuz- ahrtveranstaltern. Meine Damen und Herren von der oalition, gegen Gespräche kann ja niemand etwas ha- en, aber die Verbände und Vertreter aus dem Bereich er Kreuzfahrten und dem Fährtourismus können doch ohl von einer Regierung zu Recht mehr erwarten, als ei Herrn Mehdorn zum Plausch vorbeizuschauen. Alles nkonkrete und Beliebige gipfelt schließlich in der letz- en Forderung, ich zitiere: „… die für die vorgeschlage- en Maßnahmen gegebenenfalls erforderlichen Haus- altsmittel ausschließlich durch Umschichtung innerhalb er betroffenen Einzelpläne bereitzustellen“. Liebe Kol- eginnen und Kollegen von der CDU/CSU, liebe Kolle- innen und Kollegen von der SPD: Welche Maßnahmen einen Sie? Lediglich das Eintreten auf europäischer bene dafür, dass der internationale Sicherheitskodex SPS über die Gefahrenabwehr in der Schifffahrt im ährverkehr innerhalb der Ostsee- und der Nordseehäfen n seiner Handhabung harmonisiert wird und dass keine ettbewerbsverzerrungen entstehen sowie der eine oder ndere Punkt danach, geben mal was her. Der vorliegende Antrag der Koalition ist in der Ana- yse nicht falsch. Ganz im Gegenteil: Es werden wichtige akten präsentiert und das Potenzial des Kreuzfahrttou- ismus sowie des Fährtourismus richtig erkannt. Der ourismus in Deutschland hat von einer Regierung und en Regierungsfraktionen aber mehr verdient, als bloße nalysefähigkeit. Die eigentliche Regierungskunst sollte och darin bestehen, die Voraussetzungen noch besser, och effektiver, noch praktikabler für diesen Bereich zu estalten: dass die deutschen Reedereien und Kreuzfahrt- eranstalter noch bessere Ergebnisse erzielen können, ass die Touristen noch lieber mit Kreuzfahrtschiffen ahren und Fähren benutzen. Wo sind die Probleme? Was ann dagegen getan werden? Ich vermisse hier konkrete inweise. Der Kreuzfahrttourismus und der Fährtourismus lö- en bei den Menschen Emotionen aus und regen zum räumen an. Der Antrag der Koalition ist ebenfalls im ereich der Träume angesiedelt; allerdings ist er so un- onkret, dass er wenige Emotionen bei den Menschen zu ecken vermag. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Schon die Überschrift es Koalitionsantrages „Kreuzfahrttourismus und Fähr- ourismus in Deutschland voranbringen“ ist fragwürdig. arum will die Koalition etwas voranbringen, was auch hne sie und ihren Antrag überproportionale Zuwächse at? Die Koalitionsfraktionen verweisen selbst in ihrem 11972 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) Antrag auf dieses Wachstum: Der Umsatz des Kreuz- fahrtenmarktes in Deutschland hat sich seit 1999 mehr als verdoppelt – das gilt auch für den Bereich der Fluss- kreuzfahrten. Und die Koalition sagt voraus, dass es auch weiterhin sehr gute Wachstumserwartungen gibt. Wozu also dieser Antrag? Um an dem „Erfolg“ teilzuha- ben, statt hinterherzuschwimmen? Von Reisen übers Meer und in ferne Länder träumen viele. Seefahrerabenteuer in Kinder- und Jugendbüchern und auch die vielen Traumschifffernsehserien zu besten Sendezeiten wecken Wünsche. Zunehmend mehr Ange- bote an günstigen Schiffsreisen inklusive preiswerter Flüge zum Hafen und zurück schaffen Voraussetzungen für zunehmend mehr Menschen, sich diesen Traum zu erfüllen. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, und ich gönne jeder und jedem die Erfüllung dieses Traumes. Einwände habe ich aber zu diesem Antrag. Ist es wirk- lich die Aufgabe der Politik, diesen so rasant wachsen- den Tourismussektor noch stärker zu fördern, anstatt die Konsequenzen daraus kritisch zu hinterfragen? In dem Antrag der Koalition werden sämtliche Probleme, die mit der nationalen und internationalen Schifffahrtstou- ristik verbunden sind, ausgeblendet. Selbst auf der Inter- netseite der Bundeszentrale für politische Bildung kom- men unter dem Stichwort Kreuzfahrttourismus an erster Stelle viele negative Aspekte, die sich mit dem Boom dieses Sektors auftun. Hier seien nur einige genannt: Erstens. Transport, Übernachtung und Verpflegung machen den Löwenanteil der Ausgaben eines jeden Tou- risten aus. Bei Kreuzfahrten landet dieser Teil der Ur- laubskasse faktisch zu 100 Prozent in den Taschen der internationalen Tourismusbetriebe. Ihre Schiffe laufen die Kreuzfahrthäfen zumeist frühmorgens an und legen in der Nacht wieder ab. Im Gegensatz zu Hotel- oder gar Rucksacktouristen können die Kreuzfahrer so nur einen Bruchteil ihres Urlaubsgeldes in den bereisten Ländern selbst ausgeben. Dieses gilt natürlich auch für an den deutschen Seehäfen anlandende Kreuzfahrtliner. Zweitens. Paul Wilkinson von der kanadischen York University beobachtete 1999 folgerichtig den Trend, dass die Traumschiffpassagiere Jahr für Jahr weniger Geld in den Kreuzfahrthäfen ausgeben. Als Beispiel führt er die Bahamas an. Dort ließen die Passagiere 1980 im Schnitt noch rund 55 US-Dollar während ihres Land- ganges auf der Inselgruppe. 16 Jahre später, 1996, waren es inflationsbereinigt nur noch 31 US-Dollar pro Person. Hauptursache dieses Rückgangs seien die Luxusliner, die sich mit jeder neuen Schiffsgeneration zu regelrech- ten Geldfallen entwickelt hätten. Die Kreuzfahrtindus- trie nutzt lokale Infrastrukturen, gibt aber nichts der lo- kalen Wirtschaft zurück. Drittens. Um Gewinne zu maximieren, spart die Traumschiffbranche auch bei den Löhnen und Arbeits- bedingungen ihrer Crewmitglieder. Unabhängige Ar- beitsvermittler besorgen das billige und willige Personal vor allem aus den verarmten Ländern des Südens und des Ostens. Untersuchungen der Arizona State Univer- sity zufolge ist es nicht ungewöhnlich, wenn die bis zu 1 000-köpfige Besatzung eines Luxusliners aus mehr als 40 verschiedenen Nationen stammt. Weil aufgrund die- s g l g a K „ z f R m l f S S u V d s S m n z d l ü e A Z g n D k g n u P z u t f g f m d m s z n v p f j P (C (D er Völker- und Sprachenvielfalt an Bord keine effektive ewerkschaftliche Arbeitnehmervertretung möglich sei, ießen sich sehr niedrige Löhne bei gleichzeitig sehr lan- en Arbeitszeiten und fragwürdigen Lebensbedingungen n Bord durchsetzen. Viertens. Was bleibt den Inseln und Regionen vom reuzfahrttourismus? Der Abfall, lautet die Antwort. Ein Kreuzfahrtschiff mit 1 200 Passagieren und Besat- ung produziert jeden Tag 4,2 Tonnen Müll, andere Ab- allschadstoffe wie Ölreste, Abwasser und sanitäre ückstände nicht mitgerechnet“, so ein besorgter Com- enwealth-Report. Abwässer und Müll der Ozeanriesen anden direkt im Meer – und später an den Stränden. Ab- älle der Kreuzfahrtschiffe finden sich heute an allen tränden der Karibik und bald auch an allen Küsten der üdsee. Gegenwärtige, internationale Abkommen sind nzureichend, um die fortschreitende Vermüllung und erseuchung der Meere vor den Trauminseln zu verhin- ern. Doch selbst wenn künftig Müll- und Abwasserent- orgung auf hoher See verboten und mit schmerzhaften trafen belegt werden sollte: Das Problem bleibt. Wohin it dem Dreck? Schon jetzt wissen die Inselstaaten icht, wohin mit dem eigenen Müll. Fünftens. Kreuzfahrtschiffe haben für Tourismuskon- erne noch einen unschlagbaren Vorteil. Sie verringern ie Abhängigkeit der Touristikbranche von den Urlaubs- ändern. Die schwimmenden Touristikressorts können berallhin ausweichen. Dank geringem Tiefgang können inige moderne Luxusschiffe selbst kleine Dörfer am mazonas oder die winzigsten Tropeninseln anlaufen. udem gehen sie auch bei einem noch so hohen, durch lobale Erwärmung ausgelösten Meeresspiegelanstieg icht unter. Dies aber droht gerade den Tropeninseln. er Kreuzfahrtbranche tut dies keinen Abbruch. Sie ann sich zurücklehnen und dem bevorstehenden Unter- ang vieler Trauminseln zusehen. Gestatten Sie noch ein paar Anmerkungen zu einzel- en Punkten des Antrages. In welchem Umfang Ausbau nd Anbindung der Häfen mit Steuermitteln – wie in unkt 2 gefordert – für die Kreuzfahrtschifffahrt voran- ubringen sind, ist auch unter sozialen, städtebaulichen nd ökologischen Gesichtspunkten zu prüfen. Ein wich- iger Aspekt muss dabei auch die durchgängige Barriere- reiheit sein: im Hafen und bei den angebotenen Ausflü- en in der Hafenstadt und Umgebung. Ich halte es für alsch, wenn – wie in Punkt 3 gefordert – die vor allem it Bundesmitteln agierende DZT noch mehr Geld in ie Vermarktung der Kreuzschifffahrt steckt, anstatt sich ehr bei der Bewerbung von barrierefreien Reisen, Rei- en für Kinder und Jugendliche oder dem Tourismus wischen Städtepartnern zu engagieren. Punkt 6 ist zu begrüßen, wenn damit der Erhalt von atürlichen Flusslandschaften statt der unnötige Ausbau on Wasserstraßen gemeint ist. Bei den Punkten 16 bis 18 sollte unbedingt der As- ekt der Barrierefreiheit berücksichtigt werden. Die Er- ahrungen zeigen, dass solche Gespräche die Bahn schon etzt wenig schert – auch dies ist ein Grund, die weitere rivatisierung der Bahn zu stoppen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11973 (A) ) (B) ) Nun zum Punkt 19. Schon jetzt gibt es im Bundes- haushalt 2007 und auch im in der Diskussion stehenden Plan für 2008 eine deutliche Schieflage in der Touris- muspolitik. Während die Stärkung der Tourismuswirt- schaft zum zentralen Ziel erklärt wird, sind die Förde- rung von barrierefreiem Tourismus, von Tourismus für finanzschwache Familien, für Kinder und Jugendliche und für die Förderung eines ökologisch verträglichen Tourismus nur Randthemen. Die Linke fordert: Reisen für alle. CDU/CSU und SPD wollen Kreuzfahrten für viele und verschleiern mit ihrem Antrag komplett die ökologischen und sozialen Probleme, die mit dieser Art des Tourismus verbunden sind. Der Antrag wird daher von der Linken abgelehnt. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Kreuzfahrt- und Fährtourismus ist ein wachsender Markt der Tourismusbranche. Das ist erfreulich. Doch mit dem zunehmenden Wirtschaftswachstum wachsen natürlich auch die Umweltprobleme, die mit dem Schifffahrtstou- rismus verbunden sind. Deswegen ist es notwendig, dass die Rahmenbedingungen für den Kreuzfahrt- und Fähr- tourismus nachhaltig und verantwortlich ausgestaltet werden. Die einseitige Ausrichtung des Koalitionsantrages auf wirtschaftliche Aspekte, wie beispielsweise die Verbes- serung der Infrastruktur, die gezielte Vermarktung des Kreuzfahrttourismus oder die Forderung nach dem Ab- bau bürokratischer Hemmnisse verfehlt die wesentlichen Kriterien für einen verantwortungsbewussten und zu- kunftsfähigen Ausbau des Kreuzfahrt- und Fährtouris- mus. Der einzige erfreuliche ökologische Zungenschlag des Antrages ist der Appell, die internationalen Bemü- hungen zur Vermeidung und Reduzierung von Schiffs- emissionen in den Häfen zu unterstützen und die Mög- lichkeit für eine Normung von Landstromanschlüssen für die Schiffsversorgung in Häfen zu prüfen. Darüber hinaus finden sich leider keine weiteren ökologischen Forderungen. Dabei sollte uns allen doch eines ganz klar sein: Einen langfristig erfolgreichen Kreuzfahrt- und Fährtourismus wird es nur dann geben, wenn er im Ein- klang mit der Natur und der Umwelt steht. Nicht zuletzt der weltweite Klimawandel macht deutlich, dass Touris- mus sowohl in Deutschland als auch weltweit nicht mehr zulasten unserer Umwelt gehen darf. Die Stärkung des Inlandstourismus, die in diesem Antrag zu Recht formu- liert ist, könnte ein sinnvoller Bestandteil einer Klima- strategie sein. Aber die Gefahr einer Überbeanspruchung der Um- welt durch den Schifffahrtstourismus bleibt. Gerade Kreuzfahrtschiffe sind hier nicht unproblematisch. So verursachen sie beispielsweise einen großen Anteil der Abwässer, die im Schiffsverkehr anfallen. Auch beim Schiffsantrieb erweisen sich insbesondere die vielen äl- teren Schiffe als umweltschädlich. Zwar benötigt ein Kreuzfahrtschiff – wie im Koalitionsantrag richtig ange- merkt – tatsächlich weniger Brennstoff pro Passagier als ein Flugzeug, jedoch fahren gerade die älteren Schiffe oftmals noch mit billigem Schweröl anstatt mit Diesel. G F b V z a W g A K S m d z f d E S d b n k v r s t P G s S m d W B s s d ß u (C (D Wir hätten uns deshalb in diesem Antrag ein gesundes leichgewicht von wirtschaftlichen und ökologischen orderungen gewünscht. Denn auch für die Tourismus- ranche gilt: Ökonomie funktioniert auf Dauer nur in erbindung mit Ökologie! Auch wir wollen das Poten- ial des Schifffahrtstourismus in Deutschland nutzen, ber bitte umweltverträglich! Deshalb sollten wir neben irtschaftsinteressen immer auch die langfristigen Fol- en für die Umwelt im Blick haben. nlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Antrag: Das Schengen-Informationssystem im europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts transparent und bürgerrechtsfreundlich gestalten – Beschlussempfehlung und Bericht: Zugriff von Geheimdiensten auf das Schengener Informationssystem der zweiten Generation verhindern (Tagesordnungspunkt 19 a und b) Günter Baumann (CDU/CSU): Wie die meisten ollegen wissen, liegt mein Wahlkreis Annaberg-Aue- chwarzenberg direkt an der Grenze zu Tschechien. So- it ist die Thematik der Sicherheit und damit verbunden ie Einführung des Schengener Informationssystems der weiten Generation einhergehend mit der Grenzöffnung ür mich sehr bedeutsam. Deshalb werde ich gern auch er Fraktion Bündnis 90/Die Grünen den Fahrplan der inführung von SISone4All und darüber hinaus von IS II gern erläutern. Jedoch möchte ich vorerst einen kurzen Abriss über ie geschichtliche Entstehung des Schengen-Raumes ge- en. Schon die Römischen Verträge von 1957 und der Be- elux-Vertrag von 1958 enthielten die Idee der Freizügig- eit von Personen und Gütern. Am 15. Juni 1985 ereinbarten Vertreter von Deutschland, Belgien, Frank- eich, Luxemburg und den Niederlanden im luxemburgi- chen Schengen ein Übereinkommen. Dessen Ziel lau- ete, dass die Binnengrenzen an jeder Stelle ohne ersonenkontrollen überschritten werden dürfen. Den ründerstaaten des Schengener Abkommens schlossen ich schnell weitere europäische Staaten an. Neben den klaren Vorteilen eines gemeinsamen chengen-Gebietes für die Wirtschaft und den Touris- us durch beispielsweise einen gemeinsamen Zollraum, as Reisen ohne Grenzkontrollen und eine gemeinsame ährung gibt es auch nach wie vor sicherheitspolitische edenken. Durch ein grenzenloses Europa gibt es keine tationären Grenzkontrollen, die als Filter gegen organi- ierte Kriminalität und Schleuserbanden eingesetzt wer- en können. Somit ist es von hoher Wichtigkeit, die Au- engrenzen der Schengen-Staaten verstärkt zu sichern nd dort zu kontrollieren. Für diese grenzüberschrei- 11974 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) tende Polizei- und Justizarbeit wurde das Schengener In- formationssystem, SIS I, entwickelt. SIS ist ein elektronisches Personen- und Sachfahn- dungssystem, in dem Informationen zu den Bereichen Festnahmeersuchen, Übergabe und Auslieferung, dem Auffinden von Vermissten, Asylanträgen und Gefahren- abwehr enthalten sind. Somit bietet es den zuständigen Behörden der einzelnen teilnehmenden Mitgliedstaaten ein Abfragesystem für Informationen über Personen und Gegenstände, die von anderen Mitgliedstaaten eingestellt worden sind. Diese Möglichkeit der Informationsabfrage über die einzelnen nationalen Datenbanken hinweg dient wesentlich der inneren Sicherheit des Schengen-Raums. Das Schengener Informationssystem hat sich seit seiner Einführung 1995 bewährt. Wie man der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Linken (Drucksa- che 16/1044) vom 24. März 2006 entnehmen kann, wur- den im Zeitraum von 1995 bis 31. Dezember 2005 882 627 Einträge über Personen und 13 779 800 über verlorengegangene oder gestohlene Gegenstände erstellt. Somit ist SIS heute das System einer leistungsstarken Zusammenarbeit der nationalen Polizeien, das sich durch eine einfache Benutzbarkeit und kurze Aktualisierungs- zeit auszeichnet. Abgesehen von dem Schengener Informationssystem wurde und wird eine Zusammenarbeit der jeweiligen na- tionalen Polizeien in den Grenzregionen großgeschrie- ben. Diese polizeiliche Zusammenarbeit, vordergründig von Schengen- und Nicht-Schengen-Staaten, wurde durch bilaterale Abkommen geregelt. Beispielsweise trat das erste Abkommen dieser Art zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik im Jahr 2002 in Kraft. Darin wurde festgelegt, dass deutsche und tschechische Beamte zusammen auf Streife im Grenzgebiet gehen können. Darüber hinaus besteht seit dem Abkommen die Mög- lichkeit der Nacheile für die Beamten auf das jeweils an- dere Hoheitsgebiet. Nach wiederholten Besuchen und dem daraufhin folgenden Informationsaustausch mit den Beamten vor Ort an den Grenzübergängen in meinem Wahlkreis bin ich zu der Ansicht gelangt, dass dieses System der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von or- ganisierter Kriminalität und Verhinderung von Schleu- sungen gut funktioniert und hoffentlich neben der Einset- zung des SISone4All fortgeführt wird. Das gegenwärtige SIS I+ ist für 18 Staaten ausgelegt: für 15 Mitgliedstaaten und Island, Norwegen und gege- benenfalls ein weiteres Mitglied. Durch die Erweiterung der EU auf nunmehr 27 ist das SIS I+, das auf 18 Staaten begrenzt ist, technisch ausgereizt. Jedoch ist die Teil- nahme der europäischen Mitgliedstaaten an dem Schen- gener Informationssystem eine Voraussetzung für den Wegfall der Grenzkontrollen. Somit musste eine Weiterentwicklung des SIS I vor- genommen werden. Die Europäische Kommission er- stellte 2002 eine Durchführbarkeitsstudie, in der die technischen, finanziellen und organisatorischen Aspekte behandelt wurden. 2004 gab die Europäische Kommis- sion grünes Licht für die Entwicklung des SIS II. Ur- sprünglich war der Start des neuen Systems für März 2 i t s S f S a d S n s S n s M n d 2 N d E k D c U s n d ü i g d s E I n m g f t A v H M d n S d d e n (C (D 007 vorgesehen, jedoch kam es bei der Realisierung mmer wieder zu Verzögerungen, die überwiegend auf echnischen Problemen beruht; unter anderem stellten ich Schwierigkeiten beim Überspielen der Daten von IS I auf SIS II heraus. Die derzeitige Planung zur Ein- ührung von SIS II geht von Ende Dezember 2008 als tarttermin aus. Da eine Integration der neuen Mitgliedstaaten in das ktuelle SIS I+ technisch nicht realisierbar ist, wird seit em 5. Dezember 2006 als Zwischenlösung das ISone4All entwickelt. Dieses SIS enthält alle Funktio- en des derzeitig angewendeten SIS I+. Es dient aus- chließlich dem Anschluss weiterer Staaten an das chengener Informationssystem. An dem SISone4All ehmen 24 Staaten teil. Durch Einsetzung des SISone4All ieht man die Grenzöffnung zu den beteiligten neuen itgliedstaaten – Polen, Tschechien, Slowakei, Slowe- ien, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn und Malta – für en 31. Dezember 2007, Landgrenzen, und 29. März 008, Flughäfen, vor. Im September 2007 wird eine Evaluation über die utzungsweise des Schengen-Informationssystems urch die neuen Teilnehmerstaaten durchgeführt werden. s wird geprüft, ob die Anwendung des SISone4All onform zu dem Schengen-Übereinkommen erfolgt. enn im Vordergrund steht die Wahrung der inneren Si- herheit auch nach Wegfall der Grenzkontrollen. Letztendlich entscheidet der Rat der Europäischen nion über die Beendigung der Kontrollen. Vorausge- etzt, dass keine immanenten Defizite oder Versäum- isse festgestellt werden, fallen die Grenzkontrollen zu en zuvor genannten Terminen weg. Diese Entscheidung ber die Ausweitung der Schengen-Zone wird definitiv m November dieses Jahres fallen. Somit existieren fest- esetzte Fristen für die Grenzöffnungen, an denen sich ie neuen Mitgliedstaaten orientieren können. Das SIS II wird einfacher zu verwalten, flexibler und icherer sein. Im Hinblick auf die reale Terrorgefahr in uropa muss das SIS II erstens dem neuesten Stand der nformationstechnik angepasst werden und zweitens mit euen Funktionen ausgestattet werden, um die höchst- ögliche Sicherheit in Europa zu gewährleisten. Im Gegensatz zu den werten Kolleginnen und Kolle- en von Bündnis 90/Die Grünen sehe ich die Verknüp- ung von verschiedenen Einträgen nicht als problema- isch, sondern als essenziell an. Dies dient meiner nsicht nach einer effektiveren Polizeiarbeit. Auch der on Ihnen viel zitierte Datenschutz wird durch hohe ürden für den Informationszugriff bewahrt; denn ein itgliedstaat darf nur dann Ausschreibungen miteinan- er verknüpfen, wenn hierzu eine eindeutige operatio- elle Notwendigkeit besteht. Ein zweites neues und notwendiges Instrument des IS II ist die Verwendung von biometrischen Daten. Bei er Heranziehung von diesen biometrischen Daten wird er Datenschutz auch nicht außer Acht gelassen. Denn rst wenn ein Drittstaatsangehöriger durch eine alpha- umerische Suche im SIS II gefunden wurde und nun Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11975 (A) ) (B) ) seine Identität bestätigt werden soll, können biometri- sche Daten zur Klärung herangezogen werden. Meiner Meinung nach bleibt das Schengener Infor- mationssystem im Schwerpunkt ein Fahndungssystem trotz der funktionalen Weiterentwicklungen. Die im An- trag dargestellte „Aufweichung der Zweckbindung“ kann ich folglich nicht nachvollziehen. Das Betriebsmanagement des zentralen SIS II über- nimmt eine Verwaltungsbehörde, die aus dem EU-Haus- halt finanziert wird. Die Behörde wird die erforderlichen Wartungsarbeiten und technischen Anpassungen durchfüh- ren sowie für den problemlosen Betrieb des Informations- systems Sorge tragen. Außerdem wird der Europäische Datenschutzbeauftragte die Verarbeitung personenbezo- gener Daten überwachen. Die nationalen Kontrollinstan- zen und der Europäische Datenschutzbeauftragte werden aktiv zusammenarbeiten und für eine koordinierte Über- wachung des SIS II sorgen. Zu dem Punkt der beiden Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken den Zugriff von Geheimdiensten auf das SIS II ist so viel zu sagen, dass die Bundesregie- rung im Rahmen der Innenausschussberatung erklärte, dass die Nachrichtendienste etlicher Mitgliedstaaten auf- grund innerstaatlicher Regelungen Zugriff auf die Daten des SIS hätten. Das wollte die Bundesregierung auch für den deutschen Nachrichtendienst ermöglichen. Dies war im Europäischen Parlament nicht mehrheitsfähig und da- mit wird dieses Anliegen von der Bundesregierung nicht weiter verfolgt. Folglich lehne ich beide Anträge ab. Wolfgang Gunkel (SPD): Europas Einigung wird immer greifbarer. Im kommenden Jahr können Sie Län- der wie Polen oder Tschechien, die 2004 beigetreten sind, bereisen, ohne langwierige Kontrollen an den Grenzübergängen in Kauf nehmen zu müssen. Da ich in direkter Nachbarschaft zur polnischen Grenze wohne, freue ich mich ganz besonders auf diesen Zeitpunkt. Neben dieser Freude wissen wir alle auch, dass die Öffnung der Grenzen Risiken mit sich bringen wird. Denn nicht nur gesetzestreue Bürgerinnen und Bürger haben damit die Möglichkeit des ungehinderten Reisens, sondern auch Straftäter. Dieser Entwicklung wurde auch das Schengen-Infor- mationssystem als automatisiertes System zur Abfrage von Informationen über Personen, das bereits mit Ab- schluss des Schengener Abkommens in Kraft trat, ange- passt. Die Inbetriebnahme des Schengen-Informa- tionssystems II ist für Ende 2008 vorgesehen. Damit wird das Schengen-Informationsystem abgelöst. Bündnis 90/Die Grünen kritisieren nun, dass die Inbe- triebnahme verzögert wird. Damit wurde auch die Öff- nung der Grenzen auf Oktober 2008 verschoben. In die- ser Hinsicht kann ich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beruhigen – die Öffnung der Grenzen wird – wie vorgesehen – am 1. Januar 2008 erfolgen. Insofern ist der Antrag fehlerhaft. Die Inbetriebnahme kann jedoch nur erfolgen, wenn die vorangegangenen Tests die Betriebssicherheit und F d d F e t m s a s d w R d u s d Ö Z p t d S m n a c d n G g d d d D e d Z D p f g s s a t i f n s m h G (C (D unktionssicherheit nachgewiesen haben. Insoweit ist ie Verzögerung wohl nicht der Politik anzulasten, son- ern technischen Schwierigkeiten. Da sicher auch die raktion von Bündnis 90/Die Grünen wünscht, dass nur in voll funktionstüchtiges Schengen-Informationssys- em II, SIS II, in Betrieb gehen soll, wird man sich wohl it der Verzögerung abfinden müssen. Zum anderen wird im Antrag gefordert, den Deut- chen Bundestag und die Öffentlichkeit besser über die ktuellen Entwicklungen hinsichtlich SIS II und die Ent- cheidungen im Europäischen Rat zu informieren. In ieser Hinsicht ist der Antrag obsolet, denn das SIS II ird bis zur Inbetriebnahme auf der Tagesordnung jedes ates der Justiz- und Innenminister stehen. Damit ist ieser Punkt auch automatisch Bestandteil jeder Vor- nd Nachberichterstattung in den zuständigen Ausschüs- en des Bundestages. Mit der medialen Berichterstattung über die Tagungen es Rates und der Ausschüsse kann auch die geforderte ffentlichkeit gewährleistet werden. Das Schengen-Informationssystem stellt durch seinen ugang zu Informationen über bestimmte Personengrup- en eine wichtige Bedingung für das reibungslose Funk- ionieren des Raumes der Sicherheit, der Freiheit und es Rechts dar. Demzufolge ist die Entwicklung von IS II die Voraussetzung für die Erweiterung des Rau- es der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts auf die euen Mitgliedstaaten. Eine Ausweitung der Datensätze, uf die zugegriffen werden kann, ist der veränderten Si- herheitslage seit der Inbetriebnahme des SIS geschul- et. Nun kritisiert die Fraktion von Bündnis 90/Die Grü- en zu Recht die Ausweitung der Zugriffsrechte auf die eheimdienste. Die Festlegung, welche Behörden zu- riffsberechtigt sind, obliegt den Mitgliedstaaten. Bun- esinnenminister Wolfgang Schäuble hat der SPD-Bun- estagsfraktion zugesichert, keine neuen Initiativen in iese Richtung ohne vorherige Abstimmung zu starten. as Europaparlament hat bereits in der ersten Lesung ine solche Reglung abgelehnt. Der uns hier vorliegende Antrag kritisiert weiterhin, ass Daten erhoben werden könnten, die nichts mit dem weck der ursprünglichen Datenerhebung zu tun haben. amit bezieht sich der Antrag auf Äußerungen der euro- äischen Datenschutzbeauftragten. Insoweit bleibt aber estzustellen, dass diese Zweckbindung in den Rechts- rundlagen zum Schengen-Informationssystem geregelt ind. Die Einführung biometrischer Daten, die nach An- icht von Bündnis 90/Die Grünen erst nach einer Folgen- bschätzung unter Einbeziehung der Datenschutzbeauf- ragten und des Europäischen Parlaments erfolgen soll, st zur Identifikation einer Person bereits zur Überprü- ung von Trefferfällen vorgesehen. Die alleinige Suche ach biometrischen Merkmalen bedarf noch der Ent- cheidung unter Beteiligung des Europäischen Parla- ents. Deshalb ist der Antrag auch in dieser Hinsicht infällig. Die generelle Sorge der Fraktion Bündnis 90/Die rünen, der Datenschutz würde bei der Einführung von 11976 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) SIS II zu kurz kommen, kann entgegengehalten werden, dass auch die Datenschutzvorschriften in den Rechts- grundlagen enthalten sind. Im Übrigen wurden auch schon – wie im Antrag selbst angeführt – die Änderun- gen des Europäischen Parlamentes hinsichtlich eines besseren Datenschutzes vorgeschlagen und aufgegriffen. Ich bin guter Hoffnung, dass dies auch in Zukunft der Fall sein wird. Die angeführten Argumente belegen, dass der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abzulehnen ist. Gisela Piltz (FDP): Die Fortentwicklung des Schen- gener Informationssystems ist wahrlich nicht gerade eine Erfolgsgeschichte. Dies gilt sowohl für den Zeitrahmen, in dem sich die Entwicklung vollzieht, als auch hinsicht- lich der Transparenz, mit der die entscheidenden Wei- chenstellungen getroffen werden, und nicht zuletzt auch für den Umgang mit den Daten aus der Sicht der Betrof- fenen. Seit Mai 2005 liegt der Vorschlag der Kommis- sion zu Schengen II vor. Seitdem folgt eine technische Panne der anderen. Misstrauen ist bei der zukünftigen Verwendung der Daten durchaus angebracht. Wir haben es leider immer wieder erlebt, wie gerade auch die Bundesregierung den Umweg über Europa nutzt, um politisch fragwürdige Entwicklungen ohne Diskussion in Gang zu setzen. Ich erinnere an dieser Stelle nur an die Fluggastdaten und an die Vorratsdatenspeicherung. Mit der Fortentwicklung des Schengener Informa- tionssystems zu Schengen II droht dieses Instrument, zu einem umfassenden polizeilichen Informationssystem zu werden. Die Frage, ob so ein System eingeführt werden sollte, ist jedenfalls in diesem Parlament aber nicht ein- mal im Ansatz diskutiert worden, obwohl es jeden Bür- ger betrifft. Ganz problematisch wird es dann, wenn keine ausreichenden Schutzvorkehrungen vor einem Missbrauch dieses Systems vorgesehen werden. Aber wo die Grundsatzdebatte vermieden wird, da fällt es leicht, die Notwendigkeit von weiterem Schutz vor Missbrauch mit Verweis auf die bei der Einführung des Schengener Informationssystems vorgesehenen Nut- zungszwecke wegzuwischen. Der Deutsche Bundestag sollte aus den vergangenen Entwicklungen in Europa zur Biometrie in Reisepässen lernen. Auch dort wurden europarechtliche Tatsachen geschaffen, ohne eine Debatte im eigenen Land über Sinn und Unsinn zu führen. Übrigens: Auch über Sinn und Unsinn von biometrischen Daten im Personalaus- weis hat es noch keine ausreichende Debatte gegeben. Wir sollten daher die Möglichkeit – vielleicht sollte ich lieber von der Gefahr sprechen – der Ausweitung von Schengen II jetzt und hier diskutieren. Der vorliegende Antrag kann dazu ein sinnvoller Anstoß sein. Insbeson- dere sollten die biometrischen Merkmale nicht ohne Weiteres in das Schengener Informationssystem inte- griert werden. Die Aufnahme von biometrischen Daten auch zur Verifikation muss durch ein besonderes Bedürf- nis gerechtfertigt sein, sonst ist die massenhafte Speiche- rung von biometrischen Daten schlicht unverhältnismä- ßig. B D 4 s z h L d s m g w S s D s R l b d S l K t K a e s w I e d i s N s t n d I d a d t c w s A g b d t D P S f t (C (D Auch in einer anderen Hinsicht ist die Einführung der iometrie in die Reisepässe ein mahnendes Beispiel: as Vorhaben der EU-Spitze, nach den Pässen der 50 Millionen EU-Bürger auch die von den Mitglied- taaten ausgestellten Visa mit biometrischen Daten auf- urüsten, erwies sich bereits in der Planungsphase als öchst komplex und prekär. Die zunächst vorgesehene ösung, bei der biometrische Merkmale wie Fingerab- ruck und Gesichtsbild auf RFID-Chips in den Visa ge- peichert werden sollten, hat sich als technisch nicht achbar herausgestellt. Nun erleben wir auch bei Schen- en II, wie zuerst die Wünsche in Beschlüsse gegossen erden, bevor das technisch Machbare und vor allem innvolle ausreichend mit Sachverstand erkundet ist. Was wir in jedem Fall von Schengen II einfordern ollten, müssen wir uns hinreichend deutlich machen. ie Gemeinsame Kontrollinstanz von Schengen hat hier chon 2005 eine gute Vorarbeit geliefert. Wir brauchen egelungen zu einer klaren und eindeutigen Verantwort- ichkeit für die Einhaltung des Datenschutzes. Und wir rauchen Regelungen zu einer effektiven Kontrolle und atenschutzrechtlichen Überwachung des Systems chengen II. Diese Aufgabe soll weiterhin den nationa- en Datenschutzbeauftragten zufallen. Die Gemeinsame ontrollinstanz soll jedoch ihre Kompetenzen zur Bera- ung, Kontrolle und Koordinierung verlieren. Gerade die oordinierung zwischen den nationalen Datenschutzbe- uftragten ist jedoch unverzichtbar notwendig, um einen inheitlichen Datenschutz in der Durchführung sicherzu- tellen. Hier muss in jedem Fall dringend nachgebessert erden. Ein Zugriff von Geheimdiensten auf das Schengener nformationssystem wäre ein grundsätzlicher Fehler und in Verstoß gegen das Trennungsgebot. Nachrichten- ienste sind naturgemäß intransparent, ihre Aufgaben, hre Befugnisse und ihre Arbeitsweisen unterscheiden ich erheblich von denen der Polizei. Während den achrichtendiensten Beobachtungsaufgaben zufallen, ollen die Polizeibehörden Gefahren weniger beobach- en als vielmehr abwehren. Der rechtliche Sinn des Tren- ungsgebots ist dabei ganz einfach: Die Nachrichten- ienste dürfen zwar viel beobachten, mit ihren nformationen aber relativ wenig anfangen. Die Polizei arf zwar weniger beobachten, mit ihren Informationen ber wesentlich mehr anfangen. Damit wird klar, dass ie Zusammenführung der Datenbanken der Nachrich- endienste und der Polizei zur Bewahrung des freiheitli- hen Rechtsstaats begrenzt sein muss. Wer – fast – alles eiß, soll nicht alles dürfen; und wer – fast – alles darf, oll nicht alles wissen. Das Trennungsgebot muss als usdruck der bundesstaatlichen, rechtsstaatlichen und ewaltenteilenden Grundsätze unseres Staates erhalten leiben. Wenn polizeiliche Daten auch den Nachrichten- iensten offenstehen, dann wird das Vertrauen des Be- roffenen auf eine zweckgebundene Verwendung seiner aten belastet. Wir fordern die Bundesregierung auf, läne zur Einbeziehung von Geheimdiensten in das chengener Informationssystem nicht wieder aufzugrei- en. Jan Korte (DIE LINKE): Das Schengener Informa- ionssystem der zweiten Generation ist eine unendliche Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11977 (A) ) (B) ) Geschichte. Mehr noch: Eine Geschichte, die zeigt, wie technisches Unvermögen auf antidemokratisches Verhal- ten trifft und so den Weg an den nationalen Parlamenten vorbei in den Überwachungsstaat ebnet. Aber worum geht es im Einzelnen? Seit Jahren wird in der Europäi- schen Union, nicht erst seit dem Beitritt von zehn weite- ren Staaten zur EU im Jahr 2004, über eine Erweiterung des Schengener Informationssystems diskutiert. Eilig verständigte man sich im Rat darauf, künftig nicht nur biometrische Daten hierin aufzunehmen, sondern weite- ren Behörden und Institutionen den Zugriff auf die per- sonenbezogenen Daten im SIS zu ermöglichen. 2005 legte die Europäische Kommission Vorschläge für die Einführung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation vor. Seitdem ist es schwer, detail- lierte Informationen über das Projekt zu erhalten. Die In- formationspolitik der Bundesregierung und des zuständi- gen Rates für Justiz und Inneres der EU – dies legt der hier zur Diskussion gestellte Antrag der Grünen treffend dar – ist höchst intransparent. Eine Beteiligung bei- spielsweise des Bundestages und des Europäischen Par- laments an der konkreten Ausgestaltung von SIS II war nicht oder nur ungenügend vorgesehen. Hinzu kommen – so die offizielle Darstellung – tech- nische Probleme, sodass die Inbetriebnahme des SIS II im März 2007 endgültig verschoben werden musste. Nun wird mit Hochdruck an einer Übergangslösung ge- arbeitet, an dem sogenannten SISone4All, welches bis Dezember dieses Jahres in Betrieb gehen soll, spätestens aber im März 2008. So ganz genau wissen dies die Ver- antwortlichen in Brüssel anscheinend auch nicht, wie die aktuelle Fassung der europapolitischen Vorausschau für den Innenausschuss darlegt. Eines ist indes sicher: Die Erweiterung des Informationssystems beinhaltet nicht nur die Anhebung der zu den einzelnen Personen gespei- cherten Datensätze, die Speicherungsdauer dieser Daten, die Verwendung biometrischer Daten, sondern umfasst auch das Fehlen eines Rahmenbeschlusses zum Daten- schutz in der Dritten Säule und des zu erwartenden Zu- griffs von nationalen Geheimdiensten auf das Informati- onssystem. Dabei scheint es die Innenminister der Mitgliedstaaten der EU wenig zu stören, dass Informati- onen der Geheimdienste, die demnach Eingang in das SIS der zweiten Generation finden sollen, nicht zwangs- läufig auf gerichtsfesten oder belegbaren Tatsachen be- ruhen müssen, sondern meist spekulativer Natur sind. Diesen Umstand verschärft insbesondere eine Regelung, nach der sogenannte Drittstaatenangehörige im SIS II zwecks Einreiseverweigerung ausgeschrieben bzw. ver- merkt werden können, wenn sie eine „Bedrohung für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit“ darstellen. Die Anwendung dieser schwammigen Vorgabe erfolgt von Mitgliedstaat zu Mit- gliedstaat unterschiedlich. Eine europaweite Lösung die- ses konkreten Problems bei der Verwendung des SIS II wurde nicht gefunden. Die Folgen sind klar: Im Extrem- fall kann diese Vorgabe genutzt werden, um Menschen in Zukunft von legitimen und demokratischen Protesten, wie zum Beispiel denen gegen den G-8-Gipfel in Heili- gendamm, fernzuhalten und gar nicht erst einreisen zu lassen. Grenzen werden dadurch nicht abgebaut, wie ur- sprünglich mit dem Schengener Vertrag vorgesehen, sondern neue Zäune errichtet. t s d g v m h S g a m r i r s e s C g z g G n A B d t „ s d S u R G v u m a c t w R a e D H m p n A B t k B I G E n s (C (D Ungeklärt bleibt zukünftig auch, ob es eine Informa- ionspflicht gegenüber Personen, die im SIS ausge- chrieben sind, geben wird. Die ist Voraussetzung dafür, ass Menschen ihre Rechte, wie das Recht auf Berichti- ung oder Löschung eines entsprechenden Eintrages, or einem Gericht erwirken können. Heute nun liegt uns ein Antrag der Grünen vor, der ehr Transparenz für den europäischen Raum der Frei- eit, der Sicherheit und des Rechts im Hinblick auf das chengener Informationssystem fordert. Dieses Anlie- en findet die Unterstützung der Linken. Gleichzeitig ber – und dies muss eben auch erwähnt sein – frage ich ich, warum die Fraktion der Grünen so zahnlos in ih- em Antrag argumentiert und damit hinter die Arbeit hrer eigenen Europaparlamentarier zurückfällt. Das Eu- opäische Parlament hat sich, neben zahlreichen daten- chutzrechtlichen Bedenken, klar und deutlich gegen inen Zugang von Geheimdiensten zum SIS II ausge- prochen. Hierzu der Berichterstatter des EP, Herr Carlos oelho am 25. Oktober 2006: „Die Abgeordneten wei- erten sich jedoch, dem Vorhaben des Ministerrates zu- ustimmen und auch den nationalen Geheimdiensten Zu- riff zum System zu gewähren. Der Vorschlag, den eheimdiensten Zugang zu SIS II zu geben, macht kei- en Sinn.“ Die deutschen Grünen wiederum wollen durch ihren ntrag lediglich festgestellt wissen, dass der Deutsche undestag den Versuch der Bundesregierung missbilligt, en Geheimdiensten einen direkten Zugriff auf die Da- en des SIS II zu ermöglichen. Weiter heißt es, dass der Deutsche Bundestag […] hofft, dass der Rat das Ab- timmungsverhalten des Europäischen Parlamentes in iesem Punkt übernehmen wird.“ Ich frage mich, warum ie an dieser zentralen Stelle so zurückhaltend agieren nd argumentieren. Denn auch Sie stellen doch völlig zu echt fest, dass mit der Öffnung des SIS II für nationale eheimdienste eine Aushebelung der in Deutschland erfassungsrechtlich verankerten Trennung von Polizei nd Geheimdiensten stattfindet. Überdies frage ich ich, warum Sie sich nur gegen einen „direkten Zugriff uf die Daten des SIS II“ durch Geheimdienste ausspre- hen. Wir wissen doch alle, dass über Europol Informa- ionen aus dem SIS II auch Geheimdienste erreichen erden. Die europäische Polizeibehörde wird nach ihrer eform, die bereits beschlossene Sache ist, nicht nur mit m Tisch der SIS-II-Zugriffsberechtigten sitzen, sondern ben auch die Möglichkeit haben, erhaltene Daten an ritte weiterzureichen, also auch an Geheimdienste. inzu kommt, dass mit der Reform von Europol eine de- okratische Kontrolle des Polizeiamtes durch das Euro- aparlament oder die nationalen Parlamente weiterhin icht vorgesehen ist. Doch dazu verlieren Sie in Ihrem ntrag leider kein Wort. Dabei zeigt doch dieses eine eispiel anschaulich, dass das SIS der zweiten Genera- ion nicht als geschlossenes System betrachtet werden ann, sondern weitere Aspekte und Institutionen in die ewertung des Systems einbezogen werden müssen. hre Hoffung, meine Kolleginnen und Kollegen von den rünen, der Rat würde das Abstimmungsverhalten des uropäischen Parlaments übernehmen, hilft dem EP kei- en Schritt weiter. Eine Stärkung demokratischer Mit- prache und Kontrolle, gerade durch eine Stärkung des 11978 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) Europaparlaments im europäischen Institutionengefüge, sieht anders aus. Die Linke kann dem Ansinnen der Grünen insoweit zustimmen, als dass auch wir den Zugang von Geheim- diensten zum SIS II verhindern wollen und auch wir uns gegen die Verwendung biometrischer Daten ausspre- chen. Dennoch können wir Ihrem Antrag als Gesamtpro- dukt nicht unsere Zustimmung geben. Neben dem be- reits Skizzierten sprechen vor allem zwei Gründe dagegen: Zum einen können wir es nicht mittragen, die Bundesregierung aufzufordern – und so ist es in Ihrem Antrag formuliert worden – einen „eindeutigen Zeitrah- men für die Einführung von SIS II“ vorzulegen. Zuvor sind für uns andere, wesentliche Fragen um das SIS II und SISone4All zu klären. Zum zweiten können wir der Forderung unter Punkt sechs nicht zustimmen, wonach dafür Sorge zu tragen sei, „dass der Datenschutz bei Po- lizei und Justiz durch einen Rahmenbeschluss europa- weit auf hohem Niveau harmonisiert und eine effektive Datenschutzkontrolle auf nationaler und europäischer Ebene gewährleistet wird.“ Diese Forderung ist im Kern zwar richtig, aber hier kausal der Einführung von SIS II nachgeordnet. Für die Linke aber ist der Entscheid über einen Rahmenbeschluss zum Datenschutz in der Dritten Säule Voraussetzung für Beschlüsse weiterer Maßnah- men im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zu- sammenarbeit auf europäischer Ebene. Sie wissen so gut wie ich, dass ein solcher Rahmenbeschluss seit Jahren von den Regierungen der Mitgliedstaaten hinausgezö- gert wird, um rechtlich und demokratisch fragwürdige Projekte wie das SIS II oder die Überführung des Vertra- ges von Prüm problemlos umzusetzen. Gerade im Be- reich der Dritten Säule sucht man demokratische Kon- trollmechanismen vergeblich. Wir fordern deshalb: Zuerst einen Rahmenbeschluss mit hohen Standards über den Datenschutz in der Dritten Säule und danach eine Debatte über europäische Maßnahmen im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit. Diese allerdings müssen dann in einem anderen Stil und in anderen Verfahren geführt werden, das heißt öffent- lich, transparent und bürgerrechtsfreundlich. Schließlich hat es mich doch stark verwundert, als ich Ihren vorliegenden Antrag gelesen habe, warum sich die Grünen im Innenausschuss bei unserem Antrag 16/3619, der den Zugriff von Geheimdiensten auf das SIS II ver- hindern will, der Stimme enthalten haben. Unser Antrag ist wesentlich konkreter und gibt Innenminister Dr. Wolfgang Schäuble ein klares Abstimmungsverhal- ten im Rat an die Hand. Ich hoffe deshalb heute auf Ihre Zustimmung zu unserem Antrag. Damit hätten wir dann das eine Problem der Geheimdienste in Bezug auf SIS II vorerst gelöst, vor allem vor dem Hintergrund der not- wendigen einstimmigen Entscheidung im Rat über SIS II, und können dann gemeinsam Fragen des Daten- schutzes in der Dritten Säule und schließlich die endgül- tige Überwindung der derzeitigen Konzeption des SIS der zweiten Generation diskutieren und angehen. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Am vergangenen Dienstag tagten die europäischen In- nen- und Justizminister in Brüssel. Bei diesem Treffen standen auch die Erweiterung des Schengen-Raums und d t d o 2 t w d u E s l D P M s g w D h g k V ü b V w o S N D r u w I F A d I a i S d ß S h n a l r S t (C (D ie Weiterentwicklung des Schengen-Informationssys- ems (SIS) auf der Tagesordnung. Die erfreuliche Nachricht nach diesem Treffen ist, ass der Schengen-Raum, ein weltweit einmaliger Raum hne Schlagbäume und Grenzkontrollen, zum 1. Januar 008 auf die neun 2004 der Europäischen Union beige- retenen Länder – mit Ausnahme von Zypern – ausge- eitet wird. Dies ist ein gutes und wichtiges Signal an ie neuen EU-Mitgliedstaaten, denn Freizügigkeit und ngehinderte Reisefreiheit ist ein zentrales Element der uropäischen Union. Sie machen das Zusammenwach- en Europas praktisch und emotional erlebbar. Die deutsche Bundesregierung hat sich in diesem angwierigen Prozess leider nicht mit Ruhm bekleckert. as Schengen-Informationssystem II, die technische lattform für die Erweiterung, sollte eigentlich schon im ärz 2007 – also während der deutschen Ratspräsident- chaft – in Betrieb gehen. Dies wurde von der Bundesre- ierung auch im Vorfeld der Ratspräsidentschaft immer ieder betont. Heute wissen wir, dass SIS II nicht vor ezember 2008 funktionstüchtig sein wird. Gleichzeitig errschte lange Unklarheit darüber, wann die neuen Mit- liedstaaten endlich Teil des Schengen-Raums werden önnen, es fehlt schlicht ein Fahrplan. Dies hat für viel erunsicherung und berechtigten Unmut gesorgt. Mit SISone4All wird nun ein Hilfskonstrukt die Zeit berbrücken bis zum Start von SIS II. Im Grundsatz leibt zu hoffen, dass dies mit über zwanzigmonatiger erspätung dann Ende 2008 auch tatsächlich gelingen ird. Ich sage bewusst „im Grundsatz“, denn wir Grüne be- bachten die konzeptionelle Weiterentwicklung des chengen-Informationssystems gleichzeitig mit Sorge. icht nur wir tun dies, sondern auch der Europäische atenschutzbeauftragte Peter Johan Hustinx und das Eu- opäische Parlament. Mit SIS II soll die Zahl der gespeicherten Datensätze nd Funktionen des Informationsnetzes deutlich ausge- eitet werden. Der eigentliche Auftrag des Schengen- nformationssystems ist es, die grenzüberschreitende ahndung nach Personen und Sachen zu ermöglichen. ngesichts der Weiterentwicklungen liegt nun der Ver- acht nahe, dass es zu einem umfassenden polizeilichen nformationssystem ausgebaut werden soll. Nicht nur us diesem Grund forderte Peter Johan Hustinx bereits m April 2006 eine Studie zur Folgenabschätzung für IS II ein. Diese Studie ist bis heute nicht vorgelegt wor- en. Doch weiteres Ungemach droht: Künftig sollen au- erdem weitere Behörden Zugriff auf die Daten im IS II erhalten. Der Europäische Datenschutzbeauftragte at frühzeitig kritisiert, dass diese Behörden die erhobe- en Daten – mangels Zweckbindung – auch für andere ls die vorgesehenen Zwecke verwenden könnten. All diese Kritik hat bisher leider nicht zu einem Ein- enken geführt. Ganz im Gegenteil: Die Bundesregie- ung versuchte noch bei den Verhandlungen über das IS II im Oktober letzten Jahres, auch den Geheimdiens- en Zugriff auf die Daten zu verschaffen. Dieses Vorge- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11979 (A) ) (B) ) hen war ein Generalangriff auf die in Deutschland ver- fassungsrechtlich verankerte Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten. Dies war und bleibt ein Skandal. Mit unserem Antrag mahnen wird daher dringend mehr Transparenz und eine stärkere Ausrichtung an Bür- gerrechten bei SIS II an. Wir fordern konkret, dass die Speicherfrist für Daten nicht verlängert wird, solange sie nicht stichhaltig begründet werden kann. Wir fordern au- ßerdem eine strenge Zweckbindung der Daten und des Zugriffs auf sie. Wir mahnen dringend eine Folgenab- schätzung insbesondere zur Nutzung biometrischer Da- ten an. Die Entwicklung in diesem Bereich geht stetig weiter, ohne dass sich die Verantwortlichen ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, welche Risiken daraus für Datenschutz und Bürgerrechte erwachsen. Datenschützer und das Europäische Parlament haben ihre Bedenken deutlich formuliert. Der Deutsche Bun- destag sollte dies ebenfalls tun. Es ist unerträglich, dass allen voran die Bundesregie- rung immer wieder neue Vorschläge zur Aushöhlung des Datenschutzes und damit der Bürgerrechte macht und sich gleichzeitig über die Bedenken der Datenschützer hinwegsetzt. Dagegen müssen wir Parlamentarier uns zur Wehr setzen. Die Erfahrung der letzten Zeit zeigt: Wo es Daten gibt, tritt auch immer jemand auf, der sie ohne Maß und Ziel sammeln und ausschlachten will – ohne Rücksicht auf das Grundgesetz, ohne jegliches Verständnis dafür, dass Datenfriedhöfe ineffizient und genau deshalb nicht im Sinne von mehr Sicherheit für die Menschen sind. Nicht selten heißt dieser jemand Wolfgang Schäuble. Nach SIS und Flugpassagierdaten werden wir uns be- stimmt demnächst an dieser Stelle über den Geheim- dienstzugriff auf das Visa-Informationssystem unterhal- ten müssen. Diese Konjunktur der Datensammelwut weitergedacht ist es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis wir uns an diesem Ort über eine europaweite Onlinedurchsuchung unterhalten müssen. Wir als Parlament sind in der Pflicht, zu handeln. Es genügt nicht, darauf zu hoffen, dass die Forschung ir- gendwann ein wirksames Medikament gegen Datensam- melwut entwickelt. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Ände- rung des Bundespolizeigesetzes – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundespolizeigesetzes und anderer Gesetze (Tagesordnungspunkt 20 und Zusatztagesord- nungspunkt 5) Ralf Göbel (CDU/CSU): Die Bundespolizei trägt durch ihre Arbeit vor allem in den Bereichen Grenz- schutz, Luftsicherheit und Bahnverkehr entscheidend zum Erhalt der inneren Sicherheit in Deutschland bei. In e g d z d s D b m i n d e d p t ß b d S v s d b p B z V u w z m u u G m D a n P f n w M i h d s P u ü v B n A r t b (C (D inem Europa ohne Grenzkontrollen haben sich die Auf- aben in den letzten Jahren jedoch immer mehr verän- ert. Ein Teil dieser neuen Aufgaben soll durch die hier ur Debatte stehende Umsetzung einer EU-Richtlinie in eutsches Recht übertragen werden. Diese Richtlinie ieht vor, dass bestimmte Passagierdaten bei Flügen aus rittstaaten in die EU-Mitgliedstaaten den Grenzschutz- ehörden auf Anforderung zugänglich gemacht werden üssen. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung llegaler Migration und nicht zuletzt auch des internatio- alen Terrorismus. Die Übermittlung der Daten obliegt hiernach nicht em Staat, in dem das Flugzeug abfliegt, sondern dem ntsprechenden Luftfahrtunternehmen. Dadurch wird en Grenzpolizisten zukünftig mehr Zeit für die Über- rüfung der Passagiere bleiben. Eine gründlichere Kon- rolle wird wiederum für illegale Einwanderer eine grö- ere Hürde darstellen. Weltweit wird dieses System ereits von vielen Staaten praktiziert, was die Bedeutung es Instrumentes belegt. Die Richtlinie ist bereits im eptember 2004 in Kraft getreten und muss innerhalb on zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden, odass es Zeit wird, zu handeln. Die Anforderungen an die Bundespolizei wachsen je- och nicht nur in diesem Bereich stetig. Durch die undesweiten und zunehmenden internationalen Ver- flichtungen ist es unumgänglich, die Strukturen der undespolizei effizienter zu gestalten. Die Bundespoli- ei steht vor der Aufgabe, die sich stetig entwickelnden erkehrsströme zu überwachen. Die Kontrolle von Zug- nd Flugverkehr werden zunehmend an Bedeutung ge- innen. Insbesondere der Wegfall der Grenzkontrollen u den östlichen Nachbarstaaten wird eine erhöhte Auf- erksamkeit an den „Binnengrenzen“ wie Bahnhöfen nd Flughäfen erfordern. Deutschland ist ein Transit- nd Zielland, das an neun Nachbarstaaten grenzt – eine renze von 4 500 Kilometer Länge. Über 3 500 Kilo- eter Küstenlinie stellt die Schengen-Außengrenze dar. as deutsche Bahnnetz umfasst 40 000 Kilometer, mehr ls 180 Flughäfen bestimmen den nationalen und inter- ationalen Flugverkehr. Nur durch eine Straffung der rozesse und Strukturen können mehr operative Kräfte ür die Bekämpfung illegaler Migration, Schleuserkrimi- alität und des internationalen Terrorismus gewonnen erden. Zur Effizienzsteigerung werden die bisherigen fünf ittelbehörden durch eine zentrale Bundesoberbehörde n der Nähe von Berlin zusammengefasst. Diese Be- örde wird zukünftig die operativen Aufgaben des Bun- esinnenministeriums, der früheren Mittelbehörden owie der Bundespolizeidirektion übernehmen. Dem räsidium kommen demnach operative, koordinierende nd zentral wahrzunehmende Aufgaben zu. Zusätzlich bernimmt das neue Präsidium Aufgaben, die bislang on zum Teil unselbständigen Dienststellen, wie zum eispiel der Zentralstelle für Information und Kommu- ikation der Bundespolizei, wahrgenommen wurden. uch andere Angelegenheiten, die zukünftig zentral ge- egelt werden sollen, wie zum Beispiel die Personalkos- en, obliegen der neuen Bundesoberbehörde. Die Aufga- enwahrnehmung in der Bundespolizei wird hierdurch 11980 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) insgesamt gestrafft, Stabs- und Verwaltungstätigkeiten werden zugunsten der polizeilichen Aufgabenerfüllung schlanker und effizienter gestaltet. Dem Bundespolizei- präsidium unterstehen die Bundespolizeidirektionen, die Bundespolizeiakademie und die Zentrale Direktion der Bundesbereitschaftspolizei. Die bisher 19 Bundespolizeiämter werden zu neun Bundespolizeidirektionen zusammengefasst. Die neuen Bundespolizeidirektionen sind gleichmäßig über die Flä- che der Bundesrepublik verteilt, sodass die Präsenz der Polizei in der Fläche gewährleistet bleibt. Grundsätzlich orientiert sich die Verteilung an den Grenzen der einzel- nen Bundesländer. Nur in Ausnahmefällen erstreckt sich eine Direktion über einen größeren Bereich. Behörden und Partnern in einem Bundesland soll zukünftig nur ein Ansprechpartner der Bundespolizei gegenüberstehen. Dies gewährleistet eine effektivere Zusammenarbeit. Die Direktionen werden in ihrem Zuständigkeits- bereich die Aufgaben der bisherigen Polizeiämter und insbesondere die einsatzbezogenen Aufgaben der bishe- rigen Bundespolizeipräsidien übernehmen. Zudem obliegen ihnen die regionalen Aufgaben der Kriminali- tätsbekämpfung. Außerdem kommt ihnen die Personal- hoheit für die Laufbahnen des einfachen, mittleren und teilweise des gehobenen Dienstes zu. Jede Bundespoli- zeidirektion verfügt über eine Mobile Kontroll- und Überwachungseinheit, MKÜ, zur Bewältigung von tem- porären Einsatzmaßnahmen. Die MKÜs sind nicht an den Regeldienst gebunden und somit flexibler einsetz- bar. Sie ermöglichen den Bundespolizeidirektionen, Spitzenbelastungen oder sich kurzzeitig verändernde Aufgabenschwerpunkte mit eigenen Kräften zu bewälti- gen. Die Anzahl der Polizeivollzugsbeamten in den Mo- bilen Kontroll- und Überwachungseinheiten wird mit 1 200 mehr als verdoppelt. Insgesamt sollen in jeder Di- rektion nicht weniger als 2 000 und nicht mehr als 3 000 Polizeivollzugsbeamte in der operativen Basis be- schäftigt werden. Die Bundespolizeidirektionen bestehen aus 77 Bun- despolizeiinspektionen, bei denen jeweils 200 bis 300 Polizeivollzugsbeamte eingesetzt werden. In Größe und Struktur werden alle Inspektionen vergleichbar sein. Die Inspektionen nehmen grundsätzlich alle bundespoli- zeilichen Aufgaben wahr, wodurch sie eine höhere Ein- satz- und Führungsverantwortung bekommen. Im Inte- resse der Leistungsfähigkeit und Flexibilität muss zukünftig auf kleinere Inspektionen verzichtet werden. Unterhalb der Inspektionen können auch Bundespolizei- reviere eingerichtet werden, sofern dies aus einsatztakti- schen Gründen erforderlich erscheint. Dies betrifft be- sonders Einsatzorte, an denen eine regelmäßige Präsenz in der Fläche erforderlich ist. Die Präsenz in der Fläche bleibt somit erhalten, wird an den erforderlichen Stellen sogar aufgabenbezogen gestärkt. Für den bahnpolizeilichen und grenzpolizeilichen Aufgabenbereich sind fachliche Kriterien entwickelt worden, auf deren Grundlage der für die jeweilige Auf- gabenwahrnehmung erforderliche Personalbedarf ermit- telt und das für die operative Aufgabenwahrnehmung erforderliche Personal bundesweit zielgerichtet und aus- g k s z d l t c e n K b r g z g E D d E v s t u B t t w B p t d L I d t z V W w m t A s i A n E l z t d s (C (D erichtet am Einsatzschwerpunkt eingesetzt werden ann. Hierfür wird das durch den Wegfall der systemati- chen Grenzkontrollen frei werdende Personal nach poli- eilichen Kriterien bedarfsgerecht eingesetzt. Vielfach wurde die Entscheidung der neuen Standorte er Inspektionen kritisiert. Dazu besteht jedoch kein An- ass: Die Entscheidung über die Standorte ist nicht poli- isch motiviert, sondern erfolgt einzig nach polizeifachli- hen Überlegungen. Das ist auch richtig. Die Zentrale Direktion Bereitschaftspolizei ist benfalls dem neuen Bundespolizeipräsidium direkt achgeordnet. In der Direktion werden alle Führungs-, oordinierungs- und Unterstützungsaufgaben der ver- andorientierten Einsatzkräfte wahrgenommen. Die Di- ektion steuert die Einsatzbewegungen und sorgt für eine leichmäßig hohe Auslastung. Sie koordiniert einen effi- ienten Einsatz aller Bundesbereitschaftspolizeiabteilun- en. Dadurch gewährleistet sie den für geschlossene insätze absolut erforderlichen hohen Qualitätsstandard. urch diese Organisationsänderung werden vor allem ie Abteilungsstäbe reduziert, und die Personalstärke der insatzhundertschaften wird von 117 auf 123 Polizei- ollzugsbeamte erhöht. Die Bundespolizeiakademie ist zukünftig zentral zu- tändig für die Aus- und Fortbildung der Bundespolizis- en. Der Akademie zugeordnet sind weitere fünf Aus- nd Fortbildungszentren. Neben den veränderten Anforderungen im nationalen ereich hat sich in den letzten Jahren auch die grenzpoli- ische Zusammenarbeit erheblich verändert. Die interna- ionale Zusammenarbeit für die innere Sicherheit ge- innt auch für die Bundespolizei immer mehr an edeutung. Ein wichtiger Punkt ist der Austausch grenz- olizeilicher Verbindungsbeamter, die den direkten Aus- ausch mit den grenzpolizeilichen Behörden der Gastlän- er sicherstellen. Sie analysieren die grenzpolitische age und stehen als Mittler und Ratgeber zur Verfügung. nsgesamt 18 Verbindungsbeamte sind derzeit in 17 Län- ern eingesetzt, weitere Entsendungen sind in Vorberei- ung. Weiterhin wird jedoch auch die Teilnahme an poli- eilichen Auslandmissionen unter der Verantwortung der ereinten Nationen, der Europäischen Union und der esteuropäischen Union zunehmend an Bedeutung ge- innen. Dazu kommt außerdem die operative Zusam- enarbeit mit der Europäischen Agentur für die opera- ive Zusammenarbeit an den Außengrenzen, Frontex. Hinzu kommen außerdem die mandatsgebundenen uslandseinsätze, zu denen unter anderem auch der Ein- atz in Afghanistan gehört. Die Bundespolizei leistet mit hrer Arbeit einen wichtigen Beitrag zum Wiederaufbau fghanistans und dessen Weg zu innerer Stabilität, zu ei- em demokratischen Rechtsstaat. Für diesen und andere insätze wird zukünftig ein Pool für längerfristige Aus- andsverwendungen bei der Bundespolizei eingerichtet. Zuletzt unterstehen die Spezialverbände Bundespoli- eiflugdienst und die GSG 9 der Bundespolizei als zen- raler Bestandteil dem Bundespolizeipräsidium. Auch in er neuen Organisation sollen sie zentrale und den Ein- atz unterstützende Dienstleistungen von hoher Qualität Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11981 (A) ) (B) ) für die gesamte Bundespolizei und externe Bedarfsträger erbringen. Ihre ganz besondere Leistungsfähigkeit wird erhalten und ausgebaut werden. Die Spezialverbände werden in die Neuorganisation so integriert, dass diese Ziele erreicht werden. Prozessabläufe werden gestrafft und die Einbindung der politischen Entscheidungsebene für alle Aufgaben von besonderer Bedeutung sicherge- stellt. Wesentliche und übergreifende Entscheidungen mit Blick auf ihre Wirkung für die gesamte Bundespoli- zei werden grundsätzlich auf der Ebene des zukünftigen Bundespolizeipräsidiums getroffen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Reform der Bundespolizei aufgrund der veränderten und gestie- genen Anforderungen dringend notwendig ist. Die Poli- zei des Bundes muss an die aktuelle Lage – die terroristi- sche Bedrohung, die illegale Migration, die Schengen- Erweiterung und die Entwicklung einer europäischen Sicherheitsarchitektur – angepasst werden. Unsere Bun- despolizisten müssen in der Lage sein, angemessen auf die veränderte Situation zu reagieren. Eine Straffung der Organisationsstrukturen und der Abbau von Stabspersonal zur Gewinnung von mehr poli- zeilicher Präsenz sind unumgänglich, um die Effizienz der Bundespolizei zu steigern. Die Arbeit des Bundesinnenministers verlief zügig und vorbildlich. Standort- und andere Entscheidungen sind nicht aus politischen Gründen gefällt worden, son- dern dem Einsatz einer Projektgruppe aus Behördenlei- tern, Personalvertretern und anderen Experten zu ver- danken. Ich danke Herrn Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble und allen Beteiligten an dieser Reforment- scheidung an dieser Stelle für ihre hervorragende Arbeit. Wolfgang Gunkel (SPD): Heute behandeln wir gleich zwei Änderungen des Bundespolizeigesetzes. Mit dem ersten Gesetzesentwurf auf Drucksache 16/6291 soll die von Bundesinnenminister Schäuble im Novem- ber 2006 so überraschend angekündigte Reform der Bundespolizei verwirklicht werden. Eine Beteiligung des Deutschen Bundestages ist auf- grund der angeführten Änderungen im Bundespolizeige- setz erforderlich. Die SPD-Bundestagsfraktion ist schon seit der An- kündigung der Reform hinsichtlich des Zwecks skep- tisch. Diese Bedenken haben sich mit dem vorgelegten Regierungsentwurf noch verstärkt. Begründet wird die Reform mit der veränderten Si- cherheitslage im Zuge des weltweiten Terrorismus und des fortschreitenden europäischen Integrationsprozesses. Insbesondere die Tatsache, dass Deutschland ab dem nächsten Jahr nur noch von Ländern, die dem Schengen- Abkommen angehören, umgeben ist und deshalb die Grenzkontrollen wegfallen, ist für den Bundesinnen- minister Anlass, die bisherigen Strukturen zu überden- ken und zu verschlanken. Ebenso ist auch der finanzielle Aspekt der schrumpfenden Haushaltmittel Motivation für die Neugestaltung. e B b z t b B d w d f f d z u w k a F m – c a s ß d w s e n t Z B m f l B t d f g F m a s p v n a d m d A B (C (D Für die SPD-Bundestagfraktion stellen sich allerdings inige Fragen, welche die oben schon angekündigten edenken am Erreichen des Zwecks durch die Reform etreffen. Diese Bedenken, verbunden mit eigenen Ideen ur Umsetzung einer Umstrukturierung hat der stellver- retende SPD-Fraktionsvorsitzende Fritz Rudolf Körper ereits in der vergangenen Woche in einem Brief an den undesinnenminister formuliert. Ich möchte im Folgen- en einige der darin gestellten Fragen aufwerfen. Bei der von Bundesinnenminister Schäuble immer ieder – gerade in letzter Zeit – skizzierten Gefähr- ungslage erscheint es als geradezu paradox, eine Re- orm umzusetzen, die eine Veränderung der Aufgaben ür einige Tausend Polizeibeamtinnen und -beamten be- eutet. Dass sich mit dem Wegfall der Schengen-Gren- en auch eine veränderte Sicherheitslage darstellt, bleibt nbestritten. Diese muss allerdings sorgfältig evaluiert erden, bevor es zu einer Veränderung der Strukturen ommen kann. Die Erfahrungen der „Westerweiterung“, lso der Wegfall der Grenzen zu den Beneluxländern, rankreich und Österreich haben gezeigt, dass Aktionis- us in diesem Moment deplaziert ist. Denn es wurde ebenso wie jetzt an den Grenzen zu Polen und Tsche- hien – Personal abgebaut, welches dann bald wieder ufgebaut werden musste. Wenn man sich ein solches Hin und Her ersparen will, ollte man die Reduzierung von Personal in dieser Grö- enordnung noch einmal überdenken. Das gesetzte Ziel, die Strukturen zu verschlanken und ie Effizienz zu erhöhen, erscheint äußerst fraglich, enn man beachtet, dass keine Führungsebene wegfällt, ondern mit den erforderlich werdenden Revieren noch ine neue etabliert wird. Die Reviere werden allerdings ur aufgrund der flächenmäßigen Größe der neu gebilde- en Inspektionen nötig. Durch die lokale Ausweitung der uständigkeit von Inspektionen nimmt die Präsenz der undespolizei in der Fläche ab. Das vorgesehene Ziel, ehr Einsatzkräfte auf die Straße zu bringen, wird ver- ehlt. Das neue Bundespolizeipräsidium und die für Ange- egenheiten der Bundespolizei zuständige Abteilung im undesministerium des Inneren haben eine nahezu iden- ische Aufgabenstruktur. Dadurch werden Kosten ver- oppelt und nicht minimiert. An dieser Stelle wäre es achpolizeilich angebracht, dem Vorbild einiger – CDU- eführter – Landesinnenministerien zu folgen und die ührungsfunktionen beim Ministerium zu belassen. Da- it ist ein Bundespolizeipräsidium mit hohem Kosten- ufwand verzichtbar. Es ist nicht gelungen, die Standorte der Bundesbereit- chaftspolizei in Richtung der erkannten Einsatzschwer- unkte zu verlagern. Die Verbandskräfte werden nicht erstärkt, sondern geschwächt, denn effektiv können ach dem Gesetzesentwurf etliche Beamtinnen und Be- mte weniger eingesetzt werden. Diese Einheiten wer- en bei wichtigen Großeinsätzen, Einsätzen zur Terroris- usbekämpfung, bei denen sie die Landespolizeien oder as Bundeskriminalamt unterstützen, zukünftig fehlen. uch dies ist hinsichtlich der Bedrohungsvisionen des undesinnenministers umso unverständlicher. 11982 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) Wenn nach dem Wegfall der Schengen-Grenzen eine verstärkte Verlagerung der Einsatzschwerpunkte auf die Flughäfen erfolgt, ist es nicht nachvollziehbar, weshalb Flughafeninspektionen zu Revieren herabgestuft wer- den. Damit wird man den zukünftigen einzigen Außen- grenzen nicht gerecht. Ein weiterer Mangel ist die Nichtvorlage eines Orga- nisations- und Dienstpostenplanes durch das Bundes- innenministerium. Dadurch kann nicht nachvollziehbar erkannt werden, welche personellen Konsequenzen im Detail zu erwarten sind und mit welchem Kostenfaktor zu rechnen ist. Der vorliegende Gesetzesentwurf lässt befürchten, dass gerade bei der Kostenfrage geschönt worden ist. Die SPD-Bundestagsfraktion erwartet, dass es im an- stehenden Gesetzgebungsverfahren noch intensive Ge- spräche mit dem Bundesinnenministerium zu diesen Themen geben wird. Im zweiten Gesetzesentwurf auf Drucksache 16/6292, der uns heute vorgelegt wird, ist die Richtlinie 2004/82/ EG des Rates vom 29. April 2004 umgesetzt worden. Ein Vertragsverletzungsverfahren wegen nicht fristge- mäßer Umsetzung der Richtlinie wurde durch die Kom- mission bereits eingeleitet. Die Richtlinie sieht vor, dass Beförderungsunterneh- men auf Anforderung der Grenzschutzbehörden bei Flü- gen in den sogenannten Schengen-Raum bestimmte Passagierdaten übermitteln. Dabei handelt es sich um folgende Daten: Familienname und Vorname, Geburts- datum, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Nummer und Art des Reisedokuments, Nummer und ausstellender Staat des Aufenthaltstitels oder Flughafentransitvisums, Grenzübergangsstelle, Flugnummer, planmäßige Ab- flug- und Ankunftszeit und ursprünglicher Abflugort, gebuchte Flugroute, soweit sich das aus den vorgelegten und vorhandenen Buchungsunterlagen ergibt. Die Daten werden bei den Verkehrsunternehmen nach 24 Stunden gelöscht. Bei der Bundespolizei werden die Daten ebenfalls nach 24 Stunden gelöscht, dürfen aber nach den allgemeinen Regelungen gespeichert werden, soweit dies für die Aufgabenerfüllung der Bundespoli- zei, wie den Grenzschutz oder die Strafverfolgung, er- forderlich ist. Die Speicherung und Übermittlung der so gespeicherten Daten richtet sich nach dem Bundespoli- zeigesetz. Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt, dass lediglich die Übermittlung von zehn vertretbaren Grund- daten vorgesehen ist. Die Voraussetzungen zur Speiche- rung und Übermittlung der Daten wird gesetzlich geregelt. Im Gesetzgebungsverfahren müssen die daten- schutzrechtlichen Aspekte jedoch noch weiter überprüft werden. Gisela Piltz (FDP): Im Rahmen der Sicherheitsar- chitektur der Bundesrepublik Deutschland spielt die Bundespolizei eine zentrale Rolle. Eine effiziente Auf- gabenerfüllung trägt damit zu mehr Sicherheit in Deutschland bei. Vor allem müssen eine schlanke Struk- tur und klare Zuständigkeiten dazu beitragen, Reibungs- verluste zu vermeiden und erfolgreiche Arbeit sicherzu- stellen. z s D s ti g e B li d k z te n a tr B n s ti a g e m m f E ih p li g d g n h d v D k I d r ti e D k k u h n F s v s G w r Ü (C (D Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung ur Änderung des Bundespolizeigesetzes und anderer Ge- etze wird diesem Anspruch jedoch nur in Teilen gerecht. as Ziel, die Verwaltung zu straffen und die internen Ent- cheidungsstrukturen zu verbessern, teilt die FDP-Frak- on. Es ist aber fraglich, ob der Weg, den die Bundesre- ierung aufzeigt, zu diesem Ziel führt. Die Schaffung ines zentralen Bundespolizeipräsidiums und mehrerer undespolizeidirektionen ist jedenfalls nicht offensicht- ch geeignet, administrativen Überhang abzubauen und amit mehr Personal für das operative Geschäft freizube- ommen. Insbesondere wird in den weiteren Beratungen u hinterfragen sein, wie Doppelstrukturen und -kompe- nzen zwischen Bundespolizeipräsidium und Bundesin- enministerium vermieden werden können. Außerdem ist us unserer Sicht noch Erläuterung notwendig, weshalb otz der angestrebten Bündelung von Kompetenzen im undespolizeipräsidium nicht alle Aufgaben am Sitz des eu zu schaffenden Präsidiums wahrgenommen werden ollen. Gerade vor dem Hintergrund, dass die administra- ven Stäbe verkleinert werden sollen, erscheint mir doch uch die räumliche Zusammenführung zentral zu erledi- ender Aufgaben als logische Konsequenz. Dazu bedürfte s aber grundlegender Reformen, die die Bundespolizei fit acht für eine effektive Kriminalitätsbekämpfung. Eine ehr kosmetische Reparatur schafft nicht mehr Freiraum ür die Einsatzkräfte. Der Bundesregierung gelingt es mit dem vorliegenden ntwurf nicht, zu verdeutlichen, wie die Bundespolizei re Aufgaben mit einem zentralisierten Bundespolizei- räsidium besser wahrnehmen kann. Die Befürchtung egt nahe, dass eine Zentrale nach dem Vorbild des FBI eschaffen wird. Schon bei der Föderalismusreform hat ie FDP-Fraktion eine zentralisierte Polizeigewalt für anz Deutschland abgelehnt. Wirksame Kontrollmecha- ismen für ein bundesweit zuständiges Polizeipräsidium at die Bundesregierung jedoch nicht vorgelegt. Dabei ist ie Missbrauchsgefahr bei einer derartigen Bündelung on Polizeigewalt in einer einzigen Behörde als oberster ienstherr aller weiteren Bundespolizeibehörden in einem ünftig nur noch zweistufigen Aufbau deutlich größer. nsbesondere vor dem Hintergrund der ständig wachsen- en Aufgaben und Kompetenzen, die die Bundesregie- ung den Sicherheitsbehörden zuweist, ist eine vernünf- ge Kontrollstruktur aber von größter Bedeutung. Die Umstrukturierung der Bundespolizei muss, um ine positive Wirkung auf die Sicherheitslage in eutschland entfalten zu können, noch erheblich kon- retisiert werden. Die FDP-Fraktion wird sich an einer onstruktiven Debatte hierzu beteiligen; denn es muss nser gemeinsames Ziel sein, die Kräfte in den Sicher- eitsbehörden sinnvoll einzusetzen und dazu auch die otwendigen gesetzlichen Klarstellungen zu treffen. lankierend müssen bei der Neuorganisation der Ein- atzkräfte an den verschiedenen Standorten und in den erschiedenen Bereichen personelle und materielle Res- ourcen klug umgeschichtet werden. Hier geht es um die rundsatzentscheidung, in welche Bereiche investiert erden soll. Mehr Einsatzkräfte vor Ort und an Gefah- enstellen können nicht durch immer mehr technische berwachungsmaßnahmen ersetzt werden. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11983 (A) ) (B) ) Das zweite Gesetz, das wir heute zu beraten haben, ist ein Ausdruck der heute in Deutschland und leider auch in der EU schwindenden Beachtung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Die Datensammel- wut sucht sich beständig neue Felder. Nach dem vorlie- genden Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundespolizeigesetzes können auf Anordnung der Bun- despolizei von Flugreisenden, die von außerhalb des Schengen-Gebiets nach Deutschland kommen, perso- nenbezogene Daten erhoben und für mindestens 24 Stun- den gespeichert werden. Der dadurch angekündigte Ge- winn an Sicherheit ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. Denn die Daten müssen doch erst einmal ver- arbeitet werden. Entweder muss dafür zusätzliches Per- sonal eingesetzt werden, oder aber das vorhandene Per- sonal wird mit der Aufgabe betraut, sodass diese Kräfte dann bei den tatsächlichen Grenzkontrollen fehlen. Der Argumentation der Bundesregierung, durch die Vorab- übermittlung würde den Bundespolizisten mehr Zeit bleiben, die Einreisekontrollen durchzuführen, ist eine Milchmädchenrechnung: Daten, die erhoben werden, sind nur dann hilfreich, wenn sie auch ausgewertet werden. Und das passiert nicht von selbst, sondern bindet Kraft und Zeit, die oft sinnvoller eingesetzt werden könnte. Die angenommene Zahl von 3 000 kontrollierten Flügen mit ungefähr je 200 Passagieren ergibt 600 000 zu überprü- fende Datensätze pro Jahr. Und damit ist dann immer noch nicht gesichert, dass ausgerechnet von dem Flieger, in dem wirklich ein potenzieller Terrorist sitzt, die Daten angefordert wurden. Besser wäre es daher, das Augen- merk auf die Arbeit vor Ort zu legen und nicht auf das Datensammeln. Die Umsetzung der europäischen Richt- linie, auf der das Gesetz basiert, darf daher nicht dazu führen, dass von der Ermächtigung ausufernd Gebrauch gemacht wird. Hier brauchen wir ein klares politisches Signal: Die informationelle Selbstbestimmung darf nicht ins Hintertreffen geraten. Nach der Darstellung der Bundesregierung werden die Kosten, die durch die Verpflichtung zur Datenüber- mittlung auf die Luftverkehrsgesellschaften zukommen, zu vernachlässigen sein. Die Kostenschätzung der Bun- desregierung beläuft sich auf circa 100 000 Euro jähr- lich. Da es sich bei der Übermittlung der Daten um eine Pflicht handelt, die die Luftverkehrsunternehmen nicht im eigenen Interesse erbringen, sondern quasi als „ver- längerter Arm" der Bundespolizei, ist es nach Ansicht der FDP-Fraktion erforderlich, dass sie hierfür eine Kompensation erhalten. Eine entsprechende Regelung muss in das Gesetz aufgenommen werden. Die FDP-Fraktion wird die beiden Gesetzesvorhaben in den anstehenden weiteren Beratungen kritisch, aber gerne konstruktiv begleiten. Die Schaffung einer Sicher- heitsarchitektur in Deutschland, die auf klaren Kompe- tenzzuweisungen, effizienten Strukturen und einer ver- nünftigen Prioritätensetzung unter Wahrung und Beachtung der Grundrechte beruht, ist für die Liberalen eines der zentralen Anliegen in der Innenpolitik. Petra Pau (DIE LINKE): Erstens. Wir reden wieder einmal über eine Reform der Bundespolizei. Sie wurde als Jahrhundertwerk angekündigt, kommt aber nur Scheibchenweise bei den Parlamentariern an. Und so s D b p Z f d g A w g b h d d t e s A g B s k r b d h b s s f t P E d d ü M g u f M n G A G B f s (C (D teht auch heute wieder nur ein kleiner Ausschnitt zur ebatte, während die großen Fragen im Dunkeln blei- en. Das kritisiere ich. Es geht um eine Strukturreform. Die Zahl der Stütz- unkte der Bundespolizei wird verkleinert. Es kommt zu usammenlegungen und zu Versetzungen. Das alles hat ür viele eine soziale Komponente. Bis heute aber wer- en die davon Betroffenen nicht hinreichend einbezo- en. Auch das ist schlecht. Zweitens. Und es geht um eine Funktionalreform. Die ufgaben der Bundespolizei sollen anders gewichtet erden. Sie bekommt neue Befugnisse und andere Vor- aben, unter denen die Bundespolizei die neuen Aufga- en wahrnehmen soll. Und genau deshalb ist es nicht innehmbar, die Scheibchen dem Bundestag vorzulegen, as große Ganze aber nicht. Heute steht unter anderem zur Debatte, dass die Bun- espolizei zum Beispiel Flugunternehmen Passagierda- en abverlangen kann. Mit dieser Gesetzgebung werde ine bindende EU-Vorgabe umgesetzt, heißt es. Was in- ofern eine Halbwahrheit ist, weil deutsche Innen- und ußenminister vordem heftig auf diese EU-Regelung edrängt hatten. Drittens. Zur Funktionalreform gehört auch, dass die undespolizei künftig lageunabhängig, man könnte auch agen nach Willkür, Personenkontrollen durchführen ann. Ich halte das für höchst bedenklich, weil damit echtsstaatlicher Boden verlassen wird. Aber diese De- atte werden wir ja noch einmal führen. So, wie ich eine weitere Debatte anmahne. Die Bun- espolizei soll darauf vorbereitet werden, dass sie noch äufiger im Ausland eingesetzt wird, als bislang. Und da in ich bei einer Grundfrage. Denn, wenn das so vorge- ehen ist, dann ist es auch höchste Zeit, dass Polizeiein- ätze im Ausland nicht länger am Parlament vorbei be- ohlen werden können. Viertens. Bundesinnenminister Schäuble hat den Sta- us quo einmal trefflich beschrieben. Wenn es ein kleines roblem gibt, dann schicken wir die Bundeswehr zum insatz. Wenn es schwierig wird, dann greifen wir auf ie Polizei zurück. Und wenn es ganz kompliziert wird, ann muss das THW herhalten. Warum das so ist, ist bersichtlich: Für Bundeswehreinsätze im Ausland bedarf es einer ehrheit im Parlament. Je kleiner das Problem ist, desto rößer scheint die Mehrheit dafür. Umgekehrt: Umso nsicherer die parlamentarische Mehrheit ist, desto häu- iger wird die Bundespolizei anstatt der Bundeswehr in arsch gesetzt. Das ist nicht akzeptabel, übrigens auch icht für die Polizisten. Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN): In einer Nacht-und-Nebel-Aktion, ohne ussprache im Parlament, findet die erste Lesung des esetzes zur Strukturreform der Bundespolizei statt. undesinnenminister Schäuble hat allen Grund, die of- ene Debatte im Bundestag zu scheuen. Die Neuorgani- ation der Bundespolizei ist Murks. Sie gibt weder Ant- 11984 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) wort auf wichtige inhaltliche Fragen der zukünftigen Arbeit der Polizeibehörden des Bundes noch können mit dieser Strukturreform die vorgegebenen Ziele erreicht werden. Wir kündigen jetzt schon mal an: Wir wollen eine in- tensive Beratung im Innenausschuss, wir verlangen die Offenlegung der Umsetzung im Detail, und wir werden eine Anhörung beantragen. Bislang habe ich den Ein- druck, dass hier in verantwortungsloser Weise Geld ver- schleudert wird, um Wasserkopfstrukturen mit polizeili- chen Führungsämtern zu erhalten. Statt einer Stärkung des Einzeldienstes sehe ich einen Rückzug aus der Flä- che. Ich melde parlamentarischen Diskussionsbedarf da- rüber an, ob es richtig ist, wenn sich die Bundespolizei immer mehr aus der Fläche zurückzieht und ihre originä- ren Aufgaben wie die Sicherheit im Bahnverkehr zu- rückschraubt. Gerade in den Abend- und Nachtstunden erwarten wir eine verbesserte Präsenz der Bundespolizei auf den Regionalbahnhöfen und in den Nahverkehrs- zügen der DB. Wir haben uns immer für eine grundlegende Bundes- polizeireform ausgesprochen. Aber am Anfang einer Reform steht eine grundlegende neue Bestimmung der Aufgabenschwerpunkte. Wir sind für flache Hierarchie- ebenen und den Abbau von Mittelbehörden. Schon an den Bezeichnungen der Polizeibehörden wird deutlich, dass wir teure Doppelstrukturen aufrechterhalten. Was soll ein Bundespolizeikriminalamt und ein Bundeskrimi- nalamt? Wofür brauchen wir überhaupt ein Bundespoli- zeipräsidium, wenn die gleichen Koordinierungs- und Führungsaufgaben im Bundespolizeireferat des BMI wahrgenommen werden? Wir haben die Einsetzung einer Reformkommission gefordert. Das im BMI weitgehend ohne Beteiligung der Bediensteten erarbeitete Konzept zeigt, wie recht wir hatten. Weder wurden die Schnittstellen zwischen Bun- despolizei und Länderpolizei untersucht, noch ist ein Abbau von Doppelstrukturen zwischen BKA und Bun- despolizei erkennbar. Im Bereich der Bahnsicherheit und Flugsicherheit haben wir durch eine falsche Privatisie- rungspolitik erhebliche Sicherheitslücken, ein bundes- weit abgestimmtes Konzept zur Grenzsicherung nach der Erweiterung des Schengen-Raumes liegt nicht vor. Mich ärgert, dass seit Wochen Entwürfe für eine grundlegende Änderung des BKA-Gesetzes herumgeis- tern, die eine geradezu monströse Aufblähung dieses Apparates bringen wird. Wie auf einem Flohmarkt wurde alles zusammengesucht, was man aus den Polizei- gesetzen der Länder und aus dem Bundespolizeigesetz so brauchen kann. Auf die Strukturreform der Bundes- polizei hat es offensichtlich nicht den geringsten Ein- fluss, dass hier beim BKA nach dem Willen des BMI pa- rallele Befugnisse geschaffen werden sollen. Dies ist doch blanker Unsinn. Hier wird es doch zukünftig eine ständige Abordnung von einer Sicherheitsbehörde zur anderen geben. Was erhalten bleibt, sind die Wasser- köpfe in den Zentralen. k g d z v n b r t h z m M l z W d d n p v d in a d w p C d n S n D c ä g p p B z e k b z A e t Z w d F (C (D Lassen Sie mich zum Abschluss noch eine Anmer- ung zur Umsetzung der Ratsrichtlinie über die Weiter- abe von Passagierdaten machen. Hier wird mal wieder as EU-Soll übererfüllt. Luftfahrtunternehmen werden ur Übermittlung von Daten der Drittstaatenangehörigen erpflichtet. Ich frage mich dabei, ob die Anlage ständig euer Datenbestände tatsächlich ein Mehr an Sicherheit ringt. Es schwächt auch unsere Position in den schwie- igen Verhandlungen mit den USA über die Weiterlei- ung von Daten der EU-Bürger an die dortigen Sicher- eitsbehörden. Gert Winkelmeier (fraktionslos): Es ist schon be- eichnend für diese Sicherheitswahn-Regierung, dass an eine heikle Debatte in der Tagesordnung kurz vor itternacht versteckt. So setzt man darauf, dass mög- ichst wenige Journalisten den dringend gebotenen Streit um Thema verfolgen, und so auch der Souverän – die ählerinnen und Wähler – nur spärlich informiert wer- en. Man muss schon ein wenig tiefer in die Materie ein- ringen, um zu wissen, dass es sich beim Tagesord- ungspunkt „Drittes Gesetz zur Änderung des Bundes- olizeigesetzes“ im Kern um die Debatte zur Weitergabe on Fluggastdaten handelt. Diese aber wird man nur in en zu Protokoll gegebenen Reden nachlesen können. Alle Passagiere, die über die Schengen-Außengrenzen die Bundesrepublik einreisen, müssen künftig davon usgehen, dass ihre persönlichen Daten (Name, Geburts- atum, Geschlecht etc.) der Bundespolizei übermittelt erden können. Denn die Fluggesellschaften sind ver- flichtet, alle erhobenen Angaben unverzüglich nach dem heck-in weiterzugeben. Lapidar könnte man sagen: Deutschland muss endlich ie entsprechende EU-Richtlinie umsetzen, weil sonst ach dem angestrengten Vertragsverletzungsverfahren trafzahlungen drohen. Herr Schäuble kann also gar ichts dafür. Nur anscheinend wollte es „Minister r. Maßlos“ mal wieder noch besser und noch gründli- her machen. – Am liebsten hätte er für die EU ja eine hnliche Regelung wie in den USA gehabt. – Der vorlie- ende Gesetzentwurf geht über die Vorgaben der Euro- äischen Union hinaus. Gründlichkeit gilt zwar als ty- isch deutsche Tugend, aber auch das Hohelied auf die ürgerrechte wurde hierzulande über Jahre wie eine Art weite Nationalhymne intoniert. Damit scheint es nun ndgültig vorbei zu sein. Zwar hegt der Datenschutzbeauftragte des Bundes eine Bedenken gegen das Gesetz, da die Daten sowohl ei den Fluggesellschaften als auch bei der Bundespoli- ei nach 24 Stunden wieder gelöscht werden müssen. ber es gibt natürlich – wie immer – Ausnahmen, wenn s um „Grenzsicherung“ oder die „Verfolgung von Straf- aten“ geht. Hier muss man die Frage stellen: Ist das im weifelsfall Ermessenssache der Bundespolizei? Und an elchen Maßstäben wird es ermessen? Das Gesetz regelt ies nicht. Die Bundesregierung sieht in der Übermittlung der luggastdaten „ein wichtiges Instrument zur Verbesse- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11985 (A) ) (B) ) rung der Einreisekontrolle und zur Bekämpfung illegaler Einwanderung“. Der Innenminister betont zudem den „Mehrwert für die Terrorismusbekämpfung“. Ich sehe in dieser Erhebung eine weitere Etappe beim Abbau der Bürgerrechte. Die Datensammelwut geht wei- ter, jeder und jede Einzelne wird erst einmal unter Gene- ralverdacht gestellt. Vor dem Hintergrund der geschürten Angst vor dem „Internationalen Terrorismus“ finden In- nenminister Schäuble und seine Adjutanten immer wie- der Schleichwege weg von der Bürgerrechtsgesellschaft hin zum Überwachungsstaat. Und weil es sich im Dunkeln noch unauffälliger schleichen lässt, verlegt man solch heikle Debatten lie- ber mitten in die Nacht einer Parlamentssitzung. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Entwürfe: – Erstes Gesetzes zur Änderung des Tier- schutzgesetzes – … Gesetzes zur Änderung des Tierschutz- gesetzes (Tagesordnungspunkt 21 a und b) Dr. Peter Jahr (CDU/CSU): Mit dem von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Geset- zes zur Änderung des Tierschutzgesetzes sollen mobile Tierschauen und Zirkusbetriebe mit Tierhaltung in ei- nem entsprechenden Register erfasst werden. Damit greift die Bundesregierung eine Entschließung des Bun- desrates vom 17. Oktober 2003 zum Verbot der Haltung bestimmter wildlebender Tierarten im Zirkus und zur Einrichtung eines Zirkuszentralregisters auf. Dies wurde vor allem aufgrund von nicht zufriedenstellenden Hal- tungsbedingungen von Zirkustieren gefordert. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird dem Anliegen des Bundesrates teilweise Rechnung getragen. Durch das Register soll erreicht werden, dass in jedem Bundesland von den Behörden dieselben Daten erhoben und in allen Behörden automatisierte Verfahren angewendet werden, damit eine schnelle Datenübermittlung möglich wird. Dies ist erforderlich, um die Einhaltung tierschutzrecht- licher Vorschriften bei Betrieben, die regelmäßig ihren Standort wechseln, effektiv zu überwachen. Für mich als Tierschutzbeauftragten der Fraktion ist dies ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Der Gesetzentwurf beinhaltet die Chance, die Diskussion zu versachlichen. Beispiele aus der Nutztierhaltung bewei- sen, dass eine Erfassung des Tieres lückenlos nachvoll- ziehbare Informationen ermöglicht. Damit können unge- rechtfertigte Pauschalangriffe auf die Zirkusbetriebe verhindert werden. Insgesamt geht es darum, bei den Zirkusbesitzern die sogenannten schwarzen Schafe von den anderen zu trennen. Ich freue mich auf die Beratung in dem zuständigen Ausschuss. r S d a v z 7 h f n B s U d S g g R w g S A w S b e l e G z e ü A u R r s d Z g T B t t i i f u t d S s d (C (D Seit der Bundesrat die Gesetzesinitiative zur Ände- ung des Tierschutzgesetzes der Länder Hessen und chleswig-Holstein in den Bundestag einbrachte, reißt er Strom von Bürgerzuschriften in meinem Büro nicht b. Es waren nicht nur organisierte Tierschützer, sondern or allem einfache Bürger, denen dieses Thema am Her- en liegt. Sie alle kennen sicher diese Briefe. Bereits 2001 ergab eine Umfrage des Spiegels, dass 9 Prozent der Befragten das Schächten ablehnen. Des- alb ist es für die Mehrheit der Bevölkerung wie auch ür mich als Landwirt und Tierschutzbeauftragten mei- er Fraktion nicht nachvollziehbar, weshalb sich die undesregierung offensichtlich einer Unterstützung die- es Antrages verweigert. Das Bundesverwaltungsgericht selbst hat durch sein rteil aus dem November des letzten Jahres die Notwen- igkeit einer erneuten Klärung der Problematik des chächtens durch den deutschen Gesetzgeber notwendig emacht. Wir sind als Gesetzgeber an das Grundgesetz ebunden. Das viel beredete Spannungsfeld zwischen eligionsfreiheit und Tierschutz muss von uns geklärt erden. An dieser Stelle sei mir eine wichtige Vorbemerkung estattet. Im umgänglichen Sprachgebrauch wird unter chächten das betäubungslose Töten von Tieren durch usblutung verstanden. Dies geht an der aktuellen Ent- icklung völlig vorbei. Die religiösen Vorschriften zum chächten treffen keine Aussage zur Frage der Betäu- ung. Vielmehr geht es um das Töten des Tieres mittels ines Schnittes und das anschließende Ausbluten. Mitt- erweile haben sich in der Praxis Schächtverfahren tabliert, bei der das Tier vorher betäubt werden kann. enau das ist aber die Kernfrage. Oder um es deutlicher u sagen: Niemand in Deutschland hat die Absicht, sich inzumischen, wenn eine bestimmte religiöse Grund- berzeugung ein spezielles Tötungsverfahren definiert. ber kein Gott dieser Welt gibt uns das Recht, dem Tier nnötiges Leid zuzufügen, ganz im Gegenteil: In allen eligionen finden wir Hinweise, die von einer besonde- en Verantwortung gegenüber unseren Mitgeschöpfen prechen. Genau dieser Aufgabe stellt sich der Gesetzentwurf es Bundesrates zur Änderung des Tierschutzgesetzes. iel des Gesetzesantrages ist es, verschärfte Anforderun- en an Ausnahmegenehmigungen zum Schächten im ierschutzgesetz festzulegen. Danach soll die zuständige ehörde eine Ausnahmegenehmigung für eine Schlach- ung ohne Betäubung nur erteilen dürfen, wenn der An- ragsteller beweisen kann, dass zwingende Vorschriften hm das Schächten vorschreiben und dass das Schächten m Verhältnis zum Schlachten mit vorheriger Betäubung ür das Tier keine zusätzlichen erheblichen Schmerzen nd Leiden bedeutet. Als Tierschutzbeauftragter der CDU/CSU-Bundes- agsfraktion befürworte ich diesen Gesetzesentwurf. Nur urch ein Tätigwerden des Bundesgesetzgebers kann das pannungsfeld zwischen den Verfassungsgütern Tier- chutz und Religionsfreiheit in einer Weise gelöst wer- en, die beiden gerecht wird. 11986 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) So ist der geforderte Nachweis zwingender religions- gemeinschaftlicher Vorschriften eine Verbesserung der bisherigen Praxis. Der Tierschutz wird dadurch nicht mehr der Beliebigkeit preisgegeben. Besonders zu be- grüßen ist zudem das Erfordernis einer Vergleichbarkeit mit den entstehenden Schmerzen der Tiere. Für die Tiere darf das Schächten nicht mit erheblich mehr Leiden ver- bunden sein, als sie beim gewöhnlichen Schlachten auf- treten. Eine solche bundesweit einheitliche Lösung in dieser wichtigen Frage, die viele Bürgerinnen und Bür- ger bewegt, ist längst überfällig. Die Einschätzung der Bundesregierung, dass die Ver- schärfung der Anforderungen für das Schächten verfas- sungsrechtlich bedenklich sei, teile ich nicht. Denn das Schächten wird nicht verboten werden, sondern die An- forderungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmi- gung, also für das betäubungslose Schächten, werden im Lichte der Staatszielbestimmung des Tierschutzes ange- messen bewertet. Denn der Gesetzestext ist eine be- wusste Wertentscheidung unserer Gesellschaft für den Tierschutz! Dies bedeutet keinen unbegrenzten Tier- schutz, aber auch keine grundsätzliche Höherstellung der Religionsfreiheit. Aufgabe des Gesetzgebers ist es, zwischen den sich gegenüberstehenden Verfassungs- gütern einen Ausgleich zu finden, der allen betroffenen Belangen gerecht wird. Demnach sieht die Gesetzesini- tiative auch kein grundsätzliches Verbot, sondern eine verstärkte Beschränkung des Schächtens im Interesse des Tierschutzes vor. Die Tatbestandsmerkmale des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 Tierschutzgesetz müssen demnach enger zu verstehen und objektiv überprüfbar sein. Im Hinblick auf religiöse Überzeugungen werden aber auch weiterhin Ausnahmen möglich sein. Deren Vorraussetzungen hat dann aber der Antragssteller darzulegen. Im Hinblick auf das hohe Gut des Tierschutzes ist dies auch angemessen. Das Kriterium der Vermeidung zusätzlicher erhebli- cher Leiden und Schmerzen wird ebenfalls dem Verfas- sungsrang des Tierschutzes gerecht. Es besteht kein reli- giös begründetes Interesse an zusätzlichen erheblichen Schmerzen beim Töten von Tieren. Sowohl Tierschützer als auch die Glaubensgemeinschaften stimmen in dem Bestreben überein, Tiere vor vermeidbaren Schmerzen zu schützen. So galt das rabbinische Gebot, den „Schmerz der Tiere“ zu vermeiden, schon lange vor europäischen Tierschutzgesetzen. Auch vonseiten isla- mischer Rechtsgelehrter gibt es Aussagen, die die Betäu- bung vor dem Schächten nicht im Widerspruch mit den islamischen Vorschriften sehen. Beispielsweise sei ein Gutachten des Hohen Amtes für Religiöse Angelegen- heiten der Türkischen Republik aus dem Jahr 2004 er- wähnt. Hierin heißt es, dass „Schlachttiere weder gequält werden noch unnötig leiden sollen. Die Betäubung der Tiere vor dem Schächten ist nicht gegen den islamischen Sinn des Schächtens“. Weiterhin stellt das Europäische Halal-Zertifizierungsinstitut, getragen vom Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland und dem Bündnis der islamitischen Gemeinschaften in Norddeutschland, fest, dass „Betäubungsmethoden, die die Tiere vor Schmer- zen und Leiden bei der Schlachtung schützen, anzuwen- den sind“. d n D t b A s n s i b b l R u v t „ s v t g B v b d w g l t v m D i D p s L Ö b k A t a v m w v e c m w d S S (C (D Dabei stellt sich die Frage nach der praktischen Be- eutung der Ausnahmegenehmigungen. Zunächst muss och einmal daran erinnert werden, es besteht in eutschland ein grundsätzliches Verbot für ein Schlach- en ohne Betäubung. Gemäß dem Tierschutzgesetz edarf es jedoch keiner Betäubung, wenn dafür eine usnahmegenehmigung erteilt wurde. Diese darf nur in- oweit erteilt werden, als es erforderlich ist, den Bedürf- issen von Angehörigen bestimmter Religionsgemein- chaften zu entsprechen, denen zwingende Vorschriften hrer Religionsgemeinschaften das Schächten vorschrei- en. Dabei wird auch hier das Schächten mit dem betäu- ungslosen Töten von Tieren gleichgesetzt. Die religiösen Vorschriften im Judentum und im Is- am zielen darauf ab, dass das Essen rein ist. In beiden eligionen gilt Fleisch nur dann als rein, wenn es lebend nd unversehrt ausgeblutet ist. Allerdings kommt eine om Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundes- ages angefertigte Ausarbeitung zum Schluss, dass Ausnahmegenehmigungen nicht in der Weise prakti- che Relevanz besitzen, wie dies in den Medien zum Teil ermittelt wird“. Außer in Bayern und Baden-Würt- emberg waren im Zeitraum 2003 bis 2006 Ausnahme- enehmigungen zum Schächten praktisch nicht von edeutung. Die geringe Inanspruchnahme ist mit der erbreiteten Anwendung der „Elektrokurzzeitbetäu- ung“ zu erklären. Anscheinend wird diese Methode von en betroffenen Akteuren als Möglichkeit akzeptiert, so- ohl den Belangen des Tierschutzes als auch den reli- iösen Speisevorschriften gerecht zu werden. Auf Grundlage dessen muss ein vorurteilsfreier Dia- og möglich sein, ob eine Betäubung von Tieren unmit- elbar vor dem Schächten mit den religiösen Vorschriften ereinbar ist. Meiner Meinung nach ist ein Kompromiss öglich. Das Tier wird nur betäubt, es ist also nicht tot. as unmittelbar anschließend stattfindende Schächten st also möglich. Das Tier spürt jedoch keine Schmerzen. amit kann der Religionsfreiheit und dem Tierschutz raxisgerecht Rechnung getragen werden. Dies ent- pricht auch den Erfahrungen, die bereits in anderen ändern gemacht worden sind. So haben in Dänemark, sterreich und den USA Muslime die Kurzzeitbetäu- ung vor dem Schächtschnitt als Kompromiss aner- annt. Eben diese Methode der Elektrokurzzeitbetäubung als lternative zum betäubungslosen Schächten beabsich- igt auch die Gesetzesinitiative in das Tierschutzgesetz ufzunehmen. Tiere sind vor dem Schlachten wirkungs- oll zu betäuben. Jede Begründung, warum Tiere nicht it modernen Methoden vor dem Schlachten betäubt erden können, ist schlicht und ergreifend nicht nach- ollziehbar. Die Gesetzesinitiative erscheint mir hierbei ine angemessene Antwort. Abschließend möchte ich noch einmal deutlich ma- hen, dass das betäubungslose Schlachten grausam und it erheblichem Leid der Tiere verbunden ist. Die not- endige Fixierung der Tiere auf dem Rücken oder auf er Seite ist im hohen Maße angstauslösend. Beim chächtschnitt selbst erleiden die Tiere erhebliche chmerzen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11987 (A) ) (B) ) Wissenschaftliche Untersuchungen haben zudem er- geben, dass die Tiere noch bis zu mehreren Minuten nach dem Schnitt bei vollem Bewusstsein sind. So durchleiden die Tiere mitunter einen mehrminütigen Todeskampf, obwohl Hauptschlagader und Luftröhre durchtrennt worden sind. Aus Sicht des Tierschutzes ist das betäubungslose Tö- ten von Tieren unbedingt abzulehnen. Ziel muss es sein, dass in Deutschland das Schächten ohne Betäubung verboten bleibt. Tierschutzgerechte Schlacht- und Betäu- bungsmethoden, die den religiösen Bedürfnissen Rech- nung tragen, sind vorhanden und müssen genutzt wer- den. Deshalb unterstütze ich die vorgeschlagene Gesetzesänderung des Bundesrates. Diese ermöglicht es, den Tierschutz mit den betroffenen Grundrechten wirk- lich in ein ausgeglichenes Verhältnis zu bringen und dem seit 2002 bestehenden Verfassungsrang des Tierschutzes endlich gerecht zu werden. Die schroffe Ablehnung seitens der Bundesregierung ist übereilt und nicht nachvollziehbar. Hier besteht noch erheblicher Diskussionsbedarf. Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Zu sehr später Stunde sind zwei Gesetzesvorlagen zur Änderung des Tierschutzgesetzes in erster Lesung aufgerufen. Der erste Gesetzentwurf, der uns heute beschäftigt, soll den Weg ebnen zur Errichtung eines Zirkuszentralregisters. Nach vielen Diskussionen wird nun endlich dafür ge- sorgt, dass die einschlägigen Bestimmungen zum Tier- schutz in unseren Zirkusunternehmen besser überwacht werden können. Das geplante Register wird bundesweit mobile Tierschauen und Zirkusbetriebe mit Tierhaltung erfassen. Es gibt circa 300 Zirkusunternehmen, in denen Tiere mitgeführt werden. Wir wissen aus der Anhörung unse- res Ausschusses, dass es in diesen Unternehmen immer wieder zu gravierenden Mängeln kommt. Zirkusunter- nehmen sind ein traditionell reisendes Gewerbe. Bisher war er ihnen möglich, sich durch Standortwechsel den behördlichen Auflagen zu entziehen. Für die regional zuständigen Vollzugsbehörden und Veterinärämter ist es enorm schwierig, die tierschutzrechtlichen Vorgaben tat- sächlich durchzusetzen. Mit dem vorliegenden Gesetz- entwurf schaffen wir nun endlich die Möglichkeit einer effektiven Überwachung und der Einhaltung tierschutz- rechtlicher Vorschriften. Wir stellen sicher, dass alle not- wendigen Daten über Missstände, Mängel und behördli- che Auflagen zentral erfasst und allen für die Aufsicht von Zirkusunternehmen zuständigen Behörden länder- übergreifend zugänglich gemacht werden. Daher be- grüße ich diesen Gesetzentwurf ausdrücklich und unter- stütze ihn. Bei der Gesetzesvorlage des Bundesrates zur Ände- rung des Tierschutzgesetzes debattieren wir, unter wel- chen Voraussetzungen in Deutschland geschächtet wer- den darf. Diese Frage hat die tierschutzpolitische Diskussion seit vielen Jahren entscheidend bestimmt und wesentlich dazu beigetragen, dass der Tierschutz als Staatsziel in unser Grundgesetz aufgenommen wurde. D z t d d D m s s l v s s u w r v b s d 2 s t h a m F d r m e h T z u d t i A s f d d g d g U w f a v w d g A z (C (D amit haben wir das rechtliche Gewicht des Tierschut- es eindeutig gestärkt. Als tierschutzpolitischer Sprecher der SPD-Bundes- agsfraktion und auch als Tierarzt, der verpflichtet ist, as Leiden von Tieren zu verhüten, fühle ich mich durch ie Schächtproblematik in besonderer Weise betroffen. as Töten eines Tieres ist immer ein dramatischer Mo- ent, der bei vielen Menschen – selbst wenn vorge- chriebene Betäubungsmethoden angewendet werden – ehr starke Emotionen und eine große Betroffenheit aus- öst. Darum liegt mir die tierschutzgerechte Betäubung on Schlachttieren in besonderer Weise am Herzen. Nur o lässt sich unnötiges Leiden von Tieren vermeiden. Es herrscht ein breiter Konsens in unserer Gesell- chaft und es ist ein ethisches Gebot, dass wir auch für nsere Tiere als Mitgeschöpfe eine besondere Verant- ortung tragen. Das betäubungslose Schlachten von Tie- en regelt § 4 a Abs. 2 des Tierschutzgesetzes. Der nun om Bundesrat auf Initiative des Landes Hessen einge- rachte Gesetzesentwurf zur Novellierung des Tier- chutzgesetzes ist vor dem Hintergrund der Entschei- ung des Bundesverwaltungsgerichtes vom November 006 zu sehen. Dieses Urteil hat das Recht eines türki- chen Metzgers bestätigt, in seinem Betrieb Schlacht- iere zu schächten. Ich möchte in diesem Zusammen- ang alle zu einer sachlichen Diskussion aufrufen, in der uch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts it einbezogen werden muss. Wir müssen im konkreten all eine angepasste Rechtsgüterabwägung zwischen em Tierschutz als Staatziel einerseits und dem Grund- echt auf Religionsfreiheit auf der anderen Seite vorneh- en. Den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf halte ich für ine gute Grundlage, dieses Thema noch einmal ernst- aft zu diskutieren. Ich stelle gleichzeitig fest, dass sich dieses sensible hema jedoch nicht dazu eignet, politische Profilierung u betreiben. In den vergangenen Monaten haben mich nzählige Briefe von Bürgern und Bürgerinnen erreicht, ie sich kritisch und ernsthaft mit der Schächtproblema- ik auseinandersetzen. Vielen Kolleginnen und Kollegen n diesem Haus geht es ähnlich. Ich habe viele fundierte rgumente wahrgenommen und werde mich bemühen, ie in meinen persönlichen Entscheidungsprozess ein- ließen zu lassen. Mich haben aber auch Briefe erreicht, eren Inhalt gegen die Glaubensüberzeugung unserer jü- ischen und muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbür- er gerichtet ist. Das macht mich sehr betroffen. Wir ürfen und werden es nicht zulassen, dass Argumente egen das Schächten mit zum Teil klaren rassistischen ntertönen unterlegt werden. Eine Debatte – egal zu elchem Thema – auf dem Rücken von Minderheiten zu ühren, ist zutiefst verabscheuenswürdig und muss von llen am Diskussionsprozess Beteiligten aufs Schärfste erurteilt werden. In der Diskussion um den vorliegenden Gesetzent- urf werden wir prüfen müssen, ob es nach Abwägung er bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungs- erichts möglich ist, den Anwendungsbereich des § 4 a bs. 2 des Tierschutzgesetzes so zu fassen, dass die An- ahl der in Deutschland geschächteten Tiere auf ein Mi- 11988 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) nimum reduziert wird. Wie es im Gesetzentwurf vorge- sehen ist, soll der Antragsteller zukünftig für jeden einzelnen Schlachtvorgang zwingend den Begründungs- zusammenhang zwischen seinem individuellen Glau- bensinteresse und dem Schächten darlegen. Das befür- worte ich ausdrücklich. Den zweiten Halbsatz der Gesetzvorlage sehe ich je- doch kritisch. Hier wird der Nachweis des Antragstellers gefordert, „… dass vor, während und nach dem Schächt- schnitt bei dem Tier im Vergleich zu dem Schlach- ten mit der vorgeschriebenen vorherigen Betäubung keine zusätzlichen erheblichen Schmerzen oder Leiden auftreten …“ Dieser Nachweis kann nach den Ergebnissen der bisheri- gen wissenschaftlichen Untersuchungen nicht erbracht werden, da der Schächtvorgang sehr wohl mit zusätzli- chen Schmerzen verbunden ist. Ich frage Sie daher: Wie soll dann ein Antragsteller die Vermeidung zusätzlicher Schmerzen im Lichte der gegenwärtigen wissenschaftli- chen Erkenntnisse jemals glaubhaft darstellen? Wenn diese Bedingung niemals erfüllt werden kann, bedeutet das für mich im Umkehrschluss, dass zukünftig in jedem Fall eine Genehmigung zum Schächten versagt werden muss. Dies kommt dann einem faktischen Schächtverbot gleich, was aus tierschutzrechtlicher Sicht zwar begrü- ßenswert ist, aber der gebotenen Rechtsgüterabwägung wahrscheinlich nicht entspricht. Ich muss feststellen, dass wir uns, wenn wir dem vorliegenden Gesetzentwurf in der gegenwärtigen Form zustimmen würden, vermut- lich nicht mehr im Rahmen des Grundgesetzes bewegen. Wir stehen jetzt am Anfang des Gesetzgebungsver- fahrens. Die weiteren Beratungen in den nächsten Wo- chen und Monaten werden zeigen, ob ein Ausgleich zwi- schen dem beabsichtigten Zweck des Gesetzes einerseits und der Verfassungsvorgabe andererseits zu erreichen ist. Ziel muss es weiterhin sein, die Zahl der in Deutsch- land geschächteten Tiere auf das unvermeidbare Maß zu reduzieren. Hans-Michael Goldmann (FDP): Mit zwei Gesetz- entwürfen soll der Tierschutz in Deutschland gestärkt werden. Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt den Ge- setzentwurf der Bundesregierung, der die Einführung ei- nes Registers zur Erfassung von Tierhaltung in mobilen Tierschauen und Zirkusbetrieben vorbereiten soll. Die Anhörung des ELV-Ausschusses hat im letzten Jahr ergeben, dass ein generelles Verbot der Wildtierhal- tung in Zirkussen unter dem Aspekt des Tierschutzes aus wissenschaftlicher Sicht nicht erforderlich ist. Es kommt darauf an, wie die Tiere gehalten werden. Weder beste- hende Vollzugsdefizite bei der amtstierärztlichen Begut- achtung von Zirkussen noch Verstöße gegen geltendes Tierschutzrecht in einzelnen – und zu Recht beklagens- werten – Fällen rechtfertigen ein generelles Verbot. Unbestritten ist aber die Notwendigkeit der Errich- tung eines Zirkuszentralregisters. Dabei muss zugleich sichergestellt werden, dass die jeweiligen Tiere und nicht nur die Betriebe registriert werden. Das Führen v d o b H s t n d d t n a H f W r s w b T d l I e s m U g e d b e f g V N w t g d S S v g w S p s g e ü T n (C (D on Stallbüchern sollte für Zirkusse verpflichtend wer- en. Darauf sollte die Regierung bei der geplanten Ver- rdnung achten. Die kontinuierliche veterinärmedizinische Bestands- etreuung ist notwendige Voraussetzung für tiergerechte altung. Zirkusse, die nicht willens oder in der Lage ind, eine angemessene und dauerhafte tierärztliche Be- reuung ihres Tierbestandes zu gewährleisten, erfüllen icht die Voraussetzungen, die an Tierhalter gestellt wer- en müssen. Hier liegt ein ähnliches Problem vor wie bei er Haltung von Tieren im privaten Bereich – Tierhal- ung bringt eine große Verantwortung mit sich. Dass ei- ige dieser Verantwortung nicht gerecht werden, kann ber keine Begründung für ein generelles Verbot der altung von Tieren sein. Damit würden auch die getrof- en, die verantwortungsbewusst und rechtstreu sowie am ohle der Tiere orientiert handeln. Es muss jedoch da- über diskutiert werden, ob bestimmte Tierarten grund- ätzlich nicht für die Haltung in Zirkussen geeignet sind, ie beispielsweise Bären und Affen. Der zweite Gesetzentwurf, der vom Bundesrat einge- racht wurde, ist abzulehnen. Der Bundesrat möchte das ierschutzgesetz insoweit ändern, als dass die Behörden, ie die Ausnahmegenehmigungen zum Schächten ertei- en, künftig noch strengere Kriterien anzulegen hätten. nsbesondere sollen die Antragsteller nachweisen, dass s in ihrer Religion keine Alternative zum betäubungslo- en Schächten gibt. Diese Vorschläge sind aus Sicht der FDP hochproble- atisch. Wir haben Zweifel, dass diese Änderung dem rteil des Bundesverfassungsgerichts vom Januar 2002 erecht wird. Das Verfassungsgericht hatte ausdrücklich rklärt, dass der Staat sich nicht zum Schiedsrichter über ie richtige Auslegung von religiösen Vorschriften erhe- en darf. Er hat religiöse Neutralität zu wahren. Dabei ist s völlig unerheblich, ob der Staat religiöse Vorschriften ür sinnvoll hält, für antiquiert oder ob man andere Mit- lieder der Glaubensrichtung vorweisen kann, die diese orschriften ganz anders oder großzügiger auslegen. ach der Rechtsprechung des BVerfG ist ausreichend, enn derjenige, der die Ausnahmegenehmigung bean- ragt, nachvollziehbar und belastbar darlegt, dass nach emeinsamer Überzeugung der Glaubensgemeinschaft er Verzehr von Tieren zwingend eine betäubungslose chlachtung voraussetzt. Auch der vom Bundesrat gewollte Nachweis, dass das chächten keine zusätzlichen erheblichen Schmerzen erursache, ist verfassungsrechtlich bedenklich. Im Er- ebnis würde damit das Grundrecht auf Religionsfreiheit eitgehend leerlaufen, wie die Bundesregierung in ihrer tellungnahme zu Recht ins Feld führt, weil ein solcher ositiver Nachweis kaum zu erbringen ist. Es stellt sich mir die Frage, ob den Initiatoren des Ge- etzentwurfs im Gegenzug der negative Nachweis gelin- en würde, dass das fachgerechte Schächten tatsächlich ine größere Qual für die Tiere ist als die herkömmliche berwiegend in Deutschland praktizierte Schlachtung. atsächlich gibt es durchaus seriöse Erkenntnisse, wo- ach das fachgerechte Schächten bereits beim ersten Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11989 (A) ) (B) ) Schnitt durch einen Nervenschock zu einer Bewusstlo- sigkeit des Tieres führt. Im Rahmen der Ausschussberatungen wird es Gele- genheit geben, sich mit diesen Fragen noch intensiv aus- einanderzusetzen. Für die FDP aber steht die staatliche Neutralität in religiösen Fragen nicht zur Disposition. Bodo Ramelow (DIE LINKE): Auf der Tagesord- nung steht als Ankündigung ein Tierschutzgesetz bzw. die erste Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfes eines ersten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes. Dazu mit aufgerufen ist die Be- ratung der Bundestagsdrucksache 16/6233. Als Einbrin- ger fungiert hier der Bundesrat. Wenn ich den Arbeitstitel des Tagesordnungspunktes wörtlich nehme, handelt es sich also bei dem Gesetz, das wir hier behandeln wollen, um ein Gesetz, das die Tiere schützen soll. Dies suggeriert jedenfalls der Begriff „Tierschutzgesetz“. Hierbei möchte ich aber ausdrück- lich erwähnen, dass hier zwei Grundsätze von Verfas- sungsrang miteinander in Widerstreit sind: die Freiheit der Religionsausübung und der Tierschutz. Ein Gesetz, das Tiere schützt, müsste also das Leben der Tiere umfassen, und der geneigte Abgeordnete müsste schlussfolgern, dass sich der Bundestag um le- bende Tiere bzw. um das Leben der Tiere im schützen- den Sinne Gedanken machen möchte und dazu schluss- endlich auch ein Gesetz erlassen würde. Weit gefehlt! Denn um das Leben der Tiere geht es genau bei dem ein- gereichten Gesetzestext nicht. Es geht vielmehr um das Ende eines Tierlebens und um die funktionale Umwand- lung eines Tieres in zum Verzehr geeignetes Fleisch. Es geht also um die Schlachtung, und es geht um Schlacht- tiere. Die Überweisung, die vorgeschlagen wird in die Ausschüsse für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- cherschutz und Umwelt und Naturschutz, scheint mir deshalb konsequent zu sein, denn dort wird man sich mit Themen wie Hygiene bzw. unter dem Aspekt des Ver- braucherschutzes möglicherweise auch mit veterinärme- dizinischen und hygienerechtlichen Bestimmungen be- schäftigen. Man könnte also erwarten, dass es bei dem einge- reichten Gesetz um die Rahmenbedingungen für Schlachttiere vor dem Schlachten und die Hygienebedin- gungen unter dem Aspekt des Verbraucherschutzes für das aus den Schlachttieren entstehende Fleisch als Nah- rungsmittel gehen würde. Weit gefehlt! Weder beschäf- tigt sich der Gesetzgeber in seinem Begründungstext mit den Schlachttieren, den Lebendtransporten, den Zustän- den auf dem Fleischmarkt oder mit den gigantischen Transportmengen von Lebendtieren, die einzig zum Zweck der Auslastung großer Schlachtbetriebe quer durch Europa gekarrt werden und die teilweise auch des- halb lebend transportiert werden, damit sie als vermeint- liches regionales Schlachtgut unter veränderten Begrif- fen wie in veredelter Form als Parmaschinken oder als Südtiroler Bauchspeck wieder in den Lebensmittelmarkt kommen, noch geht es um die Hygienebedingungen oder grundsätzliche Fragen, wie sie bei Hausschlachtungen s T s i t v a a n S b s w s i M F M s e t f p a b g G d F h t z a g o s a b a n l a O i E J z i a w G T V T c g (C (D elbstverständlich gesetzgeberisch geregelt sind, also richinenschau usw. Es geht bei genauer Betrachtung des Textes aus- chließlich um eine einzige Schlachtvorschrift, die sich m Kern weniger mit den vorgenannten Fragen beschäf- igt, als ausschließlich mit Dingen, die religiöse Gefühle on Menschen betreffen, die in Deutschland leben, sich ls gläubige Menschen empfinden und wahrnehmen und brahamitischen Weltreligionen angehören, aber eben icht der christlichen Weltreligion. Es geht um das chächten, also um das Zu-Tode-Bringen eines Tieres, ei dem religiöse, jahrtausendealte mündlich oder chriftlich weitergegebene Schlachtungsregeln zur An- endung kommen. Es geht um das Schächten, welches owohl im jüdischen als auch im moslemischen Glauben n den jeweiligen religiösen Riten und für die gläubigen enschen eine große Rolle spielt. Es geht um koscheres leisch für die Juden und um halales Fleisch für die uslime. Als Christ erinnere ich mich sehr gut an die Diskus- ion vor 20 oder 30 Jahren in Westdeutschland, als die rsten türkischen Gemeinden zum Opferfest das Schäch- en als Teil ihrer Religionsausübung praktizierten. Das ührte zu Entsetzen und die Unwissenheit um das, was raktiziert wird, und die Verwechslung des Schächtens ls alttestamentarische Form der ausschließlichen Dar- ringung eines Opfertieres führte immer wieder zu hefti- en Reaktionen. Hier konnte man zum ersten Mal das efühl bekommen, dass das christliche Abendland be- roht sei durch Schlachtrituale, die in einer bestimmten orm angewendet werden und die trotzdem zur Entste- ung von Schlachtgut, also letztendlich zu geschächte- em Fleisch, welches zum Verzehr dienen soll, prakti- iert wurden. Es geht also um Vorschriften, die für Tiere n der Grenzlinie zwischen Leben und Tod stehen. Hier estehe ich als Christ, dass ich mir manches vorstellen der auch persönlich ablehnen kann; aber trotzdem re- pektiere ich, dass gläubige Menschen im Kontext der brahamitischen Weltreligionen bestimmte Vorschriften is heute praktizieren, die für unsere Glaubensvorfahren uch gegolten haben. In diesem Zusammenhang möchte ich auch erwäh- en, dass die Schlachtungsregeln im Judentum und Is- am gerade als Tierschutzmaßnahme betrachtet werden, lso den Schmerz für das Tier möglichst auszuschließen. b eine vorherige Betäubung religionsgesetzlich erlaubt st, bedarf in der Tat der Beurteilung durch zu hörende xperten der jeweiligen Religionsgemeinschaften. Im udentum zum Beispiel gibt es Rabbiner, welche gleich- eitig Veterinäre sind und deshalb hohe Fachkenntnisse n beiden Feldern mitbringen. Bei dem hier eingebrachten Tierschutzgesetz geht es lso weniger um ein Schutzrecht für ein Tier, denn es ird so oder so in jedem Fall getötet – das zweifelt der esetzgeber auch gar nicht an –, sondern es geht um die ötungsart, die Tötungsvorschrift und die mit dieser orschrift verbundenen Regeln. Die Regel heißt, das ier soll ohne Leid sterben, das heißt, ohne unerträgli- hen Schmerz, und dies, sagt mir mein Verstand, ist eine ute Regelung. Wenn ich aber ausblende, welche 11990 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) Schmerzen ein Tier durchleiden muss in einem Schlacht- hof, bevor es getötet wird, und wenn ich ausblende, was an Ängsten, nachgewiesen durch die Cortisolmenge im Blut, existiert, bevor die Betäubung im Schlachtprozess einsetzt, dann halte ich es für schwierig, dass bei den hier in Rede stehenden Regelungen nun einerseits der Gläubige nachweisen soll, dass seine Religion zwingend diesen Ritus vorschreibt, und andererseits derjenige, der diesen Ritus praktiziert, nämlich den Schnitt bei dem Tier am Hals ansetzt, nachweisen soll, dass das Tier beim Ansetzen des Schnittes und beim Sterben keine zu- sätzlichen Schmerzen erleidet. Die Form, wie der Gesetzgeber nun in Art. l Abs. l die Beweislast den Gläubigen auferlegt, und zwar nur im Rahmen der Beweislast dieser Ausnahmeregelung zum normalen Schlachtprozess in Deutschland, halte ich ge- nau für das Problem. Während also auf einem Schlacht- hof die Frage nach der Angst von Tieren überhaupt nicht gestellt wird, obwohl Wissenschaftler nach meiner Kenntnis sehr wohl belegen können, welche Ängste Schlachttiere durchleben, bevor sie in den Schlachtpro- zess kommen, soll für die Ausnahme von der Regel ein höheres Maß an Beweislast entstehen als für die Regel. Dies halte ich für ein Problem, das hier bei mir, aber nicht nur bei mir, sondern nach meinen Gesprächen mit Juden und Moslems auch bei unseren Mitbürgern, die im Rahmen der abrahamitischen Religionen Nichtchristen sind, der Eindruck sich verfestigt, dass hier eine Aktuali- tät zu einem Thema vorgetragen wird, die sich weder aus Recht und Gesetz noch durch aktuelle Urteile ergibt, sondern einzig und allein in dem Kontext gespürt wird, den wir zurzeit in Deutschland immer wieder erleben. Da wird vom christlichen Abendland als Kerngröße ge- sprochen, da wird im Zusammenhang mit der europäi- schen Verfassung nicht von einem universellen Gott ge- sprochen, sondern der Bezug zum christlichen Abendland wird benannt. Da wird in aktuellster Art und Weise vom Fraktionsvorsitzenden der Union das Kruzi- fix für öffentliche Gebäude als Regelfall vorgeschlagen. In diesem Kontext fühlen sich Juden und Moslems in Deutschland zurückgewiesen und mit dieser scheinbar harmlosen Vorschrift im Tierschutzbereich unter Gene- ralverdacht gestellt. Es ist die ungute Mischung, die hier gedanklich entsteht, die Islamophobie, die in Deutsch- land mit jeder Debatte um Moscheen entsteht, aber eben auch um antisemitische Angriffe auf Mitbürger, die als Juden in Deutschland anfangen, deutlicher ihren Glau- ben leben zu wollen. Wenn ich aber, harmlos erscheinend, das Thema „Schächten unter Tierschutzgesetz“ thematisiere und eine religiöse Beweislast Religionsgemeinschaften auf- erlege, die eine abschließend Autorität wie im Katholi- zismus mit dem Vatikan und dem Papst nicht kennen, und entsprechende Vorschriften teilweise gelebte und ri- tuelle Vorschriften sind, dann wird es schwierig zu klä- ren, wer alleine als autorisierte Person im Sinne des Tier- schutzgesetzes angesehen werden soll. Auch darf ich daraufhinweisen, dass die muslimi- schen Vertreter in Deutschland um die Anerkennung als Körperschaften des öffentlichen Rechtes kämpfen und dass es zurzeit gerade muslimische Glaubensvertreter g s j i i M u g a a t f t S n „ d W n M v l s h z B s g f p a e s S u S m V D u d c E n d d G r p m t i b r ß S u d s g (C (D ibt, die versuchen, sich als gleichberechtigte Ge- prächspartner analog den christlichen Kirchen und der üdischen Glaubensgemeinschaft zu verankern. Hier darf ch aktuell daraufhinweisen, dass es der Innenminister st, der große Zweifel anmeldet. Wenn man also den uslimen gegenüber die Anerkennung als verbindliche nd staatlich anerkannte Glaubensgemeinschaft verwei- ert, gleichermaßen im Tierschutzgesetz eine Regel ver- nkert, die die religiös zwingend vorgeschriebenen Riten ttestieren soll, halte ich diese Vorgehensweise, vorsich- ig formuliert, für nicht zielführend, um nicht zu sagen: ür fadenscheinig. Deshalb würde ich am liebsten bean- ragen, das gesamte Gesetzgebungsverfahren an dieser telle zu beenden und schlicht zu überprüfen, ob sich ach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Thema Schächten“ irgend etwas in Deutschland verändert hat, as eine aktuelle Veränderungsnotwendigkeit erzwingt. arum soll der Gesetzgeber handeln, wenn nach mei- em Dafürhalten und nach Rücksprache mit Juden und uslimen auch nach ihrer Wahrnehmung sich nichts erändert hat? Ein Zurück zum, vorsichtig gesagt, illega- en Schächten vor dem Hintergrund des Bundesverfas- ungsgerichtsurteils, so wie ich es noch in Erinnerung abe, ein Zurück in die Illegalität halte ich für nicht ak- eptabel. Sollten aber die Mehrheit hier im Haus und die undesregierung der Meinung sein, dass man den hessi- chen Vorstoß hier weiter verfolgen sollte, wäre es laubwürdig, wenn die tierschutzrechtlichen Aspekte ern von jeder Glaubensfrage einfach nur unter dem As- ekt der Vergleichbarkeit geprüft werden. Das heißt ber, dass die gesamte Kette zu betrachten ist und nicht infach nur der Halsschnitt, wie er hier unter dem Buch- taben B dargestellt wird. Die Frage von Angst und chmerzen und die Wechselwirkung zwischen Angst nd Schmerzen ist dann auch für sämtliche andere chlachttiere zu betrachten, und man müsste gleicher- aßen mit den Religionsgemeinschaften bzw. mit den ertretern der abrahamitischen Weltreligionen in eutschland dahin gehend im Gespräch sein, dass wir ns auch ihre Glaubensvorschriften erläutern lassen und arauf hören. Gegebenenfalls gibt es die von mir schon angespro- hene Möglichkeit, in der Finalphase auch im Wege des lektroschocks eine Kurzzeitbetäubung als Option zu ennen. Ich möchte aber als Vertreter meiner Fraktion ieses nicht ohne oder gegen den Willen der Vertreter es muslimischen oder des jüdischen Glaubens in den esetzestext aufnehmen. Für mich gehören gleichbe- echtigt, wenn es um religiöse Themen geht, deren Re- räsentanten mit an den Gesprächstisch. Deswegen fehlt ir hier auch eine ernsthafte Überweisung des Gesetzes- extes zuallererst an diejenigen, die es betrifft, wenn wir hn schon nicht an die Interessenvertreter der Tiere sel- er überweisen können; denn dann würden uns die Inte- essenvertreter der Tiere alle anderen Fragen des mit Fü- en getretenen Tierschutzes bei der gelebten chlachtpraxis sämtlicher Schlachttiere in Deutschland m die Ohren hauen. Um dem Vorwurf zu entgehen, ass hier eine antisemitische oder antiislamische Vor- chrift, harmlos als Tierschutz verkleidet, in den Gesetz- ebungstext kommen soll, müssen wir also zuallererst Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11991 (A) ) (B) ) mit diesen Vertretern selbst sprechen und mit ihnen Lö- sungswege erörtern. Der überwiesene Gesetzestext aus dem Bundesrat scheint nicht zielführend und adäquat das Problem zu er- fassen. In der Stellungnahme der Bundesregierung wird darauf eingegangen. Der gesetzgeberische Lösungsan- satz müsste sich deshalb auch und gerade über die Reli- gionsfreiheit entwickeln. Deshalb erbitte und beantrage ich auch eine entsprechende Anhörung und eine Be- und Erarbeitung mit Vertretern der muslimischen und jüdi- schen Menschen in Deutschland auf gleicher Augen- höhe. Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir debattieren heute über zwei wichtige Punkte, die den Tierschutz in Deutschland verbessern sollen: das Verbot des betäubungslosen Schächtens und eine Ermächtigungsgrundlage für die Einrichtung eines Zirkuszentralregisters. Auf den ersten Blick haben beide Themen nicht viel miteinander zu tun, auf den zweiten Blick sehr wohl. Es geht in beiden Fällen um den notwendigen Respekt und um die Wahrung der Würde im Umgang mit Tieren, die wir für menschliche Bedürfnisse nutzen. Es geht darum, ob wir das immer wieder vorgetragene Bekenntnis zum Staatsziel Tierschutz auch rechtlich untermauern wollen. Das deutsche Tierschutzgesetz verbietet das betäu- bungslose Schlachten von warmblütigen Tieren, weil es eine vorsätzliche und barbarische Tierquälerei darstellt. Eine Ausnahmegenehmigung darf bislang erteilt werden, wenn „zwingende Vorschriften“ einer Religionsgemein- schaft dies verlangen. Diese Genehmigungsmöglichkeit stellt jedoch eine Kann- und keine Mussbestimmung dar. Das Grundrecht auf freie Religionsausübung kann und darf nicht das im Grundgesetz verankerte Staatsziel Tierschutz aushebeln. Bündnis 90/Die Grünen begrüßen daher den Beschluss des Bundesrates vom 6. Juli 2007, der klarstellt, dass die Ausnahmegenehmigung an den Nachweis gebunden sein muss, dass „bei dem Tier vor, während und nach dem Schächtschnitt im Vergleich zu dem Schlachten mit … Betäubung keine zusätzlichen er- heblichen Schmerzen oder Leiden auftreten.“ Meine Gespräche mit Vertretern der muslimischen Religionsgemeinschaften in Deutschland haben ergeben, dass eine Elektrokurzzeitbetäubung mit den rituellen Vorschriften des Schächtens durchaus vereinbar ist. Aus unserer Sicht gewährleistet dieses Verfahren daher einen tragfähigen Ausgleich zwischen Religionsfreiheit und Tierschutz, denn es ermöglicht das für die Schächtung charakteristische Ausbluten, erspart den durch die Be- täubung bewusstlosen Tieren aber Leiden und Schmer- zen. Ich möchte es ausdrücklich betonen: Nicht das Schächten an sich steht in der Kritik, sondern das betäu- bungslose Schächten, bei dem gefesselten und niederge- worfenen Tieren mit einem scharfen Messer die vordere Halshaut, Halsmuskel, Speise- und Luftröhre sowie beide Halsschlagadern unbetäubt durchtrennt werden. Eine grausame, brutale Art des Tötens, bei dem das Tier b z 1 v e n U s A S b d m t d T g R T p z A t n d F r s t u d D f S U Ü b t d s w A d 2 r (C (D ei vollem Bewusstsein schrecklich leidet, praktisch bis um Auslaufen des letzten Blutstropfens, was bis zu 3 Minuten dauern kann, weil die großen, das Gehirn ersorgenden Arterien innerhalb der Halswirbelsäule benso wie das Rückenmark und die zwölf Hirnnerven icht durchtrennt werden und wegen der knöchernen mmantelung auch nicht durchtrennt werden können, odass keine Bewusstlosigkeit eintritt. Der Vorgang des Schächtens bleibt hinsichtlich der uswahl der Tiere, der Positionierung des Tieres beim chächten, Schächtschnitt, Schächtgebete, religiöse Aus- ildung des Schächters usw. völlig unbeeinträchtigt. All as wird von Tierschutzseite uneingeschränkt respektiert. Das Verbot des betäubungslosen Schächtens und da- it die Beseitigung von Ausnahmen vom Verbot des be- äubungslosen Schlachtens stellt keine Diskriminierung ar, sondern eine gebotene Gleichbehandlung aller iere, und es sichert die Gleichrangigkeit zweier grund- esetzlicher Werte. Es muss das Ziel der gesamten Gesellschaft und aller eligionsgemeinschaften sein, mehr für den Schutz der iere zu tun. Die im Tierschutzgesetz genannte Ver- flichtung, Tiere vor vermeidbaren Leiden und Schmer- en zu schützen, betrifft uns alle. nlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Ersten Geset- zes zur Änderung des Personalanpassungsgeset- zes (Tagesordnungspunkt 23) Ernst-Reinhard Beck (CDU/CSU): Für die Funk- ionsfähigkeit und Einsatzbereitschaft der Streitkräfte ist icht nur eine adäquate Ausrüstung unabdingbar, son- ern ist insbesondere eine ausgewogene Alters- und ähigkeitsstruktur zwingend erforderlich. Diese Forde- ung gilt speziell seit sich die Art der Bundeswehrein- ätze im Rahmen weltweiter internationaler Verpflich- ungen gewandelt hat. Auslandseinsätze sind physisch nd psychisch extrem fordernd. Darin unterscheidet sich ie Bundeswehr essenziell vom übrigen öffentlichen ienst. Der gegenwärtige militärische Personalkörper ist in- olge der mehrfach vorgenommenen Veränderungen von truktur und Gesamtpersonalumfang durch erhebliche nwuchten im Altersaufbau gekennzeichnet. Denn der bergang zum Personalstrukturmodell PSM 2010 ruft ei den Berufssoldaten erhebliche Überhänge in der Al- ers- und Dienstgradschichtung hervor. Das heißt: Die in er Gesamtbetrachtung der Laufbahnen vorhandenen trukturellen Überhänge verzögern einen Personalauf- uchs, der an der Einsatzorientierung ausgerichtet ist. Dieser Überhang resultiert aus einer Zeit, in der die rmee bis zu 375 000 Soldaten zählte. Inzwischen ist as Ziel der Transformation – der Abbau auf 50 000 Soldaten bis zum Jahr 2010 – bereits heute er- eicht. Insgesamt werden nach Einschätzung der Bun- 11992 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) deswehr daher 4 200 Berufssoldaten auf ihren derzeiti- gen Posten nicht mehr benötigt. Das Verteidigungsministerium will mit dem vorlie- genden Gesetz eine Regelung verlängern, die Ende 2006 ausgelaufen ist. Nach jenem Personalanpassungsgesetz waren zwischen 2002 und Ende 2006 insgesamt 2 775 Berufssoldaten in den vorzeitigen Ruhestand ver- abschiedet worden, davon war der Großteil Offiziere. Jetzt zielt die Maßnahme vor allem auf die Portepee-Un- teroffiziere. Der Generalinspekteur schreibt in seinem Bundes- wehrplan 2008, dass andere darüber hinaus vorhandene ressorteigene Instrumentarien der Personalsteuerung eine dem Ziel entsprechende Binnenstruktur erst deut- lich nach 2012 erreichen ließen – falls keine unterstüt- zenden gesetzlichen Maßnahmen ergriffen würden. Eine gesetzliche Regelung zur dauerhaften Abmilderung von transformationsbedingten personalstrukturellen Verwer- fungen ist deshalb geboten. Die bestehenden strukturellen Überhänge behinderten und behindern einen Wechsel von zwingend erforderli- chen Verwendungsflüssen. Sie führten insbesondere zu einer Überalterung auf einsatzwichtigen Dienstposten. Eine ausreichende Zahl von Verwendungswechseln mit steigender Verantwortung und Anforderung ist im Rah- men der Einheitslaufbahn der Berufssoldaten und Be- rufssoldatinnen notwendig, um einen geordneten Ver- wendungsaufbau zu realisieren. Nur so können Soldaten und Soldatinnen für die Wahrnehmung höherwertiger Aufgaben qualifiziert sowie die Leistungsfähigkeit und Regeneration des Führungs- und Funktionspersonals je- derzeit sichergestellt werden. Vor dem Hintergrund der auch zukünftig weiter zunehmenden einsatzbezogenen Ausrichtung der Streitkräfte ist dies von zentraler Be- deutung. Das Personalanpassungsgesetz aus der 14. Wahl- periode, das die vorzeitige Zurruhesetzung von circa 6 000 Berufssoldaten ermöglicht hat, hat wegen seiner zeitlichen Begrenzung bis Ende 2006 nicht alle überbe- setzten Geburtsjahrgänge der Bundeswehr erfasst. Perso- nelle Unwuchten sind weiterhin in den jüngeren Geburtsjahrgängen vorhanden. Sie binden somit Haus- haltsmittel, die an anderer Stelle gebraucht werden. Jün- gere Jahrgänge können nicht verpflichtet werden, es ent- steht eine Lücke im Personalaufbau. Auf Grundlage des am 11. November 2005 geschlos- senen Koalitionsvertrages wurde daher geprüft, „wie die strukturellen Überhänge bei älteren Berufssoldaten mit Blick auf die Erfordernisse der Streitkräfte im Transfor- mationsprozess abgebaut werden können“. Die vorge- nommene Prüfung ergab im Ergebnis die Notwendigkeit zur Änderung des Personalanpassungsgesetzes. Es sieht vor, dass in den Jahren 2007 bis 2011 bis zu 1 200 Be- rufssoldatinnen und Berufssoldaten mit ihrer Zustim- mung frühestens nach Vollendung des 50. Lebensjahres im dienstlichen Interesse in den Ruhestand versetzt wer- den können. Der Gesetzentwurf stellt keine bloße Fortschreibung des bisherigen Personalanpassungsgesetzes dar, sondern s G t d v s e d v S k v r f t F s h w T z E c n d w e s S f i d s s B e E d ü s s o e w s (C (D etzt neue, überprüfbare, enge inhaltliche und zeitliche renzen. Damit soll sichergestellt werden, dass vorzei- ige Zurruhesetzungen als „ultima ratio“ erfolgen. Diese Regelung ist an drei Voraussetzungen gebun- en: Erstens. Die Soldaten müssen das 50. Lebensjahr ollendet haben. Zweitens. Für sie besteht aus organisatorischen oder onstigen dienstlichen Gründen keine anderweitige ge- ignete Verwendungsmöglichkeit im Geschäftsbereich es Bundesministeriums der Verteidigung, das Dienst- erhältnis des Berufssoldaten kann nicht in das eines oldaten auf Zeit umgewandelt werden, oder der Soldat ann nicht in den Bereich einer anderen Bundesbehörde ersetzt werden. Drittens. Die Versetzung in den Ruhestand unter Be- ücksichtigung dient dazu, Jahrgangsstrukturen zu schaf- en, die die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr nachhal- ig verbessern und die keine vergleichbaren strukturellen olgen in anderen Geburtsjahrgängen erwarten lassen. Nur wenn alle drei genannten Voraussetzungen erfüllt ind, können die betroffenen Berufssoldaten in den Ru- estand versetzt werden. Die Kosten für die zusätzlich anfallenden Pensionen erden mit 110 Millionen Euro bis 2018 veranschlagt. Die Bundeswehr befindet sich immer noch in der ransformation von einer Armee in der Bereitschaft hin u einer Armee für den Einsatz. Insbesondere in den insätzen kommen auf die Soldaten überdurchschnittli- he Belastungen zu, die so in anderen Berufsgruppen icht vorkommen und die insbesondere durch ältere Sol- aten nicht ohne Auswirkungen auf die Gesundheit be- ältigt werden können. Aus diesem Grunde ist dringend rforderlich, die aus der Vergangenheit bestehenden Per- onalüberhänge zu beseitigen – im Interesse unserer icherheit und der Gesundheit der betroffenen Soldaten. Waren beim vorhergehenden Gesetz vor allem die Of- iziersdienstgrade betroffen, so sollen nun die Probleme m Bereich der Unteroffiziersdienstgrade beseitigt wer- en. Um die Bundeswehr weiter an die sicherheitspoliti- chen Gegebenheiten anzupassen, ist die durch das Ge- etz ausgelöste Maßnahme unabdingbar. Um die Leistungsfähigkeit der Soldaten und somit der undeswehr als Ganzes sicherstellen zu können, muss ine stete Auffrischung mit jungen Menschen erfolgen. in normales Pensionsalter für alle Soldaten würde be- euten, dass die Bundeswehr innerhalb kürzester Zeit beraltert wäre. Dies würde ihrem Auftrag nicht gerecht. Auch von Soldatenseite stößt das Personalanpas- ungsgesetz kaum auf Gegenwehr. Im Gegenteil: Ge- präche mit potenziellen Kandidaten bestärken diese ffizielle Sicht. Daher stimmt die Union für den Gesetz- ntwurf. Rolf Kramer (SPD): Mit dem hier vorgelegten Ent- urf eines Gesetzes zur Änderung des Personalanpas- ungsgesetzes wird ein weiterer Punkt aus dem Koali- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11993 (A) ) (B) ) tionsvertrag von CDU/CSU und SPD abgearbeitet. Bedingt durch die Transformation der Bundeswehr war es notwendig, die vorhandenen strukturellen Überhänge bei älteren Berufssoldaten abzubauen. Dazu wurde im Jahre 2001 von der damaligen rot-grünen Bundesregie- rung das Personalanpassungsgesetz verabschiedet. Die- ses Gesetz war allerdings bis Ende 2006 zeitlich be- grenzt und konnte so, entgegen der ursprünglichen Absicht, nicht alle überbesetzten Jahrgänge erfassen. Nach wie vor ist der Personalkörper der Bundeswehr von Unwuchten geprägt. Es besteht zurzeit nach Aus- kunft des Verteidigungsministeriums ein personeller Überhang von etwa 4 200 Berufssoldaten. Strukturge- rechte Einstellungen wurden aufgrund der Bindung von Haushaltsmitteln behindert. Damit fehlen jetzt Berufs- soldaten jüngerer Jahrgänge, was zu weiteren Verwer- fungen in der Personalstruktur führte. Vor diesem Hintergrund ist die Schaffung einer recht- lichen Möglichkeit für weitere vorzeitige Zurruhesetzun- gen von Berufssoldatinnen und Berufssoldaten unbe- dingt notwendig. Ein Abbau der personellen Überhänge durch reguläre Ruhestandsregelungen wäre erst in 15 Jah- ren erreichbar. Durch die zeitliche Erweiterung im Rah- men des Personalanpassungsgesetzes können in den Jah- ren 2007 bis 2011 bis zu 1 200 Berufssoldaten ab dem 50. Lebensjahr in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden. Andernfalls wird die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte beeinträchtigt. Schaffen wir nicht diese Möglichkeit, so verhindern die vorhandenen Überhänge eine planmäßige, alters- und strukturgerechte Versetzung von Soldatinnen und Soldaten auf Dienstposten, die sie im Interesse eines geordneten Verwendungsaufbaus und der erforderlichen Verwendungsbreite einnehmen müs- sen. Insbesondere im Hinblick auf das erweiterte Aufga- benspektrum der Streitkräfte mit ihren Einsätzen im Rahmen der Krisen- und Konfliktbewältigung wäre dies mehr als fahrlässig. Es handelt sich hier nicht um einen „goldenen Hand- schlag“, wie er in früheren Jahren einmal in der Bundes- wehr praktiziert worden ist. Die vorzeitige Zurruheset- zung kann und darf nur eine Ultima Ratio sein. Insofern ist die Forderung des Deutschen Bundeswehr-Verbandes nach einer noch stärkeren Ausweitung der Ausnahmere- gelung verständlich, aber nicht umsetzbar. Dieses Instru- ment darf keine dauerhafte Einrichtung zur Bereinigung struktureller Überhänge werden und sich nur auf die be- stehende Ausnahmesituation beziehen. Daher wird diese Möglichkeit auch an verschiedene Voraussetzungen ge- knüpft und zeitlich befristet. Dazu gehört, dass die be- troffenen Berufssoldatinnen und -soldaten weder durch Qualifizierungsmaßnahmen noch in organisatorischen Übergangsstrukturen anderweitig einsetzbar sind. Damit bleibt die Ausnahmeregelung eng begrenzt. Dieser Gesetzentwurf führt zu Mehrausgaben für die öffentlichen Haushalte. Im Bereich der Versorgung ent- stehen, zeitlich befristet, Mehrkosten dadurch, dass die Soldatinnen und Soldaten zu einem früheren Zeitpunkt als nach den sonst geltenden Altersgrenzenregelungen mit Anspruch auf Ruhegehalt in den Ruhestand versetzt werden. Diese Mehrkosten entstehen, wenn das Gesetz i r S s 2 s E d 1 n S K z p z n 1 w t Z r s d d d v z m w e d z s d d b n V o w 3 s B r s h E b i B s d (C (D n Kraft tritt, ab dem Jahr 2007. Vorgesehen ist eine Zur- uhesetzungsquote von ungefähr 240 Soldatinnen und oldaten pro Jahr für die Dauer von fünf Jahren. Damit teigen diese Mehrkosten von 2,7 Millionen Euro in 007 auf 20,8 Millionen Euro im Jahre 2011. Danach inken sie wieder bis zum Jahre 2018 auf 1,1 Millionen uro und entfallen schließlich ganz. Insgesamt wird iese Regelung die öffentlichen Haushalte mit rund 10 Millionen Euro belasten. Eine Summe, die aus mei- er Sicht tragbar ist, um die Einsatzfähigkeit unserer treitkräfte dauerhaft zu sichern. Die Regelung, die mit diesem Gesetzesvorschlag in raft treten wird, ist mitnichten eine übermäßige Bevor- ugung der Bundeswehr gegenüber anderen Berufsgrup- en, sondern eine mit Augenmaß gefundene Regelung ur notwendigen Anpassung unserer Streitkräfte an die euen Notwendigkeiten. Birgit Homburger (FDP): Zum dritten Mal, nach 985, 1991 und 2001, debattieren wir einen Gesetzent- urf, der die vorzeitige Pensionierung von Berufssolda- innen und Berufssoldaten zum Ziel hat. Während das Personalstrukturgesetz von 1985 als ielsetzung die Milderung des erheblichen Beförde- ungs- und Verwendungsstaus durch die vorzeitige Pen- ionierung von 1 200 Berufssoldaten hatte, ging es bei em Personalstärkegesetz von 1991 um etwas ganz an- eres. Zur Erreichung der deutschen Einheit hatte sich ie Bundesrepublik Deutschland unter anderem dazu erpflichtet, den Personalbestand der Streitkräfte bis um 31. Dezember 1994 auf 370 000 Soldaten zu ver- indern. Die Notwendigkeit, der verkleinerten Bundes- ehr einen sinnvollen und wirksamen Personalaufbau zu rhalten bzw. zu ermöglichen, erforderte es, dass min- estens 6 800 Berufssoldaten bis Ende 1994 vorzeitig ur Ruhe gesetzt wurden. Die vorzeitige Zurruhesetzung tand also in unmittelbarem Zusammenhang mit der Re- uzierung der Personalstärke der Bundeswehr. Sie war eshalb zwingend notwendig. 2001 war die Sachlage schon etwas anders. Es ging ei dem damals erlassenen Personalanpassungsgesetz icht um eine Personalreduzierung, sondern um eine erbesserung der Altersstruktur der Offiziere und Unter- ffiziere. Unwuchten im Personalkörper der Bundes- ehr sollten durch die vorzeitige Pensionierung von 000 Berufssoldaten beseitigt und strukturgerechte Ein- tellungen des Nachwuchses ermöglicht werden. Nun, 2007, sollen erneut 1 200 Berufssoldatinnen und erufssoldaten die Möglichkeit erhalten, bis 2011 be- eits nach Vollendung des 50. Lebensjahres in den Ruhe- tand zu treten. Diese Maßnahme würde den Bundeshaus- alt mit Mehrausgaben in Höhe von rund 110 Millionen uro belasten. Es handelt sich hier um reine Mehrausga- en, da das vorliegende Personalanpassungsgesetz nicht m Rahmen einer Reduzierung des Personalumfangs der undeswehr zu sehen ist. Um es klar zu sagen: Es soll keine einzige Haushalts- telle im Zuge der Frühpensionierung gestrichen wer- en! 11994 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 (A) ) (B) ) Ziel dieses Gesetzes ist es einzig und allein, wie schon 2001, die sogenannten Unwuchten im militäri- schen Personalkörper zu beseitigen. Diese Unwuchten, besser gesagt, die ungleichen Jahrgangsstärken, bestehen tatsächlich. Aber sie sind zum einen nicht gottgegeben, sondern von der Personalabteilung des Bundesministe- riums der Verteidigung herbeigeführt. Zum anderen wurden Haushaltsstellen, die durch vorzeitige Pensionie- rungen infolge der früheren Personalstruktur-, Personal- stärke- und Personalanpassungsgesetze frei geworden waren, nicht im ausreichenden Maß zur Verbesserung des Stellenkegels genutzt. Jetzt rächt sich die über Jahr- zehnte praktizierte falsche Personalpolitik des Verteidi- gungsministeriums. Hierfür den Steuerzahler zur Kasse zu bitten ist ver- antwortungslos, zumal in einer Zeit, in der das Renten- eintrittsalter eben von dieser Regierung auf 67 Jahre an- gehoben wurde. Das passt nicht zusammen. Eine bestimmte Zahl von Staatsdienern soll sage und schreibe 17 Jahre eher in den Ruhestand treten können, und das ohne Abschläge bei den Pensionsleistungen. Der Steuer- zahler soll für Fehler aufkommen, die in einem Bundes- ministerium gemacht worden sind. Es steht außer Zweifel, dass es einen Beförderungs- stau in der Bundeswehr gibt. Aber ist das eine Besonder- heit? Gibt es nicht auch Beförderungsstaus in anderen Ministerien oder bei der Polizei? Inwieweit wurden ei- gentlich die bisherigen drei Frühpensionierungsaktionen bei der Bundeswehr zur Verbesserung der Personalstruk- tur genutzt? Es wundert mich schon sehr, dass ein der CDU ange- hörender Verteidigungsminister dem Bundestag einen erneuten Entwurf für eine Frühpensionierung von Be- rufssoldaten vorlegt, wo doch seine Fraktion das Perso- nalanpassungsgesetz von 2001 abgelehnt hat. Als Gründe wurden in der Debatte am 9. November 2001 unter anderem aufgeführt: Frühpensionierungsregelun- gen sind zur Bewältigung personeller Strukturprobleme grundsätzlich ungeeignet; eine Überalterung der Bun- deswehr findet auch ohne Frühpensionierung nicht statt, da die Berufssoldaten bereits einer besonderen Alters- grenze unterliegen; der Bevölkerung ist es nicht vermit- telbar, dass Berufssoldaten zu einem derartig frühen Zeitpunkt – mit 50 Jahren – in Pension gehen dürfen; es ist nicht vermittelbar, dass die Bundesregierung die Möglichkeit einer Frühpensionierung schaffen will, ob- wohl der Bundeswehr 12 000 länger dienende Soldaten fehlen. Alle damals von der CDU/CSU-Fraktion aufgeführ- ten Gründe gegen das Personalanpassungsgesetz treffen unverändert zu. Hinzu kommt erschwerend, dass das Renteneintrittsalter zwischenzeitlich von 65 auf 67 Jahre angehoben wurde. Darüber hinaus kann ich nur feststellen: Attraktivität eines Berufsbildes schafft man nicht durch eine um 17 Jahre vorgezogene Pensionierung, Attraktivität schafft man zum Beispiel durch die Schaffung eines in- teressanten Berufsbildes, durch eine leistungsgerechte Besoldung und Förderung, durch familienfreundliche Versetzungspraktiken sowie durch eine angemessene Versorgungsgesetzgebung. D d f l w w K s u e s B G i 5 g b D n d h s w v s s L e f f u l d l d t s M d w m k s B a V a s s u 6 m n p D B g (C (D Inge Höger (DIE LINKE): Nein, es ist keine Satire: ie Bundesregierung will mit dem Gesetz zur Änderung es Personalanpassungsgesetzes die Rente mit 50 ein- ühren, und zwar bei vollem Lohnausgleich, aber natür- ich nicht für die Mehrheit der Beschäftigten. Für diese urde ja erst kürzlich die Rente mit 67 beschlossen, und er früher in den Ruhestand geht, muss mit massiven ürzungen rechnen. Da Unternehmen häufig schon Be- chäftigte über 50 für zu alt halten und deswegen Mittel nd Wege finden, sich dieser Mitarbeiter vorzeitig zu ntledigen, bedeutet Rente mit 67 für die meisten Men- chen eine massive Absenkung des Rentenniveaus. Die undesregierung hat mit diesem Vorstoß eine spezielle ruppen von sogenannten überflüssigen Beschäftigen m Blick. Auch die Bundeswehr will Mitarbeiter über 0 loswerden, und zwar konkret Unteroffiziere ab Jahr- ang 1957. Bei diesen bemüht sich die Regierung um esondere Fürsorge und plant den goldenen Handschlag. iesen gibt es natürlich nicht zum Nulltarif: 110 Millio- en Euro will sich die Bundesregierung die Beseitigung es strukturellen Überhangs bei den Bundeswehrange- örigen kosten lassen. Worum geht es der Bundesregierung mit diesem Ge- etz? Es geht darum, die Aktionsfähigkeit der Bundes- ehr für weltweite Kriegs- und Besatzungseinsätze zu erbessern. Dabei stehen gegenwärtig noch einige tau- end ältere Unteroffiziere im Weg. Die Armee im Ein- atz will junge Unteroffiziere mit hoher körperlicher eistungsfähigkeit. Dieser Nachwuchs für die Auslands- insätze kann zurzeit aber nicht in gewünschtem Um- ang angeworben und vor allem nicht zur Motivation be- ördert werden, da auf den entsprechenden Stellen ältere nd für die Auslandsabenteuer beschränkt taugliche Kol- egen sitzen. Das Personalanpassungsgesetz zeigt ein- rucksvoll, dass die Politik der Bundesregierung grund- egend in die falsche Richtung geht. Obwohl alle wissen, ass Beschäftigte längst vor dem Erreichen des Ren- enalters in den Betrieben häufig nicht mehr erwünscht ind, wird das Renteneintrittsalter erhöht. Obwohl die ehrheit der Menschen in Deutschland sich gegen Bun- eswehrkriegseinsätze ausspricht, finden diese statt. Und enn die Regierung bei ihrer militärischen Machtpolitik it ihrer eigenen Beschäftigungspolitik in Konflikt ommt, dann werden wie im vorliegenden Fall die Ge- etze entsprechend geändert. Dies ist eine komplette ankrotterklärung. Ich fordere die Regierung deswegen uf: Geben Sie sich doch bitte die Mühe, nach ziviler erwendung für ihre überzähligen Soldaten zu suchen, nstatt diese so früh wie möglich in den Ruhestand zu chicken. Das ist auch ein falsches Signal an die Wirt- chaft. Aber vor allem beenden Sie die Auslandseinsätze nd setzen Sie das Renteneintrittsalter wieder auf 5 herab! Vielleicht sollten nicht Unteroffiziere über ihre ögliche Frühverrentung nachdenken, sondern die Mi- ister, die für die verfehlte Beschäftigungs- und Militär- olitik verantwortlich sind. Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ie Anforderungen an die Soldaten und Soldatinnen der undeswehr sind durch die Auslandseinsätze deutlich estiegen. Gleichzeitig bringt die von Rot-Grün einge- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11995 (A) (C) (B) ) leitete Reform der Bundeswehr für ihre neuen Aufgaben im Rahmen kollektiver Friedenssicherung eine Reihe von sozialen Belastungen für die Bundeswehrangehöri- gen und ihre Familien mit sich, vor denen wir die Augen nicht verschließen dürfen. Deshalb haben wir Grünen in der Vergangenheit Maßnahmen wie das Personalanpas- sungsgesetz von 2001 oder das Attraktivitätsprogramm, mit denen der Beförderungs- und Verwendungsstau in der Bundeswehr deutlich abgebaut werden konnte, auch mitgetragen. Außer Acht lassen dürfen wir dabei aber nicht, dass die vorzeitige Pensionierung von Soldatinnen und Solda- ten nur eine gut begründete Ausnahmeregelung sein kann. Strukturelle Defizite können und dürfen auf Dauer nicht damit gelöst werden. Auch Gleichbehandlungsas- pekte müssen berücksichtigt werden. Wer wie die Bun- desregierung die Notwendigkeit längerer Lebensarbeits- zeit und den Stellenwert älterer Beschäftigter predigt, kann sich nicht eben dieser älteren Beschäftigten einfach entledigen. Auf der einen Seite wird für viel Geld auf das Potenzial von erfahrenen, qualifizierten und leis- tungsfähigen Männern und Frauen verzichtet. Auf der anderen Seite fehlt es an allen Ecken und Enden an zivi- blemlösung ausgeschöpft werden. Auch bezweifele ich nicht, dass für die Attraktivität des soldatischen Dienstes ein angemessenes Paket sozialer Leistungen ausschlag- gebend ist. Für die Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr reichen Attraktivitätssteigerungen aber nicht. Die jetzige Bundeswehrstruktur muss dringend auf den Prüfstein. Deshalb bin ich von dem von der Bundesregierung vorgelegten Personalanpassungsgesetz noch nicht über- zeugt. Ich traue den guten Worten der Bundesregierung nicht. Die Bundesregierung redet zwar viel von vernetz- ter Sicherheit, sie handelt aber nicht entsprechend. Für eine integrierte Sicherheitsstrategie fehlen vor allem entsprechende zivile und polizeiliche Kapazitäten für Friedensmissionen. Dafür brauchen wir eine andere Prioritätensetzung, und zwar nicht nur im Verteidigungs- haushalt. Wenn das nicht angegangen wird, besteht die Gefahr, dass Militäreinsätze eben doch zum Politikersatz werden. Statt wie die Union immer neue Aufgaben für die Bundeswehr im Innern zu fordern, brauchen wir endlich eine klare Richtungsentscheidung. Dafür mangelt es der Großen Koalition an Mut und Konsequenz. Es fehlt der Motor der Transformation. Deutschland leistet sich für len Expertinnen und Experten, die für die immer wichti- ger werdenden Aufgaben der humanitären Hilfe, der Krisenprävention und des zivilen Aufbaus zur Verfü- gung stehen. Diese katastrophale Schieflage führt dazu, dass die Bundeswehr länger im Einsatz bleiben muss als erforderlich. Das dürfen wir auch im Interesse der Solda- tinnen und Soldatinnen nicht hinnehmen. Ich stelle nicht in Abrede, dass angesichts der Beför- derungs- und Verwendungssituation vor allem bei älte- ren Portepee-Unteroffizieren Handlungsbedarf besteht. Bei ihnen kann angesichts des strukturellen Personal- überhangs nicht garantiert werden, dass sie ihre jewei- lige Laufbahnperspektive erreichen. Das hat negative Auswirkungen auf die Motivation und Dienstzufrieden- heit. Hier müssen deshalb alle Möglichkeiten zur Pro- e 3 t e A l z a n m w s m d n (D twa 29 Milliarden Euro eine Wehrpflichtarmee mit 50 000 Soldaten und Soldatinnen sowie Zivilbeschäf- igten von denen 83 Prozent noch nie in einem Auslands- insatz waren. Aus der Antwort auf unsere Kleine nfrage zu „Reservistinnen und Reservisten im Aus- andseinsatz“ geht hervor, dass nur ein Drittel der Offi- iere und Unteroffiziere der Bundeswehr und weniger ls 10 Prozent der Mannschaftsdienstgrade bislang an ei- em Auslandseinsatz teilgenommen haben. Von den ehr als 100 000 Zivilbeschäftigten der Bundeswehr aren gerade einmal 2 Prozent in einem Auslandsein- atz. Für eine belastbare und tragfähige Strukturreform uss die Rest-Wehrpflicht endlich vom Tisch. Alles an- ere ist auch gegenüber den Soldatinnen und Soldaten icht zu verantworten. 115. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611500000

Die Sitzung ist eröffnet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle
herzlich und wünsche uns einen guten Morgen und gute
Beratungen am heutigen Plenartag.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich ei-
nige wenige Mitteilungen zu machen. Der Kollege Dr.
Wolfgang Schäuble feierte vorgestern seinen 65. Ge-
burtstag und die Kollegin Petra Merkel (Berlin) eben-
falls vorgestern ihren 60. Geburtstag. Im Namen des
ganzen Hauses gratuliere ich dazu herzlich und wünsche
alles Gute.


(Beifall)


Bevor wir mit den Beratungen beginnen, stehen noch
zwei Wahlen zu Gremien an.

Die Bundesregierung hat den Deutschen Bundestag
um Benennung von zwei Sachpreisrichterinnen oder
-richtern für die Jury des internationalen Architek-
tenwettbewerbs für das Humboldt-Forum im Berli-
ner Schlossareal gebeten. Die Fraktion der CDU/CSU
schlägt den Kollegen Dirk Fischer (Hamburg) und als
seine Stellvertreterin die Kollegin Renate Blank vor.

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Redet
Von der SPD-Fraktion werden der Kollege Vizepräsident
Dr. h. c. Wolfgang Thierse und als seine Stellvertreterin
die Kollegin Petra Weis vorgeschlagen. Sind Sie damit
einverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist
das so beschlossen. Dann sind, wie gerade genannt, Dirk
Fischer und Dr. h. c. Wolfgang Thierse zu Mitgliedern
dieser Jury und die Kolleginnen Renate Blank und Petra
Weis jeweils zu ihren Stellvertreterinnen gewählt.

Die Fraktion der SPD hat mitgeteilt, dass der Kollege
Dr. Carl-Christian Dressel anstelle des Kollegen Dirk
Manzewski stellvertretendes Mitglied im Beirat der
Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekom-
munikation, Post und Eisenbahnen werden soll. Ich
vermute, dass Sie auch damit einverstanden
höre keinen Widerspruch. Dann ist der K
Dressel als stellvertretendes Mitglied in den
Bundesnetzagentur gewählt.

(C (D ung 20. September 2007 0 Uhr Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene agesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeührten Punkte zu erweitern: P 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP: Haltung der Bundesregierung zu den Äußerungen des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung, in Terrorabsicht entführte Flugzeuge ohne gesetzliche Grundlage abschießen zu lassen P 2 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a)Beratung des Antrags der Abgeordneten Ina Lenke, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Steuerklasse V abschaffen – Lohnsteuerabzug neu ordnen – Drucksache 16/6396 – ext Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend b)Beratung des Antrags der Abgeordneten Grietje Bettin, Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Fehlende Verbraucherschutzregeln und Rechtsunsicherheiten im Telemediengesetz beseitigen – Drucksache 16/6394 – isungsvorschlag: ss für Wirtschaft und Technologie ss für Ernährung, Landwirtschaft und cherschutz ss für Kultur und Medien sind. – Ich ollege Dr. Beirat der Überwe Ausschu Ausschu Verbrau Ausschu 11798 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 Präsident Dr. Norbert Lammert ZP 3 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Äußerungen des Bundesinnenministers zu angeblich bevorstehenden atomaren Anschlägen durch Terroristen in Deutschland und seine Ermunterung für die verbleibende Zeit ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe Barth, Patrick Meinhardt, Cornelia Pieper, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes zur Stärkung autonomer Hochschulen nutzen – Drucksache 16/6397 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit ZP 5 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundespolizeigesetzes und anderer Gesetze – Drucksache 16/6291 – Überweisungsvorschlag: Innenausschuss Rechtsausschuss Haushaltsausschuss Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden. Darf ich auch dazu Ihr Einverständnis feststellen? – Das ist offenkundig der Fall. Dann ist das so beschlossen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Ehrentribüne hat der Vorsitzende des Großen Staatskhurals der Mongolei, Herr Professor Lundeejantsan, mit seiner Delegation Platz genommen. Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages begrüße ich Sie sehr herzlich. Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist uns eine große Freude, Sie und Ihre Begleitung zu einem offiziellen Besuch in Deutschland zu Gast zu haben. Ihr Aufenthalt ist Ausdruck der freundschaftlichen und gerade in den letzten Jahren immer engeren Beziehungen nicht nur zwischen unseren Ländern, sondern insbesondere auch zwischen unseren Parlamenten. Bis zu Ihrer Rückreise in die Mongolei heute Nachmittag wünsche ich Ihnen weiterhin interessante Gespräche und Eindrücke. Für Ihr weiteres parlamentarisches Wirken in Ihrem Land begleiten Sie unsere besten Wünsche. Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten 3 a und 3 b: a)


(siehe 114. Sitzung)


(Ergänzung zu TOP 32)


(A) )


(B) )


(Beifall)


Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-
scher Streitkräfte an dem Einsatz der Interna-
tionalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Af-

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(C (D ghanistan (International Security Assistance Force, ISAF)

Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom
20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai
2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002,
1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004)
vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom
13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. Sep-
tember 2006 und 1707 (2007) vom 19. Septem-
ber 2007 des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen

– Drucksache 16/6460 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen
Trittin, Winfried Nachtwei, Kerstin Müller

(Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

ISAF und OEF parlamentarisch gemeinsam
behandeln

– Drucksache 16/6325 –

Zum Antrag der Bundesregierung liegt ein Entschlie-
ungsantrag der Fraktion Die Linke vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
iese Aussprache 75 Minuten vorgesehen. – Ich höre
einen Widerspruch. Dann ist das so vereinbart.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
er Bundesminister des Auswärtigen, Frank Steinmeier.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
uswärtigen:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Dass wir in Deutschland eine öffentliche De-
atte über Auslandseinsätze und über Afghanistan füh-
en, ist gut. Die Art und Weise, wie sie geführt wird,
acht es notwendig, dass wir zu Beginn dieser Debatte

n zwei Dinge erinnern:

Erstens. Es waren die mörderischen Anschläge vom
1. September, die uns nach Afghanistan gebracht ha-
en.

Zweitens. Erst mithilfe der gesamten internationalen
taatengemeinschaft ist es gelungen, das verbrecheri-
che Regime der Taliban niederzuringen.

Erst seither – darum geht es mir – stellen wir uns in
iesem Hohen Hause jedes Jahr die Frage, wie wir ver-
indern können, dass sich Afghanistan erneut zum
ückzugsraum für Terroristen entwickelt.

Ich sage Ihnen gleich vorweg: Unsere Antwort auf
iese Frage war nie schlicht, sie war nie einfältig. Sie

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11799


(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier
lautete von Anfang an: Wir verhindern das, indem wir
den Menschen in Afghanistan eine neue Perspektive,
neue Hoffnung geben, indem wir sie dabei unterstützen,
das Land wiederaufzubauen, indem wir es ihnen ermög-
lichen, die Zukunft ihres Landes wieder in die eigenen
Hände zu nehmen, und indem wir sie unterstützen, die
Verantwortung für die Sicherheit im eigenen Lande
schrittweise wieder selbst zu übernehmen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das war von Anfang an unsere Politik. Möge mir heute
keiner mit dem dämlichen Argument kommen, wir hät-
ten von Anfang an nur Panzer und Soldaten in untaugli-
cher Weise gegen Fundamentalismus eingesetzt. Das
stimmt nicht.


(Dr. Peter Struck [SPD]: Richtig!)


Aus meiner Sicht kann kein Zweifel daran bestehen
– wie ich weiß, haben sich viele von Ihnen in den letzten
Monaten davon überzeugen können –, dass wir in Af-
ghanistan einiges erreicht haben. Nach den jahrzehnte-
langen Kriegen bzw. Bürgerkriegen, durch die vieles in
Trümmer gelegt wurde, ist die Wirtschaft etwas in
Gang gekommen. Nach inzwischen fast sechs Jahren ha-
ben sich die staatlichen Institutionen – das gilt auch für
die Regierung – etwas Freiraum erkämpft. Besonders im
Norden, wo wir Verantwortung tragen, sind neue Schu-
len und neue Straßen gebaut sowie Brunnen gebohrt
worden. Über 6 Millionen Kinder können dort wieder
eine Schule besuchen. Die Schülerzahl hat sich in den
letzten sechs Jahren mehr als verfünffacht. Immerhin
80 Prozent der dortigen Bevölkerung haben wieder Zu-
gang zu medizinischer Versorgung.

Trotz alledem muss ich sagen: Ja, es stimmt; der Weg
hat sich als schwieriger erwiesen, als wir, als viele von
uns sich erhofft haben. Insbesondere im Süden und
Südosten des Landes vollzieht sich der Aufbau, natür-
lich auch aus Sicht der afghanischen Bevölkerung, bei
weitem nicht schnell genug. Wenn das richtig ist, frage
ich: Welche Schlussfolgerung ziehen wir daraus? Gehen,
weil es schwierig ist? Ich glaube nicht. Ich glaube, die
einzig mögliche Schlussfolgerung, die wir daraus ziehen
können, ist, dass wir mehr tun müssen, dass wir unsere
Anstrengungen im Rahmen des zivilen Wiederaufbaus
verstärken müssen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist ja auch der Kern des Afghanistankonzepts, das
wir Ihnen gerade vorgelegt und über das wir in einigen
Ausschüssen schon gesprochen haben. Wir brauchen
eine deutliche Aufstockung der Mittel für die zivile Wie-
deraufbauhilfe. Ich bin mir sicher, dass der Deutsche
Bundestag das in der Schlussabstimmung über den
Haushalt auch so beschließen wird.

Wir müssen uns nicht gegenseitig darüber belehren,
wie schwierig die Sicherheitslage ist. Die internationale
Staatengemeinschaft hat es zwar vermocht, eine dro-

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(C (D ende Frühjahrsoffensive der Taliban zu verhindern, ber die Gefährdungen haben sich auf andere Art und eise entwickelt. Wir haben bei den Anschlägen in unduz und Kabul erleben müssen, wie deutsche Poli isten und deutsche Soldaten auf tragische Weise ums eben gekommen sind. Meine Damen und Herren, in dieser Situation ist es otwendig, dass wir neben dem zivilen Engagement, von em ich gesprochen habe, auch unser militärisches Enagement aufrechterhalten. Das sagen übrigens auch die fghanen, die hier gegenwärtig zu Gast sind und mit deen Sie ja Gespräche führen. Das hat uns auch die afghaische Frauenministerin vor kurzem bei ihrem Besuch in er SPD-Fraktion gesagt, begleitet mit der dringlichen itte, die Menschen in Afghanistan – gerade die Frauen in der gegenwärtigen Lage nicht alleinzulassen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ch könnte es zuspitzen und sagen: Es ist doch irrig, zu
lauben, wir könnten gerade in der derzeitigen Situation
uf die militärische Komponente unseres Einsatzes völ-
ig verzichten. Oder noch genauer gesagt: Wer heute den
bzug unserer Truppen aus Afghanistan fordert, setzt all
as aufs Spiel, was wir in den letzten sechs Jahren dort
ufgebaut haben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Wer sich dabei auch noch in der moralisch besseren
osition fühlt, der sollte nicht nur den Drachenläufer
on Khaled Hosseini lesen – den haben Sie alle vermut-
ich gelesen –, sondern auch sein neues Buch Tausend
trahlende Sonnen. Schauen Sie einmal auf den Katalog
n Verboten – Sie finden ihn auf den Seiten 257 f.; er ist
nderthalb Seiten lang! –, durch die in zynischer und
enschenverachtender Weise jedes Leben in Kabul nach

em Einzug der Taliban im Grunde genommen unmög-
ich gemacht worden ist. Etwas, das den Namen „Leben“
erdient, blieb nicht übrig. Wer das will, der muss in der
at fordern, dass wir unser Engagement in Afghanistan
ufgeben. Ich glaube, an einer solchen Forderung kön-
en und sollten wir uns nicht beteiligen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, aus diesen Gründen hat
er Sicherheitsrat der Vereinten Nationen heute Nacht
as ISAF-Mandat bestätigt. Deshalb bittet auch die
undesregierung Sie als Abgeordnete des Deutschen
undestages, das Mandat zu verlängern.

Es geht neben dem ISAF-Mandat gleichzeitig um die
erlängerung des Einsatzes der Aufklärungstornados.

ch habe die Debatte, die wir dazu hier im Hohen Haus
or einem halben Jahr geführt haben, in guter Erinne-
ung. Ich glaube, ich darf mit den meisten von Ihnen sa-
en, dass sich viele Befürchtungen, die sich an den Ein-
atz der Aufklärungstornados knüpften, nicht bestätigt

11800 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier
haben. Ich sage: Unsere Entscheidung damals war rich-
tig. Die Tornados werden zur Aufklärung eingesetzt. Sie
helfen der ISAF, die Lage vor Ort besser zu beurteilen.
Sie helfen auch, militärische Mittel angemessener einzu-
setzen, was ja – darüber haben wir hier in vielen Debat-
ten miteinander diskutiert – unser gemeinsamer Wunsch
war.

Wir schlagen bei alldem vor, das ISAF-Mandat und
das Tornado-Mandat zusammenzulegen. Inhaltlich – das
wird der Verteidigungsminister erläutern – bleiben die
Mandate unverändert; aber sie geben uns die Möglich-
keit, durch eine gemeinsame Obergrenze die Soldaten
flexibler einzusetzen, um zum Beispiel – das haben wir
hier im Hohen Hause schon als notwendig festgestellt –
die afghanischen Sicherheitskräfte, vor allen Dingen die
afghanische Armee, beim Aufbau und bei der Ausbil-
dung besser zu unterstützen. Genau das müssen wir tun.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Lassen Sie mich zum Abschluss eines sagen: Unsere
Soldaten leisten in Afghanistan genauso wie die zivilen
Wiederaufbauhelfer und unsere Polizisten unter schwie-
rigsten Bedingungen einen hervorragenden Job. Sie ha-
ben sich bei den Afghanen, aber auch bei unseren inter-
nationalen Partnern große Anerkennung erworben. Sie
wissen das. Deshalb sage ich: Dafür gebührt ihnen unser
uneingeschränkter Dank.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bei Debatten wie dieser geht es aber nicht nur ums
Danksagen, sondern auch darum, den Soldaten, Aufbau-
helfern und Polizisten die breite Unterstützung des Ho-
hen Hauses zu signalisieren, die sie bei einem solchen
Einsatz unter schwierigen Bedingungen brauchen. Des-
halb erhoffe ich mir am Ende dieser Debatte eine breite
Zustimmung dieses Hohen Hauses. Ich bitte Sie um Un-
terstützung bei der Verlängerung des Antrags.

Danke.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611500100

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Werner Hoyer für

die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1611500200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

FDP-Bundestagsfraktion wird den Antrag der Bundesre-
gierung, dessen endgültige Fassung wir erst seit wenigen
Stunden kennen, sorgfältig, unvoreingenommen und
verantwortungsbewusst prüfen. Nach allen Vorgesprä-
chen gehe ich davon aus, dass wir nach sorgfältigen Be-
ratungen in den Ausschüssen dem Antrag, wahrschein-
lich mit überwältigender Mehrheit zustimmen werden.

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(C (D Der Bundesminister hat zu Recht noch einmal darauf ingewiesen, warum wir uns in Afghanistan engagieren, arum es unsere moralische Verpflichtung ist, warum es ber auch unserem ureigenen Interesse dient, diesen Einatz effektiv fortzusetzen. Wir bedauern, dass die Entscheidung über ISAF aus nnerparteilichen Gründen von der Entscheidung über EF getrennt worden ist. Man kann die beiden Dinge icht getrennt bewerten. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Ruprecht Polenz [CDU/CSU])


umindest gibt dies der Bundesregierung die Chance – wir
prachen heute schon in einer Unterrichtung im Verteidi-
ungsministerium darüber –, die betroffenen Ausschüs-
e, aber auch den Deutschen Bundestag insgesamt besser
ber das zu unterrichten, was bei der Operation Endu-
ing Freedom passiert.

Die Unterscheidung zwischen dem vermeintlich bö-
en OEF-Mandat und dem guten ISAF-Aufbaumandat
cheint mir nicht sachgerecht und nicht fair gegenüber
nseren Partnern, die sich bei OEF besonders engagie-
en.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


ch möchte im Übrigen daran erinnern, dass gestern im
üden Afghanistans die große Operation „Hammer-
chlag“ mit 2 500 ISAF-Soldaten begonnen hat. Diese
errorbekämpfungsaktion wird also von der ISAF
urchgeführt. Die häufig vorgenommene Unterschei-
ung zwischen ISAF und OEF ist daher nicht in Ord-
ung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


nsofern sind die Debatten auf manchen Parteitagen ge-
adezu bizarr: Neben der Tatsache, dass die grüne Basis
hren Bundestagsabgeordneten Verantwortungsverwei-
erung auferlegen will – wie am letzten Wochenende
eschlossen –, finde ich es bemerkenswert, mit welchem
erfahren die Parteiführung versucht hat, eine Entschei-
ung herbeizuführen. Wer bei einer so gravierenden Ge-
issensentscheidung – das ist es am Ende für jeden von
ns – die Feststellung einer Parteimeinung über Frage-
ögen im Multiple-Choice-Verfahren ermitteln will, ver-
bschiedet sich von Verantwortungsübernahme.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben mit der Zusammenlegung der Entschei-
ung über das ISAF-Mandat und der Entscheidung über
en Einsatz von Tornados kein Problem. Wir richten un-
eren ausdrücklichen Dank an die Angehörigen des Auf-
lärungsgeschwaders. Unsere vor einem halben Jahr in
ieser Sache getroffene Entscheidung war schwierig,
ber richtig.

Wenn wir – höchstwahrscheinlich – zustimmen wer-
en, heißt das nicht, dass wir nicht Kritik zu üben hätten
nd nicht auf Verbesserung drängten. Ich unterstütze zu-
ächst einmal ausdrücklich einen Punkt, den der Minis-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11801


(A) )



(B) )


Dr. Werner Hoyer
ter angesprochen hat: das Umsteuern hin zur Bewälti-
gung der Herausforderungen des Wiederaufbaus. Ich
möchte darüber hinaus vier kurze Anmerkungen ma-
chen:

Erstens. Die Rolle der NATO in diesem Zusammen-
hang muss politischer werden. Es kann nicht sein, dass
der Generalsekretär der NATO mit dem Verweis, die
NATO dürfe keine Entwicklungsagentur werden, darauf
besteht, dass wir uns auf das Militärische beschränken.
Wenn die Gefahr besteht, dass aufgrund unseres Versa-
gens im nichtmilitärischen Teil, nämlich dem Aufbau
Afghanistans, auch die militärische Mission scheitert,
dann ist es im Interesse des Bündnisses und seiner Mit-
glieder, dass wir unsere Aktivitäten im nichtmilitäri-
schen Teil zumindest einmal koordinieren und gemein-
sam festlegen, welche Ziele – sie sollten übrigens
manchmal etwas bescheidener sein – wir verfolgen und
welche effektiven Zielerreichungsstrategien wir anwen-
den wollen.


(Beifall bei der FDP)


Übrigens möchte ich darauf hinweisen, dass die NATO
ein Konsensgremium ist. Es kann keine Forderung der
NATO an Deutschland geben, die nicht auch von den
deutschen Vertretern abgesegnet worden ist. Deswegen
frage ich mich manchmal, welche Weisungen die Leute,
die für uns in den Gremien der NATO sitzen, eigentlich
haben.

Zweitens. Es ist Erhebliches geleistet worden; Minis-
ter Steinmeier hat darauf hingewiesen. Das sollten wir
nicht kleinreden. Was wir allerdings einfordern müssen,
ist mehr Nachhaltigkeit. Unsere Kolleginnen und Kol-
legen aus Afghanistan, von denen einige heute auf der
Besuchertribüne sitzen, haben uns gestern gesagt: Es
gibt einen „lack of continuity“, also einen Mangel an
Kontinuität und auch an Nachhaltigkeit. Es ist unbefrie-
digend, wenn wir mit großem Aufwand Schulen bauen,
nach ein paar Jahren aber nicht mehr genug Geld zur
Verfügung steht, um die Stellen der Lehrer finanzieren
und diese Schulen tatsächlich betreiben zu können.

Drittens. Auch und erst recht im Bereich von Verwal-
tung, Polizei und Justiz gibt es einen Mangel an Rechts-
staatlichkeit; das haben uns unsere Kollegen gestern be-
richtet. Daher müssen wir feststellen, dass der
Vorsitzende des Bundeswehr-Verbandes schlicht und er-
greifend recht hat, wenn er unseren Beitrag im Rahmen
der Polizeiausbildung zwar als gut gemeint, aber zu-
gleich als beschämend bescheiden darstellt. Hier müssen
wir dringend zulegen und in qualitativer und quantitati-
ver Hinsicht in neue Dimensionen vorstoßen.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Ruprecht Polenz [CDU/CSU])


Viertens. Der große Schwachpunkt all unserer Bemü-
hungen in Afghanistan ist und bleibt das Thema Drogen.
Als es damals um die Ausweitung des Einsatzes auf
Kunduz ging, habe ich darauf hingewiesen, dass wir un-
sere Soldaten in eine „Mission Impossible“ schicken,
wenn wir auf Dauer dabei zusehen, wie unsere Soldaten
vor blühenden Mohnfeldern patrouillieren und damit das
dreckige Geschäft der Drogenbarone – ich meine nicht

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(C (D ie Bauern, sondern die Zwischenhändler, die Laborbereiber usw. – sogar noch militärisch absichern. Wenn ir uns nicht möglichst schnell gemeinsam mit unseren artnern auf einen Weg verständigen, um dieses Problem u lösen – dafür werden wir ein Bündel von Maßnahmen rauchen, nicht nur eine einzelne Maßnahme –, dann ird auch unsere militärische Aktion scheitern. Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen. Dann können wir eines Tages unseren Soldaten, unse en zivilen Aufbauhelfern und unseren Polizisten nicht ehr zumuten, dort länger tätig zu sein. Vielen Dank. Das Wort hat der Bundesminister der Verteidigung, r. Franz Josef Jung. Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidiung: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Ich kann nahtlos an das anschließen, was der undesaußenminister gerade gesagt hat. Ich denke, ganz ntscheidend ist die Tatsache, dass es uns gelungen ist, nnerhalb der NATO unser Konzept der vernetzten Siherheit, das wir im Rahmen des Weißbuchs verabchiedet haben, als Gesamtkonzept für Afghanistan urchzusetzen. Wir haben es in unserem Afghanistanonzept wie folgt beschrieben: ohne Sicherheit keine ntwicklung und kein Wiederaufbau, aber ohne Enticklung und Wiederaufbau auch keine Sicherheit. Ich in der felsenfesten Überzeugung, dass das Konzept der ernetzten Sicherheit erfolgreich sein wird, um das Verrauen der Bevölkerung, also die Herzen und die Köpfe er Menschen, zu gewinnen und in Afghanistan für Stailität und für eine friedliche Entwicklung zu sorgen. Vor iesem Hintergrund bittet die Bundesregierung das Parament, das Mandat ISAF und das Mandat bezüglich des insatzes der Recce-Tornados jetzt um ein Jahr zu ver ängern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611500300
Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1611500400

(Beifall bei der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611500500

(Beifall bei der CDU/CSU)


In der jetzigen Debatte müssen wir auch unterstrei-
hen, was wir in den Jahren, in denen wir in Afghanistan
ufbauarbeit leisten, bereits erreicht haben. Im Norden
es Landes haben wir über 700 konkrete Projekte durch-
eführt. Diese Projekte reichten von der Herstellung von
trom- und Wasserversorgung über die Errichtung von
traßenverbindungen, Schulen und Kindergärten bis hin
ur Verbesserung der medizinischen Versorgung. Man
uss den Blick allerdings auch auf Gesamtafghanistan

ichten. Wir haben dieses Land von der Terrorherrschaft
er Taliban befreit. Nun hat das Land eine Verfassung
nd ein gewähltes Parlament.

11802 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Franz Josef Jung
Dass heute Parlamentarier aus Afghanistan, auch
weibliche Parlamentarier, diese Debatte verfolgen kön-
nen, ist auch ein Erfolg unserer Politik. Ich begrüße Sie,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus Afghanistan, herz-
lich in unserem Parlament!


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Meine Damen und Herren, ich kann weitere Beispiele
bringen: Als ich in Kabul war, kamen Mädchen lä-
chelnd, freundlich und fröhlich aus den Schulen gelau-
fen.


(Zurufe von der LINKEN: Oh! Oh! – Na ja!)


Unter der Herrschaft der Taliban durften Mädchen nicht
zur Schule gehen. Mit Ihrer Politik – Sie lehnen einen
solchen Einsatz ja ab – wäre das nicht möglich gewesen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN –Widerspruch bei der LINKEN)


Früher gingen in Afghanistans Schulen 1 Million
Schüler, jetzt sind es über 6,5 Millionen. Wir haben er-
reicht, dass fast 80 Prozent der Bevölkerung im Land
Zugang zu medizinischer Grundversorgung haben.
4,7 Millionen Flüchtlinge sind in dieses Land zurückge-
kehrt. Die Höhe der Einkommen hat sich verdoppelt.
Wir haben eine wesentlich verbesserte Infrastruktur;
wir haben gerade erst im Norden eine Brücke für eine
Straßenverbindung nach Tadschikistan eingeweiht. Wir
stellen Krankenhäuser wieder her. Wir sind hier auf ei-
nem Weg des Erfolges. Diesen Weg des Erfolges müssen
wir weitergehen.

Der Weg, den Sie von der Linken uns empfehlen,
nämlich Rückzug, wäre dagegen der falsche Weg, auch
im Hinblick auf die Sicherheit unserer Bürgerinnen und
Bürger. Das würde nämlich einen Rückfall zur Folge ha-
ben, sodass Afghanistan wieder zum Ausbildungszen-
trum für Terroristen würde.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der LINKEN: Hören Sie auf, solch einen Quatsch zu reden!)


Wir haben konkret vor, auch mit diesem Mandat, un-
sere Aktivitäten im Norden weiter zu verstärken. Wir
sind damals mit den Provincial Reconstruction Teams,
wie es in der Fachsprache heißt, also mit den Wieder-
aufbauteams in den einzelnen Regionen, vorangegan-
gen. Wir wollen jetzt mit Provincial Advisory Teams den
Menschen in den einzelnen Regionen mit Beratung und
Unterstützung helfen. Damit dehnen wir diesen Prozess
innerhalb Nordafghanistans aus.

Wir werden weiterhin, da wir im Norden die Verant-
wortung für den strategischen Lufttransport haben, für
die medizinische Versorgung, gegebenenfalls auch für
Evakuierung aus medizinischen Gründen sorgen. Wir
wollen auf diesem Weg weiter erfolgreich vorangehen.

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(C (D ir wollen unsere Anstrengungen zur Ausbildung der fghanischen Armee verdreifachen. Denn unser Konept muss ja letztlich zum Ziel haben, dass die afghaniche Regierung in die Lage versetzt wird, selbst für ihre icherheit zu sorgen: deshalb die Ausbildung der Poliei, deshalb die Verdreifachung der afghanischen Streiträfte. Das ist unser Konzept, und ich glaube, das ist der ichtige Weg für Afghanistan. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, im Hinblick auf die Dis-
ussion über den Süden will ich sagen: Wir lassen in
otsituationen Freunde nicht im Stich. Wir sind zurzeit
it insgesamt 3 200 Soldaten im Norden, einer Region,

ie halb so groß ist wie die Bundesrepublik Deutschland.
ir haben hier eine Verantwortung für 17 Nationen. Im

üden stehen 14 500 Soldaten, im Osten 16 500, also
nsgesamt über 30 000 Soldaten. Aber wenn Freunde in
ot kommen, helfen wir: Wir haben mit
20 Lufttransportflügen geholfen, wir haben mit Fern-
eldern ausgeholfen. Um letztlich zur Stabilisierung

nd zur friedlichen Entwicklung des gesamten Landes
u kommen, ist es, wie ich denke, richtig, dass wir un-
ere Verantwortung im Norden wahrnehmen und dort
nseren Weg weitergehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Das Thema der zivilen Opfer hat am Anfang dieses
ahres in der öffentlichen Diskussion eine bedeutende
olle gespielt. Wir haben über eine Weisung des COM

SAF mit dafür gesorgt, dass alle Anstrengungen unter-
ommen werden, um zivile Opfer zu vermeiden. Es ist
atürlich die hinterhältige Strategie der Taliban, bewusst
ivile Opfer zu verursachen, um die politische Diskus-
ion zu instrumentalisieren. Deshalb ist es richtig, dass
ie entsprechende Weisung an die Soldaten ergangen ist.
ass in Zukunft zivile Opfer vermieden werden, ist
ichtig, um das Vertrauen der Bevölkerung in unseren
insatz zu gewinnen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Deshalb denke ich, wir sind in Afghanistan auf einem
rfolgreichen Weg. Diesen Weg wollen wir gemeinsam
ortsetzen: im Interesse von friedlicher und stabiler Ent-
icklung in diesem Land, im Interesse der Menschen in
iesem so geschundenen Land Afghanistan, aber auch
m Interesse der Sicherheit unserer Bürgerinnen und
ürger. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem
andat.

Besten Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611500600

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Gregor Gysi für

ie Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11803


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Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611500700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da Sie,

Herr Bundesverteidigungsminister Jung, vor mir gespro-
chen und Sie gesagt haben, dass Sie sich auf bestimmte
Wege nicht einlassen, muss ich Ihnen sagen: Die Wege,
die Sie planen zu gehen, sind fernab von anderen Vor-
stellungen, fernab vom Grundgesetz und fernab vom
Bundesverfassungsgericht. Das ist nicht hinnehmbar.


(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


Lassen Sie mich einige Sätze dazu sagen. Ich kenne
die Theorie, wonach man, wenn man ein entführtes
Passagierflugzeug abschießt, zwar Tote verursacht, die
es sowieso geben würde, aber das Leben anderer rettet.
Das ist doch Ihr Ausgangspunkt.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hier vorne spielt die Musik! – Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie etwas zu Afghanistan!)


– Ich sage gleich etwas zu Afghanistan. – Herr Minister
Jung, Sie haben in einer solchen Situation aber nur we-
nige Minuten, um zu entscheiden, und Sie können nur
vermuten, was der Pilot macht.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte etwas lauter! Gebt ihm mehr Saft!)


Es ist doch abenteuerlich, prophylaktisch zu töten. Das
ist das, was Sie erklärt haben. Ich sage Ihnen: Das wäre
eine Anstiftung zum vielfachen Totschlag und ist in un-
serer Gesellschaft nicht hinnehmbar.


(Beifall bei der LINKEN – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist trotzdem das falsche Thema! – Zuruf von der CDU/ CSU: Zum Thema!)


Da wir jetzt über Afghanistan sprechen: Es gibt in un-
serer Gesellschaft sehr unterschiedliche Positionen, die
Sie nicht zur Kenntnis nehmen. Der Parteitag der Grü-
nen hat sich jetzt wieder früheren antimilitaristischen
Positionen angenähert, was wir im Unterschied zu ande-
ren begrüßen. Die anderen kritisieren die Grünen dafür,
dass sie außenpolitisch unzuverlässig werden. Sie mer-
ken gar nicht mehr, dass Militär und Außenpolitik für sie
zu einer Einheit geworden sind, was wir überwinden
wollen.


(Beifall bei der LINKEN)


Natürlich haben die Grünen dem völkerrechtswidri-
gen Angriffskrieg gegen Jugoslawien und bisher allen
Militäreinsätzen in Afghanistan zugestimmt. Es wird
höchste Zeit, dass Sie wieder einmal auf Ihre Basis hö-
ren und Ihre Positionen schrittweise verändern.


(Beifall bei der LINKEN)


Der Außenminister hat zu Recht gesagt, dass die Tali-
ban in Afghanistan bekämpft und entmachtet werden
sollten. Nun sollen auch die Menschenrechte wiederher-
gestellt werden. Das Talibanregime wurde beseitigt; das
ist wahr. Es wird aber nie dazugesagt, dass die Nord-

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(C (D llianz deutlich an Macht gewonnen hat. Die Stellung er Nordallianz zu Frauenund zu Menschenrechten ist hnlich wie die der Taliban. Das wird verschwiegen. s gibt jetzt eine Macht von Drogenbaronen und von arlords, die einfach nicht hinnehmbar ist. Das Bild, das ier gemalt wird, dass jetzt alle in traumhaften Zustänen dort leben würden, hat mit der Realität nichts zu tun. (Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU)


(Beifall bei der LINKEN)


Es gibt entsprechende Studien. Nach sechs Jahren
eht jedes fünfte Mädchen in Afghanistan zur Schule.


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD)


Jedes fünfte Mädchen. – Das ist für Sie ein Riesener-
olg. Ich finde das eine Schande. Jedes Mädchen muss
ur Schule gehen.


(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU und der SPD)


ch erkläre Ihnen, warum Sie so aufgeregt sind: Die
ehrheit der Bevölkerung ist auf unserer Seite und nicht

uf Ihrer. Das macht Sie so nervös.


(Beifall bei der LINKEN – Christoph Strässer [SPD]: Noch nichts vom „Politbarometer“ gehört?)


Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Wir hatten gerade
esuch von Malalai Joya, einer sehr tapferen und muti-
en afghanischen Frau.


(Zuruf von der SPD)


Finden Sie nicht? – Sie ist mit vielen Stimmen in die
erfassunggebende Versammlung gewählt worden. Na-
ürlich kannte sie die Herren und sagte ganz konkret, wer
rogenbaron, wer Warlord etc. war. Daraufhin hat die
ehrheit beschlossen, sie wieder aus dem Parlament he-

auszuschmeißen. Das versteht man dort auch unter De-
okratie.


(Beifall bei der LINKEN)


ch bin sehr froh, dass sie zu uns gekommen ist.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Setzen!)


ie vertritt nicht in allen Punkten unsere Auffassung;
eien Sie doch ganz ruhig. Sie hat zum Beispiel gesagt,
ass mit den deutschen Soldaten die Hoffnung auf Be-
reiung verbunden war. Das stimmt. Sie hat auch gesagt,
ass diese Hoffnung weniger mit den US-Soldaten und
her mit den europäischen Soldaten verbunden war. Das
roblem war nur, sagte sie, dass man die Nordallianz
ätte entwaffnen müssen, sie aber aufgerüstet worden
ei. Sie sagte weiter: Die Nordallianz achtet Frauen-
echte genauso wenig wie die Taliban. – Das ist das Pro-
lem.


(Beifall bei der LINKEN)


asselbe sagt sie von den Warlords und den Drogenba-
onen.

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Dr. Gregor Gysi
Eines kommt noch hinzu: Sie sagte, sie habe auf die
deutschen Soldaten gehofft. Das Problem sei nur, dass
sich die deutschen Soldaten der US-Strategie unterwer-
fen. Deshalb sei es keine Befreiung, sondern eine Besat-
zung geworden. – Das sagen nicht wir, das sagt diese
afghanische Frau. Reden Sie doch mit ihr!


(Beifall bei der LINKEN – Christoph Strässer [SPD]: Das machen wir!)


Da ich weiß, dass sie auf der Besuchertribüne sitzt,
möchte ich sie – mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident –
herzlich begrüßen.


(Beifall bei der LINKEN)


Lassen Sie mich noch etwas zu Ihren Argumenten an-
merken. Unter der sowjetischen Besatzung konnten
Mädchen zur Schule gehen. Frauen durften sogar Fuß-
ball spielen. Das hat die Besatzung niemals gerechtfer-
tigt. Damals haben Sie das auch nicht behauptet. Sie ha-
ben Ihre Vorstellungen im Laufe der Jahre sehr stark
geändert. Darauf muss man hinweisen.


(Beifall bei der LINKEN)


Derzeit wird – auch bei den Grünen – darüber disku-
tiert, ob die Strategie der deutschen Soldaten geändert
und dann gegebenenfalls dem ISAF-Mandat zugestimmt
werden könnte. Abgesehen davon, dass ISAF gerade
eine große Offensive gestartet hat, ist eines zu bedenken:
Weder die rot-grüne noch die heutige Regierung hatten
die Kraft, sich gegen die USA zu stellen und eine andere
Strategie zu verfolgen. Sie wollen es auch nicht. Deshalb
müssten Sie nach Ihrem Parteitagbeschluss auch gegen
ISAF stimmen, so wie wir das tun.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie haben über die Frauen- und Menschenrechte ge-
sprochen. In wie vielen Ländern wollen Sie eigentlich
aus diesem Grund intervenieren? Wie ist es um die Frau-
enrechte in Saudi-Arabien bestellt?


(Beifall bei der LINKEN)


Dort dürfen die Frauen nicht einmal Auto fahren. Sie
dürfen ohne Genehmigung ihres Ehemannes nicht das
Land verlassen. Sie werden schlicht und einfach unter-
drückt. Aber Herr Bush und seine Familie machen
dickste Geschäfte mit der herrschenden Familie in
Saudi-Arabien.


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb interessieren ihn dort die Menschenrechte nicht.

Es gibt sehr viele Länder in Afrika, Asien und Latein-
amerika, in denen Sie einmarschieren müssten. Selbst
die USA müssten Sie wegen Guantánamo angreifen.
Werden Sie doch nicht albern: Als ob Sie Ihr Militär
überall dorthin schicken, wo Menschenrechte verletzt
werden.


(Beifall bei der LINKEN – Christoph Strässer [SPD]: Das ist doch niveaulos!)


Es wird immer wieder gefragt, was passiert, wenn wir
das Land verlassen. Als Antwort wird immer die

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(C (D chlimme Herrschaft der Taliban genannt. Das ist völlig alsch. (Bernd Schmidbauer [CDU/CSU]: Moralapostel! Und das bei der Vergangenheit!)


ir müssen die Nordallianz entwaffnen.


(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD: Wie denn?)


ie bewaffnen hingegen die Nordallianz. Das ist die
ahrheit. Sie sehen zu, wie die Nachbarländer eine völ-

ig unterschiedliche Politik betreiben. Ob Russland,
sbekistan, Pakistan oder der Iran: Sie alle bewaffnen

ntweder die Taliban oder die Nordallianz. Sie aber
chauen nur zu. Das ist die Realität; darin liegt das Pro-
lem.


(Beifall bei der LINKEN – Bernd Schmidbauer [CDU/CSU]: Was haben Sie denn früher gemacht?)


Sie haben angekündigt, Sie wollten die Polizei und
rmee ausbilden. Was machen Sie denn seit sechs Jah-

en?


(Bernd Schmidbauer [CDU/CSU]: Was haben Sie denn in Ihrer Vergangenheit gemacht?)


arum gibt es noch keine eigenständige Polizei in
fghanistan? Warum gibt es keine Armee? Nichts ist
iesbezüglich ernsthaft geleistet worden.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie tun immer, als ginge es um die Menschenrechte.
ch zitiere in diesem Zusammenhang Herrn Greenspan
er ist kein Linker –, der erste Notenbankpräsident der
SA, der einen ausgeglichenen Haushalt zustande ge-
racht hat und gerade seine Memoiren veröffentlich hat:
er wesentliche Grund für den Krieg im Irak war das Öl.


(Zuruf von der SPD: Ach!)


Ja, das stammt nicht von mir, sondern von ihm.

Im Übrigen haben die USA hervorragend mit den
enschenverachtenden Taliban verhandelt, und zwar

ber eine Gaspipeline durch Afghanistan.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


rst als die Verhandlungen über die Gaspipeline geschei-
ert waren, entdeckten sie die Menschenrechte in Afgha-
istan. Das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie verweisen immer darauf, dass im Falle eines Ab-
ugs der Soldaten auch die Aufbauhelfer abgezogen
erden müssten. In diesem Zusammenhang beziehe ich
ich wieder auf einen Nichtlinken, einen ehemaligen
rzt der Bundeswehr, mit dem ich bei einer Sendung im
ayerischen Fernsehen zusammengetroffen bin und der

m Süden Afghanistans Schulen baut. Er sagt, dass das
ur dann funktioniert, wenn der nächste Soldat
0 Kilometer entfernt ist. Er wurde gebeten, seine Schu-
en für die Wahl des Präsidenten zur Verfügung zu stel-
en. Er hat sich unter einer Bedingung dazu bereit er-

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Dr. Gregor Gysi
klärt, nämlich dass der nächste Soldat 10 Kilometer
entfernt ist. Das hat er auch durchgesetzt mit der Folge,
dass 60 Prozent der Wahlberechtigten zur Wahl gekom-
men sind, davon 40 Prozent Frauen. Wo die US-Soldaten
standen, betrug die Wahlbeteiligung 10 Prozent, darunter
nur 1 Prozent Frauen. Das ist die Wahrheit: Er braucht
nicht den Schutz der Soldaten; er braucht die Soldaten
nicht, um seine Aufbauarbeit in Afghanistan zu leisten.


(Beifall bei der LINKEN)


Das sagt ein ehemaliger Arzt der Bundeswehr.


(Christel Riemann-Hanewinckel [SPD]: Das ist unerträglich, Herr Gysi!)


Lassen Sie mich abschließend sagen: Herr Außenmi-
nister, Sie haben hier erklärt, dass derjenige, der für den
Abzug der Soldaten ist, die Macht der Taliban wieder-
herstellen will.


(Uta Zapf [SPD]: So ist es!)


Das ist eine Unverschämtheit,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Bernd Schmidbauer [CDU/CSU]: Wie kommen Sie dazu, so etwas zu sagen! Unverschämt!)


die Sie zwar äußern können, Herr Außenminister, aber
Sie müssen eines wissen: Zwei Drittel der deutschen Be-
völkerung ist für den Abzug der deutschen Soldaten aus
Afghanistan.


(Walter Kolbow [SPD]: Das ist falsch!)


Damit unterstellen Sie zwei Drittel der Bevölkerung,
dass sie für die Taliban ist. Was Sie hier geboten haben,
ist indiskutabel.


(Beifall bei der LINKEN – Walter Kolbow [SPD]: Ihre Rede war indiskutabel!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611500800

Nächster Redner ist der Kollege Fritz Kuhn für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611500900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Lieber Herr Gysi, das war eine skurrile Mi-
schung aus dummem Zeug, das Sie hier vorgetragen ha-
ben. Das habe ich selten gehört.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Ich sage Ihnen, warum. Herr Gysi, Sie haben sich hier
aufgeblasen wie ein Ochsenfrosch und gesagt, nur ein
Fünftel der Mädchen in Afghanistan könnten zur Schule
gehen, nicht fünf Fünftel. Sie haben aber niemals gesagt,
wie Sie es seit 2001 durchgesetzt hätten, dass zumindest
dieses Fünftel zur Schule gehen kann. Das ist absolut
billig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


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(C (D Herr Gysi, Sie haben argumentiert, wir, die Grünen, ie CDU/CSU, die SPD und die FDP, seien inkonseuent, weil wir in vielen Regionen der Welt, in denen es benfalls Menschenrechtsverletzungen gebe, nicht einriffen. Das ist noch nicht einmal winkeladvokatisch, ondern einfach nur unter der Gürtellinie. Ich stelle fest, ass Ihr Vorsitzender, wenn er nach Kuba fährt, keinen iep zu dem sagt, was dort passiert. (Lachen des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])


err Dehm, ich will Ihnen auch den Grund sagen. Sie sa-
en nichts zur dortigen Situation der Menschenrechte,
eil es Sie so sehr an die DDR erinnert. Was dort ge-

chehen ist, haben viele von Ihnen als ganz normal emp-
unden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Ich muss Sie enttäuschen, was unsere Position angeht.
ie Mehrheit hat auf dem Parteitag der Grünen entschie-
en, dass wir für ISAF und gegen den Tornado-Einsatz
ind. Deswegen wird die Mehrheit meiner Fraktion bei
er verbundenen Abstimmung nicht zustimmen, also
ich enthalten oder mit Nein stimmen. Aber wir haben
lar gesagt, dass wir gegen OEF und für ISAF sind. Ein
ntrag auf unserem Parteitag, der den sofortigen Abzug
er ISAF-Truppen vorsah, hat nur 10 Prozent der Stim-
en erhalten und wurde nicht verabschiedet. Das ist die
achlage.

Herr Westerwelle, Sie haben sich über unseren Partei-
ag so sehr gefreut und gesagt – das haben alle gehört –,
ir, die Grünen, seien nicht regierungsfähig, während
ie FDP eine andere Einschätzung der Verantwortung in
er Welt habe. Ich will in diesem Zusammenhang daran
rinnern, wie die FDP bei den Abstimmungen in den
etzten Jahren die Verantwortung in der Welt wahrge-
ommen hat. Die FDP hat 2003 und 2004 – Herr Hoyer,
ie waren in Ihrer Rede sehr unvorsichtig – den Bundes-
ehreinsatz im Rahmen des ISAF-Mandats abgelehnt.
anach hat sie wieder zugestimmt. Die FDP hat 2003
as OEF-Mandat mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Des
eiteren hat die FDP zweimal gegen die UNIFIL-Mis-

ion gestimmt, genauso wie gegen die EUFOR-Mission
nlässlich der Wahlen im Kongo 2006 und das KFOR-
andat im Juni 2001. Wenn Sie meinen, dass derjenige,

er irgendwann einmal gegen einen Einsatz gestimmt
at, nicht regierungsfähig ist, Herr Westerwelle, dann
ann ich Ihnen nur sagen, dass Sie angesichts des Ab-
timmungsverhaltens Ihrer Fraktion auf 20 Jahre nicht
egierungsfähig sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich will nun zur Sache, zu den Mandaten, kommen.
ir sind für einen Strategiewechsel. Auch die Bundes-

egierung, insbesondere Herr Steinmeier, tritt für einen
trategiewechsel ein. Aber die entscheidende Frage ist,
b ein Strategiewechsel in Afghanistan tatsächlich statt-
indet, wenn OEF in der heutigen Form bestehen bleibt.
in Strategiewechsel ist kein theoretisches Konstrukt,
as wir uns im Parlament oder in den Ausschüssen

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Fritz Kuhn
ausdenken. Vielmehr geht es um die Frage, was vor Ort
tatsächlich stattfindet und von der Bevölkerung wahrge-
nommen wird.

Es war nicht Anfang des Jahres, wie Sie, Herr Jung,
gesagt haben, dass es Klagen über die Strategie von OEF
gab. Britische Führungsoffiziere haben sich noch im Au-
gust dieses Jahres beklagt und gesagt – lesen Sie die
New York Times vom 9. August –, dass sie bei sich im
Süden kein OEF haben wollten, weil es kontraproduktiv
sei und der Glaubwürdigkeit des ISAF-Einsatzes des bri-
tischen Kontingents zuwiderlaufe. An der Stelle schwei-
gen die Kanzlerin und auch der Außenminister nachhal-
tig.

Die Frage, die Kollegen meiner Fraktion und ich
mehrfach gestellt haben, lautet: Haben Sie auf dem poli-
tischen Wege im Dialog mit der amerikanischen Regie-
rung angemahnt, dass OEF eine andere Strategie ver-
folgt, als es in der Vergangenheit der Fall war? Welches
Ergebnis wurde erreicht, und welche Verabredung gab es
dazu? Dazu sagen Sie nichts. Sie sagen auch dem Parla-
ment nicht, was genau bei OEF geschieht. Dazu gibt es
keinerlei präzise Aufklärung. Wir haben den Eindruck,
dass Sie es nicht wissen und nicht wissen können.

Allen muss klar sein, Herr Hoyer, warum wir immer
auf dem Unterschied bestehen: ISAF ist ein Mandat, das
auf dem Multilateralismus gründet. Die NATO ent-
scheidet. Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, dass – das
haben Sie vorhin gesagt – die NATO politischer als in
der Vergangenheit entscheiden muss. OEF hingegen ist
ein unilaterales Mandat, bei dem die Amerikaner ent-
scheiden, was geschieht, und niemanden, weder diejeni-
gen, die dabei sind, noch diejenigen, die nicht dabei sind,
darüber aufklären, welche Strategie verfolgt wird. Dies
muss aufhören. Das ist der Grund, warum wir sagen,
dass OEF keine sinnvolle strategische Legitimation hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Bundeskanzlerin, Sie müssten einmal sagen, wie
Sie das sehen; denn seit Sie Kanzlerin sind, verstecken
Sie sich systematisch, wenn es um die Beantwortung
dieser Frage geht. Wir können Ihnen das nicht durchge-
hen lassen.

Übrigens, Herr Außenminister, auch die Legitimation
der Operation „Enduring Freedom“ wird immer öfter mit
Fragezeigen versehen. Erinnern wir uns an das
Jahr 2001. Der Grund, warum der Sicherheitsrat dem zu-
gestimmt und OEF legitimiert hat, war, dass der Angriff
auf New York von Terrorlagern aus, die in Afghanistan
lagen, ausgeführt wurde und somit der Verteidigungsfall
eingetreten war. Diese Begründung kann man zum heuti-
gen Zeitpunkt nicht mehr anführen. Heute geht es um die
Frage, ob die Taliban wieder zurückkommen, wenn
ISAF zurückgezogen würde. Wir sagen klar, dass dem so
wäre und wir das deswegen nicht tun können.

Aber die Frage hinsichtlich der Legitimation müssen
Sie beantworten. Die Terroristencamps sind heute in
Pakistan oder sonst wo auf der Welt, aber mit Sicherheit
nicht mehr wie vor 2001 in Afghanistan. Deswegen
meine ich, dass Sie sich vor einer Antwort drücken.

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(C (D uch die Verschiebung der Entscheidung über OEF ich weiß nicht genau, ob sie verschoben wurde, aber an kann das manchmal hören – auf einen Zeitpunkt ach dem SPD-Parteitag ist nicht dazu geeignet, die Disussion in diesem Hause über ein Gesamtkonzept für fghanistan zu erleichtern. Frau Merkel und Herr Steinmeier, wir sind für einen trategiewechsel. Wir finden, dass der zivile Aufbau zu chleppend erfolgt und die Mittel in Höhe von 5 Millionen Euro dafür zu gering sind. Ich glaube, dass eutschland – die Amerikaner haben das übrigens aners gemacht – einen größeren Sprung in Richtung zivier Aufbau machen müsste, als dies bisher geschehen ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE])


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Den Einsatz der Tornados lehnt meine Partei ab – üb-
igens im Unterschied zu vielen in der Fraktion –, weil er
n einem Kontext zu OEF stehe und von dieser Opera-
ion nicht unterschieden werden könne. Andere von uns
ich gehöre dazu – sagen, dass die Tornados auch dem
chutz der ISAF-Truppen dienen. Es gibt also eine Dif-
erenz. Aber eines, was ich der Bundesregierung sagen
öchte, ist wichtig: Eine klare Evaluation dessen, was

ie Tornados in diesem halben Jahr tatsächlich gemacht
aben, hat bisher weder in den Ausschüssen oder im Par-
ament noch in der Öffentlichkeit stattgefunden, Frau

erkel. Sie sagen das eine oder andere in Unterrichtun-
en, aber Sie legen keine klare Evaluation der einzelnen
ufklärungsflüge und dessen, was daraus praktisch ge-

olgt ist, vor.


(Dr. Peter Struck [SPD]: Das stimmt nicht!)


on diesem Vorwurf kann ich Sie nicht entlasten. Eine
valuation wäre die Pflicht der Bundesregierung, aber
err Jung, der dafür zuständig ist, hat dies bisher nicht
etan.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich komme zum Schluss. Wir als Grüne stehen zur
erantwortung Deutschlands in Afghanistan. Wir tun
ies am Beispiel des ISAF-Mandats. Wir lehnen OEF
b, wenn im Oktober oder November in diesem Hohen
aus über die Verlängerung des Mandats diskutiert und

ntschieden wird. Ich will für meine Fraktion ganz deut-
ich machen, dass sich an der Grundüberzeugung, dass
s in der Situation die Aufgabe deutscher Politik ist, zu
elfen und für den zivilen Aufbau und den Strategie-
echsel in Afghanistan einzutreten, nichts, aber auch gar
ichts geändert hat.

Ich danke Ihnen.


(Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611501000

Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Gysi

och einmal das Wort.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11807


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Präsident Dr. Norbert Lammert

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Getroffene Hunde bellen!)



Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611501100

Herr Präsident! Herr Kuhn, ich will auf Ihre Beleidi-

gungen gar nicht weiter eingehen, sondern nur auf einen
Vorhalt: Sie sagen, es sei eine beachtliche Leistung, dass
nach sechs Jahren jedes fünfte Mädchen zur Schule
gehe, und wir hätten nicht erklärt, wie wir das hätten
durchsetzen können. Wenn nach sechs Jahren jedes
fünfte Mädchen zur Schule geht und die Zeitabschnitte
so bleiben, brauchen wir noch ungefähr 30 Jahre, bis alle
Mädchen zur Schule gehen. Ich halte das nicht für eine
Leistung. Ich halte das für viel zu wenig. Dort üben die
Besatzungsmächte die Macht aus, die für entsprechende
Veränderungen sorgen können.


(Zurufe von der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt sagen Sie mal, was Sie machen wollen!)


– Ich sage Ihnen gleich etwas dazu. Warten Sie doch ab!
Sie halten keine Bemerkung aus, nur weil Sie in der Be-
völkerung in der Minderheit sind. – Lassen Sie mich das
noch einmal sagen: Das ist überhaupt keine Leistung.
Ich bleibe dabei.

Entscheidend ist das unterschiedliche Konzept. Ich
bin für die Selbstbefreiung der Völker.


(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich bin dafür, dass man die reichhaltig vorhandenen de-
mokratischen Kräfte in Afghanistan unterstützt. Jetzt ha-
ben wir eine Macht der Nordallianz, der Warlords und
der Drogenbarone. Das ist doch kein menschenrechtli-
cher Fortschritt. Ich bitte Sie! Deshalb müssen wir an-
dere Kräfte unterstützen. Das funktioniert militärisch
nicht. Das haben die letzten sechs Jahre bewiesen.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Peter Struck [SPD]: Das war aber so!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611501200

Zur Erwiderung Herr Kollege Kuhn.


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611501300

Herr Gysi, niemand von meiner Fraktion – ich nehme

auch an, niemand von den anderen Fraktionen – würde
sagen, es sei ausreichend, dass ein Fünftel der Mädchen
in die Schulen gehen können. Selbstverständlich wollen
wir mehr. Das steht doch gar nicht zur Diskussion. Zur
Diskussion steht aber, dass Sie keinerlei Beitrag zu der
von Ihnen proklamierten Selbstbefreiung der Völker ge-
leistet haben, weil Sie immer Nein sagen. Haben Sie ei-
gentlich noch in Erinnerung, was das Taliban-Regime
vor 2001 in Afghanistan gemacht hat?


(Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Ja!)


Daher ist Ihre Forderung nach Selbstbefreiung der Völ-
ker nichts anderes als eine leere Phrase, mithin sogar
eine Ausrede.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der CDU/ CSU: Blanker Zynismus ist das!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611501400

Nächster Redner für die SPD-Fraktion ist Kollege

hristoph Strässer.


Christoph Strässer (SPD):
Rede ID: ID1611501500

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

en! Herr Kollege Dr. Gysi, ich sage es ganz deutlich:
ch bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Rede. Ich bin Ihnen
eswegen sehr dankbar – ich bin mir ziemlich sicher,
ass es nicht nur mir, sondern vielen Kolleginnen und
ollegen aus meiner Fraktion auch so geht –, weil die
ustimmung zu diesem Mandat nach Ihrem Redebeitrag
ei uns deutlich höher geworden ist. Die letzten Zweifel,
ie ich hatte, sind durch Ihren zynischen Beitrag über die
enschenrechte in Afghanistan zu einem großen Teil

eseitigt worden. Herzlichen Dank für diesen Beitrag.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will es anhand der Frage, die Sie aus meiner Sicht
n wirklich unerträglicher Weise gestellt haben, verdeut-
ichen. Mir ist es nicht ganz so wichtig, welche Leistung
ie von Ihnen bewertet wird. Wenn aber von Ihrem Par-

eivorsitzenden in Kuba dem Rest dieses Hauses eine
roßspurige Auseinandersetzung mit Menschenrechten
orgeworfen wird, dann wird ein Schuh daraus. Denn es
st Ihnen offenbar völlig egal ist, ob 5 oder 6 Millionen

enschen in Afghanistan wieder zur Schule gehen kön-
en. Fahren Sie einmal nach Afghanistan und reden Sie
it den Mädchen. Fragen Sie sie, was sie davon halten,
ie Sie über diese Situation reden. Das ist zynisch und
enschenverachtend. Damit haben Sie sich endgültig

us der Debatte über Menschenrechte verabschiedet.
as ist die Wahrheit, die hier heute zutage gekommen

st.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


In diesem Punkt haben Sie zum Teil recht: Uns allen
erläuft die Entwicklung in Afghanistan viel zu lang-
am. In vielen Bereichen müsste viel mehr viel schneller
eschehen. Wir tragen Verantwortung für den Aufbau
er zivilen Strukturen und der Gerichtsbarkeit. Dort ist
s schlicht und ergreifend nicht vorangegangen.

Die Arbeitsgruppe „Rechtspolitik“ meiner Fraktion
at dem Rechtsausschuss und anderen Institutionen des
eutschen Bundestages zum Beispiel empfohlen, doch

inmal nach Afghanistan zu fahren und dort am Aufbau
itzuwirken, wenn schon Delegationsreisen durchge-

ührt werden. In Afghanistan braucht man Rat und Un-
erstützung, auch materieller und ideeller Art, dringli-
her als zum Beispiel die Juristen in Neuseeland oder in
ustralien. Vielleicht sollten wir uns einmal an die

11808 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Christoph Strässer
eigene Nase fassen und überlegen, was wir selber besser
machen können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich möchte noch auf den Zeitfaktor eingehen. Da-
rüber sollten wir hier in Deutschland einmal intensiver
diskutieren. Wie wir gehört haben, gibt es in Afghanis-
tan seit mehr als 30 Jahren Krieg, Zerstörung, Missach-
tung der Menschenwürde, Missachtung der elementaren
Grundregeln des menschlichen Zusammenlebens, auch
durch Drogenbarone – das bestreitet in diesem Saal doch
kein Mensch –, auch durch Warlords und die Taliban.
Man hat sich die ehrgeizige Aufgabe gestellt, im Rah-
men der internationalen Staatengemeinschaft dafür zu
sorgen, dass die Missstände abgeschafft und dass der
Wiederaufbau vorangebracht wird. Wer kann schon,
bitte schön, dafür Gewähr bieten, dass diese Aufgabe in
sechs, sieben oder acht Jahren erfolgreich abgeschlossen
ist?

Ich empfehle, bei der Diskussion über Demokratie-
entwicklung und über Menschenrechtsentwicklung in
anderen Ländern und in anderen Gesellschaftsformen
ein bisschen mehr Bescheidenheit und auch ein bisschen
mehr Demut an den Tag zu legen. Schauen wir doch ein-
mal in unsere eigene Geschichte: Vom Zeitpunkt der
Aufklärung bis zur Durchsetzung der Menschenrechte in
Europa sind 300 Jahre vergangen. Ich hoffe nicht, dass
wir den Aufbau in Afghanistan ebenfalls 300 Jahre lang
unterstützen müssen. Aber zu fordern, dass das alles in
sechs oder sieben Jahren geschieht, ist absurd. Niemand
konnte glauben, dass das gelingt. Wir sollten beharrlich
daran arbeiten, dass die Situation dort auf Sicht besser
wird. Mit dieser Aufgabe haben wir es nämlich zu tun.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich stelle einmal etwas polemisch fest: Vom Ende des
Zweiten Weltkrieges bis zur Umsetzung demokratischer
Grundregeln auf dem gesamten deutschen Boden sind
über 40 Jahre vergangen. Das sollten wir im Hinterkopf
behalten. Was Deutschland angeht, waren die Vorausset-
zungen anders. Schon allein deshalb sollte man Demut
zeigen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich komme zum Schluss. Hier wurde darauf hinge-
wiesen, dass sich nach dem „ZDF-Politbarometer“
49 Prozent der Befragten für einen Verbleib in Afghanis-
tan ausgesprochen hätten. Das ist für mich nicht das zen-
trale Problem.

Stichwort Tornado-Jets: Ich bekenne ganz klar, dass
ich in diesem Hohen Hause vor einem halben Jahr gegen
den Tornado-Einsatz gestimmt habe. Ich habe das da-
mals aus Überzeugung getan. Wenn ich heute wieder nur
die damals vorliegenden Informationen hätte, dann
würde ich heute wieder dagegenstimmen.

Was ich allen empfehle, ist, sich Klarheit darüber zu
verschaffen, was Tornados machen. Ich habe gelernt:
Meine Befürchtungen, dass es durch den Einsatz von
Tornados im Rahmen dieses Mandats zu einer Unterstüt-

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(C (D ung von Bodentruppen kommt, waren unberechtigt. eshalb werde ich zwar mit großen Bauchschmerzen, ber mit voller Überzeugung mit meiner vorherigen Poition brechen. Ich spreche mich dafür aus, dass dieser ntrag der Bundesregierung durch den Deutschen Bunestag mit großer Mehrheit angenommen wird. Ich erde dafür werben, dass es dafür auch eine gesell chaftliche Akzeptanz in unserem Land gibt. Herzlichen Dank. Nächste Rednerin ist die Kollegin Birgit Homburger ür die FDP-Fraktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu eginn unserer heutigen Diskussion über den Antrag der undesregierung möchte ich sehr deutlich sagen, dass ie FDP-Bundestagsfraktion die Zusammenlegung der andate von ISAF und OEF begrüßt. Ich denke, das orgt für mehr Flexibilität bei der Umsetzung der Manate und für Synergieeffekte, und das begrüßen wir. Wenn man heute Bilanz zieht, stellt man fest: Durch ie Aufklärungsaktivitäten der Tornados kann ein eitrag zur Verbesserung der Sicherheitslage geleistet erden. Das dient letztlich auch dem Schutz der dort sta ionierten Soldatinnen und Soldaten, aber auch der Zivilevölkerung. Herr Kuhn, Sie haben hier mit Blick auf as Abstimmungsverhalten darauf hingewiesen, dass die DP-Bundestagsfraktion im Jahre 2003 und im Jahre 004 den Antrag zur Fortsetzung der Beteiligung beaffneter deutscher Streitkräfte an dem ISAF-Einsatz bgelehnt hat. Ja, Herr Kuhn, wir haben es damals abgeehnt, weil es kein durchgängiges PRT-Konzept gab. Wir aben immer gesagt, dass wir in der Fläche Wiederaufauteams brauchen. Das hat sich am Ende auch als richig herausgestellt. Wir haben das OEF-Mandat im Jahr 003 abgelehnt, weil die Obergrenze von der Bundesreierung damals auf 3 100 Soldaten angesetzt war, aber ur 700 im Einsatz waren. Die FDP lehnt Mondzahlen nd solche Vorratsbeschlüsse schlicht ab. – Das waren ie Begründungen. Herr Kuhn, der entscheidende Unterschied zwischen nserer Position und Ihrer Position heute ist, dass wir ns immer bemüht haben, uns intensiv mit diesen Fragen useinanderzusetzen, und dann für uns auch ein Ergebis gefunden haben. Wir sind zu unseren Ablehnungen amals nicht in der Folge eines innerparteilichen Streits ekommen, sondern wir haben unsere Ablehnungen klar egründet. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was war denn die Begründung?)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611501600

(Beifall bei der FDP)

Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1611501700

ir haben damit auch etwas erreicht. Es hat sich in der
olge in all den Punkten, die wir angemahnt hatten, eine
eränderung ergeben. Deswegen haben wir dann auch
ieder zugestimmt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11809


(A) )



(B) )


Birgit Homburger

(Beifall bei der FDP)


Wenn wir das alles betrachten, ist es heute wichtig, zu
fragen: Wo standen wir vor einem Jahr, und wo stehen
wir heute? Das betrifft vor allen Dingen die Frage nach
der Umsetzung des Strategiewechsels, nämlich hin zu
einem stärkeren Gewicht für mehr Wiederaufbau und
zivil-militärische Zusammenarbeit. Im Sommer wurden
Diskussionen über ein immer größeres militärisches En-
gagement geführt. Das ist falsch. Wir werden die Lage
allein durch immer größeres militärisches Engagement
nicht in den Griff bekommen; vielmehr bedarf es eines
Gesamtkonzepts und der Umsetzung des angekündigten
Strategiewechsels.

Wir als FDP-Bundestagsfraktion erkennen hier Bewe-
gung, beispielsweise bei den Bemühungen, im Rahmen
der militärischen Operation zivile Opfer zu vermeiden
– es gibt neue Einsatzregeln –, beispielsweise beim An-
satz der Bundesregierung, im Bereich der zivil-militäri-
schen Zusammenarbeit die Präsenz in der Fläche weiter
auszubauen. Es ist kein Geheimnis, dass die westlichen
Aufbauanstrengungen anfangs zu sehr auf die Städte
konzentriert waren und zu spät auf die Fläche ausge-
dehnt worden sind. Deshalb begrüßen wir es, dass es
jetzt weitere regionale Beraterteams geben soll. Wir soll-
ten weiter an dieser Optimierung des Wiederaufbaus und
der zivil-militärischen Zusammenarbeit arbeiten.


(Beifall bei der FDP)


Die Berichterstattung der letzten Wochen war immer
wieder von schlechten Nachrichten dominiert. Sicher-
lich, die Sicherheitslage bleibt angespannt. Gerade hat
der Kommandeur der internationalen Schutztruppe ISAF
in der Nordregion, General Warnecke, gesagt, die Quali-
tät der Anschläge habe sich deutlich verändert. Das
möchte ich zum Anlass nehmen, nochmals deutlich zu
machen: Wir als FDP-Fraktion erwarten, dass die Solda-
tinnen und Soldaten die bestmögliche Ausrüstung mit in
den Einsatz bekommen.


(Beifall bei der FDP)


Wir erkennen, dass es hierbei Fortschritte gibt, aber
wir erwarten, dass bestimmte Anstrengungen weiter in-
tensiviert werden und die Versorgung mit entsprechen-
dem Material beschleunigt wird. Ich sage an dieser
Stelle sehr deutlich: Es müsste manchmal schneller ge-
handelt werden. Das wird nur funktionieren, wenn die
teilweise langwierigen bürokratischen Verfahren zur
Prüfung von Materialanforderungen vor solch einem
Einsatz deutlich verbessert werden. Andere Partner sind
in dieser Frage schneller, Herr Minister, und an diesen
Partnern sollten wir uns orientieren.


(Beifall bei der FDP)


Der Aufbau von Militär und Polizei und eines funk-
tionierenden Justiz- und Strafvollzugswesens bleibt das
Herzstück der Bemühungen. Deshalb ist es richtig, die
Ausbildung des Militärs zu forcieren. Deshalb ist es
auch richtig, dass wir uns in der Polizeiausbildung en-
gagieren.

An dieser Stelle muss man, wenn man resümiert, fra-
gen, was hier geschehen ist. Was bei der Polizeiausbil-

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(C (D ung erreicht worden ist, ist ein einziges Fiasko, und es eichnet sich ab, dass es weitere Probleme geben wird. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass es zu der im ahmen der ESVP-Mission geplanten Aufstockung der nzahl der Ausbilder auf 195 wirklich kommt. Das ollte im Oktober erreicht sein. Wir haben jetzt 0 Ausbilder vor Ort. Das ist deutlich zu wenig. Deswegen ist es von zentraler und entscheidender Beeutung, dass wir es gemeinsam mit den europäischen artnern schaffen, die Polizeiausbildung zu verstärken. Abschließend möchte ich eines sagen: Die Probleme, or denen wir stehen, sind vielfältig und komplex: Koruption, das Fehlen funktionierender staatlicher Struktuen, die Problematik des Drogenanbaus und die Proleme im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet. Meine Damen und Herren, bei uns besteht der Einruck, dass es nicht nur um eine bessere Abstimmung wischen den Mandaten bei den Partnern geht, sondern uch um eine bessere politische Koordinierung. Daher rbitten wir vonseiten der FDP von der Bundesregieung, dass sie uns vor der abschließenden Entscheidung arlegt, wie der Strategiewechsel umgesetzt werden ann und wie es vor allen Dingen zu einer besseren poliischen Koordinierung innerhalb der NATO kommen ann. Diese Punkte müssen wir nach unserer Überzeuung hier in den Mittelpunkt stellen. Vielen Dank. Das Wort hat nun der Kollege Dr. Andreas chockenhoff für die CDU/CSU-Fraktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! öllig zu Recht haben mit einer Ausnahme alle Vorreder auf die erreichten Fortschritte beim Wiederaufbau n Afghanistan hingewiesen. Bis 2001 war Afghanistan uf einen Entwicklungsstand des Mittelalters zurückgeallen. Heute haben wir die Lebenssituation der Menchen durch die Versorgung mit Trinkwasser und Strom owie den Bau von Straßen, Krankenhäusern und Schuen verbessert. Wo immer Infrastrukturverbesserungen eschaffen wurden, gibt es einen sichtbaren Wirtschaftsufschwung. All diese Fortschritte wären ohne militärische Absiherung nicht möglich gewesen. s ist doch bekannt, dass beispielsweise Lehrerinnen on Mädchenschulen von radikalen Taliban ermordet nd Mädchenschulen niedergebrannt wurden, weil den aliban Bildung und Gleichberechtigung von Frauen icht ins ideologische Konzept passen. Wer ISAF als ilitärische Schutzkomponente des Wiederaufbaus ab ehnt und damit den Abzug der internationalen Streiträfte fordert, trüge die Verantwortung dafür, dass 11810 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 Dr. Andreas Schockenhoff Afghanistan wieder zurück ins Mittelalter terrorisiert würde. Die Folge wäre, Afghanistan den Terroristen und den Drogenbaronen zu überlassen. Die Menschen in Afghanistan jedenfalls – einige von ihnen sitzen heute bei uns auf der Zuschauertribüne – wollen das nicht. Auch liegt dies nicht in unserem Sicherheitsinteresse. Wiederaufbau geht nicht ohne militärische Absicherung. Deshalb trägt jeder die gleiche Verantwortung, auch derjenige, der zwar zu den Wiederaufbaumaßnahmen Ja sagt, sich aber der Stimme enthalten will, weil er zur militärischen Schutzkomponente oder auch nur zu Teilen davon Nein sagt. Dies gilt erst recht für diejenigen, die wegen der Aufklärungstornados Nein sagen oder sich enthalten wollen. Wer Nein zu einer Aufklärungskomponente sagt, die auch dem Schutz der Bevölkerung dient, und deshalb dem Mandat nicht zustimmen will, der sagt zugleich Nein zur gesamten Schutzkomponente und damit in der Konsequenz auch Nein zu Wiederaufbau und Modernisierung. Verehrter Herr Kuhn, Sie haben das Notwendige zum Kollegen Gysi gesagt. Aber wie wollen Sie eigentlich einer afghanischen Frau, die endlich an einer Universität studieren kann, und einem Mädchen, das eine bessere Lebensperspektive hat, weil es in die Schule gehen kann, erklären, dass ihnen diese Chance wieder genommen würde oder sie gar um ihr Leben fürchten müssten, weil wegen der Tornadoluftaufklärung die gesamte Schutzkomponente abgelehnt wird? Das wäre doch die absurde Konsequenz! Herr Kuhn, Sie haben in dieser Woche schon ganz offen vor Journalisten und auch heute dargelegt, die Führung und die Mehrheit Ihrer Fraktion seien für ISAF und die Tornadoaufklärung, Sie hätten sich aber untereinander abgesprochen, dass mehr Fraktionsmitglieder mit Enthaltung und Nein stimmen müssten als ihrem Gewissen folgen und zustimmen dürften. Dies, lieber Herr Kuhn, hat mit Freiheit des Abgeordnetenmandats nichts zu tun; das ist blanker Zynismus und Flucht aus der Verantwortung. Die CDU/CSU-Fraktion unterstützt den Afghanistaneinsatz, auch wenn vieles besser gemacht und verstärkt werden muss, was den Beitrag der internationalen Gemeinschaft, aber vor allem auch die Arbeit der afghanischen Verantwortlichen betrifft. Dringend erforderlich ist der verstärkte Kampf gegen die Korruption. Sonst kann die afghanische Regierung nicht das Vertrauen ihrer Bevölkerung gewinnen oder die international getroffenen Vereinbarungen umsetzen. Daher muss die internationale Gemeinschaft Präsident Karzai hier zu härterem Durchgreifen drängen. Der Kampf gegen Drogenanbau und -handel zeigt Wirkung. Die Zahl der drogenfreien Provinzen konnte in diesem Jahr von 6 auf 13 erhöht werden. Das muss unbe d 2 i n s Z S w s i P t t A d K a v S E s K w c d u u s u d a I s e a d v D d K k H m ü t h A (C (D ingt verstärkt werden; denn noch immer gibt es 1 Provinzen, in denen Drogen angebaut werden. Nicht zuletzt muss unsere Entwicklungshilfe auch m bisher vernachlässigten Süden und Südosten Afghaistans verstärkt greifen, um der dortigen paschtunichen Bevölkerung eine Entwicklungsperspektive und ukunftshoffnung zu geben. Je effektiver afghanische icherheitsstrukturen geschaffen werden, desto früher erden wir zusammen mit der internationalen Gemein chaft unseren militärischen Beitrag reduzieren und rgendwann einmal beenden können. Deshalb müssen olizeiund Militärausbildung beschleunigt und erwei ert werden. Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Bundesagsfraktion wird dem Antrag der Bundesregierung zum fghanistan-Einsatz der Bundeswehr zustimmen, weil ie Bundesregierung ein überzeugendes Afghanistanonzept zur Verbesserung und Verstärkung beim Wieder ufbau und bei der Ausbildung von Polizei und Militär orgelegt hat. Weil Wiederaufbau nicht ohne militärische chutzkomponente möglich ist, stimmen wir dem ISAFinsatz mit allen Komponenten zu. Es ist richtig, dass ich der Einsatz der Bundeswehr auf den Norden und auf abul konzentriert. Es wäre unverantwortlich, würden ir angesichts der zunehmend schwieriger werdenden Si herheitslage unsere verfügbaren Kräfte überdehnen. Richtig ist aber auch, was der Verteidigungsminister argelegt hat: Das Mandat gilt in seinem vollen Umfang, nd das schließt ein, dass die Bundeswehr für zeitlich nd im Umfang begrenzte Unterstützungsmaßnahmen, ofern diese zur Erfüllung des ISAF-Gesamtauftrages nabweisbar sind, in Gesamtafghanistan eingesetzt weren kann. Das tun wir bereits, und dieses Mandat gilt für lle Kräfte der Bundeswehr. Es gehört zur Erfüllung des SAF-Gesamtauftrags, dass wir im Notfall in der Lage ind, auch im Süden zeitlich und im Umfang begrenzt ffektiv und robust zu helfen. Wir brauchen für die Stabilisierung und den Wiederufbau Afghanistans mehr Zeit, mehr Energie, mehr Geuld und mehr Geld, bis wir sicher sein können, dass on Afghanistan keine Bedrohung für die Sicherheit eutschlands mehr ausgeht. Afghanistan darf nicht wieer zur Brutstätte des Terrorismus werden. Vielen Dank. Zu einer Kurzintervention erhält die Kollegin Monika noche das Wort. Herr Präsident! Die Möglichkeit zur Kurzintervention ommt etwas spät; ich wollte direkt auf die Rede von errn Kollegen Strässer von der SPD reagieren. – Ich uss Ihnen sagen: Als Frau in der Politik bin ich mehr als berrascht, mit welcher Selbstgerechtigkeit Sie über die atsächliche heutige Lage der Frauen in Afghanistan inweggehen. Ich finde es auch nicht korrekt, dass der uswärtige Ausschuss, der gestern Parlamentarierinnen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11811 Monika Knoche und Parlamentarier des afghanischen Parlaments eingeladen hatte, es nicht für erforderlich gehalten hat, Malalai Joya in den Ausschuss einzuladen. Sie ist zurzeit in Berlin und kann authentisch Auskunft darüber geben, was es bedeutet, in der angeblich demokratischen Regierung unter Karzai als Frau die Wahrheit über die Verbindung von Korruption und Drogenhandel in der Regierung zu sagen. Sie ist als Parlamentarierin ausgeschlossen worden, und das kann in gar keinem Fall als Beweis für eine demokratische Realität in Afghanistan bezeichnet werden. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611501800
Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1611501900

(Beifall bei der CDU/CSU)


(A) )


(B) )


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(Lachen und Widerspruch bei der LINKEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611502000
Monika Knoche (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611502100

(A) )


(B) )


Wir haben Berichte, auch von den Frauen aus der
afghanischen Delegation in Berlin, die deutlich zum
Ausdruck bringen: Die Situation der Frauen ist unter den
Bedingungen der heutigen Karzai-Regierung, die quasi
im Rahmen der Petersberger Gespräche installiert
wurde, so schlimm, wie sie auch vorher war.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Entschuldigung, ich war gestern auch im Ausschuss! Das ist doch völliger Unsinn!)


Wer damals – ich gehörte zu den Kritikerinnen des Krie-
ges unter den Grünen – genau hingeschaut hat, wer in
die afghanische Regierung gesetzt wird, hat wissen kön-
nen und wissen müssen, dass die Korruption in diese
Regierung gesetzt wird. Unter solchen Bedingungen er-
laube ich es mir als Frau nicht, mich mit scheinheiligen
Argumenten zufriedenzugeben, die sich auf die Situation
der Mädchen in den Schulen begrenzen.

Wir wissen heute, dass Mädchen unter der Macht der
Warlords und gewissermaßen unter der Obhut der Regie-
rung Karzai nach wie vor als Tauschobjekt für Autos und
Hunde betrachtet werden. Es ist nach wie vor so, dass
80 Prozent der Gerichtsbarkeit von den Stammesfürsten
ausgeübt wird. Diese gehen mit den Frauen genauso übel
und schlimm um wie die Taliban.

Ich bin nicht erst seit heute Parlamentarierin. Ich em-
pöre mich, wenn die Situation der Frauen als kriegslegi-
timierender Grund herangezogen wird.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Das ist ein Missbrauch der Frauen in diesem instrumen-
tellen Verhältnis. Keiner und keine derer, die heute die
weitere militärische Präsenz in Afghanistan mit der
Situation der Frauen begründen, hat sich vor dem
11. September um die Lage der Frauen unter den Taliban,
die unter den USA groß geworden sind, gekümmert.
Kommen Sie mir also, bitte sehr, nicht mit diesen schein-
heiligen menschenrechtlichen Argumenten! Herr
Gregor Gysi hat vollkommen recht gehabt, als er diese
Doppelzüngigkeit in Bezug auf die Menschenrechtsfrage
deutlich dargestellt hat.


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD)


Es ist schlichtweg infam –

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(C (D Frau Kollegin Knoche, ich muss Sie bitten, zum Ende u kommen. – ich bin sofort fertig –, wenn Sie sagen, dass diejeni en – dazu gehören wir –, die gegen den Abzug des Miitärs sind, kein Engagement für die Zivilbevölkerung brig hätten. Wer das sagt, verbreitet schlichtweg Unahrheiten. Niemand anderes in diesem Haus außer uns agt, dass die Mittel für das Militär konsequent für den ivilen Aufbau in diesem Land umgewidmet werden üssen. Zur Erwiderung hat Herr Kollege Strässer das Wort. Frau Kollegin Knoche, das ist schon ein starkes tück, was Sie hier vortragen. Dass Sie Menschen, die ich über die veränderte Situation von afghanischen chulmädchen unterhalten und Gedanken machen, als elbstgerecht, zynisch und menschenrechtlich mit dopelten Standards ausgestattet kennzeichnen, das ist Zyismus! (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611502200
Monika Knoche (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611502300

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611502400
Christoph Strässer (SPD):
Rede ID: ID1611502500

enn Sie richtig zugehört hätten, dann würden Sie viel-
eicht respektieren und akzeptieren, dass zum Beispiel
ch in meiner Rede über die Situation der Frauen in
fghanistan kein einziges Wort verloren habe. Sie kön-
en mir diesbezüglich gar nichts vorwerfen, außer viel-
eicht, dass ich sie nicht erwähnt habe.

Sie sprechen nicht nur die Parlamentarierinnen und
arlamentarier in diesem Land an, sondern auch ganz
iele NGOs.


(Widerspruch bei der LINKEN)


ragen Sie zum Beispiel einmal die NGO Kinderberg,
ie in Kunduz arbeitet, warum in ihrem Bericht über
asic-health-Projekte in Nordafghanistan unter anderem

teht, dass diese nur mit Unterstützung der Bundeswehr
öglich sind. Ich kann Ihnen diesen Bericht gern zeigen.

n diesem Bericht steht neben anderem, dass die Unter-
tützung der Bundeswehr unter anderem durch das Iden-
ifizieren und Vorschlagen von Einsatzorten der mobilen
ehandlungsteams stattfinde. Ich frage Sie: Wo bekom-
en sie die Informationen denn her, die sie in die Lage

ersetzen, ihre Arbeit dort zu machen? Das ist nur durch
ie Informationen der Bundeswehr möglich und durch
ichts anderes.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


enn die Bundeswehr aus Afghanistan herausginge,
ürden diese Projekte schlicht und ergreifend im Orkus
es afghanischen Landes untergehen.

Lassen Sie mich noch einen letzen Satz sagen: Es
ird hier immer so getan, als sei es die einhellige

11812 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Christoph Strässer
Auffassung von NGOs und anderen, dass in Afghanistan
alles besser ginge ohne die Bundeswehr.


(Widerspruch bei der LINKEN)


– Entschuldigung, lassen Sie mich bitte einmal ausre-
den. – Human Rights Watch ist bekanntermaßen kein
Büttel diktatorischer Regierungen weltweit. Human
Rights Watch hat an Sie alle einen Brief geschrieben, aus
dem ich den letzten Satz zitieren möchte:


Deutschlands Rolle in der internationalen Staa-
tengemeinschaft würde aber ein schlechter Dienst
erwiesen, würde die Bundeswehr ihr Engagement
in Afghanistan reduzieren oder gar beenden.

Ich schließe mich diesem Zitat an. Human Rights
Watch hat wie in allen menschenrechtlichen Fragen auch
in dieser Frage vollständig recht. Sie sollten sich das ein-
mal näher anschauen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611502600

Das Wort erhält nun der Kollege Gert Winkelmeier.


Gert Winkelmeier (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611502700

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der

Herr Bundespräsident hat aus Anlass des 50-jährigen
Bestehens der Führungsakademie letzten Freitag die dort
ausgebildete militärische Elite in den höchsten Tönen
gelobt. Das hat durchaus etwas für sich, wenn man die
Offiziere der Bundeswehr mit denen des einen oder an-
deren NATO-Partners vergleicht. Nur habe ich mich in
den letzten Tagen nach dieser Jubiläumsrede sehr ge-
wundert. Ich habe mich gefragt: Wo waren denn die
hochgelobten Eliten? Wo waren der Generalinspekteur,
der Leiter der Führungsakademie und der Kommandeur
des Zentrums Innere Führung? Wo waren die goldbe-
tressten Staatsbürger in Uniform mit ihrer Zivilcourage,
als sie sich anlässlich des Focus-Interviews ihres Minis-
ters schützend vor ihre Wittmunder und Neuburger Pilo-
ten hätten stellen müssen? Dazu kann ich nur sagen: Es
reicht nicht aus, einmal im Jahr, am 20. Juli, im Bendler-
block des moralischen Vorbilds zu gedenken, aber zu
kneifen, wenn es darauf ankommt.

Der Bundesminister der Verteidigung hat zu Verfas-
sungsbruch und Straftaten aufgerufen, und die soge-
nannte Elite hat es Oberst Gertz und einem ehemaligen
Piloten überlassen, sich schützend vor die fliegenden
Besatzungen zu stellen. Statt seinen Rücktritt einzurei-
chen, lässt sich der Inspekteur der Luftwaffe politisch
für das Ziel des Ministers missbrauchen, innere und äu-
ßere Sicherheit mithilfe eines ungeheuerlichen Tabu-
bruchs zu verschmelzen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist doch die Rede von gestern!)


Mehr als: „Offiziere haben ihre Befehle zu erfüllen“,
und zwar ohne Diskussion – so die Financial Times
Deutschland von gestern –, fällt Herrn Stieglitz dazu
nicht ein. Der General sollte eher einmal einen Blick in
das Wehrstrafgesetz und das Soldatengesetz werfen

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(C (D (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Sie haben den Tagesordnungspunkt verwechselt!)


nd sich an seine Grundpflicht erinnern, „Recht und
reiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“. –
o viel zu den Eliten.

Damit komme ich zum Antrag der Bundesregierung.


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Ach so!)


ie beantragen, die Mandate für ISAF und für den Tor-
adoeinsatz zusammenzulegen, dies jedoch nicht aus
achlichen Erwägungen. Nein, Sie haben zu einem klei-
en schäbigen Trick gegriffen. Es geht Ihnen darum, den
iderstand in den Koalitionsfraktionen auszuhebeln.
er im März dieses Jahres den Tornadoeinsatz abge-

ehnt hatte, den ISAF-Einsatz aber grundsätzlich befür-
ortet, soll nun die Kröte durch Verabschiedung eines
esamtpaketes schlucken. Ganz nebenbei konnten Sie

o einer Oppositionsfraktion auch noch kräftig in die
uppe spucken.

Ich bin zwar nicht der Auffassung, dass das ISAF-
onzept der Bundeswehr im Norden Afghanistans mit

einer zivil-militärischen Zusammenarbeit Aussicht
uf Erfolg hat; aber es ist völkerrechtlich nicht zu bean-
tanden. Es gibt Kollegen, die die zivil-militärische Zu-
ammenarbeit anders bewerten. Darunter sind aber Kol-
egen, die Luftbilder als Beihilfe zur Bombardierung
iner großen Anzahl Unschuldiger nicht verantworten
ollen. Denen nehmen Sie mit Ihrem Taschenspieler-

rick die Möglichkeit, sich frei zu entscheiden. Das ist
er Versuch eines Anschlages auf Art. 38 des Grundge-
etzes. Es ist ein weiteres Beispiel dafür, wie Sie das
arlament schleichend zu Ihrem Büttel degradieren.

Seit dem Focus-Interview vom Montag haben wir üb-
igens auch beim Thema Afghanistan eine neue Situa-
ion. Wie kann man denn einer Bundesregierung noch
rauen, die diesen Minister deckt? Da stellen sich doch
och ganz andere Fragen, zum Beispiel beim Thema „res-
riktive“ Weitergabe von Luftbildern an den OEF-Kom-

andierenden mit dem Doppelhut. Ergingen vielleicht
nweisungen an den deutschen Chef des Stabes, das
icht zu restriktiv, zu eng zu sehen, um die von der
anzlerin reanimierten transatlantischen Beziehungen
icht zu gefährden? Werden die sogenannten Erfolge
eim Wiederaufbau nicht vielleicht ein wenig aufge-
übscht? Werden kritische Meldungen aus dem Protek-
orat unterdrückt? Diese Fragen müssen Sie sich gefallen
assen, zumal Ihnen afghanische Experten bei nahezu al-
em widersprechen, was Sie als Erfolg ausgeben. Fragen
ie doch einmal Dr. Matin Baraki aus Marburg oder die
GOs Brot für die Welt, Welthungerhilfe und medico in-

ernational. Oder fragen Sie das neutrale Rote Kreuz,
as es von Ihrem Konzept hält, zivile Hilfe mit Militär

u verknüpfen: nämlich gar nichts.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie dürfen sich nicht länger in die eigene Tasche lü-
en. Sie sind gescheitert. Afghanistan wird zunehmend
rakisiert; das ist die Folge Ihres falschen Kurses. Allein
on 2005 bis 2006 hat sich die Zahl der Selbstmordat-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11813


(A) )



(B) )


Gert Winkelmeier
tentate verfünffacht und die der direkten Attentate ver-
dreifacht. Ziehen Sie also die Bundeswehr ab, solange
das noch unter würdigen Umständen geht!

Dem Verteidigungsminister muss ich von dieser Stelle
noch etwas sagen: Herr Minister, Sie haben etwas ge-
schafft, was noch keinem Ihrer Vorgänger gelungen ist:
an sich brave Soldaten ohne Not als Gehorsamsverwei-
gerer auf die Titelseiten zu bringen. Gratulation! Das gab
es noch nicht einmal im Kalten Krieg.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611502800

Nächster Redner ist der Kollege Rainer Arnold für die

SPD-Fraktion.


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1611502900

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Unter dem Eindruck meiner letzten Reise nach Afgha-
nistan kann ich Ihnen zwei Dinge berichten:

Die Gespräche mit der afghanischen Zivilbevölke-
rung haben eines erfreulicherweise sehr deutlich gezeigt:
Die Deutschen sind in Afghanistan außerordentlich er-
wünscht – das gilt für die zivilen Helfer, in hohem Maße
aber auch für die Soldaten –, weil die Deutschen bei ih-
rer Arbeit die einheimische Kultur respektieren und die
gewachsenen Strukturen Afghanistans in die Aufbau-
überlegungen einbeziehen.

Überall haben wir aber auch eine kritische Anmer-
kung vernommen: Die Akzeptanz der afghanischen
Regierung sinkt bedrohlich. Wir wissen, dass klare
Worte der Staatengemeinschaft gelegentlich notwendig
sind, wenn es um Korruption geht. Wir wissen aber
auch, dass man Demokratie nicht von außen aufbauen
kann. Es braucht Zeit, bis sich die Demokratie in den
Dörfern und in Kabul ausgebreitet hat. Wir müssen Ge-
duld haben. Problematisch ist, dass mit der sinkenden
Akzeptanz der zentralen Administration auch die Hoff-
nungen der Menschen in Afghanistan sinken. Es ist ganz
wichtig, dem entgegenzutreten. Das tun wir, indem wir
den Menschen Perspektiven eröffnen, ihnen durch den
zivilen Aufbau Hoffnung geben.

Ich finde es schon bemerkenswert, was Herr Gysi von
den Linken dazu gesagt hat. In einer Hinsicht ist Die
Linke sehr konsequent: Sie verweigert durchgängig, von
der Arbeits- und Sozialpolitik bis zur Außenpolitik, die
Akzeptanz der Wirklichkeit. Sie verdrängt die Realität.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Werner Hoyer [FDP] – Widerspruch bei der LINKEN)


Folgendes ist die Realität: Afghanistan würde ohne die
Bundeswehr, die in Afghanistan übrigens 700 zivile
Aufbauprojekte durchgeführt hat, in Bürgerkrieg und
Chaos zurückfallen.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: So ist es!)


Würde die Nordallianz entsprechend Ihrer Forderung
entwaffnet, würde das Talibanregime dort am Ende die

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(C (D berhand behalten. Das würde bedeuten, dass keine rau mehr im Parlament säße, überhaupt keine. Das ürde bedeuten, dass, wie früher, kein einziges Mäd hen eine Chance hätte, dass kluge, intelligente Frauen hr Dasein in den Kellern fristen müssten. Diesen Weg chlagen Sie hier vor. Das ist zutiefst menschenverachend. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Gleichwohl wissen wir alle, dass ein einfaches „Wei-
er so“ in Afghanistan nicht ausreicht. Deshalb sind wir
ehr dankbar für die Vorschläge der Bundesregierung.
ch bin der Meinung, dass in den nächsten Jahren eine
anze Menge erreicht werden kann. Der Vorschlag, mehr
usbildungshilfe zu leisten, Soldaten der ANA im Nor-
en für den Norden auszubilden, ist vernünftig. Wir
üssen darüber diskutieren, ob die Einzelverantwortung

on Nationen für bestimmte Prozesse,


(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)


um Beispiel im Rahmen der Militärausbildung, im Poli-
ei- oder Justizwesen, richtig ist oder ob wir in Afgha-
istan nicht eine kohärentere Organisation und Führung
ieser Prozesse brauchen. Das wird eine wichtige Auf-
abe für uns in den nächsten Monaten sein.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611503000

Herr Kollege Arnold, gestatten Sie eine Zwischen-

rage?


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1611503100

Ja, selbstverständlich.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611503200

Bitte.


Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1611503300

Lieber Kollege Arnold, ein zentraler Punkt ist ja, dass

as Tornado-Mandat jetzt – das ist der Vorschlag der
undesregierung – in das ISAF-Mandat einbezogen
erden soll. Als wir im Frühjahr darüber debattiert ha-
en, haben viele Kolleginnen und Kollegen große Sor-
en und sogar Ängste geäußert. Sie haben sich gefragt,
ie das Tornado-Mandat in Afghanistan wahrgenom-
en wird und was dort geschehen wird. Können Sie uns

agen, wie im Rahmen des Tornado-Mandates nach Ihrer
enntnis in Afghanistan agiert wird?


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1611503400

Kollege Kuhn von den Grünen meinte vorhin, wir

üssten nichts darüber. Herr Kollege, das ist falsch. Zu-
indest die Obleute im Verteidigungsausschuss verfü-

en über eine sehr gute Informationsdichte.

Ich kann hier dazu sagen: Wir wissen, dass die Torna-
os mehr als 500-mal geflogen sind. 83 Prozent dieser
insätze waren erfolgreich. Für uns ist besonders wich-

ig, dass 40 Prozent dieser Flüge im Norden und Westen
es Landes stattgefunden haben, also im deutschen bzw.
talienischen Verantwortungsbereich. Bei den Einsätzen

11814 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Rainer Arnold
geht es in erster Linie um Aufklärung im Bereich Infra-
struktur; das ist das Allerwichtigste. Es geht darum, fest-
zustellen, ob Straßen verändert wurden. Es geht auch da-
rum, bei Entführungen Aufklärung zu leisten und die
Grenze in dieser Region zu überwachen. Alles in allem
heißt das: Das Tornado-Mandat ist für das ISAF-Mandat
elementar und extrem wichtig.

Die Befürchtung, die immer wieder geäußert wurde,
dass zwei oder drei Stunden, nachdem die Tornados über
ein Gebiet geflogen sind, dort Bomben abgeworfen wer-
den, ist eindeutig zu widerlegen, und zwar deshalb, weil
diese Kollateralschäden – wie der Ausdruck ja heißt –,
die zivilen Opfer, die es leider gibt, dann entstehen,
wenn Bodentruppen Luftunterstützung anfordern müs-
sen, weil sie allein nicht mehr zurechtkommen. Diese
Luftunterstützung können die Tornados gar nicht leisten.
Erstens können sie es nicht, weil sie in Kampfzonen gar
nicht fliegen dürfen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611503500

Herr Kollege Arnold, ich muss Sie bitten, zum Ende

zu kommen.


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1611503600

Ich bin mit der Beantwortung der Zwischenfrage

gleich fertig.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611503700

Sehr schön.


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1611503800

Zweitens können sie es nicht, weil ihre Bilder nicht

zeitgleich übermittelt werden können; die Auswertung
dauert anderthalb bis zweieinhalb Stunden. Deshalb ist
diese Sorge nach dem heutigen Kenntnisstand unbegrün-
det. Deshalb kann dieses Mandat mit dem ISAF-Mandat
verbunden werden, und deshalb können wir aus meiner
Sicht mit einer breiten Mehrheit dem Teil, der die Torna-
dos betrifft, zustimmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611503900

Es gibt jetzt noch den Wunsch nach einer Zwischen-

frage des Kollegen Gehrcke. Wollen Sie die auch noch
zulassen?


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1611504000

Ja, gerne.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611504100

Ich bitte, sowohl die Frage als auch die Antwort in ei-

ner gewissen Proportion zu der ansonsten verfügbaren
Redezeit zu halten.


(Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU)



Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1611504200

Ich werde mich bemühen, Herr Präsident.

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(C (D Herr Präsident, ich habe Ihren Hinweis verstanden; ollege Arnold sicherlich auch. Kollege Arnold, können Sie mir bestätigen, dass wir eide und der Kollege Weisskirchen heute bei einer Unerrichtung im Verteidigungsministerium waren und dort ebeten worden ist, dass man in der Bevölkerung mehr ropagiert, dass die Tornados nichts mit der Kriegsfühung zu tun haben, und dass Kollege Weisskirchen dieem Auftrag sofort nachgekommen ist? (Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Ich war heute Morgen gar nicht dort!)

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611504300


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1611504400

Kollege Weisskirchen habe ich heute früh dort leider

ar nicht gesehen, Herr Kollege.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


weitens kenne ich den Kollegen Weisskirchen als einen
iemlich eigenständigen Politiker, der nicht einfach Auf-
räge ausführt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ch glaube, da haben Sie ein falsches Bild vom Parla-
entarier Weisskirchen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Und drittens war es geheim!)


War die Antwort kurz genug, Herr Präsident?


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611504500

Ja.


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1611504600

Ich möchte jetzt noch darüber reden, was vor uns

iegt. Ich habe den Eindruck, dass eine Chance mögli-
herweise stärker genutzt werden muss. Meine Beobach-
ung im Deutschen Bundestag ist, dass viele Parlamenta-
ier sehen, dass mehr Verantwortung übernommen
erden muss. Ich glaube, die Bundesregierung könnte
ies bei zukünftigen Überlegungen durchaus berücksich-
igen.

Es gibt ein weiteres ernsthaftes Problem in der Staa-
engemeinschaft. Die Beobachtung in den NATO-Gre-
ien ist, dass dort gerade so etwas wie NATO-Mikado

espielt wird: Keiner bewegt sich. Die Deutschen müs-
en das aus meiner Sicht nicht als Erste tun; als dritt-
tärkstes Kontingent leisten wir wichtige Beiträge. Aber
uf Dauer wird das nicht ausreichen. Wir müssen in der
ATO erreichen, dass das, was Afghanistan zugesagt
urde und notwendig ist, von den Staaten insgesamt er-

üllt werden kann. Ich gehe davon aus, dass wir deshalb
n den nächsten Monaten hier noch wichtige Debatten zu
ühren haben.

Nun haben die Linken immer wieder argumentiert,
ass die Bevölkerung diesen Einsatz nicht möchte. Das
st erstens in einem unglaublichen Maß populistisch, und
weitens wünsche ich mir eine Zeitung oder ein Institut,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11815


(A) )



(B) )


Rainer Arnold
das nicht fragt: Wollen Sie, dass die deutschen Soldaten
heimkommen? Das wollen wir doch alle; jeder vernünf-
tige Mensch will das. Ich wünsche mir eine Umfrage, in
der gefragt wird: Möchten Sie, dass die deutschen Solda-
ten heimkommen und das Risiko tragen, dass dieses
Land wieder dem Terror anheimfällt –


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611504700

Herr Kollege.


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1611504800

– und Deutschland durch Terrorcamps in Afghanistan

gefährdet wird? Diese Umfrage würde aus meiner Sicht
ganz anders ausgehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich komme zum Ende. Mit Blick auf die afghanische
Delegation sage ich, dass sie in ihre Heimat mitnehmen
kann, dass der große, verantwortungsvolle Teil in der
deutschen Politik das afghanische Volk nicht im Stich
lassen wird. Dies soll ihre Gesellschaft wissen. Wir ste-
hen zu unseren Zusagen. Dies müssen auch alle Krimi-
nellen und Terroristen wissen.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611504900

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Ruck

für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieder eine Ruck-Rede!)



Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1611505000

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich möchte zunächst der Bundesregierung für
etwas danken, was sie international durchgesetzt hat,
was vor einem Jahr noch nicht selbstverständlich war
und jetzt bei uns Konsens ist, nämlich dass die Zukunft
Afghanistans und des gesamten internationalen Engage-
ments dort langfristig und letztlich von einem erfolgrei-
chen zivilen Aufbau und der Überwindung von Armut
und Unterdrückung abhängt. Nur so fassen die Men-
schen Mut, können die Herzen der Menschen erreicht
werden, fallen die Menschen nicht auf falsche Propheten
herein. Nur so kann eine Stabilisierung Afghanistans
von innen bewirkt werden; das Land befindet sich je-
doch in einer sehr schwierigen Nachbarschaft. Die Bun-
desregierung musste diese Erkenntnis, die heute für uns
selbstverständlich ist, erst durchsetzen; der Durchbruch
wurde in London mit dem Afghan Compact erreicht:
Erst damit wurde die Entwicklungspolitik in Afghanis-
tan – das ist die größte Baustelle – auch international in
den Fokus gerückt.

Gerade an Afghanistan sehen wir, was eine moderne
Entwicklungspolitik leisten muss: Sie muss die Funk-
tionsfähigkeit eines ganzen Landes wiederherstellen,

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(C (D nd zwar nicht von außen aufgezwungen, sondern chritt für Schritt mit der Bevölkerung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


abei gibt es drei Schlüsselbereiche, die gleichzeitig an-
epackt werden müssen: erstens die rasche und sichtbare
iederherstellung der physischen Infrastruktur, also der

traßen, der Brücken und der Energieversorgung; zwei-
ens die Befähigung der Afghanen, ihr Land, die Regie-
ung, die Administration und vor allem die Wirtschaft
hier ist an den Mittelstand zu denken – selbst in die
and zu nehmen, und drittens die Schaffung der Grund-

agen für eine langfristige Aufwärtsentwicklung durch
ildungs- und Erziehungsarbeit für die Kinder.

Wir haben heute gehört, dass wir große Fortschritte
rreicht haben. Darauf können wir, unsere Soldaten, un-
ere Entwicklungsexperten und die internationale Ge-
einschaft, stolz sein. Wir haben zum Beispiel erreicht,

ass in 19 Universitäten Afghanistans fast 10 000 junge
rauen studieren; vorher waren es null.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben ferner erreicht, dass die Kindersterblich-
eit in Afghanistan dramatisch gesunken ist, dass hinge-
en das Wachstum der Wirtschaft drastisch steigt, und
war um 12 bis 13 Prozent pro Jahr, wenn man die Dro-
enökonomie herausrechnet. Darauf können wir, aber
uch die Entwicklungsexperten stolz sein. Ich möchte an
ieser Stelle erwähnen, dass das mit Opfern verbunden
st: Mindestens 50 Entwicklungshelfer haben bisher ihr
eben in Afghanistan verloren.

Auch ich begrüße ausdrücklich, dass wir das Ent-
icklungshilfebudget für Afghanistan kontinuierlich

ufwachsen lassen. Ich möchte aber auch für eines plä-
ieren: Wir sollten die finanziellen Mittel nicht nur stetig
rhöhen, sondern auch dafür sorgen, dass das Geld sinn-
oll angelegt wird, dass es auch abfließt. Es hat keinen
inn, dass in den Provinzen dringend benötigtes Geld in
abul bleibt, weil die Administration dort noch zu

chwach ist und das Geld nicht abfließen lässt. Das ist
ines der Probleme, auf die wir reagieren müssen; es gibt
ber auch andere.

Wichtig ist, dass wir, die internationale Gemeinschaft,
erade in Afghanistan bereit sind, aus Fehlern zu lernen
nd bei der Korruptionsbekämpfung, bei der Hilfe für
ie Provinzen und bei der gigantischen Aufgabe der Ko-
rdination die Afghanen nicht zu überfordern, sondern
ie mitzunehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir müssen auch lernen, dass ohne eine Stabilisie-
ung Pakistans eine Stabilisierung Afghanistans sehr
chwierig wird.

Im Hinblick auf die Drogenökonomie können wir
wei Dinge lernen:

Erstens. Wir können den Kampf gegen die Drogen-
konomie nicht ohne die rückhaltlose Unterstützung der
evölkerung führen. Deswegen ist es gut, dass immer

11816 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Dr. Christian Ruck
mehr Mullahs in ihren Freitagsgebeten den Kampf gegen
die Drogenökonomie führen, Seite an Seite mit uns.

Zweitens. Der Kampf gegen die Drogenökonomie
und für den Wiederaufbau ist sinnlos, wenn wir nicht Si-
cherheit garantieren können, vor allem auf dem flachen
Land, wo die Menschen erkennen müssen, dass es nicht
nur die Taliban, die infiltrieren, sondern auch eine
Staatsmacht gibt. Das heißt, wir müssen mehr bei der
Polizei tun. Ich möchte daran erinnern, dass bereits
19 000 Polizisten ausgebildet wurden. Auch beim Auf-
bau der Armee ist etwas getan worden. Darüber hinaus
ist es ein zutiefst entwicklungspolitisches Anliegen, dass
wir beim Aufbau des Justizwesens Fortschritte erzielen
müssen. Es nützt nichts, wenn wir sagen, das sei keine
Aufgabe Deutschlands. In Afghanistan muss ein Ge-
samtkunstwerk entstehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611505100

Herr Kollege Ruck, Sie müssen zum Ende kommen.


Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1611505200

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.

Wer den Zusammenhang zwischen Aufbau und Sicher-
heit nicht sieht und unsere Sicherheitsanstrengungen tor-
pediert, der torpediert die Mission Afghanistan. Wer die
Mission Afghanistan torpediert, der torpediert die Mög-
lichkeit des Westens, Gefahren in der Welt gemeinsam
abzuwehren. Wer dies tut – in einer durchgeknallten Rede
von den Linken konnten wir feststellen, wer das tut –,


(Widerspruch bei der LINKEN)


der gefährdet das Wohl unseres eigenen Landes.

Wir jedenfalls wissen, wohin wir gehören: an die
Seite der Afghanen. Darüber hinaus wollen wir die Si-
cherheit unserer eigenen Bevölkerung gewährleisten. Ich
bitte auch die Grünen, ihrem Gewissen einen Ruck zu
geben, wenn es so weit ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Das war ja auch jetzt gerade der Ruck!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611505300

Ich erteile das Wort dem Kollegen Andreas Weigel

für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Andreas Weigel (SPD):
Rede ID: ID1611505400

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In großer Verbun-
denheit mit meinen Kollegen von Bündnis 90/Die Grü-
nen möchte ich an dieser Stelle meinen Respekt vor der
Debatte, die in dieser Partei zurzeit stattfindet, zum Aus-
druck bringen. Der Parteitag am letzten Wochenende hat
die Zerrissenheit in dieser Partei gezeigt.

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(C (D Herr Kollege Kuhn, in Ihrer heutigen Rede haben Sie eutlich gemacht, dass Sie durchaus gewillt sind, funiert über die anstehenden Fragen zu diskutieren. Das nterscheidet Sie von dem, was dieser Tage in der Presse eschrieben wurde. In der taz von vorgestern erschien um Beispiel ein Interview mit Ihrem Parteikollegen errn Spanta, dem Außenminister von Afghanistan. Die berschrift lautete: „Grüne sind unsolidarisch und aiv“. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei manchen stimmt das ja!)


ch kann nur an Sie appellieren und Sie darum bitten, in
ieser Frage auch weiterhin mit uns zusammenzuarbei-
en. Ich glaube, das haben wir in den vergangenen Jahren
ut gemacht. Wir wollen dafür kämpfen, dass das so
leibt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte an dieser Stelle nicht ausführlich auf das
ingehen, was Herr Gysi von den Linken heute zum Bes-
en gegeben hat. Aber, Herr Gysi, an eines möchte ich
ie erinnern: Da Sie das Beispiel angeführt haben, dass
ie Gespräche mit afghanischen Parlamentarierinnen ge-
ührt haben – sie haben übrigens auf der Besuchertribüne
latz genommen –, und dies kritisch dargestellt haben
darüber kann man ja durchaus diskutieren –, bitte ich
ie, dabei nicht zu vergessen, dass solche Gespräche im
ahr 2002 oder vorher nie möglich gewesen wären, weil
ie nicht nach Deutschland hätten kommen können und
ir keine Gespräche mit ihnen hätten führen können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, gelegentlich ent-
teht der Eindruck, dass wir eine oberflächliche Diskus-
ion führen; das war heute teilweise festzustellen. Daher
öchte ich ausdrücklich daran erinnern, dass in den letz-

en Wochen und Monaten viele deutsche Parlamenta-
ierinnen und Parlamentarier nach Afghanistan gereist
ind, sich im Land umgeschaut und Gespräche mit Ver-
retern des Militärs und mit Vertretern der Zivilorganisa-
ionen geführt haben. Das zeigt, wie fundiert und be-
usst wir die Auseinandersetzung mit diesem Thema

ühren. Daran wird auch deutlich, dass wir gewillt sind,
ns damit zu beschäftigen.

Wir, die SPD-Fraktion, haben aus diesem Grunde eine
askforce ins Leben gerufen, eine Arbeitsgruppe, die
ich aus Politikern ganz unterschiedlicher Fachbereiche
usammensetzt, und zwar aus Politikern all der Politik-
ereiche, die mit dem Aufbau in Afghanistan beschäftigt
ind. Außen- und Verteidigungspolitiker, Menschen-
echtspolitiker und Innen- und Entwicklungspolitiker ar-
eiten ressortübergreifend zusammen.

Ich glaube, hierin liegen die Chance und das Geheim-
is, bei der Entwicklung Afghanistans voranzukommen.
ir brauchen eine ressortübergreifende Zusammenar-

eit, nicht nur hier im Parlament, sondern auch vor Ort.

Diese Zusammenarbeit wird in den PRTs praktiziert.
llerdings möchte ich an dieser Stelle selbstkritisch sa-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11817


(A) )



(B) )


Andreas Weigel
gen: Manches kann durchaus noch besser werden. Na-
türlich müssen wir überdenken, ob die Verweildauer un-
serer Kontaktleute in den PRTs auf vier oder sechs
Monate begrenzt sein sollte oder ob eine längere Ver-
weildauer erforderlich ist, um gerade erst entstandene
Kontakte auszubauen, nützliche Informationen zu be-
schaffen und Vertrauensverhältnisse aufzubauen.

Wir müssen über die elementare, entscheidende Frage
des Drogenanbaus noch intensiver als bisher nachden-
ken. Natürlich bedarf es zuallererst der Zerschlagung der
Strukturen und Verflechtungen der Drogenmafia mit lo-
kaler Verwaltung und lokaler Polizei. Aber wir müssen
uns darüber hinaus Gedanken über Alternativen machen,
wie also der Anbau anderer landwirtschaftlicher Erzeug-
nisse und andere legale Einnahmequellen für die Bevöl-
kerung entwickelt werden können. Wir brauchen ent-
wicklungspolitische Leuchttürme. Ich sage das bewusst,
weil wir bei all unseren Diskussionen über entwick-
lungspolitische Ziele eines nicht vergessen dürfen: Wir
dürfen uns nicht nur mit Projekten beschäftigen, die
langfristig wirken. Unsere Projekte müssen sofort grei-
fen. Die Bevölkerung vor Ort muss unmittelbar spüren,
dass unser Engagement wirkt.

Eine Vielzahl von positiven Projekten ist heute schon
angesprochen worden: Schulen, Bildungsmaßnahmen.
Ich will zum Schluss meiner Rede noch einmal auf den
Aufbau der Polizeistrukturen zu sprechen kommen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611505500

Die können Sie jetzt aber nicht mehr im Einzelnen er-

läutern; das ist Ihnen klar.


Andreas Weigel (SPD):
Rede ID: ID1611505600

Wir haben die Polizeiakademie im Jahr 2004 eröffnet.

Seitdem sind 18 600 Polizisten ausgebildet worden. Wir
müssen uns an diesem Punkt weiter engagieren – was
wir tun wollen. Wir führen gemeinsam mit der EU Ge-
spräche und verhandeln. Es braucht ein größeres Enga-
gement, mehr deutsche Beteiligung. Die Weiterführung
des ISAF-Mandates bietet dafür die besten Rahmenbe-
dingungen. Ich bitte um große Unterstützung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611505700

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

Bernd Siebert für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Bernd Siebert (CDU):
Rede ID: ID1611505800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als

letzter Redner möchte ich doch noch einmal auf das, was
in Afghanistan in der Vergangenheit geleistet wurde, zu-
rückkommen und mich im Namen der Arbeitsgruppe
„Verteidigung“, aber auch im Namen der übrigen Mit-
glieder der CDU/CSU-Fraktion in besonderer Weise bei
all denen bedanken, die vor Ort Besonderes geleistet ha-
ben, nämlich bei den Soldatinnen und Soldaten und bei
den vielen zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die

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(C (D eit Beginn der Afghanistan-Mission ihren schweren ienst leisten und – auch das muss hier erwähnt werden – um Teil mit ihrem Leben bezahlt haben. Insbesondere etzteren und ihren Angehörigen gehören unser besonerer Respekt und natürlich auch unser Mitgefühl. Die Aufgaben, die wir dort erfüllen – und auch erfülen wollen –, werden auch in Zukunft nicht ohne Gefahr ür Leib und Leben der dort eingesetzten Menschen erleigt werden können. Aber gerade aufgrund der Leistunen, der Erfolge unserer Aufbauarbeit in Afghanistan ühlen wir uns verpflichtet, der Verlängerung des ISAF andates bzw. der Zusammenlegung von ISAFund ornado-Mandat zuzustimmen. Das ISAF-Mandat, welches vor allem dem Wiederufbau des unter den Taliban zerstörten Landes dient, teht zugegebenermaßen in der Kontinuität der rot-grüen Vorgängerregierung. Gleichwohl ist der eingeschlaene Weg immer noch richtig. Umso erstaunlicher ist es ür mich zu sehen, dass sich die Grünen, die mit dem daaligen Außenminister Joschka Fischer einen entschei enden Befürworter des Einsatzes in ihren Reihen haten, am vergangenen Wochenende in Göttingen aus ihrer erantwortung für Afghanistan, so befürchte ich, verabchiedet haben. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie Herrn Kuhn aber nicht gehört!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Kuhn hat in der Tat vorhin vernünftige Bemer-
ungen gemacht, die in den wesentlichen Teilen zu un-
erstützen sind.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ur, wenn jemand noch nicht einmal in der Lage ist, in
er eigenen Partei für eine Mehrheit zu sorgen, wird das,
as er hinterher hier erklärt, mit dem Wort „Glaubwür-
igkeit“ nicht zu verbinden sein. Deswegen wünsche ich
hrer Führung, dass sie in Zukunft wieder Ihre Parteiba-
is


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Überzeugt!)


berzeugt. Denn wenn Sie das umsetzen würden, Herr
rittin – und Sie haben ja mehrheitlich beschlossen, hier

m Parlament der Verlängerung des Mandates nicht zu-
ustimmen –, dann bedeutet das im Ergebnis: Sie sind
ür den Abzug. Dann sind Sie letztlich für nichts wesent-
ich anderes als das, was die Linken seit Jahr und Tag
ropagieren. Das müssen Sie wissen bei dem, was Sie
iskutieren und was Sie beschließen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Jedem politisch denkenden und die Realität betrach-
enden Menschen ist jedoch klar, dass es keine Alterna-
ive zum ISAF-Mandat in Afghanistan gibt. Ein Ende
es Engagements in Afghanistan hätte für das Land und
ie dort lebenden Menschen verheerende Folgen. Es
uss aber auch in aller Deutlichkeit gesagt werden: Wir

rauchen noch auf Jahre hinaus die militärische Absi-

11818 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Bernd Siebert
cherung des Wiederaufbaus in Afghanistan. Nur so,
im Sinne des im Weißbuch von 2006 beschriebenen
Konzeptes der vernetzten Sicherheit, können wir auch
langfristig zum Erfolg gelangen.

Für diesen Wiederaufbau im Norden Afghanistans ist
die im Mandat enthaltene Höchstgrenze von 3 500 Sol-
daten und Soldatinnen aus unserer Sicht vollkommen
ausreichend. Da die Tornados ohnehin unter dem ISAF-
Befehl standen und stehen, macht es auch Sinn, diese
bisher getrennten Mandate unter einem gemeinsamen
Mandat zusammenzufassen.

Darüber hinaus hat sich der Einsatz der Tornados
bewährt. Das ist hier einige Male ausgeführt worden;
deswegen brauche ich das nicht zu wiederholen. Dass
er so erfolgreich war, haben viele hier in diesem Parla-
ment – auch in der Vergangenheit – bezweifelt. Wir ha-
ben vorhin ein Statement besonderer Art gehört. Ich
muss den Kollegen beglückwünschen, dass er seine Ge-
dankengänge hier in aller Offenheit dargestellt hat.

Einige Kolleginnen und Kollegen haben im Vorfeld
dieser Debatte geäußert, dass man sich durchaus auch mit
einer dauerhaften Ausdehnung unseres Auftrages – mit
Ausbildung im Süden – beschäftigen sollte. Ich denke,
dass damit der Rahmen des Mandates, das wir in der
Vergangenheit beschlossen haben und heute wieder be-
schließen wollen, gesprengt würde. Deshalb glaube ich
nicht, dass es sinnvoll ist, einen anderen Ansatz von
Kräften und Mitteln für diese Aufgabe zu wählen.

Zum Schluss möchte ich noch einmal feststellen: Der
bisherige Ansatz für den Wiederaufbau Afghanistans hat
sich bewährt und wird mit dem Afghanistan-Konzept der
Bundesregierung dort nachjustiert, wo es nötig ist. Aus
diesem Grunde werden wir das vorläufige ISAF-Mandat
verbunden mit dem Tornado-Mandat unterstützen und
entsprechend zustimmen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1611505900

Ich schließe die Aussprache.

Tagesordnungspunkt 3 a. Interfraktionell wird die
Überweisung der Vorlage auf der Drucksache 16/6460
an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse
vorgeschlagen. Der Entschließungsantrag auf der
Drucksache 16/6461 soll an dieselben Ausschüsse über-
wiesen werden, an den Haushaltsausschuss jedoch nicht
nach § 96 der Geschäftsordnung. Sind Sie damit einver-
standen? – Das ist offenkundig der Fall. Dann sind die
Überweisungen so beschlossen.

Wir kommen nun unter dem Tagesordnungspunkt
3 b zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 16/6325 mit
dem Titel ISAF und OEF parlamentarisch gemeinsam
behandeln. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Dann ist die-
ser Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

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(C (D Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a und 4 b auf: a)

Hajduk, Alexander Bonde, Anna Lührmann,
weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Sicherung der Handlungs-
fähigkeit von Haushaltspolitik in der Zukunft

– Drucksache 16/5955 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)

Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Anja
Hajduk, Alexander Bonde, Anna Lührmann,
weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs
eines Begleitgesetzes zum Gesetz zur Siche-
rung der Handlungsfähigkeit von Haushalts-

(Zukunftshaushaltsgesetz-Begleitgesetz)


– Drucksache 16/5954 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)

Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

Für diese Aussprache sind nach einer interfraktionel-
en Vereinbarung wiederum 75 Minuten vorgesehen. –
ch höre keinen Widerspruch dazu. Dann ist das so be-
chlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin
nja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.


Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611506000

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine werten Kolle-

en! Was in diesem Hohen Hause in den letzten knapp
0 Jahren jährlich als Haushaltsgesetz beschlossen
urde, muss man in seiner Gesamtheit so bewerten, dass

s mit Blick auf die Haushaltslage nicht nachhaltig war
nd nicht verantwortungsvoll gegenüber den zukünfti-
en Generationen ist. Wenn man eine solche Aussage
rifft, dann muss man daraus Konsequenzen ziehen. Des-
egen legen wir von Bündnis 90/Die Grünen Ihnen
eute einen Gesetzentwurf zur Sicherung der Hand-
ungsfähigkeit der Haushaltspolitik in der Zukunft vor.
as ist nichts Geringeres als ein Vorschlag zur Änderung
es Grundgesetzes.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zum Problem. Wie ich schon erwähnte, ist es lange
er, dass der Haushalt ausgeglichen war. Der letzte aus-
eglichene Haushalt war 1969. Das ist fast 40 Jahre her.
as bedeutet in Zahlen ausgedrückt, dass der Bund über
00 Milliarden Euro Schulden aufgehäuft hat. Was die
ynamik angeht, muss man feststellen, dass sich der
chuldenstand in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat.
uf ein Jahr bezogen ist festzuhalten, dass wir mehr als
0 Milliarden Euro – das ist ein Sechstel des Bundes-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11819


(A) )



(B) )


Anja Hajduk
haushaltes – Zinsen zahlen, ohne dass an Tilgung auch
nur zu denken ist.

Dieses Problem müssen wir alle ernst nehmen. Wir
müssen feststellen, dass die bisherigen Regeln zum Ein-
dämmen von Verschuldung nicht ausgereicht haben. An-
gesichts der Tatsache, wie häufig wir den dehnbaren Be-
griff „Erhalt des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“
gebraucht haben, um übermäßig viel Schulden zu ma-
chen, müssten wir uns einig sein, dass die bisherigen Re-
geln im Grundgesetz und die dort formulierten Ausnah-
metatbestände dringend geändert werden müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Welchen Lösungsweg kann man aufzeigen? Wir Grü-
nen plädieren für eine Neuausrichtung der gesetzlichen
Rahmenbedingungen, indem wir Folgendes berücksich-
tigt sehen wollen: Wir wollen, dass grundsätzlich die
Ausgaben stärker an die Einnahmen gekoppelt werden.
Der Zusammenhang ist eigentlich einfach: Wir können
so viel ausgeben, wie wir einnehmen. Aber um auch den
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung zu tra-
gen, ist es klug, diese Regel so zu konzipieren, dass mit
dem Konjunkturverlauf Ausgaben und Einnahmen at-
men können.


(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Das ist ganz neu für die Grünen!)


Deswegen sind wir gegen ein absolutes Verbot von
Schulden. Das halten wir für volkswirtschaftlich nicht
durchdacht. Wir sind für einen über den Konjunkturzy-
klus ausgeglichenen Haushalt. Das müssen wir auch im
Grundgesetz normieren. Diese Lösung ist Maastricht-
konform, und es ist eine striktere Lösung als die beste-
henden Regelungen. Wir Grünen haben uns umgesehen,
wie man eine solche Lösung entwickeln kann.

Wir haben in die Schweiz geschaut. Wir haben aber
nicht die Schweizer Schuldenbremse kopiert, sondern
eine Schuldenbremse entwickelt, die den Verhältnissen
in Deutschland angepasst ist. Das heißt, wir schließen
eine Finanzierung von Investitionen über Kredite nicht
aus, wenn sie streng dem Maßstab genügen, dass sie das
Volksvermögen wirklich mehren. Das heißt, wir müssen
Privatisierungen abziehen und kalkulatorische Abschrei-
bungen vornehmen. Solche sogenannten Nettoinvestitio-
nen, die das Volksvermögen mehren, wollen wir durch-
aus kreditfinanzieren können.

Des Weiteren glauben wir – dieser Vorschlag wurde
in ähnlicher Form vom Sachverständigenrat vorgelegt
und diskutiert –, dass man sich damit auseinandersetzen
muss, dass Prognosen für die Zukunft nicht immer ein-
fach sind. Wenn wir vorschlagen, dass sich die Ausga-
ben an den Einnahmen orientieren sollen, dann stehen
wir damit vor dem Problem, die Konjunkturentwicklung
einschätzen zu müssen. Deswegen gehört zu einer ange-
passten Schuldenbremse auch, dass Schätzfehler nach
einem Jahr korrigiert werden können. Ich erwähne das
aus folgendem Grund: Mir ist der Einwand bekannt, dass
die Schweizer Schuldenbremse schon im zweiten oder
dritten Jahr nicht richtig funktioniert hat und korrigiert

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(C (D erden musste. Ich sage den Kritikern: Wir haben das ntersucht und festgestellt, dass die Schweizer Schulenbremse einem die Flexibilität lässt, auf die Konjunkur zu reagieren. Dass sie bei ihrer Einführung nicht soort funktioniert und unmittelbar gewirkt hat, hat auch amit zu tun, dass sie nicht auf einen ausgeglichenen aushalt aufsetzen konnte. Aber die Schweizer Schulenbremse ist strikter, und sie ist Maastricht-konform. eswegen ist für uns eine an die deutschen Verhältnisse ngepasste Schuldenbremse ein intelligentes Modell. ir sollten dies in unsere Finanzpolitik übertragen. Ich möchte noch etwas dazu sagen, dass wir über chuldenregeln auch in der Föderalismuskommision II diskutieren. Das ist gut so. Dabei geht es nicht ur um den Bund, sondern auch um die Bundesländer. ir reden dort also nicht nur über eine Schuldenbremse ür den Bund, sondern auch über die Altschulden, die ehr unterschiedliche Situation in den einzelnen Bundesändern und Möglichkeiten, die Finanzautonomie aufseien der Bundesländer und im Verhältnis zwischen Bund nd Ländern zu verändern. Ich finde es richtig, dass wir n der Föderalismuskommission II auch über Schuldenegeln sprechen. Aber eines ist für mich klar: Selbst enn es mit den Bundesländern keine gemeinsame Reelung betreffend Ausgaben und Einnahmen gibt – wir ind auf Zusagen der Bundesländer angewiesen –, weil s unterschiedliche Interessen bei den Altschulden und eim Länderfinanzausgleich gibt, braucht der Bund in edem Fall neue Regeln für seine Haushaltsgesetzgeung; das möchte ich deutlich betonen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulrike Flach [FDP])


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte das begründen. Nach Art. 109 des Grund-
esetzes sind Bund und Länder in ihrer Haushaltspolitik
elbstständig. Selbst wenn es keine Einigung mit den
undesländern gibt, müssen wir vorangehen, weil wir
ie große Chance haben, bald einen ausgeglichenen
undeshaushalt vorzulegen – ich bin davon überzeugt:
och in dieser Legislaturperiode –, und die historische
hance, mit der Großen Koalition und der Unterstützung
on uns, der grünen Opposition, mit Zweidrittelmehrheit
as Grundgesetz zu ändern. Wir dürfen das Zeitfenster
afür keinesfalls verstreichen lassen, sondern müssen
iese Chance nutzen. Das sind wir zukünftigen Genera-
ionen schuldig, wenn wir endlich nach Maßgabe einer
achhaltigen Haushaltspolitik umsteuern wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Volker Kröning [SPD])


Das Budgetrecht ist das Königsrecht des Parlamen-
es. Es ist gut, dass darüber mit den Bundesländern in
er Föderalismuskommission beraten wird. Es ist aber
uch wichtig, dass der Bundestag über eine Änderung
es Budgetrechts ausführlich berät und nicht nur auf die
rgebnisse der Föderalismuskommission wartet. Deswe-
en setze ich auf eine intensive und gute Beratung über
ie von uns vorgeschlagene Grundgesetzänderung. Wir
ollen die Ausgaben wieder stärker an die Einnahmen
oppeln. Wir wollen vermögenssteigernde Investitionen

11820 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


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Anja Hajduk
finanzieren. Wir wollen einen Haushalt, der mit der
Konjunktur atmet, aber auch generationengerecht ist und
eine nachhaltige Haushaltspolitik ermöglicht.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611506100

Ich gebe das Wort dem Kollegen Jochen-Konrad

Fromme, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1611506200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich begrüße außerordentlich, dass dieses Thema
an so prominenter Stelle hier im Plenum diskutiert wird;
denn es geht um Nachhaltigkeit und um langfristige Ent-
wicklungen. Die Kredite von heute sind die Zinsen und
damit die Steuern von morgen. Ich möchte festhalten:
Kinder können auf Schuldenbergen nicht spielen. Des-
wegen ist es wichtig, dass wir uns um den Schuldenab-
bau kümmern.

Das Thema ist aber natürlich nicht neu, Frau Kollegin
Hajduk. Sie wissen, dass sich die Berichterstatter im
Haushaltsausschuss schon lange mit der Frage befassen,
wie wir diese Entwicklung ändern können. Das ist ein
Hauptthema auch der Föderalismuskommission. Der
Rechnungsprüfungsausschuss hat dieses Thema aufge-
griffen. Ich denke, dass es nicht darauf ankommt, in einer
frühen Phase mit einem fertigen Vorschlag zu kommen;
vielmehr müssen wir ausloten, wo die Probleme liegen.
Mir geht Ihr Entwurf – ich komme darauf zurück – nicht
tief genug.

Ich will eines gerade hier im Plenum, wo nicht nur die
Haushälter versammelt sind – das geht das gesamte Ple-
num an –, deutlich machen: Dass jeden Tag in der Zei-
tung etwas von weniger Neuverschuldung und mehr
Steuereinnahmen steht, worüber wir uns freuen, ist Zei-
chen einer guten Entwicklung. Es darf aber nicht der
Eindruck entstehen, die Probleme seien gelöst;


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


denn die Fixierung auf die Neuverschuldung ist falsch.
Solange wir eine Neuverschuldung haben, heißt das,
dass wir mehr ausgeben, als wir einnehmen. Es ist längst
nicht mit der Beseitigung der Neuverschuldung getan.
Wir dürfen auch nicht mehr die Einnahmen aus Ver-
kaufserlösen im Haushalt berücksichtigen. Erst wenn
wir mehr einnehmen, als wir ausgeben, dann liegen wir
richtig, und dann sind die Probleme gelöst. Das sage ich
zu allen Kolleginnen und Kollegen; denn manch einer
wünscht sich schon wieder neue Programme und denkt,
man könne die Ausgaben wieder steigern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Wir müssen uns über eines im Klaren sein: Wenn es
heißt, dass Deutschland möglicherweise ohne neue
Schulden auskommt, dann muss man auch die sehr un-

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(C (D erschiedlichen Strukturen betrachten. Die Lage ist auf en verschiedenen Ebenen völlig unterschiedlich. Auf undesebene gibt es nach wie vor ein strukturelles Defiit von 23 Milliarden Euro. Das heißt, nach der jetzigen lanung für 2008 geben wir 23 Milliarden Euro mehr us, als wir einnehmen. Die positiven Entwicklungen, ber die wir uns natürlich freuen, betreffen eher die Länerebene und die Gemeindeebene, wobei man auch da ehr differenzieren muss. Kassenkredite von 26 Milliaren Euro bedeuten, dass die kommunalen Haushalte in ieser Größenordnung aus dem Ruder gelaufen sind. nderen hingegen geht es gut. Deswegen plädiere ich ür eine sehr differenzierte Betrachtungsweise. Wir müsen uns mit dieser Frage beschäftigen. Wer Fehlentwicklungen beseitigen will, muss sich unächst einmal mit den Ursachen dieser Fehlentwickungen vertraut machen. Was ist eigentlich schiefgelauen? Eigentlich gilt auch in Deutschland der rechtliche rundsatz: Laufende Ausgaben dürfen nicht mit Kredi en finanziert werden. Angesichts dessen fragt man sich, ie es eigentlich zu dieser Entwicklung kommen konnte. ch sage Ihnen, dass sich an vier Punkten etwas ändern uss: Erstens müssen wir verhindern, dass konsumtive usgaben direkt oder indirekt mit Krediten finanziert erden. Zweitens müssen wir die Ausgaben – ich omme darauf differenzierter zurück – an die Einnahmen inden und nicht umgekehrt; das ist strukturell falsch geaufen. rittens müssen wir die Finanzund Handlungsverantortung auch innerhalb unserer Haushaltssysteme wieer in eine Hand legen; wir haben eine völlig falsche rbeitsteilung. Viertens müssen wir Fehlanreize im Länerfinanzausgleich beseitigen und eine richtige Entwickung initiieren. (Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Was ist passiert? Wir haben 1969 in der Großen Ko-
lition das Haushaltsrecht verändert. Bis dahin war völ-
ig klar, dass Ausgaben nur mit Einnahmen finanziert
erden dürfen. In eng begrenzten Ausnahmen durften

nvestitionen, die zusätzliche Einnahmen für den Staat
ebracht haben, durch Kredite finanziert werden. 1969
aben wir zwei Punkte verändert: Wir haben dafür ge-
orgt, dass Investitionen generell mit Krediten finanziert
erden durften, und wir haben dann die Konjunkturre-
elung hinzugefügt, wonach zur Bekämpfung eines ge-
amtwirtschaftlichen Ungleichgewichts zusätzlich Kre-
ite aufgenommen werden dürfen. Genau das ist der
ehler. Deswegen glaube ich, dass alles, was an einen
ngeren Investitionsbegriff anknüpft, die Probleme
icht lösen wird. Ich glaube, dass uns die Bindung der
erschuldungsgrenze an Maastricht-Kriterien oder an
as BIP nicht weiterbringt; denn der Normalfall sowohl
ach Maastricht als auch nach dem Grundgesetz ist eine
euverschuldung von null. Also generell keine Finan-

ierung durch Kredite, nur in eng begrenzten Ausnahme-
ällen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11821


(A) )



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Jochen-Konrad Fromme
Es gilt der Grundsatz: Niemand kann auf Dauer mehr
ausgeben, als er einnimmt.


(Ilse Aigner [CDU/CSU]: So ist es!)


Ich sage präziser: Niemand kann mehr verbrauchen, als
er einnimmt. Da gibt es einen deutlichen Unterschied.
Ich will Ihnen am Beispiel eines Autokaufs klarmachen,
was wir in Deutschland falsch machen: Wenn wir für
den Bund ein Kraftfahrzeug beschaffen, ist es eine In-
vestition. Sie darf nach unserem geltenden Haushalts-
recht mit Krediten finanziert werden und ist in den letz-
ten Jahrzehnten auch mit Krediten finanziert worden.
Wir haben alles ausgereizt. Durch den Kauf des Autos
ändert sich die Vermögenslage des Staates aber über-
haupt nicht. Er hat ein bisschen mehr Schulden, und er
hat einen Vermögensgegenstand. Die Vermögenslage
des Staates ändert sich erst, wenn das Auto gebraucht
wird und damit an Wert verliert. Das wird im staatlichen
Budget aber überhaupt nicht erfasst. Das heißt, wir ha-
ben die Investition über einen Kredit finanziert, der Ver-
brauch erfolgt aber neben dem Haushalt. Dadurch, dass
die Bundesrepublik Deutschland Kredite gar nicht tilgt,
haben wir ein Verbrauchsgut indirekt mit Krediten finan-
ziert. Das genau ist das Problem.

Ich habe nachgeschaut: Wir haben dieses Haushalts-
recht seit 1969. Seit 1972 kaufen wir Dienstwagen auf
Kredit. Wir zahlen heute noch Zinsen für Dienstwagen,
von denen nicht einmal mehr die Asche oder der Schrott
übrig geblieben ist. Das genau ist das Problem. Deswe-
gen konnten sich die Schulden so hochschaukeln. Es hat
nichts damit zu tun, dass wir Dienstwagen brauchen,
aber es hat etwas damit zu tun, dass wir den Verbrauch
nicht durch laufende Einnahmen finanzieren.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir uns einig, Herr Kollege!)


Potenziert haben wir diesen Prozess noch durch die Kon-
junkturregelung, mit der wir festgelegt haben, dass man
zur Bekämpfung eines gesamtwirtschaftlichen Ungleich-
gewichts mehr Kredite aufnehmen kann. In Wahrheit ha-
ben wir aber immer nur Verbrauchsausgaben finanziert
und damit den Prozess noch gesteigert.

Eine ganz besondere Überdehnung dieser Möglich-
keit wurde durch das Verfassungsgerichtsurteil vom
letzten Sommer bestätigt. Was war der Streitgegenstand?
Im Haushalt 2004 hatten wir – man höre und staune! –
im November die Einnahmen verändert und die Kredit-
aufnahme um rund 20 Milliarden erhöht, während sich
bei den Ausgaben nichts verändert hat. Das heißt, wir
haben normale haushaltsmäßige Ausgaben mit Krediten
finanziert. Das Bundesverfassungsgericht hat dies sogar
durchgehen lassen. Dafür habe ich überhaupt kein Ver-
ständnis. Damals wäre die Gelegenheit gewesen, ein
deutliches Zeichen zu setzen, dass dieser Prozess geän-
dert werden muss.

Die Gemeinden stehen im Übrigen im Vergleich bes-
ser da als Bund und Länder. Warum ist das so? Die Ge-
meinden sind durch die Kommunalaufsicht immer ge-
zwungen worden, mindestens 2 Prozent ihrer Schulden
zu tilgen. Dieses Verhalten war zwar wirtschaftlich nicht
sauber, aber die Gemeinden haben immerhin getilgt.

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(C (D eswegen hatten sie nicht die Möglichkeit, einen solch inmaligen Schuldenberg aufzuhäufen. Im Übrigen waren wir, und zwar alle Parteien – ich age das ganz wertfrei –, an der Fehlentwicklung beteiigt. Aber dies müssen wir korrigieren. 1969 herrschte och der Geist, nur das mit Krediten zu finanzieren, was ür die Zukunft Werte schafft, aber nicht das, was in der ukunft verzehrt wird. Die Entwicklung aber ist falsch elaufen. Frau Kollegin Hajduk, ein absolutes Schuldenverbot n dem Sinne, dass überhaupt keine Kreditaufnahme ehr zulässig ist, halte ich auch nicht für sinnvoll. chulden an sich sind weder gut noch böse. Es ist wie it dem Feuer: Es kann verbrennen, es kann aber auch ärmen. Genauso ist es mit Krediten. Wenn man es chafft, den Staat durch eine Kreditaufnahme besserzutellen, dann sollte man das auch tun. Wir haben zum eispiel viele alte Gebäude mit alten Heizungssystemen nd daher relativ hohen Heizkosten. Wenn es gelingt, urch eine Investition die Heizkosten so stark zu senken, ass die Einsparungen höher sind als die Zinsen und die bschreibungen für diese Investition, ist es wirtschaft ich vernünftig und sinnvoll, in diesem Fall Schulden zu achen. Wir müssen unser Rechnungswesen so verändern, ass der Werteverzehr abgebildet wird, damit wir zu dem rgebnis kommen können, wie viele Einnahmen wir haen und wie viel wir verbraucht haben. Das darf sich icht nur in den kassenmäßigen Ausgaben widerspieeln, es muss sich im Fall des Autokaufs auch im Werteerzehr widerspiegeln. Wenn wir das geschafft haben, önnen wir messen, was wir auf der Einnahmenseite und as wir auf der Ausgabenseite haben. Dann spielen auch chulden keine Rolle mehr. Der Investitionsbegriff ist in falscher Indikator. Damit wird nicht gemessen, ob ch mich finanzwirtschaftlich ordentlich verhalte oder icht. Es gibt noch etwas, was wir im Bundeshaushalt völlig alsch machen: die Aufteilung der Investitionsveranchlagung. Wenn der Bund ein Gebäude beschafft, dann tehen im Fachhaushalt die notwendigen Angaben zu en Investitionen, allerdings noch nicht einmal vollstänig; denn die Planungsund Bauleitungskosten – sie mahen ungefähr ein Viertel der Kosten eines Bauvorhaens aus – sind im Haushalt des Bundesministeriums für erkehr, Bau und Stadtentwicklung oder des Bundesinisteriums der Finanzen veranschlagt, da sie bei den änderbauverwaltungen anfallen. Die übrigen Finanzie ungskosten im Zusammenhang mit der Investitionsentcheidung erscheinen im Fachhaushalt überhaupt nicht, ondern lediglich im Einzelplan 32, um den sich keiner ümmert. Wenn man bei einer Abschreibungsdauer von 0 Jahren – für heutige Verhältnisse ist das eigentlich chon viel zu lange – und einem Zinssatz von 5 Prozent in Gebäude beschafft, dann machen die Finanzierungsosten das 1,4-Fache der Bauinvestitionen aus, die im aushalt allerdings gar nicht erscheinen. Wir müssen da ür sorgen, dass die Folgekosten von Investitionen im aushalt wieder angegeben werden. Das heißt, diejeni 11822 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 Jochen-Konrad Fromme gen, die eine Entscheidung über eine Investition treffen, müssen die lebenszeitbezogenen Gesamtkosten berücksichtigen. Wenn das der Fall ist, wird diese Entscheidung schwieriger, weil man sämtliche Kosten vor Augen hat, und dann kommen wir wieder zu einem angemessenen Umgang mit den Ressourcen. Auf die Notwendigkeit, bei konjunkturellen Schwankungen reagieren zu können, ist ausreichend eingegangen worden. Da müssen wir uns etwas einfallen lassen. Mir ist wichtig, dass wir aus der Klemme herauskommen, dass finanzwirtschaftliche Grundsätze durch politische Entscheidungen unterlaufen werden können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(A) )


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Politiker sind Menschen, und Menschen sind schwach, und
sie suchen in einer konkreten Situation immer den leichtes-
ten Ausweg. Das ist unsere Erfahrung seit 1969. Wir brau-
chen eine instrumentelle Absicherung, durch die es unmög-
lich wird, auszuweichen. Auf diesem Wege muss das süße
Gift des Verlagerns finanzieller Lasten in die Zukunft besei-
tigt werden. Wenn wir das schaffen, kommen wir finanz-
wirtschaftlich besser über die Runden. Dann werden wir
der Verantwortung unseren Kindern gegenüber gerecht,
weil wir ihnen keinen Schuldenberg, sondern ein geordne-
tes Staatswesen hinterlassen.

Schönen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611506300

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulrike Flach, FDP-

Fraktion.


Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1611506400

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen!

Ich finde es gut, Frau Hajduk, dass die Fraktion Die Grü-
nen eine Woche nach unserer Haushaltsdebatte im Ple-
num diesen Vorschlag macht. Manchmal hat man das
Gefühl, dass der Finanzminister und die hier versam-
melte Große Koalition den Eindruck vermitteln möch-
ten, alles sei im Lot, der Bundesfinanzminister sei nicht
nur „Peer im Glück“, sondern auch das Sterntalermäd-
chen. Aber in der Realität nimmt die Verschuldung der
öffentlichen Haushalte weiter zu, zwar etwas langsamer
– das ist sicherlich positiv zu vermerken –, aber deutlich
und stetig.

Die Situation ist nach wie vor dramatisch – da stimme
ich meinen beiden Vorrednern ausdrücklich zu –, und sie
rechtfertigt keineswegs – das sage ich auch für unsere
Fraktion – Forderungen nach umfangreichen Ausgaben,
für welchen guten Zweck auch immer.


(Beifall bei der FDP)


Sparen ist angesagt. Wir müssen von den 40 Milliar-
den Euro Zinslasten des Bundes – das muss man sich
einmal auf der Zunge zergehen lassen – endgültig runter.

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(C (D Für das Jahr 2008 hält nun auch der Finanzminister in kleines Plus im Staatshaushalt für möglich. Da fraen wir uns natürlich: Wann, wenn nicht jetzt, sollten ir grundsätzliche Entscheidungen treffen, um die taatsverschuldung in den Griff zu bekommen? Das önnen wir nur in konjunkturell guten Zeiten mit hohen teuereinnahmen. Wenn die Bürger schon durch die assiven Steuererhöhungen erhebliche Lasten tragen üssen, um den Haushalt zu sanieren, dann müssen wir etzt Halteseile einziehen, damit in schlechten Zeiten icht wieder der Weg in die Schulden gesucht und damit icht wieder auf Kosten der nächsten Generation gewirtchaftet wird. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


a sind wir völlig bei Ihnen, Herr Fromme. Diesen Weg
ehen wir gemeinsam.

Insofern freue ich mich, dass die Grünen mit der so-
enannten Schweizer Schuldenbremse zumindest ein-
al einen Vorschlag auf den Tisch gelegt haben. Ich will

hnen aber auch gleich sagen: Die FDP steht dem kri-
isch gegenüber, und zwar aus folgenden Gründen:

Erstens. Bislang orientiert sich die Höhe der Kredit-
ufnahme an den Bruttoinvestitionen. Frau Hajduk, Sie
aben eben erläutert, dass Sie das ändern wollen, indem
ur noch ein Bezug zu den Nettoinvestitionen herge-
tellt wird. Das bedeutet, dass der Kreditrahmen um Ab-
chreibungen und Privatisierungserlöse verringert wird;
ber – das ist für uns entscheidend – eine steigende Ver-
chuldung wird nicht grundsätzlich verhindert. Der
achverständigenrat schätzt die Ermächtigung, die aus
en Nettoinvestitionen herrührt, auf circa 6 bis
Milliarden Euro. Als Haushälter muss man sich überle-

en, ob man das will; wir wollen es nicht.

Zweitens. Schulden, die aufgrund von Schätzfehlern
eim Haushaltsvollzug auftreten, werden auf einem vir-
uellen Ausgleichskonto gesammelt.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist hochvernünftig!)


ie sagen, dass diese Summe 2 Prozent des BIP nicht
berschreiten darf. Da frage ich mich natürlich: Warum
Prozent?


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es könnte auch 1 Prozent sein!)


as ist im Prinzip eine willkürlich gegriffene Zahl.
enn man dies nach dem augenblicklichen Stand be-

echnet, kommt man zu dem Ergebnis, dass dort
0 Milliarden Euro Schulden geparkt werden können.
as ist eine nicht unerhebliche Summe. Steigt das BIP,

teigt auch die Höhe der dort hinterlegten möglichen
chulden. Das sehen wir als problematisch und auch als

ntransparent an.


(Beifall bei der FDP)


Drittens. Ihr Modell sieht bei Naturkatastrophen
der Unglücksfällen die Möglichkeit einer höheren Ver-
chuldung vor, wenngleich dies nur mit einer Zweidrit-
elmehrheit im Bundestag beschlossen werden kann. Da

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11823


(A) )



(B) )


Ulrike Flach
sind sich unsere Positionen näher, Frau Hajduk, als es im
Augenblick vielleicht scheint; aber es wird wirklich
schwierig. Widmen wir uns zum Beispiel dem Klima-
wandel, dessen Abfederung erhebliche Geldströme be-
nötigt! Wie schätzt man das ein? Dazu ist sicherlich
noch eine vertiefte Diskussion nötig.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist besser als die einfache Mehrheit! – Gegenruf des Abg. Ernst Burgbacher [FDP]: Das ist richtig!)


Im Bundeshaushalt fallen die meisten Ausgaben für
Transferleistungen an. Ein kurzfristiges Umsteuern ist
hierbei äußerst schwer.

Sie geben nun etwas vor, was ich an Ihrem finanzpoli-
tisch sonst sehr stringenten Entwurf für völlig sachfremd
halte: Sie setzen das Ziel der Einhaltung des ökologi-
schen Gleichgewichts und der kontinuierlichen Senkung
der Umweltbelastung. Das heißt, Sie mischen Haushalts-
grundsätze und politische Zielvorstellungen.


(Volker Kröning [SPD]: Richtig!)


Ebenso gut könnte man zum Beispiel das Ziel der Sen-
kung der Belastung für Familien oder aber das Ziel der
Senkung der Staatsquote einbeziehen. Das passt aus un-
serer Sicht nicht zusammen. Das öffnet Schleusen, die
wir gerade schließen wollen.

Was schlagen wir nun alternativ vor? Die FDP hat be-
reits im letzten Jahr einen Antrag eingebracht, nach dem
ein generelles Neuverschuldungsverbot bestehen soll,
von dem nur in Ausnahmefällen und nur mit einer Zwei-
drittelmehrheit im Bundestag abgewichen werden darf.
Wir haben seit 40 Jahren erstmals die Chance, einen
Haushalt ohne Neuverschuldung aufzustellen, sogar
schon 2008. Man muss aber sehen, dass wir mit einer
schwarzen Null im Bundeshaushalt nicht am Ziel sind.
Dann geht es natürlich erst richtig los; Herr Fromme, da
sind wir völlig einer Meinung. Rund 900 Milliarden
Euro der gesamtstaatlichen Verschuldung entfallen auf
den Bund. Erst wenn wir diesen Betrag abgebaut haben
– wie schwierig das ist, werden wir alle in den kommen-
den Wochen mit unseren Kollegen in den einzelnen
Fachausschüssen hautnah erleben –, sind wir am Ziel.

Wir brauchen aus unserer Sicht sehr restriktive Ver-
schuldungsverbote; denn schon im ersten Jahr eines
Haushaltsüberschusses sehen wir das begierige Funkeln
in den Augen vieler Minister. Frau von der Leyen ist ge-
rade nicht hier; sie hätte ich als besonders gutes Beispiel
dafür nennen können. Diesbezüglich stehen wir zum
Finanzminister – Frau Hendricks, wenn Sie es ihm mit-
teilen würden, wären wir Ihnen dankbar –: Haushaltssa-
nierung muss Priorität haben.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Volker Kröning [SPD])


Die FDP will die Subventionen um 20 Prozent kür-
zen und den Subventionsbegriff erweitern. Wir wollen
– darin unterscheiden wir uns sehr deutlich von der Ko-
alition und auch von den Linken – im Haushalt erheb-
lich mehr einsparen. Sie könnten schon heute einen
ausgeglichenen Haushalt ohne Neuverschuldung vorle-

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(C (D en, wenn Sie nur den Ausgabenzuwachs von 2007 auf 008 begrenzen würden. (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Lassen Sie mich einen letzten Aspekt ansprechen.
und, Länder und Kommunen zusammen müssen zu ei-
er anderen Haushaltsführung kommen; da bin ich mit
hnen völlig einer Meinung, Herr Fromme. Die Schul-
enbremse, die die Grünen vorschlagen, wird aber schon
ei den Ländern methodisch problematisch, weil die
änder kaum eigene Steuergestaltungsmöglichkeiten ha-
en und somit ihre Einnahmen nicht so planen können
ie der Bund. Bei den Kreisen ist es ähnlich. Es gibt

chon heute Kreise, deren Einnahmen nicht mehr ausrei-
hen, um die Pflichtaufgaben zu erfüllen.

Die Föderalismuskommission hat im ersten Teil der
eform einiges auf den Weg gebracht, aus unserer Sicht
icht genug. Sie hat vor allen Dingen genau diesen emp-
indlichen Punkt im ersten Teil nicht erledigt. Sie hat
etzt die Chance, die Finanzbeziehungen zwischen Bund
nd Ländern auf eine sehr solide Basis zu stellen. Eine
onsequente Beschränkung der Neuverschuldungsmög-
ichkeiten wäre angesichts ihrer guten Einnahmesitua-
ion natürlich auch für die Länder möglich.

Das Modell der Grünen, Frau Hajduk, ist aus unserer
icht dazu nicht geeignet. Aber ich bin auf die Diskus-
ionen gespannt, die wir in nächster Zukunft dazu haben
erden. Wir sind völlig mit Ihnen einig, dass wir hier im

nteresse unserer Kinder und Enkelkinder einen neuen
eg gehen müssen und nicht so wie bisher weiterma-

hen können.

Wir sind für ein generelles Neuverschuldungsverbot
nd hoffen, dass uns dabei ein Großteil des Hauses fol-
en wird.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611506500

Das Wort hat der Kollege Volker Kröning, SPD-Frak-

ion.


(Beifall bei der SPD)



Volker Kröning (SPD):
Rede ID: ID1611506600

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Nach der Devise „Weniger ist mehr“ werde ich
ie Redezeit der SPD-Fraktion von 24 Minuten nicht
usschöpfen.


(Heiterkeit – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ch werde mir ein gutes Beispiel an den Vorrednerinnen
nd Vorrednern nehmen und mich kurz fassen; vielleicht
önnen es die Nachfolgenden entsprechend machen.

Ohne Frage besteht Handlungsbedarf im Hinblick auf
in System gesamtstaatlicher Haushaltsdisziplin. Es
urde schon gesagt: 1 500 Milliarden Euro öffentliche
chulden, also Schulden des Gesamthaushalts von Bund,
ozialversicherungen, Ländern und Gemeinden, sind zu
iel und verlangen nach einer Trendumkehr, einem Weg

11824 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Volker Kröning
aus der Schuldenfalle. Wenn Sie – ich spreche hier vor
allem unsere Zuhörerinnen und Zuhörer an – sehen, dass
wir im Bundeshaushalt allein 40 bis 45 Milliarden Euro
jährlich für Zinsen ausgeben und gar nicht tilgen, dann
zeigt ihnen dies, welche Handlungsmöglichkeiten uns
nicht erst in Zukunft, sondern schon in der Gegenwart
durch die Last entgehen, die unter anderem die Teilung
und Einigung Deutschlands den öffentlichen Finanzen
aufgebürdet haben.

Ich freue mich, feststellen zu können, dass es nicht
mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie einer
Schuldenschranke geht. Dazu ist der Vorschlag, den die
Grünen dankenswerterweise eingebracht haben, ver-
dienstvoll. Er kommt nicht mehr aus der Regierung he-
raus, sondern wurde mit den Mitteln einer Oppositions-
fraktion erarbeitet. Als Rechts- und Verfassungspolitiker
halte ich ihn auch deshalb für maßstabsetzend, weil er
nicht nur die Verfassung, sondern auch die Ausführungs-
gesetze ins Auge fasst, die wir uns ebenfalls anschauen
müssen. Es sind das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz
und die Bundeshaushaltsordnung für unseren Haushalt
und das Haushaltsgrundsätzegesetz für die nachgeordne-
ten Gebietskörperschaften, also die Länder inklusive der
Gemeinden.

Allerdings zeigt das Verfahren der Grünen bei allem
Charme dieser Debatte in der Kernzeit, dass wir noch
längst nicht so weit sind, eine Entscheidung treffen zu
können. Heute geht es ja auch um die erste Lesung des
Gesetzentwurfs. Die Grünen haben ihr Vorschlagspaket
in die Kommission eingebracht, von der schon die Rede
war. Dort ist es eine der Lösungsalternativen, die wir bei
der Bewältigung dieser Aufgabe, die unserer Generation
für unsere Nachkommen zu lösen aufgegeben ist, zu be-
urteilen haben. Dieses Verfahren, das ein bisschen an
Spagat erinnert, ist nicht nur unschädlich, sondern sogar
nützlich, weil der Vorschlag eine Vorlage für eine ge-
samtstaatliche Verständigung bildet, die wir brauchen
und zu der der Bund und zumindest verbal im Augen-
blick auch die Länder bereit sind, wie unsere Kommis-
sionsarbeit zeigt.

Um entsprechend vorarbeiten zu können, kenn-
zeichne ich auch die anderen Alternativen: den Vor-
schlag des Sachverständigenrates, um den die Bundes-
kanzlerin gebeten hatte und der uns in der Kommission
beschäftigt hat und weiter beschäftigen wird – in ihm
geht es um das sogenannte Nettoinvestitionenmodell –,
und die Überlegung, das Regime, das die Europäische
Union inzwischen mit dem Vertrag von Maastricht, dem
Stabilitäts- und Wachstumspakt und der Reform des
Paktes eingeführt hat, auf die innerstaatlichen Verhält-
nisse zu übertragen. Diesen sehr einleuchtenden Ansatz
kann man ebenfalls auf einen Begriff bringen.

Da wir inzwischen akzeptieren müssen, dass Englisch
die Weltsprache ist, verwende ich den Fachbegriff „close
to balance“, das heißt Haushaltsausgleich innerhalb ei-
nes Konjunkturzyklus mit normalen Aufschwüngen und
Abschwüngen, also abgesehen von unvorhersehbaren
und unvermeidbaren Fällen, die einer Sonderregelung
bedürfen.

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(C (D Wir haben – das gerät bei dieser Diskussion oft in ergessenheit – bereits mit der Bundesstaatsreform I die eichen dafür gestellt. Ich zitiere aus Art. 109 Abs. 5 atz 1 des Grundgesetzes, der dankenswerterweise – der Saal anwesende damalige Vorsitzende der Föderalis uskommission, Franz Müntefering, wird meine Erinneung bestätigen – vor allen Dingen auf eine Verständigung it dem hessischen Ministerpräsidenten zurückgeht: Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft auf Grund des Artikels 104 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin sind von Bund und Ländern gemeinsam zu erfüllen. Mit dieser Bestimmung wird eine Regelungslücke gechlossen, die wir seit den 90er-Jahren hatten, seit dem ertrag von Maastricht und dem Stabilitätsund Wachs umspakt; allerdings wird sie nur teilweise geschlossen. ie ist sozusagen eine repressive Regelung, eine Rege ung für den Fall, dass wir gegen die übergeordnete Reelung der Europäischen Union verstoßen und uns Sankionen auferlegt werden, die dann zwischen Bund und ändern und unter den Ländern verteilt werden müssen. Ich bin sehr zufrieden damit, dass wir diese Regelung etroffen haben. Hier ist bei früheren Anlässen schon estgestellt worden, dass sie eine präventive Wirkung ntfalten wird. Nicht nur die konjunkturelle Situation, in er wir uns augenblicklich befinden, nicht nur die Fortchritte im Strukturwandel bei den öffentlichen Finanen, die wir auf der Ausgabenwie Einnahmenseite vereichnen können, sondern auch diese Verpflichtung ist ichtungsweisend und gibt uns Rückenwind für die Aufabe, die verbliebene Regelungslücke zu schließen. Die verbliebene Regelungslücke muss ein präventives lement aufnehmen, muss Vorbeugung gegen Hausaltskrisen, Überwindung von Haushaltsnotlagen auf eiden Ebenen, der Bundesebene und der Länderebene, inschließen und muss auch die wichtigen Elemente, die uropa liefert, umfassen, nämlich Früherkennung, Früharnung, gemeinschaftliche Kontrolle und gegebenen alls Sanktionen, die nicht den Beigeschmack einer Abtrafung im föderalen Verhältnis haben oder den eigeschmack, dass jemand extraordinäre Mehreinnahen erzielen muss oder Minderausgaben auferlegt be ommt. Das wird in der föderalen Gemeinschaft sicherich nicht zu einer Einigung zu führen sein. Mit Blick auf das Wie noch ein Wort zum Vorschlag er Grünen. Es ist schon gesagt worden: Mit der Erweierung des sogenannten magischen Vierecks, das wir seit er großen Finanzreform und seit dem Stabilitätsund achstumsgesetz der ausgehenden 60er-Jahre haben, m weitere Ziele, Prinzipien und Interessen, wie sich Ihr esetzentwurf ausdrückt, Frau Hajduk, droht die Re orm zu verwässern. Frau Flach hat dies richtigerweise gesagt, und ich öchte das unterstreichen. Ich freue mich, nebenbei ge agt, sehr darüber – auch wenn es ein bisschen traurig st, dass heute fast nur Haushaltspolitiker und wenig teuerpolitiker im Saal sind –, dass Sie ein klares Be Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11825 Volker Kröning kenntnis zum Vorrang der Haushaltskonsolidierung vor Steuersenkungen abgegeben haben. Das müssen wir festhalten. Denn was wollen wir eigentlich mit den Überschüssen machen, die wir anstreben? Nicht nur Haushaltsausgleich, sondern auch Haushaltsüberschuss ist unser Ziel; dies ist die Voraussetzung für einen nationalen Entschuldungspakt. Wenn das die gültige Linie der FDP werden sollte, dann können sogar wir uns wieder näherkommen. (Ulrike Flach [FDP]: Oh! – Gegenruf des Abg. Joachim Poß [SPD]: Hat sich das bei Ihnen noch nicht rumgesprochen?)


(A) )


(B) )


(Beifall der Abg. Bettina Hagedorn [SPD])


Der Kollege Fromme hat zum Schluss seiner Ausfüh-
rungen eine mehr technische Bemerkung gemacht, die
aber hochpolitisch ist. Er hat deutlich gemacht, dass auf
dem Prüfstand der jetzt bevorstehenden Finanzverfas-
sungsreform nicht nur die Vorschrift über die Grenzen
des Kredits, Art. 115 des Grundgesetzes, steht oder die
Vorschrift in Art. 109, die mehr oder weniger fiktiv von
einer Haushaltsautonomie von Bund einerseits und Län-
dern andererseits ausgeht. „Fiktiv“ sage ich übrigens
deshalb, weil die Länder entscheiden müssen, ob sie ihre
Staatlichkeit überhaupt ernst nehmen oder nicht. Das ist
eine hinkende Staatlichkeit, eine Staatlichkeit, die auf
der Ausgabenseite relativ groß ist, doch auf der Einnah-
menseite fast gleich null ist und im Wesentlichen darin
besteht, dass die Länder an der Steuergesetzgebung des
Bundes mitwirken. Das ist sozusagen Beteiligungsför-
deralismus und kein Gestaltungsförderalismus. Deshalb
kommt die größte verfassungspolitische Herausforde-
rung nicht auf den Bund, sondern auf die Länder zu.

Wichtig ist – das hat Herr Kollege Fromme zu Recht
hervorgehoben; diesbezüglich kann ich ein bisschen die
Katze aus dem Sack lassen –, dass es auch um Art. 114
des Grundgesetzes, nämlich die Vorschriften über Rech-
nungslegung und Rechnungsprüfung, geht. Das ist ein
ganz interessantes Thema. Wir haben bei unserer Arbeit
ja auch den Bundesrechnungshof auf unserer Seite. Und
es geht in Art. 110 Grundgesetz um die sogenannte Ka-
meralistik. In Art. 110 Abs. 1 Grundgesetz heißt es:

Alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes sind in
den Haushaltsplan einzustellen; bei Bundesbetrie-
ben und bei Sondervermögen brauchen nur die Zu-
führungen oder die Ablieferungen eingestellt zu
werden.

Diese zwei kleinen Sätze zeigen, dass wir überhaupt
nicht wissen, was unseren Schulden an Vermögen ge-
genübersteht. Wir haben keine Vermögensrechnung. Wir
machen keine Bilanz und keine Gewinn- und Verlust-
rechnung. Wir müssen uns die grundlegende Frage stel-
len, ob das, was in der privaten Finanzwirtschaft üblich
ist, auf die öffentliche Finanzwirtschaft übertragen wer-
den muss und kann. Einige Länder und viele Gemeinden
sind da schon weiter als der Bund.

Wir als Koalitionsarbeitsgruppe Haushalt sind – so
viel, Herr Fromme, darf ich ausplaudern – bereit und
fühlen uns durch die Unterstützung des Finanzministeri-

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(C (D ms in wachsendem Maße in der Lage, die Erweiterung er Kameralistik oder sogar die Umstellung auf die Dopik noch in dieser Legislaturperiode einzuleiten, um die rundlage für das, was ich System gesamtstaatlicher aushaltsdisziplin genannt habe, zu schaffen. Zusammengefasst: Es wird keine Regel im Gesamttaat geben, oder es wird eine gute geben. Nur eine gute egel wird die Voraussetzung dafür schaffen, die von ir genannte Trendumkehr zu erreichen und den Auseg aus der Schuldenfalle zu finden. Danke schön. Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Axel Troost, raktion Die Linke. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! en Antrag der Grünen und vieles in der Debatte durchieht ein roter Faden, wonach antizyklische Finanzund irtschaftspolitik gescheitert sei. Ich gehöre seit 1975 usammen mit dem Kollegen Herbert Schui zu einer Areitsgruppe von Professoren, die seit nunmehr 32 Jahren n jedem Jahr in einem Memorandum nachweisen, dass eine antizyklische Wirtschaftspolitik betrieben wird nd dem Stabilitätsund Wachstumsgesetz, demzufolge n entscheidendem Umfang die Arbeitslosigkeit zu beämpfen ist, nicht nachgekommen wird, sondern dass ine Politik betrieben wird, die letztlich durch Steuersenungen für Unternehmen und Reiche sowie durch Sozilabbau eher zu einem weiteren Anstieg der Arbeitsloigkeit und damit zu geringerem Wachstum der teuereinnahmen beigetragen hat. (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Aber Sie vertreten doch die These, dass man mehr ausgeben und mehr Schulden machen soll!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611506700

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Axel Troost (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611506800

Das ist seit 1975 unter verschiedenen Koalitionen der
all: erst unter der sozial-liberalen unter Helmut
chmidt, dann der schwarz-gelben unter Herrn Kohl,
ann der rot-grünen unter Herrn Schröder und nun unter
er Großen Koalition.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Sagen Sie doch einmal, was Herr Gysi in den letzten Tagen gefordert hat!)


etztlich ist es aber immer das gleiche Politikmodell.

In der Tat haben wir einen sehr hohen Schulden-
tand. Aber wenn man sich anschaut, woher er in den
etzten 20 Jahren gekommen ist, dann kann man insbe-
ondere zwei Zeiträume hervorheben: Das sind zum Ers-
en in ganz erheblichem Umfang die Jahre nach 1990 mit
em sogenannten Aufbau Ost.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das ist doch der Dreck Ihrer Politik, den wir beseitigen mussten! – Widerspruch bei der Linken)


11826 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Dr. Axel Troost
Wenn man das aufsummiert, sind darauf allein rund
700 Milliarden Euro des Schuldenstandes von 1,5 Billio-
nen Euro zurückzuführen. Es ist zum Zweiten die Politik
seit 2000, die dazu geführt hat, dass der Schuldenstand
noch einmal um rund 300 Milliarden Euro gestiegen ist;
darauf gehe ich gleich ein. Zwei Drittel des gesamten
Schuldenstandes, über den wir reden, sind also nur durch
diese zwei Phänomene verursacht.

Es wird gesagt, in Bezug auf den Aufbau Ost habe
man andere Finanzierungsvorstellungen gehabt und es
für falsch gehalten, zu meinen, das könne man aus der
Portokasse bezahlen. Da manche sagen, das sei verschüt-
tete Milch, schauen wir uns einmal an, was seit 2000
passiert ist.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Dass Sie von der Vergangenheit nichts wissen wollen, das kann ich verstehen!)


Es ist in der Tat so, dass unter Rot-Grün – natürlich mit
Unterstützung der CDU/CSU – eine angebotsorientierte
Politik gemacht worden ist, indem vorwiegend an Unter-
nehmen und Reiche milliardenteure Steuergeschenke ge-
geben worden sind in der Hoffnung, dies führe zu mehr
Wachstum und zu einem Abbau der Arbeitslosigkeit.
Das Gegenteil ist eingetreten. Seitdem haben wir jähr-
lich rund 50 Milliarden Euro weniger an Einnahmen. Im
Jahre 2006 hätten wir insgesamt 53 Milliarden Euro
mehr in den öffentlichen Haushalten gehabt, wenn wir
die Steuerquote des Jahres 2000 noch gehabt hätten.


(Beifall bei der LINKEN)


Das Ergebnis ist nicht, dass mehr Arbeitsplätze ent-
standen sind. Das Ergebnis sind vielmehr ein niedrigeres
Wachstum und riesige Haushaltsdefizite, weil Steuer-
mehreinnahmen ausgeblieben sind. Sie haben nämlich
makroökonomische Grundzusammenhänge schlicht und
einfach ignoriert. Die angebotsorientierten Steuersen-
kungen haben hauptsächlich Unternehmen und Spitzen-
verdiener entlastet und deswegen gerade nicht zu
Wachstum geführt.


(Joachim Poß [SPD]: Das ist Quatsch! – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Und warum haben wir so viel Wachstum?)


Die Unternehmen belohnten diese Steuergeschenke in
den Jahren bis 2005 nicht mit einem Investitionsboom.
Nein, sie nahmen die Steuersenkungen als willkomme-
nes Geschenk mit und warteten auf steigende Nachfrage.
Aber diese Nachfrage gab es aufgrund der Binnenmarkt-
schwäche nicht im Inland, sondern ausschließlich im Ex-
port. Dies hat zu einer verteilungspolitischen Schieflage
in erheblichem Umfang geführt und dazu, dass dem An-
stieg der Schulden mit neuer Sparpolitik und – wohlge-
merkt – Steuersenkungen entgegengewirkt wurde. Inso-
fern glauben wir, dass ein Politikwechsel dringend
erforderlich ist, ein Wechsel, der letztlich zu mehr
Wachstum führt, das dann zu einer Sanierung der Staats-
finanzen beitragen kann.

Sie dagegen haben den Versuch unternommen – der
Sachverständige Bofinger hat Deutschland als Weltmeis-
ter im Sparen auf dem öffentlichen Sektor bezeichnet –,

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(C (D er ständig steigenden Verschuldung mit Steuersenkunen und einer Schrumpfungspolitik entgegenzuwirken. ber dieses Spiel geht nicht auf und hat zur Konseuenz, dass die öffentlichen Investitionen inzwischen ramatisch gesunken sind: zwischen 2000 und 2005 alein um 3,9 Prozent. Mit einer Investitionsquote von ,3 Prozent haben wir inzwischen den niedrigsten Stand berhaupt in der Geschichte der Bundesrepublik. Auch die Bundesländer mussten sich in der Tat totparen. In Bremen zum Beispiel sind die Ausgaben zwichen 2000 und 2005 um jährlich 2 Prozent gefallen. Es ab drastische Einschnitte, aber auch dramatische Einrüche auf der Einnahmenseite: Die Einnahmen sind in iesem Zeitraum pro Jahr um sage und schreibe 5,9 Proent gesunken. Dies hat natürlich dazu geführt, dass die erschuldung auch in diesem Land trotz Sparpolitik anestiegen und nicht zurückgegangen ist. Auf kommunaer Ebene herrscht mittlerweile ein dramatischer Investiionsstau. Es wurde errechnet, dass wir allein bis 2009 ährliche Investitionsbedarfe von über 70 Milliarden uro haben. Was heißt dies letztlich? Dies bedeutet wachsende inderarmut in einem der reichsten Länder der Welt, ildungsnotstand, überall bröckelnde öffentliche Geäude. Dies bedeutet tausendfache Armut durch artz IV, einen massiven Arbeitsplatzabbau sowie ohnund Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst. as alles ist aber nicht Folge einer misslungenen antizylischen Politik. Es ist das Ergebnis der gigantischen teuergeschenke an Unternehmen und der gescheiterten ngebotsorientierten Politik. Deswegen sagen wir: Wir brauchen keine Schuldenremse, sondern eine Steuersenkungsbremse. enn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rotrün – damals natürlich mit Unterstützung der Union nd der FDP –, nicht wirtschaftspolitisch unsinnige teuergeschenke an Unternehmen und Reiche beschlosen hätten, dann hätten wir diesen Schuldenanstieg seit 000 nicht zu verzeichnen und deutlich geringere Zinsasten auszugleichen. Es ist daher völlig unredlich, so zu tun, als würde ntizyklische Politik immer scheitern. Schauen wir uns n Europa oder der Welt doch einmal um. Laut Financial imes gibt es elf OECD-Länder, die seit zehn Jahren aushaltsüberschüsse erwirtschaften. Davon haben acht änder, unter anderem Kanada, Dänemark und Schween, weder etwas mit dem europäischen Stabilitätspakt och mit den Maastricht-Kriterien zu tun noch gelten ort großartige Verfassungsverbote. In anderen Ländern ind die Politikerinnen und Politiker also verantworungsbewusst genug, um das wirtschaftspolitische Intrument Staatsverschuldung sinnvoll und effizient einusetzen. Dieses Verantwortungsbewusstsein lässt sich bei den orschlägen zur Verschuldungsgrenze nicht erkennen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11827 Dr. Axel Troost Letztendlich verbirgt sich dahinter eine Selbstaufgabe. Dieses makroökonomische Instrument kann man in Zukunft nicht mehr antizyklisch einsetzen, was aber nötig wäre. Faktisch wird eine solche Schuldenbremse dazu führen, dass in Krisenzeiten noch eher Ausgaben gekürzt werden und noch eher Sozialabbau betrieben wird. Faktisch entsteht eine Spirale aus Sparpaketen, niedrigem Wachstum und niedrigen Steuereinnahmen, die mit Verfassungssiegel und dem Etikett „Sachzwang“ verkauft wird. Das ist wirtschaftspolitisch fragwürdig. Deswegen sagen wir dazu Nein. Stattdessen sagen wir Ja zu einer Politik, die mit einem Zukunftsund Investitionsprogramm gute Beschäftigung fördert, die in einem nationalen Pakt für Bildung und Ausbildung ausreichend Finanzmittel für Investitionen in die Zukunft unserer Kinder zur Verfügung stellt, die die öffentliche Daseinsvorsorge wieder ausund nicht weiter abbaut, die öffentlich geförderte Beschäftigungsverhältnisse für Arbeitsuchende schafft – trotz Aufschwung sind noch mindestens 5 Millionen Menschen arbeitsuchend – und die, sobald sich der Aufschwung verfestigt hat, eine Reduzierung der Verschuldung vornimmt. Vor allen Dingen sagen wir aber Ja zu einer Politik, die sich ausreichend Steuern bei denen zurückholt, die von den Geschenken der letzten Jahre profitiert haben. Wir sagen Ja zu einer Wirtschaftspolitik, die demokratisch ist, die sozial gerecht ist und die nicht auf den wirtschaftspolitischen Lebenslügen von vorgestern aufbaut. Danke schön. Ich gebe das Wort dem Kollegen Georg Fahrenschon, CDU/CSU-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Troost, wir sitzen auf einem Schuldenberg von 1 500 Milliarden Euro, und das Einzige, was die Linke uns anbietet, ist: Weiter so! (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Eben nicht! Sie verschenken doch das Geld!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


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(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
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(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Georg Fahrenschon (CSU):
Rede ID: ID1611507000

– Doch, das haben Sie gerade gesagt. Sie haben gerade
gesagt: Die Regeln sind so wunderbar, dass wir einfach
so weitermachen können.

Eines kann ich Ihnen sagen: Das Einzige, was die Re-
gierungen vereint, die Sie gerade als Vorbild in Ihrer Ar-
gumentation genannt haben, ist, dass in keiner dieser
Regierungen ein Kommunist am Ruder sitzt. Die Kom-
munisten stehen in diesen Ländern auf der Straße und
demonstrieren gegen die rigide Sparpolitik.

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(C (D Wir stehen in der Pflicht, unseren Kindern mehr als inen gigantischen Schuldenberg zu hinterlassen. Wir tehen in der Pflicht, unseren Kindern Chancen und Perpektiven zu eröffnen. Ein wesentlicher Grundstein afür ist eine nachhaltige und stabilitätsorientierte aushaltsund Finanzpolitik. Deshalb ist eine solche olitik der Kern bürgerlicher Politik, der Kern der erolgreichen Politik von CDU und CSU. Die Kollegin Flach hat zu Recht darauf hingewiesen, ass wir uns schon während der Haushaltsberatungen in er letzten Woche über den Ausblick unterhalten und ine Zwischenbilanz gezogen haben. Ich glaube, man uss noch einmal deutlich machen, dass die Einhaltung es europäischen Stabilitätspaktes, die Einhaltung des rt. 115 Grundgesetz die Grundlage dafür ist, dass wir ns jetzt über die Zukunft unterhalten können. Wir machen deutlich – Kollege Fromme hat ein Stück eit die Entwicklung beschrieben –, dass wir mit dieser ituation noch nicht zufrieden sind. Wir können mit dem rreichten noch nicht zufrieden sein. Wir sind allerdings berzeugt, dass wir die doppelte Politik von Konsolidieung einerseits und Wachstum andererseits benötigen. enn am Ende brauchen wir Wachstumsimpulse, um berhaupt in die Lage versetzt zu werden, diesen riesien Berg an Staatsschulden abzuarbeiten. Wer Konsoliierung und Wachstum gegeneinander ausspielt, macht chon im Kern einen Fehler und wird die Zukunft nicht estalten können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben immer noch ein zu großes strukturelles De-
izit in Höhe von 23,5 Milliarden Euro, und wir reißen
mmer noch das Schuldenstandskriterium; denn wir
iegen bei 67,9 Prozent. Das ist sage und schreibe das
,6-Fache der Verschuldung, die wir in den 70er-Jahren
atten. Deshalb ist es nach Auffassung der Union gerade
n konjunkturell guten Zeiten von so großer Wichtigkeit,
ie weiterhin bestehenden Haushaltsungleichgewichte
o schnell wie möglich zu beseitigen und der Intention
er europäischen Haushaltsregeln folgend einen ausge-
lichenen Haushalt nicht nur zu erreichen, sondern auch
ür die Zukunft zu sichern.

Insoweit sind wir uns einig: Generationengerechte
aushaltspolitik bedeutet, keine vermeidbaren Kosten

uf die folgenden Generationen zu übertragen. Diese
rundregel ist im Grunde nichts Neues. Schon Bundes-

inanzminister Theo Waigel hat diesen Grundgedanken
ls Leitlinie in den Vertrag von Maastricht, in das Stabi-
itäts- und Wachstumsrecht von 1997 eingebaut.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Frau Kollegin Hajduk, es war – das ist nur als
albsatz zu werten – Ihr Finanzminister, der Finanz-
inister, den Sie in der Zeit von Rot-Grün unterstützt

aben, der als eine wesentliche Arbeit diesen Stabilitäts-
nd Wachstumspakt erheblich geändert hat. Das heißt,
ie waren mit dabei.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


11828 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



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Georg Fahrenschon
Wir müssen uns auch darüber unterhalten, dass der im
März 2002 eingerichtete nationale Stabilitätspakt durch
die Einführung des § 51 a in das Haushaltsgrundsätzege-
setz zwischen Bund und Ländern zwar vereinbart wurde,
wir aber heute feststellen müssen, dass dieser nationale
Stabilitätspakt nicht funktioniert.

Darüber hinaus besteht die Sachlage, dass das Bun-
desverfassungsgericht zu der Klage Berlins auf Gewäh-
rung von Sanierungshilfen im vergangenen Jahr klar und
deutlich gesagt hat, dass wir verfahrensrechtliche und in-
haltliche Regelungen zwischen Bund und Ländern zum
Umgang mit Sanierungsfällen brauchen. Beide Aufga-
ben – die Optimierung des nationalen Stabilitätspakts
und die fehlenden verfahrensrechtlichen und inhaltlichen
Regelungen – hat die Föderalismuskommission II jetzt
zu bearbeiten.

CDU und CSU unterstützen diese Bestrebungen aus-
drücklich. Denn – das will ich noch einmal deutlich ma-
chen – wir brauchen ein System, das dazu führt, dass
jede Gebietskörperschaft schnellstmöglich einen ausge-
glichenen Haushalt anstrebt und durch entsprechende
Überschüsse in ihrem Wirken in die Lage versetzt wird,
Schulden abzubauen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Im Grunde ist es ein ganz einfacher Dreiklang. Nur
wenn wir in guten Zeiten Überschüsse erwirtschaften
und in normalen Zeiten einen ausgeglichenen Haushalt
erreichen, sind wir in der Lage, in schlechten Zeiten
quasi über den Griff in die Rücklage Politik zu machen.
Wenn wir diesen Dreiklang nicht erreichen, wenn wir
nicht erreichen, dass wir in besonders guten Zeiten be-
sonders hohe Überschüsse erwirtschaften, dürfen wir
uns in besonders schlechten Zeiten nicht verschulden.
Das ist der klassische Dreiklang, zu dem wir zurück
müssen. Dafür brauchen wir eine Grundlage.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir sind deshalb der Auffassung, dass die Reform des
nationalen Haushaltsrechts eine Verfassungsänderung
einschließt, die nicht nur den Verpflichtungen der Bun-
desrepublik Deutschland im Rahmen der Europäischen
Union Rechnung trägt, sondern auch alle anderen Ge-
bietskörperschaften verfassungsrechtlich auf den Grund-
satz der Nachhaltigkeit in der Haushaltspolitik verpflich-
tet. Unser klares Ziel ist es darüber hinaus, dass sich
Gebietskörperschaften, die dieses Ziel nicht sofort errei-
chen können, auf einen Weg des schrittweisen Abbaus
des Defizits begeben.

Deshalb wollen wir über die Verfassungsänderung hi-
naus ein Frühwarnsystem aufbauen, das bei Störungen
der Haushalte ausgelöst wird, um sie schon in einem frü-
hen Stadium korrigieren zu können. Die Einleitung eines
solchen Warnverfahrens muss die jeweilig betroffene
Körperschaft zur Darlegung ihrer vergangenen und zu-
künftigen Haushaltspolitik und zur Festlegung verbindli-
cher Ziele für den Abbau der Verschuldung verpflichten.

Wenn wir über solch ein Frühwarnsystem und die da-
mit verbundenen Verpflichtungen reden, müssen wir uns

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(C (D atürlich auch über Sanktionen unterhalten. Selbstvertändlich müssen wir die klare Ansage mit aufnehmen, ass im Falle eines Bruchs dieser Verpflichtungen ein anktionsverfahren eröffnet wird, welches nach unserer uffassung in letzter Konsequenz die Möglichkeit um assen sollte, dass ein Land Ansprüche auf Bundesergänungszuweisungen im Rahmen des Finanzausgleichs erliert. Wenn das Gesetz keine Sanktionen vorsieht, ird es wiederum nicht klappen, Schulden zu vermeien. Das dürfen wir nicht zulassen. Wenn wir ein Frühwarnsystem einrichten und Sankionen verhängen wollen, dann brauchen wir ein Gre ium, das über die Frühwarnmechanismen wacht und ber Sanktionen entscheidet. Wir müssen einem besoneren Gremium, das über Haushaltsdisziplin und Hausaltssanierung wacht und über Sanktionen entscheidet, ompetenzen übertragen. Der Finanzplanungsrat, über en wir momentan verfügen, ist dafür nicht hinreichend usgestattet und von seiner Konzeption her letztendlich icht dazu geeignet, diese Aufgabe durchzuführen. Die CSU-Landesgruppe – wir debattieren auch in der nion darüber – spricht sich aus diesem Grund für die chaffung eines Stabilitätsrates aus, zu dessen Mitliedern die Landesfinanzminister, der Bundesfinanzinister sowie die höchsten Repräsentanten von undesrechnungshof und Bundesbank zählen sollten. iesem Stabilitätsrat obliegt es, auf gesetzlichem Wege lle erforderlichen Befugnisse zur Überwachung der aushaltswirtschaft, zur Durchführung der notwendien Sanktionsverfahren und zur Durchsetzung der geboenen Haushaltsdisziplin zu erhalten, um dem Anliegen, n Zukunft nicht dieselben Fehler wie in der Vergangeneit zu machen, gerecht zu werden. Es ist und bleibt ein Kernanliegen von CDU und SU, die öffentlichen Finanzen schnellstmöglich und achhaltig auf eine tragfähige Grundlage zu stellen; enn nur wenn es uns heute gelingt, finanzielle Handungsspielräume für eine aktive, gestaltende Finanzpoliik zurückzugewinnen, kann Deutschland der Zukunft rfolgreich begegnen. Herzlichen Dank. Ich gebe das Wort dem Kollegen Ernst Burgbacher, DP-Fraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ch möchte zur Klarstellung in aller Kürze drei Punkte ennen: Erstens. Herr Kollege Kröning, wir sind für Hausaltskonsolidierung; wir sind dabei immer an der Spitze arschiert. Haushaltskonsolidierung ist aber nur mög Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11829 Ernst Burgbacher lich, wenn wir Strukturreformen vornehmen, insbesondere eine Steuerreform, die zu einer deutlichen Vereinfachung, aber auch zu einer Steuersenkung führt. Nur dadurch werden wir dauerhaft eine Haushaltskonsolidierung erreichen. (Volker Kröning [SPD]: Das sind doch neue Löcher!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611507100

(Beifall bei der FDP)

Ernst Burgbacher (FDP):
Rede ID: ID1611507200

(A) )


(B) )


(Beifall bei der FDP)


Zweitens. Art. 115 Grundgesetz wurde 1969 von der
Politik gegen die damalige Troeger-Kommission durch-
gesetzt. Die Politik ist zum Teil gut damit gefahren, das
Land aber nicht.


(Volker Kröning [SPD]: Immer mit der FDP!)


Deshalb gibt es nur eines: Art. 115 Grundgesetz ersatz-
los streichen.


(Beifall bei der FDP)


Drittens, Schweizer Schuldenbremse. Man muss ehr-
lich sagen: Es gibt in der Schweiz sehr unterschiedliche
Schuldenbremsen. Die Kantone haben unterschiedliche
Schuldenbremsen; die Eidgenossenschaft hat eine eigene
Schuldenbremse, die bisher nur einmal angewendet wer-
den sollte.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen muss man es ja auch anpassen!)


Was hat die Politik gemacht? Sie hat die Verantwortung
verschoben, weil sie sich zur Durchsetzung nicht im-
stande sah. Das zeigt doch, dass die Schweizer Schul-
denbremse nicht zum Ziel führt.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)


Wir brauchen ein Neuverschuldungsverbot. Nur das
wird dauerhaft dazu führen, den Marsch in den Schul-
denstaat zu stoppen und aus den Schulden herauszukom-
men.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Eines muss dann aber klar sein: Wenn wir die Länder
dazu verpflichten wollen, dauerhaft auf Schulden zu ver-
zichten, dann müssen wir den Ländern die Instrumente
geben, die das politisch überhaupt ermöglichen. Die
Länder brauchen dann Gestaltungsmöglichkeiten auf der
Einnahmenseite. Wenn wir den Ländern keine Steuer-
autonomie einräumen, wird jede Lösung von vornherein
zum Scheitern verurteilt sein.


(Beifall bei der FDP – Volker Kröning [SPD]: Da haben Sie recht!)


Schließlich möchte ich einen Punkt nennen, der heute
noch nicht angesprochen wurde. Wenn wir dauerhaft auf
Schulden verzichten wollen, dann müssen wir Änderun-
gen am Länderfinanzausgleich vornehmen. Der anreiz-
feindliche Länderfinanzausgleich kann so nicht bestehen
bleiben.

Meine Damen und Herren, wir haben eine große Ver-
antwortung gegenüber den nächsten Generationen. Ha-

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(C (D en Sie den Mut, jetzt deutliche Reformen durchzufühen! Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP – Volker Kröning [SPD]: Das kann dann ja die Bundesstaatsreform III werden!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611507300

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzent-
ürfe auf den Drucksachen 16/5955 und 16/5954 an die

n der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
chlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das
st nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlos-
en.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 32 a bis 32 g sowie
ie Zusatzpunkte 2 a und 2 b auf:

32 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Pro-
tokoll vom 28. Oktober 1993 zur Änderung des
Europäischen Übereinkommens vom 30. Sep-
tember 1957 über die internationale Beförde-
rung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR)


– Drucksache 16/6121 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neu-
ordnung der Ressortforschung im Geschäfts-
bereich des Bundesministeriums für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
schutz

– Drucksache 16/6124 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss

c) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur Änderung des Pflanzenschutzgeset-
zes und des BVL-Gesetzes

– Drucksache 16/6386 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald
Leibrecht, Dr. Werner Hoyer, Jens Ackermann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Den gemeinsamen Standpunkt der EU zu
Birma/Myanmar stärken

– Drucksache 16/5608 –

11830 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia
Behm, Alexander Bonde, Hans-Josef Fell, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Programm „Energiewende in Gewächshäu-
sern“ auflegen

– Drucksache 16/5969 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

f) Beratung des Antrags des Präsidenten des Bun-
desrechnungshofes

Rechnung des Bundesrechnungshofes für das
Haushaltsjahr 2006

– Einzelplan 20 –

– Drucksache 16/6129 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Herbert
Schui, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion DIE LINKE

Initiative Frankreichs aufgreifen – EADS
durch Kapitalerhöhung stärken und staatliche
Sperrminorität sicherstellen

– Drucksache 16/6395 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

ZP 2a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ina
Lenke, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Steuerklasse V abschaffen – Lohnsteuerabzug
neu ordnen

– Drucksache 16/6396 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Grietje
Bettin, Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Fehlende Verbraucherschutzregeln und Rechts-
unsicherheiten im Telemediengesetz beseitigen

– Drucksache 16/6394 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)


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(C (D Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Kultur und Medien Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten erfahren ohne Debatte. Interfraktionell wird vorgechlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit inverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Übereisungen so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 33 a bis 33 k auf. s handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu enen keine Aussprache vorgesehen ist. Tagesordnungspunkt 33 a: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz vor Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch das Verbreiten von hochwertigen Erdfernerkundungsdaten (Satellitendatensicherheitsgesetz – SatDSiG)

– Drucksache 16/4763 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(9. Ausschuss)

– Drucksache 16/6438 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Martin Dörmann

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie emp-
iehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache
6/6438, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf
rucksache 16/4763 in der Ausschussfassung anzuneh-
en. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zu-

timmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt
agegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist da-
it in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD,
ündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU bei Enthaltung
er FDP und der Fraktion Die Linke angenommen.

Dritte Beratung
nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-
urf ist damit in dritter Beratung mit demselben Stim-
energebnis wie in der zweiten Beratung angenommen.
Tagesordnungspunkt 33 b:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates über
die Anerkennung von Berufsqualifikationen
der Heilberufe
– Drucksache 16/5385 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Gesundheit (14. Ausschuss)

– Drucksache 16/6458 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Hans Georg Faust

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11831


(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt in seiner Be-
schlussempfehlung auf Drucksache 16/6458, den Gesetz-
entwurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/5385 in
der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim-
men wollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? –
Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung mit den Stimmen von SPD, der Fraktion Die
Linke und der CDU/CSU bei Enthaltung von Bündnis 90/
Die Grünen und FDP angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist auch
dieser Gesetzentwurf in der dritten Beratung mit demsel-
ben Stimmenergebnis wie in der zweiten Beratung ange-
nommen.

Tagesordnungspunkt 33 c:

Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än-
derung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes

– Drucksache 16/5725 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

(15. Ausschuss)


– Drucksache 16/6439 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Horst Friedrich (Bayreuth)


Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
lung empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 16/6439, den Gesetzentwurf des Bundesra-
tes auf Drucksache 16/5725 in der Ausschussfassung an-
zunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf
in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das
Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den
Stimmen des ganzen Hauses angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-
wurf ist auch in dritter Beratung mit den Stimmen des
ganzen Hauses angenommen.

Tagesordnungspunkt 33 d:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-
nologie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Ab-
geordneten Rainer Brüderle, Birgit Homburger,
Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP

Mehr Wettbewerb im Schornsteinfegerwesen

– Drucksachen 16/3344, 16/4601 –

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(C (D Berichterstattung: Abgeordneter Christian Lange Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehung auf Drucksache 16/4601, den Antrag der Fraktion er FDP auf Drucksache 16/3344 abzulehnen. Wer timmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt agegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung st damit mit dem größten Teil der Fraktion Die Linke, PD und CDU/CSU bei Enthaltung von zwei Mitglieern der Fraktion Die Linke und gegen die Stimmen von ündnis 90/Die Grünen und FDP angenommen. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Peitionsausschusses. Tagesordnungspunkt 33 e: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 262 zu Petitionen – Drucksache 16/6348 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalungen? – Sammelübersicht 262 ist mit den Stimmen des anzen Hauses angenommen. Tagesordnungspunkt 33 f: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 263 zu Petitionen – Drucksache 16/6349 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalungen? – Sammelübersicht 263 ist auch mit den Stimen des ganzen Hauses angenommen. Tagesordnungspunkt 33 g: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 264 zu Petitionen – Drucksache 16/6350 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalungen? – Sammelübersicht 264 ist mit den Stimmen on SPD, CDU/CSU und FDP bei Gegenstimmen der raktion Die Linke und Enthaltung der Grünen angeommen. Tagesordnungspunkt 33 i: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 266 zu Petitionen – Drucksache 16/6352 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalungen? – Sammelübersicht 266 ist bei Gegenstimmen er Fraktion Die Linke mit den Stimmen des Hauses im brigen angenommen. 11832 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Tagesordnungspunkt 33 j: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 267 zu Petitionen – Drucksache 16/6353 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Sammelübersicht 267 ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und FDP bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke angenommen.1)


(A) )


(B) )


Ich rufe den Zusatzpunkt 3 auf:

Aktuelle Stunde

Äußerungen des Bundesinnenministers zu an-
geblich bevorstehenden atomaren Anschlägen
durch Terroristen in Deutschland und seine
Ermunterung für die verbleibende Zeit

Diese Aktuelle Stunde findet auf Verlangen der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen statt.

Ich gebe das Wort dem Kollegen Wolfgang Wieland,
Bündnis 90/Die Grünen.


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611507400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war

ja nicht irgendjemand, der in der Sommerpause ange-
sichts des Stakkatos aus dem Hause Schäuble geradezu
flehentlich um eine Atempause für die Bevölkerung bat.
Es war der Bundespräsident Horst Köhler. Aber selbst
dessen Appell ist ungehört verhallt. Im Gegenteil: Als
wäre er dadurch noch angestachelt worden, hat
Wolfgang Schäuble nun am Wochenende Dürers Apoka-
lyptische Reiter geradezu durch den Blätterwald galop-
pieren lassen.


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bis sie uns einholen, so sagt er, mögen wir die verblei-
bende Zeit doch bitte schön noch genießen.

Man könnte das als schwarze Satire nehmen:
Dr. Schäuble oder wie ich lernte, die Bombe zu fürchten.
Aber der, der hier solche Ängste schürt, sitzt nun nicht
als Kabarettist da, das ist kein Feuilletonist im Geiste
von Oswald Spengler. Er ist der zuständige Mann, eben-
dies zu verhindern, er muss die Gefahr einer solchen
schmutzigen Bombe bekämpfen, konkret, mit Augen-
maß. Wenn er sich dies nicht zutraut, dann ist er falsch
am Platz, dann muss er gehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Natürlich haben Terroristen jedweder Couleur auch
nach Atommaterial gegiert, nach atomaren Abfällen,
nach Plutonium. Deswegen hat gestern der Kollege
Hermann Scheer von der SPD völlig richtig gesagt: Ein
erster Schritt wäre die Abschaltung von Biblis.

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1) Abstimmungen zu den Tagesordnungspunkten 33 h und k siehe
Seite 11832 A

(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen des Abg. Clemens Binninger [CDU/ CSU])


ir haben das vorgeschlagen. Der Antrag liegt seit Mo-
aten im Innenausschuss; er wird geschoben und ge-
choben und geschoben. Dazu sage ich: Die Bürger wol-
en, dass man der Gefahr real begegnet, dass man
andelt und nicht schwafelt. Dazu sind wir aufgefordert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Schäuble macht sich da gar keine Gedanken. Er
agt: Es ist gar nicht die Frage, ob, sondern nur, wann es
assiert. Das sagen die meisten Experten. Dahinter ver-
chanzt er sich. Dann kommt dieser nette Rat, die Zwi-
chenzeit fröhlich auszufüllen. Da sage ich klipp und
lar: Angst zu schüren, das ist das Ziel von Terroristen.
ngste abzubauen und reale Sicherheit zu verstärken,
as ist die Aufgabe und sollte das Ziel des Bundesinnen-
inisters sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Das Motiv für diese Kampagne ist klar: Mit den im-
er neuen Horrorszenarien soll der Koalitionspartner

turmreif geschossen werden.

Es ist doch nachgerade absurd: Nach den Festnah-
eerfolgen im Sauerland ging eine Debatte darüber los,
elche Lücken und Mängel wir haben. Man stelle sich
och einmal einen Fußballtrainer vor, dessen Mannschaft
: 0 gewonnen hat und der sagt: Wir sind den gegneri-
chen Angriffen schutzlos ausgeliefert, wir müssen jetzt
lles, Strategie und Taktik, anders machen. Den würde
an für plemplem erklären.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Der Bundesinnenminister nimmt sich diese Narren-
reiheit aber. Warum? Er tut dies, weil er – das steht
eute völlig richtig in der Zeit – die andere Republik
ill. Er haut mit dem Vorschlaghammer auf die be-
ährte Sicherheitsarchitektur ein. Das ist für einen Ver-

assungsminister unglaublich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Schritte sind vorgegeben und liegen als Referen-
enentwürfe auf dem Tisch. Er will das BKA zu einem
eutschen FBI aus- bzw. umbauen, und zwar so, dass es
ie vollen geheimdienstlichen Befugnisse der CIA
leich noch mit erhält. Die Länderpolizeien werden dann
ur noch Hilfspolizeien sein und Amtshilfe leisten dür-
en. Mehr nicht. Dabei wird die Abkopplung vom Gene-
albundesanwalt und dessen Sachleitungsbefugnis erfol-
en. Er wird noch nicht einmal mehr darüber informiert,
as das BKA tut. Auch dies ist Absicht; denn das ist
ann auch eine Abkopplung von der Strafprozessord-
ung. Das will Wolfgang Schäuble, weil dort, wie er
eint, alleine die Unschuldsvermutung gilt, im Polizei-

echt also nicht. Deswegen will er Polizeirecht pur und
chranken- sowie uferlos vorgehen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11833


(A) )



(B) )


Wolfgang Wieland
Zu den Vorschlägen aus dem Hause Zypries in dieser
Woche zu Terrorcamps und dem Abschießen von Flug-
zeugen vom heutigen Tage an, sofern es keine Passagier-
maschinen sind, sage ich hier ganz deutlich auch in
Richtung der SPD-Fraktion: Wer Wolfgang Schäuble,
Wolfgang Bosbach und der ganzen Kompanie den klei-
nen Finger gibt, der wird erleben, dass sie nach der gan-
zen Hand, ja sogar nach dem ganzen Arm greifen. Das
ist das Problem. Deswegen muss man Nein sagen und
standhaft sein. Man darf hier nicht nachgeben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Schließlich und endlich zum Militäreinsatz im Inne-
ren. Das galt zunächst ja als eine Art persönliche Ma-
rotte von Wolfgang Schäuble. In den 90er-Jahren hat er
wegen der Asylantenfluten damit angefangen. Dann hat
er es für die Fußballweltmeisterschaft 2006 immerhin er-
reicht, dass sich die CDU/CSU-Innenminister hinter ihn
gestellt haben. Nun, in diesem Jahr, sagt die Bundes-
kanzlerin auf die Gretchenfrage, was an der Union denn
noch konservativ sei: „Wir sind für den Bundeswehrein-
satz im Inneren.“ Das ist sozusagen der konservative
Marienschatz.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611507500

Herr Kollege, in der Aktuellen Stunde haben Sie fünf

Minuten Redezeit. Ich bitte Sie, diese auch einzuhalten.


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611507600

Ja, Frau Präsidentin, das ist richtig. Ich komme zu

meinem letzten Satz.

Wolfgang Schäuble will die Vermischung von Militär
und Polizei. Er will die Vermischung von äußerer und in-
nerer Sicherheit und nicht mehr die Trennung von Krieg
und Frieden. Dieser Minister wähnt sich im Krieg. Er
führt Krieg gegen den gesamten rechtstaatlichen Fundus
unserer Republik.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611507700

Herr Kollege, der eine Satz ist bereits beendet.


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611507800

Er ist als Verfassungsminister untragbar.


(Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist eine Frechheit, was Sie hier machen!)


– Es ist richtig, was ich hier mache.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: So die Präsidentin zu missachten, ist eine Frechheit!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611507900

Das Wort hat der Bundesinnenminister Dr. Wolfgang

Schäuble.


(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des Inern: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Wer das, was ich in der Frankfurter Allgemeinen onntagszeitung gesagt habe, liest, der wird ein bisschen ühe haben, irgendetwas von dem, was der Kollege ieland eben gesagt hat, darin zu finden. Ich möchte Ihnen gerne eine kurze Passage aus einem nterview mit al-Baradei, dem Chef der UNO-Atomkonrolleure, im Spiegel von Anfang September vorlesen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Internationale Atomenergie-Organisation!)


hm wurde in diesem Interview die Frage gestellt:

Im Umfeld von al-Qaida hieß es ja schon, man
strebe nach Atomwaffen. Halten Sie die Gefahr für
realistisch, dass Terroristen an die ultimative Waffe
kommen?

ie Antwort al-Baradeis lautete:

Das ist meine größte Sorge, ein Horrorszenario. Ich
denke jetzt nicht an eine Atomwaffe – dafür reichen
das Know-how und das Beschaffungspotential kei-
ner Terrorgruppe. Aber eine kleine, sogenannte
schmutzige Bombe mit radioaktivem Material,
irgendwo gezündet in einer Großstadt, könnte Men-
schenleben kosten, massiven Terror auslösen mit
schweren wirtschaftlichen Folgen. Manchmal
denke ich, es ist ein Wunder, dass das noch nicht
passiert ist. Und bete, dass es so bleibt.

ollen Sie das, was Sie gesagt haben, in Bezug auf die
ußerungen von Herrn al-Baradei verstanden wissen
der nicht?

Ich habe festgestellt, dass das – übrigens nicht seit
euestem – die größte Sorge der Sicherheitsexperten ist.
ls wir uns – wie meistens – am Montag getroffen ha-
en, Herr Kollege Körper, haben Sie zu Recht festge-
tellt, dass das nichts Neues ist. Wir wissen, dass Bin
aden schon 1998 – das war noch vor dem
1. September – nach den Anschlägen in Nairobi und
aressalam gesagt hat, es sei heilige Pflicht aller Mus-

ime im Kampf gegen die USA, sich aller verfügbaren
affen – ob A-, B- oder C-Waffen – zu bemächtigen.
as ist weder neu, noch – um das auch zu sagen – gibt es
onkrete Hinweise darauf, dass uns in Deutschland ein
erartiger Anschlag droht. Trotzdem ist es die große
orge aller Sicherheitsexperten. Die Aussage ist leider
ichtig, und wenn al-Baradei sich so äußert, dann wird
an das wohl feststellen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deswegen hat man damals – ich habe noch in Erinne-
ung, wer seinerzeit Regierungsverantwortung getragen
at – in völligem Einvernehmen von Bund und allen
ändern – ich bin derjenige, der diese bewährte Sicher-
eitsarchitektur in ihrer Wirkungskraft immer verteidigt
nd dies auch begründet – richtigerweise beschlossen,
uch übrigens in der Vorbereitung auf das große Ereignis
er Fußballweltmeisterschaft 2006, im Bevölkerungs-

11834 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
schutz Elemente der ABC-Vorsorge einzuführen, und hat
daraufhin 500 Dekontaminationsfahrzeuge, also Fahr-
zeuge für den ABC-Schutz, angeschafft. Das heißt, wir
bereiten uns vor. Damit habe nicht erst ich angefangen.
Das wäre auch völlig unverantwortlich. Wir stehen viel-
mehr in einer Kontinuität und nehmen die Lage ernst.

Wie ich schon nach den erfolgreichen Fahndungs-
maßnahmen im Zusammenhang mit dem Ermittlungs-
verfahren der Bundesanwaltschaft festgestellt habe, gibt
es zwei Botschaften aus diesem Ereignis. Die gute Bot-
schaft ist: Wir haben gute Sicherheitsbehörden, die gute
Arbeit leisten. Die Bevölkerung kann auf die gute Arbeit
dieser Sicherheitsbehörden auch angesichts ernst zu neh-
mender Bedrohungen vertrauen.

Die andere nicht ganz so frohe Botschaft lautet: Wir
sind bedroht. Auch das ist nicht neu; es ist nur ein Stück
konkreter geworden. Das ist nicht erfreulich, aber es ist
die Wahrheit. Wir können diese Wahrheit nicht ver-
schweigen. Wir müssen sie sagen. Wir müssen darauf
nicht überzogen reagieren, überhaupt nicht; aber wir
sollten uns bemühen, sie nicht zu verdrängen.

Wir alle reden immer vom mündigen Bürger. Wenn
wir ihn ernst nehmen, dann sollten wir ihm sagen: Wir
haben gute Sicherheitsbehörden; sie leisten gute Arbeit.
Da die Arbeit der Sicherheitsbehörden so gut ist, bin ich
auch dafür, auf sie zu hören, wenn sie uns gerade im An-
gesicht eines so zu rühmenden Fahndungserfolges gera-
dezu beschwören, ihnen angesichts der rasanten Ent-
wicklungen in den Kommunikationstechnologien die
notwendigen gesetzlichen Instrumente zu geben, damit
sie auch in Zukunft gute Arbeit leisten können. Wer die
Auffassung des Präsidenten des Bundeskriminalamts
oder der verfahrensleitenden Generalbundesanwältin
kennt, der wird doch nicht sagen, dass die CDU/CSU
verrückt geworden ist. Auch sie wollen versuchen, den
Sicherheitsbehörden, die gute Arbeit leisten, auch in der
Zukunft die notwendigen gesetzlichen Grundlagen zu
geben, damit sie auch in der Zukunft gute Arbeit leisten
können. Das ist unsere Verantwortung als Gesetzgeber,
nicht mehr und nicht weniger.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Darüber können wir gerne streiten, aber nicht in die-
ser Form von Diffamierung.


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)


– Doch. Sie unterstellen einem abwechselnd, man wolle
die Verfassung abschaffen oder man sei geisteskrank.
Dazwischen gibt es kaum etwas bei Ihnen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das zweite hat er nicht gesagt! Das hat er nicht nötig! Dazu ist er viel zu intelligent! – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann erklären Sie doch, dass Sie die Verfassung nicht ändern wollen!)


– Frau Künast, ich verstehe, dass Sie Herrn Wieland
nicht so genau zuhören. Wenn man ihn öfter hören muss,
dann kann ich das gut nachempfinden. Aber lassen wir
das. Das Thema ist offensichtlich ernst.

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(C (D (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe ihn öfter gehört, als Sie sich träumen lassen!)


Lassen Sie uns in allem Ernst über die Frage der Ab-
renzung und darüber reden, wie wir sicherstellen kön-
en, dass wir auch in der Zukunft ausschließlich auf kla-
er und eindeutiger verfassungsrechtlicher Grundlage
andeln. Ich erinnere mich dunkel daran, dass der Ent-
urf eines Luftsicherheitsgesetzes, über den wir gestern

m Rahmen der Aktuellen Stunde zu den Äußerungen
es Kollegen Jung debattiert haben, von der rot-grünen
undesregierung stammt. Ich erinnere mich präzise da-

an, dass der damalige Redner der Opposition – das war
er Abgeordnete Schäuble – gesagt hat: Den Schutz-
weck teilen wir, aber die verfassungsrechtliche Grund-
age dafür ist fraglich.

Wir haben im Koalitionsvertrag sodann einen Prü-
ungsauftrag vereinbart, der bei der Beantwortung der
rage helfen sollte, was wir machen, wenn das Verfas-
ungsgericht so entscheidet, wie es damals nicht auszu-
chließen war. Dann haben die drei fachlich beteiligten
essorts, Innenministerium, Justizministerium und Ver-

eidigungsministerium auf fachlicher Ebene, politisch
icht abgestimmt – Frau Kollegin Zypries hat immer ge-
agt, das ist politisch nicht entschieden; darüber gibt es
einen Dissens; diese Entscheidung kann nicht in der
erantwortung der Ressorts getroffen werden, sondern
ur in der Koalition im Ganzen –, einen auf Abteilungs-
eiterebene abgestimmten Vorschlag erarbeitet, aus dem
ervorgeht, wie man das Problem lösen kann, das auf-
rund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum
ot-grünen Gesetzentwurf entstanden ist. Diesen Vor-
chlag haben wir der Koalitionsführung unterbreitet. Es
st bisher nicht entschieden worden. Das kritisiere ich
icht, aber ich verstehe die Not des Kollegen Jung und
itte, sie ernst zu nehmen.


(Gerold Reichenbach [SPD]: Es gab einen Vorschlag der SPD!)


Herr Kollege, über den Gegenvorschlag der SPD reden
ir.


(Gerold Reichenbach [SPD]: Der lag zuerst auf dem Tisch!)


Bis es aber entschieden ist, hat der Kollege Jung ge-
auso wie sein direkter Vorgänger, Herr Struck – von
hm gibt es entsprechende Äußerungen –, und alle ande-
en Vorgänger seit Georg Leber die Not zu tragen, in ei-
er verfassungsrechtlich nicht einwandfrei geregelten
ituation – was Gott verhindern möge – Entscheidungen

reffen zu müssen, für die ich lieber eine verfassungs-
echtlich einwandfreie Lösung haben möchte. Dafür
erbe ich.


(Beifall bei der CDU/CSU)


as gilt – um es noch einmal zu sagen – in gleicher
eise für die Bitten von Generalbundesanwaltschaft und
undeskriminalamt, gerade angesichts der Fahndungser-

olge.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Gefahr ist
icht vorüber. Die Islamische Dschihad-Union hat uns

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11835


(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
eine Woche danach erklärt: Jawohl, das stimmt so, und
man wird die Planungen fortsetzen. Das müssen die
Sicherheitsbehörden ernst nehmen. Wenn sie uns gera-
dezu beschwörend bitten, gebt uns einwandfreie Rechts-
grundlagen – übrigens sind die Rechtsgrundlagen aus
rot-grüner Zeit vom Bundesgerichtshof für nicht ein-
wandfrei erklärt worden –, dann ist es unsere Pflicht,
Rechtsgrundlagen zu schaffen; nicht mehr, aber auch
nicht weniger. Diejenigen, die sagen, auf der Basis unse-
res Grundgesetzes wollen wir auch in Zukunft unsere
Freiheit wahren und im Rahmen dieser Freiheit den
Menschen das mögliche Maß an Sicherheit gewähren,
planen keine Anschläge auf die Verfassung, sondern ma-
chen die Verfassung auch in Zukunft krisenfest. Dafür
bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611508000

Ich habe gebe das Wort der Kollegin Gisela Piltz,

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1611508100

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Herr Schäuble, ich bin wirklich verwundert, dass
Sie hier und heute für das, was Sie am Wochenende der
Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gesagt haben,
ein Spiegel-Interview als Erklärung anbieten. Ist dieses
Interview, das Bemerkungen von al-Baradei enthält,
wirklich alles, was Sie heute dem Deutschen Bundestag
und der Bevölkerung zu bieten haben? Ich finde, das ist
eines Innenministers nicht würdig.


(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es nützt überhaupt nichts, dass Sie von der CDU/
CSU-Fraktion so lange klatschen. Eines ist heute und
gestern klar geworden: Diese Koalition ist in der Innen-
politik total zerrüttet.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ging sehr schnell; das muss Ihnen erst einmal je-
mand nachmachen.

Als ich am Sonntagmorgen die Sonntagsausgabe der
FAZ gelesen habe, konnte ich jedenfalls nicht gelassen
bleiben. Sie können sich vorstellen, dass es mir schon
schwerfällt – ich bin Rheinländerin –, nicht gelassen zu
bleiben.

Viele Fachleute sind inzwischen überzeugt, dass es
nur noch darum geht, wann solch ein Anschlag
kommt, nicht mehr, ob.

Das ist ein Zitat von Ihnen. Der Höhepunkt ist aus mei-
ner Sicht aber, dann auch noch zur Gelassenheit aufzuru-
fen. Was sollen denn die Eltern, die gerade mit ihren
Kindern am Frühstückstisch sitzen, damit anfangen?
Sollen wir jetzt unsere Häuser verkaufen, unser Testa-
ment ändern und fröhlich in den Tag leben? Das kann
doch wirklich nicht Ihr Rat an uns sein.

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(C (D Nicht gelassen war ich deshalb, weil Sie die Ängste nserer Bürgerinnen und Bürger schüren, ohne ihnen eien Ausweg aufzuzeigen, aber auch, weil ich nicht akeptieren kann, wie Sie zum wiederholten Male mit unerer Verfassung umgehen. Falls Sie sich nicht so richtig rinnern können, hier ein kleiner Auszug. Ich könnte das aterial als Beipackzettel mit der Überschrift „Der In enminister warnt“ verteilen lassen. Es geht los mit einem Interview in der Welt vom ebruar 2007: „Es gibt aktuell keine ganz besondere Geährdung.“ Das nur, um den Widerspruch aufzuzeigen. ann sagten Sie im Februar 2007: Ich kenne und respektiere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Privatsphäre. Aber wir müssen auch sehen, dass dieser Schutz in der Alltagswirklichkeit praktikabel bleibt. Verbrecher und Terroristen sind klug genug, so etwas auszunutzen. m 12. März: „Die Gefahr von Anschlägen durch den nternationalen Terrorismus ist groß, und sie kann überll jeden treffen.“ Im April: Die Unschuldsvermutung heißt im Kern, dass wir lieber zehn Schuldige nicht bestrafen, als einen Unschuldigen zu bestrafen. Der Grundsatz kann nicht für die Gefahrenabwehr gelten. m Mai gab es eine Warnung der australischen Regieung, nach Deutschland zu reisen. In der Welt hieß es: Wie das australische Ministerium bekannt gibt, ist dieer Sicherheitshinweis mit den Verlautbarungen des eutschen Innenministers zu erklären.“ Am 9. Juli sagen Sie, dass die rechtlichen Probleme bis hin zu Extremällen wie dem sogenannten Targeted Killing reichten. Lieber Herr Innenminister, Ihre Karriere als Nostradaus unserer Zeit ist damit vorprogrammiert. Als Inneninister bekämpfen Sie aber damit keine Unsicherheit. (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der FDP)


Was wollen Sie damit eigentlich erreichen? Sie wol-
en die SPD unter Druck setzen. Dass Sie dafür die
ngste unserer Bevölkerung nutzen, halte ich für skan-
alös.


(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das, was Sie tun, ist nicht ehrlich und zugleich ge-
ährlich, weil Onlinedurchsuchungen nicht das Allheil-
ittel gegen Terrorismus sind.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Wer sagt das denn?)


ir brauchen mehr. Über viele Dinge, zum Beispiel über
ie bessere Ausstattung der Polizei, bessere Kommuni-
ation


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Sagen wir doch!)


11836 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Gisela Piltz
– ich nenne nur den BOS-Digitalfunk – und über die
Vermeidung von Doppelarbeit und Doppelzuständigkei-
ten hört man im Moment sehr wenig von Ihnen. Hinge-
gen gibt es einen Bericht des Bundesrechnungshofs, der
ganz klar sagt, dass in Ihrem eigenen Programm zur
Stärkung der inneren Sicherheit bei der Mehrzahl der un-
tersuchten Maßnahmenpakete nicht erkennbar ist, dass
die Bundespolizei ihre Ziele in absehbarer Zeit erreichen
kann. Auch davon ist in Ihren Interviews nichts zu lesen.


(Beifall bei der FDP)


Das könnten Sie dann nicht einschränken oder zurück-
nehmen. Das ist nämlich die Wahrheit.

Aber Sie schrecken auch vor der nächsten Stufe nicht
zurück; Sie haben sich vielmehr mit dem Bundesvertei-
digungsminister zusammengetan, sozusagen als Tan-
dem, das an der Bedrohungsspirale dreht.


(Frank Spieth [DIE LINKE]: Das Duo infernale!)


Sie machen gemeinsame Sache mit dem Bundesverteidi-
gungsminister. Sie haben es sich wirklich klug ausge-
dacht, dass Sie an einem Wochenende zwei Interviews
geben. Allerdings hat Ihnen der Bundesverteidigungsmi-
nister einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das In-
terview hätten Sie selber redigieren sollen. Ehrlich ge-
sagt: Das, was Ihrem Kollegen passiert ist, wäre Ihnen
nicht passiert. Das sollten Sie in Zukunft besser machen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611508200

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.


Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1611508300

Mein letzter Satz. – Daraus wird eines klar: Genau

wie die USA wollen Sie die terroristische Bedrohung
nicht mit den Mitteln des Rechtsstaats bekämpfen, son-
dern Sie wollen ein Sonderrecht außerhalb unserer Ver-
fassung. Den Rechtsstaat und seine Bürgerinnen und
Bürger zu schützen, das ist kein Firlefanz, wie es gestern
hier gesagt worden ist.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611508400

Frau Kollegin.


Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1611508500

Das ist vielmehr die Aufgabe dieses Hauses. Wir je-

denfalls arbeiten daran.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611508600

Nächster Redner ist der Kollege Fritz Rudolf Körper

von der SPD-Fraktion.


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1611508700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber

Herr Schäuble, freitagabends scheint Sie die Sorge zu
befallen, was Sie nur mit dem bevorstehenden Wochen-
ende machen sollen.

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(C (D (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ein Interview geben!)


iese Frage ist mir aufgefallen. Sie beantworten Sie in
er Regel durch die Abgabe eines Interviews oder durch
ie Verbreitung auch manchmal alarmierender Presse-
eldungen. Wenn ich die letzten Wochenenden Revue

assieren lasse, fallen mir einige dieser Freizeitbeschäf-
igungen auf. Eigentlich ist es keine Freizeitbeschäfti-
ung, sondern eher deren Vermeidung. Es ist eine Art
ienst an Wochenenden, allerdings mit Folgen, die nie-
andem nützen, auch nicht der innenpolitischen Debatte

n Deutschland.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich gebe zu, es wäre auch sinnvoller gewesen, eine so
nverantwortliche ins Auge gefasste Maßnahme wie die
erabsenkung des Mindestalters für den Erwerb und den
esitz großkalibriger Waffen von 21 auf 18 Jahre, nicht
us der Presse zu erfahren.


(Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister: Das ist doch Quatsch! – Reinhard Grindel [CDU/ CSU]: Diesen Gesetzentwurf haben Sie seit Juli vorliegen, haben aber nichts dazu gesagt!)


ch bin auch sehr froh darüber, dass diese Maßnahme zu-
ückgenommen worden ist. Das zeugt auch zu einem
eil davon, wie Öffentlichkeitsarbeit gemacht wird.

Lieber Herr Schäuble, am vergangenen Wochenende
lagte Sie offensichtlich wieder die Langeweile. Also
aben Sie der FAS vom 16. September ein Interview.
arin beschäftigten Sie sich mit der Möglichkeit eines

erroristischen Anschlags mit nuklearem Material. Sie
ntwarfen ein Gefahrenszenario, das die Sicherheitsbe-
örden schon seit langer Zeit beschäftigt. Das weiß ich
us eigener Anschauung. Leider erweckten Sie aber den
indruck, dass dieses Szenario nicht nur die bekannten
bstrakten Gefahren abbildet, sondern dass ihm eine ge-
isse Aktualität zukommt. Und darin besteht das Pro-
lem.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Hätte es eine Aktualität gegeben, wären Sie verpflich-
et gewesen, die zuständigen Gremien zu unterrichten.
ies ist nicht erfolgt, deswegen gab es auch keine
ktualität.


(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Herr Schäuble, ich hätte gern, dass Sie jetzt noch ein-
al zuhören.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Hier spricht die Koalition und nicht die Opposition!)


m gleichen Interview rufen Sie die Bevölkerung in ei-
em Atemzug mit der Warnung vor einem Terrorangriff
it Nuklearmaterial zu Gelassenheit auf. Das ist nach
einem Dafürhalten die Besonderheit.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11837


(A) )



(B) )


Fritz Rudolf Körper

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr braucht auch eine Pauli-Regelung: Nach sieben Monaten ist alles vorbei!)


Der Aufruf hat daher nur den Hintergrund, Beunruhi-
gung zu erzeugen. Wenn Sie diesen Nachsatz, den Sie
gesagt haben, den Sie aber heute nicht angesprochen ha-
ben, ins Pfälzische übersetzen, könnte man sagen: Trink
noch einen Schoppen oder zwei, es ist ohnehin bald alles
vorbei.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist aber kein Pfälzisch!)


Ich halte es für sehr unverantwortlich, mit diesem
Thema so umzugehen.

Sie tragen auch die Verantwortung dafür, die Sicher-
heitslage objektiv darzustellen.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Trink noch ein Kölsch, am 30. Mai ist Weltuntergang!)


Wir können darauf stolz sein, dass Deutschland im inter-
nationalen Vergleich eines der sichersten Länder der
Welt ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn das subjektive Empfinden der Menschen nicht mit
dieser objektiven Lage, dass wir eines der sichersten
Länder der Welt sind, übereinstimmt, sind diese Inter-
views dafür verantwortlich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)


Es gibt ein Sprichwort „Reden ist Silber, Schweigen ist
Gold“.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind ja hier schleswig-holsteinische Verhältnisse!)


Lieber Herr Schäuble, mein Rat an Sie lautet, sich dieses
Sprichwort zu Herzen zu nehmen. Damit dienen Sie
auch der innenpolitischen Debatte.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [FDP]: Sie sind ein Bundesinnenministerbezwinger!)


Diese Öffentlichkeitsarbeit überlagert im Grunde ge-
nommen die innenpolitische Arbeit. Ich finde das
schade, denn wer die Koalition von innen heraus kennt,
wird feststellen, dass wir auf einem guten Weg sind.
Nicht umsonst wollen wir beispielsweise das Bundeskri-
minalamt mit einer Präventionszuständigkeit ausstatten.
Das ist für den Kampf gegen den internationalen Terro-
rismus dringend notwendig. Wir hätten da viel weiter
sein können, wenn es nach den Vorstellungen der SPD-
Fraktion gegangen wäre.

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(C (D Herr Kollege! Ich bedanke mich ganz herzlich für die Aufmerksam eit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611508800
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1611508900


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611509000

Das Wort hat die Kollegin Petra Pau, Fraktion Die

inke.


(Beifall bei der LINKEN – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Präsidentin, warum sorgen Sie denn nicht für Rede und Gegenrede? Jetzt muss doch die Union reden!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611509100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

as zur Rede stehende Zitat spricht für sich. Ich kom-
entiere das nicht. Es ist mir einfach zu zynisch.

Mich ärgert etwas anderes mehr: Seit Wochen, ja Mo-
aten erleben wir ein Stakkato von Angriffen auf Recht
nd Gesetz, auf die grundsätzliche Verfasstheit der Bun-
esrepublik. Diese Attacken auf das Grundgesetz kom-
en nicht von Extremisten und auch nicht von Terroris-

en, sondern direkt aus den Ministerien und dem
undeskanzleramt. Ich finde, das ist ein unhaltbarer Zu-

tand.


(Beifall bei der LINKEN)


Der eine Minister sagt: Das Grundgesetz taugt nicht
ehr für diese Zeit. Der andere Minister, Franz Josef

ung, sagt: Das Grundgesetz interessiert mich nicht. Ich
age dazu: Es ist etwas faul. Ich finde, die Loyalität der
undeskanzlerin darf nicht so weit gehen, dass sie sol-
he Angriffe auf das Grundgesetz duldet oder gar stützt.


(Beifall bei der LINKEN)


Das aktuelle Tohuwabohu von Amts wegen begann
brigens schon rund um den G-8-Gipfel. Ich will nur ei-
en Punkt ansprechen. Mit mehreren tausend Soldatin-
en und Soldaten nebst Militärgerät wurde die Bundes-
ehr rund um Heiligendamm und damit im Inneren

ingesetzt. Bis heute ist im Übrigen nicht einmal klar,
er den Tornados die Flüge über die G-8-Camps geneh-
igt hat. Ich finde, das ist ein Ding aus dem Tollhaus.
rotzdem verweist die Bundesregierung auf Art. 35
rundgesetz und behauptet, alles sei rechtens gewesen.
rt. 35 Grundgesetz gestattet den Einsatz der Bun-
eswehr im Innern bei außerordentlichen Naturkatastro-
hen und bei besonders schweren Unglücksfällen. Liebe
olleginnen und Kollegen, ist das Ihr Ernst? Wenn der
-8-Gipfel eine außerordentliche Naturkatastrophe war
nd ein besonders schwerer Unglücksfall,


(Zuruf von der LINKEN: Für MecklenburgVorpommern vielleicht!)


11838 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Petra Pau
dann frage ich die Bundesregierung: Warum holen Sie so
viel Unglück in unser Land?


(Beifall bei der LINKEN)


Die Unionsparteien wollen seit langem die Bundes-
wehr im Innern einsetzen, und sie setzen dabei auch auf
so etwas wie Gewohnheitsrecht. Selbst bei sogenannten
Sicherheitskonferenzen, die von Rüstungskonzernen or-
ganisiert werden, sichert die Bundeswehr rechtswidrig
die Logistik. Anders gesagt, der einfache Steuerzahler
finanziert die Rüstungslobby. Das ist inzwischen Usus,
und das ist für die Linke nicht hinnehmbar.


(Beifall bei der LINKEN)


Verteidigungsminister Jung hat wiederholt, er werde
von Terroristen entführte Passagierflugzeuge abschießen
lassen. Das wollten schon damals SPD und Bündnis 90/
Die Grünen, bis das Bundesverfassungsgericht ent-
schied: Niemand darf Gott spielen und Menschenleben
gegen Menschenleben aufwiegen. Minister Jung will es
dennoch. Ich finde, das offenbart ein gefährliches
Rechts-, aber auch Religionsverständnis der CDU.

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass Bundesregie-
rungen Urteile hoher Gerichte – wie der Berliner sagt –
wurscht finden. Das Bundesverwaltungsgericht hat im
Jahre 2005 festgestellt, dass Deutschland sehr wohl am
völkerrechtswidrigen Krieg der USA gegen den Irak be-
teiligt ist. Was macht die Bundesregierung bis heute mit
diesem Urteil? Sie ignoriert es. Wer so mit Recht und
Gesetz umspringt, darf sich über eine allgemeine Verro-
hung der Sitten nicht wundern.


(Beifall bei der LINKEN)


Innenminister Schäuble will beharrlich Computer
klammheimlich online überwachen lassen. Auch das ist
ein Angriff auf verbriefte Grundrechte; er weiß das. Herr
Minister, hätte ich nicht ein gestörtes Verhältnis zu die-
ser Behörde, so würde ich sagen: Wolfgang Schäuble ist
ein typischer Fall für den Verfassungsschutz.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich gebe zu, Herr Minister: Sie sind intelligent. Sie
lenken den Fokus auf die Onlineuntersuchung, und ganz
nebenbei forcieren Sie den größten Umbau in der Ge-
schichte der Bundesrepublik, weg vom demokratischen
Rechtsstaat hin zum präventiven Sicherheitsstaat. Sie
setzen dabei auf die SPD, denn nie war die Koalition so
groß und damit offensichtlich auch die Versuchung, ei-
nen Pakt mit dem Teufel zu schließen. Liebe Kollegin-
nen und Kollegen von der SPD, da die Union teuflisch
entschlossen zu sein scheint, kann ich an Sie nur appel-
lieren: Verweigern Sie sich, und helfen Sie, das Grund-
gesetz zu schützen!

Ganz in diesem Sinne wird es übrigens am Sonn-
abend in Berlin eine bundesweite Demonstration geben.
Ich lade Sie alle dazu ein. 14.30 Uhr am Brandenburger
Tor: Gegen Überwachung und Datenklau, für Freiheit
und Bürgerrechte. – Ich werde jedenfalls dabei sein.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Wenn C u w b T B a s m s f g r c M d d D n g D m b n 1 d v s F D a D f (C (D Sie mich bitte entschuldigen wollen, Frau Kollegin!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611509200

Ich gebe das Wort dem Kollegen Clemens Binninger,

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Clemens Binninger (CDU):
Rede ID: ID1611509300

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen

nd Kollegen! Vor etwa zweieinhalb Wochen hat – es
urde schon angesprochen – der Chef der Atomenergie-
ehörde, al-Baradei, gesagt, seine größte Sorge sei, dass
erroristen mit radioaktivem Material eine schmutzige
ombe zünden könnten. Gab es darauf Empörung oder
ndere Reaktionen? Nein. Hat sich die FDP oder haben
ich die Grünen irgendwie empört? Nein. Gab es eine
edial aufgeblasene Debatte über die Unsinnigkeit die-

er Behauptung? Nein.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die war ja auch nicht unsinnig!)


Wolfgang Schäuble hat vor vier Tagen in der Frank-
urter Allgemeinen Sonntagszeitung genau das Gleiche
esagt. Daraufhin haben Grüne und FDP ihre Empö-
ungsmaschine eingeschaltet und Betroffenheit geheu-
helt. Das ist nicht nur scheinheilig, sondern in hohem
aße auch unglaubwürdig.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: So groß ist unsere Maschine gar nicht!)


Ich würde mir wünschen, dass Sie sich etwas mehr
er Sicherheitslage widmen, statt sich intensiv nur mit
en Interviews des Ministers auseinander zu setzen.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da bleibt uns doch nichts anderes übrig! Dann untersagen Sie es ihm doch mal!)


ass Deutschland innerhalb der letzten zwölf Monate
ur zweimal knapp einem verheerenden Anschlag ent-
angen ist, das kommt bei Ihnen nicht vor.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Gegenteil!)


ass die drei Attentäter, die vorletzte Woche festgenom-
en wurden, mehr als eine halbe Tonne Sprengstoff an

elebten Orten zünden wollten, das kommt bei Ihnen
icht vor. Dass es in Deutschland unverändert mehr als
00 sogenannte Gefährder gibt, die eine permanente Be-
rohung für unser Land sind, die sich sehr konspirativ
erhalten, die modernste Technik benutzen, die sich ab-
chotten, das alles kommt bei Ihnen nicht vor. Sie von
DP und Grünen blenden die Sicherheitspolitik in Ihren
ebatten völlig aus und konzentrieren sich stattdessen

uf Polemik gegenüber dem Innenminister.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach was!)


as ist nicht nur unanständig, sondern auch schädlich
ür die Sicherheit unseres Landes.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11839


(A) )


)

Clemens Binninger

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Meinen Sie nur uns, oder meinen Sie auch die SPD?)


Herr Kollege Körper, man kann über Interviews na-
türlich immer unterschiedlicher Meinung sein, aber ei-
nes, glaube ich, muss klar sein: Es ist die Pflicht und die
Aufgabe eines Innenministers, auf die Sicherheitslage
und die Bedrohungslage sowie die damit verbundenen
Herausforderungen hinzuweisen.


(Fritz Rudolf Körper [SPD]: Aber faktengerecht!)


Es ist eben nicht so, dass die Bedrohungslage seit dem
11. September unverändert wäre. Sie hat sich gewandelt.
Die Bundesrepublik ist von einem Ruhe- und Rückzugs-
raum zu einem Anschlagsziel geworden. Das Täterprofil
hat sich gewandelt. Madrid und London, daran sieht
man: Die Vorgehensweise wird hemmungsloser, bruta-
ler. Die Abschottung nimmt zu, und das Handeln wird
immer konspirativer. Neue Technik wird eingesetzt. All
das hat sich gewandelt.

Es ist die Aufgabe und die Pflicht von Minister
Schäuble – ich bin ihm dankbar dafür, dass er ihr nach-
kommt –, dies zu benennen und zu sagen, was wir tun
müssen, wenn wir die Sicherheit der Menschen in unse-
rem Land gewährleisten wollen, und wir wollen das.


(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Uwe Benneter [SPD]: Wenn er das nur täte!)


In diesem Zusammenhang ist die heutige Debatte eine
gute Gelegenheit, einmal darauf hinzuweisen, wo sich
die FDP und teilweise auch die Grünen in den letzten
Jahren bei notwendigen sicherheitspolitischen Maßnah-
men immer wieder verweigert haben. Die Einrichtung
eines Antiterrorzentrums – dies trifft nicht die Grünen –:
Die FDP hat dagegen gestimmt. Mehr Befugnisse zur In-
formationsbeschaffung für die Sicherheitsbehörden, vor
einem halben Jahr beschlossen: Die FDP hat dagegen
gestimmt. Die überfällige Antiterrordatei: Grüne und
FDP haben dagegen gestimmt.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die wollten wir anders, das wissen Sie!)


So ließe es sich fortsetzen. Überall, wo wir etwas für die
Sicherheit unseres Landes tun, blenden sich FDP und
Grüne aus. Das ist fahrlässig und unverantwortlich.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Bei der FDP hat dies ja ein bisschen Tradition. Viele
werden sich daran erinnern, wie sehr die FDP den gro-
ßen Lauschangriff politisch bekämpft hat. Seinerzeit gab
es sogar einen Rücktritt; den Namen habe ich vergessen.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das ist aber ungalant!)


Heute sind wir froh, dass wir dieses Instrument für unsere
Sicherheitsbehörden haben. Ohne den großen Lauschan-
griff, den die FDP bekämpft hat, wären die Sicherheitsbe-
hörden nicht in der Lage gewesen, die Anschläge zu ver-

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(C (D indern. Gott sei Dank haben wir dieses Instrument, das ie FDP verhindern wollte. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Aber das Verfassungsgericht gibt es auch noch, ja?)


Wir müssen uns über eines im Klaren sein: Die große
ehrheit der Bevölkerung in diesem Land möchte,
enn es um die Bekämpfung des Terrorismus geht, ei-
en starken Staat. Die Große Koalition will das auch.


(Ernst Burgbacher [FDP]: Aber nicht alle!)


DP und Grüne wollen es offensichtlich nicht. Sie schü-
en Misstrauen, sie polemisieren gegen den Innenminis-
er; aber vernünftige Vorschläge für die Sicherheit unse-
es Landes kommen von ihnen beiden nicht. Das ist die
otschaft der heutigen Debatte.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz falsch! – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Viel Spaß mit Schwarz-Gelb!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611509400

Nächste Rednerin ist die Kollegin Silke Stokar für

ündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wäre

ie Situation in Deutschland nicht so ernst – wir haben ja
ine reale Bedrohung durch Terrorismus –, könnte man
ber einen Teil der innenpolitischen Debatte, die hier im
lenum so offen geführt wird – im Innenausschuss läuft
ie viel schlimmer ab –, durchaus amüsiert sein.

Herr Binninger, Sie haben uns vorgeworfen, wir wür-
en die Sicherheit nicht ernst nehmen. Ich möchte Ihnen
agen: Zwei in Deutschland geplante Terroranschläge
urden auf der Grundlage der unter Rot-Grün geschaffe-
en Sicherheitsgesetze verhindert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


enau die Gesetze, die damals unaufgeregt, unter Ach-
ung der Verfassung,


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Unaufgeregt? Sie und Otto Schily unaufgeregt? Ganz neue Erkenntnisse!)


hne Schüren von Ängsten und in Einigkeit der Koali-
ion geschaffen wurden, waren die Grundlage für die Er-
olge der Sicherheitsbehörden, über die wir alle froh
ind.

Herr Bundesinnenminister Schäuble, ich empfinde es
ls merkwürdig, was Sie hier seit einiger Zeit abziehen.
inerseits werfen Sie uns an jedem Wochenende über
ie Sonntagszeitungen Brocken hin und freuen sich da-
über, wie es Ihnen mit den Interviews gelingt, zum ei-
en die SPD vor sich her zu treiben und zum anderen

(B)


11840 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


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Silke Stokar von Neuforn
– dies halte ich für unverantwortlich – die Bevölkerung
in Angst und Verunsicherung zu versetzen. Andererseits
sagen Sie, wenn Sie im Innenausschuss oder im Parla-
ment sind – ich weiß nicht, ob das feige oder Strategie
ist; das ist mir auch egal –, Sie hätten doch gar nichts ge-
macht. Es ist doch ein Unterschied, in welchem Zusam-
menhang ein Zitat vorgebracht wird. Dass seit dem
11. September über eine dreckige Bombe geredet wird,
ist uns allen bekannt. Es geht doch darum, auf welche
Art und Weise, in welchem Kontext und mit welcher
Empfehlung an die Bevölkerung Sie darüber reden. Dies
ist hier zu Recht gesagt worden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Sie können als Innenminister hier doch nicht sagen, es
sei möglich, dass Terroristen eine Nuklearbombe bauten,
und dann der Bevölkerung die Empfehlung geben: Ge-
nießen Sie bis dahin das Leben! Das ist ein Fatalismus,
mit dem Sie das Vertrauen in Politik unterminieren, mit
dem Sie den Eindruck erwecken, der demokratische
Rechtsstaat sei mit seiner Verfassung in einer solchen
Bedrohungslage nicht handlungsfähig. Ich nenne ein sol-
ches Verhalten unverantwortlich; es ist ein parteipoliti-
sches Ausschlachten von Innenpolitik, ohne dass Lösun-
gen oder Konzepte angeboten würden.

Rot-Grün hat damals anders gehandelt; das haben Sie
zu Recht gesagt. Wir haben damals in Anbetracht der
möglichen Anthrax-Anschläge zivile ABC-Fahrzeuge
angeschafft, damit wir mit zivilen Mitteln, ohne Einsatz
der Bundeswehr, mit neuen Bedrohungslagen im Innern
umgehen können. Das war genau die richtige Antwort.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Erkennbare Gemeinsamkeiten – auch das finde ich fa-
tal; ich denke, dass die innenpolitische Debatte so nicht
weitergehen kann – in der Innenpolitik gibt es in dieser
Großen Koalition nicht. Ich will Ihnen nur einmal Ein-
blick gewähren, wie das im Innenausschuss aussieht;
dagegen ist das hier eine softe Veranstaltung. Im Innen-
ausschuss sagt Herr Bosbach zum innenpolitischen Spre-
cher „Lügner“; da leisten sich SPD und Union im Bei-
sein des BKA-Chefs Ziercke eine Schlammschlacht über
Innenpolitik; sachlich-inhaltlich haben sie gemeinsam
keinen Beitrag zu leisten.

Ich schaue da auch in Richtung SPD: Ich finde es eine
verkehrte Welt, wenn ein Landesinnenminister wie Herr
Stegner in Schleswig-Holstein gehen muss und Herr
Schäuble hier sitzen bleiben kann. Da erwarte ich von
Ihnen von der SPD nicht nur eine vorsichtige Auseinan-
dersetzung, sondern dass Sie, wie Herr Struck das getan
hat, deutlich machen, wohin es in der Innenpolitik in
Deutschland gehen soll.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Silke, das hat doch aber andere Ursachen!)


Eine Regierungserklärung dazu, wie sie gestern gefor-
dert wurde, hat es nicht gegeben. Aber ich denke, Bevöl-
kerung und Parlament haben Anspruch darauf, dass die

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(C (D undeskanzlerin erklärt, welche Innenpolitik in Deutschnd in den nächsten Monaten – Frau Kollegin! Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611509500
– von der Großen Koalition verantwortlich betrieben

erden kann und soll. Vom Bundesinnenminister –


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611509600

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen. Auch

enn Sie mich weiterhin ignorieren, muss ich Sie daran
rinnern, dass Ihre Redezeit zu Ende ist.


(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

– mein letzter Satz – erwarte ich eine offene Darstel-

ung. Sie haben hier gesagt, Sie wollen im Rahmen der
erfassung –


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611509700

Frau Kollegin!


(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

– Politik machen. Dann erklären Sie hier auch öffent-

ich, dass Sie die Verfassung nicht ändern wollen.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611509800

Das Wort hat der Kollege Michael Hartmann, SPD-

raktion.


Michael Hartmann (SPD):
Rede ID: ID1611509900

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

erren! Ich finde es schade, Herr Kollege Binninger,
ass Herr Westerwelle – vielleicht zufällig – nach Ihrer
ede den Saal verlassen hat. Vielleicht kann aber je-
and von den Kolleginnen und Kollegen aus der FDP

hm meinen Zuruf noch übermitteln: „Viel Spaß bei allen
chwarz-gelben Blütenträumen!“


(Ernst Burgbacher [FDP]: Das kann schneller gehen, als man denkt!)


as muss ja richtig lustig werden, wenn ihr über innere
icherheit verhandelt.

Herr Bundesinnenminister, Sie haben vor zwei Tagen
hren 65. Geburtstag gefeiert. Ich darf Ihnen nachträg-
ich dazu noch recht herzlich gratulieren. Ich denke, Sie
ätten diesen Geburtstag lieber etwas unbeschwerter ge-
eiert – unbeschwerter von den Belastungen in der inne-
en Sicherheit, aber vielleicht auch von den Kommenta-
en und Reaktionen auf Ihre in der Tat nicht sehr
lückliche Interviewäußerung.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11841


(A) )



(B) )


Michael Hartmann (Wackernheim)

Was uns eint, Herr Bundesinnenminister – nicht nur
das eint uns –, ist die Sorge um die innere Sicherheit in
unserem Land. Deshalb seien Sie versichert: Die SPD-
Fraktion wird bei allen notwendigen Maßnahmen und
Entscheidungen an Ihrer Seite stehen. Da werden wir
nicht wackeln und nicht rütteln, sondern sind bei Ihnen.
Wir werden aber darauf achten, ob sie wirklich notwen-
dig sind und wie weit sie notwendig sind, Herr Minister.


(Beifall bei der SPD)


Es gibt Netzwerke des Terrors in unserem Land, de-
nen wir Netzwerke der Sicherheit entgegenstellen wol-
len. Die jüngsten Festnahmen – da haben Sie völlig recht
mit Ihrer Analyse – sind noch kein Grund zur Entwar-
nung, keineswegs! Das Täterbild ist differenziert und
wird immer differenzierter. Die Anschlagsplanung ist
differenziert und wird gerade nach den jetzigen Festnah-
men immer differenzierter werden. Gerade deshalb ist
ein bedachtes und besonnenes Agieren auf allen Seiten
dieses Hauses erforderlich.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist richtig!)


Wir brauchen sicherlich hohe Aufmerksamkeit bei
der Betrachtung des Problems des vagabundierenden
atomaren Materials.


(Zuruf von der CDU/CSU: Natürlich!)


Spätestens seit dem Zusammenbruch des Warschauer
Paktes ist das ein Thema, das oben auf der Tagesordnung
steht.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)


– Vielen Dank, vielleicht applaudieren Sie ja auch bei
dem nächsten Satz; es würde mich freuen. – Das vaga-
bundierende Atommaterial wird aber nicht gestoppt und
die entsprechende Problematik nicht gelöst durch vaga-
bundierende Interviews, die jedes Wochenende erneut
stattfinden.


(Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es kommt darauf an, in Ruhe zu handeln und nicht stän-
dig über mögliches Handeln öffentlich zu reden, zumal
dies nur zur Verunsicherung und zur Aufregung beiträgt.
Wir brauchen abwägende Vernunft, Herr Bundesinnen-
minister. Ich weiß sehr genau – wir alle wissen es –, dass
Sie dazu in der Lage sein können.

Wer stark sein will in der inneren Sicherheit – ich
denke, auch das eint uns hier im Haus –, der muss seine
Stärke nicht unbedingt dadurch beweisen, dass er dau-
ernd in die Trompete bläst. Das gilt, mit Verlaub, auch
für Ihr Interview. Überlegen Sie doch einmal, was ein
unbedarfter Zeitungsleser denkt, wenn er hört, dass der
für die innere Sicherheit verantwortliche Minister prak-
tisch sagt: Das Ende ist nah, aber bis dahin seid noch
fröhlich und lustig. Das kann nicht gut gehen, das muss
ins Auge gehen, und die Reaktionen sind ja leider auch
entsprechend gewesen.

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(C (D Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister, meine Daen und Herren, die SPD ist bereit, mit Ihnen an der Ar hitektur der inneren Sicherheit weiterzuarbeiten. Nach em 11. September ist die Bedrohungslage für unser and offenbar geworden. Wir haben damals unter Rotrün sofort reagiert, und zwar schnell, sachgerecht und erantwortungsbewusst. Verschiedenes haben wir uns bringen müssen; es ist uns nicht alles leicht gefallen. tto Schily war ohne Frage ein Garant für verantwor ungsbewusste Politik hinsichtlich der inneren Sichereit. In dieser Tradition stehen wir als Sozialdemokraten eute und stehen Sie als sein Amtsnachfolger. Wir haben, Herr Schäuble, mit Ihnen zusammen beeits eine Menge geleistet. Wir haben bis zur Hälfte dieer Wahlperiode rund elf Gesetze zur inneren Sicherheit emeinsam verabschiedet. Wir haben über BKA-Kometenzen auf der Grundlage eines Gesetzes, das damals on Sozialdemokraten angeregt wurde, zu diskutieren. ir haben das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum ingerichtet, das auch auf eine sozialdemokratische nitiative unter Otto Schily zurückgeht. So wollen wir eiterarbeiten. Wir wollen konstruktiv und an unserer ineren Sicherheit orientiert über die Reform der Bundespozei, über das BKA-Gesetz, über die Warndatei und über ieles mehr mit Ihnen reden. Die Justizministerin hat ein esetz zur Strafbarkeit des Besitzes waffenfähigen Ma erials und der Ausbildung in Terrorcamps vorgelegt. Sie ehen also, dass wir an der Sache dran sind. Wir sollten in dieser Situation aufpassen, dass wir auf llen Seiten dieses Hauses nicht in reflexartige Reaktioen verfallen. Vor 30 Jahren – wir durften jüngst daran rinnern – Herr Kollege Hartmann! – hat Bundeskanzler Helmut Schmidt alle an den isch geholt, als eine Terrorbedrohung vorlag. Er hat icht gespalten, – Herr Kollege Hartmann, Sie müssen zum Ende kom en. – sondern zusammengeführt. Versuchen Sie das auch, err Bundesinnenminister! Vielen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Stephan Mayer, DU/CSU-Fraktion. 11842 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kollegen und Kolleginnen! Was wir in dieser Woche erlebt haben, ist ein unwürdiges politisches Schauspiel, (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Zuruf von der SPD)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611510000
Michael Hartmann (SPD):
Rede ID: ID1611510100
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611510200
Michael Hartmann (SPD):
Rede ID: ID1611510300

(Beifall bei der SPD)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611510400

(Beifall bei der CDU/CSU)


(A) )


(B) )

Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1611510500

das von der Opposition und leider Gottes auch von eini-
gen Teilen der SPD initiiert und instrumentalisiert
wurde.


(Zuruf des Abg. Detlef Parr [FDP])


Die Kritik und die Attacken mancher Kolleginnen und
Kollegen gehen wirklich bis an die Grenze der Verleum-
dung und des menschlich Erträglichen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dies gilt ausgerechnet unter anderem für eine Partei wie
die Grünen,


(Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


die ihre hohe Kompetenz in Sachen innerer und äußerer
Sicherheit bei ihrem Parteitag am vergangenen Wochen-
ende ja eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Leitantrag des Vorstands ist vom Parteitag abge-
schmettert worden. Sie haben eindrucksvoll gezeigt,
dass Sie nach wie vor nicht regierungsfähig sind. Das
macht deutlich, dass man insbesondere die Gewährleis-
tung der Sicherheit der deutschen Bürgerinnen und Bür-
ger nicht in Ihre Hand geben darf.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Was hat denn Bundesinnenminister Schäuble tatsäch-
lich gesagt? Ich zitiere nochmals ganz bewusst, um die
Debatte auf den Kern zurückzuführen, aus dem Inter-
view vom vergangenen Sonntag:

Erinnern Sie sich an die Zeit unmittelbar nach dem
11. September, als die Angst existierte, nun könnten
chemische oder biologische Anschläge folgen. Ei-
nen vollständigen Überblick haben wir auch heute
nicht.

Der Bundesinnenminister hat weiter darauf hingewiesen,
dass unter Fachleuten die Sorge existiert, dass durch Ter-
roristen – ich zitiere wiederum –

ein Anschlag mit nuklearem Material vorbereitet
werden könnte.

Ende des Zitats.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weiter! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht das Ende des Interviews! Danach hat er erst richtig losgelegt!)


Dies sind keine Neuigkeiten. Dies ist seit Jahren bzw.
Jahrzehnten bekannt.

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(C (D Solange die Atombombe nur in der Hand von demoratischen Staaten ist, ist eine solche Gefahr mit Sichereit relativ kalkulierbar. Deswegen ist es richtig, dass es ittlerweile, angestoßen von den Präsidenten Bush und utin, eine globale Initiative zur Bekämpfung des uklearterrorismus gibt. Aber die Gefährdung wird ann erheblich größer, wenn Schurkenstaaten wie beipielsweise der Iran oder Afghanistan in den Besitz von uklearwaffen kommen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Afghanistan ist aber kein Schurkenstaat! Da haben Sie aber einen Fehler gemacht! Wollen Sie die Regierung Karzai als Schurkenstaat charakterisieren?)


nter Fachleuten ist anerkannt, dass die abstrakte Ge-
ährdung dann unermesslich wird und nicht mehr kalku-
ierbar ist, sobald nichtstaatliche Organisationen, also
errororganisationen, in den Besitz der Atombombe
der auch nur von radioaktivem Material gelangen; ich
öchte an dieser Stelle nur an den Fall Litwinenko erin-

ern.

Das Interview von Mohammed al-Baradei im Spiegel
om 3. September ist bereits erwähnt worden. Ich darf
ortwörtlich daraus zitieren:


es ist ein Wunder, dass das noch nicht passiert
ist.

r meint damit, dass schmutzige Bomben von Terroris-
en zur Zündung gebracht wurden oder dass es Spreng-
toffanschläge mit nuklearem Material in Europa gege-
en hat. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen
on der Opposition und teilweise von der SPD, wo blei-
en denn Ihre Empörung und Ihre Aufregung über die
ussagen in diesem Interview?


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war völlig in Ordnung! Die Sätze, die Sie weggelassen haben, waren nicht in Ordnung!)


arum geht es. Sie betreiben eine schäbige, unverant-
ortliche Betroffenheits- und Empörungspolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben es gar nicht verstanden!)


Es ist eine himmelschreiende und verantwortungslose
ealitätsverweigerung, wenn man nicht zur Kenntnis
immt, dass Deutschland auch nach der Festnahme der
rei potenziellen Attentäter im Sauerland am
. September nach wie vor vor der abstrakten – dies hat
er Bundesinnenminister deutlich gemacht – Gefahr
teht, zum Operationsraum von islamistischen Terroris-
en zu werden,


(Daniela Raab [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


nd zwar nicht nur im Hinblick auf konventionelle
prengstoffanschläge, sondern durchaus auch im Hin-
lick auf Bioterrorangriffe oder Anschläge mit radioak-
ivem Material.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11843


(A) )



(B) )


Stephan Mayer (Altötting)


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: War das schweres Wasser oder Wasserstoffperoxid?)


Ich finde es gerade deshalb richtig, dass die Bundes-
justizministerin Zypries, SPD, in dem von ihr in dieser
Woche vorgestellten Entwurf zur Verbesserung und Ver-
änderung des Strafrechts einen neuen § 89 a vorsieht,
mit dem die Herstellung, das Beschaffen, das Überlassen
und Aufbewahren nicht nur von Sprengstoffen und
Viren, sondern ganz bewusst und ausdrücklich auch von
radioaktivem Material mit einer Freiheitsstrafe von bis
zu zehn Jahren bewehrt werden soll.

Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr
Klaus Naumann hat auf dem gestrigen Symposium zum
Thema „Nukleare Sicherheitsrisiken im 21. Jahrhun-
dert“, das die Hanns-Seidel-Stiftung veranstaltet hat,
deutlich darauf hingewiesen, dass eine Differenzierung
zwischen innerer und äußerer Sicherheit einer Denk-
weise des letzten Jahrhunderts entspricht. Deswegen
handelt der Bundesinnenminister umsichtig und außeror-
dentlich verantwortungsbewusst, wenn er zum einen die
Gefahren ernst nimmt und deutlich macht, dass es zwar
keine hundertprozentige Sicherheit gibt, aber man
durchaus gelassen in die Zukunft sehen kann, und wenn
er zum anderen immer wieder deutlich darauf hinweist
und fordert, dass man unseren Sicherheitsbehörden alle
technischen Möglichkeiten an die Hand geben muss, um
insbesondere mit potenziellen islamistischen Terroristen
auf gleicher Augenhöhe kämpfen und diese zur Strecke
bringen zu können.

Deswegen ist es richtig, dass wir weiterhin um solche
Themen wie Onlinedurchsuchungen streiten und ringen,
die wir alsbald gesetzlich festlegen müssen. Es ist zy-
nisch und wirklich verantwortungslos – ich komme zum
Schluss –, wie die Grünen argumentieren, wenn sie sa-
gen: Die bisherigen potenziellen Attentate sind doch mit
den schon vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten auf-
geklärt worden.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dagegen haben Sie kein Argument!)


Terroristen gehen inzwischen intelligenter und perfider
vor. Deshalb ist es notwendig, insbesondere den Sicher-
heitsbehörden in Zukunft erweiterte technische Möglich-
keiten wie die Onlinedurchsuchung an die Hand zu ge-
ben.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach was!)


Abschließend bitte ich Sie, in der zukünftigen Debatte
zu der Gelassenheit, zu der uns der Bundesinnenminister
aufgefordert hat, zurückzukehren.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611510600

Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus Uwe Benneter

von der SPD-Fraktion.

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(C (D Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! rau Schriftführerin, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem eutigen Geburtstag. Wir sollten nicht vergessen, dass emand unter uns ist, der heute Geburtstag feiert. Der entscheidende Satz in dem Interview, über das ir in dieser Aktuellen Stunde sprechen, lautet meiner einung nach: Es hat keinen Zweck, dass wir uns die verbleibende Zeit ich betone: die verbleibende Zeit – auch noch verderben, weil wir uns vorher schon in eine Weltuntergangsstimmung versetzen. (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Blanker Zynismus!)

Klaus Uwe Benneter (SPD):
Rede ID: ID1611510700

(Beifall)


as ist denn das für eine Haltung? Erst selbst den Unter-
ang prophezeien und dann die verbleibende Zeit hoch-
eben lassen. Das ist doch verrückt. Das ist absurd. Das
st so etwas von abwegig.


(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


as kann der Innenminister doch nicht als seine Aufgabe
nsehen, seinen Wochenendfrust in Sonntagsinterviews
ber uns auszuschütten.

Niemand hier im Hause bestreitet die Bedrohung,
uch nicht das Ausmaß der Bedrohung. Das, was am
1. September 2001 geschehen ist, war vorher unvor-
tellbar. Wir machen uns sicher keine Illusionen. Wir
lle wissen, was alles hätte passieren können. Es kann
och aber nicht darum gehen, von der „verbleibenden
eit“ zu reden und die Hände in den Schoß zu legen. Es
uss gehandelt werden.

Rot-Grün hat gehandelt. Es ist schon mehrfach darauf
ingewiesen worden, dass wir eine Sicherheitsarchitek-
ur aufgebaut haben. Wir haben auf das, was am
1. September 2001 passiert ist, reagiert. Wir haben ge-
einsame Einrichtungen und gemeinsame Dateien ge-

chaffen. Wir haben erstmals eine Zusammenarbeit der
olizeien und Sicherheitsbehörden von Bund und Län-
ern herbeigeführt. Wir waren diejenigen, die das in die
ege geleitet haben. Dieses Konzept funktioniert. Das

eigen die Fahndungserfolge der letzten Zeit. Bei uns
raucht niemand komplexhaft Otto Schily zu kopieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gar nicht kopieren! – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wie ist das gemeint?)


ir haben in diesem Lande eine Sicherheitsarchitektur
eschaffen, die zumindest bei den bisherigen Anschlags-
ersuchen gezeigt hat, dass sie ausreicht und richtig ist,
eil sie zielführend ist.

Jetzt muss es darum gehen – Herr Mayer, da kann kei-
er anderer Auffassung sein –, das, was wir bei diesen

11844 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Klaus Uwe Benneter
Anschlagsversuchen erfahren haben, genau aufzuarbei-
ten und zu analysieren. Es geht darum, genau zu
schauen, ob es Schwachstellen gibt. An diesen Stellen
muss dann gegebenenfalls nachgearbeitet werden. Na-
türlich müssen wir immer im Auge haben, dass es auch
bei den Kriminellen, bei denjenigen, die terroristische
Anschläge planen, Fortschritte gibt. Wir müssen aber
sachlich und seriös vorgehen. Das ist unsere Aufgabe.

Wir können den Menschen sagen: Solange Sozialde-
mokratinnen und Sozialdemokraten in der Regierung
sind, sorgen wir dafür, dass sie keine Albträume erleben.
Wir arbeiten an und für unser aller Sicherheit. Das ist die
Aufgabe der Sozialdemokraten in dieser Regierung.


(Beifall bei der SPD)


Ihr Interview, Herr Schäuble, hefte ich zusammen mit
anderen in meinem Ordner „Sonderliches“ ab. Er enthält
übrigens schon ein Interview vom 29. Januar 2006. Vor
über anderthalb Jahren hat Herr Schäuble fast wortgleich
dasselbe gesagt wie heute.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Gebetsmühlenartig!)


Damals ging es ihm bei der Vorbereitung der Fußball-
weltmeisterschaft darum, eine Zustimmung zum Einsatz
der Bundeswehr im Innern zu bekommen. Das war der
Hintergrund des Bedrohungsszenarios, das er damals
aufgebaut hatte. Aber auch damals ließ er alles im
Unklaren und hat es einfach nur zur Ängstigung der
Gesellschaft getan. Das ist nicht die Aufgabe eines Bun-
desinnenministers. Das, denke ich, müssen wir hier klar-
machen.

Insofern möchte ich noch einmal deutlich hervorhe-
ben: Wir haben die Fußballweltmeisterschaft 2006 gut
über die Bühne gebracht. Es war ein freudiges Ereignis.
Die Sicherheitsarchitektur dafür wurde unter Rot-Grün
vorbereitet.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch des Abg. Clemens Binninger [CDU/ CSU])


– Die Sicherheitsarchitektur für diese Weltmeisterschaft
ist von Rot-Grün vorbereitet worden.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Ich dachte, von der Polizei!)


Das ist alles schon längst in Szene gesetzt worden. Da
konnte man sich auf den fahrenden Zug begeben.

Solange wir in der Regierung sind, wird nicht rumge-
faselt, sondern seriös und verantwortungsvoll gehandelt,
gerade im Innen- und im Sicherheitsbereich. Darauf
können sich die Menschen in diesem Land verlassen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Prost!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611510800

Das Wort hat der Kollege Ralf Göbel von der CDU/

CSU-Fraktion.

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(C (D Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die ebatte hat sich in weiten Teilen von dem entfernt, woüber wir eigentlich reden wollten, nämlich das Interiew des Bundesinnenministers. Ich will trotzdem noch wei Sätze sagen: Zum Ersten. Wenn die FDP hier hinsichtlich des Vorchlags zur Onlinedurchsuchung den Vorwurf eines Verassungsbruchs erhebt, dann will ich nachdrücklich daan erinnern, dass eine gesetzliche Regelung zur nlinedurchsuchung in der Verantwortung eines FDP nnenministers in Nordrhein-Westfalen erarbeitet woren ist und derzeit beim Verfassungsgericht liegt. Das ollte man nicht vergessen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD und der FDP)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ralf Göbel (CDU):
Rede ID: ID1611510900

Zum Zweiten. Wir haben heute viel über Rot-Grün
ehört und mit Rot-Grün auch einiges erlebt. Ich erin-
ere mich noch gut daran, dass der ehemalige Bundesin-
enminister Otto Schily hier im Deutschen Bundestag
esagt hat: „Wer den Tod haben will, kann ihn haben.“
lle saßen Sie da, einige waren betroffen, aber die meis-

en haben Beifall geklatscht; denn Otto Schily ist Garant
ür eine verantwortungsvolle Innenpolitik.


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Das war damals verständlich!)


err Benneter wird diese Rede von Otto Schily sicher-
ich auch im Ordner „Absonderliches“ abgeheftet haben.


(Beifall bei der CDU/CSU – Gerold Reichenbach [SPD]: Nein! Er hat einen eigenen Ordner „Schily“!)


Zu Ihrer Rede, Herr Körper, kann man mit den Philo-
ophen sagen: „Si tacuisses
“

Was ist an den Äußerungen des Bundesinnenministers
alsch? Nichts. Was ist daran hysterisierend? Ebenfalls
ichts.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles!)


iegt eine solche Bedrohung außerhalb der Vorstellungs-
raft? Nein.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was wissen Sie über die Gefährdungssituation?)


nd warum? Ich komme auf die neue Videobotschaft
on al-Qaida zu sprechen, in der es heißt:

Es gilt, den islamistischen Terrorismus in den Wes-
ten zu tragen, damit dieser ein den Naturkatastro-
phen ähnliches Phänomen wird.

ie Botschaft kommt an bei uns.

Ich will Ihnen ein Beispiel dazu nennen. Im Jahre
001 wurde in meiner Heimatstadt, in Landau, ein Ar-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11845


(A) )



(B) )


Ralf Göbel
beiter festgenommen, der in der Wiederaufarbeitungsan-
lage in Karlsruhe ein Röhrchen mit Plutonium entwendet
hatte. Anschließend war ein riesiger Aufwand notwen-
dig, um die Kontamination, die in der Umwelt, im Haus
und bei den Menschen entstanden ist, zu beseitigen. Es
ist also möglich, an solches Material zu kommen.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Atomkraftwerke abschalten, und zwar schnell!)


Wenn man dann noch weiß, Frau Stokar – auch das ist in
der Presse nachzulesen –, dass einer der Gefährder, die
jetzt aus Pakistan zurückgekommen sind, bei der Inge-
nieurfirma gearbeitet hat, die unter anderem ein Institut
beim Forschungszentrum Karlsruhe betreut, dann zeigt
das, dass die Möglichkeit, an solches Material heranzu-
kommen, gar nicht mehr so fern ist.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt doch niemand! Dem muss man begegnen! Meine Güte!)


Im Übrigen hat sich damals auch Bundesumweltmi-
nister Trittin mit diesem Vorgang befasst. Insoweit
müssten Sie wissen, dass die Gefährdung sehr konkret
ist


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wissen wir!)


und wir nicht über irgendwelche abstrakten Spinnereien
reden, sondern über das, was in dieser Bundesrepublik
jeden Tag vorkommen kann.

Was verlangen Sie eigentlich vom Bundesinnenminis-
ter?


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Habe ich gesagt!)


Soll der Bundesinnenminister sagen: Wir ignorieren es,
ähnlich wie es die Grünen machen; wir stecken den Kopf
in den Sand, dann wird schon nichts passieren;


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was schlägt Schäuble vor, außer den Weltuntergang abzuwarten?)


wir ignorieren die Gefahren, dann gibt es sie auch nicht?


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tun wir nicht!)


Das ist keine verantwortungsvolle Innenpolitik.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es ist richtig, den Menschen zu sagen, wo Gefahren
entstehen können, wo Gefahren herrühren und wie wir
Gefahren beseitigen können.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer ignoriert denn die Gefahren?)


Wir diskutieren seit einigen Monaten über dieses
Thema; ich muss sagen: bisher leider ohne Ergebnis. Es
wäre schön, wenn wir langsam zu einem Ende der De-
batte kämen und den Leuten signalisieren könnten: Wir
haben die Gefahr erkannt, wir haben das Problem ver-

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(C (D tanden, und wir haben Lösungen für dieses Problem errbeitet. Insoweit appelliere ich an die Kolleginnen und Kolleen, jetzt zügig zur Sacharbeit zurückzukehren und hyserische Debatten zu vermeiden, weil bei diesen Themen ysterie eigentlich fehl am Platze ist. as erwartet die Bevölkerung von uns, dafür sind wir ewählt worden. Dementsprechend möchte die CDU/ SU handeln. Vielen Dank. Als letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde hat das ort der Kollege Gerold Reichenbach von der SPDraktion. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erauben Sie mir eine Replik. Als ich im Jahre 2002 in diees Parlament gewählt wurde, habe ich meine erste Rede damals übrigens auch im Rahmen einer Aktuellen tunde – zum Thema „Terrorgefahr durch Pocken“ gealten. Der damalige Ausgangspunkt war ähnlich: ein ermerk über theoretische Potenziale. Damals stand in er Zeitung mit den großen Lettern nicht etwas von tomterror, sondern von Pockenterror. Wie sich nachher erausstellte, bestand gar keine konkrete Gefahr von Pokenanschlägen, damals aus dem Irak; vielmehr ging es amals darum, in der Bevölkerung Akzeptanz für die on der CDU geforderte Bereitschaft zur Teilnahme am rakkrieg herzustellen. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Wo sind wir jetzt eigentlich in der Debatte?)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611511000

(Beifall bei der SPD)

Gerold Reichenbach (SPD):
Rede ID: ID1611511100

err Minister, angesichts dessen ist es nicht nur ent-
cheidend, was aus Fachdiskussionen zitiert wird, son-
ern auch, in welchen gesellschaftlichen und medialen
ontext die Zitate gestellt werden. Ich gehe davon aus,
ass ein so erfahrener Minister und Politiker wie Sie dies
eiß und nicht fahrlässig vorgeht.

Wenden wir uns der Fachdiskussion zu. Der Zufall
ill es, dass die anerkannte und renommierte Hessische
tiftung für Friedens- und Konfliktforschung in ihrem
eft 2/2007 eine Studie mit dem Titel Nuklearterroris-
us: Akute Bedrohung oder politisches Schreckge-

penst? veröffentlicht hat. Ich würde gern mit Ihrer Er-
aubnis, Herr Präsident, daraus zitieren:

Ein als ultimatives „politisches Schreckgespenst“
ins Feld geführter „Terror mit Atombomben“ bringt
dabei die Gefahr mit sich, durch absichtlich falsche
oder in Unkenntnis verzerrte Risikodarstellungen
hinsichtlich der terroristischen Möglichkeiten den
gesellschaftlichen Abwägeprozess zwischen Si-
cherheit und Freiheitsrechten in eine Schieflage zu

11846 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Gerold Reichenbach
bringen. Die vorliegende Risikoabschätzung zeigt,
dass die vom Nuklearterrorismus ausgehende Be-
drohung keinen Anlass dazu gibt, den Weg über die
Verschärfung der inneren Sicherheit als besonders
erfolgversprechend zu werten.


(Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])


Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Diese Studie führt übrigens auch aus – der von Ihnen
zitierte Chef der UN-Atombehörde hat das auch inten-
diert –, dass Antiproliferationsbemühungen auf interna-
tionaler und nationaler Ebene am wirksamsten sind.
Dazu haben Sie kein Wort gesagt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zur Gefahr einer Dirty Bomb sagen alle Fachleute:
Natürlich kann man damit Schaden anrichten, aber das
Schadenspotenzial ist begrenzt. Die eigentliche Funktion
einer solchen Dirty Bomb ist, in einer Gesellschaft Panik
hervorzurufen und damit Bevölkerung und Wirtschaft zu
schädigen, psychologisch und auch ökonomisch.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Schlimm genug!)


Die Studie führt dazu aus, dass jemand, der in der Bevöl-
kerung Atomterrorhysterie schürt, den Tätern bewusst
oder unbewusst in die Hände spielt, weil er den Boden
dafür bereitet, dass ein Anschlag mit einer Dirty Bomb
die gewünschten Effekte zeitigt. Die Studie kommt dann
zu dem Ergebnis, das ich auch gern mit Ihrer Erlaubnis,
Herr Präsident, zitieren würde:

Eine Verschärfung von Sicherheitsmaßnahmen
drohte damit letztlich übers Ziel hinauszuschießen
und denjenigen in die Hände zu spielen, denen ei-
gentlich das Handwerk gelegt werden soll.

Deswegen ist das Angebot, das wir Sozialdemokraten
auf den Tisch gelegt haben und Netzwerk für Sicherheit
nennen, darauf die richtige Antwort. Gehen wir darauf
ein! Wir sollten also für den Bereich, in dem die Polizei
gemäß dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts keine
entsprechenden Möglichkeiten hat – ich nehme Bezug
auf unsere gestrige Diskussion –, in Art. 35 des Grund-
gesetzes klarstellen, dass dann, wenn eine Bedrohung
aus der Luft oder von der See vorliegt, in beschränktem
Rahmen militärische Mittel im Sinne des Polizeirechts
eingesetzt werden dürfen.


(Beifall bei der SPD)


Herr Minister, da ich Sie und Ihre Sorge ernst nehme,
füge ich hinzu: Wir als Ihr Koalitionspartner verstehen
manches, was in Ihrem Hause geschieht, nicht. Wenn der
Einsatz einer Dirty Bomb eine potenzielle Bedrohung
darstellt, dann verstehe ich nicht, warum Sie nicht, wie
es Ihr Vorgänger Otto Schily getan hat, dafür sorgen,

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(C (D ass die Schutzlücke bei der zivilen ABC-Abwehr gechlossen wird, (Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister: Das machen wir doch!)


ondern einen Großteil des zur Verfügung gestellten Gel-
es verwenden, um bei Ihren Innenministerkollegen in
en Ländern Gutwetter zu machen und die Finanzierung
on Aufgaben zu übernehmen, die eigentlich in deren
uständigkeit fallen.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja! Richtig!)


Auch verstehe ich nicht – das ist der letzte Kritik-
unkt, den ich ansprechen möchte –, dass wir in diesem
ause zwar darüber reden, was passiert, wenn ein Flug-

eug entführt worden ist, Ihr Haus aber gleichzeitig die
ntervalle der Sicherheitsüberprüfung im Bereich des
uftverkehrs von einem auf fünf Jahre verlängert und
adurch ökonomischen Begehren nachgibt.


(Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister: Mein Gott! – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Auf zwei Jahre!)


Auf zwei und dann auf fünf.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Nein! Auf zwei! Nicht erst zwei und dann fünf!)


Doch, erst zwei und dann fünf Jahre; so steht es in der
erordnung. Lesen Sie das nach, Herr Binninger. – Da-
urch schwächen Sie ein bislang redundantes Sicher-
eitssystem.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Genau! – Klaus Uwe Benneter [SPD]: Hört! Hört!)


Wir Sozialdemokraten sagen: Im Bereich der inneren
icherheit kommt es in der Praxis darauf an, Vernunft
nd Augenmaß an den Tag zu legen und den großen Zu-
ammenhang im Auge zu behalten, und zwar auf allen
benen, nicht nur bei spektakulären Gesetzesvorhaben.

n diesem Sinne sollten wir, wie ich meine, zu einer
achlichen Diskussion zurückkehren.


(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Das wäre schön!)


nsere Angebote dazu liegen auf dem Tisch, nicht in
orm von spektakulären Interviews, sondern in Form
on sachlicher gesetzestechnischer Arbeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611511200

Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a und 5 b auf:

a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend (13. Ausschuss)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11847


(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
– zu der Unterrichtung durch die Bundesregie-
rung
Fünfter Bericht zur Lage der älteren Gene-
ration in der Bundesrepublik Deutschland
Potenziale des Alters in Wirtschaft und Ge-
sellschaft – Der Beitrag älterer Menschen
zum Zusammenhalt der Generationen
und Stellungnahme der Bundesregierung

– zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten
Sibylle Laurischk, Jens Ackermann, Dr. Karl
Addicks, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDP zu der Beratung der Unterrichtung
durch die Bundesregierung
Fünfter Bericht zur Lage der älteren Gene-
ration in der Bundesrepublik Deutschland
Potentiale des Alters in Wirtschaft und Ge-
sellschaft – Der Beitrag älterer Menschen
zum Zusammenhalt der Generationen
und Stellungnahme der Bundesregierung

– zu dem Antrag der Abgeordneten Britta
Haßelmann, Grietje Bettin, Ekin Deligöz, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Das neue Bild vom Alter – Vielfalt und Po-
tenziale anerkennen

– Drucksachen 16/2190, 16/4219, 16/4163,
16/6366 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Antje Blumenthal
Angelika Graf (Rosenheim)

Ina Lenke
Jörn Wunderlich
Britta Haßelmann

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja

Seifert, Karin Binder, Dr. Lothar Bisky, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Einsetzung einer Enquete-Kommission „Ethik,
Recht und Finanzierung des Wohnens mit
Assistenz (Heim-Enquete)“

– zu dem Antrag der Abgeordneten Jörn
Wunderlich, Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Heimbericht im Bundestag diskutieren –
Missstände offenlegen und bekämpfen

– Drucksachen 16/1267, 16/3696, 16/6075 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Markus Grübel
Angelika Graf (Rosenheim)

Ina Lenke
Jörn Wunderlich
Britta Haßelmann

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(C (D Zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung über en Bericht zur Lage der älteren Generation liegt ein ntschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine Stunde vorgesehen. Gibt es dazu Wierspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so bechlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rederin der Kollegin Antje Blumenthal von der CDU/ SU-Fraktion das Wort. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe olleginnen und Kollegen! „Alter ist nicht das Ende; Aler ist die Ernte.“ – Ernst Bloch hatte zu Beginn des letzen Jahrhunderts ein Bild des Alters vor Augen, das für ns heute mehr denn je ein Leitbild für die Zukunft sein ollte. Dieses Bild kann uns einen Weg weisen, auf dem ie demografische Entwicklung nicht mehr als Bedroung, ja mitunter sogar als Schreckgespenst, sondern als roße Chance für gesellschaftliche Entwicklung, Bechäftigung und wirtschaftliches Wachstum angesehen ird. Ein durchweg solides Fundament, um diesen Weg poitisch zu gestalten, ist der fünfte Altenbericht der Bunesregierung. Mit der Festlegung des Themas „Poteniale des Alters in Wirtschaft und Gesellschaft“ verfolgt ie Altenberichtskommission das Ziel, die bislang von inanziellen und gesundheitlichen Argumenten geprägte iskussion über den demografischen Wandel neu zu jus ieren und sie an den Chancen und Möglichkeiten dieses andels auszurichten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Antje Blumenthal (CDU):
Rede ID: ID1611511300

an möchte fast sagen: Endlich fangen wir an, uns aus-
iebig mit den positiven Seiten des Älterwerdens aus-
inanderzusetzen.

Mit der Formulierung ihrer Handlungsempfehlung
eistert die Altenberichtskommission eine heikle
ratwanderung. Sie gelingt ihr, indem sie in den Emp-

ehlungen die „Ernte“ des Alters nicht ausschließlich als
ndividuellen Nutzen darstellt, sondern ihren gesamtge-
ellschaftlichen Ertrag und damit ihren Beitrag zum Zu-
ammenhalt der Generationen in den Vordergrund stellt.

Wir haben in unserem Entschließungsantrag Forde-
ungen formuliert, mit denen wir diese Ernte rasch und
hne Einbußen einfahren wollen. Wir können dabei auf
erausragende Initiativen der Bundesregierung auf-
auen, so etwa beim bürgerschaftlichen Engagement, bei
er Entwicklung neuer Wohnformen und bei der Senio-
enwirtschaft. Damit werden nicht nur die Potenziale der
lteren Menschen selbst gestärkt, sondern es ist uns ein
benso wichtiges Anliegen, dass das Alter als ein Le-
ensabschnitt verstanden wird, von dessen Möglichkei-
en die ganze Gesellschaft in hohem Maße profitieren
ann. Wir alle kennen das schließlich aus eigener Erfah-
ung – die Älteren unter uns genauso wie die Jüngeren –:
m Bewusstsein hält sich immer noch hartnäckig die

11848 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Antje Blumenthal
Vorstellung, im Alter sei man generell weniger einsatz-
fähig, weniger tatkräftig und kreativ sei man schon gar
nicht.

Die Herausforderung ist deshalb, diesen Negativsze-
narien ein differenziertes Altersbild entgegenzustellen,
das die vielfältigen Potenziale des Alters klar und deut-
lich hervorhebt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte an dieser Stelle drei der zentralen Aspekte
unserer Entschließung vorstellen:

Zu den drängendsten Aufgaben zählt aus unserer
Sicht die Integration älterer Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer in den Arbeitsmarkt.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Richtig!)


Es ist eine logische Konsequenz aus der demografischen
Entwicklung: Sie ist unverzichtbar für den weiteren wirt-
schaftlichen Erfolg Deutschlands.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Gerade ältere Menschen verfügen über einen immen-
sen Wissens- und Erfahrungsschatz. Eine Gesellschaft
des langen Lebens kann es sich schlicht nicht leisten, auf
diese Ressourcen noch länger zu verzichten. Um auch
hier bei Ernst Bloch zu bleiben: Worin liegt denn bitte
der Sinn, ein Arbeitsleben lang in Fertigkeiten und Qua-
lifikationen zu investieren, ohne dann die vielen Früchte
ernten zu wollen?

Wir arbeiten deshalb weiter daran, Einstellungsbarrie-
ren für ältere Arbeitnehmer abzubauen. Man muss sich
dabei auch die Frage gefallen lassen, ob die gegenwärti-
gen Altersgrenzen für die Ausübung von Berufen noch
zeitgemäß sind. Wir haben uns deshalb entschieden, die
Altersgrenzen auf den Prüfstand zu stellen und sie, wo es
möglich ist, flexibler zu gestalten. Ich glaube, viele aus
unseren Reihen können hier genügend Beispiele für
nicht nachvollziehbare Altersgrenzen bzw. -schranken
anführen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Wir geben damit älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmern mehr Entscheidungsfreiheit in der Frage, wann
sie aus ihrer beruflichen Tätigkeit ausscheiden möchten.

Meine Damen und Herren, eine ganz wesentliche Vo-
raussetzung, um die Potenziale des Alters in Wirtschaft
und Gesellschaft besser nutzen zu können, ist ein ausrei-
chendes Maß an Bildung und Qualifikation. Bildung ist
ein Thema für Jung und Alt – auch das gehört zu einem
neuen Altersbild. Ältere Menschen haben im Vergleich
zu früheren Generationen im Durchschnitt ein höheres
Bildungsniveau, ein breiteres Spektrum von Interessen
und Kompetenzen und ein umfangreicheres Erfahrungs-
wissen. Damit diese Potenziale im nachberuflichen Le-
ben wie auch in der Arbeitswelt gestärkt werden können,
müssen wir die Erwachsenenbildung weiter voranbrin-
gen.

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(C (D Lebenslanges berufsbezogenes Lernen und lebensange allgemeine Lernprozesse sind die richtigen Mittel, m die Beschäftigungsfähigkeit im Alter zu erhalten und ie gesellschaftliche Teilhabe zu sichern. Dazu gehört atürlich genauso eine altersgerechte Arbeitswelt. Hier etzen wir mit unserer Entschließung an: In Zusammenrbeit mit den Ländern wollen wir die Lernund Weiterildungsmöglichkeiten in der Erwerbsund in der Nachrwerbsphase deutlich ausbauen und stärken. Natürlich uss auch die Zertifizierung von erworbenen Kenntnis en und Fertigkeiten weiter gefördert werden. Die Bilungsbeteiligung niedrig qualifizierter Menschen soll nd muss sich in Zukunft deutlich erhöhen. Zu den großen Herausforderungen gehört eindeutig uch die bessere Nutzung der Potenziale der Seniorenirtschaft. Die Nachfrage nach Produkten und Dienst eistungen für ältere Menschen wird in Zukunft weiter unehmen. Die Wachstumschancen der deutschen Wirtchaft werden künftig also auch davon abhängen, wie ut Produkte und Dienstleistungen auf den „Silbermärken“ an die Interessen und Bedürfnisse der „Silberüchse“, der älteren Menschen, angepasst werden. Wir müssen die Generation 60 plus – heute las ich in iner Zeitung den Begriff 50 plus; jetzt fühlen sich hier ahrscheinlich einige mehr angesprochen – endlich als ouveräne Konsumenten ansehen. Auch das gehört zu inem neuen Bild des Alters. Deshalb brauchen wir eien Masterplan für die Wirtschaftskraft der Generation 0 plus bzw. der Generation 50 plus, mit dem gleicheraßen Nachfrage und Angebot analysiert werden, in em Verbraucherschutz zur Grundlage gemacht wird nd die Bedürfnisse Älterer berücksichtigt werden. Meine Damen und Herren, dies sind aus unserer Sicht rei zentrale Maßnahmen, die dazu beitragen werden, ie Potenziale des Alters in Wirtschaft und Gesellschaft esser als bisher zu nutzen. „Das Alter ist nicht das nde, sondern die Ernte“, um noch einmal mit Ernst loch zu sprechen. Mit unserem Antrag leisten wir einen ichtigen Beitrag dafür, dass diese Ernte sowohl für den inzelnen als auch für die Gesellschaft möglichst reich usfällt. Stellen wir uns also den Herausforderungen und eben wir vor allen Dingen nicht länger nach dem Motto: lt sind nur die anderen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611511400

Das Wort hat jetzt die Kollegin Sibylle Laurischk von

er FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Sibylle Laurischk (FDP):
Rede ID: ID1611511500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem

ünften Altenbericht rückt ein Lebensabschnitt in den
okus unseres Interesses, der von der Politik bisher zu
enig beachtet wurde. Das ist klar; denn Senioren sind

mmer die anderen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11849


(A) )



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Sibylle Laurischk
In einer alternden Gesellschaft müssen wir uns die
Potenziale des Alters besonders verdeutlichen, um den
Menschen ein selbstbestimmtes, ein eigen- und mitver-
antwortliches Leben bis in die Hochaltrigkeit zu ermög-
lichen. Ich halte dies für einen urliberalen Denkansatz.


(Beifall bei der FDP)


Die Angst vor Abhängigkeit und Gebrechlichkeit ist
doch das Tabu beim Stichwort Alter. Gerade deshalb will
die FDP-Fraktion, dass auch ältere Menschen ein Ge-
winn für jede Gesellschaft sind, den wir erschließen
müssen.

Es ist das Verdienst des fünften Altenberichts, dass
damit belastbare Zahlen für die Zukunft des Alters gelie-
fert und gleichzeitig die Möglichkeiten der Gestaltung
durch die staatlichen und gesellschaftlichen Rahmenbe-
dingungen aufgezeigt werden. Ältere Menschen dürfen
nicht nur als Wähler, sondern müssen auch als selbstbe-
wusste Bürger mit dem Anspruch auf Teilhabe und Mit-
einander von Interesse sein.

Die überwiegende Mehrheit der 60 bis 80 Jahre alten
Menschen ist körperlich fit. Lediglich 5 Prozent sind
pflegebedürftig. Die Öffentlichkeit muss und wird – da-
von bin ich überzeugt – das Leistungsvermögen und die
Leistungsbereitschaft der Älteren in allen gesellschaftli-
chen Bereichen anerkennen, akzeptieren und fördern.
Anders haben wir keine Zukunft.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU])


Dazu gehört auch die kulturelle Frage unseres Selbstver-
ständnisses, wie wir mit dem großen und eben nicht ma-
teriellen Kapital von Gedächtnis und Erfahrungswissen
der älteren Generation umgehen und wie wir es für die
ganze Gesellschaft fruchtbar machen.

Bei der Beurteilung der materiellen Situation durch
den fünften Altenbericht fühlt sich die FDP-Fraktion in
ihrer Forderung bestätigt, die Altersversorgung durch ein
kapitalgedecktes System zu stärken, um Altersarmut
vorzubeugen. Dass von Altersarmut eher Frauen betrof-
fen sind, haben wir in unserem Entschließungsantrag
kritisch deutlich gemacht. Erwerbsbiografien und damit
Rentenbeitragsjahre sind bei Frauen oft löchrig, da sie
sich der Familie gewidmet haben. Aber auch Männer
wird dies mit Zunahme der Arbeitslosigkeit treffen.

Teilhabe bedeutet, mitmachen zu können und zu dür-
fen. Die FDP-Fraktion sieht in den Möglichkeiten zur
Frühverrentung den völlig falschen Weg.


(Beifall bei der FDP)


Damit wurden viele Menschen aus dem Erwerbsleben
ausgesteuert, die noch voller Schaffenskraft sind. Des-
halb fordert die FDP-Fraktion den flexiblen Eintritt in
den Ruhestand vom 60. Lebensjahr an bei Abschaffung
jeglicher Alters- und Zuverdienstgrenzen, wie Sie, Frau
Blumenthal, das gerade auch gefordert haben.


(Beifall bei der FDP)


Die Unternehmen sollten die Älteren nicht nur als
Konsumenten entdecken. Ältere bilden einen erhebli-

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(C (D hen Nachfragermarkt, wenn es denn die richtigen Proukte gibt. Sie sind auch in der Entwicklung und Hertellung gefragt. Es ist nicht zu verstehen, dass in circa 0 Prozent aller deutschen Unternehmen keine Arbeitehmer über 50 Jahre mehr zu finden sind. Nicht nur, ass damit die Älteren ausgegrenzt sind: Es ist auch ein öllig falsches Signal an die Jungen, wenn ihnen vorgeebt wird, dass das bisherige Leben, zu dem selbstvertändlich auch das Erwerbsleben gehört, nach Erreichen es 50. Lebensjahres vorüber ist. In altersgemischten Teams kann generationenüberreifender Austausch im Erwerbsleben geübt und die Inovationskraft sowie das Erfahrungswissen der Älteren ützlich werden. Für die Beschäftigung Älterer müssen arüber hinaus die Arbeitsbedingungen angepasst weren. Dazu gehören flexible Arbeitszeitmodelle wie auch ie Möglichkeit eines Lebensarbeitszeitkontos, das soenannte Sabbaticals – also freie Zeit – zur Verfolgung ersönlicher Ziele zulässt. Den Unternehmen muss und ird es wichtig werden, die Arbeitsfähigkeit ihrer Mitareiter zu erhalten und sie für Prävention und einen geunden Lebensstil zu gewinnen. Welchen Wert Bildung ür die Prävention hat, wurde im Altenbericht deutlich. in höherer Bildungsstand vermeidet nicht nur frühere rbeitslosigkeit, sondern ermöglicht auch eine gesünere Lebensführung. er Keim für ein gesundes und erfülltes Alter wird also chon in frühen Jahren gelegt und muss lebenslang geflegt werden. Teilhabe ist aber auch mit Ausscheiden aus dem Ererbsleben auf anderen Gebieten gleichwertig möglich. as ehrenamtliche Engagement und die familiäre und achbarschaftliche Vernetzung gewinnen an Bedeutung, icht etwa, um fehlende staatliche Leistungen zu erseten, wie immer von der sogenannten Linken gehöhnt ird, sondern um ureigene menschliche Bedürfnisse ach Nähe und Vertrautheit zu befriedigen. Die Unterstützung von Freiwilligenorganisationen zur rofessionellen Vernetzung von Angebot und Nachfrage hrenamtlichen Engagements muss vorangetrieben weren. Der jüngst eingesetzte Beauftragte für das ehrenmtliche Engagement sollte gerade auf die Leistungsbeeitschaft und das Erfahrungswissen Älterer setzen. (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Das ist der sogenannte Liberalismus!)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


ielversprechende Ansätze gibt es schon in einigen
ommunen. Sie reichen so weit, dass Mitarbeitern mit
em Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ein individuell
bgestimmter Vorschlag für ehrenamtliche Betätigung in
er Kommune unterbreitet wird, was von einem erstaun-
ich hohen Prozentsatz auch angenommen wird. So wird
us dem Ruhestand der Unruhestand.

An dieser Stelle weise ich auch auf das Engagement
on älteren und erfahrenen Bürgern und Bürgerinnen in
en Kommunalparlamenten hin. Mancher Gemeinderat
äre ohne sie aufgeschmissen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


11850 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Sibylle Laurischk
Den älteren Kommunalpolitikern und -politikerinnen
gilt, wie Sie gerade gehört haben, an dieser Stelle auch
der Dank der FDP-Fraktion.

Ein wesentliches Gestaltungsfeld für sicheres und
selbstbestimmtes Leben ist das Wohnen im Alter. Beson-
ders notwendig erscheint der FDP-Fraktion ein transpa-
rentes, auch überregional erstelltes Informationssystem
über die verschiedensten Formen altersgerechten Woh-
nens von der Wohngemeinschaft über genossenschaftli-
ches Wohnen, das Seniorenstift, begleitetes Wohnen bis
hin zur passenden Pflegeeinrichtung.

Das Thema Pflege, das heute mit dem Antrag auf Ein-
setzung einer Heim-Enquete-Kommission auf der Tages-
ordnung steht, berührt tiefe Ängste der Menschen vor ei-
nem Lebensabschnitt, in dem die Selbstbestimmung
zurückzutreten droht hinter Hilflosigkeit und Ausgelie-
fertsein Dritten gegenüber – seien es Angehörige, seien
es fremde, bezahlte Pflegekräfte. Die Zuständigkeit für
das Heimrecht ist nach der Föderalismusreform in die
Kompetenz der Länder übergegangen,


(Zuruf von der FDP: Leider!)


was wir abgelehnt haben.

Die Qualitätssicherung, Transparenz und Kontrolle
von Pflegeleistungen bleibt dennoch eine drängende
Aufgabe der Bundesregierung. Die FDP-Fraktion hat
mit ihrem Antrag Entbürokratisierung der Pflege voran-
treiben – Qualität und Transparenz der stationären
Pflege erhöhen Forderungen aufgestellt, die die Situa-
tion in den Heimen deutlich verbessern werden. Das
Thema Pflegereform steht also an, doch dies lässt sich
nicht mit einer Enquete über das Thema Heime bewälti-
gen. Deshalb werden wir den Antrag der Linken ableh-
nen.


(Beifall bei der FDP)


Die FDP-Fraktion fordert an dieser Stelle Sie, Frau
Ministerin von der Leyen, ausdrücklich auf, Ihrer Aufga-
benstellung für Senioren mehr als bisher zu entsprechen.
Ihrem Engagement für Kinder und Kinderbetreuung
sollte eine vergleichbare Initiative für Senioren gegen-
überstehen.


(Markus Grübel [CDU/CSU]: Oppositionsgebaren!)


Das Stichwort Mehrgenerationenhäuser ist kein ausrei-
chender Beleg, wie erst gestern Abend in den Beratun-
gen des Unterausschusses „Bürgerschaftliches Engage-
ment“ deutlich wurde.

Der fünfte Altenbericht hat deutlich gemacht: Politik
für Ältere ist eine Querschnittsaufgabe, bei der die Res-
sorts Familie, Bildung und Forschung, Soziales, Bauen
und Wohnen, Gesundheit und Wirtschaft auf allen Ebe-
nen unseres Landes – besonders in den Kommunen – in
der Verantwortung stehen, den demografischen Wandel
nicht nur hinzunehmen, sondern als gesellschaftlichen
Aktivposten zu nutzen.

Ein Ausspielen der Generationen gegeneinander ist
dabei völlig unsinnig. Eine Verkürzung des Themas Al-
ter auf materielle Aspekte ist eine sträfliche Vernachläs-

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(C (D igung der eigentlichen sozialen wie menschlichen imensionen eines neuen Altenbildes für Deutschland. Erfreulich ist, dass die Beschlussempfehlung des usschusses die große Übereinstimmung aller Fraktioen bei den Zielen der Politik für Ältere deutlich macht nd dass die Anerkennung der Potenziale, Chancen, reativität und Innovationskraft Älterer Konsens ist, jeenfalls bei denjenigen, die sich ernsthaft damit beschäfigen. So bleibt mir zum Schluss, neben dem fünften Altenericht mit seinen rund 500 Seiten auf eine der vielen ublikationen zum Thema „alternde Gesellschaft“ hinuweisen. Es ist die Studie der Max-Planck-Gesellschaft ur Zukunft des Alterns. Sie bietet die Antwort der Wisenschaft mit einer Vielzahl von Einsichten über den rozess des Alterns. Das Potenzial des Alterns findet ich insbesondere im Begriff der Lebenskunst wieder nd in der manchmal auch mühsamen Erkenntnis, dass ie Selbstdisziplin in der Lebensführung uns länger fit ält. Das Wort hat die Kollegin Angelika Graf von der PD-Fraktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein anges und erfülltes Leben zu führen, ist ein alter Traum er Menschheit. Der medizinische und der technische ortschritt, eine gute Ernährung, aber auch 62 Jahre rieden und Wohlstand in Europa haben uns dieses Gechenk gemacht. Der Blick über unseren europäischen ellerrand hinaus, zum Beispiel in das südliche Afrika der nach Afghanistan – darüber haben wir heute früh esprochen –, zeigt, dass dieses Glück keine Selbstvertändlichkeit ist. Allerdings bedarf die Realisierung diees Traumes sozialer, politischer und ökonomischer Beleitung. Dafür hat die Bundesregierung seit 1994 mit en Altenberichten wissenschaftliche Vorarbeit geleistet. Der fünfte Altenbericht zu Chancen und Potenzialen es Alters, mit dem wir uns heute befassen, ist von Rotrün in Auftrag gegeben worden und war bereits im Jahr 005 fertig. Uns allen gemeinsam ist es durch die hier orliegenden Anträge der Opposition und den Entschlieungsantrag der Koalitionsfraktionen, der Teil unserer eschlussempfehlung ist, gelungen, ihn von der 15. in ie 16. Legislaturperiode hinüberzutragen. Der Bericht hat uns ein weites Feld politischer Betätiung eröffnet. Er gibt in manchen Punkten, zum Beispiel as das Renteneintrittsalter betrifft, unterschiedlichen ewertungen Raum, spricht schwierige Themen wie Al ersarmut an und ist mit Sicherheit nicht stromlinienförig. Ich schätze das sehr. Ich bedanke mich ausdrück ich bei den Mitgliedern der Kommission, die ihn rarbeitet haben, und freue mich, dass der „alte“ Vorsitende der Kommission des fünften Altenberichtes, Herr rofessor Kruse, auch der neue Vorsitzende der Kom Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11851 Angelika Graf mission des sechsten Altenberichtes mit dem Thema Altersbilder ist. Wir brauchen eine neue Alterskultur, ein Leitbild des Alters, welches – darin bin ich sicher – unsere Gesellschaft in positivem Sinne revolutionär verändern wird – nicht nur, dass wir die Potenziale des Alters besser als bisher nutzen und entwickeln müssen. Es mag angesichts einer noch immer hohen Arbeitslosigkeit eigenartig klingen, aber der mit dem Aufschwung einsetzende und von der Industrie lautstark beklagte Fachkräftemangel macht es deutlich: Deutschland kann auf die qualifizierten älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht verzichten. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der FDP)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611511600

(Beifall bei der SPD)

Angelika Graf (SPD):
Rede ID: ID1611511700

(A) )


(B) )


(Beifall bei der SPD)


Wir von der SPD beklagen sehr die Defizite im Bereich
ihrer Fort- und Weiterbildung. Sie werden sich in naher
Zukunft rächen.

Wir müssen vom Jugendwahn wegkommen, der min-
destens die vergangenen zwei Jahrzehnte geprägt hat,
und uns zu einer Gesellschaft entwickeln, die gleichzei-
tig die individuellen Leistungen jedes Einzelnen aner-
kennt und der solidarischen Bewältigung der Schwierig-
keiten, die die demografische Veränderung unserer
Gesellschaft mit sich bringt, mehr Raum gibt. Wir brau-
chen eine grundlegende Kurskorrektur der bisher ju-
gendzentrierten Arbeits- und Beschäftigungspolitik bei
Unternehmensleitungen und Tarifvertragsparteien sowie
in der Arbeitsmarktpolitik. Ich hoffe, dass die Unterneh-
men in Deutschland die entsprechenden Konsequenzen
ziehen und künftig mehr in die Köpfe ihrer Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter, auch der älteren, investieren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich folge der Argumentation des vorliegenden Berich-
tes, dass nur durch die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung
Älterer Lücken auf dem Arbeitsmarkt geschlossen, wirt-
schaftliche Prosperität und gesellschaftliche Entwick-
lung gefördert sowie die Finanzierung der sozialen
Sicherungssysteme gewährleistet werden können. Viel-
leicht ist es kein Zufall, dass wir nicht nur im Bildungs-
bereich neidisch nach Schweden, Norwegen, Dänemark
und Finnland schauen. Mehr Kinder, ein effektiveres
Bildungssystem und vorbildliche Regelungen für die
bessere Einbeziehung älterer Arbeitnehmer in das Ar-
beitsleben: Überall sind sie uns voraus. Ich werde den
Verdacht nicht los, dass all das etwas miteinander zu tun
hat. Die Weichen für das Leben im Alter werden oft
schon in sehr jungen Jahren gestellt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Konsumbedürfnisse älterer Menschen – Stich-
wort Silver Market – werden neue Märkte weltweit er-
schließen und damit einen Weg zu neuen Arbeitsplätzen
auch in Deutschland bauen, aber nur dann, wenn wir die
Chance nutzen und nicht anderen die Entwicklung de-
mografiesensibler Wachstumsfelder und Märkte überlas-

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(C (D en. Das gilt für die Sensorik in der Wohnungsausstatung, das Design von Gebrauchsgeräten, den Tourismus, a sogar für das Feld der Computerspiele ebenso wie für en großen Markt der Gesundheitsdienstleistungen. Cira 1 Million Arbeitnehmer sind in Deutschland bereits m Pflegebereich tätig. Wer viel mit Senioren zu tun hat, der weiß, welchen tellenwert das Thema Gesundheit selbstverständlich in ieser Altersgruppe hat. Die Angst, ein Pflegefall zu erden, nicht mehr unabhängig und selbstbestimmt leen zu können, treibt alte Menschen um. Den Eintritt ieses Ernstfalls durch Prävention möglichst lange hiauszuzögern, muss schon allein wegen dieser Ängste in wichtiges Bemühen unserer politischen Arbeit sein. ie Frage, wie wir wohnen und zusammenleben, muss ns alle umtreiben, wenn wir an die Zukunft denken. In den letzten Monaten haben wir begonnen, uns auf er Grundlage der Eckpunkte mit der Neustrukturierung er Pflegeversicherung zu beschäftigen. Seit dem 0. September liegt der Referentenentwurf vor. In ihm ird eine Reihe von Anregungen des fünften Altenbe ichts aufgenommen. Die Expertenkommission zum ünften Altenbericht hat zum Beispiel deutlich gemacht, ass bei der Betreuung hilfeund pflegebedürftiger enschen durch Eheoder Lebenspartner und Kinder egen des zum Teil fortgeschrittenen Alters der Pflegeersonen bzw. deren Berufstätigkeit hohe Belastungen nd Konflikte auftauchen können. Wie oft haben mir rauen verzweifelt in Sprechstunden erzählt, dass sie ach einer langen Kinderpause gerade wieder Fuß im Ererbsleben gefasst hätten und nun der Pflegefall in der amilie verlange, dass diese Berufstätigkeit wieder aufegeben werden müsse! Die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstäigkeit und Pflege war eine ganz wichtige Forderung im ltenbericht. Die teilstationäre Pflege als eigenständiger flegezweig, die wir nun im Entwurf des Pflegeweiterntwicklungsgesetzes finden, wird helfen, die Überlasung der pflegenden Angehörigen zu mindern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich freue mich, dass es der Ministerin Ulla Schmidt
on der SPD gelungen ist, über das Pflegezeitgesetz zu
egeln, dass sich, ähnlich wie bei der Erkrankung eines
indes, Mann oder Frau für eine gewisse Zeit, zehn
age im Jahr bezahlt und maximal ein halbes Jahr unbe-
ahlt, pflegebedürftigen Familienangehörigen widmen
ann, ohne in einem ständigen Konflikt zwischen Ar-
eitsplatz und Pflege zu stehen. Ich verstehe nicht, dass
an etwas dagegen haben kann, verhindern wir doch da-

urch, dass alte Menschen in ein Heim gegeben werden,
eil sich die pflegenden Angehörigen durch die Situa-

ion überfordert fühlen.

Mit dem Gesetzentwurf zur Pflegeversicherung neh-
en wir ein Thema des vierten Altenberichts auf. Ich

age das deswegen so deutlich, um klarzumachen, wie
ichtig diese Berichte für unsere gesamte politische Ar-
eit sind. Wir greifen nämlich das Problem der Versor-
ung Demenzkranker auf und stärken die ambulante

11852 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Angelika Graf (Rosenheim)

Versorgung sowie die ehrenamtlichen Pflegehilfenetz-
werke. Über die Regelungen zur Absicherung der Pfle-
gequalität setzen wir einen großen Teil der Ergebnisse
des 2003 eingerichteten „Runden Tisches Pflege“ um.
Zu ihnen gehört auch die Charta der Rechte hilfe- und
pflegebedürftiger Menschen. Ich sage das deshalb, weil
heute auf der Tagesordnung auch die Abstimmung über
die Einsetzung einer Heim-Enquete steht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, las-
sen Sie uns die Kraft unserer parlamentarischen Arbeit
in die Begleitung dieser wichtigen Änderung der Pflege-
versicherung setzen.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Dann macht doch mal eine richtige!)


Die Einrichtung einer Heim-Enquete lehnen wir von der
Regierungskoalition ab, zumal nach der bedauerlichen
Verlagerung der Kompetenzen beim Heimrecht auf die
Länder


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Bedauerlich? Das habt ihr doch gemacht!)


der Bund keine Möglichkeit mehr hat, durch seine ei-
gene Gesetzgebungskompetenz eventuell erarbeitete
Verbesserungen wirklich durchzusetzen.

Lassen Sie mich nach diesem kurzen Ausflug zum
Heimrecht wieder zur Breitenwirkung zurückkommen,
die der fünfte Altenbericht in meinen Augen hat. Ich
habe versucht, Ihnen vor Augen zu führen, welchen Ein-
fluss er zum Beispiel auf die Pflege hatte. Ich sehe noch
viele andere Möglichkeiten, die Ergebnisse dieses Be-
richts in unsere Politik, in die Arbeit aller Ressorts und
auf allen politischen Ebenen einfließen zu lassen. Lassen
Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass der fünfte Alten-
bericht noch stärkeren Einfluss hat.

Ich habe es schon am Anfang gesagt: Wir brauchen
eine neue Alterskultur, um den demografischen Wandel
unserer Gesellschaft erfolgreich zu gestalten. Wir brau-
chen eine neue Alterskultur aber auch für uns selbst. Das
gilt auch für mich als sogenannte junge Alte. Wir gestal-
ten damit ganz konkret unsere Zukunft. Alle, die unge-
fähr in meinem Alter oder ein bisschen jünger sind,
möchte ich einladen, dabei mitzumachen. Lesen Sie den
Altenbericht! Es ist eines der spannendsten Bücher über-
haupt.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Elke Reinke [DIE LINKE]: Genau! – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Es zählt nur das gefühlte Alter!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611511800

Das Wort hat jetzt Kollegin Elke Reinke von der

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Elke Reinke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611511900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau von der Leyen, im Sommer verkündeten Sie bei der
Vorstellung Ihres Programms Wirtschaftsfaktor Alter –

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(C (D nternehmen gewinnen, dass Seniorinnen und Senioren ber eine „enorme Kaufkraft“ verfügen und somit einen wachsenden Zukunftsmarkt“ darstellen. So, so: Als irtschaftssubjekte und Konsumenten werden die Se iorinnen und Senioren also schon einmal anerkannt. Wie halten Sie es aber mit der aktiven politischen und esellschaftlichen Teilhabe unserer älteren Menschen? as Alter ist ein Lebensabschnitt mit eigenen Ansprü hen und Bedürfnissen und darf nicht allein auf Rente, flege, Kosten oder Konsum reduziert werden. Es ist ut, dass wir uns diesem Thema widmen und über ein eues Altenbild reden. Wenn Ihnen diese Debatte wirkich wichtig ist, frage ich mich allerdings, warum Sie im aushalt 2008 außer für Mehrgenerationenhäuser kaum ittel einsetzen. Der fünfte Altenbericht zeigt deutlich auf, dass wir ehr denn je eine nachhaltige Seniorenpolitik brauchen, ie für ein neues Altenbild wirbt. Dafür ist aber ein Umenken vonnöten. Seniorenpolitik muss durchgängig als uerschnittsaufgabe begriffen werden und vom Bund is hin zu den Gemeinden wirken. ei allen Entscheidungen, die das Leben von Seniorinen und Senioren unmittelbar betreffen, müssen Senioenvertretungen verbindlich mit einbezogen werden. uch regionale Seniorenbeauftragte könnten den Ein luss der älteren Generation erhöhen. Zum einen darf das in der Öffentlichkeit gezeichnete errbild des demografischen Wandels nicht für den Soialabbau missbraucht werden. Zum anderen dürfen uch nicht Alte gegen Junge ausgespielt werden. ntscheidend ist es, die Fähigkeiten und Erfahrungen älerer und jüngerer Menschen zum Gewinn für alle Geneationen besser zu nutzen und zu fördern. Durch massive soziale Einschnitte wird vor allem die üngere Generation in immer stärkerem Maße „verriesert“ und „verrürupt“. Viele vergessen dabei aber, dass ahlreiche Menschen finanziell gar nicht in der Lage ind, privat vorzusorgen. Wie soll das bei Erwerbslosen der Geringverdienenden auch gehen? Weitere Probleme sehe ich im Bereich Pflege und ohnen. Da gibt es zum Beispiel enorme Qualitätsmän el in verschiedenen Seniorenund Pflegeheimen. Wir prechen hier eben nicht von Einzelfällen. Nicht allein uf diesem Gebiet gibt es noch enormen Klärungsbedarf. Deutlich wird jedoch: Ihre Seniorenpolitik zementiert ltersarmut. An diesem Punkt kommen Sie, liebe Kolleinnen und Kollegen von der Regierungskoalition, in Ihem Entschließungsantrag zum gleichen Ergebnis wie er fünfte Altenbericht auf Seite 220. Ich zitiere aus Ihem Entschließungsantrag: Berechnungen prognostizieren selbst unter der Annahme ununterbrochener Erwerbsverläufe und vol Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11853 Elke Reinke ler Ausnutzung der Fördermöglichkeiten ein sinkendes Niveau des Nettoeinkommens im Alter, sodass aufgrund einer zunehmenden Einkommensungleichheit ein steigendes Armutsrisiko im Alter befürchtet werden muss. Herzlichen Glückwunsch zu dieser weisen Erkenntnis! Dort, wo wir schon lange waren, kommen Sie jetzt endlich an. Noch einmal zum Mitschreiben: Bei durchgängiger Erwerbsarbeit und Einbeziehung der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge wird die Altersarmut trotzdem steigen. (Antje Blumenthal [CDU/CSU]: Stand da überhaupt nicht!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Richtig!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(A) )


(B) )


(Beifall bei der LINKEN)


Altersarmut ist bereits Realität, und es wird nicht bes-
ser werden, sollte es keine Abkehr von Ihrer verfehlten
Politik geben. Armut im Alter: Die Koalition erscheint
ratlos. Die Linke hilft hier gerne auf die Sprünge. Die
Höhe der Alterssicherung darf durch Dämpfungsfakto-
ren und Schutzklauseln im Endeffekt nicht weiter abge-
senkt werden. In der gesetzlichen Rentenversicherung ist
die Lebensstandardsicherung wieder als zentrales Ziel
festzuschreiben.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke bleibt dabei: Nein zur Rente ab 67, nein zur
Zwangsverrentung nach Auslaufen der 58er-Regelung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, selbstbestimmtes
Altern in Würde ist und bleibt ein unveräußerliches
Menschenrecht. Die Linke fordert deshalb: Die politi-
sche Mitwirkung Älterer und Pflegebedürftiger muss in
allen sie betreffenden Lebensbereichen und auf allen
Ebenen gesichert werden. Die soziale und finanzielle Si-
cherheit älterer und pflegebedürftiger Menschen muss
gewährleistet werden. Alter und Pflege dürfen nicht flot-
ten Schrittes in die Armut führen.


(Beifall bei der LINKEN)


Schließlich müssen gesellschaftliche Teilhabe sowie
Selbstbestimmung ausgebaut werden. Altersdiskriminie-
rung muss endlich aufhören. Lassen Sie uns genau hier
die Voraussetzungen dafür schaffen! Nur so entsteht ein
wirklich neues Bild vom Alter.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611512000

Das Wort hat die Kollegin Britta Haßelmann von

Bündnis 90/Die Grünen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611512100

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr

geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kol-
legen! Aus meiner Sicht ist es nicht einfach, umzuschal-
ten: Wir haben bis eben mit dem Innenminister Schäuble
hitzig und sehr kontrovers über die innere Sicherheit ge-
stritten. Dieses Thema war von großer Aufmerksamkeit

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(C (D egleitet. Das Thema, über das wir nun diskutieren, hat ohe Aufmerksamkeit verdient – dafür plädiere ich ganz indeutig –; denn es geht um gesellschaftlichen Zusamenhalt und um Solidarität. Deshalb geht es um uns alle. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Die Zahlen, die den Wandel unserer Gesellschaft be-
egen, sind auch in der Wiederholung beeindruckend: Im
ahr 2050 wird ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger in
iesem Land 60 Jahre und älter sein. Der Anteil der
enschen über 65 wird doppelt so groß sein wie der An-

eil der Menschen unter 20 Jahren. Dieser Trend ist un-
erkennbar. Er lässt sich nicht stoppen und auch nicht
mkehren.

Es ist eine Herausforderung für die eigene Fantasie,
ich eine Gesellschaft vorzustellen, in der das Verhältnis
on Jung und Alt so ganz anders ist, als wir es heute
och kennen. Welches Bild schließlich prägend sein
ird, hängt auch ganz entscheidend davon ab, welches
erhältnis zum Alter wir alle selber transportieren, ent-
ickeln und in die gesellschaftliche Debatte einfließen

assen.

Frau Reinke, da sage ich ganz deutlich: Die Beschäf-
igung mit diesem Thema ist einfach mehr als „Wir neh-

en alle Reformen, die in den letzten fünf Jahren be-
chlossen wurden, zurück, und dann wird alles gut“. Das
erhältnis zwischen der Gesellschaft und den älteren
enschen hat wirklich ganz andere Dimensionen als die
ente mit 67, worüber man auch diskutieren muss. Ich
iederhole: Das, worüber wir hier reden, hat eine ganz

ndere Dimension.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Ich denke, in der Analyse sind wir uns alle einig: Die
rsten Schritte zu einem neuen Verständnis von Alter
ind getan; aber es ist noch ein langer Weg, die bestehen-
en Stereotype aufzubrechen. Wir müssen uns immer
ieder verdeutlichen: Die Teilhabe am gesellschaftli-

hen und kulturellen Leben darf keine Frage des Alters
ein. Es gibt keine magische Linie, bei deren Überschrei-
en plötzlich Stillstand angesagt ist. Fähigkeitsverluste
nd Gebrechlichkeiten sind an kein bestimmtes Alter ge-
unden, auch wenn es noch so viele Vorurteile darüber
ibt. Lebensstil und Bildungsstand und die Einkom-
enssituation von Menschen entscheiden über die Fä-

igkeiten und das Leistungsvermögen.

Tragen Sie diesen Erkenntnissen des fünften Altenbe-
ichts Rechnung! Ältere zeichnen sich längst durch eine
ielfalt der Betätigungswünsche und -möglichkeiten
us. Sie haben in ganz hohem Maße Potenziale zu bie-
en, sei es in sozialen und in kulturellen Netzen, durch
ie Weitergabe von Wissen und Erfahrung, sei es als be-
ehrte Kundinnen und Kunden, als Verbraucherinnen
nd Verbraucher in der wachsenden Branche der Senio-
enwirtschaft. Häufig bleibt dieses Potenzial ungenutzt.
as ist eine Situation, die vor dem Hintergrund der de-
ografischen Entwicklung nicht tragbar ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


11854 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


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Britta Haßelmann
Lassen Sie den Worten endlich Taten folgen! Schaf-
fen Sie die notwendigen Rahmenbedingungen, damit
diese neuen Möglichkeiten der Älteren wirklich ausge-
schöpft werden! Stellen Sie die Partizipation von Älteren
am gesellschaftlichen und kulturellen Leben als Ziel Ih-
rer politischen Maßnahmen in den Vordergrund! Machen
Sie die Selbstbestimmung zum Ausgangspunkt Ihres po-
litischen Handelns! Kurz gefasst: Lassen Sie uns die Po-
tenziale des Alters wirklich nutzen! Ich glaube, dass es
dafür Chancen gibt. Wenn die gesellschaftliche Debatte
von allen befördert wird, haben wir einen breiten Raum
und hoffentlich auch die nötige Unterstützung für dieses
Anliegen.

Schon ein kurzer Blick auf den Arbeitsmarkt verdeut-
licht, wie zwingend notwendig eine Wende der bisheri-
gen Politik bereits heute ist. In den letzten Jahrzehnten
hat die Praxis der Frühverrentung zu einer massiven Un-
terbeschäftigung von Menschen über 55 Jahren geführt
und die Rentenlaufzeiten erheblich verlängert. Zwischen
1960 und 2005 erhöhte sich die Rentenbezugsdauer von
9,9 auf 17,2 Jahre.


(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)


Es sind nicht nur die Kosten der Sozialsysteme, die
hier negativ zu Buche schlagen. Die mangelnde Er-
werbsintegration von Älteren ist auch ein Grund für den
Mangel an Fachkräften, der mit deutlichen Einkom-
mensverlusten für die Unternehmen verbunden ist. Der
Bundesverband der Deutschen Industrie rechnete für das
Jahr 2006 mit Einkommensverlusten von mindestens
3,5 Milliarden Euro allein durch 48 000 nicht besetzte
Ingenieursstellen. Warum also eine so hohe Beschäfti-
gungslosigkeit von Menschen über 50 Jahren? Verlore-
nes Erfahrungswissen und Innovationspotenzial sind an
dieser Stelle gar nicht eingerechnet.

Es ist höchste Zeit, eine Strategie am Arbeitsmarkt zu
verfolgen, die Vorbehalte und Diskriminierung gegen-
über Älteren endlich abbaut und deren Beschäftigungs-
fähigkeit erhöht. Hier, Frau Blumenthal, liebe Kollegin-
nen und Kollegen, hat aus meiner Sicht auch die
Bundesregierung massiven Nachholbedarf.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Sie sind gleichsam aufgefordert, die Weiterbildung
als wesentliches Instrument zum lebenslangen Lernen
weiterzuentwickeln. Wenn es um Neueinstellungen geht,
werden über 50-Jährige von Unternehmen zu 76 Prozent
abgelehnt – ich habe also noch fünf Jahre; ich bin 45 –,
weil sie – so die Aussage – Qualifikationsdefizite haben.
Das muss man sich einmal vorstellen! Bei viel Überein-
stimmung in der Analyse muss ich an dieser Stelle doch
fragen: Wo ist die Bildungsministerin?


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Da haben Sie recht!)


Wo ist der Arbeitsminister, der gemeinsam mit der Fami-
lienministerin konkrete Vorschläge dazu unterbreitet,
wie die Weiterbildungssituation gerade älterer Menschen
wirklich nachhaltig verbessert werden kann und lebens-
langes Lernen implementiert werden kann?

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(C (D Besondere Anstrengungen sind für diejenigen geforert, die eine geringe Qualifikation haben. Noch – das ill ich hier betonen – ist die materielle Situation der äl eren Menschen insgesamt in Deutschland gut. Die Ausirkungen von Arbeitslosigkeit, brüchigen Erwerbsbiorafien und niedrigen Einkommen werden allerdings erst ie nachrückenden Generationen der heute unter 50-Jähigen in vollem Maß zu spüren bekommen. Die Zwangserrentung wird dieses Problem noch verschärfen. Leider ist die Zeit zu kurz, um angemessen auf alle acetten und die Vielfalt des Alters wie auch des Altenerichts einzugehen. Lassen Sie mich an dieser Stelle eshalb nur noch eine kurze Bemerkung zur Reform der flegeversicherung machen. Wir reden beim Altenbericht über die Potenziale, die hancen und den Blick auf diejenigen Älteren, die fit ind, die bei guter Gesundheit sind und die sich ins geellschaftliche Leben einmischen wollen. Aber wir disutieren natürlich auch über die dringend notwendige eform der Pflegeversicherung. Man muss sich einmal larmachen, was sich derzeit in der Koalition abspielt. s gab den Vorschlag der Ministerin Schmidt, zehn Tage flegezeit einzuführen, der von allen öffentlich gefeiert urde. In der Union wird nun gerade mal über drei Tage hne Entgeltanspruch geredet. Damit wird man dieser erausforderung keineswegs gerecht. Denken Sie bitte an die Redezeit. Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Politik – da it meine ich uns alle in diesem Haus – ist gefordert, zu eigen – nicht nur in Reden, sondern auch in konkretem andeln –, dass ihr die Alten in dieser Gesellschaft irklich etwas wert sind. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611512200
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611512300


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611512400

Das Wort hat jetzt der Kollege Paul Lehrieder von der

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1611512500

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

amen und Herren!

Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an.
Mit 66 Jahren, da hat man Spaß daran.

ie Älteren unter uns werden sich daran erinnern; Udo
ürgens hat es vor knapp 30 Jahren gesungen. Ich habe
ieses Zitat nicht deshalb ausgewählt, weil ich ein Fan
er Popmusik bin oder weil wir gestern im Ausschuss

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11855


(A) )



(B) )


Paul Lehrieder
die Förderung der Popmusik beschlossen haben, sondern
ich habe es ganz bewusst im Anblick des Vizepräsiden-
ten Hermann Otto Solms vorgetragen, der genau
66 Jahre alt ist. Sie können sich also bei meiner Rede
immer ein Bild von der Generation machen, von der ich
spreche.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Gut gehalten, der Mann! – Heiterkeit bei der FDP)


Frau Laurischk, Sie haben Recht, viele Kommunal-
parlamente wären ohne die Weisheit und Erfahrungen
unserer älteren Generation ein Stück weit aufgeschmis-
sen; aber auch der Bundestag wäre es. Wir haben
83 Kolleginnen und Kollegen im Alter von über 62 Jah-
ren; so weist es das Bundestagshandbuch aus. Wir wer-
den sie nicht als alte Generation bezeichnen.

Schauen Sie sich doch nur einmal um, meine Damen
und Herren, in unserer Gesellschaft, aber auch hier:
überall junge Alte. Nicht Hilfsbedürftigkeit, Senilität
oder Gebrechlichkeit charakterisieren die sogenannte
goldene Generation, sondern die Mehrheit lebt bis ins
hohe Alter ohne gesundheitliche Beeinträchtigung und
Belastung. Gleichwohl ist der Begriff Alter in unserer
Wahrnehmung überwiegend negativ besetzt.

Der fünfte Altenbericht plädiert daher zu Recht dafür,
neue Bilder zuzulassen. In der Tat brauchen wir ver-
schiedene Vorstellungen nebeneinander, wie man im Al-
ter leben kann. Altern ist schließlich ein höchst individu-
eller Prozess. Die Bundesregierung unterstützt daher
ausdrücklich die Forderung der Kommission, die Hete-
rogenität des Alters zu bejahen. Auch die CDU/CSU-
Fraktion hat sich zum Ziel gesetzt, ein neues Leitbild zu
entwickeln.

Eigentlich müssen wir uns dafür nur die Stärken und
Potenziale des Alters wieder bewusst machen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Jede neue Generation von Seniorinnen und Senioren ist
im Durchschnitt gesünder, besser ausgebildet und vitaler
als ihre Vorgängergeneration und wird im Übrigen im
Schnitt drei Jahre älter als die jeweilige Vorgängergene-
ration; auch dies müssen wir wissen. Ihr Wissen und ihre
Einsatzbereitschaft liegen in unserer Gesellschaft jedoch
noch allzu oft brach. Derzeit werden ältere Menschen
weder in ausreichendem Maße gefördert noch gezielt an-
gesprochen.

Es klafft ein Loch zwischen Vorstellung und Realität.
Schließlich ahnen wir es doch alle oder haben es bereits
erfahren, dass Leistungsfähigkeit, Kreativität und Pro-
duktivität nicht plötzlich mit dem Erreichen der 50er-Al-
tersgrenze verpuffen. Natürlich sind diese Qualitäten
auch jenseits der Lebensmitte vorhanden. Es muss daher
unsere vordringliche Aufgabe sein, die Rahmenbedin-
gungen so zu gestalten, dass die Fähigkeiten und Stärken
älterer Menschen tatsächlich abgefragt werden können
und ihre Kompetenz und Erfahrung wieder zu einem an-
erkannten Beitrag in Wirtschaft und Gesellschaft wer-
den.

Derzeit sind in Deutschland gerade einmal 41 Prozent
der 55- bis 64-Jährigen erwerbstätig. Dem Vorurteil, im

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(C (D lter ließen Leistungskraft und Belastbarkeit nach, muss egegnet werden. Die Potenziale Älterer als Arbeitsräfte werden in Zukunft noch gebraucht werden. Die nitiative 50 plus hat im Hinblick auf die Chancen Älteer am Arbeitsmarkt einen wesentlichen Schritt in diese ichtung getan. Die Verbesserung der Beschäftigungs age der Älteren ist aber nicht allein Aufgabe der Politik. ine entsprechende Ausgestaltung der Tarifverträge und er Verantwortung der Unternehmen ist ebenfalls nötig. Eine Förderung Älterer kann jedoch nur im Kontext iner generationenübergreifenden Perspektive gelingen. ung und Alt dürfen nicht gegeneinander ausgespielt erden. Eine Annäherung und ein gegenseitiges Ver tändnis der Generationen sind und bleiben unverzichtar. Leider werden jedoch im alltäglichen Leben generaionenübergreifende Beziehungen häufig noch als inbahnstraße wahrgenommen. Die Förderung von Mehrgenerationenhäusern, die rau Bundesministerin von der Leyen auf den Weg geracht hat, ist gerade auch unter diesem Blickwinkel imens wichtig; enn hier werden gemeinsames Erleben von Solidarität nd ein wechselseitiger Austausch von Wissen und Erahrung ermöglicht und für Jung und Alt direkt spürbar. ine Patenoma unterstützt beispielsweise eine alleineriehende Mutter und gewinnt für sich selbst Anerkenung sowie das Gefühl, gebraucht zu werden. Als CDU/CSU-Fraktion sehen wir in älteren Menchen längst nicht bloß eine finanzielle Belastung für die esellschaft, sondern sie sind für uns Stützen der Gesell chaft. Durch ihr familiäres und bürgerschaftliches Enagement tragen sie erheblich zur Wertschöpfung bei. Es st erfreulich, dass auch die Wirtschaft das Potenzial und ie Kaufkraft der „Silberfüchse“ erkannt hat. Ein vertärktes Werben um diese Gruppe ist bereits Ausdruck ieser Entwicklung. Eines ist, wie ich glaube, deutlich geworden: Wenn in Mehr an aktiven Jahren nicht nur auf persönlicher bene, sondern für die gesamte Gesellschaft zur Bereiherung werden soll, sind ein Umdenken und differenierte Altersbilder gefragt. Dann kann die Vision einer ltersfreundlichen und durch Solidarität zwischen den enerationen gekennzeichneten Gesellschaft durchaus irklichkeit werden. Ich darf mit dem Einverständnis des Herrn Präsidenen mit einem kurzen Bericht aus der heutigen Ausgabe es Rheinischen Merkur schließen: „Senioren sind imer die anderen.“ Dazu sieht man das Bild einer älteren ame im Sportanzug. Daran zeigt sich, dass die Älteren n Zukunft auch in Bezug auf die körperliche Fitness ür die Gesellschaft immer wertvoller und wichtiger erden. Auch die gestern in Hamburg vorgestellte paschowski-Studie zeigt die Bedürfnisse, das Engageent und auch die Wertschätzung der älteren Generation ür die nächsten Jahrzehnte auf. In diesem Sinne: Mit 6 Jahren, da fängt das Leben an. Danke schön. 11856 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 Das Wort hat der Kollege Dr. Ilja Seifert von der Fraktion Die Linke. Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle gen! Meine Damen und Herren auf der Tribüne! Auch ich gehe nun langsam auf die 60 zu. Also werde ich Gegenstand der nächsten Altenberichte sein. Nun weiß ich, dass persönliche Betroffenheit nicht ausreicht, um als Experte in dieser Sache gelten zu können. Aber ich bin sozusagen mehrfach Gegenstand solcher Berichte: Ich bin behindert, ich bin pflegebedürftig, und ich habe ein befristetes Arbeitsverhältnis, jedenfalls erst einmal noch zwei Jahre. (Markus Grübel [CDU/CSU]: Das geht uns allen so!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(A) )


(B) )

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611512600
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611512700

Ich will darauf hinweisen, dass es nichts Besonderes ist,
dazuzugehören.

Jetzt steht im Vordergrund, die Fähigkeiten und Po-
tenziale der alten Menschen zu stärken. Prima; ich bin
sehr dafür. Aber wir dürfen bei der Gelegenheit nicht
vergessen, dass es Phasen gibt, übrigens auch in jünge-
rem Alter, in denen es nicht so gut geht. Mir ist es nicht
so wichtig, als Silberfuchs umworben oder als Best-Ager
beschimpft – ich finde diese englischen Bezeichnungen
furchtbar – bzw. umworben zu werden, um meine Kauf-
kraft abzuschöpfen, sondern ich möchte, dass man meine
Fähigkeiten auch dann nutzt, wenn sie vielleicht einer
Unterstützung bedürfen, wenn vielleicht Assistenz erfor-
derlich ist, wenn es vielleicht erforderlich ist, gepflegt zu
werden. Das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen,
haben wir viel zu selten im Blick. Solange Menschen
Angst haben und Angst haben müssen, pflegebedürftig
zu werden und vielleicht in ein Heim zu kommen, weil
sie glauben, dass das etwas ganz Furchtbares ist, werden
wir nicht vorankommen mit einem Menschenbild, das
jedes Alter positiv bewertet.

Sie werden heute in großer Geschlossenheit unseren
Vorschlag ablehnen, eine Heim-Enquete einzusetzen.
Das ist auch kein Wunder; wenn wir sie jetzt einsetzen
würden, wäre das viel zu spät. Aber Sie haben unseren
Antrag schon einmal mit der Begründung zurückgewie-
sen: Wir machen ohnehin alles; wir haben keinen Er-
kenntnisbedarf, sondern nur noch einen Handlungsbe-
darf. – Sie handeln aber nicht! Sie beraten sich auch
nicht, und Sie nehmen vor allem nicht die Erfahrungen
derjenigen zur Kenntnis, die etwas einzubringen hätten,
zum Beispiel in einer solchen Heim-Enquete. Sie wei-
gern sich auch, dem Bundestag den Heimbericht vorzu-
legen, obwohl das laut Gesetz Pflicht wäre. Sie haben
ihn erst verzögert, und jetzt behaupten Sie mit Hinweis
auf die Kleinstaaterei, dass das nicht mehr nötig sei.

Ich finde, Sie verweigern sich hier und in der Bevöl-
kerung einer Diskussion, die notwendig wäre und die
dazu beitrüge, ein positives Bild von jedem Lebensalter
zu schaffen und damit auch von den Menschen, die
wirklich auf fremde Hilfe, auf Assistenz, auf den Aus-
gleich altersbedingter Nachteile angewiesen sind.

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(C (D chade; aber ich kann Ihnen androhen: Ich will noch Geenstand vieler Altenberichte sein. Das Wort hat jetzt der Kollege Wolfgang Spanier von er SPD-Fraktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit roßem Wohlwollen habe ich heute die positive Einchätzung der älteren Generation zur Kenntnis genomen. Das tut richtig gut. Der fünfte Altenbericht befasst ich aber nicht nur mit der Lage meiner Generation, also en jetzigen Älteren, sondern er befasst sich – was ich anz wichtig finde – auch mit den Zukunftsperspektiven er älter werdenden Gesellschaft in der Zeit bis zum ahr 2020 und darüber hinaus. Dass der Hintergrund die emografische Entwicklung ist, ist hier schon mehrfach etont worden. Ich glaube, das muss man in diesem aus nicht mehr erläutern. Dass der große Vorzug dieses ltenberichts ist, dass ein verändertes Bild vom Alter argestellt wird, ist auch schon mehrfach gesagt worden. Es ist völlig klar, dass es eine Veränderung in unseren öpfen geben muss. as ist ganz entscheidend. Ich möchte Herrn Dr. Seifert arin recht geben, dass wir zwar ein längeres Leben und inen Zugewinn an aktiven Jahren haben, dass es aber uch das gibt – das gilt vor allen Dingen für die überurchschnittlich schnell anwachsende Zahl der Hochbeagten –, was im Altenbericht „Verletzlichkeit des lters“ genannt wird. Wir dürfen uns das Alter auch icht schönreden. Ich finde dieses neue Altersbild deswegen so wichtig, eil es Zerrbildern des Alters entgegengesetzt wird. Es ibt die schwarzen Katastrophenbilder von einer Gesellchaft, die der Überalterung entgegenwankt, es gibt die chreckensbilder vom Krieg der Generationen und so ancher „mißfeldert“ da so vor sich hin. s gibt aber auch die Einschätzung, die demografische ntwicklung sei nur Vorwand für Sozialabbau. Auch iese Einschätzung nimmt die tatsächliche Entwicklung icht ernst. Ich kann jetzt natürlich nur einige Aspekte ansprehen, weil dieser Altenbericht sehr gehaltvoll und umangreich ist. Es muss sich etwas in den Köpfen der andwerksmeister und Personalchefs ändern. s ist unumgänglich – das betont der Altenbericht –, ass die Erwerbsquote der Älteren – und zwar der Alersgruppe der 55bis 64-Jährigen, womit die Jüngeren ier im Hause gemeint sind – deutlich ansteigen muss. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11857 Wolfgang Spanier Frau Graf hat vorhin darauf hingewiesen, dass das geht; es gibt Länder in der Europäischen Union, die dieses tatsächlich schon geschafft haben. Das ist eine Aufgabe des Gesetzgebers. Von der gegenwärtigen und der alten Bundesregierung gibt es eine Reihe von vernünftigen Initiativen – ich nenne nur die Initiative 50 plus –, die dieses Anliegen durch Förderprogramme voranbringen wollen. Es ist zu Recht gesagt worden, dass das auch Aufgabe der Tarifpolitik sei. Auch da gibt es erste positive Beispiele in einzelnen Branchen. Aber es ist eben auch eine Aufgabe in jedem einzelnen Betrieb. Ein zweiter Aspekt, den der Altenbericht hervorhebt, betrifft die Potenziale des Alters in Familien und privaten Netzwerken verbunden mit der Bedeutung des Ehrenamtes. Ich möchte aus dem Bericht einen Satz zitieren, der einem Sozialdemokraten so richtig aus dem Herzen spricht: Der Zusammenhalt und die Funktionsfähigkeit unserer Gesellschaft beruht auf dem Prinzip der Solidarität. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611512800

(Beifall bei der SPD)

Wolfgang Spanier (SPD):
Rede ID: ID1611512900

(Zuruf des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Richtig!)


(Heiterkeit bei der SPD)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(A) )


(B) )


Das ist ein ganz wichtiger Satz. Es geht um die Solidari-
tät zwischen Alt und Jung sowie zwischen älteren und
noch älteren Menschen. An dieser Stelle möchte ich aus
gegebenem Anlass darauf hinweisen, dass wir die Ein-
richtung der Mehrgenerationenhäuser voll und ganz un-
terstützen. Frau Ministerin, auch die Öffentlichkeitsar-
beit, die dafür gemacht wird, und die Evaluation halten
wir für äußerst wichtig. Das sollen ja Leuchttürme sein,
die ausstrahlen. Es soll nicht nur in jedem Landkreis ein
Einzelprojekt bleiben, sondern es sollen Leuchtturmpro-
jekte mit Ausstrahlung sein.

Ich komme zur Generationensolidarität: Im Altenbe-
richt wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es ei-
nen notwendigen Zusammenhang zwischen einer kin-
derfreundlichen Gesellschaft und der Förderung der
Potenziale des Alters gibt. Das ist ein ganz wichtiger
Punkt. Wenn wir also über das neue Altersbild reden,
müssen wir auch darüber reden, wie wir in unserer Ge-
sellschaft mit Kindern umgehen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich sage es einmal ganz einfach: Wir brauchen jedes
einzelne Kind und jeden einzelnen Jugendlichen. Uns
sind natürlich diejenigen 2 Millionen Kinder, die sozial
benachteiligt sind, ganz besonders wichtig. Deswegen
hat es auch etwas mit dem Anliegen des Altenberichts zu
tun, dass es uns jetzt in einem zweiten großen Schritt,
nachdem der erste in der letzten Legislaturperiode getan
worden ist, gelingt, die frühe Förderung und Bildung un-
serer Kinder endlich ein großes Stück nach vorne zu
bringen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dass wir in Deutschland noch große Defizite haben, was
den Bildungsbereich insgesamt betrifft, möchte ich an
dieser Stelle nur kurz andeuten.

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(C (D Zur Generationensolidarität gehört auch das Thema flege. An dem Begriff „Verletzlichkeit des Alters“ – um iesen Begriff aus dem Altenbericht aufzugreifen – wird ieses Thema besonders anschaulich. Herr Seifert, ich öchte einige Anmerkungen zu Ihnen machen: Wir vereigern uns nicht einen Moment, bitte – der Veränderung in den Heimen. n Ihrem Wahlkreis hat sich sicherlich so wie in meinem n Ostwestfalen die Struktur der Heime schon längst tark verändert. Man setzt auf gemeinschaftliche Wohnormen. Die großen Einrichtungen – bei mir zu Hause ibt es sehr große Behinderteneinrichtungen; Bethel in ielefeld ist allen bekannt – haben schon längst Plätze usgegliedert und Außenstellen eingerichtet, um diese roßen Strukturen ein Stück weit aufzulösen. Ich glaube, as muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Was das Heimgesetz betrifft: Wir alle, die wir hier itzen, haben dafür gestritten, dass diese Aufgabe in der ompetenz des Bundes bleibt. Aber alle Bundesländer wirklich alle, auch diejenigen, in denen Ihre Partei, amals noch „PDS“ genannt, an der Regierung beteiligt ar – haben sich bis zuletzt dagegen gewehrt; das muss an einfach zur Kenntnis nehmen. Dass der Entwurf zum Pflegegesetz die Anforderunen, die im Altenbericht gestellt werden, erfüllt und ein roßer Fortschritt ist, hat Frau Graf gerade betont. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch die Disussion über die eventuelle Gewährung von zehn Tagen ezahlten Urlaubs ansprechen. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind umstritten!)


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Doch!)


ie Vereinbarkeit von Familie und Beruf sollte doch
icht nur für die Betreuung von Kindern gelten, sondern
uch für die Betreuung und Pflege der Eltern.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ei Erkrankung von Kindern ist die Gewährung von
ehn Tagen bezahlten Urlaubs gängige Praxis und selbst-
erständlich. Ich weiß nicht, aus welchen prinzipiellen
rwägungen man das bei der Pflege der Eltern verwei-
ert. Darüber sollte man noch einmal nachdenken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ganz entscheidend ist, dass mit der Reform der Pfle-
eversicherung Rahmenbedingungen geschaffen wer-
en, um die häusliche Pflege durch finanzielle Entlas-
ungen, Beratung und andere Hilfen zu erleichtern und
u ermöglichen, dem Wunsch vieler in meiner Genera-
ion nach anderen bzw. gemeinschaftlichen Wohnformen
m Alter nachzukommen. Hier ist ein großer gesell-
chaftlicher Fortschritt festzustellen.

Der Altenbericht gibt eine Menge Empfehlungen, die
an sicherlich jeweils einzeln auf den Prüfstand stellen
uss. Im Hinblick auf die generelle Perspektive dieses

11858 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Wolfgang Spanier
Altenberichts ist von ganz entscheidender Bedeutung – da
sind jetzt die 50- und 40-Jährigen gemeint –, ob es uns
wirklich gelingt, das Prinzip der Solidarität in unserer Ge-
sellschaft durchzusetzen. Das gelingt auf keinen Fall,
wenn wir Jung gegen Alt ausspielen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das sagt nicht nur der Altenbericht, sondern ist, wie ich
glaube, letztlich die Überzeugung von uns allen.

Ich stelle überhaupt fest, dass in den Grundlinien ein
breiter Konsens herrscht.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Gott sei Dank!)


Natürlich müssen wir über die einzelnen Bereiche und
die einzelnen Maßnahmen intensiv diskutieren, sicher-
lich auch über das Thema der drohenden Altersarmut.
Ich will überhaupt nicht verschweigen, dass das ein ernst
zu nehmendes Thema ist. Ich bin froh, dass wir, wenn
ich mich hier so umschaue, über die Generationengren-
zen hinweg eine gemeinsame Linie haben.

Jetzt habe ich eine Bitte: Wir haben in diesem Parla-
ment über den Kinder- und Jugendbericht diskutiert und
waren alle voll des Lobes. Wir haben über den Familien-
bericht diskutiert und waren alle voll des Lobes. Auch
heute: einheitliche Lobpreisung des fünften Altenbe-
richts. Der Bildungsbericht sei der Vollständigkeit halber
auch noch erwähnt. Wir müssen aufpassen, dass wir
diese Berichte nicht hier in einstündigen Debatten abfei-
ern und dann in die Regale packen.


(Beifall der Abg. Angelika Graf [Rosenheim] [SPD])


Weil diese gesellschaftliche Veränderung unumkehr-
bar, unausweichlich und bereits voll im Gange ist, soll-
ten wir das, was hier oft miteinander verzahnt vorgestellt
und vorgeschlagen wird, wirklich ernst nehmen und ver-
suchen, den mühsamen Weg der praktischen Umsetzung
gemeinsam zu gehen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611513000

Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt

erteile ich das Wort dem Kollegen Markus Grübel von
der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Markus Grübel (CDU):
Rede ID: ID1611513100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im

Gegensatz zu den meisten meiner Vorredner möchte ich
den Schwerpunkt meiner Rede nicht auf den fünften Al-
tenbericht „Potenziale des Alters in Wirtschaft und Ge-
sellschaft“ legen. Hierzu wurde schon viel ausgeführt.
Ich möchte stattdessen auf die beiden Anträge der Frak-
tion Die Linke zu den Themen „Heim-Enquete einrich-
ten“ und „Heimbericht im Bundestag diskutieren“ einge-
hen.

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(C (D Herr Dr. Seifert, beide Anträge behandeln bedeutame Themen und berechtigte Anliegen, über die wir im uständigen Ausschuss schon ausführlich diskutiert haen. Zudem stand der Antrag „Heimbericht im Bundesag diskutieren – Missstände offenlegen und bekämpfen“ chon am 1. Februar auf der Tagesordnung des Deutchen Bundestages. Auf der Internetseite des Familieninisteriums war er für jeden abrufbar. Jeder konnte ihn uswerten. Trotzdem möchte ich auf einige Punkte eingehen. Wir ehnen die Anträge aus zwei wichtigen Gründen ab: Erstens ist die Zuständigkeit für die öffentlich-rechtichen Vorschriften des Heimrechts durch die Föderalisusreform auf die Länder übergegangen. Man kann da über durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Man ann das für gut halten oder nicht. Fakt ist aber, dass das o ist. Zu diesen Vorschriften gehört auch die Berichtsflicht nach § 22 Heimgesetz. Es ist nicht sinnvoll, hier ber etwas zu diskutieren, für das die Zuständigkeit icht mehr bei uns liegt. Wir würden Erwartungen weken und am Schluss würde das Gefühl bleiben: Die disutieren, aber wollen nicht handeln. Wir können in dieem Bereich nicht mehr handeln. Das ist jetzt eine ufgabe der Länder. Beim Bund verbleibt nur das Heimertragsrecht, und das ist der weniger spannende Teil. Herr Kollege Grübel, gestatten Sie eine Zwischen rage des Kollegen Seifert? Ja. Bitte schön, Herr Seifert. Lieber Herr Kollege, können Sie mir denn wenigstens ahin gehend zustimmen, dass es etwas anderes ist, ob er Bericht irgendwo im Internet eingestellt wird oder ier im Deutschen Bundestag darüber diskutiert wird, elche Verantwortung der Staat hat – Stichwort Rahenbedingungen –, damit Menschen, die in Heimen und nderen Einrichtungen untergebracht sind, ihr Leben elbstbestimmt leben, ihre Persönlichkeit frei entfalten nd an der Gesellschaft teilhaben können, und zwar wie, o und wann sie wollen? Ich habe bereits in meiner Einleitung gesagt, dass das edeutsame Themen und berechtigte Anliegen sind. Wir üssen aber feststellen, dass wir für dieses Thema nicht ehr zuständig sind. Der Bericht war für jeden zugänglich. Er stand bereits m 1. Februar auf der Tagesordnung. Wir haben damals icht darüber diskutiert, weil alle Reden zu Protokoll geeben wurden. Das geschäftsleitende Gremium hat das hema erst für den späten Abend Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11859 )

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611513200
Markus Grübel (CDU):
Rede ID: ID1611513300
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611513400
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611513500
Markus Grübel (CDU):
Rede ID: ID1611513600

(A) )


Markus Grübel

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nacht!)

bzw. für die Nacht – ich glaube, es war nachts um 3 Uhr –
angesetzt. Um 3 Uhr hätten wir wahrscheinlich weder Zu-
schauer noch Zuhörer gehabt, noch wären Kolleginnen
oder Kollegen im Plenum gewesen.

Ich möchte auf den zweiten Grund eingehen: Wir ha-
ben lange genug über die Pflegesituation in Deutschland
diskutiert. Der „Runde Tisch Pflege“ hat seine Ergeb-
nisse bereits vorgelegt. Zusätzlich eine Heim-Enquete
einzurichten, würde bedeuten, dass nötige Maßnahmen
um Jahre verzögert würden. Eine Heim-Enquete ist we-
nig sinnvoll, wenn man gleichzeitig Gesetzgebungsvor-
haben auf den Weg bringen will. Eine Verzögerung kann
aber keiner wollen. Jetzt ist die Zeit für Taten.

Dennoch haben Sie durchaus – ich habe das vorhin
schon gesagt – wichtige und richtige Punkte genannt, die
auch in der Koalitionsvereinbarung der Großen Koali-
tion behandelt wurden. Zur Qualitätssicherung in den
Heimen möchte ich Folgendes anmerken: Entgegen Ih-
rer Wertung in der Begründung Ihres Antrages kommt
der sogenannte Heimbericht – Seite 2, Mitte – zu folgen-
der Einschätzung – Zitat –:

Die Qualität der stationären Versorgung ist, wie die
Fakten dieses Berichts belegen, erheblich besser,
als es öffentlich geführte Debatten und einzelne Be-
richte gelegentlich vermuten lassen. Gute Pflege
und Betreuung ist möglich und wird in den Heimen
grundsätzlich auch praktiziert.

Man sollte sich also hüten, das Leben in Heimen pau-
schal schlechtzureden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Gerade der jetzt vorgelegte Prüfbericht des Medizini-
schen Dienstes der Krankenkassen zeigt, dass sich die
Ergebnisse im Vergleich zum ersten Bericht verbessert
haben.

An dieser Stelle möchte ich allen Pflegerinnen und
Pflegern und dem ganzen sonstigen Personal in den Hei-
men für ihre schwere Arbeit danken. Das ist, wie ich
finde, eine wichtige, schöne und verantwortungsvolle
Aufgabe.


(Beifall im ganzen Hause)


Trotzdem – da geben mir bestimmt alle recht – dürfen
wir uns nicht damit zufriedengeben, wenn bei rund
10 Prozent der Heimbewohner und 6 Prozent der ambu-
lant Betreuten ein kritischer Gesundheitszustand festge-
stellt wird. Diese Prozentsätze sind immer noch zu hoch.
Genau da wollen wir mit der Pflegereform ansetzen. Seit
einigen Tagen liegt der Referentenentwurf auf dem
Tisch.

Zukünftig sollen die Ergebnisse der Pflegequalitäts-
prüfungen des Medizinischen Kontrolldienstes in allge-
meinverständlicher Sprache verfasst und veröffentlicht
werden. Dies wird zu mehr Transparenz und zu einer
besseren Qualität führen. Gerade für Menschen, die ei-

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(C (D en Heimplatz suchen, und deren Angehörige wird dies ine wichtige Hilfestellung sein. Bisher können die enschen nur sehen: Was kostet das Heim, und welche eistungen werden angeboten? Vielleicht können sie ich bei einem Besuch des Hauses auch einen ersten Einruck verschaffen. Aber sie können nicht wirklich beureilen, ob es gravierende Mängel, Beanstandungen oder hnliches gibt. Denn das Recht, § 115 SGB XI, verbie et es heute ausdrücklich, dass diese Berichte an Dritte eitergegeben werden. Im heutigen Zustand sind die Berichte für die Allgeeinheit wenig aussagekräftig. Man muss andere Dar tellungsformen wählen; man muss Inhalte auch gewichen. Wenn der Fußboden in der Wäscherei zu glatt ist, ag das zu einer Beanstandung durch den Arbeitsschutz ühren; es wird aber den, der im Heim wohnen wird, weig interessieren. Anderes, zum Beispiel Mängel bei der flege, wird ihn sehr wohl interessieren. Denn das teurste Heim muss nicht das beste sein. Darum wird es ichtig sein, diese Prüfberichte zu veröffentlichen und en Menschen einen Eindruck von der Qualität der Einichtung zu geben. Das wollen wir mit diesem Gesetz emeinsam erreichen. Wir wollen die Pflegereform auf den Weg bringen. ir wollen keine neuen Gremien schaffen und keine euen Diskussionsrunden einrichten. Das ist bestimmt m Interesse aller hier im Saal. Herzlichen Dank. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Auschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf rucksache 16/6366 zu der Unterrichtung durch die undesregierung Fünfter Bericht zur Lage der älteren eneration in der Bundesrepublik Deutschland, Druck ache 16/2190, und zu weiteren Vorlagen. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Bechlussempfehlung, in Kenntnis der Unterrichtung eine ntschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Bechlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer entält sich? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen it den Stimmen aller Fraktionen bei Enthaltung der DP-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung es Entschließungsantrags der Fraktion der FDP auf rucksache 16/4219 zu dem Bericht der Bundesregie ung. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Geenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehung ist angenommen mit den Stimmen der oalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Geenstimmen der FDP-Fraktion und Enthaltung der Frakion Bündnis 90/Die Grünen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 seier Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags 11860 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/4163 mit dem Titel Das neue Bild vom Alter – Vielfalt und Potenziale anerkennen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen, wiederum mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/6428. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der FDPFraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke. Tagesordnungspunkt 5 b, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf Drucksache 16/6075. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/1267 mit dem Titel Einsetzung einer Enquete-Kommission „Ethik, Recht und Finanzierung des Wohnens mit Assistenz empfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/3696 mit dem Titel Heimbericht im Bundestag diskutieren – Missstände offenlegen und bekämpfen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der FDP-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf: Beratung des Berichts des Petitionsausschusses Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahr 2006 – Drucksache 16/6270 – Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Zu einer einführenden Erklärung hat zunächst das Wort die Kollegin Kersten Naumann von der Fraktion Die Linke. K B b g d s g s d d d d I v i g m d v g h – B k w a d d w o r s f B s I c s d ö s n t d z n d v r k b h n (C (D Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe olleginnen und Kollegen vom Ausschussdienst! Zum erichtsjahr des Petitionsausschusses kann ich zunächst ilanzieren: Die Anzahl der Petitionen ist, wenn auch in eringem Umfang, zurückgegangen. Statistiker, die sich aran erfreuen, wenn alles größer wird, werden jetzt aufchreien. Für die Bürgerinnen und Bürger wäre es dageen das Schönste, wenn es gar keine Bitten und Bechwerden geben müsste. Das hätte natürlich auch für ie Bundesregierung und ihre Behörden im Hinblick auf as Arbeitspensum große Vorteile. Wenn man allerdings ie Zahlen des Jahres 2006 betrachtet, weiß man, dass ies nur ein Traum bleiben wird. Im Jahr 2006 gingen insgesamt 16 766 Eingaben ein. m gleichen Zeitraum wurden jedoch 20 299 Petitionen om Ausschuss behandelt, also nahezu 4 000 mehr, als m Berichtszeitraum eingingen. Dies liegt daran, dass roße Überhänge aus dem Vorjahr abgearbeitet werden ussten. Die nach wie vor hohe Zahl der Eingaben zeigt, ass der Petitionsausschuss des Bundestages bei der Beölkerung einen hohen Stellenwert besitzt, dass die Bürerinnen und Bürger großes Vertrauen in seine Arbeit aben. Etwa 35 Prozent der Eingaben im vergangenen Jahr rechnet man die Erledigung von Anfragen mit der itte um Rat oder um Zusendung von Materialien ein – onnten im Sinne der Petenten positiv abgeschlossen erden. Diese Zahl macht deutlich, dass der Petitions usschuss auch eine Art Dienstleistungseinrichtung für ie Bürgerinnen und Bürger ist; sie macht aber ebenfalls eutlich, dass die Arbeitsweise von Behörden oft kritikürdig ist: Die Menschen sehen den Petitionsausschuss ft als letzten Anker, Hilfe und Unterstützung zu erfahen. Die im Jahresbericht zur Tätigkeit des Petitionsauschusses im Jahr 2006 beispielhaft geschilderten Einzelälle belegen eindrucksvoll, wo die Bürgerinnen und ürger der Schuh drückt. Täglich gingen im Durch chnitt circa 65 Zuschriften beim Petitionsausschuss ein. m Jahr 2006 beinhalteten 6 411 Zuschriften – das sind irca 40 Prozent – Bitten zur Gesetzgebung. Als Beipiele seien hier genannt: die Rücknahme der Kürzung er Entfernungspauschale, die Halbierung der Minerallsteuer oder ein dauerhaftes Bleiberecht für ausländiche Mitbürgerinnen und Mitbürger. Mit einem Viertel aller Eingaben ist das Bundesmiisterium für Arbeit und Soziales das am stärksten beroffene Ressort. Dabei war das dominierende Thema ie Rentenversicherung, gefolgt von Eingaben zur Soialhilfe. Dies verdeutlicht, dass das Thema Rente nicht ur ein allgemein viel diskutiertes Thema ist, sondern ass es inzwischen auch in der Betroffenheitsskala einen orderen Rang einnimmt, und dies nun schon seit meheren Jahren. Viele der Eingaben aus diesem Bereich onnten im Berichtszeitraum nicht abschließend beareitet werden, so zum Beispiel die Eingaben, die die Eröhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre betrafen. Mit 13 Prozent der Eingaben nimmt das Bundesmiisterium für Gesundheit die zweite Stelle ein. Beson Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11861 Kersten Naumann ders stark wirkte sich die geplante Reform zur Stärkung des Wettbewerbs zwischen den gesetzlichen Krankenkassen auf der Eingabenseite des zweiten Halbjahres aus. Ein Dauerbrenner waren und – das muss ich mit Bedauern hinzufügen – sind die kritikwürdigen Zustände in manchen Pflegeheimen. Hier sind dem Petitionsausschuss jedoch die Hände gebunden, da für das Heimrecht nicht der Bund zuständig ist, sondern die Länder zuständig sind. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was schade ist!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611513700

(B)


(A) )


(B) )


(2. Ausschuss)


(Beifall bei der LINKEN)

Kersten Naumann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611513800

(A) )


(B) )


Das alles überragende Thema war der Nichtraucher-
schutz, über den auch im Rahmen öffentlicher Petitionen
bzw. in einer öffentlichen Ausschusssitzung mit Petenten
diskutiert wurde. Mir ist natürlich bewusst, dass es auch
in diesem Haus einige gibt, die unter den neuen Be-
schlüssen leiden. Der Ausschuss konnte in der Bevölke-
rung jedoch überwiegend Zuspruch zu den geplanten
Neuregelungen feststellen.

Der größte Rückgang beim Eingang von Petitionen
war im Jahr 2006 beim Bundesministerium des Innern
zu verzeichnen; die Zahl der eingereichten Petitionen
sank von fast 4 000 Eingaben in 2005 auf 1 348 im
Jahr 2006.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles dank Schäuble!)


Stark rückläufig war dabei die Zahl der Petitionen, die
sich auf das Asylrecht bezogen, während Petitionen zum
öffentlichen Dienstrecht nach wie vor einen Schwer-
punkt bildeten.

Ein Beispiel für die Petitionen, die das Bundesminis-
terium des Innern betrafen, ist die Forderung, ein Gesetz
zum Schutz der deutschen Sprache zu beschließen oder
im Grundgesetz den folgenden Artikel aufzunehmen
– ich zitiere –: Die Sprache der Bundesrepublik
Deutschland ist Deutsch.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja eine Überraschung! Das müssten wir allerdings mal den Bayern sagen!)


So weit mochte der Ausschuss diesem Vorschlag nicht
folgen. Allerdings sah er in diesem Zusammenhang die
Notwendigkeit, dass die Bundesregierung ihre Bemü-
hungen, der deutschen Sprache innerhalb der EU einen
ihrer Bedeutung angemessenen Stellenwert zu verschaf-
fen, fortsetzt und verstärkt.

Wenn man bedenkt, das manche der auf den ersten
Blick kleinen Wehwehchen für die Betroffenen selbst
enorme Auswirkungen auf ihre Lebensumstände haben
und der Petitionsausschuss als höchste Rettungsinstanz
in der Not gesehen wird, bestätigt das einmal mehr die
Notwendigkeit und Bedeutung unseres Ausschusses.

Wir konnten zum Beispiel erreichen, dass eine Peten-
tin einen Treppenlift für ihre behinderte Tochter bekam,
der ihr vorher verweigert worden war, und dass eine zu-
gesagte, dann aber verweigerte Fahrtkostenbeihilfe letzt-
endlich doch von der Bundesagentur für Arbeit gezahlt

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(C (D erden musste. Den betroffenen Familien konnte daurch gravierend geholfen werden. Bedauerlicherweise kann der Ausschuss nicht alles usammenfügen, was auseinandergebrochen ist. Entcheidungen des Ausschusses können nicht mit einem erichtsurteil gleichgesetzt werden. Er kann Empfeh ungen abgeben. Glücklicherweise führen diese oft dazu, ass Entscheidungen, Gesetze und Regeln überdacht und o für das Allgemeinwohl verträglichere Lösungen geunden werden. Ich möchte betonen, dass es nicht damit getan ist, an ie jeweils zuständigen Institutionen eine Anfrage zum achverhalt zu senden und deren Stellungnahme dann ls unabänderliche Tatsache hinzunehmen. Die Mitglieer des Ausschusses – ich glaube, hier kann ich für alle prechen – sehen ihre Aufgabe darin, alles nur Erdenklihe im Interesse des oder der Petenten zu erreichen. Hierbei ist oft sehr viel Fingerspitzengefühl gefragt, epaart mit einem hohen Maß an Kreativität. Die Nutung aller Möglichkeiten, die dem Petitionsausschuss ur Verfügung stehen – von der unmittelbaren Einbinung von Vertretern der Bundesregierung im Rahmen er Berichterstattergespräche über die Durchführung öfentlicher Anhörungen bis hin zu einem Ortstermin –, ilft den Mitgliedern des Petitionsausschusses, sachkunige Entscheidungen zu fällen. Nun möchte ich noch auf einige bereits Ende 2005 egonnene Neuerungen im Petitionswesen aufmerksam achen, mit denen wir im Ausschuss erst im vergange en Jahr ausgiebige Erfahrungen sammeln konnten: Erstens können Petitionen jetzt auch auf elektronichem Weg, also per E-Mail, eingereicht werden. Hier pricht eine Zahl für sich: Bereits im letzten Jahr haben ns über 10 Prozent der Eingaben auf diesem Weg ereicht. Die zweite Neuerung ist, dass auf der Internetseite des eutschen Bundestages sogenannte öffentliche Petitioen eingereicht, mit gezeichnet und diskutiert werden önnen. 288 öffentliche Petitionen wurden 2006 ins etz gestellt und von über 450 000 Unterstützern mit ge eichnet sowie mit mehr als 17 600 Kommentaren in iskussionsforen versehen. Hier sind wir im Zeitalter on Internet und E-Demokratie auf dem richtigen Weg. ieser Weg wird von den Petenten gut angenommen; ir werden hier künftig noch erhebliche Steigerungsra en verzeichnen. Deshalb werden wir den Modellversuch n den Dauerbetrieb übernehmen. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall im ganzen Hause)


Zum Dritten wurde für die sogenannten Sammel- und
assenpetitionen erstmals die Möglichkeit geschaffen,

ie Anhörung eines oder mehrerer Petenten in einer öf-
entlichen Ausschusssitzung vorzusehen. Die Bedingung
afür ist, dass die Petition innerhalb von drei Wochen
on wenigstens 50 000 Mitzeichnern unterstützt wird.
ies schaffte im vergangenen Jahr jedoch nur eine

11862 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Kersten Naumann
Petition; mit ihr forderten 103 000 Unterstützer die
Rücknahme der teilweisen Abschaffung der Entfer-
nungspauschale im Steueränderungsgesetz. Auch bei
dieser Neuerung ist für die kommenden Jahre mit erheb-
lichem Zuwachs zu rechnen, besonders im Hinblick da-
rauf, dass die Testphase dieses Projektes in Kürze abge-
schlossen sein und der darauf folgende Regelbetrieb
noch übersichtlicher und reibungsloser funktionieren
wird.

Diese neuen Formen der Petitionsarbeit tragen zu ei-
nem großen Teil dazu bei, die Öffentlichkeitsarbeit des
Petitionsausschusses zu unterstützen. Wir werden aber
auch künftig daran arbeiten, unserem Bild bei der Bevöl-
kerung noch schärfere Konturen zu geben, und weiterhin
vor Ort für Fragen und Anregungen zur Verfügung ste-
hen, wie das meine Kolleginnen und Kollegen und ich
schon intensiv tun.

Gestatten Sie mir, zum Abschluss meiner Ausführun-
gen denen zu danken, ohne die wir als Ausschussmit-
glieder dem enormen Arbeitspensum hilflos ausgeliefert
wären: Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
des Ausschussdienstes, aber auch den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern der Fraktionen und der Abgeordneten.


(Beifall im ganzen Hause)


Ohne ihr engagiertes Wirken hinter den Kulissen wäre
die Bearbeitung der fast 17 000 Petitionen des vergange-
nen Jahres nicht möglich gewesen. Dabei möchte ich
nicht verhehlen, dass ich dem laufenden und geplanten
Stellenabbau in der Verwaltung des Deutschen Bundes-
tages mit Sorge entgegensehe. Wenn man bedenkt, dass
täglich über 270 Briefe nach intensiver Beschäftigung
mit dem Sachverhalt den Ausschussdienst verlassen,
wird der Arbeitsaufwand mehr als deutlich.

Eine letzte, persönliche Bemerkung, in meiner Funk-
tion als Vorsitzende: Ja, die Arbeit im Ausschuss ist
meistens sachlich und konstruktiv, und man wird es
nicht glauben: Sie macht auch Spaß, mir jedenfalls.


(Beifall der Abg. Iris Gleicke [SPD])


Dafür einen herzlichen Dank an meine Ausschusskolle-
ginnen und Ausschusskollegen!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Die gute Zusammenarbeit kann aber nicht darüber
hinwegtäuschen, dass die Ausschussmitglieder aus fünf
verschiedenen Fraktionen kommen und somit öfters po-
litisch unterschiedliche Sichten auf die Dinge haben.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Fast immer!)


Meine Arbeitsweise richte ich so aus, dass ich die Mei-
nung des anderen in jedem Fall respektiere, auch wenn
ich sie nicht verstehe oder sie nicht teile. Das halte ich
nicht nur deswegen, weil ich Vorsitzende bin, so, son-
dern weil ich denke, dass Politik von Respekt geprägt
sein sollte. In diesem Sinne hoffe ich auf weitere gute
Zusammenarbeit und darauf, dass wir gemeinsam mög-
lichst viele positive Entscheidungen für die Petentinnen
und Petenten fällen.

Danke schön.

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(C (D Das Wort hat der Kollege Clemens Bollen von der PD-Fraktion. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Zunächst öchte auch ich der Ausschussvorsitzenden sowie allen itgliedern des Ausschusses für die konstruktive Zu ammenarbeit danken. Ich möchte ebenfalls den Mitareiterinnen und Mitarbeitern des Ausschussdienstes und er Fraktionen Anerkennung aussprechen. Mit ihrer ilfe ist es möglich, die Vielzahl der eingehenden Peti ionen verantwortungsvoll und gewissenhaft zu bearbeien. Ich freue mich sehr, Mitglied dieses Ausschusses zu ein. Denn die Arbeit ist sehr konkret, wie aus dem Beicht der Ausschussvorsitzenden schon deutlich wurde. ei der Arbeit in diesem Ausschuss ist man in direktem ontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern. An uns wenen sich die Menschen, wenn sie das Gefühl haben, von eltenden Gesetzen oder von einer Verwaltung ungeecht behandelt zu werden. Der Petitionsausschuss ist in sehr guter Seismograf für die Stimmung in diesem and. So kann gerade der Petitionsausschuss Lücken in er Gesetzgebung wahrnehmen und, wenn nötig, Korekturen anregen. Ebenso lassen sich oft schon durch eien Briefwechsel bürokratische Hürden beseitigen, an enen der Bürger vorher scheiterte. So können wir Menchen ganz konkret hilfreich zur Seite stehen. Wie bereits erwähnt, hat der Ausschuss im vergangeen Jahr über 20 000 Eingaben bearbeitet. Von diesen iel rund ein Fünftel – es waren genau 4 108 – in den Beeich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. ies zeigt die große Bedeutung dieses Bereiches, zu em ich ein paar kurze Ausführungen machen möchte. In vielen Eingaben geht es um die Themen Arbeitsloigkeit, Unfallversicherung und berufliche Eingliedeung von behinderten Menschen sowie um Fragen aus em gesamten Komplex der Sozialversicherung. Wir haen nach bestem Wissen und Gewissen versucht, Menchen bei ihren Anliegen Unterstützung zu leisten. Der Ausschuss nahm eine große Anzahl von Eingaen entgegen, bei denen es um das Arbeitslosengeld ing. In vielen Fällen wurden Einzelfallentscheidungen er örtlichen Arbeitsverwaltungen – sei es der Agentuen für Arbeit, sei es der Arbeitsgemeinschaften oder der ptionskommunen – beanstandet. Hier konnten wir oft ine Überprüfung des einzelnen Vorgangs erreichen. Ein Beispiel. Einer Petentin, deren laufende Arbeitsosengeldzahlung vorläufig eingestellt wurde, konnte geolfen werden. Sie hatte einen Vorstellungstermin für ine Teilzeitstelle nicht wahrgenommen. Diese Teilzeittelle lag nicht weniger als 772 Kilometer von ihrem ohnort entfernt. Dabei war nicht einmal geprüft wor en, ob passende Arbeitsangebote in der Nähe des ohnortes vorlagen. Nach der von uns eingeleiteten er Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11863 Clemens Bollen neuten Prüfung wurde die Zahlung durch die Arbeitsverwaltung umgehend und termingerecht wieder aufgenommen. Uns erreichen auch zahlreiche Eingaben, bei denen es grundlegender um die Hartz-IV-Gesetzgebung geht. Viele Petenten rügen die Höhe des Arbeitslosengeldes II. Diese generelle politische Frage stellt ein drängendes Problem dar. Die Überlegung des Bundesarbeitsministers, den Regelsatz überprüfen zu lassen, zeigt, dass wir dieses Anliegen der Menschen ernst nehmen. Hinter jeder Eingabe verbirgt sich das Schicksal eines Menschen, der seine letzte Hoffnung oft im Petitionsausschuss sieht. Gerade bei Arbeitslosigkeit kann die wirtschaftliche Existenz einer Familie betroffen sein. Im Petitionsausschuss haben wir oftmals die Möglichkeit, im konkreten Fall Unterstützung zu leisten. Ein Beispiel. Wir konnten einer Petentin helfen, ihre Erwerbsfähigkeit zu sichern. Infolge eines Krebsleidens hatte sie Reha-Maßnahmen erhalten, die es ihr ermöglichten, wieder zu arbeiten. Die Folgen der Krankheit waren aber so gravierend, dass sie erneut eine Maßnahme beantragen musste. Dieser Antrag auf erneute medizinische Behandlung wurde von der Rentenversicherung Bund abgelehnt. Der Petitionsausschuss wandte sich mit der Bitte um Stellungnahme an das Bundesversicherungsamt. Daraufhin wurde ein erneutes Gutachten in Auftrag gegeben. Durch unsere Intervention wurde die Maßnahme gewährt, mit der Aussicht, dass die Frau wieder arbeiten und ihre wirtschaftliche Existenz sichern kann. Genauso konnten wir zum Beispiel dabei mitwirken, einem Petenten eine notwendige Umschulung zu ermöglichen. In diesem Fall klagte der gelernte Bäcker über langjährige Atembeschwerden. Die zuständige Berufsgenossenschaft bot zwar eine Untersuchung an, der Vorgang verlor sich aber im bürokratischen Apparat. Erst auf Anfrage des Petitionsausschusses beim Bundesversicherungsamt wurde eine Untersuchung angesetzt. Es wurde festgestellt, dass der Petent eine Weizenmehlallergie hat. Dem Petenten wurden schließlich Verletztengeld und eine Umschulungsmaßnahme gewährt. Ich glaube, diese konkreten Beispiele machen noch einmal deutlich, dass gerade im Einzelfall die Sorgen und Nöte der Menschen ernst genommen werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist immer wieder eine positive Erfahrung, wenn wir Menschen in Notlagen helfen können. Oft geraten sie in die Mühlen verschiedener Verwaltungen, die sich die Verantwortung gegenseitig zuschieben. So war es auch bei einer stark sehbehinderten Petentin, die von einer Stelle zur anderen geschickt wurde – von der Agentur für Arbeit zum Landeswohlfahrtsverband, vom Sozialamt zur Arbeitsgemeinschaft des Landes –, um dann zu erfahren, dass ihr eine elektronische Sehhilfe nicht zusteht. Auch hier konnte durch Einschaltung des Ausschusses erreicht werden, dass die Petentin ihre unverschuldet unterbrochene Ausbildung fortführen konnte. Diese Beispiele zeigen die aktive Arbeit des Petitionsausschusses als Nahtstelle zwischen der Politik und den Bürgerinnen und Bürgern. Ich hoffe, dass der Ausschuss a D D e g s B M b S z s w d V N s b p M d d h B w h B s s w r P n e t e z r d d s v (C (D uch in Zukunft die notwendige Unterstützung erfährt. ie personellen Ressourcen müssen erhalten bleiben. ie Zahl der Petitionen wird nach meiner Einschätzung her zuals abnehmen, gerade auch vor dem Hinterrund, dass es nun die Möglichkeit gibt, auf elektronichem Wege öffentliche Petitionen einzureichen. Die ürgerinnen und Bürger haben hierdurch eine weitere öglichkeit, sich wirksam zu äußern. Ich denke, wir konnten mit unserer Arbeit mit dazu eitragen, dass in vielen Fällen den Betroffenen ein tück mehr Gerechtigkeit widerfahren ist. Wir konnten eigen, dass die Politik die Sorgen und Nöte der Menchen gerade auch im Einzelfall ernst nimmt und verantortungsvoll mit ihnen umgeht. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall im ganzen Hause)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611513900
Clemens Bollen (SPD):
Rede ID: ID1611514000

(A) )


(B) )



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611514100

Das Wort hat jetzt der Kollege Jens Ackermann von

er FDP-Fraktion.


Jens Ackermann (FDP):
Rede ID: ID1611514200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

erehrte Zuschauer! Der Jahresbericht gibt uns von
euem die Möglichkeit, die Arbeit des Petitionsaus-

chusses rückblickend zu bewerten. Es ist jedes Mal ver-
lüffend, festzustellen, wie sehr gesellschaftliche und
olitische Themen ihren Widerhall in den Petitionen der
enschen finden.

Der Petitionsausschuss hat einen hohen Stellenwert in
er Gesellschaft. Ich bin nach wie vor davon überzeugt,
ass er einen wichtigen Beitrag gegen Politikverdrossen-
eit leistet. Als Schnittstelle zwischen Bundestag und
ürger nimmt er auf, was den Bürgern am Herzen liegt,
elche Bauchschmerzen sie mit Gesetzen und Behörden
aben und welche Vorschläge und Lösungsansätze die
ürger selber entwickeln.

Ich nenne drei Beispiele. Erstens. Sportpiloten haben
ich mit der Bitte an uns gewandt, die verschärften Be-
timmungen bezüglich der Überprüfung der Tauglichkeit
ieder zurückzunehmen, damit sie auch in Zukunft ih-

em Hobby nachgehen können. Zweitens. Ein weiterer
etent hat sich mit der Idee an uns gewandt, den Perso-
alausweis im Scheckkartenformat herzustellen, damit
r auch in die Brieftasche passt. Auch dieser Bitte konn-
en wir nachkommen.

Ein dritter Vorschlag aus der Bevölkerung war, sich
ndlich um das sehr komplizierte Mehrwertsteuersystem
u kümmern. Es war nicht mehr nachzuvollziehen, wa-
um man für Trüffel 7 Prozent und für Sondennahrung in
en Heimen 19 Prozent zahlen muss.

Diese Hinweise aus der Bevölkerung zeigen uns, dass
ie Bürgerinnen und Bürger sich wünschen, dass wir un-
ere politische Arbeit mit mehr Augenmaß und Vernunft
errichten.


(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Gabriele Lösekrug-Möller [SPD])


11864 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Jens Ackermann
An den Petitionen, die den Deutschen Bundestag errei-
chen, lässt sich aber auch die Arbeit der Bundesregie-
rung messen. Die hohe Anzahl der Petitionen kann nicht
zuversichtlich stimmen. Die Bundesregierung würde gut
daran tun, genauer zuzuhören. Petitionen zeigen nicht
selten die schlechte Mittelstandspolitik der Bundesregie-
rung auf.


(Lachen bei der SPD – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Thönnes hört nicht zu!)


So wandte sich ein mittelständischer Unternehmer der
Technischen Orthopädie an uns. Er bat darum, die Kos-
ten zu regeln, auf denen er oft sitzenbleibt, weil er Ret-
tungswagen und Notaufnahmen mit Halskrausen ver-
sorgt. Wir haben nach einer Überprüfung festgestellt,
dass der Eigenanteil von Notfallpatienten oft nicht den
Lieferanten erreicht. Wir haben ein Berichterstatterge-
spräch durchgeführt. Staatssekretärin Caspers-Merk si-
cherte uns zu, Abhilfe zu leisten.

Petitionen sind ein geeignetes Messinstrument der
Regierungspolitik. Die Ausschussvorsitzende hat darauf
hingewiesen, dass gerade im Gesundheitsbereich ein Zu-
wachs an Petitionen zu verzeichnen ist. Es wird ge-
wünscht, das Problem der Pflege anzugehen, einen Ge-
setzentwurf zur Pflegeversicherung vorzulegen und die
Zustände in den Heimen zu verbessern.

Wir haben im letzten Jahr 16 700 Petitionen bearbeitet.
Das ist ein beträchtlicher Arbeitsaufwand. Mein Dank
gilt insbesondere der akribischen Arbeit des Ausschuss-
dienstes und des -sekretariates. Kollegin Lösekrug-
Möller meinte kürzlich, das einzige Argument, welches
gegen eine Große Koalition spreche, sei, dass die Oppo-
sition im Petitionsausschuss doppelt so viel Arbeit leisten
müsse, da eine Akte jeweils von der Regierungskoalition
und der Opposition bearbeitet werden muss.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Endlich mal einer, der es einsieht! – Gero Storjohann [CDU/CSU]: Damit hat sie sehr recht!)


Werte Kollegin, mir fielen noch 20 andere Argumente
ein, die gegen Schwarz-Rot sprächen.


(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)


Angesichts der enormen Arbeitsbelastung im Peti-
tionsausschuss bin ich auch unseren Stellvertretern, den
Kollegen Fricke und Wissing sowie der Kollegin Lenke,
sehr dankbar, die die gleiche Arbeit wie die vollen Aus-
schussmitglieder in unserer Fraktion leisten.

Die FDP-Fraktion misst den Petitionen und dem Peti-
tionsausschuss eine hohe Bedeutung zu. Das ist ein Bei-
spiel für direkte Demokratie. Wir nehmen die Bürgerin-
nen und Bürger ernst. Es ist gut, dass es den
Petitionsausschuss gibt und dass die Menschen dieses
Instrument so rege nutzen.

Der Jahresbericht 2006 zeigt uns eine Vielzahl von
Problemen auf, die in unserem Land angegangen werden
müssen. Dies haben uns die Bürgerinnen und Bürger mit
ihren Petitionen deutlich gemacht. Es liegt an Ihnen von

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(C (D er Bundesregierung, diese Probleme beherzt anzugeen. Ich fordere Sie auf: Hören Sie auf die Bürgerinnen nd Bürger! Vielen Dank. Das Wort hat jetzt der Kollege Günter Baumann von er CDU/CSU-Fraktion. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her en! Herr Kollege Ackermann, der Wähler hat entschieen, dass Sie ein bisschen mehr arbeiten müssen als wir. afür können wir nichts. ielleicht hat er das vor dem Hintergrund gemacht, dass ie etwas nacharbeiten müssen. Geschichtlich betrachtet hat das Petitionsrecht eine ange Tradition. Wenn man in den Büchern nachschlägt, ann stellt man fest: Schon im alten Rom zu Zeiten von ulius Cäsar gab es Petitionen. Man konnte sich dorthin enden und bekam manchmal auch recht. Auch in der eutschen Geschichte lassen sich viele Vorläufer des eutigen Petitionsrechtes finden. Zwar haben Ernst Auust, Herzog von Sachsen 1737 und Kaiser Friedrich ilhelm I. 1739 noch angedroht, Untertanen einzuker ern oder aufzuhängen, sollten diese sie mit Petitionen elästigen; solche Zeiten gab es auch. Jedoch gestattete ereits 1744 Friedrich der Große in einer Bekanntmahung: „Jeder darf seine Bitten, Gesuche und Beschweren eigenhändig bei mir vorbringen und der genauesten rwägung sicher sein.“ Bereits 1744! Die Geschichte hat gezeigt, dass die aktive Beteiliung der Menschen am politischen Geschehen eine rundvoraussetzung für eine funktionierende Demokra ie ist. Die Mitglieder des Petitionsausschusses haben ier eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe. Die orsitzende hat es bereits gesagt: Wir bemühen uns, iese wahrzunehmen. Der Petitionsausschuss bietet hierür eine doppelte Chance. Zum einen können die Bürger irekt mit dem Parlament kommunizieren – sie nehmen it uns Kontakt auf –, um gegebenenfalls Hilfe zu be ommen. Zum anderen erhalten wir, die Politiker, eine raxisnahe Rückkoppelung bei unserer Gesetzgebung: ommen unsere Gesetze unten an? Funktionieren sie? – ch denke, das brauchen wir. Der heute zur Diskussion stehende Jahresbericht ist atürlich zuerst eine Sternstunde für Statistiker, die alle ahlen genau betrachten und Verschiedenes miteinander ergleichen. Gestatten Sie mir, auf einige Besonderheien hinzuweisen. Die Gesamtzahl von knapp 17 000 Peitionen wurde bereits genannt. Zur Ergänzung: Das sind 000 weniger als im Jahr zuvor. 35 Prozent wurden ositiv beschieden. Insgesamt haben wir 20 000 Petitioen bearbeitet, also mehr, als eingegangen sind. Ich enke, dass die Berge irgendwann etwas geringer wer Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11865 Günter Baumann den. Insgesamt haben sich 370 000 Bürger – auch das ist eine interessante und beträchtliche Zahl – mit Einzelpetition, Massenpetition und Sammelpetition an uns Parlamentarier gewandt. Der Jahresbericht gibt aber auch Gelegenheit, sich Veränderungen anzuschauen. Es fällt stark auf, dass der Anteil der Petitionen aus den neuen Bundesländern von 42,7 Prozent im Jahr 2005 auf 22,7 Prozent im Jahr 2006 zurückgegangen ist, also fast um die Hälfte. Es ist natürlich positiv, dass weniger Petitionen eingereicht wurden. Trotzdem sind Petitionen aus den neuen Bundesländern, prozentual auf die Einwohnerzahl bezogen, mit Abstand die meisten. An der Spitze liegen – Berlin ausgenommen – Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Vielleicht ein Vergleich, der deutlich macht, wie groß die Unterschiede noch sind: Auf die Einwohner bezogen ist die Zahl der Eingaben aus Sachsen genau doppelt so hoch wie die aus Bayern. Worin liegen die Gründe dafür, dass Petitionen aus alten und neuen Bundesländern in so unterschiedlicher Zahl bei uns eintreffen? Ehemalige DDR-Bürger nehmen nach der Erfahrung der Diktatur, die sie erleben mussten, in besonderem Maße ihr Recht wahr, sich an das Parlament zu wenden, um Entscheidungen hinterfragen und überprüfen zu lassen. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein gutes Zeichen!)


(Beifall bei der FDP)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611514300

(Beifall bei der CDU/CSU)

Günter Baumann (CDU):
Rede ID: ID1611514400

(Heiterkeit)


(A) )


(B) )


– Frau Lazar, das ist ein gutes Zeichen. Das nehmen wir
gerne an. – Wir müssen auch feststellen, dass es 17 Jahre
nach der Wiedervereinigung immer noch Unterschiede bei
der materiellen Angleichung der Lebensverhältnisse gibt.
Wir haben in dieser Woche über den Jahresbericht der Bun-
desregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2006 disku-
tiert, anhand dessen wir das feststellen konnten.

Ich möchte beispielhaft anführen, welche Petitionen
speziell aus dem östlichen Teil wir positiv entscheiden
konnten. Die Opfer des SED-Regimes haben sich mit ei-
ner Vielzahl von Petitionen an uns gewandt. Mit dem
Dritten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz vom 1. Sep-
tember dieses Jahres konnten wir dieses Problem klären.
Die unterschiedlichen Sätze beim Arbeitslosengeld II in
Ost und West konnte ebenfalls keiner verstehen. Auch
das haben wir geklärt. Es steht noch eine Vielzahl von
Petitionen auf der Tagesordnung. Ein Teil betrifft die un-
terschiedlichen Rentenbiografien in Ost und West. Wir
hatten in dieser Woche ein Gespräch mit dem Staatsse-
kretär, in dem wir einige Probleme aufgezeigt haben.
Der Einigungsvertrag und die Gesetze, die danach ver-
abschiedet wurden, haben nicht alle Unterschiede besei-
tigen können. Weiterhin gibt es vermögensrechtliche
Probleme, bei denen das Handeln der Treuhand und ihrer
Nachfolgeorganisationen hinterfragt werden muss.

Der Petitionsausschuss hat ein besonderes Recht, im
Grundgesetz verbrieft, nämlich Ortstermine durchführen
zu können. Im Jahr 2006 haben wir einen solchen Orts-
termin durchgeführt und sind ins Edertal nach Hessen
gefahren. Ein Petent, der in einer Staumauer ein Mu-
seum betrieben hat, in dem die Geschichte des Krieges
und der Vertreibung aufgearbeitet wurde, hatte sich an

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(C (D ns gewandt. Ihm wurde der Betrieb des Museums geündigt. Wir waren vor Ort und konnten in Gesprächen it allen Beteiligten eine Lösung finden, sodass das Mu eum bis zum Ende des Jahres weiterbetrieben werden onnte. Am Ende haben wir erreicht, dass eine gechichtsträchtige Bildungsstätte gerade für junge Menchen erhalten geblieben ist. Ich kann nur allen danken, ie daran beteiligt waren. Natürlich ist das mit einem hoen Aufwand verbunden, den wir aber gerne betreiben. nsere Arbeit zeichnet sich nun einmal durch einen hoen Zeitaufwand, Hartnäckigkeit, Ausdauer und dadurch us, dass wir an Problemen dranbleiben. Damit können ir etwas erreichen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Gestatten Sie mir, noch kurz auf Folgendes hinzuwei-
en: Ein besonderer Akzent unserer Arbeit lag auch 2006
uf dem Thema Öffentlichkeitsarbeit. Wir gehen ver-
tärkt auf Messen und präsentieren uns den Bürgerinnen
nd Bürgern an Ständen. Im letzten Jahr waren wir in
ostock, Erfurt, Dortmund und auf Messen in anderen
tädten und haben mit den Bürgern direkt Kontakt auf-
enommen. Die Bürger kommen zu uns und fragen uns.
ch denke, wir helfen entscheidend mit, der oft diskutier-
en Politikverdrossenheit ein Stück entgegenzuwirken.

Ich möchte wie meine Vorredner den letzten Teil mei-
er Rede dazu nutzen, mich im Namen der CDU/CSU-
undestagsfraktion bei den Mitarbeiterinnen und Mitar-
eitern des Ausschussdienstes ganz herzlich für die
ompetente, kollegiale und sehr gute Zusammenarbeit
u bedanken. Ohne ihre Arbeit wäre es uns nicht mög-
ich, diese Stöße von Petitionen zu bearbeiten. Ich

öchte aber auch unsere eigenen Mitarbeiterinnen und
itarbeiter in den Büros der Fraktionen in den Dank ein-

eziehen, die oft über Aktenstößen sitzen und uns eine
ichtige Hilfe sind. Ihnen allen gilt ein ganz herzlicher
ank.


(Beifall im ganzen Hause)


Unser erreichtes hohes Niveau bei der Bearbeitung
on Petitionen stärkt das Vertrauen in unsere lebendige
emokratie und ermutigt uns, gemeinsam diesen Dienst

ür unsere Bürgerinnen und Bürger fortzuführen. Ich
enke, das Klima im Ausschuss zeigt uns, dass wir auf
em richtigen Weg sind. Wir möchten so weitermachen.

Herzlichen Dank.


(Beifall im ganzen Hause)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611514500

Ich gebe das Wort der Kollegin Heidrun Bluhm, Frak-

ion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Heidrun Bluhm (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611514600

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Vorsitzende!

iebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Als
bfrau der Linken habe ich heute erstmals die Gelegen-
eit, zu einem Jahresbericht zu sprechen. Auch ich

11866 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Heidrun Bluhm
möchte die Gelegenheit nutzen, mein persönliches Resü-
mee damit zu verbinden.

Am Beginn einer Rede soll man Lob aussprechen.
Das will auch ich tun. Alle meine Vorredner haben ins-
besondere die Zusammenarbeit mit dem Ausschuss-
dienst gelobt. Ich möchte mich diesem Lob ausdrücklich
auch für meine Fraktion anschließen und mich herzlich
dafür bedanken, dass die Arbeit immer sehr ordentlich
vorbereitet wird und vieles, was wir sonst selbst erledi-
gen müssten, bereits vom Ausschussdienst erledigt wird.
Das ist für uns eine große Erleichterung.


(Beifall bei der LINKEN)


Der Petitionsbericht für das Jahr 2006 stellt dar, dass
es insgesamt ein sehr arbeitsreiches Jahr war. Das gilt für
die Arbeit der Abgeordneten in den Ausschüssen, die
Arbeit der Berichterstatter und die Arbeit der Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter, die wir zur Verfügung haben.
Auch hier, glaube ich, ist es angebracht, einmal ein Dan-
keschön zu sagen.

Der Jahresbericht gibt vieles aus der Arbeit des Peti-
tionsausschusses wieder. Besonders wichtig findet Die
Linke die von ihm neu praktizierten Verfahrensweisen
wie öffentliche Anhörungen und öffentliche Petitionen.
Dank der Einführung der öffentlichen Petitionen konnte
im letzten Jahr mehr Aufmerksamkeit, mehr Medienprä-
senz und damit sicherlich auch ein weiterer Schritt in
Richtung mehr Bürgernähe erzielt werden.

Leider fällt es uns oft noch ziemlich schwer, uns ge-
meinsam auf Themen, die öffentlich behandelt werden
sollen, zu verständigen. Wir halten es für erforderlich,
zukünftig stärker darauf zu achten, dass insbesondere die
Themen in den Mittelpunkt der öffentlichen Behandlung
gestellt werden, die die Menschen besonders bewegen.
Leider gehen die Meinungen zwischen Opposition und
Regierung dabei manchmal auseinander. Zum Beispiel
hätten wir gern schon im Jahr 2006 eine öffentliche Sit-
zung zum Arbeitslosengeld II abgehalten. Nicht umsonst
hat die Frau Vorsitzende festgestellt, dass uns zum sozia-
len Bereich und zum Arbeitslosengeld II sehr viele Peti-
tionen erreichen. Deshalb wäre es wert, dieses Thema in
Zukunft auf die Tagesordnung zu setzen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die grundsätzlich wohlwollende Darstellung der Ar-
beit des Petitionsausschusses im Jahresbericht darf je-
doch nicht den Blick davor verstellen, dass in der über-
wiegenden Mehrzahl der Fälle dem Anliegen der
Petenten im Ergebnis nicht entsprochen werden konnte
und dass sich das Petitionsverfahren für viele Betroffene
zu wenig durchsichtig, zu wenig verständlich, zu lang-
wierig und auch zu bürokratisch darstellt. Ich will aber
eingestehen, dass wir Abgeordnete im Ausschuss uns
bemühen, an diesem Problem weiterzuarbeiten und posi-
tiv zu wirken. Aus diesem Grund setzt sich die Linke für
ein Petitionsgesetz zur Sicherung von Transparenz und
der Rechte der Bürger im Verfahren ein. Ich hoffe, dass
auch andere Fraktionen dieses Anliegen unterstützen.
Warum soll das, was uns andere Bundesländer bereits
vorleben, auf Bundesebene nicht realisiert werden kön-
nen?

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(C (D Nach unserer Pressekonferenz will ich noch einmal olgende Tatsache klar benennen: Von allen Petitionen, ie im Jahr 2006 parlamentarisch beraten wurden, wurde m Ende bei 88 Prozent dem Anliegen leider nicht entprochen. Das relativiert auch kein Zahlenspiel, wie Sie s in der Pressekonferenz noch einmal versucht haben. (Günter Baumann [CDU/CSU]: Die Zahl stimmt auf jeden Fall nicht!)


atürlich erkenne ich an, dass auch mit der Zusendung
on Materialien und mit Auskünften, die den Menschen
egeben werden, Hilfe geleistet wird. Dies alles soll
uch statistisch erfasst werden. Jedoch darf die Darstel-
ung im Jahresbericht nicht so erfolgen, dass beim au-
enstehenden Leser der Eindruck entsteht, dass durch
as parlamentarische Wirken in hohem Maße positiv auf
ie Belange der Menschen eingegangen wird.

Gestatten Sie mir noch ein paar Gedanken zu den öf-
entlichen Petitionen. Dabei handelt es sich um ein An-
iegen von allgemeinem Interesse, mit dem die Petenten
ine Änderung der bestehenden gesetzlichen Regelun-
en begehren. Die öffentlichen Petitionen machen deut-
ich, dass nicht wenige Bürgerinnen und Bürger das
edürfnis haben, sich in Gemeinwohlbelange einzumi-

chen und im Austausch und zusammen mit anderen ge-
taltend auf die Politik einzuwirken. Zudem erfüllen öf-
entliche Petitionen für die Bürgerinnen und Bürger eine
ichtige Informationsfunktion, weil die Beschlussbe-
ründung nach Abschluss der Petition im Internet nach-
ulesen ist. Aus diesem Grunde hätten wir uns mehrere
eispiele von öffentlichen Petitionen im Jahresbericht
ewünscht. Zudem sollten wir diese Petitionen zukünftig
ls öffentliche Petitionen im Inhaltsverzeichnis kenn-
eichnen.

Die öffentliche Petition zum Thema „Generation
raktikum“, die im Jahre 2006 bei uns eingegangen ist
nd zu der der Ausschuss auch eine öffentliche Beratung
urchgeführt hat, wünschen wir uns im Jahresbericht
007 erwähnt, vor allem in Anbetracht der Tatsache,
ass diese Petition die Unterstützung von mehr als
00 000 Menschen erfahren hat. Ich glaube, dass wir
ier eine besondere Aufmerksamkeit zeigen sollten.


(Beifall bei der LINKEN)


Noch ein Beispiel dafür, dass der Jahresbericht 2006
us unserer Sicht einer kritischen Betrachtung bedarf:
lle Berücksichtigungs- und Erwägungsbeschlüsse so-
ie Materialüberweisungen an die Bundesregierung
erden dahin gehend gewertet und dargestellt, dass die
etition einen positiven Ausgang im Sinne des Anlie-
ens des Petenten gefunden hat. Herr Ackermann hat
ier vorhin beispielhaft die Petition genannt, die ein Or-
hopäde eingereicht hat.

Der Petitionsausschuss hat daraufhin die Bundesre-
ierung in seinem Erwägungsbeschluss aufgefordert,
ine Änderung der gesetzlichen Voraussetzungen vorzu-
ehmen. Das war ein hohes Votum unsererseits. Nach
bschluss der Behandlung dieser Petition hat sich das
inisterium letztlich aber entschieden, hier keine Ab-

ilfe zu leisten. Damit ist dem Anliegen des Petenten
icht entsprochen worden; das wiederum ist in diesem

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11867


(A) )



(B) )


Heidrun Bluhm
Bericht leider nicht erwähnt. Wir sind in dieser Frage
also wie ein Tiger gestartet und wie ein Bettvorleger ge-
landet. Das ist leider kein Einzelfall.

Eine Analyse der Auswertung der 14. und 15. Wahl-
periode hat ergeben, dass Petitionen mit Erwägungs- und
Berücksichtigungsbeschlüssen eine Chance von 50 Pro-
zent auf einen positiven Ausgang haben. Rechnet man
noch die ungeklärten und offenen Petitionen heraus,
dann liegt diese Wahrscheinlichkeit sogar bei 56 Pro-
zent. Uns ist das aber immer noch zu wenig.

Natürlich kann das Parlament der Regierung keine
Weisungen erteilen. Aber wir sollten daran arbeiten, das
nicht einfach zu akzeptieren und die Arbeit einzustellen.
Vielmehr sollten wir darüber nachdenken, wie wir die
Bundesregierung dazu bringen können, mehr Kraft da-
ran zu setzen, nach Lösungen für die Petenten zu suchen.


(Günter Baumann [CDU/CSU]: Das machen wir doch auch!)


Wir denken daher über Regelungen nach, die der Regie-
rung wenigstens eine Erklärung zu ihrem Verhalten ab-
verlangen. Diese Erklärung können wir dann im Peti-
tionsausschuss oder im Plenum diskutieren.

Gerechtigkeit kennt keine Parteien, den Titel dieses
kürzlich erschienenen Buches eines Abgeordnetenkolle-
gen sollten wir uns zum Motto für unsere weitere Arbeit
machen.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was kostet es denn?)


Vielleicht können wir dann in der Debatte über den
nächsten Jahresbericht gemeinsam feststellen, dass eine
größere Anzahl von Petitionen zum Erfolg geführt wer-
den konnte.


(Günter Baumann [CDU/CSU]: Wer hat das Buch denn geschrieben?)


– Diese Frage habe ich erwartet. Herr Baumann, das
sollten Sie selber recherchieren.


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611514700

Nächster Redner ist der Kollege Josef Winkler, Bünd-

nis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Auch von einem ehemaligen Kollegen aus mei-
ner Fraktion soll demnächst ein Buch erscheinen.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/ CSU und der SPD)


Ich lege Ihnen auch die Lektüre dieses Buches ans Herz.

Zunächst möchte ich der Ausschussvorsitzenden,
Kollegin Naumann, dem stellvertretenden Ausschuss-
vorsitzenden Storjohann, den Kolleginnen und Kollegen
Obleuten, allen Mitgliedern des Ausschusses sowie den

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(C (D tellvertretenden Ausschussmitgliedern für die vertraunsvolle und auch produktive Arbeit während des letzten erichtsjahres danken. n den Dank einschließen darf ich wie meine Vorredneinnen und Vorredner die Mitarbeiterinnen und Mitarbeier der Bundestagsverwaltung, an ihrer Spitze Herrn aase, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktioen und natürlich auch der Abgeordnetenbüros, die die orarbeit leisten. Bevor ein Abgeordneter eine Akte in ie Hand nimmt, ist sie schon durch mehrere andere ände gegangen. Zur Forderung meiner Vorrednerin, ein Petitionsgeetz vorzulegen, möchte ich sagen: Frau Bluhm, schulig geblieben sind Sie eine Antwort auf die Frage, was s bringen soll. Ich bitte Sie, im Ausschuss einmal vorutragen, welche Vorteile ein solches Petitionsgesetz geenüber der geltenden Rechtslage haben soll. Wenn Sie as tun, dann können wir darüber diskutieren. Aber erst inmal müsste diese Grundfrage geklärt werden. Schließlich ist im Gegensatz zu manchen Landesverassungen in Art. 17 des Grundgesetzes das Petitionsecht als Grundrecht verankert. In Art. 45 c des Grundesetzes ist niedergelegt, dass der Bundestag einen etitionsausschuss einrichten muss. Außerdem gibt es in Befugnisgesetz, in dem die Befugnisse dieses Auschusses geregelt sind. Ich stelle angesichts dessen erst inmal in Zweifel, dass wir zusätzlich ein Petitionsgeetz brauchen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Jens Ackermann [FDP])


(Beifall im ganzen Hause)


Kollege Ackermann, Sie klatschen gerade. Gleich wird
hnen nicht mehr danach sein.


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)


Herr Ackermann, Sie meinten den Herrn Staatssekre-
är Thönnes auf der Regierungsbank in Unruhe versetzen
u müssen, als Sie die Petitionen aus dem Bereich des
inisteriums für Wirtschaft und Technologie als Seis-
ometer für die schlechte Mittelstandspolitik der Regie-

ung bezeichnet haben. Dazu kann ich nur sagen: Es feh-
en Vergleichsmöglichkeiten; denn Sie sind schon zu
ange in der Opposition, als dass jemand zu Ihrer Mittel-
tandspolitik Petitionen einreichen könnte.

Ich will zu den Neuerungen, die angesprochen und
ositiv gewürdigt worden sind, Folgendes sagen: Im
inblick auf die Korrektheit der Darstellung der Parla-
entsgeschichte und des Petitionsrechts möchte ich mir

n dieser Stelle erlauben, die ideelle Vaterschaft der
euerungen für die ehemalige rot-grüne Bundesregie-

ung zu reklamieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


atürlich haben sich inzwischen einige zusätzliche Vä-
er und Mütter in diesem Hohen Hause gefunden, die die

11868 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Josef Philip Winkler
Neuerungen im Rahmen einer Patchworkfamilie – wir
leben in Zeiten einer modernen Familienpolitik, auch
wenn es noch nicht alle kapiert haben – positiv bewer-
ten. Die Neuerungen waren darin begründet, dass Rot-
Grün im Koalitionsvertrag geregelt hatte: Es ist zu über-
legen, wie das Petitionsrecht fortzuentwickeln ist.

Frau Kollegin Lösekrug-Möller und ich waren in der
letzten Wahlperiode an verantwortlicher Stelle zusam-
men mit anderen Kollegen in diesem Bereich tätig und
haben überlegt, welche Änderungen wir vornehmen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Wir Grüne – das sage ich ganz ehrlich – hätten noch
mehr Vorschläge gehabt. – Sie erinnert sich sicherlich,
ein verschmitztes Lächeln geht über ihr Gesicht; nein,
immer noch nicht. Sie hat aus guten Gründen, aus ihrer
Sicht zumindest, den einen oder anderen Vorschlag ab-
gelehnt. Ich bin aber stolz darauf, dass wir die drei Neue-
rungen – E-Mail-Petition, öffentliche Petition und öffent-
liche Beratung – sowie das Mitzeichnen von Petitionen
eingeführt haben.

Ich freue mich, dass wir im ganzen Hause inzwischen
der Auffassung sind, dass es sinnvoll ist, die Bürgerin-
nen und Bürger mehr in die Petitionsarbeit einzubinden.
Das ist auch mit mehr Transparenz verbunden. Die Tat-
sache, dass 450 000 Kommentare von einzelnen Perso-
nen im Internet zu den dort eingestellten Petitionen ab-
gegeben wurden, zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg
sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Inzwischen wird auch auf der Landesebene diskutiert.
Zum Beispiel liegt im Niedersächsischen Landtag ein
Gesetzentwurf meiner Fraktion vor, der fraktionsüber-
greifend ernst genommen und diskutiert wird.

Ich weiß natürlich nicht, ob es noch vor Ablauf der
Wahlperiode im nächsten Jahr gelingen wird, sich zu ei-
nigen. Aber nicht nur dort, sondern auch in anderen
Landtagen wird genau geschaut, wie sich das im Bun-
destag entwickelt. Wenn die Evaluierung, die das Büro
für Technikfolgenabschätzung des Bundestages durch-
führt, zu einem Abschluss gekommen ist, wird sich in
den 16 Landtagen ein Boom entwickeln. Wir werden uns
vor Besuchen von Kolleginnen und Kollegen, die sehen
wollen, wie das hier funktioniert, gar nicht mehr retten
können.

Wir müssen auch im Bundeshaushalt entsprechende
Maßnahmen ergreifen. Wie schon erwähnt wurde, müss-
ten in der Bundestagsverwaltung flächendeckend die
Stellen reduziert werden. Davon muss der Petitionsaus-
schuss ausgenommen werden, weil die Aufgaben erwei-
tert wurden; im Zweifel muss bei den Stellen sogar auf-
gestockt werden. Das gilt auch für die Infrastruktur
technischer Art; denn es ist natürlich peinlich, wenn
sich, wie bei der Generation Praktikum, die Beschwerde-
führer darüber beschweren müssen, sich nicht beschwert
haben zu können, weil die Internetserver zusammenge-
brochen sind und unter anderem deshalb das Quorum

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(C (D on 50 000 nicht erreicht wurde. Großzügig, wie wir alle un einmal sind, haben wir trotzdem öffentlich beraten. etzt fehlt nur noch der Schluss, den die Regierung daaus ziehen muss; sie muss die angesprochenen Proleme einer Lösung zuführen. Weil sich meine Redezeit dem Ende nähert und die rau Präsidentin sicherlich nicht allzu großzügig dabei ein wird, sie dauerhaft zu verlängern, (Heiterkeit – Klaus Hagemann [SPD]: Dauerhaft?)


ill ich nur noch einen Fall ansprechen, und zwar die
etition, die uns von ehemaligen Heimkindern zugeleitet
orden ist. Das ist ein wirklich schlimmer Fall; er hat
ns sehr mitgenommen. Diese ehemaligen Heimkinder,
ie in den 50er- und 60er-Jahren in der ehemaligen Bun-
esrepublik in Heimen untergebracht waren – dabei geht
s nicht nur um kirchliche Heime, sondern auch, wie ich
leich dazusagen will, um Heime in öffentlicher Hand –,
aben berichtet, dass sie dort massiv misshandelt wor-
en sind. Sie haben jetzt, nach so vielen Jahrzehnten, die
elegenheit, öffentlich, teilweise auch nicht öffentlich,
ämlich in Gesprächen mit Abgeordneten, ihre Sicht der
inge zu schildern. Ich würde mich freuen, wenn wir im

aufenden Jahr noch etwas vorankämen und das nicht bis
um Ende der Wahlperiode warten müsste.


(Günter Baumann [CDU/CSU]: Wir sind auf gutem Wege!)


Wir sind auf gutem Weg; ich weiß. – Wir werden im
usschuss sicherlich noch das eine oder andere Mal über
ieses Thema sprechen. Die Betroffenen dürfen jetzt
icht noch einmal jahrelang vertröstet werden.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611514800

Nächster Redner ist der Kollege Klaus Hagemann,

PD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Klaus Hagemann (SPD):
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Zunächst ein Kompliment an die Regierungs-
ank: Was die Anwesenheit der Mitglieder der Bundes-
egierung angeht, haben wir in diesem Jahr eine Steige-
ung um 200 Prozent festzustellen.


(Beifall der Abg. Gabriele Lösekrug-Möller [SPD] – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja in Prozenten gar nicht mehr auszudrücken!)


as finde ich ganz toll. Im vorigen Jahr haben wir dieses
hema ohne die Bundesregierung besprochen. Deswe-
en ein Kompliment an die beiden Herren, die heute von
er Bundesregierung anwesend sind.

Kollege Winkler und andere haben darauf hingewie-
en, dass es in Art. 17 unseres Grundgesetzes heißt, je-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11869


(A) )



(B) )


Klaus Hagemann
dermann habe das Recht, sich einzeln oder in Gemein-
schaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder
Beschwerden an den Deutschen Bundestag zu wenden.
Ich spreche jetzt zur Galerie sowie zu den Zuhörerinnen
und Zuhörern draußen: Jedermann – damit ist auch jede
Frau gemeint – sollte das Recht wahrnehmen, wenn er
eine Anregung oder eine Bitte hat, sich direkt an uns zu
wenden. Dies gilt nicht zuletzt für Jugendliche und ältere
Menschen.

Gerade wurde darauf aufmerksam gemacht, dass wir
das Petitionsrecht insofern reformiert haben, als wir das
Wort „schriftlich“ so auslegen, dass man sich auch per
E-Mail an uns wenden kann. Die Vaterschaft dafür, lie-
ber Josef Winkler, ist zum größeren Teil der SPD-Frak-
tion und zum kleineren Teil der Grünen-Fraktion zuzu-
rechnen. Jedenfalls war es, lieber Josef, liebe Frau Lazar,
eine gemeinsame gute und sinnvolle Entscheidung, was
schon dadurch bewiesen ist, dass sich mehr junge Men-
schen mit ihren Themen auch über die elektronischen
Medien an uns wenden.

Zu diesen Themen gehört an vorderer Stelle die Aus-
bildungsförderung für Studierende, besser bekannt unter
BAföG. Wir haben uns damit auch deshalb häufig be-
schäftigt, weil die Zahl der entsprechenden Petitionen
angestiegen ist. Lassen Sie mich daher auf dieses Thema
näher eingehen.

Zum einen wurde beklagt, dass die Bearbeitungszeit
der Anträge zu lang sei. Dafür habe ich Verständnis. Als
Abgeordneter bekommt man dies auch immer wieder in
den Bürgersprechstunden vorgetragen. Hier sind die
Länder mit ihren BAföG-Ämtern gefordert, dafür zu sor-
gen, dass die Anträge möglichst schnell bearbeitet wer-
den.

Ein zweites wichtiges Thema ist die Rückzahlung der
Darlehen. Um die jungen Menschen nicht mit einer zu
großen Schuldenlast in das Leben starten zu lassen, ha-
ben wir die Rückzahlung auf höchstens 10 000 Euro be-
grenzt. Sorgen bereiten vielen jungen Menschen die Stu-
diengebühren, die in mehreren Ländern eingeführt
wurden. Dafür sind wir allerdings nicht mehr zuständig;
das ist jetzt Ländersache.

Zum Dritten wurde beklagt, dass die Bedarfssätze
über viele Jahre nicht angehoben worden sind. Seit sie-
ben Jahren wird das BAföG in gleicher Höhe ausgezahlt,
und auch die Freibeträge sind nicht angehoben worden.
Gerade diesen Bereich, bei dem wirklich Handlungsbe-
darf besteht, hat sich die Koalition jetzt vorgenommen.
Daher können wir auch davon sprechen, dass wir uns
den Petitionen zuwenden, die zum Thema BAföG einge-
reicht worden sind und in denen es darum ging, Struktur-
reformen durchzuführen und den Höchstsatz von zurzeit
585 Euro pro Monat anzuheben. Wir streben an – das ist
in der Koalition noch nicht ganz ausdiskutiert –, die
Leistungen um 10 Prozent anzuheben. Wir wollen auch
die Freibeträge um 8 Prozent erhöhen, sodass gewähr-
leistet wird, dass mehr als 25 Prozent eines Studieren-
denjahrgangs BAföG beantragen können. Hier sind wir
sicherlich auf einem guten Wege.

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(C (D Lassen Sie mich noch auf Strukturverbesserungen für tudierende mit Kindern zu sprechen kommen. Hier uss noch eine Unterstützung seitens des Staates erfol en. Derzeit beraten wird darüber – ein Gesetzentwurf oll im November in erster Lesung behandelt werden –, inen Kinderzuschlag auf das BAföG zu gewähren: für as erste Kind von 113 Euro und für jedes weitere Kind on 50 Euro. Das wird eine wichtige familienpolitische nd studienpolitische Leistung sein. Ferner wollen wir afür sorgen, dass keine Benachteiligung der Kollegiaen erfolgt und dass es mehr Chancen für Studierende im usland gibt. Wir alle plädieren dafür, dass mehr Stuenten ins Ausland gehen und dass mehr ausländische tudenten bei uns studieren. Wir wollen die Anregung ufgreifen, dass bereits vom ersten Semester an BAföG ewährt wird. Die OECD hat wieder einmal festgestellt, dass wir im ildungsbereich nicht gerade spitze sind. Deswegen üssen wir darum kämpfen, dass jedem Studenten, der ie entsprechenden Fähigkeiten hat, die Möglichkeit geeben wird, zu studieren. Das wird gerade durch das AföG unterstützt. Es darf nicht sein, dass der Geldbeu el der Eltern entscheidet, ob jemand studiert oder nicht. s ist wichtig, dass wir hier für Chancengerechtigkeit orgen. Lassen Sie mich, Frau Präsidentin, noch einen kurzen edanken anfügen. Ebenso wie über das BAföG positiv ntschieden wird, ist über die Unterstützung ehrenamtich tätiger Menschen positiv entschieden worden. Geade im steuerlichen Bereich soll eine Entlastung vorgeommen werden. Dazu hat der Finanzausschuss einen underbaren Vorschlag gemacht. Der Aufwand, den Eh enamtliche haben, soll von der Steuer abgesetzt werden önnen. – Das habe ich doch richtig gesagt, Frau Kollein Frechen? – Jawohl. – Diese Unterstützung der ehrenmtlich Tätigen ist ebenfalls etwas, – Herr Kollege! – was auf Anregung des Petitionsausschusses erfolgt st. Vielen Dank, Frau Präsidentin, und vielen Dank, liebe olleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


(Beifall bei der SPD)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611515000
Klaus Hagemann (SPD):
Rede ID: ID1611515100


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611515200

Nächster Redner ist der Kollege Gero Storjohann,

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU – Günter Baumann [CDU/CSU]: Jetzt kommt wieder Ordnung in die Diskussion!)


11870 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


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Gero Storjohann (CDU):
Rede ID: ID1611515300

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen!

Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ohne Kritik
Demokratie geben kann. Damit fängt sie an.

Diesen Satz hat einst Michail Gorbatschow geprägt,
und ich glaube, er hatte recht. Die Politik darf sich nicht
nur alle vier oder fünf Jahre der Beurteilung durch die
Bürgerinnen und Bürger stellen, sondern sie muss es
kontinuierlich tun. Tag für Tag muss sie ein offenes Ohr
für Sorgen und Bedürfnisse haben und auch Kritik der
Bevölkerung ertragen.

Hieraus ergibt sich die Bedeutung des Petitionsaus-
schusses für unsere freiheitlich-demokratische Grund-
ordnung. Der Petitionsausschuss ist nach Meinung der
einen ein Seismograf, nach Meinung der anderen ein
Spiegel des Volkes. Auf alle Fälle ist er ein wichtiges In-
strument. Er gibt uns die wunderbare Gelegenheit, das
Einzelschicksal zur Kenntnis zu nehmen und es oft auch
im Gesetzesregelwerk nachzuvollziehen.

Das Instrument der Petition kann allerdings nur er-
folgreich sein, wenn es zwei Voraussetzungen erfüllt:
Erstens muss es mit der Zeit gehen, sich also in Bezug
auf neue technische Möglichkeiten stetig modernisieren.
Wir haben schon über die Vaterschaft der elektronischen
Petition gesprochen. Entscheidend ist, dass man nicht
nur über etwas redet, sondern es auch tut. Wir haben das
jetzt geschafft und sind stolz darauf. Zweitens muss den
Bürgerinnen und Bürgern bekannt sein, dass das Peti-
tionsverfahren existiert, wie es funktioniert und dass
man es gern in Anspruch nehmen kann.

Bezüglich beider Voraussetzungen hat der Petitions-
ausschuss in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte
gemacht. Hinsichtlich der technischen Modernisierung
des Petitionsverfahrens berichtet der vorliegende Jahres-
bericht 2006 von drei großen Neuerungen, die im Herbst
2005 eingerichtet worden sind. Erstens geht es um die
Möglichkeit, Petitionen online durch ein standardisiertes
E-Mail-Formular einzureichen. Zweitens geht es um den
Modellversuch zur Mitzeichnung von Petitionen im In-
ternet, die sogenannten öffentlichen Petitionen. Drittens
geht es um das Anrecht von Sammel- und Massenpeti-
tionen auf die Behandlung in einer öffentlichen Sitzung
des Ausschusses, sofern sie von mindestens 50 000 Mit-
zeichnern unterstützt werden.

Ich spreche im Namen meiner Fraktion, wenn ich
sage, dass wir die Neuerungen im Petitionswesen befür-
worten, auch den Modellversuch der öffentlichen Peti-
tionen. Das Petitionsverfahren wird hierdurch transpa-
renter, und die Hemmschwelle des einzelnen Bürgers,
Petent zu werden, sinkt erheblich. Wenn Demokratie
durch Kritik lebt, dann ist jede Maßnahme, durch die die
Kritik des Bürgers an der Politik erleichtert wird, eine
demokratische und somit eine gute Maßnahme.

Vor lauter Euphorie über die neuen Möglichkeiten
und ihre Popularität bei den Bürgerinnen und Bürgern
dürfen wir aber vorhandene Missstände des neuen Sys-
tems nicht verschweigen. Die Arbeit im Petitionsaus-
schuss hat gezeigt, dass einige Kollegen, besonders der

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(C (D raktion Die Linke, die Ansicht vertreten, dass eine Petiion mit steigender Mitzeichnerzahl auch an Bedeutung unimmt. Doch bei dieser Vorgehensweise würden geade die Personengruppen, die unsere Hilfe besonders ötig haben, kein Gehör mehr finden. Ältere und kranke ersonen, Bürgerinnen und Bürger, die sich isoliert und m Stich gelassen fühlen, diese Menschen können sich icht ohne Weiteres Unterstützer zusichern, die ihre Petiion mit unterschreiben, oder wollen es vielleicht auch ar nicht. Sie wenden sich hilfesuchend an uns und verienen es, dass ihr Anliegen mit genauso viel Respekt nd Beachtung bearbeitet wird wie jede Massenpetition. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


it dem Gerechtigkeitsempfinden meiner Fraktion ließe
ich die zuvor beschriebene Vorgehensweise nicht ver-
inbaren. Wir plädieren dafür, jede Petition nach ihrem
nhalt und nicht nach der Petentenanzahl zu bewerten.
taatliche Hilfe soll nach unserer Auffassung den Be-
achteiligten und Schwachen zukommen, gerade dann,
enn es sich um Einzelschicksale handelt, die keine
reiten Unterstützerkreise finden.

Als zweite Voraussetzung eines wirksamen Petitions-
usschusses im Sinne des Grundgesetzes hatte ich bereits
en ausreichenden Bekanntheitsgrad dieser Einrichtung
enannt. Diesbezüglich ist unser Ausschuss in der Tat sehr
ktiv. Unser Internetauftritt ist hervorragend und der
eistbesuchte Bereich auf der Bundestagsseite. Zudem ist

er Petitionsausschuss mit eigenen Informationsständen
uf Messen präsent, an denen der Deutsche Bundestag
ilnimmt. Bürgersprechstunden und Pressekonferenzen
omplettieren unsere Öffentlichkeitsarbeit. Die hohe An-
ahl an Petitionen beweist, dass wir auf dem richtigen
eg sind.

Letztendlich beschränkt sich unsere Öffentlichkeitsar-
eit aber nicht nur auf das Inland. Im Austausch mit Ver-
retern ausländischer Parlamente versuchen wir kontinu-
erlich, das deutsche Verfahren zu optimieren oder auch
nser deutsches Modell zu exportieren. Zwei Delega-
ionsreisen des Ausschusses fanden 2006 statt. Eine von
hnen führte nach Estland, Lettland und Litauen, eine
weite nach Kambodscha und Vietnam. Ich kann berich-
en, dass uns in den genannten Staaten mit großem Inte-
esse für unser Petitionswesen begegnet wurde. Dabei
rafen wir nicht nur Vertreter der dortigen Parlamente,
ondern es ergaben sich auch aufschlussreiche Gesprä-
he mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen
nd Projekten der Entwicklungszusammenarbeit. Mit
lick auf die Erfahrungen im Ausland können sich die
ürgerinnen und Bürger Deutschlands eigentlich sehr
lücklich schätzen, dass sie ein hoch entwickeltes Peti-
ionswesen haben.

Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass wir zahlrei-
he Delegationen hier in Berlin empfangen konnten:
um Beispiel eine Delegation des britischen Unterhau-
es, wo es eigentlich noch kein Petitionsrecht gibt, Ver-
reter des schottischen Parlaments, von denen wir da-
als sehr viel gelernt haben, Kollegen aus Kirgisistan,
akistan, Kambodscha, Vietnam und China sowie eine

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11871


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Gero Storjohann
Gruppe von Journalisten aus den USA. Die gemeinsame
Botschaft dieser Besuche ist: Das deutsche Petitionswe-
sen wird international respektiert, ist attraktiv und wird
mit großem Interesse verfolgt. Lassen Sie uns deshalb
gemeinsam daran arbeiten; es gibt eine gute Zusammen-
arbeit.

Mein Dank geht an die Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter sowie den ganzen Ausschuss.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611515400

Ich gebe das Wort der Kollegin Gabriele Lösekrug-

Möller; SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1611515500

Verehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle-

gen! Meine Damen und Herren! Ich kann mich allen
Danksagungen, guten Wünschen und Komplimenten nur
anschließen. Sie gelten den Kolleginnen und Kollegen
aus dem Ausschuss sowie dem Ausschussdienst. Ich
möchte das nicht im Einzelnen wiederholen, kann es
aber auch im Namen der Mitglieder der SPD-Fraktion in
diesem Ausschuss aus vollem Herzen unterstützen.

Einmal im Jahr haben wir die Gelegenheit, über die
Arbeit des Petitionsausschusses hier in diesem Hohen
Haus zu sprechen. Es müsste uns dankbar sein, dass wir
das nur einmal machen, weil unsere Ausschussarbeit so
exzellent ist, dass wir diesem Hohen Haus damit viele
Abstimmungen ermöglichen, die Ihnen Zeit sparen. Das
hängt damit zusammen, dass wir sehr gründlich und lö-
sungsorientiert arbeiten und die Ergebnisse immer die
Zustimmung dieses Hohen Hauses finden. Da dürfen wir
uns auch einmal selbst loben; denn das gelingt nicht je-
dem Ausschuss des Bundestages.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Wir loben euch auch, liebe Gabriele!)


Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben viele
Zahlen genannt. Wir wissen jetzt also, wie viele Einga-
ben wir hatten und wie diese sich verteilten. Ich will nur
noch eine Zahl nennen, die ich extrem beeindruckend
finde und die noch nicht erwähnt worden ist: Im
Jahr 2006 gab es, Mitzeichnungen und Kommentare ein-
bezogen, insgesamt knapp eine halbe Million Bürger
und Bürgerinnen – aber auch andere Menschen, denn
das Petitionsrecht ist nicht nur ein Bürgerrecht; bei uns
kann jeder Mann und jede Frau eine Petition einreichen
oder mitzeichnen –, die sich an dem Verfahren beteiligt
haben, das für den Bundestag gilt. Das zeigt, wie enga-
giert viele unsere Arbeit begleiten, wie viele ihre Hoff-
nung auf unsere Arbeit setzen.

Ich möchte diejenigen um Nachsicht bitten – das sind
nicht wenige –, deren Wünsche wir nicht erfüllen konn-
ten. Wir sind keine Versammlung von Feen, wir sind

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(C (D eine Wunschbox, sondern können nur im Rahmen unerer Möglichkeiten, die allerdings erheblich sind, das un, was sinnvoll ist. An uns werden gelegentlich Bitten nd Beschwerden herangetragen, denen wir nicht entprechen können. Ich finde, da muss man ehrlich sein: as Zaubern überlassen wir anderen. Wir machen eine rdentliche parlamentarische Arbeit; darauf legen wir ert. Deshalb, liebe Kollegin Bluhm, habe ich nach wie vor ine grundsätzlich andere Einschätzung, was Ihren Umang mit Zahlen anbelangt. Ich wiederhole mich: Wenn ürger und Bürgerinnen oder Petenten und Petentinnen ich zufrieden zeigen, weil wir ihnen mit Rat und Hilfe ine gute Antwort gegeben haben, dann ist das für mich ine positive Erledigung durch den Petitionsausschuss es Deutschen Bundestages; das will ich hier bekräftien. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ine erhebliche Zahl von Anfragen wird auf diese Weise
earbeitet.

Da ich dabei bin, auf Ihren Redebeitrag zu reagieren,
ill ich Ihnen sagen: Ich glaube nicht, dass ausschließlich

hre Fraktion entscheidet, welche Themen die Menschen
ewegen. Ich denke, alle, die in dieses Parlament gewählt
urden, um die Interessen der Bürger und Bürgerinnen zu
ertreten, können das gut beurteilen. Das wird gerade am
eispiel der Reformen auf dem Arbeitsmarkt und Ihrer
orderung nach einer öffentlichen Debatte dazu deutlich.
hre Position zum Arbeitslosengeld II hören wir in jeder
lenarwoche wie ein Mantra. Dafür brauchen wir keine
ffentliche Ausschussberatung. Wir brauchen eine solche,
enn wir gezielt nach Wegen suchen, differenziert zu hel-

en, und Antworten in einer sicher schwierigen Arbeits-
arktsituation und Arbeitsmarktpolitik finden wollen.

Insofern haben wir einen absolut ordentlichen Um-
ang. Ich sehe auch keinerlei Vorteile in einem extra zu
erabschiedenden Petitionsgesetz; da kann ich dem Kol-
egen Winkler nur beipflichten. Wir brauchen eine kon-
rete Arbeit an den Anliegen derjenigen, die sich an uns
enden. Ich finde, dies erfüllen wir, zumeist auch posi-

iv. Damit können wir sehr zufrieden sein.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich will dem Kollegen Winkler, was die Elternschaft
ezüglich der Modernisierung des Petitionsrechts anbe-
angt, sagen: Du heißt zwar Josef, ich aber nicht Maria.


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ir sollten diesen Streit beiseitelegen und sagen: Es ist
ut, dass es eine Modernisierung gibt. Wir brauchen kei-
en Rückgriff auf die Elternschaft. Wir gehen gut mit
em neu ausgestalteten Recht um.

Dazu möchte ich noch feststellen: Wir haben erstmals
ngaben darüber, wer sich besonders stark an uns wen-
et. In der Regel sind das männliche Petenten. Sie sind
lter als 40 Jahre. Sie haben einen Hochschulabschluss.
ll das freut uns, und uns ist jede Petition willkommen.

11872 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


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Gabriele Lösekrug-Möller
Ich wünsche mir aber, dass sich auch verstärkt Migran-
ten, Frauen und Jüngere an uns wenden. Da haben wir
also noch viel zu tun, damit wir auch diese Teile unserer
Gesellschaft – es sind keine kleinen Gruppen – errei-
chen. Ich glaube, dass wir da noch viel Arbeit vor uns
haben.

Wir haben den Zuhörern und Zuhörerinnen, die heute
anwesend sind, einen Flyer über unsere Ausschussarbeit
ausgehändigt und ihn ihnen ans Herz gelegt. Ich weise
auf Folgendes hin – Frau Präsidentin, Sie werden mir
den kleinen Werbeblock in eigener Sache gestatten –:


(Günter Baumann [CDU/CSU]: Buchvorstellung?)


Am 8. Oktober und am 12. November finden öffentliche
Ausschusssitzungen statt; an diesen kann jeder teilneh-
men. In der Sitzung im Oktober befassen wir uns mit
dem Steuerrecht und im November mit dem Schwer-
punkt „eheähnliche Gemeinschaften“. Ich denke, dass
wir sehr interessante Ausschussberatungen vor uns ha-
ben. Wir freuen uns natürlich über eine große Resonanz.


(Günter Baumann [CDU/CSU]: Ich dachte, du stellst ein Buch vor!)


Dass wir international anerkannt sind und das Peti-
tionsrecht ein Exportschlager ist, darauf hat schon der
Kollege Storjohann hingewiesen. Ich will nur sagen:
Viel Arbeit liegt vor uns, zum Beispiel im nächsten Jahr
die Beratung einer Petition, die sich darum dreht, dass
wir die Fahrradwegebenutzungspflicht infrage stellen.
Dazu haben wir schon 30 000 Mitzeichnungen. Auch
dieses Thema werden wir in gewohnter Qualität behan-
deln. Ich bin gespannt auf das Ergebnis.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611515600

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

Carsten Müller, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Carsten Müller (CDU):
Rede ID: ID1611515700

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Viele Zahlen sind schon genannt worden. Als
letzter Redner in dieser wichtigen Debatte will ich sie
nicht wiederholen. Es ist auch schon gesagt worden, dass
der Petitionsausschuss gleichsam der Seismograf des
Parlaments ist. Da ist viel Wahres dran.

Ebenso wie meine geschätzte Vorrednerin möchte ich
mich eingangs kurz mit der Rede der Kollegin Bluhm
auseinandersetzen. Sehr geehrte Frau Bluhm, Sie regen
die Einbringung eines Gesetzes zum Petitionswesen an.
Ich empfehle Ihnen ganz ernsthaft, zunächst einmal den
Bericht, über den wir heute debattieren, genau zu studie-
ren. Wenn Sie auf Seite 8 der in Bezug genommenen
Bundestagsdrucksache nachschauen, werden Sie fest-
stellen, dass nicht, wie Sie behauptet haben, lediglich
12 Prozent der Anliegen – es handelt sich um mehrere

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(C (D ausend – positiv beschieden wurden, sondern rund 5 Prozent. Das ist ein ganz beachtlicher Anteil. Der usschuss hat sich mit den Anliegen ernsthaft auseinanergesetzt. Der Petitionsausschuss ist nicht – das hat die ollegin Lösekrug-Möller richtigerweise gesagt – die eranstaltung „Wünsch dir was“, sondern ein sehr ernstaftes, mit Verfassungsrang versehenes Organ des Bunestages. Im Übrigen ist, so glaube ich, nicht die Anzahl er positiv beschiedenen Petitionen ausschlaggebend, ondern deren Qualität, und diese ist nach meinem Daürhalten außergewöhnlich hoch. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist bereits gesagt worden, dass wir die Zugangs-
öglichkeiten erleichtert haben. Das hat meines Erach-

ens dazu beigetragen, die Akzeptanz und das Vertrauen
n das Parlament noch weiter zu erhöhen. Die hohe An-
ahl an Petitionen zeigt, dass die Bevölkerung großes
ertrauen in die Lösungskompetenz des Deutschen Bun-
estages hat.

Die Arbeit im Petitionsausschuss erfordert ein gewis-
es Fingerspitzengefühl – das ist eine wirkliche Heraus-
orderung –; denn hinter den meisten Petitionen verbirgt
ich ein ganz bedeutendes Einzelschicksal oder eine
anz bedeutende Einzelfrage. Die überwiegend sachli-
he und intensive Auseinandersetzung mit den Kollegin-
en und Kollegen der meisten anderen Fraktionen
chätze ich sehr. Oftmals reicht es Gott sei Dank schon,
enn ein Schreiben des Petitionsausschusses abgesandt
ird. Dieses Schreiben führt nicht selten dazu, dass eine
achlage neu bewertet, ein Gesetzgebungsverfahren an-
eregt oder eine andere Lösung im Sinne des Petenten
efunden wird.

Lassen Sie mich aus der Arbeit im Jahr 2006 zwei
inzelfälle herausgreifen, die mir ganz besonders in Er-

nnerung geblieben sind:

Einer Familie mit einem schwerstbehinderten Kind
der Vater arbeitet für ein leider sehr überschaubares

inkommen als Fernfahrer – wurde eine Aufstockung
es Pflegegeldes verweigert, weil sich dadurch gemäß
inem Schreiben des Gesundheitsministeriums die wirt-
chaftlich ohnehin schwierige Lage dieser Familie nach
inschätzung des Ministerialbeamten nur graduell ver-
essern ließe. Dieses Schreiben war Zynismus pur. Es
ar mir ein persönliches Anliegen, dass diese Stellung-
ahme des Gesundheitsministeriums durch den Peti-
ionsausschuss nicht unwidersprochen geblieben ist.

Ein weiterer wichtiger Fall findet in dem Bericht Er-
ähnung. Es geht um das Thema Zwangsprostitution.
in Petent regte an, sogenannte Freier von Zwangspros-

ituierten zu bestrafen. Er führte richtigerweise die
rwägung an, dass Menschenhandel und Zwangsprosti-

ution besonders krasse Verstöße gegen die Menschen-
ürde darstellen. Bereits in der 37. Strafrechtsänderung
urde ein entsprechender Schritt unternommen und eine
ichtige strafrechtliche Ergänzung vorgenommen. Die
oalition hat dieses Anliegen im Koalitionsvertrag auf-
enommen. Insofern wurde diesem wichtigen Anliegen
echnung getragen. Wir müssen die Öffentlichkeit für

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11873


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Carsten Müller (Braunschweig)

dieses Thema sensibilisieren und mit gezielten Kampa-
gnen gegen Zwangsprostitution eintreten. Hierzu haben
der Petent und an seiner Seite der Petitionsausschuss
Wesentliches beigetragen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Zahlreiche Petitionen aus dem Jahr 2006 und aktuelle
Petitionen beschäftigen sich mit dem Thema GEZ. In
mindestens einer großen Tageszeitung konnten wir in
den vergangenen Tagen lesen, welche Probleme es auf
diesem Gebiet gibt. Ich mag der aktuellen Diskussion
nicht vorgreifen, möchte aber sagen, dass die große An-
zahl an Eingaben unseres Erachtens zeigt, dass die Bür-
ger die Gebührenpolitik nicht vollkommen durch-
schauen und der Umfang der Grundversorgung durch die
öffentlichen Sender, vor allem aber die Methoden der
GEZ einer genaueren Prüfung bedürfen. Dieser Aufgabe
will sich der Petitionsausschuss annehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Mein Kollege Baumann hat bereits angesprochen, dass
uns auch im vergangenen Jahr Petitionen von Opfern der
SED-Diktatur beschäftigt haben. Dabei wurde immer
wieder deutlich: Nicht der finanzielle Ausgleich steht im
Vordergrund der Interessen der Petenten, sondern die mo-
ralische Anerkennung der erlittenen Unterdrückung. Ei-
nes muss hierbei deutlich sein – daran arbeitet die CDU/
CSU-Fraktion –: Es darf den damaligen Unterdrückern
nicht gelingen, sich selbst eine Opferrolle anzudichten.
Hierfür treten wir im Petitionsausschuss ein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Petitionsausschuss ist ein Ort, an dem Relativie-
rungspolitiker und Schönfärber des DDR-Unrechtsstaa-
tes nichts zu suchen haben. Dafür ist der Petitionsaus-
schuss eine viel zu wichtige Einrichtung dieses Hauses.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611515800

Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 7 a und 7 b auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Birgit
Homburger, Elke Hoff, Dr. Rainer Stinner, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr herstellen –
Wehrpflicht aussetzen

– Drucksache 16/393 –
Überweisungsvorschlag:
Verteidigungsausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss

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Nachtwei, Kai Gehring, Alexander Bonde, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Wehrpflicht überwinden – Freiwilligenarmee
aufbauen

– Drucksache 16/6393 –
Überweisungsvorschlag:
Verteidigungsausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
öre keinen Widerspruch.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
r. Rainer Stinner, FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1611515900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ch beginne mit einem Zitat:

Die Wehrpflicht ist ein tiefer Eingriff des Staates in
die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen; sie muss
deshalb wohlbegründet sein, und sie muss gerecht
sein.

Das Zitat ist von Ihnen, Herr Minister, vom
3. September dieses Jahres im Handelsblatt. Sie haben
echt damit.


(Beifall bei der FDP)


er Eingriff in die Persönlichkeitsrechte ist aber so groß,
ass er nur mit der Notwendigkeit zur Landesverteidi-
ung begründet werden kann. Darüber sind sich alle Ver-
assungsrechtler einig. Angesichts des gewandelten und
on uns allen gleich beurteilten strategischen und sicher-
eitspolitischen Szenarios ist die Notwendigkeit der
andesverteidigung und somit die der Wehrpflicht ent-

allen. Also ist die Geschäftsgrundlage für die Wehr-
flicht entfallen. Sie ist auszusetzen. Damit könnte die
ebatte eigentlich beendet sein.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie ist aber nicht beendet, weil für die Wehrpflicht
ach wie vor verschiedene Gründe ins Feld geführt wer-
en, die mit der Notwendigkeit der Landesverteidigung
ichts, aber auch gar nichts zu tun haben.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Das nehmen Sie sofort zurück!)


Lieber Kollege Rossmanith, lieber Kurt, es wird ers-
ens gesagt – vielleicht auch nachher von dir –:

11874 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


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Dr. Rainer Stinner

(Dirk Niebel [FDP]: Der Kamerad hat das nicht so gemeint!)


Durch die Wehrpflicht bekommt die Bundeswehr leich-
ter bessere Soldaten. Das ist richtig, Herr Minister; das
bestreitet keiner von uns. Nur, die Rekrutierungspro-
bleme der Bundeswehr sind kein Legitimationsgrund für
diesen erheblichen Persönlichkeitseingriff. Von daher
können Sie dabei nicht bleiben.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich will das auf die Spitze treiben. Selbstverständlich
würde jeder Polizeichef furchtbar gerne eine Dienst-
pflicht für die Polizei haben. Das wäre für die Polizeire-
krutierung wesentlich besser; es würden bessere und
mehr Bewerber für den Polizeidienst zu gewinnen sein.
Das kann aber kein Grund sein.

Zweitens wird gesagt: Durch die Abschaffung der
Wehrpflicht bekommen wir erhebliche Probleme mit
dem Zivildienst. Auch das ist richtig. Aber auch hier
sage ich: Die Aufrechterhaltung eines Ersatzdienstes
oder seine eventuelle Gefährdung – ob er wirklich ge-
fährdet wäre, steht ja infrage – kann kein Legitimations-
grund für den ursprünglichen Dienst, den Wehrdienst,
sein, dessen Grundlage entfallen ist.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Drittens wird gesagt: Die Wehrpflicht sorgt für eine
Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft.


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist eine Beleidigung für jeden Zeitsoldaten!)


Das ist eine Beleidigung für Hunderttausende, für Milli-
onen von Zeit- und Berufssoldaten, die seit über 50 Jah-
ren in der deutschen Bundeswehr dienen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen – auch von der
Union –, es gibt nicht den geringsten Anhaltspunkt da-
für, dass sich in der Bundeswehr über 50 Jahre hinweg
etwas entwickelt hat, das wir in der Weimarer Zeit erlebt
haben und wogegen wir alle Vorkehrungen treffen woll-
ten und mussten. Es gibt nicht den geringsten Ansatz-
punkt dafür.


(Zuruf des Abg. Kurt J. Rossmanith [CDU/ CSU])


– Nein, lieber Kurt Rossmanith, das Gegenteil ist der
Fall: Soldaten, Offiziere, Unteroffiziere und Zeitsoldaten
sind so in die Gesellschaft integriert, dass wir in Offi-
zierskasinos abends keine mehr sehen, weil sie zu Hause
sind und als normale Bürger in der Gesellschaft leben –
in Vereinen, in Verbänden und mit ihrer Familie. Es ist
eine Beleidigung – es ist fast schon infam –, zu behaup-
ten, wir müssten die Wehrpflicht aufrechterhalten, um
die demokratische Kultur der Bundeswehr zu wahren.
Bitte nehmen Sie hier heute endlich Abstand von diesem
infamen Vorwurf!

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(C (D Die Wehrpflicht bindet enorme Ausbildungskapazitäen. Ich könnte das jetzt ausführen, will mich aber auf ur eine Zahl beschränken: Durch die falsche Entscheiung des Herrn Bundesministers, 6 700 weitere Wehrflichtige einzuziehen, werden nach Informationen eines eigenen Hauses 1 000 Zeitund Berufssoldatentellen gebunden. Man zieht 6 700 Wehrpflichtige ein nd bindet dadurch weitere 1 000 Zeitund Berufssoldaen. Ich könnte das weiter ausführen, wenn Sie mir mehr edezeit gäben; ich muss das aber nicht tun, denn dieses eispiel ist schlagend genug, um deutlich machen zu önnen, dass es für die Wehrpflicht keine operativen ründe mehr gibt. (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Herr Minister, Ihre Entscheidung, zusätzlich
700 Wehrpflichtige einzuziehen, ist falsch. Sie begrün-

en Ihre Entscheidung gar nicht fachlich, sondern ei-
entlich nur damit, dass der Anschein der Wehrgerech-
igkeit dadurch einigermaßen aufrechterhalten werden
ann.

Ich habe mir das Argument der Wehrgerechtigkeit be-
usst für den Schluss aufgehoben. Es ist ein ganz wich-

iges, aber nicht das erste Argument. Angesichts der Tat-
ache, dass nur noch 40 Prozent der Männer eines
ahrgangs Zivil- oder Wehrdienst leisten, kann doch von
ehrgerechtigkeit nicht mehr im Geringsten die Rede

ein.


(Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister: Falsch! – Gegenruf des Abg. Dirk Niebel [FDP]: Sie dürfen sie nicht untauglich erklären!)


Herr Kollege Niebel, ich mache das schon.


(Heiterkeit – Dirk Niebel [FDP]: Du kannst das auch! – Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Der Niebel ist ein guter Mann! Er ist Fallschirmjäger!)


Herr Minister, Sie schönen Ihre Zahlen, indem Sie die
riterien für die Musterung so heraufsetzen, dass sich
ie Zahl der nicht Wehrdienstfähigen innerhalb von vier
ahren fast verdreifacht hat. Das sind Ihre geschönten
ahlen! Außerdem führen Sie in Ihren Dokumenten die

reiwillig länger dienenden Wehrdienstleistenden und
ie normalen Grundwehrdienstleistenden schlank zu-
ammen; nur so kommen Sie zu dem Ergebnis, dass
eute etwa 18 Prozent eines Jahrgangs Wehrdienst leis-
en. Das sind aber geschönte Zahlen; die Wirklichkeit
ieht anders aus.


(Beifall bei der FDP)


ehr- bzw. Zivildienst leisten nur noch 40 Prozent eines
ahrgangs; von Wehrgerechtigkeit kann daher nicht die
ede sein.

Zum Schluss komme ich auf die fabelhafte SPD.
iebe Kolleginnen und Kollegen, Ihr Vorschlag der frei-
illigen Wehrpflicht ist halbgar.


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist peinlich!)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11875


(A) )



(B) )


Dr. Rainer Stinner
Sie wissen es: Die Wehrpflicht ist nicht mehr zu halten.
Sie wagen nur nicht, das zuzugeben. Ich prophezeie Ih-
nen: In der nächsten Legislaturperiode reden und han-
deln Sie wie wir. Ich fordere Sie von der SPD auf: Stel-
len Sie Ihre Uhren etwas vor! Stimmen Sie schon jetzt
unserem Antrag zu!

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611516000

Ich gebe das Wort dem Kollegen Jürgen Herrmann,

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Jürgen Herrmann (CDU):
Rede ID: ID1611516100

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue
mich, dass wir bei diesem ernsten Thema auch eine hu-
moristische Ader gefunden haben. Wir diskutieren über
dieses Thema nicht zum ersten Mal. Wir werden – Herr
Stinner, Sie haben das gesagt – sicherlich noch öfter da-
rüber diskutieren. Ich persönlich glaube, dass Sie den
Aufhänger, dieses Thema noch einmal auf die Tagesord-
nung zu setzen, in der Vorlage für den Parteitag der SPD
gefunden haben, eine freiwillige Wehrpflicht zu initiie-
ren.

Allein der Begriff – das sehen Sie mir nach – zeugt
von der Quadratur des Kreises. Liebe Kolleginnen und
Kollegen der FDP und der Grünen, Sie haben den Vor-
schlag zum Anlass genommen, das Thema reflexartig
noch einmal aufzugreifen. Ich sage Ihnen aber gleich:
Wenn Sie schon einen Antrag stellen – Herr Stinner, Sie
haben in der 14. und 15. Wahlperiode nahezu gleichlau-
tende Anträge eingebracht –, sollten Sie, sofern Sie das
Hohe Haus ernst nehmen, zumindest das Datum ändern.
Ihr neuer Antrag trägt aber das Datum vom 18. Januar
2006.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Das ist ein schwerwiegendes Argument!)


– Das zeigt mir, wie ernst Sie dieses Thema nehmen.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, wie ernst Sie dieses Thema nehmen!)


Wenn Sie in Ihrem Antrag davon sprechen, dass Sie
die Wehrpflicht aussetzen wollen, dann sagen Sie meines
Erachtens nur die halbe Wahrheit; denn Sie wissen ge-
nau: Wenn wir die Wehrpflicht aussetzten, hätten wir
später faktisch kaum noch die Möglichkeit, sie wieder
durchzusetzen. Damit plädieren Sie letztendlich für eine
Abschaffung.

Im Titel des Antrags der Grünen heißt es „Wehr-
pflicht überwinden“. Ich habe einmal im Duden nachge-
schlagen, was man unter „überwinden“ findet; dieses
Wort hat nämlich einen relativ negativen Touch. Dort ist
unter anderem von folgenden Bedeutungen die Rede:

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(C (D iderwillen überwinden, Angst überwinden und Missrauen überwinden. (Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hand drauf und drüber!)


Ja, Herr Nachtwei, das zeigt Ihre Einstellung zu die-
em sehr wichtigen Thema. – Vor zwei Jahren haben wir
och das 50-jährige Bestehen der Wehrpflicht gefeiert.
it einem solchen Erfolgsmodell sollte man, zumindest
as die Wortwahl angeht, so nicht umgehen.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie so weiterreden, überzeugen Sie die SPD noch, dem Antrag zuzustimmen!)


In den Anträgen, die Sie gestellt haben, findet man ei-
ige Aussagen, die auch ich unterschreiben würde. Sie
prechen davon, dass Sie eine transparente Armee wol-
en; ohne Frage, die Bevölkerung und die Streitkräfte
ollten eng miteinander verbunden sein. Wechselnde
ahrgänge tun der Bundeswehr gut, was die Aufwuchs-
ähigkeit betrifft; auch das ist richtig.

Da Sie auch die Innere Führung erwähnen, sage ich
hnen: Ich glaube, dass wir eine Wehrform gefunden ha-
en, durch die das Prinzip der Inneren Führung beson-
ers hervorgehoben wird. Für uns, die CDU/CSU-Frak-
ion, ist es äußerst wichtig, dass dieser Bereich weiterhin
eschützt wird. Wir müssen für die Wehrpflicht einste-
en; denn sie macht den Unterschied zu vielen anderen
rmeen in Europa aus.

Claire Marienfeld, die ehemalige Wehrbeauftragte,
at in diesem Zusammenhang einmal gesagt: Es besteht
ein Grund zur Sorge, dass sich die Streitkräfte bei der
bschaffung der Wehrpflicht von der Gesellschaft ent-

ernen. Nein, aber umgekehrt ist die Gefahr groß, dass
ich die Gesellschaft von ihren Streitkräften entfernt.
as lehrt uns die Erfahrung, die in anderen Staaten, in
enen die Wehrpflicht außer Kraft gesetzt bzw. abge-
chafft wurde, gemacht werden musste. Aus dieser Er-
ahrung sollten wir lernen, statt die gleichen Fehler zu
achen, die in anderen Ländern begangen wurden.

Nun ein Wort zur Landesverteidigung. Wir, die
DU/CSU-Fraktion, und unser Koalitionspartner beken-
en uns ausdrücklich zur Landesverteidigung, sowohl in
en VPRs als auch im neuen Weißbuch, das unter der
ot-grünen Regierung nicht verabschiedet worden ist –
ffensichtlich deshalb, weil man Bedenken hatte, die
ehrpflicht zu erwähnen.

In einigen anderen Staaten – ich will es nicht verheh-
en: in 20 der 26 NATO-Staaten – gibt es keine Wehr-
flicht mehr. In diesen Ländern wurden allerdings viele
chlechte Erfahrungen gemacht, nachdem die Wehr-
flicht abgeschafft worden war. In Frankreich, wo man
ie Wehrpflicht vor einigen Jahren abgeschafft hat, über-
egt man heute, sie wieder einzuführen,


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre das Ende von Sarkozy!)


eil man die Rekrutierung von jungen, aktiven und
ochgebildeten Menschen nicht mehr gewährleisten
ann.

11876 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Jürgen Herrmann
In Spanien werden Menschen aus Übersee in der Ar-
mee eingestellt. Man versucht, diese Menschen dadurch
zu locken, dass man ihnen einen spanischen Pass gibt;
das kann sicherlich nicht Sinn und Zweck der Sache
sein, insbesondere dann, wenn man berücksichtigt, dass
als Einstellungsqualifikation ein IQ von 75 zugrunde ge-
legt wird.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Wehrpflicht zur Flüchtlingsabwehr! Das ist auch ein interessantes Argument!)


Auch in den Niederlanden – wir haben das in der letz-
ten Ausschusssitzung vom Generalinspekteur gehört –
gibt es erhebliche Probleme, genug junge Leute für die
Streitkräfte zu rekrutieren; das muss man ganz deutlich
sagen. Das ist zwar nicht der einzige Grund, aus dem
man sich in Teilbereichen aus Afghanistan zurückziehen
will. Aber es fehlt schlichtweg der Nachwuchs.

Sehen wir uns die Situation bei uns an. In Deutsch-
land gab es im Jahr 2006 etwas mehr als 71 000 Grund-
wehrdienstleistende. Über 9 000 dieser 71 000 Personen
sind Berufs- und Zeitsoldaten geworden; daran wird
deutlich, wie wichtig die Wehrpflicht für den Bestand
der Bundeswehr ist. 13 Prozent der Grundwehrdienst-
leistenden haben sich dafür entschieden, eine Karriere
bei der Bundeswehr anzustreben; das ist sicherlich wich-
tig. Anders ausgedrückt: Man hat innerhalb von zehn
Jahren ein Drittel des gesamten Personals bei der Bun-
deswehr durch Wehrpflichtige ersetzt.


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist doch kein Argument!)


Gerade wenn es um die Rekrutierung geht, darf man
die freiwillig länger Wehrdienstleistenden nicht ver-
gessen. Sie dürfen die Dauer ihres Wehrdienstes auf bis
zu 23 Monate verlängern und in Auslandseinsätze ge-
hen. Man muss dazusagen: Zusammen mit den Reservis-
ten stellen sie bis zu 15 Prozent derjenigen, die sich in
einem Einsatz befinden. Wir können auf sie und auf ihre
Erfahrung nicht verzichten. Von daher ist es ein adäqua-
tes Mittel, die Wehrpflicht beizubehalten, insbesondere
unter dem Aspekt, dass die Reservisten im Nachklang
ihre Erfahrungen und ihr berufliches Know-how im Rah-
men von Auslandseinsätzen einbringen.

Zu den Kosten. Es würde nicht billiger, wenn wir
eine Berufsarmee hätten. Schätzungen zufolge hätten
wir maximal 180 000 bis 200 000 Berufssoldaten. Wie
wollen wir dann die Stehzeiten im Ausland verkürzen
und unseren Soldatinnen und Soldaten – darauf legen
wir sehr großen Wert – einen Auslandsaufenthalt nicht
erschweren? Reinhold Robbe, der jetzige Wehrbeauf-
tragte, sprach davon, dass wir, wollten wir eine Berufsar-
mee unterhalten, 3 bis 7 Milliarden Euro zusätzlich auf-
wenden müssten. Sagen Sie uns doch bitte, wie Sie diese
Mittel im Haushalt zur Verfügung stellen wollen!

Ein Wort zur Wehrgerechtigkeit, Herr Stinner. 100 Pro-
zent Wehrgerechtigkeit hat es nie gegeben – nicht, als
Sie in der Regierung waren, und auch nicht, als Herr
Nachtwei mit den Grünen in der Regierung war – und
wird es nicht geben. Das wird sich auch nicht ändern.

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(C (D ber wenn Sie mit den Zahlen argumentieren, muss man arauf hinweisen, dass auch andere Gesichtspunkte zähen. Es gab immer Ausnahmeregelungen; denken Sie an ie Dritter-Sohn-Regelung, denken Sie an die Polizisten. enken Sie an die Pfarrer, die auch nicht zum Wehrienst eingezogen werden! Sie müssen letztendlich die usschöpfungsquote betrachten. Sie dürfen sich nicht uf diejenigen beschränken, die zur Bundeswehr gehen, ezogen werden oder Ersatzdienst leisten, sondern müsen auch die einberechnen, die von vornherein nicht in er Lage sind, die Kriterien zu erfüllen – die im Übrigen, ie höchstrichterlich bestätigt wurde, vom Staat, also om Verteidigungsminister, festgelegt werden können. Ich sage an dieser Stelle noch einmal: Es ist nicht alläglich, dass der Minister während der Debatte dabei ist. aran, dass sich der Minister nicht nur durch den Staats ekretär vertreten lässt, (Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt „nur“? – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


ondern selbst vor Ort ist, sehen Sie, wie wichtig uns
ieses Thema letztendlich ist.

Ich sage eindringlich: Wir haben die Wehrpflicht bei-
ehalten und wir werden sie beibehalten, weil sie unse-
er Meinung nach eine elementare Voraussetzung dafür
st, eine leistungsstarke und den Herausforderungen ge-
achsene Armee zu bilden. Wir erreichen damit die Ge-

ellschaft; das dürfte uns allen klar geworden sein. Ich
age hier in aller Deutlichkeit: Die CDU/CSU bekennt
ich zu einer uneingeschränkten Wehrpflicht, und wir
erden sie auch in den nächsten Jahren beibehalten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Uneingeschränkt“ heißt dann aufstocken, mehr als 20 Prozent!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611516200

Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem

ollegen Stinner.


Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1611516300

Vielen Dank, lieber Kollege, dass Sie so ausführlich

uf mich eingegangen sind. Sie haben genau das ge-
acht, was ich hier öffentlich machen wollte: Sie haben

ür die Aufrechterhaltung der Wehrpflicht ausschließlich
eserveargumente bemüht.


(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ist es!)


Darauf, dass wir die Wehrpflicht nur mit Landesver-
eidigung begründen können, sind Sie mit keinem Wort
ingegangen. Lieber Kollege, wir gehen doch nicht mehr
ie in den 60er-Jahren von einer Panzerschlacht in der
orddeutschen Tiefebene aus. Die Bundeswehr hat da-
als 5 000 Panzer gehabt. Wir haben der neuen Konzep-

ion nach zwischen 350 und maximal 500 Panzer. Die
elt hat sich doch grundlegend verändert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11877


(A) )



(B) )


Dr. Rainer Stinner

(Dr. Karl Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: Die Bundeswehr auch!)


Im Übrigen: Zu Auslandseinsätzen werden Wehr-
pflichtige ausdrücklich nicht eingezogen. Freiwillig län-
ger dienende Wehrpflichtige sind Zeitsoldaten.


(Beifall bei der FDP)


Daran, dass sich Leute für zwei Jahre verpflichten kön-
nen, wollen wir gar nichts ändern; das ist doch völlig
klar.

Sie sind wieder einmal auf die Zahlen eingegangen.
Ich kann Ihnen nur vorlesen: Im Jahre 2002 waren nicht
wehrdienstfähig oder vorübergehend nicht wehrdienstfä-
hig insgesamt 160 000. Im Jahre 2005 sind daraus – oh
Wunder! – 380 000 geworden. Und da wollen Sie mir er-
zählen, dass dieselben Kriterien angewandt worden
sind?


(Beifall bei der FDP)


Das hat sich durch die Praxis des Ministeriums drama-
tisch verändert.

Sie haben die Ausschöpfungsquote angeführt. Da
kann ich Sie nur auf ein Dokument aus dem Bundesver-
teidigungsministerium verweisen: Im Jahre 2006 hat der
externe Bedarf, von dem Sie gesprochen haben, bei ge-
nau 9 695 Leuten, also bei 2,2 Prozent, gelegen. Das
kann nicht die Masse sein, die zur Begründung der
Wehrpflicht herhalten soll. Auch in diesem Dokument
werden dummerweise die Grundwehrdienstleistenden
und die FWDLs, zusammen geführt, was nicht rechtens
ist. Das Zweite sind nämlich die freiwilligen Soldaten.
So kommen Sie dann auf 18,7 Prozent. Sie behaupten,
die Ausschöpfungsquote ist hoch. Aber sie ist hoch, weil
Sie die Kriterien so hoch ansetzen. Arbeiten Sie also
bitte nicht mit falschen Zahlen!

Vor allen Dingen bitte ich Sie herzlich – auch die Kol-
legen, die nachher sprechen –, auf das Grundargument
einzugehen, ob denn aus Ihrer Sicht die Wehrpflicht zur
Landesverteidigung unabdingbar notwendig ist und ob
Sie glauben, dass diese Einschätzung vor dem Bundes-
verfassungsgericht Bestand haben wird.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611516400

Herr Kollege Herrmann, Sie können darauf eingehen.


(Dirk Niebel [FDP]: Ulla Schmidt ist schuld wegen der Gesundheit!)



Jürgen Herrmann (CDU):
Rede ID: ID1611516500

Herr Niebel, Sie sollten schon bei der Sache bleiben.

Herr Stinner, wenn Sie zugehört hätten, dann hätten
Sie auch aufnehmen können, dass ich eben kurz – ich
gebe zu, dass das nur kurz war – auch den Bereich der
Landesverteidigung angesprochen habe. Wir bekennen
uns zur Landesverteidigung. Aus meiner Sicht ist das
auch notwendig. Wir stellen immer wieder dar, dass sich

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(C (D ie Bundeswehr in den vergangenen Jahren verändert at. Das ist gar keine Frage. Schauen Sie nur einmal, wie viele gespiegelte Posten s gibt und wie viele Aufgaben in der Bundeswehr von en Wehrdienstleistenden erfüllt werden können, wourch natürlich auch die „normalen“ Soldaten, die in die uslandseinsätze gehen, entlastet werden. Dies zeigt, ie wichtig diese Reserve, die wir hochhalten, für uns etztendlich ist. Der Minister hat in diesem Bereich ja auch etwas gean. Sie haben eben selbst gesagt – Sie haben das kritisch ngemerkt –, dass zusätzlich circa 6 500 Dienstposten eschaffen worden sind. Sie verweisen darauf, dass wir ngeblich nichts für die Wehrpflicht tun – und das, obohl wir 6 500 neue Stellen geschaffen haben –, womit ie den Minister automatisch wieder dafür kritisieren, ass dadurch natürlich auch die Berufsund Zeitsoldaten n Anspruch genommen werden. Es ist doch klar: Wenn ir die Grundwehrdienstleistenden einziehen, dann üssen sie auch entsprechend ausgebildet werden; denn lles andere – da gebe ich Ihnen Recht – wäre der Sache icht dienlich und würde den jungen Menschen, die siherlich Einschränkungen hinnehmen müssen, nicht geecht. Im Übrigen werden Sie immer damit rechnen müssen Sie können das auch schon ablesen –, dass sich die ahlen verändern werden. Die Zeit der geburtenstarken ahrgänge ist vorüber. Der demografische Faktor wird uch dazu beitragen, dass die Ausschöpfungsquote letztndlich noch größer wird. Wie gesagt: Das Bekenntnis der CDU/CSU-Fraktion ur Wehrpflicht werden Sie auch durch Ihre Zahlenspieereien und eine andere Interpretation nicht untergraben. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Rainer Stinner [FDP]: Das ist aber schade!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611516600

Ich gebe dem Kollegen Paul Schäfer, Fraktion Die

inke, das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Paul Schäfer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611516700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber

ollege Herrmann, dass wir hier immer wieder fast
leichlautende Anträge zur Wehrpflicht stellen müssen,
eigt nur, wie starrköpfig diese Bundesregierung und die
raktionen der Regierungskoalition sind, die an einer
ache festhalten, die nicht zu halten ist.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


ass Sie einer Schimäre namens Wehrpflichtarmee
achjagen, die fiktiv ist – das erkennen Sie, wenn Sie
ich die Zahlen anschauen –, zeigt auch, welches Maß an
ealitätsverdrängung bei Ihnen herrscht. Das genau ist
ie Ausgangslage.


(Dr. Karl Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: Hat sich bewährt!)


11878 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Paul Schäfer (Köln)

Sie kennen genau wie ich die Aussage – das ist zwar
auch unsere Überzeugung, aber das ist eine Aussage des
Bundesverfassungsgerichts –, dass die Wehrpflicht ein
erheblicher Eingriff in die individuellen Grundrechte
junger Männer ist,


(Dr. Karl Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: Richtig! – Jürgen Herrmann [CDU/CSU]: Hat niemand bezweifelt!)


der nur durch außergewöhnliche sicherheitspolitische
Umstände – sprich: eine äußere Bedrohung – zu recht-
fertigen ist. Genau deshalb hat die Wehrpflicht ausge-
dient. Sie ist ein Auslaufmodell, weil sie für die Landes-
verteidigung nicht gebraucht wird.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Das steht doch auch in Ihren Dokumenten. Sie sagen,
diese Art der militärischen Bedrohung ist nicht mehr
existent. Also muss man den notwendigen Schluss zie-
hen.

Wenn man die Wehrpflicht gerecht ausgestalten würde
– ich bitte Sie, sich das einmal genau anzusehen –, dann
müsste man zusätzlich weit über 100 000 junge Männer
pro Jahr einberufen. Diese Ausdehnung des Umfangs der
Streitkräfte ist mit den Verhältnissen in der heutigen Zeit
überhaupt nicht kompatibel und verursacht entsprechende
Kosten. Genau das wollen wir nicht. Wir wollen weniger
Soldaten, weniger Waffen und weniger Rüstungslasten.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Dirk Niebel [FDP]: Wie früher bei der NVA!)


Deshalb geht der Antrag der FDP in die richtige Rich-
tung und ist in dieser Hinsicht auch konsequent. Leider
verbinden Sie diese Vorstellungen mit der Aussage, dass
die Wehrpflicht einer modernen Einsatzarmee im Wege
steht. Sie wissen, dass wir der Transformation der Bun-
deswehr in eine weltweit agierende Eingreiftruppe ab-
lehnend gegenüberstehen. Deshalb können wir uns bei
Ihrem Antrag nur enthalten.

Der Antrag der Grünen entspricht weitestgehend un-
seren Überzeugungen. Wir werden ihm zustimmen.

Wir hatten lange auf einen Gruppenantrag gehofft, um
zu sehen, dass Bewegung in die Sache gebracht wird.


(Zuruf des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Was wahr ist, ist wahr und muss gesagt werden, lieber
Kollege Nachtwei.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht immer nur zwischen der FDP und der SPD pendeln!)


Jetzt kommt ein bisschen Bewegung in diese Sache.
Das sage ich mit Blick auf die SPD. Das, was Sie jetzt
substanziell vorlegen, ist aber natürlich von besonderer
Halbherzigkeit und Inkonsequenz geprägt. Es ist schon
auf diese skurrile Vorstellung einer „freiwilligen Wehr-
pflicht“ hingewiesen worden. Überlegen Sie sich das
genau. Die Aufrechterhaltung des Systems Wehrpflicht

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(C (D it Musterung, Meldung von Wohnortwechseln und eier entsprechenden Bürokratie verursacht Kosten, die ach unserer Überzeugung überflüssig sind wie ein ropf. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Vor allem soll die Wehrpflicht – wenn man Ihre Vor-
tellungen wörtlich nimmt – zu einem relativ willkür-
ichen staatspolitischen Bedarfsregulierungsinstrument
emacht werden. Wenn es genug Freiwillige gibt, ist al-
es in Butter; wenn nicht, schlägt der Staat wieder mit
er Wehrpflicht zu. Man muss sich einmal vorstellen,
as das für die betroffenen Generationen bedeutet. Sie
erden einen Zustand der Ungewissheit und Unsicher-
eit kultivieren und konservieren und die Menschen in
hrer Lebensplanung verunsichern. Das ist für uns nicht
kzeptabel. Man muss doch konsequent sein.


(Beifall bei der LINKEN)


Ein solches Herangehen birgt auch die Gefahr, dass
an nicht durchbuchstabiert, was der konsequente Um-

au der Streitkräfte zu einer Berufs- und Freiwilligenar-
ee bedeutet. Ich meine, wir müssen uns endlich diesen
ragen zuwenden, statt die Auseinandersetzung der Ver-
angenheit zu führen.


(Beifall bei der LINKEN)


ir müssen darüber nachdenken; denn die Wehrpflicht
ird nicht zu halten sein. Das wissen Sie auch. Sie hal-

en Ihre Reden so, dass Sie bis zum Ende der Legislatur-
eriode durchhalten. Dann werden die Karten sowieso
eu gemischt.

Lassen Sie uns doch darüber reden, welche Konse-
uenzen sich daraus ergeben müssen, zum Beispiel für
ie Ausbildung der Unteroffiziere, die das Rückgrat der
treitkräfte bilden.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Das sind die Obergefreiten!)


as bedeutet das für die politische Bildung in dieser Be-
ufsarmee und die parlamentarische Kontrolle über die
treitkräfte? Wir sollten besser über das richtige Verhält-
is zwischen militärischer und ziviler Ausbildung in den
treitkräften reden, statt uns ständig in Diskussionen
ber die Fragen der Vergangenheit durchzuwurschteln.
as kann nicht die richtige Position sein.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Abschließend komme ich auf den Zivildienst zu spre-
hen. Wie Sie wissen, haben sich die Wohlfahrtsver-
ände lange gesträubt, weil sie glaubten, dass sie das be-
tehende System brauchen, um die Versorgung der

enschen in den Bereichen Gesundheit und Pflege zu
rmöglichen. Sie sind aber längst umgeschwenkt und ge-
en jetzt davon aus, dass sie diese Aufgabe mit ausgebil-
eten und qualifizierten Kräften, die sie beschäftigen
nd ordentlich bezahlen, besser und effizienter erfüllen
önnen.

Jetzt haben wir einen öffentlich geförderten Beschäf-
igungssektor im Zivildienst zum Minimaltarif. Wir sind

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11879


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Paul Schäfer (Köln)

zwar für einen öffentlich geförderten Beschäftigungs-
sektor, aber nicht mit Mindestlöhnen, sondern mit einer
entsprechenden Ausstattung. Das wäre möglich. Außer-
dem könnte man das Prinzip der Freiwilligkeit, wie es
vor drei Jahren von einer Kommission gefordert wurde,
durch den Ausbau des Freiwilligen Sozialen Jahres ent-
schieden fördern. Das wäre sinnvoller, als immer weiter
die Auseinandersetzung der Vergangenheit zu führen.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611516800

Ich gebe das Wort der Kollegin Ursula Mogg, SPD-

Fraktion.


Ursula Mogg (SPD):
Rede ID: ID1611516900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich beginne mit einer Feststellung: Die SPD bekennt
sich zur Wehrpflicht. Wir wollen die Wehrpflicht erhal-
ten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Es ist mir wichtig, dies zu Beginn dieser Debatte über
die Anträge der FDP und der Grünen zu erwähnen, weil
diese Grundbotschaft in den vergangenen Wochen in den
Diskussionen etwas verdeckt worden ist.

Es gibt viele gute Gründe für das Ja zur Wehrpflicht,
die hinlänglich bekannt sind. Deshalb möchte ich sie
nicht im Einzelnen wiederholen. Nach wie vor lesens-
wert sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen
in dem Bericht der Weizsäcker-Kommission aus dem
Jahr 2000. Die Kommission ist damals nach einem in-
tensiven Abwägungsprozess zu dem Ergebnis gekom-
men, die Wehrpflicht zu erhalten. Sie begründet dies
unter anderem damit, dass „angesichts vieler Ungewiss-
heiten jede neue Struktur für die Streitkräfte
hinrei-
chend flexibel sein muss, um auf unerwartete Entwick-
lungen angemessen reagieren zu können“, Herr Kollege
Stinner.

Auch diejenigen, die einer Freiwilligenarmee das
Wort geredet haben, haben anerkannt, dass die Wehr-
pflicht Sicherheitsvorsorge bedeutet. Ich bitte um Ver-
ständnis, wenn ich etwas ausführlicher zitiere:

Zugleich ist sich die Kommission über die Folgen
im Klaren, die sich bei der Abschaffung oder Aus-
setzung der Wehrpflicht ergeben könnten. Bei einer
dramatischen Veränderung der Sicherheitslage wäre
eine rasche Wiedereinführung der Wehrpflicht in-
nenpolitisch schwierig und außenpolitisch eskalie-
rend. Nicht weniger schwer wiegt die Ungewiss-
heit, ob ohne Wehrpflicht der Bedarf an Berufs- und
Zeitsoldaten gedeckt werden könnte. Dass die Bun-
deswehr Freiwillige in der für die Berufsarmee er-
forderlichen Anzahl und Qualität gewinnen könnte,
kann nicht garantiert werden. Die Rekrutierungs-
probleme verbündeter Freiwilligenarmeen sind in-
sofern

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(C (D der Kollege Herrmann hat bereits darauf hingewiesen – eine ernst zu nehmende Warnung: Trotz oft intensiver und kostspieliger Bemühungen gelingt es ihnen heute nur eingeschränkt, ihren Bedarf an Freiwilligen mit dem unerlässlichen Maß an Qualifikation zu decken. as ist das Bekenntnis aus dem Munde der Befürworter iner Freiwilligenarmee. Besser kann man all die Heausforderungen nicht beschreiben, die uns vor allem als erteidigungspolitiker in dieser Debatte bewegen müsen. Die von fachkundiger Seite formulierten Punkte haen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ermutlich dazu bewogen, in diversen Anträgen – wir iskutieren darüber heute nicht zum ersten Mal – nicht ie Abschaffung, sondern die Aussetzung zu fordern. In hrem fortgeschriebenen Antrag vom 18. Januar 2006 tehen neben dieser Forderung allerdings auch die nach er Umstrukturierung hin zu einer Freiwilligenarmee nd die, „sicherzustellen, dass umfassende Nachbesseungen oder Umstrukturierungen auf absehbare Zeit auseschlossen werden können“. Mit anderen Worten: Sie ordern die Abschaffung der Wehrpflicht. Erlauben Sie mir den Hinweis: Die Begrifflichkeiten m Zusammenhang mit unserer Wehrpflichtdebatte sind elegentlich sehr verwirrend. Die FDP gibt zwar ihrem ntrag den Titel „Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr erstellen – Wehrpflicht aussetzen“, will aber die Abchaffung. Bündnis 90/Die Grünen gibt zwar seinem ntrag den Titel „Wehrpflicht überwinden – Freiwillienarmee aufbauen“, will aber die Wehrpflicht ausseten. (Dr. Rainer Stinner [FDP]: „Freiwillige Wehrpflicht“!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen vom Bündnis 90/
ie Grünen, Sie argumentieren allerdings insgesamt ehr-

icher.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unser Risiko!)


ie fordern die Aussetzung der Wehrpflicht und flankie-
en diese Forderung mit einer Reihe von weiteren kon-
reten Punkten. Zur Vermeidung von Missverständnis-
en deshalb noch einmal klar und laut: Die SPD will die
ehrpflicht erhalten.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht alle bei euch, nicht?)


Das ist immer so in einer demokratischen Partei.


(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Nur bis 2009!)


Wir sollten uns dem Kern der Herausforderung zu-
enden, die wir als Gesetzgeber zu bewältigen haben.

unge Menschen wollen staatliches Handeln nachvoll-
iehen können, insbesondere dann, wenn es um einen
ingriff in ihre private Lebensplanung geht. Sie wollen,
ass es gerecht zugeht. Dabei helfen die diversen Zah-
enspiele bei den Planungen für Geburtsjahrgänge nicht

11880 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


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Ursula Mogg
weiter. Richtig bleibt dabei nur die Feststellung: Einen
absoluten Ausschöpfungsgrad und damit formale Ge-
rechtigkeit hat es auch in der Vergangenheit nie gegeben.
Das kann auch nicht das Ziel unserer Bemühungen sein.
Was allerdings weiterhelfen kann, ist die Erkenntnis,
dass wir die Wehrpflicht in den vergangenen Jahrzehn-
ten immer wieder den Realitäten angepasst haben. Auch
dazu finden wir bei von Weizsäcker ein Beispiel:

Da die starken Geburtsjahrgänge der 50er- und
60er-Jahre nicht ausgeschöpft werden konnten,
wurde auf Vorschlag der ersten Wehrstruktur-Kom-
mission 1971 der Grundwehrdienst verkürzt. Seit-
her ist die Dauer von Wehrdienst und Zivildienst
ständig weiter verringert worden.

Wir wissen, dass heute eine solche Anpassung nicht
mehr möglich ist. Andere zeitgemäße Justierungen sind
notwendig. „Attraktivität des Dienstes“ ist in diesem Zu-
sammenhang ein wichtiges Stichwort, genauso wie die
Stärkung der Freiwilligkeit. Im Übrigen sollten wir bei
all unseren Überlegungen auch die Folgen des demogra-
fischen Wandels – erkennbar ab dem Einberufungsjahr
2010 – nicht aus den Augen verlieren.

Sie sehen, dass das Thema des Schweißes der Edlen
wert ist. Die Wehrpflicht gehört nicht zum alten Eisen,
ist kein verrostetes Instrument. Die SPD ist entschlossen,
ihr neuen Glanz zu geben. Fortsetzung folgt ganz im
Sinne der von der Weizsäcker-Kommission geforderten
Flexibilität. Der Kollege Bartels wird dazu weitere Aus-
führungen machen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611517000

Ich gebe dem Kollegen Winfried Nachtwei,

Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.


Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611517100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich darf zunächst einmal als Gäste bei uns die Wehr-
pflichtigenvertreter im Vorstand des Bundeswehr-Ver-
bandes begrüßen.

Kollege Herrmann, Sie haben in einer Art für die all-
gemeine Wehrpflicht gesprochen, die ich seit vielen Jah-
ren hier im Parlament und außerhalb des Parlaments von
der Union und vom überwiegenden Teil der SPD ken-
nengelernt habe. Man hat bei diesen Fürsprachen für die
Wehrpflicht den Eindruck, dass die Wehrpflicht ein Wert
für alle Ewigkeit ist. Da gehen Sie an einem entschei-
denden Punkt vorbei, den der Kollege Stinner in der Ein-
leitung angesprochen hat. Sie übergehen schlichtweg die
Tatsache, dass die Wehrpflicht – eigentlich geben Sie das
zu – ein massiver Eingriff in die Grundrechte junger
Männer ist. Das hört sich vielleicht abstrakt an, aber
wenn man immer wieder einmal mit einzelnen Fällen
von Wehrpflichtigen zu tun hat – das sind nicht wenige –,
dann merkt man, dass die Wehrpflicht konkret einige Be-
nachteilungen und Mehrbelastungen mit sich bringt. In-
sofern kann man nicht darüber hinweggehen. Deshalb

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(C (D rauchen Sie eine ganz besondere sicherheitspolitische egründung. Wie verhält es sich denn mit dem Bedarf der Bundesepublik bzw. der Bundeswehr an Wehrpflichtigen? 1989 aren noch 44 Prozent der 490 000 Bundeswehrsoldaten ehrpflichtige. Inzwischen sind es nur noch 30 000. Der nteil der Wehrpflichtigen an den Bundeswehrsoldaten st auf 12 Prozent gesunken. Von den 400 000 jungen ännern eines Geburtsjahrgangs leisten nur noch 0 000 Grundwehrdienst bzw. freiwillig einen längeren ehrdienst. Es heißt eigentlich, dass die allgemeine ehrpflicht – so hat es das Bundesverfassungsgericht esagt – eine allgemein belastende Pflicht sein muss. ie können Sie das bei diesen Zahlen noch behaupten? ie Wehrdienstungerechtigkeit ist wirklich mit Händen u greifen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es wird behauptet, die Wehrpflicht sei so wichtig für
en Austausch zwischen Streitkräften und Gesellschaft.
ieser Austausch und diese Integration sind in der Tat

ehr wichtig. Daran liegt uns, den Wehrpflichtkritikern,
benfalls. Aber das, was in den letzten 50 Jahren ein
ichtiger Beitrag der Wehrpflicht war, ist inzwischen

ngesichts dieser Zahlen kaum noch ein Beitrag zu die-
er Integration. Da muss man sich etwas anderes überle-
en.

Nun zu dem SPD-Vorschlag im Hinblick auf den Par-
eitag der SPD. Immerhin wird mit diesem Vorschlag das

ehrpflichtdogma in den Reihen der SPD zumindest re-
ativiert. Zumindest kann von der SPD nicht mehr ein
rgument wie das kommen, was Peter Struck leider in
en vorigen Jahren öfter gebracht hat, nämlich es drohe
ie Söldnerarmee. Das ist wirklich eine Unterstellung
egenüber den Zeit- und Berufssoldaten, was damals
eutlich zum Ausdruck gebracht worden ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ute Kumpf [SPD]: Das hat er nie gesagt!)


Bei diesem Vorschlag der SPD bleiben allerdings
anz zentrale Fragen unberücksichtigt. Was bringen
iese neun Monate für die verschiedenen Beteiligten?
ie soll es mit den Anreizen bei dieser Art von Wehr-

ienst aussehen? Was ist schließlich mit der kleineren
ruppe der Wehrpflichtigen, die am Ende übrig bleiben
nd dann zwangsweise gezogen werden müssen? Dann
ird die Wehrdienstungerechtigkeit wirklich auf die
pitze getrieben. Ob das verfassungsrechtlich einwand-
rei ist, da habe ich meine größten Zweifel.

SPD-Kollegen erinnern sich vielleicht, dass wir in un-
erer Koalitionszeit im November 2004 einen Vorschlag
ür einen freiwilligen Kurzdienst eingebracht haben.
ieser Kurzdienst sollte einen Zeitraum von zwölf bis
4 Monaten umfassen, offen für Männer wie Frauen,
on vornherein attraktiver angelegt.

Dies ist damals von den SPD-Kollegen leider beiseite
ewischt worden. Wenn man aber über diesen Vorschlag
enauer nachdenkt, wird man feststellen, dass beide Sei-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11881


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Winfried Nachtwei
ten erheblich etwas davon haben, nämlich eine bessere
Ausbildung, viel mehr Verwendungsmöglichkeiten und
ein gegenseitiges Erproben.

Bei der besseren Attraktivität wird einerseits zu Recht
auf die materielle Seite hingewiesen. Eine andere Seite
der Attraktivität ist aber von ganz entscheidender Bedeu-
tung. Darauf hat auch der Bundeswehr-Verband mit sei-
ner Umfrage hingewiesen. Aus ihr ging nämlich hervor,
dass 74 Prozent der Berufssoldaten ihnen nahestehenden
Personen nicht raten, zur Bundeswehr zu gehen. Das ist
in der Tat unmöglich. Wenn man dieses Verhältnis um-
dreht, hat man schon einen erheblichen Beitrag zur Stei-
gerung der Attraktivität geleistet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Ein solcher freiwilliger Kurzdienst wäre geeignet als
Brücke zur Umstellung von einer Armee mit Wehr-
pflichtigen zu einer Freiwilligen-Armee. Ich meine, es
ist viel besser, diesen Übergang jetzt demokratie- und
sozialverträglich zu gestalten, bevor er uns irgendwann
einmal vom Bundesverfassungsgericht aufgezwungen
wird.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611517200

Herr Kollege Nachtwei!


Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611517300

Ich komme jetzt auch zum Schluss. Das habe ich ge-

nau geplant.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611517400

Darum würde ich bitten.


Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611517500

Selbstverständlich. – Ich glaube, dieser Vorschlag ent-

hält viele Elemente, die auch auf eurem Parteitag in die
Diskussion aufgenommen werden könnten. Herr Kol-
lege Herrmann, nach dem, wie Sie sich vorhin geäußert
haben, könnte darüber sogar mit der Union diskutiert
werden, weil auch die Union in diesem Bereich sicher
nicht dogmatisch sein will.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611517600

Ich gebe das Wort dem Kollegen Kurt Rossmanith,

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Kurt J. Rossmanith (CSU):
Rede ID: ID1611517700

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Da-

men und Herren Kollegen!


(Ute Kumpf [SPD]: Und -innen!)


– Ich habe auch „Damen“ gesagt. Ich gehe davon aus,
dass Sie eine Dame sind, und deswegen habe ich Sie
auch mit „Dame Kollege“ angesprochen. Ich weiß, dass
Gender Approach Ihnen ein besonderes Anliegen ist.

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(C (D (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ch hoffe aber, dass ich mit „Damen und Herren Kolle-
en“ auch das weibliche Geschlecht in unserem Hohen
ause entsprechend gewürdigt habe.

Ich freue mich darüber, dass wir heute diese Debatte
ühren. Ich bin dem Kollegen Nachtwei nicht nur wegen
eines letzten Satzes dankbar für seinen Beitrag, der sich
ehr abhebt von manchen Tönen, die wir auf Ihrem letz-
en Sonderparteitag gehört haben.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da habe ich auch geredet und viel Beifall dafür bekommen!)


ch sage das auch deshalb, weil wir, die CDU/CSU, die-
es Thema sehr wichtig nehmen. Natürlich kann bei der
ehrpflicht nicht einfach gesagt werden: Das machen
ir, das brauchen wir für alle Zeit und Ewigkeit. In der
at haben wir die Wehrpflicht ständig zu hinterfragen.
ch muss sie aber richtig und nicht mit fragwürdigen Ar-
umenten hinterfragen.

Logischerweise befinden sich nach dem Wegfall des
st-West-Konfliktes nur noch Freunde um Deutschland
erum. Damit sind aber Konflikte als solche noch nicht
u Ende und die Sicherheit unseres Vaterlandes nicht
chon automatisch gegeben. Der Fokus der Bedrohung
at sich verändert. Deshalb benötigen wir weiterhin
unge Männer, die Wehrdienst leisten. Natürlich ist das
hema Wehrgerechtigkeit dabei sehr wichtig. Für mich

st es ein ganz oben in der Prioritätsskala liegendes
hema. Ich sage aber auch, dass die Verteidigung eines
andes jeden Bürger betrifft. Ich bin überzeugt davon,
ass jede Bürgerin und jeder Bürger auch der beste Ver-
eidiger seines Landes ist.

Gerade aus dieser Situation heraus müssen wir sehr
orsichtig und umsichtig in der Diskussion sein. Natürlich
das tun wir aber auch nicht, lieber Kollege Stinner –
ürfen wir dabei nicht nur Nachwuchs und anderes mehr
ordern. Natürlich brauchen wir das, aber das sind nur
usflüsse aus der Wehrpflicht. Das war nie ein Argu-
ent. Wir haben nie gesagt: Das hat oberste Priorität.

Lieber Kollege Kolbow, natürlich tut es manchen alt-
edienten Soldaten ganz gut, sich jedes Vierteljahr oder
edes halbe Jahr auch einmal mit jungen Leuten ausein-
ndersetzen zu müssen. Das steht jetzt logischerweise
ber nicht so im Fokus, dass ich sagen muss: Die Wehr-
flicht ist zwingend notwendig.

Auch die Katastropheneinsätze unserer Soldaten, vor-
ehmlich wehrpflichtiger – ich erinnere an die Hochwas-
erkatastrophen im östlichen Teil unseres Vaterlandes
or einigen Jahren –, sind für mich nicht das Hauptargu-
ent, sondern die Sicherheit und die Verteidigung unse-

es Landes.

Diese Debatte wurde immer ernsthaft und sachlich
eführt – dafür bin ich dankbar –, und zwar von allen
eiten. Die Linken, früher PDS und davor Kommunisten
vielleicht sind sie es auch heute noch; ich weiß es nicht –,

11882 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


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Kurt J. Rossmanith
waren nicht immer ganz sachlich. Aber, Herr Schäfer,
ich muss sagen: Heute waren Sie durchaus sachlich.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Lieber Kollege Dr. Rainer Stinner, die Zahl, die Sie
genannt haben, ist zwar nicht falsch.


(Dr. Rainer Stinner [FDP]: Richtig!)


Aber wenn Sie auf die Musterungsuntersuchungen der
Kreiswehrersatzämter eingehen, dann müssen Sie schon
klarstellen, was Erstuntersuchung und was Folgeunter-
suchungen sind. Ihre Feststellung „380 000 mussten
nicht dienen“ ist nicht korrekt, weil das eine Zusammen-
fassung der Ergebnisse von Musterungsuntersuchungen
mehrerer Jahrgänge war: In den Kreiswehrersatzämtern
haben Erstuntersuchungen und Folgeuntersuchungen,
Zweit-, Dritt- und manchmal auch Viertuntersuchungen,
stattgefunden.

Sie haben gesagt, im Jahre 2006 seien etwa 380 000
wehrtaugliche junge Männer nicht eingezogen worden.
Die meisten dieser jungen Männer entstammen dem
Jahrgang 1986. Im Jahre 1986 gab es in den alten Bun-
desländern 291 006 und in den neuen Bundesländern,
damals noch DDR, 113 717 männliche Neugeborene.
Das heißt, im Jahre 1986 gab es in Deutschland insge-
samt 404 723 männliche Neugeborene, die etwa im
Jahre 2006 wehrpflichtig gewesen sind. Angesichts des-
sen verstehe ich Ihren Hinweis darauf, dass 380 000
junge Männer ihren Wehrdienst nicht geleistet haben,
nicht. Da sollten wir ehrlich sein.

Lassen Sie mich abschließend Folgendes sagen: Wir
müssen bei der Behandlung dieser Thematik vermeiden,
mit Begriffen zu operieren oder uns einfach mangels
Durchsetzungsvermögens, mangels sonstiger Argumen-
tationen in Begriffe zu flüchten. Es ist nicht sinnvoll,
hier Termini wie „sicherheitspolitische Dienstpflicht“
oder „freiwillige Wehrpflicht“ zu gebrauchen.

Gestatten Sie mir, zu letzterem Terminus noch einen
kleinen humorvollen Beitrag zu leisten.


(Ute Kumpf [SPD]: Und was ist, wenn wir es nicht gestatten?)


Lieber Kollege Arnold, wenn es zu der von Ihnen befür-
worteten freiwilligen Wehrpflicht kommt, dann müssen
Sie den jungen Soldaten nur noch beibringen, dass sie in
der Bundeswehr – entsprechend Ihrer Terminologie –
auch trockenes Wasser für ihre morgendliche Dusche
oder für die Rasur vorfinden werden. Die jungen Solda-
ten werden das sofort begreifen und werden sagen: Das
ist ja logisch; die SPD hat das so gesagt. Ich bitte also
auch in diesem Punkt um etwas Ehrlichkeit und um kei-
nerlei Begriffsverwirrung. Letztendlich trägt das zur
Verwirrung der jungen Menschen bei.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611517800

Herr Kollege, auch Sie muss ich an Ihre Redezeit er-

innern.

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(C (D Ich bin beim letzten Satz, meine verehrte Präsidentin. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Kurt J. Rossmanith (CSU):
Rede ID: ID1611517900

Ich bedanke mich ausdrücklich bei allen Soldatinnen
nd Soldaten für ihren Dienst,


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


nsbesondere aufgrund unserer heutigen Debatte über die
ehrpflicht bei den jungen Wehrpflichtigen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611518000

Herr Kollege, das ist jetzt schon mindestens der achte

chlusssatz.


Kurt J. Rossmanith (CSU):
Rede ID: ID1611518100

Aus der Gruppe der jungen Männer, die Wehrdienst

eisten, erwachsen die Reservisten, die für unsere Bun-
eswehr und deren Auslandseinsätze von sehr großer
ichtigkeit sind.

Ich bedanke mich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611518200

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

r. Hans-Peter Bartels, SPD-Fraktion.


Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):
Rede ID: ID1611518300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

etzt kommt die Conclusio. Ich habe mich neulich über
ine Umfrage gefreut. Dabei ging es nicht um mögliche
oalitionen, die hier und dort erkennbar geworden sind.
ir bleiben bei dieser erfolgreichen Koalition


(Dr. Karl Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: Sehr gut! – Zuruf von der LINKEN: Bis 2009!)


nd bei der Wehrpflicht. Gefreut habe ich mich über eine
mfrage, nach der 73 Prozent der Deutschen den frei-
illigen Wehrdienst, das Konzept der SPD, für eine gute

dee halten,


(Beifall bei der SPD – Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Die duschen jeden Morgen mit trockenem Wasser! Das ist richtig! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Die haben das noch nicht verstanden!)


arunter 55 Prozent CDU/CSU-Wähler. Das ist eine gute
ache.


(Heiterkeit bei der SPD und der FDP – Dr. Karl Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: Die haben das auch noch nicht gelesen!)


Natürlich kann man fragen: Ist das Konzept bei de-
en, die gefragt wurden, in allen Details bekannter ge-
esen als bei Ihnen? Offenbar ist die Botschaft aber an-
ekommen. Die Botschaft lautete – das entspricht auch

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11883


(A) )



(B) )


Dr. Hans-Peter Bartels
dem Bewusstsein der Menschen –: Wir brauchen heute
offensichtlich weniger Soldaten als zu Zeiten des Kalten
Krieges. An der Wehrpflicht festzuhalten, ist eine gute
Sache; dann ist man auf der sicheren Seite. Aber man
kann mehr Freiwilligkeit wagen. Wenn die SPD das zu-
sammenbringt, ist das gut.


(Beifall bei der SPD)


Das Prinzip ist also schon erkannt. Ich kann es Ihnen
aber noch einmal erklären und will das jetzt auch tun:
Wehrpflicht – ja, mit so viel Freiwilligkeit wie möglich.

Die Zahlen kennen Sie. Die Zahl der Bundeswehrsol-
daten ist von 500 000 auf 250 000 halbiert worden. Die
Zahl der Zeitsoldaten und Berufssoldaten hat sich gegen-
über der der Grundwehrdienstleistenden und freiwillig
länger Wehrdienstleistenden deutlich verändert. Wir ha-
ben heute 200 000 Berufssoldaten und Zeitsoldaten ge-
genüber etwas über 50 000 Grundwehrdienstleistenden
und FWDLern. Das ist eine andere Struktur als bei der
Armee des Kalten Krieges mit gut der Hälfte Wehr-
pflichtigen, W-15ern.

Wir brauchen heute weniger, aber es sind immer noch
viele: 77 000 junge Leute aus jeweils einem Jahrgang.
Kein Arbeitgeber auf dem freien Markt muss so viele
neu werben. Ich möchte mir den bürokratischen Auf-
wand nicht vorstellen, den wir bräuchten, wenn wir Wer-
bebüros aufmachen wollten, um jedes Jahr 77 000 Men-
schen – oder seien es auch nur 70 000 – in die
Bundeswehr zu bekommen.


(Beifall bei der SPD – Dr. Norman Paech [DIE LINKE]: Das muss heute schon gemacht werden!)


Die Struktur für 2010 sieht diese 77 000 vor. Das haben
wir im Prinzip heute schon. Davon wird ein Teil Frauen
sein, vielleicht 10 Prozent.

Wir werden übrigens auch in Zukunft einen Teil des
Sicherheitsapparats unseres Landes auf der Wehrpflicht
gründen. Jeder, der zur Polizei geht, leistet damit seinen
Wehrdienst ab. Jeder, der beim THW arbeitet, leistet da-
mit seinen Wehrdienst ab.


(Ute Kumpf [SPD]: Feuerwehr auch!)


– Feuerwehr.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Freiwillige Feuerwehr aber nicht!)


Der gesamte Katastrophenschutz basiert auf der Wehr-
pflicht; das gilt auch für den Zivildienst.

Die Fragen der Wehrgerechtigkeit, die immer wieder
gestellt werden, sollte man eigentlich nur mit Zahlen be-
antworten. In den 60er- und 70er-Jahren haben gut zwei
Drittel der jungen Männer eines Jahrgangs einen Dienst
geleistet, übrigens überwiegend den Dienst in der Bun-
deswehr. In den 90er-Jahren haben gut zwei Drittel der
Männer eines Jahrgangs einen Dienst geleistet; da kam
der Zivildienst sehr stark dazu. Das Thema Dienstge-
rechtigkeit ist eines, das sich in den Jahrzehnten der
Bundeswehr nicht wesentlich verändert hat. Es gab im-
mer einen Teil, der keinen Dienst leisten musste.

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(C (D Vieles ist dazu gesagt worden, wie es in anderen Länern ist. Zur sicherheitspolitischen Lage hat Herr ossmanith dankenswerterweise etwas ausgeführt; da ind wir völlig einer Meinung. Es kann rapide Veränderungen geben, wie wir sie 989/90 oder 2001 erlebt haben. Solche rapiden Veränerungen der sicherheitspolitischen Lage kann man nicht nmittelbar mit einer neuen Wehrform beantworten. Da ollten wir auf der sicheren Seite bleiben. Wir sind heute nicht in der Situation, sagen zu könen: Von Freunden umgeben, und alles ist gut. – „Von reunden umgeben“, ja, aber die Welt hat sich in den etzten Jahren nicht nur zum Guten verändert. (Dr. Norman Paech [DIE LINKE]: Gibt es eine militärische Bedrohung? Das ist doch die Frage!)


Lassen Sie mich ein paar Worte zu dem sagen, was
ir Sozialdemokraten uns mit dem neuen Konzept einer
ehrpflicht vorstellen, die natürlich nicht „freiwillige

flicht“ heißt.


(Dr. Karl Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: Das steht aber drauf!)


en Witz hören wir immer gern. Wir sind es gewohnt,
ass man Dinge nicht verstehen will.

Kurt Beck hat von freiwilligem Wehrdienst gespro-
hen, dem Prinzip folgend, dass wir, wenn wir heute
eniger brauchen, erst einmal diejenigen nehmen, die es

uch wollen. Auch heute haben wir in der Bundeswehr
chon viele, die nicht gegen ihren Willen dahin kommen:
ie freiwillig länger dienenden Wehrdienstleistenden


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Freiwillige vortreten, alle anderen einen Schritt zurück!)


nd die Zeit- und Berufssoldaten. Ein guter Teil derer,
ie als W-9er kommen, ist ebenfalls nicht gegen seinen
illen da, sondern hält es für eine richtige Sache. Heute

st also nicht jeder gegen seinen Willen bei der Bundes-
ehr; Gleiches gilt für die anderen Dienste, die auf der
ehrpflicht aufbauen.

Auch bei den Reservisten gibt es Elemente der Frei-
illigkeit. Kein Reservist wird heute gegen seinen Wil-

en zu einer Wehrübung gezwungen. Des Weiteren wird
iemand gegen seinen Willen in Auslandseinsätze ge-
chickt. Dass die Wehrdienstarmee Bundeswehr und die
orrangige Anwendung des Prinzips der Freiwilligkeit
icht übereingingen, hieße, dass die Bundeswehr heute
icht funktionierte. Das kann man aber nicht sagen; viel-
ehr leistet sie einen hervorragenden Dienst. Die Bun-

eswehr als Wehrpflichtarmee funktioniert in der Form,
ie wir sie heute haben.

Allerdings können und sollten wir etwas ändern,
enn wir dem vom Herrn Verteidigungsminister be-

chriebenen Problem Rechnung tragen wollen. Wir re-
en darüber, dass über die vorhandenen Planstellen hi-
aus zusätzliche Grundwehrdienstleistende eingezogen
erden sollen. Wenn aber die Tauglichkeitskriterien so

ngewandt werden, dass 46 Prozent eines Jahrgangs zu-
ächst einmal nicht herangezogen werden, sondern un-

11884 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


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Dr. Hans-Peter Bartels
tauglich sind, dann weist das darauf hin, dass wir ein
Problem haben. Man kann aber auch sagen, dass wir ei-
nen Gestaltungsspielraum bekommen. Diesen Gestal-
tungsspielraum wollen wir im Sinne derjenigen Männer
nutzen, die in jedem Jahrgang zum Wehrdienst anstehen.
Darauf bezieht sich unsere Aussage, das Prinzip der
Freiwilligkeit solle Vorrang haben.

Unser Modell sieht wie folgt aus: Jeder wird erfasst
und gemustert. Jeder junge Mann eines Jahrgangs wird
sich mit der Frage beschäftigen müssen, wie er zum
Dienst in der Bundeswehr oder zu einem anderen Dienst
steht. Auch wird er gefragt, wie es mit seiner Motivation
aussehe, zur Bundeswehr zu kommen: Würdest du wol-
len? – Wenn dann die Zahl aufgeht, haben wir kein Pro-
blem. Dass sie aufgeht, dafür können wir einiges tun.
Hier sind wir mit den Grünen sehr einig; eine Steigerung
der Attraktivität der Bundeswehr ist auch heute in jedem
Fall eine sinnvolle Sache, in unserem Modell allemal.
Man kann einen Bonus geben, man kann Anreize dafür
geben, dass es aufgeht. Wenn es aber nicht aufgeht, dann
müssen wir nichts ändern. Dann haben wir eine Wehr-
pflicht, die so greift, wie sie es heute tut: Es wird nach
Tauglichkeit und Bedarf eingezogen, und damit sind wir
auf der sicheren Seite.

Wir sind für mehr Freiwilligkeit, wollen dabei aber
kein Risiko eingehen. Die Bundeswehr ist für die Sicher-
heit Deutschlands da, und wir haben ein Modell, das
diese Sicherheit auch in Zukunft garantieren kann.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611518400

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird

Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/393
und 16/6393 an die in der Tagesordnung aufgeführten
Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstan-
den? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so
beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Moder-
nisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämp-
fung von Missbräuchen (MoMiG)


– Drucksache 16/6140 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält der Parla-
mentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D A Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe ollegen! Die GmbH ist ein Erfolgsmodell, auch wenn ie ein bisschen in die Jahre gekommen ist. Es gibt sie eit 1892 – im Wesentlichen unverändert –, und sie ist eit langem die beliebteste Rechtsform in Deutschland, or allem für den Mittelstand. Damit dies so bleibt, wolen wir das GmbH-Recht modernisieren und verbessern. it unserem Entwurf eines Gesetzes, das kurz MoMiG enannt wird, bringen wir die umfangreichste Reform es GmbH-Gesetzes seit dessen Inkrafttreten vor 15 Jahren auf den Weg. Dabei geht es uns um zwei Aspekte: Erstens wollen wir die GmbH gerade im internationaen Vergleich noch wettbewerbsfähiger machen. Es soll infacher, schneller und kostengünstiger werden, eine mbH zu gründen. – Frau Dyckmans, Sie sitzen ja ganz lleine da, Sie Ärmste! (Mechthild Dyckmans [FDP]: Ich schaffe das schon! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Wirtschaftspartei FDP!)

Alfred Hartenbach (SPD):
Rede ID: ID1611518500

Zweitens müssen wir die Gläubiger besser vor Miss-
rauch schützen, und zwar insbesondere bei der Insol-
enz einer Gesellschaft. Wie erreichen wir dieses Ziel?
ir setzen das Mindeststammkapital auf 10 000 Euro

erab und stellen die GmbH damit künftig noch mehr
nternehmern zur Verfügung. Gerade für Existenzgrün-
er aus dem Dienstleistungsbereich dürften 10 000 Euro
in akzeptabler Betrag sein und gleichzeitig ein Mindest-
aß an Solidität gewährleisten. Dies bestätigt ein Blick

uf vergleichbare Auslandsgesellschaften. Davon abge-
ehen hatten wir früher genau den gleichen Betrag, und
s ist gutgegangen.

Neu ist die haftungsbeschränkte Unternehmergesell-
chaft, kurz UG. Die UG kann ohne Mindeststammkapi-
al gegründet werden, muss ihr Mindestkapital von
0 000 Euro aber durch eine reduzierte Gewinnausschüt-
ung nach und nach ansparen. Ist das geschafft, kann die
G ohne aufwendigen Umwandlungsvorgang einfach in

ine normale GmbH umfirmieren.

Über das Für und Wider einer solchen Klein-GmbH
ag man zwar streiten, vor allem nachdem wir gleich-

eitig das Mindestkapital herabsetzen. Die Verbreitung
er englischen Limited in Deutschland hat jedoch ge-
eigt, dass es zumindest bei Existenzgründern und
leinunternehmern einen Bedarf an einer Gesellschaft
it beschränkter Haftung geben dürfte. Aus Sicht des

eutschen Mittelstandes ist dabei vor allem wichtig, dass
as Ansehen der GmbH nicht leidet. Ich denke, das ge-
ährleistet dieses Modell, weil es klar zwischen GmbH
nd UG unterscheidet. Deshalb bin ich dem Kollegen
r. Gehb dankbar, dass er diese Idee aufgegriffen und
egen einige Widerstände mit der ihm eigenen Beharr-
ichkeit weiterverfolgt hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Daniela Raab [CDU/CSU]: Ein Held! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gegen die Minister!)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11885


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(B) )


Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach
Einfacher, schneller und kostengünstiger wird die
GmbH-Gründung vor allem durch das sogenannte Grün-
dungsset. Für Standardgründungen stellt das Gesetz eine
Mustersatzung und ein Muster für die Handelsregister-
anmeldung zur Verfügung. Die vertraglichen Bestim-
mungen sind so einfach formuliert, dass eine zwingende
Beratung und Belehrung durch den Notar verzichtbar er-
scheint.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das glauben Sie!)


Es genügt eine Beglaubigung der Unterschrift. Ich halte
diese Lösung für gut und richtig, möchte aber, lieber
Uwe Benneter, aus der Frage „Beglaubigung oder Beur-
kundung?“ keinen Glaubensstreit machen; wir hatten
hier heute schon genug Glaubensstreite. Wir sollten die
Lösung wählen, die für die Unternehmen einfach und
günstig ist und die Belange des Rechtsverkehrs wahrt.


(Beifall des Abg. Klaus Uwe Benneter [SPD])


Die Sachverständigenanhörung wird uns dabei sicher
weiterhelfen.

Zusammen mit der Umstellung des Handelsregisters
auf die elektronische Führung kann das Gründungsset ei-
nen deutlichen Zeitgewinn bringen. Damit sich am Ende
nicht doch wieder alles verzögert, weil vielleicht noch
eine Genehmigung des Gewerbeamtes fehlt, sollen das
Eintragungs- und das Genehmigungsverfahren entkop-
pelt werden. Die Genehmigung kann dann nachgereicht
werden.

Auch für die Phase nach der Gründung bringt der Ent-
wurf Erleichterungen und Verbesserungen. Wir ermögli-
chen den gutgläubigen Erwerb von Gesellschafterantei-
len, wir vereinfachen die äußerst komplizierten
Regelungen über Kapitalaufbringung und Kapitalerhal-
tung, und wir stellen das sogenannte Cash-Pooling auf
eine gesetzliche Grundlage. – Ich habe gedacht, Jerzy
stellt jetzt eine Zwischenfrage.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau: was das ist! Aber ich will dich nicht in Verlegenheit bringen! – Heiterkeit)


Das sind allesamt Punkte, die von der Wirtschaft erwar-
tet und begrüßt werden, die ich aber aus Zeitgründen nur
in Stichworten erwähnen kann.

Ich komme zum zweiten Aspekt der Reform, zur Be-
kämpfung von Missbräuchen. Ein Problem sind heute
GmbHs, die sich faktisch einer Rechtsverfolgung entzie-
hen. Dem wollen wir einen Riegel vorschieben. Im Han-
delsregister ist eine inländische Geschäftsanschrift ein-
zutragen. Kann unter dieser Anschrift nicht zugestellt
werden, ist eine öffentliche Zustellung unter erleichter-
ten Voraussetzungen möglich. Komplizierte und oft
zwecklose Auslandszustellungen werden damit überflüs-
sig.

Es gibt außerdem GmbHs, die sich dem Zugriff ihrer
Gläubiger dadurch entziehen, dass sie plötzlich keinen
Geschäftsführer mehr haben. In solchen Fällen können
die Gläubiger in Zukunft die Gesellschafter in die Pflicht
nehmen. Es kann an die Gesellschafter zugestellt wer-

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(C (D en, und bei Insolvenzreife müssen die Gesellschafter elbst Insolvenzantrag stellen; anderenfalls machen sie ich strafbar. Der Beerdigung insolvenzreifer GmbHs urch sogenannte Firmenbestatter wird damit die Grundage entzogen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Der Entwurf macht aber nicht bei deutschen Gesell-
chaften halt. Die Missbrauchsbekämpfung erstreckt
ich sogar auf Auslandsgesellschaften, die im Inland
gieren. Auch für diese Gesellschaften gilt künftig die
trafbewehrte Insolvenzantragspflicht. Insolvente Aus-
andsgesellschaften werden also ebenfalls aus dem Ver-
ehr gezogen.

Ich habe Ihnen nun in aller Kürze die wesentlichen
unkte des vorliegenden Gesetzentwurfes vorgestellt.
ch hätte Jerzy Montag gern noch etwas über das Cash-
ooling erzählt. Der Entwurf findet das richtige Gleich-
ewicht zwischen Modernisierung und Deregulierung
uf der einen Seite und der Bekämpfung von Missbräu-
hen auf der anderen Seite. Die deutsche GmbH braucht
un den Wettbewerb mit anderen Rechtsformen nicht
ehr zu fürchten.

Ich bedanke mich sehr herzlich für die freundliche
ufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611518600

Ich gebe das Wort der Kollegin Mechthild Dyckmans,

DP-Fraktion.


Mechthild Dyckmans (FDP):
Rede ID: ID1611518700

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

egen! Noch in der letzten Legislaturperiode hat uns die
ot-grüne Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorge-
egt, der nur die Absenkung des Stammkapitals vorsah.
as war eindeutig zu kurz gesprungen. Denn Deregulie-

ung, Vereinfachung von Gründungen, Bekämpfung von
issbräuchen und Stärkung der Gläubigerrechte sind die
ichtigen und zentralen Fragen. Diese müssen mit einer
mfassenden Reform beantwortet werden. Deshalb un-
erstützen wir die grundlegenden Ziele des heute zu be-
atenden Entwurfs, die diese Bereiche betreffen, auch
enn man sicher noch über das eine oder andere wird re-
en müssen.

Beim Thema Gründungserleichterungen gratuliere
ch dem BMJ dazu, einen Vorschlag der FDP aufgenom-

en zu haben, den wir im Februar letzten Jahres hier im
lenum eingebracht haben.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das haben wir gar nicht bemerkt!)


Sie waren damals noch sehr vage in Bezug darauf, ob
ie diese Erleichterungen haben wollen. – Aber es ist
ichtig, die GmbH-Eintragung ins Handelsregister vom
orliegen verwaltungsrechtlicher Genehmigungen abzu-
oppeln.

11886 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Mechthild Dyckmans
Ich will mich heute bei der ersten Lesung nicht mit
Einzelregelungen beschäftigen; dafür haben wir in den
Ausschussberatungen noch genügend Zeit. Vielmehr
möchte ich ein grundlegendes Problem ansprechen. Ein,
wie ich meine, populistischer Schwerpunkt des Geset-
zesvorschlags ist die Schaffung der sogenannten Unter-
nehmergesellschaft (haftungsbeschränkt).


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Mechthild, das ist nicht schön!)


Sie wollen damit in Konkurrenz zur Limited treten. Es
ist zwar sehr löblich, dass die Regierung und insbeson-
dere Herr Dr. Gehb sich Gedanken über die Wettbe-
werbsfähigkeit deutscher Gesellschaftsformen machen,
aber in diesem Fall sind die Schlussfolgerungen falsch.
Die Rechtsprechung des EuGH aus den Jahren 2002 und
2003 zur Niederlassungsfreiheit in Europa hatte zur
Folge, dass Unternehmer unter dem Schirm ausländi-
scher Rechtsformen in Deutschland Geschäfte machen
können. Dies führte – wie wir alle wissen – zu einem
Boom der Limiteds in Deutschland. Die Bundesregie-
rung läuft diesem Trend nun Jahre später hinterher und
meint, mit der Schaffung der Unternehmergesellschaft

(haftungsbeschränkt) ein Konkurrenzprodukt zur Li-

mited erfinden zu müssen. Diesem Trend nachzulaufen
ist weder sinnvoll noch notwendig.


(Beifall bei der FDP)


Zwar häuften sich zunächst die Meldungen über
Vorteile der Limited – angeblich geringere Kosten,
schnellere Gründungen, niedrigeres Stammkapital und
angeblich weniger Bürokratie im englischen Gesell-
schaftsrecht –, mittlerweile hat sich aber herumgespro-
chen, dass die Limited auch zahlreiche Nachteile hat. So
kommen die Unternehmer zum Beispiel mit den umfang-
reichen Offenlegungspflichten des englischen Rechts
nicht zurecht. Eine Beratung über das ausländische Recht
wird jedoch teuer. Folge der Unkenntnis des ausländi-
schen Rechts ist oft die Löschung der Limited in Eng-
land, und damit darf die Gesellschaft auch in Deutsch-
land nicht mehr tätig werden.

Viele Unternehmer haben auch erfahren, dass die Li-
mited im Geschäftsverkehr nicht anerkannt wird. Nach
einer Untersuchung des Wirtschaftsmagazins Impulse
sehen zwei Drittel der befragten Führungskräfte die Ak-
zeptanz der Limited als eher gering an, und bei Kreditge-
bern waren es sogar 90 Prozent. Das alles hat zu einem
deutlichen Rückgang der Zahl der Limited-Gesellschaf-
ten geführt.

Nun mögen Sie vielleicht sagen: Dass das englische
Recht so schwierig ist, ist ja gerade der Grund dafür,
weshalb wir eine deutsche Gesellschaftsform anbieten.
Dazu stelle ich aber fest: Nicht nur die rechtlichen Rege-

(haftungsbeschränkt)

und unklar; so fragt man sich zum Beispiel folgendes:
Wo sind zusätzliche gläubigerschützende Regelungen,
damit die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)

nicht von vornherein als unseriös erscheint? Warum be-
steht nicht die Pflicht, Gewinne anteilsmäßig anzuspa-
ren, und zwar zeitlich unbegrenzt? Aber nicht nur das,

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(C (D ie nehmen auch noch alle wirtschaftlichen Nachteile er Limited in diese Mini-GmbH auf. (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Oh, das höre ich gar nicht gern!)


Eine Gesellschaft ohne Stammkapital wird keine Kre-
ite erhalten. Geschäftspartner einer Gesellschaft ohne
tammkapital werden andere Sicherheiten verlangen.
it der Schaffung einer Kapitalgesellschaft ohne Kapi-

al ist für die Gründer schlichtweg nichts gewonnen. Ka-
italschwache Gründer sind auch heute nicht gehindert,
um Beispiel als Einzelkaufmann aufzutreten.

Völlig verfehlt ist meines Erachtens die Ansicht, eine
-Euro-GmbH ermögliche die Gründung eines Unter-
ehmens ohne Eigenkapital.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Herbert Schui [DIE LINKE])


ereits durch die Gründungskosten droht selbst bei Nut-
ung der Mustersatzung – dazu wird in den Beratungen
och einiges zu sagen sein – die Überschuldung dieser
esellschaft. Der Systembruch durch die Schaffung ei-
er kapitallosen Kapitalgesellschaft ist durch nichts ge-
echtfertigt.


(Beifall bei der FDP)



(haftungsbechränkt)

üllung. Sie wecken Hoffnungen, die nicht erfüllt wer-
en. Der Wunschtraum einer Geschäftstätigkeit mit
aftungsbeschränkung ohne bestimmtes Stammkapital
ird zerplatzen, wenn die Banken die notwendigen Kre-
ite aufgrund fehlenden Haftungskapitals verweigern
der andere Sicherheiten verlangen. Nur für das Gefühl,
in Unternehmen leichter und einfacher gründen zu kön-
en, ist die Schaffung Ihrer GmbH auf Raten der falsche
eg.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wäre denn der richtige, Frau Dyckmans? Das ist ja ein konservativer Beitrag, den Sie hier machen!)


Die Mini-GmbH wird auch schwerlich zu neuen se-
iösen Unternehmen führen; da bin ich ganz anderer

einung als Sie, Herr Kollege Hartenbach. Vielmehr
erden wir uns in dieser Runde sehr schnell damit be-

chäftigen müssen, welchen Imageschaden diese Mini-
mbH der richtigen GmbH zugefügt hat.


(Joachim Stünker [SPD]: Und das von der FDP! Was ist denn los? – Dirk Manzewski [SPD]: Keine liberale Wirtschaftspolitik!)


Es mag zwar sein, dass es, wie Frau Zypries kürzlich
agte, eines Signals zur schnelleren und einfacheren
ründung von Unternehmen bedarf. Durch eine seriöse,
ute und fundierte Reform des Rechts der GmbH könn-
en wir den Unternehmern ein zeitgemäßes Gesetz an die
and geben. Dies allein wird bereits neuen Wind für die

rwünschte Wettbewerbsfähigkeit der GmbH in Europa
ringen. Eine kapitallose Kapitalgesellschaft brauchen
ir hierfür nicht.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11887


(A) )



(B) )


Mechthild Dyckmans
Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1611518800

Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Jürgen Gehb,

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1611518900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Entge-

gen meiner sonstigen Gewohnheit, völlig frei zu reden,
habe ich mich heute einmal entschlossen, ein Manu-
skript heranzuziehen. Ich bitte also, mich von der ge-
schäftsordnungsmäßigen Pflicht, in freier Rede zu spre-
chen, zu dispensieren. Das ist ein großes Glück für Dich,
meine liebe Mechthild Dyckmans; sonst hätte ich auf
das, was ich jetzt habe hören müssen, ganz anders repli-
ziert.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD)


Dennoch freue ich mich sehr, dass mich der Staatsse-
kretär so gelobt hat. Der Herrgott, lieber Alfred, mag dir
deine maßlose Übertreibung verzeihen und mir, lieber
Herrgott, dass ich sie gerne gehört habe.

Meine Damen und Herren, als vor mehr als
100 Jahren die Gesellschaft mit beschränkter Haftung
das Licht der Welt erblickte, glaubten nur wenige an ei-
nen wirklich großen Erfolg dieser neuer Rechtsform. Sie
stand ziemlich im Schatten der bereits etablierten Ak-
tiengesellschaft und war ein eher ungeliebtes Kind. Wie
so manches ungeliebte Kind konnte sich die GmbH aber
schnell aus diesem Dasein befreien und sich sehr rasch
zu einem richtigen Erfolgsmodell entwickeln. So wie
sich etwa in der Autobranche der Golf millionenfach als
Erfolgsmodell für die Mittelklasse etabliert hat, so ist die
GmbH zum bevorzugten Modell gerade für unseren
deutschen Mittelstand geworden. Über 1 Million Gesell-
schaften mit beschränkter Haftung sprechen für sich.

Doch Vorsicht, liebe Kolleginnen und Kollegen: So
wie ein Erfolgsauto der ständigen Modellpflege und ab
und zu auch einer richtigen Runderneuerung bedarf, um
weiterhin auf Erfolgskurs zu bleiben, so bedarf auch un-
ser Erfolgsmodell GmbH einer Auffrischung – und dies
nicht nur, weil etwa der Motor ein bisschen schwächelt,
sondern auch und gerade, weil sich im Gesellschafts-
recht der Markt – um präzise zu sein: der europäische
Markt – doch sehr erheblich verändert hat.

Lange lebten wir in Deutschland quasi abgeschottet in
einer Art Paradies;


(Joachim Stünker [SPD]: Paradies, na?)


doch diese Zeiten gehören inzwischen der Vergangenheit
an. Ob es uns als nationalem Gesetzgeber gefällt oder
nicht: Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichts-
hofs der vergangenen Jahre hat rechtlich und faktisch
dazu geführt, dass europäische Gesellschaften hierzu-
lande unter fremder Flagge operieren dürfen. So stehen
Firmengründern aus Deutschland alle in der EU angebo-
tenen Gesellschaftsformen zur Verfügung. Nach wie vor

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(C (D ird rege hierauf zurückgegriffen. Es mag zwar sein, ass die Zahl der Limiteds zurückgegangen ist, aber 0 000 Limiteds – also davon jede fünfte Firmengrünung nach wie vor in der Rechtsform der Limited – sprehen eine deutliche Sprache. Das kann doch nur heißen, ass es offensichtlich eine starke Nachfrage nach ganz peziellen Angeboten gibt, die bisher von keinem speziisch deutschen Angebot abgedeckt werden konnte. Also edient man sich anderweitig und besonders gern bei der ritischen Limited. Rechtspolitisch ist der Trend zu dieser britischen echtsform allerdings überhaupt nicht erwünscht. Er chadet nämlich den Gläubigern, weil der Gläubigerchutz bei der Limited nicht an das Niveau des Gläubierschutzes bei der GmbH heranreicht. Er schadet den esellschaftern, die eine Limited über den „billigen Jaob“ beziehen und anschließend mit hohen Unterhalungskosten und der erheblichen Gefahr persönlicher aftung zu kämpfen haben. Nicht zuletzt schadet er der eutschen Rechtsordnung, da sich die Limited-Gründer er Regelungshoheit des deutschen Gesetzgebers weitehend entziehen. Ausländische Gesellschaften leben ämlich auch in Deutschland nach ihrem eigenen natioalen Recht. Als kleine Randbemerkung sei mir auch der Hinweis estattet, dass ausländische Gesellschaften zwar mithilfe eutscher Anwälte gegründet werden mögen, sie aber uf die Dauer dem deutschen Rechtsstab – von den Anälten über die Notare bis zu den Gerichten – als Klien el allerdings dann doch verloren gehen. Aber nicht nur die Konkurrenz ausländischer Rechtsormen war ein Impuls für die anstehende Reform des mbH-Gesetzes von 1892. Auch im gegenwärtigen mbH-Recht haben sich einige Lücken und Schwach tellen gezeigt. Diese müssen dringend abgestellt weren; wir stellen sie auch ab. An erster Stelle sind die schon vom Parlamentarichen Staatssekretär Alfred Hartenbach genannten Firenbestattungen zu nennen. Nach Beobachtungen von achleuten werden mittlerweile massenweise insolvenzeife Unternehmen gezielt aufgekauft und zum Nachteil er Gläubiger geplündert. Vor ein paar Tagen konnte an in der FAZ lesen, dass allein bei einer bundesweiten azzia gegen Firmenbestatter festgestellt wurde, dass 74 Unternehmensverkäufe zum Nachteil von Gläubiern stattgefunden haben. Das ist ein Fingerzeig dafür, iebe Kolleginnen und Kollegen, in welcher Größenordung wir uns hier bewegen. Erinnert sei auch daran, dass sich bestimmte Teile des mbH-Rechts gewissermaßen verselbstständigt haben. llen voran gilt das für das Eigenkapitalersatzrecht, das ich in seiner derzeitigen Form kaum mehr am Wortlaut es Gesetzes orientiert. Dafür füllt die dazu ergangene Juikatur mit inzwischen kaum noch überschaubaren Kontruktionen wie die eigenkapitalersetzende Nutzungsüberssung oder die Vorratsgesellschaft ganze Bibliotheken. echt muss aber klar sein; denn Rechtssicherheit setzt erständlichkeit voraus. Wenn der Vorsitzende Richter es II. Zivilsenats des BGH in einem Interview einäumt, er wisse, dass die einschlägige Rechtsprechung 11888 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 Dr. Jürgen Gehb kaum verständlich und vermittelbar sei, kommt dies doch einem Offenbarungseid gleich. Hier sind wir an den Grenzen des Richterrechts angelangt. Das Bestreben der Obergerichte, ein Regelwerk von größtmöglicher Gerechtigkeit zu schaffen, muss daher – und zwar von uns als Gesetzgeber – dort zurückgeschnitten werden, wo die Rechtsunsicherheit und die Beratungskosten das gewonnene oder vermeintlich gewonnene Mehr an Einzelfallgerechtigkeit bei weitem übersteigen. Die Quintessenz all dessen, meine Damen und Herren: So stolz man auf das Erfolgsmodell GmbH insgesamt sein kann, so darf man doch nicht aus den Augen verlieren, dass die deutsche GmbH wie auch manche Kollegin und mancher Kollege ein wenig in die Jahre gekommen ist. Eine Reform, und zwar eine gründliche Reform unseres GmbHund anderer Teile des deutschen Gesellschaftsrechts war daher dringend angezeigt. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wen meinen Sie denn jetzt?)


(A) )


(B) )


– Schön, Herr Wieland, dass Sie sich diese Bemerkung
gleich zu eigen machen. Mein Blick hätte ein wenig län-
ger auf Ihnen ruhen müssen.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kenne Sie genau! Sie meinten mich!)


Ich habe einen leichten Stau im mittleren Ring. Manche
sagen, ich hätte einen dicken Bauch; andere sagen, die
Beine stünden etwas weit hinten, Herr Wieland.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird beides sein!)


Das Ergebnis dieser Reform liegt Ihnen heute vor. Mit
all den vielen Neuerungen wird die GmbH-Novelle 2007
insgesamt eine „Kleine Revolution“ sein, wie ein be-
kanntes Magazin titelte. Genau dies ist auch von der
Union, von unserem Berliner Koalitionspartner und, mit
Verlaub, auch ganz persönlich von mir so gewollt.

Wir stehen in einem europäischen Wettbewerb nicht
nur hinsichtlich der Erzeugung von Gütern und Dienst-
leistungen, sondern auch hinsichtlich der Rechtsordnun-
gen und der Rechtsformen. Diesen Wettbewerb nehmen
wir an. Wir wollen und müssen ihn gewinnen. Wir wol-
len und müssen uns einfach auf dem europäischen Markt
behaupten können. Ich sage das nicht zuletzt vor dem
Hintergrund der Debatte über die Europäische Privatge-
sellschaft. Ich finde dieses Projekt gut, richtig und wich-
tig. Wer aber sieht, mit welch spitzen Fingern der zustän-
dige EU-Kommissar Charlie McCreevy – so heißt er
wirklich – dieses Projekt anfasst, kann doch nicht ein-
fach die Augen davor verschließen, dass die EPG nicht
heute, nicht morgen und allerfrühestens übermorgen,
wenn überhaupt, kommen wird.


(Heiterkeit des Abg. Klaus Uwe Benneter [SPD])


– Herr Benneter, es ist schön, dass Sie Ihr Lachen
manchmal nicht unterdrücken können.

Vor diesem Hintergrund will ich, dass wir Deutschen
uns in einem reformierten nationalen und damit auch

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(C (D leichzeitig europäischen Angebot im Gesellschaftsrecht ut und zukunftstauglich positionieren – und dies bereits m kommenden Jahr. Daher war die Reform unseres Geellschaftsrechts, das unter dem Etikett „MoMiG“ das icht der Welt erblickt hat, so dringend nötig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


nders als in anderen Konstellationen – ich will ja gar
icht vom MiKaTraG und dem unsäglichen Mindestka-
italgesetz reden – werden wir, lieber Staatssekretär
lfred Hartenbach, auch den Willen und die Kraft dazu

ufbringen, dass das nächstes Jahr im Bundesgesetzblatt
teht.

Wir wollen ganz gezielt mit den Mitteln des Rechts
uch Wirtschaftsförderung betreiben – ich sehe den
irtschaftsstaatsekretär Hartmut Schauerte – und Unter-

ehmensgründern helfen. Ich war sehr erfreut, dass bei
en Beratungen im Bundesrat daher meine, unsere Idee
er Unternehmergesellschaft auf so positiven Widerhall
estoßen ist. Das war nicht immer so. Ich habe aber na-
ürlich eine erbitterte Kritikerin mit meiner Kasseler
ollegin Mechthild Dyckmans. Am Ende allerdings
ird man sehen, dass sich alle als Erfinder dieser Gesell-

chaftsform gerieren, ähnlich wie bei der Idee von der
u, liebe Mechthild, eben meintest, es sei eine der FDP
ewesen. Insofern empfehle ich nur die Lektüre meines
ufsatzes in der NZG 2006. Da wurde das alles schon

rwähnt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Klaus Uwe Benneter [SPD]: Nichts Neueres?)


Jürgen Möllering, Leiter der Rechtsabteilung des
IHK, hatte recht, als er im Focus im Mai dieses Jahres

agte:

Es gibt unterschiedliche Bedürfnisse zwischen klas-
sischem Mittelstand und Kleingewerbe.

Da für manchen Gründer auch noch 10 000 Euro
Gründungskapital zu viel

ei, lautete seine Forderung:

Wir brauchen noch eine zusätzliche Rechtsform für
die ganz Kleinen.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Genau!)


So galt es, im Gesetz einen Weg zu finden, um Exis-
enzgründer und Kleingewerbetreibende auch bei Vorha-
en mit geringem Kapitalbedarf in den Genuss der Haf-
ungsbeschränkung zu bringen, ohne dass dies zulasten
es Gläubigerschutzes geht. Außerdem, verehrte Frau
ollegin Dyckmans, liebe Mechthild, wer glaubt, dass
as Stammkapital am Anfang ausreicht, um die Gläubi-
er zu befriedigen, der ist nicht von dieser Welt. Ich gebe
a gerne zu, dass es eine gewisse Seriositätsschwelle ist
nd etwa Erhebungen der Creditreform besagen, dass es
ine gewisse Korrelation zwischen der Höhe des Stamm-
apitals und der Häufigkeit der Insolvenzen gibt.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh ja!)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11889


(A) )



(B) )


Dr. Jürgen Gehb
Das Entscheidende ist aber, dass man für die Dauer des
Bestands der Gesellschaft Kapital hat und nicht nur am
Anfang.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611519000

Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage der

von Ihnen so geschätzten Kollegin Dyckmans zulassen?


Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1611519100

Aber selbstverständlich.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611519200

Bitte schön.


Mechthild Dyckmans (FDP):
Rede ID: ID1611519300

Lieber Kollege Gehb, ist dir bekannt,


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Das wird hier aber intim!)


dass vor etwas mehr als 25 Jahren hier in diesem Hause,
damals noch in Bonn, das Mindestkapital von damals
20 000 D-Mark auf 50 000 D-Mark heraufgesetzt
wurde? Ist dir bekannt, aus welchen Gründen das damals
gemacht wurde?

Ich darf dir vielleicht einfach einmal aus der Be-
schlussempfehlung des Rechtsausschusses vorlesen.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nicht helfen!)


Dort heißt es, es liege auf der Hand, dass der bisherige
Betrag von 20 000 D-Mark nicht mehr ausreichend sei,
um eine Haftungsbeschränkung zu rechtfertigen. Dieser
seit 1892 nicht erhöhte Betrag müsse den heutigen wirt-
schaftlichen Verhältnissen zumindest in etwa angenähert
werden.


(Joachim Stünker [SPD]: Das war vor 25 Jahren! Lange her! – Dirk Manzewski [SPD]: Noch zu DM-Zeiten!)


Damals ist die Mehrheit davon überzeugt gewesen, dass

die Anhebung des Mindeststammkapitals mit dazu
beitragen [werde], die erhebliche Konkursanfällig-
keit der kleinen GmbH, die unzweifelhaft gegeben
sei, zu vermindern und unsolide Gründungen weit-
gehend zu verhindern.


(Joachim Stünker [SPD]: Die Erwartung hat sich nicht erfüllt! – Dr. Günter Krings [CDU/ CSU]: Ein Irrglaube!)


Ich frage dich: Trifft das heute nicht mehr zu? Hat
sich da so viel verändert?


Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1611519400

Verehrte Mechthild, ich finde es zunächst einmal au-

ßergewöhnlich schön, dass der Fragesteller die Antwort
gleich mitliefert. Der erste Teil der Frage, ob ich wüsste,
wie das war und wie es damals begründet wurde, ist also
beantwortet. Die Antwort hast du ja mit lauter Stimme
und Betonung vorgelesen.

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(C (D Zur Frage, ob ich es richtig finde: Ich bin der Meiung – ich habe das auch in meinen wissenschaftlichen eröffentlichungen gesagt – – Ja, so ist das. Ihr dürft nicht immer nur die St. Pauliachrichten lesen. hr müsst auch mal die GmbH-Rundschau lesen. – Ich abe das immer gesagt; ich stehe auch heute noch dazu. Ich bin jetzt nicht ganz sicher, ob das nicht unparla entarisch war. Nur die Bemerkung oder die Zeitschrift? rau Präsidentin, ich bitte, mir nachzusehen, wenn diese eitschrift unparlamentarisch ist. (Klaus Uwe Benneter [SPD]: Das ist eine Fußballzeitschrift!)


(Zurufe von der SPD: Oh!)


(Heiterkeit)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611519500
Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1611519600

(Heiterkeit)


ass sie aber gelesen wird, dafür kann ich nichts.
Ich möchte festhalten: Ich habe schon immer die Auf-

assung vertreten – ich vertrete sie auch heute noch –,
ass das bloße Drehen an der Stellschraube Stammkapi-
al eigentlich gar nichts hergibt.

1892 – das war über 30 Jahre vor Einführung der
eichsmark. Damals konnte man von dem Geld ein gan-
es Haus kaufen. Heute sind 25 000 Euro oder gar
0 000 Euro dagegen natürlich nur noch eine Quantité
égligeable. Wenn man mich also fragt, ob das zutrifft,
ann ich nur antworten: Das hat damals nicht zugetrof-
en; es trifft auch heute nicht zu. Deshalb gehe ich relativ
eidenschaftslos an die Frage heran, ob das Stammkapi-
al diese oder jene Höhe haben soll. Wenn der Betrag
lle zehn Jahre hoch- und runtergeht, zeigt das doch,
ass es kein taugliches Instrument ist.

Ich fahre fort. Bei diesem Gesetz galt es, einen Weg
u finden, um Existenzgründer und Kleingewerbetrei-
ende mit geringem Kapitalbedarf in den Genuss der
aftungsbeschränkung zu bringen. Ich habe das eben

chon gesagt; das wird den Stenografen auffallen; so
rauchen sie es nicht doppelt zu schreiben. Ebenso sollte
ie Gründung schnell, unbürokratisch und preiswert er-
olgen können. Das sind gerade für Existenzgründer ge-
ichtige Faktoren bei der Wahl der von ihnen präferier-

en Rechtsform.
Die Lösung stellt nun die neu entwickelte Unterneh-

ergesellschaft in § 5 a des Gesetzentwurfs dar, die ge-
enüber ursprünglichen Ideen allerdings nun recht
chlank daherkommt. Ich hatte einmal einen Gesetzent-
urf mit 76 Paragrafen entwickelt. Er war ziemlich dick:
r hatte nicht nur einen relativ weiten Beinhinterstand,
ondern er war wirklich dick. Nun ist er auf fünf Absätze
bgespeckt.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie noch vor sich!)


11890 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Dr. Jürgen Gehb
Die Unternehmergesellschaft unterliegt dem Regime des
GmbH-Rechts. Es ist keine andere Rechtsform; wir be-
wegen uns in dem Regime, das es schon immer gab.
Deswegen bin ich der Meinung, dass das eine sehr – –


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verloren gegangen!)


– Es ist auch einiges verloren gegangen. Heute ist aber
nur die erste Lesung. Wir werden das nachher an die
Ausschüsse überweisen. Dort werden wir wie immer
externen Sachverstand zu Rate ziehen. Da wird man se-
hen, ob ich nicht vielleicht das eine oder andere, was ich
schon einmal vorgeschlagen habe, doch wieder – von
hinten durch die Brust ins Auge – reaktivieren kann, lie-
ber Freund Montag.


(Jörg Rohde [FDP]: Geht das auch an den Normenkontrollrat?)


– Normenkontrollrat? Da ist es schon abgesegnet wor-
den; ich habe dafür schon eine Flasche Schampus be-
kommen.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, darüber hinaus betreffen
viele zusätzliche Änderungen des Regierungsentwurfs
die Unternehmergesellschaft und die GmbH in gleicher
Weise. Ich sagte ja, dass die Vorschriften auch für die – –


(Zuruf von der FDP: Mini-GmbH!)


– Sagt nicht immer Mini-GmbH. Das tut meiner Seele so
weh. Es handelt sich um die Unternehmergesellschaft

(haftungsbeschränkt). Diese Diminuierung auf Mini-Ge-

sellschaft wollen wir nicht haben. – Die Vorschriften
stellen damit insgesamt bemerkenswerte Innovationen
gegenüber dem geltenden Recht dar.

Ich sagte schon: Wir werden im weiteren Verfahren
noch über viele Details des Gesetzentwurfs reden. Auf-
merksamen Beobachtern wird nicht entgangen sein, dass
beispielsweise die Frage der Mustersatzung schon im
Bundesrat zu intensiver Diskussion geführt hat; nament-
lich Justizministerin Kolb hat dort kritische Töne ange-
schlagen. Die Notare kämpfen noch für die Beibehaltung
der Beurkundungspflicht anstelle der bloßen Beglaubi-
gung. Außerdem stellt sich die Frage, ob wir, wenn wir
schon keine Steuererklärung auf dem Bierdeckel hinbe-
kommen, vielleicht ein Gründungsprotokoll in Bierde-
ckelgröße hinbekommen. All das, liebe Kolleginnen und
Kollegen, werden wir im parlamentarischen Beratungs-
verfahren erörtern.


(Mechthild Dyckmans [FDP]: Genau!)


Wir werden dann sehen, was im nächsten Jahr daraus ge-
worden sein wird.


(Mechthild Dyckmans [FDP]: Ja! Dann sehen wir, was davon übrig geblieben ist!)


Frau Präsidentin, da hier dauernd die Zuschauer
wechseln, will ich folgende Schlussbemerkung machen:
Ich finde es sehr schön, dass wir auch Debatten führen,
in denen wir uns nicht gegenseitig als Brunnenvergifter,
als Sicherheitsrisiko oder – manch einer versteigt sich
sogar zu dieser Bezeichnung – als Mörder bezeichnen.

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(C (D ir können vielmehr auch auf hohem Niveau ein bisshen spaßig sein; das ist das Schöne an den Rechtspolitiern. Wenn das in anderen Politikbereichen auch so äre, dann würde sich manch ein Zuschauer nicht mit olch einem Grauen von uns abwenden. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach was!)


Ich möchte Ihnen allen – bzw. fast allen; Sie von den
inken sind leider nie dabei – noch etwas sagen.


(Lachen bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611519700

Herr Kollege, bevor Sie jetzt noch vor den Zuschau-

rn sagen, mit wem Sie diese Flasche Champagner trin-
en wollen,


(Heiterkeit)


uss ich Ihnen mitteilen: Ihre Redezeit ist weit über-
chritten.


Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1611519800

Ich hätte es Ihnen gerne verraten; aber das Ende mei-

er Redezeit verbietet es mir.

Frau Präsidentin, ich bedanke mich für Ihre Großzü-
igkeit, und Ihnen, meine Damen und Herren, danke ich
ür Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche Ihnen noch einen
chönen Tag!


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611519900

Zumal die Zuschauer weder lachen noch applaudieren

önnen, Herr Gehb,


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Ja! Aber sie würden gerne!)


eder das eine noch das andere.

Jetzt hat der Kollege Dr. Herbert Schui für Die Linke
as Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Herbert Schui (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611520000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer das

echt auf Gewinn in Anspruch nimmt, hat auch die
flicht, für das Risiko einzustehen; das ist der Grund-
atz. Weil das so ist, beschäftigt sich die Fachwelt in
roßbritannien und in den USA zunehmend mit Unter-
ehmen der Rechtsform Limited Liability. Erst im Juli
ieses Jahres fand an der University of London, im Col-
ege SOAS, eine Konferenz zu diesem Thema statt, die
om Guardian ebenso wie von der Financial Times in
ondon sehr positiv kommentiert worden ist. Über die-
es Thema wird also diskutiert, und das nicht nur in ir-
endeinem Keller und nicht nur von Gruppierungen, die
ie vielleicht nicht so sehr mögen.

Die Grundlage der kritischen Argumentation – hier
ird oft auf Smith Bezug genommen – ist die Folgende:
leichheit vor dem Gesetz für alle, also auch für juristi-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11891


(A) )



(B) )


Dr. Herbert Schui
sche Personen und damit auch für Unternehmen und An-
teilseigner. Alle müssen im Sinne eines bürgerlichen
Rechtsverständnisses die Verantwortung für die Folgen
ihres Handelns tragen. Ausnahmen, die durch Gewinn-
aussichten und – gegebenenfalls vorgeschützte – güns-
tige Wirkungen auf die Gesamtwirtschaft gerechtfertigt
würden, dürfe es, so die kritische Argumentation, im
Grundsatz nicht geben.

Die Bundesregierung will mit ihrem Gesetzentwurf
offenbar dazu beitragen, dass wir der gegenwärtigen an-
gelsächsischen Rechtspraxis näherkommen. Ein Wider-
schein der aktuellen Debatte in diesen Ländern lässt sich
im Gesetzentwurf dagegen nicht finden, ein unter straf-
rechtlichen Gesichtspunkten verschärftes Haftungsrecht
ebenfalls nicht.

Eine Haftungsbeschränkung stellt von der Sache her
eine Risikoverlagerung dar. Folglich sind drei Fragen,
die bei jeder Verteilung von Risiken zu stellen sind, auch
an die GmbH-Novelle der Bundesregierung zu richten:

Erstens. Kann die Risikoentlastung von Unternehmen
ein gewünschtes wirtschaftliches Verhalten auslösen?

Zweitens. Wird die Haftungsbeschränkung nicht zu
einer Einladung zu unerwünschtem, verwerflichem, im
Extremfall sogar kriminellem Verhalten?

Drittens. Wer, wenn nicht der Unternehmer selbst,
trägt an dessen Stelle die Risiken?

Die erste Frage beantwortet die Bundesregierung
ideologisch: Schneller, kostengünstiger und mit geringe-
rer Haftung Unternehmer zu werden, das müsse doch, so
die Bundesregierung, auf jeden Fall etwas Gutes sein.

Besonders problematisch an der GmbH-Novelle sind
die vorgesehenen Mustersatzungen. Der Notar soll nun
nicht mehr die Rechtmäßigkeit des Gründungszwecks
feststellen. Er soll nicht mehr das Verhältnis zwischen
den Gesellschaftern und der Kapitalaufbringung prüfen.
Er soll nur noch die Personenidentität der Gründer be-
glaubigen.

Mustersatzungen mögen im simplen Fall einer Ein-
personengesellschaft in Form einer GmbH mit eindeuti-
gem Gründungszweck der Vereinfachung dienen. Aber
spätestens wenn zwei Gesellschafter im Spiel sind oder
wenn der Unternehmensgegenstand einer Präzisierung
bedarf, verwandelt sich das von der Bundesregierung ge-
botene Gründungsset in eine Einladung, sich als Ge-
schäftszweck alles Mögliche mit allerlei Leuten vorzu-
nehmen. Dann entsteht die Hoffnung, dass das Formblatt
den eigenen Verstand, privatwirtschaftliche Selbstorga-
nisation und eingehende Rechtsberatung ersetzen könne.

Die Folge wird sein, dass die nachträglichen Bera-
tungs- und Rechtskosten steigen. Es wird zu mehr ge-
richtlichen Streitfällen kommen. Deswegen sind eindeu-
tige Spielregeln, klare Regulierungen eine Forderung
politisch sehr unterschiedlicher Richtungen. Die Geset-
zesnovelle trägt all dem nicht Rechnung. Sie schafft
Chaos statt eine Ordnung, in der sich Erwerbstätigkeit
entwickeln kann. Das ist gegen die etwas höheren Kos-
ten der jetzigen GmbH-Beurkundung aufzurechnen. Da
gewinnt in jedem Falle die gegenwärtige Rechtsetzung.

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(C (D Weshalb bedeuten der Bundesregierung all diese Einände nichts? Weil die „Einführung des Mustergesell chaftsvertrages den Forderungen der Wirtschaft“ ntspricht; so ist auf Seite 1 von Anlage 3 des Gesetzenturfs zu lesen. Wenn das so ist, dann lasst doch gleich en Bundesverband der Deutschen Industrie die Gesetesvorlagen ausarbeiten. Wir begründen sie in Kurzeden dann damit, dass sie den Interessen der Wirtschaft ntsprechen – dann ist der Bart ab! (Beifall der Abg. Dr. Barbara Höll [DIE LINKE])


Sicherlich kann eine Haftungsbeschränkung unter be-
timmten Bedingungen sinnvolle Projekte ermöglichen,
ie bei voller Deckung durch das Privatvermögen aus-
leiben würden. Dann ist aber sicherzustellen, dass es zu
einer unerwünschten Risikoverlagerung zulasten Drit-
er kommt. Folglich sind Vorkehrungen zu treffen, damit
ie Risiken nicht billig und für die Verursacher folgenlos
uf Gläubiger, Lieferanten und andere überwälzt wer-
en. Wichtig ist – das fehlt in dem Gesetzentwurf –, dass
ls Pendant zu der vorgesehenen Haftungsreduzierung
ransparenz und Intransparenzhaftung deutlich verbes-
ert werden.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611520100

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen, bitte.


Dr. Herbert Schui (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611520200

Ich bin sofort durch. – Bei strafrechtlich relevanten

ällen fehlt eine klare Durchgriffshaftung ins Privatver-
ögen. Es fehlen Ausschlussgründe für straffällig ge-
ordene Geschäftsführer.


(Joachim Stünker [SPD]: Staatskapitalismus!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611520300

Herr Kollege!


Dr. Herbert Schui (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611520400

Es fehlt ein Berufsverbot im Sinne des BGB für Ge-

ellschafter und Geschäftsführer, die sich an das Recht
icht halten.

Der Gesetzentwurf trägt dem Interesse der Allge-
einheit also insgesamt nicht Rechnung. Ihm ist nicht

uzustimmen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611520500

Jerzy Montag spricht jetzt für Bündnis 90/Die Grü-

en.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611520600

Danke, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und

ollegen! In unserem Land entschließen sich jedes Jahr
iele Menschen, selbstständig wirtschaftlich tätig zu
erden. Ich sage für uns Grüne ausdrücklich: Wir heißen
as gut, wir halten das für richtig und für notwendig. Wir
rauchen Unternehmensgründungen, und wir wollen

11892 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Jerzy Montag
alles dafür tun, dass es insbesondere jungen Menschen,
aber nicht nur diesen, erleichtert wird, selbstständig als
Unternehmer – im Dienstleistungssektor genauso wie im
Produktionssektor – tätig zu werden.


(Beifall des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] sowie des Abg. Klaus Uwe Benneter [SPD])


Aus dem letzten Beitrag, den wir gehört haben, habe
ich so etwas wie eine prinzipielle Gegnerschaft gegen
eine solche Betrachtungsweise herausgehört. Ich kann
Ihnen nur sagen: Wer gute Löhne für Arbeitnehmer
will – das wollen wir –, der muss auch die Wirtschaft
und das Unternehmertum selbst unterstützen; sonst geht
die Gleichung in einer sozialen Marktwirtschaft nicht
auf.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Hunderttausende machen sich einfach auf den Weg
und nutzen nicht die Rechtsform einer Gesellschaft, die
ihnen der Staat bietet, sondern handeln als Einzelkauf-
leute – mit vollem Risiko, mit voller Haftung. Andere
nehmen die Möglichkeit wahr, ihre wirtschaftliche Tä-
tigkeit in einer GmbH, also mit einer beschränkten Haf-
tung, auszuüben. Das muss auf der anderen Seite dann
aber natürlich auch mit einem gewissen Schutz verbun-
den sein. Das ist schon dargestellt worden, und ich brau-
che darauf nicht näher einzugehen.

In der Europäischen Union hat es einen dramatischen
Wandel in dieser Richtung gegeben. Durch die Recht-
sprechung des Europäischen Gerichtshofs wurde der ab-
geschottete nationale Rechtsmarkt für diese Materie auf-
gebrochen, und es gibt nun eine Konkurrenz mit anderen
europäischen Rechtsinstituten. Dem müssen wir uns
stellen. Wir finden das richtig, aber wir glauben nicht,
lieber Kollege Gehb, dass die Einrichtung einer Mikro-
GmbH, quasi einer „GmbH light“, neben einer jetzt
schon wieder verschlankten GmbH die richtige Lösung
ist.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Sie machen es noch kleiner!)


Wir finden, dass gerade diejenigen, die keine GmbH
gründen, sondern sozusagen als Einzelkaufleute oder in
einer BGB-Gesellschaft beginnen wollen, in einer Perso-
nengesellschaft mit beschränkter Haftung wie in einer
Gesellschaft mit beschränkter Haftung tätig werden kön-
nen sollten.


(Beifall des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Wir wollen also nicht irgendein Minus zur GmbH, son-
dern etwas ganz anderes, das gerade auf diesen Perso-
nenkreis zugeschnitten ist.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Sie wissen, dass ich einmal diese Lösung verfolgt habe, Herr Montag!)


– Ja, aber Sie haben das im Gegensatz zu uns aufgege-
ben.

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(C (D (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Nein, ich bin kompromissfähig!)


Ich finde es ganz interessant, dass sich die Wirt-
chaftspartei FDP um diese Frage völlig herumdrückt,
ein einziges Wort dazu sagt


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das stimmt! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und nur konservativ ist!)


nd den Vorschlag der Regierung, der nicht optimal ist,
blehnt, ohne einen eigenen zu machen. Ich finde es al-
erdings auch interessant, dass der Staatssekretär den
oalitionspartner für sein Engagement und für die Tatsa-

he gelobt hat,


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Warum denn nicht?)


ass Sie sich, Herr Gehb, zu einem kleinen Teil – 60 Para-
rafen


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: 76!)


ind auf einen zusammengeschmolzen, nämlich auf den
5 a des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit be-

chränkter Haftung – durchgesetzt haben.

Ich darf an dieser Stelle zitieren, was die Bundesjus-
izministerin, Frau Zypries, noch im März dieses Jahres
m Handelsblatt zu dieser Frage geäußert hat:

Offen gesagt konnte mir noch keiner erklären, wo-
rin der Mehrwert einer weiteren Gesellschaftsform
„unterhalb“ dieser verschlankten GmbH liegen soll.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Ich habe es ihr jetzt erklärt!)


un, einige Monate später, werden Sie vom Staatssekre-
är dafür gelobt, dass Sie die Ministerin offensichtlich
uf einen anderen Weg gebracht haben.

Lieber Kollege Dr. Gehb, in dem gleichen Beitrag
teht allerdings auch, was Sie eigentlich wollten. Ich
ehme an, Sie werden dort richtig zitiert. Sie wollten
ach Ihren Überlegungen den Schutz der Vertragspartner
on denjenigen, die sich im geschützten Raum einer
mbH wirtschaftlich betätigen, ein Gläubigerforum und

trenge Haftungsvorschriften. Davon ist in dem Gesetz
ichts mehr zu lesen.

Zum Schluss meiner Ausführungen will ich noch sa-
en: Es wundert mich, dass in dieser Debatte von keiner
raktion die steuerrechtliche Seite der Vorschläge, die
uf dem Tisch liegen und diskutiert werden sollen, an-
esprochen worden ist. Gerade durch das Angebot an
xistenzgründer, sich ausschließlich in einer Mikro-
mbH wirtschaftlich zu betätigen, werden sie steuer-

echtlich in das System der Körperschaftsteuern gesto-
en. Mit unserem Vorschlag einer Personengesellschaft
it beschränkter Haftung wollen wir die Vorteile, die

ich aus der persönlichen Besteuerung ergeben, mit den
öglichkeiten des Handelns in einem geschützten
aum, aber auch mit strengen Regeln für Publizität und

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11893


(A) )



(B) )


Jerzy Montag
Transparenz verbinden. Dazu werden wir noch Vor-
schläge machen.

Ich danke Ihnen und freue mich auf die Debatte im
Ausschuss.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611520700

Jetzt gebe ich dem Kollegen Klaus Uwe Benneter das

Wort für die SPD-Fraktion.


Klaus Uwe Benneter (SPD):
Rede ID: ID1611520800

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und

Kollegen! Uns liegt ein wichtiger Gesetzentwurf vor. In
Deutschland gibt es derzeit schätzungsweise mehr als
900 000 GmbHs. Die GmbH ist die Rechtsform des
deutschen Mittelstandes und bis heute ein Erfolgsmo-
dell.


(Mechthild Dyckmans [FDP]: Eben! Das sollte man nicht verwässern!)


Alfred Hartenbach hat bereits darauf hingewiesen.

In der Rechtsform der GmbH können Existenzgrün-
der ihr Unternehmen beginnen. Sie können ihr Unter-
nehmen als GmbH auch stabilisieren und wachsen las-
sen. Die GmbH ist eine attraktive Rechtsform, und das
soll auch so bleiben.

Trotzdem besteht in vielerlei Hinsicht Reformbedarf.
Meine Vorredner haben dazu schon einiges gesagt. Das
Recht der Kapitalaufbringung und -erhaltung ist über-
kompliziert. Hinzu kommt, dass auch das schönste und
komplizierteste Kapitalschutzrecht nichts nützt, wenn
sogenannte Firmenbestatter professionell mit relativ ein-
fachen Mitteln eine ordnungsgemäße Insolvenz verhin-
dern können. Die Geschäftsführer werden abberufen und
das Geschäftslokal aufgegeben mit dem Ergebnis, dass
die GmbH keine Adresse mehr hat und ihr niemand
mehr etwas zustellen kann. Solche Machenschaften wer-
den wir verhindern.

Außerdem haben wir inzwischen ausländische Kon-
kurrenz im Land, vor allem die britische Limited, die mit
wenig bürokratischem Aufwand und ohne Mindestkapi-
tal gegründet werden kann. Schließlich werden die Stim-
men immer lauter, die meinen, es sei besonders wichtig,
dass eine GmbH sehr schnell – praktisch über Nacht –
und besonders preisgünstig gegründet werden kann.
Auch wenn mir die Bedeutung dieses Punktes etwas
übertrieben erscheint, ist etwas Wahres daran.

Es ist deshalb gut, dass die Justizministerin mit ihrem
Gesetzentwurf den Reformbedarf aufgegriffen hat. Es ist
bekannt, dass der Referentenentwurf kurz vor der Kabi-
nettsbefassung noch in entscheidenden Punkten geändert
worden ist. Neu aufgenommen wurde vor allem das völ-
lig neue Konzept der Unternehmergesellschaft, besser
bekannt unter dem Stichwort Mini-GmbH. Wir wissen
– auch wenn Sie das nicht gerne hören, Herr Gehb –,
dass die Möglichkeit einer einfach, billig und praktisch
ohne Stammkapital zu gründenden Unternehmergesell-
schaft ein besonderes Anliegen unseres Kollegen Gehb
war,

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(C (D (Beifall des Abg. Andreas Schmidt [Mülheim] [CDU/CSU])


nd ich teile inzwischen auch seinen Grundansatz: Es
ibt sicherlich Unternehmen, die mit weniger Stammka-
ital als 25 000 Euro oder auch 10 000 Euro auskommen
önnen, ohne dass sie deshalb unseriös oder ohne Er-
olgsaussichten sein müssen. Wir sollten diesen Unter-
ehmen eine einfache, billige und deutsche Rechtsform
ur Verfügung stellen. Es ist nicht gut, wenn solche Exis-
enzgründer nur auf die britische Limited zugreifen kön-
en, die in britischen Handelsregistern angemeldet wer-
en muss und nach britischem Recht funktioniert oder in
ielen Fällen eben auch nicht.

Mir persönlich hat zu Beginn dieser Diskussion und
er ersten Gehb’schen Überlegungen der Gedanke nicht
efallen – Jerzy Montag, ich bitte um Aufmerksamkeit –,
ass wir zu der Vielzahl von Rechtsformen, die das deut-
che Gesellschaftsrecht seinen Unternehmen zur Verfü-
ung stellt, noch eine weitere Rechtsform hinzuerfinden
nd damit das deutsche Gesellschaftsrecht um weitere ju-
istische Probleme und Kommentare bereichern sollen.
enn eigentlich wollen wir unser Recht insgesamt etwas

infacher, verständlicher und übersichtlicher gestalten.

Insofern kann sich die Lösung, die das Justizministe-
ium gefunden hat, sehen lassen. Die neue sogenannte
nternehmergesellschaft – sprich: Mini-GmbH – ist von
enigen Besonderheiten abgesehen eine echte GmbH
nd richtet sich nach GmbH-Recht. Durch die Rücklage-
erpflichtungen wird sie bei gutem Gang der Geschäfte
utomatisch zu einer ganz normalen GmbH und kann
ich auch umbenennen. Sie wächst also sozusagen zur
mbH heran.

Ich denke, das ist eine elegante Konstruktion: Wir ha-
en eine schlanke Regelung und müssen keine neue
echtsform erfinden. Trotzdem ist die neue Unterneh-
ergesellschaft namensmäßig deutlich von den alten,

estehenden GmbHs unterscheidbar. Das halte ich für
usgesprochen wichtig. Denn wir sollten uns nichts vor-
achen: Wenn wir eine solche „billige“ Rechtsform an-

ieten, werden auch Miniunternehmen gegründet wer-
en, die dann doch keine echte Chance am Markt haben
nd scheitern. Wenn dies massenhaft geschieht, dann
ird sich die Mini-GmbH am Markt nicht durchsetzen.

hr Ansehen würde durch zu viele unsolide Mitspieler
eschädigt werden. Das muss nicht so kommen, aber wir
ollten es in unseren Beratungen mitbedenken. Die

ini-GmbH ist auch eine Art gesetzgeberisches Experi-
ent. Wir wissen heute noch nicht, wie ein solches Ex-

eriment enden wird.

Die GmbHs mit einem Stammkapital von mindestens
5 000 Euro dürfen jedenfalls nicht entwertet werden.
an muss den Unterschied zur Mini-GmbH erkennen

önnen. Das werden wir bei unseren weiteren Beratun-
en zu berücksichtigen haben.

Es erscheint mir sinnvoll, das vereinfachte Grün-
ungsverfahren hauptsächlich auf die neue Mini-GmbH,
lso die Unternehmergesellschaft, zu beschränken. Be-
enkenswert erscheint mir das vorgeschlagene Grün-
ungsprotokoll anstelle der im Gesetzentwurf vorgese-

11894 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Klaus Uwe Benneter
henen Mustersatzung. Wir sollten die Vielzahl von
Anregungen des Bundesrates, der sich mit dem Gesetz-
entwurf sehr eingehend befasst hat, bei unseren Beratun-
gen sehr genau prüfen. Die Herabsetzung des Stammka-
pitals von 25 000 Euro auf 10 000 Euro ist nicht
notwendig, wenn zukünftig die Möglichkeit besteht, eine
Mini-GmbH mit einem Stammkapital zwischen 1 Euro
und 25 000 Euro zu gründen.

An dieser Stelle möchte ich auf ein Anliegen zu spre-
chen kommen, das mir wichtig ist. Wenn wir für die Ka-
pitalgesellschaft GmbH mit der neuen Mini-GmbH ei-
nen solchen einfachen Zugang ermöglichen, dann sollten
wir das auch für Genossenschaften tun; denn sonst wird
die teure Genossenschaft vollends von der neuen preis-
werten Mini-GmbH verdrängt. Genossenschaften sind
Gemeinschaften, die zusammen in Selbsthilfe und
Selbstverwaltung mehr bewirken wollen, als es jeder für
sich alleine könnte. Ich bin überzeugt, dass an solchen
Gemeinschaften ein wachsender Bedarf besteht. Wir
sollten deshalb die Rechtsform der Genossenschaft stär-
ken. Sie wird zunehmend weniger gewählt, weil die
Gründungskosten und die Rechtsformkosten zu hoch
sind. Wir sollten deshalb auch die Gründung von Mini-
genossenschaften ermöglichen. In der Schweiz gibt es
entsprechende Modelle. Diese sollten wir uns ansehen.

Wir werden alle Fragen und Anregungen des Bundes-
rates sorgfältig prüfen. Das Ziel ist klar: Wir wollen das
Erfolgsmodell GmbH fortsetzen. Der vorliegende Ge-
setzentwurf bietet eine gute Grundlage für unsere weite-
ren Beratungen.


(Beifall bei der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611520900

Ich schließe die Aussprache.

Die Fraktionen haben vereinbart, den Gesetzentwurf
auf Drucksache 16/6140 an die in der Tagesordnung auf-
geführten Ausschüsse zu überweisen. Gibt es dazu an-
dere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi,
Dr. Barbara Höll, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Steuerflucht wirksam bekämpfen

– Drucksachen 16/2524, 16/5673 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Simone Violka
Dr. Barbara Höll

Über die Beschlussempfehlung werden wir später na-
mentlich abstimmen.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Dazu höre
ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

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(C (D Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort der ollegin Simone Violka für SPD-Fraktion. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ollegen! Es ist zu erwarten, dass Herr Gysi – genauso ie bei der ersten Lesung im November 2006 – durch as Aufzählen negativer Beispiele den Eindruck erweken will, alle, die viel Geld verdienen, seien potenzielle teuerflüchtlinge und hätten den ganzen Tag nichts wei er zu tun, als die Stunden zu zählen, die sie noch in eutschland sein müssen, um sich nicht wegen Steuerinterziehung strafbar zu machen. Es mag solche Fälle urchaus geben. Aber ich nehme an, dass das Einzelfälle ind. Sie selbst sprechen in Ihrem Antrag von Scheinohnsitzen. Es geht also gar nicht um Menschen, die das eutsche Steuerrecht legal nutzen, sondern um solche, ie sich schon nach geltendem Recht strafbar machen nd die dafür auch bestraft und zur Kasse gebeten weren. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Manfred Kolbe [CDU/CSU])

Simone Violka (SPD):
Rede ID: ID1611521000

Warum sollten diese Menschen, die schon heute wis-
entlich gegen geltendes Steuerrecht verstoßen, bei ge-
ndertem Recht plötzlich brave Steuerzahler werden?
iese Haltung ist mehr als blauäugig.

Mir ist wichtig, das von Ihnen verbreitete Bild, viele
ürgerinnen und Bürger, die viel verdienen, würden sich
ermanent ihrer Steuerpflicht entziehen, zu entschleiern.
s gibt nämlich in diesem Land viele Leistungsträger,
ie nicht nur ihre Steuern pünktlich zahlen, sondern die
uch einen nicht unerheblichen Teil ihres Vermögens der
esellschaft wieder zur Verfügung stellen. Ich erinnere

n die vielen Stifterinnen und Stifter, ohne deren En-
agement unsere Kulturlandschaft viel ärmer wäre. Ich
rinnere auch an die vielen Menschen, die nicht nur Zeit,
ondern auch viel privates Geld einsetzen, um Vereine,
oziale Einrichtungen, Sportveranstaltungen, Kultur,
chulen und vieles mehr zu unterstützen. Das tun sie
äufig, ohne genannt zu werden, weil es für sie einfach
ormal ist, sich so zu verhalten. Vielleicht ist das der
rund, weshalb die Linke so tut, als würde es das nicht
eben.


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Frau Violka, wer erzählt uns denn immer, dass die ins Ausland gehen?)


Wenn Sie mich etwas fragen wollen, dann melden Sie
ich zu einer Zwischenfrage. Ansonsten halten Sie mich
icht von meiner Rede ab.


(Beifall des Abg. Jörg-Otto Spiller [SPD])



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611521100

Möchten Sie die Zwischenfrage des Kollegen zulas-

en?


Simone Violka (SPD):
Rede ID: ID1611521200

Gerne.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11895


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Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611521300

Bitte schön.


Volker Schneider (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611521400

Frau Violka, ich bin ein bisschen überrascht und muss

deshalb an der Stelle nachfragen. Ich erlebe hier im Ple-
num regelmäßig, dass gerade Ihre Fraktion, wenn es um
Vorschläge der Linken etwa zu Fragen der Vermögen-
steuer geht, uns erzählt, wenn man unseren Vorschlägen
folgte, gingen die Leute massenhaft ins Ausland, und wir
würden deshalb die Einnahmen überschätzen. Können
Sie mir erklären, wie diese zwei Aussagen zueinander-
passen? Welche stimmt denn nun?


Simone Violka (SPD):
Rede ID: ID1611521500

Es gibt durchaus solche Fälle. Das will ich gar nicht

verschweigen; das habe ich in meiner Rede im letzten
Jahr gesagt. Ich finde das nicht gut. Letztendlich gilt es,
an dieser Stelle die Linie zwischen legalem Verhalten
und illegalem Verhalten zu ziehen. Das ist das Wichtige
in diesem Zusammenhang. Sie können Leute nicht in
Deutschland festbinden. Ich werde auch in dieser Rede
erwähnen – das habe ich schon letztes Jahr gesagt –, dass
ich mir darüber eine breit angelegte moralische Debatte
wünschen würde. Man sollte auch als Verbraucher ent-
sprechend reagieren und ein solches Verhalten nicht da-
durch unterstützen, dass man Produkte von solchen Leu-
ten kauft, solche Leute in Deutschland hofiert und ihnen
auch noch Ehrenbürgerschaften anbietet. Das ist eine
moralische Debatte, die wir führen müssen. Wir können
das nicht über das Steuerrecht regeln.


(Beifall bei der SPD)


Ich habe manchmal wirklich den Eindruck, dass all
das, was nicht in der Zeitung steht, für Sie nicht existiert,
und dass all das, was in der Zeitung steht, sofort verall-
gemeinert wird. Sie haben ein zu einfaches Weltbild.
Dass Sie dieses einfache Weltbild haben, spiegelt sich in
Ihrem Antrag mehrfach wider. So ist in Ihrem Antrag zu
lesen:

Die Anknüpfung der unbeschränkten Steuerpflicht
an die Staatsbürgerschaft begründet sich insbeson-
dere daraus, dass auch Personen, die ihren Wohn-
sitz verlegen, zuvor öffentlich finanzierte Infra-
struktur z. B. im Bereich Bildung und Ausbildung
für sich und teilweise ihre Kinder in Anspruch ge-
nommen haben.

Das stimmt, und das würde ich sofort unterschreiben.
Aber Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass sich
unsere Welt verändert hat.

Europa ist in dieser Frage noch nicht ganz bei Ihnen
angekommen. Wie verhält es sich denn mit Ihrem Argu-
ment, wenn zum Beispiel ein deutsches Paar – aus wel-
chen Gründen auch immer – beschließt, nach Spanien,
Italien oder Frankreich zu ziehen? Das Paar bekommt
Kinder, die dort aufwachsen. Wenn diese Kinder als Er-
wachsene nach Deutschland zurückkehren, dann müss-
ten sie nach Ihrer Logik, weil sie nicht die deutsche In-
frastruktur in Anspruch genommen haben, sondern die
französische, italienische oder spanische, ihre Steuern in

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(C (D as entsprechende Land überweisen. Ihr Vorschlag hinkt n dieser Stelle und funktioniert nicht so einfach. (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Die zahlen doch in Spanien Steuern!)


Aber wenn sie danach nach Deutschland zurückkehren
nd hier leben, zahlen sie in Spanien keine Steuern. Sie
üssen mir einmal erklären, wie das gehen soll.

Wie verhält es sich denn in dem Fall, wenn die im
usland gezahlte Steuer höher als die ist, die in Deutsch-

and zu zahlen ist? Sie wollen doch die Steuern verbin-
en.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das gleicht die Sozialistische Internationale aus!)


as habe ich Herrn Gysi schon einmal gefragt. Ich hätte
ich gefreut, im Ausschuss mit ihm darüber diskutieren

u können. Er hat es auch angeboten, aber er war nie im
usschuss.


(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Das war ja wohl eine andere Debatte im Ausschuss! – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das fehlte uns noch! Der kann den Troost nicht ersetzen!)


ielleicht beantwortet er dann hier meine Fragen.

Wir haben ein funktionierendes Steuerrecht, und die
oppelbesteuerungsabkommen, die wir haben, funktio-
ieren gut. Was, glauben Sie, käme heraus, wenn wir
etzt mit über 90 Staaten, die alle eigene Interessen ver-
reten, in neue Verhandlungen eintreten würden? Nein,
n Europa lassen wir die Finger von solchen steuerpoli-
ischen Alleingängen und arbeiten besser an einer euro-
äischen Harmonisierung auf steuerlichem Gebiet.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as bringt Europa viel mehr nach vorne und macht es
andlungsfähig. Wir brauchen, was steuerliche Pro-
leme angeht, eine enge europäische Zusammenarbeit.
ann lassen sich auch Verfehlungen auf diesem Gebiet

eitnaher, einfacher und effektiver verfolgen. Daran
üssen wir gemeinsam arbeiten.

Wenn das amerikanische Steuerrecht so genial wäre,
ie Sie es uns hier verkaufen wollen, frage ich mich,
eshalb es dann auf dieser Welt so einsam geblieben ist.

ch will ehrlich sein, es ist nicht ganz allein. Liberia hat
as gleiche System. Das war es aber auch schon. Bei
wei Ländern kann man wohl kaum von einem amerika-
ischen Exportschlager reden, zumindest dann nicht,
enn es um das Steuerrecht geht. Vielleicht hängt es

ber teilweise mit dem bürokratischen Aufwand zusam-
en, der damit verbunden ist. Fragen Sie doch einmal in

nderen Ländern nach, warum man das amerikanische
teuersystem nicht längst übernommen hat, wo es doch
o toll sein soll.

Es ist wie bei vielen Ihrer Anträge: Sie sehen ein Pro-
lem, das es unbestritten gibt. Dann aber nehmen Sie die
roße Keule und hoffen, umso mehr erwischen zu kön-
en, je größer die Keule ist. Leider erwischen Sie mit

11896 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Simone Violka
Ihrem Gesetzesvorschlag aber nicht nur die, die sich ge-
sellschaftlich daneben benehmen und überall für sich nur
das Beste herauspicken. In der Masse werden die getrof-
fen, die nicht aus steuerlichen, sondern aus ganz anderen
Gründen ihren Wohnsitz verlegen. Die werden sich
freuen, wenn sie sich dann statt mit einer mit zwei Steu-
erbehörden befassen müssen.

Wenn es sich dann vielleicht auch noch um eine
Patchworkfamilie handelt, in der Erwachsene und Kin-
der unterschiedliche Staatsbürgerschaften haben, stelle
ich mir die Steuererhebung enorm einfach vor. Das ist
dann einmal ein richtig toller Vorschlag zur Steuerver-
einfachung und zur Entlastung der Bürgerinnen und Bür-
ger. Glauben Sie mir, die, die Sie treffen wollen, können
sich ein ganzes Heer von Steuerberatern und Anwälten
leisten. Die stört es mit Sicherheit nicht. Wo bleibt denn
in dieser Frage Ihr angeblich so großes Herz für den klei-
nen Mann und die kleine Frau? Diese machen dann die
Steuererklärung im Ausland am Küchentisch alleine,
weil sie sich den Steuerberater nicht leisten können.

Interessant ist es auch, einmal genau hinzuschauen,
wie erfolgreich der amerikanische IRS in dieser Frage
wirklich ist. Denn in einem gleichen sich die Menschen,
egal aus welchem Land sie stammen: Ein Gesetz hält
niemanden davon ab, etwas Illegales zu tun, wenn er es
nur will. Viel wichtiger ist es, diese Verfehlungen rigoros
zu verfolgen und zu ahnden, damit die Ehrlichen eben
nicht die Dummen sind und sich auch nicht so fühlen.
Dabei ist aber die ganze Gesellschaft gefragt, und dazu
brauchen wir eine offene moralische Debatte.

Hier muss die Frage schon erlaubt sein, ob es vertret-
bar ist, jemanden medial zu hofieren, obwohl er aus rein
steuerlichen Gründen Deutschland den Rücken kehrt.
Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, und sie darf
auch zu keinem werden. Nicht derjenige ist der Held, der
es schafft, den Staat zu hintergehen, sondern diejenigen
sind die Helden, die mit ihrem Beitrag diesen Staat tra-
gen. Das kann nicht genug betont werden.

Sie hatten im Ausschuss die Möglichkeit, für Ihren
Antrag zu werben und Argumente zu bringen, die eine
Zustimmung möglich gemacht hätten. Das ist Ihnen aus
vielen Gründen und vor allem wegen der stichhaltigen
Gegenargumente nicht gelungen. Deshalb werden wir
diesen Antrag wie auch schon im Ausschuss mit breiter
Mehrheit ablehnen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611521600

Jetzt spricht für die FDP-Fraktion der Kollege Frank

Schäffler.


(Beifall bei der FDP)



Frank Schäffler (FDP):
Rede ID: ID1611521700

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wir müssen uns heute mit einem Antrag der
Fraktion Die Linke beschäftigen, der das Welteinkom-
men eines deutschen Staatsbürgers unabhängig von sei-
nem Wohnsitz unbeschränkt steuerpflichtig machen will.

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(C (D abei wird im Antrag darüber geklagt, dass insbesonere vermögende Bürger den Wechsel ins Ausland wähen. Das ist aber nicht nur ein Phänomen bei vermögenden ürgern. m letzten Jahr haben allein 155 000 meist junge Menchen dieses Land verlassen. (Zuruf von der LINKEN: Warum? Weil sie keine Arbeit finden!)


(Zuruf von der LINKEN: Jawohl!)


(Zuruf von der LINKEN: So ist es!)


(Zuruf von der LINKEN: Doch!)


ernsehsendungen über Auswanderungen erzielen die
esten Einschaltquoten. Das ist ein Alarmsignal für die-
es Land.


(Beifall bei der FDP)


ffenkundig ist Deutschland kein attraktiver Standort
ehr für junge Menschen. Sie lassen sich nicht einsper-

en, sondern nutzen die Reisefreiheit, die ihnen eine glo-
alisierte Welt ermöglicht. Der fürsorgende Sozialstaat
at eben doch nicht die Ausstrahlkraft, die gerade die
inken propagieren.

Aber die Große Koalition lässt dies billigend zu, an-
tatt auf Ludwig Erhard, den parteilosen liberalen Wirt-
chaftsminister der Nachkriegszeit, zu hören, der gesagt
at:

Ich will mich aus eigener Kraft bewähren, ich will
das Risiko des Lebens selbst tragen, will für mein
Schicksal selbst verantwortlich sein. Sorge Du,
Staat, dafür, dass ich dazu in der Lage bin.


(Beifall bei der FDP)


Es ist die vergessene Mitte, die in Deutschland ge-
chröpft wird. Diese Gruppe ist das Herzstück der Ge-
ellschaft. Das sind diejenigen Menschen, die morgens
m halb acht zur Arbeit gehen und abends wieder nach
ause kommen. Diese vergessene Mitte wird gerade von
er Großen Koalition alleingelassen.


(Beifall bei der FDP)


Eine Alleinverdienerfamilie mit drei Kindern und ei-
em Einkommen von 40 000 Euro hat im Jahre 2008 ge-
enüber der Regierungszeit Schröder durch zusätzliche
teuern und Abgaben eine Mehrbelastung von über
500 Euro im Jahr.


(Zuruf von der FDP: Das ist Diebstahl!)


as ist die Bilanz Ihrer bisherigen Regierungsarbeit.


(Beifall bei der FDP)


Die Fleißigen sind in diesem Land die Dummen. Sie
eden von Mitarbeiterbeteiligung in Unternehmen und
ergreifen sich am hart verdienten Geld anderer Leute.
as ist die Verantwortung, die Sie von der Regierung zu

ragen haben. Sie befördern die soziale Staatswirtschaft
nd behindern die soziale Marktwirtschaft. Geben Sie

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11897


(A) )



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Frank Schäffler
den Bürgern durch eine umfassende Steuerreform für
alle Bürger in diesem Land endlich ihr Geld zurück!


(Beifall bei der FDP)


Dann können Sie auch gleich das Steuerrecht verein-
fachen. Gestern hat der Normenkontrollrat seine Halb-
zeitbilanz vorgelegt. Konkret machen Sie beim Bürokra-
tieabbau zu wenig. Allein im letzten Jahr haben Sie das
Einkommensteuerrecht 13-mal geändert. Faktisch gab es
jeden Monat ein neues Einkommensteuergesetz. Das
macht deutlich, dass wir ein neues Steuerrecht brauchen.
Die Frühaufsteher in diesem Land müssen gefördert
werden.


(Beifall bei der FDP)


Sie machen genau das Gegenteil: Erst atomisieren Sie
den Sparerfreibetrag, und dann besteuern Sie auch noch
die Kursgewinne. Die Folge ist: Wer in Deutschland
spart, ist der Dumme. Das ist eine zutiefst unsoziale Po-
litik.

Wir brauchen in diesem Land mehr Freiheit und we-
niger Staat. Dann bleiben die Menschen auch wieder im
Land. Dann kommen die Leistungsträger wieder zurück.
Dann verhallen die Kassandrarufe der Linken in diesem
Parlament.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611521800

Jetzt hat Manfred Kolbe das Wort für die CDU-Frak-

tion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Manfred Kolbe (CDU):
Rede ID: ID1611521900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Mit dem heute diskutierten Antrag der Frak-
tion der Linken Steuerflucht wirksam bekämpfen erleben
wir ein Stück verkehrte Welt. Die Linke fordert auch für
die Bundesrepublik Deutschland die Einführung des un-
beschränkt geltenden Welteinkommensprinzips und be-
ruft sich dabei – man höre und staune – vor allem auf die
USA. Ich zitiere:

Diese vorgeschlagene Regelung ist in den USA
gängige Praxis und kann und sollte daher auch in
der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt wer-
den.

Das sind wahrlich neue Töne, Herr Gysi. Bisher haben
Sie immer gesagt: „Von der Sowjetunion lernen heißt
siegen lernen“. Jetzt sind die USA an der Reihe.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zunächst einmal möchte ich für meine Fraktion klar-
stellen: Was die Freundschaft zu den Vereinigten Staaten
betrifft, lassen wir uns nicht von Ihnen überholen.


(Heiterkeit bei der FDP)


Die Bundesrepublik Deutschland verdankt den Vereinig-
ten Staaten sehr viel. Ohne die USA hätte das freie Eu-
ropa nicht der Sowjetunion trotzen können, und ohne die

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(C (D SA würden wir heute nicht in einem frei gewählten geamtdeutschen Parlament in Berlin sitzen. enn diese Erkenntnis sich auch bei Ihnen langsam urchsetzt, dann wäre das ein guter Effekt dieser Deatte, meine Damen und Herren von den Linken. Dennoch reicht für uns allein der Hinweis, dass es in en USA gängige Praxis sei, nicht, um das unbeschränkt eltende Welteinkommensprinzip auch in der Bundesreublik Deutschland einzuführen; wir wägen vielmehr ro und Kontra ab. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass das Welteinommensprinzip in der gesamten Welt, außer in den Verinigten Staaten und in Liberia, nur eingeschränkt gilt. Danach sind diejenigen unbeschränkt einkommenteuerpflichtig, unabhängig von ihrer Staatsangehörigeit, die im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen ufenthalt haben. Dieser Personenkreis unterliegt dann llerdings mit seinem gesamten Welteinkommen der inändischen Steuerpflicht, weil seine Leistungsfähigkeit us diesem gesamten Welteinkommen stammt. Ich sage es noch einmal: Entsprechend diesem interational üblichen Wohnsitzoder Ansässigkeitsprinzip erden Einkünfte, beispielsweise aus nichtselbstständier Arbeit, auch nach dem allen deutschen Doppelbeteuerungsabkommen zugrunde liegenden OECD-Muserabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung llein im Ansässigkeitsstaat besteuert. Wenn wir diese Praxis ändern wollten, dann müssten ir über 100 Doppelbesteuerungsabkommen ändern, nd wir würden einen völligen Systemwechsel betreien. Der bürokratische Aufwand einer solchen Operaion wäre gigantisch. Die Bundesrepublik Deutschland üsste dann auch das Gegenseitigkeitsprinzip gelten lasen. Danach könnten sich natürlich auch Ausländer ihre n Deutschland gezahlte Einkommensteuer anrechnen assen. Was würde dies bedeuten? In der Bundesrepublik eutschland leben 3,8 Millionen EU-Ausländer. Diese ätten natürlich ein Recht auf eine Bescheinigung des eutschen Finanzamtes über die in Deutschland gezahlen Steuern, um sie in ihrem Heimatland anrechnen zu assen. Es kommen weitere 3 Millionen Nicht-EU-Ausänder dazu, für die dasselbe gälte. Es wäre eine gigantiche Arbeit für die deutschen Finanzämter. Der Ertrag wäre demgegenüber bescheiden. Rund ,5 Millionen Deutsche leben im Ausland, die meisten in nseren europäischen Nachbarländern mit annähernd leichem Steuerniveau, sodass der steuerliche Ertrag in er Tat relativ gering wäre. Die wenigen, die sich in teueroasen geflüchtet haben, erreicht man auch mit eier solchen Gesetzesänderung nicht. Das heißt jetzt nicht – das sage ich, um nicht missvertanden zu werden –, dass ich diese schonen möchte. uch wir in der CDU/CSU-Bundesfraktion ärgern uns ber manchen Spitzenverdiener, der sich in Deutschland ejubeln lässt, der in Deutschland über die Mattscheibe 11898 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 Manfred Kolbe flimmert, ohne die Lasten unseres Gemeinwesens mittragen zu wollen. Das ist für uns ein ständiges Ärgernis, aber dafür sind intelligente und praktikable Lösungen gefragt (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Die hätten Sie doch vorlegen können!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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und nicht solche, wie Sie sie vorschlagen.


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Was ist am Nichtstun intelligent?)


Meine Damen und Herren von der PDS, lassen Sie
mich ein Argument vortragen, was vielleicht auch Sie
überzeugt. Viele Entwicklungsländer haben eine
schlechte Infrastruktur und schlechte Arbeitsbedingun-
gen. Jemand aus Europa, der zum Beispiel in Afrika ar-
beitet, etwa ein Arzt, unterliegt dort oftmals einer niedri-
geren Besteuerung. Entwicklungsländer setzen dieses
Instrument der niedrigeren Besteuerung teilweise gezielt
ein, um Investoren und Fachkräfte zu gewinnen. Wollen
wir Entwicklungsländern dieses Instrumentarium neh-
men, indem wir das Welteinkommen abschöpfen? Ich
glaube, das ist nicht der richtige Weg.


(Zuruf von der FDP: Ein sehr richtiges Argument!)


– Danke.

Was also tun? Wir brauchen intelligente und unbüro-
kratische Lösungen, damit sich deutsche Spitzenverdie-
ner der Einkommensteuerpflicht nicht entziehen.

Erstens. Wir brauchen eine Steuerharmonisierung in
Europa. Wir in der Koalition haben damit begonnen. Die
europäische Zinsrichtlinie setzt eine Mindestbesteuerung
von Kapitaleinkünften durch. Die europäische konsoli-
dierte Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer
ist in Arbeit.

Zweitens. Wir müssen gegen Steueroasen vorgehen.
Für ein besonderes Ärgernis halte ich, dass es auch mit-
ten in Europa derartige Steueroasen gibt. Die Europäi-
sche Union ist gefordert, eine gleichmäßige Besteuerung
sicherzustellen.

Drittens. Wir brauchen daneben wettbewerbsfähige
Steuersätze in Deutschland. Auch auf diesem Gebiet hat
die Große Koalition einiges bewegt, meine Damen und
Herren von der FDP. Wir senken mit der Unternehmen-
steuerreform den nominalen Körperschaftsteuersatz
deutlich und vermindern damit auch das fiskalische Inte-
resse an Gewinnverlagerungen deutlich. Wir mindern
mit der Einführung der Abgeltungsteuer auf Kapitalein-
künfte auch das Interesse privater Anleger, ins Ausland
zu gehen.


(Frank Schäffler [FDP]: Und die Kleinen müssen es bezahlen!)


Lassen Sie mich abschließend sagen: Wir haben eini-
ges auf den Weg gebracht, um die Steuerflucht zu be-
kämpfen. Wir müssen aber noch viel tun. Ihr Weg ist der
falsche. Wir werden Ihren Antrag deshalb ablehnen.

Danke schön.

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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611522000

Jetzt hat der Kollege Gregor Gysi das Wort für die

raktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611522100

Der Tisch ist ein bisschen hoch; ich warte einmal, bis

r auf meine Länge reduziert ist.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611522200

Dafür gibt es an Ihrem Pult einen Knopf. Sie können

elbstbestimmt handeln. Jedem nach seinen Bedürfnis-
en!


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Selbstbedienung! – Simone Violka [SPD]: Männer und Technik! Das hat noch nie funktioniert!)



Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611522300

Das ist ja wunderbar; dann mache ich es selber.


(Zuruf von der CDU/CSU: Typisch, der Staat soll alles machen! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Fangen Sie nicht an, wie heute früh zu pöbeln. Ich
abe doch noch gar nichts gesagt.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611522400

Die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt hier sind, in-

eressieren sich sicherlich alle für die Steuerflucht. Da-
er sollten Sie ein bisschen zur Ruhe kommen, auch
enn es vor namentlichen Abstimmungen etwas schwie-

ig ist. Sie sollten es wenigstens versuchen.


Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611522500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

unächst nehme ich überrascht zur Kenntnis, dass Frau
iolka von der SPD mich nicht nur im Plenum, sondern
uch noch in den Ausschüssen zu sehen wünscht. Ich
erde darüber nachdenken.

Sie, Herr Kolbe, handeln nach einem berühmten
DR-Grundsatz: „Überholen ohne einzuholen“. Das
eht nun mit Sicherheit schief, wollte ich Ihnen nur sa-
en.


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611522600

Herr Kollege, Frau Violka möchte Ihnen eine Zwi-

chenfrage stellen. Wollen Sie sie zulassen?


Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611522700

Aber selbstverständlich, Frau Violka.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611522800

Bitte schön.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11899


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(B) )


Simone Violka (SPD):
Rede ID: ID1611522900

Mir ist es ein Bedürfnis, Sie zu fragen, ob Sie sich

noch daran erinnern können, dass Sie mir bei der ersten
Lesung angeboten haben, wir könnten dieses Thema im
Ausschuss erörtern. Deshalb habe ich mich darauf bezo-
gen.


Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611523000

Ich hatte Ihre Bemerkung verstanden. Aber Sie wis-

sen ja, welche Ausschussmitglieder wir haben, und die
wollten auch mit Ihnen darüber diskutieren. Aber wir
können auch gerne noch woandershin gehen und darüber
diskutieren; das macht mir gar nichts aus.


(Beifall bei der LINKEN)


Da alle zu einem anderen Thema gesprochen haben,
möchte ich zum eigentlichen Thema zurückkehren. Es
geht um die Frage, ob deutsche Staatsangehörige, die
sich in einem anderen Land aufhalten und ihre Staatsan-
gehörigkeit behalten wollen, auch in Deutschland steuer-
pflichtig sind, selbstverständlich unter Anrechnung der
Einkommenssteuer, die sie in dem anderen Land bezah-
len. Es geht uns nur um die Differenz.


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb wäre es auch kein Fall von Doppelbesteuerung.
Die Kleinigkeiten, die Sie bei hundert Abkommen än-
dern müssten, die jetzt ohnehin alle auf dem Prüfstand
stehen, können dies doch nicht ernsthaft verhindern.

Auch das Argument, dass es dann so viele Steuer-
flüchtlinge gebe, ist nicht zulässig. Ich bitte Sie, dann
müssten Sie ja den Diebstahl erlauben, weil so viel ge-
klaut wird.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn man das Recht ändert, kann man immer davon
ausgehen, dass sich eine Mehrheit daran hält. Ihr Argu-
ment, dass dies so bürokratisch sei, kann ich nun über-
haupt nicht nachvollziehen. Jede Steuer ist irgendwie bü-
rokratisch. Aber hier ginge es nur darum, den Kreis
derjenigen, die steuerpflichtig sind, zu erweitern. Das ist
nun das Unbürokratischste, was man sich im Steuerrecht
vorstellen kann.


(Beifall bei der LINKEN)


Ihr Argument, dass wir auch kleine Leute träfen, ist
albern. Für die kleinen Leute haben wir Freibeträge und
alles Mögliche vorgesehen. Nichts spricht dagegen. Ich
nenne Ihnen jetzt einmal den Fall, der für die Bürgerin-
nen und Bürger so ärgerlich ist, wobei es egal ist, ob ich
Schumi oder Beckenbauer nehme. Beckenbauer ist ein
großer Patriot, und er hat zum Beispiel bei der Fußball-
weltmeisterschaft viel geleistet. Er bekommt das Bun-
desverdienstkreuz, ist als Patriot aber nicht bereit, von
seinem Einkommen auch nur einen Euro Steuern in
Deutschland zu bezahlen.


(Beifall bei der LINKEN)


Bei bestimmten Veranstaltungen sagt er noch, er müsse
schnell wieder nach Österreich. Er will keinen Tag län-
ger in Deutschland sein, weil sonst womöglich eine

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(C (D teuerpflicht entstünde. Das haben wir bei Boris Becker a schon einmal erlebt. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Herr Gysi, seien Sie ruhig! Sie kriegen ja schon ein ganz rotes Gesicht! Wir müssen gleich den Notarzt rufen!)


Außerdem können wir differenzieren, Herr Kolbe.
ir üben schwere Kritik an den USA. Aber diese Rege-

ung im Steuerrecht finden wir vernünftig, und das sagen
ir auch. Was ist daran so verwerflich? Ich kann es nicht
achvollziehen.


(Beifall bei der LINKEN)


Nein, das ganze Problem ist, dass weder die FDP
och die Union möchte, dass solche reichen Leute hier
inen Euro Steuern zahlen, wenn sie woanders wohnen.
ber wir wollen, dass sie Steuern zahlen. Bei der FDP
nd der Union finde ich das noch verständlich. Aber
ass SPD und Grüne es auch nicht wollen, finde ich
iemlich unverständlich, wenn ich das einmal sagen
arf.


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Wo versteuert denn die PDS ihr Auslandsvermögen?)


Wir haben ja auch Pflichten gegenüber deutschen
taatsangehörigen; das haben Sie hier völlig vernachläs-
igt. Es geht nicht nur um die Frage, Frau Violka, dass
ie in ihrer Jugend Schulen und sonst etwas in Anspruch
enommen haben. Wenn einem solchen Menschen etwas
assiert, dann greift unsere Bundesregierung ein. Wenn
r entführt wird, zahlen wir Lösegeld. Das ist alles rich-
ig; denn wir sind auch für den Schutz des Lebens deut-
cher Staatsangehöriger verantwortlich, die im Ausland
ohnen. Aber wenn wir dafür verantwortlich sind und
enn wir unsere Pflichten erfüllen, dann ist es auch
icht so schlimm, wenn diese Menschen die Einkom-
ensteuerdifferenz hier bezahlen, gerade dann, wenn sie

ur umgezogen sind, um diese Differenz nicht bezahlen
u müssen.


(Beifall bei der LINKEN)


Um dieses Stück mehr Gerechtigkeit geht es. Ich ver-
tehe nicht, warum Sie nicht bereit sind, dieses Stück
ehr Gerechtigkeit herzustellen.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611523100

Christine Scheel spricht jetzt für Bündnis 90/Die Grü-

en.


Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611523200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

err Gysi, ich glaube, dass es kaum jemanden gibt, der
icht der Meinung ist, dass man Steuerflucht wirksam
ekämpfen muss. Es gibt aber Vorschläge, die dazu nicht
eeignet sind, und das gilt auch für Ihren Vorschlag.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


11900 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B)


Christine Scheel
Sie wollen – auf diesen Punkt werde ich jetzt einge-
hen – anstelle des Wohnsitzprinzips das Staatsangehö-
rigkeitsprinzip in das Steuerrecht einführen. Das klingt
im ersten Moment gar nicht so schlecht; es soll schließ-
lich – das suggeriert Ihre Rhetorik – der Bekämpfung der
Steuerflucht dienen, es wird nicht doppelt besteuert, das
Welteinkommen soll erfasst werden, und der Steuerbür-
ger soll unbeschränkt steuerpflichtig werden.

Praktisch gesehen würde das bedeuten, dass jemand,
der in Spanien arbeitet, zum Beispiel in der Touristik-
branche, seinen festen Wohnsitz in Spanien hat und
heute seine Steuern dort bezahlt, in Zukunft nach
Deutschland kommen müsste, um hier ein Finanzamt
aufzusuchen, sich noch einmal veranlagen zu lassen und
dementsprechend in Deutschland seine Steuern zu be-
zahlen. Wenn er das nicht machen würde, müsste er in
der Konsequenz – das ist das Verrückte an Ihrem Vor-
schlag – seinen Pass abgeben. Das bedeutet ganz kon-
kret, in Zukunft müssten nach dem Vorschlag der Links-
partei deutsche Staatsbürger, die mit einem deutschen
Pass im Ausland arbeiten und leben, ihren Pass abgeben,
wenn sie nicht ein Finanzamt in Deutschland aufsuchen.
Das ist absurd. Das ist ein Vorschlag, der in keiner Weise
mit unserer Realität zu vereinbaren ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611523300

Liebe Kollegin Scheel, möchten Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Gysi zulassen?


Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611523400

Ja.


Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611523500

Selbst für den Fall einer Steuerverkürzung, Frau Kol-

legin, hat niemand von uns gefordert, dass jemand sei-
nen deutschen Pass abgeben muss. Im Übrigen kann er
seine Steuererklärung aus Spanien einfach nach
Deutschland schicken, um sein Einkommen anzugeben
und die Höhe der Steuer ermitteln zu lassen. Das geht
per Post; dazu muss er nicht anreisen und das Finanzamt
aufsuchen. Ich weiß nicht, welche Vorstellungen Sie von
der globalisierten Welt haben.


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)



Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611523600

Herr Kollege Gysi, stellen Sie sich das einmal prak-

tisch vor: Wenn man das administrierbar machen wollte,
würde das bedeuten, dass die Finanzbeamten in alle Län-
der dieser Welt reisen müssten, um zu schauen, ob ir-
gendwo deutsche Staatsbürger leben, die dort ihre Steu-
ern bezahlen und in Deutschland kein Geld verdient
haben. Das ist doch absurd. Sie können das nicht admi-
nistrieren.

Deswegen ist dieser Vorschlag nicht nur finanztech-
nisch gesehen Quatsch, sondern leider auch in politischer
Hinsicht realitätsfremd. Denn im Rahmen des europäi-

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(C (D chen Binnenmarktes nutzen immer mehr Staatsbürger nd Staatsbürgerinnen mit unterschiedlichen Nationalitän die Möglichkeit der freien Berufsausübung und der iederlassungsfreiheit. Diese würden dann aus fiskali chen Überlegungen heraus mehr oder weniger gezwunen, ihre Staatsbürgerschaft infrage zu stellen. Das wollen ir nicht; wir meinen, dass das der falsche Weg ist. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch wir Grünen wollen natürlich erreichen, dass
teuerflucht bekämpft wird. Aber wir wollen im Gegen-
atz zu Ihnen eine andere Methode. Dazu haben wir ei-
en Antrag vorgelegt. Nach unserer Methode sollen nur
ie Menschen besteuert werden, die ihren Wohnsitz in
eutschland haben. Das würde nach der Anrechnungs-
ethode funktionieren. Man kann das auch – das klingt

ompliziert; deswegen führe ich es nicht aus – im Dop-
elbesteuerungsabkommen festlegen. Das wäre eine
öglichkeit, das Welteinkommensprinzip zu berück-

ichtigen, allerdings unter Heranziehung des Wohnsitzes
nd nicht der Nationalität. Ich will keine Staatsangehö-
igkeitsdebatte oder Passdebatte führen, sondern ich
öchte eine Debatte über eine bessere Steuermoral im
ahmen einer offenen Weltwirtschaft führen. Das ist un-

er Ansatz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611523700

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die

ussprache.

Ich bitte Sie, noch einen Moment auf Ihren Plätzen zu
erharren. Bevor wir nämlich mit der namentlichen Ab-
timmung beginnen, komme ich noch einmal zurück auf
ie Tagesordnungspunkte 33 h und 33 k. Es handelt sich
m die Abstimmung über zwei Beschlussempfehlungen
es Petitionsausschusses zu Sammelübersichten, über
ie heute Mittag versehentlich nicht abgestimmt wurde.
ies holen wir jetzt nach.

Tagesordnungspunkt 33 h:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 265 zu Petitionen

– Drucksache 16/6351 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
ungen? – Damit ist die Sammelübersicht 265 einstim-

ig angenommen.

Tagesordnungspunkt 33 k:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 268 zu Petitionen

– Drucksache 16/6354 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
ungen? – Die Sammelübersicht ist mit den Stimmen der
)

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11901


(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenom-
men.

Wir kommen jetzt zur Beschlussempfehlung des Fi-
nanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke
mit dem Titel Steuerflucht wirksam bekämpfen. Der
Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 16/5673, den Antrag der Fraktion Die Linke
auf Drucksache 16/2524 abzulehnen. Die Fraktion Die
Linke verlangt hierzu namentliche Abstimmung. Ich
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, jetzt ihre
Plätze einzunehmen. – Sind alle Urnen besetzt? – Das
scheint der Fall zu sein.

Ich eröffne die Abstimmung.

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Dann schließe ich jetzt
die Abstimmung.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit
der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der na-
mentlichen Abstimmung wird Ihnen, wie gewöhnlich,
später bekanntgegeben.1)

Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 10 a bis 10 c
auf:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Jahressteuergesetzes
2008 (JStG 2008)


– Drucksache 16/6290 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO

b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKE

Entfernungspauschale vollständig anerken-
nen – Verfassungsmäßigkeit und Steuerge-
rechtigkeit herstellen

– Drucksache 16/6374 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Werner
Dreibus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Heimliche Steuererhöhungen vermeiden – In-
flation im Steuerrecht berücksichtigen

– Drucksache 16/6037 –

Für die Aussprache ist eine halbe Stunde vorgesehen.
Sind Sie damit einverstanden? – Dann ist das so be-
schlossen.

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b1) Ergebnis Seite 11903

(C (D Ich eröffne die Aussprache. Es gibt in den hinteren Reihen noch sehr viel Komunikationsbedarf. Möglicherweise können Sie außer alb des Plenarsaals viel besser miteinander reden. So rhielte auch die Kollegin, die die Aussprache eröffnet, ie Chance, nicht nur im Fernsehen, sondern auch im lenarsaal gehört zu werden. Jetzt gebe ich das Wort der Kollegin Gabriele Frechen ür die SPD-Fraktion. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ollegen! Wir beraten heute in erster Lesung den Enturf des Jahressteuergesetzes 2008. Mit dem Abschluss nfang November geben wir den Steuerpflichtigen die öglichkeit, sich, wie gewünscht, frühzeitig auf das Ge etz einzustellen. Wie üblich handelt es sich um ein soenanntes Omnibusgesetz, das die notwendigen Ändeungen in 26 Gesetzen und Verordnungen enthält. Es eht uns um den Abbau überflüssiger Bürokratie, (Frank Schäffler [FDP]: Das wäre aber das erste Gesetz, das Bürokratie abbaut!)


(Unruhe)

Gabriele Frechen (SPD):
Rede ID: ID1611523800

m die Schaffung von mehr Steuergerechtigkeit – auch
urch die Bekämpfung von Missbrauch – und schließ-
ich um die Erleichterung im Lohnsteuerverfahren. Ich
erde auf fünf Punkte näher eingehen, nämlich erstens

uf die Einführung von elektronischen Verfahren der Da-
enermittlung und -übermittlung, zweitens auf die Miss-
rauchseindämmung durch eine Neufassung des § 42 AO,


(Frank Schäffler [FDP]: Der ist eine Katastrophe!)


rittens auf die Einführung des Anteilsverfahrens für be-
ufstätige Ehegatten, viertens auf die Ablösung des un-
ersteuerten Eigenkapitals EK 02 und fünftens auf die
npassung der Umsatzsteuerbefreiung der Leistungen
er Kinder- und Jugendhilfe.

Die Sonne scheint so schön herein, dass ich einen
latz an der Sonne habe. Ist Ihnen das schon aufgefal-

en? Das ist bestimmt ein gutes Zeichen für das Gesetz.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Frank Schäffler [FDP]: Der Heiligenschein!)


Daran wage ich zu zweifeln.

Erstens. Dort, wo durch den Einsatz der neuen Me-
ien Bürokratieaufwand vermieden werden kann, sollten
ir das auch nutzen. Das elektronische Verfahren zur
bermittlung der Lohnsteuerdaten wird überflüssig ge-
ordene Arbeit bei Arbeitnehmern, Arbeitgebern und
en Finanzbehörden sparen und Verfahrenskosten sen-
en. Vergleichbare Systeme gibt es erfolgreich bereits in
inigen Nachbarländern, beispielsweise in den Nieder-
anden und in Dänemark. Deshalb sollte dieser Punkt un-
trittig sein. Die Einwände, die sich auf den Datenschutz
eziehen, nehmen wir natürlich sehr ernst. Aber ich bin

11902 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Gabriele Frechen
mir sicher, dass wir diese im Verfahren ausräumen kön-
nen.


(Frank Schäffler [FDP]: Da bin ich mal gespannt!)


Zweitens. Die Vermeidung unerwünschter Steuerge-
staltung und Steuerumgehung, das Schließen von Steuer-
schlupflöchern und die Verhinderung von Missbrauch
sind für mich wesentliche Beiträge zur Schaffung von
Steuergerechtigkeit. Nur wenn die Menschen wissen,
dass alle Steuerpflichtigen gleichmäßig und nach Maß-
gabe ihrer Leistungsfähigkeit besteuert werden, können
wir zwischen Steuerbürgern und Staat Vertrauen erwar-
ten.

Die Koalition befindet sich diesbezüglich zwar auf ei-
nem guten Weg, aber jedes neue Modell zur Steueropti-
mierung erzeugt, wenn es als Missbrauch angesehen
wird, eine Reaktion des Gesetzgebers. Das komplizierte
Steuerrecht wird dadurch natürlich nicht einfacher, und
ausgerechnet diejenigen, die die Kompliziertheit immer
wieder beklagen, müssen sich in diesem Zusammenhang
die immerwährende Henne-oder-Ei-Frage stellen.

Die Möglichkeiten des materiellen Steuerrechts,
Missbrauch zu verhindern, sind endlich. Deshalb gab
und gibt es den § 42 Abgabenordnung. Mit der Ände-
rung werden wir gesetzlich verankern, dass eine Gestal-
tung nur dann zulässig ist, wenn es beachtliche außer-
steuerliche Gründe gibt. Das alte Motto „Ein Geschäft
wird erst dann ein Geschäft, wenn man gegenüber dem
Finanzamt nachweist, dass es keines war“, soll seine
Gültigkeit verlieren, und das zu Recht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Gestern erzählte uns ein ziemlich liberaler Kollege,
dass es zum Wesen des Innovationsstandorts Deutsch-
land gehören müsse, Missbrauch im Steuerrecht zuzulas-
sen. Diese Kreativität sei ein Spiegel der Innovationsfä-
higkeit unseres Landes. Unter „Kreativität“ und
„Innovationsfähigkeit“ verstehe ich etwas anderes.


(Frank Schäffler [FDP]: Da lässt sich das Finanzministerium von niemandem übertreffen!)


Nun mag es ja sein, dass meine Definition nicht die al-
lein seligmachende ist, die des Kollegen ist es aber ga-
rantiert nicht.


(Beifall bei der SPD)


Drittens möchte ich auf die Einführung des Anteils-
verfahrens beim Lohnsteuerabzug für berufstätige Ehe-
gatten eingehen. Bisher können sie zwischen den
Lohnsteuerklassenkombinationen IV/IV und III/V wäh-
len. Bei der Kombination IV/IV werden beide Ehegatten
unabhängig voneinander nach ihrem jeweiligen Einkom-
men besteuert. Bei der Lohnsteuerklassenkombina-
tion III/V wird der Ehegatte mit Steuerklasse V – zu
90 Prozent handelt es sich um Frauen – im Verhältnis
zum Einkommen unterjährig deutlich zu hoch besteuert.
Die Steuerklasse V wird deshalb häufig als diskriminie-
rend empfunden und als negativer Arbeitsanreiz angese-
hen.

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(C (D Deshalb ist in diesem Gesetzentwurf die Einführung es Anteilsverfahrens vorgesehen. Dabei wird die moatlich zu zahlende Lohnsteuer im Verhältnis zum Geamteinkommen der Ehegatten errechnet. Zentrales Eleent des Anteilsverfahrens ist, dass von vornherein eine öglichst präzise Aufteilung der Steuerlast erreicht ird. Voraussetzung dafür ist – das ist gleichzeitig das roblem –, ass der Arbeitgeber des einen Ehegatten das Einkomen des anderen Ehegatten mitgeteilt bekommen muss. eshalb wird diese Möglichkeit optional angeboten, das eißt, die Nutzung ist freiwillig. Die Diskussion über iesen Punkt wird, da bin ich mir völlig sicher, in der arlamentarischen Beratung breiten Raum einnehmen. as gilt auch für die Modelle zur Weiterentwicklung, bschaffung bzw. Umwandlung der Splittingtabelle und ur Abschaffung der Lohnsteuerklasse V. Der vierte Punkt betrifft die EK-02-Problematik. Das nversteuerte Eigenkapital der ehemals gemeinnützigen ohnungsbaugesellschaften aus der Zeit des Anrech ungsverfahrens soll künftig unabhängig von einer Auschüttung mit 3 Prozent besteuert werden. Das bedeutet owohl für die Unternehmen als auch für die Finanzbeörden eine deutliche Entbürokratisierung und Vereinfahung. Verschenkt wird dabei allerdings nichts; denn pätestens im Jahr 2019 würde die Nachbelastung so der so entfallen. Ich begrüße, dass kommunale, kirchliche und ähnlihe Wohnungsunternehmen aufgrund ihrer wichtigen ozialpolitischen Funktion von dieser Regelung ausgeommen werden. Ein ausreichendes Angebot an bezahlarem Wohnraum ist insbesondere für Menschen mit iedrigem und mittlerem Einkommen und für Familien ußerordentlich wichtig. Im Rahmen der parlamentarichen Beratungen werden auch diesbezüglich Änderunen vorgenommen werden. Das kann ich schon heute nkündigen. Fünftens und letztens möchte ich ausdrücklich auf eien Punkt des Gesetzes eingehen, der – klein, aber fein – ür mich eine wichtige Rolle spielt. Es handelt sich dabei m die Anpassung der Umsatzsteuerbefreiung der Leisungen der Kinderund Jugendhilfe an die sozialrechtlihe Entwicklung. Eine funktionierende Kinderund Juendhilfe ist unerlässliche aktive Gesellschaftspolitik. ie Familienpolitik der SPD, die wir auch in dieser Ko lition erfolgreich fortsetzen können, ist geprägt von em Gedanken, jedem Kind die gleichen Chancen einzuäumen. (Beifall bei der SPD – Frank Schäffler [FDP]: Die gleich schlechten!)


(Frank Schäffler [FDP]: Der Datenschutz!)


(Frank Schäffler [FDP]: Muss nicht!)


azu gehört auch die Hilfe für Kinder und Eltern, um sie
n Lebenskrisen zu unterstützen. Ich halte es für wichtig,
ass wir auf die veränderten Anforderungen und die ver-
nderten Trägerstrukturen reagieren und die Steuerbe-
reiung insoweit ausdehnen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11903


(A) )



(B) (D)


Gabriele Frechen
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 545;
davon

ja: 499
nein: 46
enthalten: 0

Ja

CDU/CSU

Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck


(Reutlingen)

Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Renate Blank
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen


(Bönstrup)


Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)

Dirk Fischer (Hamburg)


(Karlsruhe Land)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme

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r. Michael Fuchs
ans-Joachim Fuchtel
r. Jürgen Gehb
orbert Geis
berhard Gienger
alf Göbel

osef Göppel
eter Götz
r. Wolfgang Götzer
te Granold
einhard Grindel
ichael Grosse-Brömer
arkus Grübel
anfred Grund
onika Grütters
r. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
lav Gutting
olger Haibach
erda Hasselfeldt
da Carmen Freia Heller
ichael Hennrich

ürgen Herrmann
ernd Heynemann
rnst Hinsken
obert Hochbaum
laus Hofbauer
ranz-Josef Holzenkamp
oachim Hörster
nette Hübinger
ubert Hüppe
usanne Jaffke

Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung (Konstanz)

Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Bernhard Kaster

(Villingen Schwenningen)

Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Kristina Köhler (Wiesbaden)

Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Johann-Henrich

Krummacher
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl A. Lamers


(Heidelberg)

Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Noch einen Satz zum Antra
sungsmäßigkeit der Änderung
schale, der heute mitberaten w
Haltung zu dieser Änderung n
meine Bedenken habe ich auch
gemeldet. Sie können im Protok


(Frank Schäffler [FDP]: W stimmt? Mir aber zu unterstellen, ich hä Verfassung verstoßen, ist eine b (Beifall bei Abgeord Die Verfassungsrechtler der Bu despräsidenten und auch einige ter Professor Loritz von der Un diese Änderung als verfassung auch andere Meinungen gab, is (Frank Schäffler [FDP] jetzt?)


Letztendlich entscheiden jetzt
noch der Bundesfinanzhof darü
ist, sondern das Verfassungsger
Mutmaßungen sind hier überha


(Frank Schäffler [FDP]: Zusammenfassend stelle ich Entwurf des Jahressteuergese g der Linken zur Verfasbei der Entfernungspauird. Ich habe aus meiner ie einen Hehl gemacht; hier an dieser Stelle anoll nachgelesen werden. ie haben Sie abge)


tte wissentlich gegen die
odenlose Frechheit.

neten der SPD)

ndesregierung, des Bun-
Sachverständige, darun-
iversität Bayreuth, haben
sfest angesehen. Dass es
t völlig unstrittig.

: Was machen Sie

aber weder Sie noch ich
ber, was verfassungsfest

icht. Unterstellungen und
upt nicht angebracht.

Was passiert jetzt?)

fest, dass wir mit dem
tzes der Forderung, ein

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ahressteuergesetz zeitig zu erl
ahrens- und Arbeitsabläufe erl
ungsfreien Zugang für Frauen
est steuerrechtlich herstellen –
ert, muss in den Köpfen pas

ämpfung von Steuerschlupflö
ehen. Man muss jedem Hinde
eit und eine sanfte Stimme en
homas Jefferson. Ich hoffe, d
em Sinne freue ich mich auf k
useinandersetzungen im Auss

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowi der CDU/C Vizepräsidentin Katrin Gö Ich komme jetzt zurück zum m Ihnen das von den Schriftfü ern ermittelte Ergebnis der na ber die Beschlussempfehlung em Antrag der Abgeordneten D öll, Dr. Gesine Lötzsch und w raktion Die Linke bekanntzug en 549 oder 545. – Jetzt ist H erden das noch klären. – 545 it Ja haben gestimmt 499, mit s gab keine Enthaltungen. Die amit angenommen. (Cassen, nachkommen, Vereichtern, den diskriminie zur Arbeitswelt zumin der Rest, darauf lege ich sieren – und bei der Bechern beharrlich weiterrnis Geduld, Beharrlichtgegenstellen. Das sagte ie habe auch ich. In dieollegiale und spannende chuss. e bei Abgeordneten SU)


ring-Eckardt:
Tagesordnungspunkt 9,

hrerinnen und Schriftfüh-
mentlichen Abstimmung
des Finanzausschusses zu
r. Gregor Gysi, Dr. Barbara
eiterer Abgeordneter der
eben: abgegebene Stim-

err Fuchtel nicht hier. Wir
. Wir sind uns jetzt einig.
Nein haben gestimmt 46.
Beschlussempfehlung ist

11904 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Ingbert Liebing
Eduard Lintner
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Stephan Mayer (Altötting)

Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Laurenz Meyer (Hamm)

Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Hildegard Müller
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Bernward Müller (Gera)

Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)

Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht (Weiden)

Peter Rzepka
Anita Schäfer (Saalstadt)

Hermann-Josef Scharf
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)

Andreas Schmidt (Mülheim)

Ingo Schmitt (Berlin)

Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn

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hristian Freiherr von Stetten
ero Storjohann
ndreas Storm
homas Strobl (Heilbronn)

ichael Stübgen
ans Peter Thul
r. Hans-Peter Uhl
rnold Vaatz
olkmar Uwe Vogel
ndrea Astrid Voßhoff
erhard Wächter
arco Wanderwitz
ai Wegner
arcus Weinberg

eter Weiß (Emmendingen)

erald Weiß (Groß-Gerau)

go Wellenreuther
nnette Widmann-Mauz
laus-Peter Willsch
illy Wimmer (Neuss)


lisabeth Winkelmeier-
Becker
agmar Wöhrl
olfgang Zöller
illi Zylajew

PD

r. Lale Akgün
regor Amann
erd Andres
iels Annen
grid Arndt-Brauer
ainer Arnold
rnst Bahr (Neuruppin)

oris Barnett
r. Hans-Peter Bartels
laus Barthel
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irk Becker
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laus Uwe Benneter
r. Axel Berg
te Berg
othar Binding (Heidelberg)

olker Blumentritt
urt Bodewig
lemens Bollen
erd Bollmann
r. Gerhard Botz
laus Brandner
illi Brase
ernhard Brinkmann

(Hildesheim)


delgard Bulmahn
arco Bülow
r. Michael Bürsch
hristian Carstensen
arion Caspers-Merk
r. Peter Danckert
r. Herta Däubler-Gmelin
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artin Dörmann
r. Carl-Christian Dressel
lvira Drobinski-Weiß
arrelt Duin
etlef Dzembritzki
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iegmund Ehrmann

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etra Ernstberger
arin Evers-Meyer
nnette Faße
lke Ferner
abriele Fograscher
ainer Fornahl
abriele Frechen
agmar Freitag
eter Friedrich
artin Gerster

ris Gleicke
ünter Gloser
enate Gradistanac
ngelika Graf (Rosenheim)

ieter Grasedieck
onika Griefahn
abriele Groneberg
chim Großmann
olfgang Grotthaus
olfgang Gunkel
ans-Joachim Hacker
ettina Hagedorn
laus Hagemann
lfred Hartenbach
ichael Hartmann

(Wackernheim)

ina Hauer
ubertus Heil
einhold Hemker
olf Hempelmann
r. Barbara Hendricks
ustav Herzog
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abriele Hiller-Ohm
tephan Hilsberg
etra Hinz (Essen)

erd Höfer

ris Hoffmann (Wismar)

rank Hofmann (Volkach)

ike Hovermann
laas Hübner
hristel Humme
othar Ibrügger
runhilde Irber

ohannes Jung (Karlsruhe)

osip Juratovic
ohannes Kahrs
lrich Kasparick
r. h. c. Susanne Kastner
lrich Kelber
hristian Kleiminger
strid Klug
r. Bärbel Kofler
alter Kolbow

ritz Rudolf Körper
arin Kortmann
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nette Kramme
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r. Hans-Ulrich Krüger
ngelika Krüger-Leißner

ürgen Kucharczyk
elga Kühn-Mengel
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r. Uwe Küster
hristine Lambrecht
hristian Lange (Backnang)


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(C (D r. Karl Lauterbach elga Lopez abriele Lösekrug-Möller irk Manzewski othar Mark aren Marks atja Mast ilde Mattheis arkus Meckel etra Merkel lrike Merten r. Matthias Miersch rsula Mogg arko Mühlstein etlef Müller ichael Müller esine Multhaupt ranz Müntefering r. Rolf Mützenich ndrea Nahles homas Oppermann olger Ortel ohannes Pflug oachim Poß hristoph Pries r. Wilhelm Priesmeier lorian Pronold r. Sascha Raabe teffen Reiche aik Reichel erold Reichenbach r. Carola Reimann hristel RiemannHanewinckel alter Riester önke Rix ené Röspel r. Ernst Dieter Rossmann arin Roth ichael Roth rtwin Runde arlene Rupprecht nton Schaaf xel Schäfer ernd Scheelen r. Hermann Scheer arianne Schieder tto Schily r. Frank Schmidt ilvia Schmidt einz Schmitt arsten Schneider laf Scholz ttmar Schreiner einhard Schultz wen Schulz wald Schurer rank Schwabe r. Angelica Schwall-Düren r. Martin Schwanholz olf Schwanitz ita Schwarzelühr-Sutter olfgang Spanier r. Margrit Spielmann örg-Otto Spiller ieter Steinecke Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11905 Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg Waltraud Wolff Heidi Wright Uta Zapf Manfred Zöllmer FDP Jens Ackermann Dr. Karl Addicks Christian Ahrendt Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Horst Friedrich Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann D H D C G J F D M D D D C F C D D D H M B D M V B Nun gebe ich das Wort d Wissing für die FDP-Fraktion. (Beifall bei d Frau Präsidentin! Liebe Ko Der Staatssekretär im Bundesm Axel Nawrath erklärte am 9. Au Zeitung, das Jahressteuergeset sammler. Meine Damen und H ich finde es schon bemerkensw sitzen, dem Deutschen Bunde gen, das Sie selbst als Lum Aber nun gut, auch Lumpen w irk Niebel ans-Joachim Otto etlef Parr ornelia Pieper isela Piltz örg Rohde rank Schäffler r. Konrad Schily arina Schuster r. Hermann Otto Solms r. Max Stadler r. Rainer Stinner arl-Ludwig Thiele lorian Toncar hristoph Waitz r. Guido Westerwelle r. Claudia Winterstein r. Volker Wissing artfrid Wolff artin Zeil ÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN arieluise Beck olker Beck irgitt Bender M A N J K W O B C K E C I D R S H D J W J N D H D em Kollegen Dr. Volker er FDP)


(Tuchenbach)


(Everswinkel)


(A) )


(B) )


(Wiesloch) Patrick Meinhardt


(Wolmirstedt)

Dr. Volker Wissing (FDP):
Rede ID: ID1611523900

(Frankfurt)

lleginnen und Kollegen!
inisterium der Finanzen
gust in der Süddeutschen

z 2008 sei ein Lumpen-
erren von der Regierung,
ert, dass Sie die Stirn be-
stag ein Gesetz vorzule-
pensammler bezeichnen.
ollen eingesammelt wer-

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onika Lazar
nna Lührmann
icole Maisch

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erstin Müller (Köln)

infried Nachtwei
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laudia Roth (Augsburg)

rista Sager
lisabeth Scharfenberg
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r. Gerhard Schick
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r. Harald Terpe

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IE LINKE

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r. Dietmar Bartsch

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en. Wir haben offensichtlich
esammelten Lumpen hier zu b


(Reinhard Schultz [Evers sammeln die ein, und be Es ist so einiges zusammeng uf einen Streich 200 Steuerre pricht eine deutliche Sprache. ährlich an so vielen Stellen ge icht praktikabel sein. (Frank Schäffler [FDP]: Wir sehen an diesem Geset ie Große Koalition ist keine R (Beifall bei d (D r. Hakki Keskin atja Kipping onika Knoche an Korte atrin Kunert skar Lafontaine ichael Leutert lla Lötzer r. Gesine Lötzsch orothée Menzner ornelia Möller ersten Naumann olfgang Nešković etra Pau odo Ramelow lke Reinke aul Schäfer olker Schneider r. Herbert Schui r. Ilja Seifert r. Petra Sitte rank Spieth r. Kirsten Tackmann r. Axel Troost lexander Ulrich das Vergnügen, über Ihre eraten. winkel] [SPD]: Wir i euch reden sie!)


(Saarbrücken)


ekommen. Sie legen uns
chtsänderungen vor. Das
Ein Steuerrecht, das all-
flickt werden muss, kann

13-mal in 2006!)

zentwurf wieder einmal:
eformregierung.

er FDP)
Dr. Rainer Wend Burkhardt Müller-Sönksen
Undine Kurth (Quedlinburg) Dr. Lukrezia Jochimsen
Andreas Steppuhn
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen

Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)

Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-

Schnarrenberger
Michael Link (Heilbronn)

Markus Löning
Horst Meierhofer

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(Crietje Bettin lexander Bonde r. Thea Dückert ans-Josef Fell ai Gehring atrin Göring-Eckardt nja Hajduk ritta Haßelmann ettina Herlitzius infried Hermann riska Hinz lrike Höfken r. Anton Hofreiter ärbel Höhn hilo Hoppe te Koczy ylvia Kotting-Uhl enate Künast arkus Kurth Karin Binder Dr. Lothar Bisky Heidrun Bluhm Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Wolfgang Gehrcke Diana Golze Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Lutz Heilmann Cornelia Hirsch Inge Höger Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke 11906 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 Dr. Volker Wissing Sie fungieren als eine Art institutionelle Reparaturwerkstatt des deutschen Steuerrechts. Anstatt sich endlich einmal anzustrengen, ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem in Deutschland zu schaffen, beschränken Sie sich immer wieder auf steuerpolitisches Flickwerk. Frau Kollegin Frechen, ich möchte überhaupt kein Missverständnis aufkommen lassen: Nicht alles, was hier vorgeschlagen wird, ist schlecht, nicht alles ist falsch. (Joachim Poß [SPD]: Herr Wissing hat den steuerpolitischen Zauberstab gefunden!)


(A) )


(B) )


An einigen Stellen legen Sie durchaus Vereinfachungen
auf den Tisch. Das erkennen wir ausdrücklich an.


(Gabriele Frechen [SPD]: Danke!)


Wenn Sie aber einmal genau hinschauen, erkennen
Sie ganz schnell das Problem: Ihre Vereinfachungen hel-
fen vor allen Dingen der Verwaltung; für die Bürgerin-
nen und Bürger bieten Sie reichlich wenig.


(Beifall bei der FDP)


Die Bürgerinnen und Bürger sind in den Augen der
Großen Koalition offenbar vor allem potenzielle Steuer-
hinterzieher. Ein Generalverdacht gegen jeden Steuer-
zahler in diesem Land zieht sich wie ein roter Faden
durch diesen Gesetzentwurf.


(Joachim Poß [SPD]: Das stimmt nicht! Nur gegen FDP-Wähler!)


Nehmen wir die Steueridentifikationsnummer. Ich
frage Sie: Welchen konkreten Nutzen sollen die Bürge-
rinnen und Bürger davon haben? Sie gehen hier gezielt
den Weg zum allwissenden Staat und greifen – Schritt
für Schritt – immer tiefer in die Privatsphäre der Men-
schen ein.


(Beifall bei der FDP)


Die Verwaltung hat es dadurch leichter; aber die Bürger
laufen Gefahr – ich zitiere den Bundesbeauftragten für
den Datenschutz –, dass der Staat die Informationen
schon bald für nichtsteuerliche Zwecke missbraucht und
auch andere Behörden auf die Daten zugreifen.

Nach der gläsernen Wohnung haben Sie das gläserne
Bankkonto geschaffen. Sie wollen den gläsernen Com-
puter.


(Gabriele Frechen [SPD]: Den gläsernen Abgeordneten auch!)


Jetzt fordern Sie den gläsernen Steuerbürger. All das
mag im Interesse Ihrer politischen Absichten liegen; es
liegt aber ganz sicher nicht im Interesse der Bürgerinnen
und Bürger dieses Landes.


(Beifall bei der FDP)


Das Gleiche gilt für die Neufassung des § 42 der Ab-
gabenordnung. Sie stellen mit dieser Regelung die Steu-
erzahler in Deutschland unter Generalverdacht.


(Zuruf von der FDP: Das ist eine Katastrophe!)


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(C (D ie unterstellen ohne Grund, dass jede ungewöhnliche teuergestaltung immer auch eine missbräuchliche ist. amit nicht genug: Sie wollen auch noch eine Beweis astumkehr zuungunsten der Steuerpflichtigen einführen. ünftig soll nicht mehr die Verwaltung nachweisen, dass issbrauch vorliegt; nein, der Bürger muss jetzt gegen ber der Verwaltung demütig belegen, dass er nicht unedlich handelt. as ist der klare Fall einer Politik nicht für, sondern geen die Menschen. Man kann jetzt die Frage stellen: Warum machen Sie o etwas? In diesem Zusammenhang ist es interessant, as die Bundesregierung – Staatssekretärin Hendricks eim Bundesminister der Finanzen – auf eine Anfrage er FDP antwortet: Der Bundesregierung liegen keine Informationen darüber vor, in wie vielen Fällen die Finanzgerichte bisher einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts festgestellt haben und auf welche Summe sich die Einnahmeverluste des Staates durch missbräuchliche Steuergestaltung belaufen. Das sind Ihre Erkenntnisse. Der Gesetzentwurf, den ie uns vorlegen, passt nicht dazu. Wir haben eine Reierung, die den Bürgern misstraut. Deswegen hat sie as Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger nicht verient. Ich sage Ihnen: Sie schicken die Menschen damit in ie totale Rechtsunsicherheit und freuen sich darüber, ass Ihr so starker Staat mit ihnen machen kann, was er ill. Das ist eine unfaire Politik. Sie weigern sich mit änden und Füßen, unser Steuerrecht im Interesse der enschen in Deutschland zu vereinfachen. Stattdessen ollen sich die Steuerpflichtigen künftig nur noch stanardisiert verhalten, damit die Verwaltung mit Ihrem omplizierten Steuerrecht besser zurande kommt. Noch einmal: Das ist keine Finanzpolitik für die Menchen; das ist Finanzpolitik gegen die Interessen der enschen. Wir lehnen diese Politik des Misstrauens entchieden ab. Den Datenschutz nehmen Sie auch an anderer Stelle icht ernst. Sie wollen das Anteilsverfahren bei Ehegaten einführen. Damit wollen Sie auch den Arbeitsanreiz ür Niedrigverdiener erhöhen. Das ist in der Sache nicht erkehrt; aber nach Ihrem Modell erfährt der Arbeitgeer zwangsläufig die Höhe des Einkommens des Ehegaten. Sie begeben sich damit erneut auf verfassungsrechtich dünnes Eis. Sie haben aus der Geschichte mit der endlerpauschale nichts, aber auch gar nichts gelernt. hre Politik orientiert sich nicht an den Bedürfnissen der enschen in diesem Land. Sie denken nur noch von der erwaltung aus; das ist inzwischen das Markenzeichen ieser Koalition. Dieser Gesetzentwurf muss grundlegend überarbeitet erden. Die Bürger haben keine gesammelten Lumpen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11907 Dr. Volker Wissing verdient. Was Deutschland braucht, ist ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem. Der Kollege Olav Gutting spricht jetzt für die CDU/ CSU-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Beim Jahressteuergesetz 2008 haben wir es mit einem sogenannten Omnibusgesetz zu tun. Während der überwiegende Teil lediglich Anpassungen und Änderungen enthält, gibt es einige Haltestellen dieses Omnibusses, bei denen wir etwas genauer hinschauen müssen. Hierzu zählt vor allem § 42 AO. Es ist gut, dass es bereits im Vorfeld der Beratungen gelungen ist, die geplanten Änderungen des § 42 Abgabenordnung so zu präzisieren, dass wir jetzt zumindest eine brauchbare Diskussionsgrundlage haben. (Frank Schäffler [FDP]: Reicht das denn Ihrer Meinung nach aus?)


(Frank Schäffler [FDP]: Unglaublich!)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)


(A) )


(B) )


(Beifall bei der FDP)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611524000

(Beifall bei der CDU/CSU)

Olav Gutting (CDU):
Rede ID: ID1611524100

Die Finanzverwaltung braucht eine schärfere Waffe
gegen die nicht enden wollenden missbräuchlichen Steu-
ergestaltungen.


(Beifall des Abg. Jörg-Otto Spiller [SPD] – Frank Schäffler [FDP]: Von denen die Bundesregierung nichts weiß!)


Aber ich sage ganz deutlich: Eine solche Regelung muss
verfassungsrechtlich einwandfrei sein, und sie muss un-
ter Berücksichtigung unserer rechtsstaatlichen Prinzi-
pien erfolgen.


(Frank Schäffler [FDP]: Ist das denn jetzt der Fall oder nicht?)


Eine völlige Beweislastumkehr zuungunsten des Steuer-
bürgers ist mit uns nicht zu machen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Frank Schäffler [FDP]: Ja, ja! Aber bald kommt der Bundestrojaner von Herrn Schäuble!)


Nichtsdestotrotz benötigen wir eine Art Generalklausel
gegen den Missbrauch von Steuergestaltungsmodellen.
Das wäre sozusagen der Schlussstein in unserem Kampf
gegen missbräuchliche Steuergestaltungen und damit für
mehr Steuergerechtigkeit.

Wir haben in den letzten Jahren viele Verlustzuwei-
sungsmodelle ausgetrocknet, und das zu Recht; ein
Großteil der jetzigen Steuermehreinnahmen ist auch da-
rauf zurückzuführen. Allerdings kann man es keinem
Steuerbürger verwehren, seine rechtlichen Verhältnisse
so zu gestalten, dass sich für ihn eine verhältnismäßig
geringe Steuerlast ergibt;


(Otto Fricke [FDP]: Ja! Zum Beispiel durch das Heiraten! – Frank Schäffler [FDP]: Wenn d m n E f D u M s g d l m S – d g g S v a d l W s c s l v e r A s O R k u S (C (D es nach Frau Pauli geht, ist das bald auch nur noch für sieben Jahre drin!)


as ist legitim und niemandem zu verdenken, wenn man
it berücksichtigt, dass man frühestens Anfang Juli ei-

es Jahres durch die eigene Arbeit den ersten ganzen
uro erwirtschaftet hat, der in das eigene Portemonnaie

ließt.

Uns geht es um die Ausschaltung von Missbrauch.
as Hase-und-Igel-Spiel zwischen der Steuerverwaltung
nd einigen wenigen Steuerbürgern ist wirklich leidig.
an kann das, wie ich meine, auch nicht mehr sportlich

ehen. Wenn wir das zukünftig vermeiden und für eine
leichmäßigere und dadurch gerechtere Besteuerung in
iesem Land sorgen wollen, dann brauchen wir vor al-
em drei Dinge:

Wir brauchen eine erträgliche Steuerlast, die dazu
otiviert, Steuern hier zu zahlen.

Wir brauchen ein einfacheres und damit gerechteres
teuerrecht.


(Frank Schäffler [FDP]: Und niedrigere Steuern!)


Das war Punkt eins. Sie haben nicht zugehört.

Wir brauchen eine Anpassung von § 42 AO. Aller-
ings – ich sage es noch einmal – stellt die jetzt vorlie-
ende Änderung bereits eine brauchbare Diskussions-
rundlage dar.


(Beifall bei der CDU/CSU – Frank Schäffler [FDP]: Nein! Nicht einmal das!)


Wir wollen vor allem die Ursachen und nicht die
ymptome bekämpfen. Wenn man sich die Vorschläge
on Gunnar Uldall, Friedrich Merz und Paul Kirchhof
nsieht,


(Frank Schäffler [FDP]: Sind die denn auch alle Mitglied in der Union?)


ann kann man nur sagen: Sie dürfen nicht in den Anna-
en der Reformpolitik des deutschen Steuerrechts landen.

ir müssen vielmehr in allen steuerpolitischen Diskus-
ionen daran erinnern, dass wir Vereinfachungen brau-
hen.

Solange wir uns immer wieder in der Reparaturwerk-
tatt unseres Steuerrechts wiederfinden, müssen wir uns
eider mit Bordmitteln behelfen. Das gilt auch für die
om Bundesrat vorgeschlagene Anzeigepflicht bei Steu-
rgestaltungsmodellen. Schon in meiner Rede zum Jah-
essteuergesetz 2007 habe ich mich für eine vertretbare
nzeigepflicht bei Steuergestaltungsmodellen ausge-

prochen.


(Frank Schäffler [FDP]: Komisch! Das habe ich auch nicht mehr im Kopf!)


b der jetzt gemachte Vorschlag des Bundesrats, das im
ahmen des Jahressteuergesetzes 2008 zu regeln, prakti-
abel ist, werden die weiteren Beratungen zeigen.

Manch einer hält einige der geplanten Änderungen
nd Anpassungen für eine Verkomplizierung unseres
teuerrechts.

11908 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Olav Gutting

(Frank Schäffler [FDP]: Mit Recht! – Weiterer Zuruf von der FDP: Allerdings! Das ist es auch!)


Dies mag im Einzelfall sogar zutreffend sein, ist aber,
wenn man im System bleibt, in Anbetracht des ständigen
Flusses der Rechtsprechung und aufgrund notwendiger
Anpassungen an die Realität schlicht unumgänglich.

Wir sehen im Jahressteuergesetz 2008 aber auch Ver-
einfachungen: Mit der Einführung der elektronischen
Lohnsteuerabzugsmerkmale, mit dem Wegfall der Pa-
pierlohnsteuerkarte und mit der Umstellung der Anmel-
dung zur Kapitalertragsteuer auf das elektronische Ver-
fahren wird dem Stand der Technik Rechnung getragen.
Den Unternehmen und den Steuerbürgern, welche im
täglichen Leben überwiegend ganz selbstverständlich
mit dem Computer umgehen und bereits heute ihre
Lohnsteuererklärung über die Elster-Schnittstelle ver-
schicken, ist nicht mehr zu vermitteln, warum wir jedes
Jahr noch 40 Millionen Lohnsteuerkarten aus Karton
verschicken.

Das neue Verfahren vermeidet unnötige Fehlerquellen
und trägt nicht nur zu erheblicher Entlastung des Steuer-
zahlers von Bürokratie bei, sondern es entlastet vor al-
lem auch die Finanzverwaltung. Im weiteren Gesetzge-
bungsverfahren – die Kollegin Frechen hat es schon
angesprochen – müssen wir peinlichst darauf achten,
dass die datenschutzrechtlichen Bestimmungen in die-
sem Fall eingehalten werden und nur berechtigte Perso-
nen Zugriff auf diese Daten erhalten. Aber wir müssen
die Diskussion auch versachlichen: Die Finanzverwal-
tung hat auch nach der Einführung der elektronischen
Lohnsteuerabzugsmerkmale nur die Daten, die sie schon
heute hat, nämlich die, die auf der Lohnsteuerkarte ein-
getragen sind.


(Frank Schäffler [FDP]: Wehret den Anfängen!)


Lassen Sie uns also im weiteren Verfahren dafür sorgen,
dass eine missbräuchliche Verwendung dieser Daten
ausgeschlossen ist! Dann sind wir, glaube ich, auf dem
richtigen Weg.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Eine weitere Neuerung, bei der es Erörterungsbedarf
gibt, stellt die geplante Einführung des Anteilsverfah-
rens dar. Bei diesem Anteilsverfahren soll das tatsächli-
che Verhältnis der insgesamt zu entrichtenden Lohn-
steuer in der Lohnsteuerkarte eingetragen werden. Das
Ziel ist klar: Wir wollen den Ehegatten mit dem geringe-
ren Einkommen – das ist meist die Frau – entlasten und
wollen, dass auch ein kleines Einkommen eine Berufstä-
tigkeit rentabel macht. Insgesamt ist diese neue Option
zu begrüßen; das hat ja auch die Opposition erkannt.


(Zuruf von der FDP: Gefordert!)


Die Teilnahme am Anteilsverfahren erfolgt freiwillig.
Deswegen, meine ich, sind auch die Probleme beim Da-
tenschutz beherrschbar. Wir werden das noch genau an-
sprechen.

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(C (D Eine weitere Haltestelle dieses Omnibusses ist die K-02-Thematik. Die Feststellung und Auflösung des rhöhungspotenzials aus sogenannten EK-02-Beständen m Bereich des Körperschaftsteuergesetzes führt zu einer ielfach geforderten Vereinfachung des Steuersystems. uch wenn der Regierungsentwurf im Gegensatz zum rsprünglichen Referentenentwurf ein Wahlrecht für betimmte Unternehmen enthält, ehe ich hier noch Erörterungsbedarf. In den Beratungen erden wir deshalb gemeinsam prüfen, ob eine Auswei ung dieses Wahlrechts möglich ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Frank Schäffler [FDP]: Das war mal ein kleiner Schritt!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Zuruf von der FDP: Für alle!)


Nun ist der Omnibus eigentlich schon ganz gut ge-
üllt. Sie haben es vorhin gesagt: Über 200 Einzelsitze
ind schon belegt. Um es mit den gestrigen Worten des
ollegen Schick zu sagen: Dennoch sind offensichtlich
och ein paar Plätze frei. Einen sollten wir dabei für die
ewahrung des Hausbankprinzips reservieren, für die
icherung des Geschäftsmodells vieler Banken und
parkassen in unserem Land, die Finanzierung und Geld-
nlage aus einer Hand, vom selben Kreditinstitut, anbie-
en. Hier greift die Regelung des § 32 d Einkommen-
teuergesetz in das sogenannte Hausbankprinzip ein.
iese ungewollte Folge bei den Einschränkungen bei der
bgeltungsteuer sollten wir möglichst bald korrigieren.


(Beifall des Abg. Leo Dautzenberg [CDU/CSU])


Auch der Nachtrag zur REITs-Gesetzgebung zur Ver-
eidung der Doppelbesteuerung bereits belasteter Ein-

ünfte steht an der Bushaltestelle und wartet. Packen
ir’s gemeinsam an! Auf gute Beratungen!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611524200

Jetzt hat das Wort die Kollegin Dr. Barbara Höll für

ie Fraktion Die Linke.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611524300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ieber Herr Gutting, Frau Frechen, Sie haben leider
icht bemerkt, dass Ihr Omnibus inzwischen eine rote
skorte bekommen hat.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Trittbrettfahrer?)


emeinsam mit dem Jahressteuergesetz 2008 beraten
ir zwei Anträge der Linken,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


ie Ihnen die Möglichkeit geben, Fehler, die gemacht
urden, zu heilen. Wir fungieren gerne mal als Erste
ilfe.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11909


(A) )



(B) )


Dr. Barbara Höll

(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Oder sind das Trittbrettfahrer?)


Vielleicht haben Sie dann tatsächlich einmal so viel Ein-
sicht, diese Eskorte in den Bus zu bitten und entspre-
chende Änderungen vorzunehmen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir schlagen Ihnen in dem ersten Antrag vor, die Ent-
fernungspauschale vollständig anzuerkennen sowie die
Verfassungsmäßigkeit und Steuergerechtigkeit wieder-
herzustellen. Es bietet sich geradezu an, diese Änderun-
gen im Jahressteuergesetz 2008 aufzugreifen. Es geht
um nicht mehr, aber auch um nicht weniger als darum,
die steuerliche Absetzbarkeit der Fahrten zwischen der
Wohnung und der Arbeitsstätte als Werbungskosten oder
als Betriebsausgaben für Selbstständige sofort und in
voller Höhe wieder einzuführen.

Es ist allen hier im Hause bekannt, dass die Nichtbe-
achtung der ersten 20 Kilometer bei der Entfernungspau-
schale zu einer Mehrbelastung sehr vieler Haushalte ge-
führt hat. Jährlich entsteht dadurch eine Mehrbelastung
zwischen 300 und 500 Euro. Außerdem stellt das de
facto auch wieder eine Reduzierung auf ein Verkehrsmit-
tel dar, nämlich im Wesentlichen auf den privaten Pkw;
denn vorher war die Anerkennung immerhin verkehrs-
mittelunabhängig. Es galt also auch der Fuß- oder der
Radweg.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Jetzt ist es der Omnibus!)


Bei dem, was Sie gemacht haben und wo eine Ände-
rung nottut, ist eines allerdings wirklich fatal, dass Sie
nämlich das Werktorprinzip einführen wollen, was der
Finanzminister in der vorigen Woche begründet hat. Im
Jahre 2002 hat Ihnen das Bundesverfassungsgericht hin-
sichtlich der zeitlichen Begrenzung der steuerlichen Ab-
setzbarkeit der doppelten Haushaltsführung noch einmal
eindeutig bestätigt, dass alle Ausgaben, die ein Indivi-
duum tätigt, um Einkommen zu erzielen, steuerlich gel-
tend gemacht werden können. Dieses Prinzip gilt.


(Beifall bei der LINKEN)


Damals haben Sie versucht, dieses Prinzip bei der
doppelten Haushaltsführung einzugrenzen. Jetzt versu-
chen Sie es bei der Entfernungspauschale und hoffen,
das noch fortführen zu können. Wenn Sie das Prinzip
einmal durchbrochen haben, dann können wir uns alle
hier im Hause ausrechnen, dass weitere soziale Belas-
tungen anstehen. Als Nächstes wollen Sie vielleicht die
Absetzbarkeit der Ausgaben für Fachbücher und die Ab-
setzbarkeit der Telefonkosten sowie der Anschaffungs-
kosten von Fahrzeugen, die zum Teil geltend gemacht
werden können, streichen. Selbstständige betrifft dies al-
les in einem noch viel höheren Maße. Das lehnen wir ab.
Kehren Sie deshalb um! Nutzen Sie jetzt die Möglich-
keit, das zu tun!


(Beifall bei der LINKEN)


Als Zweites haben wir Ihnen vorgeschlagen, auf die
heimlichen Steuererhöhungen zu verzichten und die In-
flation im Steuerrecht zu berücksichtigen. Viele Bürge-

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(C (D innen und Bürger dieses Landes haben im Sommer erchreckt feststellen müssen, dass Butter, Milch und sehr ieles andere teurer geworden ist. Fleisch und einiges ndere mehr wird jetzt ebenfalls noch teurer. Die Leenshaltungskosten steigen massiv. Die zum Glück endich wieder erzielten Tarifanpassungen werden davon de acto schon wieder aufgezehrt. Wir schlagen Ihnen in unserem Antrag vor, die verchiedenen Möglichkeiten, die es gibt, zu begutachten nd dann zu entscheiden, was man tun könnte. Wir sind ffen für die Diskussion. Wir können das über die Freieträge oder über Pauschansätze regeln, und wir können uch die Eckdaten des Tarifs ändern. Das können wir erne besprechen, aber wir müssen etwas tun, damit die nflation bei der Einkommensteuer tatsächlich berückichtigt wird. Dies müssen wir vor allem auch deshalb tun, weil Sie ich auf diesem Gebiet wiederum in die Gefahr begeben, erfassungsfeindlich zu handeln; (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Höchstens verfassungswidrig! Der Begriff lautet „verfassungswidrig“ und nicht „verfassungsfeindlich“!)


(Beifall bei der LINKEN)


enn der erwerbsbedingte Mehrbedarf wird bei der So-
ialhilfe mitberechnet. Wenn die Vorschriften zur Entfer-
ungspauschale nicht geändert werden und wenn die In-
lation nicht berücksichtigt wird, dann geraten die

enschen, die ein niedriges Einkommen haben, in die
ituation, dass das Existenzminimum, das steuerfrei ge-
tellt werden soll, nicht mehr steuerfrei ist.

Noch ein Wort zum Anteilsverfahren und zu den Ein-
endungen, die bereits erhoben wurden. Da das daten-

chutzrechtlich sehr kompliziert ist und da schon sehr
iel Kritik zu hören ist, frage ich mich, wohin die Koali-
ion will.

Am gestrigen Tage hat die Familienministerin eine
mwandlung des Ehegattensplittings in ein Familien-

plitting angekündigt. Im nächsten Jahr gehen wir also
en Schritt in Richtung Anteilsverfahren, danach führen
ir das Familiensplitting durch und dann immer weiter.
eien Sie doch konsequent und wandeln Sie das Ehegat-

ensplitting um, damit nur noch das steuerfreie Existenz-
inimum gegenseitig berücksichtigt wird!


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611524400

Frau Kollegin.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611524500

Die Mehreinnahmen nutzen wir, um das Kindergeld

uf 250 Euro zu erhöhen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611524600

Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Kollege

r. Gerhard Schick das Wort.

11910 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611524700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich

möchte nur auf zwei der vielen Regelungen eingehen,
die im Jahressteuergesetz 2008 zu finden sind. Die eine
betrifft die Missbrauchsbekämpfung, die andere das An-
teilsverfahren bei den Lohnsteuerklassen.

Herr Wissing, Sie haben gefragt, was im Interesse der
Bürgerinnen und Bürger liegt. Sie haben dabei verges-
sen, dass die meisten Bürgerinnen und Bürger ein gestei-
gertes Interesse daran haben, dass wir den Missbrauch
von Steuergestaltungen bekämpfen; denn die meisten
Bürger wollen ehrlich ihre Steuern zahlen und nicht die
Steuerlast derjenigen mittragen, die unser Steuersystem
ausnutzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Genau deswegen ist es wichtig, dass wir den Missbrauch
ernsthaft bekämpfen.

Dass zu dem Missbrauch im Einzelnen keine Zahlen-
angaben vorliegen – das haben Sie angeführt –, stellt
kein überzeugendes Argument dar. Sie haben aber zu
Recht die Frage der Bürokratie angesprochen. Wir schla-
gen insofern ein System vor – den Vorschlag haben wir
im Übrigen schon vor einem Jahr gemacht –, das eine
andere Handhabung vorsieht.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611524800

Herr Dr. Schick, möchten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Wissing zulassen?


Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611524900

Das können wir gerne tun.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611525000

Bitte schön.


Dr. Volker Wissing (FDP):
Rede ID: ID1611525100

Herr Kollege Schick, teilen Sie meine Auffassung,

dass man, wenn man Missbrauch bekämpfen will, zu-
nächst einmal feststellen muss, ob Missbrauch vorliegt,


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


und dass es nicht überzeugend ist, wenn eine Bundesre-
gierung erklärt, es lägen keinerlei Erkenntnisse über den
Umfang des Missbrauchs durch Verletzungen des § 42
Abgabenordnung vor, und man gleichzeitig darangeht,
den Missbrauch zu bekämpfen? Das ist eine Diskrepanz.

Teilen Sie meine Auffassung, dass das keine konse-
quente und logische Politik ist?


Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611525200

Herr Wissing, ich teile Ihre Auffassung nicht. Denn

die Tatsache, dass etwas gegeben ist, ist etwas anderes
als die Tatsache, ob man das im Detail nachweisen kann.
Für Missbrauch, Schwarzarbeit und Ähnliches ist ty-
pisch, dass wir den Umfang nicht im Detail nachweisen
können.

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(C (D Aber wenn Sie meinen, dass es keinen Missbrauch ibt, dann weise ich zum einen darauf hin, dass wir im inanzausschuss immer wieder in sehr vielen Details on Missbrauchsfällen erfahren und uns um die Beämpfung des Missbrauchs bemüht haben. Zum anderen uss ich Sie fragen, in welcher Welt Sie leben; man riegt doch auch mit, dass bestimmte Gestaltungen empohlen werden, die rückblickend als nicht rechtmäßig erannt werden. An dieser Stelle setzt unser Vorschlag an. Wir finden ine Meldepflicht am besten, bei der von vornherein für eide Seiten – den Fiskus und den Steuerbürger – Klareit geschaffen wird. In diese Richtung geht auch der orschlag aus Thüringen. Ich fordere Sie auf: Greifen ie diesen Vorschlag auf! Denn Ihr Gesetzentwurf ist inaltlich sehr wackelig; das wird zu weiterem Hin und er in der Rechtsprechung führen. Sie definieren plötz ich genau, was Missbrauch ist, überlassen aber der echtsprechung die Festlegung dessen, was eine ungeöhnliche steuerliche Gestaltung ist. Damit wird eine seudoklarheit geschaffen, die das eigentliche Problem icht löst. Ich hoffe insofern, dass Sie den Vorschlag aus em Bundesrat oder den von uns bereits vor einem Jahr emachten Vorschlag aufgreifen. Ich komme zum nächsten Punkt, dem Anteilsverfahen. Hintergrund ist, dass 83 Prozent der Steuerpflichtien in der Lohnsteuerklasse III Männer sind; in der ohnsteuerklasse V sind es bloß 10 Prozent Männer. Der nteil der Frauen ergibt sich entsprechend. Daraus wird eutlich, dass eine typische Aufsplittung zwischen Mänern und Frauen besteht. Das gefällt uns nicht. Es ist iskriminierend für die Frauen und nimmt ihnen die Moivation, Arbeit aufzunehmen. Die Benachteiligung bechränkt sich auch nicht auf das Lohnsteuerverfahren; enn dadurch, dass sowohl das Elterngeld als auch das LG I danach berechnet werden, ergeben sich weitere inanzielle Nachteile. Ihre Antwort darauf ist, dass Sie eine Option zwichen einem finanziellen Nachteil beim Elterngeld, rankengeld und ALG I auf der einen Seite oder einem onkreten Zinsnachteil und der Offenlegung der persönichen Daten gegenüber dem Arbeitgeber auf der andeen Seite einräumen. Das ist eine Wahl zwischen zwei chlechten Varianten. Das liegt daran, dass Sie das Kernproblem, die Aufeilung in diese beiden Lohnsteuerklassen, nicht in Anriff nehmen und das Ehegattensplitting beibehalten. ir fordern Sie auf: Nehmen Sie die Chance wahr und achen Sie das Ehegattensplitting in der heutigen Form enauso wie die Pappkarte bei der Lohnsteuer zum Ausaufmodell! Danke schön. Damit schließe ich die Aussprache. Die Fraktionen haben beschlossen, die Vorlagen auf en Drucksachen 16/6290 und 16/6374 an die in der Ta Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11911 Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt gesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Die Überweisungen sind beschlossen. Ich komme zum Tagesordnungspunkt 10 c: Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/6037 mit dem Titel Heimliche Steuererhöhungen vermeiden – Inflation im Steuerrecht berücksichtigen. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag bei Zustimmung der Fraktion Die Linke, bei Ablehnung durch die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der FDP und Enthaltung durch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 11 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung – zu dem Antrag der Abgeordneten Dorothée Menzner, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Einführung eines generellen Tempolimits von 130 Stundenkilometern auf Bundesautobahnen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Peter Hettlich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf deutschen Autobahnen – Drucksachen 16/5145, 16/5420, 16/5950 — Berichterstattung: Abgeordneter Gero Storjohann Es ist vereinbart, hierüber eine halbe Stunde zu debattieren. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort dem Kollegen Jörg Vogelsänger für die SPD-Fraktion. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Über das Thema Verkehrssicherheit wird immer sehr emotionsgeladen diskutiert; das wird sicherlich auch heute so sein. Ich will Fakten dazu beitragen; denn ich bin der festen Überzeugung, dass die Anträge von Grünen und Linken in diesem Bereich nicht zielführend sind. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611525300

(A) )


(B) )


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Jörg Vogelsänger (SPD):
Rede ID: ID1611525400

Unsere Autobahnen sind die sichersten Straßen
Deutschlands. Wir verfügen in Deutschland über das
größte Autobahnnetz in Europa. Die Autobahnen sind
unsere Hauptschlagadern im Straßennetz mit über
30 Prozent der Fahrleistung. Es ereignen sich auf den

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(C (D utobahnen weniger als 6,5 Prozent der Unfälle mit Peronenschäden. Das sollte man zur Kenntnis nehmen. Die Horrorzahlen aus den 70erund 80er-Jahren des origen Jahrhunderts sind zum Glück Vergangenheit. Das at vielfältige Ursachen. Die wichtigste Ursache ist ein nderes Bewusstsein der Verkehrsteilnehmer. Deshalb inde ich Sprüche wie „Tradition des unbeschränkten Raens“ oder „Bleifußfraktion“ nicht zielführend. Zur positien Entwicklung der Unfallzahlen haben zudem die umangreichen Investitionen in die Infrastruktur – Kollegen, a wir uns gerade in den Haushaltsberatungen befinden, önnen wir noch weitere Beiträge leisten –, die Verkehrsicherheit und selbstverständlich der technische Fortchritt in der Automobilindustrie beigetragen. Ich bin mir icher, dass unsere Ingenieure und Fahrzeugbauer hier eiterhin am Ball bleiben. Bei den Themen Telematik und Verkehrsbeeinflusung, ein wichtiger Aspekt bei der Erhöhung der Verehrssicherheit, stehen wir erst am Anfang. Im Hausaltsentwurf sind 52 Millionen Euro für den Ausbau von obilität und Verkehrstechnologien eingestellt. Die Bundesregierung legt wie wir einen besonderen chwerpunkt auf den Bereich Verkehrssicherheit. Wir in eutschland können eine Vorreiterrolle einnehmen und eigen, dass die Verkehrssicherheit für den Bürger ohne in generelles Tempolimit auf Autobahnen in besondeem Maße gewährleistet werden kann. Die Möglichkeien, die wir ohne eine allgemeine Geschwindigkeitsberenzung auf Autobahnen haben, sind längst nicht usgeschöpft. Insbesondere das flexible Instrument der erkehrsbeeinflussungsanlagen auf Autobahnen gilt es och stärker zu nutzen. Dies hat gleich mehrere Vorteile: an kann flexibel auf Verkehrssituationen und Witte ungsbedingungen reagieren. Vor Staus und Unfällen ann rechtzeitig gewarnt werden. Es ist möglich, die Gechwindigkeitsbegrenzung flexibel zu regeln. In der acht kann der Lärmschutz eine besondere Berücksich igung finden. – Verkehrsbeeinflussungsanlagen sind deale Lösungen zur Senkung der Unfallrisiken, Verbote ind es nicht. Es gibt einen weiteren wichtigen, psychologischen ffekt. Der Autofahrer kann die getroffene Geschwinigkeitsbeschränkung besser nachvollziehen, wenn er urch die Verkehrsbeeinflussungsanlage auf den Gefahenschwerpunkt hingewiesen wird. Das sorgt dafür, dass ie Geschwindigkeit dann eher eingehalten wird. Man ann ohnehin nicht alles kontrollieren. Wer ein allgemeines Tempolimit erlässt, muss dies uch kontrollieren. Dazu gäbe es zwei Möglichkeiten: um einen könnte man den Personalbestand bei den zutändigen Polizeibehörden erhöhen. Es gibt aber Bunesländer, in denen eine andere Tendenz vorherrscht; ich edaure das. Zum anderen könnte man die Kontrollen on den Unfallschwerpunkten abziehen. Das aber wäre ach meiner Ansicht kontraproduktiv. 11912 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 Jörg Vogelsänger Im Übrigen gibt es bereits auf einem Großteil der deutschen Autobahnen Geschwindigkeitsbeschränkungen. Das hat vielfache Ursachen, zum Beispiel Unfallschwerpunkte, der unbefriedigende Zustand der Fahrbahn oder auch Lärmschutz. Bei Letzterem muss man berücksichtigen, dass der Hauptverursacher von Lärm der Lkw und nicht der Pkw ist. Eine allgemeine Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen bringt keine maßgebliche Pegelreduzierung. Auch hier sind regionale und örtliche Beschränkungen der richtige Weg. Es gibt viele vergleichende Statistiken im Bereich der Verkehrssicherheit. Wer Tempolimits auf Autobahnen in anderen europäischen Ländern als Argument benutzt, sollte auch die Unfallstatistiken vergleichen. Die Unfallzahlen in anderen europäischen Ländern sind trotz eines allgemeinen Tempolimits vielfach weitaus höher als in Deutschland. Das hat mit der Akzeptanz von gesetzlichen Regelungen zu tun. Eine Studie aus dem Nachbarland Schweiz hat ergeben, dass die Bürger die allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 Stundenkilometern grundsätzlich akzeptieren, die Mehrzahl hält sich nur nicht daran. Ich stelle Ihnen eine Frage: Würden sich alle Kollegen, wenn sie sonntags morgens unterwegs wären und einen dringenden Termin im Wahlkreis hätten, auf einer freien dreispurigen Autobahn an die Geschwindigkeitsbeschränkung halten? – Gut, das freut mich. Der Staat bzw. der Gesetzgeber kann und sollte nicht alles regeln. Insbesondere beim Thema Verkehrssicherheit hat jeder Verkehrsteilnehmer eine besondere Verantwortung. Ich muss eines sagen: Es gibt immer wieder Umfragen, die belegen, dass die Bürger für eine allgemeine Geschwindigkeitsbeschränkung sind. Wir schreiben keinem Bürger vor, 160 Stundenkilometer auf der Autobahn zu fahren. Es ist jedem freigestellt, sich an die Regelgeschwindigkeit zu halten. Wir brauchen nicht immer neue Gesetze und Verordnungen. Wir müssen die Menschen überzeugen. Ich glaube, das geht nicht mittels eines allgemeinen Tempolimits. Vielen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Patrick Döring für die FDP-Fraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Vogelsänger, Herr Kollege Storjohann, zunächst eine gute Nachricht: Wir stimmen heute – alle drei Fraktionen gemeinsam – für die Beschlussempfehlung. Insofern bekommt die Koalition ein wenig Rückendeckung von der FDP-Fraktion. b d s r n H t N s h n s f i s K v d i d d s w W B d 8 d z T – d a n g m d w s (C (D (Zuruf von der CDU/CSU: Wunderbar! Du bist so gütig!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(A) )


(B) )


(Uwe Beckmeyer [SPD]: So ist das!)


(Zuruf von der SPD: Aber selbstverständlich!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611525500

(Beifall bei der FDP)

Patrick Döring (FDP):
Rede ID: ID1611525600

Das ist umso überraschender, wenn Sie sich einmal
emühen, die Historie dieser Debatte aufzuarbeiten. Seit
er 10. Wahlperiode erblickt regelmäßig ein Antrag die-
er Art das Licht dieses Saales bzw. in Bonn eines ande-
en Saales. Der Beginn war am 26. Oktober 1983 mit ei-
em Antrag von Frau Beck-Oberdorf, einem gewissen
errn Otto Schily und einer Frau Kelly sowie der Frak-

ion Die Grünen.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da merkt man, wie schwer es ist, sich durchzusetzen!)


otmaßnahmen gegen das Waldsterben durch Ge-
chwindigkeitsbegrenzungen bei Kraftfahrzeugen, so
ieß es damals. Seitdem haben bis zur Regierungsüber-
ahme durch Rot-Grün im Jahr 1998 57 parlamentari-
che Initiativen in diesem Hause so viel Widerhall ge-
unden, dass sie immer wieder abgelehnt wurden,
nsbesondere die vielen Anträge der sozialdemokrati-
chen Fraktion in der 10., 11. und 12. Wahlperiode.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Haben Sie auch die Anträge zum Nichtraucherschutz gezählt?)


aum regierte Rot-Grün, die glühendsten Befürworter
on Tempolimits, ebbte die parlamentarische Arbeit auf
iesem Gebiet schlagartig ab. In beiden Wahlperioden,
n denen Rot-Grün regierte, gab es außer zwei Anträgen
er PDS keine weitere Initiative zu diesem Thema.

Nun kann man sagen, dass die Sozialdemokratie in
en Wahlperioden 10 bis 13 so viel dazugelernt hat, dass
ie dieses Thema nicht weiterverfolgte, als sie Verant-
ortung hatte. Dazu kann man nur herzlich gratulieren.
arum?

Das Argument der Verkehrssicherheit ist schlicht eine
ehauptung, die durch einfache Fakten widerlegt wer-
en kann.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie doch mit den Professoren der Polizeihochschulen!)


5 Prozent aller tragischen Unfälle mit Todesfolge wer-
en auf Straßen mit einem generellen Tempolimit ver-
eichnet, nämlich außerorts auf Bundesstraßen. Dort gilt
empo 100, wie wir alle wissen.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was sind das denn für Straßen?)


Das sind keine Autobahnen. Das ist doch der entschei-
ende Punkt. – Daraus wird deutlich, dass auf weniger
ls der Hälfte des deutschen Autobahnnetzes, auf der
och kein Tempolimit gilt, die Verkehrsgefährdung so
roß nicht sein kann. Oder gibt es irgendeinen Verkehrs-
inister, egal welcher Couleur, von dem Sie glauben,

ass er eine Tempobeschränkung nicht einführen würde,
enn es zu Unfallschwerpunkten auf Autobahnteilab-

chnitten ohne Tempolimit gekommen wäre?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11913


(A) )



(B) )


Patrick Döring

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, das glaube ich!)


Ich glaube, diesen Verkehrsminister gibt es nicht, weder
bei den Sozialdemokraten noch bei den Grünen, auch
nicht bei den Christdemokraten und den Liberalen. Denn
jeder Verkehrsminister führt auf Autobahnen Tempoli-
mits ein, wenn es notwendig ist und verstanden wird.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)


Bleibt das ökologische Argument wie Waldsterben
oder andere Punkte.


(Lutz Heilmann [DIE LINKE]: Klimawandel!)


– Klimawandel. – Dazu gibt es eine Untersuchung des
Vereins Deutscher Ingenieure, die das Gutachten des
Umweltbundesamtes zerpflücken, weil das Umweltbun-
desamt fälschlicherweise davon ausgeht, dass jeder, der
auf einem nicht limitierten Autobahnteilstück fährt,
schneller als 120 oder 130 Stundenkilometer fährt. Das
ist aber gar nicht der Fall; die meisten von uns nehmen
das in der Realität auch wahr. Weit weniger als die
Hälfte aller Verkehrsteilnehmer fährt auf den Teilstre-
cken, auf denen keine generellen Tempolimits gelten,
aus welchen Gründen auch immer, mehr als 120 oder
130 Stundenkilometer. Das heißt, am Ende könnte im
Pkw-Verkehr vielleicht ein Einspareffekt von
0,08 Prozent des Gesamtausstoßes von CO2 erzielt wer-
den, so der Verein Deutscher Ingenieure, die ich für
Fachleute halte, auch wenn andere das nicht so sehen.

Nun mögen die Grünen sagen: Warum nicht? Das ist
immerhin etwas. – Einverstanden. Ich glaube aber, dass
es zu dieser Minderung überhaupt nicht kommt, weil die
Fahrerinnen und Fahrer, wie es Herr Kollege
Vogelsänger gesagt hat, kein Verständnis haben werden
für Tempolimits auf Streckenabschnitten, die wenig be-
fahren werden, oder für Tempolimits in der Nacht und
am frühen Morgen.

Frau Präsidentin, ich bitte um Entschuldigung. Ich
komme gleich zum Schluss. – Bleibt als drittes Argu-
ment die Behauptung: Wenn wir ein generelles Tempoli-
mit haben, dann werden sich die Exportfahrzeuge so ver-
ändern – nämlich leichter werden und „abgerüstet“
werden; gelegentlich hört man diesen martialischen Be-
griff –, dass wir insgesamt etwas erreichen.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was ist mit denen, die in die USA exportieren?)


– In die USA exportiert die Automobilindustrie dieses
Landes erfolgreich Fahrzeuge – man darf sie dort zwar
nie ausfahren, was allerdings nichts mit der Motorisie-
rung zu tun hat – wegen einer überzeugenden Technik
und wegen überzeugender Sicherheitsanforderungen.

Alle Ihre Argumente sind nicht überzeugend. Deshalb
schließen wir uns der Beschlussempfehlung an.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)


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(C (D Nun hat das Wort der Kollege Gero Storjohann für die DU/CSU-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Der Abend beginnt gut. Dank der Ankündigung er FDP-Fraktion, diese Anträge abzulehnen, macht es paß, hier vorne zu stehen. Ich stelle fest: Die Opposi ion ist sich nicht einig. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie in der Großen Koalition inzwischen so nötig, das festzustellen?)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611525700

(Beifall bei der CDU/CSU)

Gero Storjohann (CDU):
Rede ID: ID1611525800

ie möchten gerne Tempolimits auf Autobahnen haben,
egrenzt entweder auf 120 oder 130 Stundenkilometer.
er Kollege Döring hat soeben festgestellt, wie lange
ir hier in diesem Hause schon über dieses Thema spre-

hen. Angesichts dessen wäre ein zwischen den beiden
ppositionsfraktionen abgestimmter Antrag gar nicht so

alsch gewesen.

Zur Einführung eines generellen Tempolimits stelle
ch Folgendes fest: Unsere Autobahnen sind die sichers-
en Straßen Deutschlands. In Schleswig-Holstein habe
ch nur noch selten die Gelegenheit, zu rasen, wie Sie sa-
en. Ich bin froh, wenn ich da 100 oder 120 Stundenki-
ometer fahren kann. Die Fahrzeuge auf den dortigen
utobahnen sind in erster Linie Lkws. Wie Sie alle wis-

en, unterliegen Lkws einem generellen Tempolimit, das
ei 80 Stundenkilometern liegt. Wie Sie ebenfalls wis-
en, wird dieses Tempolimit nicht eingehalten. Wenn es
enn so ist, ist es doch eigentlich Sache der Länder,
ehr zu kontrollieren, um der Verkehrssicherheit zu die-

en. Aber auch dazu sind wir schon nicht mehr in der
age. Deswegen stellt sich die Frage: Was machen wir

nsgesamt?

Auf den Bundesautobahnen werden rund 31 Prozent
ller in Deutschland von Kraftfahrzeugen gefahrenen
ilometer zurückgelegt. Der Anteil der auf den Bundes-

utobahnen zu Tode gekommenen Verkehrsteilnehmer
iegt bei etwa 12 Prozent. Er ist im Vergleich zu den Ver-
ehrsteilnehmern, die auf anderen Straßen zu Tode ge-
ommen sind, also signifikant geringer. Auf deutschen
utobahnen verunglücken rund 7,5 Prozent aller Ver-
ehrsteilnehmer. Lediglich 6 Prozent aller Unfälle mit
ersonenschäden ereignen sich dort.

Ich komme zu meinem Eingangsstatement zurück.
nsere deutschen Autobahnen sind die sichersten Stra-
en in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU)


ie sind am wenigsten unfallträchtig. Für mich ist auch ein
ntscheidendes Argument, die Verkehrssicherheit – wir
üssen sie ebenfalls im Auge haben; ich möchte Ver-

ehrssicherheit nicht gegen Umwelt ausspielen – zu ge-
ährleisten und weiter zu verbessern.

11914 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Gero Storjohann
Was die Geschwindigkeitsbegrenzung anbetrifft, ist
Folgendes festzuhalten: Derzeit sind knapp 40 Prozent
des Autobahnnetzes dauerhaft oder temporär geschwin-
digkeitsbeschränkt. Temporäre Geschwindigkeitsbe-
schränkungen werden etwa durch Baustellen verursacht.
In diesem Bereich haben wir sehr viele Unfälle. Auf
9 Prozent des Netzes werden Geschwindigkeitsbe-
schränkungen durch Verkehrsbeeinflussungsanlagen in
Abhängigkeit von Verkehrsdichte oder Wetter bereits
heute angeordnet. Damit unterliegt faktisch schon knapp
die Hälfte des deutschen Autobahnnetzes einem Tempo-
limit.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch auf
Folgendes hinweisen: 15 Prozent des gesamten Verkehrs
werden auf Autobahnen mit dieser Geschwindigkeitsbe-
schränkung abgewickelt. Das Tempolimit von
80 Stundenkilometer für Lkws habe ich bereits erwähnt.
Ein Zusammenhang zwischen Tempolimit und Sicher-
heitsniveau auf Autobahnen ist international nicht fest-
stellbar. Man kann vielleicht sagen, dass ausländische
Autobahnen von anderer Qualität sind. Aber ich glaube,
es wäre zu einfach, zu sagen: Wir drücken das Tempo,
und dann wird sich die Verkehrssicherheit erhöhen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Jörg Vogelsänger [SPD])


Ein europäischer Vergleich hinsichtlich der Verkehrs-
sicherheit zeigt, dass Deutschland zum Teil bessere Er-
gebnisse aufweisen kann als Länder mit Geschwindig-
keitsbegrenzungen auf ihren Autobahnen. Diese positive
Entwicklung der Verkehrssicherheit in Deutschland ver-
danken wir nicht zuletzt vielfältigen Maßnahmen im Be-
reich der Kraftfahrzeugtechnik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


In diesem Bereich ist Deutschland führend. Es wurden in
Deutschland besondere Anstrengungen unternommen,
und das macht sich auf dem Weltmarkt bemerkbar. Es
wurden passive und aktive Sicherheitssysteme entwi-
ckelt. Hierzu zählen das elektronische Stabilitätspro-
gramm ESP sowie das Antiblockiersystem ABS.

Wie auch in unserem Land schätzen die Kunden welt-
weit Sicherheit, Leistung, Komfort, sparsamen Ver-
brauch, Design und Image an deutschen Autos. Eine An-
triebsfeder für diesen technischen Fortschritt ist immer
auch das deutsche Autobahnsystem gewesen. Insbeson-
dere die Sicherheitseigenschaften stehen in engem Zu-
sammenhang mit dem Gewicht eines Autos und somit
dem Kraftstoffverbrauch. Das haben wir alles bei der
Debatte um die Caravans erlebt. Je sicherer wir die Cara-
vans machen, umso schwerer werden sie. Damit haben
wir eine Debatte, die wir vor 20 Jahren noch gar nicht zu
führen brauchten. Deshalb muss weiterhin die Gesamtef-
fizienz der Fahrzeuge optimiert werden.

Ein Tempolimit würde nach meiner Auffassung zu ei-
nem verminderten Interesse der Kunden an Sicherheits-
technologie sowie zu Konsequenzen bei den Unfallfol-
gen und der deutschen Wettbewerbsfähigkeit führen. Die
CDU/CSU-Fraktion sieht auch angesichts dieser Tatsa-
che die Verbesserung der Fahrzeugsicherheit durch mo-

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(C (D erne Fahrzeugtechnik als zwingend notwendig an, um u einer weiteren Senkung der Unfallzahlen auf unseren traßen zu gelangen. Auch für den Umweltschutz würde ein generelles empolimit auf Autobahnen keine erkennbaren Verbeserungen zur Folge haben. Nur verhältnismäßig wenige kws fahren mit so hohen Geschwindigkeiten, dass sich ine solche Begrenzung bei der Schadstoffemission beerkbar machen würde. (Lutz Heilmann [DIE LINKE]: Das stimmt doch ganz einfach nicht!)


Die Bundesanstalt für Straßenwesen hat 1992 errech-
et, dass rund zwei Drittel der Fahrleistungen auf Auto-
ahnen mit Geschwindigkeiten unter der Richtgeschwin-
igkeit von 130 Stundenkilometern erbracht werden.
amals wurde festgestellt, dass nur etwa 13 Prozent al-

er Personenkraftwagen über 150 Stundenkilometer fah-
en. Nun ist das 15 Jahre her, und die Verkehrsdichte ist
estiegen. Insofern werden sich die Verhältnisse noch
erschoben haben. Deshalb kann auf unseren Autobah-
en weniger zügig gefahren werden. Die meisten Emis-
ionen entstehen immer noch durch Überholvorgänge
der Staus, die ohnehin unsinnig sind.

Die Verkehrssicherheit sollte uns allen am Herzen lie-
en. Deswegen müssen wir alles dafür tun, dass die Au-
os da fahren, wo dies am sichersten ist, nämlich auf den
utobahnen. Wir dürfen sie nicht auf nachgelagerte
traßen wie die Landstraßen verdrängen; denn die zäh-

en zu den Straßen mit enormem Begegnungsverkehr.
adurch werden sie gefährlich. Dort gibt es Radfahrer
nd Fußgänger. Sobald wir durch politische Maßnahmen
ahrzeuge auf die Landstraße drängen, entstehen Debat-

en. Erinnern wir uns an die Maut-Debatte! Durch die
emautung der Autobahnen gab es am Anfang Aus-
eichverkehre; das hat sich in der Zwischenzeit wieder

twas zurückverlagert. Dadurch haben wir aber spüren
önnen, dass auch politische Weichenstellungen sehr
ohl Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben.

Die CDU/CSU wird einen Schwerpunkt auf die Ent-
icklung einer flexiblen zukunftsweisenden Infrastruk-

ur legen, die die Lebensqualität und vor allem die Mobi-
ität der Menschen im privaten und beruflichen Bereich
icherstellt. Wir sprechen uns für den verstärkten Aus-
au elektronischer Verkehrsbeeinflussungsanlagen ent-
ang unserer Autobahnen aus. Eine flexible Geschwin-
igkeitsregelung ermöglicht es, das Tempo an die
eweilige Verkehrssituation und die Umfeldbedingungen
nzupassen. Diese Flexibilität erlaubt eine optimale Nut-
ung unserer Autobahnen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jörg Vogelsänger [SPD])


erkehrsabhängige Straßenverkehrsbeeinflussungsanla-
en, mit deren Hilfe die Geschwindigkeit sowie Über-
olverbote situationsabhängig geregelt werden können,
eisten einen hohen Beitrag zum optimierten Fahrverhal-
en. Dadurch werden der Verkehrsablauf auf unseren
utobahnen und somit auch die Verkehrssicherheit ver-
essert. Untersuchungen haben ergeben, dass im Bereich
lektronischer Verkehrsbeeinflussungsanlagen ein Rück-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11915


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Gero Storjohann
gang der Unfallzahlen um 20 bis 30 Prozent festzustel-
len ist.

Im Bundeshaushalt stellen wir Mittel für den Bau von
Verkehrsbeeinflussungsanlagen bereit. Wir werden auch
für eine Aufstockung sorgen. Da muss die Politik Schritt
für Schritt vorgehen. Wir wollen deutlich machen, wo
unser Schwerpunkt ist. Hier werden wir noch einmal
Gas geben.

Geschwindigkeitsbeschränkungen müssen für die
Verkehrsteilnehmer nachvollziehbar sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Patrick Döring [FDP]: Donnernder Beifall des Koalitionspartners!)


Ein einheitliches Tempolimit – ich kenne es aus Schles-
wig-Holstein unter Rot-Grün; damals wurde auf den Au-
tobahnen eine einheitliche Geschwindigkeit festgelegt –
ist nicht nachvollziehbar.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist in der ganzen Welt nachvollziehbar, nur in Deutschland nicht! Das ist doch albern! Überall in der Welt ist das nachvollziehbar!)


Nachdem es jetzt von Dietrich Austermann wieder auf-
gehoben wurde, haben wir vernünftige Verkehrsverhält-
nisse auf den Straßen, und die Menschen passen ihre Ge-
schwindigkeit der jeweiligen Situation an. Wenn sie
nachts nicht schnell fahren sollen, dann tun sie es auch
nicht. Aber wenn tagsüber auf einsamen Strecken die
Autobahn frei ist, ist es halt anders.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU/
CSU-Fraktion wird die Anträge sowohl der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen als auch der Fraktion Die Linke
ablehnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611525900

Nächster Redner ist nun der Kollege Lutz Heilmann

für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Lutz Heilmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611526000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Werte Gäste! Gut 66 Prozent der Bevölkerung sind für
den Abzug deutscher Soldaten aus Afghanistan.
67 Prozent der Bevölkerung lehnen die Kapitalprivati-
sierung der Bahn ab.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Tempolimit! Sonst kommen wir gleich noch zu Hartz IV!)


Sie haben heute für eine Verlängerung des Afghanistan-
Einsatzes gestimmt und sind gerade dabei, den zweiten
Coup über die Bühne zu ziehen. 73 Prozent der Men-
schen hierzulande sind nach einer Forsa-Umfrage für die
Einführung eines Tempolimits. Dies werden Sie – Sie

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(C (D aben es angekündigt – heute ablehnen. Diese drei Beipiele zeigen eines ganz deutlich: Sie regieren das Land egen den Willen der Mehrheit der Menschen. ch schlage der Bundesregierung daher vor, sich ein aneres Volk zu wählen. (Zuruf von der CDU/CSU: So wie ihr damals in der DDR!)


(Zuruf von der CDU/CSU: Oh mein Gott!)


Warum sind Sie gegen ein allgemeines Tempolimit?
hre Argumente sind nach unserer Meinung nur Schein-
rgumente, die bei genauerem Hinsehen wie ein Karten-
aus zusammenfallen. Mehr als Ideologie haben Sie lei-
er nicht zu bieten.


(Lachen bei der CDU/CSU)


arum also nun? Die Antwort auf diese Frage können
ie derzeit bei der IAA in Frankfurt am Main finden. Zu
eginn der IAA machte der Titel „Grüne Woche in
rankfurt“ die Runde. Alle Medien berichteten davon,
ie innovativ die deutsche Autoindustrie sei. Vergessen
ie Nichteinhaltung der Selbstverpflichtung zur CO2-Re-
uzierung, vergessen die Schelte der letzten Monate von
olitik und Öffentlichkeit, vergessen auch das Feilschen
m jedes Gramm CO2. Wir sind endlich wieder wer!
ber als der Trubel der Eröffnung vorbei war und die

elbsternannte Klimaschützerin der Nation, Kanzlerin
ngela Merkel,


(Beifall bei der CDU/CSU)


uch vor „ökologischen Neuheiten“ posiert hatte, ging es
m gewohnten Stile weiter. Ganz schnell verschwanden
ie Ökoautos wieder in den Nischen, wohin sie gefälligst
uch gehören, zumal die meisten davon das Studiensta-
ium noch nicht verlassen hatten. Ab dem dritten Tag
ab es endlich wieder die wahren Leistungen der deut-
chen Autoindustrie zu sehen: PS-stark, groß und
chnell. Ideal für die Jagd von Großwild am Berliner
lex! Gerade diese Autos will aber Minister Tiefensee
nter Artenschutz stellen.

Vor allem Geschwindigkeit ist dabei gefragt. So rich-
ig frei sind Sie doch erst bei Tempo 200, Herr Kollege
cheuer.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


ber da sind Sie wieder in der Minderheit; denn
4 Prozent der Menschen hierzulande haben beim Auto-
ahren Angst, etwa Angst vor drängelnden Rasern auf
er linken Spur.


(Patrick Döring [FDP]: Stellen Sie sich vor, 90 Prozent der Bevölkerung haben Angst, dass Ihre Politik Realität wird!)


ür die Mehrheit der Verkehrsteilnehmerinnen und Ver-
ehrsteilnehmer bedeutet eine Geschwindigkeit von 180
is 200 Stundenkilometer keine Freiheit, sondern Stress
nd Anstrengung.

Nun ganz kurz einige Verkehrsunfallzahlen: 2005
tarben auf deutschen Autobahnen 662 Menschen, da-
on 428 auf Strecken ohne Geschwindigkeitsbegren-

11916 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


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Lutz Heilmann
zung. Das heißt, circa 70 Prozent der Verkehrstoten auf
Autobahnen sind dort zu beklagen, wo einige ihrem
Freiheitsverständnis freien Lauf lassen.


(Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Sie müssen von Freiheit reden, ausgerechnet!)


Zurück zur IAA: Sie wird – jetzt muss ich mich leider
an die Grünen wenden – auch durch einen grünen Info-
stand nicht zur Ökoveranstaltung. Es macht nur deutlich,
wohin und womit die Reise der Grünen geht. Das Haupt-
ziel der Vermeidung von Individualverkehr haben Sie of-
fenbar aufgegeben. Aber Sie sind ja dafür bekannt,
Grundsätze ganz einfach einmal zu begraben.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für Geistesblitze am späten Abend! – Zurufe von der CDU/CSU: Die Grünen sind schuld! – Warum wohnen Sie nicht in Nordkorea?)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Tempolimit
bringt nicht nur eine Senkung der CO2-Emissionen; es
gewährleistet auch die Funktion der Katalysatoren.
Diese schalten sozusagen bei Tempo 120 ab, und in der
Folge werden vermehrt andere Emissionen wie Kohlen-
monoxid oder Kohlenwasserstoffe ausgestoßen. Das
dürfte auch Ihnen bekannt sein. Wenn nicht, dann emp-
fehle ich Ihnen, das Sondergutachten des Sachverständi-
genrates für Umweltfragen Umwelt und Straßenverkehr
zu lesen. Vielleicht lernen Sie noch etwas dazu.

Ein Tempolimit sorgt in letzter Konsequenz auch für
die Entschleunigung des Lebens. Gerade für ältere Ver-
kehrsteilnehmer ist es eine wichtige Maßnahme. Leider
wurde gestern im Verkehrsausschuss die Debatte zum
Thema „Demografischer Wandel“ verschoben. Ich bin
mir sicher, dass alle Kolleginnen und Kollegen von dem
Bericht des Beirates für nachhaltige Entwicklung profi-
tieren würden.

Was bleibt am Ende festzuhalten? Die Große Koali-
tion regiert an der Mehrheit der Menschen vorbei.


(Enak Ferlemann [CDU/CSU]: Nein! – Patrick Döring [FDP]: Sie sprechen an der Mehrheit dieses Hauses vorbei!)


Sie hat nicht den Mut, alte, eingefahrene Wege zu verlas-
sen. Die Quittung dafür werden Ihnen die Menschen
hoffentlich spätestens 2009 geben – falls Sie es über-
haupt so lange miteinander aushalten.


(Enak Ferlemann [CDU/CSU]: Machen Sie sich da mal keine Sorgen! – Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Einfach mal locker bleiben!)


Nach der gestrigen Sitzung im Umweltausschuss bin ich
mir da nicht so sicher.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611526100

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.


(Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Sehr gut, Frau Präsidentin!)


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(C (D Dort geben Sie eher das Bild einer Zwangsehe als das iner Partnerschaft ab. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche och einen angenehmen Abend. Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege r. Anton Hofreiter für die Fraktion Bündnis 90/Die rünen. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Lutz Heilmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611526200

(Beifall bei der LINKEN)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611526300

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Seit vielen Jahren wird in diesem Haus über
as Tempolimit gesprochen. Es ist eines der großen Pro-
leme, die noch nicht bewältigt sind.


(Patrick Döring [FDP]: Da habt ihr euch ja auch nicht durchgesetzt!)


ir haben hier von vielen gehört, was angeblich die
akten seien. Aber wie sind denn die Fakten in Wirklich-
eit?

Erstes Thema: Klimaschutz. Die Abteilung „Verkehr“
es UBA hat festgestellt, dass die CO2-Minderung durch
ie Einführung des Tempolimits mindestens 9 Prozent
etrüge, und das wären nur die direkten Effekte ohne die
ndirekten. Wenn Sie die Abteilung „Verkehr“ des UBA
ennen würden, wüssten Sie, dass das die besten Fach-
eute weltweit sind.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Herr Döring will das nicht hören!)


s gibt wenige Fachleute, die weltweit so mit Preisen
usgezeichnet worden sind wie diejenigen in dieser Ab-
eilung, und genau diese Fachleute stellen fest, dass das
empolimit eine erhebliche CO2-Minderung zur Folge
ätte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


elbstverständlich sind sich die Fachleute auch einig,
ass die Autos leichter, intelligenter und damit letztend-
ich verbrauchsärmer werden könnten, das heißt anders
ebaut werden könnten.

Ich war gerade auf der IAA.


(Zurufe von der FDP: Oh! – Renate Blank [CDU/CSU]: Hast du dir ein neues Auto gekauft? – Patrick Döring [FDP]: Wer viel fliegt, kann das in einer Sitzungswoche alles schaffen!)


ort hört man viel von Umweltschutz. Aber wenn man
ich dort umschaut, sieht man Familienautos mit über
00 PS – vollkommen absurd! Es wird argumentiert, die
amilienautos hätten zwar über 500 PS, aber pro PS

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11917


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Dr. Anton Hofreiter
würden sie so wenig CO2 ausstoßen wie noch nie. Welch
absurde Argumentation!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Enak Ferlemann [CDU/CSU]: Das hört sich doch gut an!)


Natürlich gäbe es durch ein Tempolimit auch weniger
Lärm, und wir könnten die Autobahnen kostengünstiger
bauen. Aber der Hauptvorteil wäre, dass es weniger Ver-
letzte, Schwerverletzte und Tote gäbe. Ich habe heute
mit jemandem von der Berufsfeuerwehr und mit einem
hohen Polizeibeamten, der in dem Bereich tätig ist, ge-
sprochen. Ich glaube, wenn sie die Debatte verfolgen
könnten, würden sie sich etwas wundern und wahr-
scheinlich sogar schämen. Sie haben mir von den Pro-
blemen erzählt und gesagt, wie dankbar sie wären, wenn
es ein Tempolimit gäbe, weil dann nämlich auch weniger
ihrer Rettungskräfte totgefahren würden. Genau so ha-
ben sie es gesagt und gemeint. Und nun sehen sie ein
Hohes Haus, das über dieses Thema feixt und sich lustig
macht.

Wir können über manche Themen, gerade am Abend,
auch einmal entspannter reden. Aber angesichts dessen,
was man zu diesem Thema gehört hat, schämt man sich
ehrlich gesagt etwas dafür, wie diese Debatte geführt
wird. Die Fachleute auf europäischer Ebene und bei der
deutschen Polizei sind sich einig: Durch ein Tempolimit
gäbe es weniger Tote und Schwerverletzte. Fragen Sie
bei der Hochschule der Polizei in Münster nach; die er-
klären Ihnen das. Sie bieten Ihnen vielleicht sogar an,
mit einem Videowagen mitzufahren. Hoffentlich ändern
Sie dann Ihre Meinung. Oder gehen Sie einmal zu einer
Unfallstelle, wenn jemand nach einem Unfall bei über
200 km/h aus einem Auto herausgeschnitten wird. Ob
dann immer noch so gelacht wird und ob man das dann
immer noch so feixend abtun kann, frage ich mich doch
sehr.


(Widerspruch bei der CDU/CSU – Patrick Döring [FDP]: Wer hat denn hier gefeixt?)


– Gefeixt hat die FDP, gefeixt hat die CDU/CSU und ge-
feixt hat auch die SPD. Bei diesem Thema ist das pein-
lich.


(Zuruf von der CDU/CSU: Furchtbare Argumentation! – Uwe Beckmeyer [SPD]: Das ist frech, was Sie hier sagen!)


Das tut mir wirklich leid. Man sollte manche Themen
hier im Haus ernsthafter und angemessener behandeln.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Lutz Heilmann [DIE LINKE])


Geben Sie sich einen Ruck, überwinden Sie Ihre Ideo-
logie,


(Zuruf von der CDU/CSU: Sie Ihre vielleicht auch!)


gehen Sie auf die Mehrheit der Bevölkerung zu und fra-
gen Sie die Fachleute sowie die Mehrheit aller Länder in
Europa. Wir sind das einzige Industrieland weltweit, das
kein Tempolimit hat.

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(C (D (Patrick Döring [FDP]: Na und? Was ist denn das für ein Argument?)


timmen Sie für mehr Klimaschutz und stimmen Sie für
ehr Verkehrssicherheit!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Lutz Heilmann [DIE LINKE] – Patrick Döring [FDP]: Das stimmt übrigens nicht, auf der Isle of Man gibt es auch kein Tempolimit! Aber da gibt es auch keine Autobahnen – Gegenruf des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau das Verhalten meine ich!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611526400

Ich schließe nun die Aussprache zu diesem Tagesord-

ungspunkt.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
mpfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und
tadtentwicklung auf Drucksache 16/5950. Der Aus-
chuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfeh-
ung auf Drucksache 16/5950 die Ablehnung des An-
rags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/5145
it dem Titel Einführung eines generellen Tempolimits

on 130 Stundenkilometern auf Bundesautobahnen. Wer
timmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer ist dage-
en? – Enthaltungen? – Dann ist die Beschlussempfeh-
ung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der
DP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion
ündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke an-
enommen .

Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt
er Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion
ündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/5420 mit
em Titel Einführung eines generellen Tempolimits von
20 km/h auf deutschen Autobahnen. Wer stimmt für
iese Beschlussempfehlung? – Wer ist dagegen? – Ent-
altungen? – Dann ist diese Beschlussempfehlung mit
em gleichen Stimmenverhältnis angenommen.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 12 auf:

– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Vorbereitung eines registergestützten Zen-
sus einschließlich einer Gebäude- und Woh-

(Zensusvorbereitungsgesetz 2011 – ZensVorbG 2011)


– Drucksache 16/5525 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses (4. Ausschuss)


– Drucksache 16/6455 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Kristina Köhler (Wiesbaden)

Maik Reichel
Christian Ahrendt
Jan Korte
Silke Stokar von Neuforn

11918 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


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Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
– Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

gemäß § 96 der Geschäftsordnung

– Drucksache 16/6456 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Michael Luther
Bettina Hagedorn
Otto Fricke
Roland Claus
Anja Hajduk

Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der
FDP dazu vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich sehe
dazu keinen Widerspruch. Dann werden wir so verfah-
ren.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
nerin das Wort der Kollegin Kristina Köhler für die
CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Kristina Köhler (CDU):
Rede ID: ID1611526500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten
heute den Entwurf für das Zensusvorbereitungsge-
setz 2011. Das Gesetz schafft die Voraussetzungen dafür,
dass wir rechtzeitig mit den Vorbereitungen für den für
das Jahr 2011 vorgesehenen registergestützten Zensus
beginnen können. Damit betreten wir methodisches
Neuland, und ich bin stolz darauf, dass wir das gemein-
sam umsetzen werden.

Denn das war beim Thema Volkszählung ja nicht im-
mer so. Vor rund 20 Jahren sahen die Diskussionen noch
ganz anders aus. In einem Ratgeber von damals mit dem
Titel Wie wehre ich mich gegen die Volkszählung? hieß
es, die Volkszählung bereite den Weg zu einer – ich
zitiere wörtlich – „Welt psychischer Schrecknisse und
verletzter Menschenwürde, der Vernichtung von Libera-
lität und Persönlichkeit“.


(Zuruf von der CDU/CSU: Oho! – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Unerhört!)


Das haben damals nicht die Grünen gesagt.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das haben wir nicht!)


Die Grünen waren wirklich kreativer und witziger.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Klar, so einen Quatsch haben wir auch damals nicht geschrieben!)


Die Grünen haben uns damals zum Beispiel ein Flugblatt
präsentiert mit dem Titel 99 Wege, einen Fragebogen zu
zerstören.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau, dafür wurde ich verurteilt!)


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(C (D Von – ich zitiere – „Reißen, Schneiden, Kaffeeauschütten“ bis hin zum Versenden „an die deutsche Botchaft in Botswana“ boten Sie „differenzierte Methoden ür den Volksaushorchungsboykotteur“. (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war doch nett! Das hat Spaß gemacht!)


Übertroffen wurden die Grünen freilich noch von den
nscheinend friedliebenden Demonstranten, die aber ge-
en die Volkszählung mit dem etwas weniger friedlie-
enden Spruch mobil machten: Zählt nicht uns, zählt
ure Tage.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das hätte Schäuble sagen können!)


Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, heute diskutie-
en wir etwas anders über diese Fragen. Wir sind uns ei-
ig, dass man ohne solide Daten keine ordentliche Poli-
ik machen kann. Deshalb brauchen wir vernünftige
tatistiken, die auf der Höhe der Zeit sind. Das sind die
aten, die wir heute zur Verfügung haben, nicht mehr,
nd 2011 sind sie das erst recht nicht mehr; denn die vor-
andenen Daten beruhen auf alten Volkszählungen. In
en alten Bundesländern arbeiten wir immer noch mit
en Zahlen vom Zensus 1987. In den neuen Bundeslän-
ern arbeiten wir sogar mit den Zahlen vom Zensus
981. Unsere Basisdaten sind also bereits über 20 Jahre
lt. Sie werden zwar hochgerechnet und aktualisiert,
ber damit potenzieren sich auch die Fehlerquellen. Kein
nternehmen würde mit einer derart veralteten Datenba-

is arbeiten und daran seine Ausgaben ausrichten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deswegen hat die Große Koalition das Thema Zensus
n den Koalitionsvertrag aufgenommen, und heute set-
en wir das Ganze um. So gibt es Schätzungen, die da-
on ausgehen, dass in Deutschland bis zu 1,3 Millionen
enschen weniger leben, als es die offiziellen Statisti-

en sagen. Solch eine Lücke wäre für unser Land enorm
nd müsste zu Neujustierungen in der Politik führen.

Und: Mehr als 50 Gesetze basieren auf den Bevölke-
ungszahlen. Die Zahlen regeln den Länderfinanz-
usgleich. Sie regeln den kommunalen Finanzausgleich.
ie regeln die Einteilung der Wahlkreise. Sie regeln so-
ar – vielleicht macht das irgendjemandem Hoffnung –
ie Stimmenverteilung im Bundesrat. Deswegen ist die
edeutung dieser Zahlen enorm.

Realistische Daten sind aber auch notwendig, um
estzustellen, wie viele Schulen eine Stadt braucht, ob
in neues Krankenhaus geplant werden muss. Sie sind
ie Grundlage für die Verkehrsplanung und den Woh-
ungsbau. Sie sehen also, diese Zahlen betreffen uns
lle. Es geht hierbei nicht um langweilige Statistik, son-
ern dieses Thema betrifft uns alle direkt und unmittel-
ar. Es ist daher höchste Zeit, dass wir die Zahlen auffri-
chen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11919


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Kristina Köhler (Wiesbaden)

Meine Damen und Herren, die Notwendigkeit einer
Volkszählung ist eigentlich weitgehend unbestritten.
Dass sich selbst die Grünen heute – wenn sie es wie im
Ausschuss machen – der Stimme enthalten, ist ange-
sichts der damaligen Haltung schon eine kleine Revolu-
tion.

Die eigentliche Frage ist jedoch, wie die Volkszäh-
lung durchgeführt werden soll. Aber auch hier besteht
weitgehend Einigkeit. Eine direkte Vollerhebung bei den
Bürgern in Deutschland wäre nicht mehr Standard. Eine
Vollerhebung birgt Unsicherheiten. Sie verursacht hohe
Kosten und vor allem natürlich auch Belastungen für den
Bürger. Aber eine solche Vollerhebung brauchen wir
auch gar nicht mehr. Mittlerweile stehen uns zur Daten-
erhebung neue statistische Methoden zur Verfügung, die
eine effiziente und sichere Erfassung von Bevölkerungs-
daten ermöglichen. In jahrelanger Arbeit haben das Sta-
tistische Bundesamt in Wiesbaden und die Landesämter
an dieser Methode gearbeitet. Sie haben hier echte Pio-
nierarbeit geleistet, und wir sind stolz darauf, dass un-
sere Landesämter und das Bundesamt ein solch fundier-
tes Konzept vorgelegt haben, dass sie methodisch
Neuland betreten und Pionierarbeit geleistet haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Methode des registergestützten Zensus besteht
aus einem Dreischritt. Erstens werden wir die Meldere-
gister, die Daten der Bundesagentur für Arbeit sowie die
Daten zum Personalbestand der öffentlichen Hand über-
einanderlegen, auswerten und gewissermaßen ihren
wahren Kern herausfiltern. Zweitens werden wir eine
postalische Befragung der Gebäude- und Wohnungsei-
gentümer zur Gewinnung der Gebäude- und Wohnungs-
daten durchführen. Drittens werden wir eine Stichprobe
von rund 10 Prozent der Bevölkerung ziehen, um so die
durch die Register gewonnenen Daten korrigieren zu
können, aber auch um weitere Merkmale, die wir über
die Register nicht gewinnen, erheben zu können.

Darum, all das vorzubereiten, geht es heute. Das Zen-
susvorbereitungsgesetz schafft die rechtlichen Voraus-
setzungen dafür, dass das notwendige Anschriften- und
Gebäuderegister aufgebaut werden kann. Ferner schafft
es die rechtlichen Voraussetzungen für die Datenüber-
mittlungen, die zur Zensusvorbereitung erforderlich
sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden das
Zensusvorbereitungsgesetz heute verabschieden, weil es
Sinn macht, weil es ein gutes Gesetz ist und weil wir es
ganz einfach brauchen. Oder, um noch einmal einen al-
ten Spontispruch zu zitieren: Der Klügere zählt nach.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611526600

Nächste Rednerin ist die Kollegin Gisela Piltz für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ine neue statistische Erhebung in Deutschland ist ofensichtlich notwendig. Dazu hat Frau Köhler schon viel ichtiges gesagt. Allerdings – gestatten Sie mir diese Anmerkung – ragt man sich heute Abend schon, was das Statistische undesamt eigentlich macht. Schließlich müssen wir och dauernd Statistiken melden. Da die Erstellung dieer Statistiken die Wirtschaft belastet, fragt man sich, ob as eigentlich sein muss, wenn wir mindestens alle zwei ahre eine Art – ich sage das in Anführungsstrichen – olkszählung durchführen. Dieser Gesetzentwurf hat durchaus erfreuliche Anätze; das ist gar keine Frage. Besonders gefällt uns das emühen, direkte Fragebögen und das persönliche Auf uchen der Bevölkerung zu vermeiden. Frau Köhler, Sie aben viele Beispiele aus der damaligen Zeit zum Besten egeben. Auch ich kann mich noch gut daran erinnern, ie das damals war. Damals gab es – um das ganz klar u sagen – ein bahnbrechendes Urteil des Bundesverfasungsgerichts, das sogenannte Volkszählungsurteil, in em zum ersten Mal das Recht auf informationelle elbstbestimmung so formuliert wurde, wie es noch eute gültig ist. Darauf berufen wir uns noch heute. (Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Die Geburtsstunde des Datenschutzes!)

Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1611526700

s ist eine Sache, über damals zu sprechen, aber eine an-
ere, sich heute noch daran zu erinnern.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie beim zweiten Mal ausgefüllt, oder nicht?)


Ich war eine ganz Schlimme. Ich war damals im Amt
ür Statistik und Wahlen eingesetzt und musste die Kis-
en falten. Ich weiß genauso wie Frau Köhler, wovon ich
preche. Ansonsten berufe ich mich auf meine Schwei-
epflicht. – Im Rahmen dieses Gesetzes wurden die rich-
igen Lehren aus der Auseinandersetzung von 1987 ge-
ogen. Von daher kann man sagen: Gute Arbeit!

Auf die Frage, warum wir uns enthalten, gibt es eine
elativ einfache Antwort: Aus unserer Sicht hat die Bun-
esregierung ihre Arbeit nicht vollständig zu Ende ge-
racht. Es fehlt nämlich die Sicherstellung einer einheit-
ichen Durchführung des Zensus in den Ländern. Die
edeutung dieser Einheitlichkeit ist immens: Die erar-
eiteten statistischen Zahlen bilden unter anderem die
rundlage für den Länderfinanzausgleich. Jeder Ein-
ohner hat für die Gemeinde, der er zugerechnet wird,

inen Wert von rund 2 000 Euro pro Jahr.

Nun droht ein unterschiedlicher Umgang in den Fäl-
en, in denen sich die Angaben in den bei den Stichpro-
en abgefragten Registern widersprechen. Da die An-
ahl der in den Stichproben nötigen Korrekturen auf das
esamtergebnis hochgerechnet wird, kann eine unter-

chiedliche Handhabung schnell einen ordentlichen Be-
rag für die Gemeinden ausmachen.

11920 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


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Gisela Piltz
Es ist absehbar, dass die Gemeinden, die aufgrund des
Ergebnisses des Zensus schlechter dastehen als bisher,
klagen werden und somit eine Klagewelle auf uns zurol-
len wird. Die Klagen könnten für den Bund relativ teuer
werden; denn nur wegen der Einheitlichkeit der Durch-
führung der Volkszählung wurden die gerichtlich ange-
brachten Einwände nach 1987 abgewiesen. Wenn wir
diese Einheitlichkeit nicht herstellen, werden die Zahlen
angreifbar. Das würden wir bedauern.

Die Experten erwarten ohnehin beträchtliche Abwei-
chungen des Ergebnisses des Zensus von unseren bishe-
rigen amtlichen Zahlen. Nach über 20 Jahren der
schlichten Fortschreibung – das haben Sie schon ausge-
führt – dürfte die Fehlerquote zumindest in einigen Ge-
meinden erheblich sein. Da kann es leicht passieren, dass
ein Oberbürgermeister nach dem Zensus nur noch Bür-
germeister ist.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: In Düsseldorf!)


– Nein, nicht in Düsseldorf. Dafür ist Düsseldorf zu
groß, und als eine der wenigen Großstädte wächst Düs-
seldorf.

Es darf nicht dazu kommen, dass in den Zweifelsfäl-
len, in denen sich die Daten der Melderegister und die
der Bundesagentur für Arbeit widersprechen, unter-
schiedliche Verfahren zur Ermittlung des amtlichen Er-
gebnisses angewendet werden. Wir setzen uns dafür ein,
dass entweder das eine oder das andere Verfahren ange-
wandt wird. Ansonsten würden die Fehlerquoten un-
gleichmäßig verändert. An dieser Stelle hat die Bundes-
regierung das Gesetz aus unserer Sicht nicht sauber
ausgearbeitet, da die Erhebungsverfahren in jedem Bun-
desland absolut einheitlich sein müssen.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)


Dieses Problem könnte man auf zwei Arten lösen:
Entweder die Länder einigen sich auf ein einheitliches
Verfahren, was angesichts der derzeitigen Zeitvorstel-
lung schwierig sein dürfte, oder der Bund schreibt den
Ländern klare Regelungen vor. Das wäre allerdings zu-
stimmungsbedürftig und für den Bund vermutlich teurer.
Das muss man ehrlicherweise sagen. Ob dies geht, ist
darüber hinaus sehr fraglich, da der Bund nach der
Föderalismusreform I keine Aufgaben mehr auf die
Kommunen übertragen darf.

Eins wird bei diesem Zensusvorbereitungsgesetz wie-
der ganz deutlich: Das Aufgabenübertragsverbot im
Grundgesetz hat sich nicht bewährt. Es wäre besser ge-
wesen, der Bundestag hätte stattdessen mit seiner Mehr-
heit das Konnexitätsprinzip übernommen und dem FDP-
Modell zugestimmt.


(Beifall bei der FDP – Zuruf von der CDU/ CSU: Das stimmt nicht!)


Die Bundesregierung muss diese Aufgabe auf die
eine oder andere Weise lösen. Aber eins darf sie nicht
tun: Sie darf nicht einfach den Kopf in den Sand stecken.
Denn sonst wird die Bundesregierung die Verantwortung
dafür tragen, dass die Streitereien am Ende vor Gericht
ausgetragen werden.

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(C (D Ich komme zu meinem letzten Satz, Frau Präsidentin. nsere Arbeit ist mit diesem Zensusvorbereitungsgesetz icht getan. Es wird ein Zensusanordnungsgesetz folgen. ir hoffen, dass die Bundesregierung spätestens bis da in die einheitliche Umsetzung sicherstellen wird. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611526800

Nächster Redner ist nun der Kollege Maik Reichel für

ie SPD-Fraktion.


(Beifall der Abg. Kristina Köhler [Wiesbaden] [CDU/CSU] – Clemens Binninger [CDU/ CSU]: Frau Köhler, sagt, der Maik sei nett, dann muss man klatschen!)



Maik Reichel (SPD):
Rede ID: ID1611526900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Vielen Dank für das Kompliment von der
echten Seite.

1981 war in der DDR eine Volkszählung. Ich war da-
als zehn Jahre alt. Ich kann mich nur in einem Punkt

aran erinnern: Meine Mutter, die meistens für alle büro-
ratischen Sachen zuständig war, saß am Küchentisch,
lätterte das Formular um und schrieb das hinein, was
ort alles abgefragt wurde.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig?)


Ich gehe davon aus, dass sie es richtig gemacht hat. Ich
abe nicht nachgesehen. Als Zehnjähriger beobachtet
an nur und hat den Sinn des Ganzen nicht im Blick.

Andere können natürlich viel mehr erzählen. Wir ha-
en von Kollegin Köhler einiges gehört. Ich glaube,
iebe Silke Stokar, auch du kannst einiges dazu sagen,
as 1987 in der BRD passiert ist. Ich kann das nur in
erichten, Büchern und Zeitungen nachlesen und kann
avon berichten – das habe ich eben getan –, was 1981
n der DDR passiert ist.

In vier Jahren wird in der EU eine Volks- und Gebäu-
ezählung durchgeführt. Die beteiligten Länder werden
iesen Zensus auf unterschiedliche Weise durchführen.
achdem die letzten Volkszählungen 1981 und 1987
wir haben sie gerade genannt – auf die konventionelle
eise, das heißt durch die Befragung aller Bürger,

urchgeführt wurden, soll es 2011 erstmals einen regis-
ergestützten Zensus geben. Dies entlastet die Bürger
on allen großen und zeitraubenden Auskunftspflichten;
leichzeitig wird es für den Steuerzahler billiger. Zur
eststellung der bevölkerungsstatistischen Angaben
erden nur 5 bis 10 Prozent der Bevölkerung befragt.

Die aktuellen Bevölkerungszahlen in Bund, Länder
nd Kommunen sind teilweise mit großen Unsicherhei-
en behaftet. In der Anhörung am Montag haben wir zur
enauigkeit bzw. zur Richtigkeit mancher Register sehr
eutliche Aussagen der Gutachter gehört. Genauere Zah-
en sind notwendig. Wenn wir schon durch eigene Schät-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11921


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Maik Reichel
zung davon ausgehen, dass 1,3 bis 1,5 Millionen Men-
schen weniger als geglaubt in Deutschland leben – also
nicht die 82 Millionen Menschen, von denen wir heute
ausgehen –, so ist das eine Abweichung von etwa
1,8 Prozent. Das sind eben nur Schätzungen.

Zuverlässige Bevölkerungszahlen sind auch als Be-
rechnungsgrundlage für den Länderfinanzausgleich und
den kommunalen Finanzausgleich – wir haben es gehört –
notwendig. Das hat sich nach der Volkszählung von 1987
gezeigt, als in diesem Bereich nachhaltige Korrekturen
durchgeführt wurden. Die zum Zensusstichtag festgestell-
ten Einwohnerzahlen bilden die Grundlage für die Bevöl-
kerungsfortschreibungen. Aber es sind auch etwa
50 Rechtsvorschriften betroffen, für die die amtliche Ein-
wohnerzahl als wichtige Bemessungsgrundlage dient.
Hiervon sind noch andere Bereiche – sie wurden schon
genannt –, zum Beispiel die Einteilung der Wahlkreise,
die Bundesratsstimmen, die Berechnung von Sitzen bis in
die Vertretungen kommunaler Gebietskörperschaften, be-
troffen. Wir brauchen also dringend eine solche neue Zäh-
lung.

Dass der Zensus notwendig ist, darin sind wir uns ei-
nig. Dass wir ihn registergestützt machen, das ist neu.
Aber auch da sind wir uns einig. In der EU wird es ja
sehr unterschiedlich gemacht.

Nach dem Zensustest wird das Vorbereitungsgesetz
auf den Weg gebracht, das im Wesentlichen die techni-
schen und organisatorischen Voraussetzungen für den ei-
gentlichen Zensus schaffen soll. Hierbei geht es um den
Aufbau des Anschriften- und Gebäuderegisters, des ei-
gentlichen Instruments für den Zensus, der 2011 durch-
geführt wird.

Dem wird später das Zensusanordnungsgesetz folgen.
Ich sage dies, weil ich zwischen dem, was wir heute be-
schließen – den Aufbau des Instruments und die Weiter-
leitung der Daten –, und dem folgenden Anordnungsge-
setz – es bereitet Erhebungsmerkmale, Stichproben etc.
weiter vor – klar trennen möchte. In der Anhörung am
Montag ging es im Wesentlichen um das Anordnungsge-
setz, das noch folgen wird, nicht um das Gesetz, das wir
heute beschließen.

In der Anhörung wurde – Kollegin Piltz hat es er-
wähnt – auch die Einheitlichkeit der Erhebung angespro-
chen. Vor allem die Länder sind darauf eingegangen. Ich
gebe Ihnen recht, Kollegin Piltz: Es muss Rechtssicher-
heit gegeben sein. Ich bin mir aber sicher, dass Bund und
Länder, nachdem wir das vorliegende Gesetz beschlos-
sen haben, Einheitlichkeit herstellen werden. Nicht nur
der Bund, sondern auch die Länder sind nämlich sehr
stark an den Zahlen interessiert. Ich gehe davon aus, dass
wir dort einen gemeinsamen Weg finden werden.

Wenn man sich all dies vor Augen führt, dann blickt
man natürlich auch auf die verbleibende Zeit. Millionen
von Daten werden bewegt und zusammengeführt. Das
machen nicht nur Computer; das müssen auch Menschen
machen. Ende 2010 muss das Anschriften- und Gebäu-
deregister einsatzfähig sein. Im April 2008 – das heißt
bereits in einem halben Jahr – werden die ersten Daten
hierzu geliefert. Wir haben keine Zeit, die Verabschie-

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(C (D ung des Vorbereitungsgesetzes zu verschieben. Der eitpuffer ist aufgebraucht. Wir brauchen dieses Gesetz etzt. Liebe Kollegin Stokar, ich sage dies auch hinsichtich der Beratungen am gestrigen Tage, wo es um die ückstellung dieses Beschlusses ging. Ich bin mir siher, dass wir die notwendigen, wichtigen Dinge, die ventuell jetzt noch streitig erscheinen, bei der Umsetung klären können. Was wird denn eigentlich vorbereitet bzw. durchgeührt? Ich gehe auf diese Frage ein, um zu zeigen, was in en verbleibenden knapp drei Jahren – bis 2010 – umgeetzt werden muss. Eine Anschriftendatei für etwa 9 Millionen Wohnungen muss aufgebaut werden. Wir ragen Meldedaten bei den Meldebehörden an zwei tichtagen ab und verarbeiten diese; dabei geht es um ber 180 Millionen Datensätze. Wir fragen zum Ableich die Daten der Bundesagentur für Arbeit ab. Zuem wird eine postalische Gebäudeund Wohnungszähung mit Erhebung der Geodaten bei 17,5 Millionen ebäudeund Wohnungseigentümern erfolgen. Es soll ine primärstatistische Erhebung der Daten von etwa Millionen Personen erfolgen, die in sogenannten Son ergebäuden – Studentenheimen, Seniorenwohnheimen, nstalten etc. – leben. Darüber hinaus müssen drei Reister übereinandergelegt werden: die Melderegisterdaei, die Datei der Bundesagentur für Arbeit und die Daen der Landesvermessungsbehörden. Hinzu kommen ie Daten der Erhebungen zu den Sondergebäuden. Diese millionenfache Datenverarbeitung braucht Zeit. ir haben im Bundeshaushalt die ersten Weichen für das ächste Jahr gestellt. Die Erhöhung der Haushaltsmittel es Statistischen Bundesamtes um 16 Millionen Euro reultiert zu etwa drei Vierteln aus dem Zensus, den wir 011 erstellen wollen. Dafür werden etwa 60 Stellen, eilweise zeitlich befristet, eingerichtet. Auch die Länder erden entsprechend Personal einstellen. Am Ende noch ein Wort zur Frage des Datenschutzes, ie in der Anhörung eine wichtige Rolle gespielt hat. Die utachter, auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Scaar, haben nicht das vorgebracht, was wir vielleicht beürchtet haben. Frau Kollegin Piltz, wir haben uns sehr ohl an das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gealten. Mit dem Gesetzentwurf wird gewährleistet, dass in Hinund Rückfluss der Daten ausgeschlossen ist. Wir wollen die Daten nach sechs Jahren löschen. Man ag sich vielleicht darüber streiten, ob nicht fünf Jahre usreichen würden. (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Drei Jahre!)


Oder drei Jahre. – Schauen wir zunächst, dass wir die
aten auswerten. Erst danach können wir die Daten lö-

chen. Die Auswertung wird sicherlich nicht, wie es
987 der Fall war, zehn Jahr lang andauern. Wir brau-
hen aber etwas Zeit zur Auswertung. Danach werden
ie Daten gelöscht.

Der Gesetzentwurf sieht auch vor, zwischen den sta-
istischen und den Verwaltungsdaten zu trennen. Wir ha-
en all dies im Gesetz verankert.

11922 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



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Maik Reichel
Lassen Sie uns am heutigen Abend das Vorberei-
tungsgesetz beschließen, um 2011 einen für Bund, Län-
der und Gemeinden erfolgreichen Zensus durchführen
zu können.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611527000

Nun hat das Wort der Kollege Jan Korte für die Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Jan Korte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611527100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Man kann trefflich darüber streiten, ob es im Hinblick
auf den Datenschutz ein Fortschritt ist, dass ein register-
gestützter Zensus und nicht eine Vollerhebung mit Fra-
gebögen durchgeführt werden soll. Wenn ich einen Fra-
gebogen ausfülle, kann ich mich einmal nicht so genau
erinnern oder, wenn ich gar keine Lust habe, etwas preis-
zugeben, falsche Angaben machen. Das ist jetzt nicht
möglich. Deswegen kann man darüber trefflich streiten.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Herr Korte macht heute einen sehr ambitionierten Eindruck!)


Ich möchte drei Anmerkungen machen. Zum Ersten
finde ich eines etwas merkwürdig: Am Montag dieser
Woche haben wir, was erfreulich war, eine Anhörung zu
diesem wichtigen Thema, das auch hier für enorme
Emotionalität sorgt, durchgeführt. Von den Datenschüt-
zern wurden einige Bedenken vorgetragen, über die wir
diskutiert haben.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Hat er seine Rede vom letzten Mal eigentlich schon umgeschrieben?)


Aber was geschieht drei Tage später? Drei Tage später
steht die abschließende Beratung dieses Gesetzentwurfs
auf unserer Tagesordnung. Das ist vom Verfahren her
nicht in Ordnung. Wer so vorgeht, der nimmt die Sach-
verständigen nicht ernst. Wir wollen nach Möglichkeit
einen Erkenntnisgewinn erzielen. Dafür bräuchten wir
allerdings erst einmal das Protokoll der Anhörung. Erst
auf dieser Grundlage könnten wir den Gesetzentwurf
noch verändern.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Maik Reichel [SPD]: Sie haben nicht zugehört!)


Es wurde versucht, in diesem Entwurf eines Vorberei-
tungsgesetzes im Hinblick auf die Datenerfassung
Schranken zu setzen. Gleichzeitig werden diese Schran-
ken aber infrage gestellt. Mit diesem Gesetzentwurf wird
die Intention verfolgt, die Daten aus der Statistik nicht in
die Verwaltung zurückfließen zu lassen. Das ist aus-
drücklich zu begrüßen, da man sich Mühe gegeben hat,
die Trennung von Statistik und Verwaltung aufrechtzuer-
halten.

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(C (D Gleichwohl glaube ich, dass das ein leeres Versprehen ist; denn es geht darum, ob sich das in der Praxis ewährt. Hier habe ich erhebliche Zweifel, insbesondere eshalb, weil uns die Sachverständigen, die aus Stuttgart ngereist sind, deutlich gemacht haben, dass sie für ihre tadtverwaltung nach Möglichkeit alle Daten, die es ibt, gerne bekommen würden. Ich denke nicht, dass em durch dieses Vorbereitungsgesetz Einhalt geboten erden kann. Der zweite Punkt, den wir kritisieren – darauf hat uch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter chaar, hingewiesen –, hat mit der Gebäudezählung und em Adressenabgleich zu tun. Die Bundesregierung sagt elbst, dass es bisher kein Verfahren gibt, um eine Anoymisierung vorzunehmen, dass also eine Identifizieung der Bewohnerinnen und Bewohner möglich ist. (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss im Durchführungsgesetz geregelt werden!)


as ist der entscheidende Grund, warum wir diesem Ge-
etzentwurf nicht zustimmen können.

Zur dritten Bemerkung, die ich machen will. Natür-
ich handelt es sich nicht um irgendwelche Daten, die
esammelt werden sollen. Frau Köhler, ich finde, der
ehlerquotient der Daten – rund 1,5 Millionen bei rund
2 Millionen Einwohnern – ist relativ gering. Das hört
ich geradezu so an, als seien alle Daten, auf deren Basis
ie bisher Politik machen, grundfalsch; das denke auch

ch des Öfteren. Das würde eine Zählung allerdings not-
endig machen. Denn dann hätten Sie wirklich fast gar
eine Daten.


(Kristina Köhler [Wiesbaden] [CDU/CSU]: Haben Sie wirklich Soziologie studiert? Das merkt man leider gar nicht!)


ber es ist doch wohl nicht so, dass wir überhaupt keine
atengrundlage haben.

Grundsätzlich möchte ich Ihnen sagen: Natürlich ist
as Sammeln von Daten, zu welchen Zwecken auch im-
er – es gibt solche und solche –, nicht in dem einen
all grundsätzlich unproblematisch und in einem ande-
en Fall grundsätzlich problematisch. Das sage nicht nur
ch, sondern das sagt auch jemand, der unverdächtig ist,
ei uns tätig zu sein. Der ehemalige BND-Präsident
ansjörg Geiger hat heute – das ist also ganz aktuell –

ur Verarbeitung von Daten gesagt: „Daten, die einmal
a sind, werden weiter genutzt, Versprechen hin oder
er.“ Das ist mir wichtig. Ich finde, dass Sie einen sen-
iblen Umgang mit diesen Fragen leider sehr vermissen
assen.


(Beifall bei der LINKEN)


Der letzte Grund, warum wir diesem Gesetzentwurf
icht zustimmen können, ist, dass darin nicht konkret
argelegt wird – auch das wurde in der Anhörung teil-
eise angesprochen –, warum wir diese Volkszählung
berhaupt brauchen; das ist nicht klar. Sie kostet 500 Mil-
ionen Euro. Jetzt wird der Einwand angeführt, dass die
U ein Strafgeld androht. Das ist natürlich richtig. Aber
an könnte doch erst einmal abwarten, ob diese Strafe

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11923


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Jan Korte
nicht vielleicht niedriger ausfällt als der Betrag von
500 Millionen Euro, den wir für die Volkszählung aus-
geben müssten.


(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)


Wir erkennen nicht den Nutzen dieser Volkszählung.
Hier wird mit ungeheuren Mengen von Daten und mit
Daten der Bundesagentur für Arbeit herumhantiert. All
das halten wir für relativ bedenklich.


(Kristina Köhler [Wiesbaden] [CDU/CSU]: Sagen Sie einmal, Herr Korte: Haben Sie auch nur eine einzige Statistikvorlesung besucht?)


Hier muss noch massiv nachgebessert werden. Deswe-
gen lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab. Wir bleiben im
Gegensatz zu den Grünen konsequent.

Schönen Dank.


(Beifall bei der LINKEN – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das musste ja wieder kommen!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611527200

Letzte Rednerin in dieser Debatte ist nun die Kollegin

Silke Stokar von Neuforn für die Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Es ist doch schon alles gesagt, Frau Stokar! – Maik Reichel [SPD]: Aber noch nicht von jedem!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Er-
innerung an die Volkszählungsboykottbewegung erfüllt
mich eher mit Stolz.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das ist klar!)


Sie war ein Ausdruck von wirklich erfolgreichem zivi-
lem Ungehorsam.


(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Ja, ja, damals waren Sie noch jung!)


Die Volkszählungsboykottbewegung hat den Staat bzw.
die staatlichen Vertreter damals an den Rand des Ner-
venzusammenbruchs gebracht.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Gisela Piltz [FDP]: Jetzt tun Sie es!)


Aber was viel wichtiger war: Wir haben, und zwar au-
ßerhalb des Parlamentes, das berühmte Volkszählungsur-
teil erstritten, über das viele sagen: Das war die Geburts-
stunde des Datenschutzes in Deutschland.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Gisela Piltz [FDP])


Ich habe mich gefreut, wie oft bei der Sachverständigen-
anhörung aus diesem Volkszählungsurteil zitiert wurde.
Der Erfolg ist ja: Wir haben keine Volkszählung. Nie
wieder hat sich der Staat getraut, die Wohnungen der

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(C (D ürgerinnen und Bürger mit einem Fragebogen zu betreen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Wir tun nur so! – Kristina Köhler [Wiesbaden] [CDU/CSU]: Das ist kein Erfolg!)


ie wieder ist eine Volkszählung wie damals in Erwä-
ung gezogen worden. Das ist nachhaltig erfolgreiche
olitik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ralf Göbel [CDU/CSU]: Deswegen wissen wir nicht, wie viele Einwohner wir haben!)


Wir stimmen der registergestützten Volkszählung
der dem Zensus zu, weil es – Ihr Zwischenruf war ja
ichtig – darum geht, die korrekte Zahl der Einwohner
nd Einwohnerinnen in unseren Kommunen festzustel-
en. Da kann ich es mir nicht so einfach machen wie
err Korte. Denn es geht hier auch um Fragen der Ge-

echtigkeit. Zum einen geht es darum, wie der Finanz-
usgleich zwischen Deutschland und Europa in be-
timmten Regionen geregelt wird. Das kann durchaus
um Ergebnis haben, dass Deutschland insgesamt weni-
er zahlen muss. Wichtiger ist aber der kommunale Fi-
anzausgleich. Zur gerechten Verteilung der Steuern
rauchen wir den korrekten Einwohnerschlüssel. Ich
enke, man sollte sich nicht aus Ideologie dagegen wen-
en. Die Ergebnisse werden auch für den Finanzaus-
leich vieler Gemeinden in den neuen Bundesländern
ichtig sein.

Lassen Sie mich kurz begründen, warum wir uns ent-
alten. Ein Teil der handwerklichen Fehler in diesem
esetzentwurf ist von Frau Piltz benannt worden. Wir
ätten es begrüßt, wenn sich das Ministerium im Vorfeld
it Ländern und Kommunen über die Aufteilung der
osten geeinigt hätte. Ich habe jetzt nicht die Zeit, die
omplizierten verfassungsrechtlichen Fragen – gerade
eit der Föderalismusreform – darzulegen. Kurz gesagt
st es so: Der Bund verlangt von den Kommunen eine
eistung, und die Aufteilung der Kosten ist nicht geklärt.

Wegen der fehlenden Bundeseinheitlichkeit in der
ethode der Erhebung wird der nächste Volkszählungs-

oykott weder von der Linksfraktion noch von den Bür-
erinnen und Bürgern – die vom Zensus gar nichts mer-
en – ausgehen. Der Volkszählungsboykott wird von den
ommunen ausgehen, die ja ein erhebliches finanzielles

nteresse daran haben, dass es zu einer gerichtsfesten Er-
ebung der Einwohnerzahl kommt. Hier, meine Damen
nd meine Herren aus dem Innenministerium, haben Sie
andwerklich schlecht gearbeitet, hier provozieren Sie
hne Not eine Klageflut. Wir hätten es begrüßt, wenn
ie sich mit Ländern und Kommunen im Vorfeld über
ie Detailfragen geeinigt und die ja zum Teil richtigen
inwände aus dem Bundesrat aufgenommen und einge-
rbeitet hätten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Letzter Punkt: Datenschutz. Es ist schon gesagt wor-
en, wir sollten die Daten nicht sechs Jahre aufheben; das
st eine völlig willkürliche Zahl. Die Hälfte, drei Jahre,

11924 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Silke Stokar von Neuforn
reicht voll und ganz aus. Nicht im Zensusvorbereitungs-
gesetz, Herr Korte, sondern im Durchführungsgesetz
werden wir genau darauf achten, dass die Georeferenzda-
ten, wie es der Datenschutz gebietet, anonymisiert wer-
den.

Auch bei einem anderen Punkt sind wir nicht einver-
standen: bei der Trennung von Verwaltung und Statistik,
die mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor-
gegeben ist. Das gehört nicht in die Begründung, das ge-
hört in das Gesetz.

Wir hätten zugestimmt, wenn Sie ordentlich gearbei-
tet hätten.


(Maik Reichel [SPD]: Dann müssen Sie zustimmen!)


Das haben Sie nicht; deswegen enthalten wir uns heute.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611527300

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Zensus-
vorbereitungsgesetzes 2011. Der Innenausschuss emp-
fiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 16/6455, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
auf Drucksache 16/5525 in der Ausschussfassung anzu-
nehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
der Ausschussfassung zustimmen, um das Handzeichen. –
Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Ko-
alitionsfraktionen bei Enthaltung der Fraktion der FDP
und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Gegen-
stimmen der Fraktion Die Linke angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Dann ist der Gesetz-
entwurf auch in dritter Beratung mit dem gleichen Stim-
menergebnis angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion der FDP auf Druck-
sache 16/6459. Wer stimmt für diesen Entschließungsan-
trag? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Dann ist der
Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen
der FDP-Fraktion abgelehnt.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 13 a und b auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Christel Happach-Kasan, Dr. Hermann Otto
Solms, Hans-Michael Goldmann, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der FDP

Rein-Biokraftstoffe von Besteuerung bis 2009
befreien und den Bericht zur Steuerbegünsti-

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(C (D gung für Biokraftund Bioheizstoffe umgehend vorlegen – Drucksache 16/5133 – Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit b)

Kurt Hill, Eva Bulling-Schröter, Lutz Heilmann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Stufenbesteuerung und Quotenpflicht bei Bio-
kraftstoffen zurücknehmen – Nachhaltigkeits-
kriterien umgehend einführen

– Drucksache 16/5679 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
raktion der FDP sechs Minuten erhalten soll. – Ich höre
azu keinen Widerspruch. Dann werden wir so verfah-
en.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
erin der Kollegin Frau Dr. Christel Happach-Kasan für
ie FDP-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1611527400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

och in der letzten Legislaturperiode habe ich eigentlich
icht erwartet, dass ein solcher Tagesordnungspunkt im
eutschen Bundestag aufgerufen werden würde. Ich
abe fest darauf vertraut, dass es bis 2009 die beschlos-
ene Steuervergünstigung für Biodiesel geben würde.
as ist nicht eingetreten. Durch den Koalitionsvertrag
urde eine beispielhafte Erfolgsgeschichte des Biodie-

els abrupt beendet.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Mit privatem Geld – unterstützt durch öffentliche För-
erungen – sind Millionen Euro investiert worden. Etwa
0 Anlagen sind in Deutschland dezentral entstanden.
it der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages wurde

iese Erfolgsgeschichte schlicht abgeschlossen. Verläss-
iche Politik ist für uns in der FDP etwas ganz anderes.

Minister Gabriel hat noch im September 2005 ein
lammendes Plädoyer für den Biodiesel gehalten. Zwei

onate später hatten er und die CDU/CSU-Fraktion das
rotz aller anderslautenden Erklärungen vergessen. Die
uswirkungen für die mittelständisch geprägte Biokraft-

toffbranche sind dramatisch. Schon im Frühjahr warnte

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11925


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das Bundesamt für Güterverkehr, dass der Biokraftstoff-
markt mit Einsetzen der zweiten Steuerstufe am
1. Januar 2008 zusammenbrechen wird. Schon jetzt ist
die Hälfte der Kapazitäten stillgelegt. Das ist eine im-
mense Kapitalvernichtung. Fast neue Anlagen werden
stillgelegt und durch die Entscheidung der Bundesregie-
rung zu Ruinen.

Doch Finanzminister Steinbrück handelt rein fiska-
lisch. Obwohl die Steuereinnahmen durch die wirtschaft-
liche Aktivität der Biokraftstoffbranche den theoretisch
entgangenen Einnahmen durch die Steuer entsprochen
haben, hat er die Abschaffung der Steuervergünstigung
durchgesetzt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der
Union – Herr Schindler persönlich – und auch von der
SPD, alle Briefe an den Finanzminister waren reine
Showveranstaltungen. Einige waren vielleicht gut ge-
meint – sie waren im Wesentlichen an die eigene Klientel
gerichtet –, aber in der Sache vollkommen wirkungslos.

Kollege Wissing hat vor kurzem im Finanzausschuss
einmal nachgefragt, ob die Bundesregierung beabsich-
tigt, das Gesetz zu ändern. Dies ist bis heute nicht der
Fall. Ich fordere die Kolleginnen und Kollegen von SPD
und Union auf, gemäß ihren Worten zu handeln. Fordern
Sie den Finanzminister dazu auf, dieses unsägliche Ge-
setz mit Ihnen zusammen abzuschaffen.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])


Ansonsten sind Ihre Showveranstaltungen wirklich ab-
solut nichts wert.

In jeder Klimaschutzpolitik hat die energetische Nut-
zung von Biomasse eine entscheidende Bedeutung. Bis
2020 soll der Anteil der erneuerbaren Energien am Pri-
märenergieverbrauch 20 Prozent betragen. Schon jetzt
hat die energetische Nutzung von Biomasse den größten
Anteil an den erneuerbaren Energien. Bundesminister
Seehofer hat in der Haushaltsdebatte von 70 Prozent ge-
sprochen. Aber für den Biokraftstoffmarkt rührt er kei-
nen Finger. Ich bin der Auffassung, dass die Bundesre-
gierung damit das Vertrauen verwirkt hat. Sie ist nicht
zuverlässig und kein Partner, der Planungssicherheit für
Betriebe verspricht.

5,3 Prozent des Primärenergieverbrauchs werden
durch erneuerbare Energien erzeugt. Der Anteil der
Energie aus Biomasse beträgt 70 Prozent. Nur über die
Nutzung der Biomasse werden wir die Klimaschutzziele
dieser Bundesregierung erreichen können. Wir alle wis-
sen, dass dies gemessen an den Forderungen von Ver-
bänden noch eine sehr geringe Zielsetzung ist. Das heißt,
es müssen sehr viel stärkere Anstrengungen erfolgen als
bisher. Dafür bietet diese Bundesregierung nicht die
richtigen Rahmenbedingungen.

Mit der Einführung des Beimischungszwangs haben
die großen Mineralölkonzerne eine kostengünstige Mög-
lichkeit erhalten, die EU-Vorgabe eines Anteils an bioge-
nen Kraftstoffen in Höhe von 5,75 Prozent bis 2009 um-
zusetzen.

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(C (D (Reinhard Schultz [Everswinkel] [SPD]: Diese Vorgaben gab es zu der Zeit noch gar nicht!)


ie Konzerne werden sich mit billigen Importen versor-
en. Wie wir wissen, stammen etwa 50 Prozent der Im-
orte aus dem Ausland. Bei diesen Importen wird billi-
end in Kauf genommen, dass auf Flächen produziert
ird, die vor kurzem noch Urwald waren. Zwar sind
ertifikate in Arbeit, aber derzeit gibt es noch keines,
as glaubwürdig die Herkunft von Pflanzenölen aus
achhaltigem Anbau garantiert. Die Urwaldzerstörung
ird billigend in Kauf genommen, damit sich die Mine-

alölkonzerne mit billigem Rohstoff versorgen können.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich bin der Meinung, dass sich Nahrungsmittelpro-
uktion und Energiepflanzenproduktion nicht gegensei-
ig ausschließen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ch bin der Meinung, dass beides parallel möglich ist,
enn wir dafür die geeigneten Marktbedingungen schaf-

en. Die Doppelstrategie, die Nahrungsmittelproduktion
it der Produktion von Biomasse für die Energiegewin-

ung zu kombinieren, stärkt gleichzeitig den ländlichen
aum. Wir müssen feststellen, dass der ländliche Raum
om Anbietermarkt zu einem Nachfragemarkt geworden
st. Damit können bessere Preise erzielt werden. Wie wir
issen, sind die Lebensmittelpreise in Deutschland so
iedrig wie nirgends. Dies ist erst gestern beim Parla-
entarischen Abend des Raiffeisenverbands noch ein-
al sehr drastisch dargestellt worden. Ich meine, dass

as eine gute Chance ist.

Notwendig ist aber auch die Förderung innovativer
rodukte; denn anders können sie sich nicht am Markt
urchsetzen. Deswegen verlangen wir von der Bundes-
egierung eine Förderstrategie, die den Unternehmen
lar aufzeigt, welche Ziele gesetzt worden sind, mit wel-
hen Mitteln sie erreicht werden und welche Möglich-
eiten sie erhalten, die von ihnen getätigten Investitio-
en in Gewinne umzusetzen.

Wir setzen uns dafür ein, dass die vorhandenen Kapa-
itäten für Biodiesel genutzt werden. Zurzeit ist die
älfte der Anlagen stillgelegt. Das heißt, es werden
Millionen Tonnen CO2 in die Luft geblasen, obwohl
ir die notwendigen Kapazitäten hätten, um dies zu ver-
eiden.


(Reinhard Schultz [Everswinkel] [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)


Wir brauchen ein Gesamtkonzept zur Förderung von
iokraftstoffen. Uns ist bewusst, dass Rapsmethylesther
icht das letzte Wort ist; darin liegt aber eine Chance.
ie Entwicklung von Technologien wurde angestoßen.
ie Entwicklung von BTL-Kraftstoffen stockt, wie wir
issen.

Ich begrüße es, dass Schwarz-Rot gestern erklärt hat,
ass die energetische Nutzung von tierischen Nebenpro-
ukten inzwischen auch von Ihnen anerkannt wird. Es ist

11926 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


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Dr. Christel Happach-Kasan
höchste Zeit, dass Sie diesen rationalen Weg beschreiten.
Wir haben das zwar seit längerem gefordert, sind aber
immer wieder von Ihnen verleumdet worden. Es ist aber
nur ein Baustein eines dringend erforderlichen Gesamt-
konzepts, das wir von Ihnen einfordern. Wir fordern au-
ßerdem die Änderung des Energiesteuergesetzes sowie
die Nichteinführung der zweiten Stufe am 1. Januar
2008 und damit eine Chance für die Biokraftstoffe in
Deutschland.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611527500

Nächster Redner ist der Kollege Norbert Schindler für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1611527600

Guten Abend, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!

Guten Abend, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Frau Dr. Happach-Kasan, erstens hat
das Parlament ein Initiativrecht im Zusammenhang mit
dieser Problematik, das wir auch wahrnehmen werden.


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann nehmen Sie es doch mal wahr!)


Die Bundesregierung muss nicht tätig werden. Darauf
haben Sie gestern hingewiesen, Frau Staatssekretärin
Hendricks. Verlassen Sie sich darauf: Wir werden tätig.


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hören wir seit über einem Jahr! Nichts ist geschehen!)


– Herr Kollege Fell, wir brauchen dafür den Bericht der
Bundesregierung; das wird Kollege Schultz nachher
deutlich machen. Wir müssen das in direkter Abstim-
mung mit der Europäischen Union regeln; das wissen
alle Insider. Gemach bei diesem Thema! Es muss richtig
gemacht werden. Ich teile sicherlich die Kritik: Es wird
höchste Zeit, dass etwas getan wird.

Frau Happach-Kasan, ich weiß, wie schwer sich Ihre
Fraktion 2003 und 2004 in der Diskussion über die Steu-
erbefreiung im Finanzausschuss getan hat.


(Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Das ist mir bewusst! – Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben dazugelernt!)


Wenn ich die Folgen aus der damaligen Argumentations-
linie für heute sehe, dann bin ich nicht verwundert. Ich
kann nur sagen: Damals wurde der richtige Weg einge-
schlagen.


(Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Richtig!)


Die Große Koalition hat sicherlich Probleme bekom-
men. Uns fehlen für die Haushaltskonsolidierung viel-
leicht 1 Milliarde bis 2,5 Milliarden Euro, wenn die Ent-
wicklung gerade beim Biodiesel so weitergeht.

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(C (D (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die werden aber noch einmal fehlen, weil es keinen Biodiesel gibt!)


ir haben aber mit Blick auf die nächste Generation
ersprochen, die Schulden deutlich zurückzufahren. Wir
aben einen sehr erfolgreichen haushaltspolitischen
urs eingeschlagen. Lob als Schwarzer dem roten Fi-
anzminister!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


as ist eine gute Entwicklung.

Wir sind außerdem zu der Überzeugung gekommen,
ass wir angesichts der Entwicklung der Investitionen
005 – man ist einfach davon ausgegangen, dass der
taat die Steuerfreiheit bis 2009 aufrechterhält – die In-
estitionsbereitschaft dringend bremsen müssen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611527700

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

ollegin Höhn?


Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1611527800

Bitte schön.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611527900

Danke schön, Herr Kollege. – Herr Kollege

chindler, ist Ihnen bekannt, dass damals diverse Kolle-
en der Großen Koalition im Bundestag gegen den Ge-
etzentwurf der Bundesregierung gestimmt haben und
inem Antrag der Grünen gefolgt sind, der zum Ziel
atte, Biodiesel nicht zu besteuern? Unterstellen Sie,
ass diese Kollegen die finanziellen Berechnungen, die
ie nun angestellt haben, nicht nachvollziehen können
nd den Haushalt nicht sanieren wollen, oder haben
iese Kollegen eher daran gedacht, dass durch neue Un-
ernehmen neue Einnahmen für das Land entstehen und
ine neue mittelständische Struktur in diesem Bereich
ufgebaut wird?


Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1611528000

Frau Kollegin Höhn, damals wurden gar keine Be-

echnungen angestellt. Dass es in der damaligen rot-grü-
en Regierung Befürworter gab und dass ich bei unseren
inanzpolitikern Überzeugungsarbeit leisten musste, ist
ns doch allen bekannt. Die geplante steuerliche Frei-
tellung bis 2009 hat dazu geführt, dass man mit Lobby-
olitik auf unbedingten staatlichen Schutz beharrt hat,
m Investitionen tätigen zu können. Wir müssen aber
uch zur Kenntnis nehmen, dass Deutschland als Steuer-
and in der Europäischen Union nicht alleine ist. In den
amaligen Verhandlungen der Koalition über eine hö-
ere Mehrwertsteuer und eine Eindämmung der Steuer-
usfälle in diesem Bereich war für mich die Aufhebung
er Steuerfreiheit leider die höhere Staatseinsicht. Ich
abe mich den sehr vernünftigen Argumenten für eine
taatsphilosophie der Entschuldung gebeugt und der Ko-
litionsvereinbarung zugestimmt; dazu stehe ich.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11927


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Norbert Schindler

(Beifall bei der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Okay, das wollte ich hören!)


Angesichts der Einnahmen aus der Diesel- und Mine-
ralölsteuer in Milliardenhöhe und der Tatsache, dass Un-
garn und Franzosen für den deutschen Markt produzie-
ren, war es wichtig, hier einen Riegel vorzuschieben.
Das hören Ölmüller weiß Gott nicht gerne. Aber 2009
hört es noch nicht auf. Wir werden für den Rapsölbe-
reich eine Auslauffrist und entsprechende Steuersätze
festlegen.

Das Problem in Europa und vor allem in Deutschland
ist, dass der Markt unter einer Überproduktion, insbe-
sondere unter importierten Dieselersatzstoffen aus der
Europäischen Union, zu leiden hat. Derzeit wird in deut-
schen Häfen versucht, Palmöl anzudienen. Natürlich
brauchen wir eine Nachhaltigkeitsregel. Natürlich brau-
chen wir die Abstimmung mit der Europäischen Union,
damit nicht in der Dritten Welt Urwaldflächen und Wei-
deflächen umgebrochen werden und darauf für den Ex-
port in die Europäische Union produziert wird. Bei aller
Ungeduld, die auch ich bei diesem Thema habe, muss
ich Sie um etwas Geduld bitten, bis der Bericht, der zwi-
schen der Bundesregierung und der Europäischen Union
abzustimmen ist, auf den Tisch kommt.

Für unsere deutschen Erzeuger kommt die Entwick-
lung der Nahrungsmittelpreise der letzten Wochen und
Monate hinzu. Es erinnert an ein Tollhaus, wie in diesem
Zusammenhang argumentiert wird. Wenn 100 Einheiten
eines Produkts angeboten werden, aber 101 Einheiten
gebraucht werden, dann spricht man schon von einem
knappen Markt. Werden aber 102 Einheiten angeboten,
besteht angeblich ein Überangebot. Man reagiert derzeit
sehr empfindlich. Manche Vertreter der Nahrungsmittel-
branche argumentieren, auch das Bier müsse teurer wer-
den. Ein Kasten Bier kostet in der Bundesrepublik
Deutschland im Durchschnitt 14 Euro. Der Anteil der
Gerste an einem Kasten Bier macht 0,36 Euro aus. Wenn
der Preis der Gerste auf 40 oder 42 Cent steigt, dann
wird argumentiert, der Preis eines Kastens Bier müsse
um mehrere Prozent erhöht werden. So wird oft dumm
und plakativ, aber trotzdem geschickt argumentiert.

Es gibt keine Verknappung von Nahrungsmitteln, üb-
rigens auch keine Verknappung von nachwachsenden
Rohstoffen. Im kommenden Jahr werden einige Millio-
nen Hektar frei, was mit der Aufhebung der Zwangsstill-
legung von Flächen in der Europäischen Union zusam-
menhängt. Dann haben wir genügend Ertragspotenzial,
um auch diesen Markt wieder vernünftig zu bedienen.

Ich hoffe, dass sich die Preisentwicklung, die wir der-
zeit gerade bei Getreide haben, fortsetzt, aber ich be-
fürchte, dass es sich um eine Blase handelt. Ab Januar,
Februar gibt es wieder Getreideernten auf der Südhalb-
kugel der Erde. Sie werden sehen, dass sich der Markt
beruhigt. Ich sage meinen Bauern immer: Besser mit
Reue verkauft, als mit Reue behalten. Das gilt vor allem
für die, die derzeit horten. Dass wir bei Milch und
Milchprodukten endlich auf das Preisniveau von vor
20 Jahren zurückkommen, haben die Bauern für die

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(C (D eistung, die sie auf ihren Höfen erbringen, weiß Gott erdient. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es wird über einige Optionen diskutiert. So werden
peziell zum öffentlichen Nahverkehr – Stichwort Frei-
tellung – Überlegungen angestellt. Ich plädiere dafür,
ass mindestens eine Steuerstufe ausgesetzt wird. Am
esten wäre es, sie zu streichen, weil derjenige, der einen
ieselmotor kauft, eine Ersparnis von 8 Cent erzielen
uss, um die Mehrkosten des Motors auszugleichen.
ann ist er auch bereit, klimabelastende Stoffe nur noch

n geringem Maße zu benutzen.

Wir diskutieren derzeit intensiv über die Nachhaltig-
eitsregel. Es geht um die Frage, wie wir uns WTO-ver-
räglich schützen, damit wir nicht unter Billigimporten
u leiden haben. Wenn in Malaysia Waldflächen gerodet
erden, um darauf für den Export in die Europäische
nion zu produzieren, dann kann man nicht von Nach-
altigkeit sprechen. Die europäische Landwirtschaft
ber muss das Gebot der Nachhaltigkeit erfüllen. Wir
rauchen deshalb die Unterstützung der Europäischen
nion. Das betrifft auch die Produktion von Ethanol.
as sollte man nicht vergessen. Es geht nicht nur um
iodiesel, sondern auch um den Ersatz von Benzin. Es

tellt sich dann die Frage, wie wir mittels einer höheren
wangsbeimischung den Markt entlasten können.

Es bedarf schon einer guten Abstimmung innerhalb
er Koalition, um die anstehenden Fragen zu beantwor-
en. Ich räume ein, dass wir noch nicht bei allen Punkten
ine gemeinsame Linie gefunden haben. Aber wir be-
ommen das in den nächsten Wochen hin. Wir müssen
s hinbekommen. Es besteht dringender Handlungsbe-
arf. Aktiver Umweltschutz darf nicht nur in der Dritten
elt stattfinden, sondern muss auch in Deutschland und

uropa gefördert werden. Wir waren wieder einmal die
rsten, die die bahnbrechende Entwicklung angestoßen
aben. Verstärkt ist das unter Rot-Grün geschehen. Ich
abe kein Problem damit, das anzuerkennen. In der ers-
en Phase war aber die jetzige Bundeskanzlerin Umwelt-
inisterin der Bundesrepublik.

Wir brauchen eine Korrektur der zu rigiden Be-
chlüsse, die wir gefasst haben. Da gebe ich der Opposi-
ion recht. Das war auch meine persönliche Meinung.
ie wissen aber, wie es in der Politik und mit den Inte-
essen der Mineralölwirtschaft ist. Ich komme vom Dorf.
er Ministerpräsident meines Landes hat diesen Spruch
on mir gern übernommen – ich wiederhole ihn hier –:
n der Politik und in der Koalition ist es so, wie wenn Sie
m Dorf auf die Musi gehen: Sie können nur mit den Mä-
els tanzen, die da sind.

Man braucht einen Kompromiss, damit es in dieser
rage wirklich mit Vernunft weitergeht. Ansonsten wä-
en die Investitionen im ländlichen Raum weiß Gott
lödsinn und eine absolute Katastrophe. Das kann es
icht sein. Wir brauchen unbedingt Morgenstimmung,
amit es auch in diesem Bereich weitergeht. Dabei ist
bzuwägen: Den ersten Rang hat natürlich die Nah-
ungsmittelproduktion. Das sind 90 Prozent des land-

11928 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


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Norbert Schindler
wirtschaftlichen Ertragspotenzials. Darin enthalten sind
die großen Auflagen wie Cross-Compliance und Um-
weltschutz. Wenn wir aber 10 Prozent der europäischen
Agrarflächen auf Dauer für die Schaffung von Unabhän-
gigkeit in einem Teil der Energieversorgung vorsehen
können, haben wir einen Ausgleich an den Märkten.
Jetzt wäre aber die Gefahr nach dem Motto „Rein in die
Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ gegeben. Das wer-
den wir nicht tun. Verlassen Sie sich darauf!

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611528100

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Kirsten

Tackmann für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611528200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Gäste! Herr Schindler, mit Ihrer Biokraftstoffpoli-
tik werden Sie wahrscheinlich beim nächsten Tanz sitzen
bleiben und nicht abgeholt werden, weder von den vor-
handenen Bräuten noch von irgendjemand anders.

Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Für die Linke
ist Ihre Biokraftstoffstrategie deutlich gescheitert. Dieses
Scheitern ist unübersehbar und auch nicht überraschend.
Sie selbst haben es dargestellt: Gerade die klein- und
mittelständischen Biodieselhersteller haben entweder
geschäftliche Schwierigkeiten oder stehen schon vor der
Pleite. Zwei Drittel der deutschen Biodieselhersteller
stehen vor dem Aus, so meldet Agra-Europe. Damit ste-
hen auch die regionalen Versorgungsstrukturen, die ei-
nen ganz anderen Markt darstellen als die Tankstellen
– das wissen Sie wahrscheinlich genauso gut wie ich –,
und Arbeitsplätze vor allem im ländlichen Raum vor
dem Aus.

Wir können weitermachen mit dem Bioethanolwerk
in Schwedt, das gerade die Produktion auf null herunter-
gefahren hat. Man kann zu Projekten wie in Schwedt ste-
hen, wie man will. Eines ist aber Fakt: Dort sind Förder-
mittel in Millionenhöhe in den Sand gesetzt worden.


(Reinhard Schultz [Everswinkel] [SPD]: Aber nicht wegen dieser Strategie!)


– Das hat aber damit zu tun; denn Sie haben das mit ein-
bezogen.


(Reinhard Schultz [Everswinkel] [SPD]: Die Produkte in Schwedt sind nie steuerlich gefördert worden!)


– Sie können gern eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie
darauf Wert legen.

Die Hoffnung auf eine zukünftige ökologische Kraft-
stoffstrategie mit einheimischen Rohstoffen ist damit
vergeigt. Das Schielen auf kurzfristige Steuereinnahmen
lässt die vielleicht in einigen Jahren sprudelnde Quelle
schon jetzt versiegen. Diese Politik widerspricht auch
den angeblich so ambitionierten Klimaschutzzielen Ihrer
Regierung. Sie hat zudem soziale Folgen, weil Arbeit-

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(C (D ehmerinnen und Arbeitnehmer in dieser jungen Branhe vor der Entlassung stehen. Für meine Fraktion gibt es dafür ganz klar zwei ründe: die Zwangsbeimischungsquote und die „Straf teuer“ für Biokraftstoffe, wie ich sie einmal benennen öchte. Bereits nach nur einem Jahr Wirkungszeit dieser eiden Maßnahmen ist der Biospritmarkt im Prinzip kautt; die Klimaschutzziele haben Sie gleich mit aufgegeen. Dabei wird jetzt – Sie selbst haben es genannt – masenweise Palmund Sojaöl importiert, deren Produktion un wirklich nicht klimafreundlich ist: Tropenwälder erden abgeholzt. Landarbeiterinnen und Landarbeiter erden ausgebeutet. Kleinbauern werden vertrieben. Sol he Raubbauimporte sind weder klimafreundlich noch ozial. Die Linke fordert daher ganz dringend ein wirksaes Zertifizierungssystem für den nachhaltigen Anbau on nachwachsenden Rohstoffen, und zwar sowohl für uropa als auch für Importe aus Drittländern. Diese Zer ifizierung muss nach strengen sozialen und ökologischen tandards erfolgen. Wie zahlreiche Fachleute haben auch wir von Anfang n gewarnt. Wenn Sie die Mineralölkonzerne dazu verflichten, dem herkömmlichen Sprit einen Mindestanteil n Biodiesel oder Bioethanol beizumischen, sorgen Sie afür, dass die Konzerne Zugriff auf den Bioenergiearkt bekommen. Diese Konzerne bedienen sich jetzt es importierten Palmund Sojaöls, das nicht ökologisch ergestellt wurde. Sie können damit ihre Biokraftstoffeimischungsquote und alle anderen Vorgaben erfüllen. ie Folge davon sind Dumpingpreise auf dem Biospritarkt, mit denen die einheimischen Produzenten nicht ithalten können, weil die natürlich zu anderen Bedin ungen produzieren. Gerade die europäischen Landwirtinnen und Landirte hätten die Chance, Biosprit klimaneutral zu erzeuen, wenn sie nach guter fachlicher Praxis mit angepassen Fruchtfolgen und mit Düngemitteleinsatz nach ugenmaß produzieren könnten. Statt das zu fördern, ersucht die Bundesregierung, durch Besteuerung Geinne abzuschöpfen, die nirgendwo wirklich existieren. Außerdem will sie den Biospritanteil jetzt auch noch uf 20 Prozent steigern, (Norbert Schindler [CDU/CSU]: Den Energieanteil! Nicht im fossilen Bereich!)


(Beifall bei der LINKEN)


bwohl der Sachverständigenrat für Umweltfragen fest-
estellt hat, 7 Prozent seien auf Basis der einheimischen
essourcen zu decken;


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: 10 Prozent!)


lles andere müsse importiert werden. Ich sage: Oder wir
eduzieren den Kraftstoffverbrauch der Autoflotte dras-
isch und benutzen mehr Bus und Bahn. Andernfalls
ird der deutsche Biokraftstoffmarkt von billigen und
limaunfreundlichen Exporten überflutet oder werden
hre Klimaschutzziele nicht erfüllt.

Aus unserer Sicht gibt es aber sehr wohl soziale und
kologische Alternativen zu Ihrer Politik. Wir haben sie

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11929


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Dr. Kirsten Tackmann
in unserem Antrag niedergeschrieben und freuen uns
sehr auf die Diskussion. Wir hoffen auf Besserung.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611528300

Nun hat das Wort der Kollege Reinhard Schultz für

die SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Reinhard Schultz (SPD):
Rede ID: ID1611528400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn man sich die Anträge der FDP und der Linken
oder die Flugblätter und Zuschriften vieler Verbände aus
der Biokraftstoffszene anschaut, dann muss man wirk-
lich glauben, dass der Untergang nahe sei und dass der
Zusammenbruch unmittelbar bevorstehe;


(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Fahren Sie mal über das Land!)


die Ursache liege ausschließlich in der neuen Biokraft-
stoffstrategie der Bundesregierung „Weg von der steuer-
lichen Förderung, hin zur Beimischungspflicht“.

Wie die Zahlen zeigen, haben diese Parolen mit der
Wirklichkeit überhaupt nichts zu tun – im Gegenteil. Ich
kann Ihnen hier heute Abend die freudige Botschaft ver-
künden, dass der Biokraftstoffabsatz in Deutschland im
ersten Halbjahr 2007 so hoch war wie noch nie zuvor.
Das gilt natürlich auch im Vergleich zum Vorjahr, als es
noch die steuerliche Förderung und keine Beimischungs-
pflicht gab.

Die Steuerstatistik ist aussagekräftig; denn die Kraft-
stoffe insgesamt unterliegen der Besteuerung. Aus der
Steuerstatistik geht hervor, dass bei uns im ersten Halb-
jahr 2007 bereits über 970 000 Kubikmeter reiner Bio-
diesel und 367 000 Kubikmeter reines Pflanzenöl in Ver-
kehr gebracht wurden. Das sind insgesamt wesentlich
größere Mengen, als es im Jahr zuvor der Fall gewesen
ist. Hinzu kommt natürlich noch das, was dem fossilen
Kraftstoff beigemischt wird. Wir können heute sagen:
Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2006 haben wir so-
wohl im Bereich der reinen Biokraftstoffe als auch ins-
gesamt – also einschließlich der Produkte mit Beimi-
schungen – einen Zuwachs von 20 Prozent, und die
Tendenz ist steigend.

Die Sorgen, die uns vor einigen Monaten zum Teil
vorgetragen worden sind, waren darin begründet, dass
wir einen ausgesprochen warmen Winter hatten – das hat
sich auf die Vergleichspreise niedergeschlagen – und
dass die Rohstoffpreise exponentiell angestiegen sind
– das tun sie zum Teil auch jetzt noch –, und daraufhin
hat sich eine Schere geöffnet, mit der Folge, dass der
eine oder andere Marktteilnehmer wirklich Existenz-
ängste bekommen hat. Zum Teil hat man die Reißleine
gezogen, seine Anlagen abgebaut und sich im Ausland
angesiedelt.

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(C (D Wir haben heute eine völlig andere Situation: Die ankstellenpreise sind ausgesprochen hoch, und die ohstoffpreise flachen leicht ab. Im Augenblick verdient an sehr gut. Auf das gesamte Wirtschaftsjahr bezogen, ässt sich sagen: Man wird weiterhin gut verdienen. Das st schon jetzt erkennbar. Selbst im Bereich des reinen flanzenöls tätige Unternehmen – Speditionen sind ins usland gegangen, etwa nach Polen, weil sie dort be teuerten Diesel günstiger tanken konnten als nun fast teuerbefreiten Biodiesel in Deutschland – sind nach eutschland zurückgekehrt, nachdem sich die Preise eltweit geändert hatten. Allein der Absatz von reinem flanzenöl wird in diesem Jahr erstmals bei über Million Tonnen liegen. Das hätte niemand für möglich ehalten. Das ist die Wirklichkeit. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Sie können doch keine Statistiken, die sich lediglich
uf Monate beziehen, zum Abbild der gesamtwirtschaft-
ichen Wirklichkeit erklären; vielmehr müssen Sie eine
angfristige Betrachtung der Wirtschaft – wenigstens
ine einjährige – vornehmen, so wie wir es in unserem
iokraftstoffbericht letztendlich tun werden. 2007 wird

ür die Biokraftstoffbranche ein Rekordjahr im Vergleich
u den Jahren vorher. Wir haben den Ehrgeiz zu errei-
hen, dass diese Entwicklung so weitergeht, und zwar
icht auf der Grundlage von Importen, sondern im We-
entlichen auf der Grundlage einheimischer Wertschöp-
ung.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611528500

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

ollegin Dr. Happach-Kasan?


Reinhard Schultz (SPD):
Rede ID: ID1611528600

Selbstverständlich.


Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1611528700

Herr Kollege Schultz, verstehe ich Sie richtig, dass

ie der Einschätzung Ihres Kollegen Schindler wider-
prechen, also nicht planen, das Energiesteuergesetz zu
ndern?


Reinhard Schultz (SPD):
Rede ID: ID1611528800

Meine liebe Frau Kollegin, ich habe noch einige Mi-

uten Redezeit. Die werde ich darauf verwenden, die
trategie für die Zukunft darzustellen. Warten Sie das in
uhe ab. Selbstverständlich werden wir gemeinsam
och etwas ändern. Wir werden die jetzige Linie weiter-
erfolgen und sie in die Zukunft fortschreiben.


(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wieso? Ist doch alles gut!)


Ich will noch ein Wort zu den angeblich so Not lei-
enden Firmen verlieren. Ich habe hier die Pressemittei-
ung eines Biodieselherstellers, der in Brandenburg eine
ittelgroße Anlage mit einer Kapazität von etwa

30 Jahrestonnen betreibt. Die Firma schreibt stolz, und
war zu Recht:

11930 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


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Reinhard Schultz (Everswinkel)

Das Pritzwalker Unternehmen EOP Biodiesel AG
hat in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres 2006/
2007 bei Gewinn und Umsatz kräftig zugelegt.

Seit dem 30. Juni 2006 steigerte die Bioenergie-
Firma ihren Umsatz im Vergleich zum Vorjahres-

(2005/6: 17,003)



Der Gewinn nach Steuern und Zinsen sei sogar um
186 Prozent auf 0,625 (0,218) Millionen Euro ge-
stiegen
Trotz erhöhter Steuern für Biodiesel er-
wartet das Unternehmen auch für die zweite Hälfte
des Geschäftsjahres deutliche Zuwächse bei Um-
satz und Ertrag.

So schreibt diese Firma.

Herzlichen Glückwunsch nach Pritzwalk! Das ist eine
tolle Entwicklung. Anderen Firmen kann ich nur sagen:
Machen Sie das nach! Das ist kein Zufallstreffer. Das ist
eine gut aufgestellte Firma mittlerer Größenordnung, die
sich unter den gegebenen politischen Rahmenbedingun-
gen vernünftig eingerichtet hat, ordentlich produziert,
mit Gewinn, wie wir uns das wünschen.

Wir haben in den vergangenen Monaten beim Biodie-
sel einen Marktpreis von im Schnitt etwa 63 bis 65 Cent
je Liter vor Steuern gehabt. Damit konnten die Unter-
nehmen offensichtlich Gewinne erwirtschaften, weil ihre
Kosten unter diesen Preisen gelegen haben. Die durch-
schnittlichen Verkaufspreise von fossilem Diesel lagen
im Schnitt bei etwa 94 Cent pro Liter. Da sehen Sie die
Spanne. Da ist so viel Luft drin, dass aus meiner Sicht
die nächste Biodieselsteuerstufe locker zu verkraften ist.
Es bleiben immer noch deutlich mehr als 10 Cent pro Li-
ter Luft, um Gewinne zu machen. Das muss man auf-
grund der Daten, die uns heute vorliegen, zur Kenntnis
nehmen.

Trotzdem ist es notwendig, die Biokraftstoffstrategie
weiterzuentwickeln. Das sieht die EU so, die zwischen-
zeitlich unter unserer Präsidentschaft eine eigene Bio-
kraftstoffstrategie aufgelegt hat. Dies sieht die Bundesre-
gierung so, die in Meseberg Beschlüsse gefasst hat, die
sich auf Biodiesel beziehen. Sie haben es eben zitiert: Es
soll eine Quote von etwa 20 Prozent bis zum Jahr 2020
erreicht werden. Auch die SPD-Fraktion hat sich Gedan-
ken gemacht und ihrerseits Beschlüsse zur Weiterent-
wicklung der Biokraftstoffstrategie gefasst. Das bezieht
sich auf folgende Punkte: Gegenüber dem, was im Ge-
setz steht, werden wir die Quote deutlich anheben. Die
Produktionskapazitäten – auch die einheimischen – und
der Markt geben es her.

Wir haben Zusagen der Automobilindustrie. Sie ver-
kraftet sowohl im Dieselbereich als auch im Ethanolbe-
reich wesentlich mehr, als sie in den vergangenen Jahren
eingeräumt hat. Dabei werden wir bis zum Anschlag ge-
hen. Wir werden sie treiben. Wir werden die Automobil-
industrie auf das festlegen, was sie anlässlich der Inter-
nationalen Automobil-Ausstellung zugesagt hat. Ihre
ökologischen Versprechen werden wir sozusagen einkla-
gen, indem wir Vorgaben dazu machen, wie Kraftstoffe
in der Zukunft zusammengesetzt sein müssen.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Dabei werden wir natürlich auf die Hersteller von
einkraftstoffen Rücksicht nehmen. Unsere Idee ist, im
inblick auf die etwas unsicheren Kantonisten der Spe-
itionen, die immer dann mal kurz über die Grenze fah-
en, wenn der Preis dort günstiger ist, einen stabilen ein-
eimischen Markt zu schaffen, indem wir den
ffentlichen Personennahverkehr auf der Straße und der
chiene von der Besteuerung von Biokraftstoffen, ähn-

ich wie in der Landwirtschaft, auf Dauer freistellen. Das
st eine sehr dezentrale Veranstaltung. Das kommt den
ezentralen Vertriebsstrukturen, den kleinen Ölmühlen
usgesprochen entgegen. Das ist nicht steuerlich getrie-
en. Dadurch entsteht kein steuerpolitisches Vakuum,
as Zuflüsse von Biokraftstoffen aus Ungarn, Frankreich
der sonst woher initiiert. Das schafft die Möglichkeit
ines vernünftigen regionalen Kreislaufs in einer Grö-
enordnung von 500 000 bis 1 Million Tonnen im Jahr.
as ist eine ganze Menge. Würden wir dies auf Dauer
arantieren, wäre auch für den Reinkraftstoffmarkt viel
rreicht, und zwar außerhalb der Quote bzw. der Beimi-
chung.

Ein letztes Wort noch zum Thema Nachhaltigkeit, das
ch ausgesprochen ernst nehme: Wir hatten uns vorge-
ommen, durch eine Nachhaltigkeitsverordnung dafür
u sorgen, dass Ökodumpingprodukte weder der Quote
eigemischt werden noch als Reinkraftstoffe steuerlich
ubventioniert werden. Dies machen wir aus umweltpo-
itischem Bewusstsein heraus und nicht, um Wettbewer-
er aus dem Ausland abzuhalten. Wer die Kriterien, die
ir entwickeln, einhält, darf selbstverständlich auf unse-

em Markt erscheinen. Kriterien werden im Wesentli-
hen sein: eine positive CO2-Bilanz, kein Raubbau an
er Natur – es darf also kein Regenwald für Palmölplan-
agen abgeholzt werden – und die Beachtung der guten
andwirtschaftlichen Praxis bei der Herstellung, also
eine Überdüngung usw. Diese drei Kriterien kann man,
ie ich glaube, auch einhalten.

Jeder Kraftstoff wird zertifiziert werden müssen. Ich
in sicher, dass wir dies für den deutschen und den euro-
äischen Markt hinbekommen. Ob diese Spielregeln
ann auch für den Rest der Welt gelten werden, ist eine
ndere Frage. Möglicherweise wird ein Teil der Pro-
ukte aus Indonesien unseren Nachhaltigkeitskriterien
ntsprechen, der größere Teil, der für China bestimmt
st, wo man inzwischen auch Biokraftstoffe einkauft,
ber ohne Einhaltung dieser Kriterien produziert wer-
en.

Diesbezüglich muss man Sorge haben, wenn man sich
ie entsprechende OECD-Studie oder die Untersuchung
es Sachverständigenrats anschaut. Ich nehme dies aus-
esprochen ernst. Aber hier gilt dasselbe wie beim übri-
en Klimaschutz: Wir müssen zeigen, dass es möglich
st, eine Biokraftstoffstrategie unter Einhaltung von
achhaltigkeitskriterien zu fahren, damit andere sie
achmachen können. Anders können wir doch nicht an-
reten. Man müsste sich doch gleich erschießen, wenn
an die Furcht hätte, dass nicht alle genauso gut und

chlau wie wir sind.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11931


(A) )



(B) )


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611528900

Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.


Reinhard Schultz (SPD):
Rede ID: ID1611529000

Ich neige als Politiker eher dazu, ein gewisses missio-

narisches Bewusstsein an den Tag zu legen, Gutes zu tun
und vorzuzeigen und aus dem, was in Deutschland oder
Europa entwickelt worden ist, Exportartikel zu machen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611529100

Nächster Redner ist nun der Kollege Hans-Josef Fell

für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611529200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Herr Kollege Schultz, Ihre Ausführungen ange-
sichts der Konkursentwicklung bei mittelständischen
Biodieselproduzenten kann man nur als unverantwortli-
chen Zynismus bezeichnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Der Ölpreis liegt auf Rekordhoch und beträgt mehr als
80 Dollar pro Barrel. Trotzdem tut die Bundesregierung
vieles, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu
schwächen, und sie tut schon gar nichts für den Ausbau
der erneuerbaren Energien. Zwar spricht Bundesminister
Gabriel von einem kleinen Wirtschaftswunder – recht hat
er –; aber er schmückt sich mit fremden Federn, da er es
nicht initiiert hatte und zunehmend dafür verantwortlich
wird, dass sich dieses kleine Wirtschaftswunder ab-
schwächt.

Die Ergebnisse des Nichthandelns und der falschen
Handlungen dieser Bundesregierung werden nun sicht-
bar. Im ersten Halbjahr 2007 gab es dramatische Einbrü-
che in wichtigen Teilbereichen der erneuerbaren Ener-
gien: minus 20 Prozent bei Windkraftinvestitionen im
Binnenmarkt, minus 35 Prozent bei Sonnenkollektoren,
minus 50 Prozent bei Holzpelletsheizungen, minus
50 Prozent bei Biogasanlagen und minus 60 Prozent bei
der Nachfrage nach dem KfW-Gebäudesanierungspro-
gramm. Dies ist ein unerwartet schneller und dramati-
scher Abschwung der erneuerbaren Energien; der Wirt-
schaftswunderschwung durch Rot-Grün wird von
Schwarz-Rot abrupt abgebremst.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schindler [CDU/CSU]: Das sagen aber die Windmüller auf keinen Fall, Herr Kollege! Das haben Sie doch mitgekriegt! Gucken Sie doch in die Bilanzen!)


Meine Damen und Herren, das gleiche Bild zeigt sich
bei den Biokraftstoffen. Bewusst und in aller Konse-
quenz wird der Markt für reine Biokraftstoffe zerstört.
Allein auf Beimischung wird gesetzt und damit das Ge-
schäft der Mineralölkonzerne gemacht. Die Mineralöl-
konzerne spürten ja zunehmend die Konkurrenz von de-
zentral vermarkteten reinen Biokraftstoffen, die mithilfe

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(C (D er erfolgreichen rot-grünen Steuerbefreiung aufwuchen. So fanden sie Gehör bei den Finanzpolitikern der SPD nd bei der Bundesregierung, allen voran bei Finanzmiister Steinbrück, Umweltminister Gabriel, Landwirtchaftsminister Seehofer und Wirtschaftsminister Glos. ls Erfüllungsgehilfen der Mineralölkonzerne schafften ie die Steuerbefreiung für reine Biokraftstoffe ab. Da alfen nicht die engagierten und ehrlichen Widerstände on SPD-Abgeordneten, die mit uns Grünen die Erfolgseschichte der reinen Biokraftstoffe begründeten, und es alfen auch nicht die mutigen und klaren Positionen iniger Unionsabgeordneter, vor allem aus der CSU. Übigens, Herr Schindler, hat nicht einmal der Bauernverand wirklich Widerstand gegen diese Besteuerung geeistet. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hat er recht!)


Was ist das Ergebnis? Die Steuerbefreiung von Rot-
rün hatte zum Aufbau einer Produktionskapazität von
,8 Millionen Tonnen Biodiesel geführt. Die vielge-
ühmte Beimischung führte dazu, dass von den etwa
0 Biodieselproduzenten rein rechnerisch die fünf größ-
en die Beimischungsquote erfüllen können. Die anderen
5 mittelständischen Biodieselhersteller stehen aktuell
or dem Konkurs – so viel zur angeblichen Mittelstands-
olitik der Bundesregierung. Zehntausende Arbeits-
lätze sind höchstgefährdet, genauso wie 10 Millionen
onnen CO2-Reduktion. Gewerbe- und Einkommensteu-
reinnahmen werden wegfallen und, Herr Schindler,
uch die Steuereinnahmen bei reinem Biodiesel. Wie
önnen Sie da noch auf Berechnungen der Bundesregie-
ung warten? Die Unternehmen können nicht mehr war-
en.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Beim kleinen Bruder, bei den reinen Pflanzenölen,
ieht dies noch düsterer aus. Da sie überhaupt nicht bei-
ischungsfähig sind, sollen sie gänzlich verschwinden.
ezentrale Strukturen, Direktvermarktung, ökologische
roduktionsprozesse und Entwicklung ländlicher
äume, dies alles unterstützt die Bundesregierung nicht.

Die Anträge von der FDP und den Linken gehen daher
n die richtige Richtung, wobei der Antrag der Linken mit
em wichtigen Hinweis auf die Nachhaltigkeit und die
ertifizierung der Produktion von Biokraftstoffen einen
nverzichtbaren Akzent setzt. So können vorhandene
ehlentwicklungen in Form intensiver Landwirtschaft
nd Urwaldabholzung bei der Biokraftstofferzeugung
usgeräumt werden.

Beide Anträge stehen in der Tradition unseres grünen
ntrages, den die Große Koalition längst abgelehnt hat.
ie Resistenz der Großen Koalition gegen die Unterstüt-

ung eines Marktes für reine Biokraftstoffe ist unglaub-
ich. So entlarvt sich die Bundesregierung selbst als rei-
en Rhetorikverein für erneuerbare Energien, dessen
andeln gegen die eigenen Worte gerichtet ist. So ist
iese Bundesregierung mitverantwortlich für weitere
O2-Emissionen, für weitere Klimazerstörung, für den
ückgang der Investitionen in erneuerbare Energien, für

11932 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Hans-Josef Fell
die Konkurse in der Biodiesel- und Pflanzenölbranche,
für die Schwächung ländlicher Räume, aber auch für die
weitere Monopolisierung im Kraftstoffmarkt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611529300

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 16/5133 und 16/5679 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe dazu keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 14 a bis 14 c
sowie Zusatzpunkt 4 auf:

14 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhe-
bung des Hochschulrahmengesetzes

– Drucksache 16/6122 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia

(Saarbrücken)

tion DIE LINKE

Hochschulrahmengesetz beibehalten

– Drucksache 16/4626 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kai
Gehring, Krista Sager, Britta Haßelmann, Priska
Hinz (Herborn) und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Studentische Mobilität durch bundeseinheitli-
che Mindeststandards bei Hochschulzulassung
und -abschlüssen sicherstellen

– Drucksache 16/5759 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe
Barth, Patrick Meinhardt, Cornelia Pieper, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes zur
Stärkung autonomer Hochschulen nutzen

– Drucksache 16/6397 –

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(C (D Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Die Kolleginnen und Kollegen Andreas Storm, r. Ernst Dieter Rossmann, Uwe Barth, Cornelia Hirsch nd Kai Gehring haben ihre Reden zu diesem Tagesordungspunkt zu Protokoll gegeben. Damit erübrigt sich ie Aussprache.1)


Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
uf den Drucksachen 16/6122, 16/4626, 16/5759 und
6/6397 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus-
chüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? –
uch dies ist offenkundig der Fall. Dann sind die Über-
eisungen so beschlossen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 15:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen,
Petra Pau, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE

Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus er-
stellen

– Drucksachen 16/4201, 16/5824 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Kristina Köhler (Wiesbaden)

Gabriele Fograscher
Gisela Piltz
Sevim Dağdelen
Josef Philip Winkler

Auch hier haben folgende Kolleginnen und Kollegen

(Wiesaden)

ağdelen und Monika Lazar.2) Das heißt, eine Ausspra-

he findet nicht statt.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Innenaus-
chusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem
itel Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus erstellen.
er Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung

uf Drucksache 16/5824, den Antrag der Fraktion Die
inke auf Drucksache 16/4201 abzulehnen. Wer stimmt

ür diese Beschlussempfehlung? – Wer ist dagegen? –
nthaltungen? – Dann ist die Beschlussempfehlung mit
en Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-
raktion bei Enthaltung der Fraktion der Grünen und
egenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 16 a und 16 b
uf:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Moder-

Anlage 2
Anlage 3

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11933


(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
nisierung der Rahmenbedingungen für Kapi-
talbeteiligungen (MoRaKG)


– Drucksache 16/6311 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO

b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung
des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungs-
gesellschaften (UBGG)


– Drucksache 16/3229 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss

Die Kolleginnen und Kollegen Klaus-Peter Flosbach,
Dr. Hans-Ulrich Krüger, Nina Hauer, Frank Schäffler,
Dr. Axel Troost und Christine Scheel haben ihre Reden
zu diesem Punkt zu Protokoll gegeben.1)

Interfraktionell wird die Überweisung der Gesetzent-
würfe auf den Drucksachen 16/6311 und 16/3229 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 17 a und 17 b
auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-
Christian Ströbele, Volker Beck (Köln), Monika
Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rücknahme der Ermächtigung zur Strafver-
folgung von Journalisten wegen Verstoßes ge-
gen Geheimhaltungsvorschriften gemäß § 353 b
des Strafgesetzbuches

– Drucksache 16/6326 –

b) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP

Ermächtigung zur Strafverfolgung von Jour-
nalisten gemäß § 353 b Abs. 4 StGB im Zu-
sammenhang mit dem 1. Untersuchungsaus-
schuss der 16. Wahlperiode zurücknehmen

– Drucksache 16/6217 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fünf Minuten erhalten
soll. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann werden
wir so verfahren.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner das Wort dem Kollegen Hans-Christian Ströbele für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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B1) Anlage 4

(C (D Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

en! Zu später Stunde beschäftigt sich der Deutsche
undestag mit einem sehr wichtigen Vorgang in eigener
ache. Dieser Deutsche Bundestag hat die Ursache für
trafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen 17 Journalis-
en gesetzt, und zwar nicht gegen irgendwelche, sondern
nter anderem gegen die besten investigativen Journalis-
en in diesem Land.


(Zurufe von der SPD: Oh!)


Dem Kollegen Kauder gebührt das zweifelhafte Ver-
ienst, diese Ermittlungsverfahren damit angeschoben
u haben, dass auf seine Anregung hin von den Mitglie-
ern des 1. Untersuchungsausschusses der Beschluss ge-
asst wurde, den Bundestagspräsidenten dazu aufzufor-
ern, die Ermächtigung für diese Strafverfolgung zu
rteilen. Ich war dagegen – gegen meinen heftigen
chriftlichen und mündlichen Widerstand sind diese Ver-
ahren eingeleitet worden –, weil diese Verfahren
uatsch sind. Der Staatsanwalt in Hamburg, der diese
rmittlungsverfahren als Erster von offizieller Seite be-
rteilt hat, hat sie zu Recht als Quatsch bezeichnet.

In der Zwischenzeit mussten wir feststellen, dass
iese Verfahren von einigen Staatsanwaltschaften einge-
tellt werden sollen, von einer Staatsanwaltschaft schon
ingestellt worden sind, dass aber andere Staatsanwalt-
chaften sie weiterlaufen lassen. Das können wir nicht
infach so hinnehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)


a haben wir eine Verantwortung, da müssen wir ein-
reifen.

Als im Sommer in allen Zeitungen und sämtlichen
edien groß über diese strafrechtlichen Ermittlungsver-

ahren gegen die Journalisten berichtet wurde, kam aus
llen Fraktionen des Deutschen Bundestages heftige Kri-
ik. Selbst der Kollege Grindel von der CDU/CSU-Frak-
ion – Medienexperte seiner Fraktion –


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Journalist!)


at das Vorgehen als höchst problematisch bezeichnet;
as ist für einen CDU-Abgeordneten ja schon höchst kri-
isch. Der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss hat
esagt, diese Ermittlungsverfahren seien verfehlt, ob-
ohl die Union und die SPD im Untersuchungsaus-

chuss dafür gestimmt haben, dass diese Ermächtigung
rteilt wird.

Wenn die Fraktionen in dieser Weise in der Öffent-
ichkeit Stellung nehmen, dann sind sie auch verpflich-
et, dieser Kritik Taten folgen zu lassen. Dann müssen
ie jetzt mit uns dafür sorgen, dass diese Verfahren ein-
estellt werden, und zwar sofort.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Das können wir sehr einfach erreichen, indem wir den
undestagspräsidenten auffordern, die Ermächtigung,

11934 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Hans-Christian Ströbele
die er erteilt hat, zurückzunehmen. Er kann das. Er muss
das tun. Er kann das auch beschränkt auf die Journalisten
tun. Das ist in allen Kommentierungen zum Strafrecht so
vorgesehen. Der Kollege Kauder bestreitet das. Aber er
hat keine einzige Belegstelle, die dem entgegensteht.
Wenn das nicht gemacht wird, dann ist das böser Wille.
Wir sind für guten Willen gegenüber den Journalisten.
Deshalb fordern wir, dass die Ermächtigung sofort zu-
rückgezogen wird, damit dieser Quatsch aufhört, damit
diese strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sofort einge-
stellt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat bereits Ende
des letzten Jahres einen Gesetzentwurf in den Deutschen
Bundestag eingebracht,


(Joachim Stünker [SPD]: Miserabel!)


gemäß dem solche Strafverfahren gegen Journalisten
nicht mehr eingeleitet werden könnten. Wir wollen da-
mit festschreiben, dass ein Journalist nicht allein deshalb
wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat verfolgt werden
darf, weil er in der Zeitung schreibt, dass ein Skandal
passiert ist und ihm dazu eine bestimmte Information aus
geheimen Quellen gegeben worden ist. Das darf nicht
für die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsver-
fahrens und schon gar nicht für eine Verurteilung ausrei-
chen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb wollten wir das Gesetz ändern und haben vorge-
schlagen, dass der Deutsche Bundestag beschließt, dass
Beihilfe und Anstiftung zu solch einem Geheimnisver-
rat, also eine Teilnahmehandlung, in Zukunft nicht allein
aus dem Grund verfolgt werden, weil man etwas in der
Zeitung bzw. in den Medien veröffentlicht. Das darf
nicht sein. Das wollen wir ausschließen. Das darf nach
dem Gesetz keine rechtswidrige Handlung mehr sein.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Damit wären die Journalisten umfangreich und in dem
erforderlichen Maße geschützt.

Wir stehen auf der Seite der Pressefreiheit. Wir stehen
auf der Seite der Journalisten und fordern deshalb: Las-
sen Sie die Journalisten in Ruhe ihre bewundernswerte
Recherchearbeit durchführen und deren Ergebnisse auch
veröffentlichen. Setzen Sie heute hier im Deutschen
Bundestag ein Zeichen dafür, dass das Parlament nicht
will, dass die Journalisten weiter verfolgt werden. For-
dern wir den Bundestagspräsidenten auf, die Ermächti-
gung zurückzunehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Max Stadler [FDP])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611529400

Das Wort hat der Kollege Dr. Carl-Christian Dressel

für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine eiden Herren von der FDP-Fraktion, ich freue mich, ass Sie zur Beratung Ihres eigenen Antrag da sind. (Dr. Max Stadler [FDP]: Noch schöner wäre, wenn Sie zu unserem Antrag die Hand heben und zustimmen!)

Dr. Carl-Christian Dressel (SPD):
Rede ID: ID1611529500

Schöner ist, was ich zu Ihrem Antrag zu sagen habe.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Max Stadler [FDP]: Nur Lobendes!)


Wir behandeln zu dieser wahrlich etwas vorgerückten
tunde – Herr Ströbele, spät würde ich sie noch nicht
ennen – ein bedeutsames Thema. Es geht um nichts Ge-
ingeres als die Pressefreiheit. Es geht aber auch um
ichts Geringeres als Geheimnisverrat. Ich sage dazu: Es
eht auch um nichts Geringeres als um das Verstehen des
rinzips der Gewaltenteilung.

Lassen Sie mich zunächst in Erinnerung rufen, warum
s überhaupt zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
egen Journalisten gekommen ist


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Herr Kauder einen Brief geschrieben hat!)


zw., wie Sie sagten, Herr Ströbele, welche Ursachen
afür denn gesetzt wurden. Auslöser für alle Ermittlun-
en waren Presseberichte mit vertraulichen Informatio-
en aus dem 1. Untersuchungsausschuss.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aus den Akten!)


iejenigen, die aus dem 1. Untersuchungsausschuss In-
ormationen weitergegeben haben, wollen wir doch zu-
indest nicht in Schutz nehmen.

Nachdem Sie, Herr Ströbele, sagten, Sie stehen auf
er Seite der Journalisten und der Pressefreiheit, möchte
ch Sie fragen: Stehen Sie auch auf der Seite derjenigen,
ie die vertraulichen Informationen aus dem
. Untersuchungsausschuss nach außen getragen haben?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Nein, das tun wir nicht!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611529600

Kollege Dressel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

ollegen Hans-Christian Ströbele?


Dr. Carl-Christian Dressel (SPD):
Rede ID: ID1611529700

Gern, Frau Präsidentin.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611529800

Bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Herr Kollege, haben Sie die Anträge der Fraktionen

on Bündnis 90/Die Grünen und der FDP richtig gele-
en?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11935


(A) )



(B) )


Hans-Christian Ströbele

(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


Wenn das der Fall wäre, wüssten Sie, dass unser Antrag
lediglich darauf zielt, die Ermächtigung zur Verfolgung
von Journalisten wegen ihrer journalistischen Arbeit zu-
rückzuziehen, und sich nicht auf die mögliche Strafver-
folgung der Täter eines Geheimnisbruches bezieht.


Dr. Carl-Christian Dressel (SPD):
Rede ID: ID1611529900

Herr Kollege Ströbele, ich darf Ihnen versichern: Ich

habe die beiden Anträge gelesen. Ich bilde mir ein, sie
auch richtig und genau gelesen zu haben. Ich darf Ihnen
an dieser Stelle das Kompliment machen, dass Sie hand-
werklich ein klein wenig besser waren;


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!)


denn im Gegensatz zur FDP zitieren Sie aus der aktuel-
len Auflage des StGB-Kommentars Schönke/Schröder.
Die FDP nutzt eine frühere Auflage.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Vielleicht sollte ich den Kollegen ein neues Exemplar
zur Verfügung stellen.

Ich darf Ihnen versichern, dass mir die Zielrichtung
Ihres Antrages aus dem vorliegenden Antragstext sehr
wohl bekannt ist. Allerdings legt die Rede, die Sie ge-
rade gehalten haben, die Frage nahe, ob Sie über diese
Zielrichtung hinaus noch andere Zielrichtungen verfol-
gen. Diese Frage sollte einem Redner gestattet sein.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind auf der falschen Fährte!)


Um zu meinen Ausführungen zurückzukommen: Die-
jenigen, die den Geheimnisverrat – nichts anderes ist es –
begangen haben, haben in entscheidendem Maße dazu
beigetragen, dass der 1. Untersuchungsausschuss als
Gremium, das den Regeln der Strafprozessordnung un-
terworfen ist und privilegierten Zugang zu Akten erhält,
Schaden genommen hat. Vor diesem Hintergrund hat
sich die Mehrheit des Ausschusses – meines Erachtens
zu Recht – dem Vorschlag des Vorsitzenden angeschlos-
sen, um zu demonstrieren, dass die Weitergabe von Do-
kumenten an Journalisten als Geheimnisverrat strafbar
ist und solche Straftaten nicht gebilligt werden.


(Beifall des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Unter dieser Prämisse und in Anbetracht der Fakten und
der gesetzlichen Regelungen halte ich Ihre Forderungen
für ein falsches Signal.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es soll hin und wieder vorkommen, dass Staatsan-
wälte draußen im Lande übereifrig ermitteln.


(Lachen der Abg. Kristina Köhler [Wiesbaden] [CDU/CSU])


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(C (D as würde geschehen, wenn der Präsident die Ermächtiung aufgrund dieser Tatsache zurückziehen würde? ollen wir dadurch einen rechtsfreien Raum schaffen? ollen wir den Geheimnisverrat durch Abgeordnete bil igen, indem wir Journalisten von Ermittlungen ausnehen? Wie die Ermittlungen abzulaufen haben – Sie ha en das in Ihrem Antrag selbst zitiert –, besagt deutlich ie sogenannte Cicero-Entscheidung des Bundesverfasungsgerichtes vom Februar des laufenden Jahres. Darin ird ausgeführt, dass Durchsuchungen und Beschlagahmungen bei Journalisten gegen die Pressefreiheit erstoßen, wenn diese allein in ihren Artikeln aus eingetuften Dokumenten zitiert haben. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ging es um Durchsuchung, Herr Kollege!)


ie Verantwortung für Ermittlungen und Durchsu-
hungsmaßnahmen im Einzelfall liegt ausschließlich bei
en zuständigen Staatsanwaltschaften. Das müssen wir
ier einmal klarstellen.

Sie haben von einem Ursachegesetz im Sinne von
quivalenz gesprochen, Herr Kollege Schäuble.


(Heiterkeit bei der SPD – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Beleidigung des Tages!)


Verzeihung, Herr Kollege Ströbele. – Dazu sage ich Ih-
en: Dafür ist hier der falsche Platz.

Genauso sind wir hier am falschen Platz, um uns die
idersprüchlichkeit zwischen Ihrer Argumentation und

er Argumentation der Kolleginnen und Kollegen der
DP zu Gemüte zu führen. Diese sagen, dass ein Eingriff

n die Pressefreiheit vom Parlament nicht gewollt ist,
nd zitieren teilweise wörtlich das Bundesverfassungs-
ericht, indem sie ausführen:

Deshalb müssen die strafprozessualen Normen über
Durchsuchung und Beschlagnahme dahin gehend
ausgelegt werden, dass die bloße Veröffentlichung
des Dienstgeheimnisses
nicht ausreicht, um ei-
nen diesen Vorschriften genügenden Verdacht der
Beihilfe zum Geheimnisverrat zu begründen


enn Sie das, was Sie da schreiben, ernst meinen, dann
enken Sie bitte an das Prinzip der Gewaltenteilung, das
igentlich jeder Gymnasiast kennt: Der Deutsche Bun-
estag ist nicht dazu da, Recht auszulegen, sondern
echt zu setzen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Ja genau, Herr Kollege Montag, Ihr Gesetz. Sie haben
inen Gesetzesentwurf vorgelegt.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den haben Sie abgelehnt!)


as war die richtige Form. Ihr Antrag, über den wir hier
ebattieren, ist die falsche Form. Aber Ihr Gesetzent-
urf, Drucksache 16/576, und auch der Gesetzentwurf
on den Kollegen der FDP, Drucksache 16/956, haben

11936 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Dr. Carl-Christian Dressel
beide ihre Probleme. Denn der eine Entwurf ist nicht
dazu geeignet, Schutz gegen übereifrige Staatsanwälte
zu ermöglichen. Der andere Gesetzentwurf würde Straf-
barkeitslücken aufreißen. Details dazu haben Sie im
Fachausschuss gehört. Die will ich hier nicht wiederho-
len.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr treibt uns noch in die JamaikaKoalition!)


Aber auf eines weise ich hin: Wir alle reden von Jour-
nalisten. Wer bitte schön – das darf ich Sie, Kollege
Ströbele, auch einmal fragen – ist nach Ihrer Ansicht
oder nach Ansicht der beiden Antragsteller denn Journa-
list?


(Dr. Max Stadler [FDP]: Der, der das Berufsgeheimnis hat nach der Strafprozessordnung! Ganz einfach!)


– Das ist aber keine geschützte Bezeichnung. Machen
Sie hier keine Türen auf, indem Sie diese Bezeichnung
einführen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Bezeichnung steht schon in der Strafprozessordnung! § 53!)


Eine Parallele zum Berufsgeheimnisträger haben Sie in
Ihrer Begründung ja gerade nicht gebracht. Die Grünen
dagegen sprechen von Medienangehörigen. Das ist ein
relativ breiter und schwammiger Begriff.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee!)


Nein, unser Interesse als Gesetzgeber ist und muss
sein, dafür zu sorgen, dass die Rechtsprechung durch die
dafür zuständigen Organe von Justiz und Exekutive kor-
rekt angewendet wird. Wir dürfen uns hier nicht, wie
heute im Rechtsausschuss versucht, als Generalober-
staatsanwaltschaft oder als Superrevisionsgericht auf-
führen, indem wir Ermittlungsverfahren überprüfen. Un-
sere Aufgabe ist und bleibt es, Recht zu setzen, und
nicht, Recht auszulegen. Davon sollten wir nicht abge-
hen.

Aus diesen Gründen – für diese Begründung brauchte
ich, Kollege Ströbele, keine neun Minuten Redezeit,
sondern deutlich weniger – ist Ihr Antrag genauso wie
der Antrag der Kollegen der FDP abzulehnen.

Ich hoffe, dass wir endlich aufhören, uns an dieser
Stelle mit Einzelfallmaßnahmen zu befassen; denn dazu
gibt es die unabhängigen Gerichte und Staatsanwalt-
schaften. Wir hingegen haben anderes zu tun.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611530000

Das Wort hat der Kollege Dr. Max Stadler für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und erren! Selten habe ich jemanden so wortreich wie Sie, err Kollege Dressel, am Thema vorbeireden hören, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1611530100

odass es mich wirklich reizen würde, hier in eine juristi-
che Fachdebatte einzutreten. Das würde aber ebenfalls
m Kern der Sache vorbeigehen. Heute geht es nämlich
ufgrund der Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und
er FDP-Fraktion darum, dass der Deutsche Bundestag
ine Gelegenheit zu einer Klarstellung wahrnimmt, die
ringend notwendig ist.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig!)


er Deutsche Bundestag legt selbstverständlich Wert
arauf, dass die eigenen Verfahrens- und Geheimhal-
ungsregeln von denen eingehalten werden, die zu dieser
eheimhaltung verpflichtet sind.


(Beifall der Abg. Siegfried Kauder [VillingenSchwenningen] [CDU/CSU] und Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


ber der Deutsche Bundestag will nicht, dass durch
trafverfahren in die Pressefreiheit eingegriffen wird.
as könnte mit einer Zustimmung zu unseren Anträgen
eute hier vom Hohen Haus klargestellt werden.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich sage Ihnen ganz offen: Als derzeitiger Vorsitzen-
er des Parlamentarischen Kontrollgremiums bin ich so-
ar sehr stark daran interessiert, dass Geheimhaltungsre-
eln strikt beachtet werden. Man macht da aber übrigens
o seine eigenartigen Erfahrungen: Vor gut zwei Wochen
urden drei Personen verhaftet, die im Verdacht stehen,

ürchterliche Bombenanschläge geplant zu haben. Dazu
onnte man aus der Presse Details aus den Ermittlungs-
erfahren erfahren, ehe auch nur ein einziges parlamen-
arisches Gremium über die Vorgänge informiert worden
ar.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Hört! Hört!)


as zeigt: Die Verantwortung dafür lag bei anderen, je-
enfalls nicht bei Parlamentariern. Das wollte ich nur
inmal zu der Praxis sagen, mit der wir uns hier beschäf-
igen.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Gleichwohl verstehe ich, dass unser Kollege Siegfried
auder als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses

ür den von ihm geleiteten Ausschuss das gleiche Inte-
esse verfolgt, welches ich für das Kontrollgremium in
nspruch nehme: nämlich die Einhaltung der Geheim-
altungsregeln. Deswegen war seinem Vorschlag zuzu-
timmen, dass bei Verletzung der Geheimhaltungsregeln
it entsprechenden Ermittlungsverfahren gegengesteu-

rt wird. Die FDP hat aber bei ihrer Zustimmung von
nfang an klargestellt: Wir wollen nicht, dass sich sol-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11937


(A) )



(B) )


Dr. Max Stadler
che Verfahren gegen Journalisten richten, die nur ihrer
Pflicht zur Information der Öffentlichkeit nachkommen.

Wir sind der Meinung – das will ich jetzt aus Zeit-
gründen juristisch nicht näher begründen; die Fachleute
wissen es sowieso –, dass sich Journalisten nach gelten-
dem Recht ohnehin nicht wegen Beihilfe zum Geheim-
nisverrat strafbar machen, wenn sie Informationen, die
sie erhalten haben, publizieren. Vielmehr sind die dieje-
nigen als Täter zu verfolgen, die den Geheimnisverrat
begangen haben.

Diese Auffassung, die wir, gestützt auf gewichtige
Stimmen in der Strafrechtsliteratur, vertreten, wird aber
offenkundig nicht von allen geteilt. Deswegen bestand
von Anfang an die Gefahr, dass sich eine undifferenzierte
Ermächtigung zur Strafverfolgung dann auch gegen Jour-
nalisten richtet. Leider ist es genau so gekommen, weil
der Herr Bundestagspräsident die Ermächtigung nicht
beschränkt hat. Er hätte die Journalisten von der Er-
mächtigung ausnehmen können; das wäre rechtlich zu-
lässig gewesen. Das hat er aber nicht getan.

Da der Bundestagspräsident damit nur dem Willen
der Großen Koalition entsprochen hat, richtet sich unser
Antrag nicht etwa gegen den Bundestagspräsidenten;


(Lachen des Abg. Joachim Stünker [SPD])


im Gegenteil: Wir wollen, dass das Parlament ihm heute
den Rücken stärkt, sodass er die erteilte Ermächtigung in
Bezug auf die Journalisten zurücknimmt.


(Beifall bei der FDP – Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Sie wollen ein Gesetz als Korrektiv!)


Wir sind es, die ihm diesen Willen des Parlaments vor-
tragen müssen. Dies ist rechtlich ohne Weiteres zulässig.

Herr Kollege Dressel, wenn wir aus einem älteren
Kommentar zitiert haben, so zeigt dies nur, dass unsere
Meinung schon seit langem vertreten wird, nicht etwa
nur im konkreten Fall.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der SPD)


Somit halte ich fest: Es ist rechtlich zulässig, die Er-
mächtigung zur Strafverfolgung auf die eigentlichen Tä-
ter zu beschränken und die Journalisten davon auszuneh-
men. Dies wäre ein gutes Signal des Bundestags; es
würde zeigen, dass wir uns des Werts der Pressefreiheit
bewusst sind, wenn wir die Dinge wieder ins Lot brin-
gen, die sich – vielleicht unbeabsichtigt – in eine falsche
Richtung entwickelt haben.

Allerdings hat Kollege Dressel zugleich Recht: Das
Problem sitzt tiefer.


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Danke!)


Es muss auch das Strafgesetzbuch in dem Sinne geändert
werden, dass eine Klarstellung erfolgt, dass journalisti-
sche Tätigkeit keine Beihilfe zum Geheimnisverrat dar-
stellt und damit nicht strafbar ist.


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Dann haben Sie mich falsch verstanden!)


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(C (D Der FDP-Entwurf eines Gesetzes zur Pressefreiheit iegt auf dem Tisch. Ich bitte Sie, zum einen das Einzelroblem zu lösen, indem Sie unserem Antrag zustimen, zum anderen aber auch das grundsätzliche Problem nzugehen – dazu ist eine Klarstellung im Strafgesetzuch notwendig –, indem Sie schlicht und einfach unseem Gesetzentwurf zustimmen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hätten unserem Gesetz vorher auch schon zustimmen können!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611530200

Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Siegfried

auder das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Joachim Stünker [SPD])


Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/
SU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-

en! Wer kämpferisch wie der Kollege Ströbele das Ho-
elied der Pressefreiheit singt, läuft schnell Gefahr, dass
an ihm Populismus vorwirft.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na!)


ch will das nicht tun, sondern versuchen, die bestehende
echtslage zu erhellen.

Zweifellos ist die Pressefreiheit ein hohes Gut. Das
issen wir schon seit der Entscheidung des Bundesver-

assungsgerichts in Band 20, Seiten 162 ff.; insbeson-
ere zu empfehlen ist Seite 174.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wissen wir spätestens seit Erlass des Grundgesetzes! – Gegenruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nun hören Sie lieber einmal zu! Dann lernen auch Sie vielleicht noch etwas!)


ber die Pressefreiheit schwebt nicht in einem rechts-
reien Raum über der Demokratie.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


ie ist in das Rechtssystem eingebunden, wie sich aus ei-
em Blick in das Grundgesetz sehr schnell ergibt. In
rt. 5 Abs. 2 des Grundgesetzes ist nämlich festgelegt,
ass die Pressefreiheit ihre Schranken in den Vorschrif-
en der allgemeinen Gesetze findet. Allgemeine Gesetze
ind sowohl die Strafprozessordnung als auch das Straf-
esetzbuch.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Dann muss man eben die Gesetze ändern! – Gegenruf von der CDU/CSU: Ja, ja! Man biegt es sich immer so zurecht, wie man es gerade braucht!)


11938 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



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Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)

Neben dem Grundrecht der Pressefreiheit gibt es auch
grundrechtsgleiche Rechte, die gleichrangig zur Presse-
freiheit zu schützen sind. Zu diesen grundrechtsgleichen
Rechten gehört auch die innere Sicherheit.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Mit Themen zu diesem Bereich befassen wir uns im Un-
tersuchungsausschuss.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber wie!)


Dabei geht es um hochsensible Daten von im operativen
Einsatz tätigen Mitarbeitern der Nachrichtendienste und
um gute Kontakte zu unseren Partnerdiensten im Aus-
land. Was diese guten Kontakte wert sind, haben wir in
den letzten Wochen leidvoll erfahren, als wir feststellen
mussten, dass der Terrorismus nun auch in Deutschland
angekommen ist.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können Sie woanders erzählen!)


Es gehört also zu den essenziellen Aufgaben unseres Un-
tersuchungsausschusses, dafür zu sorgen, dass Geheim-
haltungspflichten gewahrt werden. Ich glaube, hier sind
wir uns alle einig.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Max Stadler [FDP]: So ist es!)


Die Frage ist: Welche Rolle spielt in diesem hochsen-
siblen Bereich die Presse unter dem Schutz der Presse-
freiheit? Auch Pressevertreter bewegen sich nicht in ei-
nem rechtsfreien Raum;


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Sehr richtig! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das hat nie jemand behauptet!)


auch sie sind an die Gesetze gebunden.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Ob sie sich noch im Rahmen der Pressefreiheit oder auf-
grund einer Verstrickung schon im strafrechtlich rele-
vanten Raum nach § 97 Abs. 2 der Strafprozessordnung
bewegen, bleibt der sehr detaillierten Beurteilung im
Einzelfall vorbehalten.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das liegt an den Gesetzen! Die müssen Sie ändern!)


Hier gilt es, die sogenannte Wechselwirkungstheorie zu
beachten, die das Bundesverfassungsgericht entwickelt
hat. Das heißt, dass man die allgemeinen Gesetze, denen
auch ein Journalist unterliegt, immer unter dem Ge-
sichtspunkt der Grundrechte abgleichen muss. Darüber
hinaus ist die Rechtsprechung, die sich insbesondere aus
der Cicero-Entscheidung ergibt, zu berücksichtigen.

Aber, meine Damen und Herren, fangen wir von
vorne an.


(Zuruf von der SPD: Bitte nicht!)


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(C (D eheimnisverrat gab es in unserem Untersuchungsauschuss im Wesentlichen in drei Wellen: Die erste Welle egann im Juni 2006, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war Ihr Koalitionspartner!)


ie zweite im Oktober 2006, und die dritte wurde Mitte
ärz 2007 eingeläutet. Jeder dieser drei Wellen haben
ir im Untersuchungsausschuss – nicht nur ich als Vor-

itzender, sondern auch der Ausschuss durch seine Ent-
cheidungen – zu begegnen versucht, indem wir den
undestagspräsidenten angeschrieben, ihm die Lage ge-

childert und ihn gebeten haben, zu prüfen, ob er eine
rmächtigung zur Strafverfolgung erteilt. Eine solche
rmächtigung erteilt er nach eigener Sachprüfung.

Herr Kollege Ströbele, manch einer schleicht sich
eg und will es nicht wahrhaben.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Allerdings! Das spricht aber eher für die Koalition!)


ie erste Entscheidung vom Juni 2006, den Bundestags-
räsidenten zu einer Ermächtigung anzuregen, wurde
ämlich einstimmig gefasst.


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Hört! Hört! – Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)


uch der Kollege Ströbele hat dieser Entscheidung im
bleutegespräch zugestimmt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Na, so etwas!)


as wollen Sie möglicherweise nicht mehr wahrhaben.

Auch als es zur zweiten Welle kam, also im
ktober 2006, gab es in der Abstimmung über die Frage,
b der Bundestagspräsident gebeten werden soll, eine
rmächtigung zur Strafverfolgung zu erteilen, keine Ge-
enstimme.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aha!)


Am 21. März 2007 hat sich bei der Opposition aller-
ings etwas getan. Ich frage mich noch heute, was ei-
entlich der Grund für diese Änderung der Einschätzung
ar. Die Cicero-Entscheidung vom 27. Februar 2007
ann es schlechterdings nicht gewesen sein; denn durch
ie wird kein neues Recht gesetzt. Durch die Cicero-Ent-
cheidung wurde lediglich genau skizziert, wo die
rundrechte enden und inwieweit ein Journalist den
chutz der Grundrechte für sich in Anspruch nehmen
ann.

Manchmal wird aber eine Rechtswohltat zum Fluch;
arüber lassen Sie mich jetzt einmal nachdenken: Der
undestagspräsident hat seine Ermächtigung erteilt. Die
taatsanwaltschaften wurden informiert – und gerieten
nter Zeitdruck. Normalerweise verjähren Straftaten des
alibers Geheimnisverrat gemäß § 78 des Strafgesetzbu-

hes nach drei Jahren. Nach allen Landespressegesetzen
erjähren Straftaten im Zusammenhang mit der Veröf-
entlichung in Presseorganen allerdings nach sechs Mo-
aten. Das heißt also, die Staatsanwaltschaften konnten
öglicherweise nur nach summarischer Prüfung kurz-

ristig entscheiden, ob sie gegen Journalisten ein Ermitt-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11939


(A) )



(B) )


Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)

lungsverfahren eröffnen oder ob sie dies nicht tun; dann
wären eventuelle Straftaten verjährt.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611530300

Kollege Kauder, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Hans-Christian Ströbele?

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/
CSU):

Nein. – Deswegen muss man sich überlegen, ob diese
Rechtswohltat im Interesse der Journalisten ist oder ob
man nicht da etwas ändern sollte.

Bisher wurde die Sach- und Rechtslage übrigens nur
aus der Sicht des Parlaments betrachtet. Vielleicht darf
man die Situation auch aus der Sicht des Bundestagsprä-
sidenten betrachten: Er wurde – anfangs durch einstim-
mige Beschlüsse, zuletzt durch Mehrheitsbeschlüsse –
gebeten, zu prüfen, ob er eine Ermächtigung erteilt.
Muss nun ein Bundestagspräsident in einen schwierigen
rechtlichen Abwägungsprozess eintreten? Muss er sich
mit Rechtsinstituten der Wechselwirkung zwischen
Grundrechten und allgemeinem Recht abplagen? Muss
er sich mit der Verstrickungsregelung des § 97 Abs. 2
der Strafprozessordnung befassen? Kann man ihm das
alles zumuten?

Der Bundestagspräsident hat sich zu diesen Anträgen
in weiser Vorausschau schon in einem Artikel im Rheini-
schen Merkur vom 6. September 2007 geäußert:

Ganz offensichtlich bestand die Erwartung an den
deutschen Bundestagspräsidenten, dass er schon die
Genehmigung zur Ermittlung auf Abgeordnete be-
schränken, nicht aber auf Journalisten ausweiten
dürfe. Das ist schon kurios. Was hätte man mir denn
wohl – vermutlich zu Recht – vorgehalten, wenn
ich mir angemaßt hätte, anstelle der Justiz festzule-
gen, gegen wen ermittelt werden darf?

Der Bundestagspräsident will nicht Staatsanwalt spie-
len. Deswegen haben wir seine Meinung zu respektieren.
Somit sind die Anträge vielleicht doch als nicht ganz un-
populistisch abzulehnen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611530400

Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Hans-

Christian Ströbele das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann Ihnen
nicht ersparen, dass ich dazu eine Kurzintervention ma-
che, weil der Kollege Kauder meine Zwischenfrage ja
nicht zugelassen hat.

Herr Kollege Kauder, Sie wissen genau, dass sich die
Situation verändert hatte. Deshalb habe ich Ihnen ja auch
einen Brief geschrieben – den haben Sie nicht erwähnt.
Nachdem beim ersten Mal, soweit ich weiß, überhaupt

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(C (D ichts passiert ist und beim zweiten Mal Journalisten on dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren betroffen aren, habe ich Ihnen, nachdem Sie ein drittes Mal – da tand die Cicero-Entscheidung kurz bevor – die Ermächigung für die Einleitung eines Strafverfahrens erbitten ollten, einen Brief geschrieben, der in etwa folgenden nhalt hat: Weil ich davon ausgehe, dass wiederum im esentlichen oder ausschließlich Journalisten von dem trafrechtlichen Ermittlungsverfahren betroffen sein ürden – ich habe also vorausgesehen, was dann pas iert ist –, stimme ich dem nicht zu. Daraufhin haben Sie zunächst Ihren Wunsch, einen rief an den Bundestagspräsidenten zu schreiben, zu ückgestellt und darüber in der nächsten Sitzung des usschusses nach einer Diskussion, in der das auch ge ußert worden ist, nicht abstimmen lassen. Sie haben ber in einer der nächsten Sitzungen – ich glaube, in der ächsten oder in der übernächsten Sitzung – den Brief, en Sie an den Bundestagspräsidenten schreiben wollen, erneut herausgezogen und zur Abstimmung gestellt it der Begründung, jetzt sei die Cicero-Entscheidung a, also könnten Journalisten nicht mehr davon betroffen ein. Das war die Begründung der CDU/CSU und auch er SPD. Deshalb meinten Sie, diesen Antrag guten Geissens stellen zu können. Ich habe auch in dieser Sitzung darauf hingewiesen, ass wiederum nur Journalisten betroffen sein würden nd ich deshalb dagegen stimmen würde. Ich habe dann agegen gestimmt und leider recht behalten, weil Sie einer und des Kollegen Nešković Auffassung nicht ge olgt sind. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kauder, das klingt aber anders!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611530500

Das Wort hat der Kollege Siegfried Kauder für eine

rwiderung.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/
SU):
Kollege Ströbele, so schnell kommt man in eine

echtfertigungssituation, wenn man die zeitlichen Ab-
äufe durcheinanderbringt. Ich darf zunächst festhalten,
ass Sie – dem haben Sie ja nicht widersprochen – bei
en ersten beiden Wellen von Geheimnisverrat der Bitte
n den Bundestagspräsidenten um Einleitung eines Er-
ittlungsverfahrens zugestimmt haben. Außerdem, Kol-

ege Ströbele, verhält es sich nicht so, wie Sie sagen:
chon bei den ersten beiden Wellen sind teilweise Er-
ittlungsverfahren gegen Journalisten eingeleitet wor-

en; diese wurden aber nach § 170 Abs. 2 der Strafpro-
essordnung sofort eingestellt. Man sollte auch einmal
aran denken, ob ein Journalist, der nichts Unrechtes ge-
an hat, nicht einen Anspruch auf eine Verfahrenseinstel-
ung nach § 170 Abs. 2 hat, wie dies teilweise jetzt schon
eschehen ist, und ob die Beschränkung einer Ermächti-
ung nicht ein Geschmäckle aufweist.

Auch der übrige Ablauf war ein bisschen anders, als
ie es geschildert haben. Nachdem die Cicero-Entschei-
ung herausgekommen war, habe ich in den Entwurf

11940 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)

meines Briefes an den Bundestagspräsidenten sofort den
Satz aufgenommen: Dabei werden die Grundsätze der
Cicero-Entscheidung zu beachten sein.

Wir dürfen festhalten, dass Sie die Überlegung des
Kollegen Stadler, die Ermächtigung zu beschränken, im
Gespräch der Obleute nicht aufgegriffen haben, sondern
dass Sie rundweg – also insgesamt – dagegen gestimmt
haben.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Sie versuchen jetzt also, auf ein Pferd aufzuspringen,
das der Kollege Stadler aufgezäumt hat. Tatsächlich war
es anders. Vielleicht kramen Sie einmal in der Historie.
Dann kommen wir der Wahrheit ein bisschen näher.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611530600

Die Rede des Kollegen Wolfgang Nešković aus der

Fraktion Die Linke und die Rede des Kollegen Gert
Winkelmeier, fraktionslos, haben wir zu Protokoll ge-
nommen.1)


(Zurufe von der SPD: Oh!)


Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/6326
mit dem Titel Rücknahme der Ermächtigung zur Straf-
verfolgung von Journalisten wegen Verstoßes gegen Ge-
heimhaltungsvorschriften gemäß § 353 b des Strafge-
setzbuches. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag ab-
gelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktion der FDP auf Drucksache 16/6217 mit dem Titel
Ermächtigung zur Strafverfolgung von Journalisten ge-
mäß § 353 b Abs. 4 StGB im Zusammenhang mit dem
1. Untersuchungsausschuss der 16. Wahlperiode zurück-
nehmen. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist auch dieser An-
trag gegen die Stimmen der Antragsteller und gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke und der Grünenfraktion
abgelehnt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus
Brähmig, Jürgen Klimke, Dr. Hans-Peter
Friedrich (Hof), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten
Annette Faße, Niels Annen, Dr. Hans-Peter
Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD

Kreuzfahrttourismus und Fährtourismus in
Deutschland voranbringen

– Drucksache 16/5957 –

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1) Anlage 5 2)

(C (D Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Tourismus Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss Wir haben die Reden des Kollegen Jürgen Klimke aus er Unionsfraktion, der Kollegin Annette Faße aus der PD-Fraktion, des Kollegen Jens Ackermann aus der DP-Fraktion, des Kollegen Dr. Ilja Seifert aus der Frak ion Die Linke und der Kollegin Nicole Maisch aus der raktion Bündnis 90/Die Grünen zu Protokoll genomen.2)


Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/5957 an die in der Tagesordnung aufge-

ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.

Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 19 a und
9 b:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Omid
Nouripour, Silke Stokar von Neuforn, Wolfgang
Wieland, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Das Schengen-Informationssystem im europäi-
schen Raum der Freiheit, der Sicherheit und
des Rechts transparent und bürgerrechts-
freundlich gestalten
– Drucksache 16/5966 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Jan Korte, Ulla
Jelpke, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE

Zugriff von Geheimdiensten auf das Schenge-
ner Informationssystem der zweiten Genera-
tion verhindern

– Drucksachen 16/3619, 16/4270 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Ralf Göbel
Wolfgang Gunkel
Gisela Piltz
Jan Korte
Wolfgang Wieland

Auch hier geben die Kolleginnen und Kollegen ihre
eiträge zu Protokoll. Das ist der Fall für den Kollegen
ünter Baumann aus der Unionsfraktion, für den Kolle-
en Wolfgang Gunkel aus der SPD-Fraktion, für die
ollegin Gisela Piltz aus der FDP-Fraktion, für den Kol-

Anlage 6

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11941


(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Petra Pau
legen Jan Korte aus der Fraktion Die Linke und für den
Kollegen Omid Nouripour aus der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen.1)

Tagesordnungspunkt 19 a. Interfraktionell wird Über-
weisung der Vorlage auf Drucksache 16/5966 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
gen. – Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Tagesordnungspunkt 19 b. Der Ausschuss empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4270, den
Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/3619
abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Die Gegenprobe! – Wer enthält sich? – Die Be-
schlussempfehlung ist gegen die Stimmen der Antrag-
steller bei Enthaltung der FDP-Fraktion und der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 sowie Zusatz-
punkt 5 auf:

20 Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur
Änderung des Bundespolizeigesetzes
– Drucksache 16/6292 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Haushaltsausschuss

ZP 5 Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung des Bundespolizeigesetzes und anderer
Gesetze

– Drucksache 16/6291 –
Überweisungsvorschlag
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Haushaltsausschuss

Auch hier gehen die Redebeiträge zu Protokoll. Das
betrifft den Kollegen Ralf Göbel für die Unionsfraktion,
den Kollegen Wolfgang Gunkel für die SPD, die Kolle-
gin Gisela Piltz für die FDP, die Kollegin Silke Stokar
von Neuforn für Bündnis 90/Die Grünen, den fraktions-
losen Kollegen Gert Winkelmeier und die Kollegin Petra
Pau für die Fraktion Die Linke.2)

Interfraktionell wird die Überweisung der Gesetzent-
würfe auf den Drucksachen 16/6292 und 16/6291 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das
ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 21 a und 21 b auf:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur
Änderung des Tierschutzgesetzes
– Drucksache 16/6309 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)


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1) Anlage 7
2) Anlage 8 3)

(C (D Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit b)

Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des
Tierschutzgesetzes

– Drucksache 16/6233 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

Auch hier gehen die Reden zu Protokoll. Der Kollege
r. Peter Jahr hat für die Unionsfraktion seinen Beitrag

u Protokoll gegeben, für die SPD-Fraktion der Kollege
r. Wilhelm Priesmeier, für die FDP-Fraktion der Kol-

ege Hans-Michael Goldmann, für die Fraktion Die
inke der Kollege Bodo Ramelow und für die Fraktion
ündnis 90/Die Grünen die Kollegin Undine Kurth.3)

Interfraktionell wird die Überweisung der Gesetzent-
ürfe auf den Drucksachen 16/6309 und 16/6233 an die

n der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
chlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das
st nicht der Fall. Dann ist auch hier so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:

Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD

Regierungskonferenz zur Änderung der ver-
traglichen Grundlagen der Europäischen
Union und Unterrichtung der Bundesregie-
rung entsprechend Ziffer VI der Vereinbarung
zwischen Deutschem Bundestag und der Bun-
desregierung über die Zusammenarbeit in An-
gelegenheiten der Europäischen Union

– Drucksache 16/6399 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss

Anlage 9

11942 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Petra Pau
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es dazu
Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist dies so
beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Axel Schäfer für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Axel Schäfer (SPD):
Rede ID: ID1611530700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Mitgliedstaaten haben auf dem EU-Gipfel vom
21. bis 22. Juni 2007 in Brüssel dem von der deutschen
Ratspräsidentschaft vorgelegten Entwurf für ein Mandat
zu Beginn einer Regierungskonferenz mit kleinen Ab-
strichen zugestimmt. Das bedeutet inhaltlich: Das, was
wir bereits im Verfassungsvertrag gemeinsam ratifiziert
haben, ist Grundlage eines Reformvertrages und eines
neuen Vertrages für die Politiken der Europäischen
Union.

Damit wurde der Beschluss des Deutschen Bundesta-
ges vom 14. Juni dieses Jahres umgesetzt. Was heißt
das? Wir haben jetzt in den zentralen Punkten gemein-
sam Klarheit bekommen. Die zentralen Punkte umfas-
sen: Es gibt eine Rechtspersönlichkeit der Europäischen
Union. Wir überwinden die Pfeilerstruktur und schaffen
einen einheitlichen institutionellen Rahmen. Wir gren-
zen Kompetenzen klarer voneinander ab. Wir stärken
das Europäische Parlament, das mit nur ganz geringen
Abstrichen auf gleicher Augenhöhe mit dem Ministerrat
ist.

Wir verlängern die Ratspräsidentschaft auf zweiein-
halb Jahre, und wir schaffen das Amt des europäischen
Außenministers.

Wir stärken die Gemeinsame Außen- und Sicherheits-
politik. Erstmalig führen wir das Element der direkten
Demokratie auf europäischer Ebene ein. Hier sollten wir
im Bundestag ein Stück weit von Europa lernen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Rechte der nationalen Parlamente werden – da-
rauf kommt es uns besonders an – gestärkt. Dabei han-
delt es sich um das, was wir können, was wir aber auch
wollen müssen.


(Markus Löning [FDP]: „Wollen müssen“ ist der richtige Ausdruck!)


Wir sollten uns sozusagen europäisieren und unsere Ar-
beit weiterentwickeln. Damit ist für die Bundesregierung
sowohl inhaltlich als auch politisch das Einvernehmen
bei der Regierungskonferenz hergestellt.

Ich sage ganz offen: Ich bin mit der Abfolge sicher-
lich nicht ganz zufrieden und lade die Kolleginnen und
Kollegen aller Fraktionen ein, klarzustellen, wie wir uns
in Zukunft die Unterrichtung vorstellen, auch mit wel-
chen Formulierungen. Wir sollten uns aber nicht nur mit
formalen Details aufhalten. Schließlich ist es der Bun-
desregierung während ihrer Ratspräsidentschaft und in-
folge der begonnenen Regierungskonferenz gelungen,
den Deutschen Bundestag im Allgemeinen und den Eu-

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(C (D opaausschuss im Besonderen sowie zusätzlich die Obeute umfangreich zu informieren und einzubeziehen. ir haben tatsächlich Schritte weg von einem intergouernementalen hin zu einem parlamentarischeren und emokratischeren Europa gemacht. Das ist unser geeinsamer Erfolg in diesem Haus. Dazu gehört aber auch, dass man Kritik an dem übt, as nicht gelungen ist. Es sind für uns drei zentrale unkte. Erstens. Wir haben künftig einen Verfassungsvertrag, er nicht so heißen darf, weil einige es nicht wollen oder lauben, das nicht vertreten zu können. Wir haben wichige Symbole wie Fahne und Hymne, die unsere gemeiname Identität – in Vielfalt geeint – zum Ausdruck brinen, gegen unseren Willen streichen müssen. Solche ymbole sind mehr als nur Zierde, wie die FAZ geschrieen hat. Das ist genau das, was Menschen mit Gemeinchaften verbindet. Wir sollten es in diesem Hohen ause – genauso wie überall im Land – weiterhin so hal en, dass neben der Fahne der Bundesrepublik Deutschand, unserer Trikolore, die Europafahne weht; denn wir ind gerne ein Teil der Europäischen Union. Zweitens. Wir haben bittere Abstriche und Ausnaheregelungen hinnehmen müssen. Bestimmte Länder ollten Regelungen, die für die Gemeinschaft gelten, für ich nicht gelten lassen. Drittens. Es gibt eine Reihe von Fußangeln und Forulierungen – das erleben wir zurzeit in Brüssel –, die en Abschluss der Verhandlungen über das Vertragswerk rschweren. Ich sage ganz offen als jemand, der immer ptimistisch auf die europäische Entwicklung schaut und n das Gelingen verliebt ist: Es wird am 18. und 9. Oktober schwierig, sicherlich auch danach. Die chwierigkeiten bestehen darin – ich will nicht auf anere zeigen, möchte das aber um der geschichtlichen ahrheit willen deutlich beim Namen nennen –, dass es eider Regierungen gibt, die auf Gipfeln Zusagen mahen – ich erinnere an die wichtige Berliner Erklärung om 25. März – und in Verhandlungen so tun, als wären ie mit den Einigungen einverstanden, dann aber, wenn s um das Kleingedruckte oder die Paraphierung geht, is zum Schluss, wenn alle zum Klatschen und Singen ufstehen, mit neuen Nachforderungen, Vorbehalten und leinigkeiten kommen, die die große Politik negativ be influssen. Das müssen wir ganz deutlich sagen. Das ereben wir zurzeit. Ich bin sehr froh darüber, dass unsere Regierung wähend der portugiesischen Ratspräsidentschaft konsequent en Kurs steuert, den die Regierung 1999 – damals noch it einem anderen Kanzler, wie wir alle wissen – begon en hat und der darin besteht, etwas gemeinsam in Euopa über mehr Parlamentarisierung, über einen Konvent nd schließlich mit einer neuen Verfasstheit voranzuringen. Ich sage das, weil die Situation wirklich ernst ist. Wir ollen die wichtigste vertragliche Änderung in den letz Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11943 Axel Schäfer ten 15 Jahren bewerkstelligen. Wir wollen die grundlegendste Veränderung in den letzten 50 Jahren überhaupt auf den Weg bringen. Wir haben keine andere Chance, als dieses Projekt zum Gelingen zu bringen. Eines muss dabei klar sein: Es darf am Ende nicht infrage stehen, dass die Regierungen in ihren Ländern dafür kämpfen, dass die Ratifizierung gelingt. Wir haben nämlich keine andere Chance als diesen Abschluss im Jahr 2007, damit die Ratifizierung 2008 gelingt und wir 2009 als Gemeinschaft handlungsfähig und zukunftsfähig werden. Das geht nicht nur die Europaspezialisten etwas an und hat nicht nur etwas mit Staatsraison zu tun, sondern das ist eine Verpflichtung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Diese wollen 2009 bei der Europawahl von uns allen die Antwort auf die Frage, ob dieses Europa gemeinsam in der Lage ist, in einer globalisierten Welt zu handeln, oder ob wir, jedes Land einzeln, an den Rand gedrängt werden. Schaffen wir es, Europa im Jahr 2009 voranzubringen? Wir sind daher verpflichtet, zum Gelingen dieser Regierungskonferenz beizutragen. Der Deutsche Bundestag ist gut aufgestellt. Wir werden uns engagieren, und ich glaube, wir werden gemeinsam Erfolg haben. Vielen Dank. Das Wort hat der Kollege Markus Löning für die FDP-Fraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle gen! Lieber Herr Schäfer, die Rede, die Sie hier gehalten haben, war genau die Art von Reden, die zu Europaverdruss führen. (Zurufe von der SPD: Oh! – Kurt Bodewig [SPD]: Bei Ihnen vielleicht!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(A) )


(B) )


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611530800

(Beifall bei der FDP)

Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1611530900

Ich kann alles unterschreiben, was Sie über die großen
europäischen Ziele und darüber, wie toll das Ganze ist,
gesagt haben. Ich muss aber sagen: Ich werde allmählich
zynisch, wenn ich hier höre, wie toll es ist, dass die Par-
lamente mehr Rechte bekommen sollen. Ich bin sehr da-
für, dass die Parlamente mehr Rechte bekommen, aber
ich bin auch sehr dafür, dass wir als Deutscher Bundes-
tag die Rechte, die wir haben, endlich wahrnehmen.


(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE] und Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es sind die zwei großen Fraktionen, die das in diesem
Fall verhindert haben.

Wir mussten uns im Europaausschuss von Mitglie-
dern der Bundesregierung, vom Außenminister und vom
Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, anhö-
ren, dass es nicht an ihnen gelegen hat, dass der Bundes-
tag nicht vor Eintritt in die Verhandlungen der Regie-
rungskonferenz um die Herstellung von Einvernehmen

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(C (D ebeten worden ist. Wir mussten uns von der Regierung nhören, dass es Zeit wird, dass der Bundestag endlich eine Rechte wahrnimmt. Angesichts dessen finde ich ine Rede wie die, die Sie, Herr Schäfer, gehalten haben, eschämend. (Zurufe von der SPD: Oh! – Kurt Bodewig [SPD]: Krokodilstränen!)


Ich finde es beschämend, wenn zwei Fraktionen blo-
kieren, sodass wir nicht in der Lage sind, die Rechte,
ie wir uns erkämpft haben, wahrzunehmen. Es ist nicht
n Ordnung, wie Sie damit umgehen und dass Sie jetzt
ersuchen, durch Herumeiern und windelweiche Formu-
ierungen so zu tun, als ob wir im Nachhinein das Ein-
ernehmen herstellen könnten. Das ist lachhaft. Wir ha-
en Sie dazu aufgefordert, dies, wie es in der
ereinbarung steht, zu Beginn der Regierungskonferenz
nd vor Eintritt in die Verhandlungen zu tun. Das wäre
nser Recht gewesen. Ich hätte erwartet, dass zwei große
raktionen dieser beiden Volksparteien darauf bestanden
ätten, auch gegenüber der eigenen Bundesregierung.
ch hätte aber nicht gedacht, dass diese Bundesregierung
hren eigenen Fraktionen sagen muss, dass das Parla-

ent noch nicht einmal seine eigenen Rechte wahr-
immt.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611531000

Kollege Löning, gestatten sie eine Zwischenfrage aus

er Unionsfraktion?


Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1611531100

Bitte, gerne.


Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1611531200

Herr Kollege Löning, ist Ihnen bekannt, dass der

eutsche Bundestag am 14. Juni einen Entschließungs-
ntrag verabschiedet hat, in dem er die Eröffnung einer
egierungskonferenz befürwortet hat, in dem er auch
uf der Basis des bisherigen Verfassungsvertrages es be-
rüßt hat, dass die Verhandlungen nach Möglichkeit die
ubstanz dieses Verfassungsvertrages bewahren sollen?
ind Sie mit mir einer Meinung, dass in diesem Ent-
chließungsantrag eine Zustimmung zur Aufnahme von
erhandlungen vor Einberufung der Regierungskonfe-

enz zu sehen ist?

Falls Sie der Ansicht sein sollten, dass eine solche Zu-
timmung erst in Kenntnis des Mandates der Regie-
ungskonferenz erfolgen sollte, könnten Sie uns dann er-
lären, wie an einem Wochenende eine vorherige
ustimmung des Bundestags zur Aufnahme von Ver-
andlungen vor dem Hintergrund eingeholt werden
ollte, obwohl nach Verlängerung des europäischen Gip-
els das Mandat erst spätnachts ausformuliert vorlag?


Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1611531300

Lieber Herr Kollege Silberhorn, an dieser Stelle teile

ch Ihre Meinung nicht. Was ist das für ein Verständnis
es Parlamentes, wenn gesagt wird, am Wochenende

11944 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Markus Löning
haben wir keine Zeit, die Regierung zu kontrollieren,
oder wenn in vorauseilendem Gehorsam schon einmal
eine Blankogenehmigung erteilt wird, auch wenn das
Mandat nicht bekannt ist? Viel schlimmer finde ich aber,
dass Ihre Fraktion und auch die der Sozialdemokraten
versucht haben, uns weiszumachen, dass ein Einverneh-
men überhaupt nicht nötig ist und dass es reicht, einen
Brief des Bundesaußenministers zur Kenntnis zu neh-
men.

Aufgrund eines Gutachtens des Wissenschaftlichen
Dienstes sind Sie darauf gestoßen, dass es doch dort ei-
nen Beschluss gegeben hat. Den ziehen Sie jetzt aus der
Tasche und überlegen sich, ob man einen Beschluss, den
es doch schon einmal gab, hilfsweise heranziehen
könnte. Herr Silberhorn, ich kann mich gut an die De-
batte hier im Haus über die Inkraftsetzung der BBV erin-
nern, als der Kollege Stübgen klipp und klar gesagt hat:
Vor Eintritt in die Verhandlungen muss die Regierung
das Mandat dem Bundestag vorlegen und Einvernehmen
herstellen. Ich hätte mir gewünscht, dass das nicht nur in
einer Sonntagsrede gesagt worden wäre, sondern dass
sich die Unionsfraktion und die SPD-Fraktion bei die-
sem Verfahren auch daran gehalten hätten. Sie haben es
nicht, und deshalb nenne ich es windelweich, wenn hin-
terher irgendwelche Hilfskonstruktionen herangezogen
werden.


(Thomas Silberhorn [CDU/CSU]: Darf ich eine Nachfrage stellen?)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611531400

Herr Kollege Löning, lassen Sie eine weitere Zwi-

schenfrage zu? – Bitte.


Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1611531500

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege

Löning, sind Sie sich im Klaren darüber, dass Ihre Auf-
fassung zur Konsequenz hätte, dass die Bundesregierung
während des europäischen Gipfels in Brüssel nach Errei-
chen eines Konsenses über das Mandat für die Regie-
rungskonferenz diesen Gipfel hätte abbrechen müssen,
um die Zustimmung des Deutschen Bundestags für die-
ses Mandat einzuholen?


Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1611531600

Herr Kollege Silberhorn, soviel ich weiß, sind Sie Ju-

rist. Insofern verstehe ich nicht, wie Sie überhaupt eine
solche Frage stellen können. Sie wissen genau, dass dort
eine politische Einigung erzielt worden ist, dass aber der
formelle Beginn der Regierungskonferenz erst eine gute
Woche später stattgefunden hat. Insofern wäre es über-
haupt kein Problem gewesen, den Deutschen Bundestag
oder zumindest den Europaausschuss mit dieser Sache
zu befassen. Ich finde es schade, dass Sie versuchen, ge-
gen dieses Recht des Parlaments zu argumentieren. Ich
hätte mir gewünscht, dass aus den Reihen der beiden
großen Fraktionen gesagt wird: Wir als Bundestag haben
viele Rechte, und wir wollen sie in Zukunft besser wahr-
nehmen, als wir es an dieser Stelle gemacht haben. Das
höre ich leider nicht von Ihnen.

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(C (D Kollege Löning, die Uhr ist noch immer angehalten. er Kollege Bodewig hat noch den Wunsch nach einer wischenfrage. Gestatten Sie diese? Wir können das gern fortsetzen. Bitte. Ich fasse mich relativ kurz. – Lieber Kollege Löning, rinnern Sie sich vielleicht noch daran – auch wenn Sie ich an den Junibeschluss schon nicht mehr erinnern und urch den Wissenschaftlichen Dienst in Kenntnis gesetzt erden müssen –, dass es eine ganze Reihe von Beratunen mit den Obleuten gegeben hat, mit dem Ergebnis, ass Beiträge aller Obleute an die Regierung gerichtet orden sind? Erinnern Sie sich noch daran, dass das Erebnis des Brüsseler Gipfels ein Erfolg war, der durch eharrliches Verhandeln der Bundesregierung zustande ekommen ist? Es geht hier um ein Mandat für eine Regierungskonerenz, die dafür gesorgt hat, dass die Substanz des Verassungsvertrages im Wesentlichen erhalten worden ist. ch halte das für einen Erfolg. Ich würde mich freuen, enn Sie sich noch an die eine oder andere Sitzung erinern, in der wir hier gemeinsam mit der Bundesregieung diskutiert haben. Herr Kollege Bodewig, ich habe nicht ganz verstan en, worin die Frage liegt. (Kurt Bodewig [SPD]: Die Frage ist, ob Sie sich daran erinnern, dass es Obleutegespräche gegeben hat, an denen Sie teilgenommen haben?)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611531700
Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1611531800
Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611531900
Kurt Bodewig (SPD):
Rede ID: ID1611532000
Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1611532100

Herr Bodewig, ich kann mich daran erinnern, dass es
ine Reihe von vertraulichen Unterrichtungen der Ob-
eute gegeben hat. Das finde ich richtig. Ich bin der Bun-
esregierung dafür dankbar, dass sie das so handhabt.
ber ich sehe nicht, dass eine vertrauliche Unterrichtung
on Obleuten eine parlamentarische Debatte hier in ir-
endeiner Form ersetzen kann. Es geht uns darum, dass
ir diese Dinge vor den Augen des deutschen Volkes de-
attieren.

Ich verstehe nicht, dass die Bundesregierung in dieser
ituation zum Mandat nicht Stellung nimmt, etwa indem
ie im Deutschen Bundestag sagt, was sie erreicht hat.
ann hätte sie all das Lob – auch aus den Reihen der
pposition – bekommen, das Sie so wünschen.

Ich kritisiere nicht die Bundesregierung, Herr
odewig. Ich kritisiere Sie und Ihre Fraktion dafür, dass
ie auf dem vom Parlament ausgehandelten und mühe-
oll erarbeiteten Recht des Parlaments, nämlich vor Ein-
ritt in Verhandlungen über Reformverträge, vor Eintritt
n Verhandlungen über Beitritte gehört zu werden – die-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11945


(A) )



(B) )


Markus Löning
ses Recht fußt in Art. 23 des Grundgesetzes –, nicht be-
stehen.


(Beifall bei der FDP)


Auf dieses Recht würde der Bundesrat niemals ver-
zichten. Er vertritt seine Anliegen an dieser Stelle so-
wieso sehr viel besser, sehr viel dezidierter, mit sehr viel
mehr politischem Nachdruck, als es die Mehrheit dieses
Hauses leider tut. Es bleibt dabei – das muss ich konsta-
tieren –, dass das sehr enttäuschend ist.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Herr Bodewig, setzen, Sechs!)


Lassen Sie mich dennoch einige Punkte zum Inhalt
des Reformvertrages anführen. Wir werden von der Bun-
desregierung regelmäßig informiert; da gibt es wenig zu
kritisieren. Wir sind der Meinung, dass Europa dringend
einen Reformvertrag braucht. Wir müssen schnell hand-
lungsfähig werden. Wir wünschen uns die politische Ei-
nigung im Oktober, und wir wünschen uns eine schnelle
Ratifizierung. Es ist nötig, dass wir diese Debatte end-
lich hinter uns bringen.

Ich sehe, dass es gegenüber dem Verfassungsvertrag
durchaus eine Reihe von Verbesserungen gegeben hat.
Wir stehen dem ganzen Prozess also außerordentlich po-
sitiv gegenüber. Ich will aber nicht verschweigen, dass
es auch eine ganze Reihe von Punkten gibt, die uns Pro-
bleme bereiten, die uns Sorgen machen. Diesbezüglich
finden wir das Bild, das die Bundesregierung in der Öf-
fentlichkeit malt, etwas zu rosig.

Einige dieser Punkte möchte ich hier trotz der knap-
pen Redezeit noch kurz anreißen.

Es wird Sie nicht verwundern, dass wir als Liberale
den Kompromiss zwischen Frau Merkel und Herrn
Sarkozy, was den fairen und unverfälschten Wettbewerb
angeht, nicht gut finden können. Wir verstehen nicht,
warum ein zentrales Element gerade des sozialen Euro-
pas herausgekickt wird und warum Sie als Sozialdemo-
kraten das nicht kritisieren. Es geht darum, dass die Ver-
braucher, dass die kleinen Leute geschützt werden. Ich
erinnere an das vor kurzem gefällte Microsoft-Urteil. Es
ist eine zentrale Aufgabe der Europäischen Kommission
als Kartellbehörde, die Kleinen vor Monopolen zu schüt-
zen. Ich verstehe nicht, warum dieses Ziel herausgestri-
chen worden ist.

Wir appellieren an die Bundesregierung, den unsinni-
gen Ioannina-Kompromiss auf gar keinen Fall zu akzep-
tieren. Eine Akzeptanz wäre die Umkehrung dessen, was
mit dem Reformvertrag erreicht werden sollte: mehr
Transparenz, mehr Nachvollziehbarkeit für den Bürger.
Der Ioannina-Kompromiss würde das ins Gegenteil ver-
kehren. Es ist geradezu die Karikatur eines europäischen
Kompromisses, wenn eine Entscheidung immer wieder
verschoben wird. Sie haben unsere volle Unterstützung,
wenn Sie sich dafür einsetzen, dass diese Regelung auf
gar keinen Fall in den Vertrag aufgenommen wird.

Ansonsten gibt es einige Fragen, was die parlamenta-
rische Beteiligung angeht. Wenn wir wollen, dass so-
wohl die Beteiligung des EP als auch die der nationalen
Parlamente besser wird, dann sollte die Bundesregierung

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(C (D das erwarte ich – klarer Kante zeigen, als wir es bisher rlebt haben. Darüber sollte sie ruhig öffentlich sprehen. Sie haben dabei die volle Unterstützung. Es kann icht sein, dass zum Beispiel über Datenübermittlung in ukunft ausschließlich im Ministerrat entschieden wird ohne Beteiligung des Europäischen Parlaments, ohne eteiligung der nationalen Parlamente und vor allem hne Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof. hnliches gilt für die Gemeinsame Außenund Sichereitspolitik. Wir brauchen ein volles Mitspracherecht der arlamente in diesen sensiblen Bereichen; sonst werden ir auch da nicht das erreichen, was wir wollen: mehr emokratie und mehr Transparenz. Vielen Dank. Für die Unionsfraktion hat der Kollege Michael tübgen das Wort. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Lieber Herr Kollege Löning, ich möchte Ihnen in Geheimnis verraten. Axel Schäfer wollte eine Einilligungserklärung des Deutschen Bundestages mit Deatte vor Beginn der Regierungskonferenz am 23. Juli ieses Jahres. Sie sollten ihm nach dieser Debatte ein der zwei Bier ausgeben; denn die Vorwürfe an ihn perönlich entbehren der Grundlage. Ich komme noch auf as Thema zurück. Lassen Sie mich an eine Entscheidung in diesem aus vor zweieinhalb Jahren erinnern; damals schienen ir wenigstens etwas mehr einig zu sein. Am 12. Mai 005 hat der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit em Vertrag über eine Verfassung für Europa zugetimmt. Heute wissen wir: Der Verfassungsvertrag ist icht in Kraft getreten. Er ist gescheitert. Die Europäiche Union geriet in eine institutionelle Sackgasse. Der otwendige Reformprozess stagnierte über fast zwei ahre. Wir können heute aber sagen: Die Stagnation ist überunden. Es gibt eine Regierungskonferenz unter portuiesischer Ratspräsidentschaft, die einen neuen europäichen Vertrag erarbeitet, einen Reformvertrag, der in einer politischen Substanz dem Verfassungsvertrag sehr ahe kommt. Dass es dazu gekommen ist, verdanken wir zu einem esentlichen Teil der Bundesregierung, allen voran der undeskanzlerin Angela Merkel und dem Bundesminis er Frank-Walter Steinmeier. Die entscheidenden chritte hierfür waren die Berliner Erklärung und das andat zur Regierungskonferenz beim letzten Europäi chen Rat. Die Berliner Erklärung war zum einen wichtig, weil ie die Staatsund Regierungschefs der Europäischen nion zur Wiederaufnahme des Verfassungsprozesses 11946 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 Michael Stübgen verpflichtet hat. Andererseits hätte es ohne das Mandat für die Regierungskonferenz kaum eine Aussicht auf einen schnellen Abschluss der jetzigen Regierungskonferenz gegeben. Das war übrigens ein Mandat – das ist auch eine Sonderheit in diesem Prozess –, das im Grunde kein Verhandlungsmandat mehr war, sondern ein Mandat zur Umsetzung von Vereinbarungen, wie sie auf dem Europäischen Rat getroffen worden sind. Ohne diese Konzeption wäre der Reformprozess auf lange Sicht gescheitert. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611532200

(Beifall bei der CDU/CSU)

Michael Stübgen (CDU):
Rede ID: ID1611532300

(A) )


(B) )


Die CDU/CSU-Fraktion spricht der Bundesregierung
hierzu noch einmal ihre Anerkennung und ihren Dank
aus.

Positiv zu würdigen ist aber auch die Verhandlungs-
führung der portugiesischen Ratspräsidentschaft, die mit
einer geradezu stoischen Entschiedenheit jegliche neue
Forderungen abgelehnt hat. Das war alles andere als ein-
fach.

Es ging nämlich nicht immer nur um die Frage, was
im Mandat steht oder nicht. Es ging auch um die Frage,
wie das Mandat von einigen EU-Mitgliedern interpre-
tiert wurde. Die Portugiesen haben die erfolgreiche deut-
sche Ratspräsidentschaft fortgesetzt. Wenn der EU-Re-
formvertrag am Ende „Vertrag von Lissabon“ oder
„Vertrag von Porto“ genannt wird, dann würde dies auch
dem Beitrag gerecht, den Portugal im Rahmen seiner
Präsidentschaft tatsächlich geleistet hat.

Was sind die wichtigsten Elemente des Reformver-
trags? Wir haben das in unserem Antrag beschrieben:
Die Grundrechtecharta erhält volle Rechtsverbindlich-
keit. Auch bei der umstrittenen Frage der Stimmenge-
wichtung im Rat konnte das Prinzip der doppelten Mehr-
heit, an dem gerade Deutschland ein besonderes
Interesse hat, erhalten werden, auch wenn die Einfüh-
rung der neuen Entscheidungsregel auf das Jahr 2014
und wegen des Einspruchsrechts – das ist ein Rückfall in
die Nizza-Regelung – faktisch bis 2017 verschoben
wurde.

Als Erfolg ist auch zu verbuchen, dass der Anwen-
dungsbereich der qualifizierten Mehrheit und der Mit-
entscheidung des Europäischen Parlaments ausgedehnt
wurde. Wir haben immer schon gefordert, das Mitent-
scheidungsverfahren in der europäischen Rechtssetzung
zur Regel zu machen. Damit wird das Europäische Par-
lament zum gleichberechtigten Gesetzgeber neben dem
Rat. Die Europäische Union wird durch diese Fort-
schritte demokratischer, transparenter und effektiver.

Auch die Verminderung der Zahl der Kommissare auf
zwei Drittel der Zahl der Mitgliedstaaten ab 2014 stärkt
die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union. Das
Gleiche gilt für das neue Amt des Präsidenten des Euro-
päischen Rates, das dem Handeln der Europäischen
Union Kontinuität, Kohärenz und Sichtbarkeit nach in-
nen wie nach außen ermöglicht.

Die bereits im Verfassungsvertrag angelegte Stärkung
der Rolle der nationalen Parlamente insbesondere bei der

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(C (D ubsidiaritätsprüfung sowie eine verbesserte Kompeenzabgrenzung können ebenfalls auf der Habenseite erbucht werden. Als CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag berüßen wir besonders, dass in dem neuen EU-Vertrag die ompetenzabgrenzung zwischen der Europäischen nion und den Mitgliedstaaten deutlicher als bisher ge asst wird. s wird ausdrücklich festgelegt, dass alle der Union icht übertragenen Zuständigkeiten bei den Mitgliedtaaten verbleiben. Auch die Verleihung der Rechtsperönlichkeit ermächtigt die Europäische Union nicht, ber die ihr von den Mitgliedstaaten übertragenen Kometenzen hinaus Gesetze zu erlassen oder tätig zu weren. Ebenso wichtig ist es, dass die Bundesregierung zugeagt hat, allen Versuchen zu widerstehen, die Unabhänigkeit der Europäischen Zentralbank anzutasten, sei es etzt im Rahmen der Regierungskonferenz, sei es im ialog mit Frankreich, sei es aber auch im Kontext neu rer Überlegungen in der Europäischen Kommission, en europäischen Stabilitätsund Wachstumspakt zu erändern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie ich zusammenfassend sagen: Die für CDU/CSU we entlichen Fortschritte sind in den Reformvertrag eingelossen. Dieser Vertrag ist um ein Vielfaches besser als er jetzt gültige Vertrag von Nizza. Deshalb findet er uch unsere nachdrückliche Zustimmung. Natürlich gibt es auch Wermutstropfen. Da ist zum eispiel der Verzicht auf die europäischen Symbole lagge und Hymne sowie auf die Präambel, mit der der erfassungsvertrag eingeleitet werden sollte. Flagge und ymne sind identitätsstiftende Symbole für Europa, und s ist nur zu bedauern, dass sie keinen Eingang in den ext gefunden haben. Auch die Tatsache, dass die rundrechtecharta in Großbritannien und Polen nicht ngewendet werden soll, ist mehr als ein Schönheitsfeher. Aber letzten Endes kommt es darauf an, wie wir iese Defizite ausgleichen. Immerhin wird die Grundechtecharta in 25 von 27 Mitgliedstaaten rechtsverbindich. Wir verbinden unseren Antrag mit unserer Zustimung zu den Verhandlungen der Bundesregierung im ahmen der Regierungskonferenz auf der Grundlage des andates des Europäischen Rates vom 21. bis 23. Juni 007, wie es die Vereinbarung zwischen dem Deutschen undestag und der Bundesregierung vom 28. September 006 vorsieht. Ich räume freimütig ein, dass wir nach en Irritationen Anfang Juli 2007 das Verfahren hierfür och verbessern müssen, wie es Herr Löning schon anedeutet hat und wie wir dies im Ausschuss auch berechigterweise diskutiert haben. Aber ich bitte auch zu beenken, dass wir die Erklärung unseres Einvernehmens u den Verhandlungen der Bundesregierung zum ersten al praktizieren. Ein Jahr nach Inkrafttreten dieser Zu ammenarbeitsvereinbarung können wir feststellen: Die usammenarbeit zwischen der Bundesregierung und Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11947 Michael Stübgen dem Deutschen Bundestag hat sich deutlich verbessert, auch wenn sie noch längst nicht perfekt ist. Die neuen Instrumente für das Zusammenwirken beider Verfassungsorgane an den europapolitischen Entscheidungen – die Stellungnahmen in Verbindung mit Art. 23 des Grundgesetzes sowie auf der Ebene der Bundesregierung der sogenannte Parlamentsvorbehalt – sollten wir deutlich häufiger in Anspruch nehmen, als es bislang der Fall ist. Wir sollten uns auch darauf verständigen, dass die Herstellung des Einvernehmens, um das sich die Bundesregierung vor Aufnahme von Verhandlungen über Vertragsänderungen oder Verhandlungen zur Aufnahme neuer Mitglieder bemühen muss, ein für alle Beteiligten transparenter und sichtbar dokumentierter Vorgang sein sollte. Der heute von den Koalitionsfraktionen in den Bundestag eingebrachte Antrag wird diesem Kriterium gerecht. Wir werden im Europaausschuss noch Gelegenheit haben, darüber intensiv zu diskutieren. In der Tat gebe ich aber Kollegen Löning – ich vermute, Kollege Steenblock wird das noch in gleicher Weise darstellen – recht: Es wäre besser gewesen, wenn wir diese Einvernehmenserklärung vor Beginn der Regierungskonferenz am 23. Juli verfasst hätten. Wir sind etwas spät dran, aber nicht zu spät. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Dr. Diether Dehm das Wort. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie nicht wundern, dass wir den Antrag der Koalitionsfraktionen ablehnen. (Kurt Bodewig [SPD]: Das hätte ich jetzt aber nicht vermutet!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(A) )


(B) )


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611532400

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Jörg-Diether Dehm-Desoi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611532500

Kollege Silberhorn, ich hätte wirklich, nachdem Sie in
dem ganzen Verfahren zwischen Bundesregierung und
Bundestag doch so ein entscheidender Faktor waren, er-
wartet, dass Sie etwas deutlicher an die Seite des Kolle-
gen Löning getreten wären. Die Frage ging in eine ganz
andere Richtung. Es ist eine Farce, wenn nur zwei Mo-
nate verhandelt wird und einen Monat vor Ende der Ver-
handlungen das Einvernehmen erzielt werden soll.

Den zu erwartenden Vertrag über die Veränderung der
EU-Grundlagen werden wir ablehnen. Nach dem Schei-
tern des Verfassungsvertrages bei den Volksabstimmun-
gen in Frankreich und den Niederlanden werden seine
wesentlichen neoliberalen und militaristischen Inhalte


(Lachen bei der CDU/CSU – Kurt Bodewig [SPD]: Unsinn wird auch durch Wiederholung nicht wahrer!)


mit einem Taschenspielertrick neu als „Reformvertrag“
verpackt. Aus einem alten, gekippten Wein wird nichts

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(C (D utes, lieber Kollege Bodewig, nur weil man ihn mit eiem neuen Etikett versieht. Klammheimlich soll das an en Völkern vorbeigetrickst werden. (Michael Roth [Heringen] [SPD]: Getretener Quark wird breit, nicht stark!)


ass wir das nicht mitmachen, wissen Sie.

Es soll nur ein komplizierter Änderungstext, nicht
ine lesbare Gesamtfassung vorgelegt werden. Niemand
oll einfach nachlesen können, was in den neuen Verträ-
en steht. Man muss die geltenden Verträge und den Än-
erungsvertrag schon nebeneinanderlegen, um sich wie
ei einem komplizierten Puzzle ein Gesamtbild machen
u können.


(Markus Löning [FDP]: Das macht Arbeit, das stimmt!)


as ist Zynismus gegenüber den Bürgerinnen und Bür-
ern, gegenüber dem demokratischen Souverän. Keiner
oll sich wundern, wenn die Begeisterung für das Projekt
er europäischen Integration weiter sinkt. Oder sind
esinteresse und Verwirrspiel gar gewollt?

Wenn Europa gelingen soll, dann kann das nur fried-
ich und sozial geschehen und nicht mit diesem Verfas-
ungssurrogat hinter dem Rücken der Völker. Die Linke,
uch die europäische Linke, fordert deshalb in allen Mit-
liedstaaten Volksabstimmungen. Dafür werden wir
echtzeitig eine Ergänzung des Grundgesetzes beantra-
en.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Charta der Grundrechte – teils kritikwürdig, teil-
eise aber zu unterstützen – wird nicht einmal integraler
ertragsbestandteil, und es wird zugelassen, dass ein-
elne Mitgliedstaaten sich den sozialen Regelungen per
pt-out entziehen.

Oberstes Prinzip im Vertrag bleibt der – ich zitiere –
Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem
ettbewerb“ als Grundlage von noch mehr Deregulie-

ung und Privatisierung, Lohn-, Steuer- und Sozialdum-
ing. Unser Grundgesetz verpflichtet aber alle deutschen
olitiker auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Sozi-
lstaatlichkeit. Das sind drei gleichwertige Pfeiler. Wa-
um lassen Sie zu – ich frage nicht nur die Vertreter mei-
er früheren Partei, sondern Sie alle, die teilweise auf
as Grundgesetz vereidigt sind –, dass im neuen Vertrag
ur noch von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, aber
icht mehr von Sozialstaatlichkeit die Rede ist? Wer ge-
en die Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 des Grund-
esetzes verstößt, verstößt gegen das Grundgesetz. Das
ürfen Sie nicht, auch wenn Bundestag und Bundesrat
inem Reformvertrag mit einer Mehrheit von zwei Drit-
eln zustimmen.

Auch wenn wir die Einzigen sind: Wir wollen eine
ichtige Verfassung, die auch so heißt, verständlich, so-
ial und friedlich, damit die Menschen überzeugt Ja sa-
en zu Europa. Wir, die Linke, werden dabei den Geist
es gesamten Grundgesetzes verteidigen –


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


11948 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) )



(B) )


Dr. Diether Dehm
mit dem Sozialstaatsgebot –, notfalls auch gegen Sie. Er-
innern wir uns: Der gescheiterte Verfassungsvertrag ist
auch von deutscher Seite nicht ratifiziert worden, Kol-
lege Schäfer. Wir im Bundestag können ihn gar nicht ra-
tifizieren, sondern dazu wird die Unterschrift des Bun-
despräsidenten benötigt. Das Bundesverfassungsgericht
hatte das Verfahren angehalten. Das wird mit Ihrem Än-
derungsvertrag nicht anders sein. Es wird spannend wer-
den in Deutschland und Europa – ich verspreche Ihnen:
auch durch die Linken.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611532600

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kol-

lege Rainder Steenblock das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lassen Sie mich zunächst einen Satz dazu sagen, wie wir
mit der Einvernehmensregelung umgegangen sind; denn
das Thema ist jetzt schon mehrfach angesprochen wor-
den. Ich würde das nicht zu hoch hängen. Wir haben die
Debatte darüber ja schon geführt. Ich stimme dem Kolle-
gen Stübgen völlig darin zu, dass wir eine unklare Rege-
lung haben. Das hat die Situation im Sommer ja gezeigt,
zu der es sehr viele unterschiedliche Interpretationen
gab. Letztendlich war es der Chef Ihrer Fraktion, der da-
für gesorgt hat, dass wir diese Einvernehmensregelung
so, wie wir es uns gewünscht hätten und wie es auch aus
meiner Sicht vernünftig gewesen wäre, nicht realisiert
haben.

Aber wir sind auf dem Weg – so sehe ich das jeden-
falls in Bezug auf die Obleute –, zu einer Regelung zu
kommen, die – egal, wie man sie dreht – für alle klar ist;
das ist richtig und gut so. Denn eine Verbindlichkeit, die
für die Bürgerinnen und Bürger, zumindest aber für die
Mitglieder dieses Parlaments transparent sein sollte, ist
wünschenswert.

Lieber Kollege Stübgen und lieber Herr Kollege
Schäfer, das, was Sie heute mit dieser verspäteten Ein-
vernehmenserklärung machen, ist absurd und des Deut-
schen Bundestages unwürdig.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])


Wenn man wenigstens sagen würde, dass wir das heute,
nachdem die Verhandlungen der Fachleute abgeschlos-
sen sind, machen! Aber Sie machen noch nicht einmal
das. Sie stellen Ihr Einvernehmen heute ja nicht zur Ab-
stimmung, sondern verschieben diesen Antrag mit der
Einvernehmensregelung noch in die Ausschüsse, damit
er dann am 11. Oktober zur Abschlusssitzung vorliegt.
Es ist natürlich wirklich absurd, wenn man das Einver-
nehmen erteilen will, wenn die Regierungskonferenz zu
Ende ist. Das sollten wir als Bundestag nicht machen.


(Beifall bei der FDP)


Das Zweite, was mich doch ein bisschen reizt, ist das,
was der Kollege Dehm gesagt hat. Ich spreche von dem,
lieber Kollege Dehm, was hier an Anti-EU-Propaganda

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(C (D ufgetischt wird und dann noch mit dem Grundgesetz arniert ist. Da kann man sich ja nicht immer aussuchen, er Verteidiger an seiner Seite ist. Lieber Diether Dehm, as zur Verfassung und ihrer Bedeutung für die Zukunft er Länder in der Europäischen Union gesagt wurde, ist o weit weg von der Wirklichkeit – das mag Sie nicht ineressieren – und von den Interessen der Menschen in uropa, ass ich es schlimm finde, dass eine Partei, die das Wort Linke“ in ihrem Namen trägt – ich fühle mich auch imer noch als Linker –, mit einer Politik auftritt, die den nteressen dieser Menschen derart widerspricht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, bei der SPD und der FDP)


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Was denn?)


Lesen Sie sich einmal den Grundrechtekatalog durch,
en wir mit dieser Verfassung verabschieden werden.


(Zuruf des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])


Ich weiß ja, dass Sie das nicht lesen wollen, weil Sie
ie Wahrheit und die Wirklichkeit fürchten wie der Teu-
el das Weihwasser.


(Beifall bei der SPD)


as ist ein Katalog, der zu ungefähr 70 bis 80 Prozent aus
ozialen Grundrechten besteht, die zum Teil über das hi-
ausgehen, was in unserer Verfassung steht. Eine linke
artei muss es doch zu ihrem Anliegen machen, für diese
ozialen Grundrechte der Menschen in Europa zu kämp-
en. Das ist das, worum es uns auch geht. Deshalb ist diese
rundrechtecharta ein wichtiger Bestandteil. Wir haben

lle dafür gekämpft, dass sie Bestandteil der Verfassung
der des Reformvertrages bleibt. Wir werden sehr darauf
chten, dass sie ein wesentlicher Bestandteil ist.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611532700

Herr Kollege Steenblock, gestatten Sie eine Zwi-

chenfrage des Kollegen Dehm?


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Nein.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Jetzt ist es klar! So pauschal!)


Diether, wir haben darüber so häufig diskutiert, und
ch möchte jetzt, dass wir diese Debatte würdig beenden.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Ja, klatscht! Das ist eure Demokratie!)


Deshalb fordere ich die Bundestagsparteien auf, mit
en Menschen im Lande über diesen Reformvertrag zu
iskutieren. Wir brauchen eine transparente Debatte und
üssen die Menschen mitnehmen. Herr Kollege Dehm,
ie haben gesagt, dass das Misstrauen in Europa wächst:
chauen Sie sich aber einmal all die Umfragen an, die
emacht wurden, nachdem wir dieses Verfassungspro-
ekt in den Reformvertrag eingebunden haben, nachdem
ir es nach vorne bewegt haben und seitdem Entschei-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11949


(A) )



(B) )


Rainder Steenblock
dungen fallen. Das Vertrauen der Menschen in allen eu-
ropäischen Ländern ist deutlich gewachsen. Das werden
Sie nicht kaputtmachen können.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611532800

Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Dr. Diether

Dehm das Wort.


Dr. Jörg-Diether Dehm-Desoi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611532900

Wenn Sie meine Zwischenfrage nicht zulassen – das

müssen Sie wissen –, kommt von mir automatisch eine
Kurzintervention. Gewöhnen Sie sich einfach einmal an
den Mechanismus, dann ist es gut.

Sie bauen hier einen Popanz auf und behaupten, die
Grundrechtecharta entspreche unserem Sozialstaatsprin-
zip im Grundgesetz. Ich muss Sie ja jetzt nichts mehr
fragen, sondern kann in der Kurzintervention Feststel-
lungen treffen; es hat auch einen Vorteil, wenn Sie die
Frage nicht akzeptieren. Ich verweise auf Art. 14 und 15
Grundgesetz. Danach ist der private Gebrauch des Ei-
gentums eng damit verbunden, dass es der Allgemein-
heit von Nutzen ist. Zeigen Sie mir bitte den in diesem
Impetus gehaltenen rechtlichen Zusammenhang in der
Grundrechtecharta. Zeigen Sie ihn mir. Sie werden fest-
stellen, dass er nicht da ist.

Es sind – das habe ich auch gesagt – viele unterstüt-
zenswerte Teile darin. Deswegen sagen wir, es hätte inte-
graler Bestandteil des Vertrages sein müssen. Das ist ja
das, was ich vorhin gesagt habe. Aber das Sozialstaats-
prinzip des Grundgesetzes ersetzt diese Charta nun in
keiner Weise. Art. 14 und 15 und vieles andere mehr,
das, worauf die Ewigkeitsklausel des Grundgesetzes uns
alle verpflichtet, sind in der Grundrechtecharta nicht an-
nähernd wiederzufinden. Ich bleibe dabei. Seien Sie
ganz sicher: Viele Gewerkschafterinnen und Gewerk-
schafter, viele Leute in der sozialen Bewegung wissen,
dass wir es ernst meinen mit diesem Grundgesetz und
dass hier einige, besonders die Partei, die Art. 15 des
Grundgesetzes wieder einmal streichen möchte, nämlich
die FDP, viel weiter vom Grundgesetz weg sind als wir.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611533000

Kollege Steenblock, Sie haben die Möglichkeit, zu er-

widern.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kollege Dehm, ich biete Ihnen gerne an, eine ei-
gene Veranstaltung zur Grundrechtecharta und zu den
sozialen Implikationen zu machen. Ich will das nicht nä-
her ausführen, sondern es nur an einem Beispiel deutlich
machen.

Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland in vie-
len Teilen der Gewerkschaftsbewegung, der Linken eine
Debatte über das Recht auf Arbeit gehabt, zum Beispiel
darüber, ob das ins Grundgesetz soll. Das ist nicht reali-
siert worden. In der gesellschaftlichen Wertehierarchie

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(C (D wofür steht eigentlich eine Gesellschaft, wofür soll sie orgen, wie sollen Menschen in einer Gesellschaft zuammen leben? – ist dieses Recht auf Arbeit – egal, wie ir es materiell diskutieren – ein sehr wichtiger Diskus ionspunkt. Jetzt gucken Sie sich einmal an, was im rundgesetz dazu steht und was in der Grund echtecharta dazu steht: In der Grundrechtecharta steht azu, im Interesse der Menschen, viel mehr drin als in nserem Grundgesetz. Ich nenne nur dieses Beispiel. Ich könnte viele andere achen nennen; aber das ist, glaube ich, zu dieser Zeit icht mehr angetan. In diesem Bereich geht die Grundechtecharta, was die praktischen Rechte der Menschen ngeht, viel weiter als das, worauf Sie sich fokussiert haen. Denken Sie doch vielleicht einmal ein bisschen poitiv. Vielleicht gelingt es auch Ihnen, das, was wir mit iesem Vertrag an Positivem für die Menschen in Europa rreicht haben, entsprechend zu würdigen. Es geht oran. Es geht in diesem Bereich wirklich voran. Das ist ein Instrument, um billigen Populismus und Parteipoliik zu machen. Dazu ist die Zukunft dieses europäischen ertrages im Interesse der Menschen in Europa uns allen iel zu wichtig. Deshalb: kein Populismus an dieser telle! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611533100

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/6399 an die in der Tagesordnung aufge-

ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur
Änderung des Personalanpassungsgesetzes

– Drucksache 16/6123 –
Überweisungsvorschlag:
Verteidigungsausschuss (f)

Innenausschuss
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

Wir nehmen auch hier die Beiträge der Kolleginnen
nd Kollegen zu Protokoll. Das betrifft den Kollegen
rnst-Reinhard Beck (Reutlingen) für die Unionsfrak-

ion, den Kollegen Rolf Kramer für die SPD-Fraktion,
ie Kollegin Birgit Homburger für die FDP-Fraktion, die
ollegin Inge Höger aus der Fraktion Die Linke und den
ollegen Winfried Nachtwei aus der Fraktion Bünd-
is 90/Die Grünen.1)

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
urfs auf Drucksache 16/6123 an die in der Tagesord-
ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
azu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.
ann ist die Überweisung so beschlossen.

Anlage 10

11950 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007


(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsidentin Petra Pau

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Freitag, den 21. September 2007,
9 Uhr, ein.

Ich wünsche Ihnen einen schönen und vielleicht auch
erfolgreichen Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.