Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11951
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        zu schaffen.
        Hochschulen finden, strukturiert und mit Sicherheit für
        einen gleichwertigen Abschluss ihr Studium absolvieren,
        wird nicht darauf verzichten können und dürfen, hierfür
        die notwendigen hochschulübergreifenden Regelungen
        Strothmann, Lena CDU/CSU 20.09.2007
        Dr. Tabillion, Rainer SPD 20.09.2007
        Wellmann, Karl-Georg CDU/CSU 20.09.2007
        Anlage 1
        Liste der entschuldigt
        *
        **
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        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Adam, Ulrich CDU/CSU 20.09.2007**
        Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        20.09.2007
        Bätzing, Sabine SPD 20.09.2007
        Bulling-Schröter, Eva DIE LINKE 20.09.2007
        Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        20.09.2007
        Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        20.09.2007
        Ernst, Klaus DIE LINKE 20.09.2007
        Friedhoff, Paul K. FDP 20.09.2007
        Gröhe, Hermann CDU/CSU 20.09.2007
        Hill, Hans-Kurt DIE LINKE 20.09.2007
        Dr. Hofreiter, Anton BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        20.09.2007
        Kauch, Michael FDP 20.09.2007
        Kressl, Nicolette SPD 20.09.2007
        Lämmel, Andreas G. CDU/CSU 20.09.2007
        Merz, Friedrich CDU/CSU 20.09.2007
        Dr. Paech, Norman DIE LINKE 20.09.2007
        Pflug, Johannes SPD 20.09.2007**
        Rachel, Thomas CDU/CSU 20.09.2007
        Rawert, Mechthild SPD 20.09.2007
        Rupprecht
        (Tuchenbach),
        Marlene
        SPD 20.09.2007*
        Schmidt (Aachen), Ulla SPD 20.09.2007
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        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        en Abgeordneten
        für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
        sammlung des Europarates
        für die Teilnahme an den Sitzungen der Westeuropäischen Union
        nlage 2
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung:
         Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des
        Hochschulrahmengesetzes
         Antrag: Hochschulrahmengesetz beibehal-
        ten
         Antrag: Studentische Mobilität durch bun-
        deseinheitliche Mindeststandards bei Hoch-
        schulzulassung und -abschlüssen sicherstel-
        len
         Antrag: Aufhebung des Hochschulrahmen-
        gesetzes zur Stärkung autonomer Hochschu-
        len nutzen
        (Tagesordnungspunkt 14 a bis c und Zusatz-
        tagesordnungspunkt 4)
        Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Um allen Fan-
        arenträgern der absoluten Autonomie und Freiheit von
        ochschulen eine grundsätzliche Bemerkung schon am
        nfang entgegenzustellen: Freiheit ohne Regeln endet
        m Chaos. Das gilt auch für das Hochschulwesen. Auto-
        omie der einzelnen Hochschulen ohne gemeinsame
        tandards und abgestimmte Abläufe führt zu Kleinstaa-
        erei, Intransparenz und Bürokratie.
        Gerade wer möchte, dass Studenten gut und schnell
        ber das Hochschulangebot informiert werden können,
        erecht und möglichst unbürokratisch den Weg in die
        ieczorek-Zeul,
        Heidemarie
        SPD 20.09.2007
        olf (Frankfurt),
        Margareta
        BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        20.09.2007
        underlich, Jörn DIE LINKE 20.09.2007
        bgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        11952 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
        (A) )
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        Solche Regelungen dienen letztlich auch dem Ausbau
        von Wissenschaft und Lehre auf hohem Niveau in Quan-
        tität wie Qualität. Sie waren Grundlage für den Wissen-
        schaftsaufwuchs und Hochschulzuwachs, den wir in den
        60er- und 70er-Jahren in Deutschland erlebt haben und
        für den wir in diesem Jahrzehnt einen neuen Aufbruch
        organisieren müssen.
        Das Hochschulrahmenrecht, über dessen Aufhebung
        wir hier heute im Parlament diskutieren sollten, hat
        hieran übrigens einen auch in der Hochschulgeschichte
        unzweifelhaft nachgewiesenen bedeutenden Anteil. Es
        stand Pate für den großen Hochschulaufbruch der 70er-
        Jahre, der in Deutschland mit der sozialliberalen Regie-
        rungszeit von Willy Brandt und Helmut Schmidt einher-
        ging.
        Das Hochschulrahmenrecht war im Übrigen auch das
        Tor zu späteren bundesweiten Studienreformen, die viele
        jetzt bereits als selbstverständlich ansehen. Ohne Hoch-
        schulrahmenrecht keine Öffnung zu den Bachelor- und
        Master-Studiengängen, die in Deutschland jetzt breit an-
        erkannt sind und den Bologna-Prozess hin zu einem eu-
        ropäischen Hochschulraum mit beschreiben.
        Allerdings werden wir konstatieren müssen, dass eine
        solche stimulierende Funktion des Hochschulrechts auf
        Bundesebene für die Zukunft sicherlich nicht mehr der-
        art intensiv zu erwarten sein wird, wie es in der Vergan-
        genheit der Fall war. Denn mit den Verfassungsgerichts-
        urteilen über die sogenannte Erforderlichkeitsklausel
        und deren Rückwirkung auf letzte wegweisende Bundes-
        verfassungsgerichtsentscheidungen wie das Verbot der
        Studiengebühren und die Einführung von Junior-Profes-
        suren, mit der politischen Debatte um die Rückführung
        von Rahmenrechten hin zu klaren Entscheidungskompe-
        tenzen beim Bund einerseits und Ländern andererseits
        und schließlich mit der Föderalismusreform und ihrer
        Einigung darauf, dem Bund nur noch wenige Hoch-
        schulkompetenzen zu belassen, zeichnet sich ab, dass es
        zu gravierenden Veränderungen in der Hochschulzustän-
        digkeit und im Hochschulrecht zwischen Bund und Län-
        dern kommt.
        Dass Autonomie der Hochschule und Differenzierung
        der Hochschullandschaft nicht ohne Regeln für die Zu-
        kunft auskommt, wird grundsätzlich begründet in Aussa-
        gen wie der des Präsidenten des Deutschen Hochschul-
        verbandes, Dr. Bernhard Kempen, der ausdrücklich
        davor warnt, dass der Wettbewerbsföderalismus in seiner
        extremen Form auch eine Verschlechterung der Lage für
        die Hochschulen und für die Studierenden wie Lehren-
        den und Forschenden mit sich bringen könne. Kempen
        fordert, den Wettbewerb vor allem in der Wissenschaft
        selbst stattfinden zu lassen, wo es ihn auch immer schon
        gegeben hätte, ihn aber nicht auch noch auf die Institu-
        tionen und ein marktwirtschaftliches Konkurrenzmodell
        zwischen den Hochschulen in Deutschland zu verlagern.
        Dass Freiheit zum Forschen und Lehren und Freiheit
        des Studiums auch im Interesse der Studierenden Regeln
        braucht, ist in letzter Zeit vor allem thematisiert worden
        in Bezug auf die wachsende Belastung der Studierenden
        durch die Unterschiede zwischen den Hochschulen, was
        Studiengebühren angeht, aber auch Fragen der Zulas-
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        ung, des NC, der Hochschulorganisation, der Ab-
        chlüsse und der Studienverläufe. Nicht zuletzt der Zu-
        ang zur Hochschule stellt sich noch sehr unterschiedlich
        ar und verlangt danach, dass es Regeln gegen das Chaos
        ibt, das mit einem falschen Verständnis von Autonomie
        inhergehen könnte.
        Ich möchte erinnern an die bemerkenswerte Analyse
        nd die Ausführungen, die Jan-Martin Wiarda in der Zeit
        nter der Überschrift Phantom im Hörsaal über das
        rohende Chaos bei der Vergabe von Studienplätzen in
        eutschland gemacht hat. Es ist eben manchmal so, dass
        ie vermeintlich größten Anti-Bürokraten besonders viel
        ürokratie, soziale Ungerechtigkeit und Belastungen für
        ie Einzelnen in ihrem Wahn von Entstaatlichung und
        eregulierung schaffen.
        Nicht umsonst hat deshalb auch die SPD im Verfah-
        en der Föderalismusreform darauf gedrungen, dass bei
        rundsätzlicher Aufgabe des Rahmenrechtes speziell im
        ochschulbereich der Bund Kompetenzen in der Frage
        er Abschlüsse und der Zulassung an den Hochschulen
        ehält und diese Sachgebiete als Teil der konkurrieren-
        en Gesetzgebung von der Bundesebene aus mit lösen
        ann. Nicht umsonst sind die Länder schon vorauseilend
        arangegangen, mit Blick auf die Veränderungen im
        ochschulrahmenrecht über einen Staatsvertrag zu einer
        benso genauen, komplizierten wie aufwendigen und da-
        urch auch in vielen Punkten studentenunfreundlichen
        egelung dieser Materie zu kommen.
        Wenn die Bundesregierung über die Bundesbildungs-
        inisterin ein solches Aufhebungsgesetz zum Hoch-
        chulrahmenrecht bereits zum jetzigen Zeitpunkt in den
        undestag einbringt, auch wenn das Auslaufen dieser
        echtsgrundlage erst zum 1. Oktober 2008 erfolgen
        ürde, so ist das für die sozialdemokratische Seite der
        oalitionsregierung nur ein erster Auftakt und nicht die
        efinitive Entscheidung, wie in der Gesamtmaterie für
        ie Zukunft verfahren werden soll. Von der sozialdemo-
        ratischen Seite haben wir jedenfalls vehement darauf
        estanden und auch durchsetzen können, dass parallel zu
        er Beratung dieses Aufhebungsgesetzes eine Beratung
        m zuständigen Bildungs- und Forschungsausschuss
        tattfinden soll, um mit Sachkundigen aus den verschie-
        ensten Bereichen die Implikationen des vorgelegten
        ufhebungsgesetzes von der Immanenz der Gesetzge-
        ung her, aber auch von den möglichen Vorstellungen
        ür gesetzgeberische Aktivitäten in den Kompetenzen,
        ie der Bund weiterhin im Hochschulbereich hat, und
        er Gesamteinschätzung, wie Hochschulfragen recht-
        ich in Deutschland behandelt werden sollten, anzuge-
        en. Wir freuen uns, dass diese Anhörung bereits für den
        ovember im zuständigen Fachausschuss vereinbart
        orden ist.
        Für die SPD-Bundestagsfraktion werden bei dieser
        nhörung drei sachliche Fragen im Vordergrund stehen:
        Erstens. Der Stand der Umsetzung des Hochschulrah-
        enrechts in den Ländern ist weiterhin unbeleuchtet und
        icht hinreichend dargestellt. Ohne diese Information ist
        ine belastbare Abschätzung der Auswirkungen der Auf-
        ebung des Hochschulrahmenrechtes nicht zu leisten,
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11953
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        (B) )
        etwa im Hinblick auf ein weitgehendes Auseinanderlau-
        fen der Rechtslagen in den Ländern.
        Zweitens. Weiterhin zu klären ist die Frage nach un-
        verzichtbaren Ersatzregelungen für einzelne Vorschrif-
        ten des HRG. Auch wenn die arbeitsrechtlichen Fragen
        vorab geklärt werden konnten, so ist diese Frage auch
        hinsichtlich der dienst- und beamtenrechtlichen Vor-
        schriften bisher nicht hinreichend beantwortet.
        Drittens. Schließlich ist die Annahme des Gesetzent-
        wurfes ausdrücklich zu überprüfen, dass auf bundesge-
        setzliche Regelungen zu Zulassungen und Abschlüssen
        verzichtet werden kann. Hier bleibt intensiv nachzufra-
        gen, ob die offensichtlichen Problemlagen durch den
        Weg hinreichend abgedeckt werden können, der bisher
        von den Ländern in ihrer Zuständigkeit im Hochschulbe-
        reich mitgegangen worden ist.
        Konkret: In Bezug auf das Recht und die Pflicht der
        Gesetzgeber, sei es Bund oder seien es die Länder, bei
        der Zulassung bleibt zu fragen:
        Hat der im Juli 2006 geschlossene Staatsvertrag zwi-
        schen den Ländern die Qualität, die von den Studieren-
        den wie von den Hochschulen erwartet werden kann, in
        Bezug auf ein alle Hochschulen und alle Studierenden
        einschließendes, klar gegliedertes und effizient organi-
        siertes Zulassungsverfahren?
        Sind tatsächlich auch alle Hochschulen in dieses Sys-
        tem einbezogen oder wird mit einem falschen Verständ-
        nis von Hochschulautonomie zugelassen, dass ein sol-
        ches Verfahren, wie es zwischen den Ländern per
        Staatsvertrag abgestimmt worden ist, unterhöhlt werden
        kann?
        Bleibt tatsächlich die Homogenität und Gleichwertig-
        keit in Deutschland im Verfahren der Hochschulzulas-
        sung gewahrt, oder tut sich ein Feld von unterschiedli-
        chen Kosten und Regelungen auf, das am Ende auf dem
        Rücken der Studierenden abgewickelt wird?
        Auch was die Abschlüsse angeht, werden intensive
        Nachfragen und Klärungen notwendig sein:
        Was folgt aus dem möglichen Wegfall des § 9 HRG in
        Bezug auf die ländergemeinsamen Strukturvorgaben für
        die Akkreditierung von Bachelor- und Master-Studien-
        gängen und -Abschlüssen? Halten die Beschlüsse der
        KMK, die weder Gesetz noch Staatsvertrag sind, der An-
        forderung einer verlässlichen Koordinierung und Orien-
        tierung stand?
        Bedarf es einer einheitlichen Festlegung von der Bun-
        desseite aus oder über einen Staatsvertrag in Bezug auf
        eine Anpassung und Veränderung der Studienzeiten der
        Bachelor- und Master-Studiengänge im Lichte von Ziel-
        setzungen, die mit einem Aufwuchs bei den Auslands-
        studien für jeden Studenten und mit einer Integration
        von Studienphasen und Praxisphasen verbunden sind?
        Ist die Akkreditierung von Studiengängen so geregelt,
        dass nicht am Ende in einzelnen Ländern außerhalb der
        Akkreditierung stehende Studieneinrichtungen Abschlüsse
        vergeben, die aus der Mindestanforderung für die Quali-
        tät von Studienabschlüssen herausfallen? Der aktuelle
        §
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        70 des HRG regelt immerhin Mindeststandards für die
        nerkennung und Gleichbehandlung nichtstaatlicher Bil-
        ungseinrichtungen. In der Folge einer zunehmenden
        ründung von nichtstaatlichen Hochschulen wird die
        rage der Sicherung von Qualitätsstandards bei den Ab-
        chlüssen und der Gleichwertigkeit von Abschlüssen von
        edeutung sein.
        Schließlich wird im Rahmen der Anhörung auch zu
        lären sein, was die Vereinbarung in unserem Koali-
        ionsvertrag wirklich bedeutet, das heißt, dass die Zulas-
        ung zu Fachhochschulen und Universitäten auf der
        rundlage einer erfolgreich abgeschlossenen Berufsaus-
        ildung im Hochschulrecht grundsätzlich geöffnet wer-
        en soll. Hier wird zu klären sein, ob dieser Teil des
        ochschulzugangs durch die Föderalismusreform tat-
        ächlich ausgeschlossen ist. Denn diejenigen, die aus ei-
        er qualifizierten und qualifizierenden Berufstätigkeit
        ach einer erfolgreichen Berufsausbildung den Hoch-
        chulzugang suchen, berühren damit ja keineswegs
        chulische Abschlüsse, wie sie nach dem Begründungs-
        ext der Föderalismusreform den Ländern vorbehalten
        ind. Ganz im Gegenteil kommen sie ausdrücklich über
        en nichtschulischen, sondern den berufsbildenden Ab-
        chluss oder die Berufstätigkeit, die eben nicht in der al-
        einigen Zuständigkeit der Länder liegt.
        Wenn sich herausstellen sollte, dass dieser Weg ver-
        assungsmäßig und von der Praktikabilität her nicht
        angbar ist, muss jedenfalls im Rahmen der Anhörung
        nd der weiteren Arbeit am Hochschulrecht infolge der
        ufhebung des HRG intensiv geprüft werden, welche
        nderen Wege es denn geben kann, diese überfällige ko-
        rdinierende Leistung zu erbringen, dass gerade Men-
        chen aus der Berufsausbildung und der Berufstätigkeit
        icht im Dschungel der autonomen Bestimmungen der
        inzelnen Hochschulen in den 16 Bundesländern ste-
        kenbleiben. Dies dürfen und können wir uns nicht leis-
        en. Es wäre eine Versündigung an den Bildungspoten-
        ialen gerade von aktiven und um Bildungsaufstieg
        emühten Menschen in unserem Land.
        Was auf den ersten Blick deshalb als vor allem recht-
        iche Frage erscheinen könnte, wenn man konkret den
        esetzestext des Aufhebungsgesetzes durchsieht, entwi-
        kelt sich im Zusammenhang dieser Fragestellung zu ei-
        er hochpolitischen Diskussion, die wir jedenfalls von
        er sozialdemokratischen Seite aus intensiv aufnehmen
        ollen. Wir wollen dies deshalb umso mehr tun, als es
        uf jeden Fall darum geht, Aufklärung und Bewusst-
        einsbildung auch in Bezug auf die Problemlagen der
        tudierenden und Hochschulen zu schaffen, die mit dem
        uslaufen des HRG keineswegs gelöst sind, sondern
        ich im Gegenteil bereits jetzt als massive Probleme für
        ie Zukunft abzeichnen. Es geht auch darum, fraktions-
        bergreifend die Bereitschaft zu wecken, sich nicht im
        erfahren zu verlieren, sondern sich um die Substanz
        on Hochschulzulassung, Hochschulabschlüssen und
        ochschulqualität zu bemühen.
        Zu den vorgelegten Anträgen der drei Oppositions-
        raktionen müssen deshalb ein paar Hinweise erlaubt
        ein:
        11954 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
        (A) )
        (B) )
        Dass die FDP ganz entgegen ihrer positiven Tradition
        als Bildungs- und Hochschulpartei der sozialliberalen
        Zeiten sich einmal mehr reduziert auf die reine Wettbe-
        werbsbetrachtung, spricht nicht für das moderne Hoch-
        schulverständnis der Liberalen. Sie sind hier ganz schön
        auf den Hund gekommen.
        Wenn die Grünen in ihren längeren Ausführungen am
        Ende auch die Forderung stellen, dass der Bundestag die
        Bundesregierung auffordern soll, gemeinsam mit den
        Ländern und in Abstimmung mit dem Deutschen Bun-
        destag umgehend Verhandlungen über Staatsverträge
        aufzunehmen, so bleibt nur die nüchterne Feststellung,
        dass der Bund in keinem Fall an Staatsverträgen beteiligt
        ist. Denn das Wesen von Staatsverträgen ist, dass sie
        zwischen den Ländern ausgehandelt werden, ohne Bund
        und ohne Bundesregierung. Gleichwohl wollen wir
        gerne anerkennen, dass Staatsverträge ein alternativer
        Weg sein können, um die notwendige Ordnung im Hoch-
        schulwesen auch für die Zukunft des Europäischen
        Hochschulrahmens mit zu schaffen.
        Die Linkspartei schließlich weiß in ihrem Antrag
        schon, was sie konkret will, nämlich ein eigenes Bundes-
        gesetz, das die Hochschulzulassung und Studienab-
        schlüsse bundesweit einheitlich regelt. Für die Sozialde-
        mokraten darf ich Ihnen sagen, dass wir vor diesem
        letztendlichen, absoluten Wissen, das andere schon ha-
        ben, vor einer abschließenden Entscheidung noch mehr
        wissen wollen. Deshalb bereiten wir die Anhörung in-
        tensiv vor. Deshalb wird es noch zu intensiven Klärun-
        gen mit Experten aus den Hochschulen, den Studenten
        und dem Hochschulmanagementbereich kommen müs-
        sen. Deshalb sind auch die Verhältnisse in den Bundes-
        ländern und die bisherige Regelungsqualität genauer zu
        untersuchen.
        Entgegen den Gewissheiten der drei kleinen Opposi-
        tionsparteien müssen wir deshalb feststellen, dass mit
        der Einbringung des Aufhebungsgesetzes zum HRG, um
        es als Schachspieler auszudrücken, die Partie erst eröff-
        net wird und es noch vollkommen offen ist, welches Ge-
        samtkonzept am Ende der Zukunft der Studierenden und
        der Hochschulen am besten entspricht.
        Uwe Barth (FDP): Wir Liberalen begrüßen den Be-
        schluss der Bundesregierung, das HRG endgültig aufzu-
        heben. Dass dies aus unserer Perspektive eine längst
        überfällige Maßnahme war, versteht sich  schließlich
        hat die FDP immer wieder gefordert, den bürokratischen
        Wust zugunsten von mehr Freiraum und mehr Autono-
        mie für die Hochschulen abzubauen. Auf Länderebene
        leisten wir unseren Beitrag. So hat die FDP in Nord-
        rhein-Westfalen ein Hochschulfreiheitsgesetz auf den
        Weg gebracht, ein Gesetz, das diesen Namen auch tat-
        sächlich verdient hat.
        Bildungsministerin Dr. Schavan gibt eine Politik der
        Freiheit und Autonomie für die Hochschulen als Parole
        aus und  das ist bemerkenswert  unterlegt diese Lo-
        sung mit ersten konkreten Schritten. Das HRG soll weg!
        Die Zielrichtung passt und wir unterstützen dieses Vor-
        haben voll und ganz.
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        Tatsächlich kann die Ministerin unsere Unterstützung
        ut gebrauchen. Denn offensichtlich, so lässt sich der taz
        om gestrigen Tage, 19. September 2007, entnehmen,
        erät Frau Schavan unter friendly fire. Aus den Reihen
        er SPD wurde verlautbart, dass man der Aufhebung
        es HRG nicht zustimmen wird. Es scheint, als wollten
        ie Sozialdemokraten die Fesseln des deutschen Hoch-
        chulwesens nicht lösen  das Korsett anbehalten, das
        ie Schwachbrüstigkeit der deutschen Universitäten zu
        aßgeblichen Teilen mit verursachte.
        Das HRG hat keine Funktion. Es gründete auf der
        nnahme, alle Hochschulen seien gleich. Die Sozialde-
        okratin Edelgard Bulmahn hat diese Illusion der
        omogenität des Hochschulsystems  möglicherweise
        öllig unbeabsichtigt  zerstört. Mit der Exzellenzinitia-
        ive ist ein Prozess auf den Weg gebracht worden, der
        ich weder anhalten noch stoppen lässt. Da können die
        ollegen der SPD noch so zetern und klagen. Aber mitt-
        erweile treten ja sogar SPD-Wissenschaftsminister
        nverhohlen für den offenen Wettbewerb zwischen
        ochschulen ein und unterstützen das Kräftemessen in
        achen wissenschaftlicher Exzellenz. Von der Vorstel-
        ung, man könne mittels staatlicher Regelungen den
        assenbetrieb unterfinanzierter Universitäten lenken,
        erabschieden sich immer mehr Verantwortliche. Das
        erstaubte Denken der 70er-Jahre schwindet und die
        issenschaftspolitischen Ansätze sind, vielleicht auch
        en Vergleichsstudien geschuldet, moderner und interna-
        ionaler geworden.
        Dennoch gibt es auch Beharrungseffekte, und diese
        ollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden.
        rofessor Dr. Zöllner, der derzeitige KMK-Vorsitzende,
        at sich dafür ausgesprochen, den durch den Wegfall des
        RG entstandenen Freiraum durch neue Länderregelun-
        en zu füllen. Er sieht auch, laut seiner Antwort auf eine
        leine Anfrage im Berliner Senat, keinen Anlass, den
        ntscheidungsspielraum der Hochschulen in seinem
        erantwortungsbereich zu stärken. Es ist sehr fraglich,
        b diese Haltung den Berliner Universitäten langfristig
        ut bekommen wird.
        Deswegen ist es so dringend notwendig, auf Länder-
        bene für die Stärkung und für mehr Autonomie der
        ochschulen zu werben. Die Regierung geht zwar einen
        ichtigen Schritt mit ihrem Entwurf zur Aufhebung des
        RG. Doch wenn sie will, dass am Ende ein Mehrwert
        ei den Hochschulen ankommt, muss sie auch die Ver-
        ntwortlichen davon überzeugen. Es kann und darf nicht
        infach hingenommen werden, dass einzelne Wissen-
        chaftsminister die Hochschulen in Feudalmanier wie
        intersassen behandeln. Das ist nicht zeitgemäß. Des-
        egen hat die FDP-Bundestagsfraktion hierzu einen An-
        rag eingebracht, um dessen Unterstützung wir bitten.
        Die Linke und die Grünen wollen sich über den Vor-
        toß der Regierung bzw. CDU minus SPD nicht recht
        reuen. Die Vorstellung, dass der Staat die Zügel loslas-
        en könnte, trübt die Stimmung. Die Grünen fordern ei-
        en Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern  der
        ottlob kaum zu realisieren wäre. Da kann man dem Fö-
        eralismus tatsächlich einmal fast dankbar sein. Denn
        in solches bürokratisches Monstrum würde mehr Hür-
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11955
        (A) )
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        den, Hindernisse und Probleme schaffen. Zudem wird in
        dem Antrag die Vorstellung erzeugt, mit einem solchen
        Vertragswerk könnten die Segnungen des HRG kom-
        pensiert werden. Hat das HRG wirklich zur Mobilität
        beigetragen? Nein! Hat es tatsächlich eine Vergleichbar-
        keit der Hochschulen geschaffen? Nein! Hat es für
        gleichwertige Abschlüsse gesorgt? Niemals! Das HRG
        war lediglich eine Konstruktion, mittels derer die Illu-
        sion der Gleichheit aufrechterhalten wurde. Nun werden
        wir uns aber hoffentlich bald von der sozialromantischen
        Weichzeichnerei verabschieden und der Realität ins
        Auge blicken.
        Die FDP ist davon überzeugt, dass Deutschlands
        Hochschulen im internationalen Spitzenfeld mithalten
        könnten  sofern man ihnen dazu die richtigen Rahmen-
        bedingungen bietet. Die Abschaffung des HRG ist ein
        erster, richtiger Schritt. Darauf müssen selbstverständ-
        lich zahlreiche andere folgen. Zunächst müssen Sie aber,
        Frau Ministerin, Überzeugungsarbeit leisten! Werben
        Sie für den notwendigen Freiraum, für Hochschulauto-
        nomie, für Wettbewerb! Dann haben Sie uns an Ihrer
        Seite.
        Cornelia Hirsch (DIE LINKE): Die Linke lehnt die
        von der Bundesregierung vorgeschlagene Aufhebung
        des Hochschulrahmengesetzes ab. Wir halten diesen
        Schritt für überflüssig und inhaltlich für falsch. Deshalb
        begrüßen wir es, dass sich inzwischen auch innerhalb
        der Koalition Widerstand gegen das Vorhaben regt.
        Die Bundesregierung begründet ihre Initiative zur
        Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes mit der in
        2006 beschlossenen Föderalismusreform. Dieses Argu-
        ment ist nicht überzeugend. Aus der Föderalismusreform
        ergibt sich keinerlei Notwendigkeit, das Hochschulrah-
        mengesetz aufzuheben. Aus unserer Sicht gibt es eigent-
        lich nur Gründe, die dafür sprechen, das Gesetz in Kraft
        zu belassen. Nur so können all die Grundsätze, die nach
        der Föderalismusreform weiterhin auf Bundesebene ge-
        regelt werden können bzw. zu denen auf der Ebene der
        Länder noch keine alternativen Regelungen verabschie-
        det wurden, weiter Bestand haben. Falls das vorliegende
        Gesetz jedoch verabschiedet würde, hätte dies zur Folge,
        dass erstens einzelne Länder quasi gezwungen wären,
        ihre Hochschulgesetze zu überarbeiten, und zweitens der
        Bildungsflickenteppich weitergesponnen wird.
        Zweitens soll laut Bundesregierung durch die Aufhe-
        bung des Hochschulrahmengesetzes ein Signal gegeben
        werden, die Hochschulen zugunsten von mehr Wettbe-
        werb aus der staatlichen Detailsteuerung zu entlassen.
        Bisher war es doch gerade andersherum: Der Bund
        steckte einen groben Rahmen ab, und die Länder füllten
        diesen gegebenenfalls mit Details. Sie fordern mit Ihrem
        Entwurf geradezu zur Kleinstaaterei auf. Außerdem will
        die Bundesregierung mit der Gesetzesinitiative eine
        Politik der Freiheit und Autonomie für die Hochschu-
        len erreichen. Die Erfahrungen der letzten Jahre machen
        deutlich, dass die vermeintliche Freiheit in der Praxis
        meistens Unvergleichbarkeit und Chaos bedeutet und
        vor allem die soziale Ungleichheit zwischen den Bun-
        desländern und neuerdings sogar zwischen Hochschulen
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        erschärft. Damit steht der Vorschlag, das Hochschul-
        ahmengesetz abzuschaffen, im Widerspruch zu einer
        rogressiven Hochschulpolitik.
        Lassen Sie mich zwei Beispiele nennen, um dies zu
        elegen: Erstens sollten wir uns den Bologna-Prozess
        enauer ansehen. Begründet wurde die Umstellung der
        tudiengänge auf die Bachelor- und Masterstruktur in
        rster Linie mit dem Ziel, eine bessere Vergleichbarkeit
        u erreichen und die Mobilität zu erhöhen. Inzwischen
        edet die Bildungsministerin ganz offen davon, dass man
        ach Wegen suchen muss, wie sich Mobilität trotz der
        urch den Bologna-Prozess geschaffenen Hürden ge-
        ährleisten lässt. Kürzere Studienzeiten und engere Stu-
        ienpläne trugen nämlich gerade nicht dazu bei, dass
        tudierende häufiger ihren Studienort wechseln oder ein
        uslandsstudium absolvieren.
        Ein zweites Beispiel ist das Ziel, die Studierenden-
        uote auf mindestens 40 Prozent eines Altersjahrganges
        u erhöhen, wie das die Große Koalition anstrebt. Wir
        ind uns hier sicherlich einig, dass dieses Ziel nur er-
        eicht werden kann, wenn die Studienplatzkapazitäten
        usgebaut werden. Erst gestern haben wir uns in der Fra-
        estunde danach erkundigt, wie viele ausfinanzierte Stu-
        ienplätze zurzeit in Deutschland vorhanden sind. Die
        undesregierung sah sich nicht in der Lage, hierauf eine
        ntwort zu geben. Für die Linke ist es schlicht ein Rät-
        el, wie ohne jedes Wissen darüber sinnvoll und bundes-
        eit koordiniert ein Ausbau von Studienplatzkapazitäten
        rfolgen soll. Dieses Beispiel verdeutlicht eindrucksvoll,
        ie wichtig hier eine bundeseinheitliche Koordination
        st.
        Die Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes ist
        eshalb der falsche Schritt. Die Linke fordert eine Poli-
        ik in die entgegengesetzte Richtung. Wir müssen nach
        öglichkeiten suchen, wie der Bund mehr gesamtstaat-
        iche Verantwortung für die Hochschulen wahrnehmen
        ann. Die Linke fordert die Bundesregierung auf, end-
        ich ein Gesetz vorzulegen, das bundesweit den Zugang
        n die Hochschulen und die Hochschulabschlüsse regelt.
        ie Kompetenz hierfür ist dem Bund mit der Föderalis-
        usreform zugefallen. Nun muss sich Frau Ministerin
        chavan dieser Herausforderung auch stellen, anstatt
        en Bund weiter aus der Regelung der Hochschulpolitik
        erauszunehmen.
        Ich fasse zusammen: Mit der Aufhebung des Hoch-
        chulrahmengesetzes würden bundeseinheitliche Rege-
        ungen ohne Not außer Kraft gesetzt. Eine Verschärfung
        er ohnehin schon bestehenden Ungleichheit und man-
        elnde Vergleichbarkeit wären die logische Folge.
        chließlich wären die meisten Landesparlamente genö-
        igt, ihre Hochschulgesetze zu überarbeiten. Die Linke
        ordert die Bundesregierung deshalb auf, ihren Gesetz-
        ntwurf zurückzuziehen.
        Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das
        ind ist in den Brunnen gefallen: Seit der Föderalismus-
        eform I kann der Bund den Studierenden nicht mehr
        echtssicher garantieren, dass sie in Deutschland pro-
        lemlos von einer Uni zur anderen wechseln können.
        ie abweichungssichere Bundeskompetenz dafür haben
        11956 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
        (A) )
        (B) )
        Sie gegen unseren grünen Widerstand mit der Verfas-
        sungsreform vom Tisch gewischt. Da das Kind mit der
        Föderalismusreform I jetzt im Brunnen liegt, können wir
        heute nur noch über Erste-Hilfe-Notlösungen diskutie-
        ren. Auch unser grüner Vorschlag eines Staatsvertrags
        zwischen Bund und Ländern ist  das sage ich ganz of-
        fen  kein perfektes Instrument. Aber wir glauben, dass
        es in der jetzigen Situation das beste Angebot an die Stu-
        dienberechtigten, Studierenden und Absolventen dar-
        stellt.
        Ihr Vorgehen, Frau Schavan, überzeugt dabei am we-
        nigsten: Sie geben mit dem Hochschulrahmengesetz
        auch die Restkompetenz des Bundes für Hochschulzu-
        lassung und -abschlüsse auf. Sie unternehmen noch nicht
        einmal mehr den Versuch, einen bundesweiten Hoch-
        schulraum mit Mobilitätsgarantie zu erhalten. Dies
        kommt geradezu einer Aufforderung an die Länder
        gleich, ihr eigenes Süppchen zu kochen, und ist deswe-
        gen ein fatales Signal an Studienberechtigte, Studierende
        und Absolventen. Ihr Hauptargument, das HRG-Aus
        bringe weniger Bürokratie und mehr Hochschulautono-
        mie, ist dürftig und nicht fachgerecht. Denn das HRG
        enthält  anders als die Landeshochschulgesetze  gar
        keine Detailvorschriften für die Hochschulen, sondern
        setzt einen wichtigen einheitlichen Orientierungsrahmen
        für die Länder. Mit Ihrem Argument, in einem europäi-
        schen Hochschulraum sei das HRG verzichtbar, geben
        Sie sämtliche Gestaltungskompetenz und Einheitlichkeit
        im inländischen Hochschulraum auf. Der Studienort-
        wechsel im Inland darf aber nicht schwieriger werden als
        ins europäische Ausland. Sonst konterkarieren Sie die
        Bologna-Ziele in Europa mit hochschulpolitischer
        Kleinstaaterei in Deutschland. Die ersatzlose Streichung
        des HRG halten wir daher für falsch, kontraproduktiv
        und zudem völlig übereilt. Sie wird die Mobilität von
        Studierenden verschlechtern, weil bundeseinheitliche
        Regeln wegfallen und Regelungslücken in den Bundes-
        ländern entstehen.
        Zu einer pauschalen und gedankenlosen Abschaffung
        des HRG  erwartungsgemäß brav beklatscht von der
        FDP  gibt es drei Alternativen:
        Erstens. Sie erhalten die Teile des Rahmengesetzes,
        die explizit bundeseinheitliche Zulassungsregeln, die
        länderübergreifende Gleichwertigkeit von Prüfungsleis-
        tungen und Studienabschlüssen sowie die Möglichkeit
        des Hochschulwechsels einfordern. Trotz des formalen
        Abweichungsrechts der Länder entsteht so eine norma-
        tive und im besten Fall dauerhafte Bindungswirkung,
        weil der Bund zumindest symbolisch das Ziel bundes-
        einheitlicher Mindeststandards aufrechterhält.
        Zweitens. Sie schaffen ein neues Bundesgesetz, wie
        es  in unterschiedlicher Akzentuierung  SPD und
        Linke fordern. Auch hiermit würde der Bund das hohe
        Gut bundesweiter Regelungen zu Hochschulzulassung
        und -abschlüssen hervorheben. Allerdings erlaubt das
        Grundgesetz Bundesregelungen eben nur noch zu genau
        dieser Materie. Ein umfassendes Wünsch-dir-was-Ge-
        setz, von dem die Linke träumt, ist verfassungsrechtlich
        also gar nicht möglich. Und es würde sogar dazu beitra-
        gen, den nationalen Hochschulraum zu zerfleddern.
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        enn ein umfangreiches Bundesgesetz, das nicht im
        onsens mit den Ländern entsteht, fördert geradezu eine
        bweichende Gesetzgebung der Länder. Gut gemeint ist
        lso nicht gut gemacht, sondern leider fachfremd und
        ealitätsfern.
        Die dritte Option, die uns zur Verfügung steht und wir
        n unserem Antrag vorschlagen, ist ein Staatsvertrag
        wischen allen Ländern und dem Bund. Uns ist bewusst,
        ass die demokratische Beteiligung der Parlamente bei
        inem Staatsvertrag nicht optimal ist, aber über die Rati-
        izierung in allen Parlamenten nicht aufgegeben wird.
        ber wir halten einen Staatsvertrag dennoch für das
        este aller Instrumente in der unbefriedigenden födera-
        en Kompetenzkonstellation. Denn:
        In einem Staatsvertrag sind wir nicht auf die engen
        renzen der Bundeskompetenz beschränkt. Das heißt im
        invernehmen mit den Ländern können wir bundesein-
        eitliche Regelungen zum Hochschulzugang für beruf-
        ich Qualifizierte ohne Abitur verankern. Und wir kön-
        en gemeinsam  über die Vorschläge der KMK hinaus 
        innvolle Eckpunkte für die dringend erforderliche und
        on uns mehrfach eingeforderte bundesweite Service-
        telle zum Bewerbungsmanagement definieren. Diese
        inrichtung kann ineffiziente Mehrfachbewerbungen für
        tudienberechtigte und Hochschulen wirksam minimie-
        en.
        Zudem hat ein Staatsvertrag mit bundeseinheitlichen
        indeststandards die höchste Haltbarkeit und Bindungs-
        irkung. Ein gemeinsam erarbeiteter Staatsvertrag wirkt
        n der unbefriedigenden Verfassungssituation ganz an-
        ers und verbindlicher als ein nicht-zustimmungspflich-
        iges Bundesgesetz.
        Deshalb plädieren wir Grüne für einen Staatsvertrag
        wischen Bund und Ländern, um den unverzichtbaren
        ernbereich länderübergreifenden Hochschulrechts zu
        efinieren.
        Dass die SPD nun ein neues Hochschulrahmengesetz
        ordert, zeigt mir, dass sich die Großkoalitionäre auch
        ei diesem hochschulpolitischen Thema nicht einig sind.
        nd wenn mittlerweile selbst die KMK erwägt, einen
        unabdingbar notwendigen Kernbereich länderübergrei-
        ender Regelungsmaterie in der Hochschulpolitik zu
        eschreiben  wie die Antwort auf unsere Kleine An-
        rage belegt , dann rate ich den Koalitionspartnern, eine
        enkpause einzulegen, und hoffe, dass sich in der Union
        ie Vernunft durchsetzt.
        Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam in der  auch
        on uns eingeforderten  Expertenanhörung die ver-
        chiedenen Optionen erörtern und am Ende in der
        chwierigen Lage nach der Föderalismusreform I zum
        estmöglichen Ergebnis für die Studierenden und ihre
        obilität sowie für die Hochschulen gelangen.
        Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
        esministerin für Bildung und Forschung: Der Gesetz-
        ntwurf zur Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes,
        ber den wir heute beraten, ist Ausdruck einer Politik
        er Freiheit und Autonomie für die Hochschulen. Unsere
        ochschulen brauchen diese Freiheit, um ihre Stärken
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11957
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        auszubauen, flexibel auf neue Herausforderungen zu
        reagieren und im Wettbewerb ein differenziertes Profil
        entwickeln zu können.
        Mit der Aufhebung des HRG unterstützt der Bund die
        Länder darin, die Hochschulen aus der staatlichen De-
        tailsteuerung zu entlassen. Die Länder sind deshalb auf-
        gefordert, ihre neu gewonnenen Spielräume an die
        Hochschulen weiterzugeben. Dies geschieht inzwischen
        in immer mehr Ländern. Was noch vor wenigen Jahren
        in meiner Heimatstadt Darmstadt mit der Vorlage des
        bundesweit ersten Autonomiegesetzes für die Techni-
        sche Universität Modellcharakter hatte, ist nun flächen-
        deckend zum Vorbild für die Hochschulpolitik gewor-
        den.
        Die Rahmengesetzgebung war eine gute und richtige
        Idee zu ihrer Zeit. Sie hat sich aber heute überlebt und
        wurde deshalb zu Recht mit der Föderalismusreform im
        vergangenen Jahr aufgegeben.
        Heute geht es bei der politischen Gestaltung des Wis-
        senschaftssystems darum, Anreize zu setzen, Wettbe-
        werb zu ermöglichen und die Gestaltungsspielräume vor
        Ort zu stärken. Kurz gesagt: Es geht nicht um Steuerung
        über Detailregelungen und Verwaltung, sondern um Mo-
        dernisierung der Hochschulen durch Freiheit und Auto-
        nomie.
        Bund und Länder nehmen ihre gemeinsame Verant-
        wortung für eine zukunftsfähige Entwicklung der Hoch-
        schulen durch neue Steuerungsinstrumente wahr. Ge-
        meinsame Ziele und der feste Wille, diese Ziele zu
        erreichen, können erheblich mehr bewirken als gesetzli-
        che Regelungen. Beleg dafür sind die Exzellenzinitiative
        und der Hochschulpakt.
        Die Exzellenzinitiative hat eine ungeheure Dynamik
        in der deutschen Hochschullandschaft ausgelöst. Nicht
        nur die im Rahmen dieser Initiative erfolgreichen Hoch-
        schulen überlegen sich zukunftsweisende Strategien zum
        Ausbau der eigenen Stärken. Auch viele der übrigen
        Hochschulen setzen auf innovative Konzepte und strate-
        gische Partnerschaften, um in Forschung und Lehre zu
        international sichtbaren Leuchttürmen zu werden.
        Eine weitere Stärkung der Forschung an den Hoch-
        schulen erfolgt im Rahmen des Hochschulpakts. Mit ei-
        ner Programmpauschale für erfolgreiche Forschungsvor-
        haben, die sich im Wettbewerb um Fördermittel der DFG
        durchsetzen, erhalten die Hochschulen mehr Gestal-
        tungsspielräume außerhalb ihrer Grundfinanzierung. Für
        dieses Instrument, das gerade in die Breite der Hoch-
        schulforschung wirkt, stellt der Bund bis 2010 mehr als
        700 Millionen Euro bereit.
        Der Hochschulpakt verfolgt aber vor allem das Ziel,
        mehr jungen Menschen ein Studium zu ermöglichen.
        Bund und Länder schaffen in den nächsten Jahren ge-
        meinsam die Voraussetzungen für die Aufnahme von
        mehr als 90 000 zusätzlichen Studienanfängern. Alleine
        der Bund nimmt hierfür bis zum Jahr 2010 rund
        565 Millionen Euro in die Hand. Damit geben Bund und
        Länder einer wachsenden Zahl junger Menschen die
        Chance für eine akademische Qualifizierung und begeg-
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        en zugleich einem sich abzeichnenden Fachkräfteman-
        el.
        Für Befürchtungen, die Aufhebung des Hochschul-
        ahmengesetzes führe zu Regelungslücken, besteht kein
        nlass. Die Vorgaben des HRG wurden vollständig in
        en Hochschulgesetzen der Länder umgesetzt. Das un-
        ittelbar geltende Hochschulrecht ergibt sich schon jetzt
        icht aus dem HRG, sondern aus den Landeshochschul-
        esetzen.
        Die Aussage, die Abschaffung des HRG werde die
        änder zu weitreichenden Änderungen ihrer Landes-
        ochschulgesetze zwingen, entbehrt daher jeder Grund-
        age. Erforderlich sind allenfalls redaktionelle Änderun-
        en von Paragrafen, die das HRG unmittelbar zitieren.
        efahren für Vergleichbarkeit und Mobilität sind damit
        icht verbunden.
        Dies gilt auch und vor allem für die Bereiche Hoch-
        chulzulassung und Hochschulabschlüsse. In beiden
        ereichen gibt es übereinstimmende Regelungen der
        änder, sodass insbesondere die Mobilität von Studien-
        nteressenten und Studierenden, aber auch die der Absol-
        entinnen und Absolventen gesichert ist.
        So haben die Länder auf Basis der HRG-Regelungen
        m vergangenen Jahr einen neuen Staatsvertrag über die
        ergabe von Studienplätzen vereinbart und landesrecht-
        iche Regelungen erlassen, auf deren Grundlage das
        VS-Verfahren seit dem Wintersemester 2006/2007
        urchgeführt wird. Auch die Regelungen zu den Hoch-
        chulabschlüssen, die das HRG etwa zur Umsetzung der
        ologna-Ziele enthält, sind in Landesrecht umgesetzt
        orden.
        Solange sich im Bereich des Landesrechts keine Ent-
        icklungen abzeichnen, die nachteilige Auswirkungen
        uf die nationale und internationale Mobilität von Stu-
        ierenden und Hochschulabsolventen befürchten lassen,
        ibt es auch keinen Bedarf für neue bundesrechtliche
        egelungen zu Hochschulzulassung oder Hochschul-
        bschlüssen.
        Erlauben Sie mir an dieser Stelle ein paar Bemerkun-
        en zur Frage des Hochschulzugangs beruflich Qualifi-
        ierter. Es ist erklärtes Ziel der Bundesregierung, die
        urchlässigkeit insbesondere zwischen beruflicher und
        kademischer Ausbildung zu verbessern. Wir sind hierzu
        ereits mit den Ländern im Gespräch. Auch der Innova-
        ionskreis berufliche Bildung, dem unter anderem KMK-
        räsident Professor Zöllner angehört, hat sich klar für
        erbesserungen in diesem Bereich ausgesprochen. Es
        äre jedoch ein Missverständnis, wenn man mit Blick
        uf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die
        ochschulzulassung nun eine bundesgesetzliche Rege-
        ung für den Hochschulzugang, etwa von beruflich Qua-
        ifizierten, fordern wollte. Eine solche Regelung wird
        on der Gesetzgebungskompetenz des Bundes ausdrück-
        ich nicht erfasst. Ein Blick in die Begründung des neuen
        rt. 74 Abs. 1 Nr. 33 des Grundgesetzes genügt, um
        iese klare Kompetenzzuweisung festzustellen.
        Die Aufhebung des HRG hat weder Regelungslücken
        och eine Gefährdung von studentischer Mobilität zur
        olge. Sie ist vielmehr ein deutliches Signal für mehr
        11958 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
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        Autonomie. Unsere Hochschulen brauchen diese Frei-
        heit, um ihre Leistungsfähigkeit im weltweiten Wettbe-
        werb auszubauen. Davon profitieren Wirtschaft und
        Wissenschaft, Studierende und Forscher gleichermaßen.
        Anlage 3
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
        Berichts: Nationalen Aktionsplan gegen Rassis-
        mus erstellen (Tagesordnungspunkt 15)
        Kristina Köhler (Wiesbaden) (CDU/CSU): Zum Na-
        tionalen Aktionsplan gegen Rassismus habe ich für die
        CDU/CSU-Fraktion schon in der ersten Lesung des vor-
        liegenden Antrages am 22. März dieses Jahres hier im
        Plenum alles Relevante gesagt.
        Die Bundesregierung wird ihrer Verpflichtung aus der
        Weltkonferenz 2001 in Durban nachkommen. Die Arbeit
        am Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, NAP, ist
        weit fortgeschritten. Er ist in den betroffenen Ressorts
        abgestimmt und wird nun mit den Vertretern der Zivilge-
        sellschaft diskutiert werden. Somit wird die Arbeit am
        NAP noch in diesem Jahr beendet sein.
        Die Bundesregierung braucht sich hier nichts vorwer-
        fen zu lassen, erst Recht nicht bei der Frage der Einbin-
        dung der Zivilgesellschaft. Wer die Schlussdokumente
        der Durbaner UN-Weltkonferenz liest und die Entwick-
        lung des NAP nachvollzieht, der weiß, dass die Bundes-
        regierung diese Einbindung sogar über das dort gefor-
        derte Maß betrieben hat.
        Es ist auch Humbug, zu behaupten, Deutschland sei
        eines der letzten Länder, die noch keinen NAP haben.
        Richtig ist vielmehr, dass wir bei den Ersten sein wer-
        den, die bei den Vereinten Nationen einen Nationalen
        Aktionsplan gegen Rassismus hinterlegen. Wenn man
        fair ist, muss man auch sagen, dass die Bundesregierung
        schon im Jahr 2002 den Vereinten Nationen einen Be-
        richt über die Rechtsextremismusbekämpfung übersandt
        hat, der nichts anderes als bereits ein Kern-NAP war.
        Der Nationale Aktionsplan gegen Rassismus wird die
        geplanten Maßnahmen und Aktivitäten der Bundesregie-
        rung zur Rassismusbekämpfung zusammenfassen. Ich
        würde aber nicht erwarten, dass irgendein Neonazi beim
        Erscheinen des NAP vor lauter Schreck zum Demokra-
        ten wird. Dieser Antrag der Linken klingt gerade so, als
        reduziere sich die Bekämpfung von Rassismus und
        Extremismus auf den NAP. Wir alle hier wissen, dass
        das Unsinn ist.
        Dass das Thema NAP hier so schnell zu aller Zufrie-
        denheit abgehandelt werden kann, gibt mir die Chance,
        noch einmal für die CDU/CSU-Fraktion ein paar grund-
        sätzliche Anmerkungen zur Extremismus- und Rassis-
        musbekämpfung in Deutschland zu machen. Genau
        genommen geht es um fünf Leitsätze der Extremismus-
        bekämpfung, die uns offensichtlich von den anderen
        Fraktionen unterscheiden.
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        Erstens. Wir führen einen Kampf gegen jegliche
        orm des Extremismus, also gegen alle diejenigen, die
        nsere freiheitlich-demokratische Grundordnung be-
        ämpfen. Dies umfasst deshalb sowohl den Rechts- und
        en Linksextremismus als auch den Islamismus. Es ist
        ine großer Fehler, die gegenseitigen Abhängigkeiten
        wischen den Extremismusbereichen zu ignorieren. Von
        er linksextremen Propaganda gegen den Sozialstaat
        rofitiert zurzeit etwa auch die NPD in gehörigem Maße.
        Zweitens. Wir führen auch einen Kampf gegen jegli-
        he Form des Rassismus, und das heißt, ohne Ansehen
        er Ethnie von Opfer und Täter. Wenn rassistische Ge-
        alt gegen Deutsche ignoriert wird, ist dies genauso
        chlimm, wie wenn rassistische Gewalt gegen Ausländer
        gnoriert wird. Es ist deshalb richtig, wenn Politik und
        edien Rassismus gegen Ausländer offensiv benennen
        nd dagegen vorgehen. Aber es ist falsch und es ist Was-
        er auf die Mühlen der Rechtsextremisten, wenn zu-
        leich Rassismus gegen Deutsche weiterhin ignoriert
        nd verharmlost wird.
        Drittens. Der Kampf gegen die einen Extremisten
        ann nicht zusammen mit anderen Extremisten geführt
        erden. Insbesondere in der Rechtsextremismusbe-
        ämpfung werden leider immer wieder linksextreme
        der auch islamistische Organisationen unterstützt. Mit
        em Belzebub treibt man jedoch nicht den Teufel aus.
        an kann die freiheitlich-demokratische Grundordnung
        icht zusammen mit den Feinden der freiheitlich-demo-
        ratischen Grundordnung verteidigen.
        Viertens. Wir kämpfen gegen den Rechtsextremis-
        us, nicht gegen Rechts. Die CDU/CSU stellt sich ge-
        en den Generalverdacht, alles was Rechts sei, sei
        uch rechtsextremistisch. Wer glaubt, unter dem Deck-
        antel des legitimen und notwendigen Kampfes gegen
        en Rechtsextremismus einen Kampf gegen Rechts
        ühren zu können, der wird uns nicht an seiner Seite ha-
        en. Rechte und konservative Einstellungen sind Teil
        es demokratischen Spektrums, egal ob man sie mag
        der nicht. Die Grenze zwischen rechten Einstellungen
        nd rechtsextremistischen Einstellungen ist klar defi-
        iert: Es ist das Verhältnis zur freiheitlich-demokrati-
        chen Grundordnung und zur Menschenwürde.
        Fünftens. Gegen blinden Hass muss man sehenden
        uges kämpfen. Übertreibungen sind genauso Wasser
        uf die Mühlen der Rechtsextremisten wie Verharmlo-
        ungen. Pauschale und vorschnelle Urteile über ganze
        tädte und Gemeinden führen ebenso in die Irre, wie es
        n die Irre führt, die Augen vor rechtsextremistischen
        mtrieben zu verschließen. Man kann den Rechts-
        xtremisten jedoch keinen größeren Gefallen tun, als
        enn eine Tat von Medien und Politik vorschnell als
        echtsextrem klassifiziert werden, es sich im Nachhinein
        ber herausstellt, dass die Tat tatsächlich keinen rechts-
        xtremistischen Hintergrund hatte.
        Diese fünf Leitsätze lassen sich zusammenfassen in
        inem Wort: konsequent. Die CDU/CSU wird weiterhin
        afür einstehen, dass die Bekämpfung von Rassismus
        nd Extremismus in Deutschland eine konsequente Be-
        ämpfung sein wird.
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11959
        (A) )
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        Gabriele Fograscher (SPD): Heute diskutieren wir
        die Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu dem
        Antrag der Linksfraktion, in dem die Bundesregierung
        aufgefordert wird, einen Nationalen Aktionsplan gegen
        Rassismus vorzulegen.
        Rassismus ist eine Form der Fremdenfeindlichkeit,
        die sich auf tatsächliche oder behauptete Rassenunter-
        schiede stützt. Rassisten behaupten, dass Menschen sich
        nicht nur in ihren biologischen Merkmalen, zum Bei-
        spiel Hautfarbe, unterscheiden, sondern dass ihr gesam-
        tes Wesen von ihrer Rassezugehörigkeit geprägt sei.
        Damit verbunden ist stets der Glaube, die eigene
        Rasse sei höherwertig. Deshalb sei es in Ordnung, be-
        stimmte Menschen zu benachteiligen, zu unterdrücken
        und im Extremfall sogar zu vernichten.
        Auf der Weltkonferenz der Vereinten Nationen gegen
        Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlich-
        keit und damit zusammenhängende Intoleranz im Sep-
        tember 2001 in Durban hat sich die Bundesrepublik
        Deutschland verpflichtet, einen Nationalen Aktionsplan
        gegen Rassismus zu erarbeiten.
        Für meine Fraktion stelle ich fest, dass dieser Natio-
        nale Aktionsplan richtig und wichtig ist. Verzögerungen
        bei der Arbeit am Nationalen Aktionsplan gegen Rassis-
        mus sind weder der rot-grünen noch der jetzigen Bun-
        desregierung zuzuschreiben. Sie begründen sich darin,
        dass sich die Nichtregierungsorganisationen bei der Ar-
        beit in der Durban Follow-Up AG überworfen hatten.
        Dieses Problem ist inzwischen gelöst.
        Auch war es Ziel der Bundesregierung und der sie tra-
        genden Fraktionen, die Umsetzung der EU-Antirassis-
        mus-Richtlinie als zentralen Bestandteil des Nationalen
        Aktionsplans zu integrieren. Die Umsetzung der EU-
        Richtlinie ist durch das Allgemeine Gleichstellungsge-
        setz geschehen.
        Inzwischen ist die Bundesregierung auf einem guten
        Weg, den Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus
        noch in diesem Jahr vorzulegen und somit den Ver-
        pflichtungen aus dem Schlussdokument von Durban
        nachzukommen. Die Themenschwerpunkte sind: Mi-
        granten, Flüchtlinge, Menschenhandel, Bildung und
        Menschenrechtserziehung, Diskriminierung am Arbeits-
        markt und Zugang zu diesem, soziale Ausgrenzung,
        Minderheiten, Maßnahmen gegen Gewalt, Menschen
        mit Behinderung.
        Weder die Bundesregierung noch die Vorgängerregie-
        rungen warten auf die Erstellung des Nationalen
        Aktionsplans gegen Rassismus, um auf diesem Gebiet
        aktiv zu werden. Deshalb unterstützt und initiiert die
        Bundesregierung zahlreiche Initiativen und Maßnahmen
        gegen Rassismus in den unterschiedlichsten Ressorts.
        Eine umfassende gesetzliche Maßnahme ist das 2006
        beschlossene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Es
        enthält unter anderem das Ziel, Benachteiligungen aus
        Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft,
        des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, ei-
        ner Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität
        zu verhindern oder zu beseitigen.
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        Das Bündnis für Demokratie und Toleranz  gegen
        xtremismus und Gewalt, gegründet durch das Bundes-
        nnen- und das Bundesjustizministerium, soll die demo-
        ratischen Werte in unserem Land fördern, um ein stär-
        eres Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger für
        chtung und Garantie demokratischer Regeln wie der
        ürde des Menschen, Toleranz, Meinungs- und Reli-
        ionsfreiheit zu bewirken. Es bündelt alle Kräfte, die
        ich gegen rassistische, fremdenfeindliche und antisemi-
        ische Bestrebungen wenden.
        Das Bundesministerium für Familie, Senioren,
        rauen und Jugend fördert mit dem Programm Jugend
        ür Vielfalt und Toleranz Initiativen gegen Rechtsextre-
        ismus und Fremdenfeindlichkeit. Zusätzlich gibt es
        as Programm Förderung von Beratungsnetzwerken 
        obile Intervention gegen Rechtsextremismus.
        Das Programm Xenos  Leben und Arbeit in Viel-
        alt, das zu Teilen aus dem Europäischen Sozialfonds
        inanziert wird, wird vom Bundesministerium für Arbeit
        nd Soziales verwaltet und umgesetzt. Es werden insbe-
        ondere Jugendliche und junge Erwachsene angespro-
        hen, die durch fremdenfeindliches Denken und Han-
        eln auffallen oder sich dafür anfällig zeigen.
        egenseitiges Verständnis soll gefördert werden.
        Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt-
        ntwicklung setzt sich mit dem Programm Soziale
        tadt gegen Rassismus ein. Es geht um Zusammenle-
        en, Nachbarschaft und Integration, aber auch um The-
        en wie einen sozialen Arbeitsmarkt, demografischen
        andel, lokale Demokratie und den Kampf gegen
        echtsextremismus.
        Das Bundesministerium für Bildung und Forschung
        nterstützt den Wettbewerb Demokratisch Handeln,
        er seit 1989 für alle allgemeinbildenden Schulen in
        eutschland ausgeschrieben wird. Der Wettbewerb will
        emokratische Haltung und demokratische Kultur im ge-
        ebten Alltag von Schule und Jugendarbeit stärken. In
        er Begegnung mit anderen sollen Fragen und Probleme
        ichtbar und ein Korridor zu politischer Verantwortung
        eöffnet werden.
        Das Forum gegen Rassismus, dessen Geschäftsstelle
        m BMI angesiedelt ist, fungiert als nationaler runder
        isch im Sinne der Grundsätze der Europäischen Stelle
        ur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlich-
        eit. Es umfasst mittlerweile rund 80 Organisationen,
        arunter 60 bundesweit bzw. überregional tätige Nicht-
        egierungsorganisationen, die sich für die Überwindung
        on Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt ein-
        etzen.
        Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hat sich  auch
        it Blick auf die besondere historische Verpflichtung
        eutschlands  entschieden, die europaweite Bekämp-
        ung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wieder
        uf die politische Agenda zu setzen. Sie wird die seit
        005 auf Eis liegenden Verhandlungen über den Rah-
        enbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus und
        remdenfeindlichkeit wieder aufnehmen. Ziel ist, eine
        indestharmonisierung der Vorschriften über die Straf-
        arkeit des Verbreitens von rassistischen und fremden-
        11960 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
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        feindlichen Äußerungen zu erreichen. Es geht zum Bei-
        spiel um die öffentliche Aufstachelung zu Gewalt und
        Hass oder das Leugnen oder Verharmlosen von Völker-
        mord aus rassistischen oder fremdenfeindlichen Moti-
        ven.
        Die Bundeszentrale für politische Bildung stellt zahl-
        reiches Informationsmaterial über Rassismus, Rechtsex-
        tremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus
        zur Verfügung. Die Bundeszentrale für politische Bil-
        dung unterstützt alle interessierten Bürgerinnen und Bür-
        ger dabei, sich mit diesen Themen zu befassen. Ihre Auf-
        gabe ist es, Verständnis für politische Sachverhalte zu
        fördern, das demokratische Bewusstsein zu festigen und
        die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stärken.
        Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellt ebenfalls
        Informations- und Aufklärungsmaterial zur Verfügung,
        bietet Ausstellungen wie Die braune Falle an, infor-
        miert, analysiert und beobachtet. Auch die Sammlung
        mit nachrichtendienstlichen Mitteln ist unverzichtbar.
        Zudem werden Aussteiger aus der Szene unterstützt, und
        es sind Telefonhotlines für Ausstiegswillige geschaltet.
        Dies sind einige Beispiele für Maßnahmen der Bun-
        desregierung gegen Rassismus und Fremdenfeindlich-
        keit. Sie zeigen das große Engagement des Bundes, der
        dies als Querschnittsaufgabe begreift. Mangelndes Inte-
        resse an der Bekämpfung rassistischer Diskriminierung
        kann man der Bundesregierung und den sie tragenden
        Fraktionen somit nicht vorwerfen, so wie es die Links-
        fraktion in ihrem Antrag tut.
        Und, ich wiederhole es, ein Nationaler Aktionsplan
        gegen Rassismus wird das Problem allein nicht lösen.
        Dazu bedarf es mehr. Neben den Maßnahmen der Bun-
        desregierung braucht es aber auch das Engagement der
        Länder und Kommunen sowie eine starke Zivilgesell-
        schaft.
        Abschließend lässt sich festhalten: Die Bundesregie-
        rung wird ihren Verpflichtungen aus der Weltkonferenz
        in Durban nachkommen. Ein Nationaler Aktionsplan ge-
        gen Rassismus wird in Zusammenarbeit mit dem Fo-
        rum für Rassismus erstellt und bis Ende dieses Jahres
        vorliegen. Deshalb lehnen wir den Antrag der Linksfrak-
        tion ab und stimmen der Beschlussempfehlung zu.
        Christian Ahrendt (FDP): Die Forderung nach ei-
        nem nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, den die
        Linke mit dem heute zur Debatte stehenden Antrag ver-
        folgt, geht in die richtige Richtung. Die FDP-Fraktion
        wird den Antrag gleichwohl ablehnen. Er kommt
        schlicht ein Jahr zu spät.
        Wir haben schon im vergangenen Jahr von der Bun-
        desregierung ein konkretes und tragfähiges Konzept zur
        Bekämpfung von Extremismus und Fremdenfeindlich-
        keit eingefordert. Es soll jetzt aber nicht das Jahr Verspä-
        tung bemängelt werden. Wirklich zu kritisieren ist, dass
        die Bundesregierung es bis heute nicht vermocht hat, ein
        tragfähiges nationales Konzept gegen Extremismus und
        Fremdenfeindlichkeit vorzulegen.
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        Die Berichterstattung über rassistisch motivierte
        traftaten nimmt zu. Erst vor wenigen Tagen war in der
        elt zu lesen, dass ein Familienvater aus Ghana auf dem
        ückweg von seiner Arbeitsstelle von drei Rechtsextre-
        isten durch Barmbeck gehetzt wurde. Trotz lauter Hil-
        erufe hielt kein Autofahrer an, um die Verfolgungsjagd
        u beenden. Die Hetzjagd fand erst ein Ende, nachdem
        in Anwohner dem Familienvater zu Hilfe eilte.
        Solche und ähnlich Berichte lesen wir landauf, landab
        n den verschiedenen Tageszeitungen. Es spielt keine
        olle, ob die Tatorte fremdenfeindlicher Übergriffe im
        aden-württembergischen Langenau, im norddeutschen
        amburg oder im sächsischen Mügeln liegen. Gleich-
        ohl kann man sich nicht ganz des Eindrucks erwähren,
        ass mit zweierlei Maß gemessen wird: Die Aufmerk-
        amkeit und die Gewichtung fremdfeindlicher Straftaten
        n den neuen Bundesländern erfährt eine andere ungleich
        chwerere Gewichtung als vergleichbare Vorfälle im
        esten der Republik. In diesem Zusammenhang gibt es
        a dann auch noch die relativ dumme Bemerkung von so-
        enannten No-go-Areas in den neuen Bundesländern.
        iese ebenso undifferenzierten Blickwinkel führen nicht
        ur zu falschen Stigmatisierungen, sie verstellen zu-
        leich den Blick auf das eigentliche Problem.
        Entscheidend sind vielmehr drei Aspekte:
        Erstens: Die rassistisch motivierten Straftaten gegen
        usländer und Migranten nehmen zu.
        Zweitens: Fremdenfeindlichkeit ist kein Problem ge-
        ellschaftlicher Randbereiche, sondern ist latent vorhan-
        en und in der Mitte der Gesellschaft verankert.
        Drittens  dieser Aspekt wird in der Diskussion auch
        ern übersehen : Es gibt bei uns auch eine rassistisch
        otivierte Fremdenfeindlichkeit, die sich auf einen
        ntisemitismus islamischer Prägung stützt. Es liegt ge-
        ade einmal ein Jahr zurück, dass ein jüdisches Mädchen
        ier in Berlin unter Polizeischutz zur Schule eskortiert
        erden musste, weil ein Streit mit einer islamischen
        itschülerin eskaliert war. Im Spiegel ist hierzu zu lesen
        ich zitiere :
        Rechtsextreme Jugendliche und junge Muslime
        kultivieren einen Hass, der in Deutschland jahr-
        zehntelang für undenkbar gehalten wurde: Sie ma-
        chen Jagd auf jüdische Mitschüler. Politische Ap-
        pelle verhallen an vielen Schulen ungehört.
        ngesichts dieser Entwicklung und der Vielschichtigkeit
        es Problems, mit dem wir es hier zu tun haben, ist es
        ir unverständlich, warum die Bundesregierung sich mit
        inem nationalen Konzept gegen Rassismus derart viel
        eit lässt.
        Der Aktionsplan sollte im ersten Halbjahr 2007 vor-
        elegt werden. Er liegt nicht vor. Ob die Ankündigung,
        is Ende des Jahres die Arbeiten abgeschlossen zu ha-
        en, erfüllt wird, bleibt angesichts der insgesamt schlep-
        enden Lösung dieser Aufgabe abzuwarten. Es soll nicht
        nerwähnt bleiben: Die Verpflichtung für die Bundesre-
        ierung stammt aus dem Jahr 2001. Ich bin der Meinung,
        ass die zurückliegenden sechs Jahre einen ausreichend
        angen Zeitraum darstellen, um die übernommene Auf-
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11961
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        gabe, einen nationalen Plan gegen Rassismus zu erstel-
        len, zu bewältigen.
        Die dargestellte Entwicklung unterstreicht die Dring-
        lichkeit dieser Aufgabe, zumal sich nach der Vorlage
        dieses Plans eine Diskussion mit den Nichtregierungsor-
        ganisationen anschließen soll, also noch einmal Zeit ins
        Land geht, bevor ein verbindlicher Plan vorliegt.
        Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Laut Bericht der eu-
        ropäischen Agentur zum Schutz der Grundrechte hat die
        Zahl rassistisch motivierter Gewalttaten im Jahr 2006 in
        acht von elf beobachteten Staaten der EU zugenommen 
        mit dabei die Bundesrepublik Deutschland. Im Vergleich
        zum Vorjahr nahmen rassistische Gewalttaten um
        14 Prozent zu. Doch noch immer wird versucht, das Pro-
        blem zu leugnen oder zu relativieren. Wenn Einsicht der
        beste Weg zur Besserung ist, sehe ich skeptisch in die
        Zukunft. Denn diesem Land fehlt es an Politikerinnen
        und Politikern, die willens sind, das Kind beim Namen
        zu nennen.
        Da werden in einer Kleinstadt acht Inder von mehre-
        ren Dutzend Menschen attackiert und über den Markt-
        platz gejagt. Getreu dem Motto Weil nicht sein kann,
        was nicht sein darf fällt einigen Politikern nichts Besse-
        res ein, als jedweden Zusammenhang mit Nazis zu be-
        streiten.
        Der sächsische Ministerpräsident Milbradt erklärt,
        dass es keine Hetzjagd in Mügeln, sondern eine Hetz-
        jagd auf Mügeln gegeben habe. Der Bundesinnenminis-
        ter Wolfgang Schäuble stellt gleich den ganzen Übergriff
        infrage, wenn er sagt: Wir müssen ein bisschen aufpas-
        sen, dass wir noch die Fähigkeit haben, auch hinzu-
        schauen, ob denn wirklich was gewesen ist.
        Der Bürgermeister von Mügeln versicherte, es gebe in
        seiner Stadt keinen Rechtsextremismus. Aber wird das
        Ganze dadurch besser, wenn sich bewahrheiten würde,
        dass die Täter keine organisierten Nazis gewesen sind,
        sondern ganz normale Bürger, die ihrer rassistischen Ge-
        sinnung freien Lauf gelassen haben?
        Wohl kaum! Und genau das ist das Problem der Bun-
        desregierung. Nach wie vor wollen sie nicht begreifen,
        dass zwar jeder Nazi Rassist ist, aber nicht jeder Rassist
        automatisch auch Nazi. Die Bekämpfung des sogenann-
        ten Rechtsextremismus ersetzt deshalb nicht einmal an-
        satzweise die Bekämpfung von Rassismus.
        Ein Nationaler Aktionsplan müsste ein solches strate-
        gisches Vorgehen im Rahmen eines Gesamtkonzeptes
        beinhalten. Aber genau davor drückt sich die Bundesre-
        gierung. Zur Erinnerung: 2001 verpflichtete sie sich in
        Durban zur Erarbeitung eines Aktionsplans gegen Ras-
        sismus. Mit der Bewerbung um einen Sitz im UN-Men-
        schenrechtsrat im April 2006 kündigte sie die Vorlage im
        Laufe des Jahres 2006 an. Frau Köhler sprach dann in
        der ersten Lesung im März 2007 davon, dass der Ent-
        wurf im ersten Halbjahr 2007 vorliegen werde.
        Dann kündigte im Juni 2007 Staatssekretär Altmaier
        an, den Aktionsplan bis Ende dieses Jahres unter Beteili-
        gung der NGOs fertigzustellen und an die UN zu schi-
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        ken. Aber bis heute liegt kein Entwurf vor. Wenn die
        undesregierung diesmal trotzdem an ihrer aktuellsten
        erminierung festhält, lässt dies befürchten, dass sie in
        inem Hauruck-Verfahren die Beratung mit der Zivilge-
        ellschaft durchführen wird. Genau dies wollten wir mit
        nserem Antrag, den Sie im Innenausschuss abgelehnt
        aben, verhindern. Zeit für eine tatsächliche Auseinan-
        ersetzung um Inhalte, konkrete Maßnahmen und einem
        onitoringverfahren wird dabei keine bleiben. Während
        ie Bundesregierung Jahre hat verstreichen lassen, müs-
        en die dann beteiligten Organisationen in kürzester Zeit
        hre Vorstellungen dazu erarbeiten. Für Änderungen
        ird da wohl kaum Zeit bleiben, wobei diese auch kaum
        ewünscht sein dürften. Schließlich brauchen Sie die
        ichtregierungsorganisationen lediglich als demokrati-
        ches Feigenblatt zum Abnicken.
        An diesem Dilemma sind allerdings auch die Grünen
        owie die FDP mitverantwortlich. Die Grünen haben es
        n der Zeit ihrer Regierungsbeteiligung sträflichst ver-
        äumt, diesen Aktionsplan selbst vorzulegen. Anstatt
        un aber dieses Versagen wiedergutzumachen, versu-
        hen die Grünen, dieses zu kaschieren. Gemeinsam mit
        er FDP haben sie unserem Antrag nicht zugestimmt.
        Stattdessen soll nach Ansicht der Grünen der Aktions-
        lan die Programme gegen Rechtsextremismus ergän-
        en. Aber eigentlich müsste die Bekämpfung des
        echtsextremismus als aggressivste Form des Rassismus
        estandteil des Engagements gegen Rassismus sein. Da-
        er kann ein solcher Aktionsplan nicht lediglich aus ei-
        er Zusammenfassung von bereits bestehenden Initiati-
        en und Programmen gegen rechts bestehen.
        Und solange es keinen solchen Aktionsplan gibt,
        acht es auch kaum Sinn, wenn die Integrationsbeauf-
        ragte Maria Böhmer einen Pakt für Demokratie auf
        en Weg bringen will, der Bürgermeister verpflichten
        oll, regelmäßig zu berichten, was sie gegen Rechts-
        xtremismus unternommen haben. Dazu bedarf es zum
        inen überhaupt erst einmal eines Problembewusstseins
        er politischen Verantwortungsträgerinnen und -träger.
        ass wir davon noch weit entfernt sind, zeigt gerade
        ügeln, aber auch nicht zuletzt die einseitige Sicht auf
        assismus und Nazismus als ostdeutschem Problem.
        um anderen macht ein solcher Vorschlag nur Sinn,
        enn sich die lokalen und kommunalen Aktivitäten in
        inen kohärenten Ansatz zur Bekämpfung von Rassis-
        us einfügen lassen. Denn die Bekämpfung des institu-
        ionellen Rassismus beispielsweise im Bildungssystem,
        uf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt ist kaum allein
        on den Kommunen zu lösen.
        Wer Menschen, die seit Jahrzehnten in der Bundes-
        epublik leben oder hier geboren sind, wie Bürgerinnen
        nd Bürger zweiter Klasse behandelt, sie für soziale
        onflikte in der Gesellschaft verantwortlich macht und
        hnen per se sexistische und fundamentalistische Haltun-
        en unterstellt oder sie als terroristische Bedrohung
        riminalisiert, trägt entscheidend zum Rassismus bei.
        Soll Rassismus, von wem auch immer und gegen wen
        uch immer, tatsächlich bekämpft werden, muss die
        undesregierung ihre Vorbildwirkung durch eine ent-
        prechend antirassistische Politik wahrnehmen. Die
        11962 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
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        Grundlage dafür muss ein Konzept sein, das sich sowohl
        dem institutionellen als auch dem individuellen Rassis-
        mus stellt. Genau das hat die Bundesregierung 2001 zu-
        gesagt und nicht mehr und nicht weniger fordern wir ein.
        In der ersten Lesung unseres Antrags am 22. März
        2007 hatte ich bereits konstatiert, dass es den Vorwurf
        gibt, dass die Koalition nichts Substanzielles im Kampf
        gegen den Rassismus zu bieten hat. In diesem Zusam-
        menhang bleibt mir nur noch die Wiederholung des
        Zitats des britischen Soziologen Stuart Hill: Wenn man
        in einer Gesellschaft ohne antirassistische Politik lebt, ist
        man dazu verurteilt, in einer rassistischen Gesellschaft
        zu leben. Also sparen Sie sich in Zukunft Ihre Pseudo-
        betroffenheit, wenn es wieder zu rassistischen Übergrif-
        fen kommt.
        Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein
        Nationaler Aktionsplan würde unterstreichen, dass der
        Rassismusbekämpfung bundesweite Bedeutung zu-
        kommt. Das ist wichtig, denn leider reagiert Deutschland
        sehr aktionistisch auf rechtsextrem motivierte Vorfälle.
        Der häufigste strategische Fehler ist, dass man erst aktiv
        wird, wenn ein solches Ereignis bevorsteht oder eine
        Straftat begangen wurde. Viele der Gegenaktionen er-
        weisen sich nach kurzer Zeit als Sturm im Wasserglas
        und schlafen wieder ein. Die Nazis gehen deutschland-
        weit wie international mittlerweile langfristig und ver-
        netzt vor. Dem müssen wir mit eigenen Konzepten ent-
        gegentreten.
        Außerdem hat sich die Bundesrepublik in Durban zur
        Erstellung eines Nationalen Aktionsplans verpflichtet
        und muss nun dazu stehen. Über diese Notwenigkeit be-
        steht meiner Wahrnehmung nach auch Einigkeit in die-
        sem Haus. Dissens tut sich erst auf, wenn wir über die
        konkrete Umsetzung sprechen.
        Ein Nationaler Aktionsplan gegen Rassismus muss
        nicht bei null beginnen, sondern kann auf Bestehendes
        aufbauen. Wir haben viele Bundesgesetze, um rechte
        Straftaten zu ahnden oder Naziaufmärsche zu erschwe-
        ren. Es gibt aktive Initiativen, die öffentlich immer wie-
        der Zeichen gegen Nazis setzen. Viele Bürgerinnen und
        Bürger wollen sich engagieren.
        Notwendig sind bessere Aufklärung über vorhandene
        Möglichkeiten, stärkere Vernetzung von Aktivitäten und
        Ausweitung der Angebote. Es gibt zu wenige Anlauf-
        stellen für betroffene Eltern, deren Kinder in die Nazi-
        Szene gerutscht sind. Naziaussteiger bekommen oft
        keine Hilfe, sondern werden vom Verfassungsschutz nur
        als Informationsquellen ausgenutzt und dann sich selbst
        überlassen. Lehrern fehlen Fortbildungen zur inhaltli-
        chen Auseinandersetzung mit Nazis in den Schulklassen.
        Strukturen, die in solchen Bereichen Angebote schaffen,
        müssen durch einen Nationalen Aktionsplan gestärkt
        und vermehrt werden.
        Für nicht sinnvoll halten wir hingegen ein neues Gre-
        mium, wie es im Antrag der Linksfraktion gefordert
        wird. Das schafft zusätzliche Kosten und mehr Bürokra-
        tie. Stattdessen brauchen bestehende Gremien, in denen
        zivilgesellschaftliche Akteure beteiligt sind, mehr Unter-
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        tützung. Bereits unter Rot-Grün gab es hierzu Konsulta-
        ionen mit NGOs; daran kann die jetzige Bundesregie-
        ung anknüpfen. Das Bündnis für Demokratie und
        oleranz sowie das Forum gegen Rassismus können
        ei der Umsetzung eines Nationalen Aktionsplans ge-
        utzt und gegebenenfalls weiter ausgebaut werden.
        Ich halte die Strategie, etwas Neues zu schaffen und
        as Bewährte nicht zu unterstützen, für falsch. Wichtig
        ür uns Grüne bleibt vor allem die Förderung von Initia-
        iven vor Ort. Ich fordere Nachbesserungen an den Bun-
        esprogrammen. Besonders wichtig ist ein direktes An-
        ragsrecht für freie Träger, da sie aufgrund ihrer
        achkompetenz die Gefahren früh erkennen. Den Kom-
        unen, die momentan als Einzige Förderung für lokale
        ktionspläne beantragen dürfen, fehlt oft dieser Ein-
        lick.
        Ein weiterer Punkt: Viele Bundesländer haben noch
        mmer kein eigenes Landesprogramm gegen Rechts-
        xtremismus aufgelegt. Es ist nicht akzeptabel, dass
        iese Länder die finanzielle Verantwortung einfach auf
        en Bund abschieben. Das Erstellen eines Nationalen
        ktionsplans muss als Chance genutzt werden, eine ein-
        eitliche und vernetzte Förderstrategie in Deutschland
        u erarbeiten. Alle demokratischen Parteien sollten ei-
        en Konsens finden, der nicht jährlich auf dem Prüfstand
        teht, sondern langfristige Strategien ermöglicht. Das ist
        esonders wichtig, wenn wir auf rassistische Einstellun-
        en in der Bevölkerung einwirken wollen. Hier dürfen
        ir von der Kindheit bis ins Alter nicht lockerlassen, um
        erte wie Toleranz, Weltoffenheit, Menschenwürde und
        ielfalt in der Gesellschaft zu verankern.
        Die Bundesregierung hat angekündigt, einen Nationa-
        en Aktionsplan noch in diesem Jahr vorzulegen, den
        undestag einzubeziehen und Stellungnahmen der
        GOs zu berücksichtigen. Wir werden aufmerksam ver-
        olgen, ob diese Zusagen eingehalten werden.
        nlage 4
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung:
         Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung
        der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteili-
        gungen (MoRaKG)
         Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwick-
        lung des Gesetzes über Unternehmensbetei-
        ligungsgesellschaften (UBGG)
        (Tagesordnungspunkt 16 a und b)
        Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Im Koalitions-
        ertrag haben CDU und SPD vereinbart, moderne, inter-
        ational attraktive Rahmenbedingungen für Wagnis-
        apital zu schaffen. Damit wollen wir besonders junge
        echnologieunternehmen, wie beispielsweise im Bio-
        echnologie- und Pharma-Bereich, fördern. In Deutsch-
        and hat sich in den letzten Jahren eine starke und leben-
        ige Landschaft dieser Hightech-Firmen entwickelt.
        iese Unternehmen sind wichtig für die deutsche Markt-
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11963
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        führerschaft in Zukunftsmärkten und Spitzentechnolo-
        gien. Die Wettbewerbsfähigkeit in der globalisierten
        Wissensgesellschaft wird gesichert und so der Grund-
        stein für mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze gelegt.
        Das geplante Gesetz ist also ein wichtiger Bestandteil
        der Hightechförderung der großen Koalition.
        Neue Produkte in jungen Unternehmen sollen unter-
        stützt werden. Gerade in der wichtigen Frühphase
        herrscht in diesen Firmen oft Kapitalknappheit. Dem soll
        mit dieser Förderung und den verbesserten Rahmenbe-
        dingungen abgeholfen werden. Dazu sollen die steuerli-
        chen Rahmenbedingungen für Investoren und Unterneh-
        men der Wagniskapitalbranche verbessert werden. Bei
        Wagniskapitalgebern handelt es sich nach wie vor um
        die wichtigsten Geldgeber für junge Unternehmen. Ge-
        nau für diese müssen wir Anreize zu mehr Investitionen
        schaffen. Nur so investieren sie auch in deutsche Unter-
        nehmen. Mit solch einer Förderung kann und soll
        Deutschland in einer globalisierten Welt entschieden
        besser positioniert werden.
        In der Allgemeinheit wird immer wieder polemisch
        von den Heuschrecken gesprochen. Genau die wollen
        wir ja nicht fördern. Wir fordern doch gerade eine klare
        Abgrenzung der Hedgefonds von den Private-Equity-
        und Venture-Capital-Firmen, die die jungen Hightech-
        Firmen unterstützen wollen. Für diese Unterstützung
        muss allerdings auch erst mal entsprechendes Wagnis-
        kapital mobilisiert werden. Aus unserer Sicht sind fol-
        gende Anforderungen mindestens notwendig  eine
        kleine Auswahl:
        Erstens wollen wir eine transparente Besteuerung von
        Beteiligungsfonds, also die Steuerfreiheit auf Fonds-
        ebene. Der Anleger selbst wird ganz normal besteuert,
        wie bei jedem anderen Fonds. Steuerausfälle sind hier
        nicht zu befürchten.
        Zweitens: Für junge Technologieunternehmen ist be-
        sonders der Verlustvortrag ganz entscheidend. Wir wol-
        len eine Ausnahme von der jetzigen Verlustverrechnung.
        Nur so lassen sich die hohen Anfangsinvestitionen der
        Gründungsphase für Forschung und Entwicklung und
        die noch fehlenden Gewinne verschmerzen. Nur so kön-
        nen die gerade geschaffenen neuen Arbeitsplätze gesi-
        chert werden! Daher dürfen diese Verlustvorträge auch
        bei Mehrheitsübertragungen dieser Firmen nicht verlo-
        ren gehen.
        Drittens wollen wir eine Beibehaltung der steuerli-
        chen Begünstigung der Erfolgsbeteiligung der Wagnis-
        kapitalmanager auf Fondsebene  der sogenannte
        Carried Interest. Sie ist  trotz vielfachen starken Pro-
        tests  notwendig. Sie motiviert die Manager, die jungen
        Technologieunternehmen nach vorn zu bringen. Die
        räumliche Nähe des Fondsmanagement zu den Port-
        foliounternehmen ist ganz entscheidend für deren wirt-
        schaftlichen Erfolg. Und genau das steigert auch die At-
        traktivität des Finanzplatzes Deutschland.
        Trotzdem tun sich doch einige sehr schwer mit so ei-
        ner Förderung, wie man es auch den ersten Eckpunkten
        des BMF entnehmen konnte. Sie wirkten halbherzig und
        die beschriebenen angeblichen Steuerausfälle von 15 bis
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        0 Milliarden Euro abschreckend. Viele gewinnbrin-
        ende Vorschläge von Gutachten wurden leider nicht be-
        ücksichtigt. Nach einigen Gesprächen haben wir dann
        eutliche Verbesserungen erzielt. Insbesondere die Kri-
        erien für Investitionen von Wagniskapitalbeteiligungen
        aren zu restriktiv. Die Begrenzung des Eigenkapitals
        uf 500 000 Euro war vollkommen unzureichend. For-
        chungsintensive, innovative Unternehmen wären damit
        us dem Förderungsbereich größtenteils ausgeschlossen
        orden.
        Aber nicht nur die Gründungsphase, sondern auch die
        achstumsphase muss gestützt werden. Die Abgren-
        ungskriterien für die Zielunternehmen sollen nun wie
        olgt sein: maximal zehn Jahre alt und maximal 20 Mil-
        ionen Euro Eigenkapital. Meines Erachtens wäre aber
        uch zu prüfen, ob die Altersbegrenzung von zehn Jah-
        en überhaupt das richtige Kriterium ist. Ist es nicht bes-
        er, nach Mindestaufwendungen für Forschung und Ent-
        icklung zu fragen? Hier könnte ich mir einen Satz von
        5 Prozent gut vorstellen.
        Auch die transparente Besteuerung konnten wir
        urchsetzen, also die Besteuerung auf Anlegerseite und
        icht im Fonds. Dazu werden diese Beteiligungsgesell-
        chaften als vermögensverwaltend eingestuft.
        Eine gute Nachricht auch für private Geldgeber: Im
        euen Einkommensteuergesetz erhöht sich ihr Freibetrag
        eutlich von circa 9 000 Euro auf 20 000 Euro. So wird
        ine Beteiligung an Hightech-Firmen in Zukunft attrakti-
        er.
        Ich sehe aber noch weitere Verbesserungsmöglichkei-
        en: Die Höhe der Mindesttranchen für eine Investition
        n einen Wagniskapitalfonds  momentan liegt sie bei
        0 000 Euro  sollte weiter herabgesetzt werden oder
        anz wegfallen. Nur so können wir eine große Anzahl
        on Privatinvestoren für die Investition in diese vielver-
        prechenden Unternehmen gewinnen.
        Lassen Sie mich noch etwas zu den Verlustvorträgen
        agen: Zwar ist nun eine Mindesthaltedauer von vier
        ahren notwendig. Erst nach deren Ablauf können die
        nteile an der Zielgesellschaft verkauft werden können.
        och der Verlustvortrag wird gewahrt und bleibt auch
        ei einer späteren Weiterveräußerung  die sogenannte
        inbeziehung des Nacherwerbs  an Dritte erhalten.
        ine Steuerbegünstigung des Carried Interest bleibt be-
        tehen, allerdings erfolgt eine Absenkung von bisher
        0 auf 40 Prozent. Dies entspricht zwar nicht unserer ur-
        prünglichen Forderung, war aber eine Notwendigkeit
        ur Gegenfinanzierung. Unter dem Strich werden durch
        iese Maßnahmen die Wagniskapitalgesellschaften steu-
        rlich in Höhe von 465 Millionen Euro entlastet!
        Keine Frage, die Förderung hätte für die Union weit-
        ehender sein können. Doch mit dem Wagniskapitalbe-
        eiligungsgesetz haben wir einen ersten, richtigen Schritt
        etan und notwendige Rahmenbedingungen und eine
        örderung geschaffen, dass junge, kapitalintensive
        ightech-Unternehmen mithilfe von Geldgebern nach-
        altig die Gewinnzone erreichen können. In einem wei-
        eren Schritt soll auch die Zukunft des breiten Mittel-
        11964 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
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        stands mithilfe von Beteiligungskapital gewährleistet
        werden. Hierzu sollen die Regelungen des Gesetzes über
        Unternehmensbeteiligungen flexibilisiert und an neue
        Entwicklungen angepasst werden. In einem letzten
        Schritt sollen im Rahmen eines Risikobegrenzungsgeset-
        zes die Rechte von Unternehmen im Umgang mit
        Finanzinvestoren gestärkt werden. Wir sind auf dem
        richtigen Weg.
        Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD): Die Konjunktur in
        Deutschland ist auf einem guten Weg, die Arbeitslosig-
        keit sinkt, und die Bedingungen für Unternehmen am
        hervorragenden Standort Deutschland sind auch dank
        unserer Unternehmensteuerreform attraktiv ausgestaltet
        worden.
        Aber auf diesem politischen Erfolg ruhen wir uns
        nicht aus, im Gegenteil. Ziel unserer umsichtigen Politik
        ist es, mit dafür zu sorgen, dass in Deutschland hochmo-
        tivierte junge Start-up-Unternehmen die Chance erhal-
        ten, ihr Know-how umzusetzen und weiterzuentwickeln.
        Hierzu müssen wir alle politischen Möglichkeiten nut-
        zen, den Standort Deutschland auch für geeignete Kapi-
        talgeber attraktiv zu gestalten. Gerade im Bereich der
        Wagniskapitalfinanzierung haben wir in den letzten Jah-
        ren einen Rückgang zu verzeichnen, welchen wir schon
        aus ökonomischer Sicht ins Gegenteil umkehren müs-
        sen. Denn gerade kleine und mittlere junge Unterneh-
        men benötigen Kapital. Wir wissen doch, welches
        enorme Leistungspotenzial und welches innovative Den-
        ken in den Köpfen unserer jungen Unternehmergenera-
        tion steckt, vor allem im IT- und Hochtechnologiebe-
        reich. Die Entwicklung einer Idee bis zur Marktreife
        kostet aber viel Geld und erfordert oft eine Menge Perso-
        nal. Die Bereitstellung von benötigtem Kapital stellt
        diese Unternehmen natürlich  wie überall in der Welt 
        häufig vor erhebliche Probleme, da finanzielle Eigenmit-
        tel und Sicherheiten fehlen.
        In diesem Zusammenhang ist natürlich auch die staat-
        liche Förderung solcher Unternehmen ein Schwerpunkt
        unserer Politik, aber letztendlich sind häufig nur private
        Kapitalgeber in der Lage, diesen Unternehmen die erfor-
        derlichen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen.
        Dies zu unterstützen und zu fördern, ist eben auch ein
        Kapitel unserer erfolgreichen und effektiven Finanzpoli-
        tik.
        Wir bringen heute in erster Lesung den Entwurf eines
        Gesetzes zur Modernisierung der Rahmenbedingungen
        für Kapitalbeteiligungen ein, der ein neues Wagniskapi-
        tal-Beteiligungsgesetz formuliert. Ziel ist eine gezielte
        Förderung von Kapitalbeteiligungen in junge und mittel-
        ständische Unternehmen, vor allem  wie bereits er-
        wähnt  in der IT- und Hochtechnologie-Branche. Hier-
        bei ist es uns außerordentlich wichtig, einen Kreis
        förderungswürdiger Unternehmen zu definieren, um
        Missbrauchs- und Mitnahmetatbestände zu vermeiden.
        So werden nur Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften
        gefördert, die ihre Mittel in nichtbörsenorientierte junge
        Unternehmen mit einem Alter von höchstens zehn Jahren
        und ein Eigenkapital von maximal 20 Millionen Euro in-
        vestieren. Darüber hinaus muss  damit sichergestellt
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        ird, dass eine Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaft
        chwerpunktmäßig in förderungswürdige Wagniskapital-
        eteiligungen investiert  der Anteil der Wagniskapital-
        eteiligungen am Gesamtwert des von ihr verwalteten
        ermögens mindestens 70 Prozent betragen.
        Damit wir den größtmöglichen Schutz vor unseriösen
        apitalgebern, die nur die Rendite im Kopf haben und
        ventuell mit unlauteren Mitteln steuerliche Förderung
        rhalten wollen, gewährleisten, bedürfen die investieren-
        en Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften zudem der
        nerkennung der Bundesanstalt für Finanzdienstleis-
        ungsaufsicht (BaFin), die die im Gesetz formulierten
        oraussetzungen prüfen, anerkennen und vor allem
        berwachen soll. Da wir wissen, dass Wagniskapitalbe-
        eiligungsgesellschaften zudem manchmal mit nicht kal-
        ulierbaren Risiken behaftet sind, ist es auch unsere
        ufgabe, vor allem Kleinanleger zu schützen. Deshalb
        st vorgesehen, eine Mindesteinlage in Höhe von 50 000
        uro einzuführen.
        Alles in allem schaffen wir mit dem vorliegenden Ge-
        etz zweierlei: Zum einen  wie gesagt  die Förderung
        on jungen aufstrebenden Unternehmen und die damit
        erbundene Schaffung von neuen Arbeitsplätzen. Und
        um anderen bieten wir attraktive steuerliche Förderun-
        en von Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften, zum
        eispiel bei entsprechenden Voraussetzungen die Ge-
        erbesteuerfreiheit.
        Mit diesem Gesetz, welches wir in den kommenden
        ochen noch intensiv beraten werden, schaffen wir es,
        en Standort Deutschland weiter attraktiv zu gestalten.
        on daher ist es richtig und notwendig, durch gezielte
        örderung die lokale Ansiedlung von Wagniskapital-
        onds zu unterstützen.
        Parallel zum vorliegenden Gesetz werden wir in den
        ächsten Wochen auch intensiv ein Risikobegrenzungs-
        esetz diskutieren, welches unerwünschten Entwicklun-
        en in Bereichen, in denen Finanzinvestoren tätig sind,
        ntgegenwirken wird. Aktuelle Signale aus den USA und
        ngland zeigen die Notwendigkeit solcher Überlegungen.
        uch werden damit Befürchtungen, Wagniskapitalgesell-
        chaften könnten  der Rendite zuliebe  junge Unterneh-
        en an den Meistbietenden verhökern, ausgeräumt.
        Letztendlich ist dies wiederum ein Beitrag unserer ef-
        ektiven und verbraucherfreundlichen finanzpolitischen
        rbeit.
        Nina Hauer (SPD): Insbesondere junge und innova-
        ive Unternehmen bringen unsere Wirtschaft voran. Sie
        ind es, die für zukunftsfähige Produkte, Wirtschafts-
        achstum und neue Arbeitsplätze sorgen. Daher darf es
        ns nicht gleichgültig sein, dass Unternehmensgründer
        it einer innovativen Geschäftsidee oftmals keine Fi-
        anzierung für deren Umsetzung finden. Mit öffentli-
        hen Geldern allein ist diesem Missstand nicht Herr zu
        erden. Wir müssen auch privates Kapital für diese
        tart-up-Unternehmen mobilisieren.
        Viele Hoffnungen ruhten in den letzten Jahren auf der
        eteiligungsbranche, den sogenannten Private-Equity-
        esellschaften, die Jahr um Jahr Rekordzuflüsse an Ka-
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11965
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        pital verzeichneten. Doch dieses Kapital kam selten bei
        jungen Unternehmen an, sondern wurde von den Pri-
        vate-Equity-Gesellschaften fast ausschließlich in eta-
        blierte Unternehmen investiert. Die Zahlen sprechen für
        sich: Nur 6,5 Prozent der Private-Equity-Investitionen
        erfolgten im Jahr 2006 in Unternehmensgründungen,
        und das trotz der erfreulich guten Wirtschaftskonjunktur.
        Meine Fraktion begrüßt daher den Schritt des Bun-
        desfinanzministers im vorliegenden Entwurf eines Wag-
        niskapitalbeteiligungsgesetzes den Kapitalzufluss an
        junge und innovative Unternehmen zu fördern. Es ist
        auch gerechtfertigt, dass das Gesetz nicht Unterneh-
        mensbeteiligungen generell fördert, sondern sich auf
        diejenigen Unternehmen beschränkt, für die der Markt
        alleine nicht ausreichend Kapital zur Verfügung stellen
        will. Der vorliegende Gesetzesentwurf fördert Wagnis-
        kapital und nicht Private-Equity-Investitionen generell 
        und das ist gut so.
        Nur wenn es das Kerngeschäft einer Private-Equity-
        Gesellschaft ist, jungen Unternehmen Wagniskapital be-
        reitzustellen, kann sie künftig von einer transparenten
        Besteuerung, einer vereinfachten Mantelkaufregelung
        und der Möglichkeit zu Verlustvorträgen profitieren.
        Eine generelle Förderung von Private-Equity wäre nicht
        vertretbar. Steuervorteile für die Branche würden zulas-
        ten des allgemeinen Steueraufkommens gehen und
        müssten daher durch einen volkswirtschaftlichen Nutzen
        gerechtfertigt sein. Dieser ist für mich nicht erkennbar.
        Wir werden mit gezielten Regelungen in diesem Ge-
        setz dafür sorgen, dass Unternehmensgründer, die mit
        Mut und Innovationsbereitschaft Risiken eingehen, auf
        gute Rahmenbedingungen und einige Erleichterungen
        auf ihrer Wegstrecke treffen. Wir setzen Anreize für Pri-
        vate-Equity-Gesellschaften, sich dem Bereich des Wag-
        niskapitals zu widmen, indem wir die Tätigkeit solcher
        Gesellschaften als vermögensverwaltend einstufen und
        damit ihre Einkünfte gewerbesteuerfrei gestalten. Ver-
        lustvorträge bleiben im Umfang der in der Zielgesell-
        schaft vorhandenen stillen Reserven erhalten, auch wenn
        die Anteile von der Gesellschaft an einen Dritten weiter-
        veräußert werden. Auch die sogenannten Business An-
        gels wollen wir in ihrem Engagement für junge Unter-
        nehmen unterstützen. Ihr Freibetrag wird von 9 060 Euro
        auf 20 000 Euro erhöht.
        Die Kosten für diese Fördermaßnahmen halten wir
        mit der geplanten Gegenfinanzierung in Grenzen. Wir
        schränken die Steuervorteile des Carried Interest, also
        der Beteiligung der Managementgesellschaft am Gewinn
        eines Private-Equity-Fonds, ein. Der steuerfreie Anteil
        dieses Carried Interest wird von 50 auf 40 Prozent der
        Vergütungen abgesenkt.
        Neben der gezielten Wagniskapitalförderung wird
        durch den Gesetzentwurf die Mittelstandsfinanzierung
        vereinfacht. Rechtsformabhängige Beschränkungen für
        die Kapitalanlage entfallen, und Entwicklungen bei ei-
        genkapitalähnlichen Finanzierungsformen werden be-
        rücksichtigt. In Zukunft ist es auch zulässig, sich an Of-
        fenen Handelsgesellschaften, Gesellschaften des
        bürgerlichen Rechts sowie an Gesellschaften vergleich-
        barer ausländischer Rechtsformen zu beteiligen.
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        Gute und wegweisende Geschäftsideen dürfen nicht
        n fehlender Finanzierung scheitern. Den Gesetzentwurf
        ehmen wir daher positiv entgegen; wir werden ihn
        orgfältig und intensiv beraten. Der volkswirtschaftliche
        utzen, insbesondere die Entstehung neuer Arbeits-
        lätze, rechtfertigt auch steuerliche Sonderregelungen,
        ie im Rahmen bleiben.
        Frank Schäffler (FDP): Die Private-Equity-Bran-
        he übernimmt damit eine wichtige volkswirtschaftliche
        unktion bei der Vermittlung von Kapitalangebot und
        apitalnachfrage. Nach einer Untersuchung der
        riedrich-Ebert-Stiftung legen Finanzinvestoren inzwi-
        chen mehr als 30 Milliarden Euro in Deutschland an.
        ie mit diesem Geld finanzierten Unternehmen bieten
        ber 800 000 Arbeitsplätze und tragen mit rund 7 Pro-
        ent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Diese vollkommen
        ichtige Einschätzung stammt aus der Antwort der Bun-
        esregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion
        om November letzten Jahres.
        Der uns nun vorliegende Gesetzentwurf ist dagegen
        in Dokument des Scheiterns. Die Koalition hatte im
        oalitionsvertrag vereinbart, das Unternehmensbeteili-
        ungsgesetz in ein Private-Equity-Gesetz fortzuentwi-
        keln. Doch dazu ist sie nicht in der Lage. Das ist bedau-
        rlich, denn privates Beteiligungskapital ist gerade auch
        ür den deutschen Mittelstand wichtig. Die Zahlen bele-
        en dies: Mehr als drei Viertel der finanzierten Unter-
        ehmen haben weniger als 100 Beschäftigte, und 72 Pro-
        ent haben einen Umsatz von weniger als 10 Millionen
        uro.
        Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf geht die Koali-
        ion in die falsche Richtung. Sie schreibt die bestehende
        echtsunsicherheit für einen Großteil der Branche fort.
        ür den Bereich des Wagniskapitals sieht sie  unter
        ahlreichen Voraussetzungen  Verbesserungen vor. Sie
        egründet die Beschränkung mit sonst drohenden Steu-
        rausfällen, doch tatsächlich droht uns jetzt die Abwan-
        erung zahlreicher Unternehmen, die dann erst recht zu
        teuerausfällen führt. Doch auch das gibt es bei der
        oalition nicht, ohne dass gleich die bittere Pille mitge-
        iefert wird. Die Eckpunkte eines Risikobegrenzungsge-
        etzes hat sie gleich mitbeschlossen. Und da sie den Ent-
        urf dafür noch nicht fertiggestellt hat, diskutiert sie
        unter weiter, welche staatlichen Markteingriffe sie
        och vornehmen kann. Gerade diese Woche wurde noch
        orgeschlagen, die Erschwerung des Verkaufs fauler
        redite zum Gegenstand des Risikobegrenzungsgesetzes
        u machen. Das Risikobegrenzungsgesetz ist  wie die
        esamte Politik der Koalition  durchdrungen von einem
        iefen Misstrauen gegenüber Investoren und gegenüber
        em Markt an sich. Was wir brauchen, sind aber nicht
        ehr staatliche Eingriffe, sondern mehr Marktwirt-
        chaft. Die Koalition stellt sich eine Büste von Ludwig
        rhard ins Wirtschaftsministerium, aber in der prakti-
        chen Politik ist sie ganz weit von ihm entfernt.
        Liebe Kollegen der Koalition, ich kann Sie nur auf-
        ordern: Lassen Sie das Risikobegrenzungsgesetz in der
        chublade und legen Sie den vorliegenden MoRaKG-
        11966 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
        (A) )
        (B) )
        Entwurf gleich mit dazu. Lesen Sie noch einmal Ihren
        Koalitionsvertrag und fangen Sie dann ganz neu an.
        Was wir für unseren Finanzplatz brauchen, ist ein
        echtes Private-Equity-Gesetz. Dabei geht es auch ganz
        konkret um die Interessen des deutschen Mittelstandes.
        Die Unternehmensnachfolge wird in unserem Land zu
        einem wachsenden Problem. Nach einer Studie der
        Deutschen Bank sind 70 000 Familienunternehmen mit
        fast 700 000 Beschäftigten von einer anstehenden Über-
        gabe betroffen. Nicht einmal jedes zweite Unternehmen
        wird familienintern übergeben. Davon sind nicht nur die
        Unternehmen selbst betroffen, sondern die ungelösten
        Nachfolgeschwierigkeiten gefährden auch zahlreiche
        Arbeitsplätze. Hier kann die Private-Equity-Branche mit
        ihrem Kapital und ihrem Know-how helfen. Wir müssen
        die Chancen von Private Equity sehen und nutzen, ge-
        rade im Interesse des deutschen Mittelstandes.
        Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Mit dem Entwurf ei-
        nes Gesetzes zur Modernisierung der Rahmenbedingun-
        gen für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG) hat die Bundes-
        regierung neben der erst kürzlich verabschiedeten
        Unternehmensteuerreform 2008 ein weiteres Projekt
        nach dem Motto Wer da hat, dem wird gegeben in An-
        griff genommen.
        Begünstigte dieses Vorhabens werden große Teile der
        Private-Equity-Branche und ihre Manager sowie die
        Fondsanleger sein. Dabei geht es konkret um die folgen-
        den Punkte: Erstens um die gewerbesteuerliche Behand-
        lung der Fondsgesellschaften selbst, die im Juristen-
        deutsch als Beteiligungsgesellschaften bezeichnet
        werden. Zweitens geht es um die einkommensteuerliche
        Behandlung der Gewinnbeteiligung von Fondsmanagern.
        Drittens gibt die Begründung des Gesetzentwurfes vor,
        sogenannte Business Angel, also erfahrene Unternehmer-
        persönlichkeiten 
, die sich mit Kapital und Know-how
        unmittelbar in junge Unternehmen in der Rechtsform der
        Kapitalgesellschaft einbringen, steuerlich fördern zu wol-
        len.
        Lassen Sie mich auf einige Aspekte der ersten beiden
        Punkte eingehen: Sie wollen eine besondere Unterform
        des Private-Equity-Fonds schaffen, nämlich die Wagnis-
        kapitalbeteiligungsgesellschaft. Fonds, die deren Krite-
        rien entsprechen, sollen künftig generell von der Gewer-
        besteuer befreit werden, indem sie pauschal als
        vermögensverwaltend eingestuft werden können. Da mit
        Wagniskapital jenes Kapital bezeichnet wird, das in
        junge und technologieorientierte Unternehmen investiert
        wird, erweckt das Finanzministerium den Eindruck, dass
        Steuerprivilegien hier am Besten zu rechtfertigen sind,
        da die jeweiligen Zielunternehmen nach der ursprüngli-
        chen Planung nicht mehr als 500 000 Euro an Eigenkapi-
        tal hätten haben dürfen. Maßgeblich auf Druck der CDU
        wurde diese Grenze aber zwischenzeitlich um das 40-fa-
        che auf 20 Millionen Euro erhöht.
        Der IG Metall geht das zu weit, sie schreibt, dass da-
        mit auch sehr große mittelständische oder sogar Großun-
        ternehmen gefördert würden. Von den 3,5 Millionen
        deutschen KMU-Unternehmen im KfW-Mittelstandspa-
        nel  KMU: Unternehmen mit einem Jahresumsatz unter
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        00 Millionen Euro  verfüge kein einziges über ein Ei-
        enkapital von 20 Millionen Euro. Dem habe ich nichts
        inzuzufügen. Ihre Steuerpläne sind ein Steuergeschenk
        ür Private-Equity-Fonds und keine zielgenaue Förde-
        ung von innovativen Betrieben.
        Lassen Sie mich zum zweiten Punkt kommen, die er-
        öhte Gewinnbeteiligung von Managern vermögensver-
        altender Fonds. Diese ist auf Betreiben von SPD,
        ündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU seit 2004 zur
        älfte steuerfrei. Damit diese Privilegierung der Privile-
        ien nicht allzu offensichtlich ins Auge springt, bezeich-
        en die Protagonisten dieser Steuerbefreiung die erhöhte
        ewinnbeteiligung gerne mit dem englischen Begriff
        carried interest. Darunter ist die Beteiligung von
        ondsmanagern, die selbst Anteile am verwalteten
        onds halten, am erzielten Gewinn dieses Fondsvermö-
        ens zu verstehen. Diese Gewinnbeteiligung von in der
        egel circa 20 Prozent kommt erst dann zur Auszahlung,
        enn die Gesellschafter ihr eingezahltes Kapital voll-
        tändig zurückerhalten haben. Hier sagt Die Linke ganz
        lar: Dieses Steuerprivileg passt nicht in die heutige
        andschaft, wo von immer mehr Menschen steuerliche
        pfer verlangt werden.
        Dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zufolge sol-
        en die Steuermindereinnahmen, mit denen bei Inkraft-
        reten des MoRaKG zu rechnen ist, den Betrag von
        65 Millionen Euro jährlich nicht übersteigen. Laut An-
        aben der Bundesregierung kommen allein auf die
        emeinden Mindereinnahmen aus Gewerbesteuer und
        inkommensteuer in den Jahren 2009 bis 2012 von ins-
        esamt 520 Millionen Euro zu. Nur 2008 kommt es zu
        iner Erhöhung bei den Anteilen aus der Einkommen-
        teuer von 2 Millionen. Auch in Anbetracht der aktuel-
        en Finanzsituation der meisten Kommunen ist das für
        ns nicht hinnehmbar.
        Die Bundestagsfraktion Die Linke, hat mit einer Klei-
        en Anfrage diese Berechnung und die entsprechende
        atengrundlage hinterfragt. Dabei stellte sich heraus,
        ass die Bundesregierung weder über Informationen da-
        über verfügt, in welchem Umfang die bereits heute be-
        tehenden Steuerprivilegien der Private-Equity-Branche
        nd ihrer Manager das Staatssäckel belasten, noch da-
        über, mit welchen Ausfällen bei den einzelnen geplan-
        en Maßnahmen in Zukunft zu rechnen ist. Auch existie-
        en keinerlei Schätzungen darüber, wie viele Fonds
        ünftig versuchen werden, den Kriterien der Steuerfrei-
        eit zu entsprechen. Damit können die verlautbarten
        65 Millionen Euro Steuermindereinnahmen getrost als
        uftnummer qualifiziert werden. Das ist weder eine ziel-
        enaue Wirtschaftspolitik, noch eine seriöse Haushalts-
        olitik. Dazu sagt Die Linke klar Nein.
        Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es
        st erfreulich, dass nach monatelangem Koalitionshick-
        ack zwischen Bundeswirtschaftsminister und Bundesfi-
        anzminister jetzt endlich ein Gesetzentwurf vorliegt,
        er zumindest das Ziel hat, Wagniskapital besser zu be-
        andeln. Das ist auch bitter notwendig. Denn mit der
        nternehmensteuerreform hat die Große Koalition das
        egenteil getan: Die Bedingungen für Investitionen und
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11967
        (A) )
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        Innovationen hier am Standort wurden systematisch ver-
        schlechtert: schlechtere Abschreibungsbedingungen,
        Diskriminierung von Eigenkapitalinvestitionen, be-
        schleunigter Wegfall von Verlustvorträgen und eine
        hochkomplexe Besteuerung von Funktionsverlagerun-
        gen. Es werden genau diejenigen bestraft, die aktiv in-
        vestieren und Risiken übernehmen. Investitionen mit re-
        lativ risikoarmen Fremdkapital wurden dagegen
        steuerlich begünstigt. Verkehrte Welt sollte man denken!
        Denn Innovationen sind die Triebfedern für nachhaltiges
        Wachstum und damit für Wertschöpfung und zukunftsfä-
        hige Arbeitsplätze.
        Unser Standort braucht mehr Unternehmen, die hier-
        zulande forschen und in die Entwicklung und Vermark-
        tung ihrer Produkte investieren. Wir Grünen hatten die
        Regierung deshalb schon im März aufgefordert, die In-
        novationsfähigkeit des Standortes zu stärken und Wag-
        niskapital zu fördern. Die von der Regierung jetzt vorge-
        legten Vorschläge bleiben weit hinter ihrem Anspruch
        zurück. Damit die Geldströme privater Investoren in
        Hochtechnologiegründungen und in junge innovative
        Unternehmen gelenkt werden, muss der Gesetzentwurf
        der Bundesregierung deshalb noch deutlich nachgebes-
        sert werden!
        Als Allererstes stechen die willkürlich gewählten För-
        derkriterien ins Auge. Warum ist ein Unternehmen inno-
        vativ und damit förderwürdig, nur weil es unter zehn
        Jahre alt ist und weniger als 20 Millionen Euro Eigenka-
        pital besitzt? Das sind keine zielgenauen Kriterien für
        Innovationsfähigkeit! Die Förderung muss an der tat-
        sächlichen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an-
        knüpfen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von
        der Großen Koalition, schauen Sie in unseren grünen
        Antrag, da finden Sie das beste Rezept dafür, sich näm-
        lich an den direkten Ausgaben für Forschung und Ent-
        wicklung relativ zum Umsatz zu orientieren. Das ist ziel-
        orientiert und damit viel erfolgversprechender als die
        starre Abgrenzung im Gesetzentwurf der Bundesregie-
        rung.
        Äußerst merkwürdig ist es aber auch, wenn diese
        Bundesregierung schon wieder ein Gesetz vorlegt, ohne
        dass sie überhaupt weiß, welche finanziellen Auswir-
        kungen verschiedene Maßnahmen haben könnten. Ex-
        emplarisch dafür, wie dass BMF im Nebel stochert, ist
        das Zahlenwirrwarr um die transparente Besteuerung.
        Einmal schreibt Peer Steinbrück an die TU-München,
        dass die transparente Besteuerung aller Private-Equity-
        Fonds zu gigantischen Steuerausfällen von 15 bis 20 Mil-
        liarden Euro führen würde. Dann behauptet die Parla-
        mentarische Staatssekretärin Barbara Hendricks auf
        meine Nachfrage hin, dass es nur 12,5 Milliarden Euro
        kosten würde. Ein doch erheblicher Unterschied von
        sage und schreibe 7,5 Milliarden Euro. Zum Vergleich:
        Nach Regierungsangaben kostet die ganze Unterneh-
        mensteuerreform mit angeblich nur 5 Millionen Euro ja
        schon deutlich weniger. Es ist schon skandalös, mit wel-
        chen Zahlen hier durch die Gegend geworfen wird.
        Und schließlich fehlen im Gesetzentwurf der Bundes-
        regierung auch noch einige ganz wichtige Maßnahmen,
        um den Standort Deutschland als Innovationsstandort
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        irklich attraktiv zu machen. Auch hier empfehle ich
        er Koalition die intensive Lektüre unseres grünen An-
        rags!
        Wir Grünen fordern: Die Mindestbesteuerung darf für
        it Wagniskapital finanzierte Unternehmen nicht grei-
        en! Gerade im Hochtechnologiebereich muss viele
        ahre verlustreich investiert werden, bevor ein innovati-
        es Unternehmen Gewinne macht. Verluste dieser Un-
        ernehmen sollen deshalb zeitlich und in der Höhe unbe-
        chränkt vorgetragen und mit Gewinnen verrechnet
        erden können. Auch die Mantelkaufregelung der Gro-
        en Koalition ist hier viel zu eng gefasst. Fünf Jahre rei-
        hen zum Beispiel in der Biotechnologie längst nicht
        us, um Anfangsverluste auszugleichen.
        Wir Grünen fordern außerdem: Die Nachteile der Ab-
        eltungsteuer für Wagniskapitalgeber müssen beseitigt
        erden! Die von der Großen Koalition beschlossene Ab-
        eltungsteuer benachteiligt eigenkapitalfinanzierte In-
        estitionen. Kreditzinsen werden nur mit 25 Prozent be-
        teuert; Dividenden und Veräußerungsgewinne tragen
        ünftig eine Steuerlast von fast 50 Prozent. Diese Diskri-
        inierung eigenkapitalfinanzierter Investitionen wird
        ie inländischen Wagnisfinanzierungsquellen, wie zum
        eispiel Investitionen von Business-Angels, austrock-
        en. Dividenden und private Veräußerungsgewinne dürf-
        en deshalb nach unserer Auffassung nur mit dem halben
        teuersatz der Abgeltungsteuer belegt werden.
        Wir brauchen international wettbewerbsfähige Steu-
        rn für Wagniskapitalgeber. Ich rate deshalb der Großen
        oalition: Gehen Sie noch einmal in sich und überneh-
        en Sie unsere Vorschläge, damit der Innovationsstand-
        rt Deutschland den Anschluss behalten kann.
        nlage 5
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Anträge:
         Rücknahme der Ermächtigung zur Strafver-
        folgung von Journalisten wegen Verstoßes
        gegen Geheimhaltungsvorschriften gemäß
        § 353 b des Strafgesetzbuches
         Ermächtigung zur Strafverfolgung von
        Journalisten gemäß § 353 b Abs. 4 StGB im
        Zusammenhang mit dem 1. Untersuchungs-
        ausschuss der 16. Wahlperiode zurückneh-
        men
        (Tagesordnungspunkt 17 a und b)
        Wolfgang Neković (DIE LINKE): Eine funktionie-
        ende freiheitlich-demokratische Gesellschaft erkennen
        ir nicht daran, dass es innerhalb der Exekutive nie
        issstände gäbe und Rechtsbrüche niemals vorkämen.
        as anzunehmen, wäre naiv. Sondern wir erkennen eine
        unktionierende freiheitlich-demokratische Gesellschaft
        aran, dass wir von diesen Missständen und Rechtsbrü-
        hen wenigstens hinterher in der Zeitung lesen können.
        s ist also die Transparenz der Politik für eine demokra-
        11968 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
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        tische Öffentlichkeit, die ganz wesentlich zum Funktio-
        nieren der Demokratie als solche beiträgt.
        Es ist die verfassungsrechtliche Funktion der Vierten
        Gewalt, für diese Transparenz zu sorgen. Wer sie dabei
        stören oder verängstigen möchte, hat entweder die De-
        mokratie nicht begriffen oder ist schlicht kein Demokrat.
        Als der Präsident des Deutschen Bundestages  gegen
        die Stimmen meiner Fraktion und die der Grünen  seine
        Ermächtigung für die Strafverfolgung wegen der Verlet-
        zung von Dienstgeheimnissen erteilte, missachtete er die
        Funktion der Vierten Gewalt. Er missachtete zugleich
        die ihm obliegenden Pflichten. Als Bundestagspräsident
        ist Herr Lammert zur Neutralität verpflichtet und darf
        sich deshalb nicht  einseitig  in den Dienst der Regie-
        rungsfraktionen stellen.
        Da die Ermächtigung zur Strafverfolgung keine Ver-
        pflichtung darstellt, sondern in seinem freien Ermessen
        steht, musste er als Präsident des gesamten Bundestages
        auch die politische Haltung der Opposition in seine Er-
        messensentscheidung mit einbeziehen. Alle drei Opposi-
        tionsfraktionen hatten sich gegen eine Strafverfolgung
        von Journalisten ausgesprochen. Dies hat Herr Lammert
        pflichtwidrig unberücksichtigt gelassen und damit ein-
        seitig die politischen Interessen der ihm verbundenen
        Regierungsfraktionen wahrgenommen. Außerdem hat er
        in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau am
        1. September erklärt, dass er von den Einstellungen der
        von ihm ermöglichten staatsanwaltschaftlichen Ermitt-
        lungen nicht überrascht gewesen wäre. Damit hat Herr
        Lammert sehenden Auges die ohnehin knappen staats-
        anwaltschaftlichen Arbeitsressourcen für die parteipoli-
        tischen Zwecke der Regierungsfraktionen missbraucht 
        weil er schon zu Beginn wusste, dass am Ende der Er-
        mittlungen die Verfahren eingestellt werden würden.
        Dazu kommt, dass nicht die geringsten Anhaltspunkte
        für einen Geheimnisverrat durch Abgeordnete vorlagen.
        Herr Lammert hätte vielmehr berücksichtigen müssen,
        dass mehr als einhundert Personen zu den fraglichen In-
        formationen Zugang hatten. Und es gab für ihn einen
        ganz einfachen Weg, herauszufinden, wo unter diesen
        einhundert Personen das fragliche Leck sich vermutlich
        befindet und wo mit Sicherheit nicht. Dazu hätte der
        Bundestagspräsident nur seinen Fraktionskollegen
        Siegfried Kauder ernst nehmen müssen. Dieser hatte
        nämlich in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Un-
        tersuchungsausschusses laut Spiegel-online vom 3. Au-
        gust öffentlich erklärt:
        Man konnte über eingestufte Akten in der Presse
        mehr lesen, als wir im Ausschuss vorliegen hatten.
        Richtig verstanden bedeutet diese Aussage: Die
        Presse hatte mehr Informationen als die Ausschussmit-
        glieder  folglich kommen die Abgeordneten als Täter
        nicht in Betracht. Das hätte für den Bundestagspräsiden-
        ten bedeutet, keine Ermächtigung auszusprechen. Er hat
        es dennoch getan und damit seine Fürsorgepflicht gegen-
        über dem Abgeordneten verletzt.
        Als Herr Lammert sich demnach entschloss, die Fak-
        ten außer Acht zu lassen, seine Pflichten zu ignorieren
        und trotz der eigenen negativen Erwartung im Hinblick
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        uf den Ausgang der Ermittlungen die Ermächtigung zu
        rteilen, hätte er diese wenigstens auf die Abgeordneten
        es Bundestages begrenzen müssen. Denn es ist eine Sa-
        he, wenn ein Präsident die eigenen Schützlinge im
        tich lässt, und es ist eine andere, noch ärgere Sache,
        enn er dabei zusätzlich noch Dritte hineinzieht.
        In den vorliegenden Anträgen der anderen Opposi-
        onsparteien auf Teilrücknahme der Ermächtigung  was
        ie Presse angeht  sieht meine Fraktion insoweit einen
        alben Ausweg aus dem ganzen Irrweg. Hälftig ist die-
        er Ausweg, weil der Antrag nur die konkrete Ermächti-
        ung des Präsidenten im aktuellen Fall betrifft. Wir mei-
        en, dass grundsätzlich sichergestellt werden muss, dass
        trafverfolgungen wegen Anstiftung oder Beihilfe zum
        eheimnisverrat unterbleiben, wenn es um die Wahrneh-
        ung der in Art. 5 Grundgesetz geschützten Befugnisse
        eht. Dazu haben wir einen Gesetzentwurf eingebracht,
        er zweifelsfrei die Straffreiheit von Journalisten sichert.
        Wir werden heute den Anträgen der anderen Opposi-
        ionsparteien deshalb zustimmen, weil auch ein halber
        usweg immerhin in die richtige Richtung führt.
        Wenn Sie heute  anders als meine Fraktion  gegen
        ie Anträge der Grünen und der FDP stimmen, dann zei-
        en Sie damit, dass sie an der rechtlich möglichen Be-
        renzung der Ermächtigung ausschließlich auf die Ge-
        eimnisträger gar nicht interessiert sind. Dann zeigen
        ie, dass Sie  entgegen allen öffentlichen Beteuerungen 
        erade die Strafverfolgung von Journalisten anstreben.
        ie stimmen damit zugleich für eine Verunsicherung und
        edrängung der vierten Gewalt, auf deren Selbstbe-
        usstsein und Entschlossenheit die demokratische Ge-
        ellschaft jedoch angewiesen ist.
        Gert Winkelmeier (fraktionslos): Eigentlich ist es
        rschreckend, dass wir Abgeordnete hier für die Presse-
        reiheit streiten müssen und dabei eigene Kollegen des
        undestages gegen uns haben. Fakt ist, dass der rang-
        öchste Parlamentarier selbst die Ermächtigung zur
        trafverfolgung auch gegen Journalisten erteilte.
        Es macht also nicht den Anschein, als hätte Herr
        ammert aus dem Cicero-Urteil gelernt. Zumindest
        cheinen Teile der Regierungsfraktionen nichts aus dem
        rteil des Bundesverfassungsgerichts gelernt zu haben.
        Wir, als Parlamentarier, müssen der Öffentlichkeit
        und insbesondere den Journalistinnen und Journalisten 
        laubhaft deutlich machen, dass wir die Entscheidung
        es obersten deutschen Gerichts ernst nehmen. Ansons-
        en machen wir uns an einem Angriff auf die Pressefrei-
        eit mitschuldig.
        Ich erinnere daran, dass Deutschland schon im Jahr
        006 im Ranking der Reporter ohne Grenzen in der Be-
        ertung der Pressefreiheit auf einen  wenig ruhmrei-
        hen  23. Rang zurückgefallen ist. So etwas darf sich
        ine Demokratie nicht leisten. Im vorliegenden Fall lässt
        ich die Tatsache der Strafverfolgung gegen Journalisten
        war noch relativ leicht korrigieren. Der langfristige
        mageschaden für unsere demokratische Verfasstheit
        ber kann nur abgewendet werden, wenn die Politik das
        orrektiv der Presse weiterhin als hohes Gut pflegt. Herr
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11969
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        Bundestagspräsident, nehmen Sie die Ermächtigung zur
        Strafverfolgung zurück, sofern sie Journalisten betrifft!
        Aber Sie haben ja bereits gesagt, dass Sie eine solche
        Ermächtigung immer wieder erteilen würden. Von Ein-
        sicht in einen Fehler zeugt dies nicht.
        An anderer Stelle haben Sie dagegen durchaus Weit-
        sicht bewiesen, wenn Sie fordern, dass die Einstufung
        von Dokumenten als geheim sorgsamer gehandhabt
        wird. Sie wünschen sich auch gelegentlich mehr Selbst-
        bewusstsein des Parlaments. Das sollten Sie aber vor
        allem Ihren Kolleginnen und Kollegen in den Regie-
        rungsfraktionen ins Stammbuch schreiben, die oft genug
        in strammer Koalitionsdisziplin brav der Regierung hin-
        terherlaufen.
        Die Geheimniskrämerei der Bundesregierung gegen-
        über den Parlamentariern geht eindeutig zu weit. Hier
        muss sich etwas grundlegend ändern, wenn man sich
        nicht der Lächerlichkeit preisgeben will. Wenn es nicht
        so ein ernstes Thema wäre  die Transparenz der De-
        mokratie und der Politik , müsste man glauben, Sie
        führten eine Posse auf: Zeitungsartikel, die der ganzen
        Republik zugängig waren, werden als geheim einge-
        stuft. Entweder gibt sich da jemand gar keine oder aber
        entschieden zu viel Mühe. Es darf auf keinen Fall so
        weitergehen.
        Das Ganze hätte zudem einen angenehmen Nebenef-
        fekt: Würden künftig nur noch vereinzelt Dokumente als
        geheim eingestuft, müsste man auch deutlich weniger
        Angst vor einem Geheimnisverrat haben. Dann wäre
        es wohl auch nicht mehr vonnöten, Ermittlungen gegen
        Journalisten anzustrengen, die selbst ja keine Geheim-
        nisträger sind und eigentlich nur ihrer Arbeit nachgehen.
        Im Sinne der Pressefreiheit wäre dies eine begrüßens-
        werte Entwicklung.
        Anlage 6
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Kreuzfahrttouris-
        mus und Fährtourismus in Deutschland voran-
        bringen (Tagesordnungspunkt 18)
        Jürgen Klimke (CDU/CSU): Stellen Sie sich ein
        Hotel am Meer vor, mit Meerblick auf beiden Seiten, mit
        allem Komfort, mit Pools, Salons, Geschäften  und das
        Beste: Das Hotel setzt sich in Bewegung und bringt Sie
        zu den schönsten Orten der Welt, die Sie auf Ausflügen
        verlassen können, ohne ihre Koffer ein- und auspacken
        zu müssen. Das alles bietet eine Kreuzfahrt. Es liegt auf
        der Hand, dass eine Schiffsreise als Inbegriff des kom-
        fortablen und luxuriösen Reisens gilt.
        Kreuzfahrten hatten eigentlich nur einen Nachteil:
        Für die meisten Menschen waren diese Reisen uner-
        schwinglich. Doch das hat sich inzwischen grundlegend
        geändert. Mehr als 705 000 Deutsche unternahmen im
        vergangenen Jahr eine Kreuzfahrt, ein Plus von mehr als
        10 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dieser Trend hält
        nun schon seit vielen Jahren an, so hat sich der mit
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        ochseekreuzfahrten erzielte Umsatz in den letzten sie-
        en Jahren mehr als verdoppelt und ereichte im vergan-
        enen Jahr bereits 1,36 Milliarden Euro. Damit ist
        reuzfahrttourismus ein wichtiger Tourismusbereich für
        eisebüros, Reiseveranstalter, Reedereien  aber natür-
        ich auch für deutsche Werften und Schiffszulieferer. Ge-
        ade in Norddeutschland werden durch den Bau und die
        nstandsetzung von Kreuzfahrtschiffen tausende Ar-
        eitsplätze gesichert. Allein die Meyer-Werft in Papen-
        urg sichert 2 400 Arbeitsplätze und bildet 270 Men-
        chen aus. Bis 2012 sind allein zehn Schiffsübergaben
        ür Kreuzfahrtschiffe von 250 bis 330 Meter Länge
        urch die Werft vorgesehen. 1 800 Zulieferfirmen und
        amit etwa 10 000 externe Arbeitskräfte sorgen für den
        nnenausbau der Kreuzfahrtschiffe. Schiffszulieferer fin-
        en sich dabei nicht nur im Norden, sondern im ganzen
        and, so dass auch Regionen im Süden Deutschlands
        om Kreuzfahrtboom profitieren.
        Über die Arbeitsplätze in Werften und bei Zulieferern
        inaus sichert der Kreuzfahrttourismus auch Arbeits-
        lätze in Restaurants, bei Dienstleistern, im Einzelhan-
        el sowie bei Busunternehmen, die die Passagiere von
        en Terminals zu den Sehenswürdigkeiten ins Landesin-
        ere bringen. Maßgeblich für diese Entwicklung ist, dass
        eutschland sich auch mit seinen Häfen und dem attrak-
        iven Hinterland zu einer immer beliebteren Kreuzfahrt-
        estination entwickelt. Die Kreuzfahrtterminals in
        arnemünde, Bremerhaven, Cuxhaven, Kiel, Saßnitz,
        übeck und Hamburg werden von immer mehr Schiffen
        ngelaufen. Damit tragen sie zum Wachstum des Touris-
        us in Norddeutschland bei und sorgen zudem dafür,
        ass Tagesbesucher von Schiffen als Übernachtungstou-
        isten wiederkommen. Gründe für diese positive Ent-
        icklung sind nicht nur in der Attraktivität des Touris-
        usstandorts Deutschland zu suchen, sondern auch
        arin, dass Nordsee und vor allem Ostsee sich zu attrak-
        iven Destinationen für Seereisen entwickelt haben, wie
        ie Passagierzahlen eindrucksvoll belegen. Diese Ent-
        icklung wollen wir dadurch fortschreiben, dass die
        undesregierung gemeinsam mit den Regierungen der
        ordsee- und Ostseeanrainer Maßnahmen trifft, um die
        estinationen Nordsee und Ostsee weiter zu stärken.
        iel sollte jeweils eine Dachmarke sein, zum Beispiel
        Baltic Sea für den Ostseeraum. Denn nur durch eine
        ngere internationale Kooperation beim Marketing kön-
        en die Schönheiten und die touristischen Angebote der
        stsee- und Nordseeregion in Südeuropa sowie außer-
        alb Europas bekannt gemacht werden.
        Ich freue mich, dass die Erfordernisse eines professio-
        ellen Marketings inzwischen auch bei den Terminalbe-
        reibern erkannt wurden: So haben sich die deutschen
        eehäfen entschlossen, auf der weltgrößten Kreuzfahrt-
        esse der Welt, der Seatrade in Miami, gemeinsam auf-
        utreten und ihre Kräfte zu bündeln. Damit ist eine For-
        erung erfüllt worden, die wir als Tourismuspolitiker der
        nion schon vor längerer Zeit aufgestellt hatten. Diese
        ositive Entwicklung wollen wir weiter forcieren und
        ierfür leistet der vorliegende Antrag einen sehr guten
        eitrag:
        Wir setzen uns dafür ein, dass die land- und seeseiti-
        en Zufahrten zu den deutschen Häfen auch unter touris-
        11970 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
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        tischen Belangen weiter ausgebaut werden. Auf der
        Landseite treten wir vor allem für bessere Bahnanbin-
        dungen der Kreuzfahrtterminals ein. Es ist nicht zufrie-
        denstellend, wenn Kreuzfahrtterminal und Bahnhof an
        verschiedenen Enden der Stadt liegen, wenn Bahnhöfe
        in der Nähe von Terminals nur über veraltete Infrastruk-
        tur verfügen und an den Fahrkartenautomaten der Bahn
        garantiert kein Ausländer ohne Hilfe eine Fahrkarte er-
        werben kann.
        Ebenfalls erforderlich sind weitere Marketingaktivitä-
        ten für den Kreuzfahrtstandort Deutschland durch die
        Deutsche Zentrale für Tourismus.
        Wir sehen es weiterhin als nicht zielführend an, dass
        derzeit nur ein Kreuzfahrtschiff unter deutscher Flagge
        fährt. Wenn demnächst fast eine Million Deutsche auf
        Hochseekreuzfahrt gehen, dann wollen sie das auch auf
        deutschen Schiffen tun. Dazu müssen die Bedingungen
        aber stimmen. Wir fordern die Bundesregierung deshalb
        auf, Gespräche mit Reedereien und Veranstaltern da-
        rüber zu führen, wie mehr Kreuzfahrtschiffe unter deut-
        sche Flagge gebracht werden können.
        Weitere Forderungen betreffen den Sicherheitskodex
        ISPS, wo es durch unterschiedliche Handhabung zu
        Wettbewerbsverzerrungen kommt. Wir treten hier für
        Harmonisierungen auf EU-Ebene ein. Ähnliches gilt
        auch für Umsatzsteuern für Lieferungen an Bord, die
        derzeit nur anfallen, wenn die Kreuzfahrt in bestimmten
        Ländern startet. So ist zum Beispiel Deutschland gegen-
        über Großbritannien oder Dänemark benachteiligt, weil
        bei einer dort begonnenen Kreuzfahrt keine Steuern für
        Lieferungen an Bord zu zahlen sind.
        Wenn man den Kreuzfahrttourismus betrachtet, rich-
        tet sich der Fokus vor allem meist auf Hochseekreuz-
        fahrten. Dabei wird vergessen, dass auch Flusskreuz-
        fahrten immer beliebter werden. Mit einem erzielten
        Umsatz von 365 Millionen Euro und einer Passagierzahl
        von etwa 310 000 trägt die Wachstumsbranche Fluss-
        kreuzfahrten erheblich zum positiven Ergebnis der
        Kreuzfahrtbranche bei. Auch hier sind deutsche Werften
        und Zulieferer durch den Bau von Schiffen am Wachs-
        tum beteiligt. Auch deutsche Flüsse und Wasserstraßen,
        wie Donau, Rhein, Mosel, Elbe, Havel, Oder, Main und
        Weser und die sie verbindenden Kanäle sind beliebte
        Destinationen für Flusskreuzfahrten.
        Flusskreuzfahrten sind  anders als Hochseekreuz-
        fahrten  abhängig von der ganzjährigen durchgängigen
        Befahrbarkeit von Wasserstraßen. Hier hat es insbeson-
        dere an der Elbe in den vergangenen Jahren Probleme
        durch Niedrigwasser gegeben, so dass die Potenziale
        dieses attraktiven Wasserweges noch bei weitem nicht
        ausgeschöpft sind. Deshalb halten wir es für notwendig,
        dass bei der baulichen Gestaltung der Binnenwasserstra-
        ßen auch deren touristische Bedeutung für Flusskreuz-
        fahrten sowie für Wassertourismus insgesamt berück-
        sichtigt wird. Auch einheitliche Standards bei der
        Informationspolitik über nautische Besonderheiten
        könnten dazu beitragen, Flusskreuzfahrten noch weiter
        zu erleichtern.
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        Wichtig ist auch, dass die grenzübergreifende Befah-
        ung der mit Deutschland über Flusssysteme verbunde-
        en Staaten erleichtert wird, damit die Potenziale opti-
        al genutzt werden können. Das kann durch den Einsatz
        ür die Instandhaltung der Binnenwasserstraßen anderer
        änder ebenso geschehen wie durch erleichterte Zoll-
        nd Visabestimmngen, die gerade den Schiffsverkehr an
        er Donau erleichtern würden.
        Lassen Sie mich am Ende noch auf den Aspekt des
        ährtourismus eingehen, der ebenfalls in unserem An-
        rag eine Rolle spielt. Fährtourismus wird in seiner Be-
        eutung unterschätzt: Mehr als 12 Millionen Passagiere
        erden jährlich in deutschen Fährhäfen abgefertigt.
        ährtouristen stellen ein wichtiges Tourismussegment
        icht nur für die norddeutschen Urlaubsregionen dar. So-
        it kann ein gezieltes Marketing in den Einzugsregionen
        er Fährverbindungen in Skandinavien für eine über-
        urchschnittliche Nachfragesteigerung für Deutschland-
        eisen sorgen. Mit Marktforschung und kreativen Marke-
        ingkooperationen lässt sich mit geringen Mitteln ein
        rheblicher Mehrwert erzielen. So werben Berlin und
        amburg mit einer Broschüre auf den Schiffen der
        irma Scandlines in schwedischer und dänischer Spra-
        he gemeinsam um Gäste. Der Erfolg, dessen bin ich mir
        icher, wird nicht lange auf sich warten lassen.
        Hochseekreuzfahrten, Flusskreuzfahrten aber auch
        ie Fährschifffahrt leisten einen wichtigen Beitrag für
        en Deutschlandtourismus aber auch für die deutsche
        irtschaft insgesamt. Mit unserem Antrag haben wir die
        eichen dafür gestellt, dass sich die positive Entwick-
        ung in diesen Bereichen weiter fortsetzen wird.
        Annette Faße (SPD): Kreuzfahrten sind in. Dies be-
        rifft Hochseekreuzfahrten genauso wie Flusskreuzfahr-
        en. Deutschland ist weiterhin das beliebteste Reiseziel
        ür Flusskreuzfahrten.
        Der Bauboom bei Hochseekreuzfahrtschiffen und
        assagierschiffen hält an. 2006 wurden weltweit mehr
        ls 60 Fähren und Passagierschiffe ausgeliefert, und der
        uftragsbestand stieg auf weitere 72 neue Schiffe. Da-
        on profitiert die deutsche Werft- und Zulieferindustrie
        um Beispiel in Rostock und Papenburg. Gläserne
        erften ziehen Besucher an. Überführungen auf der
        ms sind zu touristischen Events geworden. Der Umsatz
        it Hochseekreuzfahrten hat sich seit 1999 mehr als
        erdoppelt und ist gegenüber 2005 um 11,2 Prozent ge-
        tiegen. Im Bereich der Flusskreuzfahrten ist die Ent-
        icklung insgesamt ähnlich positiv. Die Anzahl der Pas-
        agiere im Gesamtkreuzfahrtmarkt überstieg im Jahre
        006 erstmals 1 Million.
        Die Fährschifffahrt und Fährtouristik liegt in diesem
        achstumstrend, da diese Schiffe nicht mehr nur als
        ransportmittel, sondern vermehrt für Minikreuzfahrten
        enutzt werden. Über 6 000 Reisen finden auf Fracht-
        chiffen statt. In allen Bereichen bestehen weiterhin sehr
        ute Wachstumserwartungen. Dieser Entwicklung trägt
        uch die Wissenschaft Rechnung. So gibt es den welt-
        eit ersten Bachelor-Studiengang Cruise Industry
        anagement seit vier Jahren in Bremerhaven.
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11971
        (A) )
        (B) )
        Der Antrag hat zum Ziel, den Kreuzfahrt- und Fähr-
        tourismus zu unterstützen und zu fördern und damit ver-
        bundene Arbeitsplätze im seemännischen und touristi-
        schen Bereich zu sichern. Ziel muss es sein, vorrangig
        deutsche und europäische Beschäftigte an Bord zu
        haben. Dazu gehört die weitere Harmonisierung von si-
        cherheits-, arbeits- und steuerrechtlichen Voraussetzun-
        gen und Einreisebestimmungen. Werften, Zulieferer,
        Gaststätten und touristische Verkehrs- und Dienstleis-
        tungsunternehmen sollen vom Wachstum der Branche
        profitieren können; Arbeitsplätze sollen nicht nur gesi-
        chert, sondern in allen Bereichen zusätzlich geschaffen
        werden können.
        Es gilt, die große wirtschaftliche Bedeutung des
        Kreuzfahrt- und Fährtourismus in der Öffentlichkeit of-
        fensiver darzustellen. Gegenüber der Deutschen Zentrale
        für Tourismus, der DZT, soll angeregt werden, dass
        Deutschland noch intensiver als Kreuzfahrtsdestination
        vermarktet wird. Die Belange des Kreuz- und Fährtou-
        rismus müssen beim Ausbau der land- und seeseitigen
        Zufahrten der Häfen Berücksichtigung finden. Auf EU-
        Ebene soll dafür eingetreten werden, dass der internatio-
        nale Sicherheitskodex ISPS in seiner Handhabung har-
        monisiert wird. Die Vereinfachung und Harmonisierung
        von arbeits- und steuerrechtlichen Voraussetzungen
        sowie Ein- und Ausreisebestimmungen für grenzüber-
        schreitende Flusskreuzfahrten muss vorangetrieben wer-
        den. Die Bemühungen zur Vermeidung von Schiffsemis-
        sionen sowie zur Normung von Stromanschlüssen für
        die Stromversorgung von Land sollen unterstützt wer-
        den. Ein geplantes Modellprojekt in Lübeck zeigt den
        richtigen Weg auf. Mit der Deutschen Bahn gilt es Ge-
        spräche aufzunehmen, um eine bessere Anbindung der
        Kreuzfahrtterminals zu gewährleisten und um die Bedie-
        nung der Fahrkartenautomaten durch ausländische Gäste
        zu erleichtern. Der Prüfauftrag für die Rückflaggung von
        Kreuzfahrtschiffen muss konsequent umgesetzt werden.
        Dafür gilt es die Bedingungen zu definierten, unter de-
        nen eine Rückflaggung unter deutscher Flagge möglich
        wäre.
        Ich werde alle Kolleginnen und Kollegen animieren,
        Urlaub auf dem Wasser zu genießen. Wunderbare Rou-
        ten auf großen und kleinen Schiffen, große attraktive
        Städte, kleine beschauliche Orte, große Ozeane und
        kleine Flusslandschaften werden Sie begeistern.
        Jens Ackermann (FDP): Kreuzfahrten faszinieren
        die Menschen seit eh und je. Gerade in Norddeutschland
        gibt es eine hohe Affinität zu Kreuzfahrtschiffen. Dies
        sieht man jedes Mal, wenn die Queen Mary II in den
        Hamburger Hafen einfährt: Menschenaufläufe und
        Volksfeststimmung. Diese Faszination wirkt sich schließ-
        lich auch auf die Buchung von Kreuzfahrten aus. Denn
        viele hegen den Traum, einmal eine Kreuzfahrt zu erle-
        ben. Viele erfüllen sich den Traum im Kleinen in den
        schönen Regionen Deutschlands, der Nord- und Ostsee
        oder den Flüssen. In meinem Heimatland Sachsen-Anhalt
        gehören Fährfahrten nicht nur zum Transport über die
        Saale oder die Unstrut, sondern sind kleine Highlights
        von Tagestouristen. Der Ostseeraum profitiert ganz be-
        sonders vom Kreuzfahrttourismus. Hafenstädte sind
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        ielorte der Urlauber. Und nicht nur der Tourismus, auch
        er Bau von Kreuzfahrtschiffen verschafft zum Beispiel
        er Meyer Werft in Papenburg oder den Werften an der
        stsee Gewinne.
        Der hier vorliegende Antrag von CDU/CSU und SPD
        st aber ein typischer Antrag, wie wir ihn von der Großen
        oalition kennen: schwammig und unkonkret. Es ist ein
        unschkatalog, enthält aber so gut wie keine konkreten
        nsätze, die man von Regierungspolitik erwarten sollte.
        ie Bundesregierung wird aufgefordert, mal hier oder
        al da Gespräche zu führen: mal mit der Deutschen
        ahn AG, mal mit den deutschen Reedereien und Kreuz-
        ahrtveranstaltern. Meine Damen und Herren von der
        oalition, gegen Gespräche kann ja niemand etwas ha-
        en, aber die Verbände und Vertreter aus dem Bereich
        er Kreuzfahrten und dem Fährtourismus können doch
        ohl von einer Regierung zu Recht mehr erwarten, als
        ei Herrn Mehdorn zum Plausch vorbeizuschauen. Alles
        nkonkrete und Beliebige gipfelt schließlich in der letz-
        en Forderung, ich zitiere: 
 die für die vorgeschlage-
        en Maßnahmen gegebenenfalls erforderlichen Haus-
        altsmittel ausschließlich durch Umschichtung innerhalb
        er betroffenen Einzelpläne bereitzustellen. Liebe Kol-
        eginnen und Kollegen von der CDU/CSU, liebe Kolle-
        innen und Kollegen von der SPD: Welche Maßnahmen
        einen Sie? Lediglich das Eintreten auf europäischer
        bene dafür, dass der internationale Sicherheitskodex
        SPS über die Gefahrenabwehr in der Schifffahrt im
        ährverkehr innerhalb der Ostsee- und der Nordseehäfen
        n seiner Handhabung harmonisiert wird und dass keine
        ettbewerbsverzerrungen entstehen sowie der eine oder
        ndere Punkt danach, geben mal was her.
        Der vorliegende Antrag der Koalition ist in der Ana-
        yse nicht falsch. Ganz im Gegenteil: Es werden wichtige
        akten präsentiert und das Potenzial des Kreuzfahrttou-
        ismus sowie des Fährtourismus richtig erkannt. Der
        ourismus in Deutschland hat von einer Regierung und
        en Regierungsfraktionen aber mehr verdient, als bloße
        nalysefähigkeit. Die eigentliche Regierungskunst sollte
        och darin bestehen, die Voraussetzungen noch besser,
        och effektiver, noch praktikabler für diesen Bereich zu
        estalten: dass die deutschen Reedereien und Kreuzfahrt-
        eranstalter noch bessere Ergebnisse erzielen können,
        ass die Touristen noch lieber mit Kreuzfahrtschiffen
        ahren und Fähren benutzen. Wo sind die Probleme? Was
        ann dagegen getan werden? Ich vermisse hier konkrete
        inweise.
        Der Kreuzfahrttourismus und der Fährtourismus lö-
        en bei den Menschen Emotionen aus und regen zum
        räumen an. Der Antrag der Koalition ist ebenfalls im
        ereich der Träume angesiedelt; allerdings ist er so un-
        onkret, dass er wenige Emotionen bei den Menschen zu
        ecken vermag.
        Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Schon die Überschrift
        es Koalitionsantrages Kreuzfahrttourismus und Fähr-
        ourismus in Deutschland voranbringen ist fragwürdig.
        arum will die Koalition etwas voranbringen, was auch
        hne sie und ihren Antrag überproportionale Zuwächse
        at? Die Koalitionsfraktionen verweisen selbst in ihrem
        11972 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
        (A) )
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        Antrag auf dieses Wachstum: Der Umsatz des Kreuz-
        fahrtenmarktes in Deutschland hat sich seit 1999 mehr
        als verdoppelt  das gilt auch für den Bereich der Fluss-
        kreuzfahrten. Und die Koalition sagt voraus, dass es
        auch weiterhin sehr gute Wachstumserwartungen gibt.
        Wozu also dieser Antrag? Um an dem Erfolg teilzuha-
        ben, statt hinterherzuschwimmen?
        Von Reisen übers Meer und in ferne Länder träumen
        viele. Seefahrerabenteuer in Kinder- und Jugendbüchern
        und auch die vielen Traumschifffernsehserien zu besten
        Sendezeiten wecken Wünsche. Zunehmend mehr Ange-
        bote an günstigen Schiffsreisen inklusive preiswerter
        Flüge zum Hafen und zurück schaffen Voraussetzungen
        für zunehmend mehr Menschen, sich diesen Traum zu
        erfüllen. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, und ich
        gönne jeder und jedem die Erfüllung dieses Traumes.
        Einwände habe ich aber zu diesem Antrag. Ist es wirk-
        lich die Aufgabe der Politik, diesen so rasant wachsen-
        den Tourismussektor noch stärker zu fördern, anstatt die
        Konsequenzen daraus kritisch zu hinterfragen? In dem
        Antrag der Koalition werden sämtliche Probleme, die
        mit der nationalen und internationalen Schifffahrtstou-
        ristik verbunden sind, ausgeblendet. Selbst auf der Inter-
        netseite der Bundeszentrale für politische Bildung kom-
        men unter dem Stichwort Kreuzfahrttourismus an erster
        Stelle viele negative Aspekte, die sich mit dem Boom
        dieses Sektors auftun. Hier seien nur einige genannt:
        Erstens. Transport, Übernachtung und Verpflegung
        machen den Löwenanteil der Ausgaben eines jeden Tou-
        risten aus. Bei Kreuzfahrten landet dieser Teil der Ur-
        laubskasse faktisch zu 100 Prozent in den Taschen der
        internationalen Tourismusbetriebe. Ihre Schiffe laufen
        die Kreuzfahrthäfen zumeist frühmorgens an und legen
        in der Nacht wieder ab. Im Gegensatz zu Hotel- oder gar
        Rucksacktouristen können die Kreuzfahrer so nur einen
        Bruchteil ihres Urlaubsgeldes in den bereisten Ländern
        selbst ausgeben. Dieses gilt natürlich auch für an den
        deutschen Seehäfen anlandende Kreuzfahrtliner.
        Zweitens. Paul Wilkinson von der kanadischen York
        University beobachtete 1999 folgerichtig den Trend,
        dass die Traumschiffpassagiere Jahr für Jahr weniger
        Geld in den Kreuzfahrthäfen ausgeben. Als Beispiel
        führt er die Bahamas an. Dort ließen die Passagiere 1980
        im Schnitt noch rund 55 US-Dollar während ihres Land-
        ganges auf der Inselgruppe. 16 Jahre später, 1996, waren
        es inflationsbereinigt nur noch 31 US-Dollar pro Person.
        Hauptursache dieses Rückgangs seien die Luxusliner,
        die sich mit jeder neuen Schiffsgeneration zu regelrech-
        ten Geldfallen entwickelt hätten. Die Kreuzfahrtindus-
        trie nutzt lokale Infrastrukturen, gibt aber nichts der lo-
        kalen Wirtschaft zurück.
        Drittens. Um Gewinne zu maximieren, spart die
        Traumschiffbranche auch bei den Löhnen und Arbeits-
        bedingungen ihrer Crewmitglieder. Unabhängige Ar-
        beitsvermittler besorgen das billige und willige Personal
        vor allem aus den verarmten Ländern des Südens und
        des Ostens. Untersuchungen der Arizona State Univer-
        sity zufolge ist es nicht ungewöhnlich, wenn die bis zu
        1 000-köpfige Besatzung eines Luxusliners aus mehr als
        40 verschiedenen Nationen stammt. Weil aufgrund die-
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        er Völker- und Sprachenvielfalt an Bord keine effektive
        ewerkschaftliche Arbeitnehmervertretung möglich sei,
        ießen sich sehr niedrige Löhne bei gleichzeitig sehr lan-
        en Arbeitszeiten und fragwürdigen Lebensbedingungen
        n Bord durchsetzen.
        Viertens. Was bleibt den Inseln und Regionen vom
        reuzfahrttourismus? Der Abfall, lautet die Antwort.
        Ein Kreuzfahrtschiff mit 1 200 Passagieren und Besat-
        ung produziert jeden Tag 4,2 Tonnen Müll, andere Ab-
        allschadstoffe wie Ölreste, Abwasser und sanitäre
        ückstände nicht mitgerechnet, so ein besorgter Com-
        enwealth-Report. Abwässer und Müll der Ozeanriesen
        anden direkt im Meer  und später an den Stränden. Ab-
        älle der Kreuzfahrtschiffe finden sich heute an allen
        tränden der Karibik und bald auch an allen Küsten der
        üdsee. Gegenwärtige, internationale Abkommen sind
        nzureichend, um die fortschreitende Vermüllung und
        erseuchung der Meere vor den Trauminseln zu verhin-
        ern. Doch selbst wenn künftig Müll- und Abwasserent-
        orgung auf hoher See verboten und mit schmerzhaften
        trafen belegt werden sollte: Das Problem bleibt. Wohin
        it dem Dreck? Schon jetzt wissen die Inselstaaten
        icht, wohin mit dem eigenen Müll.
        Fünftens. Kreuzfahrtschiffe haben für Tourismuskon-
        erne noch einen unschlagbaren Vorteil. Sie verringern
        ie Abhängigkeit der Touristikbranche von den Urlaubs-
        ändern. Die schwimmenden Touristikressorts können
        berallhin ausweichen. Dank geringem Tiefgang können
        inige moderne Luxusschiffe selbst kleine Dörfer am
        mazonas oder die winzigsten Tropeninseln anlaufen.
        udem gehen sie auch bei einem noch so hohen, durch
        lobale Erwärmung ausgelösten Meeresspiegelanstieg
        icht unter. Dies aber droht gerade den Tropeninseln.
        er Kreuzfahrtbranche tut dies keinen Abbruch. Sie
        ann sich zurücklehnen und dem bevorstehenden Unter-
        ang vieler Trauminseln zusehen.
        Gestatten Sie noch ein paar Anmerkungen zu einzel-
        en Punkten des Antrages. In welchem Umfang Ausbau
        nd Anbindung der Häfen mit Steuermitteln  wie in
        unkt 2 gefordert  für die Kreuzfahrtschifffahrt voran-
        ubringen sind, ist auch unter sozialen, städtebaulichen
        nd ökologischen Gesichtspunkten zu prüfen. Ein wich-
        iger Aspekt muss dabei auch die durchgängige Barriere-
        reiheit sein: im Hafen und bei den angebotenen Ausflü-
        en in der Hafenstadt und Umgebung. Ich halte es für
        alsch, wenn  wie in Punkt 3 gefordert  die vor allem
        it Bundesmitteln agierende DZT noch mehr Geld in
        ie Vermarktung der Kreuzschifffahrt steckt, anstatt sich
        ehr bei der Bewerbung von barrierefreien Reisen, Rei-
        en für Kinder und Jugendliche oder dem Tourismus
        wischen Städtepartnern zu engagieren.
        Punkt 6 ist zu begrüßen, wenn damit der Erhalt von
        atürlichen Flusslandschaften statt der unnötige Ausbau
        on Wasserstraßen gemeint ist.
        Bei den Punkten 16 bis 18 sollte unbedingt der As-
        ekt der Barrierefreiheit berücksichtigt werden. Die Er-
        ahrungen zeigen, dass solche Gespräche die Bahn schon
        etzt wenig schert  auch dies ist ein Grund, die weitere
        rivatisierung der Bahn zu stoppen.
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11973
        (A) )
        (B) )
        Nun zum Punkt 19. Schon jetzt gibt es im Bundes-
        haushalt 2007 und auch im in der Diskussion stehenden
        Plan für 2008 eine deutliche Schieflage in der Touris-
        muspolitik. Während die Stärkung der Tourismuswirt-
        schaft zum zentralen Ziel erklärt wird, sind die Förde-
        rung von barrierefreiem Tourismus, von Tourismus für
        finanzschwache Familien, für Kinder und Jugendliche
        und für die Förderung eines ökologisch verträglichen
        Tourismus nur Randthemen.
        Die Linke fordert: Reisen für alle. CDU/CSU und
        SPD wollen Kreuzfahrten für viele und verschleiern mit
        ihrem Antrag komplett die ökologischen und sozialen
        Probleme, die mit dieser Art des Tourismus verbunden
        sind. Der Antrag wird daher von der Linken abgelehnt.
        Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der
        Kreuzfahrt- und Fährtourismus ist ein wachsender Markt
        der Tourismusbranche. Das ist erfreulich. Doch mit dem
        zunehmenden Wirtschaftswachstum wachsen natürlich
        auch die Umweltprobleme, die mit dem Schifffahrtstou-
        rismus verbunden sind. Deswegen ist es notwendig, dass
        die Rahmenbedingungen für den Kreuzfahrt- und Fähr-
        tourismus nachhaltig und verantwortlich ausgestaltet
        werden.
        Die einseitige Ausrichtung des Koalitionsantrages auf
        wirtschaftliche Aspekte, wie beispielsweise die Verbes-
        serung der Infrastruktur, die gezielte Vermarktung des
        Kreuzfahrttourismus oder die Forderung nach dem Ab-
        bau bürokratischer Hemmnisse verfehlt die wesentlichen
        Kriterien für einen verantwortungsbewussten und zu-
        kunftsfähigen Ausbau des Kreuzfahrt- und Fährtouris-
        mus. Der einzige erfreuliche ökologische Zungenschlag
        des Antrages ist der Appell, die internationalen Bemü-
        hungen zur Vermeidung und Reduzierung von Schiffs-
        emissionen in den Häfen zu unterstützen und die Mög-
        lichkeit für eine Normung von Landstromanschlüssen
        für die Schiffsversorgung in Häfen zu prüfen. Darüber
        hinaus finden sich leider keine weiteren ökologischen
        Forderungen. Dabei sollte uns allen doch eines ganz klar
        sein: Einen langfristig erfolgreichen Kreuzfahrt- und
        Fährtourismus wird es nur dann geben, wenn er im Ein-
        klang mit der Natur und der Umwelt steht. Nicht zuletzt
        der weltweite Klimawandel macht deutlich, dass Touris-
        mus sowohl in Deutschland als auch weltweit nicht mehr
        zulasten unserer Umwelt gehen darf. Die Stärkung des
        Inlandstourismus, die in diesem Antrag zu Recht formu-
        liert ist, könnte ein sinnvoller Bestandteil einer Klima-
        strategie sein.
        Aber die Gefahr einer Überbeanspruchung der Um-
        welt durch den Schifffahrtstourismus bleibt. Gerade
        Kreuzfahrtschiffe sind hier nicht unproblematisch. So
        verursachen sie beispielsweise einen großen Anteil der
        Abwässer, die im Schiffsverkehr anfallen. Auch beim
        Schiffsantrieb erweisen sich insbesondere die vielen äl-
        teren Schiffe als umweltschädlich. Zwar benötigt ein
        Kreuzfahrtschiff  wie im Koalitionsantrag richtig ange-
        merkt  tatsächlich weniger Brennstoff pro Passagier als
        ein Flugzeug, jedoch fahren gerade die älteren Schiffe
        oftmals noch mit billigem Schweröl anstatt mit Diesel.
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        Wir hätten uns deshalb in diesem Antrag ein gesundes
        leichgewicht von wirtschaftlichen und ökologischen
        orderungen gewünscht. Denn auch für die Tourismus-
        ranche gilt: Ökonomie funktioniert auf Dauer nur in
        erbindung mit Ökologie! Auch wir wollen das Poten-
        ial des Schifffahrtstourismus in Deutschland nutzen,
        ber bitte umweltverträglich! Deshalb sollten wir neben
        irtschaftsinteressen immer auch die langfristigen Fol-
        en für die Umwelt im Blick haben.
        nlage 7
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung:
         Antrag: Das Schengen-Informationssystem
        im europäischen Raum der Freiheit, der
        Sicherheit und des Rechts transparent und
        bürgerrechtsfreundlich gestalten
         Beschlussempfehlung und Bericht: Zugriff
        von Geheimdiensten auf das Schengener
        Informationssystem der zweiten Generation
        verhindern
        (Tagesordnungspunkt 19 a und b)
        Günter Baumann (CDU/CSU): Wie die meisten
        ollegen wissen, liegt mein Wahlkreis Annaberg-Aue-
        chwarzenberg direkt an der Grenze zu Tschechien. So-
        it ist die Thematik der Sicherheit und damit verbunden
        ie Einführung des Schengener Informationssystems der
        weiten Generation einhergehend mit der Grenzöffnung
        ür mich sehr bedeutsam. Deshalb werde ich gern auch
        er Fraktion Bündnis 90/Die Grünen den Fahrplan der
        inführung von SISone4All und darüber hinaus von
        IS II gern erläutern.
        Jedoch möchte ich vorerst einen kurzen Abriss über
        ie geschichtliche Entstehung des Schengen-Raumes ge-
        en. Schon die Römischen Verträge von 1957 und der Be-
        elux-Vertrag von 1958 enthielten die Idee der Freizügig-
        eit von Personen und Gütern. Am 15. Juni 1985
        ereinbarten Vertreter von Deutschland, Belgien, Frank-
        eich, Luxemburg und den Niederlanden im luxemburgi-
        chen Schengen ein Übereinkommen. Dessen Ziel lau-
        ete, dass die Binnengrenzen an jeder Stelle ohne
        ersonenkontrollen überschritten werden dürfen. Den
        ründerstaaten des Schengener Abkommens schlossen
        ich schnell weitere europäische Staaten an.
        Neben den klaren Vorteilen eines gemeinsamen
        chengen-Gebietes für die Wirtschaft und den Touris-
        us durch beispielsweise einen gemeinsamen Zollraum,
        as Reisen ohne Grenzkontrollen und eine gemeinsame
        ährung gibt es auch nach wie vor sicherheitspolitische
        edenken. Durch ein grenzenloses Europa gibt es keine
        tationären Grenzkontrollen, die als Filter gegen organi-
        ierte Kriminalität und Schleuserbanden eingesetzt wer-
        en können. Somit ist es von hoher Wichtigkeit, die Au-
        engrenzen der Schengen-Staaten verstärkt zu sichern
        nd dort zu kontrollieren. Für diese grenzüberschrei-
        11974 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
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        tende Polizei- und Justizarbeit wurde das Schengener In-
        formationssystem, SIS I, entwickelt.
        SIS ist ein elektronisches Personen- und Sachfahn-
        dungssystem, in dem Informationen zu den Bereichen
        Festnahmeersuchen, Übergabe und Auslieferung, dem
        Auffinden von Vermissten, Asylanträgen und Gefahren-
        abwehr enthalten sind. Somit bietet es den zuständigen
        Behörden der einzelnen teilnehmenden Mitgliedstaaten
        ein Abfragesystem für Informationen über Personen und
        Gegenstände, die von anderen Mitgliedstaaten eingestellt
        worden sind. Diese Möglichkeit der Informationsabfrage
        über die einzelnen nationalen Datenbanken hinweg dient
        wesentlich der inneren Sicherheit des Schengen-Raums.
        Das Schengener Informationssystem hat sich seit seiner
        Einführung 1995 bewährt. Wie man der Antwort der
        Bundesregierung auf die Anfrage der Linken (Drucksa-
        che 16/1044) vom 24. März 2006 entnehmen kann, wur-
        den im Zeitraum von 1995 bis 31. Dezember 2005
        882 627 Einträge über Personen und 13 779 800 über
        verlorengegangene oder gestohlene Gegenstände erstellt.
        Somit ist SIS heute das System einer leistungsstarken
        Zusammenarbeit der nationalen Polizeien, das sich durch
        eine einfache Benutzbarkeit und kurze Aktualisierungs-
        zeit auszeichnet.
        Abgesehen von dem Schengener Informationssystem
        wurde und wird eine Zusammenarbeit der jeweiligen na-
        tionalen Polizeien in den Grenzregionen großgeschrie-
        ben. Diese polizeiliche Zusammenarbeit, vordergründig
        von Schengen- und Nicht-Schengen-Staaten, wurde
        durch bilaterale Abkommen geregelt. Beispielsweise trat
        das erste Abkommen dieser Art zwischen Deutschland
        und der Tschechischen Republik im Jahr 2002 in Kraft.
        Darin wurde festgelegt, dass deutsche und tschechische
        Beamte zusammen auf Streife im Grenzgebiet gehen
        können.
        Darüber hinaus besteht seit dem Abkommen die Mög-
        lichkeit der Nacheile für die Beamten auf das jeweils an-
        dere Hoheitsgebiet. Nach wiederholten Besuchen und
        dem daraufhin folgenden Informationsaustausch mit den
        Beamten vor Ort an den Grenzübergängen in meinem
        Wahlkreis bin ich zu der Ansicht gelangt, dass dieses
        System der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von or-
        ganisierter Kriminalität und Verhinderung von Schleu-
        sungen gut funktioniert und hoffentlich neben der Einset-
        zung des SISone4All fortgeführt wird.
        Das gegenwärtige SIS I+ ist für 18 Staaten ausgelegt:
        für 15 Mitgliedstaaten und Island, Norwegen und gege-
        benenfalls ein weiteres Mitglied. Durch die Erweiterung
        der EU auf nunmehr 27 ist das SIS I+, das auf 18 Staaten
        begrenzt ist, technisch ausgereizt. Jedoch ist die Teil-
        nahme der europäischen Mitgliedstaaten an dem Schen-
        gener Informationssystem eine Voraussetzung für den
        Wegfall der Grenzkontrollen.
        Somit musste eine Weiterentwicklung des SIS I vor-
        genommen werden. Die Europäische Kommission er-
        stellte 2002 eine Durchführbarkeitsstudie, in der die
        technischen, finanziellen und organisatorischen Aspekte
        behandelt wurden. 2004 gab die Europäische Kommis-
        sion grünes Licht für die Entwicklung des SIS II. Ur-
        sprünglich war der Start des neuen Systems für März
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        007 vorgesehen, jedoch kam es bei der Realisierung
        mmer wieder zu Verzögerungen, die überwiegend auf
        echnischen Problemen beruht; unter anderem stellten
        ich Schwierigkeiten beim Überspielen der Daten von
        IS I auf SIS II heraus. Die derzeitige Planung zur Ein-
        ührung von SIS II geht von Ende Dezember 2008 als
        tarttermin aus.
        Da eine Integration der neuen Mitgliedstaaten in das
        ktuelle SIS I+ technisch nicht realisierbar ist, wird seit
        em 5. Dezember 2006 als Zwischenlösung das
        ISone4All entwickelt. Dieses SIS enthält alle Funktio-
        en des derzeitig angewendeten SIS I+. Es dient aus-
        chließlich dem Anschluss weiterer Staaten an das
        chengener Informationssystem. An dem SISone4All
        ehmen 24 Staaten teil. Durch Einsetzung des SISone4All
        ieht man die Grenzöffnung zu den beteiligten neuen
        itgliedstaaten  Polen, Tschechien, Slowakei, Slowe-
        ien, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn und Malta  für
        en 31. Dezember 2007, Landgrenzen, und 29. März
        008, Flughäfen, vor.
        Im September 2007 wird eine Evaluation über die
        utzungsweise des Schengen-Informationssystems
        urch die neuen Teilnehmerstaaten durchgeführt werden.
        s wird geprüft, ob die Anwendung des SISone4All
        onform zu dem Schengen-Übereinkommen erfolgt.
        enn im Vordergrund steht die Wahrung der inneren Si-
        herheit auch nach Wegfall der Grenzkontrollen.
        Letztendlich entscheidet der Rat der Europäischen
        nion über die Beendigung der Kontrollen. Vorausge-
        etzt, dass keine immanenten Defizite oder Versäum-
        isse festgestellt werden, fallen die Grenzkontrollen zu
        en zuvor genannten Terminen weg. Diese Entscheidung
        ber die Ausweitung der Schengen-Zone wird definitiv
        m November dieses Jahres fallen. Somit existieren fest-
        esetzte Fristen für die Grenzöffnungen, an denen sich
        ie neuen Mitgliedstaaten orientieren können.
        Das SIS II wird einfacher zu verwalten, flexibler und
        icherer sein. Im Hinblick auf die reale Terrorgefahr in
        uropa muss das SIS II erstens dem neuesten Stand der
        nformationstechnik angepasst werden und zweitens mit
        euen Funktionen ausgestattet werden, um die höchst-
        ögliche Sicherheit in Europa zu gewährleisten.
        Im Gegensatz zu den werten Kolleginnen und Kolle-
        en von Bündnis 90/Die Grünen sehe ich die Verknüp-
        ung von verschiedenen Einträgen nicht als problema-
        isch, sondern als essenziell an. Dies dient meiner
        nsicht nach einer effektiveren Polizeiarbeit. Auch der
        on Ihnen viel zitierte Datenschutz wird durch hohe
        ürden für den Informationszugriff bewahrt; denn ein
        itgliedstaat darf nur dann Ausschreibungen miteinan-
        er verknüpfen, wenn hierzu eine eindeutige operatio-
        elle Notwendigkeit besteht.
        Ein zweites neues und notwendiges Instrument des
        IS II ist die Verwendung von biometrischen Daten. Bei
        er Heranziehung von diesen biometrischen Daten wird
        er Datenschutz auch nicht außer Acht gelassen. Denn
        rst wenn ein Drittstaatsangehöriger durch eine alpha-
        umerische Suche im SIS II gefunden wurde und nun
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11975
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        seine Identität bestätigt werden soll, können biometri-
        sche Daten zur Klärung herangezogen werden.
        Meiner Meinung nach bleibt das Schengener Infor-
        mationssystem im Schwerpunkt ein Fahndungssystem
        trotz der funktionalen Weiterentwicklungen. Die im An-
        trag dargestellte Aufweichung der Zweckbindung
        kann ich folglich nicht nachvollziehen.
        Das Betriebsmanagement des zentralen SIS II über-
        nimmt eine Verwaltungsbehörde, die aus dem EU-Haus-
        halt finanziert wird. Die Behörde wird die erforderlichen
        Wartungsarbeiten und technischen Anpassungen durchfüh-
        ren sowie für den problemlosen Betrieb des Informations-
        systems Sorge tragen. Außerdem wird der Europäische
        Datenschutzbeauftragte die Verarbeitung personenbezo-
        gener Daten überwachen. Die nationalen Kontrollinstan-
        zen und der Europäische Datenschutzbeauftragte werden
        aktiv zusammenarbeiten und für eine koordinierte Über-
        wachung des SIS II sorgen.
        Zu dem Punkt der beiden Anträge von Bündnis 90/Die
        Grünen und der Linken den Zugriff von Geheimdiensten
        auf das SIS II ist so viel zu sagen, dass die Bundesregie-
        rung im Rahmen der Innenausschussberatung erklärte,
        dass die Nachrichtendienste etlicher Mitgliedstaaten auf-
        grund innerstaatlicher Regelungen Zugriff auf die Daten
        des SIS hätten. Das wollte die Bundesregierung auch für
        den deutschen Nachrichtendienst ermöglichen. Dies war
        im Europäischen Parlament nicht mehrheitsfähig und da-
        mit wird dieses Anliegen von der Bundesregierung nicht
        weiter verfolgt. Folglich lehne ich beide Anträge ab.
        Wolfgang Gunkel (SPD): Europas Einigung wird
        immer greifbarer. Im kommenden Jahr können Sie Län-
        der wie Polen oder Tschechien, die 2004 beigetreten
        sind, bereisen, ohne langwierige Kontrollen an den
        Grenzübergängen in Kauf nehmen zu müssen. Da ich in
        direkter Nachbarschaft zur polnischen Grenze wohne,
        freue ich mich ganz besonders auf diesen Zeitpunkt.
        Neben dieser Freude wissen wir alle auch, dass die
        Öffnung der Grenzen Risiken mit sich bringen wird.
        Denn nicht nur gesetzestreue Bürgerinnen und Bürger
        haben damit die Möglichkeit des ungehinderten Reisens,
        sondern auch Straftäter.
        Dieser Entwicklung wurde auch das Schengen-Infor-
        mationssystem als automatisiertes System zur Abfrage
        von Informationen über Personen, das bereits mit Ab-
        schluss des Schengener Abkommens in Kraft trat, ange-
        passt. Die Inbetriebnahme des Schengen-Informa-
        tionssystems II ist für Ende 2008 vorgesehen. Damit
        wird das Schengen-Informationsystem abgelöst.
        Bündnis 90/Die Grünen kritisieren nun, dass die Inbe-
        triebnahme verzögert wird. Damit wurde auch die Öff-
        nung der Grenzen auf Oktober 2008 verschoben. In die-
        ser Hinsicht kann ich die Fraktion Bündnis 90/Die
        Grünen beruhigen  die Öffnung der Grenzen wird  wie
        vorgesehen  am 1. Januar 2008 erfolgen. Insofern ist
        der Antrag fehlerhaft.
        Die Inbetriebnahme kann jedoch nur erfolgen, wenn
        die vorangegangenen Tests die Betriebssicherheit und
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        unktionssicherheit nachgewiesen haben. Insoweit ist
        ie Verzögerung wohl nicht der Politik anzulasten, son-
        ern technischen Schwierigkeiten. Da sicher auch die
        raktion von Bündnis 90/Die Grünen wünscht, dass nur
        in voll funktionstüchtiges Schengen-Informationssys-
        em II, SIS II, in Betrieb gehen soll, wird man sich wohl
        it der Verzögerung abfinden müssen.
        Zum anderen wird im Antrag gefordert, den Deut-
        chen Bundestag und die Öffentlichkeit besser über die
        ktuellen Entwicklungen hinsichtlich SIS II und die Ent-
        cheidungen im Europäischen Rat zu informieren. In
        ieser Hinsicht ist der Antrag obsolet, denn das SIS II
        ird bis zur Inbetriebnahme auf der Tagesordnung jedes
        ates der Justiz- und Innenminister stehen. Damit ist
        ieser Punkt auch automatisch Bestandteil jeder Vor-
        nd Nachberichterstattung in den zuständigen Ausschüs-
        en des Bundestages.
        Mit der medialen Berichterstattung über die Tagungen
        es Rates und der Ausschüsse kann auch die geforderte
        ffentlichkeit gewährleistet werden.
        Das Schengen-Informationssystem stellt durch seinen
        ugang zu Informationen über bestimmte Personengrup-
        en eine wichtige Bedingung für das reibungslose Funk-
        ionieren des Raumes der Sicherheit, der Freiheit und
        es Rechts dar. Demzufolge ist die Entwicklung von
        IS II die Voraussetzung für die Erweiterung des Rau-
        es der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts auf die
        euen Mitgliedstaaten. Eine Ausweitung der Datensätze,
        uf die zugegriffen werden kann, ist der veränderten Si-
        herheitslage seit der Inbetriebnahme des SIS geschul-
        et. Nun kritisiert die Fraktion von Bündnis 90/Die Grü-
        en zu Recht die Ausweitung der Zugriffsrechte auf die
        eheimdienste. Die Festlegung, welche Behörden zu-
        riffsberechtigt sind, obliegt den Mitgliedstaaten. Bun-
        esinnenminister Wolfgang Schäuble hat der SPD-Bun-
        estagsfraktion zugesichert, keine neuen Initiativen in
        iese Richtung ohne vorherige Abstimmung zu starten.
        as Europaparlament hat bereits in der ersten Lesung
        ine solche Reglung abgelehnt.
        Der uns hier vorliegende Antrag kritisiert weiterhin,
        ass Daten erhoben werden könnten, die nichts mit dem
        weck der ursprünglichen Datenerhebung zu tun haben.
        amit bezieht sich der Antrag auf Äußerungen der euro-
        äischen Datenschutzbeauftragten. Insoweit bleibt aber
        estzustellen, dass diese Zweckbindung in den Rechts-
        rundlagen zum Schengen-Informationssystem geregelt
        ind.
        Die Einführung biometrischer Daten, die nach An-
        icht von Bündnis 90/Die Grünen erst nach einer Folgen-
        bschätzung unter Einbeziehung der Datenschutzbeauf-
        ragten und des Europäischen Parlaments erfolgen soll,
        st zur Identifikation einer Person bereits zur Überprü-
        ung von Trefferfällen vorgesehen. Die alleinige Suche
        ach biometrischen Merkmalen bedarf noch der Ent-
        cheidung unter Beteiligung des Europäischen Parla-
        ents. Deshalb ist der Antrag auch in dieser Hinsicht
        infällig.
        Die generelle Sorge der Fraktion Bündnis 90/Die
        rünen, der Datenschutz würde bei der Einführung von
        11976 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
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        SIS II zu kurz kommen, kann entgegengehalten werden,
        dass auch die Datenschutzvorschriften in den Rechts-
        grundlagen enthalten sind. Im Übrigen wurden auch
        schon  wie im Antrag selbst angeführt  die Änderun-
        gen des Europäischen Parlamentes hinsichtlich eines
        besseren Datenschutzes vorgeschlagen und aufgegriffen.
        Ich bin guter Hoffnung, dass dies auch in Zukunft der
        Fall sein wird.
        Die angeführten Argumente belegen, dass der Antrag
        der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abzulehnen ist.
        Gisela Piltz (FDP): Die Fortentwicklung des Schen-
        gener Informationssystems ist wahrlich nicht gerade eine
        Erfolgsgeschichte. Dies gilt sowohl für den Zeitrahmen,
        in dem sich die Entwicklung vollzieht, als auch hinsicht-
        lich der Transparenz, mit der die entscheidenden Wei-
        chenstellungen getroffen werden, und nicht zuletzt auch
        für den Umgang mit den Daten aus der Sicht der Betrof-
        fenen. Seit Mai 2005 liegt der Vorschlag der Kommis-
        sion zu Schengen II vor. Seitdem folgt eine technische
        Panne der anderen.
        Misstrauen ist bei der zukünftigen Verwendung der
        Daten durchaus angebracht. Wir haben es leider immer
        wieder erlebt, wie gerade auch die Bundesregierung den
        Umweg über Europa nutzt, um politisch fragwürdige
        Entwicklungen ohne Diskussion in Gang zu setzen. Ich
        erinnere an dieser Stelle nur an die Fluggastdaten und an
        die Vorratsdatenspeicherung.
        Mit der Fortentwicklung des Schengener Informa-
        tionssystems zu Schengen II droht dieses Instrument, zu
        einem umfassenden polizeilichen Informationssystem zu
        werden. Die Frage, ob so ein System eingeführt werden
        sollte, ist jedenfalls in diesem Parlament aber nicht ein-
        mal im Ansatz diskutiert worden, obwohl es jeden Bür-
        ger betrifft. Ganz problematisch wird es dann, wenn
        keine ausreichenden Schutzvorkehrungen vor einem
        Missbrauch dieses Systems vorgesehen werden. Aber
        wo die Grundsatzdebatte vermieden wird, da fällt es
        leicht, die Notwendigkeit von weiterem Schutz vor
        Missbrauch mit Verweis auf die bei der Einführung des
        Schengener Informationssystems vorgesehenen Nut-
        zungszwecke wegzuwischen.
        Der Deutsche Bundestag sollte aus den vergangenen
        Entwicklungen in Europa zur Biometrie in Reisepässen
        lernen. Auch dort wurden europarechtliche Tatsachen
        geschaffen, ohne eine Debatte im eigenen Land über
        Sinn und Unsinn zu führen. Übrigens: Auch über Sinn
        und Unsinn von biometrischen Daten im Personalaus-
        weis hat es noch keine ausreichende Debatte gegeben.
        Wir sollten daher die Möglichkeit  vielleicht sollte ich
        lieber von der Gefahr sprechen  der Ausweitung von
        Schengen II jetzt und hier diskutieren. Der vorliegende
        Antrag kann dazu ein sinnvoller Anstoß sein. Insbeson-
        dere sollten die biometrischen Merkmale nicht ohne
        Weiteres in das Schengener Informationssystem inte-
        griert werden. Die Aufnahme von biometrischen Daten
        auch zur Verifikation muss durch ein besonderes Bedürf-
        nis gerechtfertigt sein, sonst ist die massenhafte Speiche-
        rung von biometrischen Daten schlicht unverhältnismä-
        ßig.
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        Auch in einer anderen Hinsicht ist die Einführung der
        iometrie in die Reisepässe ein mahnendes Beispiel:
        as Vorhaben der EU-Spitze, nach den Pässen der
        50 Millionen EU-Bürger auch die von den Mitglied-
        taaten ausgestellten Visa mit biometrischen Daten auf-
        urüsten, erwies sich bereits in der Planungsphase als
        öchst komplex und prekär. Die zunächst vorgesehene
        ösung, bei der biometrische Merkmale wie Fingerab-
        ruck und Gesichtsbild auf RFID-Chips in den Visa ge-
        peichert werden sollten, hat sich als technisch nicht
        achbar herausgestellt. Nun erleben wir auch bei Schen-
        en II, wie zuerst die Wünsche in Beschlüsse gegossen
        erden, bevor das technisch Machbare und vor allem
        innvolle ausreichend mit Sachverstand erkundet ist.
        Was wir in jedem Fall von Schengen II einfordern
        ollten, müssen wir uns hinreichend deutlich machen.
        ie Gemeinsame Kontrollinstanz von Schengen hat hier
        chon 2005 eine gute Vorarbeit geliefert. Wir brauchen
        egelungen zu einer klaren und eindeutigen Verantwort-
        ichkeit für die Einhaltung des Datenschutzes. Und wir
        rauchen Regelungen zu einer effektiven Kontrolle und
        atenschutzrechtlichen Überwachung des Systems
        chengen II. Diese Aufgabe soll weiterhin den nationa-
        en Datenschutzbeauftragten zufallen. Die Gemeinsame
        ontrollinstanz soll jedoch ihre Kompetenzen zur Bera-
        ung, Kontrolle und Koordinierung verlieren. Gerade die
        oordinierung zwischen den nationalen Datenschutzbe-
        uftragten ist jedoch unverzichtbar notwendig, um einen
        inheitlichen Datenschutz in der Durchführung sicherzu-
        tellen. Hier muss in jedem Fall dringend nachgebessert
        erden.
        Ein Zugriff von Geheimdiensten auf das Schengener
        nformationssystem wäre ein grundsätzlicher Fehler und
        in Verstoß gegen das Trennungsgebot. Nachrichten-
        ienste sind naturgemäß intransparent, ihre Aufgaben,
        hre Befugnisse und ihre Arbeitsweisen unterscheiden
        ich erheblich von denen der Polizei. Während den
        achrichtendiensten Beobachtungsaufgaben zufallen,
        ollen die Polizeibehörden Gefahren weniger beobach-
        en als vielmehr abwehren. Der rechtliche Sinn des Tren-
        ungsgebots ist dabei ganz einfach: Die Nachrichten-
        ienste dürfen zwar viel beobachten, mit ihren
        nformationen aber relativ wenig anfangen. Die Polizei
        arf zwar weniger beobachten, mit ihren Informationen
        ber wesentlich mehr anfangen. Damit wird klar, dass
        ie Zusammenführung der Datenbanken der Nachrich-
        endienste und der Polizei zur Bewahrung des freiheitli-
        hen Rechtsstaats begrenzt sein muss. Wer  fast  alles
        eiß, soll nicht alles dürfen; und wer  fast  alles darf,
        oll nicht alles wissen. Das Trennungsgebot muss als
        usdruck der bundesstaatlichen, rechtsstaatlichen und
        ewaltenteilenden Grundsätze unseres Staates erhalten
        leiben. Wenn polizeiliche Daten auch den Nachrichten-
        iensten offenstehen, dann wird das Vertrauen des Be-
        roffenen auf eine zweckgebundene Verwendung seiner
        aten belastet. Wir fordern die Bundesregierung auf,
        läne zur Einbeziehung von Geheimdiensten in das
        chengener Informationssystem nicht wieder aufzugrei-
        en.
        Jan Korte (DIE LINKE): Das Schengener Informa-
        ionssystem der zweiten Generation ist eine unendliche
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11977
        (A) )
        (B) )
        Geschichte. Mehr noch: Eine Geschichte, die zeigt, wie
        technisches Unvermögen auf antidemokratisches Verhal-
        ten trifft und so den Weg an den nationalen Parlamenten
        vorbei in den Überwachungsstaat ebnet. Aber worum
        geht es im Einzelnen? Seit Jahren wird in der Europäi-
        schen Union, nicht erst seit dem Beitritt von zehn weite-
        ren Staaten zur EU im Jahr 2004, über eine Erweiterung
        des Schengener Informationssystems diskutiert. Eilig
        verständigte man sich im Rat darauf, künftig nicht nur
        biometrische Daten hierin aufzunehmen, sondern weite-
        ren Behörden und Institutionen den Zugriff auf die per-
        sonenbezogenen Daten im SIS zu ermöglichen. 2005
        legte die Europäische Kommission Vorschläge für die
        Einführung des Schengener Informationssystems der
        zweiten Generation vor. Seitdem ist es schwer, detail-
        lierte Informationen über das Projekt zu erhalten. Die In-
        formationspolitik der Bundesregierung und des zuständi-
        gen Rates für Justiz und Inneres der EU  dies legt der
        hier zur Diskussion gestellte Antrag der Grünen treffend
        dar  ist höchst intransparent. Eine Beteiligung bei-
        spielsweise des Bundestages und des Europäischen Par-
        laments an der konkreten Ausgestaltung von SIS II war
        nicht oder nur ungenügend vorgesehen.
        Hinzu kommen  so die offizielle Darstellung  tech-
        nische Probleme, sodass die Inbetriebnahme des SIS II
        im März 2007 endgültig verschoben werden musste.
        Nun wird mit Hochdruck an einer Übergangslösung ge-
        arbeitet, an dem sogenannten SISone4All, welches bis
        Dezember dieses Jahres in Betrieb gehen soll, spätestens
        aber im März 2008. So ganz genau wissen dies die Ver-
        antwortlichen in Brüssel anscheinend auch nicht, wie die
        aktuelle Fassung der europapolitischen Vorausschau für
        den Innenausschuss darlegt. Eines ist indes sicher: Die
        Erweiterung des Informationssystems beinhaltet nicht
        nur die Anhebung der zu den einzelnen Personen gespei-
        cherten Datensätze, die Speicherungsdauer dieser Daten,
        die Verwendung biometrischer Daten, sondern umfasst
        auch das Fehlen eines Rahmenbeschlusses zum Daten-
        schutz in der Dritten Säule und des zu erwartenden Zu-
        griffs von nationalen Geheimdiensten auf das Informati-
        onssystem. Dabei scheint es die Innenminister der
        Mitgliedstaaten der EU wenig zu stören, dass Informati-
        onen der Geheimdienste, die demnach Eingang in das
        SIS der zweiten Generation finden sollen, nicht zwangs-
        läufig auf gerichtsfesten oder belegbaren Tatsachen be-
        ruhen müssen, sondern meist spekulativer Natur sind.
        Diesen Umstand verschärft insbesondere eine Regelung,
        nach der sogenannte Drittstaatenangehörige im SIS II
        zwecks Einreiseverweigerung ausgeschrieben bzw. ver-
        merkt werden können, wenn sie eine Bedrohung für die
        öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die
        nationale Sicherheit darstellen. Die Anwendung dieser
        schwammigen Vorgabe erfolgt von Mitgliedstaat zu Mit-
        gliedstaat unterschiedlich. Eine europaweite Lösung die-
        ses konkreten Problems bei der Verwendung des SIS II
        wurde nicht gefunden. Die Folgen sind klar: Im Extrem-
        fall kann diese Vorgabe genutzt werden, um Menschen
        in Zukunft von legitimen und demokratischen Protesten,
        wie zum Beispiel denen gegen den G-8-Gipfel in Heili-
        gendamm, fernzuhalten und gar nicht erst einreisen zu
        lassen. Grenzen werden dadurch nicht abgebaut, wie ur-
        sprünglich mit dem Schengener Vertrag vorgesehen,
        sondern neue Zäune errichtet.
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        Ungeklärt bleibt zukünftig auch, ob es eine Informa-
        ionspflicht gegenüber Personen, die im SIS ausge-
        chrieben sind, geben wird. Die ist Voraussetzung dafür,
        ass Menschen ihre Rechte, wie das Recht auf Berichti-
        ung oder Löschung eines entsprechenden Eintrages,
        or einem Gericht erwirken können.
        Heute nun liegt uns ein Antrag der Grünen vor, der
        ehr Transparenz für den europäischen Raum der Frei-
        eit, der Sicherheit und des Rechts im Hinblick auf das
        chengener Informationssystem fordert. Dieses Anlie-
        en findet die Unterstützung der Linken. Gleichzeitig
        ber  und dies muss eben auch erwähnt sein  frage ich
        ich, warum die Fraktion der Grünen so zahnlos in ih-
        em Antrag argumentiert und damit hinter die Arbeit
        hrer eigenen Europaparlamentarier zurückfällt. Das Eu-
        opäische Parlament hat sich, neben zahlreichen daten-
        chutzrechtlichen Bedenken, klar und deutlich gegen
        inen Zugang von Geheimdiensten zum SIS II ausge-
        prochen. Hierzu der Berichterstatter des EP, Herr Carlos
        oelho am 25. Oktober 2006: Die Abgeordneten wei-
        erten sich jedoch, dem Vorhaben des Ministerrates zu-
        ustimmen und auch den nationalen Geheimdiensten Zu-
        riff zum System zu gewähren. Der Vorschlag, den
        eheimdiensten Zugang zu SIS II zu geben, macht kei-
        en Sinn.
        Die deutschen Grünen wiederum wollen durch ihren
        ntrag lediglich festgestellt wissen, dass der Deutsche
        undestag den Versuch der Bundesregierung missbilligt,
        en Geheimdiensten einen direkten Zugriff auf die Da-
        en des SIS II zu ermöglichen. Weiter heißt es, dass der
        Deutsche Bundestag [
] hofft, dass der Rat das Ab-
        timmungsverhalten des Europäischen Parlamentes in
        iesem Punkt übernehmen wird. Ich frage mich, warum
        ie an dieser zentralen Stelle so zurückhaltend agieren
        nd argumentieren. Denn auch Sie stellen doch völlig zu
        echt fest, dass mit der Öffnung des SIS II für nationale
        eheimdienste eine Aushebelung der in Deutschland
        erfassungsrechtlich verankerten Trennung von Polizei
        nd Geheimdiensten stattfindet. Überdies frage ich
        ich, warum Sie sich nur gegen einen direkten Zugriff
        uf die Daten des SIS II durch Geheimdienste ausspre-
        hen. Wir wissen doch alle, dass über Europol Informa-
        ionen aus dem SIS II auch Geheimdienste erreichen
        erden. Die europäische Polizeibehörde wird nach ihrer
        eform, die bereits beschlossene Sache ist, nicht nur mit
        m Tisch der SIS-II-Zugriffsberechtigten sitzen, sondern
        ben auch die Möglichkeit haben, erhaltene Daten an
        ritte weiterzureichen, also auch an Geheimdienste.
        inzu kommt, dass mit der Reform von Europol eine de-
        okratische Kontrolle des Polizeiamtes durch das Euro-
        aparlament oder die nationalen Parlamente weiterhin
        icht vorgesehen ist. Doch dazu verlieren Sie in Ihrem
        ntrag leider kein Wort. Dabei zeigt doch dieses eine
        eispiel anschaulich, dass das SIS der zweiten Genera-
        ion nicht als geschlossenes System betrachtet werden
        ann, sondern weitere Aspekte und Institutionen in die
        ewertung des Systems einbezogen werden müssen.
        hre Hoffung, meine Kolleginnen und Kollegen von den
        rünen, der Rat würde das Abstimmungsverhalten des
        uropäischen Parlaments übernehmen, hilft dem EP kei-
        en Schritt weiter. Eine Stärkung demokratischer Mit-
        prache und Kontrolle, gerade durch eine Stärkung des
        11978 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
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        Europaparlaments im europäischen Institutionengefüge,
        sieht anders aus.
        Die Linke kann dem Ansinnen der Grünen insoweit
        zustimmen, als dass auch wir den Zugang von Geheim-
        diensten zum SIS II verhindern wollen und auch wir uns
        gegen die Verwendung biometrischer Daten ausspre-
        chen. Dennoch können wir Ihrem Antrag als Gesamtpro-
        dukt nicht unsere Zustimmung geben. Neben dem be-
        reits Skizzierten sprechen vor allem zwei Gründe
        dagegen: Zum einen können wir es nicht mittragen, die
        Bundesregierung aufzufordern  und so ist es in Ihrem
        Antrag formuliert worden  einen eindeutigen Zeitrah-
        men für die Einführung von SIS II vorzulegen. Zuvor
        sind für uns andere, wesentliche Fragen um das SIS II
        und SISone4All zu klären. Zum zweiten können wir der
        Forderung unter Punkt sechs nicht zustimmen, wonach
        dafür Sorge zu tragen sei, dass der Datenschutz bei Po-
        lizei und Justiz durch einen Rahmenbeschluss europa-
        weit auf hohem Niveau harmonisiert und eine effektive
        Datenschutzkontrolle auf nationaler und europäischer
        Ebene gewährleistet wird. Diese Forderung ist im Kern
        zwar richtig, aber hier kausal der Einführung von SIS II
        nachgeordnet. Für die Linke aber ist der Entscheid über
        einen Rahmenbeschluss zum Datenschutz in der Dritten
        Säule Voraussetzung für Beschlüsse weiterer Maßnah-
        men im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zu-
        sammenarbeit auf europäischer Ebene. Sie wissen so gut
        wie ich, dass ein solcher Rahmenbeschluss seit Jahren
        von den Regierungen der Mitgliedstaaten hinausgezö-
        gert wird, um rechtlich und demokratisch fragwürdige
        Projekte wie das SIS II oder die Überführung des Vertra-
        ges von Prüm problemlos umzusetzen. Gerade im Be-
        reich der Dritten Säule sucht man demokratische Kon-
        trollmechanismen vergeblich. Wir fordern deshalb:
        Zuerst einen Rahmenbeschluss mit hohen Standards
        über den Datenschutz in der Dritten Säule und danach
        eine Debatte über europäische Maßnahmen im Bereich
        der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit.
        Diese allerdings müssen dann in einem anderen Stil und
        in anderen Verfahren geführt werden, das heißt öffent-
        lich, transparent und bürgerrechtsfreundlich.
        Schließlich hat es mich doch stark verwundert, als ich
        Ihren vorliegenden Antrag gelesen habe, warum sich die
        Grünen im Innenausschuss bei unserem Antrag 16/3619,
        der den Zugriff von Geheimdiensten auf das SIS II ver-
        hindern will, der Stimme enthalten haben. Unser Antrag
        ist wesentlich konkreter und gibt Innenminister
        Dr. Wolfgang Schäuble ein klares Abstimmungsverhal-
        ten im Rat an die Hand. Ich hoffe deshalb heute auf Ihre
        Zustimmung zu unserem Antrag. Damit hätten wir dann
        das eine Problem der Geheimdienste in Bezug auf SIS II
        vorerst gelöst, vor allem vor dem Hintergrund der not-
        wendigen einstimmigen Entscheidung im Rat über
        SIS II, und können dann gemeinsam Fragen des Daten-
        schutzes in der Dritten Säule und schließlich die endgül-
        tige Überwindung der derzeitigen Konzeption des SIS
        der zweiten Generation diskutieren und angehen.
        Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Am vergangenen Dienstag tagten die europäischen In-
        nen- und Justizminister in Brüssel. Bei diesem Treffen
        standen auch die Erweiterung des Schengen-Raums und
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        ie Weiterentwicklung des Schengen-Informationssys-
        ems (SIS) auf der Tagesordnung.
        Die erfreuliche Nachricht nach diesem Treffen ist,
        ass der Schengen-Raum, ein weltweit einmaliger Raum
        hne Schlagbäume und Grenzkontrollen, zum 1. Januar
        008 auf die neun 2004 der Europäischen Union beige-
        retenen Länder  mit Ausnahme von Zypern  ausge-
        eitet wird. Dies ist ein gutes und wichtiges Signal an
        ie neuen EU-Mitgliedstaaten, denn Freizügigkeit und
        ngehinderte Reisefreiheit ist ein zentrales Element der
        uropäischen Union. Sie machen das Zusammenwach-
        en Europas praktisch und emotional erlebbar.
        Die deutsche Bundesregierung hat sich in diesem
        angwierigen Prozess leider nicht mit Ruhm bekleckert.
        as Schengen-Informationssystem II, die technische
        lattform für die Erweiterung, sollte eigentlich schon im
        ärz 2007  also während der deutschen Ratspräsident-
        chaft  in Betrieb gehen. Dies wurde von der Bundesre-
        ierung auch im Vorfeld der Ratspräsidentschaft immer
        ieder betont. Heute wissen wir, dass SIS II nicht vor
        ezember 2008 funktionstüchtig sein wird. Gleichzeitig
        errschte lange Unklarheit darüber, wann die neuen Mit-
        liedstaaten endlich Teil des Schengen-Raums werden
        önnen, es fehlt schlicht ein Fahrplan. Dies hat für viel
        erunsicherung und berechtigten Unmut gesorgt.
        Mit SISone4All wird nun ein Hilfskonstrukt die Zeit
        berbrücken bis zum Start von SIS II. Im Grundsatz
        leibt zu hoffen, dass dies mit über zwanzigmonatiger
        erspätung dann Ende 2008 auch tatsächlich gelingen
        ird.
        Ich sage bewusst im Grundsatz, denn wir Grüne be-
        bachten die konzeptionelle Weiterentwicklung des
        chengen-Informationssystems gleichzeitig mit Sorge.
        icht nur wir tun dies, sondern auch der Europäische
        atenschutzbeauftragte Peter Johan Hustinx und das Eu-
        opäische Parlament.
        Mit SIS II soll die Zahl der gespeicherten Datensätze
        nd Funktionen des Informationsnetzes deutlich ausge-
        eitet werden. Der eigentliche Auftrag des Schengen-
        nformationssystems ist es, die grenzüberschreitende
        ahndung nach Personen und Sachen zu ermöglichen.
        ngesichts der Weiterentwicklungen liegt nun der Ver-
        acht nahe, dass es zu einem umfassenden polizeilichen
        nformationssystem ausgebaut werden soll. Nicht nur
        us diesem Grund forderte Peter Johan Hustinx bereits
        m April 2006 eine Studie zur Folgenabschätzung für
        IS II ein. Diese Studie ist bis heute nicht vorgelegt wor-
        en.
        Doch weiteres Ungemach droht: Künftig sollen au-
        erdem weitere Behörden Zugriff auf die Daten im
        IS II erhalten. Der Europäische Datenschutzbeauftragte
        at frühzeitig kritisiert, dass diese Behörden die erhobe-
        en Daten  mangels Zweckbindung  auch für andere
        ls die vorgesehenen Zwecke verwenden könnten.
        All diese Kritik hat bisher leider nicht zu einem Ein-
        enken geführt. Ganz im Gegenteil: Die Bundesregie-
        ung versuchte noch bei den Verhandlungen über das
        IS II im Oktober letzten Jahres, auch den Geheimdiens-
        en Zugriff auf die Daten zu verschaffen. Dieses Vorge-
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11979
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        hen war ein Generalangriff auf die in Deutschland ver-
        fassungsrechtlich verankerte Trennung von Polizei und
        Nachrichtendiensten. Dies war und bleibt ein Skandal.
        Mit unserem Antrag mahnen wird daher dringend
        mehr Transparenz und eine stärkere Ausrichtung an Bür-
        gerrechten bei SIS II an. Wir fordern konkret, dass die
        Speicherfrist für Daten nicht verlängert wird, solange sie
        nicht stichhaltig begründet werden kann. Wir fordern au-
        ßerdem eine strenge Zweckbindung der Daten und des
        Zugriffs auf sie. Wir mahnen dringend eine Folgenab-
        schätzung insbesondere zur Nutzung biometrischer Da-
        ten an. Die Entwicklung in diesem Bereich geht stetig
        weiter, ohne dass sich die Verantwortlichen ernsthaft mit
        der Frage auseinandersetzen, welche Risiken daraus für
        Datenschutz und Bürgerrechte erwachsen.
        Datenschützer und das Europäische Parlament haben
        ihre Bedenken deutlich formuliert. Der Deutsche Bun-
        destag sollte dies ebenfalls tun.
        Es ist unerträglich, dass allen voran die Bundesregie-
        rung immer wieder neue Vorschläge zur Aushöhlung des
        Datenschutzes und damit der Bürgerrechte macht und
        sich gleichzeitig über die Bedenken der Datenschützer
        hinwegsetzt. Dagegen müssen wir Parlamentarier uns
        zur Wehr setzen.
        Die Erfahrung der letzten Zeit zeigt: Wo es Daten
        gibt, tritt auch immer jemand auf, der sie ohne Maß und
        Ziel sammeln und ausschlachten will  ohne Rücksicht
        auf das Grundgesetz, ohne jegliches Verständnis dafür,
        dass Datenfriedhöfe ineffizient und genau deshalb nicht
        im Sinne von mehr Sicherheit für die Menschen sind.
        Nicht selten heißt dieser jemand Wolfgang Schäuble.
        Nach SIS und Flugpassagierdaten werden wir uns be-
        stimmt demnächst an dieser Stelle über den Geheim-
        dienstzugriff auf das Visa-Informationssystem unterhal-
        ten müssen. Diese Konjunktur der Datensammelwut
        weitergedacht ist es wahrscheinlich nur eine Frage der
        Zeit, bis wir uns an diesem Ort über eine europaweite
        Onlinedurchsuchung unterhalten müssen.
        Wir als Parlament sind in der Pflicht, zu handeln. Es
        genügt nicht, darauf zu hoffen, dass die Forschung ir-
        gendwann ein wirksames Medikament gegen Datensam-
        melwut entwickelt.
        Anlage 8
        Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung:
         Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Ände-
        rung des Bundespolizeigesetzes
         Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
        Bundespolizeigesetzes und anderer Gesetze
        (Tagesordnungspunkt 20 und Zusatztagesord-
        nungspunkt 5)
        Ralf Göbel (CDU/CSU): Die Bundespolizei trägt
        durch ihre Arbeit vor allem in den Bereichen Grenz-
        schutz, Luftsicherheit und Bahnverkehr entscheidend
        zum Erhalt der inneren Sicherheit in Deutschland bei. In
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        inem Europa ohne Grenzkontrollen haben sich die Auf-
        aben in den letzten Jahren jedoch immer mehr verän-
        ert. Ein Teil dieser neuen Aufgaben soll durch die hier
        ur Debatte stehende Umsetzung einer EU-Richtlinie in
        eutsches Recht übertragen werden. Diese Richtlinie
        ieht vor, dass bestimmte Passagierdaten bei Flügen aus
        rittstaaten in die EU-Mitgliedstaaten den Grenzschutz-
        ehörden auf Anforderung zugänglich gemacht werden
        üssen. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung
        llegaler Migration und nicht zuletzt auch des internatio-
        alen Terrorismus.
        Die Übermittlung der Daten obliegt hiernach nicht
        em Staat, in dem das Flugzeug abfliegt, sondern dem
        ntsprechenden Luftfahrtunternehmen. Dadurch wird
        en Grenzpolizisten zukünftig mehr Zeit für die Über-
        rüfung der Passagiere bleiben. Eine gründlichere Kon-
        rolle wird wiederum für illegale Einwanderer eine grö-
        ere Hürde darstellen. Weltweit wird dieses System
        ereits von vielen Staaten praktiziert, was die Bedeutung
        es Instrumentes belegt. Die Richtlinie ist bereits im
        eptember 2004 in Kraft getreten und muss innerhalb
        on zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden,
        odass es Zeit wird, zu handeln.
        Die Anforderungen an die Bundespolizei wachsen je-
        och nicht nur in diesem Bereich stetig. Durch die
        undesweiten und zunehmenden internationalen Ver-
        flichtungen ist es unumgänglich, die Strukturen der
        undespolizei effizienter zu gestalten. Die Bundespoli-
        ei steht vor der Aufgabe, die sich stetig entwickelnden
        erkehrsströme zu überwachen. Die Kontrolle von Zug-
        nd Flugverkehr werden zunehmend an Bedeutung ge-
        innen. Insbesondere der Wegfall der Grenzkontrollen
        u den östlichen Nachbarstaaten wird eine erhöhte Auf-
        erksamkeit an den Binnengrenzen wie Bahnhöfen
        nd Flughäfen erfordern. Deutschland ist ein Transit-
        nd Zielland, das an neun Nachbarstaaten grenzt  eine
        renze von 4 500 Kilometer Länge. Über 3 500 Kilo-
        eter Küstenlinie stellt die Schengen-Außengrenze dar.
        as deutsche Bahnnetz umfasst 40 000 Kilometer, mehr
        ls 180 Flughäfen bestimmen den nationalen und inter-
        ationalen Flugverkehr. Nur durch eine Straffung der
        rozesse und Strukturen können mehr operative Kräfte
        ür die Bekämpfung illegaler Migration, Schleuserkrimi-
        alität und des internationalen Terrorismus gewonnen
        erden.
        Zur Effizienzsteigerung werden die bisherigen fünf
        ittelbehörden durch eine zentrale Bundesoberbehörde
        n der Nähe von Berlin zusammengefasst. Diese Be-
        örde wird zukünftig die operativen Aufgaben des Bun-
        esinnenministeriums, der früheren Mittelbehörden
        owie der Bundespolizeidirektion übernehmen. Dem
        räsidium kommen demnach operative, koordinierende
        nd zentral wahrzunehmende Aufgaben zu. Zusätzlich
        bernimmt das neue Präsidium Aufgaben, die bislang
        on zum Teil unselbständigen Dienststellen, wie zum
        eispiel der Zentralstelle für Information und Kommu-
        ikation der Bundespolizei, wahrgenommen wurden.
        uch andere Angelegenheiten, die zukünftig zentral ge-
        egelt werden sollen, wie zum Beispiel die Personalkos-
        en, obliegen der neuen Bundesoberbehörde. Die Aufga-
        enwahrnehmung in der Bundespolizei wird hierdurch
        11980 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
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        insgesamt gestrafft, Stabs- und Verwaltungstätigkeiten
        werden zugunsten der polizeilichen Aufgabenerfüllung
        schlanker und effizienter gestaltet. Dem Bundespolizei-
        präsidium unterstehen die Bundespolizeidirektionen, die
        Bundespolizeiakademie und die Zentrale Direktion der
        Bundesbereitschaftspolizei.
        Die bisher 19 Bundespolizeiämter werden zu neun
        Bundespolizeidirektionen zusammengefasst. Die neuen
        Bundespolizeidirektionen sind gleichmäßig über die Flä-
        che der Bundesrepublik verteilt, sodass die Präsenz der
        Polizei in der Fläche gewährleistet bleibt. Grundsätzlich
        orientiert sich die Verteilung an den Grenzen der einzel-
        nen Bundesländer. Nur in Ausnahmefällen erstreckt sich
        eine Direktion über einen größeren Bereich. Behörden
        und Partnern in einem Bundesland soll zukünftig nur ein
        Ansprechpartner der Bundespolizei gegenüberstehen.
        Dies gewährleistet eine effektivere Zusammenarbeit.
        Die Direktionen werden in ihrem Zuständigkeits-
        bereich die Aufgaben der bisherigen Polizeiämter und
        insbesondere die einsatzbezogenen Aufgaben der bishe-
        rigen Bundespolizeipräsidien übernehmen. Zudem
        obliegen ihnen die regionalen Aufgaben der Kriminali-
        tätsbekämpfung. Außerdem kommt ihnen die Personal-
        hoheit für die Laufbahnen des einfachen, mittleren und
        teilweise des gehobenen Dienstes zu. Jede Bundespoli-
        zeidirektion verfügt über eine Mobile Kontroll- und
        Überwachungseinheit, MKÜ, zur Bewältigung von tem-
        porären Einsatzmaßnahmen. Die MKÜs sind nicht an
        den Regeldienst gebunden und somit flexibler einsetz-
        bar. Sie ermöglichen den Bundespolizeidirektionen,
        Spitzenbelastungen oder sich kurzzeitig verändernde
        Aufgabenschwerpunkte mit eigenen Kräften zu bewälti-
        gen. Die Anzahl der Polizeivollzugsbeamten in den Mo-
        bilen Kontroll- und Überwachungseinheiten wird mit
        1 200 mehr als verdoppelt. Insgesamt sollen in jeder Di-
        rektion nicht weniger als 2 000 und nicht mehr als
        3 000 Polizeivollzugsbeamte in der operativen Basis be-
        schäftigt werden.
        Die Bundespolizeidirektionen bestehen aus 77 Bun-
        despolizeiinspektionen, bei denen jeweils 200 bis
        300 Polizeivollzugsbeamte eingesetzt werden. In Größe
        und Struktur werden alle Inspektionen vergleichbar sein.
        Die Inspektionen nehmen grundsätzlich alle bundespoli-
        zeilichen Aufgaben wahr, wodurch sie eine höhere Ein-
        satz- und Führungsverantwortung bekommen. Im Inte-
        resse der Leistungsfähigkeit und Flexibilität muss
        zukünftig auf kleinere Inspektionen verzichtet werden.
        Unterhalb der Inspektionen können auch Bundespolizei-
        reviere eingerichtet werden, sofern dies aus einsatztakti-
        schen Gründen erforderlich erscheint. Dies betrifft be-
        sonders Einsatzorte, an denen eine regelmäßige Präsenz
        in der Fläche erforderlich ist. Die Präsenz in der Fläche
        bleibt somit erhalten, wird an den erforderlichen Stellen
        sogar aufgabenbezogen gestärkt.
        Für den bahnpolizeilichen und grenzpolizeilichen
        Aufgabenbereich sind fachliche Kriterien entwickelt
        worden, auf deren Grundlage der für die jeweilige Auf-
        gabenwahrnehmung erforderliche Personalbedarf ermit-
        telt und das für die operative Aufgabenwahrnehmung
        erforderliche Personal bundesweit zielgerichtet und aus-
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        erichtet am Einsatzschwerpunkt eingesetzt werden
        ann. Hierfür wird das durch den Wegfall der systemati-
        chen Grenzkontrollen frei werdende Personal nach poli-
        eilichen Kriterien bedarfsgerecht eingesetzt.
        Vielfach wurde die Entscheidung der neuen Standorte
        er Inspektionen kritisiert. Dazu besteht jedoch kein An-
        ass: Die Entscheidung über die Standorte ist nicht poli-
        isch motiviert, sondern erfolgt einzig nach polizeifachli-
        hen Überlegungen. Das ist auch richtig.
        Die Zentrale Direktion Bereitschaftspolizei ist
        benfalls dem neuen Bundespolizeipräsidium direkt
        achgeordnet. In der Direktion werden alle Führungs-,
        oordinierungs- und Unterstützungsaufgaben der ver-
        andorientierten Einsatzkräfte wahrgenommen. Die Di-
        ektion steuert die Einsatzbewegungen und sorgt für eine
        leichmäßig hohe Auslastung. Sie koordiniert einen effi-
        ienten Einsatz aller Bundesbereitschaftspolizeiabteilun-
        en. Dadurch gewährleistet sie den für geschlossene
        insätze absolut erforderlichen hohen Qualitätsstandard.
        urch diese Organisationsänderung werden vor allem
        ie Abteilungsstäbe reduziert, und die Personalstärke der
        insatzhundertschaften wird von 117 auf 123 Polizei-
        ollzugsbeamte erhöht.
        Die Bundespolizeiakademie ist zukünftig zentral zu-
        tändig für die Aus- und Fortbildung der Bundespolizis-
        en. Der Akademie zugeordnet sind weitere fünf Aus-
        nd Fortbildungszentren.
        Neben den veränderten Anforderungen im nationalen
        ereich hat sich in den letzten Jahren auch die grenzpoli-
        ische Zusammenarbeit erheblich verändert. Die interna-
        ionale Zusammenarbeit für die innere Sicherheit ge-
        innt auch für die Bundespolizei immer mehr an
        edeutung. Ein wichtiger Punkt ist der Austausch grenz-
        olizeilicher Verbindungsbeamter, die den direkten Aus-
        ausch mit den grenzpolizeilichen Behörden der Gastlän-
        er sicherstellen. Sie analysieren die grenzpolitische
        age und stehen als Mittler und Ratgeber zur Verfügung.
        nsgesamt 18 Verbindungsbeamte sind derzeit in 17 Län-
        ern eingesetzt, weitere Entsendungen sind in Vorberei-
        ung. Weiterhin wird jedoch auch die Teilnahme an poli-
        eilichen Auslandmissionen unter der Verantwortung der
        ereinten Nationen, der Europäischen Union und der
        esteuropäischen Union zunehmend an Bedeutung ge-
        innen. Dazu kommt außerdem die operative Zusam-
        enarbeit mit der Europäischen Agentur für die opera-
        ive Zusammenarbeit an den Außengrenzen, Frontex.
        Hinzu kommen außerdem die mandatsgebundenen
        uslandseinsätze, zu denen unter anderem auch der Ein-
        atz in Afghanistan gehört. Die Bundespolizei leistet mit
        hrer Arbeit einen wichtigen Beitrag zum Wiederaufbau
        fghanistans und dessen Weg zu innerer Stabilität, zu ei-
        em demokratischen Rechtsstaat. Für diesen und andere
        insätze wird zukünftig ein Pool für längerfristige Aus-
        andsverwendungen bei der Bundespolizei eingerichtet.
        Zuletzt unterstehen die Spezialverbände Bundespoli-
        eiflugdienst und die GSG 9 der Bundespolizei als zen-
        raler Bestandteil dem Bundespolizeipräsidium. Auch in
        er neuen Organisation sollen sie zentrale und den Ein-
        atz unterstützende Dienstleistungen von hoher Qualität
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11981
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        für die gesamte Bundespolizei und externe Bedarfsträger
        erbringen. Ihre ganz besondere Leistungsfähigkeit wird
        erhalten und ausgebaut werden. Die Spezialverbände
        werden in die Neuorganisation so integriert, dass diese
        Ziele erreicht werden. Prozessabläufe werden gestrafft
        und die Einbindung der politischen Entscheidungsebene
        für alle Aufgaben von besonderer Bedeutung sicherge-
        stellt. Wesentliche und übergreifende Entscheidungen
        mit Blick auf ihre Wirkung für die gesamte Bundespoli-
        zei werden grundsätzlich auf der Ebene des zukünftigen
        Bundespolizeipräsidiums getroffen.
        Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Reform
        der Bundespolizei aufgrund der veränderten und gestie-
        genen Anforderungen dringend notwendig ist. Die Poli-
        zei des Bundes muss an die aktuelle Lage  die terroristi-
        sche Bedrohung, die illegale Migration, die Schengen-
        Erweiterung und die Entwicklung einer europäischen
        Sicherheitsarchitektur  angepasst werden. Unsere Bun-
        despolizisten müssen in der Lage sein, angemessen auf
        die veränderte Situation zu reagieren.
        Eine Straffung der Organisationsstrukturen und der
        Abbau von Stabspersonal zur Gewinnung von mehr poli-
        zeilicher Präsenz sind unumgänglich, um die Effizienz
        der Bundespolizei zu steigern.
        Die Arbeit des Bundesinnenministers verlief zügig
        und vorbildlich. Standort- und andere Entscheidungen
        sind nicht aus politischen Gründen gefällt worden, son-
        dern dem Einsatz einer Projektgruppe aus Behördenlei-
        tern, Personalvertretern und anderen Experten zu ver-
        danken. Ich danke Herrn Bundesminister Dr. Wolfgang
        Schäuble und allen Beteiligten an dieser Reforment-
        scheidung an dieser Stelle für ihre hervorragende Arbeit.
        Wolfgang Gunkel (SPD): Heute behandeln wir
        gleich zwei Änderungen des Bundespolizeigesetzes. Mit
        dem ersten Gesetzesentwurf auf Drucksache 16/6291
        soll die von Bundesinnenminister Schäuble im Novem-
        ber 2006 so überraschend angekündigte Reform der
        Bundespolizei verwirklicht werden.
        Eine Beteiligung des Deutschen Bundestages ist auf-
        grund der angeführten Änderungen im Bundespolizeige-
        setz erforderlich.
        Die SPD-Bundestagsfraktion ist schon seit der An-
        kündigung der Reform hinsichtlich des Zwecks skep-
        tisch. Diese Bedenken haben sich mit dem vorgelegten
        Regierungsentwurf noch verstärkt.
        Begründet wird die Reform mit der veränderten Si-
        cherheitslage im Zuge des weltweiten Terrorismus und
        des fortschreitenden europäischen Integrationsprozesses.
        Insbesondere die Tatsache, dass Deutschland ab dem
        nächsten Jahr nur noch von Ländern, die dem Schengen-
        Abkommen angehören, umgeben ist und deshalb die
        Grenzkontrollen wegfallen, ist für den Bundesinnen-
        minister Anlass, die bisherigen Strukturen zu überden-
        ken und zu verschlanken. Ebenso ist auch der finanzielle
        Aspekt der schrumpfenden Haushaltmittel Motivation
        für die Neugestaltung.
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        Für die SPD-Bundestagfraktion stellen sich allerdings
        inige Fragen, welche die oben schon angekündigten
        edenken am Erreichen des Zwecks durch die Reform
        etreffen. Diese Bedenken, verbunden mit eigenen Ideen
        ur Umsetzung einer Umstrukturierung hat der stellver-
        retende SPD-Fraktionsvorsitzende Fritz Rudolf Körper
        ereits in der vergangenen Woche in einem Brief an den
        undesinnenminister formuliert. Ich möchte im Folgen-
        en einige der darin gestellten Fragen aufwerfen.
        Bei der von Bundesinnenminister Schäuble immer
        ieder  gerade in letzter Zeit  skizzierten Gefähr-
        ungslage erscheint es als geradezu paradox, eine Re-
        orm umzusetzen, die eine Veränderung der Aufgaben
        ür einige Tausend Polizeibeamtinnen und -beamten be-
        eutet. Dass sich mit dem Wegfall der Schengen-Gren-
        en auch eine veränderte Sicherheitslage darstellt, bleibt
        nbestritten. Diese muss allerdings sorgfältig evaluiert
        erden, bevor es zu einer Veränderung der Strukturen
        ommen kann. Die Erfahrungen der Westerweiterung,
        lso der Wegfall der Grenzen zu den Beneluxländern,
        rankreich und Österreich haben gezeigt, dass Aktionis-
        us in diesem Moment deplaziert ist. Denn es wurde
        ebenso wie jetzt an den Grenzen zu Polen und Tsche-
        hien  Personal abgebaut, welches dann bald wieder
        ufgebaut werden musste.
        Wenn man sich ein solches Hin und Her ersparen will,
        ollte man die Reduzierung von Personal in dieser Grö-
        enordnung noch einmal überdenken.
        Das gesetzte Ziel, die Strukturen zu verschlanken und
        ie Effizienz zu erhöhen, erscheint äußerst fraglich,
        enn man beachtet, dass keine Führungsebene wegfällt,
        ondern mit den erforderlich werdenden Revieren noch
        ine neue etabliert wird. Die Reviere werden allerdings
        ur aufgrund der flächenmäßigen Größe der neu gebilde-
        en Inspektionen nötig. Durch die lokale Ausweitung der
        uständigkeit von Inspektionen nimmt die Präsenz der
        undespolizei in der Fläche ab. Das vorgesehene Ziel,
        ehr Einsatzkräfte auf die Straße zu bringen, wird ver-
        ehlt.
        Das neue Bundespolizeipräsidium und die für Ange-
        egenheiten der Bundespolizei zuständige Abteilung im
        undesministerium des Inneren haben eine nahezu iden-
        ische Aufgabenstruktur. Dadurch werden Kosten ver-
        oppelt und nicht minimiert. An dieser Stelle wäre es
        achpolizeilich angebracht, dem Vorbild einiger  CDU-
        eführter  Landesinnenministerien zu folgen und die
        ührungsfunktionen beim Ministerium zu belassen. Da-
        it ist ein Bundespolizeipräsidium mit hohem Kosten-
        ufwand verzichtbar.
        Es ist nicht gelungen, die Standorte der Bundesbereit-
        chaftspolizei in Richtung der erkannten Einsatzschwer-
        unkte zu verlagern. Die Verbandskräfte werden nicht
        erstärkt, sondern geschwächt, denn effektiv können
        ach dem Gesetzesentwurf etliche Beamtinnen und Be-
        mte weniger eingesetzt werden. Diese Einheiten wer-
        en bei wichtigen Großeinsätzen, Einsätzen zur Terroris-
        usbekämpfung, bei denen sie die Landespolizeien oder
        as Bundeskriminalamt unterstützen, zukünftig fehlen.
        uch dies ist hinsichtlich der Bedrohungsvisionen des
        undesinnenministers umso unverständlicher.
        11982 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
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        Wenn nach dem Wegfall der Schengen-Grenzen eine
        verstärkte Verlagerung der Einsatzschwerpunkte auf die
        Flughäfen erfolgt, ist es nicht nachvollziehbar, weshalb
        Flughafeninspektionen zu Revieren herabgestuft wer-
        den. Damit wird man den zukünftigen einzigen Außen-
        grenzen nicht gerecht.
        Ein weiterer Mangel ist die Nichtvorlage eines Orga-
        nisations- und Dienstpostenplanes durch das Bundes-
        innenministerium. Dadurch kann nicht nachvollziehbar
        erkannt werden, welche personellen Konsequenzen im
        Detail zu erwarten sind und mit welchem Kostenfaktor
        zu rechnen ist. Der vorliegende Gesetzesentwurf lässt
        befürchten, dass gerade bei der Kostenfrage geschönt
        worden ist.
        Die SPD-Bundestagsfraktion erwartet, dass es im an-
        stehenden Gesetzgebungsverfahren noch intensive Ge-
        spräche mit dem Bundesinnenministerium zu diesen
        Themen geben wird.
        Im zweiten Gesetzesentwurf auf Drucksache 16/6292,
        der uns heute vorgelegt wird, ist die Richtlinie 2004/82/
        EG des Rates vom 29. April 2004 umgesetzt worden.
        Ein Vertragsverletzungsverfahren wegen nicht fristge-
        mäßer Umsetzung der Richtlinie wurde durch die Kom-
        mission bereits eingeleitet.
        Die Richtlinie sieht vor, dass Beförderungsunterneh-
        men auf Anforderung der Grenzschutzbehörden bei Flü-
        gen in den sogenannten Schengen-Raum bestimmte
        Passagierdaten übermitteln. Dabei handelt es sich um
        folgende Daten: Familienname und Vorname, Geburts-
        datum, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Nummer und
        Art des Reisedokuments, Nummer und ausstellender
        Staat des Aufenthaltstitels oder Flughafentransitvisums,
        Grenzübergangsstelle, Flugnummer, planmäßige Ab-
        flug- und Ankunftszeit und ursprünglicher Abflugort,
        gebuchte Flugroute, soweit sich das aus den vorgelegten
        und vorhandenen Buchungsunterlagen ergibt.
        Die Daten werden bei den Verkehrsunternehmen nach
        24 Stunden gelöscht. Bei der Bundespolizei werden die
        Daten ebenfalls nach 24 Stunden gelöscht, dürfen aber
        nach den allgemeinen Regelungen gespeichert werden,
        soweit dies für die Aufgabenerfüllung der Bundespoli-
        zei, wie den Grenzschutz oder die Strafverfolgung, er-
        forderlich ist. Die Speicherung und Übermittlung der so
        gespeicherten Daten richtet sich nach dem Bundespoli-
        zeigesetz. Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt, dass
        lediglich die Übermittlung von zehn vertretbaren Grund-
        daten vorgesehen ist. Die Voraussetzungen zur Speiche-
        rung und Übermittlung der Daten wird gesetzlich
        geregelt. Im Gesetzgebungsverfahren müssen die daten-
        schutzrechtlichen Aspekte jedoch noch weiter überprüft
        werden.
        Gisela Piltz (FDP): Im Rahmen der Sicherheitsar-
        chitektur der Bundesrepublik Deutschland spielt die
        Bundespolizei eine zentrale Rolle. Eine effiziente Auf-
        gabenerfüllung trägt damit zu mehr Sicherheit in
        Deutschland bei. Vor allem müssen eine schlanke Struk-
        tur und klare Zuständigkeiten dazu beitragen, Reibungs-
        verluste zu vermeiden und erfolgreiche Arbeit sicherzu-
        stellen.
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        Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung
        ur Änderung des Bundespolizeigesetzes und anderer Ge-
        etze wird diesem Anspruch jedoch nur in Teilen gerecht.
        as Ziel, die Verwaltung zu straffen und die internen Ent-
        cheidungsstrukturen zu verbessern, teilt die FDP-Frak-
        on. Es ist aber fraglich, ob der Weg, den die Bundesre-
        ierung aufzeigt, zu diesem Ziel führt. Die Schaffung
        ines zentralen Bundespolizeipräsidiums und mehrerer
        undespolizeidirektionen ist jedenfalls nicht offensicht-
        ch geeignet, administrativen Überhang abzubauen und
        amit mehr Personal für das operative Geschäft freizube-
        ommen. Insbesondere wird in den weiteren Beratungen
        u hinterfragen sein, wie Doppelstrukturen und -kompe-
        nzen zwischen Bundespolizeipräsidium und Bundesin-
        enministerium vermieden werden können. Außerdem ist
        us unserer Sicht noch Erläuterung notwendig, weshalb
        otz der angestrebten Bündelung von Kompetenzen im
        undespolizeipräsidium nicht alle Aufgaben am Sitz des
        eu zu schaffenden Präsidiums wahrgenommen werden
        ollen. Gerade vor dem Hintergrund, dass die administra-
        ven Stäbe verkleinert werden sollen, erscheint mir doch
        uch die räumliche Zusammenführung zentral zu erledi-
        ender Aufgaben als logische Konsequenz. Dazu bedürfte
        s aber grundlegender Reformen, die die Bundespolizei fit
        acht für eine effektive Kriminalitätsbekämpfung. Eine
        ehr kosmetische Reparatur schafft nicht mehr Freiraum
        ür die Einsatzkräfte.
        Der Bundesregierung gelingt es mit dem vorliegenden
        ntwurf nicht, zu verdeutlichen, wie die Bundespolizei
        re Aufgaben mit einem zentralisierten Bundespolizei-
        räsidium besser wahrnehmen kann. Die Befürchtung
        egt nahe, dass eine Zentrale nach dem Vorbild des FBI
        eschaffen wird. Schon bei der Föderalismusreform hat
        ie FDP-Fraktion eine zentralisierte Polizeigewalt für
        anz Deutschland abgelehnt. Wirksame Kontrollmecha-
        ismen für ein bundesweit zuständiges Polizeipräsidium
        at die Bundesregierung jedoch nicht vorgelegt. Dabei ist
        ie Missbrauchsgefahr bei einer derartigen Bündelung
        on Polizeigewalt in einer einzigen Behörde als oberster
        ienstherr aller weiteren Bundespolizeibehörden in einem
        ünftig nur noch zweistufigen Aufbau deutlich größer.
        nsbesondere vor dem Hintergrund der ständig wachsen-
        en Aufgaben und Kompetenzen, die die Bundesregie-
        ung den Sicherheitsbehörden zuweist, ist eine vernünf-
        ge Kontrollstruktur aber von größter Bedeutung.
        Die Umstrukturierung der Bundespolizei muss, um
        ine positive Wirkung auf die Sicherheitslage in
        eutschland entfalten zu können, noch erheblich kon-
        retisiert werden. Die FDP-Fraktion wird sich an einer
        onstruktiven Debatte hierzu beteiligen; denn es muss
        nser gemeinsames Ziel sein, die Kräfte in den Sicher-
        eitsbehörden sinnvoll einzusetzen und dazu auch die
        otwendigen gesetzlichen Klarstellungen zu treffen.
        lankierend müssen bei der Neuorganisation der Ein-
        atzkräfte an den verschiedenen Standorten und in den
        erschiedenen Bereichen personelle und materielle Res-
        ourcen klug umgeschichtet werden. Hier geht es um die
        rundsatzentscheidung, in welche Bereiche investiert
        erden soll. Mehr Einsatzkräfte vor Ort und an Gefah-
        enstellen können nicht durch immer mehr technische
        berwachungsmaßnahmen ersetzt werden.
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11983
        (A) )
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        Das zweite Gesetz, das wir heute zu beraten haben, ist
        ein Ausdruck der heute in Deutschland und leider auch
        in der EU schwindenden Beachtung des Grundrechts auf
        informationelle Selbstbestimmung. Die Datensammel-
        wut sucht sich beständig neue Felder. Nach dem vorlie-
        genden Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des
        Bundespolizeigesetzes können auf Anordnung der Bun-
        despolizei von Flugreisenden, die von außerhalb des
        Schengen-Gebiets nach Deutschland kommen, perso-
        nenbezogene Daten erhoben und für mindestens 24 Stun-
        den gespeichert werden. Der dadurch angekündigte Ge-
        winn an Sicherheit ist auf den ersten Blick nicht
        erkennbar. Denn die Daten müssen doch erst einmal ver-
        arbeitet werden. Entweder muss dafür zusätzliches Per-
        sonal eingesetzt werden, oder aber das vorhandene Per-
        sonal wird mit der Aufgabe betraut, sodass diese Kräfte
        dann bei den tatsächlichen Grenzkontrollen fehlen. Der
        Argumentation der Bundesregierung, durch die Vorab-
        übermittlung würde den Bundespolizisten mehr Zeit
        bleiben, die Einreisekontrollen durchzuführen, ist eine
        Milchmädchenrechnung: Daten, die erhoben werden, sind
        nur dann hilfreich, wenn sie auch ausgewertet werden.
        Und das passiert nicht von selbst, sondern bindet Kraft
        und Zeit, die oft sinnvoller eingesetzt werden könnte. Die
        angenommene Zahl von 3 000 kontrollierten Flügen mit
        ungefähr je 200 Passagieren ergibt 600 000 zu überprü-
        fende Datensätze pro Jahr. Und damit ist dann immer
        noch nicht gesichert, dass ausgerechnet von dem Flieger,
        in dem wirklich ein potenzieller Terrorist sitzt, die Daten
        angefordert wurden. Besser wäre es daher, das Augen-
        merk auf die Arbeit vor Ort zu legen und nicht auf das
        Datensammeln. Die Umsetzung der europäischen Richt-
        linie, auf der das Gesetz basiert, darf daher nicht dazu
        führen, dass von der Ermächtigung ausufernd Gebrauch
        gemacht wird. Hier brauchen wir ein klares politisches
        Signal: Die informationelle Selbstbestimmung darf nicht
        ins Hintertreffen geraten.
        Nach der Darstellung der Bundesregierung werden
        die Kosten, die durch die Verpflichtung zur Datenüber-
        mittlung auf die Luftverkehrsgesellschaften zukommen,
        zu vernachlässigen sein. Die Kostenschätzung der Bun-
        desregierung beläuft sich auf circa 100 000 Euro jähr-
        lich. Da es sich bei der Übermittlung der Daten um eine
        Pflicht handelt, die die Luftverkehrsunternehmen nicht
        im eigenen Interesse erbringen, sondern quasi als ver-
        längerter Arm" der Bundespolizei, ist es nach Ansicht
        der FDP-Fraktion erforderlich, dass sie hierfür eine
        Kompensation erhalten. Eine entsprechende Regelung
        muss in das Gesetz aufgenommen werden.
        Die FDP-Fraktion wird die beiden Gesetzesvorhaben
        in den anstehenden weiteren Beratungen kritisch, aber
        gerne konstruktiv begleiten. Die Schaffung einer Sicher-
        heitsarchitektur in Deutschland, die auf klaren Kompe-
        tenzzuweisungen, effizienten Strukturen und einer ver-
        nünftigen Prioritätensetzung unter Wahrung und
        Beachtung der Grundrechte beruht, ist für die Liberalen
        eines der zentralen Anliegen in der Innenpolitik.
        Petra Pau (DIE LINKE): Erstens. Wir reden wieder
        einmal über eine Reform der Bundespolizei. Sie wurde
        als Jahrhundertwerk angekündigt, kommt aber nur
        Scheibchenweise bei den Parlamentariern an. Und so
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        teht auch heute wieder nur ein kleiner Ausschnitt zur
        ebatte, während die großen Fragen im Dunkeln blei-
        en. Das kritisiere ich.
        Es geht um eine Strukturreform. Die Zahl der Stütz-
        unkte der Bundespolizei wird verkleinert. Es kommt zu
        usammenlegungen und zu Versetzungen. Das alles hat
        ür viele eine soziale Komponente. Bis heute aber wer-
        en die davon Betroffenen nicht hinreichend einbezo-
        en. Auch das ist schlecht.
        Zweitens. Und es geht um eine Funktionalreform. Die
        ufgaben der Bundespolizei sollen anders gewichtet
        erden. Sie bekommt neue Befugnisse und andere Vor-
        aben, unter denen die Bundespolizei die neuen Aufga-
        en wahrnehmen soll. Und genau deshalb ist es nicht
        innehmbar, die Scheibchen dem Bundestag vorzulegen,
        as große Ganze aber nicht.
        Heute steht unter anderem zur Debatte, dass die Bun-
        espolizei zum Beispiel Flugunternehmen Passagierda-
        en abverlangen kann. Mit dieser Gesetzgebung werde
        ine bindende EU-Vorgabe umgesetzt, heißt es. Was in-
        ofern eine Halbwahrheit ist, weil deutsche Innen- und
        ußenminister vordem heftig auf diese EU-Regelung
        edrängt hatten.
        Drittens. Zur Funktionalreform gehört auch, dass die
        undespolizei künftig lageunabhängig, man könnte auch
        agen nach Willkür, Personenkontrollen durchführen
        ann. Ich halte das für höchst bedenklich, weil damit
        echtsstaatlicher Boden verlassen wird. Aber diese De-
        atte werden wir ja noch einmal führen.
        So, wie ich eine weitere Debatte anmahne. Die Bun-
        espolizei soll darauf vorbereitet werden, dass sie noch
        äufiger im Ausland eingesetzt wird, als bislang. Und da
        in ich bei einer Grundfrage. Denn, wenn das so vorge-
        ehen ist, dann ist es auch höchste Zeit, dass Polizeiein-
        ätze im Ausland nicht länger am Parlament vorbei be-
        ohlen werden können.
        Viertens. Bundesinnenminister Schäuble hat den Sta-
        us quo einmal trefflich beschrieben. Wenn es ein kleines
        roblem gibt, dann schicken wir die Bundeswehr zum
        insatz. Wenn es schwierig wird, dann greifen wir auf
        ie Polizei zurück. Und wenn es ganz kompliziert wird,
        ann muss das THW herhalten. Warum das so ist, ist
        bersichtlich:
        Für Bundeswehreinsätze im Ausland bedarf es einer
        ehrheit im Parlament. Je kleiner das Problem ist, desto
        rößer scheint die Mehrheit dafür. Umgekehrt: Umso
        nsicherer die parlamentarische Mehrheit ist, desto häu-
        iger wird die Bundespolizei anstatt der Bundeswehr in
        arsch gesetzt. Das ist nicht akzeptabel, übrigens auch
        icht für die Polizisten.
        Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE
        RÜNEN): In einer Nacht-und-Nebel-Aktion, ohne
        ussprache im Parlament, findet die erste Lesung des
        esetzes zur Strukturreform der Bundespolizei statt.
        undesinnenminister Schäuble hat allen Grund, die of-
        ene Debatte im Bundestag zu scheuen. Die Neuorgani-
        ation der Bundespolizei ist Murks. Sie gibt weder Ant-
        11984 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
        (A) )
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        wort auf wichtige inhaltliche Fragen der zukünftigen
        Arbeit der Polizeibehörden des Bundes noch können mit
        dieser Strukturreform die vorgegebenen Ziele erreicht
        werden.
        Wir kündigen jetzt schon mal an: Wir wollen eine in-
        tensive Beratung im Innenausschuss, wir verlangen die
        Offenlegung der Umsetzung im Detail, und wir werden
        eine Anhörung beantragen. Bislang habe ich den Ein-
        druck, dass hier in verantwortungsloser Weise Geld ver-
        schleudert wird, um Wasserkopfstrukturen mit polizeili-
        chen Führungsämtern zu erhalten. Statt einer Stärkung
        des Einzeldienstes sehe ich einen Rückzug aus der Flä-
        che.
        Ich melde parlamentarischen Diskussionsbedarf da-
        rüber an, ob es richtig ist, wenn sich die Bundespolizei
        immer mehr aus der Fläche zurückzieht und ihre originä-
        ren Aufgaben wie die Sicherheit im Bahnverkehr zu-
        rückschraubt. Gerade in den Abend- und Nachtstunden
        erwarten wir eine verbesserte Präsenz der Bundespolizei
        auf den Regionalbahnhöfen und in den Nahverkehrs-
        zügen der DB.
        Wir haben uns immer für eine grundlegende Bundes-
        polizeireform ausgesprochen. Aber am Anfang einer
        Reform steht eine grundlegende neue Bestimmung der
        Aufgabenschwerpunkte. Wir sind für flache Hierarchie-
        ebenen und den Abbau von Mittelbehörden. Schon an
        den Bezeichnungen der Polizeibehörden wird deutlich,
        dass wir teure Doppelstrukturen aufrechterhalten. Was
        soll ein Bundespolizeikriminalamt und ein Bundeskrimi-
        nalamt? Wofür brauchen wir überhaupt ein Bundespoli-
        zeipräsidium, wenn die gleichen Koordinierungs- und
        Führungsaufgaben im Bundespolizeireferat des BMI
        wahrgenommen werden?
        Wir haben die Einsetzung einer Reformkommission
        gefordert. Das im BMI weitgehend ohne Beteiligung der
        Bediensteten erarbeitete Konzept zeigt, wie recht wir
        hatten. Weder wurden die Schnittstellen zwischen Bun-
        despolizei und Länderpolizei untersucht, noch ist ein
        Abbau von Doppelstrukturen zwischen BKA und Bun-
        despolizei erkennbar. Im Bereich der Bahnsicherheit und
        Flugsicherheit haben wir durch eine falsche Privatisie-
        rungspolitik erhebliche Sicherheitslücken, ein bundes-
        weit abgestimmtes Konzept zur Grenzsicherung nach
        der Erweiterung des Schengen-Raumes liegt nicht vor.
        Mich ärgert, dass seit Wochen Entwürfe für eine
        grundlegende Änderung des BKA-Gesetzes herumgeis-
        tern, die eine geradezu monströse Aufblähung dieses
        Apparates bringen wird. Wie auf einem Flohmarkt
        wurde alles zusammengesucht, was man aus den Polizei-
        gesetzen der Länder und aus dem Bundespolizeigesetz
        so brauchen kann. Auf die Strukturreform der Bundes-
        polizei hat es offensichtlich nicht den geringsten Ein-
        fluss, dass hier beim BKA nach dem Willen des BMI pa-
        rallele Befugnisse geschaffen werden sollen. Dies ist
        doch blanker Unsinn. Hier wird es doch zukünftig eine
        ständige Abordnung von einer Sicherheitsbehörde zur
        anderen geben. Was erhalten bleibt, sind die Wasser-
        köpfe in den Zentralen.
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        Lassen Sie mich zum Abschluss noch eine Anmer-
        ung zur Umsetzung der Ratsrichtlinie über die Weiter-
        abe von Passagierdaten machen. Hier wird mal wieder
        as EU-Soll übererfüllt. Luftfahrtunternehmen werden
        ur Übermittlung von Daten der Drittstaatenangehörigen
        erpflichtet. Ich frage mich dabei, ob die Anlage ständig
        euer Datenbestände tatsächlich ein Mehr an Sicherheit
        ringt. Es schwächt auch unsere Position in den schwie-
        igen Verhandlungen mit den USA über die Weiterlei-
        ung von Daten der EU-Bürger an die dortigen Sicher-
        eitsbehörden.
        Gert Winkelmeier (fraktionslos): Es ist schon be-
        eichnend für diese Sicherheitswahn-Regierung, dass
        an eine heikle Debatte in der Tagesordnung kurz vor
        itternacht versteckt. So setzt man darauf, dass mög-
        ichst wenige Journalisten den dringend gebotenen Streit
        um Thema verfolgen, und so auch der Souverän  die
        ählerinnen und Wähler  nur spärlich informiert wer-
        en.
        Man muss schon ein wenig tiefer in die Materie ein-
        ringen, um zu wissen, dass es sich beim Tagesord-
        ungspunkt Drittes Gesetz zur Änderung des Bundes-
        olizeigesetzes im Kern um die Debatte zur Weitergabe
        on Fluggastdaten handelt. Diese aber wird man nur in
        en zu Protokoll gegebenen Reden nachlesen können.
        Alle Passagiere, die über die Schengen-Außengrenzen
        die Bundesrepublik einreisen, müssen künftig davon
        usgehen, dass ihre persönlichen Daten (Name, Geburts-
        atum, Geschlecht etc.) der Bundespolizei übermittelt
        erden können. Denn die Fluggesellschaften sind ver-
        flichtet, alle erhobenen Angaben unverzüglich nach dem
        heck-in weiterzugeben.
        Lapidar könnte man sagen: Deutschland muss endlich
        ie entsprechende EU-Richtlinie umsetzen, weil sonst
        ach dem angestrengten Vertragsverletzungsverfahren
        trafzahlungen drohen. Herr Schäuble kann also gar
        ichts dafür. Nur anscheinend wollte es Minister
        r. Maßlos mal wieder noch besser und noch gründli-
        her machen.  Am liebsten hätte er für die EU ja eine
        hnliche Regelung wie in den USA gehabt.  Der vorlie-
        ende Gesetzentwurf geht über die Vorgaben der Euro-
        äischen Union hinaus. Gründlichkeit gilt zwar als ty-
        isch deutsche Tugend, aber auch das Hohelied auf die
        ürgerrechte wurde hierzulande über Jahre wie eine Art
        weite Nationalhymne intoniert. Damit scheint es nun
        ndgültig vorbei zu sein.
        Zwar hegt der Datenschutzbeauftragte des Bundes
        eine Bedenken gegen das Gesetz, da die Daten sowohl
        ei den Fluggesellschaften als auch bei der Bundespoli-
        ei nach 24 Stunden wieder gelöscht werden müssen.
        ber es gibt natürlich  wie immer  Ausnahmen, wenn
        s um Grenzsicherung oder die Verfolgung von Straf-
        aten geht. Hier muss man die Frage stellen: Ist das im
        weifelsfall Ermessenssache der Bundespolizei? Und an
        elchen Maßstäben wird es ermessen? Das Gesetz regelt
        ies nicht.
        Die Bundesregierung sieht in der Übermittlung der
        luggastdaten ein wichtiges Instrument zur Verbesse-
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11985
        (A) )
        (B) )
        rung der Einreisekontrolle und zur Bekämpfung illegaler
        Einwanderung. Der Innenminister betont zudem den
        Mehrwert für die Terrorismusbekämpfung.
        Ich sehe in dieser Erhebung eine weitere Etappe beim
        Abbau der Bürgerrechte. Die Datensammelwut geht wei-
        ter, jeder und jede Einzelne wird erst einmal unter Gene-
        ralverdacht gestellt. Vor dem Hintergrund der geschürten
        Angst vor dem Internationalen Terrorismus finden In-
        nenminister Schäuble und seine Adjutanten immer wie-
        der Schleichwege weg von der Bürgerrechtsgesellschaft
        hin zum Überwachungsstaat.
        Und weil es sich im Dunkeln noch unauffälliger
        schleichen lässt, verlegt man solch heikle Debatten lie-
        ber mitten in die Nacht einer Parlamentssitzung.
        Anlage 9
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Entwürfe:
         Erstes Gesetzes zur Änderung des Tier-
        schutzgesetzes
         
 Gesetzes zur Änderung des Tierschutz-
        gesetzes
        (Tagesordnungspunkt 21 a und b)
        Dr. Peter Jahr (CDU/CSU): Mit dem von der Bun-
        desregierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Geset-
        zes zur Änderung des Tierschutzgesetzes sollen mobile
        Tierschauen und Zirkusbetriebe mit Tierhaltung in ei-
        nem entsprechenden Register erfasst werden. Damit
        greift die Bundesregierung eine Entschließung des Bun-
        desrates vom 17. Oktober 2003 zum Verbot der Haltung
        bestimmter wildlebender Tierarten im Zirkus und zur
        Einrichtung eines Zirkuszentralregisters auf. Dies wurde
        vor allem aufgrund von nicht zufriedenstellenden Hal-
        tungsbedingungen von Zirkustieren gefordert. Mit dem
        vorliegenden Gesetzentwurf wird dem Anliegen des
        Bundesrates teilweise Rechnung getragen. Durch das
        Register soll erreicht werden, dass in jedem Bundesland
        von den Behörden dieselben Daten erhoben und in allen
        Behörden automatisierte Verfahren angewendet werden,
        damit eine schnelle Datenübermittlung möglich wird.
        Dies ist erforderlich, um die Einhaltung tierschutzrecht-
        licher Vorschriften bei Betrieben, die regelmäßig ihren
        Standort wechseln, effektiv zu überwachen.
        Für mich als Tierschutzbeauftragten der Fraktion ist
        dies ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Der
        Gesetzentwurf beinhaltet die Chance, die Diskussion zu
        versachlichen. Beispiele aus der Nutztierhaltung bewei-
        sen, dass eine Erfassung des Tieres lückenlos nachvoll-
        ziehbare Informationen ermöglicht. Damit können unge-
        rechtfertigte Pauschalangriffe auf die Zirkusbetriebe
        verhindert werden. Insgesamt geht es darum, bei den
        Zirkusbesitzern die sogenannten schwarzen Schafe von
        den anderen zu trennen.
        Ich freue mich auf die Beratung in dem zuständigen
        Ausschuss.
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        Seit der Bundesrat die Gesetzesinitiative zur Ände-
        ung des Tierschutzgesetzes der Länder Hessen und
        chleswig-Holstein in den Bundestag einbrachte, reißt
        er Strom von Bürgerzuschriften in meinem Büro nicht
        b. Es waren nicht nur organisierte Tierschützer, sondern
        or allem einfache Bürger, denen dieses Thema am Her-
        en liegt. Sie alle kennen sicher diese Briefe.
        Bereits 2001 ergab eine Umfrage des Spiegels, dass
        9 Prozent der Befragten das Schächten ablehnen. Des-
        alb ist es für die Mehrheit der Bevölkerung wie auch
        ür mich als Landwirt und Tierschutzbeauftragten mei-
        er Fraktion nicht nachvollziehbar, weshalb sich die
        undesregierung offensichtlich einer Unterstützung die-
        es Antrages verweigert.
        Das Bundesverwaltungsgericht selbst hat durch sein
        rteil aus dem November des letzten Jahres die Notwen-
        igkeit einer erneuten Klärung der Problematik des
        chächtens durch den deutschen Gesetzgeber notwendig
        emacht. Wir sind als Gesetzgeber an das Grundgesetz
        ebunden. Das viel beredete Spannungsfeld zwischen
        eligionsfreiheit und Tierschutz muss von uns geklärt
        erden.
        An dieser Stelle sei mir eine wichtige Vorbemerkung
        estattet. Im umgänglichen Sprachgebrauch wird unter
        chächten das betäubungslose Töten von Tieren durch
        usblutung verstanden. Dies geht an der aktuellen Ent-
        icklung völlig vorbei. Die religiösen Vorschriften zum
        chächten treffen keine Aussage zur Frage der Betäu-
        ung. Vielmehr geht es um das Töten des Tieres mittels
        ines Schnittes und das anschließende Ausbluten. Mitt-
        erweile haben sich in der Praxis Schächtverfahren
        tabliert, bei der das Tier vorher betäubt werden kann.
        enau das ist aber die Kernfrage. Oder um es deutlicher
        u sagen: Niemand in Deutschland hat die Absicht, sich
        inzumischen, wenn eine bestimmte religiöse Grund-
        berzeugung ein spezielles Tötungsverfahren definiert.
        ber kein Gott dieser Welt gibt uns das Recht, dem Tier
        nnötiges Leid zuzufügen, ganz im Gegenteil: In allen
        eligionen finden wir Hinweise, die von einer besonde-
        en Verantwortung gegenüber unseren Mitgeschöpfen
        prechen.
        Genau dieser Aufgabe stellt sich der Gesetzentwurf
        es Bundesrates zur Änderung des Tierschutzgesetzes.
        iel des Gesetzesantrages ist es, verschärfte Anforderun-
        en an Ausnahmegenehmigungen zum Schächten im
        ierschutzgesetz festzulegen. Danach soll die zuständige
        ehörde eine Ausnahmegenehmigung für eine Schlach-
        ung ohne Betäubung nur erteilen dürfen, wenn der An-
        ragsteller beweisen kann, dass zwingende Vorschriften
        hm das Schächten vorschreiben und dass das Schächten
        m Verhältnis zum Schlachten mit vorheriger Betäubung
        ür das Tier keine zusätzlichen erheblichen Schmerzen
        nd Leiden bedeutet.
        Als Tierschutzbeauftragter der CDU/CSU-Bundes-
        agsfraktion befürworte ich diesen Gesetzesentwurf. Nur
        urch ein Tätigwerden des Bundesgesetzgebers kann das
        pannungsfeld zwischen den Verfassungsgütern Tier-
        chutz und Religionsfreiheit in einer Weise gelöst wer-
        en, die beiden gerecht wird.
        11986 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
        (A) )
        (B) )
        So ist der geforderte Nachweis zwingender religions-
        gemeinschaftlicher Vorschriften eine Verbesserung der
        bisherigen Praxis. Der Tierschutz wird dadurch nicht
        mehr der Beliebigkeit preisgegeben. Besonders zu be-
        grüßen ist zudem das Erfordernis einer Vergleichbarkeit
        mit den entstehenden Schmerzen der Tiere. Für die Tiere
        darf das Schächten nicht mit erheblich mehr Leiden ver-
        bunden sein, als sie beim gewöhnlichen Schlachten auf-
        treten. Eine solche bundesweit einheitliche Lösung in
        dieser wichtigen Frage, die viele Bürgerinnen und Bür-
        ger bewegt, ist längst überfällig.
        Die Einschätzung der Bundesregierung, dass die Ver-
        schärfung der Anforderungen für das Schächten verfas-
        sungsrechtlich bedenklich sei, teile ich nicht. Denn das
        Schächten wird nicht verboten werden, sondern die An-
        forderungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmi-
        gung, also für das betäubungslose Schächten, werden im
        Lichte der Staatszielbestimmung des Tierschutzes ange-
        messen bewertet. Denn der Gesetzestext ist eine be-
        wusste Wertentscheidung unserer Gesellschaft für den
        Tierschutz! Dies bedeutet keinen unbegrenzten Tier-
        schutz, aber auch keine grundsätzliche Höherstellung
        der Religionsfreiheit. Aufgabe des Gesetzgebers ist es,
        zwischen den sich gegenüberstehenden Verfassungs-
        gütern einen Ausgleich zu finden, der allen betroffenen
        Belangen gerecht wird. Demnach sieht die Gesetzesini-
        tiative auch kein grundsätzliches Verbot, sondern eine
        verstärkte Beschränkung des Schächtens im Interesse
        des Tierschutzes vor. Die Tatbestandsmerkmale des § 4 a
        Abs. 2 Nr. 2 Tierschutzgesetz müssen demnach enger zu
        verstehen und objektiv überprüfbar sein. Im Hinblick auf
        religiöse Überzeugungen werden aber auch weiterhin
        Ausnahmen möglich sein. Deren Vorraussetzungen hat
        dann aber der Antragssteller darzulegen. Im Hinblick auf
        das hohe Gut des Tierschutzes ist dies auch angemessen.
        Das Kriterium der Vermeidung zusätzlicher erhebli-
        cher Leiden und Schmerzen wird ebenfalls dem Verfas-
        sungsrang des Tierschutzes gerecht. Es besteht kein reli-
        giös begründetes Interesse an zusätzlichen erheblichen
        Schmerzen beim Töten von Tieren. Sowohl Tierschützer
        als auch die Glaubensgemeinschaften stimmen in dem
        Bestreben überein, Tiere vor vermeidbaren Schmerzen
        zu schützen. So galt das rabbinische Gebot, den
        Schmerz der Tiere zu vermeiden, schon lange vor
        europäischen Tierschutzgesetzen. Auch vonseiten isla-
        mischer Rechtsgelehrter gibt es Aussagen, die die Betäu-
        bung vor dem Schächten nicht im Widerspruch mit den
        islamischen Vorschriften sehen. Beispielsweise sei ein
        Gutachten des Hohen Amtes für Religiöse Angelegen-
        heiten der Türkischen Republik aus dem Jahr 2004 er-
        wähnt. Hierin heißt es, dass Schlachttiere weder gequält
        werden noch unnötig leiden sollen. Die Betäubung der
        Tiere vor dem Schächten ist nicht gegen den islamischen
        Sinn des Schächtens. Weiterhin stellt das Europäische
        Halal-Zertifizierungsinstitut, getragen vom Islamrat für
        die Bundesrepublik Deutschland und dem Bündnis der
        islamitischen Gemeinschaften in Norddeutschland, fest,
        dass Betäubungsmethoden, die die Tiere vor Schmer-
        zen und Leiden bei der Schlachtung schützen, anzuwen-
        den sind.
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        Dabei stellt sich die Frage nach der praktischen Be-
        eutung der Ausnahmegenehmigungen. Zunächst muss
        och einmal daran erinnert werden, es besteht in
        eutschland ein grundsätzliches Verbot für ein Schlach-
        en ohne Betäubung. Gemäß dem Tierschutzgesetz
        edarf es jedoch keiner Betäubung, wenn dafür eine
        usnahmegenehmigung erteilt wurde. Diese darf nur in-
        oweit erteilt werden, als es erforderlich ist, den Bedürf-
        issen von Angehörigen bestimmter Religionsgemein-
        chaften zu entsprechen, denen zwingende Vorschriften
        hrer Religionsgemeinschaften das Schächten vorschrei-
        en. Dabei wird auch hier das Schächten mit dem betäu-
        ungslosen Töten von Tieren gleichgesetzt.
        Die religiösen Vorschriften im Judentum und im Is-
        am zielen darauf ab, dass das Essen rein ist. In beiden
        eligionen gilt Fleisch nur dann als rein, wenn es lebend
        nd unversehrt ausgeblutet ist. Allerdings kommt eine
        om Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundes-
        ages angefertigte Ausarbeitung zum Schluss, dass
        Ausnahmegenehmigungen nicht in der Weise prakti-
        che Relevanz besitzen, wie dies in den Medien zum Teil
        ermittelt wird. Außer in Bayern und Baden-Würt-
        emberg waren im Zeitraum 2003 bis 2006 Ausnahme-
        enehmigungen zum Schächten praktisch nicht von
        edeutung. Die geringe Inanspruchnahme ist mit der
        erbreiteten Anwendung der Elektrokurzzeitbetäu-
        ung zu erklären. Anscheinend wird diese Methode von
        en betroffenen Akteuren als Möglichkeit akzeptiert, so-
        ohl den Belangen des Tierschutzes als auch den reli-
        iösen Speisevorschriften gerecht zu werden.
        Auf Grundlage dessen muss ein vorurteilsfreier Dia-
        og möglich sein, ob eine Betäubung von Tieren unmit-
        elbar vor dem Schächten mit den religiösen Vorschriften
        ereinbar ist. Meiner Meinung nach ist ein Kompromiss
        öglich. Das Tier wird nur betäubt, es ist also nicht tot.
        as unmittelbar anschließend stattfindende Schächten
        st also möglich. Das Tier spürt jedoch keine Schmerzen.
        amit kann der Religionsfreiheit und dem Tierschutz
        raxisgerecht Rechnung getragen werden. Dies ent-
        pricht auch den Erfahrungen, die bereits in anderen
        ändern gemacht worden sind. So haben in Dänemark,
        sterreich und den USA Muslime die Kurzzeitbetäu-
        ung vor dem Schächtschnitt als Kompromiss aner-
        annt.
        Eben diese Methode der Elektrokurzzeitbetäubung als
        lternative zum betäubungslosen Schächten beabsich-
        igt auch die Gesetzesinitiative in das Tierschutzgesetz
        ufzunehmen. Tiere sind vor dem Schlachten wirkungs-
        oll zu betäuben. Jede Begründung, warum Tiere nicht
        it modernen Methoden vor dem Schlachten betäubt
        erden können, ist schlicht und ergreifend nicht nach-
        ollziehbar. Die Gesetzesinitiative erscheint mir hierbei
        ine angemessene Antwort.
        Abschließend möchte ich noch einmal deutlich ma-
        hen, dass das betäubungslose Schlachten grausam und
        it erheblichem Leid der Tiere verbunden ist. Die not-
        endige Fixierung der Tiere auf dem Rücken oder auf
        er Seite ist im hohen Maße angstauslösend. Beim
        chächtschnitt selbst erleiden die Tiere erhebliche
        chmerzen.
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11987
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        Wissenschaftliche Untersuchungen haben zudem er-
        geben, dass die Tiere noch bis zu mehreren Minuten
        nach dem Schnitt bei vollem Bewusstsein sind. So
        durchleiden die Tiere mitunter einen mehrminütigen
        Todeskampf, obwohl Hauptschlagader und Luftröhre
        durchtrennt worden sind.
        Aus Sicht des Tierschutzes ist das betäubungslose Tö-
        ten von Tieren unbedingt abzulehnen. Ziel muss es sein,
        dass in Deutschland das Schächten ohne Betäubung
        verboten bleibt. Tierschutzgerechte Schlacht- und Betäu-
        bungsmethoden, die den religiösen Bedürfnissen Rech-
        nung tragen, sind vorhanden und müssen genutzt wer-
        den. Deshalb unterstütze ich die vorgeschlagene
        Gesetzesänderung des Bundesrates. Diese ermöglicht es,
        den Tierschutz mit den betroffenen Grundrechten wirk-
        lich in ein ausgeglichenes Verhältnis zu bringen und dem
        seit 2002 bestehenden Verfassungsrang des Tierschutzes
        endlich gerecht zu werden.
        Die schroffe Ablehnung seitens der Bundesregierung
        ist übereilt und nicht nachvollziehbar. Hier besteht noch
        erheblicher Diskussionsbedarf.
        Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Zu sehr später
        Stunde sind zwei Gesetzesvorlagen zur Änderung des
        Tierschutzgesetzes in erster Lesung aufgerufen. Der
        erste Gesetzentwurf, der uns heute beschäftigt, soll den
        Weg ebnen zur Errichtung eines Zirkuszentralregisters.
        Nach vielen Diskussionen wird nun endlich dafür ge-
        sorgt, dass die einschlägigen Bestimmungen zum Tier-
        schutz in unseren Zirkusunternehmen besser überwacht
        werden können. Das geplante Register wird bundesweit
        mobile Tierschauen und Zirkusbetriebe mit Tierhaltung
        erfassen.
        Es gibt circa 300 Zirkusunternehmen, in denen Tiere
        mitgeführt werden. Wir wissen aus der Anhörung unse-
        res Ausschusses, dass es in diesen Unternehmen immer
        wieder zu gravierenden Mängeln kommt. Zirkusunter-
        nehmen sind ein traditionell reisendes Gewerbe. Bisher
        war er ihnen möglich, sich durch Standortwechsel den
        behördlichen Auflagen zu entziehen. Für die regional
        zuständigen Vollzugsbehörden und Veterinärämter ist es
        enorm schwierig, die tierschutzrechtlichen Vorgaben tat-
        sächlich durchzusetzen. Mit dem vorliegenden Gesetz-
        entwurf schaffen wir nun endlich die Möglichkeit einer
        effektiven Überwachung und der Einhaltung tierschutz-
        rechtlicher Vorschriften. Wir stellen sicher, dass alle not-
        wendigen Daten über Missstände, Mängel und behördli-
        che Auflagen zentral erfasst und allen für die Aufsicht
        von Zirkusunternehmen zuständigen Behörden länder-
        übergreifend zugänglich gemacht werden. Daher be-
        grüße ich diesen Gesetzentwurf ausdrücklich und unter-
        stütze ihn.
        Bei der Gesetzesvorlage des Bundesrates zur Ände-
        rung des Tierschutzgesetzes debattieren wir, unter wel-
        chen Voraussetzungen in Deutschland geschächtet wer-
        den darf. Diese Frage hat die tierschutzpolitische
        Diskussion seit vielen Jahren entscheidend bestimmt und
        wesentlich dazu beigetragen, dass der Tierschutz als
        Staatsziel in unser Grundgesetz aufgenommen wurde.
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        amit haben wir das rechtliche Gewicht des Tierschut-
        es eindeutig gestärkt.
        Als tierschutzpolitischer Sprecher der SPD-Bundes-
        agsfraktion und auch als Tierarzt, der verpflichtet ist,
        as Leiden von Tieren zu verhüten, fühle ich mich durch
        ie Schächtproblematik in besonderer Weise betroffen.
        as Töten eines Tieres ist immer ein dramatischer Mo-
        ent, der bei vielen Menschen  selbst wenn vorge-
        chriebene Betäubungsmethoden angewendet werden 
        ehr starke Emotionen und eine große Betroffenheit aus-
        öst. Darum liegt mir die tierschutzgerechte Betäubung
        on Schlachttieren in besonderer Weise am Herzen. Nur
        o lässt sich unnötiges Leiden von Tieren vermeiden.
        Es herrscht ein breiter Konsens in unserer Gesell-
        chaft und es ist ein ethisches Gebot, dass wir auch für
        nsere Tiere als Mitgeschöpfe eine besondere Verant-
        ortung tragen. Das betäubungslose Schlachten von Tie-
        en regelt § 4 a Abs. 2 des Tierschutzgesetzes. Der nun
        om Bundesrat auf Initiative des Landes Hessen einge-
        rachte Gesetzesentwurf zur Novellierung des Tier-
        chutzgesetzes ist vor dem Hintergrund der Entschei-
        ung des Bundesverwaltungsgerichtes vom November
        006 zu sehen. Dieses Urteil hat das Recht eines türki-
        chen Metzgers bestätigt, in seinem Betrieb Schlacht-
        iere zu schächten. Ich möchte in diesem Zusammen-
        ang alle zu einer sachlichen Diskussion aufrufen, in der
        uch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
        it einbezogen werden muss. Wir müssen im konkreten
        all eine angepasste Rechtsgüterabwägung zwischen
        em Tierschutz als Staatziel einerseits und dem Grund-
        echt auf Religionsfreiheit auf der anderen Seite vorneh-
        en. Den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf halte ich für
        ine gute Grundlage, dieses Thema noch einmal ernst-
        aft zu diskutieren.
        Ich stelle gleichzeitig fest, dass sich dieses sensible
        hema jedoch nicht dazu eignet, politische Profilierung
        u betreiben. In den vergangenen Monaten haben mich
        nzählige Briefe von Bürgern und Bürgerinnen erreicht,
        ie sich kritisch und ernsthaft mit der Schächtproblema-
        ik auseinandersetzen. Vielen Kolleginnen und Kollegen
        n diesem Haus geht es ähnlich. Ich habe viele fundierte
        rgumente wahrgenommen und werde mich bemühen,
        ie in meinen persönlichen Entscheidungsprozess ein-
        ließen zu lassen. Mich haben aber auch Briefe erreicht,
        eren Inhalt gegen die Glaubensüberzeugung unserer jü-
        ischen und muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbür-
        er gerichtet ist. Das macht mich sehr betroffen. Wir
        ürfen und werden es nicht zulassen, dass Argumente
        egen das Schächten mit zum Teil klaren rassistischen
        ntertönen unterlegt werden. Eine Debatte  egal zu
        elchem Thema  auf dem Rücken von Minderheiten zu
        ühren, ist zutiefst verabscheuenswürdig und muss von
        llen am Diskussionsprozess Beteiligten aufs Schärfste
        erurteilt werden.
        In der Diskussion um den vorliegenden Gesetzent-
        urf werden wir prüfen müssen, ob es nach Abwägung
        er bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
        erichts möglich ist, den Anwendungsbereich des § 4 a
        bs. 2 des Tierschutzgesetzes so zu fassen, dass die An-
        ahl der in Deutschland geschächteten Tiere auf ein Mi-
        11988 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
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        nimum reduziert wird. Wie es im Gesetzentwurf vorge-
        sehen ist, soll der Antragsteller zukünftig für jeden
        einzelnen Schlachtvorgang zwingend den Begründungs-
        zusammenhang zwischen seinem individuellen Glau-
        bensinteresse und dem Schächten darlegen. Das befür-
        worte ich ausdrücklich.
        Den zweiten Halbsatz der Gesetzvorlage sehe ich je-
        doch kritisch. Hier wird der Nachweis des Antragstellers
        gefordert,
        
 dass vor, während und nach dem Schächt-
        schnitt bei dem Tier im Vergleich zu dem Schlach-
        ten mit der vorgeschriebenen vorherigen Betäubung
        keine zusätzlichen erheblichen Schmerzen oder
        Leiden auftreten 
        Dieser Nachweis kann nach den Ergebnissen der bisheri-
        gen wissenschaftlichen Untersuchungen nicht erbracht
        werden, da der Schächtvorgang sehr wohl mit zusätzli-
        chen Schmerzen verbunden ist. Ich frage Sie daher: Wie
        soll dann ein Antragsteller die Vermeidung zusätzlicher
        Schmerzen im Lichte der gegenwärtigen wissenschaftli-
        chen Erkenntnisse jemals glaubhaft darstellen? Wenn
        diese Bedingung niemals erfüllt werden kann, bedeutet
        das für mich im Umkehrschluss, dass zukünftig in jedem
        Fall eine Genehmigung zum Schächten versagt werden
        muss. Dies kommt dann einem faktischen Schächtverbot
        gleich, was aus tierschutzrechtlicher Sicht zwar begrü-
        ßenswert ist, aber der gebotenen Rechtsgüterabwägung
        wahrscheinlich nicht entspricht. Ich muss feststellen,
        dass wir uns, wenn wir dem vorliegenden Gesetzentwurf
        in der gegenwärtigen Form zustimmen würden, vermut-
        lich nicht mehr im Rahmen des Grundgesetzes bewegen.
        Wir stehen jetzt am Anfang des Gesetzgebungsver-
        fahrens. Die weiteren Beratungen in den nächsten Wo-
        chen und Monaten werden zeigen, ob ein Ausgleich zwi-
        schen dem beabsichtigten Zweck des Gesetzes einerseits
        und der Verfassungsvorgabe andererseits zu erreichen
        ist. Ziel muss es weiterhin sein, die Zahl der in Deutsch-
        land geschächteten Tiere auf das unvermeidbare Maß zu
        reduzieren.
        Hans-Michael Goldmann (FDP): Mit zwei Gesetz-
        entwürfen soll der Tierschutz in Deutschland gestärkt
        werden. Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt den Ge-
        setzentwurf der Bundesregierung, der die Einführung ei-
        nes Registers zur Erfassung von Tierhaltung in mobilen
        Tierschauen und Zirkusbetrieben vorbereiten soll.
        Die Anhörung des ELV-Ausschusses hat im letzten
        Jahr ergeben, dass ein generelles Verbot der Wildtierhal-
        tung in Zirkussen unter dem Aspekt des Tierschutzes aus
        wissenschaftlicher Sicht nicht erforderlich ist. Es kommt
        darauf an, wie die Tiere gehalten werden. Weder beste-
        hende Vollzugsdefizite bei der amtstierärztlichen Begut-
        achtung von Zirkussen noch Verstöße gegen geltendes
        Tierschutzrecht in einzelnen  und zu Recht beklagens-
        werten  Fällen rechtfertigen ein generelles Verbot.
        Unbestritten ist aber die Notwendigkeit der Errich-
        tung eines Zirkuszentralregisters. Dabei muss zugleich
        sichergestellt werden, dass die jeweiligen Tiere und
        nicht nur die Betriebe registriert werden. Das Führen
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        on Stallbüchern sollte für Zirkusse verpflichtend wer-
        en. Darauf sollte die Regierung bei der geplanten Ver-
        rdnung achten.
        Die kontinuierliche veterinärmedizinische Bestands-
        etreuung ist notwendige Voraussetzung für tiergerechte
        altung. Zirkusse, die nicht willens oder in der Lage
        ind, eine angemessene und dauerhafte tierärztliche Be-
        reuung ihres Tierbestandes zu gewährleisten, erfüllen
        icht die Voraussetzungen, die an Tierhalter gestellt wer-
        en müssen. Hier liegt ein ähnliches Problem vor wie bei
        er Haltung von Tieren im privaten Bereich  Tierhal-
        ung bringt eine große Verantwortung mit sich. Dass ei-
        ige dieser Verantwortung nicht gerecht werden, kann
        ber keine Begründung für ein generelles Verbot der
        altung von Tieren sein. Damit würden auch die getrof-
        en, die verantwortungsbewusst und rechtstreu sowie am
        ohle der Tiere orientiert handeln. Es muss jedoch da-
        über diskutiert werden, ob bestimmte Tierarten grund-
        ätzlich nicht für die Haltung in Zirkussen geeignet sind,
        ie beispielsweise Bären und Affen.
        Der zweite Gesetzentwurf, der vom Bundesrat einge-
        racht wurde, ist abzulehnen. Der Bundesrat möchte das
        ierschutzgesetz insoweit ändern, als dass die Behörden,
        ie die Ausnahmegenehmigungen zum Schächten ertei-
        en, künftig noch strengere Kriterien anzulegen hätten.
        nsbesondere sollen die Antragsteller nachweisen, dass
        s in ihrer Religion keine Alternative zum betäubungslo-
        en Schächten gibt.
        Diese Vorschläge sind aus Sicht der FDP hochproble-
        atisch. Wir haben Zweifel, dass diese Änderung dem
        rteil des Bundesverfassungsgerichts vom Januar 2002
        erecht wird. Das Verfassungsgericht hatte ausdrücklich
        rklärt, dass der Staat sich nicht zum Schiedsrichter über
        ie richtige Auslegung von religiösen Vorschriften erhe-
        en darf. Er hat religiöse Neutralität zu wahren. Dabei ist
        s völlig unerheblich, ob der Staat religiöse Vorschriften
        ür sinnvoll hält, für antiquiert oder ob man andere Mit-
        lieder der Glaubensrichtung vorweisen kann, die diese
        orschriften ganz anders oder großzügiger auslegen.
        ach der Rechtsprechung des BVerfG ist ausreichend,
        enn derjenige, der die Ausnahmegenehmigung bean-
        ragt, nachvollziehbar und belastbar darlegt, dass nach
        emeinsamer Überzeugung der Glaubensgemeinschaft
        er Verzehr von Tieren zwingend eine betäubungslose
        chlachtung voraussetzt.
        Auch der vom Bundesrat gewollte Nachweis, dass das
        chächten keine zusätzlichen erheblichen Schmerzen
        erursache, ist verfassungsrechtlich bedenklich. Im Er-
        ebnis würde damit das Grundrecht auf Religionsfreiheit
        eitgehend leerlaufen, wie die Bundesregierung in ihrer
        tellungnahme zu Recht ins Feld führt, weil ein solcher
        ositiver Nachweis kaum zu erbringen ist.
        Es stellt sich mir die Frage, ob den Initiatoren des Ge-
        etzentwurfs im Gegenzug der negative Nachweis gelin-
        en würde, dass das fachgerechte Schächten tatsächlich
        ine größere Qual für die Tiere ist als die herkömmliche
        berwiegend in Deutschland praktizierte Schlachtung.
        atsächlich gibt es durchaus seriöse Erkenntnisse, wo-
        ach das fachgerechte Schächten bereits beim ersten
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11989
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        Schnitt durch einen Nervenschock zu einer Bewusstlo-
        sigkeit des Tieres führt.
        Im Rahmen der Ausschussberatungen wird es Gele-
        genheit geben, sich mit diesen Fragen noch intensiv aus-
        einanderzusetzen. Für die FDP aber steht die staatliche
        Neutralität in religiösen Fragen nicht zur Disposition.
        Bodo Ramelow (DIE LINKE): Auf der Tagesord-
        nung steht als Ankündigung ein Tierschutzgesetz bzw.
        die erste Beratung des von der Bundesregierung einge-
        brachten Entwurfes eines ersten Gesetzes zur Änderung
        des Tierschutzgesetzes. Dazu mit aufgerufen ist die Be-
        ratung der Bundestagsdrucksache 16/6233. Als Einbrin-
        ger fungiert hier der Bundesrat.
        Wenn ich den Arbeitstitel des Tagesordnungspunktes
        wörtlich nehme, handelt es sich also bei dem Gesetz, das
        wir hier behandeln wollen, um ein Gesetz, das die Tiere
        schützen soll. Dies suggeriert jedenfalls der Begriff
        Tierschutzgesetz. Hierbei möchte ich aber ausdrück-
        lich erwähnen, dass hier zwei Grundsätze von Verfas-
        sungsrang miteinander in Widerstreit sind: die Freiheit
        der Religionsausübung und der Tierschutz.
        Ein Gesetz, das Tiere schützt, müsste also das Leben
        der Tiere umfassen, und der geneigte Abgeordnete
        müsste schlussfolgern, dass sich der Bundestag um le-
        bende Tiere bzw. um das Leben der Tiere im schützen-
        den Sinne Gedanken machen möchte und dazu schluss-
        endlich auch ein Gesetz erlassen würde. Weit gefehlt!
        Denn um das Leben der Tiere geht es genau bei dem ein-
        gereichten Gesetzestext nicht. Es geht vielmehr um das
        Ende eines Tierlebens und um die funktionale Umwand-
        lung eines Tieres in zum Verzehr geeignetes Fleisch. Es
        geht also um die Schlachtung, und es geht um Schlacht-
        tiere. Die Überweisung, die vorgeschlagen wird in die
        Ausschüsse für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
        cherschutz und Umwelt und Naturschutz, scheint mir
        deshalb konsequent zu sein, denn dort wird man sich mit
        Themen wie Hygiene bzw. unter dem Aspekt des Ver-
        braucherschutzes möglicherweise auch mit veterinärme-
        dizinischen und hygienerechtlichen Bestimmungen be-
        schäftigen.
        Man könnte also erwarten, dass es bei dem einge-
        reichten Gesetz um die Rahmenbedingungen für
        Schlachttiere vor dem Schlachten und die Hygienebedin-
        gungen unter dem Aspekt des Verbraucherschutzes für
        das aus den Schlachttieren entstehende Fleisch als Nah-
        rungsmittel gehen würde. Weit gefehlt! Weder beschäf-
        tigt sich der Gesetzgeber in seinem Begründungstext mit
        den Schlachttieren, den Lebendtransporten, den Zustän-
        den auf dem Fleischmarkt oder mit den gigantischen
        Transportmengen von Lebendtieren, die einzig zum
        Zweck der Auslastung großer Schlachtbetriebe quer
        durch Europa gekarrt werden und die teilweise auch des-
        halb lebend transportiert werden, damit sie als vermeint-
        liches regionales Schlachtgut unter veränderten Begrif-
        fen wie in veredelter Form als Parmaschinken oder als
        Südtiroler Bauchspeck wieder in den Lebensmittelmarkt
        kommen, noch geht es um die Hygienebedingungen oder
        grundsätzliche Fragen, wie sie bei Hausschlachtungen
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        elbstverständlich gesetzgeberisch geregelt sind, also
        richinenschau usw.
        Es geht bei genauer Betrachtung des Textes aus-
        chließlich um eine einzige Schlachtvorschrift, die sich
        m Kern weniger mit den vorgenannten Fragen beschäf-
        igt, als ausschließlich mit Dingen, die religiöse Gefühle
        on Menschen betreffen, die in Deutschland leben, sich
        ls gläubige Menschen empfinden und wahrnehmen und
        brahamitischen Weltreligionen angehören, aber eben
        icht der christlichen Weltreligion. Es geht um das
        chächten, also um das Zu-Tode-Bringen eines Tieres,
        ei dem religiöse, jahrtausendealte mündlich oder
        chriftlich weitergegebene Schlachtungsregeln zur An-
        endung kommen. Es geht um das Schächten, welches
        owohl im jüdischen als auch im moslemischen Glauben
        n den jeweiligen religiösen Riten und für die gläubigen
        enschen eine große Rolle spielt. Es geht um koscheres
        leisch für die Juden und um halales Fleisch für die
        uslime.
        Als Christ erinnere ich mich sehr gut an die Diskus-
        ion vor 20 oder 30 Jahren in Westdeutschland, als die
        rsten türkischen Gemeinden zum Opferfest das Schäch-
        en als Teil ihrer Religionsausübung praktizierten. Das
        ührte zu Entsetzen und die Unwissenheit um das, was
        raktiziert wird, und die Verwechslung des Schächtens
        ls alttestamentarische Form der ausschließlichen Dar-
        ringung eines Opfertieres führte immer wieder zu hefti-
        en Reaktionen. Hier konnte man zum ersten Mal das
        efühl bekommen, dass das christliche Abendland be-
        roht sei durch Schlachtrituale, die in einer bestimmten
        orm angewendet werden und die trotzdem zur Entste-
        ung von Schlachtgut, also letztendlich zu geschächte-
        em Fleisch, welches zum Verzehr dienen soll, prakti-
        iert wurden. Es geht also um Vorschriften, die für Tiere
        n der Grenzlinie zwischen Leben und Tod stehen. Hier
        estehe ich als Christ, dass ich mir manches vorstellen
        der auch persönlich ablehnen kann; aber trotzdem re-
        pektiere ich, dass gläubige Menschen im Kontext der
        brahamitischen Weltreligionen bestimmte Vorschriften
        is heute praktizieren, die für unsere Glaubensvorfahren
        uch gegolten haben.
        In diesem Zusammenhang möchte ich auch erwäh-
        en, dass die Schlachtungsregeln im Judentum und Is-
        am gerade als Tierschutzmaßnahme betrachtet werden,
        lso den Schmerz für das Tier möglichst auszuschließen.
        b eine vorherige Betäubung religionsgesetzlich erlaubt
        st, bedarf in der Tat der Beurteilung durch zu hörende
        xperten der jeweiligen Religionsgemeinschaften. Im
        udentum zum Beispiel gibt es Rabbiner, welche gleich-
        eitig Veterinäre sind und deshalb hohe Fachkenntnisse
        n beiden Feldern mitbringen.
        Bei dem hier eingebrachten Tierschutzgesetz geht es
        lso weniger um ein Schutzrecht für ein Tier, denn es
        ird so oder so in jedem Fall getötet  das zweifelt der
        esetzgeber auch gar nicht an , sondern es geht um die
        ötungsart, die Tötungsvorschrift und die mit dieser
        orschrift verbundenen Regeln. Die Regel heißt, das
        ier soll ohne Leid sterben, das heißt, ohne unerträgli-
        hen Schmerz, und dies, sagt mir mein Verstand, ist eine
        ute Regelung. Wenn ich aber ausblende, welche
        11990 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
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        Schmerzen ein Tier durchleiden muss in einem Schlacht-
        hof, bevor es getötet wird, und wenn ich ausblende, was
        an Ängsten, nachgewiesen durch die Cortisolmenge im
        Blut, existiert, bevor die Betäubung im Schlachtprozess
        einsetzt, dann halte ich es für schwierig, dass bei den
        hier in Rede stehenden Regelungen nun einerseits der
        Gläubige nachweisen soll, dass seine Religion zwingend
        diesen Ritus vorschreibt, und andererseits derjenige, der
        diesen Ritus praktiziert, nämlich den Schnitt bei dem
        Tier am Hals ansetzt, nachweisen soll, dass das Tier
        beim Ansetzen des Schnittes und beim Sterben keine zu-
        sätzlichen Schmerzen erleidet.
        Die Form, wie der Gesetzgeber nun in Art. l Abs. l die
        Beweislast den Gläubigen auferlegt, und zwar nur im
        Rahmen der Beweislast dieser Ausnahmeregelung zum
        normalen Schlachtprozess in Deutschland, halte ich ge-
        nau für das Problem. Während also auf einem Schlacht-
        hof die Frage nach der Angst von Tieren überhaupt nicht
        gestellt wird, obwohl Wissenschaftler nach meiner
        Kenntnis sehr wohl belegen können, welche Ängste
        Schlachttiere durchleben, bevor sie in den Schlachtpro-
        zess kommen, soll für die Ausnahme von der Regel ein
        höheres Maß an Beweislast entstehen als für die Regel.
        Dies halte ich für ein Problem, das hier bei mir, aber
        nicht nur bei mir, sondern nach meinen Gesprächen mit
        Juden und Moslems auch bei unseren Mitbürgern, die im
        Rahmen der abrahamitischen Religionen Nichtchristen
        sind, der Eindruck sich verfestigt, dass hier eine Aktuali-
        tät zu einem Thema vorgetragen wird, die sich weder aus
        Recht und Gesetz noch durch aktuelle Urteile ergibt,
        sondern einzig und allein in dem Kontext gespürt wird,
        den wir zurzeit in Deutschland immer wieder erleben.
        Da wird vom christlichen Abendland als Kerngröße ge-
        sprochen, da wird im Zusammenhang mit der europäi-
        schen Verfassung nicht von einem universellen Gott ge-
        sprochen, sondern der Bezug zum christlichen
        Abendland wird benannt. Da wird in aktuellster Art und
        Weise vom Fraktionsvorsitzenden der Union das Kruzi-
        fix für öffentliche Gebäude als Regelfall vorgeschlagen.
        In diesem Kontext fühlen sich Juden und Moslems in
        Deutschland zurückgewiesen und mit dieser scheinbar
        harmlosen Vorschrift im Tierschutzbereich unter Gene-
        ralverdacht gestellt. Es ist die ungute Mischung, die hier
        gedanklich entsteht, die Islamophobie, die in Deutsch-
        land mit jeder Debatte um Moscheen entsteht, aber eben
        auch um antisemitische Angriffe auf Mitbürger, die als
        Juden in Deutschland anfangen, deutlicher ihren Glau-
        ben leben zu wollen.
        Wenn ich aber, harmlos erscheinend, das Thema
        Schächten unter Tierschutzgesetz thematisiere und
        eine religiöse Beweislast Religionsgemeinschaften auf-
        erlege, die eine abschließend Autorität wie im Katholi-
        zismus mit dem Vatikan und dem Papst nicht kennen,
        und entsprechende Vorschriften teilweise gelebte und ri-
        tuelle Vorschriften sind, dann wird es schwierig zu klä-
        ren, wer alleine als autorisierte Person im Sinne des Tier-
        schutzgesetzes angesehen werden soll.
        Auch darf ich daraufhinweisen, dass die muslimi-
        schen Vertreter in Deutschland um die Anerkennung als
        Körperschaften des öffentlichen Rechtes kämpfen und
        dass es zurzeit gerade muslimische Glaubensvertreter
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        ibt, die versuchen, sich als gleichberechtigte Ge-
        prächspartner analog den christlichen Kirchen und der
        üdischen Glaubensgemeinschaft zu verankern. Hier darf
        ch aktuell daraufhinweisen, dass es der Innenminister
        st, der große Zweifel anmeldet. Wenn man also den
        uslimen gegenüber die Anerkennung als verbindliche
        nd staatlich anerkannte Glaubensgemeinschaft verwei-
        ert, gleichermaßen im Tierschutzgesetz eine Regel ver-
        nkert, die die religiös zwingend vorgeschriebenen Riten
        ttestieren soll, halte ich diese Vorgehensweise, vorsich-
        ig formuliert, für nicht zielführend, um nicht zu sagen:
        ür fadenscheinig. Deshalb würde ich am liebsten bean-
        ragen, das gesamte Gesetzgebungsverfahren an dieser
        telle zu beenden und schlicht zu überprüfen, ob sich
        ach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Thema
        Schächten irgend etwas in Deutschland verändert hat,
        as eine aktuelle Veränderungsnotwendigkeit erzwingt.
        arum soll der Gesetzgeber handeln, wenn nach mei-
        em Dafürhalten und nach Rücksprache mit Juden und
        uslimen auch nach ihrer Wahrnehmung sich nichts
        erändert hat? Ein Zurück zum, vorsichtig gesagt, illega-
        en Schächten vor dem Hintergrund des Bundesverfas-
        ungsgerichtsurteils, so wie ich es noch in Erinnerung
        abe, ein Zurück in die Illegalität halte ich für nicht ak-
        eptabel. Sollten aber die Mehrheit hier im Haus und die
        undesregierung der Meinung sein, dass man den hessi-
        chen Vorstoß hier weiter verfolgen sollte, wäre es
        laubwürdig, wenn die tierschutzrechtlichen Aspekte
        ern von jeder Glaubensfrage einfach nur unter dem As-
        ekt der Vergleichbarkeit geprüft werden. Das heißt
        ber, dass die gesamte Kette zu betrachten ist und nicht
        infach nur der Halsschnitt, wie er hier unter dem Buch-
        taben B dargestellt wird. Die Frage von Angst und
        chmerzen und die Wechselwirkung zwischen Angst
        nd Schmerzen ist dann auch für sämtliche andere
        chlachttiere zu betrachten, und man müsste gleicher-
        aßen mit den Religionsgemeinschaften bzw. mit den
        ertretern der abrahamitischen Weltreligionen in
        eutschland dahin gehend im Gespräch sein, dass wir
        ns auch ihre Glaubensvorschriften erläutern lassen und
        arauf hören.
        Gegebenenfalls gibt es die von mir schon angespro-
        hene Möglichkeit, in der Finalphase auch im Wege des
        lektroschocks eine Kurzzeitbetäubung als Option zu
        ennen. Ich möchte aber als Vertreter meiner Fraktion
        ieses nicht ohne oder gegen den Willen der Vertreter
        es muslimischen oder des jüdischen Glaubens in den
        esetzestext aufnehmen. Für mich gehören gleichbe-
        echtigt, wenn es um religiöse Themen geht, deren Re-
        räsentanten mit an den Gesprächstisch. Deswegen fehlt
        ir hier auch eine ernsthafte Überweisung des Gesetzes-
        extes zuallererst an diejenigen, die es betrifft, wenn wir
        hn schon nicht an die Interessenvertreter der Tiere sel-
        er überweisen können; denn dann würden uns die Inte-
        essenvertreter der Tiere alle anderen Fragen des mit Fü-
        en getretenen Tierschutzes bei der gelebten
        chlachtpraxis sämtlicher Schlachttiere in Deutschland
        m die Ohren hauen. Um dem Vorwurf zu entgehen,
        ass hier eine antisemitische oder antiislamische Vor-
        chrift, harmlos als Tierschutz verkleidet, in den Gesetz-
        ebungstext kommen soll, müssen wir also zuallererst
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11991
        (A) )
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        mit diesen Vertretern selbst sprechen und mit ihnen Lö-
        sungswege erörtern.
        Der überwiesene Gesetzestext aus dem Bundesrat
        scheint nicht zielführend und adäquat das Problem zu er-
        fassen. In der Stellungnahme der Bundesregierung wird
        darauf eingegangen. Der gesetzgeberische Lösungsan-
        satz müsste sich deshalb auch und gerade über die Reli-
        gionsfreiheit entwickeln. Deshalb erbitte und beantrage
        ich auch eine entsprechende Anhörung und eine Be- und
        Erarbeitung mit Vertretern der muslimischen und jüdi-
        schen Menschen in Deutschland auf gleicher Augen-
        höhe.
        Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE
        GRÜNEN): Wir debattieren heute über zwei wichtige
        Punkte, die den Tierschutz in Deutschland verbessern
        sollen: das Verbot des betäubungslosen Schächtens und
        eine Ermächtigungsgrundlage für die Einrichtung eines
        Zirkuszentralregisters.
        Auf den ersten Blick haben beide Themen nicht viel
        miteinander zu tun, auf den zweiten Blick sehr wohl. Es
        geht in beiden Fällen um den notwendigen Respekt und
        um die Wahrung der Würde im Umgang mit Tieren, die
        wir für menschliche Bedürfnisse nutzen. Es geht darum,
        ob wir das immer wieder vorgetragene Bekenntnis zum
        Staatsziel Tierschutz auch rechtlich untermauern wollen.
        Das deutsche Tierschutzgesetz verbietet das betäu-
        bungslose Schlachten von warmblütigen Tieren, weil es
        eine vorsätzliche und barbarische Tierquälerei darstellt.
        Eine Ausnahmegenehmigung darf bislang erteilt werden,
        wenn zwingende Vorschriften einer Religionsgemein-
        schaft dies verlangen. Diese Genehmigungsmöglichkeit
        stellt jedoch eine Kann- und keine Mussbestimmung dar.
        Das Grundrecht auf freie Religionsausübung kann
        und darf nicht das im Grundgesetz verankerte Staatsziel
        Tierschutz aushebeln. Bündnis 90/Die Grünen begrüßen
        daher den Beschluss des Bundesrates vom 6. Juli 2007,
        der klarstellt, dass die Ausnahmegenehmigung an den
        Nachweis gebunden sein muss, dass bei dem Tier vor,
        während und nach dem Schächtschnitt im Vergleich zu
        dem Schlachten mit 
 Betäubung keine zusätzlichen er-
        heblichen Schmerzen oder Leiden auftreten.
        Meine Gespräche mit Vertretern der muslimischen
        Religionsgemeinschaften in Deutschland haben ergeben,
        dass eine Elektrokurzzeitbetäubung mit den rituellen
        Vorschriften des Schächtens durchaus vereinbar ist. Aus
        unserer Sicht gewährleistet dieses Verfahren daher einen
        tragfähigen Ausgleich zwischen Religionsfreiheit und
        Tierschutz, denn es ermöglicht das für die Schächtung
        charakteristische Ausbluten, erspart den durch die Be-
        täubung bewusstlosen Tieren aber Leiden und Schmer-
        zen.
        Ich möchte es ausdrücklich betonen: Nicht das
        Schächten an sich steht in der Kritik, sondern das betäu-
        bungslose Schächten, bei dem gefesselten und niederge-
        worfenen Tieren mit einem scharfen Messer die vordere
        Halshaut, Halsmuskel, Speise- und Luftröhre sowie
        beide Halsschlagadern unbetäubt durchtrennt werden.
        Eine grausame, brutale Art des Tötens, bei dem das Tier
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        ei vollem Bewusstsein schrecklich leidet, praktisch bis
        um Auslaufen des letzten Blutstropfens, was bis zu
        3 Minuten dauern kann, weil die großen, das Gehirn
        ersorgenden Arterien innerhalb der Halswirbelsäule
        benso wie das Rückenmark und die zwölf Hirnnerven
        icht durchtrennt werden und wegen der knöchernen
        mmantelung auch nicht durchtrennt werden können,
        odass keine Bewusstlosigkeit eintritt.
        Der Vorgang des Schächtens bleibt hinsichtlich der
        uswahl der Tiere, der Positionierung des Tieres beim
        chächten, Schächtschnitt, Schächtgebete, religiöse Aus-
        ildung des Schächters usw. völlig unbeeinträchtigt. All
        as wird von Tierschutzseite uneingeschränkt respektiert.
        Das Verbot des betäubungslosen Schächtens und da-
        it die Beseitigung von Ausnahmen vom Verbot des be-
        äubungslosen Schlachtens stellt keine Diskriminierung
        ar, sondern eine gebotene Gleichbehandlung aller
        iere, und es sichert die Gleichrangigkeit zweier grund-
        esetzlicher Werte.
        Es muss das Ziel der gesamten Gesellschaft und aller
        eligionsgemeinschaften sein, mehr für den Schutz der
        iere zu tun. Die im Tierschutzgesetz genannte Ver-
        flichtung, Tiere vor vermeidbaren Leiden und Schmer-
        en zu schützen, betrifft uns alle.
        nlage 10
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Ersten Geset-
        zes zur Änderung des Personalanpassungsgeset-
        zes (Tagesordnungspunkt 23)
        Ernst-Reinhard Beck (CDU/CSU): Für die Funk-
        ionsfähigkeit und Einsatzbereitschaft der Streitkräfte ist
        icht nur eine adäquate Ausrüstung unabdingbar, son-
        ern ist insbesondere eine ausgewogene Alters- und
        ähigkeitsstruktur zwingend erforderlich. Diese Forde-
        ung gilt speziell seit sich die Art der Bundeswehrein-
        ätze im Rahmen weltweiter internationaler Verpflich-
        ungen gewandelt hat. Auslandseinsätze sind physisch
        nd psychisch extrem fordernd. Darin unterscheidet sich
        ie Bundeswehr essenziell vom übrigen öffentlichen
        ienst.
        Der gegenwärtige militärische Personalkörper ist in-
        olge der mehrfach vorgenommenen Veränderungen von
        truktur und Gesamtpersonalumfang durch erhebliche
        nwuchten im Altersaufbau gekennzeichnet. Denn der
        bergang zum Personalstrukturmodell PSM 2010 ruft
        ei den Berufssoldaten erhebliche Überhänge in der Al-
        ers- und Dienstgradschichtung hervor. Das heißt: Die in
        er Gesamtbetrachtung der Laufbahnen vorhandenen
        trukturellen Überhänge verzögern einen Personalauf-
        uchs, der an der Einsatzorientierung ausgerichtet ist.
        Dieser Überhang resultiert aus einer Zeit, in der die
        rmee bis zu 375 000 Soldaten zählte. Inzwischen ist
        as Ziel der Transformation  der Abbau auf
        50 000 Soldaten bis zum Jahr 2010  bereits heute er-
        eicht. Insgesamt werden nach Einschätzung der Bun-
        11992 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
        (A) )
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        deswehr daher 4 200 Berufssoldaten auf ihren derzeiti-
        gen Posten nicht mehr benötigt.
        Das Verteidigungsministerium will mit dem vorlie-
        genden Gesetz eine Regelung verlängern, die Ende 2006
        ausgelaufen ist. Nach jenem Personalanpassungsgesetz
        waren zwischen 2002 und Ende 2006 insgesamt
        2 775 Berufssoldaten in den vorzeitigen Ruhestand ver-
        abschiedet worden, davon war der Großteil Offiziere.
        Jetzt zielt die Maßnahme vor allem auf die Portepee-Un-
        teroffiziere.
        Der Generalinspekteur schreibt in seinem Bundes-
        wehrplan 2008, dass andere darüber hinaus vorhandene
        ressorteigene Instrumentarien der Personalsteuerung
        eine dem Ziel entsprechende Binnenstruktur erst deut-
        lich nach 2012 erreichen ließen  falls keine unterstüt-
        zenden gesetzlichen Maßnahmen ergriffen würden. Eine
        gesetzliche Regelung zur dauerhaften Abmilderung von
        transformationsbedingten personalstrukturellen Verwer-
        fungen ist deshalb geboten.
        Die bestehenden strukturellen Überhänge behinderten
        und behindern einen Wechsel von zwingend erforderli-
        chen Verwendungsflüssen. Sie führten insbesondere zu
        einer Überalterung auf einsatzwichtigen Dienstposten.
        Eine ausreichende Zahl von Verwendungswechseln mit
        steigender Verantwortung und Anforderung ist im Rah-
        men der Einheitslaufbahn der Berufssoldaten und Be-
        rufssoldatinnen notwendig, um einen geordneten Ver-
        wendungsaufbau zu realisieren. Nur so können Soldaten
        und Soldatinnen für die Wahrnehmung höherwertiger
        Aufgaben qualifiziert sowie die Leistungsfähigkeit und
        Regeneration des Führungs- und Funktionspersonals je-
        derzeit sichergestellt werden. Vor dem Hintergrund der
        auch zukünftig weiter zunehmenden einsatzbezogenen
        Ausrichtung der Streitkräfte ist dies von zentraler Be-
        deutung.
        Das Personalanpassungsgesetz aus der 14. Wahl-
        periode, das die vorzeitige Zurruhesetzung von circa
        6 000 Berufssoldaten ermöglicht hat, hat wegen seiner
        zeitlichen Begrenzung bis Ende 2006 nicht alle überbe-
        setzten Geburtsjahrgänge der Bundeswehr erfasst. Perso-
        nelle Unwuchten sind weiterhin in den jüngeren
        Geburtsjahrgängen vorhanden. Sie binden somit Haus-
        haltsmittel, die an anderer Stelle gebraucht werden. Jün-
        gere Jahrgänge können nicht verpflichtet werden, es ent-
        steht eine Lücke im Personalaufbau.
        Auf Grundlage des am 11. November 2005 geschlos-
        senen Koalitionsvertrages wurde daher geprüft, wie die
        strukturellen Überhänge bei älteren Berufssoldaten mit
        Blick auf die Erfordernisse der Streitkräfte im Transfor-
        mationsprozess abgebaut werden können. Die vorge-
        nommene Prüfung ergab im Ergebnis die Notwendigkeit
        zur Änderung des Personalanpassungsgesetzes. Es sieht
        vor, dass in den Jahren 2007 bis 2011 bis zu 1 200 Be-
        rufssoldatinnen und Berufssoldaten mit ihrer Zustim-
        mung frühestens nach Vollendung des 50. Lebensjahres
        im dienstlichen Interesse in den Ruhestand versetzt wer-
        den können.
        Der Gesetzentwurf stellt keine bloße Fortschreibung
        des bisherigen Personalanpassungsgesetzes dar, sondern
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        etzt neue, überprüfbare, enge inhaltliche und zeitliche
        renzen. Damit soll sichergestellt werden, dass vorzei-
        ige Zurruhesetzungen als ultima ratio erfolgen.
        Diese Regelung ist an drei Voraussetzungen gebun-
        en:
        Erstens. Die Soldaten müssen das 50. Lebensjahr
        ollendet haben.
        Zweitens. Für sie besteht aus organisatorischen oder
        onstigen dienstlichen Gründen keine anderweitige ge-
        ignete Verwendungsmöglichkeit im Geschäftsbereich
        es Bundesministeriums der Verteidigung, das Dienst-
        erhältnis des Berufssoldaten kann nicht in das eines
        oldaten auf Zeit umgewandelt werden, oder der Soldat
        ann nicht in den Bereich einer anderen Bundesbehörde
        ersetzt werden.
        Drittens. Die Versetzung in den Ruhestand unter Be-
        ücksichtigung dient dazu, Jahrgangsstrukturen zu schaf-
        en, die die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr nachhal-
        ig verbessern und die keine vergleichbaren strukturellen
        olgen in anderen Geburtsjahrgängen erwarten lassen.
        Nur wenn alle drei genannten Voraussetzungen erfüllt
        ind, können die betroffenen Berufssoldaten in den Ru-
        estand versetzt werden.
        Die Kosten für die zusätzlich anfallenden Pensionen
        erden mit 110 Millionen Euro bis 2018 veranschlagt.
        Die Bundeswehr befindet sich immer noch in der
        ransformation von einer Armee in der Bereitschaft hin
        u einer Armee für den Einsatz. Insbesondere in den
        insätzen kommen auf die Soldaten überdurchschnittli-
        he Belastungen zu, die so in anderen Berufsgruppen
        icht vorkommen und die insbesondere durch ältere Sol-
        aten nicht ohne Auswirkungen auf die Gesundheit be-
        ältigt werden können. Aus diesem Grunde ist dringend
        rforderlich, die aus der Vergangenheit bestehenden Per-
        onalüberhänge zu beseitigen  im Interesse unserer
        icherheit und der Gesundheit der betroffenen Soldaten.
        Waren beim vorhergehenden Gesetz vor allem die Of-
        iziersdienstgrade betroffen, so sollen nun die Probleme
        m Bereich der Unteroffiziersdienstgrade beseitigt wer-
        en. Um die Bundeswehr weiter an die sicherheitspoliti-
        chen Gegebenheiten anzupassen, ist die durch das Ge-
        etz ausgelöste Maßnahme unabdingbar.
        Um die Leistungsfähigkeit der Soldaten und somit der
        undeswehr als Ganzes sicherstellen zu können, muss
        ine stete Auffrischung mit jungen Menschen erfolgen.
        in normales Pensionsalter für alle Soldaten würde be-
        euten, dass die Bundeswehr innerhalb kürzester Zeit
        beraltert wäre. Dies würde ihrem Auftrag nicht gerecht.
        Auch von Soldatenseite stößt das Personalanpas-
        ungsgesetz kaum auf Gegenwehr. Im Gegenteil: Ge-
        präche mit potenziellen Kandidaten bestärken diese
        ffizielle Sicht. Daher stimmt die Union für den Gesetz-
        ntwurf.
        Rolf Kramer (SPD): Mit dem hier vorgelegten Ent-
        urf eines Gesetzes zur Änderung des Personalanpas-
        ungsgesetzes wird ein weiterer Punkt aus dem Koali-
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11993
        (A) )
        (B) )
        tionsvertrag von CDU/CSU und SPD abgearbeitet.
        Bedingt durch die Transformation der Bundeswehr war
        es notwendig, die vorhandenen strukturellen Überhänge
        bei älteren Berufssoldaten abzubauen. Dazu wurde im
        Jahre 2001 von der damaligen rot-grünen Bundesregie-
        rung das Personalanpassungsgesetz verabschiedet. Die-
        ses Gesetz war allerdings bis Ende 2006 zeitlich be-
        grenzt und konnte so, entgegen der ursprünglichen
        Absicht, nicht alle überbesetzten Jahrgänge erfassen.
        Nach wie vor ist der Personalkörper der Bundeswehr
        von Unwuchten geprägt. Es besteht zurzeit nach Aus-
        kunft des Verteidigungsministeriums ein personeller
        Überhang von etwa 4 200 Berufssoldaten. Strukturge-
        rechte Einstellungen wurden aufgrund der Bindung von
        Haushaltsmitteln behindert. Damit fehlen jetzt Berufs-
        soldaten jüngerer Jahrgänge, was zu weiteren Verwer-
        fungen in der Personalstruktur führte.
        Vor diesem Hintergrund ist die Schaffung einer recht-
        lichen Möglichkeit für weitere vorzeitige Zurruhesetzun-
        gen von Berufssoldatinnen und Berufssoldaten unbe-
        dingt notwendig. Ein Abbau der personellen Überhänge
        durch reguläre Ruhestandsregelungen wäre erst in 15 Jah-
        ren erreichbar. Durch die zeitliche Erweiterung im Rah-
        men des Personalanpassungsgesetzes können in den Jah-
        ren 2007 bis 2011 bis zu 1 200 Berufssoldaten ab dem
        50. Lebensjahr in den vorzeitigen Ruhestand versetzt
        werden. Andernfalls wird die Einsatzbereitschaft der
        Streitkräfte beeinträchtigt. Schaffen wir nicht diese
        Möglichkeit, so verhindern die vorhandenen Überhänge
        eine planmäßige, alters- und strukturgerechte Versetzung
        von Soldatinnen und Soldaten auf Dienstposten, die sie
        im Interesse eines geordneten Verwendungsaufbaus und
        der erforderlichen Verwendungsbreite einnehmen müs-
        sen. Insbesondere im Hinblick auf das erweiterte Aufga-
        benspektrum der Streitkräfte mit ihren Einsätzen im
        Rahmen der Krisen- und Konfliktbewältigung wäre dies
        mehr als fahrlässig.
        Es handelt sich hier nicht um einen goldenen Hand-
        schlag, wie er in früheren Jahren einmal in der Bundes-
        wehr praktiziert worden ist. Die vorzeitige Zurruheset-
        zung kann und darf nur eine Ultima Ratio sein. Insofern
        ist die Forderung des Deutschen Bundeswehr-Verbandes
        nach einer noch stärkeren Ausweitung der Ausnahmere-
        gelung verständlich, aber nicht umsetzbar. Dieses Instru-
        ment darf keine dauerhafte Einrichtung zur Bereinigung
        struktureller Überhänge werden und sich nur auf die be-
        stehende Ausnahmesituation beziehen. Daher wird diese
        Möglichkeit auch an verschiedene Voraussetzungen ge-
        knüpft und zeitlich befristet. Dazu gehört, dass die be-
        troffenen Berufssoldatinnen und -soldaten weder durch
        Qualifizierungsmaßnahmen noch in organisatorischen
        Übergangsstrukturen anderweitig einsetzbar sind. Damit
        bleibt die Ausnahmeregelung eng begrenzt.
        Dieser Gesetzentwurf führt zu Mehrausgaben für die
        öffentlichen Haushalte. Im Bereich der Versorgung ent-
        stehen, zeitlich befristet, Mehrkosten dadurch, dass die
        Soldatinnen und Soldaten zu einem früheren Zeitpunkt
        als nach den sonst geltenden Altersgrenzenregelungen
        mit Anspruch auf Ruhegehalt in den Ruhestand versetzt
        werden. Diese Mehrkosten entstehen, wenn das Gesetz
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        n Kraft tritt, ab dem Jahr 2007. Vorgesehen ist eine Zur-
        uhesetzungsquote von ungefähr 240 Soldatinnen und
        oldaten pro Jahr für die Dauer von fünf Jahren. Damit
        teigen diese Mehrkosten von 2,7 Millionen Euro in
        007 auf 20,8 Millionen Euro im Jahre 2011. Danach
        inken sie wieder bis zum Jahre 2018 auf 1,1 Millionen
        uro und entfallen schließlich ganz. Insgesamt wird
        iese Regelung die öffentlichen Haushalte mit rund
        10 Millionen Euro belasten. Eine Summe, die aus mei-
        er Sicht tragbar ist, um die Einsatzfähigkeit unserer
        treitkräfte dauerhaft zu sichern.
        Die Regelung, die mit diesem Gesetzesvorschlag in
        raft treten wird, ist mitnichten eine übermäßige Bevor-
        ugung der Bundeswehr gegenüber anderen Berufsgrup-
        en, sondern eine mit Augenmaß gefundene Regelung
        ur notwendigen Anpassung unserer Streitkräfte an die
        euen Notwendigkeiten.
        Birgit Homburger (FDP): Zum dritten Mal, nach
        985, 1991 und 2001, debattieren wir einen Gesetzent-
        urf, der die vorzeitige Pensionierung von Berufssolda-
        innen und Berufssoldaten zum Ziel hat.
        Während das Personalstrukturgesetz von 1985 als
        ielsetzung die Milderung des erheblichen Beförde-
        ungs- und Verwendungsstaus durch die vorzeitige Pen-
        ionierung von 1 200 Berufssoldaten hatte, ging es bei
        em Personalstärkegesetz von 1991 um etwas ganz an-
        eres. Zur Erreichung der deutschen Einheit hatte sich
        ie Bundesrepublik Deutschland unter anderem dazu
        erpflichtet, den Personalbestand der Streitkräfte bis
        um 31. Dezember 1994 auf 370 000 Soldaten zu ver-
        indern. Die Notwendigkeit, der verkleinerten Bundes-
        ehr einen sinnvollen und wirksamen Personalaufbau zu
        rhalten bzw. zu ermöglichen, erforderte es, dass min-
        estens 6 800 Berufssoldaten bis Ende 1994 vorzeitig
        ur Ruhe gesetzt wurden. Die vorzeitige Zurruhesetzung
        tand also in unmittelbarem Zusammenhang mit der Re-
        uzierung der Personalstärke der Bundeswehr. Sie war
        eshalb zwingend notwendig.
        2001 war die Sachlage schon etwas anders. Es ging
        ei dem damals erlassenen Personalanpassungsgesetz
        icht um eine Personalreduzierung, sondern um eine
        erbesserung der Altersstruktur der Offiziere und Unter-
        ffiziere. Unwuchten im Personalkörper der Bundes-
        ehr sollten durch die vorzeitige Pensionierung von
        000 Berufssoldaten beseitigt und strukturgerechte Ein-
        tellungen des Nachwuchses ermöglicht werden.
        Nun, 2007, sollen erneut 1 200 Berufssoldatinnen und
        erufssoldaten die Möglichkeit erhalten, bis 2011 be-
        eits nach Vollendung des 50. Lebensjahres in den Ruhe-
        tand zu treten. Diese Maßnahme würde den Bundeshaus-
        alt mit Mehrausgaben in Höhe von rund 110 Millionen
        uro belasten. Es handelt sich hier um reine Mehrausga-
        en, da das vorliegende Personalanpassungsgesetz nicht
        m Rahmen einer Reduzierung des Personalumfangs der
        undeswehr zu sehen ist.
        Um es klar zu sagen: Es soll keine einzige Haushalts-
        telle im Zuge der Frühpensionierung gestrichen wer-
        en!
        11994 Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
        (A) )
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        Ziel dieses Gesetzes ist es einzig und allein, wie
        schon 2001, die sogenannten Unwuchten im militäri-
        schen Personalkörper zu beseitigen. Diese Unwuchten,
        besser gesagt, die ungleichen Jahrgangsstärken, bestehen
        tatsächlich. Aber sie sind zum einen nicht gottgegeben,
        sondern von der Personalabteilung des Bundesministe-
        riums der Verteidigung herbeigeführt. Zum anderen
        wurden Haushaltsstellen, die durch vorzeitige Pensionie-
        rungen infolge der früheren Personalstruktur-, Personal-
        stärke- und Personalanpassungsgesetze frei geworden
        waren, nicht im ausreichenden Maß zur Verbesserung
        des Stellenkegels genutzt. Jetzt rächt sich die über Jahr-
        zehnte praktizierte falsche Personalpolitik des Verteidi-
        gungsministeriums.
        Hierfür den Steuerzahler zur Kasse zu bitten ist ver-
        antwortungslos, zumal in einer Zeit, in der das Renten-
        eintrittsalter eben von dieser Regierung auf 67 Jahre an-
        gehoben wurde. Das passt nicht zusammen. Eine
        bestimmte Zahl von Staatsdienern soll sage und schreibe
        17 Jahre eher in den Ruhestand treten können, und das
        ohne Abschläge bei den Pensionsleistungen. Der Steuer-
        zahler soll für Fehler aufkommen, die in einem Bundes-
        ministerium gemacht worden sind.
        Es steht außer Zweifel, dass es einen Beförderungs-
        stau in der Bundeswehr gibt. Aber ist das eine Besonder-
        heit? Gibt es nicht auch Beförderungsstaus in anderen
        Ministerien oder bei der Polizei? Inwieweit wurden ei-
        gentlich die bisherigen drei Frühpensionierungsaktionen
        bei der Bundeswehr zur Verbesserung der Personalstruk-
        tur genutzt?
        Es wundert mich schon sehr, dass ein der CDU ange-
        hörender Verteidigungsminister dem Bundestag einen
        erneuten Entwurf für eine Frühpensionierung von Be-
        rufssoldaten vorlegt, wo doch seine Fraktion das Perso-
        nalanpassungsgesetz von 2001 abgelehnt hat. Als
        Gründe wurden in der Debatte am 9. November 2001
        unter anderem aufgeführt: Frühpensionierungsregelun-
        gen sind zur Bewältigung personeller Strukturprobleme
        grundsätzlich ungeeignet; eine Überalterung der Bun-
        deswehr findet auch ohne Frühpensionierung nicht statt,
        da die Berufssoldaten bereits einer besonderen Alters-
        grenze unterliegen; der Bevölkerung ist es nicht vermit-
        telbar, dass Berufssoldaten zu einem derartig frühen
        Zeitpunkt  mit 50 Jahren  in Pension gehen dürfen; es
        ist nicht vermittelbar, dass die Bundesregierung die
        Möglichkeit einer Frühpensionierung schaffen will, ob-
        wohl der Bundeswehr 12 000 länger dienende Soldaten
        fehlen.
        Alle damals von der CDU/CSU-Fraktion aufgeführ-
        ten Gründe gegen das Personalanpassungsgesetz treffen
        unverändert zu. Hinzu kommt erschwerend, dass das
        Renteneintrittsalter zwischenzeitlich von 65 auf 67 Jahre
        angehoben wurde.
        Darüber hinaus kann ich nur feststellen: Attraktivität
        eines Berufsbildes schafft man nicht durch eine um
        17 Jahre vorgezogene Pensionierung, Attraktivität
        schafft man zum Beispiel durch die Schaffung eines in-
        teressanten Berufsbildes, durch eine leistungsgerechte
        Besoldung und Förderung, durch familienfreundliche
        Versetzungspraktiken sowie durch eine angemessene
        Versorgungsgesetzgebung.
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        Inge Höger (DIE LINKE): Nein, es ist keine Satire:
        ie Bundesregierung will mit dem Gesetz zur Änderung
        es Personalanpassungsgesetzes die Rente mit 50 ein-
        ühren, und zwar bei vollem Lohnausgleich, aber natür-
        ich nicht für die Mehrheit der Beschäftigten. Für diese
        urde ja erst kürzlich die Rente mit 67 beschlossen, und
        er früher in den Ruhestand geht, muss mit massiven
        ürzungen rechnen. Da Unternehmen häufig schon Be-
        chäftigte über 50 für zu alt halten und deswegen Mittel
        nd Wege finden, sich dieser Mitarbeiter vorzeitig zu
        ntledigen, bedeutet Rente mit 67 für die meisten Men-
        chen eine massive Absenkung des Rentenniveaus. Die
        undesregierung hat mit diesem Vorstoß eine spezielle
        ruppen von sogenannten überflüssigen Beschäftigen
        m Blick. Auch die Bundeswehr will Mitarbeiter über
        0 loswerden, und zwar konkret Unteroffiziere ab Jahr-
        ang 1957. Bei diesen bemüht sich die Regierung um
        esondere Fürsorge und plant den goldenen Handschlag.
        iesen gibt es natürlich nicht zum Nulltarif: 110 Millio-
        en Euro will sich die Bundesregierung die Beseitigung
        es strukturellen Überhangs bei den Bundeswehrange-
        örigen kosten lassen.
        Worum geht es der Bundesregierung mit diesem Ge-
        etz? Es geht darum, die Aktionsfähigkeit der Bundes-
        ehr für weltweite Kriegs- und Besatzungseinsätze zu
        erbessern. Dabei stehen gegenwärtig noch einige tau-
        end ältere Unteroffiziere im Weg. Die Armee im Ein-
        atz will junge Unteroffiziere mit hoher körperlicher
        eistungsfähigkeit. Dieser Nachwuchs für die Auslands-
        insätze kann zurzeit aber nicht in gewünschtem Um-
        ang angeworben und vor allem nicht zur Motivation be-
        ördert werden, da auf den entsprechenden Stellen ältere
        nd für die Auslandsabenteuer beschränkt taugliche Kol-
        egen sitzen. Das Personalanpassungsgesetz zeigt ein-
        rucksvoll, dass die Politik der Bundesregierung grund-
        egend in die falsche Richtung geht. Obwohl alle wissen,
        ass Beschäftigte längst vor dem Erreichen des Ren-
        enalters in den Betrieben häufig nicht mehr erwünscht
        ind, wird das Renteneintrittsalter erhöht. Obwohl die
        ehrheit der Menschen in Deutschland sich gegen Bun-
        eswehrkriegseinsätze ausspricht, finden diese statt. Und
        enn die Regierung bei ihrer militärischen Machtpolitik
        it ihrer eigenen Beschäftigungspolitik in Konflikt
        ommt, dann werden wie im vorliegenden Fall die Ge-
        etze entsprechend geändert. Dies ist eine komplette
        ankrotterklärung. Ich fordere die Regierung deswegen
        uf: Geben Sie sich doch bitte die Mühe, nach ziviler
        erwendung für ihre überzähligen Soldaten zu suchen,
        nstatt diese so früh wie möglich in den Ruhestand zu
        chicken. Das ist auch ein falsches Signal an die Wirt-
        chaft. Aber vor allem beenden Sie die Auslandseinsätze
        nd setzen Sie das Renteneintrittsalter wieder auf
        5 herab! Vielleicht sollten nicht Unteroffiziere über ihre
        ögliche Frühverrentung nachdenken, sondern die Mi-
        ister, die für die verfehlte Beschäftigungs- und Militär-
        olitik verantwortlich sind.
        Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        ie Anforderungen an die Soldaten und Soldatinnen der
        undeswehr sind durch die Auslandseinsätze deutlich
        estiegen. Gleichzeitig bringt die von Rot-Grün einge-
        Deutscher Bundestag  16. Wahlperiode  115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11995
        (A) (C)
        (B) )
        leitete Reform der Bundeswehr für ihre neuen Aufgaben
        im Rahmen kollektiver Friedenssicherung eine Reihe
        von sozialen Belastungen für die Bundeswehrangehöri-
        gen und ihre Familien mit sich, vor denen wir die Augen
        nicht verschließen dürfen. Deshalb haben wir Grünen in
        der Vergangenheit Maßnahmen wie das Personalanpas-
        sungsgesetz von 2001 oder das Attraktivitätsprogramm,
        mit denen der Beförderungs- und Verwendungsstau in
        der Bundeswehr deutlich abgebaut werden konnte, auch
        mitgetragen.
        Außer Acht lassen dürfen wir dabei aber nicht, dass
        die vorzeitige Pensionierung von Soldatinnen und Solda-
        ten nur eine gut begründete Ausnahmeregelung sein
        kann. Strukturelle Defizite können und dürfen auf Dauer
        nicht damit gelöst werden. Auch Gleichbehandlungsas-
        pekte müssen berücksichtigt werden. Wer wie die Bun-
        desregierung die Notwendigkeit längerer Lebensarbeits-
        zeit und den Stellenwert älterer Beschäftigter predigt,
        kann sich nicht eben dieser älteren Beschäftigten einfach
        entledigen. Auf der einen Seite wird für viel Geld auf
        das Potenzial von erfahrenen, qualifizierten und leis-
        tungsfähigen Männern und Frauen verzichtet. Auf der
        anderen Seite fehlt es an allen Ecken und Enden an zivi-
        blemlösung ausgeschöpft werden. Auch bezweifele ich
        nicht, dass für die Attraktivität des soldatischen Dienstes
        ein angemessenes Paket sozialer Leistungen ausschlag-
        gebend ist. Für die Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr
        reichen Attraktivitätssteigerungen aber nicht. Die jetzige
        Bundeswehrstruktur muss dringend auf den Prüfstein.
        Deshalb bin ich von dem von der Bundesregierung
        vorgelegten Personalanpassungsgesetz noch nicht über-
        zeugt. Ich traue den guten Worten der Bundesregierung
        nicht. Die Bundesregierung redet zwar viel von vernetz-
        ter Sicherheit, sie handelt aber nicht entsprechend. Für
        eine integrierte Sicherheitsstrategie fehlen vor allem
        entsprechende zivile und polizeiliche Kapazitäten für
        Friedensmissionen. Dafür brauchen wir eine andere
        Prioritätensetzung, und zwar nicht nur im Verteidigungs-
        haushalt. Wenn das nicht angegangen wird, besteht die
        Gefahr, dass Militäreinsätze eben doch zum Politikersatz
        werden.
        Statt wie die Union immer neue Aufgaben für die
        Bundeswehr im Innern zu fordern, brauchen wir endlich
        eine klare Richtungsentscheidung. Dafür mangelt es der
        Großen Koalition an Mut und Konsequenz. Es fehlt der
        Motor der Transformation. Deutschland leistet sich für
        len Expertinnen und Experten, die für die immer wichti-
        ger werdenden Aufgaben der humanitären Hilfe, der
        Krisenprävention und des zivilen Aufbaus zur Verfü-
        gung stehen. Diese katastrophale Schieflage führt dazu,
        dass die Bundeswehr länger im Einsatz bleiben muss als
        erforderlich. Das dürfen wir auch im Interesse der Solda-
        tinnen und Soldatinnen nicht hinnehmen.
        Ich stelle nicht in Abrede, dass angesichts der Beför-
        derungs- und Verwendungssituation vor allem bei älte-
        ren Portepee-Unteroffizieren Handlungsbedarf besteht.
        Bei ihnen kann angesichts des strukturellen Personal-
        überhangs nicht garantiert werden, dass sie ihre jewei-
        lige Laufbahnperspektive erreichen. Das hat negative
        Auswirkungen auf die Motivation und Dienstzufrieden-
        heit. Hier müssen deshalb alle Möglichkeiten zur Pro-
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        twa 29 Milliarden Euro eine Wehrpflichtarmee mit
        50 000 Soldaten und Soldatinnen sowie Zivilbeschäf-
        igten von denen 83 Prozent noch nie in einem Auslands-
        insatz waren. Aus der Antwort auf unsere Kleine
        nfrage zu Reservistinnen und Reservisten im Aus-
        andseinsatz geht hervor, dass nur ein Drittel der Offi-
        iere und Unteroffiziere der Bundeswehr und weniger
        ls 10 Prozent der Mannschaftsdienstgrade bislang an ei-
        em Auslandseinsatz teilgenommen haben. Von den
        ehr als 100 000 Zivilbeschäftigten der Bundeswehr
        aren gerade einmal 2 Prozent in einem Auslandsein-
        atz. Für eine belastbare und tragfähige Strukturreform
        uss die Rest-Wehrpflicht endlich vom Tisch. Alles an-
        ere ist auch gegenüber den Soldatinnen und Soldaten
        icht zu verantworten.
        115. Sitzung
        Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007
        Inhalt:
        Redetext
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 1
        Anlage 2
        Anlage 3
        Anlage 4
        Anlage 5
        Anlage 6
        Anlage 7
        Anlage 8
        Anlage 9
        Anlage 10